Der Durchgriff im deutschen und südafrikanischen Gesellschaftsrecht [1 ed.] 9783428526604, 9783428126606

Robert Schmidt vergleicht in der vorliegenden Arbeit Durchgriffsfragen im deutschen und südafrikanischen Recht. Der Schw

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Der Durchgriff im deutschen und südafrikanischen Gesellschaftsrecht [1 ed.]
 9783428526604, 9783428126606

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Schriften zum Internationalen Recht Band 173

Der Durchgriff im deutschen und südafrikanischen Gesellschaftsrecht Von

Robert Schmidt

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ROBERT SCHMIDT

Der Durchgriff im deutschen und südafrikanischen Gesellschaftsrecht

Schriften zum Internationalen Recht Band 173

Der Durchgriff im deutschen und südafrikanischen Gesellschaftsrecht

Von

Robert Schmidt

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-12660-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2006 / 2007 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Anfang 2006 berücksichtigt. Für die Betreuung und Förderung der Arbeit möchte ich Frau Prof. Dr. Dagmar Coester-Waltjen, Institut für Internationales Recht (Rechtsvergleichung), aufrichtig und sehr herzlich danken. Herrn Prof. Dr. Lorenz Fastrich danke ich für seine wertvollen Hinweise sowie die zügige Erstellung des Zweitgutachtens, seinem Assistenten, Dr. Wolfgang Servatius, für dessen bereitwilligen und hilfreichen Anmerkungen zum konzernrechtlichen Teil der Arbeit. Mein ganz besonderer Dank gilt aber – neben meiner Schwester – meinen Eltern, Erika und Hermann Schmidt. Ich habe in allen Lebensabschnitten uneingeschränkt auf sie zählen können, und ich verdanke ihnen meine gesamte Ausbildung. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. München, im Dezember 2006

Robert Schmidt

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

A. Durchgriffsverständnis in Deutschland / piercing-Verständnis in Südafrika und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 29 75

B. Rechtliche Verankerung der Durchgriffshaftung / des piercing of the corporate veil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Deutsche Rechtslage (Rechtliche Verankerung der Durchgriffshaftung) . . . II. Südafrikanische Rechtslage (Rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleichende Betrachtung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Südafrikanische Fallgruppe „Attribution / imputation of personal characteristics / knowledge / intention“ und vergleichbare deutsche Rechtslage . . II. Südafrikanische Fallgruppe „Evasion of a (contractual or legal) duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent / improper use of a corporate personality“ und deutsche Rechtslage (Fallgruppe „Rechtsmissbrauch“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Deutsche Fallgruppe „Unterkapitalisierung“ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Südafrikanische Fallgruppe „group-Rechtsverhältnisse“ und deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Deutsche Fallgruppe „Subjektvermischung“ / „Vermögensvermengung“ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144 147 181 184 184

222 257 285 320 329

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 E. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Entscheidungengesamtverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Verzeichnis verwendeter südafrikanischer / britischer Gesetze (statute law) und untergesetzlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Durchgriffsverständnis in Deutschland / piercing-Verständnis in Südafrika und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

25 29

Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Deutsche Rechtslage (Begriff des Durchgriffs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

a) Durchgriff als einheitliches Rechtsinstitut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

b) Definition des Begriffs Durchgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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aa) Durchgriff als Ausnahme zum Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . .

30

bb) Durchgriff als Ergebnis einer zu Lasten der Trennungsnorm entschiedenen Normzweckabwägung (Müller-Freienfels) . . . . . .

34

cc) Mischtheorien und Binnenhaftungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

(1) Flumes mitgliedschaftsrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . .

36

(2) Ermans Erklärungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

(3) Erlinghagens Organisationsfehlerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

(4) Binnenhaftung der Gesellschafter gegenüber der GmbH . . . .

39

(a) Wilhelms Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

(b) K. Schmidts Haftung wegen Verletzung einer mitgliedschaftlichen Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

2. Südafrikanische Rechtslage (Begriff des piercing of the corporate veil)

42

a) Piercing als einheitliches Rechtsinstitut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

b) Definition des Begriffs piercing of the corporate veil und piercing-Prüftests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

aa) Piercing als Ausnahme zum Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . .

46

bb) Benades billikheid-Test (1967) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

cc) Larkins entity approach (1989) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

dd) Weitere piercing-Prüftests aus der Rechtslehre: Domanskis objectified balancing-Test (1986) und Davids’ multi-factor equityTest (1994) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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ee) Ablehnung des piercing als Rechtsgrundsatz: Deliktsrecht (Welling) oder Arbeitsrecht (Flannigan) als Alternativen . . . . . .

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ff) Piercing-Prüftests der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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(1) Das Lategan v Boyes-obiter dictum (1980): Der fraud-Test . . .

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10

Inhaltsverzeichnis (2) Das Botha v Van Niekerk-obiter dictum (1983): Der onduldbare onreg-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Cape Pacific v Lubner (Smalberger)-Regel (1995): Der balancing-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzungen nach deutschem Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung der Durchgriffshaftung von allgemeinen Durchgriffsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überblick über die allgemeinen Durchgriffsfragen . . . . . . . . . . . . (1) Fälle sonstiger Rechtsfolgendurchgriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einwirkungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zurechnungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fälle wirtschaftlicher Personenidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung der Durchgriffshaftung (Existenzvernichtungshaftung) von Konzernaußenhaftung (Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Konzernrecht und Konzernaußenhaftungsrecht . . . . . . . . . . . . (2) (Konzern-)Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Konzernstufen und deren Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Abgrenzung des Vertragskonzerns vom faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Abgrenzung des qualifiziert faktischen Konzerns vom einfachen faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Voraussetzungen und Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtsnatur der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zweispurigkeit von Existenzvernichtungshaftung und qualifiziert faktischem Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Konzernaußenhaftung (Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern) als Fallgruppe der Durchgriffshaftung? . . . . . . . . . . . . . c) Abgrenzung der Durchgriffshaftung (Existenzvernichtungshaftung) von Primärhaftungstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die verschiedenen Primärhaftungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsgeschäftliche Primärhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Primärhaftung aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 3 BGB i.V. m. § 241 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Primärhaftung aus gesetztem Rechtsschein . . . . . . . . . . . . . . .

69 71 73 75 75 75 75 76 76 77 78 79

81 81 81 81 82 82 83 85 85 87 88 90 91 91 92 92 93 95

Inhaltsverzeichnis (4) Vertrauenshaftung aus venire contra factum proprium (§ 242 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Primärhaftung aus Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. einem verletzten Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Haftung aus § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis von Durchgriffshaftung (Existenzvernichtungshaftung) zu Primärhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungen nach südafrikanischem Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung von echtem (true) piercing zu unechtem piercing . . . . . aa) Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Echtes (true) piercing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unechtes piercing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gesetzesrechtliches piercing (statutory piercing) . . . . . . . . . . b) Abgrenzung von (echtem) piercing zu Primärhaftung . . . . . . . . . . . . . aa) Fraudulent / reckless trading (Orkin v Bell und § 424 Abs. 1 Companies Act) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Deliktische Haftung des Organs (director) aus negligence (Fairline Shipping v Adamson; Pinshaw v Nexus) . . . . . . . . . . . . cc) Haftung des director aus § 50 Abs. 3 (b) Companies Act, Haftung der Gesellschafter aus § 63 (a) Close Corporations Act . . . dd) Haftung aus ostensible assent (Auslegung von Willenserklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont) . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Unterlassungsanspruch gegen die Gesellschaft / Schadensersatzhaftung der Gesellschaft in Fällen von Umgehungen vertraglicher Wettbewerbsverbote mittels Verwendung einer abhängigen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Verhältnis von (echtem) piercing zu Primärhaftung . . . . . . . . . . . c) Dogmatisch eigenständiges konzernbezogenes piercing (group-related piercing)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtliche Verankerung der Durchgriffshaftung / des piercing of the corporate veil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Deutsche Rechtslage (Rechtliche Verankerung der Durchgriffshaftung) . . . 1. Durchgriffshaftung gemäß analoger Anwendung des § 128 Satz 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchgriffshaftung gemäß § 242 BGB als anspruchsbegründende Rechtsfolgenerstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Südafrikanische Rechtslage (Rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Agency-Konstruktionen (agency approach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis a) Sind agency-Konstruktionen ein piercing of the corporate veil? . . . . b) Voraussetzungen und Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Hauptanwendungsfall: Verbundene Gesellschaften (group) . . . . . bb) Definition des Begriffs group . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ist Beherrschung (control) allein ausreichend? . . . . . . . . . . . . . . . dd) Express agency-Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Inferred agency-Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Ostensible agency (estoppel)-Rechtsverhältnisse und verdeckte Stellvertretung (Doctrine of undisclosed principal) . . . . . . . . . . . c) Kritik am agency approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Partnership approach und partnership analogy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Enger Anwendungsbereich der partnership analogy . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzung domestic company (personalistische Kapitalgesellschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermittlungszweck „just and equitable“ i. S. d. § 344 (h) Companies Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) (Vorgeschlagener) Echter partnership approach bei einer group of companies (Milo): Gesamtschuldnerische Haftung verbundener Gesellschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestand einer Haftung der Obergesellschaft als partner . . . . . bb) Rechtliche Stützen (Obiter dicta aus der DHN-Entscheidung; § 66 Companies Act)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik am partnership approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sind die partnership analogy und der partnership approach ein piercing of the corporate veil? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Trusteeship approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vergleichende Betrachtung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Südafrikanische Fallgruppe „Attribution / imputation of personal characteristics / knowledge / intention“ und vergleichbare deutsche Rechtslage . . 1. Südafrikanische Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zurechnungen von Eigenschaften der directors oder der Gesellschafter auf die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zurechnung von Kenntnis / Wissen der directors oder der Gesellschafter auf die Gesellschaft außerhalb des Deliktsrechts . . . . . . . . . c) Zurechnung von Verhalten und Wissen der directors oder der Gesellschafter auf die Gesellschaft im Deliktsrecht (Deliktische Haftung der Gesellschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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169 170 171 173 174 177 180 181 184 184 184 184 190

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Inhaltsverzeichnis d) Sind solche Eigenschafts-, Wissens- und Verschuldenszurechnungen ein piercing of the corporate veil? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Rechtslage und vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Südafrikanische Fallgruppe „Evasion of a (contractual or legal) duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent / improper use of a corporate personality“ und deutsche Rechtslage (Fallgruppe „Rechtsmissbrauch“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Südafrikanische Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Definition der Begriffe fraud / impropriety im piercing-rechtlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umgangene Gebote oder Verbote (vertragliche, gesetzliche, gemeinrechtliche) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Rechtslage: Fallgruppe „Rechtsmissbrauch“ (instituts- / rechtsmissbräuchliche Verwendung der juristischen Person) . . . . . . . . . . a) Institutioneller Rechtsmissbrauch: Existenzvernichtungshaftung . . . . b) Individueller Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Deutsche Rechtslage im Hinblick auf die südafrikanische Fallgruppe und vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Deutsche Fallgruppe „Unterkapitalisierung“ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsche Fallgruppe „Unterkapitalisierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Stammkapital, Eigenkapital und Fremdkapital, Eigenkapitalersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterkapitalisierung (materielle, nominelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Südafrikanische Rechtslage (insolvent trading) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Share capital (issued share capital, authorised share capital) . . bb) Insolvency (factual insolvency und commercial insolvency) . . . . b) Rechtliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesellschafterdarlehen als haftender Eigenkapitalersatz? . . . . . . . . . . 3. Vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Südafrikanische Fallgruppe „group-Rechtsverhältnisse“ und deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Südafrikanische Fallgruppe group-Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konzernverständnis im südafrikanischen Recht: Group als Rechtsträger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behandlung von Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Agency-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

209 213

222 223 223 223 229 249 249 252 253 257 257 257 257 258 260 268 268 268 269 270 279 281 285 285 285 286 287

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Inhaltsverzeichnis bb) Economic entity-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Definition des Begriffs economic entity . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Economic entity-Rechtsprechung in England . . . . . . . . . . . . . . (3) Voraussetzungen einer economic entity-Konstruktion . . . . . . . (4) Ist die economic entity-Konstruktion eine allgemeingültige oder nur eine Einzelfall-Konstruktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ist die economic entity-Konstruktion ein piercing of the corporate veil? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Kritik an der economic entity-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Economic entity-Spuren in der südafrikanischen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Partnership-Konstruktion (Milo) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Rechtslage und vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . V. Deutsche Fallgruppe „Subjektvermischung“ / „Vermögensvermengung“ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektvermischung und Vermögensvermengung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Subjektvermischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriffsabgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögensvermengung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestand einer durchgriffshaftungsrechtlich erheblichen Vermögensvermengung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Südafrikanische Rechtslage und vergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfehlte Fallgruppe „Agency“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Südafrikanische Fallgruppe „Alter ego“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Südafrikanische Fallgruppe „Zugrunde liegende partnership-Struktur“ („Domestic company“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

287 287 288 298 300 301 303 306 310 311 320 320 320 320 320 322 323 325 326 329 329 330 340

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 E. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Entscheidungengesamtverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Verzeichnis verwendeter südafrikanischer / britischer Gesetze (statute law) und untergesetzlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

Abkürzungsverzeichnis A a. a. O. abbr. ab init. AbzG AC a. c. ACLR AcP AD ad int. aE affd AG AGB AGBG AJ AJA AJCompL AktG All ER ALR AmULR Am.U.L.Rev. anon AO AppCas App DC apx ArbGG arg Art., art. ASSAL Aus

Appellate Division am angegebenen Ort abbreviation; abbreviated ab initio Abzahlungsgesetz Law Reports, Appeal cases (Entscheidungen des House of Lords und des Privy Council ab 1891) anni currentis Australian Company Law Reports Archiv für die Civilistische Praxis Appellate Division ad interim am Ende affirmed Aktiengesellschaft(en) oder Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Acting Judge Acting Judge of Appeal American Journal of Comparative Law Aktiengesetz All England Law Reports Australian Law Reports American University Law Review American University Law Review anonymous Abgabenordnung Law Reports, Appeal cases (1875–1890) Appeal Cases, District of Columbia appendix Arbeitsgerichtsgesetz argument Artikel Annual Survey of South African Law Australia

16 BAG BAGE BayObLG BB BCC BCLC BGB BGBl BGH BGHZ BL BLLR BML Bpk. BSG BSGE BVerfG BVerfGE BVerfGG BVwG C CA Can CB CB (NS) CCA cf ch Ch ChApp ChD cic CICL CIR CirCt CJ CLDS CLJ CLR Co. Cod.

Abkürzungsverzeichnis Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebsberater British Company Law Cases Butterworth’s Company Law Cases Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Zivilsachen, Amtliche Sammlung Businessman’s Law Butterworth’s Labour Law Reports Businessman’s Law Beperk (= Limited) Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts, Amtliche Sammlung Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Amtliche Sammlung Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Cape Provincial Division Decisions of the English Court of Appeal oder Companies Act (Nr. 61 von 1973) Canada Chief Baron; Common Bench Reports Chief Baron (New Series) Close Corporations Act (Nr. 69 von 1984) confer chapter Law reports, Chancery Division (ab 1891) Chancery Appeals (Law Reports) Law reports, Chancery Division (1875–1890) culpa in contrahendo Contemporary Issue in Company Law Commissioner for Inland Revenue Circuit Court Chief Justice Corporate Law Development Service Cambridge Law Journal Commonwealth Law Reports Company Codex

Abkürzungsverzeichnis col ColLR Co Rep corp. CorporateLR Cox CP CPA CPD CRIC DB DC Cir DCD ders. d.h. d.i. DLR DM DR DRiZ DStR E ed, eds EDC EDL Edms EEC eg, e. g. EGAktG EGBGB EGHGB EGInsO EGZPO Eng Eq esp, esp. et al etc, etc. et seq e. V. EWiR ExD

column Columbia Law Review Coke’s Reports corporation Corporate Law Review Cox’s Equity cases Law Reports, Common Pleas Criminal Procedure Act (Nr. 51 von 1977) Cape Provincial Division Coordination Research Institute for Corporate Law (UOFS) Der Betrieb District of Columbia Court of Appeal Cases Reports of the Durban and Coast Local Division derselbe Autor, dieselbe Autorin das heißt das ist Dominion Law Reports Deutsche Mark Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht Eastern Cape Division edition, editor; editions, editors Reports of the Eastern Districts Court of the Cape of Good Hope Reports of the Eastern Districts Local Division Eiendoms (= Proprietary) European Economic Community exempli gratia Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung England Equity Reports; Equity Cases especially et alii et cetera et sequentes eingetragener Verein Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Law Reports, Exchequer Division (1875–1880)

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18 F F 2d FedC FedCA FGG FLR Fn. FS FSR GB GbR GmbH GmbHG GmbHR GS GVG GWB HarvLR HC HGB HL HLC HPflG HR IA ibid. ICLQ id, ders. ie, i. e. ILQ ILR Inc. InsO i. o. w. IPR i. q. J JA JBL J.C.D. JCLIL JCPC

Abkürzungsverzeichnis Federal Reporter Federal Reporter, 2nd Series Federal Court Federal Court of Appeal (Kanada oder Australien) Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Federal Law Reports (Australia) Fußnote Festschrift für Fleet Street Reports of Patent Cases Great Britain Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gedächtnisschrift für Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Harvard Law Review High Court Handelsgesetzbuch House of Lords Clark’s Reports, House of Lords Haftpflichtgesetz Handelsregister Insolvency Act 1986 ibidem International and Comparative Law Quarterly idem id est International Law Quarterly International Law Reports Incorporated Insolvenzordnung in other words Internationales Privatrecht idem quod Judge Judge of Appeal oder Juristische Arbeitsblätter Journal of Business Law Juris Civilis Doctor Journal of Comparative Legislation and International Law Judicial Committee of the Privy Council

Abkürzungsverzeichnis JJ JP jP JuS JW JZ KAGG Kap. KB KBD KG KO KTS La. La.Ann. LAG LaLRev LAWSA LC LCJ LEd LG LJ LJCh LJHL LJJ LJPC LJR ll. Ll.L.Rep. loc cit LQR LR LRChApp LRChCP LREx LRHL LRQB LT Ltd., Ltd Mass.

19

Judges; Justices Judge President juristische Person Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitel Law Reports King’s Bench (1901–1952) King’s Bench Division Kommanditgesellschaft Konkursordnung Zeitschrift für Insolvenzrecht (Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen) Louisiana Louisiana Annual Reports Landesarbeitsgericht Louisiana Law Review Law of South Africa Lord Chancellor oder Labour Court Lord Chief Justice Lawyer’s Edition (U.S. Supreme Court Reports) Landgericht Lord Justice Law Journal, Chancery Division Law Journal, House of Lords Lords Justices of Appeal Law Journal, Privy Council Law Journal Reports leges Lloyd Law Peports in loco citato Law Quarterly Review Law Reports oder Law Review Law Reports, Chancery Appeal Cases (1865–1857) Law Reports, Common Pleas Cases (1865–1875) Law Reports, Exchequer Cases (1965–1975) Law Reports, English and Irish Appeals (1866–1875) Law Reports, Queen’s Bench (1865–1875) Law Times Reports (1859–1947) Limited Massachusetts

20 MDR Mich MichLR Misc MLR MR m.w. N. N NC nF NJ NJW NJW-RR NPD NY NYLJ NZ NZA NZCLC NZG NZLR NZS O oHG OLG OLGZ op cit OPD par(s) PC per cur p, p. pp, pp. Prof Pty, Pty. Pvt, Pvt. QB QBD QR R RabelsZ

Abkürzungsverzeichnis Monatszeitschrift für Deutsches Recht Michigan Michigan Law Review Miscellaneous Reports (N.Y.) Modern Law Review Master of the Rolls mit weiteren Nachweisen Natal Provincial Division Northern Cape Division Neufassung; neuer Fassung New Jersey Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport Reports of the Natal Provincial Division New York Reports New York Law Journal New Zealand Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht New Zealand Company Law Cases Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht New Zealand Law Reports Neue Zeitschrift für Sozialrecht Orange Free State Provincial Division offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen, Amtliche Sammlung opere citato Orange Free State Provincial Division paragraph(s) Privy Council per curiam page pages Professor Proprietary Private (Company) Law Reports Queen’s Bench (1891–1900; ab 1952) Law Reports Queen’s Bench Division (1875–1900) Quarterly Review Rhodesia Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel

Abkürzungsverzeichnis RAD re RG RGBl RGKR

RGZ RIW Rn. RPC RVO s s. s. a. SA SACLJ SALJ SAMercLJ SAR SARS SaskLR SATC SC Sc sc SCA

ScheckG SCR SGB SIR s. o. So. So.2d Sol.J. ss StellLR StGB StPO StVG StVO

21

Rhodesian Appellate Division regarding Reichsgericht Reichsgesetzblatt Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichtes und des Bundesgerichtshofes Entscheidungen des Reichsgerichts Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer, Randnummern Reports of Patent Cases oder Restrictive Practices Court Reichsversicherungsordung section siehe siehe auch South Africa; South African Law Reports South African Commercial Law Journal South African Law Journal South African Mercantile Law Journal Reports of the High Court of the South African Republic South African Revenue Service Saskatchewan Law Review South African Tax Cases Session cases (Schottland) or Cape Supreme Court (Südafrika) Scotland scilicet Supreme Court of Appeal [Mit Wirkung zum 7.2.1997 wurde die Appellate Division durch die Verfassung der Republik Südafrika in Supreme Court of Appeal umbenannt.] Scheckgesetz Canada Law Reports, Supreme Court (1923–) Sozialgesetzbuch Secretary for Inland Revenue siehe oben Southern Reporter Southern Reporter, 2nd series Solicitor’s Journal sections Stellenbosch Law Review Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrsordnung

22 s. u. subch sup s. v. SWA Syst.Darst. T THRHR TLR TPD trans. TRW TS TSAR TulLRev u. a. UCT u. i. UK UmwG UNISA UOFS UP UPA US u. s. USA UWC UWG VAG VerbrKrG VerglO vgl. vid Vis(c) viz vol vs v. s. v. v. VVG W

Abkürzungsverzeichnis siehe unten subchapter supra sub voce South-West African Provincial Division Systematische Darstellungen Transvaal Provincial Division Tydskrif vir Hedendaagse Romeins-Hollandse Reg Times Law Reports Reports of the Transvaal Provincial Division translated Tydskrif vir Regswetenskap Reports of the Transvaal Supreme Court Tydskrif vir die Suid-Afrikaanse Reg Tulane Law Review unter anderem University of Cape Town ut infra United Kingdom Umwandlungsgesetz University of South Africa University of the Orange Free State University of Pretoria Uniform Partnership Act United States ut supra United States of America University of the Western Cape Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Versicherungsaufsichtsgesetz Verbraucherkreditgesetz Vergleichsordnung vergleiche vide Viscount videlicet volume versus vide supra vice versa Versicherungsvertragsgesetz Witwatersrand Local Division

Abkürzungsverzeichnis WG WiB WLD WLR WM WPD WZG YaleLR ZGR ZHR ZIP ZPO ZVG ZVglRWiss

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Wechselgesetz Wirtschaftsrechtliche Beratung Witwatersrand Local Division Weekly Law Reports Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Witwatersrand Provincial Division Warenzeichengesetz Yale Law Review Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zivilprozessordnung Zwangsversteigerungsgesetz Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

Einführung Die vorliegende Arbeit vergleicht Durchgriffsfragen im südafrikanischen und deutschen Gesellschaftsrecht. Weder in Südafrika noch in Deutschland ist die Terminologie hierfür vereinheitlicht. Die vorliegende Arbeit verwendet aus Gründen der Einheitlichkeit durchgängig den üblichen Begriff des piercing of the corporate veil, obgleich der Begriff lifting of the corporate veil in Südafrika auch regelmäßig auftaucht. Im Hinblick auf die deutsche Rechtslage wird vorliegend nach Durchgriff (Durchgriffshaftung) einerseits und allgemeinen / sonstigen Durchgriffsfragen (vor allem tatbestandliche Zurechnungen und Erstreckungen von nicht auf Zahlung gerichteten Rechtsfolgen) andererseits unterschieden. Ferner werden Durchgriffs- und Konzernaußenhaftung sowie Durchgriffs- und Primärhaftungstatbestände als jeweils verschiedene Haftungskonzepte voneinander abgegrenzt. Der verbleibende Bereich, in dem Durchgriffshaftung dann noch einschlägig sein kann, verkleinert sich dadurch erheblich. Das gestellte Thema ist ohne Eingrenzungen uferlos. Eine ursprünglich beabsichtigte Beschränkung nur auf den Haftungsdurchgriff unter Aussparung der allgemeinen Durchgriffsfragen (des Zurechnungsdurchgriffs) hatte sich als nicht praktikabel erwiesen, da in Südafrika ein Haftungsdurchgriff (Haftung nach den Grundsätzen des piercing of the corporate veil) praktisch noch keine Rolle spielt und ein piercing of the corporate veil vielmehr nur im Bereich dessen stattfindet, was in Deutschland unter Zurechnungsdurchgriff bekannt ist. Auch umgekehrt konnte nicht verfahren werden angesichts der Bedeutung der Diskussion um den Haftungsdurchgriff im deutschen Recht. Nicht außer Acht gelassen werden konnte ferner die Geschäftsführerhaftung. Zwar spielt sie im deutschen Recht innerhalb der Durchgriffsproblematik keine Rolle (weder im Bereich der Haftung noch im Bereich tatbestandlicher Zurechnungen), und zwar auch nicht als sogenannter umgekehrter Durchgriff auf die Gesellschaft. Jedoch werden in Südafrika entsprechende Sachverhalte eingehend unter der Thematik des piercing of the corporate veil diskutiert. Außer Betracht gelassen wurde der Bereich des Steuerrechts, im deutschen Teil vollständig und im südafrikanischen Teil weitgehend (abgesehen von der Untergruppe der Kenntnis- / Wollenszurechnung innerhalb der südafrikanischen Attribution-Fallgruppe [Teil C. I.], weil dort außerhalb des Steuerrechts kaum anschauliche Fälle zu finden sind). Beiseite gelassen wurde ferner, soweit möglich, der gesamte Bereich dessen, was als gesetzlicher Haftungsdurchgriff bzw.

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Einführung

statutory piercing of the corporate veil diskutiert wird. Da jedoch in Südafrika im Gegensatz zu Deutschland auch außerhalb des Steuerrechts einige Normen (insbesondere § 424 Abs. 1 Companies Act,1 § 66 Companies Act und § 65 Close Corporations Act2) eine herausragende Rolle in der piercing-Diskussion einnehmen, konnte nicht darauf verzichtet werden, diese zu besprechen. Die Arbeit befasst sich allerdings darüber hinaus nicht mit der größeren Anzahl weiterer gesetzlicher Vorschriften, die in Südafrika auch noch mehr oder weniger häufig als statutory piercing angesehen werden. Eine umfassende Darstellung dieser Normen findet sich bei De Koker.3 Das Thema ist in Deutschland wie in Südafrika konturenschwach. Um ihm vergleichstaugliche Gestalt zu geben, wurde vorliegend die deutsche Thematik in ein Aufbauschema gepresst, das sich an Drax4 anlehnt. Zwar weist jenes durchaus Schwächen auf, doch bestach es durch seine rigorose Gliederung und erschien deshalb als Ausgangspunkt für einen Rechtsvergleich geeignet. Die südafrikanische Durchgriffsproblematik wurde anschließend weitgehend anhand dieses deutschen Aufbauschemas dargestellt. Dieser Aufbau hat sich nicht als mangelfrei erwiesen: Zum einen rückt Drax den (für Südafrika weitgehend unbedeutenden) Haftungsdurchgriff in den Mittelpunkt und grenzt um ihn herum andere Institute sowie die allgemeinen Durchgriffsfragen (Zurechnungsdurchgriff) ab. In Südafrika findet jedoch piercing of the corporate veil vornehmlich als Zurechnungsdurchgriff statt, so dass hierdurch die Vergleichssymmetrie der Arbeit zwangsläufig gelitten hat (vgl. Teil A. II. mit den Teilen C. I. und C. II.). Angesichts der Bedeutung des Haftungsdurchgriffs in der deutschen Durchgriffsdiskussion schien jedoch ein umgekehrter Aufbau nicht ratsam. Zum anderen ließ sich auch bei der weiteren Fallgruppendarstellung (Teil C) keine durchgängige Symmetrie durchsetzen: Denn einige Fallgruppen, die in der einen Rechtsordnung schon lange und eingehend als Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil diskutiert werden (wie die Fallgruppe der Unterkapitalisierung in Deutschland oder die Fallgruppe „Domestic companies“ [„Underlying partnership intention“] in Südafrika), werden in der jeweils anderen Rechtsordnung unter der entsprechenden Thematik überhaupt nicht diskutiert 1 Companies Act, No. 61 of 1973, in der Fassung des Companies Amendment Act, No. 20 of 2004 und des Judicial Matters Amendment Act, No. 22 of 2005. 2 Close Corporations Act, No. 69 of 1984, in der Fassung des Close Corporations Amendment Act, No. 25 of 2005. 3 De Koker, Gesamentlike en afsonderlike aanspreeklikheid as ’n statutêre sanksie in die Maatskappyereg en die Beslote Korporasiereg, in: Mededelings van die Sentrum vir Ondernemingsreg, Band 13, 1990 (zugl. LLM Universiteit van die Oranje Vrystaat 1990). 4 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung der GmbH-Gesellschafter: Ein Vergleich, in: Rechtswissenschaftliche Forschung und Entwicklung, Band 327, München 1991 (zugl. Diss. Universität Bayreuth 1991).

Einführung

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oder wurden zwar früher diskutiert, haben sich heute aber nicht durchgesetzt (wie beispielsweise in Südafrika die Fallgruppe „Intermingling of affairs / assets“, die der deutschen Fallgruppe der Vermögensvermengung nahe kommt). Problematisch war insbesondere die Einordnung der südafrikanischen agencyKonstruktionen. Mit ihnen könnte im Ergebnis in Südafrika das bewerkstelligt werden, was in Deutschland mit dem Haftungsdurchgriff erreicht wird. Konzeptionell sind sie nach deutschem Verständnis jedoch keinesfalls als Durchgriff einzuordnen. Auch nach südafrikanischem piercing-Verständnis muss konsequenterweise ihre Einordnung als piercing of the corporate veil (sowohl als rechtliche Verankerung des piercing als auch als piercing-Fallgruppe) abgelehnt werden. Trotzdem wird dies teilweise gerade nicht getan (vgl. Teil C. VI. 1.: „Verfehlte Fallgruppe agency“). In der vorliegenden Arbeit sind im Fallgruppen-Teil die Fallgruppen deshalb weder streng nach deutscher noch streng nach südafrikanischer Fallgruppeneinteilung gegliedert. Vielmehr sind alle diejenigen Fallgruppen dargestellt, die in den jeweiligen Rechtsordnungen als solche eine bedeutende Rolle spielen. Der Vergleich fällt deshalb hier wieder unsymmetrisch aus. Das gilt insbesondere für die südafrikanische Attribution-Fallgruppe (Teil C. I.), da die entsprechenden deutschen Sachverhalte bereits weitgehend unter der Thematik „allgemeine / sonstige Durchgriffsfragen“ (Teil A. II.) abgehandelt werden. Ferner gilt das auch für die südafrikanische Fallgruppe „Evasion of a duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent use of a corporate personality“ (Teil C. II. 1.); sie geht in ihrer Bedeutung in Südafrika weit über das hinaus, was im deutschen Recht unter der Fallgruppe „Rechtsmissbrauch“ (Teil C. II. 2.) diskutiert wird und bildet nach wie vor die zentrale Fallgruppe der südafrikanischen piercing-Diskussion. Im Gegensatz dazu verlagert sich in Deutschland dieser Sachverhaltsbereich zunehmend von der Durchgriffsdiskussion weg in den Bereich der primären deliktischen Haftung hinein. Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile: Teil A untersucht zunächst das jeweilige Verständnis von Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil (Teil A. I.) und stellt danach dar, wo in den beiden Rechtsordnungen jeweils Abgrenzungen zu benachbarten Instituten vorgenommen werden und wo dabei Abgrenzungsschwierigkeiten auftauchen (Teil A. II.). Teil B erörtert im Anschluss daran, wie deutsche und südafrikanische Rechtsordnung einen Durchgriff bzw. ein piercing of the corporate veil rechtlich zu verankern versuchen. Teil C enthält eine umfangreiche Fallgruppendarstellung. Teil D gibt die Vergleichsergebnisse der ersten drei Teile nochmals wieder, und Teil E schließlich einen kurzen Ausblick auf die laufende Entwicklung des südafrikanischen Rechts im Bereich des piercing of the corporate veil. Südafrikanische Entscheidungen ebenso wie Abhandlungen der südafrikanischen Rechtslehre sind nicht immer in Englisch, sondern teilweise in Afrikaans

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Einführung

abgefasst. Im Hinblick auf das Thema der vorliegenden Arbeit gilt dies unter anderem für die Schlüsselentscheidung Botha v Van Niekerk (per Flemming J)5 und für den grundlegenden Aufsatz von Benade.6 Entscheidende Passagen dieser Quellen finden sich ebenso wie diejenigen englischsprachiger südafrikanischer Quellen im Fußnotenapparat jeweils im Original zitiert. Eine Übersetzung wurde in Klammerausdrücken nur dort mit angegeben, wo deutsches Sprachvermögen ausnahmsweise nicht mehr ausreicht, um den Inhalt des afrikaansen Textes zu erfassen.

5

Botha v Van Niekerk 1983 (3) SA 513 (W). Benade, Verontagsaming van die Selfstandigheid van die Maatskappy-Regspersoon, in: THRHR, (30) 1967, 213. 6

A. Durchgriffsverständnis in Deutschland / piercing-Verständnis in Südafrika und Abgrenzungen I. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis 1. Deutsche Rechtslage (Begriff des Durchgriffs) a) Durchgriff als einheitliches Rechtsinstitut? Der Begriff „Durchgriff“ ist nicht legal definiert. Er kommt weder im GmbH-Gesetz noch im Aktiengesetz vor. Eingeführt wurde er von Serick 19551, vermutlich in Anlehnung an den gemeinrechtlichen (common law-rechtlichen)2 Begriff des „piercing of the corporate veil“. Eine anerkannte Definition des Begriffs ist nicht gelungen. Frühere Versuche, den Durchgriff zu einem allgemeinen, gesetzlich nicht geregelten Rechtsinstitut („Institut des Durchgriffs“3) oder zu einer allgemeinen Anspruchsgrundlage zu verdichten, sind fehlgeschlagen.4 Heute wird innerhalb dieses Problemfeldes zumeist nach den beiden Bereichen „Haftungsdurchgriff“ und „Zurechnungsdurchgriff“ unterschieden5 und versucht, Fallgruppen zu bilden. Dies ist nur mit mäßigem Erfolg gelungen: Die Bestandsberechtigung der Gruppen ist zumeist

1 Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, in: Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht, Band 26, Berlin 1955 (zugl. Habil.-Schrift Universität Tübingen 1953); 2., unveränderte Auflage (1980). 2 Der Begriff ,common law‘ bezeichnet in der vorliegenden Arbeit das im angloamerikanischen und südafrikanischen Rechtskreis neben dem Gesetzesrecht bestehende Fallrecht. Die Begriffe Fallrecht, Richterrecht und Gemeinrecht werden vorliegend austauschbar verwendet. 3 Serick, Durchgriffsprobleme bei Vertragsstörungen unter Berücksichtigung von Organschafts- und Konzernverhältnissen, Karlsruhe 1959, 31. 4 Siehe Drüke, Die Haftung der Muttergesellschaft für Schulden der Tochtergesellschaft, in: Abhandlungen zum deutschen und europäischen Handels- und Wirtschaftsrecht, Band 69, Köln 1990 (zugl. Diss. Universität Bonn 1990) 16, der abgeschwächt davon spricht, dass „die Skepsis gegenüber einem quasi überpositiven allgemeinen Durchgriffstatbestand . . . weit verbreitet [ist].“ Unzutreffend ist deshalb wohl BSGE 56, 76 (81) = BSG 1984 NJW 2117 (2118), wo von „dem in Literatur und Rechtsprechung anerkannten Rechtsinstitut der sogenannten Durchgriffshaftung“ gesprochen wird. 5 Zuerst Wiedemann, Juristische Personen und Gesamthand als Sondervermögen, in: WM, 1975, Sonderbeilage Nr. 4, 19.

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umstritten, der Bundesgerichtshof hat bislang nur zwei Gruppen anerkannt.6 Über längere Zeit hinweg hatte die Durchgriffshaftung mehr und mehr Feld zugunsten deliktischer Primärhaftung und des sich entwickelnden Konzernhaftungsrechts verloren. Verabschieden lässt sich der Durchgriff jedoch nicht. Denn die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung7 zur Existenzvernichtunghaftung hat deutlich „solchen Stimmen eine Absage [erteilt], die das Durchgriffskonzept entweder für gänzlich überholt halten oder in ihm ein dogmatisch veraltetes Instrument aus der Mitte des 20. Jahrhunderts sehen.“8 b) Definition des Begriffs Durchgriff Eine Reihe von Erklärungs- und Begriffsbildungsversuchen liegen im Hinblick auf den Durchgriff vor. Im Wesentlichen lassen sich drei Meinungen unterscheiden: Erstens die wohl herrschende Ansicht, die Durchgriff als Durchbrechung des Trennungsprinzips versteht. Zweitens die Normanwendungslehre (Normzwecklehre), die Durchgriff schlichtweg als das Ergebnis einer zu Lasten der Trennungsnorm entschiedenen Normzweckabwägung versteht. Und drittens solche Ansichten, die Durchgriff vollständig ablehnen oder zumindest für weitgehend entbehrlich halten. aa) Durchgriff als Ausnahme zum Trennungsprinzip Die heute wohl herrschende Ansicht versteht Durchgriff als Ausnahme zum Trennungsprinzip. Ihr Durchgriffskonzept setzt somit beim Rechtsträger „juristische Person“ an. Diesem Durchgriffsverständnis folgen alle Missbrauchslehren (sowohl die subjektive [Serick]9 als auch die objektive10) und die institutionelle 6 Hierzu s. u. Kap. A. II. 1. b) bb) (Existenzvernichtungshaftung) und C. V. 1. b) (Vermögensvermengung). 7 BGHZ 149, 10 („Bremer Vulkan“) und BGHZ 151, 181 („KBV“). 8 Ulmer, Anmerkung zu BGHZ 151, 181, in: JZ, 2002, 1047 (1049). 9 Nach dieser Lehre ist Durchgriff (Missachtung der Rechtsform der juristischen Person) geboten, wenn die Rechtsform der juristischen Person vorsätzlich zu unlauteren Zwecken missbraucht werde (vgl. Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 203 f.: „wenn mit Hilfe der juristischen Person ein Gesetz umgangen, vertragliche Verpflichtungen verletzt oder Dritte fraudulös geschädigt werden sollen.“). Diese subjektive Missbrauchslehre wurde vom BGH für zu eng erklärt (BGHZ, 20, 4 [13]). Damit war die objektive Missbrauchslehre geboren. Vgl. auch Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, in: Abhandlungen zum deutschen und europäischen Handels- und Wirtschaftsrecht, Band 118, Köln 2000 (zugl. Diss. Universität Hamburg 1999) 100 f.: Die von Serick vertretene subjektive Missbrauchslehre sei „zu eng, da eine Haftungsbegründung im Falle eines absichtlichen Missbrauchs im Hinblick auf § 826 BGB [ohnehin] nicht schwer fallen kann . . . Eine so verstandene Missbrauchslehre hätte jedenfalls für den Bereich des Haftungsdurchgriffs praktisch keine Bedeutung, da hier in der Regel ohnehin eine persönliche Haftung wegen sittenwidriger Schädigung gegeben wäre . . .

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Durchgriffslehre.11 Diese Lehren unterscheiden sich lediglich darin, unter welchen Voraussetzungen eine solche Ausnahme zugelassen werden soll. Der Begriff des Trennungsprinzips ist nicht legal definiert. Seine Reichweite ist daher umstritten. Allgemein anerkannt ist aufgrund der Vorschrift des § 13 Abs. 2 GmbHG lediglich, dass das Trennungsprinzip jedenfalls in Bezug auf Haftung gilt und dort mit dem Prinzip der beschränkten Haftung zusammenfällt. Durchgriff bedeutet nach herrschender Ansicht deshalb jedenfalls Haftungsdurchgriff. Nicht einhellig anerkannt ist demgegenüber, ob auch Fälle, bei denen nicht auf der Rechtsfolgenseite (Haftung), sondern auf der Tatbestandsseite einer Norm Zurechnungen von der Gesellschaft auf die Gesellschafter stattfinden, als Durchgriff („Zurechnungsdurchgriff“) gelten sollen. Gegen diesen Durchgriffsbegriff der herrschenden Lehre lassen sich zwei Argumente vorbringen: Erstens, dass es außerhalb des Bereichs der Haftung (§ 13 Abs. 2 GmbHG) ein gesetzlich verankertes Trennungsprinzip nicht gibt und somit der Zurechnungsdurchgriff jedenfalls nicht über das Trennungsprinzip definiert werden könne.12 Und zweitens, dass Versuche, den Begriff „Durchgriff“ über den Begriff „Trennungsprinzip“ zu definieren, müßig seien, da beide Begriffe gleichermaßen vage seien. Statt sich mit dem Problem auseinandersetzen

[E]s erscheint . . . sachgerecht, nicht allein auf den individuellen Missbrauch aus Sicht des Gesellschafters abzustellen [wie dies die subjektive Missbrauchslehre tut], sondern (auch) den Sinn und Zweck derjenigen Normen in die Betrachtung einzubeziehen, die die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung eröffnen. Lassen sich bestimmte (objektive) Mindestvoraussetzungen für eine Haftungsbeschränkung durch die Gesellschafter ermitteln, dann sollte in einer Gestaltung, die dem entsprechenden Zweck der Rechtsordnung widerspricht, eine Haftung auch nur von dieser objektiv zweckwidrigen Verwendung der Haftungsbeschränkung abhängig gemacht werden. Denn eine Norm, die die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung eröffnet, ist auf diejenigen Fallgestaltungen unanwendbar, die außerhalb des mit der Norm verbundenen Zwecks liegen; dies gilt unabhängig davon, ob dieser zweckwidrige Einsatz beabsichtigt ist oder nicht.“ 10 Reinhardt, Gedanken zum Identitätsproblem bei der Einmanngesellschaft, in: Festschrift für H. Lehmann, Band 2, 1956, 576. 11 Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung nach deutschem und amerikanischem Recht, in: Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik, Band 8, Berlin 1969 (zugl. Habil.-Schrift Universität Frankfurt am Main 1968), 119 ff., Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft: Eine rechtsvergleichende Untersuchung nach deutschem GmbH-Recht und dem Recht der Corporations in den Vereinigten Staaten, in: Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik, Band 15, Bad Homburg 1970 (zugl. Habil.-Schrift Universität Bielefeld 1970), 402, Kuhn, Strohmanngründung bei Kapitalgesellschaften, 1964, Diss. Universität Tübingen, 199 ff.; ähnlich Franzmann, Die sogenannten Durchgriffstatbestände im Privatrecht als Problem einer interessensgerechten Risikoverteilung, in: Europäische Hochschulschriften, Reihe 2, Band 411, Frankfurt 1984 (zugl. Diss. Universität Mainz 1984): Nach dieser Lehre ist Durchgriff geboten, wenn die Trennung zwischen juristischer Person und Mitglied der Rechtsordnung widerspreche. 12 Z. B. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band I, Teil 2: Die juristische Person, 4. Auflage 1983, Berlin, 63 ff.

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zu müssen zu definieren, was Durchgriff sei, müsse man sich dann mit dem Problem auseinandersetzen, die Reichweite des Trennungsprinzips zu definieren. Bei der Reichweite des Trennungsprinzips setzt auch eine von Immenga13 und Wiedemann14 vorgebrachte Meinung an, wonach Durchgriff eine teleologische Reduktion der Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG sei. Eine solche Reduktion bewirke, dass § 13 Abs. 2 GmbHG dann nicht mehr zugunsten der Gesellschafter gelte, so dass die Verbindlichkeit der GmbH unmittelbar auch auf die Gesellschafter durchgreife. Ein anspruchsbegründender Schuldgrund solle nicht erforderlich sein, da die Rechtspersönlichkeit der GmbH als juristische Person gewahrt bleibe und nur die Haftungsbeschränkung zur Disposition stehe. Die GmbH bleibe auch weiterhin Schuldnerin neben den Gesellschaftern als (neuen) Mitschuldnern.15 Auch die jüngst etablierte Durchgriffshaftung in Form der Existenzvernichtungshaftung16 wird von der im Vordringen befindlichen Ansicht der Literatur und vom Bundesgerichtshof mit einer teleologischen Reduktion des Geltungsbereichs des § 13 Abs. 2 GmbHG begründet.17 Gegen diese Ansicht spricht vor allem, dass eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter nicht einfach mit einem reduzierten § 13 Abs. 2 GmbHG erklärt werden kann; denn der Umstand, dass die Haftungsbeschränkung gesetzlich verankert ist, macht eine Anspruchsgrundlage für die Durchgriffshaftung erforderlich.18 Im weiteren Sinne bei dem herrschenden Verständnis des Durchgriffs als Durchbrechung des Trennungsprinzips ansiedeln lassen sich auch diejenigen Meinungen, die Durchgriff als eine punktuelle Aufhebung bzw. Missachtung der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft in Bezug auf eine bestimmte (Zahlungs-) Verbindlichkeit verstehen. Allerdings finden sich nur ganz vereinzelt Stimmen in der Literatur, die ein dahingehendes Durchgriffsverständnis andeuten.19 13

Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, Bad Homburg 1970. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I: Grundlagen, München 1980. 15 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 409 f. und Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 221. 16 Hierzu s. u. Kap. A. II. 1. b) bb). 17 Bitter, Der Anfang vom Ende des ,qualifiziert faktischen GmbH-Konzerns‘ – Ansätze einer allgemeinen Missbrauchshaftung in der Rechtsprechung des BGH, in: WM, 2001, 2133 (2139), Wiedemann, Reflexionen zur Durchgriffshaftung – Zugleich Besprechung des Urteils BGH WM 2002, 1084 – KBV –, in: ZGR, 2003, 283 (285), Lutter / Banerjea, Die Haftung wegen Existenzvernichtung, in: ZGR, 2003, 402 (410); schließlich auch der BGH in BGHZ 151, 181 („KBV“). 18 Vgl. Nirk, Zur Rechtsfolgenseite der Durchgriffshaftung, in: Festschrift für Walter Stimpel, 1985, 448 (458). s. a. Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 99 f. 19 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 14 f. ist mit folgenden Nachweisen der Ansicht, dass ein derartiges Durchgriffsdenken bei Serick und Bauschke durch scheine: Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 3, 14 und 203: Durch14

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Ferner gehören im weiteren Sinne hierher auch vereinzelte ältere Entscheidungen der Rechtsprechung, die im Hinblick auf die Rechtsnatur der juristischen Person noch in Richtung Zweckvermögenstheorie20 tendierten:21 Das griff als „Mißachtung der Rechtsform der juristischen Person“. Bauschke, Durchgriff bei juristischen Personen, in: BB, 1975, 1322 (1323): Durchgriff als Außerachtlassung der rechtlichen Verschiedenheit der juristischen Person und ihrer Mitglieder; ders., Grenzen der Rechtspersönlichkeit juristischer Personen im englischen Gesellschaftsrecht, in: Heidelberger rechtsvergleichende und wirtschaftsrechtliche Studien, Band 8, Heidelberg 1975 (zugl. Diss. Universität Heidelberg 1973 / 74), 116: Durchgriff als auf der Tatbestandsseite einer anzuwendenden Norm erfolgende Identifikation der juristischen Person mit ihrem personalen Substrat. Dadurch könne es zur „exklusiven oder kumulativen Haftung der identifizierten Einheiten, also beispielsweise des herrschenden Gesellschafters“ kommen. Drax’ Befund hat in Bezug auf Serick seine Berechtigung. In Bezug auf Bauschke macht Drax jedoch unzureichend deutlich, dass Bauschke a. a. O. nicht sein Verständnis des deutschen Durchgriffs darstellt, sondern das anglo-amerikanische lifting / piercing-Verständnis erläutert. Drax verweist a. a. O. ferner auch auf K. Schmidt („K. Schmidt spricht offensichtlich im Hinblick auf diese Konstruktion davon, daß die Rechtsform hinwegfingiert wird.“). Der Verweis ist irreführend, insoweit damit K. Schmidt als Vertreter eines solchen Durchgriffsverständnisses eingeordnet werden soll: Zwar findet sich bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 I 1 a eine dahingehende Formulierung („Als Durchgriff pflegt man eine Methode zu bezeichnen, mit der die rechtliche Selbständigkeit einer Rechtsperson beiseitegeschoben, also gleichsam hinwegfingiert wird. Rechtspolitisch geht es darum, Konsequenzen . . . auszuschalten, die sich aus der Selbständigkeit des Rechtsträgers ergeben. Das juristische Problem besteht darin, unter welchen Voraussetzungen Rechtsverhältnisse und rechtlich relevante Tatsachen über die Grenzen des Rechtsträgers hinweg zugerechnet werden sollen.“). Jedoch meldet K. Schmidt deutliche Bedenken gegenüber einem solchen Durchgriffsverständnis an (a. a. O., § 9 I a: „In anschaulicher Bildsprache wird . . . davon gesprochen, dass der den Rechtsträger schützende Schleier gehoben oder durchstoßen wird (. . . piercing . . . of the corporate veil). Diese suggestive Bildersprache verdeutlicht sehr gut das rechtspolitische Anliegen der Durchgriffsdoktrin . . . Das als künstlich empfundene ,Trennungsprinzip‘ wird übergangen, wo sich das Rechtsgefühl gegen die Anerkennung dieses Prinzips sträubt. Sie verdeutlicht aber zugleich auch die rechtspolitische und methodische Bedenklichkeit der Durchgriffsdoktrin, denn es verträgt sich schlecht mit einer technisch ausgereiften und auf Rechtssicherheit bedachten Privatrechtsordnung, wenn die Rechtsfigur der juristischen Person . . . gerade da zur Disposition gestellt wird, wo es besonders auf sie ankommt.“ Ferner a. a. O., § 9 II 3 b: „Wenn es richtig ist, dass die Rechtsfigur der juristischen Person . . . in einem ausgereiften Privatrecht in hohem Grade technisch verfestigt ist, geht es nicht an, diese Verfestigung von Fall zu Fall wieder in Frage zu stellen. Der juristischen Person . . . wird in den sog. Durchgriffsfällen nichts von ihrer Rechtssubjektivität genommen: Sie bleibt Eigentümerin, Vertragspartnerin, Schuldnerin, Prozesspartei, Insolvenzschuldnerin usw. . . . Wer etwa neben der GmbH auch ihren Gesellschafter aufgrund ,Durchgriffs‘ in Anspruch nehmen will, muß gegen zwei Rechtssubjekte klagen, eben weil zwei Rechtssubjekte vorhanden sind . . . Wer Durchgriffsprobleme zu lösen vorgibt, indem er einen Rechtsträger im entscheidenden Moment ausblendet, verdeckt ohne Not den aufzulösenden Wertungskonflikt . . . Die Differenzierungsmöglichkeiten des geltenden Rechts sind so groß, dass Durchgriffsprobleme in aller Regel ohne die Durchgriffsmethode bewältigt werden können.“ 20 Die Zweckvermögenstheorie ist eine veraltete Theorie zur Erklärung der juristischen Person. Danach wird durch die Verleihung der Rechtsfähigkeit ein (organisiertes) Sondervermögen selbständiger Träger von Rechten und Pflichten. Diese Theorie

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Vermögen der GmbH wurde hierbei als Sondervermögen der Gesellschafter und ausgelagerter Teil des Privatvermögens der Gesellschafter verstanden. Dieses falle unter Durchgriffsbedingungen an die Gesellschafter zurück, weil dann die künstlich geschaffene Vermögenstrennung wieder aufgehoben werde. Diese Vorstellung von der Aufhebung der Vermögenstrennung ist jedoch verfehlt, da die juristische Person als rechtsfähiges Subjekt selbst Eigentümerin ihres Vermögens ist und dieses nicht mehr Vermögen der Gesellschafter ist. bb) Durchgriff als Ergebnis einer zu Lasten der Trennungsnorm entschiedenen Normzweckabwägung (Müller-Freienfels) Nach der Normzwecklehre (Müller-Freienfels)22 handelt es sich bei der Durchgriffsproblematik nicht um ein verallgemeinerbares Problem der juristischen Person, sondern um jeweils Einzelfall bezogene reine Normanwendung. Die Normzwecklehre will der juristischen Person nur relative Rechtsfähigkeit zukommen lassen. Diese sei lediglich eine „konstruktive Abbreviatur“23 und damit nur ein bequemes Kürzel, um ein Geflecht von Rechtsbeziehungen und Tatbeständen zusammenzufassen. Sie sei eine bloße rechtstechnische Zurechnungseinheit. Als solche habe sie keinen gesetzlich starr umrissenen Rahmen; vielmehr bestimme der Zweck der jeweils in Rede stehenden Norm die Grenzen des Trennungsprinzips und damit die konkrete Gestalt der Zurechnungseinheit stellt somit nur auf das zweckgebundene Sondervermögen ab und berücksichtigt dabei zu wenig, dass die juristische Person nicht nur ein Vermögen darstellt, sondern dass sie durch ihre Organe am Rechtsgeschäftsverkehr teilnimmt und somit zum Teil wie eine natürliche Person auftritt. Auch übersieht die Zweckvermögenstheorie, dass es juristische Personen geben kann, die kaum nennenswertes Vermögen haben. Da ferner Vermögen im Sinne des BGB ja die Gesamtheit der einer Person zustehenden Vermögensrechte ist, hieße das, dass die das Sondervermögen bildenden Rechte sich selbst (in ihrer Gesamtheit) zustünden, was – wie Larenz / Wolf anmerken – einen Widerspruch in sich bedeutet. Die Sondervermögenstheorie konnte die Frage nach dem Vermögensträger nicht befriedigend beantworten. Vgl. Larenz / Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, 8. Auflage, München 1997, 168. 21 Z. B. OLG Karlsruhe 1943 DR 811 (Dort lag ein Fall der Vermögensmengung vor): „Das Privatvermögen des . . . [Alleingesellschafters] und das Vermögen der GmbH können, trotzdem sie sich rechtlich selbständig gegenüberstehen, hier nicht so beurteilt werden, als ob sie verschiedenen Rechtssubjekten gehörten; vielmehr sind sie für den Zugriff der Gläubiger . . . als wirtschaftliche Einheit zu betrachten . . .“ Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. V. 1. b). 22 Müller-Freienfels, Zur Lehre vom sogenannten ,Durchgriff‘ bei juristischen Personen im Privatrecht, in: AcP, (156) 1957, 222. 23 Müller-Freienfels (1957), AcP, 529. Der Begriff geht auf Wolff, Hans Julius: Organschaft und juristische Person: Untersuchungen zur Rechtstheorie und zum Öffentlichen Recht, Band I: Juristische Personen und Staatspersonen (1933) zurück. Wolff löst den Begriff der juristischen Person in Zurechnungen auf und sieht die juristische Person nur als eine notwendige Zurechnungseinheit für einen „Komplex von Rechtsbeziehungen“ (Wolff a. a. O., S. 187) an.

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„juristische Person.“ Daher sei eine juristische Person rechtlich nie identisch mit einer anderen.24 Ihre konkrete Gestalt sei vielmehr immer sachverhaltsabhängig. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses der juristischen Person gilt für eine Definition des Begriffs „Durchgriff“: Entscheidend ist, die Normzwecke der jeweils betroffenen Normen (Trennungsnorm einerseits und Sachverhaltsnorm andererseits) richtig zu ermitteln, sie anschließend interessensgerecht gegeneinander abzuwägen und hierbei richtig zu gewichten. Gehe die Gewichtung zu Lasten der Trennungsnorm, so habe man einen Fall des sogenannten Durchgriffs vorliegen. Dies sei jedoch keine Ausnahme zum Trennungsprinzip oder eine Durchbrechung der Rechtspersönlichkeit der juristischen Person; vielmehr werde auf diese Weise nur der konkret ermittelten relativen Rechtsfähigkeit der juristischen Person Rechnung getragen. Gegen dieses Verständnis von Durchgriff und juristischer Person lässt sich jedoch vorbringen, dass der rechtliche Rahmen einer juristischen Person positivgesetzlich abgesteckt ist. Er kann daher nicht beliebig weit aufgrund reiner Normzweckabwägungen verschoben werden. Gerade darauf läuft jedoch die Normzwecklehre letztendlich hinaus. Noch weiter als Müller-Freienfels geht Schanze.25 Sein Ansatz ist radikal: Auf Relativität oder Nichtrelativität der juristischen Person komme es überhaupt nicht mehr an, ebenso wenig auf Durchbrechung der Rechtspersönlichkeit oder des Trennungprinzips. Juristische Personen und Mitglieder bestünden nebeneinander; alle sogenannten Durchgriffsprobleme seien deshalb reine Auslegungs-, Zurechnungs- und Normanwendungsprobleme.26 Dies ist auch – bei Unterschieden im einzelnen – K. Schmidts Hauptansatz zur Lösung von Durchgriffsproblemen.27 Bitter hat in Anlehnung an K. Schmidt Schanzes Ansicht als „echte Normzweckmethode“ bezeichnet,28 weil Schanze – anders als die ursprüngliche Normzwecklehre von Müller-Freienfels – die die Haftungsbeschränkung anordnende Norm (§ 13 Abs. 2 GmbHG für die GmbH) nicht mehr in seine Normzweckbetrachtung miteinbezieht.

24 Müller-Freienfels (1957), AcP 532: „Nicht nur sind AG und eingetragener Verein, sondern auch GmbH und GmbH nicht dasselbe.“ 25 Schanze, Einmanngesellschaft und Durchgriffshaftung als Konzeptionalisierungsprobleme gesellschaftsrechtlicher Zurechnung, in: Arbeiten zur Rechtsvergleichung, Band 76, Frankfurt 1975 (zugl. Diss. Universität Frankfurt am Main 1975). 26 Schanze, Einmanngesellschaft und Durchgriffshaftung, 102 ff. 27 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 II 2 a und 3. s. u. Kap. A. I. 1. b) cc) (4) (b). Vgl. auch Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 117 zu K. Schmidts Verständnis. 28 Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 97.

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cc) Mischtheorien und Binnenhaftungskonzepte Einige Stimmen aus der Rechtslehre lehnen den Durchgriff als Rechtsinstitut ganz (Flume)29 oder weitgehend (Rehbinder)30 ab oder haben alternative Haftungskonzepte oder Mischtheorien entwickelt (Flume, Erman, Erlinghagen, Wilhelm und K. Schmidt), um die Gesellschafter persönlich haften zu lassen. (1) Flumes mitgliedschaftsrechtliche Haftung Flume stellt das Trennungsprinzip insgesamt in Abrede. Die juristische Person sei nicht im Sinne des Trennungsprinzips von ihren Gesellschaftern getrennt, sondern vielmehr aufgrund besonderer (mitgliedschaftsrechtlicher) Rechtsbeziehungen mit ihnen verbunden. Aus diesem (Dauer-)Rechtsverhältnis erwüchsen für die Gesellschafter Pflichten. Hierzu zählten Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Geschäftstätigkeiten, wozu auch die Pflicht gehöre, die GmbH mit ausreichend Kapital auszustatten. Durchgriffshaftung sei somit nicht eine Durchbrechung des Trennungsprinzips, sondern persönliche Primärhaftung der Gesellschafter gegenüber der GmbH bei Verletzung dieser Pflichten. Problematisch ist Flumes Ansicht insofern, als sie der herrschenden Ansicht entgegensteht, wonach allgemein eine Pflicht der Gesellschafter zur angemessenen Kapitalausstattung der GmbH gerade nicht besteht.31 Ferner kann man Flumes Argumentation, wonach das Gesetz kein Trennungsprinzip kenne und es somit auch nicht den Durchgriff als Ausnahme hierzu gebe, wohl nur in Bezug auf den Zurechnungsdurchgriff zustimmen, nicht aber auch in Bezug auf den Haftungsdurchgriff; denn dort gilt § 13 Abs. 2 GmbHG.

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Flume, Die juristische Person, § 3 I. Rehbinder, Konzernaußenrecht, 579 ff. Rehbinder lehnt mit seinem sog. bürgerlich-rechtlichen Ansatz den Durchgriff zwar nicht generell ab, hält ihn aber für weitgehend entbehrlich, weil das bürgerliche Recht zumeist bereits ausreichend Lösungswege biete. Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 II 1 c hierzu (Rehbinders Theorie als „Mischtheorie“): „Eckhard Rehbinder . . . unterscheidet zwischen solchen Lösungen, die als ,Sonderrecht der juristischen Person‘ anzusehen sind (Durchgriffslösung) und den ,über die juristische Person hinaus generalisierbaren Normen‘ (Normzwecklösung). Diese vermittelnden Lehren entfernen sich bisweilen schon deutlich vom Ansatz der Durchgriffslehre, aber sie sind dieser Lehre doch insofern verhaftet, als sie noch nach der Relativierung des Rechtssubjekts fragen.“ 31 s. u. Kap. C. III. 1. a) bb). 30

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(2) Ermans Erklärungshaftung Ermans Erklärungshaftung32 stützt eine persönliche Haftung der Gesellschafter auf deren (fiktiv) gegenüber Dritten abgegebene Willenserklärung, die GmbH mit ausreichend Haftungskapital ausstatten zu wollen und es nicht in für Dritte nachteiliger Weise zu entziehen. Haftungsgrundlage dieser Erklärungshaftung der Gesellschafter sollen § 5 und § 15 HGB sein. Diese Erklärungshaftung ist im Ergebnis eine rechtsgeschäftliche Primärhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der GmbH. Ermans Konzept ist mit folgenden Argumenten abgelehnt worden:33 Erstens sind Fiktionen nur in wenigen gesetzlich geregelten Ausnahmen zulässig. Zweitens ist zweifelhaft, ob der Tatbestand einer Willenserklärung hier erfüllt werden kann; denn aus dem bloßen Geschäftsbetrieb einer GmbH kann kaum auf das Vorliegen von Rechtsbindungswillen und (Willens-)Erklärungsbewusstsein der Gesellschafter gegenüber Dritten geschlossen werden. Ermans Konzept ist daher auch nicht in eine konkludente Willenserklärungshaftung umdeutbar. Drittens gibt es nach überwiegender Ansicht keine gesetzlich geregelte Pflicht der Gesellschafter zur angemessenen Kapitalausstattung der Gesellschaft. Eine entsprechende Willenserklärung der Gesellschafter regelmäßig fingieren zu wollen, ist daher bedenklich.34 Viertens steht das Vertrauen in Kreditwürdigkeit und Liquidität eines Geschäftspartners nicht unter besonderem gesetzlichen Schutz,35 zumal aus dem Handelsregister36 Auskunft eingeholt werden kann. Bitter bezeichnet Ermans Erklärungshaftung als inzwischen überholt.37 (3) Erlinghagens Organisationsfehlerhaftung Erlinghagens38 Organisationsfehlerhaftung ist der (parallel zu einer Haftung der juristischen Person über § 31 BGB entwickelten) Haftung der juristischen Person für schlechtes Organisiertsein (auch als Haftung für Organisationsmängel bezeichnet) aus § 823 Abs. 1 BGB nachgebildet.39 32 Erman, Zur Frage der Haftung der Hintermänner überschuldeter Gesellschaften, in: KTS, 1959, 129 (132). 33 Z. B. mit klarer Argumentation von Winter, Die Haftung der Gesellschafter im Konkurs der unterkapitalisierten GmbH, in: Wirtschaftsrecht und Wirtschaftspolitik, Band 37, Frankfurt 1973 (zugl. Diss. Universität Hamburg 1973), 78 und 84 ff. 34 Winter, Haftung der Gesellschafter im Konkurs der unterkapitalisierten GmbH, 85. 35 BGHZ 29, 100 (106). 36 § 9 Abs. 1 HGB. 37 Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 120. 38 Erlinghagen, Haftungsfragen bei der unterkapitalisierten GmbH, in: GmbHR, 1962, 169.

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Nach dieser Lehre vom Organisationsmangel trifft die juristische Person (insbesondere Großbetriebe) eine Verkehrssicherungspflicht in Form einer verschärften Organisationspflicht. Versäumt es die juristische Person, dieser Pflicht nachzukommen (namentlich dadurch, dass sie für objektiv vom Vorstand nicht übersehbare Tätigkeitsbereiche kein Sonderorgan i. S. d. § 30 BGB bestellt und auch keinen Repräsentanten einsetzt und somit einer Haftung über § 31 BGB analog entgehen könnte), so haftet sie aus § 823 Abs. 1 BGB für schlechte Organisation. Nach Erlinghagens Theorie haben ebenso die Gesellschafter die (wohl Verkehrssicherungs-)Pflicht, die juristische Person so zu organisieren, dass diese ihren Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß gestalten kann. Unter anderem trifft sie eine Pflicht zur angemessenen Kapitalausstattung der GmbH, die Erlinghagen aus dem allgemeinen Grundsatz der angemessenen Risikoübernahme ableitet.40 Für entsprechende Organisationsmängel sind die Gesellschafter verantwortlich. Dieses Konzept hat folgende Schwachpunkte: Erstens besagt die Haftung für Organisationsmängel, die der Organisationsfehlerhaftung zugrundeliegt, lediglich, dass eine fehlerhafte Organisation die juristische Person nicht vor Haftung schützt. Sie besagt aber nicht, dass (auch oder stattdessen) die Gesellschafter haften sollen.41 Zweitens setzt die Organisationsfehlerhaftung auch wieder eine Pflicht der Gesellschafter zur angemessenen Kapitalausstattung voraus, die nach überwiegender Ansicht aber nicht besteht. Drittens ist Erlinghagens Organisationsfehlerhaftung wohl deliktischer Natur, zumal sie der Haftung für Organisationsmängel nachgebildet ist, die ebenfalls deliktischer Natur ist.42 Als delik39

Erlinghagen 1962, GmbHR 171. Erlinghagen 1962, GmbHR 173. Nach Erlinghagen und Reinhardt, Gedanken zum Identitätsproblem bei der Einmanngesellschaft, in: Festschrift für H. Lehmann, Band 2, 1956, 576 (591) – auf den Erlinghagens Haftungsmodell zurückgeht – ist dieser Grundsatz der angemessenen Risikoübernahme ein „Leitprinzip der Verkehrswirtschaft“ und damit zugleich „Bestandteil des ordre public“. Vgl. Reinhardt, a. a. O. 591: „Nun wird man allerdings feststellen müssen, daß unsere Rechtsordnung es grundsätzlich den Gesellschaftern in freier Entscheidung überläßt, das rechte Verhältnis von den Aufgaben des Unternehmens und der Höhe des Gesellschaftskapitals zu finden. Einen Rechtssatz über dieses Verhältnis gibt es in unserem Gesellschaftsrecht nicht . . . Jenem Grundsatz des rechten Verhältnisses zwischen Eigenkapital und Unternehmensrisiko kommt nun aber als einem Leitprinzip der Verkehrswirtschaft die Bedeutung eines Bestandteils des ordre public zu, und in dieser Eigenschaft kann dieser Grundsatz allerdings hervorragende Dienste bei der Ausfüllung von Allgemeinbegriffen unserer Rechtsordnung, insbesondere dem des Verstoßes gegen die guten Sitten . . . in §§ 826 und 138 BGB leisten. Wer mit einem Unternehmen bestimmter Art und Größe am Wirtschaftsverkehr teilnimmt und dadurch den Glauben erweckt, daß er sich unternehmensgerecht verhalte, also auch dem Prinzip der angemessenen Risikoübernahme Genüge leiste, wie es dem ordre public entspricht, würde gegen die guten Sitten verstoßen, wenn er im Ernstfalle den mit seinem Auftreten im Wirtschaftsverkehr offenkundig gemachten Sachverhalt nicht gelten lassen wollte.“ 41 Winter, Haftung der Gesellschafter im Konkurs der unterkapitalisierten GmbH, 98. 40

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tische Haftung setzt sie Verschulden voraus. Erlinghagen will seine Organisationsfehlerhaftung aber unabhängig von einem Verschulden der Gesellschafter entstehen lassen.43 Verschulden ist aber nur dann verzichtbar, wenn die Organisationsfehlerhaftung als Gefährdungshaftung ausgestaltet sein soll. Gefährdungshaftungen sind im deutschen Recht aber nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen anerkannt. (4) Binnenhaftung der Gesellschafter gegenüber der GmbH Wilhelm44 einerseits und K. Schmidt45 andererseits formulieren Haftungen, die als Binnenhaftung des Gesellschafters gegenüber der GmbH ausgestaltet sind. Wilhelm gründet seine Haftung auf eine Sorgfaltspflicht der Gesellschafter gegenüber dem Gesellschaftsvermögen, K. Schmidt auf ein zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft bestehendes mitgliedschaftliches Sonderrechtsverhältnis. (a) Wilhelms Organhaftung Wilhelm geht davon aus, dass die juristische Person ein gegenüber anderen Rechtssubjekten gleichberechtigtes / gleichwertiges Rechtssubjekt und nicht nur 42 Bzgl. dieser Einordnung der Organisationsfehlerhaftung vgl. Winkler, Die Haftung der Gesellschafter einer unterkapitalisierten GmbH, in: BB, 1969, 1202 (1204: „Diese Haftung für Organisationsmängel ist deliktischer Natur; das ergibt sich bereits aus ihrer Begründung: Verstoß gegen wirtschaftliche oder juristische Ordnungsprinzipien.“; ferner: „[E]ine Haftung der Gesellschafter aus Delikt, und sei es auch über die Konstruktion des Organisationsmangels . . .“). Anderer Ansicht jedoch Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 91: „Der Ansatz [der Organisationsfehlerhaftung] darf allerdings in der jedenfalls bei Erlinghagen vertretenen Variante nicht im Sinne einer (verschuldensabhängigen) Deliktshaftung verstanden werden . . ., da auch Erlinghagen die unbeschränkte Haftung letztlich auf einen objektiven Rechtsmißbrauch stützt.“ 43 Erlinghagen (1962), GmbHR 175: „Bedenken müssen dagegen bestehen, die Haftung der Gesellschafter wegen eines Organisationsfehlers von subjektiven Momenten abhängig zu machen, also etwa dem Verschulden oder dem bewußten Mißbrauch der Rechtsform der juristischen Person . . . [B]ei der Haftung der Mitglieder einer juristischen Person für Organisationsfehler ist eine solche Berücksichtigung subjektiver Elemente jedoch Fehl am Platze . . . Die Rechtsordnung kann einen unabsichtlichen oder unbewußten Verstoß gegen allgemeine Ordnungsprinzipien ebensowenig dulden wie einen absichtlichen oder bewußten Mißbrauch.“ Zu diesem Problem vgl. Winkler (1969), BB 1204 (einschließlich dortiger Fn. 31): „[Die] Haftung [der Gesellschafter] für Organisationsmängel ist deliktischer Natur; . . . sie setzt daher Kausalität und Verschulden voraus . . . [Fn. 31:] Der Vorschlag Erlinghagens . . ., nur objektive Kriterien zu benutzen, entbehrt daher der rechtlichen Grundlage. Die Kausalitätsproblematik bleibt außerdem bestehen.“ 44 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, Köln 1981 (zugl. Habil.-Schrift Universität Bonn 1981). 45 K. Schmidt, Konzernhaftung oder mitgliedschaftsrechtliche Haftung des privaten GmbH-Gesellschafters, in: ZIP, 1986, 146, ders., Gesellschaftsrecht, § 37 III, 7.

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eine für fremde Zwecke brauchbare Rechtseinrichtung ist.46 Das Vermögen der juristischen Person sei ein den Gesellschaftern fremdes und ihnen nur anvertrautes Gut, das vor willkürlichem Umgang durch diese geschützt werden müsse.47 Das GmbH-Gesetz schütze zwar das Gesellschaftsvermögen vor Misswirtschaft durch den Geschäftsführer über § 43 Abs. 2 GmbHG. Die Gesellschafter selbst könnten aber nicht haftbar gemacht werden für Schäden, die infolge ihrer Weisungen an den Geschäftsführer i. S. d. § 37 Abs. 1 GmbHG einträten. Sie könnten deshalb mit dem Gesellschaftsvermögen umgehen als sei es ihr eigenes.48 Vor diesem Hintergrund entwirft Wilhelm eine Organhaftung des beherrschenden Gesellschafters gegenüber der GmbH.49 Hierbei zieht er vergleichend die konzernrechtliche Haftung der beherrschenden Gesellschaft gegenüber der abhängigen Gesellschaft für nachteilige Einzelmaßnahmen gem. §§ 311, 317 AktG heran50 und konstruiert davon ausgehend analog §§ 43 Abs. 1 GmbHG, 93 Abs. 1 Satz 1, 317 Abs. 2 AktG eine allgemeine Organhaftung des beherrschenden Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft. Rechtsgrund der Haftung soll die Verletzung einer Sorgfaltspflicht sein. Deren Inhalt sei es, das einmal festgesetzte Gesellschaftsvermögen nicht durch risikoreiche Geschäfte zu gefährden. Die Haftung gehe auf Wiederherstellung des Gesellschaftsvermögens.51 Wilhelms Theorie der allgemeinen Organhaftung, die auf eine allgemeine Verschuldens- und Verhaltenshaftung der Gesellschafter hinausläuft, ist kritisiert worden:52 Denn zum Ersten leitet Wilhelm aus den §§ 311, 317 AktG den allgemeinen Grundsatz ab, dass jede fremdbezogene Machtausübung pflichtgebunden sei.53 Nach herrschender Ansicht kann eine solche allgemeine Verantwortlichkeit des Mehrheitsgesellschafters aber nicht aus §§ 311, 317 AktG hergeleitet werden, da diese Normen Sonderrecht der Konzerngesellschafter sind. Das Konzernrecht zielt auf den Schutz von Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern abhängiger Unternehmen ab. Es bezweckt nicht, juristische Personen (in der Form abhängiger Konzerngesellschaften) schlechthin um ihrer selbst willen zu schützen. Zum Zweiten widerspricht Wilhelms allgemeine Organhaftung des beherrschenden Gesellschafters Grundsätzen des Rechts der GmbH.54 46

Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 12. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 335, 341 ff., 348 f. 48 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 334. 49 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 337. 50 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 349 ff. 51 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 365 ff. 52 Befürwortend allerdings Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 329, 331 und 338. 53 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 337 und 349 ff. 54 Vgl. Drüke, Haftung der Muttergesellschaft, 47 mit ausführlicher Darstellung. 47

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(b) K. Schmidts Haftung wegen Verletzung einer mitgliedschaftlichen Sonderverbindung K. Schmidt geht – vor allem mit Blick auf den Tatbestand einer materiellen Unterkapitalisierung55 – davon aus, dass die Gesellschafter – abgesehen von ihrer Treupflicht gegenüber ihren Mitgesellschaftern – auch gegenüber der GmbH eine eigenständige Treupflicht haben.56 Um eine solche Treupflicht herzuleiten, greift er zunächst auf Flumes Verständnis der Mitgliedschaft in einer juristischen Person zurück.57 Laut Flume bestehen bei Kapitalgesellschaften – im Gegensatz zu den Gesamthandspersonengesellschaften – mitgliedschaftsbegründete Rechte und Pflichten ausschließlich zwischen juristischer Person und Mitglied, nicht aber zwischen den Mitgliedern untereinander. K. Schmidt will hier weniger weit gehen: Zwar ist auch er der Ansicht, dass die Mitgliedschaft in der juristischen Person ein Sonderrechtsverhältnis zwischen juristischer Person und Gesellschaftern begründe. Jedoch lehnt er Flumes Ansicht ab, derzufolge rechtliche Beziehungen zwischen den Gesellschaftern in der juristischen Person nicht bestünden. Die Teilhabe der Mitglieder an der juristischen Person schaffe ein Sonderrechtsverhältnis zwischen Mitgliedern und Gesellschaft. Unter anderem lasse sie auch eine Treupflicht entstehen.58 Diese sei beispielsweise verletzt, wenn die Gesellschafter die Existenz der GmbH durch deren grobe Unterkapitalisierung gefährdeten.59 Rechtsfolge der Pflichtverletzung sei eine Schadensersatzhaftung (Verschuldenshaftung) der Gesellschafter gegenüber der GmbH für existenzgefährdende Beeinträchtigungen der Gesellschaft,60 die dann mittelbar auch den Gesellschaftsgläubigern zugute komme.61 Könne die Gesellschaft die Gläubigerforderungen nicht mehr befriedigen und breche zusammen, so mache der Insolvenz-

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Hierzu s. u. Kap. C. III. 1. a) bb). K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV. 57 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 II 3 a. 58 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 c, § 18 II 5, § 19 III 2 b: „Die wichtigsten . . . gesetzlichen Mitgliedschaftspflichten [sind] die Treupflichten, aus denen sich wiederum variantenreiche Nebenpflichten ableiten. Sie alle sind Resultate und Konkretisierungen der allgemeinen mitgliedschaftsrechtlichen Zweckförderungspflicht.“ 59 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 c cc und § 37 III 7: „Die Gesellschaft genießt zwar als juristische Person keinen Bestandsschutz gegenüber den Gesellschaftern. Diese können und dürfen die Gesellschaft nach § 60 I Nr. 2 GmbHG auflösen . . . Eines dürfen sie nicht: ihr erkennbar existenzgefährdende Schäden zufügen. Geschieht dies, so greift eine Insolvenzverursachungshaftung, gegründet auf das Sonderrechtverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft . . .“ 60 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 c. 61 K. Schmidt (1986), ZIP 146 ff. (Fn. 57 f.), ders., Gesellschaftsrecht, § 19 IV 5, ders., Gläubigerhaftung und ,Konzernhaftung‘ bei der GmbH, in: NJW, 2001, 3577 (3580). 56

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verwalter den Schadensersatzanspruch der Gesellschaft geltend und verlange folglich von den maßgeblichen Gesellschaftern Auffüllung der Insolvenzmasse.62 Da aber in den meisten Fällen insolventer Gesellschaften ein Insolvenzverfahren erst gar nicht mehr stattfinde, weil das noch verbliebene Vermögen nicht zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens ausreiche, greife analog §§ 93 Abs. 5, 117 Abs. 5, 309 Abs. 4 Satz 3, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG eine subsidiäre Zuständigkeit der Gesellschaftsgläubiger, diese Binnenhaftung geltend zu machen.63 Dieses Haftungskonzept ist kritisiert worden, weil das Bestehen einer Treupflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft zum sorgfältigen Umgang mit deren Vermögen umstritten ist:64 Eine Treupflicht besteht anerkannt zwischen den Gesellschaftern einer GmbH; sie folgt dort aus der Verknüpfung deren Interessen durch die gemeinsame Beteiligung an dem in der Gesellschaft verselbständigten Sondervermögen. Zur Begründung einer eigenständigen Treupflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft muss daher ein über das Gesellschafterinteresse hinausgehendes Interesse angeführt werden. Ein solches liege vor, wenn die Gesellschaft ein eigenes Bestands- oder Erhaltungsinteresse habe, welches über das Gesellschafterinteresse hinausgehe. Ein Bestandsrecht der Gesellschaft außerhalb des Gesellschafterinteresses und einen unzerstörbaren Kern, der von den Gesellschaftern nicht angetastet werden kann, sieht das deutsche Gesellschaftsrecht jedoch nicht vor, wie die zwingenden gesetzlichen Vorschriften über die Auflösung einer Gesellschaft zeigen.65 Das Gesellschaftsvermögen stehe daher zur Verfügung der Gesellschafter. Es gebe somit kein Recht der Gesellschaft auf Bestehen oder Fortbestehen und folglich auch keine Treupflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft zum sorgfältigen Umgang mit deren Vermögen. 2. Südafrikanische Rechtslage (Begriff des piercing of the corporate veil) a) Piercing als einheitliches Rechtsinstitut? Die südafrikanische Rechtsprechung und insbesondere die südafrikanische Rechtslehre haben sich immer wieder bemüht, die vorliegenden piercing-Sachverhalte zu systematisieren und piercing / lifting of the corporate veil 66 als ein62 K. Schmidt, Insolvenzrisiko und gesellschaftsrechtliche Haftung, in: JZ, 1985, 301 (305). 63 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 5. 64 Vgl. Drüke, Haftung der Muttergesellschaft, 48 ff. 65 §§ 60 Abs. 1, Nr. 1, Abs. 2 GmbHG, § 262 Abs. 1, Nr. 1, Abs. 2 AktG. 66 Wie im gesamten Commonwealth-Rechtskreis, so ist auch in Südafrika die Terminologie nicht einheitlich, und man spricht austauschbar sowohl von lifting of the

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heitliches Institut tatbestandlich zu erfassen.67 Angestrebt wurde dabei die Entwicklung eines allgemeingültigen Prüftests (general formula), der darüber Auskunft geben kann, wann zum Institut des piercing gegriffen werden darf. Heute liegen mehrere solcher Prüftests aus der Literatur vor:68 Der früheste stammt von Benade (1967). Später haben Domanski (1986), Larkin (1989) und Davids (1994) weitere Tests vorgelegt. Auch die Rechtsprechung hat eigene Prüftests versucht, und zwar erstmals (streitig) 1980 in Lategan v Boyes.69 Von 1983 bis 1995 galt dann der Flemming-Test, der in der Leitentscheidung Botha v Van Niekerk (1983)70 vorgestellt wurde. Er wurde allerdings 1995 in der weiteren Leitentscheidung Cape Pacific v Lubner der Appellate Division71 wieder beseitigt und durch einen neuen Test ersetzt (den sog. Smalberger-Test); dieser verfestigt sich inzwischen zunehmend in Literatur und Rechtsprechung. Will man den Smalberger-Test allerdings nicht als neue general formula auffassen, so gilt für Südafrika heute wieder, dass keine gültige general formula besteht und das Anliegen damit weiterhin ungelöst ist.72 Es bleibt dann vorläufig bei der althergebrachten fallgruppenmäßigen Betrachtungsweise (categorisation approach), der auch die ganz herrschende Meinung der Commonwealth-Rechtslehre73 und die Mehrheit der Commonwealth-Rechtsprechung74 folgen.

corporate veil als auch von piercing of the corporate veil. Die vor allem in den USA geläufige Formulierung „disregarding of the coporate veil“ ist in Südafrika kaum gebräuchlich. 67 Bei dieser Suche nach dem Rechtsinstitut befasste man sich allerdings (mit Ausnahme Benades und Larkins; hierzu s. u. Kap. A. I. 2. b) bb) und A. I. 2. b) cc)) kaum mit der Frage, was piercing / lifting sei (Im allgemeinen folgt man in dieser Hinsicht ohne näheres Hinterfragen der traditionellen Vorstellung, es handele sich hierbei um eine Durchbrechung des Trennungsprinzips, und legte dabei eine der Fiktionstheorie Savignys folgende Rechtsvorstellung von der juristischen Person zugrunde mit dem Ergebnis, dass beim piercing / lifting die juristische Person missachtet [disregarded] werde.), sondern stets mit der nachgelagerten Frage, wie zu erkennen sei, wann das als bestehend vorausgesetzte Rechtsinstitut des piercing / lifting angewandt werden dürfe. 68 s. u. Kap. A. I. 2. b). 69 Lategan v Boyes 1980 (4) SA 191 (T), per Le Roux, J. 70 Botha v Van Niekerk 1983 (3) SA 513 (W), per Flemming, J. 71 Cape Pacific Ltd v Lubner Controlling Investments (Pty) Ltd 1995 (4) SA 720 (A). 72 Vgl. z. B. Davids, The lingering question: Some perspectives on the lifting of the corporate veil, in: TSAR, 1994, 155. 73 Vgl. Morse, Palmer’s Company Law, 2.1519-2.1520, Joubert, LAWSA 4, 84 (par 44). Vgl. ferner die Nachweise bei Beck, The Two Sides of the Corporate Veil, in: Farrar (Hrsg.), Contemporary Issues in Company Law, 1987, 71 (72), Davids, Lifting the Veil, 54, Ottolenghi, From Peeping behind the veil to Ignoring it completely, in: MLR, (53) 1990, 338 (338 f.), Mayson, Company Law, 138 ff. (Kap. 5.2.2) und Beuthin / Luiz, Basic Company Law (1991), 13 ff. (die allerdings einschrän-

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Der categorisation approach bildet schlichtweg aus den vorhandenen piercing-Entscheidungen Fallgruppen. Er sucht somit erst gar nicht nach einem allen piercing-Entscheidungen zugrunde liegenden und gemeinsamen Prinzip und bietet es auch nicht.75 So gesehen ist er auch keine general formula. Die Bezeichnung categorisation approach ist insofern irreführend. Domanski ist der Ansicht, der categorisation approach habe seine Wurzeln bereits in der Urentscheidung Salomon v Salomon (1897).76, 77 Dort schon seien die beiden Fallgruppen „fraud“ und „agency“ etabliert worden. Südafrikanische Gerichte haben allerdings noch nie eine bestimmte Liste von Fallgruppen anerkannt oder für verbindlich erklärt.78 Die Fallgruppen (case categories) gelten auch nicht als numerus clausus, so dass neue gebildet werden können.79 Die südafrikanische Rechtsprechung war jedoch damit bislang sehr zurückhaltend.80 kend anfügen: „[P]urely for the sake of convenience, it seems possible to place the decisions of the courts into a number of cubby holes.“). 74 Domanski, Piercing the corporate veil – a new direction?, in: SALJ, (103) 1986, 224, Davids (1994), TSAR 155. Im südafrikanischen Fallrecht zeigt sich typisches categorisation approach-Denken beispielsweise in den Entscheidungen Lategan NNO v Boyes 1980 (4) SA 191 (T) 200E-H und Banco de Moçambique v Inter Science Research and Development Services (Pty) Ltd 1982 (3) SA 330 (T) 345B–C. Eines der wenigen südafrikanischen Gegenbeispiele ist die Entscheidung Von Wuldfling-Eybers v Soundprops 2587 Investments CC 1994 (4) SA 640 645B–J. Dort wurde ohne jeglichen Rückgriff auf hergebrachte piercing-Fallgruppen (insbesondere lag weder fraud noch other improper conduct vor; hierzu s. u. Kap. C. II. 1.) zu piercing of the veil gegriffen, vgl. Larkin (1994), ASSAL 407 ff. (408 f.). Der Fall betraf eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung (Verwendungskondiktion). 75 So deutlich Nel, J in Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 816A i.V. m. 821C im Zuge seiner Darstellung der verschiedenen vorgelegten Fallgruppenlisten. 76 Salmon v A Salomon & Co Ltd (HL 1896) [1897] AC 22, [1895–96] All ER Rep 33. 77 Domanski (1986), SALJ 225. 78 Flemming, J führt in Botha v Van Niekerk zwar seine eigene Fallgruppenliste auf (521C–523A; kritisch zu dieser Liste Larkin 1983, ASSAL 276), hält sich aber in seiner Entscheidung gerade nicht daran, sondern entwirft stattdessen eine general formula (den sog. onduldbare onreg-Test; hierzu s. u. Kap. A. I. 2. b) ff) (2)). Diese wird allerdings von einigen Stimmen aus der Rechtslehre lediglich für eine neu gebildete Fallgruppe gehalten (Domanski 1986, SALJ 228). Auch Nel, J bezieht sich in Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 816I–819C befürwortend (821C) auf eine Fallgruppenliste, wendet in seiner Entscheidung dann aber Flemmings onduldbare onreg-Test an. Allerdings versteht er diesen nicht als general formula, sondern nur als für eine bestimmte Fallgruppe (Fallgruppe „piercing in the interest of justice“ [818]) tauglichen Test. 79 Dahingehende Äußerungen finden sich in Banco de Moçambique 345B. Vgl. auch Davids, Lifting the Veil, 132 und Ottolenghi (1990), MLR 352. 80 In der neueren südafrikanischen Rechtsprechung allenfalls (einigen Stimmen aus der Literatur zufolge, vgl. Domanski 1986, SALJ 228) per Flemming, J in Botha v Van Niekerk. Ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Bildung neuer Fallgruppen hat die Rechtsprechung einige Male angedeutet, vgl. z. B. Banco de Moçambique 345B.

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Der categorisation approach ist wegen mehrerer Schwachpunkte bemängelt worden: Er könne keine verlässlichen piercing-Vorhersagen treffen; denn auch wenn sich ein Sachverhalt in eine der Fallgruppenschubladen schieben lasse, sei ein piercing nicht schon etwa deshalb automatisch gewährleistet.81 Auch gerade umgekehrt wurde vorgebracht, dass der categorisation approach zu ungerechten Entscheidungen führen könne in Fällen, in denen Billigkeitsüberlegungen zwar ein piercing erforderten, der Sachverhalt sich aber nicht in eine Fallgruppe einordnen lasse.82 Dieses Argument lässt sich allerdings dadurch entkräften, dass die bisherigen Fallgruppen keinen numerus clausus darstellen und somit neue gebildet werden können. Ferner wurde als ein weiterer Nachteil des categorisation approach angeführt, dass weder Einigkeit über die Anzahl der anzuerkennenden Fallgruppen erzielt worden sei noch darüber, welche der in Frage kommenden Entscheidungen wo einzuordnen seien.83 Auch sei die Terminologie nicht vereinheitlicht.84 Gelegentlich würden rechtliche Verankerung des piercing (wie die Konstruktion von agency-, partnership- oder trusteeship-Rechtsverhältnissen)85 einerseits und Fallgruppen des piercing andererseits nicht säuberlich getrennt.86

81 Beck (1987), CICL 73. Domanski (1986), SALJ 226 illustriert diese These am Beispiel der Banco de Moçambique-Entscheidung. 82 Domanski (1986), SALJ 225 (der die categories als „pidgeonholes“ bezeichnet), Beck (1987), CICL 73 (der den categorisation approach als „mechanistic approach, rather than one which examines the facts and issues in each situation“ bezeichnet). Beispielsweise der malawische Yanu-Yanu-Fall (Yanu-Yanu Co Ltd v Mbewe and Mbewe Case No. 121 / 1982, besprochen bei Domanski 1986, SALJ 230 f. und Beck 1987, CICL 73) sowie die englischen Fälle Tunstall v Steigman (1962) 2 QB 593 und Christina v Seear (1985) 2 EGLR 128 (vgl. Beck 1987, CICL 73 und 85). Beide Entscheidungen belegen, wie die formalistische Anwendung des categorisation approach zu unbilligen Ergebnissen führen kann. Aus der südafrikanischen Rechtsprechung vgl. den Fall Simmons NO v Snobberie Cape (Pty) Ltd 1977 (3) SA 451 (WLD), dem ein Vermögensvermengungs (intermingling of assets)-Sachverhalt zugrunde lag. Davids, Lifting the Veil, 146 f. zufolge haben die Kläger dort zu Recht piercing begehrt. Das Klagebegehren wurde vom Gericht jedoch abgewiesen mit der Begründung: „There is no authority for ,lifting the veil‘ in a case of this kind.“ (455A). 83 Pickering, The company as a separate legal entity, in: MLR, (31) 1986, 481 (483), Beck (1987), CICL 72. 84 Vgl. z. B. Davids, Lifting the Veil, 55 (Fn. 30). 85 Hierzu s. u. Kap. B. II. 1.–Kap. B. II. 3. 86 Davids, Lifting the Veil, 55 (Fn. 29) und 60 (Fn. 50) mit Beispielen aus der Literatur. Vgl. insbesondere die verfehlte Fallgruppe „agency“ (s. u. Kap. C. VI. 1.).

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b) Definition des Begriffs piercing of the corporate veil und piercing-Prüftests aa) Piercing als Ausnahme zum Trennungsprinzip Die ganz herrschende Meinung der Literatur und auch die Rechtsprechung verstehen piercing of the corporate veil als Ausnahme zum Trennungsprinzip (separate legal entity concept oder Salomon-Rechtsgrundsatz87). Insoweit bestehen keine Unterschiede zur herrschenden Auffassung der deutschen Lehre. Eine unterschiedliche Auffassung wird jedoch dazu vertreten, inwiefern piercing auf das Trennungsprinzip einwirke und was seine Auswirkungen auf das Verhältnis Gesellschaft-Gesellschafter und Gesellschafter-Gläubiger der Gesellschaft seien: Die juristische Person wird ganz überwiegend als fiktive Rechtspersönlichkeit (fictitious personality) verstanden.88 Beim piercing werde die „Rechtshülle“ (veil) der juristischen Person je nach vertretener Ansicht entweder einfach missachtet (disregarding) oder durchbrochen (piercing) oder wie eine Käseglocke angehoben (lifting). Vertiefte unterscheidende Dogmatik wird hierzu nicht betrieben. Einig ist man sich allerdings, dass dadurch der Zugriff auf die sich als „hinter“ der juristischen Person befindlich verstandenen natürlichen Personen ermöglicht werde. Unklarheit herrscht darüber, wer sich alles „hinter“ der Rechtshülle der juristischen Person verberge und auf wen folglich im Wege des piercing of the corporate veil zugegriffen werden könne. Unstreitig seien dies die Gesellschafter. Streitig ist aber, ob dies auch die directors und officers89 der Gesellschaft seien. Oft wird einfach von den members gesprochen.90 Damit sind dann nur die Gesellschafter (shareholders) gemeint.91 Laut Ottolenghi werden lediglich die Gesellschafter, nicht aber die Geschäftsführer (directors) erfasst, da diese – 87

Seit der gleichnamigen grundlegenden Entscheidung Salomon v Salomon. So immer wieder die südafrikanische Rechtsprechung, vgl. z. B. die englische Entscheidung Lennard’s Carrying Co v Asiatic Petroleum [1914–15] All ER 280 283B, auf die die südafrikanische Rechtsprechung regelmäßig verweist; ferner Levy v Central Mining & Investment Corporation Ltd 1955 (1) SA 141 (A) 149H, Ngcwase v Terblanche 1977 (3) SA 796 (A) 803H und Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 808I (per Van den Heever, JA). 89 Zum Begriff officer s. die Legaldefinition in § 1 Abs. 1 Companies Act: „[O]fficer, in relation to a company, includes any managing director, manager or secretary thereof but excludes a secretary which is a body corporate.“ Die südafrikanische Rechtsprechung hat klargestellt, dass für die Zwecke des Companies Act directors auch officers sind (Lipshitz v Wolpert & Abrahams 1977 (2) SA 732 (A) 750). Zu officers s. a. Van Dorsten, South African Business Entities, 3. Auflage, Sandton 1993, 232 f. 90 Z. B. Gower, Principles of Company Law (1979), 110 ff. 91 Die Begriffe members und shareholders werden – zumindest im südafrikanischen Gesellschaftsrecht – austauschbar verwendet, vgl. Van Dorsten, South African Business Entities (1993), 189. 88

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im Gegensatz zu den Gesellschaftern – nicht „hinter“, sondern „vor“ der Rechtshülle (veil) stünden.92 Du Plessis und Henning weisen darauf hin, dass jedenfalls die neuere kanadische Rechtsprechung fest davon ausgehe, dass die directors sich „hinter“ der Rechtshülle der juristischen Persönlichkeit befänden.93 Dies widerspricht dann klar Ottolenghis oben dargestellter Auffassung. Die südafrikanische Rechtsprechung ist undeutlich: Flemming J (in Botha v Van Niekerk) schließt im Hinblick auf den Haftungsdurchgriff directors mit ein.94 Im übrigen gibt er keine klare Erklärung ab, schließt aber in seine piercing-Fallgruppenliste jedenfalls für die Bereiche Eigenschaftszurechnung und Wissenszurechnung directors ausdrücklich mit ein.95 Nel J (in Cape Pacific v Lubner CPD 1993) geht in unscharfer Formulierung davon aus, dass lediglich ein „shareholder or controller responsible for the corporation’s action as if it were the shareholder’s own“ erfasst werde, verallgemeinert dies im selben Urteil aber auch zu „someone other than the company“96 und wird damit noch vager. Die neuere englische Rechtsprechung (Atlas Maritime v Avalon) stellt demgegenüber nur auf die Gesellschafter (shareholder) ab.97 92

Ottolenghi (1990), MLR 341. Du Plessis / Henning, Die deliktuele aanspreeklikheid van persone wat as maatskappyorgane optree, in: THRHR, (52) 1989, 540 (547, einschließlich Fn. 57). s. auch u. Kap. A. II. 2. b) bb). 94 1983 (3) SA 513 (W) 523H („Dit sou ten minste besondere gronde verg; iets wat ’n redelik dwingende noodsaak skep in die belang van geregtigheid om die elementêre [sic] van maatskappystigting [„Gesellschaftsgründung“] uit te skryf sodat ’n aandeelhouer [„Gesellschafter“] of direkteur persoonlik aanspreeklik [haftbar] is op ’n maatskappy [„Gesellschaft“] se kontrakte.“). Die Textstelle bezieht sich somit nur auf vertraglich begründete Ansprüche der Gesellschaft. Über deliktische Ansprüche ist nichts gesagt. 95 1983 (3) SA 513 (W) 521D („As dit gaan om ’n bepaalde kwaliteit van die regspersoon, kan . . . eienskappe van die beheerders of aandeelhouers aan die regspersoon oorgedra word.“) und 522C / D („Die terrein van toedig van kennis of miskien eerder die vermenging van kennis, toon wel die relatiwiteit van die afgrensing van die maatskappy teenoor sy direkteure.“). 96 Cape Pacific Ltd v Lubner Controlling Investments (Pty) Ltd 1993 (2) SA 784 (C) 815I („The law of piercing the corporate veil: 1. As a general principle companies are recognized as legal entities separate from their shareholders, officers and directors. Corporate obligations remain the liability of the entity and not of the shareholders, directors or officers who own and / or act for the entity. ,Piercing the corporate veil‘ refers to the judicially imposed exception to this principle by which Courts disregard the separateness of the corporation and hold a shareholder or controller responsible for the corporation’s action as if it were the shareholder’s own.“) und 819A („Effect of the Court piercing the veil: . . . By the process of piercing the veil the Court renders someone other than the company liable for its debts. It is apposite to repeat what Flemming J said in Botha v Van Niekerk en ’n Ander [supra at 523H]“). 97 Atlas Maritime Co SA v Avalon Maritime Ltd (No.1) [1991] 4 All ER 769 779g–h (per Straughton, LJ): „The corporate veil[:] Like all metaphors, this phrase can sometimes obscure reasoning rather than eludicate it. There are, I think, two sen93

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Unklarheit herrscht ferner darüber, ob piercing lediglich zur Folge habe, dass neben der Gesellschaft als juristischer Person nun auch die Gesellschafter als Haftungsschuldner zur Verfügung stehen (oder Schuldner eines Unterlassungsanspruchs werden usw.), die Haftung also erstreckt wird, oder ob stattdessen bei piercing die juristische Person insgesamt in ihrer Eigenschaft als Schuldnerin eines bestimmten Anspruchs verneint / aufgelöst wird („as if it did not exist at all“) und somit nicht mehr als Schuldnerin vorhanden ist, so dass nun nur noch die Gesellschafter als (Ersatz-)Schuldner in Betracht kämen. Diese Frage wurde in Südafrika kaum erörtert. Smalberger JA war in der Leitentscheidung Cape Pacific v Lubner (1995) der Auffassung, dass beim piercing die Gesellschaft nur punktuell in Bezug auf einen in Rede stehenden Anspruch mißachtet (disregarded) werde („piercing pro hac vice“), im Übrigen aber als Rechtspersönlichkeit bestehen bleibe.98 Nach diesem Verständnis besteht folglich die Gesellschaft in Bezug auf diesen Anspruch nicht mehr als Schuldnerin fort und es findet somit keine Haftungserstreckung statt. Stattdessen seien nur noch die Gesellschafter haftbar. Ein solches piercing-Verständnis im Sinne einer punktuellen Missachtung der juristischen Person ist seit 1984 in Südafrika auch gesetzlich in § 65 Close Corporations Act verankert.99

ses in which it is used, which need to be distinguished. To pierce the corporate veil is an expression that I would reserve for treating the rights or liabilities or activities of a company as the rights or liabilities or activities of its shareholders. To lift the corporate veil or look behind it, on the other hand, should mean to have regard to the shareholding in a company for some legal purpose. The distinction can be seen in the illuminating judgement of Slade LJ in Adams v Cape Pacific plc [1991] 1 All ER 929 at 1024–1025 . . .“ In der Entscheidung Atlas Maritime Co SA v Avalon Maritime Ltd wurde piercing of the corporate veil (im Verhältnis Mutter- / Tochtergesellschaft) allerdings letztlich abgelehnt (Atlas Maritime v Avalon Maritime 779h). 98 Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 804C / D: „[T]here is no reason in principle or logic why its separate legal personality cannot be disregarded in relation to the transaction in question (in order to fix the individual or individuals responsible with personal liability) while giving full respect to it in other respects. In other words, there is no reason why what amounts to a piercing of the evil pro hac vice should not be permitted.“ 99 § 65 Close Corporations Act: „[Powers of Court in case of abuse of separate juristic personality of corporation] Whenever a Court on application by an interested person, or in any proceedings in which a corporation is involved, finds that the incorporation of, or any act by or on behalf of, or any use of, that corporation, constitutes a gross abuse of the juristic personality of the corporation as a separate entity, the Court may declare that the corporation is to be deemed not to be a juristic person in respect of such rights, obligations or liabilities of the corporation, or of such member or members thereof, or of such other person or persons, as are specified in the declaration, and the Court may give such further order or orders as it may deem fit in order to give effect to such declaration.“

I. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis

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Laut Ottolenghi sei beides piercing (Ottolenghi selbst verwendet durchgehend den Ausdruck lifting), allerdings in unterschiedlicher Intensität (Ottolenghis sog. Lifting-Leiter):100 100 Ottolenghi (1990), MLR 340 ff. unterteilt den Begriff lifting of the corporate veil im Hinblick auf seine rechtliche Bedeutung in vier Unterbegriffe. Diese bezeichnen jeweils Stufen ansteigender Eingriffsintensität in das Trennungsprinzip (Ottolenghis sog. Lifting-Leiter – „Ladder of lifting“, vgl. 1990 MLR 340): Als schwächste Eingriffsform „peeping behind the veil“, danach „penetrating the veil“, hiernach „extending the veil“ und schließlich als intensivste Eingriffsstufe „ignoring the veil“. Eine südafrikanische Stellungnahme zu Ottolenghis Systematisierung findet sich bei Davids, Lifting the Veil, 52 f., die diesbezüglich von einem „most novel approach“ spricht. Im Einzelnen führt Ottolenghi a. a. O. aus: „[340:] As the metaphor of the veil is of such long standing, it is incorporated in the names of categories which reflect the differences of attitude towards the company. These categories, in a progressive order, are ,Peeping behind the Veil‘, ,Penetrating the Veil‘, ,Extending the Veil‘ and ,Ignoring the Veil‘ [Es folgt eine Fußnote: „The more common expressions for ,Lifting the Veil‘ are ,Piercing the Veil‘ or ,Disregarding the Veil‘. I have deliberately decided to choose other names for the proposed categories so as to differentiate from the common nomenclature, which is generally used synonymously with the whole subject-matter.“]. The Four Categories: . . . The first category [Peeping behind the Veil] is the least offensive with respect to the separate entity theory . . . [T]he veil is lifted only to get information involving the persons who control the company, such as who are the shareholders, what is the proportion of their holdings, and what is their inter-relationship with regard to the control of the company? Having gathered this information, the veil is then pulled down and once more the company is treated as a separate legal personality, to which special characteristics are now attributed in consequence of that ,curiosity‘ . . . The most famous example is the Daimler case [Daimler Co Ltd v Continental Tyre & Rubber Co (Great Britain) Ltd [1916–17] All ER 191 (HL) . . . [343:] A second category of lifting the veil [Penetrating the Veil] is more operative with regard to the shareholders. The courts reach through the veil and grasp the controlling shareholders personally. The purpose of penetrating the veil is to impose upon the shareholders responsibility for the company’s acts . . . or to establish their direct interest in the company’s assets . . . The most prominent example is section 24 of the [British] Companies Act 1985, by which a personal, unlimited liability for the company’s obligations is imposed upon every shareholder if the company continues to trade for 6 months with fewer than the minimum number of members, and the remaining members are cognisant of the fact . . . [345:] A special mode of penetrating the veil is by way of declaring an agency relationship between the controlling shareholder and ,his‘ company. It was Vaugham Williams, J. who, in the Salomon case, based his judgement on an agency relationship, stating that the company had no personality of its own, being nothing more than the agent of Salomon the man. The House of Lords found a contradiction: if the company was an agent, it had a personality of its own. As a consequence, the House of Lords denied the existence of such a relationship. The current wisdom is that agency is one of the cases in which the court will lift the veil . . . But surely agency does not precede lifting the veil, it is the other way round. In consequence of peeping behind the veil, the courts reach the conclusion that an agency relationship exists between the controlling shareholder and ,his‘ company. Agency, therefore, is only a way by which the courts penetrate the veil: they construct the direct interest of the shareholders in their controlled company’s acts and property by way of imputing agency relationships between the company and its controlling

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Den ersten, weniger starken Eingriff bezeichnet Ottolenghi als „penetrating the veil“.101 Hierbei trete die Haftung der Gesellschafter (member) neben die der Gesellschaft. Diese verliere dabei weder ihre Rechtspersönlichkeit noch werde sie von ihrer Haftung befreit.102 Nicht stimmig beantwortet Ottolenghi allerdings hierbei die Frage nach der rechtlichen Verankerung103 eines solchen penetrating the veil: Einerseits beshareholder, whether a private person or a holding company. Agency is not the aim, but the means of lifting the veil. The courts thus ,impose‘ an agency relationship – which may be called therefore ,implied‘ or ,constructive‘ agency. This agency must be construed on factual findings, where the holding of the shares is only one of the key factors for that decision . . . [346:] The technique of imposing an agency relationship is used by the courts when they are reluctant to ignore the veil completely, which is considered real lifting the veil. [347:] A third technique of lifting the veil [Extending the Veil] is by its extension so that it embraces a bunch of companies . . . Here, the veil of each one of the companies is lifted – only to draw it again over a larger number of components . . . Such is the case when a group of legal entities is conducting a common activity, so that instead of referring to each one separately, one can regard them all as a single going concern, under one extended veil of incorporation . . . Each corporate entity does not concern us any more: it is ,the enterprise entity‘ on which we focus attention. The technique can be used in other circumstances, as illustrated by the Gilford case . . . [Gilford Motors Co Ltd v Horne [1933] Ch 935 (CA)]. [348:] Here, . . . [the court] extended the veil: it did not make the artificial distinction of who may act in breach of the covenant – the defendant himself or the company. [The order] . . . contained the injunctions against both, considering them to be one unit – like an enlarged legal entity . . . Generally, however, the veil is extended in the case of several companies. The most notable example of legislation is provision in the Companies Act, according to which a holding company must include in its accounts the profits earned or losses suffered by its subsidiaries, together with the collective assets and liabilities – group accounts . . . This group account is recognised also in the Corporation Tax Acts . . . The courts have started to follow suit and in some cases have taken this approach to a group of companies, without attributing too much importance to the separate entities of its various components . . . [349:] A good illustration is DHN Food Distributors Ltd v London Borough of Tower Hamlets [(1976) 3 All ER 462]. [351:] The most extreme form of lifting the veil [Ignoring the Veil] is when the courts ignore it completely . . . This approach is as a sanction to which the courts turn when they think that the company was not founded for commercial or other sound grounds, but only as a means to defraud or defeat creditors or to circumvent laws . . . However, . . . it is suggested that this method of disregarding the company’s separate entity has gone too far. Not only is it against the legal system: taken literally, it deprives the courts themselves of the possibility of issuing orders against the company as such, if and when they deem fit. Thus, for example, when the courts state that the company was no more than a ,device and a sham, a mask which he [d. i. der controlling shareholder] holds before his face in an attempt to avoid recognition by the eye of equity‘ [Jones v Lipman 1962 1 WLR 832], it contradicts its own order issued later on against this same company.“ 101 Ottolenghi (1990), MLR 343. 102 Ottolenghi (1990), MLR 343, Fn. 53: „In penetrating the veil the company neither looses its separate personality, nor is it exonerated from paying its own debts. The result of the penetration . . . is an additional obligation of its members.“ Diese Feststellung Ottolenghis bezieht sich auf § 24 des britischen Companies Act 1985.

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nennt sie § 24 des britischen Company Act 1985 als Musterbeispiel eines penetrating the veil. § 24 Company Act 1985 entspricht in Südafrika § 66 des Companies Act.104 Beide lösen eine gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus. Die Gesellschaft bleibt als Schuldnerin fortbestehen, die Gesellschafter treten als Schuldner hinzu. Im gleichen Atemzug spricht Ottolenghi dann andererseits jedoch davon, dass die Rechtsprechung penetrating the veil im law of agency verankert habe, jedenfalls für den Sondersachverhalt eines beherrschenden Gesellschafters („controlling shareholder“). Lägen Umstände vor, die ein penetrating the veil rechtfertigten, so zwinge die Rechtsprechung den beherrschenden Gesellschafter in ein (implied) agency-Rechtsverhältnis („The courts . . . ,impose‘ an agency relationship“105). Die Rechtsfolge eines agency-Rechtsverhältnis ist jedoch anders gelagert als die des § 24 Company Act 1985 und des § 66 Companies Act: Es entsteht keine Gesamtschuld zwischen den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschafter und Gesellschaft. Die Gesellschaft (der agent) haftet überhaupt nicht, lediglich der Gesellschafter (der principal) haftet. Zwar ist einzuräumen, dass Ottolengi unter implied agency wohl nur Zurechnungsfälle fassen will, nicht aber auch Haftungsfälle,106 und eine Abgrenzung immerhin insofern vornimmt, dass sie Erstere als „[a] special mode of penetrating the veil“107 bezeichnet. Jedoch erscheint es dennoch systematisch bedenklich, beide unter einen Schlagwortbegriff zu ziehen.108 Den zweiten Eingriff bezeichnet Ottolenghi als „ignoring the corporate veil“ („the real lifting the veil“109). Er sei die intensivst mögliche Form des piercing. Die „Rechtshülle“ (veil) der juristischen Person werde völlig missachtet, als ob sie gar nicht bestehe.110 Laut Ottolenghi sei dies gemeint, wenn Rechtsprechung und Rechtslehre gängigerweise von „disregarding the veil“ oder „ignoring the veil“ sprächen.111 Zu solchem ignoring the veil greife die Rechtsprechung nur in solchen Fällen, „when they think that the company was not founded for commercial or other sound grounds, but only as a means to defraud or defeat creditors or to circumvent laws.“112 Werde diese piercing-Form von der Recht103 Von Ottolenghi bezeichnet als „way of penetrating the veil“ (1990 MLR 353) oder „mode of penetrating the veil“ (1990 MLR 345) oder „technique [of lifting the veil]“ (1990 MLR 346). 104 Zu § 66 Companies Act s. u. Kap. B. II. 2. b) bb) und Kap. C. VI. 3. 105 Ottolenghi (1990), MLR 345. Zu agency-Konstruktionen s. u. Kap. B. II. 1. 106 Vgl. die Beispiele bei Ottolenghi (1990), MLR 345. 107 Ottolenghi (1990), MLR 345. 108 Zum agency approach, zu § 66 Companies Act und zum partnership approach s. u. Kap. B. II. 1. und Kap. B. II. 2. b). 109 Ottolenghi (1990), MLR 346. 110 Ottolenghi (1990), MLR 351. 111 Ottolenghi (1990), MLR 351 (Fn. 122). 112 Ottolenghi (1990), MLR 351.

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sprechung angewandt, so werde dies durch typische Anzeigebegriffe deutlich („puppet“, „cloak“, „scheme“, „instrumentality“, . . .).113 Ottolenghi zufolge sei ein ignoring of the corporate veil allerdings systemwidrig („against the legal system“) und könne – wie Jones v Lipman114 gezeigt habe – zu prozessrechtlichen Widersinnigkeiten führen.115 Laut Sealy116 sind zumindest die meisten der als statutory piercing bezeichneten Fälle nicht solche, die auf ein ignoring of the corporate personality hinauslaufen, sondern solche, die eine zusätzliche Haftung der Gesellschafter neben der Gesellschaft anordnen. bb) Benades billikheid-Test (1967) Benade117 lehnt das traditionelle piercing-Verständnis als verfehlt ab.118 Sein Verständnis der juristischen Person unterscheidet sich erheblich von dem der herrschenden Ansicht: Die Rechte, Pflichten und Grenzen der juristischen Person könnten nicht abstrakt und absolut a priori bestimmt werden; vielmehr hingen sie von der sich wandelnden Einschätzung seitens der Rechtsgemeinschaft ab.119 A priori-Festlegungen wie die der herrschenden Ansicht erschwerten es, Billigkeitsrecht zu setzen.120 Das Trennungsprinzip gelte, aber nicht absolut, sondern es sei zweckunterworfen.121

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Zu dieser Terminologie und ihrer Einordnung s. u. Kap. C. VI. 2. Jones v Lipman (ChD 1961) [1962] 1 All ER 442. Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. II. 1. a) bb). 115 Ottolenghi (1990), MLR 351. Vgl. oben im Fn.-Apparat dieses Kapitels. 116 Sealy, Cases and Materials in Company Law, 57. 117 Benade, Verontagsaming van die Selfstandigheid van die Maatskappy-Regspersoon, in: THRHR, (30) 1967, 213, Cilliers, Korporatiewe Reg (1992), 9, Kap. 1.20– 1.21. 118 Benade (1967), THRHR 215 und 226: „Die beeld van ’n skerm wat slegs met gewelddoening deurdring kan word, is . . . misleidend“ und „Die onjuiste beeld van die entiteit as ’n kokon rondom ’n substansie wat alleen blootgelê kan word as die kokon oopgebreek word . . .“ Diese Rechtsvorstellung sei irreführend, weil sie zu der verfehlten Vorstellung führe, dass „die een aspek [d.h. die Gesellschafter] slegs na vore kan tree as die ander [d.h. der Gesellschaft und ihrem veil] geweld aangedoen word. Latty wys daarop dat met so ’n benadering geïmpliseer word dat ,so long as the corporate entity is regarded, the stockholders by that very fact enjoy a kind of legal oblivion‘.“ 119 Benade (1967), THRHR 216 (Fn. 11) unter Verweis auf Nékam, The personality conception of the legal entity, 1938: „What is regarded as legal entity and what social importance is given to [it], from what points of view it is taken as needing social protection and what in consequence its rights are – all these are questions which depend entirely on the changing evaluation of the given community and can therefore . . . never be guessed at by any a priori principles.“ Vgl. auch Benade, (1967) THRHR 222, wo Benade Nékams Schlussfolgerung folgt, „dat daar geen vaste kriterium bestaan waarvolgens die kenmerke van die regspersoon bepaal kan word nie . . . Om die regspersoon . . . juridies bevredigend te definieer, is nie doenlik nie.“ 114

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Laut Benade könne jede juristische Person rechtlich stets aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden: Zum einen als eine getrennte juristische (Verbands-) Person (afsonderlike / losstaande entiteit) und zum anderen als ein Personenverband (samevoeging van ’n aantal individue oder samestellende lidmaatskap).122 Hierbei gehe es aber nicht um ein „entweder-oder“ (entweder Personenverband oder Verbandsperson), sondern um ein „sowohl-als auch“. Werde der Blick also auf den Personenverband gerichtet, so werde dadurch die Verbandsperson nicht missachtet (misken) 123 oder reduziert.124 Gleiches gelte umgekehrt. Leider finden sich bei Benade keine näheren dogmatischen Ausführungen zu diesem Nebeneinander. Die von Benade angeführten veranschaulichenden Beispiele (wie das „Verlobungsring“-Beispiel125) erscheinen als rechtsdogmatische Begründung ungenügend.

120 Benade (1967), THRHR 223: „Met sulke beskouings as rigsnoer, word gepoog om ewige waarhede te verkondig waarmee alle regsreëls aangaande die maatskappy moet strook terwyl die regsorde die geleentheid ontneem word om doelmatigheid te bewerkstellig.“ 121 Benade (1967), THRHR 215: „Die regsreël met betrekking tot die selfstandigheid van die regspersoon is . . . geen vooropgestelde absolute waarheid nie. Die doel wat die reël [met betrekking tot die selfstandigheid van die regspersoon] dien, bepaal die mate waarin dit aangehang moet word; . . .“ 122 Benade (1967), THRHR 224: „So gesien, kan geen beswaar bestaan nie dat die maatskappy so dikwels as wat die billikheid vereis, nie as ’n afsonderlike entiteit nie maar as die samevoeging van ’n aantal individue gesien word.“ Vgl. auch Benade in Cilliers, Korporatiewe Reg (1992), 9: „Hoewel ’n maatskappy ’n selfstandige entiteit is, bestaan dit ook uit sy samestellende komponente (dit wil sê sy aandeelhouers en sy direksie) . . . Maatskappyregtelike dogma laat toe dat ’n maatskappy óf in sy afsonderlike staat óf vanuit sy afsonderlike komponente beoordeel word.“ Ähnlich Mayson, Company Law, 133 (Kap. 5.2.1): „A company has a dual nature as both an association of its members and a person separate from its members.“ 123 Benade (1967), THRHR 226: „In wese vind geen miskenning van die afsonderlike bestaan van die maatskappy plaas as die interne opset in ag geneem word nie. Die siening van die maatskappy as ’n afsonderlike entiteit is maar een faset van ’n geheelbeeld. Geen teenstrydigheid ontstaan wanneer die selfstandigheid van die entiteit verontagsaam word nie.“ 124 Larkin, Regarding judicial disregarding of the company’s separate identity, in: SAMercLJ, (1) 1989, 286 (Fn. 56) sieht hierin eine Unstimmigkeit in Benades Modell: „Benade . . . explicitly warns against ever thinking that by focusing on one aspect one necessarily diminishes the other: see Benade [1967, THRHR] 226. Yet one wonders whether . . . [Benade’s] model has not done damage and is not behind the piercing the veil approach. For [Benade’s] approach does require one to reverse entity to uncover the corporators, ie the former must shrink for the latter to appear.“ 125 Benade (1967), THRHR 226 (Verlobungsring-Beispiel: Blickwinkel der Verlobten einerseits, Blickwinkel des Juweliers andererseits): „Ook die stelling dat die maatskappy as ’n geheel iets anders is as die som van sy komponente is slegs ten dele korrek. Net soos die verloofde meisie [„das verlobte Mädchen“] se siening van die geheel van haar verloofring verskil van dié van die juwelier wat sy wins daarop met verwysing na die komponente bereken, net so is die maatskappy enersyds ’n som van komponente maar andersyds ook iets meer as die blote som.“

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Piercing of the corporate veil bedeute mithin laut Benade einfach, den zweiten Blickwinkel einzunehmen.126 Es gehe daher nicht etwa um eine etwaige Durchbrechung des Trennungsprinzips. Vielmehr könne auch auf die Gesellschafter direkt Bezug genommen werden (direkte benadering).127 Wann welcher Blickwinkel eingenommen zu werden habe, sei anhand eines billikheid- / doelmatigheid-Tests zu bestimmen.128 Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen (billikheid en doelmatigheid) 129 bildeten im piercing-Recht den allgemeinen und umfassenden Grundsatz, nach dem bestimmt werde, wann zum piercing gegriffen werden müsse. Das große Manko von Benades allgemeingültigem Test (billikheid-Test) ist, dass er zu wenig tatbestandsmäßig greifbar ist. Benade selbst definiert den Begriff billikheid in diesem Zusammenhang nicht und gibt keine Tatbestandsmerkmale an die Hand.130 Es findet sich lediglich die These, dass dann ein piercing erfolge, wenn eine strenge Anwendung des Trennungsprinzips (des Salomon-Rechtsgrundsatzes) zu unerträglichen Ergebnissen führen würde.131 Dies ist kaum eine praktikable Formulierung. Benade sieht seinen billikheid-Test auf folgende drei Säulen gestützt: Erstens verwende auch das südafrikanische gesetzliche Gesellschaftsrecht in § 344 (h) Companies Act132 das Konzept billikheid zur Lösung von Interessenskonflikten. Zweitens sei auch in den USA piercing aufgrund von Billigkeitserwägungen (equity) gängige Rechtsprechung.133 Drittens liege eine englische Präzedenzent126 Benade (1967), THRHR 215: „’n . . . [S]ituasie te beoordeel nie vanuit die oogpunt van die bestaan van ’n afsonderlike maatskappyentiteit nie, maar vanuit sy samestellende lidmaatskap.“ 127 Benade (1967), THRHR 224. 128 Benade (1967), THRHR 224: „[D]ie maatskappy [word] so dikwels as wat billikheid vereis, nie as ’n afsonderlike entiteit nie maar as die samevoeging van ’n aantal individue gesien . . .“ 129 In (1967), THRHR 213 ff. spricht Benade zumeist von billikheid (1967 THRHR 220, 224, 227, 230). Der Begriff doelmatigheid wird dagegen nur einmal verwandt (1967 THRHR 223). Es liegen keine Anzeichen dafür vor, dass Benade unter diesen beiden Begriffen etwas wesentlich Verschiedenes versteht. Davids, Lifting the veil spricht in Bezug auf Benade ausschließlich von billikheid. 130 Zum gleichen Schluss kommt Davids, Lifting the Veil, 177. Benade spricht nur formelmäßig davon, dass piercing „ooreenkomstig die eise van die billikheid“ zu erfolgen habe, vgl. Benade (1967), THRHR 230. 131 Benade (1967), THRHR 219: „Wanneer die selfstandigheid van die maatskappy verontagsaam word, of, soos dit gestel word, die ,corporate veil‘ deurdring word, geskied dit deurentyd ter ontduiking van die onaanvaarbare resultate waartoe die aanvanklike benadering [d.h. die strenge Anwendung des Salomon-Rechtsgrundsatzes] lei.“ 132 § 344 (h) des Companies Act, No. 61 of 1973 ist die Nachfolgevorschrift zu § 111 (g) des Companies Act, No. 46 of 1926, den Benade erwähnt. Beide Vorschriften sprechen ausdrücklich von „reg en billik“. Zu § 344 (h) Companies Act, s. ausführlich unten Kap. C. VI. 3. 133 Benade verweist auf die US-amerikanische Deep rock-doctrine (formuliert in Taylor v Standard Gas and Electrical Co. 306 US 307; 59 Sct 543 [1939]) und die

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scheidung (Jones v Lipman134) vor, die sich auf eine general formula genau wie die seine gestützt habe. Dieses Argument greift heute (Benade schrieb seinen Aufsatz bereits 1967) allerdings nicht mehr. Denn inzwischen liegt mit Botha v Van Niekerk (1983) eine südafrikanische Entscheidung vor, in der es klar abgelehnt wird, ausschließlich Billigkeitsüberlegungen (blote billikheid) zugrunde zu legen.135 Benades Verständnis der juristischen Person und sein billikheid-Test sind von der südafrikanischen Literatur und Rechtsprechung häufig besprochen worden: Innerhalb der südafrikanischen Rechtslehre verwirft Larkin Benades Verständnis der juristischen Person deutlich: Es sei contra legem und opfere „entity for equity“.136 Für Davids ist dagegen Benades general formula das beste bislang vorgelegte Konzept, obgleich es an der Vagheit des Begriffs billikheid kranke und dadurch für subjektiv gefärbte Entscheidungen anfällig sei.137 Die Rechtsprechung hat in der piercing-Leitentscheidung Botha v Van Niekerk (1983) an Benades Konzept zwar abgelehnt, dass – wie Benade vorschlägt – einer piercing-Entscheidung ausschließlich billikheid-Überlegungen zugrunde liegen sollen.138 Jedoch ist die in dieser Entscheidung entwickelte general formula (der sog. onduldbare onreg-Test139) im Kern nichts weiter als ein verschärfter Benade-Test. Diese wurde in der nachfolgenden Leitentscheidung Cape Pacific v Lubner 1993 CPD (per Nel J)140 angewandt. Die Revisionsentscheidung der Milwaukee Refrigerator-Entscheidung (United States v Milwaukee Refrigerator Transit Co [1906] 142 F. 247 255). Zur Milwaukee Refrigerator-Entscheidung s. a. Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 73 f. 134 [1962] 1 All ER 442 (Ch). Vgl. 445C / D: „The defendant company is the creature of the first defendant, a device and a sham, a mask which he holds before his face in an attempt to avoid recognition by the eye of equity.“ Laut Benade (1967), THRHR 220 ist diese Entscheidung eine „onverbloemde beroep op ’n billikheidsoorweging.“ 135 1983 (3) SA 513 (W), per Flemming, J. Zu dieser Entscheidung, die für Südafrika zeitweilig (1983–1995) eine neue general formula lieferte (den sog. onduldbare onreg) s. u. Kap. A. I. 2. b) ff) (2) und C. II. 1. a) bb). 136 Larkin (1989), SAMercLJ 282: „It may be . . . that the Benade argument will not quite do. The objection is that it appears to sacrify entity, and this is to re-write the law. The concept of ,entity subject to equity‘ itself frustrates the law and goes against what it was intended to achieve. The Companies Act . . . unqualifiedly provides for the company to be a corporate body. As such, it can pursue any legal purpose. The idea of ,entity subject to equity‘ tampers with the means which the law has chosen to serve its ends. The law might have chosen to follow the route suggested, but it has not done so . . . There is nothing expressly in the law to this effect . . .“ 137 Davids, Lifting the Veil, 177. 138 In Botha v Van Niekerk 523H wird (unter Bezugnahme auf Benade 1967, THRHR 224) das Heranziehen des Konzepts billikheid mit dem Reiten eines unbezähmbaren Pferdes verglichen; hierzu s. u. Kap. A. I. 2. b) ff) (2). 139 Hierzu s. u. Kap. A. I. 2. b) ff) (2). 140 Cape Pacific Ltd v Lubner Controlling Investments (Pty) Ltd 1993 (2) SA 784 (C), per Nel, J.

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Appellate Division hierzu (Cape Pacific v Lubner 1995 AD) verwarf zwar (per Smalberger JA) den onduldbare onreg-Test wieder. Das abweichende Minderheitsvotum (per Van Heerden JA) lag jedoch demgegenüber weitgehend auf Benades Linie.141 Das Mehrheitsvotum (per Smalberger JA) bezog sich zwar nicht ausdrücklich auf Benade, beschreibt aber den Cape Pacific v Lubner-Fall als „somewhat analogous to Jones v Lipman.“142 Diese Entscheidung hatte Benade gerade für ein Musterbeispiel einer reinen billikheid-Entscheidung und damit seiner general formula gehalten. Allerdings hat Smalberger JA in seinem Votum Benades Verständnis der juristischen Person und der Rechtsnatur des piercing widersprochen: Piercing bedeute durchaus, die getrennte Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft in Bezug auf bestimmte Rechtsverhältnisse zu missachten (disregard), sie im Übrigen jedoch beachtet zu lassen. Piercing ist danach eine punktuelle Missachtung der juristischen Person.143 Zusammenfassend lässt sich zu Benades general formula feststellen: Sie hatte beträchtlichen Einfluss auf die südafrikanische piercing-Rechtsprechung und war wesentliche Grundlage des von 1983 bis 1995 gültigen, richterlichen piercing-Tests (des sog. onduldbare onreg-Tests). Ferner taucht sie in der neuesten höchstrichterlichen südafrikanischen Leitentscheidung zum piercing-Recht (Cape Pacific v Lubner 1995 AD) in einem Minderheitsvotum (Van Heerden JA) wieder auf. Darüber hinaus ist sie Ausgangspunkt zweier moderner piercing-Tests der südafrikanischen Rechtslehre (Davids und Domanski).144 cc) Larkins entity approach (1989) Larkin145 lehnt die von ihm als piercing doctrine bezeichnete herrschende Meinung insgesamt ab.146 Diese piercing doctrine habe zwei wesentliche prak141 Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 812C: „Die leerstuk van ontsluiering van die korporatiewe entiteit berus, meen ek, grootliks op billikheidsoorwegings.“ Van Heerden, JA wollte allerdings im Gegensatz zu Benade billikheid allein nicht genügen lassen, sondern verschärfte (wie bereits der onduldbare onreg-Test) Benades Test (811F–G): „In soverre in ’n bepaalde geval die [ontsluierings-]leerstuk . . . van toepassing kan wees, word blykbaar algemeen aanvaar dat bedrog of iets soortgelyks ’n vereiste is. Dit is egter nie die enigste vereiste nie. In Adams and Others v Cape Industries plc and Another [1991] 1 All ER 929 op 1122c kom voor ’n passasie van Lord Keith in ’n saak waarvan die uitspraak nie vir my beskikbaar is nie. Daarin verwys Lord Keith na ,the principle that it is appropriate to pierce the corporate veil only where special circumstances exist indicating that it is a mere façade concealing the true facts‘. Dit, meen ek, is ’n gesonde beginsel.“ 142 Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 805A / B. 143 Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 804C, D. s. o. in diesem Kapitel. 144 s. u. Kap. A. I. 2. b) dd). 145 Larkin, Regarding judicial disregarding of the company’s separate identity, in: SAMercLJ, (1) 1989, 277. Die Grundgedanken seiner Theorie finden sich allerdings schon früher in Larkin (1983) ASSAL, 271 (276 f.), dort noch im Hinblick auf die

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tische Mängel: Sie könne zum einen nur Gesellschafter haftbar stellen, nicht aber andere im Umfeld der Gesellschaft stehende Dritte, und sie richte sich zum anderen stets undifferenziert gegen „die Gesellschafter“.147 Entscheidung Adcock-Ingram Laboratories Ltd v SA Druggists Ltd 1983 (2) SA 350 (T). 146 Larkin (1989), SAMercLJ 277. Larkin versteht die piercing-doctrine als einen common law-Rechtsgrundsatz des Gesellschaftsrechts (a. a. O., unter Hinweis auf Wormser, Piercing the veil of corporate entity, in: ColLR, (12) 1912, 496): „The doctrine of ,piercing the corporate veil‘ has gained considerable ground in this country during the 1980’s. As it will be understood here, the doctrine is a common law principle . . . in company law. It asserts that, in certain circumstances, . . . a court is empowered to disregard the principle of the separate legal existence of a company and so achieve a more acceptable result . . . [I]n the appropriate circumstances a court can . . . ,pierce‘ . . . the ,veil‘ which otherwise ensures the individuality of a company, careless of the consequences, both by separating it from those connected with it (,the corporators‘) . . ., and, so it is said, by obscuring the latter from view.“ Was die Entstehungsgeschichte dieser piercing doctrine anbelangt, so ist Larkin der Ansicht, dass für die Zeit vor den achtziger Jahren im südafrikanischen Fallrecht (case law) schlichtweg keine Stütze für sie zu finden sei (1989, SAMercLJ 278, Fn. 5): „[I]t can be argued (the writer [d.i. Larkin] has attempted to do so in an unpublished research report at the University of the Witwatersrand, dated 1982) that in none of our case law prior to the 1980’s is there any real support for a proper doctrine of piercing the veil. The (very few) cases which refer to something like it by name tend to be either very benign (like Bark v Boesch 1959 (2) SA 377 (T) 382) or somewhat vague and very cautious (like Simmons v Snobberie Cape (Pty) Ltd 1977 (3) SA 451 (W) 455). Until the 1980’s, supporters of the doctrine have had to rely heavily on cases which either made no reference to it at all (two good examples are Robinson v Randfontein Estates Gold Mining Co Ltd 1921 AD 168 194 197 215 216 260 and Orkin Bros Ltd v Bell 1921 TPD 92) or even expressly claimed to be upholding the separate entity principle (see, for instance Rex v Gillett 1929 AD 364 and Gering v Gering 1974 (3) SA 358 (W)). Small wonder then that there is so often heated debate as to which cases are true piercing cases and which not (two favourite topics of conversation being Orkin Bros and Gillett) or that the pro-piercing case law of the 1980’s was unable to find a convincing ,true precedent‘ for the principle. A major part of the problem is that the expression ,piercing the veil‘ is used in different senses.“ Für die Zeit ab den achtziger Jahren lässt Larkin dann als richterliche Bestätigung der piercing doctrine die Entscheidungen Lategan v Boyes 1980 (4) SA 191 (T), Ritz Hotel Ltd v Charles of the Ritz Ltd 1988 (3) SA 290 (A) und insbesondere Botha v Van Niekerk 1983 (3) SA 513 (W) gelten (1989, SAMercLJ 278 f.). Zu beachten ist allerdings, dass Larkins Aufsatz schon 1989 und damit vor der späteren Leitentscheidung Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A), die die in Botha v Van Niekerk angestellten grundsätzlichen Überlegungen zum piercing-Recht umstürzte (s. u. Kap. A. I. 2. b) ff) (3)), entstanden ist. Eine gesetzesrechtliche Bestätigung der piercing doctrine sieht Larkin in der Formulierung des 1984 in Kraft getretenen § 65 Close Corporations Act (1989, SAMercLJ 280). Zum Wortlaut des § 65 Close Corporations Act s. o. Kap. A. I. 2. b) aa), Fn.Apparat. Als Verfechter der piercing doctrine innerhalb der südafrikanischen Rechtslehre macht Larkin Benade und Domanski aus (1989, SAMercLJ 281, einschließlich Fn. 28). 147 Larkin (1989), SAMercLJ 283: „One seeks an approach which enables one to reach any kind of individual who might be relevant. Frequently, it would be a director, . . . and it could, so easily, even be an outsider . . . Thus the ,corporators‘ could, quite literally, be anybody who is connected, in some way, to the company. One also

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Larkin stellt stattdessen ein neues Verständnis von piercing vor und geht hierbei streng vom Trennungsprinzip aus. Gesellschaft und Gesellschafter seien und blieben getrennte Rechtspersonen. Diese (fortbestehende) Trennung spiele jedoch normalerweise keine Rolle bei der Lösung von piercing-Problemen.148 Denn Ausgangspunkt einer Lösung sei nicht das Trennungsprinzip, sondern die in einem konkreten Sachverhalt jeweils entscheidungserhebliche Rechtsregel (legal rule). Ihrem Normzweck müsse genügt werden. Eine Auslegung dieser Regel im Lichte (der Wertungen und Interessenslagen) des Gesellschaftsrechts ergebe, ob die Rechtsperson „Gesellschaft“ oder die Rechtspersonen „Gesellschafter“ Zuordnungspunkt einer Haftung oder Zurechnung würden.149 Piercing finde demnach im technischen Sinne gar nicht statt, es gehe vielmehr nur um Normzweckauslegung.150 Das Trennungsprinzip bleibe somit stets unangetastet, das Rechtssubjekt (entity) „company“ stets gewahrt (entity approach). Eine Stütze für seine Theorie sieht Larkin in den südafrikanischen Entscheidungen Ex parte McClung,151 CIR v Louw152 sowie besonders deutlich in Adcock-Ingram.153 Sein piercing-Verständnis mache auch die sich verfestigende Unterscheidung nach piercing in the strict sense (also Haftungsdurchgriff) und „something which falls qualitatively short of this“154 (also Zurechnungsdurchgriff) überflüsseeks an approach which is sensitive so that one can link the reason for looking at the corporators at all, to the particular corporators who are significant in the light of the reason. Piercing the veil does not seem to be such an approach.“ 148 In (1989), SAMercLJ 286 präzisiert Larkin: „[I]f one is working with a very separation-conscious model one might say that it is the company which is not always relevant.“ 149 Larkin (1983), ASSAL 276: „Herein lies the heart of the matter – to apply legal rules to the separate entity with sensitivity, imagination and a proper understanding of the rules themselves.“ Vgl. auch (1989), SAMercLJ 290: „[The] legal issue, whether it be an interpretation of a statute or a contract or an application of a particular rule of the common law, must always be approached properly. Only if it is, and, properly understood, it is then applied in the company situation, can the proper answer on whether to focus on the company or on the corporators (and on which corporators) emerge.“ 150 In (1983), ASSAL 276 „übersetzt“ Larkin seine Theorie in die Begriffswelt der herrschenden Meinung (Rechtspersönlichkeit als „Rechtshülle“, also „veil“ oder „shield“): „If resort must be had to metaphor, the ,shield‘ is invulnerable to attack although it is perfectly transparent in that all that exists behind it is open to the scrutiny of the courts at all times, the only question being as to what is, and what is not, relevant to the court’s inquiry.“ 151 Ex parte McClung 1983 (3) SA 446 (O) 449 ff., vgl. Larkin (1983), ASSAL 276. 152 CIR v Louw 1983 (3) SA 551 (A) 574 580 ff., vgl. Larkin (1983), ASSAL 276. 153 Larkin (1983), ASSAL 277: „What seems clear is that [in der Entscheidung Adcock Ingram] the issue is firmly placed within trade mark law rather than within the nature of the company as a legal person and the question of ,piercing the corporate veil‘. It is submitted that this approach is always the correct one.“

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sig. Denn in beiden Fällen gehe es wieder nur darum, den Normzweck einer Regel durchzusetzen.155 Dieses piercing-Verständnis hat Larkin veranlasst festzustellen, dass die piercing doctrine „nicht wirklich bestehe“.156 Ganz über Bord werfen will er sie aber dennoch nicht: Sie habe weiterhin ihre Bestandsberechtigung als letztes Mittel zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse in den (wenigen) Fällen, in denen das übrige geltende Recht dies nicht gewährleisten könne.157 Was die von ihm vorgeschlagene Auslegung hergebrachter Gemeinrechtsgrundsätze (common law rules) im Lichte des Gesellschaftsrechts betrifft, so gibt Larkin allerdings selbst zu, dass diese aus zwei Gründen ein schwieriges Unterfangen ist: Erstens sei die Gesellschaft (company) eine vergleichsweise junge Erscheinung im Recht, so dass viele der alten (common law-)Regeln nicht recht auf sie passten.158 Ein säuberlich ermittelter Normzweck sei daher Voraussetzung einer nachherigen richtigen Auslegung. Zweitens sei das Rechtsinstitut company von der Rechtsordnung zu bestimmten Zwecken geschaffen worden. Diese Zwecke müssten gewahrt bleiben, und das Rechtsinstitut company dürfe daher auch nicht dazu zweckentfremdet werden, Normzwecke zu unterlaufen.159 Die traditionelle piercing doctrine diene hauptsächlich dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft. Diese könnten mit anderen bestehenden Rechtsgrundsätzen („traditional grounds“) und Rechtsnormen allerdings ebenso geschützt wer154

Larkin (1989), SAMercLJ 279. Larkin (1989), SAMercLJ 289: „The issue, once again, is simply one of giving effect to a legal rule.“ 156 Larkin (1989), SAMercLJ 297: „On the [Larkin-]approach taken . . . it is not a problem that piercing the veil cases are so hard to find. The [piercing-]doctrine does not really exist.“ 157 Larkin (1989), SAMercLJ 297. 158 Larkin (1989), SAMercLJ 290 ff.: „[290] [T]he Salomon case . . . correctly states that ,the company is not in law the agent of the subscriber or trustee for them.‘ But what then is it in law? What is it that is neither agent nor trustee nor totally separate? Essentially, the company is a ,new‘ category, something sui generis. And so much of the law, whether it be statutes or contracts or common-law principles, is formed around traditional categories only. The existing forms are, simply, inadequate for it. Carefully drafted legislation . . . should cater for it, and, as the entity becomes better known, is more and more likely to do so. But what of the common law? And what is to be done about those statutes . . . which do not cater for it . . .? [293] . . . The awkward difficulty for the courts is the lack of any category coming somewhere between agent and independent third party. For this is what the company is. [296] . . . [The company] has features which both resemble other institutions, such as agency, and differ from them . . .“ 159 Larkin (1989), SAMercLJ 296: „[T]he entity must not be allowed to be some blunt instrument, some juggernaut, which can wreak havoc in legal issues by causing results which no one can defend. Instead, it should always be remembered that the company is something which has a clear purpose, the facilitation and encouragement of business enterprise by large and small numbers of people.“ 155

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den. Hierunter fielen beispielsweise § 424 Companies Act,160 die Vorschriften über anfechtbare Verfügungen (impeachable dispositions) des Insolvency Act161 sowie das gemeinrechtliche Deliktsrecht (common law of delict) und das gemeinrechtliche Insolvenzrecht (common law of insolvency).162 Allerdings räumt Larkin ein, dass hergebrachte common law-Rechtsgrundsätze möglicherweise im Einzelfall nicht in der Lage seien, moderne komplexe gesellschaftsrechtliche Probleme zufriedenstellend zu lösen.163 Dies sei eine Unzulänglichkeit seiner general formula. Dafür sei sie andererseits allerdings frei von vagen Rechtsbegriffen und dogmatischer Fragwürdigkeit.164 Dieses Selbstlob scheint etwas überzogen. Denn man bleibt von Larkin mit dem Problem allein gelassen, wie man eine Rechtsregel richtig in gesellschaftsrechtlichem Zusammenhang auslegt, und erhält hierfür von Larkin kaum Richtlinien. Larkin bezeichnet seine general formula als „entity theory.“165 Sie hat in Rechtslehre und Rechtsprechung nur mäßig Widerhall gefunden: Davids166 hält ihn für unzureichend mit der nicht näher ausgeführten und deshalb schwachen Begründung, der Normzweck (die legal rule) dürfe nicht die einzige Abwägungsüberlegung sein. Andere Faktoren seien ebenso erheblich. In Cape Pacific v Lubner 1993 CPD wird Larkin beiläufig erwähnt,167 sein Test aber nicht diskutiert. dd) Weitere piercing-Prüftests aus der Rechtslehre: Domanskis objectified balancing-Test (1986) und Davids’ multi-factor equity-Test (1994) Domanski168 schlägt einen balancing-Test als allgemeingültigen piercing-Test vor. 160

Zu § 424 Companies Act s. Kap. A. II. 2. b) aa) und Kap. C. III. 2. Insolveny Act, No. 24 of 1936, in der Fassung des Judicial Matters Amendment Act, No. 55 of 2005. 162 Larkin (1989), SAMercLJ 298. 163 Larkin (1989), SAMercLJ 298. 164 Larkin (1989), SAMercLJ 297: „One also now has an approach, capable of dealing with the problem of entity in all its various facets, that can withstand analysis and escape better the problem of vagueness. Nor need one put up with unacceptable results this way.“ 165 Larkin (1989), SAMercLJ 286 und 290. Der Ausdruck ist nicht glücklich gewählt. Denn entscheidendes Element dieser general formula ist nicht die entity, sondern der Normzweck der Rechtsregel. 166 Davids, Lifting the Veil, 176 f., Davids (1994), TSAR 157 f. 167 816D (im Hinblick auf Larkins Bewertung der Lategan-Regel [mit unrichtiger Seitenangabe in der Entscheidung]) und 822A (im Hinblick auf Larkins englische Übersetzung des Flemming-Ausdrucks „onduldbare onreg“). 168 Domanski, Piercing the corporate veil – a new direction?, in: SALJ, (103) 1986, 224 unter Hinweis auf Carteaux „Corporations – Shareholder Liability – Louisiana adopts a balancing test for piercing of the corporate veil“, in: TulLR, (58) 1984, 1089. 161

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Laut Domanski habe die südafrikanische Rechtsprechung bislang noch keinen allgemeinen, allen piercing-Entscheidungen zugrunde liegenden einheitlichen Rechtsgrundsatz („a single coherent principle“) entwickelt.169 Die traditionelle fallgruppenmäßige Betrachtungsweise (categorisation approach) biete einen solchen gerade nicht; der Lategan v Boyes170-Test und der Botha v Van Niekerk171-Test seien beide jeweils bloße obiter dicta.172 Die Rechtsprechung sei somit ungebunden und könne nach Alternativen suchen.173 Domanski empfiehlt hierfür den in der US-amerikanischen (Louisiana) GlazerEntscheidung174 entworfenen balancing-Test, möchte ihn aber abwandeln:175 Die einschlägige Passage der Glazer-Entscheidung, in der piercing herangezogen wurde, lautet: „The policies behind recognition of a separate corporate existence must be balanced against the policies justifying piercing.“176 Das Urteil versteht diese Formel als allgemeingültig und einzelfallgerechtigkeitstauglich.177 Das Trennungsprinzip solle bei dieser Abwägung nur dann unterliegen, wenn die Gesellschafter einen Verzicht auf es angezeigt hätten.178 Ein solcher Verzicht sei dann anzunehmen, wenn die Gesellschafter ein Verhalten zeigten, aus dem sich „the shareholders’ own disregard of the corporate form or their use of the corporation to perpetrate fraud“ ableiten lasse.179 Piercing sei insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein Institutsmissbrauch (misuse / abuse of the separate entity privilege) vorliege.180

169 Domanski (1986), SALJ 224. Insbesondere weist es Domanski zu Recht ausdrücklich zurück, den Lategan-Test (hierzu s. u. Kap. A. I. 2. b) ff) (1)) oder den Botha v Van Niekerk-Test (hierzu s. u. Kap. A. I. 2. b) ff) (2)) als binding precedents zu werten, da beide klar bloße obiter dicta sind (1986 SALJ, 225 ff., mit eingehender Begründung). 170 Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. A. II. 2. b) dd), Fn.-Apparat. 171 Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. II. 1. a) bb). 172 Domanski (1986), SALJ 227. 173 Domanski (1986), SALJ 234 / 235. 174 Glazer v Commmission on Ethics for Public Employees, 431 So. 2d 752 (Louisiana 1983). Eine ausführliche Urteilsbesprechung findet sich bei Carteaux (1984), TulLR 1089 ff. 175 Domanski (1986), SALJ 234 f. 176 757. 177 757: „Depending upon the various competing policies and interests involved the same factual scenario may result in recognition of a separate corporate identity for some purposes, ie insulation of shareholders from liability, and a disallowance of the separate corporate entity privilege for others. Each situation must be considered by the court on its merits.“ 178 758. Vgl. Carteaux (1984), TulLR 1102: „Thus, in order to justify piercing the corporate veil, the facts must indicate either a misuse of the separate entity privilege or a need to limit the privilege in the interests of justice and equity.“ 179 Domanski (1986), SALJ 234. 180 758.

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Dieser Glazer-Test sei laut Domanski allerdings noch anfällig für subjektiv gefärbte Entscheidungen.181 Er bedürfe daher eines objektiven Korrektivs. Dieses könne man dadurch gewinnen, dass man die traditionellen piercing-Fallgruppen als hilfsweise Abwägungsgewichte beibehalte.182 Domanskis Test hat in der südafrikanischen Rechtsprechung und Literatur starken Widerhall gefunden. Davids kritisiert an ihm allerdings, dass er sich für die Beibehaltung der traditionellen piercing-Fallgruppen ausspricht, denn letztlich entschieden dann nicht equity-Überlegungen, sondern wieder eingefahrene Fallgruppen-Schemata.183 Beck begrüßt Domanskis Test, weist aber darauf hin, dass die ihm zugrunde liegende Glazer-Entscheidung trotz ihrer Vorzüge in der Commonwealth-Rechtsprechung kaum Anklang gefunden hat.184 In der südafrikanischen Rechtsprechung findet sich erstmals in Cape Pacific v Lubner 1993 CPD ein Verweis auf Domanski im Hinblick auf dessen These, dass abuse of juristic personality (fraud [-ulent use of a corporate personality]) bereits genügen solle, um piercing auszulösen, und nicht etwa ein gross abuse (schwerer Missbrauch) erforderlich sei.185 Zwei Jahre später wurde in Cape Pacific v Lubner 1995 AD186 unter ausdrücklichem Verweis auf Domanski ein balancing-Test als Entscheidungsgrundlage verwendet.187 Von Davids188 stammt der derzeit jüngste piercing-Test der südafrikanischen Literatur.189 181 Domanski (1986), SALJ 234: „[A] flexible balancing approach renders decisions in the area of piercing the corporate veil vulnerable to subjective determinations of the equities involved and of the ways in which competing problems should be weighed.“ 182 Domanski (1986), SALJ 234: „[T]he risk of subjective and arbitrary decisions may be reduced by retaining traditional categories such as fraud and agency, but only as evidence supporting policies that justify piercing. Through the retention of categories in an evidentiary role, an objective factor is introduced into the balancing exercise.“ Laut Domanski ließen sich in der Glazer-Entscheidung selbst entsprechende Andeutungen finden. 183 Davids, Lifting the Veil, 176, Davids (1994), TSAR 158. 184 Beck (1987), CICL 74: „While [Glazer v Commmission] . . . would appear to be a commendable approach to the problem, and would explain the rationale of most decisions, it is not one which has received whole-hearted endorsement by Commonwealth Courts. Indeed, despite the existence of foundations which would have been eminently suitable for such an approach, it has been expressly rejected on a number of occasions, and at present seems somewhat moribund.“ 185 818G, wo auf Domanski (1986), SALJ 235, Fn. 46 verwiesen wird. 186 Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. II. 1. a) bb). 187 Hierzu s. u. Kap. A. I. 2. b) ff) (3). 188 Davids, Lifting of the veil in the company law of South Africa: An exploratory Study, 1993, LLM Universiteit van die Wes Kap, 159 f., Davids, The lingering question: Some perspectives on the lifting of the corporate veil, in: TSAR, 1994, 155. 189 Davids, Lifting the Veil, 69 und 174 vertritt mit Blick auf die englische Leitentscheidung DHN Food Distributors Ltd v London Borough of Tower Hamlets [1976] 3

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Er ist im Kern wiederum ein equity (billikheid)-Test.190 Er stützt sich insofern191 deutlich auf Benades Test.192 Ausgehend davon bemüht sich Davids, Indizien zu ermitteln, die als Richtlinien dienen können zu entscheiden, wann aufgrund von equity (billikheid) zu piercing gegriffen werden könne. Dies sei anhand einer Reihe von Prüfpunkten zu ermitteln (Davids’ multi-factor-Test). Damit ergänzt Davids Benades Test um eine aus Domanskis balancing-Test entlehnte Abwägungskomponente.193 Ein reiner equity-Test sei nach Davids dagegen zu vage und daher anfällig für subjektiv gefärbte Entscheidungen. Deshalb müsse ein verobjektivierendes Korrektiv her. Ein solches biete der multi-factor-Test. Davids listet eine Reihe solcher factors auf.194 Diese bestimmten zum einen den Rahmen, innerhalb dessen equity-Überlegungen angestellt werden dürften.195 Zum anderen indiziere ihr Vorliegen bereits inequity.196 All ER 462 die These, dass die englische Rechtsprechung einem ähnlichen Ansatz folge und weist weiter darauf hin, dass Stimmen aus der englischen Rechtslehre (Sugarman / Webb, Three in one: Trusts, licences and veils, in: LQR, (93) 1977, 170 [174]) in der DHN-Entscheidung ebenfalls einen „multiple functional approach“ angewandt sehen. In der DHN-Entscheidung wurde eine group of companies als economic entity angesehen. Diese Entscheidung (per Denning, MR) galt längere Zeit als piercing-Leitentscheidung im Bereich des Rechts verbundener Gesellschaften. Ob eine solche economic entity vorliegt, wurde in DHN von einem der Richter (Shaw, LJ) anhand einer multiplicity of facts (factors) bestimmt ([1976] 3 All ER 473e). Hierauf beziehen sich Davids’ o. a. Aussagen. Die DHN-Entscheidung hat großen Streit ausgelöst; heute wird sie mehrheitlich abgelehnt. Das gilt somit auch für diesen in ihr enthaltenen multiple factor-Test. 190 Davids versteht piercing of the corporate veil ausdrücklich als Bestandteil der equitable doctrine, vgl. Davids (1994), TSAR 156 und 161 und Davids, Lifting the Veil, 162. So auch bei ihrer Besprechung (1994, TSAR 159) der Entscheidung Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784. 191 Nicht jedoch insofern, was sein Verständnis der juristischen Person angeht; hierzu finden sich bei Davids keine eigenständigen Aussagen. 192 Vgl. Davids, Lifting the Veil, 177, Davids (1994), TSAR 156. 193 Vgl. Davids, Lifting the Veil, 160 (allgemein im Hinblick auf einen balancingTest) und Davids (1994), TSAR 158 (ausdrücklich im Hinblick auf Domanski). Davids ordnet den Domanski-Test ebenfalls als reinen equity-Test ein (1994, TSAR 157). 194 Diese seien „substantial ownership of a company’s shares, circumstances which indicate that the corporate personality is used as a business conduit or instrument of a shareholder, lack of observance of corporate formalities, intermingling of shareholder and corporate assets, intervention by the controlling shareholder in the affairs of the company or undercapitalisation“ (Davids 1994, TSAR 161) sowie „the absence of corporate records, the appropriation of funds by the members for personal use, the conclusion of these transactions to be to the detriment of the company“ (Davids, Lifting the Veil, 159). Vgl. auch Davids (1994), TSAR 156. 195 Davids (1994), TSAR 158: „The multi-factor approach sets the parameters within which equity must operate, thus reducing the problem of vagueness and the risk of subjective and arbitrary decisions.“ In Davids, Lifting the Veil, 160 war dies dagegen noch anders formuliert: Während in Davids (1994), TSAR 158 die factors den Rah-

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Insgesamt lässt sich Davids’ Test somit als verfeinerter equity-Test verstehen. Von Benades reinem equity-Test unterscheidet er sich dadurch, dass er ein objektiv prüfbares Korrektiv einbezieht. Von Domanskis balancing-Test unterscheidet er sich dadurch, dass er dessen Korrektiv „Beibehaltung der anerkannten piercing-Fallgruppen“ durch das Korrektiv „multi factor-Test“ ersetzt. Davids’ Test hat Vorzüge und Nachteile: Er vermindert erheblich die Vagheit von Benades reinem equity-Test. Er erübrigt ferner piercing-Fallgruppenbildung („burden of categories“).197 Und er bringt laut Davids Südafrikas piercingRechtsprechung wieder auf eine Linie mit der in England198 und den USA. Andererseits erinnern einige von Davids’ factors trotz allem sehr stark wieder an die von Davids für verabschiedet erklärten traditionellen piercing-Fallgruppen.199 Insofern ist Davids’ Test kein Fortschritt gegenüber dem von Domanski. ee) Ablehnung des piercing als Rechtsgrundsatz: Deliktsrecht (Welling) oder Arbeitsrecht (Flannigan) als Alternativen Vereinzelt sind Stimmen geblieben (Welling),200 die piercing als Rechtsgrundsatz durchweg ablehnen und stattdessen ausschließlich über hergebrachte Rechtsgrundsätze („existing rules of law“) eine Lösung finden wollen. Welling ist der Ansicht, der Rechtsprechung fehle es schlichtweg an einer Rechtsgrundlage für ein piercing.201 Er will deshalb gänzlich ohne piercing-Konstruktionen men bestimmen sollen, innerhalb dessen equity-Überlegungen angestellt werden dürfen, sollte gemäß Davids, Lifting the Veil, 160 equity („fairness“) bestimmen, welche factors zur Abwägung zugelassen werden („Should the court decide on adopting a balancing test for the lifting of the veil, fairness . . . may serve as a limiting factor to achieve a balance between the competing considerations.“). 196 Davids, Lifting the Veil, 160 und 177, Davids (1994), TSAR 161. 197 Davids (1994), TSAR 158: „The danger in retaining the traditional categories is that the courts might find themselves bound to lift the veil only if the facts of the case fall within a particular category, irrespective of the inequitable results that may follow.“ 198 Davids (1994), TSAR 157. Die Anmerkung zielt wahrscheinlich auf die englische DHN-Entscheidung ab, die in Davids Ausführungen hohe Bedeutung einnimmt. 199 Vgl. z. B. die piercing-Fallgruppe „instrumentality / alter ego“ einerseits und den factor „circumstances which indicate that the corporate personality is used as a business conduit or instrument of a shareholder“ andererseits. Allerdings beschreiben einige der factors durchaus Sachverhalte, die nicht bereits von den traditionellen Fallgruppen erfasst sind (wie beispielsweise undercapitalisation und intermingling of assets). 200 Welling, Corporate Law in Canada, 2. Auflage, Toronto 1991, 119 ff. und 137 ff. 201 Welling, Corporate Law in Canada, 122 („[J]udges have . . . claimed authority to ignore . . . [the corporate personality] on numerous occasions. I can’t see where they get such power; I deny that they have it. Their talk about ,the corporate veil‘ is pure mystification and leads the analysis astray. There is no corporate veil. Analysts and judges who see corporate personality as a stumbling block must use proper legal rules

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vorgehen und stattdessen vorzugsweise auf das Deliktsrecht (law of tort) abstellen.202 Welling spricht in diesem Zusammenhang von dem Erfordernis eines „creative [innovative] use of existing rules of law“.203 Deliktsrechtliche Lösungsvorschläge hat Welling jedenfalls im Hinblick auf die beiden Fallgruppen „Umgehung eines vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbotes“204 und „Unterkapitalisierung“205 vorgelegt.206 Gegen Wellings Idee lässt sich allerdings Folgendes vorbringen: Erstens behandelt Welling bei seiner Besprechung der Fallgruppe „Unterkapitalisierung“ nur den (praktisch seltenen) Fall, wie die Gesellschafter einer unterkapitalisierten Gesellschaft deliktisch haften können, wenn ein Arbeitnehmer der Gesellschaft Rechtsgüter Dritter verletzt hat und die Gesellschaft hierfür zwar im Wege der vicarious liability haften muss, ihr Vermögen jedoch den Schaden nicht abdeckt. Dagegen lehnt Welling im (praktisch viel erheblicheren) Fall einer klagebegehrten Haftung der Gesellschafter für vertragliche Zahlungsverpflichtungen der unterkapitalisierten Gesellschaft eine Haftung der Gesellschafter als nicht möglich ab.207 Zweitens hat Beck zu bedenken gegeben, dass die derzeit vorhandenen gemeinrechtlichen Deliktsrechtsregeln nicht ausreichen dürften zur Behandlung alto find the solutions they seek. Analysts who assume away corporate existence to reach a result are like hypothetical shipwrecked economists with tins of spam: assume a can-opener and you attain (bodily) salvation. Judges in real cases, like economists on real desert islands, can’t get away with it.“), 136 („[J]udges simply do not have the power to ignore the separate existence of a corporation in the name of some unarticulated notion of justice and fair play.“), 148 („[J]udges . . . have no magical powers to ,pierce the corporate veil‘.“) und 113, Fn. 103 („The thesis of this book is that there is no place in a rational theory of corporate law for such terminology and that in virtually every case where a judge has purported to ignore the separate existence of a corporation the same ultimate decision in the case can be reached by legitimate use of the corporate entity theory.“). 202 Neben den Bereichen, in denen law of agency and law of partnership greifen kann (Welling, Corporate Law in Canada, 128 und 132 ff.). 203 Welling, Corporate Law in Canada, 127 („We are looking for a theory that explains how to decide – a rational theory to organise past cases and persuade future judges. The theory of corporate entity does precisely that. It needs only creative blending with other well-known legal principles to provide predictable and acceptable results in virtually all cases in which corporate entity seems problematical.“) und 137. 204 s. u. Kap. C. II. 1. 205 s. u. Kap. C. III. 2. 206 Welling, Corporate Law in Canada, 146 (Fn. 187) weist m.w. N. darauf hin, dass er nicht selbst Vater dieser Idee ist, sondern ein entsprechendes Rohkonzept bereits in den frühen siebziger Jahren von Zimet und Solomon vorgestellt wurde (Zimet, The validity of limited tort liability for shareholders in close corporations, in: AmULRev, 1973, 208, Solomon, Limited liability: A definitive judicial standard for the inadequate capitalization problem, in: TempleLR, 1974, 321). 207 Welling, Corporate Law in Canada, 142 f. unter Hinweis auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit.

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ler Fälle, in denen Gesellschafter deliktisch haften sollen, so dass erst die Entwicklung neuer Deliktsrechtsgrundsätze erforderlich sein werde.208 Auch gesteht Welling selbst ein (allerdings nur mit Blick auf die Fälle unterkapitalisierter Gesellschaften), dass entsprechende Rechtsprechung (jedenfalls in Kanada) noch nicht vorliegt. Schließlich seien laut Beck Fälle denkbar, bei denen es am erforderlichen Deliktstatbestandsmerkmal „wrongfulness“ gerade fehle und man somit um eine piercing-Lösung nicht herumkomme.209 Vorschläge zur Heranziehung der Rechtsgrundsätze auch des Arbeitsrechts (law of employment) sind bislang erst in Kanada aufgetaucht (Flannigan).210 Südafrikanische Stellungnahmen liegen bislang hierzu nicht vor. Beck hat allerdings Bedenken auch zu dieser Idee angemeldet. Insbesondere scheint es ihm zweifelhaft, ob die Sonderregeln des Arbeitsrechts zum employer / employeeVerhältnis überhaupt auf das Verhältnis zwischen beherrschendem Gesellschafter (controlling shareholder) und Gesellschaft (company) übertragbar sind.211 Das südafrikanische Schrifttum und die südafrikanische Rechtsprechung haben zu diesen Vorschlägen Wellings und Flannigans bislang noch nicht Stellung bezogen. ff) Piercing-Prüftests der Rechtsprechung Mehrere Leitentscheidungen zum südafrikanischen piercing-Recht sind dahingehend verstanden worden, dass sie – wenngleich überwiegend als obiter dicta – piercing-Prüftests (general formulae) enthielten. Die Rechtsprechung hat letztlich heute keinen dieser Tests als verbindlich anerkannt und auch von höchstrichterlicher Seite keinen verbindlich vorgegeben. Allerdings enthält die Cape Pacific v Lubner-Entscheidung der Appellate Division von 1995 eine Passage, die sich als ein solcher Test verstehen lässt (sog. Smalberger-Test) und die sich inzwischen auch zunehmend als neue general formula verfestigt212. 208 Beck (1987), CICL 74 (Fn. 25): „[It would] . . . require the creation of new torts in order to be reasonably comprehensive . . .“ 209 Beck (1987), CICL 74 (Fn. 25): „[T]here are undoubtedly situations where no wrongfulness is involved, and yet which still require veil-piercing in order to produce a satisfactory conclusion.“ 210 Flannigan, Corporations controlled by shareholders: Principals, agents or servants?, in: SaskLR, (51) 1986 / 1987, 23. 211 Beck (1987), CICL 74 (Fn. 26). 212 Zwar bezeichnete die Entscheidung ihren Test ausdrücklich als nicht allgemeinverbindlich (Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 803B per Smalberger, JA): „I do not deem it necessary or advisable in the present appeal to attempt to formulate any general principles with regard to when the corporate veil may be pierced. I propose to do no more than apply what I conceive to be the appropriate legal principles to the facts of the present matter.“ Jedoch weist Boltar (1995), ASSAL 365 f. darauf

I. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis

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Leitentscheidungen in Südafrika sind bislang Lategan v Boyes (1980)213, Botha v Van Niekerk (1983)214 und zweimal Cape Pacific v Lubner (1993 [Cape Provincial Division] 215 und 1995 [Appellate Division]) 216. (1) Das Lategan v Boyes-obiter dictum (1980): Der fraud-Test In der Lategan-Entscheidung von 1980217 findet sich das in späteren Entscheidungen immer wieder zitierte obiter dictum (per Le Roux J): „[N]o doubt, . . . our Courts would brush aside the veil of corporate identity time and again where fraudulent use is made of the fiction of the legal personality.“218,219 Diese Passage ist von Rechtsprechung und Literatur in Südafrika in der Folgezeit gebetsmühlenhaftig wiederholt worden. So wurde unter anderem auch in Cape Pacific v Lubner 1993 CPD (per Nel J) befürwortend hierauf verwiesen.220 Allerdings wurde diese Entscheidung zwei Jahre später von der Appellate Division (per Smalberger JA) aufgehoben (Cape Pacific v Lubner 1995 AD). Jedoch hatte die Appellate Division ein Jahr zuvor in The Shipping Corporation of India221 (per Corbett CJ) unter ausdrücklichem Bezug auf Lategan v Boyes in einem obiter dictum festgestellt, dass piercing „would generally have to include an element of fraud or other improper conduct in the establishhin, dass die Appellate Division genau das getan hat: „By favouring such an approach [gemeint ist der Smalberger-Test], the majority [gemeint ist das Mehrheitsvotum der Entscheidung] seems, despite its statement to the contrary, to have indeed formulated general principles as to when the corporate veil may be pierced.“ 213 Lategan NNO v Boyes 1980 (4) SA 191 (Transvaal Provincial Division – TPD), per Le Roux, J. 214 Botha v Van Niekerk 1983 (3) SA 513 (Witwatersrand Local Division – WLD), per Flemming, J. 215 Cape Pacific Ltd v Lubner Controlling Investments (Pty) Ltd 1993 (2) SA 784 (Cape Provincial Division – CPD), per Nel, J. 216 Cape Pacific Ltd v Lubner Controlling Investments (Pty) Ltd 1995 (4) SA 790 (Appellate Division – AD). 217 Zur Entscheidung Lategan v Boyes s. ausführlich unten Kap. A. II. 2. b) dd). 218 1980 (4) SA 191 (T) 201H. 219 Le Roux’ obiter dictum ist dahingehend ausgelegt worden, dass das Vorliegen von fraud immer zwingende Voraussetzung für ein piercing sei, und es ist deshalb als zu eng kritisiert worden (Flemming, J in Botha v Van Niekerk 519C; die Passage wird von Nel, J in Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 818C und von Domanski in 1986 SALJ, 228 wiedergegeben). Im Textzusammenhang des obiter dictum gesehen ist es wahrscheinlich, dass Le Roux, J dies nahelegen wollte. Allerdings findet sich ein solches „immer“ nicht ausdrücklich im Wortlaut des obiter dictum. 220 816D / E. Siehe auch Pienaar, Regspersone: Fiksie of feit?, in: THRHR, (57) 1994, 92. 221 The Shipping Corporation of India Ltd v Evdomon Corporation 1994 (1) SA 550 (A).

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ment or use of the company“.222 Das klingt zwar einerseits nach einer nun zur general formula erhobenen und nur geringfügig erweiterten223 Lategan-Regel. Jedoch hat die Appellate Division in dieser Entscheidung andererseits zugleich klargestellt, dass sie keinen allgemeinverbindlichen Test zu formulieren versuche.224 Das spricht dagegen, aus dieser Entscheidung eine general formula abzuleiten. Im Übrigen finden sich auch in dieser Entscheidung keine als Tatbestandsmerkmalsbeschreibung tauglichen Ausführungen dazu, was als „fraud or other improper conduct“ zu verstehen ist. Das obiter dictum war somit in diesem entscheidenden Punkt kein Fortschritt zur Lategan-Regel. Trotzdem berief sich die Appellate Division 1995 in ihrer Cape Pacific v Lubner-Entscheidung (per Smalberger JA) ausdrücklich darauf und betrachtete dessen Aussage als ständige Rechtsprechung.225 Insgesamt gibt das Lategan-obiter somit als Leitfaden (general formula) nicht allzuviel her. Darüber ist man sich im Laufe der Zeit auch in Südafrika mehr und mehr klar geworden, und der Lategan-Test hat zunehmend Kritik erfahren:226 Denn zum einen ist er zweifelsfrei ein bloßes obiter dictum.227 Zweitens definiert er nicht den Schlüsselbegriff des fraudulent use, so dass unklar bleibt, ob fraud im technischen, zivilrechtlichen Sinne vorliegen müsse.228 Drittens erinnere das Lategan-obiter mehr an eine Wiederholung der altbekannten piercing-Fallgruppe „fraud(ulent use of a corporate personality)“ als an eine general formula.229 Schließlich wird in der Lategan-Entscheidung auf die frühere Entscheidung Orkin v Bell 230 Bezug genommen und jene als ein „true precedent for this [piercing the veil-]principle“ bezeichnet.231 Diese Entscheidung wird heute jedoch mehrheitlich als Fall persönlicher primärer deliktischer (fraud) Haftung der directors gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft aufgefasst und nicht als piercing.232 Außerdem ist in Orkin v Bell nirgends ausdrück222 The Shipping Corporation of India Ltd v Evdomon Corporation 1994 (1) SA 550 (A) 566E. 223 Die Lategan v Boyes-Regel wird lediglich um die Formulierung „other improper conduct in the establishment . . . of the company“ ergänzt. 224 The Shipping Corporation of India 1994 (1) SA 550 (A) 566D / E, per Corbett, CJ: „I do not find it necessary to consider, or attempt to define, the circumstances under which the Court will pierce the veil.“ s. u. Kap. A. I. 2. b) ff) (3), Fn.-Apparat. 225 803D–E. Hierzu s. u. Kap A. I. 2. b) ff) (3), Fn.-Apparat. 226 So Flemming, J in Botha v Van Niekerk, 519C und Nel, J in Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 818D. 227 Das bemängeln Domanski (1986), SALJ 225 und Larkin (1989), SAMercLJ 278 (Fn. 10) sowie Flemming, J in Botha v Van Niekerk 519D an dem sog. Lategan-Test. 228 So Larkin (1983), ASSAL 272 f. 229 So Domanski (1986), SALJ 226. Zu dieser Fallgruppe s. ausführlich unten Kap. C. II. 1. 230 1921 TPD 92. 231 1980 (4) SA 191 (T) 201G. 232 s. o. Kap. A. II. 2. b) aa).

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lich von piercing die Rede.233 Schließlich ergebe sich aus der Formulierung „at present juncture“ der Lategan-Entscheidung, dass dort dieser Test nur als Provisorium aufgefasst worden sei.234 (2) Das Botha v Van Niekerk-obiter dictum (1983): Der onduldbare onreg-Test In Botha v Van Niekerk wurde (per Flemming J) obiter ein neuer piercingTest vorgestellt (der sog. onduldbare onreg-Test). Streitig war allerdings von Anfang an, ob dieses obiter als allgemeingültiger Test (general formula) betrachtet werden könne. In der Literatur war keine Meinung vorherrschend.235 Die Rechtsprechung hat in Cape Pacific v Lubner 1993 CPD (per Nel J) den onduldbare onreg-Test angewandt, ihn hierbei aber nicht als eine alle denkbaren piercing-Fälle umfassende Regel verstanden, sondern lediglich als Test für eine bestimmte piercing-Fallgruppe.236 In der Revi233

Larkin (1989), SAMercLJ 278. Larkin (1989), SAMercLJ 278 (Fn. 10) bzgl. 202A. 235 Bejahend z. B. Davids (1994), TSAR 157 und Davids, Lifting the Veil, 150. Ablehnend Domanski (1986), SALJ 227 f.: Der Test sei lediglich „somewhat wider than the Lategan rule“ und fasse nur die altbekannte piercing-Fallgruppe „fraud“ etwas weiter. 236 1993 (2) SA 784 (C) 815H–819C (v. a. 815H–816B und 818B–818G) und 822A–B. In Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) werden von Nel, J drei piercingFallgruppen aufgelistet („Circumstances in which the Court will pierce or lift the corporate veil“ [816I]: „Alter ego, cloak or sham“ [816I–817G], „Fraud“ [817G–818B] und „In the interest of justice“ [818B–818H]) und Flemmings Test als Prüftest lediglich für eine davon (Fallgruppe: „[Piercing] in the interest of justice“ [818B–818H]) verstanden. Vgl. 815H–816B (per Nel, J): „The law of piercing the corporate veil [:] 1. As a general principle companies are recognized as legal entities separate from their shareholders, officers and directors. Corporate obligations remain the liability of the entity and not of the shareholders, directors or officers who own and / or act for the entity. ,Piercing the corporate veil‘ refers to the judicially imposed exception to this principle by which Courts disregard the separateness of the corporation and hold a shareholder or controller responsible for the corporation’s action as if it were the shareholder’s own. The writers and commentators on the subject agree that no general principle can be deduced from the cases as to when the Court will be prepared to lift the corporate veil. In his leading text on the subject Professor Gower Principles of Modern Company Law 4th ed at 112 describes the position as follows: ,However, it must be said at once that they (the cases) reveal no consistent principle beyond a refusal by the Legislature and the judiciary to apply the logic of the principle laid down in Salomon’s case where it is too flagrantly opposed to justice, convenience or the interests of the revenue‘.“ Vgl. 818B–818G (per Nel, J): „In the interest of justice [:] 8. The Courts have consistently reaffirmed their willingness to pierce the corporate veil upon the broad basis that the interests of justice would thereby be served. 9. In Botha v Van Niekerk en ’n 234

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sionsentscheidung der Appellate Division hierzu (Cape Pacific v Lubner 1995 AD) wurde dieser onduldbare onreg-Test jedoch als „too rigid“ verworfen (per Smalberger JA),237 so dass somit heute dahingestellt bleiben kann, wie er bis dahin zu verstehen war. Inhaltlich stützte sich der onduldbare onreg-Test deutlich auf Benades billikheid-Test,238 verschärfte diesen allerdings: Billikheid allein sei ungenügend als Rechtfertigung für ein piercing of the corporate veil.239 Erforderlich sei vielmehr das Vorliegen von onduldbare onreg (unconscionable injustice), das wiederum durch onbehoorlike optrede (improper conduct) verursacht worden sein müsse.240 Schwachstelle dieses Tests ist, dass seine Schlüsselbegriffe onduldbare onreg und onbehoorlike optrede zu vage sind und auch nicht in der Entscheidung präzisiert wurden.241 Sie sind deshalb kaum als Prüfmerkmale tauglich.

Ander 1983 (3) SA 513 (W) Flemming J subjected the doctrine to an exacting and wide-ranging analysis. He considered the Court’s general approach to this topic and in particular the decision of Le Roux J in Lategan . . . v Boyes . . . In regard to Le Roux J’s observations with respect to fraud, his Lordship [gemeint ist Flemming J in Botha v Van Niekerk] at 519D of the judgment held as follows: ,Te oordeel aan die formulering van die gedeelte wat op 202A van die uitspraak verskyn, is dit waarskynlik verkeerd om te sê dat beslis is dat bedrog altyd ’n voorvereiste is.‘ His Lordship concluded that the Court is entitled to pierce the corporate veil in the following circumstances (at 525F): ,Ek meen dat daar in hierdie geval ook net tot ’n konklusie van persoonlike aanspreeklikheid sou kon kom as daar ten minste ’n oortuiging was dat applikante ’n onduldbare onreg aangedoen word en wel ten gevolg van iets wat vir die regdenkende duidelik onbehoorlike optrede aan die kant van eerste respondent is.‘ His Lordship also stated (at 523H): ,Dit [d.h. piercing of the corporate veil] sou ten minste besondere gronde verg: iets wat ’n redelik dwingende noodsaak skep in die belang van geregtigheid om die elementêre [sic] van maatskappystigting uit te skryf sodat ’n aandeelhouer [„Gesellschafter“] of direkteur persoonlik aanspreeklik [„haftbar“] is op ’n maatskappy [„Gesellschaft“] se kontrakte.‘ See also Benade ,Verontagsaming van die Selfstandigheid van die Maatskappy-Regspersoon‘ (1967) 30 THRHR 224 at 227; Domanski ,Piercing the Corporate Veil – A New Direction‘ (1986) 103 SALJ 224 at 235 fn 46.“ 237 1995 (4) SA 790 (A) 805D–F: „The test of ,unconscionable injustice‘ is that formulated by Flemming J in Botha v Van Niekerk en ’n Ander (supra at 525F) . . . With due respect to the learned Judge I would avoid, in a matter such as the present, what is perhaps too rigid a test and opt for a more flexible approach – one that allows the facts of each case ultimately to determine whether the piercing of the corporate veil is called for.“ 238 s. o. Kap. A. I. 2. b) bb). 239 1983 (3) SA 513 (W) 523B („[W]at daardie billikhede betref, is kwalifikasie geregverdig“) und 523H („Blote billikheid, op sy beste ’n redelik onhanteerbare perd [„ein unbezähmbares Pferd“], is nie voldoende nie . . . Billikheid of . . . ’n oorwig van billikhede, kan egter nóg as regverdiging nóg as riglyn dien. (Vgl. egter Benade aw op 224.)“ 240 1983 (3) SA 513 (W) 523H–524A und 525E–F (= Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 818E–F, per Nel, J). 241 Larkin (1989), SAMercLJ 279 (Fn. 15), Davids (1994), TSAR 157.

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(3) Die Cape Pacific v Lubner (Smalberger)-Regel (1995): Der balancing-Test In der jüngsten Leitentscheidung zum südafrikanischen piercing-Recht, Cape Pacific v Lubner 1995 AD, hat Smalberger JA einen neuen Ansatz zur Lösung von Fällen mit piercing-relevanten Sachverhalten vorgebracht. Dieser ist kein bloßes obiter dictum. Allerdings ist etwas fraglich, ob er als allgemeingültiger Test (general formula) verstanden werden kann oder nur sachverhaltsbezogen (on the facts) erging.242 Die Kernaussagen der Entscheidung zum piercing of the corporate veil finden sich in 802E–804D.243 242

Vgl. 1995 (4) SA 790 (A) 803B (per Smalberger, JA). 1995 (4) SA 790 (A) 802E–804D (per Smalberger, JA, mit den zustimmenden Voten der beisitzenden Richter Vivier, JA, FH Grosskopf, JA und Van den Heever, JA [808D]) „[802E:] It is trite law that ,(a) registered company is a legal persona distinct [802F:] from the members who compose it‘ (Dadoo Ltd and Others v Krugersdorp Municipal Council (1920) AD 530 at 550). Equally trite is the fact that a court would be justified in certain circumstances in disregarding a company’s separate personality in order to fix liability elsewhere for what are ostensibly acts of the company. This is generally referred to as lifting or piercing the corporate veil. (I shall confine myself to the use [802G:] of the word piercing.) The focus then shifts from the company to the natural person behind it (or in control of its activities) as if there were no dichotomy between such person and the company (Henochsberg on the Companies Act 5th ed vol 1 at 54). In that way personal liability is attributed to someone who misuses or abuses the principle of corporate [802H:] personality. The law is far from settled with regard to the circumstances in which it would be permissible to pierce the corporate veil. Each case involves a process of enquiring into the facts which, once determined, may be of decisive importance. And in determining whether or not it is legally [802I:] appropriate in given circumstances to disregard corporate personality, one must bear in mind ,the fundamental doctrine that the law regards the substance rather than the form of things – a doctrine common, one would think, to every system of jurisprudence and conveniently expressed in the maxim plus valet quod agitur quam quod simulate concipitur‘, [802J:] (Dadoo Ltd and Others v Krugersdorp Municipal Council (supra at 547).) [803A:] Whatever the position, it is probably fair to say that a court has no general discretion simply to disregard a company’s separate legal personality whenever it considers it just to do so (Botha v Van Niekerk en ’n Ander 1983 (3) SA 513 (W) at 524A; Gower’s The Principles of Modern Company Law 5th ed at 133). [803B:] . . . [803C:] The principle of a company’s separate juristic personality was first asserted in the House of Lords in Aron Salomon v A Salomon and Co Ltd [1897] AC 22. There already it appears to have been recognised that proof of fraud or dishonesty might justify the separate corporate personality of a company being disregarded . . . And over the years it has [803D:] come to be accepted that fraud, dishonesty or improper conduct could provide grounds for piercing the corporate veil. Recently this was confirmed in The Shipping Corporation of India Ltd v Evdomon Corporation and Another 1994 (1) SA 550 (A) where Corbett CJ expressed himself as follows at 566C–F: [803E:] ,It seems to me that, generally, it is of cardinal importance to keep distinct the property rights of a company and those of its shareholders, even where the latter 243

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Die Appellate Division stellte hier zunächst fest, dass das südafrikanische piercing-Recht insgesamt noch unausgereift ist.244 Piercing sei angesichts der grundsätzlich stets vorrangigen Bedeutung des Trennungsprinzips (des Salomon-Rechtsgrundsatzes) nur selten gerechtfertigt.245 Der Rechtsprechung sei daher auch diesbezüglich kein grundsätzliches Ermessen eingeräumt.246 is a single entity, and that the only permissible deviation from this rule known to our law occurs in those (in practice) rare cases where the circumstances justify ,piercing‘ or ,lifting‘ the corporate veil . . . [803F:] . . . I do not find it necessary to consider, or attempt to define, the circumstances under which the Court will pierce the corporate veil. Suffice it to say that they would generally have to include an element of fraud or other improper conduct in the establishment or use of the company or the conduct of its affairs. In this connection the words ,device‘, ,stratagem‘, ,cloak‘ and ,sham‘ have been used . . .‘ [803G:] Two matters arising from the quoted passage merit further comment. First, reference is made to ,those (in practice) rare cases where the circumstances justify ,piercing‘ or ,lifting‘ the corporate veil‘. It is undoubtedly a salutary principle that our Courts should not lightly disregard a company’s separate personality, but should strive to give [803H:] effect to and uphold it. To do otherwise would negate or undermine the policy and principles that underpin the concept of separate corporate personality and the legal consequences that attach to it. But where fraud, dishonesty or other improper conduct (and I confine myself to such situations) is found to be present, other considerations will come into [803I:] play. The need to preserve the separate corporate identity would in such circumstances have to be balanced against policy considerations which arise in favour of piercing the corporate veil (cf Domanski ,Piercing the Corporate Veil – A New Direction‘ (1986) 103 SALJ 224). And a court would then be entitled to look to substance rather than form in order to arrive [803J:] at the true facts, and if there has been a misuse of corporate [804A:] personality, to disregard it and attribute liability where it should rightly lie. Each case would obviously have to be considered on its own merits. The second is the reference to the inclusion of ,an element of fraud or other improper conduct in the establishment or use of the company or the conduct of its affairs‘ . . . It is not necessary that a company should have been conceived and founded in deceit, and never have been [804B:] intended to function genuinely as a company, before its corporate personality can be disregarded (as appears in some respects to have been the view of the trial Judge [Gemeint ist Cape Pacific Ltd v Lubner Controlling Investments (Pty) Ltd and others 1993 (2) SA 784 (C) per Nel, J] – see the judgment at 821G–J). As Gower (op cit) states (at 133): ,It also seems clear that a company can be a façade even though it was not [804C:] originally incorporated with any deceptive intention; what counts is whether it is being used as a façade at the time of the relevant transactions.‘ Thus if a company, otherwise legitimately established and operated, is misused in a particular instance to perpetrate a fraud, or for a dishonest or improper purpose, there is no reason in principle or logic why its [804D:] separate personality cannot be disregarded in relation to the transaction in question (in order to fix the individual or individuals responsible with personal liability) while giving full effect to it in other respects. In other words, there is no reason why what amounts to a piercing of the veil pro hac vice should not be permitted.“ 244 1995 (4) SA 790 (A) 802H. Ebenso unter Verweis auf diese Passage der Supreme Court of Appeal (per Scott, JA) in der Entscheidung Hülse-Reutter v Gödde 2001 (4) SA 1336 (SCA) 1346B.

I. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis

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Jedoch müsse in solchen Fällen, in denen „fraud, dishonesty or other improper conduct“ vorliege, gegeneinander abgewogen werden (balancing): Auf der einen Seite alle Erwägungen (policy considerations), die für ein piercing sprächen, gegen das Trennungsprinzip und seine grundsätzlich überwiegende Bedeutung auf der anderen Seite.247,248 Nicht eindeutig ergibt sich aus der Entscheidung, ob die Elemente fraud, dishonesty and other improper conduct als Anwendungsvoraussetzung für diesen balancing-Test verstanden werden oder bereits Inhalt einer der beiden Waagschalen sein sollen. Ohne ihr Vorliegen sei jedenfalls kein piercing möglich.249 Insgesamt erscheint Smalbergers Test als eine abgewandelte Fassung von Domanskis Test.250 3. Zusammenfassung In Südafrika folgt man ganz überwiegend nach wie vor der hergebrachten fallgruppenmäßigen Betrachtungsweise (categorisation approach). Diese bietet 245

1995 (4) SA 790 (A) 803G. 1995 (4) SA 790 (A) 803A. Ebenso Hülse-Reutter v Gödde 2001 (4) SA 1336 (SCA) 1346A. Vgl. auch Cilliers / Luiz, The corporate veil – an unnecessarily confining corset?, in: THRHR, (59) 1996, 527 m.w. N. 247 Es ist bemerkenswert, dass Smalberger, JA überhaupt solche ergänzenden Ausführungen (im Sinne eines angedeuteten balancing-Tests) gemacht hat. Denn auf der Grundlage seiner Tatsachenfeststellungen (findings, vgl. 1995 (4) SA 790 (A) 790G) hätte er den vorliegenden Sachverhalt bequem in die altbekannte piercing-Fallgruppe „fraud(ulent use of a corporate personality)“ [zu dieser Fallgruppe s. u. Kap. C. II. 1.] einordnen können (anders dagegen die Vorinstanzentscheidung Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 784D, 821G ff., per Nel, J). 248 1995 (4) SA 790 (A) 803H–I. 249 1995 (4) SA 790 (A) 803F (= 1994 (1) SA 550 (A) 566F in The Shipping Corporation of India [per Corbett, CJ]), wo 1995 (4) SA 790 (A) 803D präzisiert wird. Der Wortlaut von 803D legt es nahe anzunehmen, dass Smalberger jedenfalls insoweit das südafrikanische piercing-Recht für gefestigt hält. Leicht abgewandelt formulierte der Supreme Court of Appeal in der jüngeren Entscheidung Hülse-Reutter v Gödde 2001 (4) SA 1336 (SCA) 1346B–C (per Scott, JA): „Nonetheless what is, I think, clear is that as a matter of principle . . . there must at least be some misuse or abuse of the distinction between the corporate entity and those who control it which results in an unfair advantage being afforded to the latter.“ Im dortigen Fall wurde das Vorliegen beider Tatbestandserfordernisse (abuse; advantage) verneint (1346C / D). 250 Allerdings finden sich folgende Unterschiede zwischen Domanskis und Smalbergers Auffassungen: Domanski befürwortet die Beibehaltung der traditionellen piercing-Fallgruppen (1986 SALJ, 234) und somit auch der traditionell anerkannten Fallgruppe „fraud (-ulent use of a corporate personality)“ [zu dieser Fallgruppe s. u. Kap. C. II. 1.], um sie in der Funktion eines verobjektivierenden Korrektivs einzusetzen. Smalberger beschränkt sich dagegen auf die Erwähnung von fraud (ergänzt lediglich um die Begriffe dishonesty und other improper conduct [1995 (4) SA 790 (A) 803D, 803H]) und spricht in diesem Zusammenhang nicht etwa von fraud als Fallgruppe, sondern als in gefestigter Rechtsprechung anerkanntem piercing-Rechtfertigungsumstand (ground for piercing, 803D). 246

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

gerade keinen allgemeingültigen Test (general formula), sondern sammelt lediglich piercing-Entscheidungen und sortiert sie nach Fallgruppen. Eine verbindliche Fallgruppenliste ist von der Rechtsprechung bislang nicht vorgelegt worden. Um die Unzulänglichkeiten des categorisation approach zu überwinden, hat die Literatur mehrere piercing-Tests (general formulae) vorgeschlagen. Diese lassen sich in zwei Strömungen aufteilen: Zum einen die verschiedenen equity- / billikheid-Tests, die (mehr oder weniger ausschließlich) eine Lösung über Billigkeitserwägungen anstreben. Der erste – und zugleich der einzige reine – equity- / billikheid-Test stammt von Benade (1967). Er wurde durch Domanskis balancing-Test (1986) um ein verobjektivierendes Korrektiv (Beibehaltung der traditionellen piercing-Fallgruppen) ergänzt. Domanskis Ansatz wurde schließlich leicht abgewandelt von Davids (1994), die lediglich dessen Korrektiv „Beibehaltung der traditionellen Fallgruppen“ durch das Korrektiv „multi-factor-Test“ ersetzt. Zum anderen Larkins entity-Test (1989), der piercing-Probleme durch eine Auslegung der jeweils einschlägigen Rechtsregel im Lichte des Gesellschaftsrechts lösen will. Dadurch wird konzeptionell ein piercing (im Sinne der traditionellen Vorstellung einer Verletzung des Trennungsprinzips) gerade vermieden. In der südafrikanischen Rechtslehre haben derzeit die equity- / billikheid-Ansätze eindeutig Übergewicht. Vereinzelte Stimmen aus der kanadischen Rechtslehre (Welling, Flannigan) haben einen radikaleren Weg eingeschlagen und vorgebracht, piercing of the corporate veil zu verabschieden und stattdessen nur noch mit den Rechtsgrundsätzen des Delikts- bzw. Arbeitsrechts zu arbeiten. Stellungnahmen aus Südafrika liegen hierzu bislang noch nicht vor. Die südafrikanische Rechtsprechung hat sich bislang sehr zurückhaltend darin gezeigt, general formulae zu verlautbaren. Ganz überwiegend folgt sie dem hergebrachten categorisation approach. Diejenigen Entscheidungen jedoch, die eine general formula (oder eine als solche verstandene Formulierung) enthalten, lassen sich wiederum in zwei Strömungen unterteilen: Zum einen die reinen fraud-Tests. Hierzu zählt der älteste südafrikanische Test (der fraudulent use of a corporate personality-Test), der sich als bloßes obiter in der Lategan v Boyes-Entscheidung (1980) findet. Dieser enge Test wurde erweitert in der Entscheidung The Shipping Corporation of India (1994) und hat auch deutliche Spuren im Smalberger-Test der jüngsten südafrikanischen Leitentscheidung Cape Pacific v Lubner 1995 (AD) hinterlassen. Zum anderen die equity-Tests: Ein solcher Test wurde erstmals in Botha v Van Niekerk (1983) als sogenannter onduldbare onreg-Test entwickelt. Er ist

II. Abgrenzungen

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im Kern eine verschärfte Version von Benades billikheid-Test. Bis er in Cape Pacific v Lubner 1995 (AD) per Smalberger JA verworfen wurde, war er Südafrikas führender Test und fand in Folgeentscheidungen Anwendung. In Cape Pacific v Lubner 1995 (AD) formulierte Van Heerden JA in seinem Minderheitsvotum einen auf Benade beruhenden billikheid-Ansatz. Der in derselben Entscheidung formulierte Smalberger-Test ist ein balancingTest, der überwiegend in Domanskis Ansatz gründet, jedoch stark das Erfordernis fraud betont. Die heutige südafrikanische Rechtsprechung scheint somit beide Strömungen zu verbinden und bevorzugt einen equity-Test mit einer beträchtlichen fraudKomponente.

II. Abgrenzungen 1. Abgrenzungen nach deutschem Verständnis a) Abgrenzung der Durchgriffshaftung von allgemeinen Durchgriffsfragen aa) Begriffsbestimmungen In der deutschen Literatur wird zunehmend zwischen Durchgriffshaftung und allgemeinen Durchgriffsfragen unterschieden.251 Einzelheiten dieser Unterscheidung sind jedoch noch umstritten. Die Unterscheidung stützt sich auf folgende drei Kriterien: Erstens wird Durchgriffshaftung als eine Durchbrechung des Trennungsprinzips im Hinblick auf die beschränkte Haftung verstanden und führt somit zu einer persönlichen Haftung der Gesellschafter. Allgemeine Durchgriffsfragen betreffen dagegen Durchbrechungen des Trennungsprinzips in jeder anderen Hinsicht.252 Zweitens wird einem Teil der Literatur zufolge Durchgriffshaftung als eine (gesetzlich nicht geregelte) Erstreckung einer Rechtsfolge über den ursprünglichen Adressatenkreis hinaus verstanden. Durchgriffshaftung ist Zurechnung auf der Rechtsfolgenseite einer Norm.253 Demgegenüber finden bei allgemeinen

251 Vgl. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 30 (Fn. 1) und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 I 2 b. Vgl. auch Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 313. 252 Z. B. Drobnig, Haftungsdurchgriff bei Kapitalgesellschaften, in: Arbeiten zur Rechtsvergleichung, Band 4, Frankfurt 1959 (zugl. Diss. Universität Hamburg 1959), 24, Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 4 III 1, Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 29 I 1, III. 253 s. o. Kap. A. I. 1.

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Durchgriffsfragen (gesetzlich nicht geregelte) Zurechnungen auf der Tatbestandsseite einer Norm statt. Drittens entsteht im Falle einer Durchgriffshaftung unmittelbar (im Wege der Rechtsfolgenerstreckung) ein neuer Anspruch gegen die ursprünglichen NichtSchuldner Gesellschafter.254 Allgemeine Durchgriffsfragen können dagegen nur mittelbar dadurch zu einem Anspruch beitragen, dass sie behilflich sind, durch Zurechnungen den Tatbestand einer Norm zu erfüllen. bb) Überblick über die allgemeinen Durchgriffsfragen Allgemeine Durchgriffsfragen schließen eine Fülle verschiedener Sachverhalte ein. Für sie hat sich bislang in der Literatur noch keine einheitliche Terminologie durchgesetzt. Auch über die Anzahl ihrer Kategorien herrscht keine Einigkeit. Selbst der Begriff „allgemeine Durchgriffsfragen“ wird nicht einheitlich verwendet. Stattdessen schlägt die jüngere Rechtslehre zunehmend den Begriff „Zurechnungsfragen“ oder „Zurechnungsdurchgriff“ (Wiedemann,255 Raiser256) vor. Die vorliegende Arbeit folgt der Terminologie und der Klassifizierung von Drax. Danach lassen sich allgemeine Durchgriffsfragen in vier Fallgruppen unterteilen:257 Fälle sonstigen Rechtsfolgendurchgriffs, Einwirkungsfälle, Zurechnungsfälle und Fälle wirtschaftlicher Personenidentität. Die Abgrenzung der Fallgruppen lässt sich allerdings nicht immer scharf ziehen. Insbesondere sind Fälle sonstiger Rechtsfolgendurchgriffe häufig zugleich auch Einwirkungsfälle. (1) Fälle sonstiger Rechtsfolgendurchgriffe Fälle sonstiger Rechtsfolgendurchgriffe sind solche, bei denen (wie bei der Durchgriffshaftung) eine Erstreckung auf der Rechtsfolgenseite einer Norm stattfindet, bei denen die erstreckte Rechtsfolge allerdings (im Gegensatz zur Durchgriffshaftung) gerade keine Zahlungsverbindlichkeit ist. Typische Fälle sind Erstreckungen von für die GmbH geltenden vertraglichen oder gesetzlichen Verhaltenspflichten (Tun oder Unterlassen) auf die Gesellschafter oder auf ein die GmbH beherrschendes Unternehmen. Hierzu gehören die Wettbewerbsverbots-258 und die Stimmrechtsausübungs- / Stimmverbotsfälle.259 254

s. u. Kap. B. I. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 4 III 1, ders., Die Unternehmensgruppe im Privatrecht: Methodische und sachliche Probleme des deutschen Konzernrechts, Tübingen, 1988. Wiedemann hat versucht, die allgemeinen Durchgriffsfragen insgesamt unter den Begriff des „Zurechnungsdurchgriffs“ zu bringen. 256 Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 29 II, III. 257 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 30 ff. 255

II. Abgrenzungen

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Zweck dieser Fälle sonstiger Rechtsfolgendurchgriffe ist es, Umgehungen von (vertraglichen oder gesetzlichen) Verhaltenspflichten (Geboten oder Verboten) zu verhindern. (2) Einwirkungsfälle Einwirkungsfälle sind solche, bei denen ein Gesellschafter aufgrund seines Einflusses innerhalb der Gesellschaft (Stimmrechte, Geschäftsanteile) die Gesellschaft zu einem Tun oder Unterlassen veranlassen kann. Dies sind notwendigerweise Fälle, in denen ein beherrschender Gesellschafter oder ein Alleingesellschafter vorkommt. Aufgrund seiner beherrschenden Stellung wird eine Verpflichtung der Gesellschaft, etwas zu tun oder zu unterlassen, auf den beherrschenden Gesellschafter / Alleingesellschafter erstreckt. Dieser schuldet dann einen entsprechenden Gebrauch seiner Einflussmöglichkeiten. Er kann sich nicht mehr auf die rechtliche Verschiedenheit zwischen ihm und der Gesellschaft berufen. Schulbeispiel ist die Bilanz-Entscheidung des Reichsgerichts, die die Erfüllung von Auskunfts- und Einsichtspflichten betraf.260 258 BGHZ 89, 162 (165) („Heumann / Ogilvy“): Die Klägerinnen waren zu 20% an einer GmbH & Co. KG beteiligt. 80% des Kommanditkapitals und des Stammkapitals der Komplementär-GmbH befanden sich in der Hand einer ausländischen Gesellschaft (M-Ltd.). Diese war Konzerntochter der Beklagten. Die Beklagte hatte ein Konkurrenzunternehmen gegründet und wurde nun von den Klägerinnen wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot des § 112 HGB in Anspruch genommen. Der BGH entschied, dass nicht nur (wie der Wortlaut des § 112 HGB es zulässt) die Komplementär-GmbH diesem Wettbewerbsverbot unterliegt, sondern ebenso deren ausländische Gesellschafterin (M-Ltd.) und die von der GmbH noch weiter entfernte Beklagte. Ähnlich BGHZ 59, 64 („Kiesgrube“): Eine K-KG durfte laut Vertrag ein Kiesgelände ausbeuten. Ebenfalls laut Vertrag durfte die K-KG allerdings keine weitere Auskiesung ohne Zustimmung des Verpächters in einem Umkreis von einem Kilometer um das Auskiesungsgelände betreiben. Dies geschah auch nicht, aber die Gesellschafter der K-KG gründeten eine Sand- / Kiesbaggerei-GmbH und ließen diese tätig werden. Der Verpächter klagte auf Unterlassung. Der BGH gab ihm Recht. Hier wurde die Unterlassungspflicht der K-KG sogar zweifach hintereinander erstreckt (zugerechnet): Zuerst auf die Gesellschafter der K-KG und von da aus, ausgehend von deren gleichzeitiger Eigenschaft als Gesellschafter der GmbH, auf die Sand- / KiesbaggereiGmbH. Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 1. 259 RGZ 146, 385 („Stimmverbot“): Ausdehnung eines für den Gesellschafter geltenden Stimmverbots auf die Stimmanteilseigner-GmbH, die von ihm beherrscht wird. Vgl. auch das Beispiel bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2 (nach RGZ 146, 385): X war Hauptaktionär und Vorstandsmitglied einer AG. Für seine Entlastung als Vorstand versuchte X, auch seine eigenen Stimmrechte einzubringen. § 136 Abs. 1 AktG untersagt dies jedoch. X gründete deshalb eine GmbH, brachte seine Aktien in diese ein und ließ die GmbH mitabstimmen. 260 RGZ 99, 232 („Bilanz“): Ein Alleingesellschafter kann sich nicht darauf berufen, die Pflicht zur Bilanzvorlage treffe allein die GmbH und sei ihm selbst daher rechtlich unmöglich. Vgl. auch BGHZ 25, 115.

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Umgekehrte Einwirkungsfälle (seitens der GmbH auf den sie beherrschenden Gesellschafter) gibt es nicht, da die GmbH über keine entsprechenden Einwirkungsmöglichkeiten (Geschäfts- und Stimmanteile) gegenüber dem Gesellschafter verfügt. (3) Zurechnungsfälle Zurechnungsfälle sind solche, bei denen bestimmte Eigenschaften oder eine bestimmte Kenntnis der Gesellschafter deren GmbH zugerechnet werden oder umgekehrt. Die Beispielsfälle sind begrenzt. Zurechnungen von Eigenschaften wurden bisher – neben einigen Vorschriften der früheren Konkursordnung – von der Rechtsprechung vor allem bei Anfechtungen gem. § 119 Abs. 2 BGB erwogen.261 Ferner ist in der Insolvenz eine natürliche Person einer GmbH dann als nahestehende Person anzusehen, wenn sie von dem Gemeinschuldner beherrscht wird, obwohl dieser Fall in der Insolvenzordnung übersehen wurde.262 Dasselbe gilt im Rahmen des § 3 Abs. 2 AnfG für beherrschende Gesellschafter. In der Literatur ist streitig, ob eine Schenkung an die GmbH widerrufen werden können soll wegen „groben Undanks“ der Gesellschafter gegenüber dem Schenker.263 Ob bei einem Rechtsgeschäft Kenntnis oder Kennenmüssen der Gesellschafter der GmbH zugerechnet wird, wird nach dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 2 BGB bestimmt. Bislang wurde entschieden, dass ein Alleingesellschafter nicht als „Dritter“ i. S. d. § 123 Abs. 2 BGB angesehen werden kann.264 Ferner soll aus der Sicht eines Teils der Literatur ein Versicherer gegenüber einer Ähnlich, wenn ein Gesellschafter (vor allem im Konzern) Verhaltenspflichten über von ihm beherrschte Tochtergesellschaften zu umgehen versucht (RGZ 142, 219; BGHZ 70, 331; BGH 1978 NJW 1001). 261 Eine Willenserklärung kann gem. § 119 Abs. 2 BGB gegenüber der GmbH anfechtbar sein, obgleich der erforderliche Eigenschaftsirrtum sich nicht auf eine Eigenschaft der juristischen Person GmbH, sondern auf eine Eigenschaft des sie beherrschenden geschäftsführenden Gesellschafters bezieht (RGZ 143, 429 [431 f.]). 262 Ulmer-Raiser, GmbHG-Großkommentar, § 13, Rn. 106. 263 Ablehnend die herrschende Ansicht (z. B. Scholz-Schneider, GmbHG-Großkommentar, § 13, Rn. 73), weil § 530 BGB nicht auf juristische Personen anwendbar sei (offengelassen von OLG Düsseldorf 1966 NJW 550); bejahend dagegen u. a. Hachenburg-Raiser, GmbHG-Großkommentar, § 13, Rn. 71. Ablehnend mit gleicher Argumentation auch RG SeuffArch 85 (Nr. 124) 237; dort wurde ein Abstellen auf den Alleingesellschafter nicht erwogen. Bestätigt wurde diese Entscheidung vom BGH (BGHZ 36, 395) in einem obiter dictum bezüglich § 530 BGB. s. a. Schulte, Rechtsprechungsübersicht zum Trennungsprinzip bei juristischen Personen, in: WM, 1979, Sonderbeilage 1, 6 (10). 264 BGH 1990 WM 506: Ein beherrschender Gesellschafter X, der (ggf. in mittelbarer Täterschaft mit Hilfe der von ihm beherrschten Y-GmbH) einen Geschäftspartner Z der Y-GmbH arglistig täuscht (über die Beteiligungsverhältnisse an der YGmbH), woraufhin Z eine Willenserklärung gegenüber der Y-GmbH abgibt, wird nicht

II. Abgrenzungen

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GmbH als Versicherungsnehmerin leistungsbefreit werden gem. § 61 VVG, wenn die Gesellschafter der GmbH den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben.265 Solche Zurechnungen sind rechtsdogmatisch problematisch, weil grundsätzlich nur Eigenschaften oder Kenntnis / Wissen des Organs (Geschäftsführers) der GmbH zugerechnet werden können,266 nicht jedoch solche von Gesellschaftern.267 Praktisch zugelassen werden sie von der Rechtsprechung jedoch bei personalistisch geprägten Gesellschaften mit beschränkter Haftung, weil dort die Willensbildung der GmbH stark von ihren Gesellschaftern beeinflusst wird. (4) Fälle wirtschaftlicher Personenidentität Diese Fälle unterscheiden sich von den übrigen Zurechnungsfällen dadurch, dass die bei ihnen einschlägigen Vorschriften neben der willensmäßigen Selbständigkeit (wie bei den übrigen Zurechnungsfällen) auch noch die wirtschaftliche Selbständigkeit von GmbH einerseits und Gesellschafter andererseits verlangen. Drax bezeichnet diese Fallgruppe als „Fälle normativer Identifikation“. Die Grenzen zwischen ihnen und der Fallgruppe der Zurechnungsfälle sind allerdings fließend.268 als „Dritter“ i. S. d. § 123 Abs. 2 BGB angesehen. Dies solle sowohl für Alleingesellschafter gelten als auch für Mehrheitsgesellschafter, die die Möglichkeit einer Weisungsbefugnis haben. BGH a. a. O.: „Diese arglistige Täuschung [des Z seitens] des Beklagten zu 2 [X] müsse die Beklagte zu 1 [die Y-GmbH] sich zurechnen lassen, weil jener [X] nicht Dritter i. S. d. § 123 Abs. 2 gewesen sei und es deshalb nicht auf das Wissen des Geschäftsführers [P] der Beklagten zu 1 [Y-GmbH] angekommen sei.“ Vorzugswürdig scheint es allerdings, umgekehrt zu argumentieren: Weil die Kenntnis des herrschenden Gesellschafters X von der Täuschung auch „seiner“ Y-GmbH zugerechnet wird (so der BGH a. a. O., 506: „[D]ie Beziehungen des täuschenden Gesellschafters [X] zur [Y-]Gesellschaft [sind] so eng, daß diese als Erklärungsempfängerin [der Willenserklärung des Z] die Täuschung wie eine eigene zu vertreten hat und den Getäuschten [Z] deshalb nicht am Vertrage festhalten darf.“), kommt es auf die „Dritten“-Eigenschaft des X i. S. d. § 123 Abs. 2 BGB gar nicht mehr an: Die Willenserklärung des Z bleibt anfechtbar gem. § 123 Abs. 1 BGB, weil „der andere“ i. S. d. § 123 Abs. 2 BGB (die Y-GmbH) die Täuschung aufgrund der angenommenen Wissenszurechnung kannte. 265 Nach Scholz-Schneider, GmbHG-Großkommentar, § 13, Rn. 73 sei dies der Fall, wenn entweder alle Gesellschafter gemeinschaftlich oder durch einen mit Billigung der übrigen gehandelt haben. s. a. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2 c (Bsp. Nr. 10) und Michalski-Michalski, GmbH-Kommentar, § 13, Rn. 392. 266 Die Grundlage der Wissenszurechnung von Organ auf die juristische Person ist – im Gegensatz zur Zurechnung von Organverhalten (unstreitig gem. § 31 BGB) – streitig: Teilweise wird auf § 166 Abs. 1 BGB abgestellt, teilweise – und dogmatisch klarer – auf einen in § 31 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, wonach jedem rechtsfähigen Verband das Wissen seiner Organe zuzurechnen ist, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V 1 und 2. Bzgl. Wissenszurechnungen s. auch unten Kap. C. I. 2. 267 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 32.

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Hierzu gehören zum einen alle Vorschriften über gutgläubigen Eigentumserwerb (§ 892 BGB, § 932 BGB, § 366 HGB, Art. 16 (f) WechselG, Art. 21 (f) ScheckG) für Erwerbsvorgänge zwischen Gesellschaftern und GmbH.269 Bei diesen Vorschriften ist eine Zurechnung regelmäßig schon wegen des nicht erfüllten (ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmals des „selbständigen Verkehrsgeschäfts“ nicht möglich,270 da ein solches Verkehrsgeschäft ja nur dann vorliegt, wenn die Rechtsgeschäftsparteien in wirtschaftlicher Hinsicht voneinander personenverschieden sind. Auf eine eventuelle Bösgläubigkeit des Erwerbers und somit auf eine rechtsgedankliche Anwendung des § 166 Abs. 2 BGB kommt es somit hier gar nicht mehr an. Ferner gehören zu diesen Fällen die sogenannten Maklerprovision-Fälle.271 Und schließlich gehört hierher auch der Bauhandwerkerhypothek-Fall.272 Aller-

268

Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 33. Z. B. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2 d (Bsp. Nr. 11) in Anlehnung an RGZ 119, 126 (gutgläubig lastenfreier Erwerb des Allein-Aktionärs von seiner AG). K. Schmidt versteht solche Fälle als reine Normanwendungsprobleme (teleologische Reduktion der Gutglaubensvorschriften). 270 Vgl. z. B. Geißler, Zukunft, Stillstand oder Geltungsverlust für die Durchgriffshaftung im Recht der GmbH?, in: GmbHR, 1993, 71 (73), Rehbinder, Neues zum Durchgriff unter besonderer Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, in: Wirtschafts- und Medienrecht in der offenen Demokratie, Freundesgabe für Friedrich Kübler, 1997, 493 (508) und Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 385. 271 Ein beherrschender Gesellschafter vermittelt den Abschluss eines Vertrages zwischen einem Dritten und der von ihm beherrschten GmbH und verlangt danach eine Maklerprovision gem. § 652 BGB von dem Dritten. Der BGH hat einen solchen Anspruch in ständiger Rechtsprechung abgelehnt (BGH 1971 NJW 1839, BGH 1973 NJW 1649 – „Maklerprovision“). Vgl. auch BGH 1974 NJW 1130 („Maklerprovision II“) sowie BGH 1985 NJW 2473, BGH 1992 NJW 2818 und BGH 1993 NJW 2225. Dies gilt auch für eng verflochtene Gesellschaften (BGH 1974 NJW 1130 – „Maklerprovision II“): Die vermittelnde Maklerfirma (GmbH) und die Vertragsgegnerin (GmbH) des Auftraggebers waren zwar rechtlich selbständige, aber abhängige Unternehmen, die unter dem beherrschenden Einfluss eines dritten Unternehmens (KG) standen. Der BGH verneinte, dass unter diesen Voraussetzungen ein Anspruch auf Zahlung der Maklerprovision entstehe. Vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2 a (Bsp. Nr. 7): Die M-GmbH betreibt ein Maklergewerbe, die W-GmbH ist ein Wohnungsbauunternehmen. Beide sind Mitglieder derselben Unternehmensgruppe. Die von der W-GmbH errichteten Wohnungen können aufgrund eines erteilten Alleinauftrages nur über M-GmbH als Maklerin erworben werden. Der BGH hat einen Provisionsanspruch der M-GmbH verneint. K. Schmidt versteht diese Fälle als reine Normauslegungsprobleme. 272 BGHZ 102, 95 („Bauhandwerkerhypothek – Besteller i. S. d. § 648 BGB“): Der Beklagte B war mit 95% an einer GmbH & Co. KG beteiligt. Diese Gesellschaft ließ von der Klägerin Bauarbeiten auf einem dem B gehörenden Grundstück durchführen. Über das Vermögen der KG wurde das Konkursverfahren eröffnet. Die Klägerin war der Ansicht, der Beklagte B müsse sich nun wie ein Besteller behandeln lassen und die Eintragung einer Bauwerksicherungshypothek zu Lasten seines Grundstücks nach § 648 BGB dulden. Der BGH sah (im Ergebnis) B wirtschaftlich als Besteller an. 269

II. Abgrenzungen

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dings besteht bei diesem Fall die Besonderheit, dass es sich hierbei um eine umgekehrte Zurechnung (von der GmbH auf den Alleingesellschafter) handelt. b) Abgrenzung der Durchgriffshaftung (Existenzvernichtungshaftung) von Konzernaußenhaftung (Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern) aa) Definitionen (1) Konzernrecht und Konzernaußenhaftungsrecht Der Begriff Konzernrecht bezeichnet das Recht gesellschaftsrechtlich verbundener, rechtlich unabhängiger Unternehmen. Ein Konzern umfasst mindestens zwei verbundene Unternehmen, die nahezu jeder beliebigen Rechtsform angehören können. Konzernaußenhaftung bezeichnet die Haftung des herrschenden Unternehmens gegenüber Gläubigern eines von ihm abhängigen Unternehmens für dessen Verbindlichkeiten. Im deutschen Recht besteht ein spezielles, kodifiziertes Konzernaußenhaftungsrecht für Aktiengesellschaften, nicht aber für Gesellschaften mbH. Derzeit ist die Entwicklung eines richterrechtlichen GmbH-Konzernrechts (einschließlich eines Außenhaftungsrechts der herrschenden GmbH) in vollem Gange. (2) (Konzern-)Unternehmen Das deutsche Konzernrecht greift nur für Unternehmen im Sinne des Konzernrechts. Dies ergibt sich aus § 15 AktG in Zusammenhang mit den dort in Bezug genommenen Vorschriften. An Unternehmensverbindungen im Sinne des Konzernrechts können allein Unternehmen beteiligt sein, so dass vor allem von der engen oder weiten Fassung des Unternehmensbegriffs die Reichweite des deutschen Konzernrechts abhängt.273 Das Aktiengesetz gibt (ebenso wenig wie das GmbH-Gesetz) keine Definition des Begriffs (Konzern-)Unternehmen. Zweck des Konzernrechts ist der Schutz der abhängigen Gesellschaft, der Minderheitsgesellschafter und der Gläubiger des abhängigen Unternehmens vor den Risiken, die die Beherrschung durch das herrschende Unternehmen mit sich bringt. Um diesem Zweck gerecht zu werden, folgt die Rechtsprechung heute einem sehr weiten Unternehmensbegriff: Unternehmensqualität hat danach schon ein Gesellschafter, der zu seiner K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2 b (Bsp. Nr. 5) hält diese Entscheidung wieder für einen reinen Normauslegungsfall (wirtschaftliche Auslegung des Bestellerbegriffs). Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 70 (Fn. 54) versteht dagegen die Entscheidung als Abweichung von der inzwischen gängig gewordenen Rechtspraxis des BGH, Primärhaftung und Durchgriffshaftung voneinander zu unterscheiden. 273 Vgl. Emmerich / Sonnenschein, Konzernrecht, 5. Auflage 1993, München, § 2 II 2.

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Beteiligung an einer Gesellschaft eine maßgebliche Beteiligung an einer weiteren Gesellschaft dazuerwirbt. Denn dies kann ihn dazu verleiten, seinen Einfluss in der einen Gesellschaft zum Nachteil der anderen Gesellschaft auszuüben.274 Der Privatmann mit multiplem Beteiligungsbesitz wird somit auch erfasst, zumal die Rechtsform des Unternehmens keine Rolle spielen soll. Auch Personengesellschaften können problemlos Unternehmen im Sinne des Konzernrechts sein. (3) Konzernstufen und deren Abgrenzungen Der Begriff Konzern ist in § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG definiert. Diese Definition gilt sowohl für Aktien-Konzerne als auch für GmbH-Konzerne.275 Erforderlich sind zwei rechtlich unabhängige Unternehmen, die unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst sind. Der Begriff der einheitlichen Leitung wird weit verstanden. Ist eines der beiden Unternehmen herrschend, liegt ein Unterordnungskonzern vor, andernfalls ein Gleichordnungskonzern. Das Vorliegen eines Konzerns wird gem. § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG gesetzlich vermutet, wenn Abhängigkeit i. S. v. § 17 AktG gegeben ist. Diese liegt vor, sobald ein Unternehmen in der Lage ist, direkt oder indirekt beherrschenden Einfluss auf ein anderes, rechtlich unabhängiges Unternehmen auszuüben. Im Falle bestehender Mehrheitsbeteiligung (§ 16 AktG) wird Abhängigkeit gesetzlich vermutet (§ 17 Abs. 2 AktG). Von einer Mehrheitsbeteiligung führt somit eine Vermutungskette zu einem Konzern. Das Aktiengesetz unterscheidet nur zwischen Vertragskonzernen und faktischen Konzernen. Eine Unterscheidung innerhalb der faktischen Konzerne nach einfachen und qualifiziert faktischen Konzernen ist im Gesetz dagegen nicht geregelt. (a) Abgrenzung des Vertragskonzerns vom faktischen Konzern Sowohl Aktien-Konzerne als auch GmbH-Konzerne276 werden nach Vertragskonzernen und faktischen Konzernen unterteilt. Vertragskonzerne sind nur solche, die durch einen Beherrschungsvertrag zustande gekommen sind. Ein solcher Beherrschungsvertrag erfordert gem. §§ 291 274

Vgl. Emmerich / Sonnenschein, Konzernrecht, § 2 III 3, § 24 III 2 d. Vgl. Emmerich / Sonnenschein, Konzernrecht, § 2 I 1. 276 GmbH-Konzerne sind Unternehmensverbindungen, an denen in der Rolle der abhängigen Gesellschaft (unter anderem) Gesellschaften mbH beteiligt sind, Emmerich / Sonnenschein, Konzernrecht, § 23 I. 275

II. Abgrenzungen

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Abs. 1 Satz 1, 308 AktG, dass ein Unternehmen vertraglich die Leitungsmacht gegenüber der Geschäftsführung eines anderen Unternehmens übernommen und dadurch Weisungsbefugnis erhalten hat.277 Beide Vorschriften gelten analog auch für GmbH-Konzerne. Zusammen mit einem Beherrschungsvertrag wird regelmäßig auch ein Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Dieser allein reicht allerdings nicht aus, einen Vertragskonzern zu schaffen, da sich aus ihm keine Weisungsmacht ergibt. Faktische Konzerne sind alle anderen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen zwei rechtlich unabhängigen Unternehmen außerhalb von Beherrschungsvertrag oder Eingliederung.278 Faktische Konzerne sind in §§ 311–318 AktG geregelt. Diese Vorschriften sind im Gegensatz zu denen des Vertragskonzerns allerdings auf faktische GmbH-Konzerne nicht analog anwendbar, da Unterschiede in der Verfassung der GmbH, in der Frage der Vermögensbindung und bei den Mitverwaltungsrechten der Gesellschafter bestehen.279 Somit besteht für faktische GmbH-Konzerne eine gesetzliche Regelungslücke. (b) Abgrenzung des qualifiziert faktischen Konzerns vom einfachen faktischen Konzern Sowohl faktische Aktien-Konzerne als auch faktische GmbH-Konzerne werden in einfache faktische Konzerne und qualifiziert faktische Konzerne unterteilt. Die Unterscheidung zwischen einfachen faktischen Konzernen und qualifiziert faktischen Konzernen war bedeutsam, weil seit der Autokran-Entscheidung (1985) des Bundesgerichtshofes bis zu dessen Entscheidungen Bremer Vulkan (2001) und KBV (2002) eine Konzernaußenhaftung im Wege einer analogen Anwendung der §§ 302, 303 AktG nur bei qualifiziert faktischen Konzernen greifen können sollte. Das Aktiengesetz regelt die Haftung von faktischen Konzernen in §§ 311– 318 AktG. Dieses Regelungsbündel setzt allerdings voraus, dass ein Abhängigkeitsverhältnis vorliegt, bei dem die für die abhängige Gesellschaft nachteiligen Einzeleingriffe des herrschenden Unternehmens noch klar voneinander unterscheidbar sind. Für diesen Fall gewährt § 317 Abs. 1 Satz 1 AktG der abhängigen Gesellschaft einen Ersatzanspruch gegen das herrschende Unternehmen im 277 Zu Einzelheiten s. Emmerich / Habersack, Konzernrecht, 8. Auflage 2005, München, § 24 III 1. 278 Die (praktisch seltene) Eingliederung ist für Aktiengesellschaften in §§ 319 ff. AktG geregelt. Diese Vorschriften gelten nicht analog für die Eingliederung von Gesellschaften mbH, vgl. Emmerich / Habersack, Konzernrecht, § 29 III 2 e. 279 Vgl. Emmerich / Habersack, Konzernrecht, § 29 III 2 a.

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Hinblick auf einen Schaden, den sie durch von diesem veranlasste Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte erlitten hat. Können diese Einzelmaßnahmen und ihre Wirkungen auf das abhängige Unternehmen dagegen nicht mehr gesondert in Betracht genommen werden, so versagt das System der §§ 311 ff. AktG. Dort liegt die Übergangsschwelle vom einfachen zum qualifiziert faktischen Konzern.280 Da die §§ 311 ff. AktG hier für die Gläubiger und die Minderheitsgesellschafter der abhängigen Aktiengesellschaft eines faktischen Aktien-Konzerns nur noch unzureichend Schutz bieten und für die Gläubiger und Minderheitsgesellschafter der abhängigen Gesellschaft mbH eines faktischen GmbH-Konzerns sogar eine Regelungslücke (die §§ 311 ff. AktG sind nicht auf abhängige Gesellschaften mbH entsprechend anwendbar281) und somit gar kein Schutz besteht, hatte der Bundesgerichtshof für qualifiziert faktische Konzerne stattdessen eine Außenhaftung (Ausfallhaftung) im Wege einer analogen Anwendung der §§ 302 f. AktG entwickelt.282 Das Bundesarbeitsgericht war ihm weitgehend gefolgt.283 280 Qualifiziert faktische (GmbH-)Konzerne liegen nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH in folgenden Fallgruppen vor (Emmerich / Sonnenschein, Konzernrecht, § 24 III 2 d): Fälle, in denen die abhängige Gesellschaft wie eine unselbständige Betriebsabteilung geführt wird, deren Leitung also bis auf das Tagesgeschäft hinein auf Dauer übernommen ist („Gervais“-Entscheidung, BGHZ 80, 129 [131]), Fälle von Einmann-Gesellschaften (umstrittene Fallgruppe) und Fälle von Organverflechtungen. Qualifiziert faktische Aktienkonzerne kamen dagegen praktisch bislang so gut wie nicht vor. Emmerich / Sonnenschein, Konzernrecht, § 20 IV 1 verwehren sich aber eigens gegen den Verdacht, dass der qualifiziert faktische Aktienkonzern „im wesentlichen eine Erfindung der Professoren sei und deshalb – als weithin theoretisches Gebilde – vernachlässigt werden dürfe“: Zwar komme er angesichts § 76 AktG selten vor. Dass es ihn aber gar nicht gebe, könne man deshalb jedoch nicht behaupten. Denn jedenfalls die Entscheidungen „Banning“ (OLG Hamm 1987 NJW 1030) und „SEN“ (LG Mannheim 1990 WM 760) belegten das Gegenteil. 281 Emmerich / Habersack, Konzernrecht, § 29 III 2 a. 282 Entscheidungen „Autokran“ (BGHZ 95, 330), „Tiefbau“ (BGHZ 107, 7), „Video“ (BGHZ 115, 187) und „TBB“ (BGHZ 122, 123), vgl. Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 150. Rechtsfolge ist zunächst eine Verlustausgleichspflicht, die vom herrschenden Unternehmen zu erfüllen ist. Soweit der qualifiziert faktische Konzern Minderheitsgesellschafter hat, geht der Anspruch analog § 302 AktG auf Ersatz des entstehenden Jahresfehlbetrages. Einen Direktanspruch gegen das herrschende Unternehmen gewährt die Verlustausgleichspflicht natürlich nicht, Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 146. Gestützt war diese Analogie auf die Überlegung, dass sich das herrschende Unternehmen, was den Gläubigerschutz betrifft, so behandeln lassen muss, als ob ein Beherrschungsvertrag bestehe, falls es die abhängige Gesellschaft in einer Weise leitet, die typisch für Beherrschungsbeziehungen ist, Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 134. Bei Beendigung des qualifiziert faktischen Konzernverhältnisses (z. B. auch bei Konkurseröffnung über die abhängige Gesellschaft oder bei Ablehnung der Eröffnung mangels Masse) greift ein Recht auf Sicherheitsleistung analog § 303 AktG. Ist die abhängige Gesellschaft ohne Vermögen, ist eine solche Sicherheitsleistung sinnlos. Deshalb haben die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft dann gegen das herrschende Unternehmen ei-

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Durchgehend als schwierig hatte es sich dabei erwiesen, den qualifiziert faktischen Konzern tatbestandlich griffig zu erfassen:284 Einigkeit herrschte jedenfalls zu Zeiten des TBB-Urteils285, das den Schlussstein der Rechtsprechungsentwicklung des qualifiziert faktischen Konzerns bildete, dass folgende Voraussetzungen vorliegen müssen:286 Zum einen muss das herrschende Unternehmen die Leitung des abhängigen Unternehmens dauerhaft und umfassend an sich gezogen haben. Ferner muss es diese Leitung so ausgeübt haben, dass dadurch die Eigeninteressen des abhängigen Unternehmens unangemessen beeinträchtigt wurden. Schließlich durften diese Nachteilszufügungen nicht anderweitig ausgeglichen worden sein und es muss nicht mehr möglich sein können, sie isolierbar in Betracht zu nehmen. Durchgehend streitig blieb, ob dieses Haftungskonzept als Verhaltens- oder als Strukturhaftung zu verstehen war.287 bb) Existenzvernichtungshaftung Beginnend 2001 hat der Bundesgerichtshof in drei Entscheidungen288 die Rechtsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns ausdrücklich aufgegeben289 und zu dem umfassenderen Tatbestand der Existenzvernichtungshaftung ausgeweitet.290 (1) Voraussetzungen und Rechtsfolge Eine Existenzvernichtungshaftung (auch als Haftung wegen Schmälerung der Schuldendeckung – Deckungsschmälerungshaftung – bezeichnet291) setzt zum einen eine Maßnahme eines Alleingesellschafters oder ein Zusammenwirken nen Anspruch auf Zahlung (Ausfallhaftung), Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 147. 283 BAG 1991 DB 1472, BAG 1993 NJW 954 und BAG 1994 NJW 3244. 284 Vgl. Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 135, der davon spricht, dass es diesbezüglich beim qualifiziert faktischen Konzern „bei einer Art Generalklausel verblieb.“ 285 BGHZ 122, 123 („TBB“). 286 Vgl. Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 137–145. 287 Vgl. Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 144, der diesen Streit für „wenig fruchtbar“ hält. 288 BGHZ 149, 10 („Bremer Vulkan“), BGHZ 150, 61 und BGHZ 151, 181 („KBV“). 289 BGHZ 150, 61 (68). BGH 2005 BB 268 spricht von der „inzwischen überholten“ Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern. 290 Griffig und unter Befürwortung der Existenzvernichtungshaftung formulieren Lutter / Banerjea (2003), ZGR 407: „Es ist also richtig, wenn der BGH die Fälle des qualifizierten faktischen Konzerns ,einschmilzt‘ in eine allgemeine Haftung der Gesellschafter wegen der Existenzvernichtung ihrer Gesellschaft.“

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mehrerer Gesellschafter voraus. Hierbei muss es sich um einen Eingriff in das im Falle einer Liquidation sämtlichen Gläubigern zur Verfügung stehende Gesellschaftsvermögen handeln. Durch diesen muss zweitens die Funktion der Gesellschaft als Haftungsträger nachhaltig beeinträchtigt worden sein („Weichenstellung ins Aus“292), und dabei müssen drittens die Mindestmaßstäbe ordentlichen kaufmännischen Verhaltens verletzt worden sein. Der Eingriff muss schließlich zur Existenzvernichtung der Gesellschaft geführt haben. Die Gesellschaft muss also in die Insolvenz oder Vermögenslosigkeit gefallen sein, und ihre Gläubiger müssen dadurch ausgefallen sein. Eine bloße Existenzgefährdung genügt dagegen noch nicht. Eine Haftung wegen Existenzvernichtung scheidet aus, falls diese eingetretenen Vermögensnachteile nach §§ 30 ff. GmbHG ausgeglichen werden können. Auf die Unternehmenseigenschaft der in Anspruch genommenen Gesellschafter oder auf das Vorliegen eines Konzerns kommt es dagegen überhaupt nicht mehr an; die Existenzvernichtungshaftung ist von konzernrechtlichen Haftungsvoraussetzungen losgelöst.293 Rechtsfolge der Existenzvernichtungshaftung ist dem Bundesgerichtshof294 und einem Teil der Literatur295 zufolge eine Ausfallhaftung der herrschenden bzw. zustimmenden Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Damit wird eine vorherige Inanspruchnahme der Gesellschaft verlangt und die Haftung auf den dabei nicht erzielten Restbetrag beschränkt.296 Ein anderer Teil der Literatur spricht sich dagegen für eine unbeschränkte persönliche Haftung aus.297 Eine dritte Ansicht (Schön) findet, dass sich unter dem Stichwort 291 Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 152 und § 13, Rn. 19 ff. Zöllner hält den von der Rechtsprechung geschaffenen Ausdruck „Existenzvernichtungshaftung“ für einen „martialisch-pathetischen Namen“, vgl. Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 113. 292 Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 19 und 20, v. a. durch Vermögensabzug zugunsten von Gesellschaftern oder Auferlegung existenzvernichtender Risiken (z. B. Cash pooling mit wirtschaftlich gefährdeten Gesellschaften) oder Entzug von überlebenswichtigen Geschäftschancen. Vgl. Lutter / Banerjea (2003), ZGR 415, die von „Strategien zum Tode“ sprechen. 293 Röhricht, Die GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit ihrer Gesellschafter und Gläubigerschutz, in: Festschrift 50 Jahre BGH, Band 1, 2000, 83 (118 ff.). Vgl. Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 18 und Emmerich / Habersack, Konzernrecht, § 31 II 1. 294 BGHZ 151, 181 (187), BGHZ 150, 61. Hierzu s. a. Lutter / Banerjea (2003), ZGR 407. 295 Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 19. 296 BGHZ 151, 181 (Leitsatz b), wonach die Gläubiger die Gesellschafter nur in Anspruch nehmen können, „soweit sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können“. Ebenso BGH 2005 NZG 214. Zustimmend Wiedemann (2003), ZGR 283. 297 Lutter / Banerjea (2003), ZGR 430 f.: „Sofern . . . das Insolvenzverfahren nicht eröffnet wird oder nicht zur Befriedigung aller Gläubiger führt, ist es diesen nicht

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der „Existenzvernichtungshaftung“ unterschiedliche Tatbestände verbergen, die individuelle Rechtsfolgen verlangen.298 (2) Rechtsnatur der Haftung Die Art der Existenzvernichtungshaftung ist noch streitig. Von der Literatur sind mehrere Haftungsmodelle vorgestellt worden.299 Die schlüssigeren Argumente scheinen dafür zu sprechen, die Existenzvernichtungshaftung als Durchgriffshaftung einzuordnen.300 Auch die Rechtsprechung versteht die Existenzvernichtungshaftung ausdrücklich so.301 zuzumuten, zunächst die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen, was sie aber nach Auffassung des BGH [gemeint ist Leitsatz b in BGHZ 151, 181] müssten, da auch bei Nichteröffnung des Verfahrens eine Teilbefriedigung oder bei kleinen Forderungen eine gar vollständige Befriedigung möglich wäre. Vielmehr muss es ihnen hier gestattet werden, direkt und in voller Höhe auf das Gesellschaftervermögen zuzugreifen. Gerade das ist der eigentliche Vorzug des Durchgriffs.“ Vgl. auch Ulmer-Raiser, GmbHG Kommentar, § 13, Rn. 152 a. E. 298 Schön, Zur ,Existenzvernichtung‘ der juristischen Person, in: ZHR, 2004, 268 (296): „Daher bedarf es einer differenzierten Entwicklung der jeweiligen Anspruchsgrundlagen und Anspruchsinhalte . . . Für Vermögensverminderungen zum Nachteil der Gläubiger ist ein ,Einheitstatbestand‘ der Existenzvernichtungshaftung abzulehnen. Vielmehr sind . . . Fallgruppen zu unterscheiden.“ 299 Dies sind zum einen die Binnenhaftungsmodelle von Ulmer (Treupflichthaftung) und K. Schmidt (Haftung aus mitgliedschaftlichem Sonderrechtsverhältnis, s. o. Kap. A. I. 1. b) cc) (4) bb)), vgl. Ulmer, Von ,TBB‘ zu ,Bremer Vulkan‘ – Revolution oder Evolution?, in: ZIP, 2001, 2021 (2026), K. Schmidt / Uhlenbruck (Hrsg.), Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 2. Auflage 1999, Hamburg, 1233. Beide unterscheiden sich im Wesentlichen nur terminologisch, vgl. Lutter / Banerjea (2003), ZGR 408. Zum anderen das exotische Binnenhaftungsmodell von Altmeppen (Altmeppen, Grundlegend Neues zum ,qualifizierten faktischen‘ Konzern und zum Gläubigerschutz in der Einmann-GmbH, in: ZIP, 2001, 1837 [1844]: Der Einfluss nehmende Gesellschafter wird als Quasi-Geschäftsführer verstanden und eine Haftung auf § 43 Abs. 3 i.V. m. § 93 Abs. 2 und 3 GmbHG gestützt. Altmeppen versteht die Durchgriffshaftung somit als eine Art Beweislastumkehr zu Lasten des Gesellschafters, vgl. Altmeppen, GmbHG, § 13, Rn. 89–91.) sowie Haas’ deliktsrechtlicher Haftungsansatz (Haas, Die Gesellschafterhaftung wegen Existenzvernichtung, in: WM, 2003, 1929 [1940]; Emmerich / Habersack, Konzernrecht, § 31 II 1 folgen ebenfalls einem solchen deliktsrechtlichen Ansatz und leiten eine Haftung aus § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 73 Abs. 1 GmbHG her.). Und schließlich Bitters Durchgriffshaftungmodell (Bitter, Der Anfang vom Ende des ,qualifiziert faktischen GmbH-Konzerns‘ – Ansätze einer allgemeinen Missbrauchshaftung in der Rechtsprechung des BGH, in: WM, 2001, 2133 [2137 ff.]). 300 Zwar lässt sich gegen eine Durchgriffshaftung vorbringen, dass sich die Gesellschaft in den einschlägigen Fällen häufig ohnehin schon in einer Schieflage befunden hat und deshalb der auf den Eingriff des Gesellschafters zurückzuführende Ausfallschaden des Gläubigers begrenzt ist (Emmerich / Habersack, Konzernrecht, § 31 II 1). Auch spricht gegen eine Durchgriffshaftung, dass bei der Existenzvernichtungshaftung eine Differenzierung nach Gläubigergruppen sachgerecht wäre (Emmerich / Habersack, Konzernrecht, § 31 II 1); doch möchte Bitter dies mit vertretbarer Argumentation auch im Wege der Durchgriffshaftung bewerkstelligen können (Bitter 2001, WM

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

cc) Zweispurigkeit von Existenzvernichtungshaftung und qualifiziert faktischem Konzern Fraglich ist, ob nach der Etablierung der Existenzvernichtungshaftung überhaupt noch ein Bedürfnis für die Rechtsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns besteht.

2140 ff.: „Diese dogmatische Begründung [d.h. Durchgriffshaftung] schließt . . . nicht aus, bei der Haftung die . . . erwünschte Differenzierung nach Gläubigergruppen einzuführen. Denn die Frage des ,Missbrauchs‘ bestimmt sich gerade im Hinblick auf . . . die Risikobereitschaft der konkreten Gläubiger.“ Deutliche Kritik an dieser Differenzierung nach Gläubigergruppen übt Altmeppen, GmbHG, § 13, Rn. 84.) Ferner spricht für eine Durchgriffshaftung, dass sie sich dogmatisch schlüssig begründen lässt und insbesondere ohne die fragwürdige Annahme eines Eigeninteresses der Gesellschaft (Bitter a. a. O.: „Der Mythos vom ,Existenzinteresse‘ der Gesellschaft“) auskommt, vgl. Lutter / Banerjea (2003), ZGR 412. Lutter / Banerjea (2003), ZGR 411 kommen zu dem Schluss, dass jedenfalls aus dogmatischer Sicht Ulmers und Schmidts Binnenhaftungskonzept einerseits und ein Durchgriffshaftungskonzept andererseits wohl ebenbürtig sind. 301 Die Entscheidung „Bremer Vulkan“ machte zwar selbst noch keine Ausführungen in diese Richtung. Bitter (2001), WM 2137 weist jedoch darauf hin, dass bereits dort für eine Hinwendung des BGH zur Durchgriffshaftung sprach, „daß an der jetzt [in der Entscheidung ,Bremer Vulkan‘] wieder in Bezug genommenen Stelle des ,TBB‘-Urteils [TBB 122, 123 (130)] von einem ,objektiven Missbrauch der beherrschenden Gesellschafterstellung‘ die Rede ist und dieser Tatbestand eine ganz erhebliche Nähe zu dem für die objektive Missbrauchslehre des II. Zivilsenats im Rahmen des Durchgriffs für maßgeblich erklärten ,objektiven Missbrauch der juristischen Person‘ aufweist. Entsprechend hatte Röhricht [der Vorsitzende des II. Zivilsenats des BGH] an früherer Stelle [ZGR 1999, 445 (446)] davon gesprochen, dass die Rücknahme der Video-Rechtsprechung in Richtung auf eine ,Durchgriffshaftung‘ es wieder möglich mache, gezielt wirklichen ,Missbrauchsfällen‘ zu begegnen. Dieser dogmatische Ansatz bei der Durchgriffshaftung, verstanden als allgemeine Missbrauchshaftung, ist . . . überzeugend.“ In seiner späteren ergänzenden Entscheidung „KBV“ (BGHZ 151, 187) hat der BGH die Existenzvernichtungshaftung als Durchgriffshaftung eingeordnet: „Allein . . . [das] Zusammenspiel von Vermögenstrennung und Vermögensbindung einerseits sowie die Haftungsbeschränkung andererseits vermag das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG zu rechtfertigen. Entziehen die Gesellschafter unter Außerachtlassung der gebotenen Rücksichtnahme auf diese Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens der Gesellschaft . . . Vermögenswerte und beeinträchtigen sie dadurch in einem ins Gewicht fallenden Ausmaß die Fähigkeit der Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten, so liegt darin, wie der Senat schon früher ausgesprochen hat (vgl. BGHZ 122, 123 – TBB), ein Missbrauch der Rechtsform der GmbH, der zum Verlust des Haftungsprivilegs führen muß . . . Außerhalb des Insolvenzverfahrens müssen die Gläubiger, soweit sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können, deshalb grundsätzlich berechtigt sein, ihre Forderungen unmittelbar gegen die Gesellschafter geltend zu machen . . .“ Lutter / Banerjea (2003), ZGR 402 glauben, dass sich der BGH bei der Wahl des Durchgriffsmodells weniger von dogmatischen als von pragmatischen Überlegungen hat leiten lassen, „wie die jüngste Erörterung Röhrichts [Röhricht (2000), FS BGH I 83, Fn. 45] klar und in unverhohlener Kritik an der deutschen ,Dogmenverliebtheit‘ zu verstehen gibt.“

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Die überwiegende Meinung der Literatur verneint dies.302 Zöllner legt demgegenüber mit folgenden Argumenten überzeugend dar, weshalb der qualifiziert faktische Konzern nach wie vor noch von Nutzen ist:303 Zwar setze Existenzvernichtungshaftung einerseits breiter an als die Haftung im qualifiziert faktischen Konzern, weil sie auch Gesellschafter erfasse, die keine Unternehmen seien und weil sie nicht erfordere, dass Leitungsintensität vorliege. Darin lägen die Vorzüge der Existenzvernichtungshaftung. Jedoch erfasse Existenzvernichtungshaftung andererseits nur einen Ausschnitt der Benachteiligungen, die mittels der Haftung im qualifiziert faktischen Konzern sanktioniert würden. Denn erstens helfe sie nur Gläubigern, nicht aber der Gesellschaft selbst und auch nicht Minderheitsgesellschaftern. Und zweitens setze sie erst ein, wenn die Gesellschaft insolvent sei, nicht aber in den Stadien davor. Dabei räumt Zöllner allerdings ein, dass auch im qualifiziert faktischen Konzern Ansprüche selten vor der Insolvenz durchgesetzt würden, es sei denn, die Gesellschaft habe selbständig handelnde Minderheitsgesellschafter. Darüber hinaus könne eine Beschränkung der Haftung auf Deckungsschmälerung bei der Konzernleitung die unerwünschte Vorstellung wecken, mit abhängigen Unternehmen beliebig umspringen zu können, solange nur die Verbindlichkeiten gedeckt würden. Schließlich erfasse Deckungsschmälerungshaftung nur Verhaltensweisen der Gesellschafter, die eine Entziehung von Vermögen darstellten. Die Haftung im qualifiziert faktischen Konzern könne demgegenüber jede Art nachteiliger Einwirkung auf die Gesellschaft zum Ausgleich bringen. Vor allem sei die Deckungsschmälerungshaftung wohl ungeeignet, die schleichende Aushöhlung der Gesellschaft durch fortlaufende, im einzelnen nicht mehr isolierbare Konzerneinwirkungen zu korrigieren.

302 Z. B. Ulmer-Raiser, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 122, Lutter / HommelhoffLutter, GmbHG-Kommentar, Anh. § 13, Rn. 26 („obsolet gewordene Figur des qualifiziert faktischen Konzerns“). Besonders deutlich formuliert Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13, Rn. 144: „Der sog. ,qualifiziert faktische‘ Konzern ist seit der Entscheidung ,Bremer Vulkan‘ . . . Rechtsgeschichte.“ Ebenso Altmeppen, Gesellschafterhaftung und ,Konzernhaftung‘ in der GmbH, in: NJW, 2002, 321 (321 und 324). 303 Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 133 („Die Behauptung, für die Haftungsfigur des qualifizierten Konzerns bestehe kein Bedürfnis mehr, ist jedenfalls bislang nicht belegt. Problemgerichtetes Denken könnte eher für das Gegenteil sprechen.“) und Rn. 152–155. Auf bewahrenswerte Elemente der Rechtsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns weisen ferner K. Schmidt (2001), NJW 3577 (3580 f.) und Drygala, Abschied vom qualifizierten faktischen Konzern – oder Konzernrecht für alle?, in: GmbHR, 2003, 729 (737 f.) hin. Vgl. auch Eberl-Borges, Die Haftung des herrschenden Unternehmens für Schulden einer konzernabhängigen Personengesellschaft, in: WM, 2003, 105 (115).

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Vorliegend wird deshalb im Anschluss an Zöllner304 vertreten, die Haftungsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns beizubehalten. Überdies spricht für eine – jedenfalls vorläufige – Beibehaltung des qualifiziert faktischen Konzerns, dass die bisherige Rechtsprechung zur Existenzvernichtungshaftung nur Sachverhalte betraf, in denen es um qualifiziert faktische GmbH-Konzerne ging. Nichts ist dagegen bislang darüber gesagt, ob auch der qualifiziert faktische Aktienkonzern in die Existenzvernichtungshaftung mit eingeschmolzen werden soll. Ein Teil der Literatur geht deshalb ausdrücklich davon aus, dass dort nach wie vor das konzernrechtliche Haftungsmodell der §§ 302, 303 AktG (in entsprechender Anwendung) gilt.305 dd) Konzernaußenhaftung (Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern) als Fallgruppe der Durchgriffshaftung? Fraglich ist, ob die Konzernaußenhaftung eines herrschenden Unternehmens als Durchgriffshaftung verstanden werden soll. Dagegen sprechen folgende drei Unterschiede zwischen beiden Haftungen:306 Erstens unterscheiden sich beide im Hinblick auf den Rechtsgrund der Haftung. Durchgriffshaftung (namentlich die neue Existenzvernichtungshaftung) liegt regelmäßig in der rechtsmissbräuchlichen Verwendung der Rechtspersönlichkeit der abhängigen Gesellschaft im Hinblick auf die Vorschriften über die Kapitalerhaltung und die Haftungsbeschränkung der Gesellschafter begründet. Geschützt werden sollen die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft. Konzernaußenhaftung liegt dagegen darin begründet, dass die abhängige Gesellschaft im wirtschaftlichen Interesse dritter Personen fremdbestimmt wird. Geschützt werden sollen deshalb nicht nur die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft, sondern vor allem auch deren Minderheitsgesellschafter. Konzernaußenhaftung und Durchgriffshaftung decken sich somit lediglich teilweise in ihrem Schutzziel (Schutz der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft). Zweitens stützt sich die Konzernaußenhaftung – im Gegensatz zur Durchgriffshaftung307 – jedenfalls teilweise auf eine gesetzliche Anspruchsgrundlage (§§ 302, 303 AktG).308 Aufgrund dessen wirft die Konzernaußenhaftung jeden304

Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 155. Vgl. Emmerich / Habersack, Konzernrecht, § 28 II 1 b und § 29 III 2 b, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 IV 4; ferner Cahn, Verlustübernahme und Einzelausgleich im qualifizierten faktischen Konzern, in: ZIP, 2001, 2159 (2160), Schürnbrand, ,Verdeckte‘ und ,atypische‘ Beherrschungsverträge im Aktien- und GmbH-Recht, in: ZHR, 2005, 35 (57 f.). 306 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 175. 307 s. u. Kap. B. I. 308 s. o. Kap. A. II. 1. b) aa) (3) (b). 305

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falls dort erheblich weniger Legitimationsprobleme auf als die Durchgriffshaftung, wenngleich im Hinblick auf den qualifiziert faktischen Konzern die die Anspruchsgrundlagen schaffenden Analogien nicht unangefochten anerkannt sind. Drittens unterscheiden sich Durchgriffshaftung und Konzernaußenhaftung im Hinblick auf den Kreis ihrer Haftungsadressaten: Während sich Durchgriffshaftung grundsätzlich undifferenziert gegen alle Gesellschafter richtet, richtet sich die Konzernaußenhaftung nur gegen den beherrschenden Gesellschafter.309 Konzernaußenhaftung wird daher richtigerweise nicht als Fallgruppe der Durchgriffshaftung eingeordnet.310 c) Abgrenzung der Durchgriffshaftung (Existenzvernichtungshaftung) von Primärhaftungstatbeständen aa) Definition Durchgriffshaftung wird in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an die herrschende Ansicht als eine gesetzlich nicht geregelte, unmittelbar anspruchsbegründende Erstreckung einer Primärverbindlichkeit definiert. Somit liegt keine Durchgriffshaftung vor, wenn eine Verbindlichkeit nicht erst erstreckt zu werden braucht, sondern das haftungsbegründende Rechtsverhältnis bereits unmittelbar zwischen Geschäftsführer und Drittem bzw. zwischen Gesellschafter und Drittem besteht. Solche Haftungen fallen unter den Begriff der Primärhaftungstatbestände. Die Unterscheidung zwischen Durchgriffshaftung und Primärhaftung(-statbeständen) ist in Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt.311 Die Terminologie 309

Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 175. Vgl. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 174 f. Abzulehnen sind deshalb die Formulierungen in BAG 1999 NJW 2612 (2614), wo von „konzernrechtlicher Durchgriffshaftung“ gesprochen wird. Missverständlich auch BAG 1994 NJW 1944 (1946), wo von „Konzernhaftung als spezielle Ausprägung einer Durchgriffshaftung“ gesprochen wird (Die Entscheidung unterscheidet dann jedoch zwischen „Konzernhaftung“ und „Durchgriffshaftung im herkömmlichen Sinne“). Zu diesen Entscheidungen s. u. Kap. C. III. Vgl. auch Ehlke, Konzerninduzierter Haftungsdurchgriff auf den GmbH-Gesellschafter?, in: DB, 1986, 523 (524), der anmerkt, dass eine systematische Abstimmung von Durchgriffshaftung und Konzernaußenhaftung in Rechtslehre und Rechtsprechung noch nicht erreicht worden ist. Wohl zu stark auf bloße lex specialisArgumentation abstellend Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 340 und 357: „[Konzernhaftung] Weiterhin galt als klassische Fallgruppe der echten Durchgriffshaftung eine Haftung bei Unternehmensverbünden und Abhängigkeiten . . . Allerdings ist heute anerkannt, dass die Konzernhaftung ein Spezialtatbestand ist. Der Durchgriffshaftung bedarf es nicht.“ 311 Vgl. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 41 (Fn. 1 und Fn. 2 m.w. N.). 310

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

für die Primärhaftungstatbestände ist allerdings nicht vereinheitlicht.312 Außerdem werden, wie Drax herausstellt, einige Primärhaftungstatbestände teilweise noch verfehlt als Durchgriffshaftungsfälle eingeordnet.313 Als Primärhaftungstatbestände kommen solche aus Rechtsgeschäft, aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 3 BGB i.V. m. § 241 Abs. 2 BGB), aus Vertrauenshaftung wegen venire contra factum proprium (§ 242 BGB), aus gesetztem Rechtsschein und aus Delikt in Betracht. Primärhaftung der Gesellschafter und Primärhaftung des Geschäftsführers weisen bei der GmbH wegen deren typischerweise personalistischer Struktur einen großen Überschneidungsbereich auf („Gesellschafter-Geschäftsführer“). Im Bereich der verbliebenen reinen Geschäftsführerhaftung (vor allem im Bereich verletzter Schutzgesetze i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB) neigt die Rechtsprechung dazu, diese Haftung auch auf den sogenannten faktischen Geschäftsführer314 anzuwenden. bb) Die verschiedenen Primärhaftungstatbestände (1) Rechtsgeschäftliche Primärhaftung Im Bereich der rechtsgeschäftlichen Haftung können Abgrenzungsschwierigkeiten zur Durchgriffshaftung auftauchen in Fällen, in denen Gesellschafter als Bevollmächtigte der Gesellschaft auftreten. Ihre persönliche Haftung kann sich hier aus Eigengeschäft i. S. d. § 164 Abs. 2 BGB ergeben315 und ist dann reine 312 Die Begriffe „Haftung aus besonderem Verpflichtungsgrund“ und „Haftung nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen“ werden ferner verwendet, vgl. Drax, Durchgriffsund Konzernhaftung, 41. 313 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 41 / 42 sowie 43 / 44 nennt m.w. N. die Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, die Fallgruppe der sog. „Sphärenvermischung“ und die vereinzelt gebildete Fallgruppe des „individuellen Rechtsmissbrauchs“. Hierzu s. u. Kap. C. V. 1. a) und C. II. 2. b). 314 Faktischer Geschäftsführer ist eine nicht als Organ bestellte natürliche Person, deren Verhalten der GmbH zugerechnet werden soll oder die – beispielsweise im Fall einer Insolvenzverschleppung – wie ein Organ haften soll, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV 3. Sogenannte „aktive Mehrheitsgesellschafter“ können hierunter fallen, sofern sie tatsächlich wie ein Leitungsorgan die Geschicke der Gesellschaft steuern. Diese Adressatenausdehnung vom Geschäftsführer auf den faktischen Geschäftsführer wurde zuerst nur im Strafrecht bejaht. Seit 1988 hat der BGH dann damit begonnen, sie auch auf die zivilrechtliche Haftung zu übertragen (im Hinblick auf die Konkursantragspflicht [§§ 130a, 177a GmbHG]), BGH 1988 NJW 1789. s. a. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 44 ff. 315 Neben einer eventuellen Haftung als falsus procurator aus § 179 Abs. 1 BGB, die jedoch keine rechtsgeschäftliche Haftung, sondern ein Fall gesetzlich geregelter Vertrauenshaftung ist.

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Primärhaftung. Problematisch kann ferner auch die Auslegung von anderweitigen Willenserklärungen sein, insbesondere taucht dieses Problem bei Wettbewerbsunterlassungsvereinbarungen auf: Zu prüfen ist dann, wieweit – gemessen am objektiven Empfängerhorizont – die entsprechende Willenserklärung, den Wettbewerb zu unterlassen, reicht und ob diese somit lediglich eine Erklärung der betreffenden Person ist, unmittelbaren Wettbewerb zu unterlassen, oder weitergehend auch eine Erklärung, mittelbaren Wettbewerb über eine von ihr abhängige (beherrschte) Gesellschaft zu unterlassen.316 Schließlich tauchten vereinzelt dogmatisch fragwürdige Durchgriffskonstruktionen auf, deren Sachverhalte wohl besser im Wege der Vertragsauslegung hätten gelöst werden können (namentlich der Siedlungsverein-Fall).317 (2) Primärhaftung aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 3 BGB i.V. m. § 241 Abs. 2 BGB) Die Möglichkeit einer Primärhaftung gegenüber Dritten aus in Anspruch genommenem, besonderem Vertrauen ist seit 2001 in § 311 Abs. 3 BGB allgemeingesetzlich geregelt. Eine derartige Eigenhaftung eines Vertreters318 oder Verhandlungsgehilfen – häufig als „Sachwalterhaftung“ bezeichnet – war von der Rechtsprechung bereits seit längerer Zeit insbesondere dann bejaht worden, wenn der Vertreter 316 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 1 (Bsp. Nr. 4), der den „Kiesgruben“-Fall (BGHZ 54, 64) wohl so lösen möchte. 317 BGHZ 54, 222 („Siedlungsverein“): Mehrere Parzellenpächter einer Siedlungskolonie hatten zwecks Erleichterung ihrer Rechtsbeziehungen mit dem Verpächter nicht jeweils einzelne Pachtverträge mit diesem abgeschlossen, sondern einen rechtsfähigen Verein (M.-Koppel e. V.) zwischengeschaltet. Dieser schloss einen Hauptpachtvertrag mit dem Verpächter und dann Unterpachtverträge mit seinen Mitgliedern ab. Später wollte der Verpächter den Pachtzins erhöhen. Der rechtsfähige Verein wehrte sich dagegen, wurde aber rechtskräftig verurteilt. Trotzdem gab er die erhöhte Pacht nicht an seine Mitglieder weiter und wurde folglich insolvent. Der Verpächter ließ die Unterpachtforderungen des Vereins pfänden und sich überweisen (§§ 829, 835 ZPO). Der BGH hielt die hierauf gestützte Klage aufgrund Haftungsdurchgriffs für begründet (BGHZ 54, 224) und hielt die Unterpächter jeweils anteilig für zahlungspflichtig. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 1 (Bsp. Nr. 6) weist darauf hin, dass stattdessen eine rechtsgeschäftliche Zahlungspflicht der Mitglieder des Vereins e. V. gegenüber dem Verein konstruierbar gewesen wäre: Der zwischengeschaltete Verein e. V. war als Treuhänder der Mitglieder tätig. Aus dem Treuhandverhältnis (Auftragsverhältnis) zwischen Verein e. V. und Mitgliedern hatte dieser gegen jene einen Aufwendungserstattungsanspruch aus § 670 BGB, d.h. einen Erstattungsanspruch gegen die Mitglieder im Hinblick auf die auf sie entfallenden Anteile der Hauptpacht. Ebenso Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 21 f. und 68. 318 Der Begriff des Vertreters wird dabei sehr weit gefasst. Die Rechtsprechung hat immer wieder betont, dass die cic-Eigenhaftung des Vertreters nicht von der organschaftlichen Bestellung oder der Bevollmächtigung zum Vertreter abhängig ist (BGH 1979 NJW 718, BGH 1971 NJW 1309). Vielmehr fällt hierunter grundsätzlich jeder Dritte, der zwar in der einen oder anderen Form an dem Vertragsverhältnis beteiligt

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oder Verhandlungsgehilfe ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertragsabschluss hatte.319 Dies war bei geschäftsführenden Gesellschaftern sowie faktischen Geschäftsführern praktisch immer angenommen und deshalb großzügig bejaht worden.320 Der Begriff des Sachwalters konnte daneben aber auch mühelos einfache Gesellschafter erfassen, eine bloße Mehrheitsbeteiligung an einer GmbH reichte dafür aber nicht aus.321 Diese sehr weitgehende Praxis war verbreitet kritisiert worden.322 Der Bundesgerichtshof hat deshalb 1994 die Voraussetzungen, unter denen ein wirtschaftliches Eigeninteresse eines geschäftsführenden Gesellschafters angenommen werden kann, erheblich verschärft:323 Erforderlich ist nun zudem, dass der Dritte bei den Verhandlungen im Grunde in eigener Sache tätig wird (procurator in rem suam).324 Dies dürfte nur selten erfüllt sein.325 Eine Haftung aus culpa in contrahendo kann sich bei Einschaltung von Vertretern und Verhandlungsgehilfen ferner ergeben, wenn durch diese Aufklärungspflichten verletzt werden, insbesondere in Fällen unterlassener Aufklärung über erhebliche Geschäftsrisiken.326 Hier entsteht dann das Problem, inwieweit die betreffende Partei selbst für die Zwischenschaltung solcher Informationsvermittler haften muss (§§ 311 Abs. 2, 278 BGB)327 und wann stattdessen diese

ist, der aber von vornherein nicht als Partei des beabsichtigten Vertrages in Betracht kommt, s. Münchener Kommentar-Emmerich, § 311, Rn. 199. 319 s. Münchener Kommentar-Emmerich, § 311, Rn. 215 m.w. N. 320 BGHZ 87, 27 (33), BGH 1983 NJW 676. Vgl. Münchener Kommentar-Emmerich, § 311, Rn. 216 und Rn. 219 m.w. N. und Ulmer-Raiser, GmbHG Kommentar, § 13, Rn. 111. 321 BGH 1986 NJW 586 (587), BGHZ 1988 NJW 2234 (2235). 322 Namentlich mit den folgenden zwei Argumenten: Erstens könne die andere Vertragspartei ja ohne weiteres von dem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Bürgschaft oder einen Schuldbeitritt verlangen. Zweitens unterlaufe eine Ausdehnung der Sachwalterhaftung des Gesellschafters dessen beschränkte Haftung (§ 13 Abs. 2 GmbHG). s. a. Münchener Kommentar-Emmerich, § 311, Rn. 219, Fn. 206 m.w. N. 323 BGHZ 126, 181 (183 ff.), ferner BGH 1995 GmbHR 130. 324 Zuletzt BGH 2002 NJW 208 (212). 325 Bejaht für den Fall, dass der Dritte von vornherein die Absicht hatte, die Gegenleistung des anderen Teils nicht an den Vertretenen weiterzuleiten, sondern für eigene Zwecke zu verwenden, BGHZ 126, 181 (185). s. Münchener Kommentar-Emmerich, § 311, Rn. 217 m.w. N. 326 Rechtsprechungsbeispiele s. bei Drax, Durchgriff- und Konzernhaftung, 49 ff. Erwähnenswert sind die Fälle BGH 1983 BB 14 sowie OLG Düsseldorf 1980 WM 1120, weil ähnliche Fälle auch in der südafrikanischen Rechtsprechung vorliegen (vgl. Orkin v Bell): Ein Geschäftsführer nimmt im Zustand völliger Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft weiteren Kredit auf, ohne den Gläubiger über die Lage der Gesellschaft zu informieren. Der Geschäftsführer haftet dann aus enttäuschtem entgegengebrachtem Vertrauen. Ähnlich der „Sonderkonto“-Fall (OLG Düsseldorf 1989 NJW-RR 743). 327 s. Münchener Kommentar-Emmerich, § 311, Rn. 191 ff.

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eine eigene Haftung aus culpa in contrahendo treffen kann (§ 311 Abs. 3 BGB).328 (3) Primärhaftung aus gesetztem Rechtsschein Rechtsscheinshaftung bezeichnet eine verschuldensunabhängige Haftung aufgrund eines zurechenbar gesetzten objektiven Rechtsscheins. Der Anspruch aus Rechtsscheinshaftung setzt Gutgläubigkeit des Anspruchstellers im Hinblick auf den Rechtsschein voraus.329 Fälle von Rechtsscheinshaftung können im Recht der GmbH entstehen, wenn die Personenverschiedenheit von GmbH einerseits und ihren Gesellschaftern andererseits gegenüber Dritten unzureichend verdeutlicht wird (sog. „Subjektvermischung“ oder „Sphärenvermischung“330). In der Praxis waren dies typischerweise Fälle, in denen der Anschein von Firmengleichheit erweckt wurde (durch Weglassung der gesetzlich vorgeschriebenen, auf die beschränkte Haftung hinweisenden Firmenzusätze oder durch täuschende Namensähnlichkeit zwischen Einzelperson und Gesellschaft). Wird dadurch im Rechtsverkehr der falsche Eindruck erzeugt, der Vertragsschluss erfolge mit einem Einzelkaufmann oder mit einer offenen Handelsgesellschaft, so haftet der gehandelt habende Gesellschafter und / oder Geschäftsführer Dritten nach dem Umfang des gesetzten Rechtsscheins, also persönlich und unbeschränkt.331 Fälle solcher Haftung aus gesetztem Rechtsschein sind gelegentlich verfehlt als Durchgriffshaftung eingeordnet worden.332 Beide haben zwar gemeinsam, dass sie – jedenfalls im Recht der GmbH – nicht auf gesetzlich geregelten Anspruchsgrundlagen beruhen. Haftung aus gesetztem Rechtsschein ist jedoch deshalb keine Durchgriffshaftung, weil das allgemeine Rechtsscheinsprinzip einen selbständigen Verpflichtungsgrund bildet und damit eine eigene Anspruchs- und

328 s. Münchener Kommentar-Emmerich, § 311, Rn. 96 m.w. N., Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 320. 329 s. Münchener Kommentar-Roth, § 242, Rn. 276 ff. 330 Hierzu s. u. Kap. C. V. 1. a). 331 Z. B. BGHZ 62, 216 (Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. V. 1. a), Fn.-Apparat), BGH 1976 WM 770, BGH 1990 GmbHR 212. Die Abgrenzung von Primärhaftung aus gesetztem Rechtsschein und Primärhaftung aus Vertrauen ist jedoch praktisch nur schwerlich möglich. Zumeist dürften daher beide Lösungswege vertretbar sein. 332 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 53 (Fn. 68) verweist u. a. auf BGHZ 22, 226 (230: „[D]er alleinige Gesellschafter einer GmbH [muss] für deren Verbindlichkeiten ausnahmsweise . . . mithaften . . . Eine solche Ausnahme wird für den Fall angenommen, daß der Alleingesellschafter den Anschein persönlicher Haftung hervorruft (RFH JW 1926, 1483) . . .“) und OLG Hamm 1984 BB 873 (874: „Das Hervorrufen des Rechtsscheins persönlicher Haftung läßt sich . . . nicht feststellen. Eine Durchgriffshaftung ist daher abzulehnen.“).

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Haftungsgrundlage schafft.333 Es fehlt somit an der für die Durchgriffshaftung typischen Haftungserstreckung. (4) Vertrauenshaftung aus venire contra factum proprium (§ 242 BGB) Neben einer Haftung aus culpa in contrahendo und einer Haftung aus Rechtsschein kommt eine auf § 242 BGB gestützte Vertrauenshaftung aus venire contra factum proprium in Betracht. Vertrauenshaftung wegen venire contra factum proprium erfasst Sachverhalte, die zwischen Vertragshaftung und Deliktshaftung liegen. Sie kann insbesondere in Fällen der Subjekt- oder Sphärenvermischung greifen.334 Eine Rechtsscheinshaftung scheidet hier nämlich nach einer Ansicht der Literatur aus, da der Schein einer bestimmten Zuordnung eines Vermögensgegenstandes zu einem Rechtssubjekt gerade nicht erzeugt, sondern vielmehr verschleiert werde.335 Der Gesellschafter verhalte sich aber widersprüchlich, wenn er selbst die Trennung der Vermögensbereiche nicht beachte, sich aber andererseits bezüglich seiner persönlichen Haftung auf die Trennung der Haftungsobjekte berufe. Er hafte deshalb mit seinem Privatvermögen aus venire contra factum proprium (§ 242 BGB). Venire contra factum proprium wird heute zunehmend als selbständiger, anspruchsbegründender Verpflichtungsgrund anerkannt.336 Vertrauenshaftung wegen venire contra factum proprium unterscheidet sich einerseits von der Haftung aus culpa in contrahendo und andererseits von der Rechtsscheinshaftung. Ihre Abgrenzung zur Haftung aus culpa in contrahendo ist in manchen Sachverhalten schwierig und umstritten. Der wesentliche Unterschied zwischen Ver333 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, in: Münchner Universitätsschriften, Band 16, München 1971 (zugl. Habil.-Schrift Universität München 1971), 179, Lutter (1982), ZGR 252. Rehbinder, Konzernaußenrecht, 157 wollte dagegen eine Haftung in diesen Fällen noch auf eine Analogie zur Scheingesellschaft stützen, weil es kein allgemeines Prinzip der Rechtsscheinshaftung gebe. 334 Zur Subjektvermischung s. u. Kap. C. V. 1. a). Auch die Fälle der Vermögensvermengung (Hierzu s. u. Kap. C. V. 1. b)) ließen sich teilweise bequem mit venire contra factum proprium-Argumentation lösen, vgl. beispielsweise OLG Hamm 1977 NJW 1159 („Firmenauto“). Dort würde eine Heranziehung des Instituts des venire contra factum proprium allerdings nicht zur Begründung einer Vertrauenshaftung, sondern zur Versagung einer Einwendung dienen. 335 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 368, K. Schmidt (1985), BB 2075. 336 Lutter (1982), ZGR 252, Coing, Zum Problem des sogenannten Durchgriffs bei juristischen Personen, in: NJW, 1977, 1793 (1795). Kritisch zu dieser Begründung der Gesellschafterhaftung Nirk (1985), FS Stimpel 449. Grundlegend zum anspruchsbegründenden Charakter der Haftung aus venire contra factum proprium Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 288 ff.

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trauenshaftung wegen venire contra factum proprium und Haftung aus culpa in contrahendo liegt darin, dass Haftung aus culpa in contrahendo sich auf das Verschuldensprinzip stützt, während Vertrauenshaftung wegen venire contra factum proprium sich auf das breitere Risikoprinzip stützt. Vertrauenshaftung wegen venire contra factum proprium kann daher auch eingreifen, ohne dass eine Pflicht verletzt worden ist oder gar besteht und ohne jegliches Verschulden des Haftenden. Der wesentliche Unterschied zwischen Vertrauenshaftung wegen venire contra factum proprium und Rechtsscheinshaftung liegt darin, dass Rechtsscheinshaftung einen objektiv gesetzten Rechtsschein erfordert, während Vertrauenshaftung wegen venire contra factum proprium nur subjektiv erwecktes Vertrauen erfordert. Ferner, dass bei Rechtsscheinshaftung zudem stets noch geprüft werden muss, ob der Anspruchsteller auch gutgläubiger bezüglich des gesetzten Rechtsscheins war, während diese Gutgläubigkeit im Falle der Vertrauenshaftung wegen venire contra factum proprium bei vorliegendem Vertrauen automatisch gegeben ist. Beide Haftungen haben auf der anderen Seite gemeinsam, dass sie auf dem Risikoprinzip beruhen und damit verschuldensunabhängig sind. (5) Primärhaftung aus Delikt Im Bereich des Rechts der GmbH kommt eine deliktische Haftung des Geschäftsführers oder der Gesellschafter praktisch vor allem aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. einem verletzten Schutzgesetz und ferner aus § 826 BGB in Betracht.337 Deliktische Primärhaftung spielt im Recht der GmbH eine zunehmende Rolle, zumal die Tendenz des Bundesgerichtshofes heute dahin geht, für Haftungsfälle anstatt mittels Durchgriffshaftung soweit möglich lieber mittels deliktischer Anspruchsgrundlagen eine Lösung zu finden.338 (a) Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. einem verletzten Schutzgesetz Deliktische Primärhaftung aus § 823 Abs. 2 BGB trifft in erster Linie den Geschäftsführer, da die anerkannten Schutzgesetze Dritte überwiegend zu Las337 Daneben kann eine Haftung der Gesellschafter aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht kommen. Eine persönliche Haftung des Organs (Geschäftsführers) aus § 823 Abs. 1 BGB kommt in Betracht, wenn es bei der Ausübung seiner Leitungs- und Führungsaufgaben eine unerlaubte Handlung begeht und hierdurch ein absolutes Rechtsgut eines Dritten verletzt wird wie beispielsweise bei einem fahrlässig verschuldeten Kfz-Unfall auf einer Dienstfahrt. Zur Haftung des Organs aus § 823 Abs. 1 BGB s. a. BGHZ 109, 297 („Baustoff“); diese Entscheidung ist allerdings auf Kritik gestoßen, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 V 2 und Scholz-Schneider, GmbHG-Großkommentar, § 13, Rn. 231. 338 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 70.

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ten des Organs schützen.339 Nur wenige Schutzgesetze sind dagegen im Verhältnis Geschäftsführer / Gesellschafter adressatenneutral.340 (b) Haftung aus § 826 BGB § 826 BGB erfordert eine Schädigung des Gläubigers durch den Gesellschafter341 oder Geschäftsführer342 in Gläubigerschädigungsabsicht. Persönliche Primärhaftung aus § 826 BGB einerseits und Durchgriffshaftung wegen „objektiven Rechtsmissbrauchs“343 andererseits liegen nahe beieinander. Sie unterscheiden sich lediglich durch den bei § 826 BGB erforderlichen subjektiven Tatbestand.344 Drax sieht hierin die Ursache dafür, dass eine Primärhaftung aus § 826 BGB in Rechtsprechung und Rechtslehre noch teilweise verfehlt als Durchgriffshaftung eingeordnet oder zumindest in deren Nähe gerückt wird.345 Gegen eine Einordnung als Durchgriffshaftung spricht jedoch wieder,

339 Z. B. § 64 Abs. 1 GmbHG (Insolvenzverschleppung), § 283b StGB (Verletzung der Buchführungspflicht), §§ 331 ff. HGB (unrichtige Darstellung). Nicht jedoch § 41 Abs. 1 GmbHG (Buchführung), vgl. BGHZ 125, 366 (378), ebensowenig § 30 GmbHG (Erhaltung des Stammkapitals) und § 43 GmbHG (Haftung des Geschäftsführers), vgl. Scholz-Schneider, GmbHG-Großkommentar, § 13, Rn. 233. 340 Z. B. § 263 StGB, § 264a StGB, § 266 StGB. Vgl. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 43. 341 Z. B. RG 1935 JZ 512 („Tivoli“): Eine in Konkurs gefallene GmbH hatte ein von dem Alleingesellschafter gepachtetes Theater betrieben. Der Alleingesellschafter löste das Pachtverhältnis auf, betrieb das Theater selbst und erzielte dabei erhebliche Gewinne. Das Reichsgericht befand, dass durch den Inhaberwechsel die Vollstreckbarkeit der Gläubigerforderungen sittenwidrig vereitelt worden sei. Gesellschaftsgründung in vorgefasster Absicht der Gläubigerschädigung (BGH 1988 NJW-RR 1181 – „Bauherr-GmbH“): Ein Bauherr und Grundstückseigentümer gründet eine GmbH allein zu dem Zweck, um für ein Bauvorhaben die Werkverträge mit den Handwerkern als Geschäftsführer der GmbH abschließen zu können und um es diesen so unmöglich zu machen, in sein Privatvermögen zu vollstrecken. Die GmbH wurde stets vermögenslos gehalten. Soweit Handwerkerrechnungen bezahlt wurden, geschah dies aus dem Privatvermögen des Alleingesellschafters. Der BGH ließ den Bauherrn persönlich aus § 826 BGB haften. 342 Z. B. Geschäftsführer unterlässt vorsätzlich und sittenwidrig Risikoaufklärung des Geschäftspartners bei Warentermingeschäft (BGH 1982 WM 1374, BGH 1983 WM 300, BGH 1986 WM 734). 343 Hierzu s. u. Kap. C. II. 2. 344 Der Wortlaut des § 826 BGB erfordert Vorsatz. Der BGH lässt heute bereits bedingten Vorsatz genügen (BGH 1979 NJW 2105, BGHZ 107, 7 (21) [„Tiefbau“]). 345 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 43, Fn. 15 und Fn. 16 m.w. N., u. a. auf BGHZ 31, 258 (278) [„Lufttaxi“], in der der BGH das Berufungsgericht rügt, es habe die Tatbestandserfordernisse des § 826 BGB mit denen der Durchgriffshaftung vermengt: „Das Berufungsurteil vermengt die Tatbestandserfordernisse des § 826 BGB mit denen der Durchgriffslehre. Wenn der Gesellschafter aus einem besonderen Rechtsgrunde (. . . unerlaubte Handlung) ohnehin haftet, geht es nicht um das Durchgriffsproblem.“

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dass es an der für durchgriffshaftungsrechtliche Fälle typischen Rechtsfolgenerstreckung fehlt. Einige reichsgerichtliche Entscheidungen sind immer wieder zu Unrecht als Durchgriffshaftungsfälle bezeichnet worden, obgleich das Reichsgericht sie auf § 826 BGB gestützt hat.346 Bejaht wurde eine Haftung aus § 826 BGB insbesondere bei sogenannten GmbH-Stafetten. Dort wurde jeweils bei Insolvenz der GmbH deren Geschäftsbetrieb von einer zu diesem Zweck von den gleichen Gesellschaftern gegründeten Auffang-GmbH übernommen und später wiederum auf eine dritte oder vierte GmbH übergeleitet, nachdem auch die zweite ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen konnte.347 Die absichtliche sittenwidrige Schädigung der Gläubiger ist hier offensichtlich. Zwischenzeitlich war die Bedeutung des § 826 BGB im Gesellschaftsrecht allerdings etwas geschwunden.348 Kiethe führt dies darauf zurück, dass § 826 BGB nicht gerade die spezifischen Bedürfnisse des Gesellschaftsrechts im Auge hat und der Bundesgerichtshof deshalb lieber spezielle gesellschaftsrechtliche Haftungskonstruktionen geschaffen habe.349 Dennoch bleibe § 826 BGB eine Ein weiteres Beispiel verfehlter Einordnung aus der Rechtsprechung ist OLG Düsseldorf (1989 NJW-RR 743 – „Sonderkonto“): Ein Gläubiger hatte einer GmbH Waren unter Eigentumsvorbehalt geliefert. Die GmbH wird zahlungsunfähig. GmbH und Gläubiger vereinbaren, dass der Lieferant einem Moratorium zustimmt und auf sein Sicherungsrecht verzichtet. Dafür verpflichtet sich die GmbH, alle noch an sie eingehenden Zahlungen auf ein einzurichtendes Sonderkonto zu leiten und von da an den Gläubiger auszuzahlen. Abredewidrig richtet der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der GmbH jedoch kein Sonderkonto ein. Er nimmt noch bis kurz vor Konkursantrag Zahlungen ein, ohne sie an den Gläubiger weiterzuleiten und verwendet diese Gelder anderweitig. Der Gläubiger verklagt den geschäftsführenden Alleingesellschafter persönlich auf Zahlung. Das OLG ließ ihn persönlich haften aufgrund Durchgriffshaftung. Die Heranziehung der Durchgriffshaftung wäre nicht nötig gewesen: Denn falls der Beklagte bereits von Anfang an die Absicht hatte, die Vereinbarung nicht einzuhalten (Sachverhalt diesbezüglich offen), so kommt eine Primärhaftung aus cic (§§ 311 Abs. 3 Satz 2 BGB, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 263 StGB oder aus § 826 BGB in Betracht. Falls der Beklagte dagegen diese Absicht nicht bereits von Anfang an hatte, so kommt entweder eine rechtsgeschäftliche Haftung als Mitschuldner aus der Moratoriumsvereinbarung oder eine deliktische Primärhaftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 266, 2. Alt. StGB (bezüglich der eingegangenen und anderweitig verwendeten Gelder) oder aus § 826 BGB (bezüglich der anderweitig verwendeten Gelder als aktive Schädigungshandlung oder bezüglich der in Garantenstellung [vorangegangenes gefährdendes Tun] unterlassenen Durchführung des Moratoriums) in Betracht. s. a. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 58). 346 RG 1935 JW 512 („Tivoli“), RG 1938 JW 862 (865). Vgl. Drax, Durchgriffsund Konzernhaftung, 63 ff. 347 Ulmer-Raiser, GmbH Kommentar, § 13, Rn. 120. 348 Kiethe, Die Renaissance des § 826 im Gesellschaftsrecht, in: NZG, 2005, 333 (333 und 336). 349 Kiethe (2005), NZG 336.

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„Allzweckwaffe“350 und ein „Auffangtatbestand auch im Gesellschaftsrecht“ und erlebe derzeit eine „Renaissance“. cc) Verhältnis von Durchgriffshaftung (Existenzvernichtungshaftung) zu Primärhaftung Vor der Etablierung der Durchgriffshaftung in der Form der Existenzvernichtungshaftung wurde durchaus vertreten, dass gesetzlich geregelte Primärhaftungsansprüche grundsätzlich Vorrang vor der gesetzlich nicht geregelten Durchgriffshaftung haben.351 Dies galt seit Inkrafttreten des § 311 BGB n. F. somit auch für die seitdem gesetzlich geregelte Primärhaftung aus culpa in contrahendo. Jedoch hat sich durch die Entscheidung KBV die Lage jedenfalls für das Verhältnis von § 826 BGB zur Durchgriffshaftung (Existenzvernichtungshaftung) geändert. Beide können in Anspruchskonkurrenz stehen.352 Ihre Tatbestände decken sich nicht, weil Deliktshaftung nach § 826 BGB Vorsatz auch hinsichtlich der Schädigung voraussetzt, während Durchgriff gerade vermeiden soll, dass der subjektive Tatbestand überspannt wird.353 Umgekehrt setzt Existenzvernichtungshaftung eine Gesellschafterstellung voraus, während § 826 BGB auch ohne diese greift, etwa bei Schwestergesellschaften.354 Ferner kann Rechtsfolge des § 826 BGB nur die Pflicht zum Ersatz des in Höhe des der Gesellschaft zugefügten Schadens sein. Gerade diese Rechtsfolge ist aber für die bei existenzvernichtendem Eingriff in Frage stehenden Sachverhalte ungeeignet, weil in der Regel weder die einzelnen schädigenden Eingriffe isolierbar sind noch genaue Feststellungen zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität und damit eine exakte Bemessung des Existenzvernichtungsschadens möglich sind.355 Infolgedessen wäre man somit auf eine im Grunde willkürliche Schadenschätzung nach § 287 ZPO angewiesen.356 Schließlich wäre, wollte man § 826 BGB den Vorrang einräumen, ein Gesellschafter, der den Tatbestand des § 826 BGB erfüllt, nur noch einem beschränkten Schadensersatzanspruch anstelle des unbeschränkten Haftungsdurchgriffs ausgesetzt und damit ungerechtfertigt privilegiert.357 350

Kiethe (2005), NZG 336. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 29. 352 BGHZ 151, 183 ff. Auch BGH 2005 NJW 145 (146), Röhricht (2000), FS BGH I 116. Vgl. auch Kiethe (2005), NZG 336. 353 Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 18. 354 Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 18 unter Bezugnahme auf BGH 2005 NJW 145. 355 Lutter / Hommelhoff-Lutter, GmbHG Kommentar, § 13, Rn. 25 b. 356 Lutter / Banerjea (2003), ZGR 413. 351

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Gehrlein358 möchte im Hinblick auf das Verhältnis einer Haftung aus § 826 BGB zur Existenzvernichtungshaftung danach unterscheiden, ob unmittelbare Vermögensverlagerungen zugunsten des Gesellschafters (dann Existenzvernichtungshaftung) oder Vermögensverlagerungen zugunsten eines anderen, dem Gesellschafter nahestehenden Unternehmens vorliegen (dann § 826 BGB). 2. Abgrenzungen nach südafrikanischem Verständnis a) Abgrenzung von echtem (true) piercing zu unechtem piercing aa) Begriffsbestimmungen In Literatur und Rechtsprechung wird zwischen echtem (true) piercing einerseits und unechtem piercing andererseits unterschieden. Letzteres stellt einen weniger starken Eingriff in das Trennungsprinzip dar.359 Larkin bezeichnet es – im Zuge seiner Besprechung der Ausführungen von Flemming J in Botha v Van Niekerk – als eingriffsmäßiges Minus („something falling qualitatively short“).360 Daneben wird gelegentlich noch das gesetzesrechtliche (statutory) piercing als dritte Gruppe aufgeführt.361 Eine solche Unterscheidung wird jedoch nur gelegentlich getroffen. Abgesehen davon ist die Commonwealth-Terminologie hier sehr durcheinander. Dieselben Ausdrücke bezeichnen gelegentlich verschiedene Sachverhalte und umgekehrt.362 Von einer auch nur annähernd einheitlichen Begriffsverwendung ist man weit entfernt. 357

Lutter / Banerjea (2003), ZGR 429. Gehrlein, Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs im Einzelfall, in: BB, 2005, 613 (615). Es handelt sich dabei um eine Besprechung der Urteile BGH 2005 BB 232 und BGH 2005 BB 286. 359 Botha v Van Niekerk (1983) (3) SA 513 [W] (per Flemming, J), Ottolenghi (1990), MLR 338, Gower, Principles of Company Law (1969, 1979, 1992), Beuthin / Luiz, Basic Company Law. 360 Larkin (1989), SAMercLJ 279: „The court [Flemming, J in Botha v van Niekerk] . . . confronted the question of exactly what piercing the corporate veil actually is. Its enquiry led it to make a distinction between piercing the veil in the strict, or true, sense, and something which falls qualitatively short of this . . .“ 361 Flemming, J, Beuthin / Luiz. Hierzu s. u. Kap. A. II. 2. a) aa) (3). 362 Vgl. Gowers „lifting“ einerseits und Ottolenghis „lifting“ andererseits: Bei Ottolenghi im Sinne eines Oberbegriffs (hierzu s. o. Kap. A. I. 2. b) aa), Fn.-Apparat), bei Gower im Sinne eines Zurechnungs- oder Haftungsdurchgriffs, nicht aber im Sinne einer Tatsachenermittlungsmethode. Vgl. ebenso Beuthin /Luiz’ „piercing“ einerseits und Flemming, J’s (Botha v Van Niekerk (1983) (3) SA, 513 [W]) sowie Nel, J’s (Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 CPD) „piercing“ andererseits: Bei Beuthin / Luiz im Sinne eines tatbestandlichen Zurechnungsdurchgriffs bzw. im Sinne einer Tatsachenermittlungsmethode, nicht aber im Sinne eines Haftungsdurchgriffs, bei Flemming und Nel dagegen im Sinne eines Haftungsdurchgriffs. 358

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

(1) Echtes (true) piercing Die südafrikanische Rechtsprechung hat hinreichend deutlich klargemacht, dass sie unter echtem piercing363 nur Handlungszurechnung und Haftungsdurchgriff versteht.364 Nel J und Smalberger JA erwähnen in den beiden Cape Pacific v Lubner-Entscheidungen keine weitere Bedeutung von piercing, insbesondere kein unechtes piercing. Soweit die südafrikanische Rechtslehre piercing of the corporate veil funktionell untersucht und den Begriff nicht nur unreflektiert wiedergibt (Beuthin / Luiz, Davids), nimmt sie eine solche Unterteilung ebenfalls vor. Piercing im Sinne eines Haftungsdurchgriffs wird hierbei bei Beuthin und Luiz allerdings verwirrenderweise als „looking beyond the veil“ bezeichnet.365 (2) Unechtes piercing Unechtes piercing366 bezeichnet ein (auf das Trennungsprinzip bezogenes) eingriffsmäßiges Minus gegenüber dem echten piercing. Die südafrikanische Rechtsprechung hat erstmals und bislang einzig 1983 diese Unterscheidung in Botha v Van Niekerk (Flemming J) ausdrücklich vorgenommen.367 Frühere Entscheidungen kamen in ihren Ausführungen zumeist nicht über die hergebrachte fallgruppenmäßige Betrachtung (categorisation approach) hinaus.368 Die beiden späteren Cape Pacific v Lubner-Entscheidun-

363 Von Flemming, J in Botha v Van Niekerk (1983) (3) SA 513 (W) als „deurdringing [van die skild]“ bezeichnet. 364 Nel, J in Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 815I („[To] hold [someone] responsible for the corporation’s action“) und 819A („[To] render someone . . . liable for its [the corporation’s] debts“) und Smalberger, JA in Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 802F („[T]o fix liability elsewhere for what are ostensibly acts of the company“). 365 Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 13 / 14. 366 Von Flemming, J in Botha v Van Niekerk (1983) (3) SA 513 (W) als „die skild deursigtig maak“ bezeichnet. 367 In Botha v Van Niekerk 521A–B schreibt Flemming über die Funktionen des piercing: „Die uitgangspunt van ons regstelsel is dat eerste respondent inderdaad ’n ,skild‘ gegee is; ’n grondslag om enige aanval op sy eie aanspreeklikheid af te weer. Wat ter sprake is, is deurdringbaarheid van die skild vir aanvalwapens. Dit is iets anders as deursigtigheid daarvan wat kwessies raak soos bv kennis omtrent wie agter die skild staan of van wat die verhouding tussen daardie persoon en die skild is, of welke kleur die skild het.“ Die neuere englische Rechtsprechung trennt in sehr ähnlicher Weise, vgl. Atlas Maritime v Avalon [1991] 4 All ER 769 779f–g. 368 Vgl. z. B. Banco de Moçambique v Inter-Science Research and Development Services (Pty) Ltd (1982) (3) SA 330 (T) 344E–345F, wo obiter auf Penningtons Fallgruppen „implied agency and trusteeship“ (als Zitat [344F–H] aus Pennington, Com-

II. Abgrenzungen

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gen (1993 und 1995) haben es dagegen wieder unterlassen, diesen Unterschied zu betonen. Unklar ist, worin das eingriffsmäßige Minus des unechten piercing besteht. Die englische Rechtsprechung (Atlas Maritime v Avalon) versteht unter dem Beifall der englischen Rechtslehre (Mayson)369 hierunter jegliche Bezugnahme auf Gesellschafter außerhalb des Bereichs des Handlungs- und Haftungsdurchgriffs („to have regard to the shareholding in a company for some legal purpose“).370 Die Erläuterungen der südafrikanischen Rechtslehre (Beuthin / Luiz) sind ähnlich weit gefasst („to reveal the individual members“).371 Flemming J selbst zählt lediglich Beispiele solchen unechten piercings auf:372 Danach gehören die Feststellung von Gesellschafter betreffenden Tatsachen hierzu sowie Eigenschaftszurechnungen von Gesellschaftern oder Geschäftsführern (directors) auf die Gesellschaft. Letzteres lässt sich allerdings nur mit Vorbehalt aus dem Wortlaut von Flemmings obiter entnehmen;373 Larkin tut dies jedoch mit Selbstverständlichkeit.374 Aus Flemmings nachfolgend aufgeführter piercingFallgruppenliste ergibt sich allerdings, dass er Eigenschaftszurechnungen zu piercing zählt.375

pany Law [1979], 54) und auf Gowers Fallgruppe „agency“ (als Zitat [345A–B] aus Gower, Principles of Company Law [1979], 124) verwiesen wird. Ebenso in Dithaba Platinum (Pty) Ltd v Erconovaal Ltd 1985 (4) 615 (T) 624B–625J / 626A (per Preiss, J), wo befürwortend diese Passagen aus Banco de Moçambique zitiert werden. Vgl. schließlich Louw J (Pty) Ltd v Richter (1987) (2) 237 (N) 241D–E (per Didcott, J), wo zwar nicht auf eine Fallgruppenliste aus der Literatur verwiesen wird, aber eine Gesamtübersicht über die diskutierten Fallgruppen gegeben wird. Selbst drei der vier Leitentscheidungen, die eigene piercing-Tests entworfen haben (Lategan v Boyes, Botha v Van Niekerk, Cape Pacific v Lubner 1993 CPD und Cape Pacific v Lubner 1995 AD) oder zumindest dahingehend interpretiert wurden (hierzu s. ausführlich oben Kap. A. I. 2. b) ff)), glaubten, nicht auf eine Fallgruppenlistendarstellung oder jedenfalls -erwähnung auskommen zu können (Lategan v Boyes 200E–F, Botha v Van Niekerk 520F–H, Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 815H–821C). 369 Mayson, Company Law, 140 (Kap. 5.2.2.1). 370 Atlas Maritime Co SA v Avalon Maritime Ltd (No. 1) (CA 1990) [1991] 4 All ER 769 779g–h (per Straughton, LJ). 371 Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 14. Unechtes piercing wird von Beuthin / Luiz als „piercing“ bezeichnet. 372 Botha v Van Niekerk 521A / B. 373 Vgl. Kap. C. I. 1. a). 374 Larkin (1989), SAMercLJ 279: „The court . . . confronted the question of exactly what the piercing of the corporate veil is: Its enquiry led it to make a distinction between piercing the veil in the strict, or true sense, and something which falls qualitatively short of this. The latter category would include, for instance, the attribution of the personal qualities of the corporators to the company and statutory piercing the veil. Piercing the veil, in the true sense, involved rendering someone other than the company liable for its debts . . .“ 375 Botha v Van Niekerk 521D–E.

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Zusammenfassend lässt sich damit der Schluss ziehen, dass unter dem Begriff des unechten piercing auch die – in der Praxis lange geläufigen376 – tatbestandlichen Zurechnungen (Eigenschaften oder Wissen) gezogen werden. Gleichermaßen erfasst der Begriff aber ausdrücklich auch solche Eingriffe in das Trennungsprinzip, die derartigen tatbestandlichen Zurechnungen noch einen Schritt vorgelagert sind, nämlich reine Tatsachenfeststellungen / -ermittlungen im Hinblick auf die Gesellschafter.377 Diese Ermittlungen beziehen sich dabei auf solche Tatsachen, die nicht bereits den amtlich hinterlegten Unterlagen der Gesellschaft entnommen werden können. Für eine solche Auslegung sprechen auch Gowers („raising the curtain“) 378 und Ottolenghis („peeping behind the veil“) 379 Ausführungen. Zum unechten piercing zählen somit Tatsachenermittlungen sowie Eigenschafts- und Wissenszurechnungen (Zurechnungen auf tatbestandlicher Seite). (3) Gesetzesrechtliches piercing (statutory piercing) Nur Flemming J380 sowie Beuthin und Luiz381 erwähnen gesetzesrechtliches piercing (statutory piercing oder piercing by the legislature) als dritte funktionelle piercing-Gruppe.382 376 In England schon seit 1915 (Lennard’s Carrying Co Ltd v Asiatic Petroleum Co Ltd [1914–15] All ER 280 [Kenntniszurechnung]) bzw. (obiter) seit 1916 (Daimler Co Ltd v Continental Tyre & Rubber Co (Great Britain) Ltd (HL) [1916] 2 AC 307 [Eigenschaftszurechnung]). 377 Diese Funktion des piercing of the corporate veil wurde ausdrücklich erwähnt in RP Crees (Pyt) v Woodpecker Industries Ltd 1975 (2) 485 (R) 487A (per Goldin, J): „The lifting of the corporate veil is possible and may be necessary in order to prove who determines or who is responsible for the activities, decisions and control of a company.“ 378 Nach Gower, Principles of Company Law (1992), 109 gebe es – abgesehen von dem „veil of incorporation“ – noch „something in the nature of a curtain formed by the company’s public file, and what goes on behind it is concealed from the public gaze.“ Dies sei ein „curtain over the internal operations of the company“. Dieser „Vorhang“ könne „angehoben“ werden („raising of the curtain“). Beispielsweise geschehe dies, wenn ein inspector bestellt werde, um Gesellschaftsangelegenheiten zu untersuchen („investigation of company’s affairs“, in Südafrika in §§ 257–259 Companies Act geregelt). 379 Ottolenghi (1990), MLR 340. Zu Ottolenghis Begriff des peeping behind the veil s. o. Kap. A. I. 2. b) aa), Fn.-Apparat. 380 Botha v Van Niekerk 522H: „Die Wetgewer kan die sluier trek of lig waar hy wil, bv omtrent inligting (aangaande direkteure of hul belange of net die maatskappy se eie finansies); aanspreeklikheid (bv vir inkomstebelasting wanneer ’n maatskappy aangewend word om persoonlike aanspreeklikheid in te kort; ens). Die Wetgewer kan ook die skild wat weens inkorporasie ontstaan kragteloos maak (bv weens onvoldoende ledetal; waar die maatskappy verkeerd beskryf word op ’n tjek; of in omstandighede van likwidasie).“ Larkin (1989), SAMercLJ 179 ist der Ansicht, Flemming habe die Gruppe des statutory piercing insgesamt unter die zweite piercing-Funktionsgruppe (unechtes piercing) eingeordnet.

II. Abgrenzungen

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Diese Einteilung macht allerdings kaum Sinn, denn sowohl Flemming als auch Beuthin und Luiz bilden jeweils innerhalb dieser Gruppe die Untergruppen echtes und unechtes piercing (in jeweils wiederum eigener Terminologie). Die Fälle des gesetzesrechtlichen piercing sind daher besser bei den ersten beiden piercing-Funktionsgruppen aufgehoben. Jedoch hat die südafrikanische Rechtsprechung den Begriff des statutory piercing jüngst erneut verwendet und unzweideutig anerkannt.383 b) Abgrenzung von (echtem) piercing zu Primärhaftung Aus südafrikanischer Sicht bestehen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen echtem piercing einerseits und Primärhaftungstatbeständen andererseits vor allem in folgenden Bereichen: Erstens und hauptsächlich in Fällen von fraudulent / reckless trading i. S. d. § 424 Abs. 1 Companies Act, zweitens in Fällen persönlicher deliktischer gemeinrechtlicher Haftung eines directors aus negligence, drittens (in nur wenigen Beispielen) im Hinblick auf Fälle von Rechtsscheinshaftung und Auslegung von Willenserklärungen und schließlich in Fällen von Unterlassungsansprüchen gegen eine Gesellschaft, die zur Umgehung vertraglicher Wettbewerbsverbote verwendet wird. aa) Fraudulent / reckless trading (Orkin v Bell und § 424 Abs. 1 Companies Act) Überragende Bedeutung in der Abgrenzungsdebatte haben Fälle der persönlichen Haftung von directors wegen fraudulent / reckless trading. Dieser Tatbestand ist heute gesetzlich in § 424 Abs. 1 Companies Act geregelt.384 381

Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 16. Zumeist werden hierunter die §§ 50 Abs. 3, 53 (b), 66, 172 Abs. 5 (b), 424 sowie §§ 252 und 257 und die Konzernrechnungslegungsvorschriften des Companies Act diskutiert. 383 Vgl. MV Heavy Metal Belfry Marine Ltd v Palm Base Maritime SDN BHD 1999 (3) SA 1083 (SCA) 1096I (per Farlam, AJA): „In addition the provisions in the Arrest Convention for the arrest of sister ships . . . were not only taken over but also extended to cover associated ships, so that the device adopted by many ship owners of registering so-called ,one-ship companies‘ in order to evade the sister ship provisions of the Convention could be countered by what may be described as statutory mode of piercing the corporate veil.“ 384 § 424 Abs. 1 Companies Act: „[Liability of directors and others for fraudulent conduct of business] (1) When it appears, whether it be in a winding-up, judicial management or otherwise, that any business of the company was or is being carried on recklessly or with the intent to defraud creditors of the company or creditors of any other person or for any fraudulent purpose, the Court may, on the application of the Master, the liquidator, the judicial manager, any creditor or member or contributory of the company, declare that any person who was knowingly a party to the carrying on of the business in the manner aforesaid, shall be personally responsible, without any 382

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Die Abgrenzungsdiskussion dreht sich hierbei allerdings – aus deutscher Sicht befremdlich – zum einen kaum darum, ob auch Gesellschafter haften können; vielmehr ist sie nahezu ausschließlich – und deutschem Durchgriffsverständnis zuwiderlaufend – auf die Geschäftsführerhaftung gerichtet.385 Zum anderen dreht sie sich – wiederum deutschem Durchgriffsverständnis zuwiderlaufend – nicht darum, ob eine solche Haftung Primärhaftung sei oder stattdessen Durchgriffshaftung im Sinne einer von der Gesellschaft auf den Gesellschafter erstreckten Haftung. Gestritten wird vielmehr darum, ob diese Haftung unmittelbar primär sei oder erst ein piercing of the corporate veil notwendigerweise vorangehen müsse, bevor der Haftungszugriff auf den director eröffnet sei und dieser dann primär haftbar gestellt werden könne. § 424 Abs. 1 Companies Act ist eine Schutzvorschrift zugunsten der Gläubiger einer Gesellschaft. Er ordnet eine persönliche unbeschränkte Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft an. Praktisch greift er in erster Linie zu Lasten des director. Aufgrund seines weiten Wortlauts („[A]ny person who was knowingly a party to the carrying on of the business“) hat er jedoch einen erheblich größeren möglichen Haftungsadressatenkreises und kann auch faktische Geschäftsführer386 sowie aktive Mehrheitsgesellschafter erfassen. Typischerweise kann § 424 Abs. 1 Companies Act in Fällen insolventer Gesellschaften greifen.387

limitation of liability, for all or any of the debts or other liabilities of the company as the Court may direct. (2) . . .“ Eine dem § 424 Abs. 1 Companies Act vergleichbare Vorschrift findet sich auch im Close Corporations Act (§ 64 Close Corporations Act). In Britannien ist der Sachverhalt in §§ 213, 214 Insolvency Act 1986 geregelt. Die südafrikanische Rechtslehre zieht häufig Vergleiche zwischen diesen Vorschriften und § 424 Abs. 1 Companies Act (vgl. z. B. J. S. A. Fourie, Limited Liability and insolvent trading, in: CLDS II, 1996, 22 [25 ff.]). Dies ist zwar im Hinblick auf deren Tatbestände gerechtfertigt, nicht aber im Hinblick auf deren Rechtsfolgen: Denn § 424 Abs. 1 Companies Act gewährt einen Anspruch eines außenstehenden Dritten gegen (in der Regel) den director, während §§ 213, 214 Insolvency Act (1986) einen Anspruch der company gegen (in der Regel) den director einräumen. Mit dieser Rechtsfolge entsprechen die britischen Vorschriften nicht § 424 Abs. 1 Companies Act, sondern § 423 Companies Act bzw. § 73 Close Corporations Act. 385 Lediglich Ottolenghi (1990), MLR 342 (Fn. 43) unterscheidet klar: Im Falle der Haftung der directors liege kein piercing vor, im Falle der Haftung der Gesellschafter dagegen schon. s. u. Kap. C. I. 1. d). Undeutlich Davids, Lifting the Veil, 164 (bzgl. § 424 Abs. 1 Companies Act). 386 s. Cassim, Fraudulent and reckless trading and section 424 of the Companies Act, in: SALJ, (98) 1981, 162 (168 / 169) sowie Meskin, Henochsberg on the Companies Act I, 918. Beide Passagen beziehen sich wörtlich allerdings auf den „controller“ / „patron of a nominee director“ / „puppet director“ als Haftungsgegner eines Anspruchs aus § 424 Companies Act. 387 Hierzu s. ausführlich Kap. C. III. 2.

II. Abgrenzungen

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§ 424 Abs. 1 Companies Act hatte sich in der Praxis lange Zeit als eher stumpfes Schwert erwiesen im Hinblick darauf, einen director zivilrechtlich persönlich haftbar zu stellen. In den ersten 25 Jahren nach seinem Inkrafttreten 1973 ist er nur einmal erfolgreich angewandt worden;388 erst seit Ende der neunziger Jahre gibt es einige auf § 424 Abs. 1 Companies Act gestützte Entscheidungen.389 Grund für diese bislang eher dürftige Rechtsprechung sind390 zum einen die zuungunsten der klagenden Gläubiger verteilte Beweislast und daraus entstehende Beweisschwierigkeiten. Zum anderen die Tatsache, dass die Liquidatoren (liquidators) in der Regel ihre Pflichten aus §§ 402 (d) und 433 (k) Companies Act, in ihrem Insolvenzbericht an die Gläubiger auch bereits zu einer möglichen Haftung der directors / officers aus § 424 Abs. 1 Companies Act begründet Stellung zu nehmen, praktisch nur nachlässig nachkommen. Und schließlich die entstehenden hohen und vom Kläger vorzuschießenden Kosten für für eine Klageerhebung erforderliche Untersuchungen des Geschäftsbetriebes gem. §§ 415 ff. Companies Act.391 Trotz seiner geringen praktischen Bedeutung wird § 424 Abs. 1 Companies Act ausgiebig diskutiert, namentlich im Hinblick darauf, ob er eventuell ein Fall des gesetzesrechtlichen piercing ist. Die südafrikanische Rechtslehre versteht ihn fast durchweg so,392 hat diese Einordnung allerdings bislang so gut wie nicht untermauert.393 Die Rechtsprechung hat bisher nichts Verbindliches hierzu verlauten lassen. Die englische und die übrige Literatur haben folgende drei Argumente gegen eine Einordnung der entsprechenden britischen Parallelvorschriften §§ 213, 214 Insolvency Act 1986 als statutory piercing vorgebracht.394

388

Cronje NO v Stone 1985 (3) SA 597 (T), per Le Roux, J. Namentlich in Philotex (Pty) Ltd v Snyman 1998 (2) SA 138 (SCA), per Howie, JA. (Diese Entscheidung ist die derzeitige Leitentscheidung zu § 424 Abs. 1 Companies Act); s. ferner Body Corporate of Greenwood Scheme v 75 / 2 Sandown (Pty) Ltd & Others 1999 (3) SA 480 (W), Kalinko v Nisbet & Others 2002 (5) SA 766, Nel & Others NNO v McArthur & Others 2003 (4) SA 142 (T) und Terblanche NO & Others v Damji & Another 2003 (5) SA 489 (C). 390 Vgl. die zusammenfassende Darstellung in der Leitentscheidung Ex parte Lebowa Development Corporation Ltd 1989 (3) SA 71 (T) 116D–I (per Stegman, J). 391 Ausführliche Darstellungen der konzeptionellen Schwächen des § 424 Abs. 1 Companies Act finden sich bei J. S. A. Fourie (1996), CLDS II 22 (43) sowie O. J. S. Fourie, Die plig van direkteure teenoor maatskappyskuldeisers, in: SAMercLJ, (4) 1992, 25 (49), Fn. 77. s. auch Kap. C. III. 2. 392 Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 17, Cilliers, Corporate Law, 12 und 160 ff., Davids, Lifting the Veil, 164, J. S. A. Fourie (1996), CLDS II 42, Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 226 ff. 393 Selbst De Koker, Gesamentlike en afsonderlike aanspreeklikheid as ’n statutêre sanksie in die Maatskappyereg en die Beslote Korporasiereg, 1990, LLM Universiteit van die Oranje Vrystaat, der sich mit § 424 Companies Act ausgiebig befasst, diskutiert dieses Problem nicht. 389

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Erstens: Da neben der Haftung der Gesellschaft gegenüber Dritten hier eine zusätzliche Haftung des director (gegenüber der Gesellschaft) angeordnet werde, die Gesellschaft also als Haftungsträger erhalten bleibe, liege kein ignoring (denial) of the company’s separate personality vor.395 Dasselbe Argument lässt sich auch für eine Haftung eines Gesellschafters vorbringen. Zweitens: Ein director habe eine eigene Treupflicht (fiduciary duty) gegenüber der Gesellschaft inne. Verletze er diese und hafte er folglich persönlich und primär, so habe dies nichts mit piercing zu tun. Dies wird allerdings nur von Ottolenghi so vertreten;396 ihre Auffassung weist Ähnlichkeiten mit dem deutschen Abgrenzungsverständnis von Primärhaftung einerseits und Durchgriffshaftung andererseits auf. Drittens und ohne nähere Begründung wurde vorgebracht, dass aus der bloßen Tatsache, dass jemandem für eine Handlung der Gesellschaft persönliche Haftung auferlegt werde, sich noch nicht „ipso facto“ auf piercing schließen lasse; es handele sich vielmehr um eine Sanktionsmaßnahme („punitive measure“).397 Dies ist sowohl im Hinblick auf einen director als auch im Hinblick auf einen Gesellschafter unverständlich: Wenn für eine Handlung der Gesellschaft einem director eine persönliche Haftung auferlegt wird (und nicht etwa für seine eigene Handlung ihm persönliche Haftung auferlegt wird), lässt sich das Vorliegen von piercing allenfalls noch mit dem ersten obigen Argument ablehnen oder mit Ottolenghis Auffassung, derzufolge die directors „vor“ dem corporate veil stünden und daher kein piercing / lifting of the corporate veil erforderlich sei, um sie haften zu lassen.398 Ansonsten muss man wohl mangels anderweitiger Erklärbarkeit zu dem Schluss kommen, dass piercing of the corporate veil vorliege. Auch aus deutscher Sicht greift hier, soweit eine Haftung

394 Für eine Einordnung als statutory piercing dagegen ohne weitere Begründung Gower, Principles of Company Law (1992), 111 und Pennington, Company Law, 51 ff. 395 So Mayson, Company Law, 143 (Kap. 5.2.2.2). Diesem Argument folgt aus der südafrikanischen Rechtslehre J. S. A. Fourie mit Blick auf die britischen Bestimmungen (1996, CLDS II 25 / 26, Fn. 19). 396 So Ottolenghi (1990), MLR 342 (Fn.46) im Hinblick auf die englische Entscheidung Winkworth v Edward Baron Development Co Ltd [1987] 1 All ER 114 (HL). „[T]his case deals with the ,duty owed by the directors to the company and to the creditors to ensure that the affairs of the company are properly administered and that its property is not dissipated or exploited for the benefit of the directors themselves to the prejudice of the creditors‘ . . . With all respect, it seems to me that imposing upon the directors the personal responsibility for their own actions when they breach this basic duty, has nothing to do with lifting the veil.“ 397 Ottolenghi (1992), MLR, 342: „The mere fact that . . . [this section] inflict[-s] personal liability upon private persons for the acts done by a company does not mean that ipso facto they constitute a lifting of the veil . . . They are better regarded as ,punitive‘ measures, a sort of statutory caveat directed at those who purport to act in the name of the company, knowing that the company would not honour these acts.“ 398 Ottolenghi (1990), MLR 341. s. o. Kap. A. I. 2. b) aa).

II. Abgrenzungen

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des Gesellschafters in Rede steht, gerade Durchgriffsargumentation: Eine durch eine Handlung der Gesellschaft entstandene Haftung / Verbindlichkeit der Gesellschaft wird auf den Gesellschafter erstreckt, und der Gesellschafter haftet dann für diese Handlung der Gesellschaft. Soweit dagegen eine Haftung des Geschäftsführers in Rede steht, geht es nach deutschem Verständnis nicht um Durchgriff: Handlungen der Organe werden der Gesellschaft gemäß der mit § 31 BGB in diesem Bereich gesetzlich normierten Organtheorie als Eigenhandlung zugerechnet. Organe haften nicht für Handlungen der Gesellschaft;399 es kommen vielmehr nur zwei Haftungsmöglichkeiten in Betracht: Entweder haftet die Gesellschaft über § 31 BGB im Wege der Eigenzurechnung für Handlungen ihrer Organe oder es haften – außerhalb der Interessenswertung des § 31 BGB – Organe primär persönlich.400 Dagegen besteht nicht die Möglichkeit, eine Primärhaftung der Gesellschaft auf ihr Organ zu erstrecken. Das zweite Argument stützt sich auf eine Haftung des director gegenüber der Gesellschaft und auf eine verletzte Treupflicht des director gegenüber der Gesellschaft. Damit ist noch nichts über den (in § 424 Abs. 1 Companies Act vorgesehenen) Fall einer Haftung des director gegenüber Dritten gesagt. Zwar war im jüngeren englischen Recht längere Zeit eine Entwicklung im Gange, die möglicherweise auf die Anerkennung einer eigenen common law-rechtlichen (Treu-)Pflicht des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, deren Interessen zu wahren, hinauslaufen hätte können.401 Jedoch ist davon in diesem Argument nicht die Rede. Für Südafrika griffe dieses Argument in jedem Fall nicht. Denn dort wird die Annahme einer gemeinrechtlich begründeten Treupflicht des director gegenüber Dritten nach wie vor eindeutig abgelehnt, und ist man somit nicht auf der Spur der englischen Entwicklung.402 Zwar lässt sich argumentieren, dass § 424 Abs. 1 Companies Act nichts weiter sei als eine Primärhaftung des director aus Verletzung seiner gesetzlich verankerten Treupflicht gegenüber Gläubigern der Gesellschaft. Jedoch finden sich nur sehr vereinzelt Äußerungen in der südafrikanischen Literatur, die auf ein derartiges Verständnis des § 424 Abs. 1 Companies Act als eine gesetzlich geregelte Treupflicht des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft schließen lassen. Eine Treupflicht eines Gesellschafters gegenüber Dritten ist im Übrigen nirgends anerkannt. Das Argument ist also auch im Hinblick auf eine persönliche Haftung eines Gesellschafters aus § 424 Abs. 1 Companies Act verwendbar. 399 Anschaulich Lutter, Zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers aus deliktischen Schäden im Unternehmen, in: ZHR, 1993, 464 (466): „Eine ,umgekehrte‘ Zuweisung von der Rechtsperson auf die für sie Handelnden ist der geschriebenen Rechtsordnung hingegen unbekannt: Es gibt keine ,umgekehrten‘ §§ 31, 278 und 831 BGB.“ 400 Zu Einzelheiten s. Grunewald, Die Haftung von Organmitgliedern nach Deliktsrecht, in: ZHR, 1993, 451 und Lutter (1993), ZHR 464. 401 Vgl. O. J. S. Fourie (1992), SAMercLJ 28 ff. und unten Kap. C. III. 2. b). 402 s. u. Kap C. III.

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Damit verbleibt, geht man von südafrikanischem piercing-Verständnis aus, im Hinblick auf § 424 Abs. 1 Companies Act nur das erste Argument gewichtig und spricht gegen eine Einordnung der Norm als statutory piercing. Gegen eine Einordnung als statutory piercing spricht auch, dass über § 424 Abs. 1 Companies Act ja auch außenstehende Personen (die weder Gesellschafter noch directors sind) persönlich haften können. Für diese kann eine solche Haftung jedenfalls nicht mit piercing of the corporate veil in Zusammenhang gebracht werden. Sonst würde 424 Abs. 1 Companies Act je nach Haftungsadressat mal statutory piercing (Primärhaftung nach notwendigerweise vorangehendem piercing of the corporate veil, im Falle von Gesellschaftern und directors), mal unmittelbare Primärhaftung sein. Dies erscheint unsystematisch. Nach ganz herrschender Ansicht403 können directors neben einer gesetzlichen Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act auch noch gemäß dem gemeinrechtlichen Deliktsrecht aus fraud oder negligence haften. Fraglich ist, ob eine Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act ebenfalls als deliktsrechtliche Haftung (in Form einer gesetzlichen [statutory] Deliktshaftung) verstanden werden kann. Die Rechtsprechung hat hierzu bislang noch nicht ausdrücklich Stellung genommen;404 die besseren Argumente scheinen dagegen zu sprechen. Denn zwar ist § 424 Abs. 1 Companies Act einerseits tatbestandlich den common law-deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen negligence und fraud ähnlich.405 Jedoch erfüllt er andererseits mehrere Merkmale eines deliktischen Haftungstatbestandes nicht: Zum Ersten wird der Rechtsprechung zufolge bei § 424 Abs. 1 Companies Act auf (den Nachweis von) Kausalität (causation) zwischen fraudulent / reckless trading und Verbindlichkeiten (debts und liabili403

Vgl. z. B. Van Dorsten, South African Business Entities, 286 m.w. N. Vgl. die Anmerkungen in der Leitentscheidung Howard v Herrigel 1991 (2) SA 660 (A), auf die sich nachfolgende Entscheidungen immer wieder bezogen haben. Die einschlägige Passage dort lautet (1991 (2) SA 660 (A) 672C–E), per Goldstone, JA: „At common law a director of a company who is knowingly a party to fraud on the part of his company would be liable in damages for any loss suffered by any person in consequence of the fraud. It would be necessary, in order to fix the liability of such a director, to establish a causal connection between the fraud of the company and the damages claimed from the director. The quantum of these damages would also have to be proved. The provisions of s 424(1) of the Act enable the Court to declare such a director liable ,for all or any of the debts or other liabilities of the company‘ without proof of a causal connection between the fraudulent conduct of the business of the company and the debts or liabilities for which he may be declared liable.“ 405 Ein Deliktstatbestand (delict) umfasst die Tatbestandsmerkmale act / conduct, wrongfulness (unlawfulness), fault, causation and damage. Sind diese erfüllt, steht dem Geschädigten Schadensersatz (compensation) im Wege des Rechtsmittels (delictual remedy) der actio legis Aquliliae zur Verfügung. Der Begriff damage kann neben Vermögensschäden (patrimonial [pecuniary] loss) auch bestimmte Nichtvermögensschäden (non-patrimonial [non-pecuniary] loss) erfassen. Patrimonial loss erfasst sowohl reine Vermögensschäden (pure economic loss) als auch entgangenen Gewinn (lucrum cessans). 404

II. Abgrenzungen

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ties) der Gesellschaft verzichtet.406 Zum Zweiten beschränkt sich der Umfang der Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act nicht auf verursachte Verbindlichkeiten, sondern kann alle Verbindlichkeiten erfassen, die zum Zeitpunkt des fraudulent / reckless trading bereits bestanden haben oder währenddessen entstehen.407 Selbst bei denjenigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die erst während des Zeitraumes des fraudulent / reckless trading entstanden sind, wird fer406 „[P]roof of any causal connection between the fraudulent or reckless conduct of the business of the company and the debts or liabilities for which the wrongdoer may be declared liable“, vgl. Howard v Herrigel 672E (per Goldstone, JA), Philotex v Snyman 142H / I (per Howie, JA), Kalinko v Nisbet 774D (per Claassen, J). Das jedenfalls war die Rechtslage bis zur kürzlichen Entscheidung Nel v McArthur (per Basson, J). In Nel v McArthur 156G–H wurde dann jedoch erstmals aus der bis dahin üblichen Formel „Verzicht auf Nachweis der Kausalität (proof of causal connection) die verkürzte Formel „Verzicht auf Kausalität“: „[N]o causative link is required in terms of s 424(1) between the reckless conduct in which the defendants are alleged to have knowingly participated and the debts or other liabilities for which they may be held responsible.“ Dahingehend hatte Larkin bereits Philotex v Snyman verstanden, vgl. Larkin (1998), ASSAL 427 (451). Mit dieser Formulierung lässt sich § 424 Companies Act nun nicht mehr als bloße Beweiserleichterungsregel verstehen (Dahingehende Formulierungen hatten sich jedoch noch in Body Corporate of Greenwood Scheme v 75 / 2 Sandown und Kalinko v Nisbet gefunden, vgl. Body Corporate of Greenwood Scheme v 75 / 2 Sandown (Pty) Ltd 488I [per Wepener, AJ: „The purpose of s 424(1) was to supplement the common law and to simplify the evidential requirements of a [common law] delictual claim which might be difficult, if not impossible to prove.“] und Kalinko v Nisbet 774C–D [per Claassen, J: „The section enables the Court to impose a liability on a person where at common law such liability might not exist at all. The section comes to the aid of a claimant in circumstances where a claim under the common law may be difficult to prove.“]) und auch nicht mehr als deliktische Anspruchsgrundlage. Ebenso sehen dies Larkin / Cassim (2003), ASSAL 549 (590): „The court [in Nel v McArthur] stated . . . that an action under s 424 cannot be equated with a claim for delictual damages, so that there is no need to particularize the amount of damages. This must be correct, since it is not required for an order under s 424 that the applicant establishes a causal link between the wrongful trading and the debts and the liabilites for which the wrongdoer may be held liable . . .“ Zu beachten ist jedoch, dass Nel v McArthur – im Gegensatz zu Howard v Herrigel und Philotex v Snyman – keine Entscheidung der Appellate Division bzw. des Supreme Court of Appeal ist, sondern lediglich eine Entscheidung einer Provincial Division. Die fast zeitgleich ergangene Entscheidung Terblanche v Damji 511A–B (ebenfalls Provincial Division) verwendet dagegen wiederum – unter Verweis auf Howard v Herrigel und Philotex v Snyman – die altbekannte Formulierung „Verzicht auf Nachweis der Kausalität“. 407 Kalinko v Nisbet 777B–C (per Claassen, J): „In my view s 424(1) expressly outlaws the doing of any business of the company in a reckless or fraudulent manner. The critical time is when such business is carried out unlawfully and not when the debt which is negatively influenced by such unlawful conduct was concluded. Put differently, it is the effect on current debts at the time of the wrongful conduct which is of significance when applying . . . s 424(1) irrespective of when such current debts were incurred.“ Ebenso Nel v McArthur 156G (per Basson, J): „Put differently, the debts for which defendants may be held liable are not simply or necessarily those specifically arising from the reckless conduct in which they have found to have knowingly participated, but all or any of the debts or liabilities of the company.“

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

ner in der Regel wohl kein Schaden (damage) vorliegen, solange die betreffenden Verbindlichkeiten noch nicht infolge des fraudulent / reckless trading uneinforderbar geworden sind. Und zum Dritten ist die Rechtsfolge des § 424 Abs. 1 Companies Act nicht als Schadensersatz formuliert.408 Abgesehen von diesen Verschiedenheiten steht einer Einordnung als Deliktshaftung ferner entgegen, dass gemäß der Rechtsprechung die Rechtsfolge des § 424 Abs. 1 Companies Act eine Strafkomponente („punitive element“) einschließen können soll,409 § 424 Abs. 1 Companies Act also nicht auf bloßen (Schadens-)Ausgleich gerichtet ist. Und schließlich widerspricht die innerhalb der Rechtslehre geführte Diskussion um das Für und Wider einer in § 424 Abs. 1 Companies Act enthaltenen Treupflicht des director einer Einordnung als Deliktshaftung, denn Treupflichthaftung gilt gerade nicht als Deliktshaftung, sondern als Haftung sui generis.410 Lehnt man es infolgedessen ab, § 424 Abs. 1 Companies Act als deliktsrechtliche oder zumindest deliktsrechtsähnliche Anspruchsgrundlage einzuordnen, so bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder man versucht, § 424 Abs. 1 Companies Act als Treupflichthaftung einzuordnen. Jedoch ist in Südafrika eine hierfür (in der Mehrzahl der praktischen Fälle) erforderliche eigene Pflicht des director gegenüber Gläubigern der Gesellschaft eindeutig nicht anerkannt.411 Oder man ordnet eine Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act als gesetzliche Haftung sui generis ein. Dazu scheint derzeit die südafrikanische Rechtslehre zu neigen. Insgesamt lässt sich die Frage, ob § 424 Abs. 1 Companies Act richtigerweise als Primärhaftung nach vorangegangenem piercing (und somit als statutory piercing) oder als unmittelbare primäre Haftung einzuordnen ist, nach dem heu408 Die Rechtsfolge des § 424 Abs. 1 Companies Act hätte sonst als „compensation (of damages)“ oder enger als „compensation of patrimonial loss“ oder „compensation of pure economic loss“ formuliert sein müssen. 409 Philotex v Snyman 142H (per Howie, JA) und wortgleich Terblanche NO v Damji 511A–B (per Knoll, J): „The remedy created by s 424 is a punitive one . . .“ 410 Robinson v Randfontein Estates Gold Mining Co Ltd 1921 AD 168, 199 und 240 / 241. Vgl. auch Cilliers, Corporate Law, 134 (Kap. 10.07) und 136 (Kap. 10.11, einschließlich Fn. 8). Geht man dagegen mit einer Mindermeinung der Rechtslehre davon aus, dass § 424 Abs. 1 Companies Act eine eigene gesetzliche Sorgfaltspflicht (duty of care) des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft enthält (statutory duty to act with care towards [the interests of] the creditors), wie das J. S. A. Fourie zumindest im Hinblick auf § 214 des britischen Insolvency Act 1986 tut (J. S. A. Fourie 1996, CLCS II 26), so erhält § 424 Abs. 1 Companies Act wiederum erhöhte Ähnlichkeit mit einer Deliktshaftung. Duties of care sind nicht fiduciary duties, sondern neben den fiduciary duties zweite Säule der common law duties des director (vgl. hierzu Cilliers, Corporate Law, 141 [Kap. 10.12]). Eine Verletzung einer duty of care löst eine deliktische Haftung aus, vgl. Cilliers, Corporate Law, 148 (Kap. 10.032), einschließlich Fn. 65. 411 s. u. Kap. C. III. 2.

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tigen Stand der Dinge somit noch nicht abschließend beantworten. Dies gilt sowohl für die Organhaftung (director) als auch für die bislang sehr stiefmütterlich behandelte eventuelle Haftung eines Gesellschafters. Der Streit, ob eine persönliche Haftung eines director wegen fraudulent / reckless trading als Primärhaftung nach vorangegangenem piercing oder als unmittelbare Primärhaftung anzusehen ist, rankt sich nicht nur um § 424 Abs. 1 Companies Act, sondern gleichermaßen um eine alte Entscheidung aus dem Jahre 1921 (Orkin v Bell).412 Dort wurden seinerzeit die directors gemäß der gemeinrechtlichen Deliktshaftung aus fraud / fraudulent misrepresentation gesamtschuldnerisch persönlich und primär gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft haftbar gestellt. Heute dürfte der Fall wohl nach § 424 Abs. 1 Companies Act entschieden werden.413 In der südafrikanischen Literatur wird Orkin v Bell heute nur noch von einer Mindermeinung als piercing-Entscheidung eingestuft.414 Die herrschende Meinung dagegen lehnt dies ab,415 unter anderem mit

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Orkin Bros Ltd v Bell 1921 TPD 92 (per Mason, J). a) Sachverhalt: Eine Gesellschaft hat zwei Geschäftsführer. Beide haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Mitbürgen (contract of suretyship). Die Gesellschaft kauft Waren von Lieferanten und erhält diese zu Eigentum. Beide Geschäftsführer der Gesellschaft wissen zur Zeit des Kaufvertragsabschlusses und der Warenübereignung, dass die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist und Konkurs wird anmelden müssen. Einziger Zweck des Warenkaufs ist es, die Konkursmasse der Gesellschaft zu erhöhen und so ihre persönliche Bürgenhaftung zu verringern. Der Lieferant verklagt die beiden Geschäftsführer persönlich auf Zahlung. b) Entscheidung: Beide Geschäftsführer wurden gesamtschuldnerisch persönlich aus Delikt (fraud / fraudulent misrepresentation) haftbar gestellt. c) Beurteilung nach deutschem Recht: Nach deutscher Rechtsauffassung wird ein Fall wie Orkin v Bell zweifelsfrei nicht als Durchgriffsfall verstanden. Stattdessen kommt angesichts der vorliegenden Gläubigerschädigungsabsicht der directors in erster Linie eine deliktische Primärhaftung aus § 826 BGB in Betracht, ferner eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG oder § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 263 StGB. Eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB der directors dürfte dagegen nach bisheriger Rechtsprechungslage nicht in Betracht kommen. Möglicherweise kommt jedoch ferner ein Anspruch aus cic (§ 311 Abs. 3 BGB, sog. cic-Eigenhaftung des Vertreters) in Frage. Jedoch hat die jüngere Rechtsprechung die Anforderungen, unter denen das notwendige Tatbestandsmerkmal des wirtschaftlichen Eigeninteresses der Gesellschafter-Geschäftsführer als erfüllt gelten soll, erheblich verschärft, s. o. Kap. A. II. 1. c) bb) (2). Ein Orkin v Bell in gewisser Hinsicht vergleichbarer deutscher Fall ist der „Sonderkonto“-Fall. Dort zeigte die deutsche Rechtsprechung Abgrenzungsschwächen zwischen Durchgriffshaftung und Primärhaftung. Durchgriffshaftungsargumentation wäre dort nicht nötig gewesen. Stattdessen hätte im Wege deliktischer Primärhaftung eine Lösung gefunden werden können. 413 Vgl. die Anmerkung bei Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 14. 414 Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 20 (mit allerdings in Frage stellender Anmerkung), Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 248 (ohne nähere dogmatische Begründung). 415 Vgl. z. B. Davids, Lifting the Veil, 136 und 166, O. J. S. Fourie (1992), SAMercLJ 48 (Fn. 168), Larkin (1986), ASSAL 823.

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

dem (schwachen) Argument, die Entscheidung nehme nirgends auf die piercing doctrine Bezug.416 Die Rechtsprechung war uneinheitlich: In der Entscheidung Lategan v Boyes von 1980 wurde Orkin v Bell zwar als „true precedent for this [piercing the veil]-principle“417 verstanden. Die nachfolgende südafrikanische Rechtsprechung hat dies jedoch durchweg anders gesehen.418 bb) Deliktische Haftung des Organs (director) aus negligence (Fairline Shipping v Adamson; Pinshaw v Nexus) Außerhalb des breitgetretenen Bereichs des fraudulent / reckless trading ist nur ganz vereinzelt in Rechtslehre (Du Plessis / Henning419) und Rechtsprechung (Flemming J in Botha v Van Niekerk) erörtert worden, ob grundsätzlich eine persönliche deliktische Haftung eines Organs (des director) nur nach vorangegangenem piercing of the corporate veil (sog. gesellschaftsrechtlicher Ansatz [maatskappyeregtelike beskouing]) möglich sei oder auch unmittelbar primär (sog. deliktsrechtlicher Ansatz [deliktuele beskouing]).420 Dieses Problem ist derzeit noch weitgehend unbetretenes juristisches Gebiet.421 Verfehlt ist jedoch Davids’ Auffassung, Orkin v Bell sei ein Fall von „breach of his [the director’s] fiduciary duty towards the company“ (Davids, Lifting the Veil, 136 und XIV). Denn aus einer solchen Pflichtverletzung hätte sich nur eine Haftung der directors gegenüber der Gesellschaft ergeben können. In Orkin v Bell ging es aber um eine Haftung der directors gegenüber einem außenstehenden Dritten (Orkin v Bell 107). Wollte man eine Haftung der directors daher auf breach of fiduciary duty stützen, so müsste eine solche Treuepflicht der directors gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft bestehen. Eine solche Pflicht ist aber in Südafrika (jedenfalls im common law und [streitig] auch in § 424 Abs. 1 Companies Act) nicht anerkannt, eine entsprechende Haftung somit nicht konstruierbar. 416 Larkin (1989), SAMercLJ 278 (Fn. 5). 417 Lategan v Boyes 201G: „A true precedent for this principle does exist in our case law, namely the case of Orkin Bros Ltd v Bell . . .“ 418 Nel, J in Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 820D / E: „The decision in Orkin Bros Ltd v Bell and Others 1921 TPD 92 . . . was based on the actual fraud perpetrated by the two directors concerned. They were thus, in my view, not held liable as a result of the ,piercing‘ . . . of the corporate veil.“ Ebenso Schabort, J in Food & Nutritional Products (Pty) Ltd v Neumann 1986 (3) SA 464 (W) 476G / F. 419 Du Plessis / Henning, Die deliktuele aanspreeklikheid van persone wat as maatskappyorgane optree, in: THRHR, (52) 1989, 540. 420 Ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund wird hierbei die Diskussion um eine persönliche deliktische Haftung des director aus fraudulent / reckless trading einerseits und eine persönliche deliktische Haftung des director aus negligence andererseits getrennt geführt. Richtig erscheint es demgegenüber, für beide dieselben Argumente gelten zu lassen (s. o. Kap. A. II. 2. b) aa)). Keine Diskussion wird wiederum darüber geführt, wie eine persönliche deliktische Haftung eines faktischen Geschäftsführers oder eines aktiven Mehrheitsgesellschafters eingeordnet werden soll. 421 Vgl. Du Plessis / Henning (1989), THRHR 542: „Die persoonlike deliktuele aanspreeklikheid van persone wat as maatskappyorgane optree, het pas die afgelope

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Der sogenannte gesellschaftsrechtliche Ansatz (maatskappyeregtelike beskouing) 422 geht davon aus, dass streng die Organtheorie (identification theory) 423 gilt: Somit hafte ausschließlich die Gesellschaft für Handlungen des Organs deliktisch. Eine zudem daneben greifende persönliche primäre deliktische Haftung des Organs (director) sei dagegen grundsätzlich ausgeschlossen und könne allenfalls noch nach einem vorangegangenen piercing of the corporate veil möglich werden. Fraglich sei aber, wann ein solches, den Haftungszugriff auf das Organ eröffnendes piercing of the corporate veil zulässig sei. Hierfür sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, etwa derart, wie sie im südafrikanischen Domanski-Test424 oder in der kanadischen Leitentscheidung Mentmore v National Merchandising425 vorgeschlagen worden sei.426 Der sogenannte deliktsrechtliche Ansatz (deliktuele beskouing) 427 geht davon aus, dass eine persönliche primäre deliktische Haftung des Organs (director) unproblematisch neben einer deliktischen Haftung der Gesellschaft für Handlungen dieses Organs möglich ist. Begründet wird dies mit zwei Argumenten: Erstens mit dem Institutszweck der Organtheorie; diese sei ursprünglich entwickelt dekade besondere aandag in lande soos Kanada, Engeland en Australië begin geniet. In Suid-Afrika kan hierdie aangeleentheid steeds as sluimerend [„schlummernd“] bestempel word.“ 422 Vgl. Du Plessis / Henning (1989), THRHR 551 ff. 423 Dieser Verweis auf die englische Organtheorie (identification theory) ist nicht unproblematisch, da englisches und südafrikanisches Recht in diesem Bereich derzeit einen unterschiedlichen Entwicklungsstand haben. Das englische Recht wendet die Organtheorie bereits in ständiger Rechtsprechung an, um eine Gesellschaft für Handlungen ihrer Organe deliktisch haftbar zu machen. In Südafrika ist die Entwicklung dagegen noch nicht so weit. Dort lagen bislang lediglich erst einige befürwortende obiter dicta aus der Rechtsprechung und Meinungen aus der Literatur dahingehend vor, dass eine Gesellschaft für Handlungen ihrer Organe überhaupt deliktisch haften zu lassen (zu Einzelheiten s. u. Kap. C. I. 1. c) und C. I. 1. d)). Die Gültigkeit der Organtheorie als das Wie dieser deliktischen Haftung war in Südafrika bis vor kurzem noch nicht einmal obiter anerkannt. Eine Wende brachte jedoch im Jahre 1997 die Entscheidung Simon NO v Mitsui and Co Ltd 1997 (2) SA 475 (W), per Wunsh, J. Sie erkannte erstmals klar die Gültigkeit der Organtheorie (identification theory) auch im Deliktsrecht an (Simon v Mitsui 528D–531A). 424 Hierzu s. o. Kap. A. I. 2. b) dd). 425 Mentmore Manufacturing Co Ltd v National Merchandising Co Ins (1979) 89 DLR 3d 19 202: „On the one hand, there is the principle that an incorporated company is separate and distinct in law . . . On the other hand, there is the principle that everyone should answer for his tortuous acts.“ und Mentmore 204 / 205: „[T]here must be circumstances from which it is reasonable to conclude that the purpose of the director or the officer was not the direction of the manufacturing and selling activity of the company . . . but the deliberate wilful and knowing pursuit of a course of conduct that was likely to constitute an infringement . . . Room must be left for a broad appreciation of the circumstances of each case to determine whether . . . they call for personal liability.“ 426 Vgl. Du Plessis / Henning (1989), THRHR 542 f. 427 Du Plessis / Henning (1989), THRHR 553 f.

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worden, um eine deliktische Haftung der Gesellschaft für Handlungen ihrer Organe zu ermöglichen. Nicht dagegen habe sie eine Freistellung der Organe von persönlicher primärer deliktischer Haftung bezwecken sollen. Die Organtheorie dürfe daher nicht starr angewandt werden, sondern mit Blick auf diesen Zweck. Somit schließe eine im Wege der Organtheorie hergeleitete deliktische Haftung der Gesellschaft für Handlungen ihres Organs (director) eine daneben bestehende persönliche primäre Haftung dieses Organs (director) nicht aus. Zweitens würde es zu einer unbilligen Rechtslage führen, wenn Organe unter dem Schutz der Organtheorie sogar einer deliktischen Haftung für vorsätzliche Handlungen entgehen könnten. Deliktische Haftung der Gesellschaft für Handlungen ihres Organs (director) und persönliche primäre deliktische Haftung des Organs (director) könnten daher unproblematisch nebeneinander bestehen. Eine Zuhilfenahme von piercing of the corporate veil sei hierfür nicht erst erforderlich. Unter Zugrundelegung des herrschenden südafrikanischen piercing-Verständnisses läuft somit nur der gesellschaftsrechtliche Ansatz auf ein piercing of the corporate veil hinaus. Innerhalb der südafrikanischen Rechtslehre scheint sich ein Trend zugunsten des deliktsrechtlichen Ansatzes abzuzeichnen: Du Plessis und Henning favorisieren ihn verhalten.428 Ähnlich scheint dies Pretorius zu tun.429 Ferner hat jüngst De Koker zur Frage der Haftung eines director für organschaftliches Handeln Stellung genommen;430 allerdings ließ er dabei die Problematik des piercing of the corporate veil gänzlich außer Betracht und folgte einem rein vertrags- und deliktsrechtlichen Ansatz: Zur Lösung von Problemen der Haftung des Organs (director) solle ausschließlich mit den hergebrachten Rechtsgrundsätzen des Vertragsrechts und vor allem des Deliktsrechts431 gearbeitet werden. Nicht erforderlich sei es dagegen, hierfür besondere gesellschaftsrechtliche Rechtsgrundsätze zu entwickeln,432 wie dies in England und in Teilen des 428

Du Plessis / Henning (1989), THRHR 554. Pretorius, Hahlo’s Company Law, 491 und 497 / 498: Die Autoren verweisen a. a. O. auf den Aufsatz von Du Plessis / Henning in (1989), THRHR 540 und listen den Fall Fairline Shipping unter der Überschrift „Personal liability of directors“ (zusammen mit den § 424 Abs. 1 Companies Act-Fällen) auf, nicht aber unter dem Kapitel „Lifting the veil“ (Pretorius, Hahlo’s Company Law, 30 ff.). 430 De Koker, Die aanspreeklikheid van direkteure vir delikte gepleeg in ampsverband, in: TSAR, 2002, 18. 431 De Koker verweist diesbezüglich befürwortend auf die Ausführungen von Du Plessis / Henning in (1989), THRHR 540 und deren deliktsrechtlichen Ansatz (deliktuele beskouing). 432 De Koker (2002), TSAR 36: „Dit is derhalwe my mening dat dit nie wenslik of nodig is om spesiale beginsels in die Suid-Afrikaanse maatskappyereg te skep om die aanspreeklikheid van direkteure vir delikte wat in ampsverband gepleeg is, te beredder nie. Die bestaande beginsels van die kontraktereg en veral die deliktereg bied ’n stewige basis vir die oplossing van die problematiek.“ 429

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übrigen Commonwealth geschehen sei.433 Auch De Koker kommt allerdings zu dem Befund, dass das südafrikanische Recht im Bereich primärer deliktischer Haftung des Organs einer Gesellschaft für organschaftliches Handeln unausgereift ist.434 Die südafrikanische Rechtsprechung bietet keine klare Linie: Flemming J listete in Botha v Van Niekerk den Fall persönlicher deliktischer Organhaftung aus negligence als eigene piercing-Fallgruppe auf und verwies hierfür beispielshalber auf die englische Entscheidung Fairline Shipping v Adamson.435 Allerdings machte Flemming keine näheren dogmatischen Ausführungen dazu, inwieweit er diese Entscheidung als piercing of the corporate veil verstand. In Fairline Shipping v Adamson wurde der dortige director aufgrund negligence persönlich deliktisch haftbar gestellt gegenüber dem Vertragspartner der Gesellschaft aus Verletzung einer Sorgfaltspflicht (duty of care).436 Zweifelhaft 433 De Koker verweist diesbezüglich auf die Entscheidungen Mentmore Manufacturing Co Ltd v National Merchandising Co Ins (1979) 89 DLR 3d 195, Winkworth v Baron Development Co Ltd [1987] 1 All ER 114 (HL), Fairline Shipping Corporation v Adamson [1974] 2 All ER 967 (QB) und Williams v Natural Life Health Foods Ltd [1998] 2 All ER 577. Letztere ist die derzeitige Leitentscheidung der englischen Rechtsprechung zur persönlichen deliktischen Haftung eines director wegen Verletzung einer Sorgfaltspflicht (duty of care). De Kokers Verweis auf Winkworth v Baron Development ist nicht unproblematisch, da bei dieser Entscheidung – im Gegensatz zu den anderen erwähnten Entscheidungen – keine Sorgfaltspflicht, sondern eine Treupflicht (fiduciary duty) in Rede stand. 434 De Koker (2002), TSAR 35: „Soos die geval in Engelsregtelike sisteme, het die regsbeginsels rakende die aanspreeklikheid van ’n maatskappydirekteur vir delikte wat in ampsverband gepleeg is, ook nog nie duidelik in die Suid-Afrikaanse reg uitgekristalliseer nie.“ 435 Botha v Van Niekerk 522G: „Nalatigheidsbeginsels kan meebring dat die plig om skade te verhoed nie ontbreek omdat slegs die maatskappy kontraktueel gebonde is nie. Vgl Fairline Shipping Corporation v Adamson [1974] 2 All ER 967 (QB).“ 436 Fairline Shipping Corporation v Adamson [1974] 2 All ER 967 (QB), per Kerr, J. a) Sachverhalt: Mr Adamson ist Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Game Meat Ltd. Die Gesellschaft betreibt ein Kühlhaus. Game Meat Ltd schließt mit Fairline Shipping Corporation einen Vertrag über die Lagerung von verderblichen Waren im Kühlhaus. Durch Mr Adamsons Fahrlässigkeit (er hatte vergessen, den Temperaturregler zu überprüfen) verderben die Waren. Fairline Shipping Corporation verklagt Adamson persönlich aus Delikt (negligence) auf Schadensersatz. b) Entscheidung: Director Adamson wurde persönlich aus Delikt (negligence: Verletzung einer duty of care) haftbar gestellt (975h und 976e: „On the facts the defendant . . . assumed and owed a duty of care to the plaintiffs in respect of the storage of their goods . . . and was in breach of that duty . . .“) c) Stellungnahmen der Commonwealth-Rechtsprechung und -Rechtslehre: Die neuseeländische Rechtsprechung hat in der Folgezeit in der Leitentscheidung Trevor Ivory Ltd v Anderson [1992] 2 NZLR 517 auf den Fairline Shipping-Rechtsgrundsatz Bezug genommen (Trevor Ivory Ltd v Anderson 524: „It is not to be doubted that, in relation to an obligation to give careful and skilful advice, the owner of a one-man company may assume responsibility. Fairline is an analogy.“). In ständiger Rechtspre-

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ist, ob diese Bezugnahme Flemmings auf Fairline Shipping v Adamson nach heutigem Rechtsprechungsstand noch haltbar ist. Fairline Shipping ist ein frühes Beispiel der englischen doctrine (oder principle) of assumption of personal responsibility („Das Ansichziehen persönlicher Verantwortung“),437 mit Hilfe chung haben neuseeländische Gerichte jedoch immer darauf hingewiesen, dass eine solche persönliche Sorgfaltspflicht eines director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft nicht grundsätzlich besteht, sondern einzelfallabhängig ist (Vgl. Centrepac Partnership v Foreign Currency Consultants Ltd [1989] 4 NZCLC 64940 64951: „It will not be in all cases in which a duty of care will be found to exist between a company director and the clients of the company. Each situation will depend upon its own facts as in any case of negligence.“; auch schon in Trevor Ivory Ltd v Anderson [1992] 2 NZLR 524: „[I]t seems . . . that something special is required to justify putting a case in that class.“). Innerhalb der südafrikanischen Rechtslehre kommt De Koker mit Blick unter anderem auf Fairline Shipping zum gleichen Schluss (2002, TSAR 33 / 34): „Dit blyk egter duidelik uit die betrokke uitsprake dat die feite van die geval baie swaar weeg wanneer die persoonlike aanspreeklikheid van die direkteur oorweeg word.“ Die englische Rechtsprechung hat 1998 in der Leitentscheidung Williams v Natural Life Health Food Ltd [1998] 2 All ER 577 (HL) 581h–583d (per Lord Steyn) sowohl auf Trevor v Anderson als auch auf Fairline Shipping verwiesen und dabei das „principle of assumption of risk“ bekräftigt: „In such a case where personal liability of the director is in question, . . . [t]he inquiry must be whether the director . . . conveyed directly or indirectly to the prospective franchisees that the director assumed personal responsibility towards the prospective franchisees. An example of such a case being established is Fairline Shipping v Adamson . . . A case on the other side of the line is Trevor Ivory Ltd v Anderson . . . [In that case] there was no singular feature which would justify belief that Mr Ivory was accepting a personal commitment . . .“ d) Beurteilung nach deutschem Recht: Nach deutscher Rechtsauffassung wird ein Fall wie Fairline Shipping zweifelsfrei nicht als Durchgriffsfall eingeordnet. Eine persönliche vertragliche Haftung des Mr Adamson gegenüber Fairline Shipping Corporation kommt jedoch nicht in Betracht: Denn der Lagervertrag (§§ 467 ff. HGB) ist zwischen Lagerhalter Game Meat Ltd und Einlagerer Fairline Shipping Corporation geschlossen. Daraus folgt nur eine Haftung der Game Meat Ltd auf Schadensersatz aus § 475 Satz 1 HGB, jedoch keine vertragliche Haftung des Mr Adamson gegenüber Game Meat Ltd. Denkbar ist allenfalls eine persönliche deliktische Haftung des Mr Adamson gegenüber Fairline Shipping Corporation. In Betracht kommt eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Unterlassens trotz bestehender Verkehrssicherungspflicht. Jedoch ist eine ursprüngliche Verkehrssicherungspflicht des Mr Adamson nicht ersichtlich. Eine Verkehrssicherungspflicht in Form einer Zustandsverantwortlichkeit (Pflicht zur tunlichen Gefahrenvermeidung i. F. e. Gefahrenkontrollpflicht im räumlich-gegenständlichen Gefahrenbereich Kühlhaus) trifft vielmehr kraft Beherrschung des Sachbereichs Kühlhaus nur die Game Meat Ltd. Allerdings kann diese Verkehrssicherungspflicht (zulässigerweise) auf Mr Adamson übertragen worden sein (Tatfrage; sie bestünde dann im Übrigen bei Game Meat Ltd als Aufsichtspflicht fort). Nimmt man dies an, so lässt sich im deutschen Recht Mr Adamson aus § 823 Abs. 1 BGB persönlich primär deliktisch haftbar stellen. Daneben kommt eine deliktische Haftung der Game Meat Ltd aus §§ 823 Abs. 1, 31 BGB in Betracht. Mit Durchgriffshaftung haben diese Haftungen nichts zu tun. 437 Derzeitige Leitentscheidung hierzu ist Williams v Natural Life Health Food Ltd [1998] 2 All ER 577 (HL) 581j–583d (per Lord Steyn): „A director of a limited company would only be personally liable to plaintiffs for loss which they suffered as a result of negligent advice given to them by the company, if he had assumed personal

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derer heute in England (und in abgewandelter Form auch in Neuseeland438) Organe der Gesellschaft deliktisch haftbar gestellt werden. Jedoch hat kürzlich die südafrikanische Rechtsprechung (Provincial Division) in Pinshaw v Nexus439 einen erklärten Bruch mit dieser doctrine und der mit ihr verbundenen Rechtsprechungslinie, die in Pinshaw v Nexus ausgiebig diskutiert wird,440 vollzogen. Eigenartigerweise nimmt Pinshaw v Nexus trotz erheblicher Sachverhaltsnähe keinerlei Bezug auch auf Fairline Shipping. Ferner finden sich in Pinshaw v Nexus auch keinerlei Ausführungen zur Problematik des piercing of the corporate veil in diesem Zusammenhang. Der Entscheidung Pinshaw v Nexus Securities (Pty) Ltd 441 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mrs Pinshaw, eine 74-jährige Witwe, wanderte von Südafrika nach Australien aus. Kurz vor ihrer Abreise aus Südafrika überließ sie einer Anlagegesellschaft (portfolio management company), Nexus Securities (Pty) Ltd, eine Million Rand zu Anlagezwecken. Ihr persönlicher Anlageberater bei Nexus Securities (Pty) Ltd war Mr van Zyl, der dort einer der directors und zugleich einer der Portfolio Manager war. Für Mr van Zyl ersichtlich verließ sich Mrs Pinshaw auf seine Sachkunde. Van Zyl war darüber in Kenntnis gesetzt, dass Mrs

responsibility for that advice and the plaintiff had relied on that assumption of responsibility. Whether there had been such an assumption of responsibility was to be determined objectively . . . Moreover, the test of reliance was not simply reliance in fact, but whether the plaintiffs could reasonably rely on the assumption of responsibility.“ Zum Verhältnis einer auf die doctrine of assumption of personal responsibility gestützten Haftung eines director zur deliktischen Haftung des director im Wege des gesellschaftsrechtlichen Ansatzes s. Du Plessis, Die persoonlike deliktuele aanspreeklikheid van uitvoerende ampsdraers, in: THRHR, (57) 1994, 135 (138): „Daar is voorheen aan die hand gedoen dat van die beginsels wat dien om die korporatiewe sluier te lig, gebruik gemaak moet word ten einde vas te stel of die persone wat as maatskappyorgane opgetree het, ook persoonlik deliktueel vir hierdie optrede aanspreeklik is [Dieser Verweis bezieht sich auf Du Plessis / Henning (1989), THRHR 551] . . . Is die ,assumption of responsibility‘-toets allesomvattend, of is daar nog gevalle waar die beginsels om die korporatiewe sluier te lig, aangewend behoort te word? . . . Die beginsels om die korporatiewe sluier te lig, behoort egter steeds aanwending te vind ten einde te oorweeg of die individu of individue (in gevalle waar daar nie ’n ,assumption of responsibility‘ was nie) wat as maatskappyorgane opgetree het, nie moontlik weens beleidsoorwegings persoonlik deliktueel aanspreeklik is nie.“ Du Plessis geht somit davon aus, dass dort, wo die doctrine greift, kein Platz mehr ist für eine Deliktshaftung im Wege des gesellschaftsrechtlichen Ansatzes und somit ein piercing of the corporate veil nicht einschlägig sein kann. Zu beachten ist, dass Du Plessis diese Stellungnahme zeitlich erheblich vor und somit in Unkenntnis der Entscheidung Pinshaw v Nexus abgegeben hat. 438 Leitentscheidungen sind hier Trevor v Anderson und Centrepac v Foreign Currency. Zu Trevor v Anderson s. a. Du Plessis (1994), THRHR 135. 439 Pinshaw v Nexus Securities (Pty) Ltd (2002) (2) SA 510 (C), per Comrie, J. 440 Vgl. insbesondere Pinshaw v Nexus Securities 531G–534G. 441 2002 (2) SA 510 (C).

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Pinshaw in Zukunft in Australien wohnhaft sein werde. Mrs Pinshaws Portfolio verlor in der Folgezeit gewaltig an Wert. Mrs Pinshaw verklagte nun (neben Nexus Securities Pty Ltd) auch Mr van Zyl persönlich aus Delikt (negligence) auf Schadensersatz.442 Das Gericht ließ director Van Zyl persönlich aus Delikt (negligence: Verletzung einer duty of care) haften.443 Zur Haftungsherleitung hätte es nahe gelegen, die englische doctrine of assumed personal responsibility oder deren neuseeländische Variante (Trevor v Anderson) heranzuziehen. Dies wurde jedoch nicht getan. Stattdessen wurde die doctrine verworfen.444 Was statt dieser doctrine herangezogen werden solle, geht aus der Entscheidung nur unscharf hervor. Anstatt der der doctrine zugrunde liegenden Fiktion einer (Haftungs-)Verantwortungsübernahme445 sollen nun „policy considerations“ zur Begründung einer Sorgfaltspflicht ausschlaggebend sein.446 Deutlich wird auf die Einzelfallabhängigkeit einer solchen Sorgfaltspflicht (duty of care) hingewiesen.447

442

2002 (2) SA 510 (C) 515G–H. 2002 (2) SA 510 (C) 535I und 536F. 444 2002 (2) SA 510 (C) 534G–535B (per Comrie, J): „[534G:] What can be derived from the accumulated learnings in our own and other jurisdictions, which I have surveyed at perhaps undue length? I would venture the following propositions and conclusions, relevant to the case at hand, as being consistent with South African law and its proper development . . . [535A–B:] The English law doctrine of the assumption of personal responsibility, and reasonable reliance thereon, is not part of our law and accordingly the doctrine as such does not afford a solution. The doctrine is the product of a troubled juridical history [Angespielt wird hier auf auf die – fragwürdigen – englischen Rechtsgrundsätze der consideration and privity of contract; vgl. hierzu Williams v Natural Life Health Foods Ltd [1998] 2 All ER 577 (HL) 584b–f [„Academic criticism of the principle of assumption of risk“]), it has not been unqualifiedly received in Canada and Australia, and I think we are better off without it.“ 445 Vgl. Williams v Natural Life Health Foods Ltd [1998] 2 All ER 577 (HL) 584c. 446 Vgl. 2002 (2) SA 510 (C) 535B (per Comrie, J): „Nonetheless, questions of proximity, professed skills and reliance thereon are not irrelevant policy considerations in our law when determining the issue of wrongfulness.“ und 2002 (2) SA 510 (C) 510I (Leitsatz): „Whether . . . [Mr van Zyl attracted a duty of care to clients] depending on circumstances of case – Case law supporting flexibility in this developing area of law – Facts pointing towards director having attracted legal duty of care – Policy considerations favouring upholding of duty rather than negation thereof.“ 447 2002 (2) SA 510 (C) 535I–536F (per Comrie, J): „It seems to me that the particular facts alleged, and their highly probable implications, point towards Van Zyl having attracted a legal duty of care, albeit an attenuated duty, to Mrs Pinshaw. Those facts are . . . [Es folgt eine lange Auflistung der in Betracht genommenen Einzelfallumstände].“ 443

II. Abgrenzungen

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Insgesamt kann man sich dem Eindruck nicht verschließen, dass der Pinshaw-Rechtsgrundsatz trotz ausdrücklich erklärtem Bruch mit der doctrine of assumed personal responsibility nicht allzu weit entfernt ist von dem, was in Fairline Shipping und Trevor v Anderson auch gesagt wurde. Die dortige Fiktion einer (Haftungs-)Verantwortungsübernahme („assumption of responsibility“) war im Wesentlichen auch auf „policy considerations“ gestützt, insbesondere in neuseeländischen Entscheidungen. Es liegt nahe anzunehmen, dass die in Pinshaw v Nexus herausgestellten „policy considerations“ weitgehend auf einen balancing-Test im Sinne von Domanskis Test hinauslaufen. Zu beachten ist, dass Pinshaw v Nexus lediglich eine Entscheidung einer Provincial Division ist und nicht etwa eine Entscheidung des Supreme Court of Appeal. Trotzdem hat die südafrikanische Rechtslehre (Larkin / Cassim) auf die mögliche Tragweite dieser Entscheidung („a potentially very significant development“) hingewiesen.448 cc) Haftung des director aus § 50 Abs. 3 (b) Companies Act, Haftung der Gesellschafter aus § 63 (a) Close Corporations Act Nicht deutlich wird in Südafrika hervorgehoben, um welche Haftung es sich in den Fällen des § 50 Abs. 3 (b) Companies Act449 und § 63 (a) Close Corporations Act450 handelt. Ein Teil der Literatur führt diese Vorschriften als statu448 Larkin / Cassim (2002), ASSAL 627 (644 f.): „This [Gemeint ist die o. a. Passage in Pinshaw v Nexus 535A–B] places the judgement squarely at odds with overseas judgement well known to South African lawyers, such as that in Trevor Ivory Ltd v Anderson [1992] 2 NZLR 517 (CA), a decision by the top court in New Zealand, and the decision of the House of Lords in Williams v Natural Life Health Food Ltd [1998] 2 All ER 577 (HL), both of which were referred to in Pinshaw . . . What strikes one, though, is the very unexceptional nature of these facts [Gemeint sind die facts in Pinshaw v Nexus]. They will be true more often than not in these kinds of cases.“ 449 § 50 Companies Act: „[Use and publication of name by company] (1) Every company . . . (c) shall have its name . . . mentioned . . . in all notices and other official publications of the company and in all bills of exchange, promissory notes, endorsements, cheques, and orders for money or goods purporting to be signed by or on behalf of the company and in all letters, delivery notes invoices, receipts, and letters of credit of the company . . . (3) If any director or officer of a company or any person on its behalf . . . (b) issues or authorises the issue of any notice or other official publication of the company, or signs or authorises to be signed on behalf of the company any bill of exchange, promissory note, endorsement, cheque or order for money or goods, wherein its name is not mentioned in manner aforesaid [d.h. gem. § 50 Abs. 1 Companies Act] . . . he shall . . . be liable to the holder of the bill of exchange, promissory note, endorsement, cheque or order for money or goods for the amount thereof unless it is duly paid by the company.“ 450 § 63 (a) Close Corporations Act: „[Joint liability for debts of corporation] [T]he following persons shall in the following circumstances together with a corporation be jointly and severally liable for the specified debts of the corporation: (a) Where the name of the corporation is in any way used without the abbreviation CC [d.h. Close

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

tory piercing auf,451 der andere Teil enthält sich jeglicher Einordnung.452 Die Rechtsprechung hat bislang – abgesehen von einem obiter dictum in Botha v Van Niekerk453 – in keiner weiteren Entscheidung eine dieser Vorschriften als Fall von statutory piercing eingeordnet. Allerdings hat sie sie bislang ebenfalls nirgends als Primärhaftungstatbestände bezeichnet. Nach deutschem Verständnis handelt es sich um Eigengeschäftsregelungen i. S. d. § 164 Abs. 2 BGB (im Falle des § 50 Abs. 3 (b) Companies Act) bzw. um Rechtsscheins- oder Vertrauenshaftungstatbestände (§ 63 (a) Close Corporations Act).454 dd) Haftung aus ostensible assent (Auslegung von Willenserklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont) In der Lategan v Boyes455 hatte die Rechtsprechung (per Le Roux J) zwischen geltungsgemachter persönlicher Haftung aus piercing of the corporate veil und persönlicher Haftung aus Rechtsgeschäft zu unterscheiden. Corporation] or BK [d.h. Beslote Korporasie (afrikaanse Bezeichnung der close corporation)] . . ., any member of the corporation who is responsible for, or who authorised or knowingly permits the omission of such abbreviation, shall be so liable to any person who enters into any transaction with the corporation from which a debts accrues for the corporation while he, in consequence of such omission, is not aware that he is dealing with a corporation.“ 451 Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 20, Cilliers, Corporate Law, 12, Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 229. 452 Z. B. Davids, Liftung the Veil, Meskin, Henochsberg on the Companies Act I, 98 ff. (bzgl. § 50 Abs. 3 (b) Companies Act: Die Norm begründe jedenfalls keine Bürgenhaftung [suretyship].) und 582 (bzgl. § 63 (a) Close Corporations Act). 453 Botha v Van Niekerk 1983 (3) SA 513 (W) 522H (in Anspielung auf § 50 Abs. 3 (b) Companies Act und § 66 Companies Act): „Die Wetgewer kan . . . die skild wat weens inkorporasie ontstaan kragteloos maak (bv onvoldoende ledetal [§ 66 Companies Act]); waar die maatskappy verkeerd beskryf word op ’n tjek [§ 50 Abs. 3 (b) Companies Act]; . . .“ (per Flemming, J). 454 § 50 Abs. 3 (b) Companies Act dürfte dagegen deshalb nicht als Rechtsscheinstatbestand in Betracht kommen, weil nach südafrikanischer Rechtsprechung eine Haftung des director aus § 50 Abs. 3 (b) Companies Act auch dann entsteht, wenn der director zwar den Namen der Gesellschaft nicht in der in § 50 Abs. 1 Companies Act vorgeschriebenen Form erwähnt („mentioned“), aber ausdrücklich mündlich erklärt, dass er nur im Namen der Gesellschaft unterzeichnet (vgl. Meskin, Henochsberg on the Companies Act I, 100). Es dürfte in solchen Fällen stets an der Gutgläubigkeit des Dritten bezüglich des (schriftlich) gesetzten Rechtsscheins fehlen. 455 Lategan NNO v Boyes 1980 (4) SA 191 (T), per Le Roux, J. a) Sachverhalt (geringfügig vereinfacht): Liverken Pty (Ltd) hatte, vertreten durch Geschäftsführer Mr Boyes, mit Darlehensgeber Mr Pretorius einen Darlehensvertrag abgeschlossen. Mr Boyes hatte mit Mr Pretorius zusätzlich einen Bürgschaftsvertrag (contract of suretyship) abgeschlossen. In einer Folgevereinbarung zwischen Pretorius und Liverken Pty (Ltd), vertreten durch Geschäftsführer Boyes, wurde die Rückzahlungssumme für ein Jahr gestundet,

II. Abgrenzungen

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zugleich aber auch für diese Zeit der Darlehenszins von 2% auf 14% angehoben. Pretorius starb kurz danach. Liverken Pty (Ltd) ging in der Folgezeit in Konkurs. Pretorius’ Erben verklagten nun nicht Liverken (Pty) Ltd (in liquidation), sondern Mr Boyes persönlich auf Zahlung, insbesondere auch auf Zahlung der um 12% erhöhten Zinsen. Gestützt wurde der Klageantrag zum einen auf piercing of the corporate veil und zum anderen alternativ auf Rechtsscheinshaftung (Lategan v Boyes 199H: „The plaintiffs . . . relied in the alternative on an estoppel in that . . . defendant [Mr Boyes] created the impression towards Mr Pretorius that he also acted in his personal capacity in signing the amending agreement . . .“). Mr Boyes wandte dagegen ein, er persönlich sei nicht Vertragspartei der Folgevereinbarung; lediglich Liverken (Pty) Ltd sei Vertragspartei, denn er sei diesbezüglich ausschließlich als gesetzlicher Vertreter (agent) der Liverken (Pty) Ltd aufgetreten (198A). b) Entscheidung: Eine persönliche rechtsgeschäftliche Haftung des Mr Boyes auf Zahlung auch der 12% Zinsen aus erweitertem Bürgschaftsvertrag wurde bejaht. Die Entscheidung stützte sich allerdings gerade nicht auf piercing-Rechtsgrundsätze. Stattdessen wurde Mr Boyes’ Willenserklärung zur erweiternden Abänderung des Bürgschaftsvertrages aus Vertragsauslegungsregeln (Rechtsgrundsatz des ostensible assent) hergeleitet. c) Piercing-erhebliche Ausführungen: Auf Klägerbegehren hin wurde geprüft, ob piercing-Rechtsgrundsätze einschlägig seien (200C–202C). Die vorliegende südafrikanische Rechtsprechung wurde im Hinblick auf piercing-Entscheidungen durchgesehen: Mit Ausnahme von Orkin v Bell gebe es keine südafrikanische piercing-Entscheidung (201C): „I was not referred to any South African authority where the veil of corporate personality had been lifted, nor does Dr Benade [Die Entscheidung bezieht sich auf Benade (1967), THRHR 223; hierzu s. o. Kap. A. I. 2. b) bb)] refer to any South African case where this was known . . . [Im Folgenden (202C–F) wird dargelegt, weshalb die Daimler- und die Rex v Gillett-Entscheidungen nicht als piercing-Entscheidungen angesehen werden können.] A true precedent for this principle does exist in our case law, namely . . . Orkin Bros Ltd v Bell 1921 . . .“ Eine eigene („Lategan v Boyes“)-Regel wurde als obiter dictum aufgestellt zur Frage, wann piercing of the corporate veil geboten sei: Abzustellen sei danach darauf, ob die Gesellschaft rechtsmissbräuchlich verwendet worden sei (201H: „I have no doubt that our courts would brush aside the veil of corporate identity time and again where fraudulent misuse is made of the fiction of legal personality.“) Die Regel selbst spricht nicht davon, dass dieser fraudulent misuse auf die Umgehung einer Pflicht (Gebot / Verbot) gerichtet sein müsse. Sachverhaltsmäßig lag eine solche Pflicht allerdings vor (Bürgschaftsverpflichtung). Unter Verweis auf kanadische Rechtsprechung wurde fraud als zwingende Voraussetzung auch im südafrikanischen Recht angesehen (201 / 202A: „It is interesting to note that the Canadian Courts have refused to disregard the separate identity of companies except upon proof of fraud (see Clarkson Co Ltd v Zhelka (1967) 64 DLR (2a) 457), and there seems no reason to believe that, save where authorized by statute, our Courts would go further at the present juncture.“). Im Folgenden wurde geprüft, ob Mr Boyes’ Verhalten als fraud gegenüber Mr Pretorius gewertet werden könne. Dies wurde verneint: Mr Boyes absichtliches Unterlassen, zur Zeit der Folgevereinbarungsverhandlungen die Frage seiner Bürgen-Rechtsstellung auch im Hinblick auf den erhöhten Zinssatz vorzubringen, sei noch kein fraud gegenüber Pretorius. Mangels Vorliegen von fraud könnten piercing-Rechtsgrundsätze daher hier nicht einschlägig werden (201H: „In the present case, however, there is no evidence that . . . defendant [Boyes] fraudulently failed to mention the position of the sureties. In fact, the evidence shows that all parties concerned, including the attorneys

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

In der Entscheidung wurde piercing of the corporate veil ausgiebig (und unter anderem obiter mit dem Lategan v Boyes-Test456) erörtert. Unterschieden wurde dogmatisch eine Lösung im Wege des piercing of the corporate veil von einer Lösung im Wege der Anwendung des Rechtsgrundsatzes des sogenannten „ostensible assent“457, wobei im Hinblick auf Letztere auf die Entscheidung Steenkamp v Webster verwiesen wurde.458 Der Begriff des ostensible assent acting for . . . [Pretorius und Liverken (Pty) Ltd] . . . forgot about the contract of suretyship when the amending agreement was signed. It follows that no question of fraud arises in this case.“ Ferner Lategan v Boyes 202B: „The failure to advert to the contract of suretyship is as much, if not to a greater extent, the fault of . . . the attorney for . . . Pretorius. The fact that the . . . defendant [Boyes], well-knowing what the terms of the amending agreement were, now takes a sharp point on prejudice does not constitute a fraud on the plaintiffs, although it offends one’s sense of equity.“) Die Frage, ob zudem überhaupt use of a corporate personality vorgelegen habe, wurde somit erst gar nicht mehr erörtert. Die Voraussetzungen der Fallgruppe „Evasion of a contractual obligation by fraudulent use of a corporate personality“ (hierzu s. u. Kap. C. II.) waren in Lategan v Boyes somit nicht erfüllt. Das Gericht schlug im Folgenden einen Lösungsweg ein, den es als alternative Lösung zu einer Lösung über die Anwendung der piercing-Rechtsgrundsätze verstand: Mr Boyes sei persönlich rechtsgeschäftlich haftbar aus dem erweiterten Bürgschaftsvertrag (contract of suretyship), da dieser wegen Mr Boyes’ ostensible assent auch die Zusatzvereinbarung (12% Extrazinsen) erfasse. Die Entscheidung ging somit davon aus, dass sich Mr Boyes’ Bürgschaftsverpflichtung auch auf die neue Zinsvereinbarung stützt (202C–D: „A case which is much more in point than ,lifting of the veil‘cases, is Steenkamp v Webster 1955 (1) SA 524 (A) . . . [In dieser Entscheidung] Centlivres, CJ . . . pointed out that in contract the principle of ostensible assent, as opposed to actual intent, applied . . . Throughout the formation of contracts it is to be observed that not assent, but what the other party is justified as regarding as assent, is essential . . . It seems to me that this disposes of the defence of prejudice raised by . . . defendant [Mr Boyes]. He must be taken to have read the agreement and cannot now be heard to say that he only read it in his capacity as a director of Liverken.“). Vgl. auch Beuthin (1980), ASSAL 278 (279). 456 Hierzu s. o. Kap. A. I. 2. b) ff) (1). 457 Lategan v Boyes 202C–202F: „A case in which a similar offence was felt, and which is much more in point than ,lifting of the veil‘-cases, is Steenkamp v Webster 1955 (1) SA 525 (A). The facts of the case are more blatant than the present one in that a director of a company signed a written agreement of sales on behalf of his company where one of the clauses of the agreement contained a personal suretyship undertaking that the company would pay the purchase price. When he subsequently raised the defence that he had not assented, Centlivres, CJ, in dismissing this defence, pointed out [in Steenkamp v Webster 530B] that in contract the principle of ostensible assent, as opposed to actual intent, applied. He quoted the following passage from Williston on Contracts [ein Lehrbuch] . . . to the following effect: ,Throughout the formation of contracts it is to be observed that not assent, but what the other party is justified as regarding as assent, is essential . . . This rule, though frequently harsh in application, rests upon the fundamental principle of security of business transactions, and the integrity of contracts demands that it be rigidly enforced by the Courts.‘ It seems to me that this disposes of the defence of prejudice raised by the second defendant. He must be taken to have read the agreement and cannot now be heard to say that he only read it in his capacity as a director of Liverken.“ 458 In Steenkamp v Webster 1955 (1) SA 524 530C–D (per Centlivres, CJ) wird darauf verwiesen, dass der in Willistons Lehrbuch dargestellte Rechtsgrundsatz Ähn-

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selbst wird allerdings in keiner der beiden Entscheidungen klar definiert. Er ist bislang überhaupt außer in der Lategan-Entscheidung noch nie von der Rechtsprechung angeführt worden. Zugrunde liegt ihm schlichtweg die Vorstellung, dass Willenserklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen sind. ee) Unterlassungsanspruch gegen die Gesellschaft / Schadensersatzhaftung der Gesellschaft in Fällen von Umgehungen vertraglicher Wettbewerbsverbote mittels Verwendung einer abhängigen Gesellschaft Noch keine klare dogmatische Linie zeigt die südafrikanische Rechtsprechung bislang bei der Behandlung von Fällen, in denen eine natürliche Person eine von ihr eingegangene vertragliche Wettbewerbsunterlassungsvereinbarung durch Verwendung einer Gesellschaft umgeht. Problematisch war hier bislang nach südafrikanischem Rechtsverständnis jeweils, ob ein Unterlassungsanspruch auch gegen die Gesellschaft gerichtet werden kann und woraus die betreffende Gesellschaft eventuell auf Schadensersatz haftet: Eine Vertragsverletzung (breach of contract) kommt nicht in Frage, da die Gesellschaft nicht Vertragspartei der Vereinbarung ist und somit nicht aus ihr verpflichtet ist. Die Rechtsprechung schwankt zwischen zwei Lösungswegen: Zum einen einer Lösung über das gemeinrechtliche Deliktsrecht und die dortige Anspruchsgrundlage intentional assistance in breaching a contract (Beteiligung an fremdem Vertragsbruch459 – in Kanada auch als tort of inducing breach of contract bezeichnet460) und somit über einen deliktsrechtlich hergeleiteten Unlichkeiten mit dem richterlich in Worman v Hughes 1948 (3) SA 495 (AD) 505 entwickelten Rechtsgrundsatz zur Vertragsauslegung hat: „The principle laid down by Williston is similar to the rule of interpretation of contracts enunciated . . . in Worman v Hughes . . . where . . . [the court] said that the rule ,is to ascertain, not what the parties intention was, but what the language used in the contracts means‘, i. e. what their intention was as expressed in the contract. As was said . . . in van Pletzen v Henning, 1913 AD 82 at p. 99, ,the intention of the parties must be gathered from their language, not from what either of them may have had in mind.‘“ 459 Vgl. Münchener Kommentar-Wagner, § 826, Rn. 46: § 826 BGB im Anwendungsfall „Rechtsvereitelung“: Beteiligung an fremdem Vertragsbruch in der Fallgruppe der „Mitwirkung am Vertragsbruch zum Schaden eines Wettbewerbers“. 460 s. Welling, Corporate Law in Canada, 138: „One of the classic corporate law problems involves competition with former employers. It is common practice for employers to require that their employees agree not to open competing businesses after they leave their employment . . . A typical law school exam problem has the former employee set up a corporation which opens a competing business and asks what the former employer can do about it . . . There clearly was no basis for an action in contract against the corporation. True, a contract had been breached: but that was a contract between the plaintiff and . . . the individual. All the corporation had done was to knowingly participate in . . . [another person’s] contractual default. That is a tort.

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terlassungsanspruch461 und eine Primärhaftung der Gesellschaft. Und zum anderen einer Lösung über eine Erstreckung der Verpflichtung der natürlichen Person auch auf die Gesellschaft im Wege eines piercing of the corporate veil und somit konzeptionell einem umgekehrten Durchgriff. Letzteres gilt jedenfalls für Unterlassungsansprüche, ist aber noch nicht so entschieden worden im Hinblick auch auf Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft. In Genwest Batteries (Pty) Ltd v Van der Heyden462 aus dem Jahre 1991 wurde konzeptionell zwischen beiden Unterlassungshaftungsmöglichkeiten unterschieden, der Lösungsweg über eine Haftung aus piercing of the corporate veil ausdrücklich nicht beschritten und stattdessen ein Unterlassungsanspruch gegen die Gesellschaften auf intentional assistance in breaching a contract gestützt.463 Gerade gegenteilig verfuhr die Rechtsprechung im nahezu sachverKnown as the tort of inducing breach of contract . . . Inducing breach of contract is an intentional tort. Consequently, it is possible to secure an injunction against further commission of the tort.“ Welling erörtert a. a. O., 137 ff. detailliert Vor- und Nachteile dieses Lösungsweges. Die Bezeichnung inducing breach of contract für diese Anspruchsgrundlage scheint in Kanada üblich (vgl. Welling a. a. O., 137). Die südafrikanische Rechtsprechung verwendet stattdessen die Bezeichnung intentional assistance in breaching a contract, vgl. Genwest Batteries (Pty) Ltd v Van der Heyden 1991 (1) SA 727 (T) 727G / H 728H– 729A, Le’bergo Fashions CC v Lee and Another 1998 (2) SA 608 (C) 614H–I (jeweils m.w. N.). 461 Im deutschen Recht ist zwar ebenfalls denkbar, einen Unterlassungsanspruch auf § 826 BGB und somit auf Deliktsrecht zu stützen, um ein sittenwidriges Verhalten abzuwehren, das einen Schaden auszulösen droht (vgl. Münchener Kommentar-Wagner, § 826, Rn. 37). Naheliegender ist jedoch, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und nicht aus dem Deliktsrecht herzuleiten. 462 1991 (1) SA 727 (T). 463 Genwest Batteries 1991 (1) 727 (T) 728G–729A (per Goldstein, J): „Counsel for applicant [Gläubiger der Wettbewerbsunterlassungspflicht], relying on obiter dicta of Le Roux in Lategan v Boyes 1980 (4) SA 191 (T) at 200E–200H invited me to apply the doctrine of lifting or piercing the corporate veil in order to hold the fourth and fifth respondents [die beiden Gesellschaften] to the restraint [of trade agreement]. Counsel for these respondents, on the other hand, urged me to adopt the contrary views expressed in obiter dicta by Didcott J in J Louw and Co (Pty) Ltd v Richter 1987 (2) SA 237 (N) at 241C–242G. I prefer not to grapple with this difficult doctrine since it seems to me that the applicant is entitled to interdict the fourth and fifth respondent on the following basis: Each of the first three respondents [natürliche Personen, die die Alleingesellschafter der beiden mitbeklagten Gesellschaften waren] undertook . . . not to compete with the applicant directly or indirectly through any company, and also undertook that such competing company would not operate for their direct or indirect benefit. This undertaking has been breached through the fourth and fifth respondents [die beiden Gesellschaften]. . . . [W]hatever the position in the past may have been, now the fourth and fifth respondents [die beiden Gesellschaften], having perused the papers, are certainly aware of it. Given the history, there is a reasonable apprehension that such respondents will continue to compete as they have done . . . Such competition would amount to intentionally assisting in breaching the undertaking [d.h. die Wettbewerbsunterlassungsvereinbarung]. Such assistance is wrongful and can thus be interdicted.“

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haltsgleichen Fall Le’bergo Fashions CC v Lee464 aus dem Jahre 1998. Dort wird die Genwest Batteries-Entscheidung zwar kurz erwähnt,465 eine Unterlassungsverfügung aber schließlich auf die beiden Entscheidungen Cape Pacific v Lubner 1995 AD und Gilford v Horne466 gestützt.467 Cape Pacific v Lubner 1995 AD ist unstreitig und selbsterklärt eine piercing-Entscheidung.468 In Gilford v Horne fällt zwar nicht der Begriff piercing, doch wird auch diese Entscheidung heute nach allgemeiner Ansicht als piercing-Entscheidung verstanden. Die dortige vertragliche Wettbewerbsunterlassungspflicht des Mr Horne wurde in der Entscheidung kraft reiner Billigkeitserwägungen (equity remedy) auch auf die Gesellschaft erstreckt.469 Derzeit scheint somit die Rechtsprechung beide Lösungswege zu beschreiten, um Unterlassungsansprüche (und eventuell auch Schadensersatzansprüche) gegen die Gesellschaft herzuleiten, ohne dass eine Regel für die Wahl zwischen der einen und der anderen Möglichkeit erkennbar ist. ff) Verhältnis von (echtem) piercing zu Primärhaftung Cape Pacific v Lubner 1995 AD hat (per Smalberger JA) über die Frage entschieden, ob piercing of the corporate veil als Rechtsbehelf (remedy) ausgeschlossen sei, sofern und solange noch andere Rechtsbehelfe zur Durchsetzung eines Anspruchs vorhanden seien.470 Smalberger vertrat hierzu, dass piercing of

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1998 (2) SA 608 (C). Die Anspruchsgrundlage intentional assistance in breaching a contract wird angesprochen in Le’bergo Fashions CC v Lee 614H, die Genwest Batteries-Entscheidung kurz erwähnt in Le’bergo Fashions CC v Lee 615B. 466 Gilford Motors Co Ltd v Horne [1933] Ch 935 (CA). 467 Le’bergo Fashions CC v Lee 609F (bzgl. Cape Pacific v Lubner 1995 AD) und Le’bergo Fashions CC v Lee 609G (bzgl. Gilford v Horne). 468 Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 790B. 469 So die Interpretation der Entscheidung Gilford v Horne in der Entscheidung Jones v Lipman [1962] 1 All ER 442. 470 In Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) hätte Klägerin Cape Pacific Ltd die Gesellschaft GLI in ihre Klage gegen die Gesellschaft LCI einbeziehen können und von GLI auf der Grundlage der sog. doctrine of notice (Kenntnis der GLI zum Zeitpunkt des Erwerbs der Findon-Anteile von LCI davon, dass Cape Pacific (Pty) Ltd hieran kaufvertragliche Rechte gegenüber LCI zustanden) die Herausgabe der FindonAnteile verlangen können (vgl. die Ausführungen hierzu in Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 797B–C m.w. N. und 812D–E). Dies hat sie nicht getan. Cape Pacific Ltd hatte von der Übertragung der FindonAnteile von LCI auf GLI schon 1980 Kenntnis erlangt und trotzdem in ihrer erstinstanzlichen Klage 1987 nur LCI auf Herausgabe verklagt. Das doctrine of noticeRechtsmittel der Cape Pacific Ltd war daher nach Eintritt der Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung ausgeschlossen (precluded), vgl. Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 797C. Zum Sachverhalt und zur Entscheidung Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) s. ausführlich unten Kap. C. II. 1. a) bb). 465

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

the corporate veil ein neben den anderen Rechtsbehelfen gleichberechtigter Rechtsbehelf sei und zwischen ihnen ein Wahlrecht bestehe.471 Das Vorliegen eines solchen anderweitigen Rechtsbehelfs solle lediglich als einer der möglichen Faktoren in Betracht genommen werden bei der Abwägung, ob piercing of the corporate veil in einem konkreten Sachverhalt überhaupt als Rechtsmittel zugelassen werden solle.472 Die Erstinstanz (per Friedman J)473 war dagegen noch von der Subsidiarität des piercing of the corporate veil ausgegangen und hatte piercing als ultima ratio verstanden.474 Ebenso wollte in Cape Pacific v Lubner 1995 AD auch das Minderheitsvotum (per Van Heerden JA) verfahren.475 c) Dogmatisch eigenständiges konzernbezogenes piercing (group-related piercing)? Wenig ist in Südafrika bislang geschrieben worden zur Frage, ob piercing of the corporate veil im Verhältnis Gesellschafter-Gesellschaft etwas anderes sei als im Verhältnis verbundener Gesellschaften zueinander oder im Verhältnis solcher Gesellschaften zur group-Spitze.476

471 Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 805G–H (per Smalberger, JA): „In principle, I see no reason why piercing of the corporate veil should necessarily be precluded if another remedy exists. As a general rule, if a person has more than one legal remedy at his disposal, he can select any one of them; he is not obliged to pursue one rather than another (although there may be instances where once he has made an election he will be bound by it). If the facts of a particular case otherwise justify the piercing of the corporate veil, the existence of another remedy, or the failure to pursue what would have been an available remedy [wie Cape Pacific Ltds Versäumnis, in ihrer ursprünglichen Klage die GLI auf der Grundlage der doctrine of notice mit auf Herausgabe zu verklagen], should not in principle serve as an absolute bar to a court granting consequential relief.“ 472 Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 805H / I (per Smalberger, JA): „The existence of another remedy, or the failure to pursue one that was available, may be a relevant factor when policy considerations come into play, but it cannot be of overriding importance.“ 473 Case No. 1357 / 82 (Cape Provincial Division, per Friedman, J). 474 Vgl. Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 805F (per Smalberger, JA): „It seems implicit in the trial Judge’s [Friedman, J] finding that the remedy of piercing the corporate veil is only available where a plaintiff has no other remedy at his disposal. No authority was quoted for this proposition. Nor did the respondents [LCI, GLI, Mr Lubner], who support it, refer us to any.“ 475 Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 812D und F–G (per Van Heerden, JA): „Dit is natuurlik waar dat indien ’n eiser twee remedies het, hy kan kies van welke een hy gebruik wil maak. Volgens my beskouing kom die ontsluieringsremedie egter ter sprake slegs indien die eiser nie andersins sy regte teen die betrokke regspersoon kan afdwing nie. Anders gestel, is dit ’n voorvereiste vir bedoelde remedie dat die eiser daarsonder reddeloos is.“ 476 Zum Begriff „group“ s. u. Kap. B. II. 1. b) bb).

II. Abgrenzungen

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Bislang wurde bei verbundenen Gesellschaften – außerhalb des Steuerrechts – noch kein Haftungsdurchgriff praktiziert, weder horizontal im Verhältnis der Gesellschaften zueinander noch vertikal zu Lasten der group-Spitze. Um eine solche Haftung der Obergesellschaft (holding company) für Verbindlichkeiten ihrer Untergesellschaft (subsidiary) gegenüber Dritten zu bewerkstelligen, würde man nach bisher erkennbarer Tendenz in der Rechtsprechung477 eher zu agency-Konstruktionen (holding company als principal der subsidiary als ihr agent) als zu piercing of the corporate veil greifen.478 Da bislang noch kein echtes piercing bei verbundenen Gesellschaften anerkannt ist, bleiben die folgenden Ausführungen auf das unechte piercing (tatbestandliche Zurechnungen und Tatsachenermittlungen) beschränkt. Solches unechtes piercing wird von der südafrikanischen Rechtsprechung bei verbundenen Gesellschaften praktiziert.479 Flemming J ordnete in Botha v van Niekerk derartige Fälle als eigene piercing-Fallgruppe ein. Er nahm zudem an, dass für diese Fälle wohl andere Wertungen gelten müssten als für die übrigen Fälle,480 machte jedoch keine weiteren Erläuterungen hierzu. Nicht klar ist somit, ob damit insbesondere auch der Minderheitsgesellschafterschutz angesprochen war. Ottolenghi hält diese Fälle für eine eigene piercing-Form („Extending the veil“), begründet dies allerdings unzureichend.481 Beispiele eines solchen extending the veil sollen unter anderem die Konzernrechnungslegungsvorschriften (group accounts – in Südafrika als group financial statements oder consolidated financial statements bezeichnet)482, die Steuergesetzgebung (Corporation Tax 477 Vgl. die drei Schlüsselentscheidungen Wallersteiner v Moir (CA 1974) [1974] 3 All ER 217 (englische Entscheidung), Ritz Hotel Ltd v Charles of Ritz Ltd 1988 (3) SA 290 (A) und Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A): Wallersteiner v Moir (1974): Rechtsfolgenzurechnung (Schadensersatzhaftung); natürliche Person als Konzernspitze; beteiligungsrechtlich begründete Abhängigkeitsverhältnisse; Falllösung im Wege einer piercing (façade / alter ego)-Konstruktion erwogen, aber abgelehnt; letztlich im Wege einer agency-Konstruktion gelöst. Cape Pacific v Lubner (1995): Rechtsfolgenzurechnung (kaufvertragliche Erfüllungshaftung); natürliche Person als Konzernspitze; rein faktisch begründete Abhängigkeitsverhältnisse; Fall im Wege einer piercing-Konstruktion gelöst. Ritz v Ritz (1988): Tatbestandszurechnung innerhalb einer group; holding company als group-Spitze; holding company / subsidiary-Rechtsverhältnis; Fall letztlich im Wege einer (umgekehrten) agency-Konstruktion gelöst, aber Sympathie für economic entitybegründete Zurechnung gezeigt. 478 Vgl. Kap. B. II. 1. und C. IV. 1. b) aa). 479 Vgl. Kap. C. IV. 1. 480 Botha v Van Niekerk 1983 (3) SA 513 (W) 523 A: „Vrae na beheer en ignorering van afsonderlike identiteit van filiaalmaatskappye, is ’n afsonderlike terrein waar waarskynlik eiesoortige oorwegings voldoende mag wees.“ 481 Ottolenghi (1990), MLR 347. Zu Ottolenghis Begriff des extending the veil s. o. Kap. A. I. 2. b) aa), Fn.-Apparat. 482 §§ 288 und 15A Companies Act.

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Act) sowie die Entscheidung DHN sein.483 Dabei berücksichtigt Ottolenghi allerdings nur ungenügend, dass gerade bei group accounts die Mitgliedergesellschaften der group als gesonderte Rechtspersonen beachtet bleiben, denn sie müssen ebenso wie die Muttergesellschaft nach wie vor noch jeweils ihre eigene Bilanz und ihre eigene Gewinn- und Verlustrechnung vorlegen; die Konzernrechnungslegung ist lediglich ein Zusatzerfordernis an die Muttergesellschaft. Problematisch scheint auch, dass Ottolenghi diese Fälle in eine Gruppe wirft mit Fällen wie Gilford Motor Co Ltd v Horne484 mit der Begründung, dort würden jeweils mehrere Rechtssubjekte (in den group-Fällen Obergesellschaft und Untergesellschaften, in Gilford Co Ltd v Horne Mr Horne und seine Gesellschaft) als „one unit – like an enlarged legal entity“ behandelt.485 Dies ist verfehlt, denn im Beispiel Gilford Co Ltd v Horne wurden Unterlassungsansprüche sowohl gegen Mr Horne persönlich als auch gegen die von ihm beherrschte Gesellschaft anerkannt, Horne und die dortige Gesellschaft wurden also nicht als „one enlarged legal entity“ angesehen. Gower erwähnt group-bezogenes piercing ebenfalls in einer eigenen Kategorie und hält piercing of the corporate veil dort für notwendig, um bestehende Unzulänglichkeiten des hergebrachten englischen Gesellschaftsrechts im Hinblick auf die Behandlung verbundener Gesellschaften auszugleichen.486 Zusammenfassend lässt sich damit über die südafrikanische Rechtsprechung nur wenig Bestimmtes sagen: Wohl scheint sie anzunehmen, dass bei einer group of companies andere Wertungen zugrunde zu legen seien als beim piercing außerhalb des Bereichs verbundener Gesellschaften. Nicht klar ist aber, welche Wertungen dies sind. Eingehendere Untersuchungen der Commonwealth-Rechtslehre (Ottolenghi) haben bislang noch nicht in südafrikanische Entscheidungen Eingang gefunden. Sie wurden lediglich – und weitgehend unreflektiert – in der südafrikanischen Literatur (Davids)487 zur Kenntnis genommen. Gegenwärtig lässt sich daher nicht von einem dogmatisch eigenständigen konzernbezogenen piercing („group-related piercing“) sprechen.

483 DHN Food Distributors Ltd v London Borough of Tower Hamlets [1976] 3 All ER 462 (CA). Zur economic entity-Theorie s. u. Kap. C. IV. 1. b) bb). 484 [1933] Ch 935 CA. 485 Ottolenghi (1990), MLR 348. 486 Gower, Principles of Company Law (1992), 118 ff. (Überschrift „Company groups“). 487 Davids, Lifting the Corporate Veil, 50 ff.

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d) Zusammenfassung In Südafrika beginnt sich im Hinblick auf die Funktion des piercing of the corporate veil eine Zweiteilung des Begriffs abzuzeichnen: Unterschieden wird nach echtem piercing (im Sinne einer Handlungszurechnung und eines Haftungsdurchgriffs) einerseits und einem qualitativen Eingriffsminus, dem unechten piercing, andererseits. Das unechte piercing deckt den Bereich der Eigenschaft- und Wissenszurechnungen ab. Ferner fallen hierunter auch schon bloße Gesellschafter betreffende Tatsachenermittlungen. Vereinzelt wird noch gesetzesrechtliches piercing (statutory piercing) als dritte funktionelle piercingGruppe genannt. Dies scheint jedoch überflüssig. In Südafrika traten in mehrfacher Hinsicht Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von (echtem) piercing zu Primärhaftungen auf: Eingehend diskutiert wird in dieser Hinsicht § 424 Abs. 1 Companies Act (fraudulent / reckless trading). Die Literatur ordnet ihn mehrheitlich als statutory piercing ein, allerdings ohne klare dogmatische Begründung. Die Rechtsprechung hat hierzu noch nichts gesagt. Der Streit um § 424 Abs. 1 Companies Act dreht sich nahezu ausschließlich um eine mögliche Haftung des director. Die über § 424 Abs. 1 Companies Act ebenfalls problemlos mögliche Haftung eines Gesellschafters hat man darüber bislang weitgehend aus den Augen verloren. Streit besteht ferner um die Einordnung der Entscheidung Orkin v Bell aus dem Jahre 1921. Dort lag ein Sachverhalt vor, der heute unter den Tatbestand des § 424 Abs. 1 Companies Act fiele. Unstimmig mit der Einordnung des § 424 Abs. 1 Companies Act wird diese Entscheidung von der heute herrschenden Ansicht der Literatur nicht als piercing-Entscheidung verstanden. Die jüngere Rechtsprechung versteht Orkin v Bell ebenfalls nicht als piercing-Entscheidung. Abgrenzungsunsicherheiten traten allgemein bei der Einordnung der Organhaftung (director) auf. Das gilt sowohl für die gemeinrechtliche Deliktshaftung als auch für die sui generis-Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act. Das Problem des Verhältnisses von deliktischer Organhaftung zu piercing ist bislang weitgehend unerörtert geblieben. Du Plessis und Henning haben herausgestellt, dass dogmatisch hierbei streitig ist, ob zuerst ein vorangehendes piercing of the corporate veil notwendig ist, bevor auf ein Organ zugegriffen werden kann zwecks dessen persönlicher deliktischer Haftung (sog. gesellschaftsrechtlicher Ansatz) oder ob eine solche Haftung auch unmittelbar möglich ist (sog. deliktsrechtlicher Ansatz). Abgrenzungsunsicherheiten tauchen ferner bei der Einordnung der beiden Normen § 50 Abs. 3 (b) Companies Act (Haftung des director) und § 63 (a) Close Corporations Act (Haftung der Gesellschafter) auf. Allerdings ist dies

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bislang so gut wie nicht problematisiert worden. Eine klare Unterscheidung zwischen Haftung aufgrund eines piercing of the corporate veil einerseits und (im Wege der Auslegung ermittelter rechtsgeschäftlicher) Haftung aus ostensible assent andererseits hat die Rechtsprechung dagegen in Lategan v Boyes getroffen. Zwei parallele Lösungswege verfolgt die Rechtsprechung derzeit bei der Herleitung von Unterlassungsansprüchen gegen die Gesellschaft bzw. von Schadensersatzhaftung der Gesellschaft in Fällen von Umgehungen vertraglicher Wettbewerbsverbote mittels Verwendung einer abhängigen Gesellschaft: Dort wurde die piercing doctrine noch nicht zugunsten des Deliktsrechts verabschiedet, stattdessen fährt die Rechtsprechung zweigleisig (Genwest Batteries im Gegensatz zu Le’bergo v Lee). Die in der deutschen Literatur mittlerweile verbreitete Unterscheidung zwischen Durchgriffshaftung einerseits und Konzernaußenhaftung andererseits wird in Südafrika inzwischen auch vereinzelt und verhalten vorgebracht. Von einem fundierten Konzept kann hier aber noch keine Rede sein. Es lässt sich daher bislang in Südafrika nicht von einem dogmatisch eigenständigen konzernbezogenen piercing („group-related piercing“) sprechen. 3. Vergleichende Betrachtung Folgende Vergleichsergebnisse lassen sich im Hinblick auf das jeweilige Verständnis der Begriffe Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil festhalten: Ein unterschiedliches Verständnis zeigt die jeweils herrschende Ansicht in Deutschland und Südafrika im Hinblick darauf, wie beim Durchgriff bzw. beim piercing of the corporate veil auf das Trennungsprinzip eingewirkt wird. Nach dem deutschen Verständnis bewirkt Durchgriff die Erstreckung einer Verbindlichkeit der GmbH auch auf die Gesellschafter, so dass dem Gläubiger dann zwei Schuldner zur Verfügung stehen. Nicht dagegen bedeutet Durchgriffshaftung eine Schuldnerbefreiung oder -ersetzung oder gar eine (vollständige oder nur punktuelle in Bezug auf einen bestimmten Anspruch) Auflösung der Rechtssubjektseigenschaft der juristischen Person. Auch die Vorstellung, dass die Gesellschafter „hinter der juristischen Person stehen“, ist dem deutschen Gesellschaftsrecht fremd. Nach deutscher Rechtsauffassung stehen sich vielmehr Gesellschafter und Gesellschaft als Rechtssubjekte gegenüber und sind mitgliedschaftsrechtlich miteinander verbunden. Selbst bei Hinwegfingierung oder Auflösung der juristischen Person gingen deren Verbindlichkeiten nicht auf die Gesellschafter über, sondern gingen schlichtweg unter. Ottolenghi zufolge schließt der Begriff lifting (piercing) of the corporate veil im Hinblick auf den Haftungsdurchgriff die beiden Varianten „penetrating the veil“ und „ignoring the veil“ ein: Die Erste entspricht in der Rechtsfolge der

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Haftungserstreckung auch auf die Gesellschafter, die Zweite (Auflösung der juristischen Person, Gesellschafter als verbleibende einzige Schuldner) ist dem deutschen Gesellschaftsrecht unbekannt. In Südafrika wird – wie sich aus den Formulierungen des § 65 Close Corporations Act und der Leitentscheidung Cape Pacific v Lubner 1995 AD (per Smalberger JA) ergibt – ein Verständnis des piercing of the corporate veil vertreten, dem die Vorstellung einer nur punktuell in Bezug auf einen bestimmten Anspruch aufgelösten Rechtsperson zugrunde liegt. In Südafrika wie in Deutschland ist versucht worden, ein einheitliches Rechtsinstitut Durchgriff bzw. einen allgemeingültigen Rechtsgrundsatz piercing of the corporate veil zu entwickeln. Solche Versuche sind in Deutschland heute als erfolglos aufgegeben. Der Begriff „Durchgriff“ wird nur noch als Stichwort für eine Reihe rechtlich verschiedener Problembereiche verstanden. In Südafrika werden dagegen heute noch immer wieder neue sogenannte piercing-Prüftests vorgeschlagen. Diese bemühen sich jeweils darum, ein allgemeingültiges Prinzip aufzudecken, das hinter allen piercing-Entscheidungen steht und folglich verlässlich darüber Auskunft geben kann, wann jeweils piercing of the corporate veil anzuwenden sei. Keiner dieser piercing-Tests hat sich allerdings bislang durchsetzen können. Der zwischenzeitlich (1983–1995) gültige onduldbare onreg-Test aus der Entscheidung Botha v Van Niekerk (Flemming J) ist in Cape Pacific v Lubner 1995 AD (Smalberger JA) wieder beseitigt worden und ist durch einen balancing-Test ersetzt worden. Dieser scheint sich inzwischen als neuer allgemeiner Prüftest zu verfestigen. In Deutschland ist von verschiedenen Lehren versucht worden zu erklären, was Durchgriff ist. Im Wesentlichen stehen sich die herrschende Lehre, derzufolge es sich dabei um eine Durchbrechung des Trennungsprinzips handelt, und die Normzwecklehre gegenüber. Daneben gibt es die Stimmen, die einen Durchgriff gänzlich ablehnen und Lösungen zumeist über Primärhaftungstatbestände finden wollen. Die ganz herrschende Meinung in Südafrika entspricht der deutschen herrschenden Lehre mit dem Unterschied, dass sie im Hinblick auf ihr Verständnis der juristischen Person von der Fiktionstheorie ausgeht und sich somit die Durchbrechung des Trennungsprinzips als „Hinwegfingieren“ der Rechtspersönlichkeit der juristischen Person vorstellt. Alternative Lehren (Benade, Larkin) haben bei weitem nicht die Bedeutung erlangen können, die die Normzwecklehre (Müller-Freienfels) in Deutschland erlangt hat. Stimmen, die piercing of the corporate veil als Rechtsgrundsatz (principle) gänzlich ablehnen und stattdessen „piercing-frei“ eine Lösung finden wollen, gibt es in Südafrika – abgesehen von Larkin, der zumindest weitgehend „piercing-frei“ eine Lösung finden will – nicht. Solche Vorschläge, die zur Lösung piercing-relevanter Sachverhalte ausschließlich auf hergebrachte

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

common law-Rechtsgundsätze, namentlich das Deliktsrecht, abstellen wollen und diese nötigenfalls entsprechend weiterentwickeln wollen, wurden in der kanadischen Rechtslehre (Welling) laut. Innerhalb der deutschen Rechtslehre haben vor allem Flume, K. Schmidt, Wilhelm und Rehbinder für vollständig oder weitgehend durchgriffsfreie Lösungen plädiert. Ihnen lassen sich Welling und Larkin nur bedingt als Entsprechungen zuordnen: Welling lehnt zwar ebenso wie Flume piercing bzw. Durchgriff rundweg ab. Allerdings tut er dies im Unterschied zu Flume nicht mit dem Argument, dass es kein Trennungsprinzip gebe, sondern im Gegenteil mit dem Argument, dass das Trennungsprinzip absolut sei und es deshalb ein piercing of the corporate veil nicht geben dürfe. Larkin ist zwar wie Rehbinder (und dessen „bürgerlich-rechtlicher Ansatz“ im Hinblick auf den Durchgriff) der Ansicht, dass piercing of the corporate veil weitgehend verzichtbar sei, weil ebenso gut über hergebrachte Rechtsgrundsätze („traditional grounds“) Lösungen gefunden werden könnten. Jedoch geht Larkin hierbei von einem sehr eigenen piercing-Verständnis aus (Larkins entity theory), während Rehbinders Durchgriffsbegriff dem der herrschenden Meinung der Literatur folgt. Die entity theory (Larkin) und die Normzwecklehre (Müller-Freienfels) haben Gemeinsamkeiten, aber auch bedeutsame Unterschiede. Gemeinsam ist ihnen der Ausgangspunkt ihrer rechtlichen Beurteilung: Beide schauen auf den Zweck der jeweils einschlägigen Sachverhaltsnorm (legal rule) und fragen, wie dieser am besten durchgesetzt werden könne. Nach der Normzwecklehre wird der Zweck der einschlägigen Sachverhaltsnorm abgewogen gegen den Zweck der Trennungsnorm (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Larkin spricht von einer solchen Abwägung nicht ausdrücklich; jedoch dürfte sie seiner entity theory auch zugrunde liegen. Überwiegt der Zweck der Sachverhaltsnorm, so werden nach der Normzwecklehre die Gesellschafter dadurch zum Zurechnungsobjekt, dass der rechtliche Rahmen der Zurechnungseinheit juristische Person einfach zu Lasten der Gesellschafter verschoben wird. Unterlegt wird dies damit, dass die juristische Person ohnehin nur ein bloßes rechtstechnisches Kürzel sei. Larkin dagegen geht von der Unveränderlichkeit einer juristischen Person aus und steht fest zum entity principle. Von einer relativen Rechtsfähigkeit wie nach der Normzwecklehre ist keine Rede. Durch Normauslegung würden die Gesellschafter unmittelbar als Zuordnungsobjekt ermittelt, ohne dass hierfür erst die Grenzen der Zurechnungseinheit company verschoben werden müssten. Dieser der Normzwecklehre innewohnende Zwischenschritt entfällt also. Außerdem will Larkin piercing of the corporate veil noch als Notlösungsmechanismus beibehalten für die Fälle, in denen hergebrachte Rechtsregeln an der

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Vielschichtigkeit des Gesellschaftsrechts scheitern. Die Normzwecklehre sieht Vergleichbares nicht vor. Sowohl im deutschen als auch im südafrikanischen Recht folgt man mehrheitlich einer fallgruppenmäßigen Betrachtungsweise (categorisation approach). Weder die deutsche noch die südafrikanische Rechtsprechung haben eine verbindliche Liste von Fallgruppen anerkannt. Im Gegensatz zur deutschen hat die südafrikanische jedoch mehrmals in obiter dicta versucht, eine solche Liste zu erstellen (beispielsweise Flemming in Botha v Van Niekerk und Nel in Cape Pacific v Lubner 1993 CPD). Die deutsche Rechtsprechung begegnete dem Durchgriff lange Zeit insgesamt mit viel größerer Zurückhaltung und neigte dazu, deliktsrechtliche Lösungen zu bevorzugen. Dies hat sich allerdings mit der Anerkennung der Existenzvernichtungshaftung geändert. Folgende Vergleichsergebnisse lassen sich im Hinblick auf das jeweilige Verständnis von der Funktion des Durchgriffs bzw. des piercing of the corporate veil und im Hinblick auf seine Abgrenzung zu benachbarten Zurechnungs- / Haftungsmöglichkeiten festhalten: Sowohl im deutschen wie im südafrikanischen Recht wird funktional zweigeteilt nach Durchgriff im engeren Sinn bzw. echtem piercing und sonstigen Durchgriffsfragen bzw. unechtem piercing. Ersteres wird dabei jeweils als (Zahlungs-)Haftungsdurchgriff verstanden, letzteres als Zurechnungsdurchgriff auf tatbestandlicher Seite oder als sonstiger Rechtsfolgendurchgriff. In der deutschen Rechtslehre ist diese Grobunterscheidung (zumeist mit den Begriffen Haftungsdurchgriff und Zurechnungsdurchgriff) inzwischen verbreitet. In Südafrika wird sie zwar vereinzelt getroffen, hat sich aber noch längst nicht etabliert. Stattdessen werden meist nach wie vor einfach alle einschlägigen Entscheidungen undifferenziert als piercing-Entscheidungen bezeichnet. In Südafrika werden außerdem bereits bloße Tatsachenermittlungen (Tatsachen über Gesellschafter und Gesellschaftereigenschaften) als (unechtes) piercing verstanden (RP Crees v Woodpecker488). Dies ist in Deutschland nicht so. Dort ist von Durchgriff frühestens dann die Rede, wenn (ermittelte) Tatsachen oder Eigenschaften zugerechnet werden (Zurechnungsdurchgriff). Vereinzelt wird in Südafrika schließlich gesetzesrechtliches (statutory) piercing als gesonderte funktionale piercing-Kategorie verstanden. Eine solche Kategorie ist jedoch überflüssig; sie geht in den beiden ersten Kategorien auf. In Deutschland werden außerhalb des Steuerrechts keine Normen als gesetzlicher Durchgriff diskutiert. In Deutschland spielt der (Zahlungs-)Haftungsdurchgriff eine erhebliche Rolle neben dem Zurechnungsdurchgriff. In Südafrika ist eine im Wege des 488

Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. VI. 2.

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

piercing of the corporate veil bewerkstelligte Zahlungshaftung der Gesellschafter dagegen bislang unbekannt. Als piercing of the corporate veil verstandene Rechtsfolgendurchgriffe tauchten bisher nur bei Unterlassungspflichten (Le’bergo v Lee), Auskunfts- / Einsichtspflichten (Gering v Gering489) und kaufvertraglichen Besitzverschaffungspflichten (duty to deliver the res vendita [Cape Pacific v Lubner 1995 AD]) auf. Die gesamte piercing-Thematik dreht sich daher nur um den Bereich der sonstigen Durchgriffsfragen (tatbestandliche Zurechnungen und Erstreckungen nicht auf Zahlung gerichteter Verpflichtungen). In Botha v Van Niekerk490 war die Erstreckung einer Kaufpreiszahlungspflicht im Wege des piercing of the corporate veil von der Klägerin begehrt, wurde jedoch vom Gericht abgelehnt. Innerhalb der sonstigen Durchgriffsfragen hat in Deutschland die neuere Rechtslehre damit begonnen, Untergruppen zu bilden. Die Terminologie hierfür ist allerdings uneinheitlich. Die vorliegende Arbeit listet mit Drax vier Untergruppen auf. In Südafrika sind innerhalb der Fälle des unechten piercing noch keine funktionellen Untergliederungen versucht worden. Allenfalls die Tatbestandsfeststellungen scheinen zunehmend als gesonderte Untergruppe verstanden zu werden. Im Übrigen werden alle in Frage kommenden Entscheidungen undifferenziert als piercing of the corporate veil bezeichnet und auf die bestehenden piercingFallgruppen (case categories) verteilt. Diese decken sich allerdings zum größeren Teil mit den deutschen Untergruppen zu den allgemeinen Durchgriffsfragen: Was im deutschen Recht als sonstiger Rechtsfolgendurchgriff eingeordnet wird, wird in Südafrika teilweise im Wege des piercing of the corporate veil gelöst und dann in die gesonderte piercing-Fallgruppe „Evasion of a duty (obligation) prohibition by means of fraudulent use of a corporate personality“491 eingeordnet (vgl. Le’bergo v Lee). Methodisch geht es dann wie im deutschen Recht um die Erstreckung einer (zumeist) Wettbewerbsunterlassungspflicht von der vertraglich verpflichteten natürlichen Person auch auf die von ihr abhängige Gesellschaft. Teilweise werden solche Fälle allerdings anstatt auf piercing of the corporate veil auf gemeinrechtliche deliktische Anspruchsgrundlagen (intentional assistance in breaching a contract) gestützt (vgl. Genwest Batteries). Beide Lösungswege scheinen derzeit unkoordiniert nebeneinander herzulaufen. Was im deutschen Recht als Einwirkungsfall (vgl. Bilanz-Fall) eingeordnet wird, wird in Südafrika in eine piercing-Fallgruppe „Alter ego“492 eingeordnet

489 490 491 492

Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. VI. 2. Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. II. 1. a) bb). Hierzu s. u. Kap. C. II. 1. Hierzu s. u. Kap. C. VI. 2.

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(Gering v Gering493). Sowohl im Bilanz-Fall als auch in Gering v Gering ging es um eine Erstreckung von Auskunfts- und Einsichtspflichten. Was im deutschen Recht als Zurechnungsfall im Hinblick auf Eigenschaften, Wissen (Kenntnis) oder Wollen eingeordnet wird, wird in Südafrika in die piercing-Fallgruppe „Attribution / imputation of personal characteristics or knowledge / intention“494 eingeordnet. Methodisch geht es um tatbestandliche Zurechnungen. In Südafrika werden dabei sowohl Zurechnungen seitens der Gesellschafter als auch (streitig) Zurechnungen seitens der Organe (directors) als piercing of the corporate veil aufgefasst. Im deutschen Recht kann nur eine Zurechnung seitens der Gesellschafter als (umgekehrter) Zurechnungsdurchgriff gelten. Zurechnungen seitens der Organe sind dagegen kein Zurechnungsdurchgriff, sondern im Sinne der Organtheorie Eigeneigenschaft, Eigenwollen oder Eigenhandlung der juristischen Person. Die Trennung nach Durchgriffshaftung einerseits und Konzernaußenhaftung andererseits ist im deutschen Recht zunehmend anerkannt, in Südafrika dagegen unbekannt. Ein Konzernaußenhaftungsrecht besteht dort nicht. In Südafrika ist eine Obergesellschaft bislang noch nie im Wege des piercing of the corporate veil für die Verbindlichkeiten ihrer Untergesellschaft haftbar gemacht worden. Übereinstimmung zeigt sich dagegen bei tatbestandlichen Zurechnungen innerhalb von Konzernen bzw. groups of companies: In Südafrika werden alle diese Fälle in einer eigenen piercing-Fallgruppe „group-Rechtsverhältnisse“ (holding company /subsidiary-Rechtsverhältnisse) zusammengefasst. In Deutschland werden außerhalb des Bereichs der Konzernaußenhaftung und damit jedenfalls im gesamten Bereich tatbestandlicher Zurechnungen Konzernsachverhalte auf die Fallgruppen der allgemeinen / sonstigen Durchgriffsfragen verteilt (und so beispielsweise Heumann / Ogilvy als sonstiger Rechtsfolgendurchgriff bzw. die Entscheidung Maklerprovision II als Fall wirtschaftlicher Personenidentität eingeordnet). Sowohl im deutschen als auch im südafrikanischen Recht wird Durchgriffshaftung bzw. piercing-Haftung von Primärhaftungstatbeständen abgegrenzt. In beiden Rechtsordnungen tauchen hierbei Abgrenzungsunsicherheiten auf: In Deutschland wurden früher gelegentlich Primärhaftung aus § 826 BGB und Durchgriffshaftung nicht säuberlich getrennt. Daneben zeigten sich vereinzelt Unsicherheiten bei der Abgrenzung zu gesetzlich nicht allgemein geregelten Haftungsprinzipien wie der Rechtsscheins- und der Vertrauenshaftung aus venire contra factum proprium. Und schließlich traten Abgrenzungsschwierigkeiten im Bereich der rechtsgeschäftlichen Primärhaftung auf (Auslegung von Willenserklärungen, Eigengeschäft des Vertreters). 493 494

Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. VI. 2., Fn.-Apparat. Hierzu s. u. Kap. C. I. 1.

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A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

In Südafrika besteht Unsicherheit vorwiegend im Hinblick auf die Einordnung einiger gesetzlich geregelter Haftungsnormen. Dies betrifft in erster Linie § 424 Abs. 1 Companies Act. Gelegentlich zeigt sich auch Unsicherheit bei § 50 Abs. 3 (b) Companies Act sowie § 63 (a) Close Corporations Act, die nach deutschem Verständnis ebenfalls kein gesetzlich geregelter Haftungsdurchgriff sind, sondern Primärhaftung aus Rechtsschein oder aus Eigengeschäft des Vertreters. In Lategan v Boyes zeigen sich ferner Abgrenzungsschwierigkeiten im Hinblick auf eine im Wege der Auslegung einer Willenserklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont ermittelten rechtsgeschäftlichen Haftung einerseits und piercing-Haftung andererseits. Allerdings wird dort, nachdem eine Haftung im Wege eines piercing of the corporate veil ausführlich erörtert wurde, im Ergebnis klar zwischen beiden getrennt und einer im Wege der Auslegung der Willenserklärung (Vertragsrechtsgrundsatz des ostensible assent) ermittelten rechtsgeschäftlichen Primärhaftung gefolgt. Abgrenzungsunsicherheiten tauchen in Südafrika schließlich auf bei der Frage, worauf ein künftiger Unterlassungsanspruch gegen die Gesellschaft und ihre eventuelle Haftung gestützt werden kann in Fällen, in denen die Gesellschaft zwecks Umgehung von Wettbewerbsunterlassungsabsprachen verwendet wird. Was das Verhältnis von piercing of the corporate veil zu anderen Rechtsbehelfen (Cape Pacific v Lubner 1995 AD) bzw. von Durchgriffshaftung zu deliktischen Primäransprüchen (KBV) angeht, stimmen südafrikanisches Recht und deutsches Recht überein: Piercing of the corporate veil bzw. Durchgriffshaftung sind nicht subsidiär; vielmehr besteht ein Wahlrecht bzw. eine Anspruchskonkurrenz. Was die persönliche Haftung eines Organs gegenüber Dritten für organschaftliches Handeln / Unterlassen betrifft, wird in der südafrikanischen Literatur im Gegensatz zur deutschen im Bereich des Deliktsrechts diskutiert, ob eine solche persönliche deliktische Haftung des Organs (director) unmittelbar oder erst nach vorangegangenem piercing of the corporate veil möglich sei. Der sogenannte deliktsrechtliche Ansatz will den director unmittelbar haften lassen. Der sogenannte gesellschaftsrechtliche Ansatz geht dagegen davon aus, dass zuerst ein piercing of the corporate veil als notwendiger Zwischenschritt erfolgen muss, bevor der Weg für eine Haftung des director frei ist. Auch dieser zweite Ansatz fasst die Haftung des directors somit nicht etwa im Sinne des deutschen Durchgriffsverständnisses als Haftungserstreckung auf (Erstreckung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft), sondern als Primärhaftung des director. Im Gegensatz zur Rechtslage im übrigen Commonwealth (insbesondere Kanada, wo klar der gesellschaftsrechtliche Ansatz vorgezogen wird) ist bislang nicht erkennbar, welche Ansicht sich in Südafrika durchsetzen wird. Die Problematik ist – von der südafrikanischen Rechtslehre (Du Plessis / Henning) eingestandenermaßen – bislang stiefmütterlich behandelt worden.

II. Abgrenzungen

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Im deutschen Recht stellt sich weder aus der Sicht der (jedenfalls im Bereich der Verhaltenszurechnung von Organen in § 31 BGB normierten) Organtheorie495 noch aus der Sicht der Vertretertheorie496 die Frage, ob eine persönliche Haftung des Geschäftsführers eventuell als Durchgriffshaftung einzuordnen sei. Vielmehr dreht sich die Diskussion einzig darum, inwieweit eine persönliche Haftung des Organs gegenüber Dritten für Handeln in seiner Eigenschaft als Organ überhaupt noch möglich ist. Allgemeingesetzlich geregelt ist sie in § 311 Abs. 3 BGB (sog. cic-Eigenhaftung des Vertreters); anerkannt ist ferner die Möglichkeit deliktischer Haftung. Eine Haftung aus § 179 Abs. 1 BGB dürfte dagegen praktisch kaum denkbar sein,497 insbesondere weil eine solche Haftung ja schon bei einfacher Fahrlässigkeit des Geschäftsgegners ausgeschlossen ist (vgl. § 179 Abs. 3 BGB). Im deutschen Recht wird unstreitig getrennt: Entweder ist ein Handeln / Wollen des Geschäftsführers der Gesellschaft gemäß § 31 BGB (Organtheorie) der juristischen Person im Wege der Eigenzurechnung zurechenbar, oder es kommt in allen übrigen Fällen nur noch eine persönliche primäre deliktische Haftung des Geschäftsführers in Betracht. Eine Durchgriffshaftung des Geschäftsführers in seiner Eigenschaft als Organ (Erstreckung einer deliktischen Haftung der Gesellschaft auf den Geschäftsführer) ist dagegen nicht möglich. Die südafrikanische Rechtsprechung und Rechtslehre sind sich derzeit noch nicht darüber einig, welche Art von Haftung § 424 Abs. 1 Companies Act auslöst. Dies rührt vor allem daher, dass im Mittelpunkt der Diskussion die Haftung des director steht und hierbei Streit darüber herrscht, ob § 424 Abs. 1 495 Im Bereich der Wissenszurechnung hat der BGB inzwischen eine Abkehr von der Organtheorie vollzogen. Zu Einzelheiten s. u. Kap. C. I. 2. 496 Zum Streit der Theorien und zu Einzelheiten der Zurechnung s. u. Kap. C. I. 2. 497 Ein Vertretungsorgan kann nur dann Vertreter ohne Vertretungsmacht sein, wenn und soweit die Vertretungsmacht beschränkbar ist und von dieser Beschränkungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wurde. Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers der GmbH und des Vorstandes der AG ist jedoch nach außen unbeschränkbar (§ 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, § 82 Abs. 1 AktG). Denkbar ist somit nur noch der Fall, dass ein Organ trotz bestehender Gesamtvertretung (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, § 78 Abs. 2 AktG) das Vertretergeschäft allein abschließt: Die Rechtsprechung hat hier Missbrauch der Vertretungsmacht angenommen, vgl. OLG Dresden 1985 NJW-RR 803 (ablehnend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 II 2 a), BGH 1960 WM 611 (614), BGH 1966 WM 491 (492), RGZ 134, 67 (72). Die Rechtslehre schwankt zwischen einer Anwendung der Regeln zum Missbrauch der Vertretungsmacht (§ 242 BGB) und einer analogen Anwendung der § 177 ff. BGB, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 II 2 b. K. Schmidt a. a. O., § 10 II 2 c–d will die Voraussetzungen, unter denen ein Missbrauch der Vertretungsmacht des Organs gegenüber einem Dritten durchschlägt, aus § 242 BGB ableiten, die Rechtsfolgen dagegen den analog anzuwendenden §§ 177 ff. BGB entnehmen. Eine Haftung des Organs aus § 179 Abs. 1 BGB ist im Übrigen der juristischen Person nicht über § 31 BGB zurechenbar. § 31 BGB würde sonst zulässige Beschränkungen der Vertretungsmacht aushebeln (Münchener Kommentar-Reuter, § 31, Rn. 21– 24).

140

A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Companies Act eine Pflicht des director begründet und welcher Art diese Pflicht ist: Der Teil der Rechtslehre, der von einer durch § 424 Abs. 1 Companies Act gesetzlich begründeten Pflicht des director ausgeht, vertritt mehrheitlich, dass es sich hierbei um eine Treupflicht (fiduciary duty) handelt. § 424 Abs. 1 Companies Act begründete in diesem Fall eine Haftung sui generis, nicht aber eine Deliktshaftung. Die Mindermeinung geht davon aus, dass es sich hierbei um eine Sorgfaltspflicht (duty of care), nicht aber um eine Treupflicht handelt. In diesem Fall bekommt § 424 Abs. 1 Companies Act erhöhte Ähnlichkeit mit einer Deliktshaftung. Jedoch erfüllt § 424 Abs. 1 Companies Act trotz einiger Tatbestandsähnlichkeit mit den gemeinrechtlichen Deliktstatbeständen fraud und negligence mehrere Merkmale eines deliktischen Haftungstatbestandes nicht. Die südafrikanische Literatur versteht ihn deshalb überwiegend als gesetzliche Haftung sui generis. Unklarheit besteht des Weiteren darüber, ob § 424 Abs. 1 Companies Act eine eigene gesetzliche Pflicht des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft beinhaltet oder lediglich eine um Gläubigerinteressen erweiterte Pflicht des director gegenüber der Gesellschaft. Die Rechtsprechung hat noch nicht deutlich hierzu Stellung genommen. Aus der Sicht des deutschen Rechts laufen beide Alternativen unzweifelhaft auf eine Primärhaftung des director hinaus. Eine Primärhaftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten aus Treupflichtverletzung gibt es im deutschen Recht nicht. Auch die Pflichten zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung sind dem Geschäftsführer nur im Verhältnis zur Gesellschaft, nicht aber im Verhältnis zu Dritten (insbesondere den Gläubigern der Gesellschaft) auferlegt.498 Im Verhältnis zur Gesellschaft bestehen dagegen Treupflichten; diese sind teilweise gesetzlich geregelt (§ 43 Abs. 1 GmbHG; § 93 Abs. 1 AktG). Im Gegensatz zu Südafrika wird in Deutschland nicht darüber gestritten, ob diese Treupflicht des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft auch die Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger der Gesellschaft mit einschließt. Anerkannt ist im Recht der GmbH, dass die Gesellschafter eine Treupflicht haben. Jedoch besteht diese nur im Verhältnis zur GmbH sowie im Verhältnis der Gesellschafter zueinander.499 Im Recht der Aktiengesellschaften war eine solche Treupflicht des Aktionärs lange nicht anerkannt (vgl. Audi / NSU500),501 498 Scholz-Emmerich, GmbHG-Kommentar, § 43, Rn. 217 unter Verweis auf BGHZ 31, 258 (278). 499 Ulmer-Raiser, GmbHG-Kommentar, § 14, Rn. 72 m.w. N. Eine Treupflicht der GmbH-Gesellschafter untereinander und eine sich aus ihrer Verletzung ergebende Schadensersatzpflicht hat der BGH erstmals in der „ITT“-Entscheidung (BGHZ 65, 15) anerkannt. 500 BGH 1976 WM 449 („Audi / NSU“).

II. Abgrenzungen

141

zeichnet sich aber seit Linotype502 ab. Sowohl in der GmbH als auch in der Aktiengesellschaft treffen Treupflichten in erster Linie den Mehrheitsgesellschafter bzw. Mehrheitsaktionär und sind daher nicht für jeden Gesellschafter gleich.503 Eine Treupflicht der GmbH-Gesellschafter oder des Aktionärs einer Aktiengesellschaft gegenüber Dritten besteht dagegen nicht und wird auch nicht diskutiert. In Südafrika ist wie im deutschen Recht die Treupflicht des director gegenüber der Gesellschaft unstreitig und ist dort im Gemeinrecht geregelt. Umstritten ist dagegen, ob auch eine (gemeinrechtliche) Treupflicht des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft anerkannt werden soll oder zumindest die Belange der Gläubiger der Gesellschaft mit in die Treupflicht des director gegenüber der Gesellschaft einbezogen werden sollen. Der Streit wurde dadurch angefacht, dass eine dahingehende Entwicklung in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre in den meisten Commonwealth-Rechtsordnungen im Gange war (in England Winkworth v Edward). Ein Teil der südafrikanischen Rechtslehre verneint die Notwendigkeit der Anerkennung einer solchen Pflicht mit dem (fragwürdigen) Argument, dass mit § 424 Abs. 1 Companies Act eine vergleichbare Haftung des director bereits geregelt sei. Die südafrikanische Rechtsprechung hat – unter dem Eindruck der Entwicklung im Commonwealth – die diesbezügliche Schutzbedürftigkeit der Gläubiger der Gesellschaft insbesondere in Insolvenzfällen zwar anerkannt, jedoch nur in obiter dicta. Jedenfalls bei solventen Gesellschaften wird eine solche Pflicht des director dagegen abgelehnt. Eine Treupflicht der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft wird in Südafrika weder anerkannt noch wird sie diskutiert. In Bezug auf deliktische Primärhaftung gegenüber Dritten gilt: Die deliktische Primärhaftung des Geschäftsführers wird im deutschen Recht vorwiegend über § 823 Abs. 2 BGB bewerkstelligt bei Verletzung eines im Interesse der Gläubiger stehenden Schutzgesetzes. Eine Haftung über § 823 Abs. 2 BGB trifft dagegen nur selten die Gesellschafter, da nur wenige Schutzgesetze im Verhältnis Geschäftsführer / Gesellschafter adressatenneutral sind. Ferner ist eine Haftung aus § 826 BGB für beherrschende Gesellschafter, geschäftsführende Gesellschafter und Nur-Geschäftsführer in mehreren Fällen anerkannt worden.

501 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 I 4 m.w. N. K. Schmidt hält allerdings das Verbot des § 243 Abs. 2 AktG für die Ausprägung einer allgemeinen Treupflicht des Aktionärs. 502 BGHZ 103, 184 („Linotype“). 503 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II 4 a: „Als Richtschnur gilt hier die Formel von Zöllner [Kölner Kommentar, 1. Auflage, Einl. Rn. 169], wonach dem Maß des Einflusses das Maß der Verantwortlichkeit entsprechen muß.“

142

A. Durchgriffsverständnis / piercing-Verständnis und Abgrenzungen

Im südafrikanischen Recht können sowohl directors als auch Gesellschafter über § 424 Abs. 1 Companies Act primär haften aufgrund des entsprechend weiten Adressatenkreises dieser Vorschrift. Neben einer Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act kann unproblematisch sowohl für directors als auch für Gesellschafter eine gemeinrechtliche Haftung aus negligence oder fraud greifen. Ferner hat die Rechtsprechung in den Fällen, in denen eine Wettbewerbsunterlassungspflicht durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft umgangen wurde, common law-deliktsrechtlich aus intentional assistance in breaching a contract haften lassen (Genwest Batteries), um einen künftigen Unterlassungsanspruch zu begründen. Im deutschen Recht ist zwar denkbar, einen Unterlassungsanspruch auf § 826 BGB zu stützen, um ein sittenwidriges Verhalten abzuwehren, das einen Schaden auszulösen droht.504 Naheliegender ist jedoch, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und nicht aus dem Deliktsrecht herzuleiten. Das Problem der Haftung des sogenannten faktischen Organs ist im deutschen Recht noch nicht abschließend geklärt. Die Rechtsprechung hat mit der Einbeziehung des faktischen Geschäftsführers in die zivilrechtliche Geschäftsführerhaftung des GmbH-Gesetzes begonnen. Bislang ist allerdings insofern lediglich anerkannt, dass auch das faktische Organ eine Insolvenzantragsstellungspflicht i. S. d. § 64 GmbHG hat.505 Neben einer solchen eingeleiteten Schutzgesetzhaftung i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB kann ein faktisches Organ unproblematisch persönlich aus § 823 Abs. 1 BGB und § 826 BGB gegenüber Geschäftspartnern der Gesellschaft haften. Ob ferner eine cic-Eigenhaftung als Vertreter / Sachwalter noch in Betracht kommt, scheint fragwürdig, zumal die jüngere Rechtsprechung die Anforderungen hierfür wieder erheblich verschärft hat. Im südafrikanischen Recht werden faktische Organe (faktische Geschäftsführer) unter den Begriff des „directing mind“ gefasst; das englische Gesetzesrecht verwendet den Ausdruck „shadow director“. Haftungstechnisch bereiten sie weniger Schwierigkeiten als ihr deutsches Gegenstück, denn sie können (jedenfalls theoretisch) von der weiten Haftungsadressaten-Formulierung des § 424 Abs. 1 Companies Act („[A]ny person who was knowingly a party to the carrying on of the business“) miterfasst werden. Allerdings wird eine solche Diskussion in Südafrika überhaupt noch nicht geführt. Rechtsprechung liegt nicht vor. Dies rührt vor allem daher, dass § 424 Abs. 1 Companies Act aufgrund konzeptioneller Schwächen bislang erst wenig einschlägig war. Unproblematisch kann der faktische Geschäftsführer ferner aus gemeinrechtlichem Deliktsrecht (fraud, negligence; intentional assistance in breaching a contract) haften.

504 505

Münchener Kommentar-Wagner, § 826, Rn. 37 f. BGH 1988 NJW 1789.

II. Abgrenzungen

143

In Südafrika tauchen immer noch vereinzelt Meinungen auf, die den Fall Orkin v Bell für einen Fall von piercing of the corporate veil halten (insbesondere Le Roux J obiter in Lategan v Boyes). Die vordringende und wohl inzwischen überwiegende Ansicht hält ihn dagegen für einen Fall von Primärhaftung, der nichts mit piercing of the corporate veil zu tun hat. Nach deutscher Rechtsauffassung ist der Fall zweifelsfrei kein Durchgriffsfall, sondern ein Fall deliktischer Primärhaftung. Eine Primärhaftung gegenüber Dritten aus gesetztem Rechtsschein ist im deutschen Recht sowohl für Gesellschafter506 als auch für Geschäftsführer507 möglich, typischerweise wenn im Rechtsverkehr ohne den GmbH-Zusatz gezeichnet wird. Vergleichbare Sachverhalte liegen in Südafrika vor und sind für die close corporation in § 63 (a) Close Corporations Act geregelt. Für die company besteht eine ähnliche Haftung in § 50 Abs. 3 (b) Companies Act. Sie kann allerdings nur eine Haftung des director begründen, nicht aber auch der Gesellschafter. Zumindest im Hinblick auf § 50 Abs. 3 (b) Companies Act scheint es richtig, ihn nicht als Tatbestand einer Rechtsscheinshaftung, sondern als Eigengeschäftshaftungsregelung zu verstehen. In Deutschland bestand jedenfalls in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes längere Zeit eine Tendenz zur durchgriffsfreien Lösung. Bevorzugt wurden Lösungen im Wege deliktischer Primärhaftung gefunden, vor allem über § 823 BGB Abs. 2 BGB und gemäß § 826 BGB. Die Rechtslehre hatte bereits früher (Rehbinder und dessen „bürgerlich-rechtlicher Ansatz“) dahingehende Vorschläge unterbreitet. Zwei anerkannte Ausnahmen bestehen jedoch inzwischen: Dies sind zum einen die Fälle der Vermögensvermengung508 und zum anderen die Fälle der Existenzvernichtung.509 Dort will der Bundesgerichtshof jeweils Durchgriffshaftung greifen lassen. Die südafrikanische Rechtsprechung hat eine vergleichbare Neigung zum Deliktsrecht nicht erkennen lassen. Selbst in der Rechtslehre gibt es – abgesehen von Larkin – keine Stimmen, die dahin tendieren. Der Vorschlag Wellings aus der kanadischen Rechtslehre ist bislang in Südafrika noch nicht erörtert worden.

506 507 508 509

Scholz-Schneider, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 63. Scholz-Emmerich, GmbHG-Kommentar, § 43, Rn. 219. Hierzu s. u. Kap. C. V. 1. b). Hierzu s. o. Kap. A. II. 1. b) bb) und unten Kap. C. II. 2. a).

B. Rechtliche Verankerung der Durchgriffshaftung / des piercing of the corporate veil Im deutschen wie im südafrikanischen Recht ist jeweils versucht worden, die Ausnahmekonstruktion Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil anstatt im Wege der Institutsbildung über die vorhandenen Möglichkeiten der jeweiligen Rechtsordnung herzuleiten.

I. Deutsche Rechtslage (Rechtliche Verankerung der Durchgriffshaftung) In Deutschland sind unterschiedliche rechtliche Verankerungen vorgeschlagen worden, um eine Durchgriffshaftung zu bewerkstelligen. Im Mittelpunkt stand dabei das Problem, eine anspruchsbegründende Norm zu finden.1 1. Durchgriffshaftung gemäß analoger Anwendung des § 128 Satz 1 HGB Der Bundesgerichtshof hat erstmals in seiner Autokran-Entscheidung (1985)2 obiter zum Haftungsdurchgriff und dessen Rechtsfolgenseite Stellung genommen.3 Danach ist § 128 Satz 1 HGB analog anzuwenden. Mit dieser Analogie 1

Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 98 ff. BGHZ 95, 330 („Autokran“). – Dort beherrschte eine natürliche Person H als Alleingesellschafter sieben Gesellschaften mbH, die mehrere Autokräne zum Zwecke der Weitervermietung geleast hatten. Nachdem die Gesellschaften mbH ihre Verpflichtungen aus den Leasingverträgen nicht mehr erfüllten, nahmen deren Gläubiger den H persönlich im Wege der Durchgriffshaftung in Anspruch. Der BGH erkannte in seiner Entscheidung obiter den Haftungsdurchgriff in Fällen der Vermögensvermengung zwischen GmbH und Gesellschafter an und stützte ihn auf eine analoge Anwendung des § 128 Satz 1 HGB. Eine persönliche Haftung des H im Wege der Durchgriffshaftung lehnte der BGH jedoch ab. Stattdessen ließ er H im Wege der Konzernhaftung analog § 303 AktG als Konzernspitze des vorliegenden qualifiziert faktischen Konzerns persönlich haften. Eine derartige Konzernhaftungslösung ist allerdings seit BGHZ 149, 10 („Bremer Vulkan“) heute wohl nicht mehr möglich. 3 BGHZ 95, 332: „Wenn ein Ausnahmetatbestand vorliegt, dessentwegen sich die GmbH-Gesellschafter auf die rechtliche Selbständigkeit der GmbH als juristische Person nicht berufen dürfen, so heißt das, daß sie zu behandeln sind, als hätten sie das von der GmbH betriebene Handelsgeschäft selbst ohne Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG) geführt. In entsprechender Anwendung der §§ 105, 128 HGB haften sie daher persönlich; . . .“ s. a. OLG Düsseldorf 1990 GmbHR 44: „Grundsätzlich haftet für die Verbindlichkeiten einer GmbH nur das 2

I. Deutsche Rechtslage

145

zu den Vorschriften aus dem Recht der offenen Handelsgesellschaft folgte der Bundesgerichtshof früheren Vorschlägen der Literatur.4 Diese Analogie im Hinblick auf die Rechtsfolge ist stimmig: Denn auch bei der offenen Handelsgesellschaft (oHG) sind zwei Haftungsmassen und zwei Schuldner zu unterscheiden. Und auch dort ist der Inhalt der Schuld oder Haftung der Gesellschaft massgeblich für die daran gekoppelte Schuld oder Haftung der Gesellschafter.5 Jedoch haften im Recht der oHG die Komplementäre nach § 128 Satz 1 HGB für die Zahlungsverbindlichkeiten der oHG unmittelbar, primär und persönlich neben der oHG, die selbst nach § 124 Abs. 1 HGB haftet. Hierin liegt ein Unterschied zum Recht der GmbH. Dort haften die Gesellschafter grundsätzlich nicht neben der GmbH (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Im Recht der GmbH ist die persönliche Haftung des Gesellschafters im Gegensatz zum Recht der oHG nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme. Deshalb lassen sich im Hinblick auf eine Durchgriffshaftung des GmbH-Gesellschafters wohl nur die Rechtsfolgen einer solchen Haftung aus § 128 Satz 1 HGB herleiten, nicht aber auch deren haftungsbegründender Tatbestand.6 Als haftungsbegründenden Tatbestand hat der Bundesgerichtshof bislang zum einen ausdrücklich die Vermögensvermengung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft anerkannt.7 Zum anderen hat er jüngst als neuen haftungsbegründenden Tatbestand die Existenzvernichtung etabliert (Bremer Vulkan; KBV). Die Literatur hat hier wiederum verbreitet § 128 HGB zur Erklärung der Rechtsfolgenseite dieser Durchgriffshaftung herangezogen.8 Fastrich gibt dagegen allerdings zu bedenken, dass der Bundesgerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff zwar erneut auf § 128 Satz 1 HGB Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Ausnahmsweise sind ein Gesellschafter und eine von ihm beherrschte GmbH haftungsmäßig als Einheit anzusehen, wenn die Berufung auf die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft gegen den Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde; in einem solchen Falle ist der Gesellschafter so zu behandeln, als hätte er das von der Gesellschaft betriebene Handelsgeschäft selbst ohne Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen geführt, so daß er in entsprechender Anwendung der §§ 105, 128 HGB persönlich haftet . . .“ 4 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 4 III 1. s. a. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 12 (Fn. 31) und 84 (Fn. 18). 5 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 12 und 14. Die Haftung der oHG-Gesellschafter ist – ähnlich einer Bürgenhaftung – akzessorisch zur Haftung der Gesellschaft und inhaltlich eng und unmittelbar an diese angelehnt. 6 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 12. 7 s. u. Kap. C. V. 1. b). Vgl. auch OLG Thüringen 2002 GmbHR 112 (114), das die Rechtsfolgenseite einer Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermengung mit § 128 HGB erklärt: „IV. Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung [:] Darüber hinaus besteht ein Durchgriffsanspruch der Kl.in analog § 128, § 129 HGB gegen die Bekl. . . . wegen Vermögensvermischung.“ 8 Zuerst Bitter (2001), WM 2139 und Ulmer (2002), JZ 1050. Ebenso Lutter / Banerjea (2003), ZGR 430.

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

Bezug genommen hat, letztlich aber zu einer Ausfallhaftung gekommen ist,9 die sich mit § 128 Satz 1 HGB nicht gut in Einklang bringen lässt.10 Darin liegt ein Schwachpunkt der BGH-Lösung. 2. Durchgriffshaftung gemäß § 242 BGB als anspruchsbegründende Rechtsfolgenerstreckung Ein Teil der Literatur versteht Durchgriffshaftung als Erstreckung einer (Zahlungs-)Verbindlichkeit der GmbH auf die Gesellschafter.11 Angesichts der gesetzlich verankerten Haftungsbeschränkung des Gesellschafters (§ 13 Abs. 2 GmbHG, § 1 Abs. 2 AktG) wird hierfür allerdings eine eigene Anspruchsgrundlage für erforderlich gehalten. Eine solche allgemeine Anspruchsgrundlage für eine Durchgriffshaftung findet sich jedoch nirgends. Allenfalls kommt § 242 BGB in Betracht.12 Es ist jedoch streitig, ob § 242 BGB außerhalb bestehender Sonderverbindungen überhaupt als Anspruchsgrundlage dienen kann.13 Die Rechtsprechung scheint das abzulehnen.14 Eine solche rechtliche Sonderverbindung wird zwischen den Gläubigern der GmbH und den Gesellschaftern in der Regel ohnehin nicht vorliegen. Mit § 242 BGB steht die Durchgriffshaftung somit auf einer fragwürdigen und ungeklärten Anspruchsgrundlage.15

9

s. o. Kap. A. II. 1. b) bb) (1). Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 17. 11 Benne, Haftungsdurchgriff bei der GmbH, insbesondere im Fall der Unterkapitalisierung in: Rechtsfragen der Handelsgesellschaften, Band 39, Köln 1978 (zugl. Diss. Universität Mainz 1978) 27 f., Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 14. 12 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 17. 13 Vgl. Benne, Haftungsdurchgriff bei der GmbH, 28 f. 14 Vgl. BGHZ 95, 393 (399): „Dabei kann es hier dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen aus § 242 BGB unmittelbar eine vertragliche Forderung als ,an sich‘ nicht bestehendes Recht begründet werden kann (vgl. dazu BGH Urt. v. 23. April 1981 – VII ZR 196 / 80 – NJW 1981, 1779).“ Vgl. auch BGHZ 88, 344 (351): „Wie der Senat im Anschluß an das Reichsgericht . . . in ständiger Rechtsprechung . . . betont hat, ergeben sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten benachbarter Grundstückseigentümer grundsätzlich aus den gesetzlichen Bestimmungen des Nachbarrechts. Deshalb hat § 242 BGB für das nachbarliche Zusammenleben hauptsächlich einschränkende und ausgleichende Bedeutung. Der dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis zugrundliegende Gedanke von Treu und Glauben begründet in der Regel keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus.“ 15 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 18. 10

II. Südafrikanische Rechtslage

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II. Südafrikanische Rechtslage (Rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil) In Südafrika werden zur Lösung piercing-erheblicher Sachverhalte teilweise hergebrachte Gemeinrechtsgrundsätze (traditional principles, nämlich das law of agency, das law of partnership und law of trusteeship) herangezogen. Vereinzelt wurden diese sogar zusammengefasst als alternativer Lösungsweg zum piercing of the corporate veil verstanden (sog. „principles approach“).16 1. Agency-Konstruktionen (agency approach) Der agency approach behandelt die Gesellschaft als Stellvertreter (agent) und ihre Gesellschafter bzw. (bei verbundenen Gesellschaften) ihre Obergesellschaft als Geschäftsherrn (principal).17 Agency-Konstruktionen im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft stehen nach herrschender Ansicht nicht im Widerspruch zu den Rechtsgrundsätzen der grundlegenden Entscheidung Salomon v Salomon aus dem Jahre 189718, in der das Trennungsprinzip gemeinrechtlich festgeschrieben wurde.19 a) Sind agency-Konstruktionen ein piercing of the corporate veil? Streitig ist in der Commonwealth- und auch in der südafrikanischen Rechtslehre, ob agency-Konstruktionen im Verhältnis zwischen Gesellschafter (principal) und Gesellschaft (agent) bzw. zwischen Obergesellschaft (principal) und Untergesellschaft (agent) als piercing-Fallgruppe oder als rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil einzuordnen sind.20 16

Beck (1987), CICL 74: „A[n] . . . approach which has been put forward could be described as the ,principles‘ approach. The proponents of this argue that it is unnecessary, or even unacceptable to pierce the veil; the answer to problems where veil-piercing arguments have been used is to be found in the application of the ordinary principles of law. One of these is agency; there have also been suggestions that tort can be of use [Welling] as well as the law of employment [Flannigan].“ 17 Die englische Rechtsprechung hat ein umgekehrtes agency-Rechtsverhältnis bislang nur einmal angenommen (William Cory & Son Ltd v Dorman Long & Co. Ltd [1936] 2 All ER 386), vgl. Mayson, Company Law, 128. 18 Salomon v Salomon Co & Ltd 1897 AC 22 (HL). 19 Vgl. oben Kap. A. I. 2. b) aa). Anderer Ansicht jedoch Powles, The ,Seethrough‘ Corporate Veil, in: MLR, (40) 1977, 339 und Schmitthoff, Salomon in the shadow, in: JBL, 1976, 305 (307). Beide räumen allerdings ein, dass die Rechtsprechung im Anschluss an Salomon v Salomon dennoch immer wieder agency-Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschafter und Gesellschaft angenommen hat. 20 Vgl. die Übersichten bei Davids, Lifting the Veil, 55 (Fn. 29), 60 und 142 sowie bei Ottolenghi (1990), MLR 345 (Fn. 70):

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

Ottolenghi versteht agency als rechtliche Verankerung des lifting of the corporate veil.21 Ihr Verständnis von agency und dem Verhältnis zwischen agency und lifting ist dadurch geprägt, dass Ottolenghi eine vollständige Missachtung der juristischen Person (ignoring) für systemwidrig („against the legal system“) hält und deshalb – im Gegensatz zur gängigen Meinung – davon ausgeht, dass beim lifting (gleichgültig, ob in der Form des Zurechnungs- oder des Haftungsdurchgriffs) immer zwei Rechtspersonen erhalten bleiben müssen.22 Aufgrund dieses engen Verständnisses von lifting kann Ottolenghi auch stimmig agency als rechtliche Verankerung des lifting einordnen. Die herrschende Ansicht – nach deren Verständnis piercing dazu führe, dass die Rechtsperson der juristischen Person durchbrochen oder gänzlich zerbrochen werde23 – verfängt sich hier dagegen in Unstimmigkeiten: Zwar stimmt die ganz überwiegende Ansicht der Literatur darin überein, dass ein agency-Rechtsverhältnis das Trennungsprinzip zwischen Gesellschafter und Gesellschaft gerade bestätigt, weil es zwei getrennte Rechtspersonen erfordert (principal und agent).24 Doch wird erstaunlicherweise innerhalb der südafrikanischen Rechtslehre aus der nahezu einhelligen Erkenntnis, dass agency-Rechtsverhältnisse zwingend stets zwei Rechtsträger erfordern, nicht ebenso einhellig der Schluss gezogen, dass es sich folglich Als Fallgruppe des piercing wird agency klassifiziert von Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 15, Cilliers, Corporate Law, 14, Farrar, Company Law, 70, Pennington, Company Law, 48 und Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 241 ff. Als rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil wird agency klassifiziert von Cane, Guide to Company Law, 11, Dobson, Lifting the veil in four countries: Argentina, England, France, USA, in: ICLQ, (35) 1986, 839 (847 ff.) und Ottolenghi (1990), MLR 345 f. Zu Ottolenghi s. o. Kap. A. I. 2. b) aa). 21 Ottolenghi (1990), MLR, 353: „Let us re-examine now the general description of lifting the veil in the literature, and see how it fits into our categories. Let us take the statement by Farrar [Farrar, Company Law, 2. Auflage 1988], about which an Australian judge says: ,This is as good an attempt to summarise the case as I’ve seen.‘ Farrar lists the main legal categories under which the cases of lifting the veil may be headed as follows: (1) agency; (2) fraud; (3) group enterprises; (4) trusts; (5) enemy; (6) tax; (7) The companies legislation. From our viewpoint, this list is composed of the justifications for lifting the veil, the considerations of the courts and the means by which the veil is actually lifted. To analyse the list in more detail: ,agency‘ and ,trusts‘ are but ways of penetrating the veil; ,fraud‘ is one of the justifications for lifting the veil; ,group enterprises‘ is the case in which their veil is extended; ,enemy‘ is one of the cases in which peeping behind the veil is necessary, with a possible penetration of the veil as a result; ,tax avoidance‘ is one of the considerations of the courts for lifting the veil, either by merely peeping behind it or in specific instances, mainly statutory ones, also penetrating it; and the last – ,the companies legislation‘ – is but one of the legislative enactments containing provisions for lifting the veil in all of the first three categories.“ 22 Ottolenghi (1990), MLR 351. s. o. Kap. A. I. 2. b) aa). 23 s. o. Kap. A. I. 2. b) aa). 24 Z. B. Davids, Lifting the Veil, 55 unter Verweis auf Mayson, Company Law. Im Hinblick auf eine Tochtergesellschaft als agent z. B. Botha, Recognition of the group concept in company law, in: De Jure, (15) 1982, 107 (118, mit Verweis auf Firestone Tyre & Rubber Co Ltd v Lewellin [1956] 1 All ER 693).

II. Südafrikanische Rechtslage

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dabei nicht um piercing of the corporate veil (weder als rechtliche Verankerung noch als Fallgruppe) handeln kann, weil weder ein Rechtsträger verneint wird (ignoring / disregarding) noch ein zusätzlicher Haftungsträger geschaffen wird.25 Bislang scheint das lediglich Milo einzuleuchten.26 Insgesamt neigt die deutlich überwiegende Commonwealth-Rechtslehre dazu, agency-Konstruktionen im Verhältnis Gesellschafter / Gesellschaft als eine piercing-Fallgruppe zu verstehen,27 und demgegenüber nur eine junge Mindermeinung (namentlich Ottolenghi) dazu, sie als rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil zu werten. Die südafrikanische Rechtslehre folgt noch deutlich der Mehrheitsmeinung. Davids ordnet unstimmig agency einerseits als rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil ein,28 andererseits anscheinend mit Blick auf die Rechtslage in Südafrika als Fallgruppe des piercing of the corporate veil.29 Hier zeigt sich wohl Ottolenghis Einfluss: Unschwer erkennbar ist, dass Davids – in etwas unglücklicher Weise – den Versuch unternommen hat, die Unstimmigkeiten, die der herrschenden südafrikanischen Meinung innewohnen (Verständnis des Konzepts piercing als Durch- / Zerbrechung der juristischen Rechtsperson einerseits, zugleich Verständnis von agency als Fallgruppe des piercing andererseits) zu beseitigen sowie traditionelles südafrikanisches Verständnis (agency als Fallgruppe) mit Ottolenghis innovativem Ansatz (agency als rechtliche Verankerung des lifting) zu verbinden und dabei infolge Ottolenghis besonderem, engen lifting-Verständnis – das nicht mit der traditionellen Meinung übereinstimmt30 – auf Schwierigkeiten gestoßen ist. 25 Zum gleichen Befund kommt Siebert, Die Durchgriffshaftung im englischen und deutschen Recht, in: Europäische Hochschulschriften, Reihe 2, Band 4004, Frankfurt 2004 (zugl. Diss. Universität Mainz 2003) 200 mit Blick auf die Lage im englischen Recht. 26 Milo, The liability of a holding company for the debts of its subsidiary: Is Salomon still alive and well?, in: SALJ, (115) 1998, 318 (326): „The doctrine of piercing the veil has often been confused in academic writings and in judicial pronouncements with agency . . . [Milo verweist im Folgenden in Fn. 47 beispielhaft auf Schmitthoff (1976), JBL 307: „Thus, for example, Clive M Schmitthoff has referred to two broad categories of veil-piercing – agency and abuse of the corporate form. See his ,Salomon in the Shadow‘ 1976 J[ournal] of Business Law 305 at 307. . . .“] The correct position is that in order for the holding company to be held liable for the debts of its subsidiary under the law of agency, the general principles of the law of agency [und nicht etwa veil-piercing] need to be applied to the facts of the particular group scenario . . .“ s. a. Milo (1989), SALJ 343. 27 Griffig formuliert Ottolenghi (1990), MLR 345 unter Verweis auf u. a. Pennigton, Company Law und Farrar, Company Law: „The current wisdom is that agency is one of the cases in which the court will lift the veil.“ 28 Davids, Lifting the Veil, 54 ff., Kap. 3.3.1.1 („How the veil is lifted“). 29 Davids, Lifting the Veil, 140 ff., Kap. 6.3.1.3 (Fallgruppe „Instrumentality, alter ego and agency“). 30 s. o. Kap. A. I. 2. b) aa).

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

Die südafrikanische Rechtsprechung hat bislang nicht ausdrücklich dazu Stellung genommen, wie agency-Rechtsverhältnisse und piercing zueinander stehen. Jedoch lässt sich aus Banco de Moçambique v Inter Science and Development Services (Pty) Ltd 31 (per Goldstone J) deutlich ablesen, dass Goldstone J das dort angenommene agency-Rechtsverhältnis (Zentralbank von Moçambique als agent der Regierung von Moçambique als principal) als einen Lösungsweg verstanden hat, der etwas anderes als piercing of the corporate veil darstellt.32 Ausgehend vom piercing-Verständnis der herrschenden Meinung scheint es deshalb vorzugswürdig, zusammen mit Milo agency-Konstruktionen als einen alternativen Lösungsweg zu einem Lösungsweg über piercing of the corporate

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1982 (3) SA 330 (T). Banco de Moçambique 1982 (3) SA 330 (T) 331C (per Goldstone, J: „Held . . . that the applicant [Zentralbank von Moçambique] was an agent . . . of the Government of Moçambique . . . [I]n this case there was no principle of law justifying the radical step of ,piercing the corporate veil‘.“ Ebenso 345F. a) Sachverhalt: Die Regierung von Moçambique schuldete der südafrikanischen Inter-Science Research (Pty) Ltd aus vorangegangenen Gutachterverträgen Werklohn, den sie allerdings nicht bezahlte. Inter-Science Research (Pty) Ltd ließ deshalb Konten, die die Zentralbank von Moçambique bei der südafrikanischen Niederlassung der Bank of Lisbon unterhielt, in Höhe der Werklohnforderung gerichtlich pfänden. Die Zentralbank ist ein Unternehmen, das in 100%-igem Anteilsbesitz der Regierung von Moçambique steht. Die Zentralbank klagte nun auf Aufhebung dieses Pfändungsbeschlusses. Zur Begründung führte sie an, dass sie und die Regierung von Moçambique voneinander unabhängige Rechtspersonen seien und deshalb sie allein und nicht die Regierung von Moçambique Inhaberin dieser Konten sei. Inter-Science Research (Pty) Ltd brachte hiergegen vor, dass die Zentralbank ein „organ or department“ der Regierung von Moçambique sei, nicht aber ein „independent body“. Alternativ, dass andernfalls zu piercing of the corporate veil gegriffen werden müsse und das Vermögen der Zentralbank als das der Regierung angesehen werden müsse. b) Entscheidung: Der Klage der Zentralbank wurde stattgegeben. Nach ausführlicher Erörterung (Banco de Moçambique 333A–343H) wurde abgelehnt, die Zentralbank als organ der Regierung einzuordnen (Banco de Moçambique 343H); bei dieser Diskussion wurden die Begriffe organ und alter ego gleichgesetzt (Banco de Moçambique 339A). Stattdessen wurde – unter Zuhilfenahme der MoorthyTests (Banco de Moçambique 333E; zu den Moorthy-Tests s. u. Kap. B. II. 1. b) aa) – die Zentralbank als agent der Regierung eingeordnet (Banco de Moçambique 343H) und damit als eigenständige Rechtsperson verstanden. Deshalb sei die Zentralbank Inhaberin der Konten (Banco de Moçambique 346C–D). Ein sonstiges pfändbares Recht (interest) der Regierung an den Konten der Zentralbank wurde mangels anderweitigen Beweisvorbringens verneint (Banco de Moçambique 346D,F). Kein Fall von piercing the corporate veil liege vor (Banco de Moçambique 345B,F), da keine sachlich rechtfertigenden Gründe erkennbar seien (Banco de Moçambique 345B: „In the present case no single reason has been advanced for creating a new category of case where corporate personality should be ignored“ und Banco de Moçambique 345F: „It is not necessary for me to consider the very few cases where in our law the Courts have ,pierced the corporate veil.‘ Suffice it to say that in the present case I can conceive of no principle of law whereby such a radical step would be justified.“) 32

II. Südafrikanische Rechtslage

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veil aufzufassen. Beide stimmen lediglich in der Zielrichtung (Zugriff auf den Hintermann) überein. b) Voraussetzungen und Formen aa) Hauptanwendungsfall: Verbundene Gesellschaften (group) Die südafrikanische Rechtslehre tut sich schwer damit, aus der vorhandenen Rechtsprechung allgemeingültige Regeln dazu abzuleiten, unter welchen Voraussetzungen ein agency-Rechtsverhältnis vorliegen soll: Davids ist unter Berufung auf Stimmen aus der englischen Literatur der Auffassung, die Rechtsprechung greife eher zu agency, wenn der Geschäftsherr (principal) eine (private) company sei, als wenn er eine natürliche Person sei.33 Hauptanwendungsfall von agency-Konstruktionen sind daher Sachverhalte mit verbundenen Gesellschaften.34, 35

33 Davids, Lifting the Veil, 58 f. (unter Hinweis auf Gower, Principles of Company Law [1979], 124). Ottolenghi (1990), MLR 352 (Fn.130) belegt diese These durch einen Vergleich der beiden (einander sachverhaltsähnlichen) Entscheidungen Tunstall v Steigman [1962] 2 QB 583 (Dort stand der Anspruch einer natürlichen Person in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümerin in Rede; dessen Zuerkennung hätte ein piercing zugunsten der natürlichen Person bedeutet.) und Willis v Association of Universities of the British Commonwealth [1964] 2 WLR 946 (Ähnlicher Sachverhalt, jedoch diesmal mit einer group of companies). Powels (1977) MLR, 340 weist m.w. N. darauf hin, dass diese in ständiger Rechtsprechung praktizierte Ungleichbehandlung von holding company / subsidiary einerseits gegenüber Einmann-Gesellschaft / Alleingesellschafter andererseits auf Kritik gestoßen ist. 34 Vgl. im Hinblick auf das englische Recht Mayson, Company Law, 146 (Kap. 5.2.2.3), im Hinblick auf das südafrikanische Recht Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 242 und Davids, Lifting the Veil, 148 ff. Südafrikanische agency-Entscheidungen sind Banco de Moçambique v Inter-Science Research and Development Services (Pty) Ltd 1982 (3) 330 und Ritz Hotel Ltd v Charles of the Ritz 1988 (3) SA 290. 35 Als Schulbeispiel für agency-Konstruktionen bei verbundenen Gesellschaften außerhalb des Steuerrechts gilt Re FG (Films) Ltd [1953] 1 All ER 615 ChD (per Vaisey, J): Eine britische Filmgesellschaft, FG (Films) Ltd, wollte ihren Film „Monsoon“ als britischen Film i. S. d. Cimematographs Films Act registieren lassen. Der Board of Trade weigerte sich, FG (Films) Ltd als „maker“ i. S. d. Act zu registrieren, weil der Film im Wesentlichen von der US-amerikanischen Gesellschaft Film Group Inc produziert worden sei. Diese hatte gemäß ihrer vertraglicher Vereinbarung mit FG Films Ltd die Produktionskosten (i. H. v. 80.000 £) größtenteils getragen sowie die gesamte zur Produktion erforderliche Ausrüstung gestellt. FG Films Ltds Eigenkapital belief sich auf lediglich 100 £. Ein Geschäftsführungsmitglied von Film Group Inc hatte 90% der Anteile von FG (Films) Ltd inne. Die Entscheidung, den Film nicht als britischen anzuerkennen, wurde vom Gericht aufrechterhalten. Schmitthoff (1976), JBL 309 hält diese Entscheidung für „[t]he best illustration of the application of the agency-construction“, Ottolenghi (1990), MLR 345 hält sie für „the most striking example of how far the courts will go in this area.“ Zu Re FG

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

Cilliers hält die bislang vorliegende agency-Rechtsprechung für elegante Billigkeitsrechtsprechung, da dadurch Rechtsfolgen wie bei einem piercing of the corporate veil erzielt werden könnten, ohne das Trennungsprinzip zu verletzen.36 Agency-Konstruktionen wurden zuerst für eine natürliche Personen als Geschäftsherr (principal) entwickelt.37 Die Rechtsgrundsätze, nach denen im Verhältnis verbundener Gesellschaften ein agency-Rechtsverhältnis angenommen werden kann, wurden erstmals in der Leitentscheidung Smith, Stone and Knight v Birmingham (per Atkinson – sog. Atkinson-Test) niedergelegt.38 Diese Entscheidung ist allerdings kritisiert worden.39 Laut Davids40 gibt es nur sehr wenige südafrikanische Entscheidungen, in denen eine Gesellschaft als Vertreterin (agent) ihres beherrschenden Gesellschafters (controlling shareholder) eingestuft wurde. Davids listet diesbezüglich unter einer (fragwürdigen41) Sammelfallgruppe „instrumentality, alter ego and agency“ die Entscheidungen Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd v Veldman,42 Ge-

(Films) Ltd s. a. Siebert, Durchgriffshaftung im englischen und deutschen Recht, 176 f. 36 Cilliers, Corporate Law, 14. 37 So bereits in der erstinstanzlichen Entscheidung im Salomon-Fall (Sub nom Broderip v Salomon [1895] 2 QB 323 331, per Vaugham, J), von der allerdings das House of Lords als Revisionsinstanz nachfolgend abwich, vgl. Salomon v A Salomon & Co Ltd (HL 1896) [1897] AC 22. Eine neuere Entscheidung mit einer natürlichen Person als principal ist Wallersteiner v Moir (No 1) [1974] 3 All ER 217 (CA). Hierzu s. u. Kap. B. II. 1. b) ee) (1). 38 Smith, Stone & Knight Ltd v Birmingham Corporation [1939] 4 All ER 116 (KBD 1939). a) Sachverhalt: Die Firma Smith, Stone & Knight Ltd betrieb ein Papierherstellungsgeschäft. Sie erwarb von einer anderen Gesellschaft zudem ein Altpapiergeschäft. Dieses ließ sie dann formal von ihrer 100%-igen Tochtergesellschaft (Birmingham Waste Co Ltd) betreiben. Jedoch wurden dieser Tochtergesellschaft hierfür weder die Inhaberschaft (ownership) am Altpapiergeschäft übertragen noch das Smith, Stone & Knight Ltd gehörende Gelände, auf dem sie dieses Altpapiergeschäft betrieb. Das Gelände wurde in der Folgezeit von der Stadt Birmingham enteignet. Die Muttergesellschaft Smith, Stone & Knight Ltd verlangte von der Stadt Birmingham Entschädigungszahlung im Hinblick auf den Wert des Grundstücks (unstreitig) und darüber hinaus Entschädigungszahlung wegen Störung des eingerichteten und ausgeübten Altpapiergeschäftsbetriebes (streitig), da sie noch nach wie vor Inhaberschaft (ownerhip) daran innehabe. b) Entscheidung: Das Gericht (per Atkinson, J) bejahte auch den zweiten Anspruch mit der Begründung, das Altpapiergeschäft gehöre nach wie vor der Muttergesellschaft Smith, Stone & Knight Ltd, und deren Tochtergesellschaft Birmingham Waste Co Ltd betreibe es als deren agent. 39 s. u. Kap. B. II. 1. b) ee) (2), Fn.-Apparat. 40 Davids, Lifting the Veil, 140 ff. 41 s. u. Kap. C. VI. 1. und C. VI. 2. 42 1974 (1) SA 169 (R). Hierzu s. u. Kap. C. II. 1. a) bb), Fn.-Apparat.

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ring v Gering43 und R. P. Crees (Pvt) Ltd v Woodpecker Industries (Pvt) Ltd 44 auf. Alle drei Entscheidungen betreffen Fälle, in denen der beherrschende Gesellschafter eine natürliche Person war.45 Keine von ihnen behandelt jedoch ausdrücklich die Frage, wann eine Gesellschaft ein agent ihrer Gesellschafter ist, sondern stattdessen, wann sie als instrument / tool (in Gering v Gering und R. P. Crees v Woodpecker) oder als alter ego (in Cattle Breeders) angesehen werden kann. Davids46 führt des Weiteren die Entscheidung Banco de Moçambique an, in der die von Moorthy vorgeschlagenen agency- und instrumentalityPrüftests47 angewandt wurden und anhand derer die betreffende Gesellschaft als agent eingestuft wurde. Jedoch sind diese Prüftests nur bedingt verallgemeinerungsfähig, da sie für den (auch in Banco de Moçambique vorliegenden) Sonderfall entwickelt wurden, zu ermitteln, wann eine Gesellschaft (ein Staatsunternehmen, in Banco de Moçambique die Zentralbank Moçambiques) als agent einer Regierung betrachtet werden kann. bb) Definition des Begriffs group Der Begriff group ist in Südafrika nicht allgemeingültig legal definiert.48 Lediglich für die Sonderzwecke der Konzernrechnungslegung (group financial statements) findet sich in Schedule 4 No. 4 (q) zum Companies Act49 eine Definition.50 Diese gilt aber nicht für den gesamten Companies Act. Im allgemeinen Legaldefinitionenkatalog des § 1 Companies Act findet sich keine Begriffsbestimmung und auch kein Verweis auf die Definition des Schedule 4.

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1974 (3) SA 358 (W). Hierzu s. u. Kap. C. VI. 2., Fn.-Apparat. 1975 (2) SA 485 (R). Hierzu s. u. Kap. C. VI. 2., Fn.-Apparat. 45 Kein derartiger Fall ist die jüngste Leitentscheidung Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A). Dort hätte zwar auch über agency-Rechtsgrundsätze eine Lösung gefunden werden können, jedoch zog die Rechtsprechung eine piercing-Konstruktion vor. s. u. Kap. C. II. 1. 46 Davids, Lifting the Veil, 142 (Fn. 65). 47 Moorthy, The Malaysian National Oil Corporation – is it a government instrumentality?, in: ICQL, (30) 1981, 638 f. (agency-Test) und 640 (instrumentality-Test). Vgl. Banco de Moçambique 333E. 48 Ebensowenig in England, vgl. Prentice, Group of companies, the English experience, in: Hopt (Hrsg.), Groups of Companies in European Laws: Legal and economic analysis, Band 2, Berlin/New York 1982, 99. 49 Schedule 4 [„Requirements for annual financial statements, interim reports and provisional annual financial statements“], No. 4 [„Interpretations“]. Die Vorschriften des Schedule 4 gelten gemäß seiner No. 1 nur für die §§ 286 Abs. 3, 289, 303 und 304 Abs. 1 des Companies Act. 50 Schedule 4, No. 4 [„Interpretations“]: „For the purposes of this Schedule, unless the context otherwise indicates – . . . (q) ,group of companies‘ or ,group‘ means a holding company, not itself being a wholly owned subsidiary, together with all the companies being its subsidiaries; . . .“ 44

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

Nach heute allgemeiner Ansicht setzt eine group voraus, dass eine Obergesellschaft (holding company) vorliegt, die zum einen nicht selbst 100%ige Tochtergesellschaft ist und zum anderen (mittelbar oder unmittelbar) Beherrschung (control) über eine oder mehrere Tochtergesellschaften (subsidiary) ausübt.51 Konzerne nach deutschem Verständnis mit einer natürlichen Person als Konzernspitze fallen somit nicht unter den Begriff group. Die Begriffe holding company und parent company werden in Südafrika austauschbar verwendet. Holding company ist dabei der im Companies Act verwendete technische Begriff. cc) Ist Beherrschung (control) allein ausreichend? Fraglich ist, ob Beherrschung (control) der Obergesellschaft über die Untergesellschaft oder Alleinanteilsinhaberschaft allein schon ausreicht, um ein agency-Rechtsverhältnis entstehen zu lassen. Rechtsprechung52 und Literatur53 haben dies immer wieder verneint; zuletzt ist dies in Adcock-Ingram deutlich

51 Henning, Controlling close corporation and controlled companies: Definition and analysis, in: CRIC, 1994, 82. Zum Problem des Beteiligtseins von close corporations an solchen Unternehmensverbindungen (entweder in der Kombination holding company / subsidiary close corporation [rechtlich nicht möglich] oder in der Kombination holding close corporation / subsidiary) s. Henning (1994), CRIC 82 m.w. N. in a. a. O., Fn. 2. 52 Vgl. (bezüglich einer natürlichen Person als fraglichem principal) The Gramophone & Typewriter Ltd v Standley [1908] 2 KB 89 (CA) 96 105 („[I]t cannot seriously be suggested that each time one person becomes the holder of all the shares an agency comes into existence . . .“) sowie (bezüglich einer holding company als principal) die – kritisierte – Leitentscheidung Smith, Stone & Knight v Birmingham Corporation [1939] 4 All ER 116 120D („It is well settled that the mere fact that a man holds all the shares in a company does not make the business carried on by that company his business, nor does it make the company his agent for the carrying on of the business.“, per Atkinson, J) und die Entscheidung Ebbw Vale Urban District Council v South Wales Traffic Licencing Authority [1951] 2 KB 366 370 („Under the ordinary rules of law, a parent company and a subsidiary company, even a hundred per cent subsidiary company, are distinct legal entities, and . . . one cannot be said to be the agent of the other.“) 53 Vgl. Botha (1982), De Jure 109 unter Bezugnahme auf Salomon v Salomon [1897] AC 22 (HL) 33 43H / I, Davids, Lifting the Veil, 61 (mit Blick auf die englische Entscheidung Multinational Gas and Petrochemical Co v Multinational Gas and Petrochemical Services Ltd [1983] 2 All ER 563) und Pennington, Company Law, 52 („[A]gency cannot be implied . . . merely because the holding company owns all or most of the subsidiary’s shares, if there is nothing else at all to indicate the existence of an agency. Such an implication is clearly precluded by the decision of the House of Lords in Salomon’s case, which therefore sets the limits beyond which this exception to the rule of separate legal personality cannot go.“). Ebenso Mayson, Company Law, 144 (Kap. 5.2.2.3): „Agency cannot be inferred from the control exercisable by the members over the company – either by virtue of their votes in general meeting or because they are also directors . . .“

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klargestellt worden.54 Cilliers scheint anzunehmen, dass für Südafrika (Rhodesien) in R. P. Crees v Woodpecker55 festgeschrieben worden sei, dass allein eine Mehrheitsbeteiligung die Gesellschaft noch nicht zum agent des Mehrheitsge54 Adcock-Ingram Laboratories v SA Druggist Ltd 1983 (2) SA 350 (T) 353A (per Nicholas, AJA, mit den zustimmenden Voten von Smalberger, JA, Corbett, JA, Hoexter, JA und Nestadt, JA): „The mere fact that Lennon [(Pty) Ltd, d.i. die 100%-ige Tochtergesellschaft der SA Druggists Ltd] is subject to the control of Druggist [Ltd, d.i. die holding company] does not mean that there is between them the relation of agent and principal.“ a) Sachverhalt: Die Gesellschaft Adcock-Ingram Laboratories Ltd war eingetragene Inhaberin des pharmazeutischen Warenzeichens „Stopayne“, die Gesellschaft SA Druggists Ltd eingetragene Inhaberin des Warenzeichens „Stilpane“. SA Druggist Ltd war Muttergesellschaft zahlreicher Tochtergesellschaften, unter anderem der 100%igen Tochtergesellschaft Lennon (Pty) Ltd, die sie vollständig beherrschte. Adcock-Ingram Laboratories Ltd klagte auf Entfernung von Druggist Ltds Warenzeichen „Stilpane“ aus dem Warenzeichenregister. Begründet wurde der Antrag damit, dass SA Druggist Ltd schon über fünf Jahre lang ihr Warenzeichen „Stilpane“ nicht mehr benutzt habe (stattdessen nur ihre Tochterfirma Lennon (Pty) Ltd es benutze, welche jedoch nicht eingetragene Benutzerin sei) und somit der Tatbestand des Entfernungsgrundes § 36 Abs. 1 (b) Trade Marks Act erfüllt sei. SA Druggist Ltd brachte dagegen vor, dass ihre Tochtergesellschaft Lennon (Pty) Ltd zwar nicht eingetragene Benutzerin sei, aber de facto eingetragene Benutzerin. Alternativ, dass sie „durch Lennon (Pty) Ltd als ihren agent“ das Warenzeichen selbst verwendet habe. § 36 Abs. 1 Trade Marks Act No. 62 of 1963 lautet: „[Non-use of registered trade mark] . . . [A] registered trade mark may . . . be taken off the register . . ., on the ground . . . (b) that . . . a continuous period of five years or longer elapsed during which the trade mark was a registered mark and during which there was no . . . use thereof . . . by [the] proprietor . . .“ b) Entscheidung: Verwendung des Warenzeichens durch die 100%-ige Tochtergesellschaft des eingetragenen Warenzeicheninhabers (der Muttergesellschaft) ist nicht Verwendung (use) durch den eingetragenen Zeicheninhaber. Das erste Vorbringen SA Druggist Ltds wurde unter Hinweis auf den Wortlaut des Trade Mark Act („registered user“) zurückgewiesen (Adcock-Ingram 354A). Das zweite Vorbringen (implied agency-Rechtsverhältnis) wurde ebenfalls abgelehnt (Adcock-Ingram 353A: „The mere fact that Lennon is subject to the control of Druggist does not mean that there is between them the relation of agent and principal. There is no evidence that any contract of agency was concluded, either expressly or impliedly, between Druggist and Lennon.“). c) Anmerkung: Die Entscheidung ist sowohl im Ergebnis als auch wohl in der Ergebnisfindung inzwischen veraltet: Heute würden im vorliegenden Sachverhalt die Verwendung des Warenzeichens durch die Tochtergesellschaft Lennon (Pty) Ltd als Verwendung durch die Muttergesellschaft SA Druggist Ltd angesehen werden (wie im Revlon-Fall umgekehrt ebenso; hierzu s. ausführlich unten Kap. C. IV. 1. b) bb) (2), Fn.-Apparat), vgl. Ritz v Ritz 316A (zu dieser Entscheidung s. ausführlich unten Kap. C. IV. 1. b) bb) (7)). Nicht klar ist aber, ob die südafrikanische Rechtsprechung heute zur Erlangung dieses Ergebnisses ebenfalls der Revlon-Entscheidung folgen würde (und damit im Wege einer reinen Auslegung der betreffenden Normen des Trade Mark Acts eine economic entity zwischen SA Druggist Ltd und ihrer Tochtergesellschaft Lennon (Pty) Ltd annehmen würde) oder stattdessen der Ritz v Ritz-Entscheidung folgen würde (und damit über eine agency-Konstruktion eine Lösung finden würde). Zu Einzelheiten hierzu s. u. Kap. C. IV. 1. b) bb) (7).

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

sellschafters mache.56 Dies ist nicht haltbar. Denn in R. P. Crees v Woodpecker ist lediglich klargestellt worden, dass eine Gesellschaft nicht dadurch ihre eigene Rechtspersönlichkeit verliere, dass sie unter complete control ihres Mehrheitsgesellschafters stehe.57 Auf agency wird in der Entscheidung dagegen lediglich verwiesen,58 um zu bekräftigen, dass die Anwendung einer agencyKonstruktion eine Bestätigung des Trennungsprinzips sei. dd) Express agency-Rechtsverhältnisse Agency-Rechtsverhältnisse können zwischen holding company und subsidiary wirksam ausdrücklich vereinbart werden (express agency). Dies ist auch in Südafrika unstreitig.59 Solche Fälle sind allerdings selten.60 Einschlägige südafrikanische Rechtsprechung liegt bislang nicht vor.

Nach wie vor unverändert gültig sind dagegen die Ausführungen in Adcock-Ingram 353A zur Frage, ab welchem Maß von vorliegender control ein agency-Rechtsverhältnis angenommen werden dürfe. Eine Überprüfung der Richtigkeit des Adcock-Ingram-Rechtsgrundsatzes und seiner fortbestehenden Gültigkeit stand in der Entscheidung Valentino Globe BV v Phillips [1998] 4 All SA 1 (SCA) zur Erörterung an (Valentino 2a; 3i; 7b). Das Gericht (per Harms, JA) hat dort jedoch einen Lösungsweg beschritten, der Adcock-Ingram nicht mehr gegenständlich werden ließ und hat eine obiter-Diskussion dieser Entscheidung abgelehnt. 55 (1975) (2) SA 485F (R). Davids, Lifting the Veil, 35 zufolge wurde derselbe Rechtsgrundsatz in England bereits in Pegler v Craven [1952] 1 All ER 685 (CA) etabliert. 56 Cilliers, Corporate Law, 10 und Davids, Lifting the Veil, 34 ff. Cilliers verweist a. a. O. (Fn. 15) als Beleg hierfür mit unklarer Fundstellenangabe auf „(3) 1982 SA supra 489“. 57 R. P. Crees (Pvt) Ltd v Woodpecker Industries Ltd 1975 (2) SA 485 (R) 485G, 487C–H (v. a. E / F). 58 In 487D / E, wo Denning MR’s Wallersteiner v Moir-Entscheidung zitiert wird. 59 Vgl. Botha (1982), De Jure 19, der auf die Entscheidung Southern v Watson [1940] 3 All ER 439 (CA) verweist. Hinsichtlich der englischen Rechtslehre vgl. Gower, Principles of Company Law (1992), 132. 60 Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 244. Gower, Principles of Company Law (1992), 132 (Fn. 53) nennt nur die englischen Entscheidungen Southern v Watson [1940] 3 All ER 439 (CA) (Dort wurde ein einzelkaufmännisch betriebenes Geschäft an eine private company verkauft. Die Verkaufsvereinbarung sah unter anderem vor, dass die private company alle von den Schuldnern des Verkäufers an diesen noch zu erbringende Leistungen aus bestehenden Verträgen als dessen Empfangsvertreterin [agent] empfangen solle.) und Rainham Chemicals Works v Belvedere [1921] 2 AC 465 (HL) (Dort sah eine zwischen der Gesellschaft und ihren beiden Gesellschaftern geschlossene Vereinbarung ausdrücklich vor, dass die Gesellschaft das ihren Gesellschaftern gehörende Grundstück als deren agent in Besitz [possession] haben solle). Sealy, Cases and Materials in Company Law, 63 nennt nur die Entscheidung Rainham Chemicals v Belvedere.

II. Südafrikanische Rechtslage

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ee) Inferred agency-Rechtsverhältnisse Denkbar ist ferner, konkludent eingegangene agency-Rechtsverhältnisse (implied / inferred agency) anzunehmen. In England sind inferred agency-Rechtsverhältnisse bereits seit Garnac Grain v HMF Faure61anerkannt. Allerdings liegen laut Mayson auch zweideutige Passagen in Leitentscheidungen vor, die den Schluss nahelegen können, die Rechtsprechung verlange stets ein ausdrücklich vereinbartes Vertretungsverhältnis.62 (1) Rechtsprechung In Südafrika gibt es bislang keine Entscheidung zu group-Sachverhalten, in denen zwischen einer natürlichen Person als group-Spitze und den ihr beherrschten Gesellschaften ein agency-Rechtsverhältnis (Gesellschaft als agent einer natürlichen Person [in deren Eigenschaft als beherrschender Gesellschafter oder als Treugeber] als principal) angenommen wurde.63 Davon zu unterscheiden sind allerdings die Fälle, in denen der Begriff agent für die Gesellschaft lediglich als Synonym für die Begriffe alter ego / sham verwendet wurde, in denen ein technisches agency-Rechtsverhältnis aber entweder in der Entscheidung gar nicht in Rede stand (beispielsweise in R. P. Crees v Woodpecker) oder zwar angenommen wurde, nach Sachverhaltslage aber ebensogut stattdessen im Wege eines piercing of the corporate veil über die dortige Fallgruppe alter ego eine Lösung hätte gefunden werden können (so beispielsweise in den beiden englischen Entscheidungen Smith, Stone & Knight Ltd v Birmingham und – allerdings mit größerem Vorbehalt, weil sich das Gericht dort nach längerer Abwägung zwischen alter ego (und somit piercing of the corporate veil) und agency ausdrücklich für Letzteres entschieden hat – in Wallersteiner v Moir).64 Im Fall Cape Pacific v Lubner hat die Rechtsprechung die Gelegenheit gehabt, in dem dort vorliegenden group-Sachverhalt (mit einer natürlichen Person als zwar nicht vertrags- oder anteilsinhaberschaftsrechtlicher, aber faktischer group-Spitze) ein agency-Rechtsverhältnis zu konstruieren und damit rechtstechnisch die englische Entscheidung Wallersteiner v Moir nachzuzeichnen.65 61 Garnac Grain Co Inc v HMF Faure & Fairclough Ltd [1967] 2 All ER 353 (HL), per Lord Pearson. 62 Mayson, Company Law, 146 (Kap. 5.2.2.3) unter Hinweis auf Smith, Stone & Knight v Birmingham Corporation [1939] 4 All ER 116 120E (wegen des dortigen Wortlauts „agency agreement“) und Ebbw Vale Urban District Council v South Wales Traffic Area Licensing Authority [1951] 2 KB 366 370 (wegen des dortigen Wortlauts „agency contract“). 63 Davids, Lifting the Veil, 167. 64 Zur Fallgruppe „Alter ego“ s. u. Kap. C. VI. 2. 65 In Wallersteiner v Moir schwankte das Gericht (per Denning, MR), ob im Wege einer alter ego (also piercing)-Konstruktion oder im Wege einer agency-Konstruktion

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

Jedoch ist dieser Weg nicht beschritten worden und stattdessen dort im Wege des piercing auf der Grundlage eines neu entwickelten piercing-Tests66 und ohne jegliche Bezugnahme auf agency eine Lösung gefunden worden. Sehr zurückhaltend war die südafrikanische Rechtsprechung bislang mit der Bejahung eines agency-Rechtsverhältnisses, wenn dadurch die Obergesellschaft zum prin(hierzu s. u. Kap C. VI. 2.) eine Lösung gefunden werden sollte. Letztlich entschied sich Denning eindeutig für eine agency-Konstruktion, verstand diese jedoch anscheinend – im Gegensatz zur vorliegend vertretenen Auffassung, vgl. oben Kap. B. II. 1. a) – als piercing-Konstruktion: „[T]hey [die drei betreffenden Gesellschaften] were his agents . . . He [Mr Wallersteiner] was the principal . . . I am of the opinion that the court should pull aside the corporate veil and treat these concerns as being his [Mr Wallersteiners] creatures – for whose doings he should be, and is responsible“ (Wallersteiner v Moir 238b). In Wallersteiner v Moir war eine natürliche Person (Mr Wallersteiner) Spitze einer Reihe von ihm faktisch und / oder anteilsinhaberschaftsrechtlich beherrschter verbundener Gesellschaften, insbesondere der streitentscheidungserheblichen Investment Finance Trust (IFT) Ltd of Nassau, des Rothshild Trust (RT) Liechtenstein und der Liechtensteiner Stawa AG. Die Beherrschungsverhältnisse werden in der Entscheidung (bis auf wenige Ausnahmen, wie z. B. im Hinblick auf IFT [236b: 99%-ige Anteilsinhaberschaft]) im Einzelnen nicht dargelegt; in der Regel wird nur davon gesprochen, dass die betreffenden Gesellschaften von Mr Wallersteiner „controlled“ waren (z. B. 218c, 223h; 234d / e). Eine Schlüsselaussage zu den Beherrschungsverhältnissen im Wallersteiner-Konzern findet sich in Wallersteiner v Moir 237 f. (per Denning, MR): „It is plain that Dr Wallersteiner used many companies, trusts, or other legal entities as if they belonged to him. He was in control of them as any ,one-man company‘ is under the control of the one man who owns all the shares and is the chairman and managing director.“ Denning erörterte das Vorbringen, die Gesellschaften seien lediglich Mr Wallersteiner façades / alter egos (Wallersteiner v Moir 237j: „[A]ll these . . . concerns were used by Dr Wallersteiner as a façade, so that each could be treated as his alter ego . . . [each] was in reality Dr Wallersteiner wearing another hat.“) und bezeichnete sie im Weiteren selbst als Wallersteiners „puppets“ (238b; 239j) und „creatures“ (z. B. 238c; 239a). Im Folgenden ordnete Denning sie allerdings alle ausdrücklich als separate legal entities (238a–b) ein und lehnte es damit ab, sie als Mr Wallersteiners alter egos ohne eigene Rechtspersönlichkeit anzusehen. Stattdessen nahm Denning klar ein agency-Verhältnis zwischen Mr Wallersteiner als principal und diesen Gesellschaften als seinen agents an (238b: „Transformed into legal language, they were his agents to do as he commanded. He was the principal behind them.“). Mr Wallersteiner konnten damit die Handlungen dieser Gesellschaften zugerechnet werden. Zu beachten ist, dass in der Entscheidung Wallersteiner v Moir nirgends ausdrücklich der Begriff group (of companies) fällt. Stattdessen wird nur von „Mr Wallersteiner’s concerns“ / „his concerns“ gesprochen (225e; 226j; 227a). Streitgegenstand in Wallersteiner v Moir war ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft HB Ltd gegen ihren director Mr Wallersteiner wegen Verletzung zweier Missbrauchsvorschriften des britischen Companies Act 1948, nämlich § 54 Abs. 1 Companies Act (in Südafrika in § 38 Abs. 1 Companies Act [mit dem Titel: „No financial assistance to purchase shares of company or holding company“] geregelt) und § 190 Abs. 1 Companies Act (in Südafrika in § 226 Abs. 1 Companies Act [mit dem Titel: „Prohibition of loans to directors“] geregelt). Dem Anspruch wurde stattgegeben. Zu Wallersteiner v Moir s. a. Siebert, Durchgriffshaftung im englischen und deutschen Recht, 173 f. 66 Hierzu s. o. Kap. A. I. 2. b) ff) (3).

II. Südafrikanische Rechtslage

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cipal gemacht werden würde.67, 68 Außerhalb des Steuerrechts liegt bislang keine einschlägige Entscheidung vor. Zwar wurde das Problem in drei Entscheidungen gegenständlich (Adcock-Ingram, Banco de Moçambique und Ritz v Ritz). Jedoch wurde in Adcock-Ingram (1982) das Vorliegen eines implied agencyRechtsverhältnisses nach Beweislage letztlich verneint, nachdem die Annahme solcher Rechtsverhältnisse zuvor für grundsätzlich möglich erachtet worden war.69 Banco de Moçambique (1983) hat zwar ein implied agency-Rechtsverhältnis zwischen der Regierung von Moçambique (als principal) und der Zentralbank von Moçambique (als agent) bejaht, enthält aber einen nicht verallgemeinerungsfähigen Sachverhalt. Und in Ritz v Ritz (1988) wurde zwar ebenfalls ein implied agency-Rechtsverhältnis angenommen, jedoch mit umgekehrten Rollen (Obergesellschaft als agent ihrer Tochtergesellschaft als principal).70 Ferner ist in Ritz v Ritz einschränkend hinzugefügt worden, dass dort der Begriff „agent“ nicht als Rechtsbegriff im Sinne des Stellvertretungsrechts verwendet worden sei.71 Wie der Begriff in diesem Zusammenhang stattdessen zu verstehen war, blieb offen. (2) Voraussetzungen Was die Voraussetzungen für das Vorliegen eines implied agency-Rechtsverhältnisses angeht, verweist die südafrikanische Rechtslehre regelmäßig auf den sogenannten Atkinson-Test72 der englischen Entscheidung Smith, Stone & Knight v Birmingham aus dem Jahre 1939.73 67

Davids, Lifting the Veil, 148 ff. Vgl. Banco de Moçambique (1982), Adcock-Ingram Laboratories Ltd v SA Druggist Ltd 1983 (2) SA 350 (T) und Ritz Hotel Ltd v Charles of Ritz Ltd 1988 (3) SA 290 (A). 69 Adcock-Ingram Laboratories Ltd v SA Druggist Ltd 1983 (2) SA 350 (T) 353A (per Nicholas, AJA): „There is [in the present case] no evidence that any contract of agency was concluded, either expressly or impliedly, between Druggist [d.i. die holding company] and Lennon [d.i. ihre wholly owned subsidiary].“ 70 Ritz Hotel Ltd v Charles of the Ritz Ltd 1988 (3) SA 290 (A) 317A (per Nicholas, AJA): „The respondent [d.h. Charles of the Ritz Ltd] does not rely on an express agency agreement [between Charles of the Ritz Ltd (als wholly owned subsidiary) in its capacity as principal and its holding company, the US Ritz Group Ltd acting through its technical services division, as its agent], and this is not required.“ Vgl. auch Davids, Lifting the Veil, 149. 71 Ritz Hotel Ltd v Charles of the Ritz 317A (per Nicholas, AJA): „[N]ot in a precise legal sense, but loosely, in the sense that it [d.h. die holding US company Ritz Group Ltd through its technical services division] was acting on behalf of the respondent [d.h. its wholly owned subsidiary Charles of the Ritz Ltd].“ 72 Der Atkinson-Test benennt sechs Bestimmungsfaktoren ([1939] 4 All ER 116 (KB) 121B–E): „I find six points which were deemed relevant . . . The first point was: Were the profits [of the subsidiary] treated as the profits of the [parent] company? . . . [S]econdly, were the persons conducting the business [of the subsidiary] appointed by the parent company? Thirdly, was the [parent] company the head and the brain of the 68

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

Die Rechtsprechung hat sich dagegen noch nicht zum Atkinson-Test bekannt. In Banco de Moçambique wird die Entscheidung Smith, Stone & Knight v Birmingham zwar erwähnt;74 allerdings wird dabei nicht der Atkinson-Test selbst erörtert, sondern stattdessen billigend die Kritik der englischen Rechtslehre (Gower,75 Pennington76) an Atkinsons agency-Konstruktion zitiert. Atkinson legte erstmals Richtlinien dafür fest, wann zwischen verbundenen Gesellschaften ein implied agency-Rechtsverhältnis angenommen werden kann. Jedoch ist der Test77 ebenso wie die Entscheidung Smith, Stone & Knight v Birmingham insgesamt78 in Teilen stark bemängelt worden. Heute liegen einige alternative, von der englischen Rechtslehre (Pennington, Gower) entwickelte Tests vor.79 trading venture? Fourthly, did the [parent] company govern the adventure, decide what should be done and what capital should be embarked on the venture? Fifthly, did the company make the profits by its skill and direction? Sixthly, was the company in effectual and constant control? . . .“ 73 Botha (1982), De Jure 119, Davids, Lifting the Veil, 57 f., Sauermann, Haftung der Muttergesellschaft, 244. 74 1982 (3) SA 330 (T) 344 E / F ff. 75 Gower, Principles of Company Law (1979), 124, wonach der Begriff agency eher metaphorisch als rechtstechnisch verwendet worden sei. 76 Pennington, Company Law (1979), 54, wonach der Begriff agency eher im Sinne von sham / alter ego verwendet worden sei. Hierzu s. u. Kap. C. VI. 2. 77 Farrar, Company Law, 71 rügt, dass mehrere der Atkinson-Faktoren weitgehend deckungsgleich sind. Khan-Freund, Corporate entity, in: MLR, (3) 1940, 226 bemängelt, dass Atkinson sich bei der Zusammenstellung des Tests an früheren Entscheidungen orientiert habe, die das Steuerrecht betreffen (vgl. [1939] 4 All ER 116 (KB) 121C), und daher mit seinem Test Grundsätze, die für ein Sonderrechtsgebiet entwickelt worden seien, zu einem allgemeinen Test zusammengeführt habe. Pickering (1968), MLR 494 ist der Ansicht, dass keine der in Smith, Stone & Knight v Birmingham zitierten früheren Entscheidungen, auf die Atkinson seinen Test stützt, ausreichend rechtliche Grundlage für den Test böten: „None of the decisions referred to [in Smith, Stone & Knight v Birmingham] . . . appear to provide sound authority for the proposition Atkinson sought to establish.“ 78 Beck (1987), CICL 75 (Fn. 29) ist der Ansicht, dass es nicht große Anstrengung koste, um Atkinsons agency-Konstruktion zu erschüttern, denn in Atkinsons eigener Urteilssprache sei die dortige Tochtergesellschaft bereits so weit einer „shell“ angenähert, dass es schwierig sei zu erkennen, wieso ihr überhaupt noch eigene Rechtspersönlichkeit zugebilligt worden sei. Ähnlich Pennington, Company Law (1979), 54. Farrar, Company Law, 71 kritisiert die Entscheidung ebenfalls, merkt jedoch an, dass ihr die australische Rechtsprechung in Hotel Terrigal Pty Ltd v Latec Investments Ltd (No 2) [1969] 1 NSWLR 676 gefolgt ist. Domanski (1986), SALJ 226 verweist darauf, dass in Banco de Moçambique Gowers (Principles of Company Law [1979], 124) und Penningtons (Company Law [1979], 54) Kritik an Atkinsons agency-Konstruktion befürwortend zitiert werden. Hierzu s. o. Kap. B. II. 1. a), Fn.-Apparat. 79 Pennington, Company Law (1979), 54 f., Gower, Principles of Company Law (1979), 130 f. Der Pennington-Test listete die folgenden (nicht kumulativ gemeinten) Bestimmungsmerkmale auf: Property of the subsidiary effectively owned by the holding com-

II. Südafrikanische Rechtslage

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Die südafrikanische Rechtslehre hat – ausgehend vom Atkinson-Test – einen eigenen Test versucht (sog. Botha-Test). Danach muss tatbestandlich kumulativ erstens Beherrschung („control at all relevant levels“) der Mutter- über die Tochtergesellschaft vorliegen (wie im Atkinson-Test auch)80 und zweitens eine enge Geschäftsbeziehung („close working relationship“) zwischen beiden bestehen.81,82 Ferner bestünden folgende Anwendungsschranken: Erstens dürfe ein agency-Rechtsverhältnis nicht zu Lasten von Gläubigern oder von Minderheitsgesellschaftern der Tochtergesellschaft angenommen werden,83 und zweitens seien implied agency-Rechtsverhältnisse lediglich ultima ratio zur Durchsetzung von Billigkeitsrechtsprechung und deshalb subsidiär gegenüber economic entityKonstruktionen.84 Denn eine economic entity-Konstruktion sei als gesellschaftsrechtseigene Konstruktion vorrangig bei Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften.85 Der Test krankt daran, dass er keine griffigen Angaben dazu macht, welche Art von control und in welchem Maße control erforderlich ist.86 Control-Festpany, closeness of integration, common directorship und holding company carries on a particular business which can also be carried on by the subsidiary. Dieser Test wurde von Pennington später allerdings wieder zurückgezogen (Company Law [1990], 48). Der Gower-Test (Gower, Principles of Company Law (1979), 130 / 131) will das Bestimmungskriterium dependency erheblich sein lassen, jedenfalls dann, wenn sich die Annahme eines implied agency-Rechtsverhältnisses zum Nachteil der Tochtergesellschaft auswirkt. Im Übrigen neigt Gower der Ansicht zu, dass vor allem Billigkeitsgesichtspunkte dafür ausschlaggebend seien, ob implied agency-Rechtsverhältnisse angenommen würden. Dieser Test findet sich allerdings in den nachfolgenden Auflagen von Gower, Principles of Company Law (1992, 1997, 2003) nicht mehr. 80 Zu den verschiedenen Möglichkeiten der Ausübung von Beherrschung (control) über eine subsidiary durch eine holding company im südafrikanischen Recht vgl. Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 141 ff. 81 Botha (1982), De Jure 121: „The closer the relationship, the easier it would be to infer agency.“ Eine solche close working relationship liege Botha zufolge beispielsweise vor, wenn die Tochtergesellschaft wie eine Betriebsabteilung der Muttergesellschaft geführt werde. 82 Das Erfordernis dieses zweiten Prüfpunktes leitet Botha aus der englischen Entscheidung Firestone Tyre & Rubber v Lewellin [1956] 1 All ER 561 (HL) her: „It is apparent that the very close working relationship and the fact that the subsidiary was wholly owned were decisive in inferring agency.“ Problematisch ist dies insofern, als die Entscheidung Firestone Tyre & Rubber v Lewellin ein Steuerrechtsfall ist. Botha ist der Ansicht, dass dieses Merkmal auch bereits im Pennigton-Test und dessen Prüfpunkt „closeness of integration“ (Pennington, Company Law [1979], 54 ff.) mitbeinhaltet gewesen sei (Botha 1982, De Jure 120). 83 Botha (1982), De Jure 122 f. 84 Zur economic entity-Theorie s. u. Kap. C. IV. 1. b) bb). 85 Botha (1980), De Jure 122 bzw. 123. 86 Khan-Freund (1940), MLR 227 unterscheidet zwischen zwei Arten von control, nämlich capitalist control (Allein- oder zumindest Mehrheitsbeteiligung) und functional control (control im Hinblick auf die Geschäftsführung und die Geschicke der Gesellschaft). Nach Khan-Freund sei vor allem auf functional control abzustellen bei der Frage, ob ein agency-Rechtsverhältnis angenommen werden könne. Denn aus der Ent-

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

stellungsregeln werden nicht an die Hand gegeben.87 Nicht mehr zeitgemäß dürften im Übrigen heute ferner Bothas Ausführungen zur economic entityTheorie sein.88 ff) Ostensible agency (estoppel)-Rechtsverhältnisse und verdeckte Stellvertretung (Doctrine of undisclosed principal) Denkbar ist schließlich, agency-Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bzw. zwischen Obergesellschaft und Untergesellschaft über die Rechtsgrundsätze der Anscheinsvollmacht (agency by estoppel oder ostensible authority) 89 entstehen zu lassen. Entsprechende Rechtsprechung liegt, soweit ersichtlich, jedoch nicht vor. Die südafrikanische Rechtslehre hat herausgestellt, dass bei verbundenen Gesellschaften eine solche Anscheinsvollmacht der Tochtergesellschaft auch nur mit Mühe konstruiert werden kann.90 Letztlich ist denkbar, ein agency-Rechtsverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bzw. zwischen Obergesellschaft und Untergesellschaft über die Rechtsgrundsätze der sogenannten doctrine of undisclosed principal (verdeckte Stellvertretung; fehlende Offenlegung der Vertretung)91 zu konstruieren. scheidung Salomon v Salomon [1897] AC 22 sei ersichtlich, dass capitalist control allein noch kein agency-Rechtsverhältnis auslösen könne: „Salomon’s case establishes that a company does not become an agent of a shareholder by virtue of the mere fact that he controls all or most of its capital. If, however, there is in addition to capitalist control what one may call functional control the question becomes one of fact. If the shareholder (1) treats as his own the profits of the company, (2) appoints the person conducting the business, (3) is the ,head and brain‘ of the trading venture, (4) decides what capital should be embarked on the venture, (5) makes the profits by his skill and direction, (6) is in effectual and constant control [Das sind die sechs Atkinson-Bestimmungsfaktoren.], then the company can be regarded as his agent.“ 87 Innerhalb der englischen Rechtslehre hat Schmitthoff, The wholly owned and the controlled subsidiary, in: JBL, 1978, 218 (222 und 229) versucht, control-Feststellungsregeln zu erarbeiten: Danach solle bei einer 100%-igen Tochtergesellschaft control unwiderlegbar vermutet werden (1978, JBL 222) und zugleich ein agency-Rechtsverhältnis widerlegbar vermutet werden (1978, JBL 226). Halte die Muttergesellschaft dagegen lediglich über 50% der Anteile der Tochtergesellschaft, so solle control zumindest widerlegbar vermutet werden (1978, JBL 229). Die südafrikanische Literatur hat auf Schmitthoff a. a. O. vereinzelt verwiesen, vgl. Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 246. 88 Hierzu s. u. Kap. C. IV. 1. b) bb) (3). 89 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen einer agency by estoppel im südafrikanischen Recht s. die Leitentscheidung NBS Bank Ltd v Cape Produce Co (Pty) Ltd & Others 2002 (1) SA 396 (SCA). 90 Eingehend Botha (1982), De Jure 121 (wiedergegeben bei Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 244 f.). s. auch Milo (1998), SALJ 327 / 328 und 328, Fn. 57. 91 Die doctrine of undisclosed principal hat keine Entsprechung im deutschen Recht:

II. Südafrikanische Rechtslage

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Milo belegt, dass eine solche Konstruktion im Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft bereits einmal in Australien angewandt wurde (Spreag v Paeson Pty Ltd) 92 zum Zwecke der Bewerkstelligung einer Zahlungshaftung der Muttergesellschaft.93 Milo scheint im Hinblick auf verbundene Gesellschaften diese Form von agency für die von allen agency-Konstruktionen passendste und praktischste zu halten.94 Stellungnahmen aus der südafrikanischen Rechtsprechung liegen hierzu nicht vor. c) Kritik am agency approach Gelobt wurden agency-Konstruktionen vor allem deshalb, weil sie Billigkeitsrechtsprechung ermöglichten, ohne das Trennungsprinzip (den Salomon-Rechtsgrundsatz) zu verletzen95 und ohne zum brachialen Mittel des piercing of the corporate veil zu greifen.96 Kritisiert wurde der agency approach, weil durch ihn das Prinzip der beschränkten Haftung im Ergebnis unterlaufen werde. Dies könne letztlich dazu

Sie betrifft nicht den Fall des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB), da die südafrikanische Variante der doctrine of undisclosed principal gerade voraussetzt, dass Vertretungsmacht erteilt wurde (Vgl. Durity Alpha (Pty) Ltd v Vagg 1991 (2) SA 840 (A) und Sharrock, Business Transactions Law, 6. Auflage 2002, Kapstadt, 161). Sie ließe sich als Geschäft für den, den es angeht, einordnen. Jedoch dürfte es gerade bei einer group of companies dem Gläubiger nicht gleichgültig sein, ob die Tochter- oder die Muttergesellschaft sein Geschäftsgegner ist. Sein Offenheitsinteresse ist daher schützenswert. Die Sachlage ist insofern weit entfernt von den für die für Geschäfte für den, den es angeht, typischen Bargeschäften des täglichen Lebens. Die doctrine ließe sich als Eigengeschäftsregelung (Auslegungsregel) i. S. d. § 164 Abs. 2 BGB verstehen. Jedoch stimmen ihre Rechtsfolgenregelungen damit nicht überein: Denn der Geschäftsherr kann nach der doctrine das Vertretereigengeschäft an sich ziehen. Andererseits hat die dritte Partei, sobald sie von dem Vertretungsverhältnis Kenntnis erlangt, ein Wahlrecht, ob sie den Geschäftsherrn oder den Vertreter zur Vertragspartei machen will. Bis zur Kenntniserlangung kann die dritte Partei ferner befreiend an den Vertreter leisten. Die doctrine of undisclosed principal ist dogmatisch umstritten, vgl. Sharrock, Business Transaction Law, 119: „The doctrine of the undisclosed principal is inconsistent with elementary principles of contract and agency and has been severely criticised by academic writers.“ Sie ist von der südafrikanischen Rechtsprechung dennoch in Cullinan v Noordkaaplandse Aartappelkernmoerkwekers Koöperasie Bpk 1972 (1) SA 761 (A) mit Einschränkungen anerkannt worden. 92 [1990] 94 ALR 679. 93 Milo, The liability of a holding company for the debts of its subsidiary: Is Salomon still alive and well?, in: SALJ, (115) 1998, 318 (328, Fn. 60). 94 Milo (1998), SALJ 328. 95 Schmitthoff (1976), JBL 309: Die agency-Konstruktion sei „a convenient means to escape from the straight-jacket of the rigid interpretation of the Salomon rule.“ 96 Benade (1967), THRHR 225 f.

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

führen, dass eine beschränkte Haftung nur noch für den Minderheitsgesellschafter gelte.97 Weiter kritisiert die Literatur (Benade, Botha, Davids), dass der Anwendungsbereich der Rechtsbegriffe des Stellvertretungsrechts (law of agency) überdehnt werde und dessen Rechtsgrundsätze dadurch verletzt würden. Vor allem die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Anscheinsvollmacht (agency by estoppel) der Tochtergesellschaft seien regelmäßig nicht erfüllt.98 Das Stellvertretungsrecht werde somit zur Lösung von Situationen herangezogen, für die es nicht geschaffen worden sei.99 Ähnliche Bedenken hat auch die Rechtsprechung bereits geäußert.100 2. Partnership approach und partnership analogy Die südafrikanische Rechtsprechung hat in Anlehnung an die beiden englischen Leitentscheidungen In re Yenidjie (1916)101 und Ebrahimi v Westbourne Galleries (1972)102 die sogenannte partnership analogy als rechtliche Veranke97 Dobson (1986), ICLQ 848: Der agency approach könne sich als „too sharp a tool“ erweisen. Dies sei der Grund gewesen, weshalb die US-amerikanische Rechtsprechung die „instrumentality“-Regel entwickelt habe: Danach seien agency-Konstruktionen nur noch dann zulässig, wenn als objektiver Tatbestand control und zusätzlich als subjektiver Tatbestand fraudulent use of control vorliege. Durch dieses zusätzliche Erfordernis könne das Prinzip der beschränkten Haftung in allen übrigen Fällen gewahrt bleiben. 98 Vgl. die eingehende Darstellung bei Botha (1982), De Jure 121. Ebenso Milo (1998), SALJ 327 / 328 und 328, Fn. 57. Milo empfiehlt deshalb (bezogen auf holding company / subsidiary-Rechtsverhältnisse) stattdessen als rechtstechnisch eleganteres Mittel die doctrine of undisclosed principal. 99 Benade (1967), THRHR 226 („[D]ie reëls van verteenwoordiging wat nie juis bestem is om so ’n . . . situasie te reël nie . . .“), Botha (1982), De Jure 121 und Fn. 84, Cilliers, Corporate Law, 14 (Kap. 1.26), Davids, Lifting the Veil, 142, Latty, The corporate entity as solvent of corporate problems, in: MichLR, (34) 1936, 597 (611: „[I]t is hardly worth while torturing ,agency‘ to save ,entity‘“, zitiert bei Benade a. a. O.). Ferner Benade a. a. O.: Agency-Konstruktionen zwischen holding company und subsidiary wirkten oft gekünstelt („’n kunsmatige benadering“). 100 Vgl. die Entscheidung English Sewing Cotton Co v IRC [1947] 1 All ER 679 (CA) 682 D / E (zitiert bei Botha 1982, De Jure 121), in der in Bezug auf das vorinstanzliche Urteil festgestellt wird (per Greene, MR), dass dort die agency-Konstruktion in einer Weise verwendet worden sei „putting on the word ,agent‘ an interpretation which neither is the ordinary meaning of the word nor one which the context permits.“ 101 In re Yenidje Tobacco Co Ltd [1916–17] All ER 1050. 102 Ebrahimi v Westbourne Galleries Ltd [1972] 2 All ER 492 (HL) (per Lord Wilberforce, mit teilweise abweichendem Votum von Lord Cross) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mr Ebrahimi and Mr Nazar handelten mit orientalischen Teppichen. Ursprünglich als partnership betrieben, wurde das Teppichgeschäft später in eine company (Westbourne Galleries Ltd) umgewandelt. Einzige Gesellschafter und Geschäftsführer waren Mr Ebrahimi und Mr Nazar. Später wurde noch Mr Nazars Sohn als geschäftsführender Gesellschafter aufgenommen. Mr Ebrahimi hielt 40% der Geschäftsanteile, Mr Nazar und sein Sohn zusammen 60%. Die Gesellschaft schüttete

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rung des piercing für Tatsachenermittlungen und -zurechnungen103 anerkannt. Die Terminologie hierfür ist allerdings nicht einheitlich.104 Die partnership analogy stellt konzeptionell ein piercing of the corporate veil dar.105 Die in In re Yenidjie entwickelte partnership analogy fand in Südafrika erstmals in der Entscheidung Redler v Collier (1923) Nachahmung.106 Besonders deutlich betont wurde sie in Moosa v Mavjee (1967).107 Die in Moosa v Mavjee und Ebrahimi v Westbourne Galleries entwickelten Grundsätze wurden in der Folgezeit in Emphy v Pacer Properties (Pty) 108 und zuletzt in Erasmus v Pentamed Investments109 angewandt. nie Dividenden aus, Gewinne wurden stattdessen in Form von Geschäftsführervergütungen ausbezahlt. Im Laufe der Zeit kam es zwischen Mr Ebrahimi und Mr Nazar zum Zerwürfnis. Mr Nazar und sein Sohn beschlossen deshalb formalrechtlich einwandfrei auf einer Gesellschafterversammlung (im englischen wie südafrikanischen Recht sind im Falle einer private company zwei Gesellschafter ausreichend für die Beschlussfähigkeit einer Gesellschafterversammlung, vgl. § 190 (b) des südafrikanischen Companies Act) kraft ihrer Stimmrechtsanteile, Ebrahimi aus dem Geschäftsführeramt zu entfernen. Mr Ebrahimi klagte dagegen. Das House of Lords gab ihm letztinstanzlich Recht, weil „the removal of the petitioner [Mr Ebrahimi] from his position as director, although legally proper, violated the fundamental understanding underlying the formation of [this] . . . company.“ 103 s. o. Kap. A. II. 2. a) aa) (2). 104 „Partnership analogy“ (Prentice, Winding up on the just and equitable ground: The partnership analogy, in: LQR, (89) 1973, 107 [108 f.]), „partnership approach“ (Beuthin 1972, SALJ 481 f.). Vorliegend werden beide Begriffe als unterschiedliche Konzepte voneinander getrennt, vgl. Kap. B. II. 2. a) und Kap. B. II. 2. b). 105 s. u. Kap. B. II. 2. c). 106 Redler v Colliers and the Cereal Manufacturing Co Ltd 1923 CPD 458. Folgeentscheidungen waren Lawrence v Lawrich Motors (Pty) Ltd 1948 (2) SA 1029 (W) und Marshall v Marshall (Pty) Ltd 1954 (3) SA 571 (N). 107 Moosa NO v Mavjee Bhawan (Pty) Ltd 1967 (3) SA 131 (T) 136 (per Trollip, J). Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Einer Familiengesellschaft, Mavjee Bhawan (Pty) Ltd, welche Immobiliengeschäfte betrieb, gehörten unter anderem Kläger Mr und Mrs Moosa (mit zusammen rund 10% der Geschäftsanteile) und Zweitbeklagter Mr P. Moti an. Mr P. Moti war Alleingeschäftsführer. Er war zudem größter Anteilsinhaber (42%) der Gesellschaft; sein Sohn A. Moti besaß weitere 8% der Anteile. Zwischen den Eheleuten Moosa und P. Moti herrschten längere Zeit schwere persönliche Zwistigkeiten. Die Eheleute Moosa fühlten sich im Hinblick auf mehrere Gesellschafterversammlungen und die Art und Weise ihrer Einberufung und Durchführung als Minderheitsgesellschafter unterdrückt. Sie klagten deshalb (mit Erfolg) auf zwangsweise gerichtliche Auflösung der Gesellschaft gem. § 111 (g) Companies Act, No. 46 of 1926, der Vorläufervorschrift des heutigen § 344 (h) Companies Act, No. 61 of 1973. 108 Emphy v Pacer Properties (Pty) Ltd 1979 (3) SA 363 (D), per Leon, J. 109 Erasmus v Pentamed Investments (Pty) Ltd 1982 (1) SA 178 (W), per Nestadt, J. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Fünf Ärzte bildeten eine ordinary partnership. Später wurde im Namen dieser partnership zudem eine private company, Pentamed Investments (Pty) Ltd, gegründet. Deren Geschäftszweck war der Erwerb einer bestimmten Büroimmobilie, die sie dann an die Ärzte vermietete. Alle fünf Ärzte wurden geschäftsführende Gesellschafter der Pentamed Investments (Pty) Ltd. Später wurde die partnership aufgelöst. Drei der Gesellschafter der Pentamed In-

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

Neben dieser partnership analogy hat die jüngere südafrikanische Rechtslehre (Milo) vorgeschlagen, mit einem echten partnership approach eine gesamtschuldnerische Haftung verbundener Gesellschaften einer group of companies zu bewerkstelligen.110 Noch keine Stellungnahmen liegen dazu vor, ob dieser partnership approach als piercing of the corporate veil verstanden wird.111 a) Enger Anwendungsbereich der partnership analogy Die partnership analogy hat einen eng umgrenzten Anwendungsbereich. Sie greift bislang nur in einem Sondersachverhalt und kann daher nicht als allgemeingültige rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil angesehen werden: Verlangt wird von der Rechtsprechung erstens das Vorliegen einer personalistischen Kapitalgesellschaft (sog. domestic company). Zweitens wurde die partnership analogy praktisch bislang – mit einer einzigen Ausnahme112 – nur zu dem Zweck angewandt festzustellen, ob eine vom Kläger begehrte zwangsweise gerichtliche Auflösung (winding-up by the court) einer domestic company billig („just and equitable“) i. S. d. § 344 (h) Companies Act113 (bzw. § 68 (d) Close Corporations Act114) ist. Das Gericht stellt hierbei auf das Verhältnis der Gesellschafter dieser personalistischen Kapitalgesellschaft zueinander ab, so, als ob die juristische Person gar nicht existiere und stattdessen nur eine partnership vorliege. Der Zustand des Verhältnisses der Gesellschafter zueinander ist ausschlaggebend dafür, ob eine Auflösung der juristischen Person als billig („just and equitable“) angeordnet wird.

vestments (Pty) Ltd beantragten ferner, die beiden anderen, hierunter Mr Erasmus, aus deren Geschäftsführer-(director)-Amt zu entfernen. Mr Erasmus klagte daraufhin mit Erfolg auf Auflösung der Pentamed Investments (Pty) Ltd mit der Begründung, dass dies i. S. d. § 344 (h) Companies Act „just and equitable“ sei, da das partnership-ähnliche Verhältnis der Gesellschafter der Pentamed Investments (Pty) Ltd deren Innenverhältnis bestimmt habe und dieses nun zerstört sei. 110 Milo (1998), SALJ 329–333. 111 s. u. Kap. B. II. 2. c). 112 Bellairs v Hodnett 1978 (1) 1109 (A). Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. VI. 3., Fn.-Apparat. 113 § 344 (h) Companies Act: „[Circumstances in which company may be wound up] A company may be wound up by the Court, if . . . (h) it appears to the Court that it is just and equitable that the company should be wound up.“ 114 § 344 (h) Companies Act No. 61 of 1973 entspricht im Wesentlichen § 68 (d) Close Corporations Act No. 69 of 1984. § 344 (h) Companies Act selbst ist gem. § 66 Close Corporations Act nicht auch auf close corporations anwendbar, sondern nur auf companies.

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aa) Voraussetzung domestic company (personalistische Kapitalgesellschaft) Die partnership analogy ist nur auf personalistische Kapitalgesellschaften (domestic companies) anwendbar. Der Begriff domestic company wird allerdings nicht einheitlich verwendet.115 In Ebrahimi v Westbourne werden folgende Bestimmungsmerkmale einer domestic company genannt, die jedoch nicht kumulativ vorliegen müssen:116 Erstens muss es sich um einen Mitgliederzusammenschluss („association“) auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens handeln. Zweitens müssen die Mitglieder eine Vereinbarung getroffen haben, derzufolge sie alle (es sei denn, es liegen „sleeping members“ vor) jeweils geschäftsführungs- und vertretungsbefugt sein sollen. Und drittens muss die freie Übertragbarkeit der Anteile durch Vereinbarung der Gesellschafter eingeschränkt worden sein. Vereinzelt wurden weitere Merkmale genannt: So hat die englische Rechtslehre (Prentice) hinzugefügt, dass bei domestic companies Gewinnverteilung eher in Form von Geschäftsführervergütung als in Form von Dividendenausschüttung erfolge.117 In Re Leadenhill General Stores Ltd wurde ferner das Merkmal „equal participation in the day’s work“ genannt,118 das allerdings schon vom zweiten in Ebrahimi genannten Merkmal mitabgedeckt sein dürfte. Die südafrikanische Rechtsprechung hat sich in Rand Air v Ray Bester (1985) ergänzend zu den Merkmalen einer domestic company geäußert.119 Da-

115 „Domestic company“ (Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 276, Beuthin 1972, SALJ 481, Davids, Lifting the Veil, 143), „incorporated partnership“ (Prentice 1973, LQR 107), „quasi-partnership“ (Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 276, Beuthin 1972, SALJ 482), „partnership in corporate form“ (Rand Air (Pty) Ltd v Ray Bester Investments (Pty) Ltd 1985 (2) SA 345 (W) 350 F / G, per Coetzee, J). Die englische Rechtsprechung hat nahe gelegt (Ebrahimi v Westbourne [1972] 2 All ER 500f–h), die Begriffe „quasi-partnership“ und „incorporated partnership“ zu vermeiden unter Hinweis darauf, dass es sich bei der domestic company rechtlich nach wie vor um eine Kapitalgesellschaft (company) und nicht etwa um eine Personengesellschaft (partnership) handele. 116 Ebrahimi v Westbourne Galleries Ltd [1972] 2 All ER 495 500d–e (per Lord Wilberforce): „[O]ne, or probably more, of the following elements . . .: (i) [A]n association formed or continued on the basis of a personal relationship, involving mutual confidence – this element will often be found where a pre-existing partnership has been converted into a limited company; (ii) an agreement, or understanding, that all, or some (for there may be ,sleeping‘ members), of the shareholders shall participate in the conduct of the business; (iii) restriction of the transfer of the members’ interest in the company – so that if confidence is lost, or one member is removed from management, he cannot take out his stake and go elsewhere . . .“ 117 Prentice (1973), LQR 114 unter Hinweis auf Re Westbourne Galleries Ltd [1971] Ch 799 808. 118 Re Leadenhill General Stores Ltd [1971] 115 Sol.J. 202. Kritisch in Bezug auf dieses Merkmal Prentice (1973), LQR 114.

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nach ist auch Merkmal einer domestic company, dass ihre Anteile mehrheitlich oder ganz im Eigentum ihrer Geschäftsführer (directors) stehen. Eine domestic company ist somit eine personalistische Kapitalgesellschaft (company), bei der das Verhältnis der Gesellschafter zueinander dem Verhältnis von partners einer partnership zueinander ähnelt und von gegenseitigem Vertrauen geprägt ist. bb) Ermittlungszweck „just and equitable“ i. S. d. § 344 (h) Companies Act Die partnership analogy ist in Südafrika bislang – mit einer einzigen Ausnahme (Bellairs v Hodnett) – ausschließlich im Rahmen des § 344 (h) Companies Act bzw. des § 68 (d) Close Corporations Act angewandt worden.120 Voraussetzung ist demnach, dass ein Klagebegehren eines Gesellschafters121 der domestic company auf zwangsweise gerichtliche Auflösung der Gesellschaft vorliegt. Gemäß § 344 (h) Companies Act kann das Gericht auf einen solchen Antrag hin die Gesellschaft zwangsweise auflösen, wenn es ihm billig („just and equitable“) erscheint. Zu § 344 (h) Companies Act haben sich inzwischen mehrere Fallgruppen herausgebildet. Über deren Anzahl und Bezeichnungen herrscht heute im Wesentlichen Einigkeit.122 Anerkannt ist allerdings, dass sie keinen numerus clausus 119 Rand Air (Pty) Ltd v Ray Bester Investments (Pty) Ltd 1985 (2) SA 345 (W) 350F / G, per Coetzee, J: „Where the company is a private one and its share capital is held wholly or mainly by the directors and it is in substance a partnership in corporate form.“ In der Rand Air-Entscheidung wurde die von der Klägerin begehrte Auflösung der Gesellschaft gem. § 344 (h) Companies Act allerdings abgelehnt. 120 Vgl. Moosa v Mavjee Bhawan (Pty) Ltd 1967 (3) SA 131 (T), Emphy v Pacer Properties (Pty) Ltd 1979 (3) SA 363 (D), Erasmus v Pentamed (Pty) Ltd 1982 (1) SA 178 (W), Wackrill v Sandton International Removals (Pty) Ltd 1984 (1) SA 282 (W), Rentekor (Pty) Ltd v Rheeder & Berman NNO 1988 (4) SA 469 (T), Tjospomie v Boerderey (Pty) Ltd v Drakensberg Botteliers (Pty) Ltd 1989 (4) SA 31 (T). 121 Oder eines anderen der in § 346 Companies Act genannten Antragsberechtigten. 122 Coetzee, J in Rand Air 350B–H führt auf: „[T]he cases which have so far been decided . . . have fallen into only five broad categories . . . They are the following[:] The first is the disappearance of the company’s substratum. The company was formed for a particular purpose, for instance, and that purpose can no longer be achieved at all . . . Secondly, illegality of the objects of the company and fraud committed in connection therewith . . . The third is that of deadlock which results in the management of companies’ affairs, because the voting at board and general meeting is so divided between dissenting groups that there is no way of resolving the deadlock other than by making a winding-up order. The kind of case which falls most frequently to be dealt with under this heading is the one where there are only two directors or only two shareholders, usually in a private company, who hold equal voting shares or rights and have irreconcilably fallen out. Fourthly, grounds analogous to those for a dissolution of a partnership. Where the company is a private one and its share capital is held

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bilden.123 Die Mehrzahl dieser Fallgruppen erfasst Sachverhalte, bei denen Zwistigkeiten bestehen, die das partnership-ähnliche Vertrauensverhältnis (personal relationship of mutual confidence and trust) der Gesellschafter zueinander zerstört haben.124 Typische Sachverhalte sind solche, bei denen durch unterdrückerischen Gebrauch der Mehrheitsmacht ein „squeeze-out“ der Minderheitsgesellschafter erfolgt ist wie im Fall Ebrahimi v Westbourne Galleries. b) (Vorgeschlagener) Echter partnership approach bei einer group of companies (Milo): Gesamtschuldnerische Haftung verbundener Gesellschaften? Erstmals 1998 ist in der südafrikanischen Literatur von Milo der Vorschlag gemacht worden, eine gesamtschuldnerische125 Haftung der verbundenen Gewholly or mainly by the directors and it is in substance a partnership in corporate form, the Court will order its winding up in the same kind of situation that it would order the dissolution of a partnership on the ground that it is just and equitable to do that. Fifthly, there is oppression. Where the persons who control the company have been guilty of oppression towards the minority shareholders whether in their capacity as shareholders or in some other capacity, a winding up order in suitable cases may be made . . .“ 123 Rand Air 350B und 350I. 124 Cilliers, Corporate Law, 507 ff. (Kap. 27.46) m.w. N.: Fallgruppe „oppession [„squeeze-out“] of minority shareholders“, Fallgruppe „deadlock“ und Fallgruppe „grounds analogous to those for the dissolution of a partnership“. 125 Die Art der rechtsgeschäftlichen Haftung der partners einer partnership für im Namen der partnership eingegangene Verbindlichkeiten ist im südafrikanischen Recht umstritten, vgl. LAWSA 19, par. 304 (m.w. N. aus Literatur und Rechtsprechung): Jedenfalls nach Auflösung der partnership haften alle partners gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten der partnership (joint and several liability, auch als liability in solidum oder solidary liability bezeichnet, vgl. LAWSA 19, par. 304, Rn. 11). Im Hinblick auf die Rechtslage für die Zeit vorher werden zwei verschiedene Ansichten vertreten: Eine Ansicht sieht die partners als joint co-debtors („gemeinschaftliche / gesamthänderische Schuldner“) an: „Partners can . . . only be held liable collectively for a partnership debt, and not individually or separately for the whole or part. On dissolution of the partnership the position changes. The partners then are (or become) solidary co-debtors, liable singuli in solidum for partnership debts.“, LAWSA a. a. O., m.w. N. in Fn. 33, Milo (1989), SALJ 330 (einschließlich Fn. 73). Die andere Ansicht geht davon aus, dass die partners Gesamtschuldner (joint and several debtors) sind: „The other approach . . . is to emphasise on the joint and several liability of partners . . . The explanation . . . is that partners are rendered liable jointly and severally, for partnership obligations because the contracting partner acts both as principal and as agent for his partners . . . [T]hough partners may shelter behind the partnership façade while all is well, in the last resort this joint and several liability may be enforced to the full extent of each partner’s private resources, even during the subsistence of the partnership“, LAWSA 19 a. a. O., m.w. N. in Fn. 35. Das scheint auch das Verständnis des für Südafrika grundlegenden römisch-holländischen Rechts zur Haftung der partners zu sein, vgl. LAWSA 19, a. a. O.: „Although some doubt still remains, due to conflicting authorities . . ., a considerable body of opinion exists that in Roman-Dutch law partners were normally each individually liable in solidum for partnership debts.“

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sellschaften einer group of companies dadurch zu bewerkstelligen, dass die group of companies als ordinary partnership und alle ihre Mitgliedsgesellschaften (holding company und subsidiaries) als partners betrachtet werden. Im Ergebnis kann damit die (erstrebte) Haftung einer Obergesellschaft für die Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Tochtergesellschaft erreicht werden.126 aa) Tatbestand einer Haftung der Obergesellschaft als partner Eine Haftung der Obergesellschaft als partner erfordert, dass erstens eine partnership vorliegt, zweitens der Untergesellschaft Vertretungsmacht eingeräumt war und drittens die Untergesellschaft ihre Willenserklärung im Namen der partnership abgegeben hat. Milo belegt, dass der objektive Tatbestand einer partnership127 mit den drei Tatbestandsmerkmalen contribution of each member, joint benefit128 und procurement of economic gain im Verhältnis verbundener Gesellschaften zueinander unproblematisch erfüllt werden kann. Bei Vorliegen dieses Tatbestandes wird nach südafrikanischem Recht prima facie vermutet, dass die zugrunde liegende Vereinbarung der Parteien auf Gründung einer partnership gerichtet war. Um die partners der partnership gesamtschuldnerisch haften zu lassen, muss die Untergesellschaft Vertretungsmacht (authority) innehaben. Ferner muss die Untergesellschaft ihre Willenserklärung im Namen der partnership abgegeben haben, und muss der Gläubiger die partnership und nicht nur die Untergesellschaft haben binden wollen. Beides muss der Gläubiger der Untergesellschaft beweisen. Ersteres ist unproblematisch, da jeder partner einer partnership grundsätzlich Vertretungsmacht hat (doctrine of mutual mandate).129 Letzteres kann schwierig sein. Dies ist jedoch für den Gläubiger unschädlich, da er, wenn Beide Meinungen finden jeweils Unterstützung sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung. 126 Vgl. Milo (1998), SALJ 333: „The argument here has been that it may be possible [mittels des partnership approach] to formulate an economic-entity argument sourced in the traditional requirements of partnership law.“ 127 Milo (1998), SALJ 329: „The essentialia of a partnership are: . . . (1) Each partner must make a contribution to the partnership; . . . (2) the business must be carried on for the joint benefit of all the partners; . . . (3) the object of the business is to make a profit.“ 128 Zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals muss vom Anspruchsteller nachgewiesen werden, dass „the companies within the group do not act independently and in their sole interest“ (Milo 1998, SALJ 330). Milo a. a. O. will dieses Merkmal bei groups of companies aufgrund der „control relationship“ regelmäßig als erfüllt ansehen: „In general it is probably fair to say that, by virtue of the control relationship between parent and subsidiary, the companies within the group will not de facto be acting independently and in their sole interest.“ 129 LAWSA 19, par. 302.

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ihm nicht klar war, dass die Untergesellschaft im Namen der partnership auftrat, jedenfalls über die doctrine of undisclosed principal 130 geschützt wird.131 bb) Rechtliche Stützen (Obiter dicta aus der DHN-Entscheidung; § 66 Companies Act)? Ein solcher partnership approach ist bislang in Südafrika von der Rechtsprechung noch nirgends erörtert worden. Milo ist der Ansicht, in der englischen DHN-Entscheidung132 ließen sich Stützen für einen solchen partnership approach finden.133 Dies erscheint etwas fragwürdig: Zwar findet sich in DHN eine Passage, die genau auf der Linie von Milos partnership approach liegt (DHN 467c / d: „This [DHN-]group is virtually the same as a partnership in which all the three companies are partners.“, per Denning MR); außerdem ging es in DHN auch um Zahlungshaftung. Jedoch betraf dieser Fall zum Ersten nicht eine (von Milo mit seinem partnership approach angestrebte) Haftung der Muttergesellschaft gegenüber Gläubigern ihrer Tochtergesellschaft, sondern umgekehrt einen Anspruch der Muttergesellschaft gegenüber einem Ausgleichshaftungsschuldner ihrer Tochtergesellschaft. Zum Zweiten findet sich in der Entscheidung abgesehen von dieser Passage keine Bezugnahme auf einen solchen partnership approach mehr,134 und es wurde 130

Hierzu s. o. Kap. B. II. 1. b) ff), Fn.-Apparat. Milo (1989), SALJ 331: „[T]he doctrine of mutual mandate in the context of partnership law means that the subsidiary, qua partner, will have authority to bind the partnership in respect of transactions which fall within the scope of the partnership business.“ 132 Zu dieser Entscheidung s. ausführlich unten Kap. C. IV. 1. b) bb) (2). 133 Milo (1998), SALJ 332: „It is submitted that DHN Food Distributors Ltd & others v London Borough of Tower Hamlets, . . . a case often characterized in the literature as another nail in the Salomon coffin, . . . offers some support for the arguments from partnership law advanced here.“ Milo ist ferner der Ansicht (1998, SALJ 332), DHN hätte problemlos gemäß dem partnership approach entschieden werden können: „It is submitted that the DHN case could easily have been decided on the direct basis of partnership law [Es folgt eine Fußnote: ,The facts in DHN certainly seem to fit the requirements from partnership law canvassed above. In particular, all the essentialia of a partnership seem to be satisfied . . .‘].“ Ähnlich Welling, Corporate Law in Canada (1991), 133 f., auf den Milo verweist (1998, SALJ 332, Fn. 89. Der Verweis dort geht auf Welling, Corporate Law in Canada [1984], 136 ff.). 134 Milo führt zwei weitere Passagen an (DHN 468d–e [per Goff, LJ] und DHN 473e–f [per Shaw, LJ]). Dort ist jedoch nicht ausdrücklich von einem partnership approach die Rede. Vielmehr finden sich dort jeweils nur Formulierungen, die Tatbestandsmerkmalsbeschreibungen einer partnership ähneln. Es scheint aber zu weit hergeholt, daraus wie Milo ableiten zu wollen, die betreffenden Richter seien Gewährsleute eines solchen partnership approach. Vgl. Milo (1998), SALJ 332 (Fn. 88): „Goff LJ adopted a more cautious approach: ,I wish to safeguard myself by saying that . . . I am relying on the facts of this particular case. I would not . . . accept that in every 131

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dieser Fall stattdessen über eine economic entity-Konstruktion gelöst.135 Und zum Dritten wird der DHN-Entscheidung von der Commonwealth-Rechtsprechung heute nicht mehr gefolgt.136 Nach vorliegender Ansicht und im Gegensatz zu Milos Auffassung kann DHN daher wohl nicht dazu herangezogen werden, den partnership approach bei verbundenen Gesellschaften rechtlich abzustützen. Allerdings finden sich im südafrikanischen Gesetzesrecht zwei Vorschriften (§ 66 Companies Act137 und § 63 (c) Close Corporations Act138), die einen partnership approach im Sinne einer gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter enthalten.139 case where one has a group of companies one is entitled to pierce the veil, but in this case the two subsidiaries were both wholly owned; . . . they had no separate business operations [Kursivstellung Milo] whatsoever. . . .‘ (at All ER 468d–e . . .). Shaw LJ said: ,The directors of DHN were the same as the directors of Bronze; the shareholders of Bronze were the same as in DHN . . . and they had a common interest in maintaining . . . the business of the group‘ [Kursivstellung Milo] (at All ER 473e–f . . .). Note how much the emphasized words reminds one of the language of partnership law.“ 135 Zu solchen economic entity-Konstruktionen s. u. Kap. C. IV. 1. b) bb). 136 s. u. Kap. C. IV. 1. b) bb) (6). 137 § 66 Companies Act: „[Members may become liable where membership reduced below minimum] If any public company other than a wholly owned subsidiary carries on business for more than six months while it has less than seven members, every person who is a member of the company during the time that it so carries on business after those six months and is cognisant of the fact that it is so carrying on business, shall be liable for the payment of the whole of the debts of the company contracted during that time and may be sued for the same without any other member being joined in the action.“ § 66 Companies Act ist bislang noch nie angewandt worden. Die südafrikanische Rechtslehre zieht unter historischer Auslegung des § 66 Companies Act und seiner britischen Entsprechungsnormen inzwischen stark in Zweifel, dass seine drastische Rechtsfolge heute noch gerechtfertigt ist. Stattdessen wird heute der Sanktionsmechanismus des § 344 (d) Companies Act („A company may be wound up by the court if in the case of a public company, the number of members has been reduced below seven.“) für ausreichend erachtet, vgl. De Koker / Henning, Enkele Aspekte van die statutêre beheer oor die minimum ledetal van ’n maatskappy, in: THRHR, (53) 1990, 375 (382 f.). 138 § 63 (c) Close Corporations Act: „[T]he following persons shall in the following circumstances together with a [close] corporation be jointly and severally liable for the specified debts of the corporation: . . . (c) where the number of members of a corporation exceeds the maximum specified in section 28 [d.h. 10 Mitglieder] for a period of six months, every such member shall be so liable for every debt of the corporation incurred while the number of members so exceeded or continues to exceed such maximum.“ § 63 (c) Close Corporations Act ist bislang ebenfalls noch nie angewandt worden. 139 § 66 Companies Act (Gleiches dürfte für § 63 (c) Close Corporations Act gelten; ausdrückliche Stellungnahmen hierzu liegen allerdings bislang noch nirgends vor) wird von der ganz überwiegenden südafrikanischen Rechtslehre als statutory piercing of the corporate veil verstanden. Vgl. Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 16 f. (§ 66

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Jedoch können auch diese nur mit erheblichen Bedenken als rechtliche Stütze für die von Milo vorgeschlagene Konstruktion dienen: Denn zum Ersten will Milo die Mitgliedsgesellschaften (Mutter- und Tochtergesellschaften) einer group of companies zu Gesamtschuldnern machen. § 66 Companies Act spricht demgegenüber davon, dass die Mitglieder (Gesellschafter) einer (public) company gesamtschuldnerisch haften. Die rechtlich grundsätzlich gleichberechtigte Stellung der Gesellschafter einer company kann jedoch nur schwerlich der von Mitgliedsgesellschaften einer group of companies gleichgesetzt werden, da die Muttergesellschaft dort in der Regel keine den Tochtergesellschaften bloß gleichberechtigte Rolle spielt. Zum Zweiten lässt § 66 Companies Act die Gesellschaft weiterhin haften. Unklar ist lediglich das Verhältnis der fortbestehenden Haftung der Gesellschaft zur gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder (Gesellschafter).140 Würde man diese Rechtslage auf eine group of companies übertragen, so müssten die Mitgliedsgesellschaften einer group of companies (Mutter- und Tochtergesellschaften) gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der group als Rechtsträger haften. Eine group hat jedoch keine Rechtssubjektseigenschaft, sie kann demnach auch nicht haften. Milos partnership approach fehlt somit derzeit wohl weitgehend eine gesetzliche oder gemeinrechtliche Stütze. cc) Kritik am partnership approach Für den partnership approach gilt ähnliche Kritik wie für den agency approach: Es besteht auch hier die Gefahr, dass Sachverhalte mit verbundenen Companies Act als „true case of piercing the veil by the legislature“), Cilliers, Corporate Law, 12; offengelassen bei Meskin, Henochsberg on the Companies Act I (Issue 17), 125. Die südafrikanische Rechtsprechung hat hierzu noch nichts verlauten lassen. Anderer Ansicht als die südafrikanische Rechtslehre ist dagegen Mayson im Hinblick auf die britische Entsprechungsnorm (§ 24 Companies Act 1985) zu § 66 des südafrikanischen Companies Act: „This can hardly be regarded as a denial of the corporate personality when the company itself remains liable for its debts . . .“ (Mayson, Company Law, 143 [Kap. 5.2.2.2]). Ebenso Gower, Principles of Company Law (1992), 109: „This section does not operate to destroy the separate personality of the company.“ Dagegen versteht Ottolenghi § 24 Companies Act (1985) als statutory lifting of the corporate veil in Form eines penetrating the veil (Ottolenghi 1990, MLR 343). 140 Naheliegend ist anzunehmen, dass auch die Gesellschaft zusammen mit den (gesamtschuldnerisch haftenden) Gesellschaftern gesamtschuldnerisch haftet. § 66 Companies Act lässt dies offen. Dahingehend jedoch De Koker / Henning (1990), THRHR 379: „Die skuldeiser beskik dus oor die keuse om die skuldbedrag te verhaal van die maatskappy, van die maatskappy en sy lede, van die lede gesamentlik of net van een van die lede.“ Bei Meskin, Henochsberg on the Companies Act I finden sich keine Erläuterungen hierzu.

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Gesellschaften gewaltsam in die Rechtsgrundsätze des law of partnership eingepasst werden und damit das law of partnership zur Lösung von Situationen herangezogen wird, für die es nicht geschaffen wurde.141 Ferner besteht auch hier die Gefahr, dass über den partnership approach das Prinzip der beschränkten Haftung untergraben wird trotz Wahrung des Trennungsprinzips. Ein deutlicher Beweistlastvorteil des partnership approach gegenüber dem agency approach liegt aus der Sicht eines Gläubigers darin, dass zu seinen Gunsten zum Ersten eine prima facie-Vermutung greift im Hinblick auf das Bestehen einer partnership142 – etwas Vergleichbares gibt es im Hinblick auf das Vorliegen eines inferred agency-Rechtsverhältnisses nicht – und zum Zweiten Vertretungsmacht der Untergesellschaft für die partnership gemäß der doctrine of mutual mandate grundsätzlich besteht. Prüftests entsprechend den agencyTests (Atkinson und Botha) erübrigen sich also. c) Sind die partnership analogy und der partnership approach ein piercing of the corporate veil? Fraglich ist, ob nach südafrikanischem Verständnis Milos partnership approach oder die partnership analogy i. S. d. § 344 (h) Companies Act bzw. des § 68 (d) Close Corporations Act auf ein piercing of the corporate veil hinauslaufen. Zu Milos partnership approach finden sich noch nirgends Stellungnahmen. Es dürften jedoch hierfür dieselben Argumente gelten wie für den agency approach:143 Auch der partnership approach erfordert zwingend mindestens zwei selbständige Rechtssubjekte als partners und bestätigt insofern das Trennungsprinzip. Andererseits wird auch mit dem partnership approach eine Rechtsfolge wie bei piercing of the corporate veil erzielt (Haftungszugriff auf den Hintermann). Es scheint daher angebracht, solche partnership-Konstruktionen wie bereits die agency-Konstruktionen ebenfalls als einen alternativen Lösungsweg aufzufassen, welcher neben den Lösungswegen der agency-Konstruktion und des piercing of the corporate veil besteht. Entscheidender Unterschied zwischen Milos partnership approach und dem agency approach ist, dass beim partnership approach ein zusätzlicher Haftungsträger geschaffen wird (beide partners haften), beim agency approach dagegen nicht (nur der principal haftet).

141 Milo (1998), SALJ 333 (m.w. N. aus der US-amerikanischen Rechtslehre): „[To] torture ,partnership‘ to save ,entity‘“. 142 Vgl. Milo (1998), SALJ 329 und 331, Fn. 80 („[A] crucial evidentiary advantage“). 143 s. u. Kap. C. IV. 1. b) aa) und oben Kap. B. II. 1. c).

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Anders ist die Lage bei der partnership analogy i. S. d. § 344 (h) Companies Act und des § 68 (d) Close Corporations Act. Beide Vorschriften werden in Südafrika im Allgemeinen als statutory piercing eingeordnet.144 Fraglich ist, inwieweit hier ein piercing of the corporate veil erfolgt: Eine auf § 344 (h) Companies Act bzw. § 68 (d) Close Corporations Act gestützte winding up-Verfügung des Gerichts führt zu keinem Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter. Sie macht die juristische Person domestic company auch nicht etwa zu einer partnership oder quasi-partnership und eröffnet damit nicht den Zugriff auf die Gesellschafter.145 Stattdessen wird wie im deutschen Recht ein Liquidator als Verfügungsbefugter eingesetzt und treten Verfügungsbeschränkungen in Kraft. Die Gesellschaft als Rechtsperson bleibt bestehen; erst die spätere dissolution bewirkt ihre Beendigung. Allerdings stellt das Gericht bei der Frage, ob die domestic company gem. § 344 (h) Companies Act aufgelöst werden soll, auf Umstände ab, die bei den Gesellschaftern begründet liegen, nicht aber bei der juristischen Person domestic company selbst. Der Zustand des Verhältnisses der Gesellschafter zueinander wird als Zustand der domestic company angesehen und ist ausschlaggebend dafür, ob eine Auflösung der Gesellschaft angeordnet wird. Diese Zurechnung des Zustandes des Verhältnisses der Gesellschafter zueinander auf die Gesellschaft

144 So jedenfalls die ganz herrschende Meinung der südafrikanischen Rechtslehre, vgl. Cilliers, Corporate Law, 12, Davids, Lifting the Veil, 162 ff., Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 224 f. Weniger eindeutig die englische Rechtslehre, vgl. Gower, Principles of Company Law (1992), der die englische Entsprechungsnorm zu § 344 (h) des südafrikanischen Companies Act, § 122 Abs. 1 (g) des britischen Insolvency Act (1986), nicht unter Kap. 6 (Lifting the Veil) „Under express statutory provision“ aufführt. Ebensowenig Mayson, Company Law, im Kapitel 5.2.2.2 (Ignoring corporate personality) „Statutory provisions“. 145 Ebrahimi v Westbourne Galleries Ltd [1972] 2 All ER 500f (per Lord Wilberforce: „To refer . . . to ,quasi-partnerships‘ or ,in substance partnerships‘ may be convenient but may also be confusing“) und 500g / h („A company, however domestic, is a company and not a partnership or even a quasi-partnership . . .“). Vgl. ebenso Cilliers, Corporate Law, 507 (Fn. 114), Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 276, Ottolenghi (1990), MLR 347, Prentice (1973), LQR 108 (allerdings mit der zweideutigen Formulierung: „[T]he courts . . . treated the company as being in substance a partnership . . .“) und Beuthin (1972), SALJ 486. Ottolenghi a. a. O. kritisiert diesbezüglich eine Passage in Re Yenidije Tobacco Co Ltd [1916] 2 Ch 426 (CA) 432 (per Cozens-Hardy, MR): „This is not a partnership strictly . . . But ought not the same principles precisely apply to a case like this where in substance it is a partnership in the form of the guise of a private company?“ Ottolenghi geht dies zu weit: „Here, the court goes too far: Having peeped behind the veil and discovered the composition of the company, the court should have treated it as a distinct legal entity. Otherwise it may seem that whenever a company is composed of such a small number of shareholders, an automatic adherence to partnership is imperative.“

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stellt eine Durchbrechung des Trennungsprinzips in Form einer Zurechnung persönlicher Eigenschaften der Gesellschafter dar.146 Nach südafrikanischem piercing-Verständnis ist aber nicht erst diese Zurechnung des festgestellten zerstörten Verhältnisses auf die Gesellschaft als Auflösungsgrund, sondern bereits das davor erfolgte Abstellen auf die „hinter“ dem corporate veil stehenden Gesellschafter zwecks Tatsachenermittlung147 (Feststellung des Zustandes ihres Verhältnisses zueinander) eine Durchbrechung des Trennungsprinzips. Nach deutschem Verständnis fällt dagegen allein eine solche Inaugenscheinnahme des Verhältnisses der Gesellschafter noch nicht unter Durchgriff. Nach südafrikanischem piercing-Verständnis beinhaltet die partnership analogy somit ein zweifaches piercing of the corporate veil. Laut Davids148 besteht innerhalb der Commonwealth-Literatur einige Unsicherheit, ob die partnership analogy als piercing-Fallgruppe149 oder als rechtliche Verankerung des piercing150 zu verstehen sei. Dies rührt daher, dass die partnership analogy nur unter sehr engen Sachverhaltsvoraussetzungen angewandt wird (domestic company; Auflösungsantrag i. S. d. § 344 (h) Companies Act) und daher rechtliche Verankerung und Fallgruppe nahezu zusammenfallen. Richtig scheint es, ausgehend vom südafrikanischen piercing-Verständnis die richterrechtliche partnership analogy als rechtliche Verankerung des piercing anzusehen (Zwecks Ermöglichung von Zurechnung des Verhältnisses der Gesellschafter auf die Gesellschaft wird die company wie eine partnership behandelt.). Deren Anwendung ist auf nur zwei Fallgruppen beschränkt, wobei beide Male entscheidendes Kriterium das Vorliegen einer personalistischen Kapitalgesellschaft (domestic company) ist: Diese sind zum einen Fälle des § 344 (h) Companies Act und zum anderen der Einzelfall Bellairs v Hodnett.151 Der partnership approach (Milo) und der statutory partnership approach der §§ 66 Companies Act und 63 (a) Close Corporations Act, denenzufolge verbundene Gesellschaften einer group of companies bzw. die Gesellschafter einer (public) company jeweils – wie die partners einer partnership – gesamtschuldnerisch (jointly and severally) für die Schulden einer der Mitgliedsgesellschaften bzw. der Gesellschaft haften, gehen erheblich über die bisherige richter-

146 Es dürfte vertretbar sein, unter diesem Blickwinkel die Fallgruppe „Domestic company“ / „Underlying partnership intention“ (s. u. Kap. C. VI. 3.) als Untergruppe der Fallgruppe „Attribution of personal characteristics“ (s. u. Kap. C. I. 1. a)) anzusehen. 147 s. o. Kap. A. II. 2. a) aa) (2). 148 Davids, Lifting the Veil, 64. 149 Vertreter dieser Ansicht sind Davids, Lifting the Veil, 64 zufolge Smith & Keenan, Company Law (1987) und Schmitthoff (Hrsg.), Palmer’s Company Law I (1987). 150 Laut Davids, Lifting the Veil, 64 ist dies v. a. Ottolenghi (1990), MLR 346 f. 151 Zu dieser Entscheidung s. u. Kap. C. VI. 3.

II. Südafrikanische Rechtslage

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rechtliche partnership analogy hinaus, die auf eine bloße Eigenschaftszurechnung hinausläuft. Der partnership approach bewirkt im Ergebnis dasselbe wie ein echter Rechtsfolgendurchgriff (jedoch ohne das Trennungsprinzip zu verletzen), die partnership analogy ist dagegen ein bloßer Zurechnungsdurchgriff (tatbestandliche Zurechnung). 3. Trusteeship approach Die Rechtsgrundsätze zum trusteeship (trusteeship principles) sind vereinzelt in der englischen Rechtsprechung als rechtliche Verankerung des piercing herangezogen worden. Danach kann eine Gesellschaft (company) – auch dann, wenn dies in ihrer Gründungsurkunde (memorandum) nicht vorgesehen ist152 – treuhänderisch (als trustee und somit als legal owner) Vermögensgegenstände für ihre Mitglieder (als beneficiaries und somit equitable owners) innehaben. Solche Entscheidungen waren allerdings sehr selten. In der englischen Literatur werden abwechselnd nur drei Entscheidungen erwähnt: In erster Linie ist dies Trebanog Working Men’s Club Ltd v Macdonald 153; daneben tauchen gele152 Falls dies in der Gründungsurkunde (memorandum) der Gesellschaft als ihr Geschäftszweck festgelegt ist, so kann sie problemlos trustee sein und ihre Mitglieder beneficiaries. 153 Trebanog Working Men’s Club and Institute Ltd v Macdonald [1940] 1 All ER 454 (per Hewart, LCJ). Laut Pennington, Company Law, 50 ist dies der einzige Fall, in dem die Rechtsprechung das Konzept des trusteeship verwendet hat, um das Trennungsprinzip zu umgehen. Laut Welling, Corporate Law in Canada, 129 handele es sich dagegen um einen Fall von express agency. Die unterschiedlichen rechtlichen Beurteilungen beider Autoren rühren daher, dass der betroffene Verein (club) in dieser Entscheidung sowohl als trustee (mit seinen Mitgliedern als beneficiaries) als auch als agent (mit seinen Mitgliedern als principals) bezeichnet wird. Der Schwerpunkt der richterlichen rechtlichen Beurteilung liegt jedoch deutlich beim law of trust. In diesem Fall war ein Verein (club) gegründet und eingetragen (incorporated) worden. Sein Zweck war es, Spirituosen anzukaufen und an seine Mitglieder im Vereinsheim weiterzuverkaufen. Der Verein kaufte und erwarb die Spirituosen im eigenen Namen und bezahlte mit eigenen Mitteln. Für den Verkauf (sale) von Alkohol war nach dem Licensing Act aus dem Jahre 1910 eine Verkaufslizenz erforderlich. Der Verein wurde wegen unlizensierten Alkoholverkaufs angeklagt und verurteilt. Hiergegen legte er Berufung ein. Die Klage hatte Erfolg. Begründet wurde dies vom Gericht damit, dass kein Verkauf (sale by retail) i. S. d. Licensing Act durch den Verein an seine Mitglieder stattgefunden habe: Denn der Verein sei zwar legal owner gewesen (da er den Alkohol im eigenen Namen gekauft habe), nicht aber auch equitable owner. Equitable owner seien vielmehr die Mitglieder (the members collectively) gewesen. Der Verein als juristische Person sei Treuhänder (trustee) der Mitglieder als Begünstigte (beneficiaries) im Hinblick auf den Alkohol gewesen. Beim Verkauf eines Glases Alkohol an ein Mitglied werde zwar der legal title an dem Inhalt des Glases Alkohol an das Mitglied übertragen. Jedoch sei dies nicht als Verkauf (sale) i. S. d. Licensing Act anzusehen, sondern stattdessen als Übertragung des equitable title am

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gentlich The Abbey Malvern v Ministry of Local Government154 und Littlewoods Stores v IRC auf.155 Bei den Letzteren beiden bestehen allerdings Zweifel.156 Aber auch die trusteeship-Konstruktion in Trebanog ist fragwürdig. Denn Alkohol im Glas von den übrigen Mitgliedern auf das trinkende Mitglied als Gegenleistung („in consideration“) für den hierfür bezahlten Preis. Vgl. die Erläuterungen von Pennington, Company Law (1990), 50 hierzu: „The court acquitted the club, holding that there had been no sale, because the members were in reality he owners of the liquor when it was purchased on their behalf by the managing committee. The legal title to the liquor was, of course, vested in the club, because it was purchased in the club’s name, and the transfer of title, when a member bought liquor, therefore looked like a true sale; but the court overcame this difficulty by holding that the club held the liquor as a trustee for its members, so that the beneficial ownership was all along vested in them collectively, and the transfer of the legal title, when a member bought liquor, was therefore not a sale at all, but a release to that member of the equitable beneficial interests of the other members.“ Die Konstruktion wirkt gezwungen. Nach dem südafrikanischen law of trust – das die Aufspaltung des Eigentums in legal title und equitable title nicht kennt – ließe sich die Annahme eines Verkaufs (sale) von club an Mitglied wohl nur dann rechtstechnisch vermeiden, wenn man von einem bewind-trust i. S. d. § 1 (b) Trust Property Control Act (No. 57 of 1988) ausgeht, bei dem im Gegensatz zum üblichen trust nicht der trustee Eigentümer (owner) des trust-Vermögens ist, sondern die beneficiaries. Dann aber bleibt das ungelöste Problem bestehen, wie der club vorher im eigenen Namen und für eigene Rechnung den Alkohol gekauft haben soll, ohne dessen Eigentümer zu werden. Hieraus wird ersichtlich, dass Trebanog-vergleichbare Entscheidungen mit dem südafrikanischen law of trust nicht nachkonstruierbar sind. 154 The Abbey Malvern Wells Ltd v Ministry of Local Government and Planning [1951] Ch 728. 155 Littlewoods Stores v I.R.C. [1969] 1 WLR 1241 (CA) (Steuerrechtlicher Fall; parent company / subsidiary-Rechtsverhältnis; trusteeship nicht ausdrücklich in der Entscheidung erwähnt; Entscheidung nicht einstimmig gefällt), vgl. Gower, Principles of Company Law (1979), 125 / 126. In den nachfolgenden Auflagen von Gower, Principles of Company Law (1992, 1997, 2003) wird diese Entscheidung allerdings nicht mehr erwähnt. 156 Pennington, Company Law, 50 nennt nur die Trebanog-Entscheidung. Gower, Principles of Company Law (1979), 125 f. nennt stattdessen The Abbey Malvern und Littlewoods Stores v I.R.C., weist allerdings darauf hin, dass in diesen Entscheidungen nicht ausdrücklich von trusteeship die Rede ist, sondern es sich hierbei lediglich um Gowers eigene Auslegung der Stellungnahmen der Richter Sachs und Karminski (in der Littlewoods Stores-Entscheidung) und Danckwert (in der The Abbey Malvern-Entscheidung) handelt. In den nachfolgenden Auflagen von Gower, Principles of Company Law (1992, 1997, 2003) werden diese Entscheidungen allerdings nicht mehr erwähnt. Mayson, Company Law, 151 f. erwähnt nicht ausdrücklich einen trusteeship approach. Stattdessen finden die beiden Entscheidungen Trebanog und The Abbey Malvern im Unterkapitel 5.2.2.6 „Characterisation of a company’s status or acts“ des Kap. 5.2.2 „Ignoring corporate personality“ Erwähnung. Die beiden Entscheidungen seien „Examples of information about persons connected with a company . . . used to determine and characterise the company’s status or legal relationships . . . [W]hilst the courts in this situation are undeniably looking at the actions and intentions of persons other than the company, it is submitted that this is not a denial of corporate personality, but a recognition of it. The courts are trying to discover the true expression of that personality and, being conscious of the necessary limitations attaching to an artifi-

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die Trebanog-Entscheidung (1940) stützt ihre trust-Konstruktion auf den Präzedenzfall Graff v Evans157 aus dem Jahre 1882. Jedoch lag seinerzeit bereits eine wesentlich aktuellere Entscheidung (Wurzel v Houghton) 158 aus dem Jahre 1937 vor, die bei einem dem Trebanog-Fall sehr vergleichbaren Sachverhalt die juristische Person (dort eine company, kein club) haften ließ, ohne auf trust-Argumentation einzugehen.159 Heute setzen sich die meisten Gesellschaftsrechtsdarstellungen der Commonwealth-Literatur nur noch sehr beifällig mit dem trusteeship-approach auseinander.160 Die Commonwealth-Rechtsprechung scheint ihn überhaupt nicht mehr in Betracht zu ziehen. Die südafrikanische Rechtsprechung hat kein einziges Mal eine Anwendung der Rechtsgrundsätze des trusteeship als rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil erwogen. Dies hängt erheblich damit zusammen, dass sich das südafrikanische law of trust aufgrund seines einheitlichen Eigentumsbegriffs, der aus dem römischen Recht übernommen wurde und nicht – wie im englischen und US-amerikanischen Recht – in legal ownership und in equitable ownership zerfällt (sog. dual ownership), vergleichsweise stark vom englischen unterscheidet.161 Die südafrikanische Literatur erwähnt den trusteeship approach nirgends (abgesehen von Davids, die allerdings schlichtweg auf Pennington verweist).162 Der trusteeship approach kann somit jedenfalls im Hinblick auf das südafrikanische piercing-Recht als bedeutungslos angesehen werden. In der Commonwealth-Rechtslehre finden sich noch einige Stellungnahmen zum trusteeship approach. Alle sind deutlich ablehnend.163 Pennington betont, cial entity, are looking to the company’s controllers to determine how the company expresses its independent personality.“ 157 (1882) 8 QBD 373. 158 Wurzel v Houghton Main Home Delivery Service Ltd [1936] 3 All ER 311 (per Hewart, LCJ). 159 Sealy, Cases and Materials in Company Law, 65. 160 Vgl. Gower, Principles of Company Law, 4. Auflage 1979, 125 f. (In den nachfolgenden Auflagen [1992, 1997, 2003] wird der trusteeship approach gar nicht mehr erwähnt), Pennington, Company Law, 50 ff., Pickering (1968), MLR 495 ff., Beck (1987), CICL 75 (Fn. 32) und als einzige südafrikanische Darstellung Davids, Lifting the Veil, 63. 161 Vgl. Braun v Blann and Botha NNO 1984 (2) SA 850 (A) 859, per Joubert, JA: „In South Africa . . . the trust was introduced in practice during the 19th century by usage without the intervention of the Legislature, but the English law of trusts with its dichotomy of legal and equitable ownership (or ,dual ownership‘ according to the American law of trusts) was not received in our law. The English conception of an equitable ownership distinct from, but co-existing with, the legal ownership is foreign to our law. Our courts have evolved and are still in the process of evolving our own law of trusts . . .“. Siehe auch Van Dorsten, South African Business Entities, 420. 162 Davids, Lifting the Veil, 63.

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

die trusteeship-Regeln seien überdehnt und untechnisch verwendet worden.164 Beck und Sealy melden beweisrechtliche Bedenken an.165 4. Zusammenfassung Von den hergebrachten Gemeinrechtsgrundsätzen (common law principles) sind in Südafrika heute nur die Regeln des Stellvertretungsrechts (law of agency) zur Lösung von piercing-relevanten Sachverhalten praktisch bedeutsam. Daneben spielt in einem eng umgrenzten Sondersachverhalt (Auflösung einer personalistischen Kapitalgesellschaft gem. § 344 (h) Companies Act) die sogenannte partnership analogy eine Rolle. Während der agency approach sowohl dazu herangezogen werden kann, Zahlungshaftungen zu konstruieren, als auch dazu, bloße tatbestandliche Zurechnungen zu bewerkstelligen, greift die partnership analogy lediglich für tatbestandliche Zurechnungen und vorangehende Tatsachenermittlungen. Unsicherheit besteht im Hinblick auf die Einordnung des agency approach: Teilweise wird er verfehlt als rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil oder als piercing-Fallgruppe eingestuft. Nur ein kleiner Teil der Literatur (Milo) versteht ihn stimmig als alternativen Lösungsweg anstelle einer Lösung über ein piercing of the corporate veil. Der agency approach ist in Südafrika bislang außerhalb des Steuerrechts nur wenig angewandt worden. Zwar soll er der Literatur zufolge vorwiegend bei verbundenen Gesellschaften einschlägig sein; jedoch liegt hierzu bislang kaum Rechstprechung vor. Auch mit einer (beherrschenden) natürlichen Person als principal finden sich in Südafrika keine Entscheidungen. Die von Teilen der Literatur (Davids) angeführten Entscheidungen Cattle Breeders v Veldman, Gering v Gering und R P Crees v Woodpecker beinhalten bei näherem Hinsehen keine agency-Lösungen. Einigkeit herrscht heute darüber (seit Adcock-Ingram obiter, seit Ritz v Ritz als ratio decidendi), dass neben express agency-Rechtsverhältnissen auch in163 Pickering (1968), MLR 495 („unsatisfactory [approach]“), Gower, Principles of Company Law (1979), 125 („[approach] no longer arguable“). 164 Pennington, Company Law, 50: „The tenuous evidence from which the court had implied a . . . trusteeship leads one to the question whether the . . . trusteeship is not merely a convenient legal fiction used by the court to enable it to give a decision which it thinks just. The description of [z. B.] the subsidiary as the holding company’s . . . trustee often appears to be merely an epithet used to indicate the subsidiary’s complete subjection to the holding company, and not a statement of their legal relationship at all.“ 165 Beck (1987), CICL 75 (Fn. 32): Trusteeship sei „nothing more than a device almost impossible to prove in fact.“ Sealy, Cases and Materials in Company Law, 64: „The evidence of . . . a trust in the [Trebanog-]case . . . was, to say the least, tenuous . . .“

III. Vergleichende Betrachtung und Ergebnis

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ferred agency-Rechtsverhältnisse zwischen verbundenen Gesellschaften möglich sind. Keine Einigkeit herrscht darüber, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall sein soll. Vermutlich stellt die Rechtsprechung auf den Atkinson-Test aus dem Jahre 1939 ab; er ist bislang jedoch noch nicht ausdrücklich bemüht worden. Die Literatur (Botha) hat einen eigenen Prüftest vorgestellt. Dieser krankt jedoch daran, dass er nicht tatbestandlich griffig ist. Die partnership analogy ist in Südafrika reichlich angewandt worden. Noch nie ist dagegen von der südafrikanischen oder der weiteren CommonwealthRechtsprechung versucht worden, die Rechtsgrundsätze des common law of partnership heranzuziehen, um verbundene Gesellschaften einer group of companies wie partners einer partnership (group als partnership) haften zu lassen (partnership approach). Dogmatisch spräche allerdings nichts dagegen. Milo hat nachgewiesen, dass das law of partnership tatbestandlich auch für verbundene Gesellschaften geeignet ist. Zwar findet sich auch in der englischen DHN-Entscheidung eine dahingehend formulierte Passage (DHN 467d). Jedoch hat das Gericht in dieser Entscheidung keinen Lösungsweg im Sinne eines partnership approach beschritten, und es muss DHN 467d daher wohl als bloße verfehlte Formulierung angesehen werden. Milo hat 1998 Neuland betreten und vorgebracht, einen partnership approach auf die Mitgliedsgesellschaften einer group of companies anzuwenden, um die Obergesellschaft gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten einer Untergesellschaft gegenüber Dritten haften zu lassen, will allerdings diesen partnership approach verfehlt auf DHN stützen.

III. Vergleichende Betrachtung und Ergebnis Im deutschen wie im südafrikanischen Recht ist jeweils versucht worden, den Ausnahmefall Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil in den vorhandenen Möglichkeiten der jeweiligen Rechtsordnung zu verankern. Dies ist nur mit mäßigem Erfolg geglückt. In der deutschen Literatur hat man dabei – neben einigen anderen Herleitungsversuchen – § 242 BGB als Anspruchsgrundlage heranzuziehen versucht. Dies ist aber fragwürdig. Die Rechtsprechung (Autokran; Bremer Vulkan; KBV) arbeitet mit einer analogen Anwendung des § 128 Satz 1 HGB. Jedoch ist diese Lösung bislang noch unausgereift, und eine Haftung analog § 128 Satz 1 HGB insbesondere nicht stimmig mit einer Ausfallhaftung. In Südafrika ist die Rechtslage weniger klar: Zur Erreichung eines Haftungsdurchgriffs ist dort bisher erwogen worden, das law of agency heranzuziehen. Rechtsprechung liegt hierzu jedoch nicht vor. Ein Haftungsdurchgriff könnte ferner auf das law of partnership gestützt werden mit der Folge gesamtschuldnerischer Haftung von Gesellschafter und Gesellschaft (bzw. Obergesellschaft und Untergesellschaft) als partners für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft

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B. Rechtliche Verankerung des Durchgriffs / piercing of the corporate veil

(bzw. Untergesellschaft). Jedoch hat die Rechtsprechung dies bislang noch nicht getan. Vereinzelt sind diese hergebrachten Rechtsgrundsätze (traditional principles of law: law of agency, law of partnership und auch das law of delict) zusammenfassend als „the principles approach“ zur Lösung piercing-relevanter Sachverhalte bezeichnet worden. Jedoch bieten sie keinen allgemeingültigen und einheitlichen Lösungsweg und können zudem nur einen kleineren Teil der Fälle mit piercing-erheblichen Sachverhalten erfassen. Gleichermaßen können sie angesichts dieser Unzulänglichkeit wohl auch nicht als problemdeckende Sammlung von Lösungsalternativen zu einem piercing of the corporate veil angesehen werden. Über ihre Bedeutung für die Lösung piercing-erheblicher Sachverhalte herrscht Streit. Mehrheitlich werden sie entweder als rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil oder als Fallgruppen des piercing of the corporate veil verstanden. Lediglich eine Mindermeinung (Milo) versteht sie stimmig weder als rechtliche Verankerung noch als Fallgruppen des piercing of the corporate veil, sondern als Alternativen dazu. Agency-Konstruktionen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft166 zwecks Bewerkstelligung einer Haftung der Gesellschafter gegenüber Dritten für Zahlungsverbindlichkeiten der Gesellschaft sind im deutschen Recht unbekannt: Um solche agency-Konstruktionen nachzubilden, müsste die Gesellschaft als Vertreterin der Gesellschafter (Geschäftsherren) aufgetreten sein. Solche Konstruktionen mit einer Gesellschaft als Bevollmächtigte der Gesellschafter sind möglich, aber lebensfremd. Die Organe der Gesellschaft gäben dann ihre eigene Willenserklärung im Namen der Gesellschaft im Namen der Gesellschafter ab. Dies mag noch vorstellbar sein in Fällen einer ausdrücklichen Bevollmächtigung der Gesellschaft, kaum dagegen in Form von (in Südafrika praktizierten) konkludenten (implied) Bevollmächtigungen. Entsprechende deutsche Rechtsprechung gibt es nicht. Eine dem § 344 (h) Companies Act entsprechende Billigkeitsbestimmung (partnership analogy) gibt es im deutschen Gesellschaftsrecht nicht. Zwar kann auch die deutsche GmbH gem. § 60 Nr. 3 i.V. m. § 61 Abs. 1 GmbHG durch Urteil aufgelöst werden, wenn „die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich wird, oder wenn andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende, wichtige Gründe für die Auflösung der Gesellschaft vorhanden sind.“ Eine solche Klage ist wie in Südafrika gem. § 61 Abs. 2 Satz 1 GmbHG gegen die Gesellschaft zu richten, kann aber – im Gegensatz zur Rechtslage in Südafrika – nur von Gesellschaftern i. S. d. § 61 Abs. 2 Satz 2 GmbHG erhoben werden. 166 Zum Thema agency-Konstruktionen zwischen Obergesellschaft und Untergesellschaft s. u. Kap. C. IV. 2.

III. Vergleichende Betrachtung und Ergebnis

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Dagegen ist der Kreis der Klageberechtigten i. S. d. § 344 (h) Companies Act erheblich weiter und umfasst gem. § 346 Companies Act insbesondere auch die Gläubiger der Gesellschaft. Nach deutscher Rechtsprechung liegt bei personalistisch geprägten Gesellschaften mbH Unmöglichkeit der Erreichung des Gesellschaftszwecks i. S. d. § 61 Abs. 1, 1. Alternative GmbHG vor, wenn jede Aussicht fehlt, das Unternehmen allgemein oder gerade mit diesen Gesellschaftern ersprießlich fortzusetzen.167 Auf ein Verschulden einzelner Gesellschafter kommt es dabei nicht an. Ein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern ist als Grund zur Auflösung anerkannt worden, insbesondere bei einer Zweimann-GmbH mit paritätischer Beteiligung.168 Ein sonstiger wichtiger Grund i. S. d. § 61 Abs. 1, 2. Alternative GmbHG liegt vor, wenn dem Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft aus in der Gesellschaft liegenden Gründen nicht mehr zugemutet werden kann. Gründe, die ausschließlich in der Privatsphäre eines Gesellschafters liegen, finden somit keine Beachtung, es sei denn, sie wirken sich nachhaltig auf das Verhältnis der Gesellschafter aus. Ein tiefgreifendes Zerwürfnis der Gesellschaft beispielsweise durch fortgesetzten, die Arbeit der Gesellschaft auf Dauer lahmlegenden Missbrauch des Stimmrechts durch einen Gesellschafter wird dabei jedenfalls von der Literatur als solcher sonstiger wichtiger Grund angesehen. Damit besteht zwischen deutschem und südafrikanischem Auflösungsrecht zumindest im Bereich des „squeeze-out“ des Minderheitsgesellschafters Übereinstimmung. Allerdings ist im deutschen Recht in diesem Zusammenhang nicht von Durchgriff die Rede, und es wird § 61 Abs. 1 GmbHG auch nicht als gesetzliche Durchgriffsvorschrift verstanden.

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BGHZ 80, 346. BGH 1985 NJW 1901.

C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories Die unter dem Sammelbegriff Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil diskutierten Fallgruppen decken sich nur zum Teil. Und selbst dort, wo dies der Fall ist, wird ihnen in den beiden Rechtsordnungen meist ein jeweils unterschiedliches Gewicht zugesprochen. Eine streng spiegelbildliche Besprechung dieser Fallgruppen ließ sich daher in der vorliegenden Arbeit nicht durchsetzen. Deshalb wird bei der nachfolgenden Darstellung der Fallgruppen nicht starr mit den jeweils im deutschen Recht anerkannten Fallgruppen begonnen und das südafrikanische Recht diesen dann gegenübergestellt. Stattdessen wird jeweils zunächst die Rechtslage in derjenigen der beiden Rechtsordnungen besprochen, in der die betreffende Fallgruppe die vergleichsweise größere Bedeutung einnimmt. Daran schließt sich dann eine Darstellung der vergleichbaren Rechtslage in der anderen Rechtsordnung an.

I. Südafrikanische Fallgruppe „Attribution / imputation of personal characteristics / knowledge / intention“ und vergleichbare deutsche Rechtslage 1. Südafrikanische Fallgruppe a) Zurechnungen von Eigenschaften der directors oder der Gesellschafter auf die Gesellschaft Im Hinblick auf die Zurechnung von Eigenschaften von Gesellschaftern und directors bilden die sogenannten Feindeigenschafts-Fälle („enemy character“Fälle) die klassischen Entscheidungen. Hier sollte jeweils die Feindeigenschaft (kriegsgegnerische Staatsbürgerschaft) von directors und Gesellschaftern der Gesellschaft zugerechnet werden. Grundfall ist die englische Entscheidung Daimler Co Ltd v Continental Tyre and Rubber Co (Great Britain) aus dem Jahre 1916.1 Sie enthält erstmalig ein obiter dictum über die Zurechenbarkeit 1 Daimler Co Ltd v Continental Tyre & Rubber Co (Great Britain) Ltd [1916–17] All ER 191 (HL). Hierzu s. a. Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 137 f. Nachfolgende englische Entscheidungen waren The Polzeath [1916] P 241 und The St Tudno [1916] P 291. a) Sachverhalt des Daimler-Falles: Continental Tyre & Rubber Co (Great Britain) war 1905 als englische Gesellschaft gegründet worden und in England im Handelsregister eingetragen. Von ihren 25.000 ausgegebenen Geschäftsanteilen (zu je 1 Pfund) gehörten 24.999 deutschen Staatsbürgern und eines einem britischen Staatsbürger (ei-

I. „Attribution of personal characteristics‘‘ und deutsche Rechtslage

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solcher Eigenschaften.2 Dieses obiter stellt für eine Zurechnung vorwiegend auf die Feindeigenschaft der directors und de facto controlling persons (womit vor nem naturalisierten ehemaligen deutschen Staatsbürger). Alle Geschäftsführer (directors) waren deutsche Staatsbürger. Der englische Trading with the Enemy Act von 1914 (i.V. m. einer Königlichen Proclamation) verbot Rechtsgeschäfte mit dem Feind (enemy) / Feindausländern (enemy aliens), namentlich Zahlungen an diese. Continental Tyre & Rubber Co (Great Britain) verklagte Ende 1914 die englische Gesellschaft Daimler Co Ltd auf Zahlung für bestimmten, noch vor Kriegsausbruch gelieferten Reifengummi. Daimler Co Ltd verweigerte die Zahlung mit der Begründung, Handel mit dem Feind und Geldzahlungen an diesen seien verboten. b) Entscheidung: Erstinstanzliches und zweitinstanzliches (Court of Appeal) Gericht entschieden zugunsten von Continental Tyre & Rubber Co (Great Britain). Dagegen legte Daimler Co Ltd erfolgreich beim House of Lords Revision ein. Begründet hat das House of Lords (per Lord Parker – Alle sieben beisitzenden Richter stimmten im Ergebnis zu) seine Entscheidung damit, dass Geschäftsführer (directors) als enemy aliens schon nicht die Befugnis hätten, Klage einzureichen (institution of action), da ihre organschaftlichen Rechte / Kompetenzen zeitens des Krieges ruhten (suspended, 191 E / F, 203A). Die Frage, ob eine Gesellschaft enemy character annehmen könne und unter welchen Voraussetzungen dies der Fall sei, sei somit für den vorliegenden Fall unerheblich (203G). Entsprechende Ausführungen (207E–208F) sind daher bloße obiter dicta. c) Piercing-erhebliche Ausführungen: In einem ausführlichen obiter dictum des Richters Lord Parker finden sich Aussagen zur Zurechenbarkeit persönlicher Eigenschaften (hier enemy-Eigenschaft) auf die Gesellschaft. Allerdings fällt dort nirgends ausdrücklich der Begriff des piercing / lifting of the corporate veil: Bei natürlichen Personen liege enemy-Eigenschaft vor, wenn diese entweder im feindlichen Ausland ihren Wohnsitz hätten (residents in an enemy country) oder von enemy-Personen weisungsabhängig seien oder beherrscht würden (207G). Die Möglichkeit einer Zurechenbarkeit solcher Eigenschaften auf Gesellschaften wurde bejaht (207F / G (iii)). Unterschieden wurde danach, wessen enemy-Eigenschaft der Gesellschaft zugerechnet werden können solle: Jedenfalls die der Geschäftsführer („the company’s agents“; Geschäftsführer sind im Außenverhältnis agents der Gesellschaft) und faktischen Geschäftsführer (191C). Verschwommene Aussagen finden sich dagegen bezüglich der Gesellschafter (191C / D–E; 207H–208E): Ihre enemy-Eigenschaften könnten je nach Anzahl und Wert der von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile erheblich („material“) werden bei der Entscheidung der Frage, ob die Geschäftsführer der Gesellschaft von enemy-Personen weisungsabhängig seien oder beherrscht würden (208H / I) und somit dann enemies seien. Eine unmittelbare Zurechnung der enemy-Eigenschaft von Gesellschaftern auf die Gesellschaft sei dagegen nicht möglich (191D; 207H (iv)). 2 Das betreffende obiter dictum des Richters Lord Parker lautet (207F–I): „[A] company may . . . assume an enemy character. This will be the case if its agents or the persons in de facto control of its affairs . . . are resident in an enemy country . . . The character of individual shareholders cannot of itself affect the character of the company . . . The enemy character of individual shareholders and their conduct may, however, be very material on the question whether the company’s agents, or the persons in de facto control of its affairs, are in fact adhering to, taking instructions from, or acting under the control of enemies. This materiality will vary with the number of the shareholders who are enemies and the value of their holdings.“ Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 137 ff. (§ 14: Die Feindeigenschaft juristischer Personen) führt hierzu aus: „[137:] Die wichtigste englische Entscheidung . . . über den Feindbegriff bei Korporationen ist das Urteil des House of Lords in der Rechtssache Daimler Co. Ltd. v. Continental Tyre and Rubber Company

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

allem faktische Geschäftsführer angesprochen sind) ab, will aber auch eine mittelbare Zurechnung der Feindeigenschaft von Gesellschaftern aufgrund bestehender Mehrheitsbeteiligungen oder Stimmenmehrheiten zulassen. In nachfolgenden Entscheidungen lässt sich allerdings keine klare Unterscheidung danach erkennen, ob auf die Feindeigenschaft der directors oder der Gesellschafter abgestellt wurde. Lediglich in Re Hilckes, ex parte Muhesa Rubber Plantations Ltd 3 wird deutlich nur auf Eigenschaften der directors abgestellt und werden demgegenüber Eigenschaften der Gesellschafter im Hinblick auf Zurechnungen für unerheblich gehalten.4 Allerdings enthält diese Entscheidung keine näheren dogmatischen Ausführungen hierzu und untersucht zudem hilfsweise auch die Nationalitäten der Gesellschafter. Ltd. . . . Unter dem Einfluß dieses Urteils [Gemeint sind Lord Parkers Ausführungen] hat sich die sog. Kontrolltheorie . . . herausgebildet . . . [138:] An der Auffassung, daß zur Bestimmung der Feindeigenschaft einer juristischen Person auf die Menschen hinter ihr durchgegriffen werden darf, haben dann in der Folgezeit während des ersten Weltkrieges die englischen Gerichte in ständiger Rechtsprechung festgehalten . . ., ja sie ist sogar gesetzlich durch section 13 des Trading with the Enemy Amendment Act vom 8.8.1918 ausdrücklich anerkannt worden . . .“ Zur parallelen Entwicklung im deutschen Recht während des Ersten Weltkrieges führt Serick a. a. O., 140 an, dass „auch in Deutschland der Gesetzgeber die charakteristischen Kontrollmerkmale verwertete, wie z. B. Leitung oder Beaufsichtigung der juristischen Person durch feindliche Ausländer oder überwiegende Kapitalbeteiligung solcher Personen . . . [S. 140, Fn. 2: „Gerichtsentscheidungen fehlen, da die von zuständiger Stelle verfügten Maßnahmen gegen feindliche juristische Personen unanfechtbar waren; vgl. Gesetz vom 4.8.1914, § 3 (RGBl. 327, 328), das der gesetzliche Ausgangspunkt der deutschen Wirtschaftskriegsführung gegen juristische Personen war . . .“]. Dieser Ansatz wurde jedoch während des Zweiten Weltkrieges aufgegeben: „In Deutschland hat . . . während des letzten Krieges eine umgekehrte Entwicklung stattgefunden. Das Kontrollprinzip, das im ersten Weltkrieg zur Bestimmung der Feindeigenschaft der juristischen Person verwertet worden war, wurde verlassen, und die Feindeigenschaft der juristischen Person nach dem – leicht abgewandelten – Sitzgrundsatz bestimmt . . .“ (Serick a. a. O., 143 f.). 3 [1917] 1 KB 48. Hierzu s. a. Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 138 f. (Fn. 2). 4 Der Sachverhalt in diesem Fall unterschied sich im Hinblick auf die Zusammensetzung der Gesellschaft erheblich von dem Daimler-Fall: Die gesamte Geschäftsführung der Muhesa Rubber Plantations Ltd bestand aus britischen Staatsbürgern. Lediglich 10% der Geschäftsanteile der Gesellschaft wurden von deutschen Staatsbürgern gehalten, 70% dagegen von britischen. Ein distinguishing on the facts vom DaimlerFall lag daher auf der Hand. In re Hilckes, ex parte Muhesa Rubber Plantations Ltd [1917] KB 54 / 55 (per Cozens-Hardy, MR): „The directors are all English; the meetings are held in London, the secretary is English. What has sometimes been called the heart and the brain of the company, the management and control of it, is beyond all doubt . . . exercised by an English board of directors . . . What about the shareholders? Speaking for myself, I do not think in a case like this that is material, but looking at the list of shareholders, what do we find? There is a large majority of English shareholders . . . That being so, is it possible to say that this is an enemy company . . .? In my opinion it plainly is not an enemy company.“ Auf die Entscheidung In re Hilckes, ex parte Muhesa wird in der südafrikanischen enemy character-Entscheidung Overseas Trust Corporation Ltd v Godfrey 1940 CPD 177 185 (per Jones, J) verwiesen.

I. „Attribution of personal characteristics‘‘ und deutsche Rechtslage

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Die südafrikanische Rechtsprechung hat eine zwiespältige Haltung gegenüber diesem obiter dictum der Daimler-Entscheidung an den Tag gelegt: In der Entscheidung Dadoo Ltd v Krugersdorp Municipal Council aus dem Jahre 1920 wurde obiter (im Zuge einer Erörterung der Daimler-Entscheidung) eine Zurechenbarkeit von Feindeigenschaft abgelehnt.5 Auf dieses ablehnende obiter dictum hat (ebenfalls obiter) die Entscheidung Gumede v Bandhla im Jahre 1950 hingewiesen.6 Die Leitentscheidung Lategan v Boyes aus dem Jahre 1980 lehnte das Daimler-obiter dictum (wiederum obiter) als unstimmig mit der südafrikanischen Dadoo-Entscheidung ab.7 Andererseits wurden die Daimler-Entscheidung und das dortige obiter im einzigen südafrikanischen „enemy character“-Fall (Overseas Trust Corporation Ltd v Godfrey8) aus dem Jahre 1941 bedenkenlos herangezogen, ohne auf das Dadoo-obiter hinzuweisen. Allerdings wurde in diesem Fall eine Feindeigenschaftszurechung im Ergebnis abgelehnt 5 (1920) AD 530 552 (per Innes, CJ): „A company cannot have an enemy character; in the words of Buckley LJ [Entscheidung des Court of Appeal (per Buckley, LJ) als Vorinstanz zum House of Lords (per Lord Parker)], it has neither body parts nor passions; it cannot be loyal or disloyal.“ Die südafrikanische Appellate Division folgte somit der Argumentationslinie des englischen Court of Appeal. Dieser hatte eine Zurechenbarkeit von Feindeigenschaft verneint. 6 Gumede v Bandhla Vukani Bakithi Ltd 1950 (4) SA 560 (N) 561, per Carlisle, AJP: „In Dadoo Ltd . . . v Krugersdorp . . . Innes, JC, [551 f.] pointed out that a company could not have an enemy character.“ Vgl. auch Benade (1967), THRHR 219 (Fn. 26). 7 Lategan v Boyes 201D (per Le Roux, J): „In that [Daimler-]case four of the Lords of Appeal were prepared to hold that a company could be regarded as an enemy alien by virtue of its membership. In this regard it seems to be in conflict with the decision in the case of Dadoo Ltd v Krugersdorp . . ., where the contrary view was taken.“ 8 Overseas Trust Corporation v Godfrey 1940 CPD 177 (per Jones, J): a) Sachverhalt: Klägerin Overseas Trust Corporation Ltd (OTC Ltd) verkaufte kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges Zement an Cement (Pty) Ltd. OTC Ltd selbst wiederum kaufte ihren Zement regelmäßig von der (in Deutschland ansässigen) Afrika Bergbau GmbH. OTC Ltd und Cement (Pty) Ltd waren beide in Südafrika ansässig. Für den Kaufpreis hatten sich sowohl die Gesellschaft Godfrey & Co (Pty) Ltd als auch Mr Godfrey als Mitbürgen verpflichtet. Die Raten für September und Oktober 1939 wurden weder von Godfrey (Pty) Ltd noch von Mr Godfrey bezahlt. Stattdessen meldete Godfrey (Pty) Ltd Konkurs an, und es wurde über das Vermögen des Mr Godfrey gerichtlich die vorläufige Zwangsverwaltung (provisional sequestration) angeordnet. OTC Ltd verklagte nun Mr Godfrey persönlich auf Zahlung. Beklagter Mr Godfrey brachte vor, dass der OTC Ltd Feindeigenschaft zugerechnet werden müsse („[a company] of enemy character“), weil die „persons in de facto control of the company . . . alien enemies“ seien (Overseas v Godfrey 182). Das Vorbringen stützte sich darauf, dass zwischen OTC Ltd und ihrer Geschäftspartnerin SA Manganese Ltd (eine ebenfalls in Südafrika ansässige Gesellschaft) ein enger Geschäftskontakt bestand. Im Zuge dessen wurden Schiffsfrachten nach Übersee von OTC Ltd selbst oder von Afrika Bergbau GmbH über OTC Ltd zum Teil finanziell und logistisch unterstützt. Afrika Bergbau GmbH habe laut Mr Godfrey „to some extent control“ über OTC Ltd (Overseas v Godfrey 185). Ausgehend davon begehrte Mr Godfrey unter Berufung auf die Daimler-Entscheidung festzustellen, dass Klägerin OTC Ltd nicht Zahlung aus der Bürgenverbindlichkeit verlangen könne.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

und im Hinblick auf den Daimler-Fall eine anwendungsausschließende Sachverhaltsunterscheidung (distinguishing on the facts) vorgenommen. Die Entscheidung Dadoo Ltd v Krugersdorp gehört streng genommen nicht in die hiesige Fallgruppe der Eigenschaftszurechnungen. Denn dort ging es nicht um Zurechnung einer Eigenschaft der Gesellschafter und directors (Zurechnung der indischen Abstämmigkeit der geschäftsführenden Gesellschafter) auf die Gesellschaft, sondern darum, ob ein bestimmtes Rechtsgeschäft in fraudem legis war.9 Eine Zurechenbarkeit von Rasseeigenschaft im Sinne der Apartheidsklassifikationen ist im Übrigen von der Rechtsprechung dort obiter und in

b) Entscheidung: Das Gericht verneinte sowohl OTC Ltds Feindeigenschaft als auch de facto-control von OTC Ltd durch die Feindgesellschaft (enemy company) Afrika Bergbau GmbH: In Bezug auf OTC Ltds vorgebrachte Feindeigenschaft wurde der vorliegende Sachverhalt von dem des Daimler-Falles unterschieden (distinguishing on the facts): Im Gegensatz zum Daimler-Fall waren OTC Ltds Gesellschafter in grosser Mehrheit keine Feindausländer. Das Gleiche galt von OTC Ltds officers. OTC Ltd sei deshalb prima facie als Freundgesellschaft einzustufen (Overseas v Godfrey 185: „[L]et me say at once that this case differs entirely in its facts from the Daimler case . . . In the Daimler case out of 25,000 shares, 24,999 were held by German companies or German subjects, the directors were German subjects and the only shareholder resident in England was the secretary, by origin a German, who held one share and had become a naturalised British subject. In this [Overseas Trust Corporation v Godfrey] case only two shareholders are foreigners, the one a Dutch company registered in Rotterdam, and the other a Hollander living and domiciled in Rotterdam; between the two of them they hold less than one-third of the share capital . . . All the directors are British subjects domiciled in South Africa with the exception of the Rotterdam shareholder, whose alternate on the Board is a British subject domiciled in South Africa.“) In Bezug auf das de facto control-Vorbringen (das im Daimler-obiter ebenfalls als mögliche Grundlage einer Feindeigenschaftszurechnung angesehen worden war) wurde zwar eine enge Geschäftsbeziehung bejaht, nicht aber control seitens Afrika Bergbau GmbH (Overseas v Godfrey 186 f.): „The managing director of . . . [OTC Ltd] has stated that his company, which naturally since the declaration of war has had no business relations with Afrika Bergbau, was not at any time controlled by Afrika Bergbau or any other alien enemy. And a careful perusal of the statements made in the affidavits and the documents annexed thereto satisfies me that this statement is correct . . . [T]here were intimate business relations between . . . [OTC Ltd] and Afrika Bergbau in connection with the purchase by the former from the latter of clinker for re-sale in this country to the Cement Corporation . . . And such intimate business relations would naturally exist between . . . [OTC Ltd] who financed shipments of manganese ore for re-sale overseas through the mediation of Afrika Bergbau, and . . . Afrika Bergbau . . . who procured buyers for the . . . ore shipped. And that is as much as the documents indicate, and no more . . . In my opinion . . . [OTC Ltd], which is registered in this country where it carries on business, the great majority of whose shareholders are not alien enemies, and the conduct of whose business is directed by officers who are not alien enemies, definitely has not at any time assumed an enemy character.“ 9 Vgl. Dadoo v Krugersdorp 548 (per Innes, CJ): „It is not argued that the legal persona registered as Dadoo Ltd., either belongs to ,one of the native races of Asia‘ or is ,coloured‘. Nor did the reasons of the Trial Court follow those lines, so that if the transaction falls within the provisions of these statutes, it can only be because it is in fraudem legis.“

I. „Attribution of personal characteristics‘‘ und deutsche Rechtslage

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einer späteren Entscheidung (Gumede v Bandla Vukani Bakithi Ltd) in der ratio decidendi abgelehnt worden.10 Die spätere Rechtsprechung (Flemming J in Botha v Van Niekerk) hat in einem obiter dictum diese Eigenschaftenzurechnungs-Fallgruppe11 unterteilt.12 Eine Unterscheidung nach Zurechnung von Eigenschaften der Geschäftsführer (directors) einerseits und der Gesellschafter andererseits wird dabei jedoch nicht getroffen. Flemming zufolge besteht diese Fallgruppe aus drei Untergruppen: Erstens aus den Feindeigenschaften-Fällen, zweitens den (nicht näher präzisierten) „Abfärbungs“-Fällen13 und drittens den Fällen der Zurechnung von Darlehenskreditwürdigkeit.14 Vgl. ferner Gumede v Bandhla Vukani Bakithi Ltd 1950 (4) SA 560 (per Carlisle, AJP): Eine Gesellschaft, Bandhla Vukani Bakithi Ltd, deren Gesellschafter und Geschäftsführer alle „natives“ waren, wurde auf Rückzahlung eines Darlehens von Mr Gumede verklagt, der ebenfalls ein „native“ war. Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage ab, da es sich nicht für sachlich zuständig hielt, weil beide Parteien, Darlehensnehmerin Gesellschaft und Darlehensgeber, „natives“ seien. Anderer Ansicht die Zweitinstanz (Natal Provincial Division): „As I read his judgement, he [der Einzelrichter der Erstinstanz] confused, I think, the company with its members or with its directors, but a company, of course, possesses a legal persona which is quite apart from its members . . . It has neither body parts nor passions. It cannot be loyal or disloyal; neither, of course, can it possess any characteristics which belong to a race of people. It follows that the magistrate’s [d.i. die Erstinstanz] decision was wrong.“ Vgl. ebenso S v Nicolaou 1970 (4) SA 258 (E) 267A (im Hinblick auf eine juristische Person des öffentlichen Rechts, per Addleson, J): „There is no warrant for attaching an ethnic grouping or race to a municipality.“ Die südafrikanische Rechtsprechung hat durchweg daran festgehalten, dass eine Gesellschaft keine Rasseeigenschaft haben kann, vgl. Larkin (1989), SAMercLJ 289 (Fn. 70) und Benade (1967), THRHR 214. 10 Vgl. bereits das obiter dictum bei Dadoo v Krugersdorp 566 (per De Villiers, JA): „A company composed of Asiatics cannot, of course, be said to be an Asiatic . . .“ 11 Bezeichnet als „oordrag van eienskappe van die beheerders of die aandeelhouers aan die maatskappy.“ 12 Botha v Van Niekerk 521C–E. 13 Botha v Van Niekerk 521E: „Die assosiasie van sy beheerders met die maatskappy gee aan hom ’n kleur af.“ („Die Verbindung zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft gibt an die Gesellschaft eine Farbe / Färbung ab“). Dieses obiter dictum Flemmings ist nicht im Sinne einer Rasseneigenschaftszurechnung zu verstehen, denn dagegen hatte sich bereits deutlich ein früheres höherinstanzliches obiter (im Dadoo v Krugersdorp-Fall) ausgesprochen. Hätte Flemming auf Rassenmerkmalszurechnung abgestellt, so hätte er zumindest auf dieses obiter verweisen und zu ihm Stellung nehmen müssen. Da dies nicht geschehen ist, kann man wohl davon ausgehen, dass die von Flemming angesprochenen „Abfärbungs“-Fälle nicht darauf gemünzt sind. Undeutlich bleibt dann aber nach wie vor, was genau damit gemeint sein soll. 14 Diese Untergruppe wird vom Gericht nur mutmaßlich („Ek kan my voorstel dat . . .“) angeführt. Entsprechende südafrikanische Rechtsprechung ist nicht ersichtlich. Flemming, J unterscheidet diese Fallgruppe im Übrigen ausdrücklich („Dit is onderskeibaar van . . .“) von Haftungszurechnungsfällen („,oordrag‘ van aanspreeklikheid“) und von Fällen umgekehrter Eigenschaftszurechnung („oordrag van eienskappe van die siellose maatskappy aan ’n direkteur of aandeelhouer of verteenwoordiger“).

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Neben den Feindeigenschaften-Fällen sind die sogenannten Sitzzurechnungsfälle („determination of residence“-Fälle) vereinzelt in der CommonwealthLiteratur im Hinblick darauf diskutiert worden, ob sie auf ein piercing of the corporate veil hinauslaufen.15 In diesen Fällen wurde jeweils der Sitz (place of residence) einer Gesellschaft nicht anhand des Ortes ihrer Eintragung im Handelsregister bestimmt, sondern abweichend davon danach, wo die Geschäftsführung (central management and control) saß. Solche Sitzbestimmungen wurden aus steuerrechtlichen Gründen vorgenommen. Die Rechtsprechung hat solche Fälle noch nie mit der Thematik des piercing of the corporate veil in Verbindung gebracht. b) Zurechnung von Kenntnis / Wissen der directors oder der Gesellschafter auf die Gesellschaft außerhalb des Deliktsrechts Wissens- und Willenszurechnungen wurden in Südafrika (außerhalb des Straf- und Deliktsrecht16) vorwiegend in (einkommens-)steuerrechtlichen Fällen vorgenommen.17 Dabei ging es fast immer um die Frage, ob der Erlös aus einer Veräußerung eines Vermögensgegenstandes in den Händen der Gesellschaft als (steuerfreier18) Kapitalertrag (receipt of capital nature) oder als (steuerpflichtiges) Einkommen (revenue) im Sinne des Income Tax Act einzuordnen war.19 Dies wurde davon abhängig gemacht, ob die Gesellschaft den betreffenden Vermögensgegenstand als Kapitalanlage (capital investment) oder stattdessen als Inventar / Lagerbestand (trading stock, mit Wiederverkaufsabsicht [scheme of profit-making]) besessen hatte. Um dies zu ermitteln, hat die Rechtsprechung mangels gesetzlicher Bestimmungen im Income Tax Act zum einen darauf abgestellt, welche Aussagen in 15 Z. B. Ottolenghi (1990), MLR 341 / 342, die diese Fälle aber nicht als lifting of the corporate veil einstuft. 16 Hierzu s. u. Kap. C. I. 1. c). 17 Außerhalb des Steuerrechts wurde bislang in Wimbledon Lodge (Pty) Ltd v Gore NO 2003 (5) SA 315 (SCA) zugerechnet (Wissen des Alleingeschäftsführers, der zudem Gesellschafter war) sowie in Northern Province Development Corporation v Attorneys Fidelity Fund Board of Control 2003 (2) SA 284 (T) (Wissen des Geschäftsführers [managing director] und des finance director). 18 Kapitalertragssteuer (capital gains tax) wurde in Südafrika erst am 1.10.2001 eingeführt. Bis zu diesem Datum waren Kapitalerträge steuerfrei. 19 Das südafrikanische Einkommensteuergesetz (Income Tax Act, No. 58 of 1962 i. d. F.d. Act No. 34 of 2004) schließt bei der Berechnung des Bruttoeinkommens (gross income) Kapitalerträge („receipts or accruals of a capital nature“) ausdrücklich aus (§ 1 Income Tax Act). Der Begriff „of a capital nature“ ist nicht legal definiert. § 1 Income Tax Act: „,[G]ross income‘ . . . means, in the case of any person, the total amount, in cash or otherwise, received by or accrued to or in favour of such person . . . from a source within . . . the Republic, excluding receipts or accruals of a capital nature . . .“

I. „Attribution of personal characteristics‘‘ und deutsche Rechtslage

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der Gründungsurkunde (memorandum) und der Satzung (articles of association) der Gesellschaft zu ihrem Geschäftszweck und zu dem Verwendungszweck ihres Vermögens enthalten sind.20 Zum anderen hat sie darauf abgestellt, mit welcher Willensrichtung (intention) die Gesellschaft den betreffenden Vermögensgegenstand ursprünglich erworben hatte und ob sie diesen Willen später geändert hat (CIR v Richmond Estates (Pty) Ltd,21 Natal Estates Ltd 22).23 Um diesen ursprünglichen oder geänderten Willen (intention) der Gesellschaft festzustellen, wurde zunächst in nahezu ständiger Rechtsprechung auf das in formellen Beschlüssen (resolution) 24 manifestierte Wissen / Wollen (intention) der Geschäftsführer (directors) abgestellt und dieses der Gesellschaft dann zugerechnet.25 Die Leitentscheidung Elandsheuwel 26 brachte dann allerdings im Jahre 1978 eine Neuerung: Nach dem Mehrheitsvotum (per Wessels JA) sollte von nun an stattdessen auf die Willenskundgebung der herrschenden Gesellschafter abge20 Ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Corbett, JA in der Leitentscheidung Elandsheuwel (118E–F). 21 CIR v Richmond Estates (Pty) Ltd 1956 (1) SA 602 (A) 610 C–D (per Centlivres, CJ). 22 Natal Estates Ltd v SIR 1975 (4) SA 177 (A) 202G–203A (per Holmes, JA). 23 Ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Corbett, JA in der Leitentscheidung Elandsheuwel (118D–F). 24 Auf dieses strenge Erfordernis wurde seit CIR v Richmond Estates (Pty) Ltd 1956 (1) 602 (A) 606G–H für Einmann-Gesellschaften verzichtet. 25 Vgl. z. B. CIR v Richmond Estates (Pty) Ltd 1956 (1) SA 602 (A) 606G–H, per Centlivres, CJ: „A company is an artificial person . . . and the only way of ascertaining its intention is to find out what its directors acting as such intended.“ Vgl. ferner Corbett, JA in der Leitentscheidung Elandsheuwel 121E: „It is . . . in their collective will as directors that the purpose and the intent of the company should be sought.“ Allerdings gab es auch eine andersläufige Entscheidung (SIR v Trust Bank of Africa Ltd 1975 (2) SA 652 (A), per Botha, JA), in der stattdessen auf die de facto beherrschenden Personen (persons in effective control of the affairs of the company) abgestellt wurde. Diese de facto beherrschenden Personen waren dort allerdings ein dem Vorstand (board of directors) der Gesellschaft unterstehendes management committee (bestehend aus drei Chief Executive Officers), das den betreffenden Geschäftsbereich eigenständig abwickelte. 26 Elandsheuwel Farming (Edms) Bpk v Sekretaris van Binnelands Inkomste 1978 (1) SA 101 (A). a) Sachverhalt: Mr Kropman erwarb die Farm Elandsheuwel. Später gründete er eine Gesellschaft, Elandsheuwel Farming (Pty) Ltd, und übertrug dieser die Farm zu Eigentum. Anteilseigner der Farm waren Kropmans Familienmitglieder. Die Kropmans wollten das Grundstück der Gesellschaft für Farmwirtschaft nutzen. Nach den Bestimmungen der Gründungsurkunde (memorandum) der Gesellschaft war die Farm Kapitalanlage (capital asset). Im Jahre 1969 veräußerten die Gesellschafter ihre Anteile an Mr De Villiers, der kurz danach 80% davon an vier weitere professionelle Baugebietsspekulanten (jedem 20%) weiter übertrug. Alle wurden geschäftsführende Gesellschafter. Die Gemeinde Klerksdorp wollte kurze Zeit später das Grundstück von Elandsheuwel Farming (Pty) Ltd für Baulandentwicklung erwerben. De Villers et al

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hielten im Dezember 1970 eine director-Versammlung ab und fassten als Geschäftsführer (directors) einen Verkaufsbeschluss (resolution). Die Farm wurde verkauft. Fraglich war, ob der Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks in den Händen der Gesellschaft einkommenssteuerpflichtig oder stattdessen „of capital nature“ war. b) Entscheidung: aa) Mehrheitsvotum (per Wessels, JA): Der Erlös sei einkommenssteuerpflichtig, da er Einkommen (revenue) darstelle. Die Farm sei ursprünglich von Kropman und der Gesellschaft als Kapitalanlage (capital asset [kapitale bate, 110H]) erworben worden. De Villers et al hätten demgegenüber schon zum Zeitpunkt des Erwerbs ihrer Geschäftsanteile an der Gesellschaft Grundstücksspekulationspläne (profit-making scheme, 113E) gehabt im Hinblick auf Elandsheuwels Grundstück. Um diese umzusetzen, hätten sie die Gesellschaft beherrschen müssen; dies sei über den Anteilserwerb geschehen (113A). Der Wille (intention) der neuen Gesellschafter habe daher die einkommenssteuerrechtliche Natur des Grundstücks verändert (113C: „[K]on die Hof a quo, na my mening, redelikerwyse tot die slotsom geraak het dat appellant [Elandsheuwel Farming (Pty) Ltd], na oorname van sy beheer deur die nuwe aandeelhouers, sy bedoeling t.o.v. die aanwending van die betrokke eiendom [das Grundstück] verander het . . .“]. Zwar gelte das Trennungsprinzip; doch müsse im vorliegenden Fall das profit-making scheme der herrschenden Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet werden (113H–114A: „Alhoewel appellant, as regspersoon, ’n eie identiteit het wat losstaan van dié van sy aandeelhouers, kan nogtans redelikerwyse van die tersaaklike feite afgelei word dat die nuwe aandeelhouers appellant as ’n party by die uitvoering van hulle skema betrek het. Waar die nuwe aandeelhouers in volle beheer van appellant was, is dit haas ondenkbaar dat appellant, wat betref die uitvoering van die skema, afsydig kon staan. Die bedoeling van die nuwe aandeelhouers sou, na my mening, onvermydelik aan appellant toegedig word.“). Somit sei die Spekulationsabsicht der neuen herrschenden Gesellschafter die Absicht der Gesellschaft geworden im Wege von Willenszurechnung von Gesellschafter auf Gesellschaft (114A). bb) Minderheitsvotum (per Corbett, JA): Der Erlös sei nicht einkommenssteuerpflichtig, da er Kapitalertrag darstelle („of capital nature“). Abzustellen sei gemäß ständiger Rechtsprechung auf die Gründungsurkunde der Gesellschaft (memorandum) sowie auf die intention der Gesellschaft zum Zeitpunkt des Erwerbs der Farm durch sie und zum Zeitpunkt ihres Verkaufs (118D–F): Danach war die Farm ursprünglich Kapitalanlage (capital asset). Allerdings sei von der Rechtsprechung die Möglichkeit eines Willenswechsels (change of intention) als einkommensteuerrechtlich erheblich anerkannt (118G ff., unter Hinweis auf Richmond Estates (Pty) Ltd und Natal Estates Ltd). Zu fragen sei daher, ob der Eintritt von De Villiers et al einen solchen Willenswechsel der Gesellschaft bewirkt habe: Zu trennen sei hierbei streng zwischen deren Eigenschaft als Geschäftsführer und deren Eigenschaft als Gesellschafter; abzustellen sei folglich auf deren jeweilige Willensäußerungen in diesen Eigenschaften. Nach ständiger Rechtsprechung bilde der collective will der Geschäftsführer die intention der Gesellschaft (121E). Es sei streng zu trennen „between the intention of the de Villiers group in acquiring their shares in the . . . company and the intention manifested by them as directors, in the conduct of the company.“ (123B, ebenso 123H: Zu trennen seien „the activities and intentions of the de Villiers group in their personal capacities and intentions of the company“). Zwar hätten de Villiers et al beim Erwerb ihrer Geschäftsanteile Spekulationsabsichten (ein profit-making scheme als Voraussetzung der Anerkennung des Erlöses als Einkommen [revenue]) gehabt. Jedoch sei nicht auf ihre Absichten, sondern auf die Absichten der Gesellschaft abzustellen (123G); die Gesellschaft selbst habe keinen Spekulationswillen kundgetan, insbesondere nicht in dem Dezemberbeschluss.

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stellt werden und deren intention der Gesellschaft zugerechnet werden.27 Dies lief auf ein piercing of the corporate veil nach südafrikanischem Verständnis hinaus.28 Das Minderheitsvotum (per Corbett JA) lehnte es dagegen ab, auf die Gesellschaftereigenschaft abzustellen und wollte stattdessen weiterhin wie bisher ausschließlich auf die directors abstellen und nur deren intention der Gesellschaft zurechnen. Im Fall ging es um geschäftsführende Gesellschafter. Das Minderheitsvotum wollte daher streng trennen zwischen Willenskundgebungen dieser Personen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter einerseits und Willenskundgebungen in ihrer Eigenschaft als directors (im Fall wurde auf ein bestimmtes director-Treffen und den dort gefassten formellen Beschluss abgestellt) andererseits. Die spätere Leitentscheidung CIR v Malcomess29 aus dem Jahre 1991 rückte dann allerdings wieder deutlich von dem in SIR v Trust Bank of SA und Elandsheuwel entwickelten Rechtsgrundsatz (auf die sich in CIR v Malcomess das Finanzamt [Receiver of Revenue] berufen wollte) ab.30

Als rechtliche Stütze für diesen Rechtsgrundsatz („[T]his general approach, viz. that a clear distinction must be drawn between whatever personal schemes or intentions the shareholders may have had in mind when acquiring their shares and the scheme and intention to be imputed to the appellant company in regard to the property“ [124D]) wurde die Entscheidung Tati Co Ltd v Collector of Income Tax, Botswana, 37 SATC 68 77 herangezogen. Die dortige Schlüsselstelle lautet: „It must be observed that the Glazer brothers never did acquire ownership in appellant [company]’s assets; all they acquired were the shares in appellant company. Their intention with regard to appellant’s assets when they acquired the shares cannot therefore be imputed to appellant [company] which was a separate persona (Dadoo Ltd. v Krugersdorp Municipal Council, 1920 A.D. 530). If the Glazer Brothers did have the intention of selling appellant’s assets when they acquired the shares, they could of course have given effect to that intention when they became directors but that is not the same thing as saying that the original intention of appellant, the taxpayer (the Glazer brothers were not the taxpayers), when it acquired the assets, was to sell them.“ 27 Elandsheuwel 114A: „Die bedoeling van die nuwe aandeelhouers sou, na my mening, onvermydelik aan appellant toegedig word.“ Ähnlich im späteren Fall Constantia Heights (Pty) Ltd v SIR 1979 (3) SA 768 (A). 28 s. o. Kap. A. I. 2. 29 CIR v Malcomess Properties (Isando) (Pty) Ltd 1991 (2) SA 27 (A). 30 In CIR v Malcomess Properties (Isando) (Pty) Ltd hatte sich der Commissioner for Inland Revenue (CIR) darauf berufen, dass auf die intention der „persons in effective control of the company“ (eine aus SIR v Trust Bank SA übernommene Formulierung; eine ähnliche Formulierung findet sich in der auf Afrikaans abgefassten Entscheidung Elandsheuwel) abzustellen sei (CIR v Malcomess Properties Isando Pty Ltd 36G–J und 37H). Das Gericht (per Nicholas, AJA) verwarf dies zwar nicht, unterschied aber die in SIR v Trust Bank SA (dasselbe gilt inhaltlich für Elandsheuwel) vorliegende Art von control (faktische Kontrolle auch über Tagesgeschäfte) von der in CIR v Malcomess Properties (Isando) (Pty) Ltd vorliegenden control (100%-ige Anteilsinhaberschaft) und vermied es dadurch, die SIR v Trust Bank SA- und Elandsheuwel-Rechtsgrundsätze anzuwenden (CIR v Malcomess Properties Isando Pty Ltd 38D–I).

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Damit ist heute wieder alles beim Alten: Im Hinblick auf Willenszurechnung (Gleiches gilt auch für Wissenszurechnung) wird ausschließlich auf die Willenskundgebung der directors (bzw. im Falle von geschäftsführenden Gesellschaftern auf deren in ihrer Eigenschaft als directors kundgetanen Willen) abgestellt und diese der Gesellschaft zugerechnet, nicht aber auf die Willenskundgebung der (Mehrheits-, aktiven oder sonstigen) Gesellschafter. Ob dieses Abstellen auf die directors allerdings als piercing of the corporate veil verstanden wird, ist fraglich.31 Die englische Rechtslehre (Mayson und Gower) hält regelmäßig die Entscheidung Lennard’s Carrying Co. Ltd. v Asiatic Petroleum aus dem Jahre 1915 (auf die auch in Südafrika stets verwiesen wird) für die Urentscheidung im Hinblick auf Wissenszurechnungen bei Gesellschaften.32, 33 Dort ging es allerdings um deliktsrechtliche Zurechnung. Außerhalb dieses Bereichs scheint im Zivilrecht (außerhalb des Steuerrechts) erstmals 1957 in Bolton (Engineering) Co. Ltd. v Graham & Sons34 ein Wollen (intention) der directors einer Gesellschaft zugerechnet worden zu sein.35 In dieser Entscheidung wird auf Lennard’s Carrying v Asiatic Petroleum Bezug genommen.36 c) Zurechnung von Verhalten und Wissen der directors oder der Gesellschafter auf die Gesellschaft im Deliktsrecht (Deliktische Haftung der Gesellschaft) Allgemeingesetzliche zivilrechtliche Regelungen (civil statute law) bestehen im südafrikanischen Recht im Gegensatz zum deutschen (§ 31 BGB) nicht. Die deliktische Haftung von Gesellschaften (companies) ist daher ausschließlich durch Gemeinrecht (common law) geregelt. Die Möglichkeit deliktischer Haftung von Rechtspersonen (companies) ist im südafrikanischen Gemeinrecht anerkannt. Allerdings wurde eine solche Haftung bislang nur über die Rechtsfigur der Gehilfenhaftung (vicarious liability oder middellike aanspreeklikheid) bewerkstelligt.37 Seit längerer Zeit wird jedoch er31

s. o. Kap. A. I. 2. b) aa). Mayson, Company Law, 644 (Kap. 19.8.1), Gower, Principles of Company Law (1992), 193 ff. 33 Noch früher wurde allerdings bereits in den Sonderfällen procuring breach of contract (Vorsätzliches Verleiten eines Dritten zum Vertragsbruch) deliktsrechtlich zugerechnet, vgl. Lumley v Gye (1853) 2 E&B 216 und später Thomson & Co. v Deakin [1952] All ER 361. 34 [1956] 3 All ER 624 (CA) 630H–I. 35 Vgl. Gower, Principles of Company Law (1992), 194, Mayson, Company Law, 656 (Kap. 19.8.6.2). 36 [1956] 3 All ER 624 (CA) 630D ff. 37 Zu den Voraussetzungen einer deliktischen Haftung der Gesellschaft aus vicarious liability und zur rechtlichen Einordnung dieser Haftung s. u. in diesem Kapitel. 32

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wogen, juristische Personen auch außerhalb dieser Rechtsfigur deliktisch haften zu lassen. Als Grundlage hierfür wurde von der Rechtsprechung die sogenannte identification theory (oder organ theory oder alter ego theory)38 in Betracht gezogen, die in England entwickelt worden ist.39 Maßgeblich waren dort die Entscheidungen Lennard’s Carrying Co. Ltd. v Asiatic Petroleum (1915)40, HMS Truculent (1951)41 und The Lady Gwendolen (1965).42

38 Die Literatur spricht mehrheitlich von identification theory und nicht von organ theory, vgl. Mayson, Company Law, 644 (Kap. 19.8.1). Daneben wird auch der Begriff alter ego theory verwendet (unter anderem von Gore-Browne, den die südafrikanische Entscheidung Simon NO v Mitsui and Co Ltd (1997) (2) SA 475 (W) befürwortend zitiert, vgl. Millet, Gore-Brown on Companies I, Kap. 7.22). Die afrikaans-sprachige Literatur verwendet den Begriff orgaansteorie oder vereenselwigingsteorie, vgl. Du Plessis (1989), THRHR 541 und De Koker (2002), TSAR 20. Aus Gründen der Einheitlichkeit wird vorliegend ausschließlich der Begriff identification theory verwendet. 39 Vgl. Gower, Principles of Company Law (1992), 193 ff., der darauf hinweist, dass die organ theory (Gower selbst spricht von „organic theory“) entwickelt wurde, um Lücken zwischen dem law of agency und dem Institut der vicarious liability zu schließen. Laut Gower ist die identification theory erstmals in Lennard’s Carrying v Asiatic Petroleum angewandt worden und im Folgenden in HMS Truculent sowie in The Lady Gwedolen. Gower räumt allerdings gleich ein, dass die Theorie (deliktsrechtlich) bislang wenig praktische Anwendung erfahren hat. Außer Lennard’s Carrying v Asiatic Petroleum, HMS Truculent und The Lady Gwendolen scheinen keine weiteren Fälle vorzuliegen. 40 Lennard’s Carrying Co Ltd v Asiatic Petroleum Co Ltd [1914–15] All ER 280 (per Haldane, LC). a) Sachverhalt (leicht abgewandelt): Mr Lennard war Geschäftsführungsmitglied der Reederei Lennard’s Carrying Co Ltd. Die Reederei war Eigentümerin eines Dampfschiffs, dessen Schornsteine nicht in technisch einwandfreiem Zustand gehalten wurden. Durch einen infolgedessen verursachten Brand auf dem Schiff ging eine Ölladung der Gesellschaft Asiatic Petroleum Co Ltd vollständig verloren. Innerhalb der Reederei hatte Mr Lennard in Bezug auf den Betrieb dieses Schiff eine entscheidende Stellung inne (directing mind, vgl. 282H; 282I). Das Schiff (Wartung, Auslastung, usw.) lag ausschließlich in seinem Aufgabenbereich. Er war diesbezüglich nicht weisungsabhängig. Fraglich waren deliktische Ansprüche des Eigentümers der Ladung gegen die Gesellschaft Lennard’s Carrying Co Ltd. [Im Originalfall ging es nicht um den Haftungsbegründungstatbestand, der unstreitig war, sondern um die Haftungsausfüllung: Streitgegenstand war, ob die Haftungsausschlussnorm § 502 des Merchant Shipping Act (1894) zugunsten Lennard’s Carrying Co Ltd einschlägig war. Nach dieser Regelung war eine Haftung des Eigentümers eines seetüchtigen Schiffes für durch Schiffsbrände verursachte Ladungsschäden ausgeschlossen, wenn diese ohne sein Verschulden (without his actual fault or privity) entstanden. § 502 Merchant Shipping Act (1894) lautete: „The owner of a . . . seagoing ship . . . shall not be liable to make good . . . any . . . damage happening without his actual fault or privity in the following cases – . . . where any goods are damaged by reason of fire on board the ship.“] b) Entscheidung: Eine deliktische Haftung der Gesellschaft wurde bejaht. [Im Originalfall wurde der gesetzliche Haftungsausschluss abgelehnt.]

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

c) Piercing-erhebliche Ausführungen: Nach dem seinerzeitigen Stand der Rechtsprechung kam eine deliktische Haftung der Gesellschaft (corporate delictual liability) einzig im Wege einer Haftung aus zugerechnetem Fremdverschulden (des Geschäftsführers Mr Lennard) in Betracht (vicarious liabilty). Die Voraussetzungen des Haftungsinstituts der vicarious liability waren jedoch bereits mangels Weisungsabhängigkeit des Mr Lennard nicht erfüllt. Vom Gericht wurde daher ein neuer Lösungsweg beschritten: Im Sinne der Organtheorie wurde angenommen, dass das Handeln und Wollen der „directing minds“ einer Gesellschaft das Handeln und Wollen der Gesellschaft selbst sind (Zurechnung als Eigenhandeln / -wollen) (283E / F) und die Gesellschaft somit im Wege einer solchen Eigenzurechnung deliktisch haften kann. Der Begriff „directing mind and will of the corporation“ wurde hierbei im Wege einer Beispielsaufzählung definiert (283C–D), wobei faktische Geschäftsführer eingeschlossen wurden. Somit wurde der actual fault des Mr Lennard der Reederei als ihr actual fault zugerechnet. Daher war der Haftungsausschlusstatbestand § 502 Merchant Shipping Act mangels Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „without [the owner’s] actual fault“ nicht zugunsten der Reederei Lennard’s Carrying Co Ltd (des owner i. S. d. Merchant Shipping Act) erfüllt. d) Beurteilung nach deutschem Recht: In Betracht kommt eine deliktische Haftung der Gesellschaft Lennard’s Carrying Co Ltd: Eine Haftung aus § 831 BGB scheidet hierbei allerdings mangels Weisungsabhängigkeit des Mr Lennard aus. Denkbar ist aber eine Haftung aus §§ 823 Abs. 1, 31 BGB: Als Eigentümerin des Schiffs trifft die Gesellschaft eine Verkehrssicherungspflicht im Sinne einer Zustandsverantwortlichkeit für die Betriebssicherheit des Schiffs. Diese dürfte hier (zulässigerweise) auf Mr Lennard übertragen worden sein. Mr Lennard trifft dann eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB aufgrund seiner Unterlassung, die Wartung des Schiffs veranlasst zu haben. Diese wird gem. § 31 BGB der Gesellschaft als Eigenunterlassung zugerechnet. Eine Haftung der Gesellschaft aus § 823 Abs. 1 BGB wegen schlechter Organisation (Verletzung einer verschärften Organisationspflicht) scheidet dagegen aus, weil Mr Lennards Position innerhalb der Reederei wohl als die eines besonderen Organs i. S. d. § 30 BGB gelten kann im Hinblick auf den Betrieb des Schiffs. Dagegen kommt weiterhin eine Haftung der Gesellschaft aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung ihrer als Aufsichtspflicht gegenüber Mr Lennard fortbestehenden, auf Mr Lennard übertragenen Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auf die Betriebssicherheit des Dampfschiffs in Betracht. Angesichts dessen, dass die Unterlassung Mr Lennards, das Schiff warten zu lassen, nicht beanstandet worden war, dürfte diese Aufsichtspflicht verletzt sein. Allenfalls lässt sich argumentieren, dass ein Organ selbständig und eigenverantwortlich handelt und daher keine Aufsichtspflicht seitens der juristischen Person (ausgeübt durch deren andere Organe) ihm gegenüber besteht. Schließlich ist eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. verletzten Schutzgesetzen möglich (Tatfrage). 41 Truculent HMS, The Admiralty v Divina (Owners) [1951] 2 All ER 968 (per Willmer, J). 42 The Lady Gwedolen [1965] 2 All ER 283 (CA), per Sellers, LJ. a) Sachverhalt (leicht abgewandelt): Die Brauereigesellschaft Arthur Guiness Co Ltd war Eigentümerin mehrerer Schiffe, mit denen sie ihr Bier transportierte, unter anderem der Lady Gwendolen. Innerhalb der Geschäftsführung war Mr Williams fachzuständig für die (rechtlich unselbständige) Abteilung Transport der Gesellschaft, die wiederum für den Betrieb der Schiffe und die Aufsichtsführung über diese zuständig war. Leiter der Transportabteilung war Mr Boucher, zuständiger Sachbearbeiter für die Lady Gwendolen in der Abteilung war Mr Robbie.

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Der Kapitän der Lady Gwendolen, Mr Meredith, war ein erfahrener Kapitän und seit Jahren Arbeitnehmer der Arthur Guiness Co Ltd. Der Abteilung Transport war allerdings infolge nachlässiger Durchsicht von Kapitän Merewiths Logbüchern durch Mr Robbie entgangen, dass Kapitän Meredith regelmäßig und auch bei Nebel mit der Lady Gwendolen zu schnell fuhr, um Liefertermine einzuhalten. Bis zum fachlich zuständigen Geschäftsführungsmitglied Mr Williams war dies daher ebenfalls nicht vorgedrungen. Bei einer solchen fahrlässigen Fahrt bei Nebel mit überhöhter Geschwindigkeit kam es zum Zusammenstoß mit dem vor Anker liegenden Schiff Freshfield. Es entstand erheblicher Schaden. Fraglich waren deliktische Ansprüche des Eigentümers der Freshfield gegen die Gesellschaft Arthur Guiness Co Ltd. [Im Originalfall ging es nicht um den Haftungsbegründungstatbestand, der unstreitig war, sondern um die Haftungsausfüllung: Streitgegenstand war, ob die Haftungskürzungsnorm § 503 des Merchant Shipping Act (1894) zugunsten Arthur Guiness Co Ltd einschlägig war. Nach dieser Vorschrift war eine Haftung des Eigentümers eines Schiffes für durch Navigationsfehler verursachte Drittschäden auf eine Höchstsumme begrenzt, wenn diese ohne sein Verschulden (without his actual fault or privity) verursacht worden waren. § 503 Merchant Shipping Act (1894) lautete: „The owners of a . . . ship shall not, where . . . without their actual fault or privity . . . any . . . damage is caused . . . through the act or omission of any person (whether on board the ship or not) in the navigation or management of the ship . . . be liable to damages beyond the following amounts . . .“] b) Entscheidung: Eine deliktische Haftung der Gesellschaft wurde bejaht. [Im Originalfall wurde die gesetzliche Haftungskürzung abgelehnt.] c) Piercing-erhebliche Ausführungen: Nach dem Stand der Rechtsprechung kam eine deliktische Haftung der Gesellschaft (corporate delictual liability) über zwei Wege in Betracht: Zum einen aus vicarious liability der Gesellschaft wegen ihr zugerechneten Fremdverschuldens entweder des Kapitäns Meredith oder des Leiters der Abteilung Transport, Mr Boucher, bzw. des dort zuständigen Sachbearbeiters, Mr Robbie. Unter den Voraussetzungen der vicarious liability haftet die Gesellschaft allerdings für fremdes Verschulden. Dies ist aber für den Tatbestand des § 503 Merchant Shipping Act nicht ausreichend, da dieser einen eigenen fault des owner des Schiffs (der Gesellschaft) erfordert und nicht etwa bloß einen dem owner des Schiffs (der Gesellschaft) zugerechneten fremden actual fault des Mr Meredith / Mr Boucher / Mr Robbie. Im Übrigen wäre ein actual fault im Hinblick auf Mr Williams und Mr Boucher mangels deren Kenntnis von Mr Merediths Fahrgewohnheit abzulehnen gewesen. Ein der Gesellschaft zugerechnetes Fremdverschulden ihrer Angestellten (vicarious liability) ist daher für § 503 Merchant Shipping Act ungenügend. Erforderlich ist vielmehr ein Eigenverschulden der Gesellschaft. Zum anderen aus einer Eigenverschuldenshaftung der Gesellschaft gemäß der identification theory. Eine solche Haftung ist möglich, wenn actual fault beim fachzuständigen Geschäftsführungsmitglied (director) Mr Williams vorliegt und Mr Williams als directing mind anzusehen ist, so dass – im Sinne der Lennard’s Carrying-Entscheidung – dieses Verschulden (der actual fault) des Mr Williams der Gesellschaft als Eigenverschulden zurechenbar ist. Eine derartige Lösung entspricht im deutschen Recht einer Lösung im Sinne der Organtheorie zu § 31 BGB. Jedoch war nach Sachverhaltslage die Fahrgewohnheit des Kapitäns dem Mr Williams nicht zu Ohren gekommen. Actual fault des Mr Williams wäre daher wohl zu verneinen gewesen.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Vom Gericht wurde deshalb ein dritter, neuer Lösungsweg beschritten: Es wurde eine Pflicht der Gesellschaft angenommen, innerhalb ihrer Organisationsstruktur sicherzustellen, dass das Schiff ordnungsgemäß gefahren wird sowie eine Pflicht, eine entsprechende Aufsicht auszuüben (284B,C). Eine Verletzung dieser Pflicht (duty to provide managerial control) stelle einen actual fault des owner (der Gesellschaft) dar. [Die Entscheidung ist hier etwas unscharf: In 284B ist von der Pflicht der plaintiffs, d.h. der Gesellschaft Arthur Guiness Co Ltd die Rede, kurz danach in 284C davon, dass die Verletzung dieser Pflicht einen actual fault des board of director darstelle. Richtigerweise muss entweder angenommen werden, dass eine Verletzung der Pflicht unmittelbar einen actual fault der Gesellschaft darstellt oder einen actual fault des director darstellt, der wiederum im Wege der Eigenzurechnung gemäß den in Lennard’s Carrying v Petroleum entwickelten organtheoretischen Grundsätzen der Gesellschaft zugerechnet wird.] Eine derartige Lösung entspricht im deutschen Recht einer Lösung im Wege der Haftung aus Organisationsmangel (§ 823 Abs. 1 BGB). Im Ergebnis wurde somit der actual fault des Mr Williams zugleich als der actual fault der Gesellschaft angesehen. Daher war der Haftungsausschlusstatbestand § 503 Merchant Shipping Act mangels Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „without [the owner’s] actual fault“ nicht zugunsten der Arthur Guiness Co Ltd (des owner i. S. d. Act) erfüllt. d) Beurteilung nach deutschem Recht: Eine Deliktshaftung der Gesellschaft Arthur Guiness Co Ltd für Mr Williams und Mr Boucher aus § 831 BGB kommt nicht in Betracht, da diese nicht weisungsabhängig sind. Allenfalls ist eine solche Haftung im Hinblick auf Mr Robbie und Kapitän Meredith denkbar. Meredith galt jedoch als erfahrener Kapitän, die Gesellschaft kann daher möglicherweise den Entlastungsbeweis (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB) führen. Mr Robbie hat es unterlassen, Merediths Logbuch ordnungsgemäß zu kontrollieren. Dieses Unterlassen ist erheblich, falls eine Verkehrssicherungspflicht des Mr Robbie zur Logbuchkontrolle bestand. In Betracht kommt eine (zulässigerweise) von Mr Boucher auf Mr Robbie übertragene Verkehrssicherungspflicht, die auf Mr Boucher und Mr Williams selbst von der Gesellschaft übertragen worden war (Die Pflichten bestehen dann jeweils bei der Gesellschaft und Mr Williams / Mr Boucher als Aufsichtspflichten fort.): Die Gesellschaft trifft zum einen eine Zustandsverantwortlichkeit für das Schiff. Die Lady Gwendolen war jedoch in einwandfreiem Zustand. Die Gesellschaft trifft zum anderen nach Inverkehrbringen des Schiffs eine Verkehrssicherungspflicht. Diese schließt die Verantwortung für die verkehrsüblich sichere Benutzung des Schiffs ein. Hier wurde aber regelmäßig zu schnell gefahren und dies nicht anhand der Logbucheinträge bemerkt und abgestellt. Eine bestehende (und auf Mr Robbie übertragene) Verkehrssicherungspflicht der Gesellschaft ist somit verletzt. Eine Haftung der Gesellschaft Arthur Guiness Co Ltd aus § 831 BGB kann daher im Hinblick auf Mr Robbies unterlassene Logbuchkontrolle in Betracht kommen. Gleichermaßen kommt auch eine Haftung der Arthur Guiness Co Ltd aus §§ 823 Abs. 1, 31 BGB im Hinblick auf Mr Williams’ bzw. Mr Bouchers unterlassene Aufsichtsführung gegenüber Mr Bouchers bzw. Mr Robbies Tätigkeit in Betracht. Und schließlich kommt angesichts der (als Aufsichtspflicht bei Arthur Guiness Co Ltd) fortbestehenden Verkehrssicherungspflicht der Arthur Guiness Co Ltd auch deren Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB im Hinblick auf ihre gegenüber Mr Williams unterlassene Aufsichtsführung in Betracht, sofern man eine solche Aufsichtspflicht nicht angesichts der eigenverantwortlichen und selbständigen Tätigkeit der Organe ablehnt. Eine Haftung der Arthur Guiness Co Ltd wegen Organisationsmangels aus § 823 Abs. 1 BGB dürfte dagegen ausscheiden, weil Mr Williams Position innerhalb der Organisation wohl als die eines besonderen Organs i. S. d. § 30 BGB gelten kann im Hinblick auf die Aufsicht über den Schiffsbetrieb.

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Auf sie verweist die südafrikanische Rechtsprechung regelmäßig, besonders deutlich in Barkett v SA National Trust and Assurance Co Ltd (1951),43 Levy v Central Mining and Investment Corporation Ltd (1955)44 und Bates & Lloyd

Möglich ist schließlich (Tatfrage) eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. verletzten Schutzgesetzen (Sicherheitsvorschriften im Schiffsverkehr). 43 Barkett v SA National Trust and Assurance Co Ltd (1951) (2) SA 353 (A), per Centlivres, CJ. a) Sachverhalt: Eine Gesellschaft war Eigentümerin (Halterin) eines Kfz. Ein Arbeitnehmer der Gesellschaft benutzte im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses das Kfz und verursachte hierbei fahrlässig (negligent) einen Unfall, bei dem ein Dritter zu Schaden kam. Das Kfz war von der Gesellschaft haftpflichtversichert worden (motor vehicle insurance) [359B]. Die Versicherungsgesellschaft zahlte an den geschädigten Dritten aus. Nach dem südafrikanischen Motor Vehicle Insurance Act (No. 29 of 1942) konnte die Versicherungsgesellschaft anschließend Rückgriff nehmen gegen „any person (including the owner of the insured motor vehicle) whose negligence or other unlawful act caused the loss or damage in question“ (§ 14 des Act). Die Versicherungsgesellschaft wollte aber nicht beim (mittellosen) Arbeitnehmer der Gesellschaft Rückgriff nehmen, sondern bei der Arbeitgeber-Gesellschaft. Sie begründete eine solchen Anspruch damit, dass ein Handeln und Verschulden des Arbeitnehmers als servant ein Eigenhandeln und Eigenverschulden des Arbeitgebers als dessen master sei und somit der Tatbestand des § 14 des Act erfüllt sei. b) Entscheidung: Ein Rückgriffsanspruch gegen die Arbeitgeber-Gesellschaft aus § 14 des Act wurde abgelehnt. Zwar sei eine Haftung aus vicarious liability konstruierbar (der Arbeitnehmer als servant, die Gesellschaft als sein master). Aber solche Haftung sei Haftung aus zugerechnetem Fremdhandeln und Fremdverschulden; der master sei daher nicht himself negligent (362C) und es liege deshalb kein Eigenverschulden vor, wie das jedoch von § 14 des Act verlangt werde. Der Tatbestand des § 14 des Act sei somit in der juristischen Person der Gesellschaft nicht erfüllt. Somit verblieb lediglich der Rückgriffsanspruch gegen den (mittellosen) Arbeitnehmer (363H). c) Piercing-erhebliche Ausführungen: Zwei Haftungskonzepte (im Hinblick auf eine Haftung der Gesellschaft) wurden klar voneinander getrennt: Einerseits die (lang anerkannte) Haftung der Gesellschaft (als master) aus vicarious liability; andererseits die (erstmals in dieser Entscheidung) anerkannte Haftung der Gesellschaft im Wege der Organtheorie (identification theory) [360H; 362C und 362E]. Zur identification theory s. ausführlich in diesem Kapitel. Die Haftung der Gesellschaft aus vicarious liability wurde als Haftung des master aus zugerechnetem Fremdverschulden (aus Verschulden des servant) eingestuft, nicht als Haftung aus Eigenverschulden des master (362C). Eine Haftung der Gesellschaft im Wege der identification theory wurde als Haftung aus zugerechnetem Eigenverschulden (Verschulden des Organs gilt als Verschulden der Gesellschaft) eingeordnet. Die Möglichkeit einer Zurechnung im Wege der identification theory wurde auf „directors“ beschränkt. Keine Angaben wurden zu faktischen Geschäftsführern gemacht (im Gegensatz zur späteren Entscheidung Levy v Central Mining; dort wurde auf „directing minds“ abgestellt). Unterschieden wurde zwischen Handeln von servants (Fremdzurechnung; vicarious liability; keine Eigenzurechnung möglich) und Handeln von directors (Eigenzurechnung; identification theory).

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Keine Aussagen wurden allerdings dazu getroffen, ob eine dieser beiden Haftungen als piercing of the corporate veil anzusehen sei. 44 Levy v Central Mining and Investment Corporation Ltd 1955 (1) SA 141 (A), per Centlivres, CJ. a) Sachverhalt (vereinfacht): Die beklagte Central Mining & Investment Co Ltd hatte Goldschürfrechte an einem bestimmten Tagebaugebiet erworben. Dieses gehörte der Free State Gold Ltd. Rund ein Drittel der Aktien der Free State Gold Ltd wurde von der Mining & Finance Co Ltd gehalten. Mr Stephenson, ein Angestellter der beklagten Central Mining & Investment Co Ltd, fügte den ersten Schürfproben aus dem Tagebaugebiet im Rahmen seiner betrieblichen Fachtätigkeit erheblich Goldstaub bei, um dadurch überhöhte Abbauprognosen für das Tagebaugebiet zu erwirken. Die so falsch hochgerechnete Prognose übermittelte er seinem Vorgesetzten. Dieser gab sie gutgläubig wiederum an seinen Vorgesetzten weiter, der ebenfalls gutgläubig war. Schließlich gab aufgrund dieser Informationen die Mining & Finance Co Ltd eine Pressemitteilung heraus. Das dort angegebene Goldvolumen des Tagebaugebiets war letztlich auf der Grundlage von Stephensons ursprünglichen (falschen) Angaben errechnet. Wegen des vermeintlich hohen Goldgehaltes des Gebietes erwarb der Kläger Mr Levy Aktien der Free State Gold Ltd und Geschäftsanteile der Mining & Finance Co Ltd. Nach Bekanntwerden des wahren Goldgehaltes des Gebietes verklagte Mr Levy die Central Mining & Investment Co Ltd gemeinrechtlich auf Schadensersatz (damage) aus fraud. b) Entscheidung: Eine Schadensersatzhaftung der Mining & Investment Co Ltd aus eigenem fraud wurde verneint: Denn da Mr Stephenson nicht „directing mind“ der Gesellschaft sei, sei sein Handeln / Wollen nicht der Gesellschaft als deren Eigenhandeln / -wollen zurechenbar. Daher hafte die Gesellschaft nicht aus eigenem fraud auf Schadensersatz (dies war allerdings Klageantrag) [148A–D, 150C]. Unbenommen davon greife allerdings eine Schadensersatzhaftung der Mining & Investment Co Ltd im Wege der vicarious liability. Eine Schadensersatzhaftung der Mining & Investment Co Ltd wegen (ihr zugerechneten fremden) fraud ihres agent / servant Mr Stephenson (148C. Die Entscheidung verwendet die beiden Begriffe agent und servant austauschbar und ohne erkennbare Unterscheidung, vgl. auch 147H / 148A.) sei somit möglich. Dies sei aber nicht Klagebegehren gewesen. c) Piercing-erhebliche Ausführungen: Unter Verweis auf Barkett v SA Trust Co (1951) wurde eine Haftung der Gesellschaft aus vicarious liability dogmatisch von einer Eigenhaftung der Gesellschaft unterschieden (149G / H und 150C). Unter Verweis auf Lennard’s Carrying Co Ltd v Asiatic Petroleum (1915) wurde im Hinblick auf eine Eigenhaftung der Gesellschaft auf ihre „directing mind or minds“ abgestellt (149H–150A). d) Anmerkung: Die Entscheidung würde heute wohl auf eine Eigenhaftung der Gesellschaft aus fraud gestützt werden können. Denn seit Simon v Mitsui (1997) ist die organtheoretische directing mind-Formel durch die erheblich weitere directing functionary-Formel ersetzt worden. e) Beurteilung aus deutscher Sicht: Das Gericht in Levy v Central Mining hielt einen von Mr Stephenson begangenen eigenen fraud für vorliegend. Dieser hätte der Gesellschaft im Wege der vicarious liability zugerechnet werden können. Im deutschen Recht scheint fraglich, ob ein Betrug seitens Mr Stephenson zu Lasten Mr Levys vorliegt und Mr Stephenson somit deliktisch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 263 StGB haftet. Es dürfte am subjektiven Tatbestand fehlen. Gleichermaßen ist eine Haftung des Mr Stephenson aus § 826 BGB im Hinblick auf die erforderliche Gläubigerschädigungsabsicht gegenüber Mr Levy fraglich. Bejaht man eine solche Haftung, so ist eine deliktische Haftung der Mining & Investment Co Ltd zudem nur schwer zu bewerkstelligen: Mr Stephenson war nicht bloßer weisungsabhängiger Gehilfe (so dass eine Haftung der Gesellschaft aus § 831 BGB wohl abzulehnen ist), er

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Aviation (Pty) Ltd v Aviation Insurance Co (1985)45. Bislang tauchte dabei allerdings noch nirgends ausdrücklich die Bezeichnung identification theory auf; dürfte aber auch nur schwerlich als Repräsentant der Gesellschaft anzusehen sein (so dass eine Haftung der Gesellschaft über § 31 BGB wohl abzulehnen ist). Denkbar ist dann allenfalls noch eine Haftung der Gesellschaft aus Organisationsmangel gem. § 823 Abs. 1 BGB. Möglicherweise lässt sich an eine persönliche Haftung des Mr Stephenson als Sachwalter gem. § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB denken. Jedoch dürften nach heutiger Rechtsprechungslage die Voraussetzungen hierfür nur schwerlich erfüllt sein, vgl. Münchener Kommentar-Emmerich, § 311, Rn. 221 f. Naheliegender scheint dagegen eine auf cic gestützte Auskunftshaftung der Mining & Investment Co Ltd gem. §§ 311 Abs. 2, 278 BGB, allenfalls kommt noch eine cic-Prospekthaftung (in Parallele zur börsenrechtlichen Prospekthaftung) in Betracht. s. auch Münchener Kommentar-Emmerich, § 311, Rn. 95 und 154–158 sowie Rn. 162–173. 45 Bates & Lloyd Aviation (Pty) Ltd v Aviation Insurance Co 1985 (3) SA 916 (A), per Galgut, AJA. a) Sachverhalt (insoweit, als nicht piercing-erheblich, zwecks Vereinfachung stark abgewandelt): Bates & Lloyd Aviation (Pty) Ltd betrieb Charterflüge. Die Gesellschaft besaß nur zwei Flugzeuge. Alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer waren ein Pilot (zugleich Arbeitnehmer [employee] der Gesellschaft [Im tatsächlichen Fall wurde die zunächst vorgebrachte Arbeitnehmereigenschaft wieder fallengelassen.]), Mr Lloyd und Mrs Bates. Beherrschender Gesellschafter im Hinblick auf die Nutzung / Bedienung des Flugzeuges war der Pilot. Bei einem Flug stürzte das Flugzeug infolge leichter Fahrlässigkeit (negligence) des Piloten ab [Im tatsächlichen Fall wurde nach Beweislage die behauptete Fahrlässigkeit (negligence) vom Gericht verneint.]. Alle drei geschäftsführenden Gesellschafter hatten dem Flugvorhaben zugestimmt. Ein Passagier wurde bei dem Absturz schwer verletzt. Der Pilot hatte keine Luftverkehrsregel oder Flugbestimmung (Air Navigation Regulations und Rules of the Air) verletzt. Fraglich waren deliktische Ansprüche des Passagiers gegen die Bates & Lloyd (Pty) Ltd. [Tatsächlich behandelte der Fall Ansprüche einer Versicherungsgesellschaft gegen die Gesellschaft und den Nachlass des Piloten. Pilot und Passagiere waren bei dem Flug ums Leben gekommen. Die Versicherungsgesellschaft hatte das von Bates & Lloyd (Pty) Ltd geleaste Flugzeug als Versicherer des Kreditinstituts, das das Leasinggeschäft finanziert hatte, versichert und diesem nach dem Absturz die Versicherungssumme ausbezahlt. Sie wollte sich nun an Bates & Lloyd (Pty) Ltd und die Erben des Piloten halten. Die Argumentation der Versicherungsgesellschaft ist unter piercing-Gesichtspunkten erheblich und vorliegend im Wesentlichen als Argumentation des Passagiers wiedergegeben.] b) Entscheidung: Für vorliegende Zwecke ist nicht die Entscheidung selbst erheblich, sondern die Argumentation des Passagiers (der Versicherungsgesellschaft) unter der Annahme einer Fahrlässigkeit des Piloten. c) Piercing-erhebliche Ausführungen: Eine deliktische Haftung der Gesellschaft aus zugerechnetem Fremdverschulden (des Piloten) [vicarious liability] wurde im Fall nicht vorgebracht. Das Klagebegehren des Passagiers stellte stattdessen darauf ab, der Gesellschaft das (behauptete) Verschulden des Piloten als Eigenverschulden zuzurechnen. Gestützt wurde dieses Begehren auf obiter dicta in Barkett v SA National Trust Co Ltd (1951) und Levy v Central Mining (1955). Nach Beweislage wurde vom Gericht jedoch die erforderliche directing mind-Eigenschaft des Piloten verneint. Das Gericht verwies stattdessen darauf, dass Geschäftsführer, Gesellschafter und Gesellschaft jeweils getrennte Rechtspersönlichkeiten [933C]

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jedoch finden sich Formulierungen, die deutlich auf ein Verständnis im Sinne der identification theory schließen lassen. Alle Stellungnahmen der südafrikanischen Rechtsprechung ergingen bislang nur als obiter dicta.46 In der (allerdings strafrechtlichen) Entscheidung S v Smith (1985) wurde festgestellt, dass bislang seien. Hieraus läßt sich auf eine eher ablehnende Haltung gegenüber der Möglichkeit solcher Eigenzurechnungen schließen. 46 Zuletzt in Bates & Lloyd Aviation (Pty) Ltd v Aviation Insurance Co 1985 (3) SA 916 (A) 932I–933C. Ferner in Ngcwase v Terblanche NO 1977 (3) SA 796 (A) 803H–805B, Levy v Central Mining and Investment Corporation Ltd 1955 (1) SA 141 (A) 149G / H–150B und Barkett v SA National Trust and Assurance Co Ltd 1951 (2) SA 353 (A) 362F–H. Die betreffenden jeweiligen Passagen lauten: In Bates & Lloyd Aviation (Pty) Ltd v Aviation Insurance (per Galgut, AJA): „Counsel for the insurer urged that, even though the evidence did not prove that the pilot was an employee, it did show that he controlled the activities of this aircraft; that this was not a case of vicarious responsibility but a case in which he was the directing mind of Bates & Co when he was flying the aircraft; that his conduct should be attributed to Bates & Co. In support of this submission he quoted Levy v Central Mining . . . 1955 (1) SA 141 (A) at 149H where Centlivres CJ referred to what was said in Lennard’s Carrying Co Ltd v Asiatic Petroleum Co Ltd [1915] AC 705 by Viscount Haldane LC at 713 to the effect that a corporation can be guilty of actual fault only where there is fault of its board of directors or of some person who ,is really the directing mind and will of the corporation, the very ego and centre of the personality of the corporation‘. See also The Lady Gwendolen [1965] 2 All ER 283 (CA) at 302H.“ In Ngcwase v Terblanche (die Entscheidung betraf den Sonderfall der Schulleitung [board] einer öffentlichen Schule), per Joubert, AJA: „The modern approach of English law to corporate personality is very much along the same lines [wie vorher im Urteil angeführte Zitate aus Voet] as appears . . . from the following dictum of Denning, LJ, in H.L. Bolton (Engineering) Co. Ltd. v T.J. Graham & Sons Ltd. (1956) 3 All E.R. 624 (C.A.) at . . . 630: ,A company may in many ways be likended to a human body. They have a brain and . . . hands . . . Some of the people in the company are mere servants or agents who are nothing more than hands . . . Others are directors and managers who represent the directing mind and will of the company, and control what they do. The state of mind of these managers is the state of the company and is treated by the law as such. So you will find that in cases where the law requires personal fault as a condition of liability in tort, the fault of the manager will be the personal fault of the company. That is made clear in Lord Haldane’s speech in Lennard’s Carrying Co. Ltd. v Asiatic Petroleum Co. Ltd. 1915 A.C. 705 . . . 713, 714.‘“ In Levy v Central Mining (per Centlivres, CJ): „It was pointed out in the Barkett’s case . . . that a company, qua company, may be guilty of negligence apart from being vicariously liable . . . In the case of a fictitious person like a company one must endeavour as best one can to ascertain who is or are its directing mind or minds. In his speech in . . . Lennard’s Carrying Company Limited v Asiatic Petroleum Co. Ltd., 1915 A.C. 705 at p. 713 Viscount Haldane, L.C. said: ,. . . [A] corporation is an abstraction. It has no mind of its own any more than it has a body of its own; its active and directing will must consequently be sought in the person of somebody who for some purposes may be called an agent but who is really the directing mind and will of the corporation, the very ego and centre of the personality of the corporation . . .“ In Barkett v SA National Trust and Assurance (per Centlivres, CJ): „A company acts through its directors and the company, qua company, may be guilty of negligence through an act of omission or commission . . . [T]he negligence or unlawful act is that of the company.“

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keine solche Gemeinrechtsregel bestehe: „[T]here is no rule in our law to the effect that the knowledge of a director of a company is also the knowledge of the company“.47 Anders ist die Rechtslage dagegen im südafrikanischen gesetzlichen Strafrecht (criminal statute law): Hier besteht mit § 332 Criminal Procedure Act48 eine Vorschrift, in der die identification theory klar verkörpert ist.49 § 332 Criminal Procedure Act betrifft zwar nur Zurechnungen als Eigenhandlung / -wollen (intention) im Strafrecht. Jedoch überträgt die südafrikanische Rechtsprechung diese Zurechnungsmöglichkeit neuerdings ohne größeres Aufheben auch ins Zivilrecht (civil law).50 Deutlich ausgesprochen wurde dies 47

1985 (2) SA 41 (T) 72. Vgl. Davids, Lifting the Veil, 42 (Fn. 98). Act No. 51 of 1977. 49 § 332 Criminal Procedure Act: „(1) For the purpose of imposing upon a corporate body criminal liability for any offence whether under any law or at common law – (a) any act performed, with or without a particular intent, by or on instructions or with permission, express or implied, given by a director or servant of that corporate body; and (b) the omission with or without a particular intent, of any act which ought to have been but was not performed by or on instructions given by a director or servant of that corporate body, in the exercise of his powers or in the performance of his duties as such director or servant or in the furthering or endeavouring to further the interests of that corporate body shall be deemed to have been performed (and with the same intent, if any) by that corporate body or, as the case may be, to have been an omission (and with the same intent, if any) on the part of that corporate body.“ Der Begriff „director“ im Sinne dieser Vorschrift ist in § 332 Abs. 10 Criminal Procedure Act legal definiert: „In this section the word ,director‘ in relation to a corporate body means any person who controls or governs that corporate body or who is a member of a body or group of persons which controls or governs that corporate body or, where there is no such body or group, who is a member of that corporate body.“ Vgl. auch Van den Heever, JA in Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 808J / 809A: „[T]he Legislature . . . had no qualms about ignoring . . . [the] separate identity [of a company] and enjoining that regard be had in such matters to the intention of the human(s) conducting the affairs of a company, for example in s 332 of the Criminal Procedure Act 51 of 1977.“ § 332 Criminal Procedure Act gilt innerhalb der südafrikanischen Rechtslehre als gesetzlich geregelter Ausdruck der identification theory, vgl. z. B. Cilliers, Korporatiewe Reg, 566 (Kap. 22.01) m.w. N. Absatz 5 des § 332 Criminal Procedure Act (vorliegend nicht erheblich) wurde in S v Coetzee 1997 (3) SA 527 (C) als nicht vereinbar mit der südafrikanischen Verfassung angesehen und ist folglich ungültig. 50 Simon NO and Others v Mitsui and Co Ltd and Others 1997 (2) SA 475 (W) 481A und 526G–528D (per Wunsh, J): „[526G:] The issue of a juristic person’s knowledge arises in both criminal law and civil law. The matter is dealt with in s 332 (1) of the Criminal Procedure Act . . . [527B–C:] Neethling, Potgieter and Visser in Law of Delict 2nd ed [Das ist das südafrikanische Standardlehrbuch zum Deliktsrecht] do not deal with the attribution to a corporation of mens rea but with the attribution of s 332 (1) of the Criminal Procedure Act . . . Counsel referred to me to several cases but I consider that the exposition in Gore-Browne on Companies 43rd ed is a lucid and an acceptable analysis, supported by the cases on which it relies, of the legal principles, valid, as I shall point out after the [following] quotation [aus Gore-Browne] also for South Africa. ,1.7 The criminal liability of companies . . . 1.7.1 The alter ego doctrine [d.i. die identification theory:] In order to hold a company liable for crimes involving proof of mens rea the Courts have had to develop a new principle of corporate liability which is sometimes referred to as the alter ego doctrine. This allows the law to 48

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erstmals 1997 in Simon v Mitsui.51 Allerdings ließ das Gericht dort die betreffende Gesellschaft nach Sachverhaltslage letztlich nicht deliktisch haften.52 Bislang liegt in Südafrika somit nach wie vor noch keine Entscheidung vor, die eine Gesellschaft nach Maßgabe der identification theory deliktisch haften ließ.53 Fraglich ist, wessen Handeln / Wissen / Wollen der Gesellschaft im Wege der identification theory als Eigenhandeln / -wissen / -wollen zugerechnet werden kann: Hier wurde bisher teilweise auf die directors abgestellt,54 teilweise aber auch weiter gefasst auf die directing minds.55 Nicht eindeutig geht aus dieser letzten Formulierung hervor, ob hierunter auch beherrschende Gesellschafter fallen sollen.56 Lennard’s Carrying v Asiatic Petroleum, in der die directing mind-Formel geprägt wurde, scheint dies zu tun („[I]ts board of directors or some person who ,is really the directing mind and will of the corporation . . .‘“).57 Allerdings ging es dort um einen director. Die südafrikanische Entscheidung Simon v Mitsui (1997) hat dazu Stellung genommen, wessen Handeln / Wissen / Wollen zugerechnet werden kann:58 Herausgestellt wurde, dass die directing mind-Formel59 (wie in der Lennard-Entscheidung formuliert) unterhalb der obersten Hierarchiestufe einer Gesellschaft (board of directors; managing director) zu versagen droht.60 Südafrikanische Rechtslehre61 und

attribute the mental state of those who in fact control and determine the management to the company itself as being its ,directing mind and will‘ . . . [528D:] 1.7.2 Application to civil law [:] The same principle has been employed by the Courts where in civil proceedings it is necessary to attribute a particular mental state to a company.‘“ 51 Simon NO and Others v Mitsui and Co Ltd and Others 1997 (2) SA 475 (W), per Wunsh, J. 52 Simon v Mitsui 531A. 53 Zweideutig im Hinblick auf die Art der Haftung Van der Berg v Coopers & Lybrand Trust (Pty) Ltd 2001 (2) SA 242 (SCA) 259A–D. Hierzu s. u. im Fn.-Apparat dieses Kapitels. 54 So in Barkett v South African National Trust („directors“) und in Ngcwase v Terblanche („managers“). 55 So in Levy v Central Mining 149H („directing mind or minds“) und Bates & Lloyd Aviation (Pty) Ltd v Aviation Insurance. Zwar lag bei Bates & Lloyd Aviation (Pty) Ltd v Aviation Insurance ein geschäftsführender Gesellschafter vor, jedoch ist in der im Urteil billigend zitierten (933A) englischen Entscheidung Lennard’s Carrying Co Ltd v Asiatic Petroleum von „board of directors or some other person who ,is really the directing mind and will of the corporation‘“ die Rede. 56 Davids, Lifting the Veil, 42 / 43 spricht – allerdings ohne ausreichenden Rechtsprechungsnachweis – von „those in de facto control“ und scheint somit beherrschende Gesellschafter / de facto-Geschäftsführer einzuschließen. 57 Bates & Lloyd Aviation v Aviation Insurance 933A. 58 Simon v Mitsui 528H–531A. 59 In Simon v Mitsui als „alter ego doctrine“ bezeichnet. 60 Simons v Mitsui 480I und 526I (per Wunsh, J): „A corporation’s knowledge is possessed by its managing organ. Knowledge of the board of directors is knowledge

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Rechtsprechung62 wollen deshalb – in Anlehnung an englische Rechtsprechung63 – auf den jeweiligen Funktionsträger abstellen, in dessen Verantwortungsbereich die betreffende schädigende Handlung oder das betreffende schädigende Unterlassen lag (sog. directing functionary), auch wenn dieser sich auf einer niedrigeren Hierarchieebene befindet.64 In der südafrikanischen Rechtslehre finden sich, was die dogmatische Herleitung einer deliktischen Haftung juristischer Personen angeht, sowohl Befürworter einer Organtheorie (Pienaar,65 Du Plessis / Henning [unter Verweis auf die obiter dicta der Rechtsprechung]66) als auch Befürworter einer Vertretertheorie (Cilliers).67 of the company. When one moves away from the managing director to individuals, such as executive directors or employees, the position is not so straightforward.“ 61 Simon v Mitsui 529D unter Verweis auf Meskin, Henochsberg on the Companies Act I, 393 und Simon v Mitsui 529F unter Verweis auf Cilliers, Corporate Law, 78 f. 62 Simon v Mitsui 527C. 63 Erstmals bereits in The Lady Gwendolen (vgl. Simon v Mitsui 528H–I). Ausdrücklich in El Ajou v Dollar Landholdings plc (1994) 1 BCLC 464 (CA): „[I]dentify the person who had actual management and control in relation to the relevant act.“, vgl. Simon v Mitsui 529A–C. Zuletzt in Meridian Global Funds Management Asia Ltd v Securities Commission [1995] 2 AC 500 (506). 64 Simon v Mitsui 529G–H (per Wunsh, J): „In the case of delict the state of mind with which the act was performed is ascertained by reference to the state of mind of the directing functionary in the company; in other words if the board of directors represents the directing mind in the company, the state of mind of that functionary is at the same time the state of mind of the company. On the same principle, if the directing mind vests elsewhere than in the board of directors, for example in a person having primary control over the acts giving rise to the delict, the state of mind of such a person is likewise attributed to the company.“ 65 Vgl. z. B. Pienaar, Die aanspreeklikheid van verenigingsregspersone („Die Haftung von Verbandspersonen“), TSAR, 1985, 77 (78 ff.): „[78:] Die wil of handelinge van die organe is regtens die wil of handelinge van die regspersoon . . . [79:] Daar moet verder altyd in gedagte gehou word dat die besluite van ’n regspersoon die wil van die regspersoon is . . . Hierdie wil word op ’n eiesoortige wyse in ooreenstemming met die eie aard van die regspersoon gevorm. Deurdat ’n regspersoon op eiesoortige wyse in die regsverkeer optree, is dit moontlik dat dit op eiesoortige wyse ’n wil kan vorm en ’n skuldige gesindheid kan openbaar . . . [80:] Die wilsvorming van die regspersoon geskied gewoonlik deur die ledevergadering . . . Hierdie wilsvorming moet nie as die gesamentlike wil van die afsonderlike lede bestempel word nie, want sodra die lede ’n besluit geneem het, word hierdie besluit die wil van die regspersoon . . . Die wil van die afsonderlike lede is derhalwe nie ’n bestanddeel van die wil van die regspersoon nie – die besluit is die wil van die regspersoon.“ In (1985), TSAR 80 verweist Pienaar insbesondere auf die Passage 362F–H in Barkett v SA National Trust and Assurance Co Ltd 1951 (2) SA 353 (A). 66 Du Plessis / Henning (1989), THRHR 541 (m.w. N.): „[I]n die Suid-Afrikaanse reg is daar steun te vind vir die beskouing dat die orgaansteorie gebruik moet word om te bepaal of die maatskappy ’n delik gepleeg het . . .“ 67 Cilliers, Korporatiewe Reg, 117 (Kap. 9.04: „[I]s dit in die reël nie gebillik om direkteure as orgaan van die maatskappy (in die sin dat as die direksie of ’n direkteur handel dit die maatskappy self is wat handel) te sien nie.“), Du Plessis, Maatskappy-

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Die mögliche deliktische Haftung der juristischen Person im Wege der Anwendung der identification theory wird von der Rechtsprechung von der deliktischen Haftung der Gesellschaft im Wege der sogenannten Gehilfenhaftung (vicarious liability) 68 unterschieden.69 Die Rechtslehre sieht das, soweit erkennbar, ebenso;70 allerdings bestehen durchaus noch erhebliche Unsicherheiten, was das Verhältnis beider Haftungen zueinander angeht.71 regtelike Grondslae van die Regsposisie van Direkteure en Besturende Direkteure, 1990, LLD Universiteit van die Oranje Vrystaat, 183 ff. (Die rechtliche Stellung des director beurteile sich im Verhältnis zu außenstehenden Dritten nach dem law of agency). Cilliers schwächt allerdings seine These in zweierlei Hinsicht ab: Zum Ersten fasst er dieses Stellvertretungsverhältnis zwischen director und Gesellschaft als in Richtung sui generis gehend auf („’n soort verteenwoordiging wat kenmerkend is“, Cilliers, Korporatiewe Reg, 196 [Kap.12.39]). Zum Zweiten ist Cilliers der Ansicht, dass law of agency wohl („skynbaar“ – „apparently“) nicht im Bereich des Deliktsrecht gelten solle (Cilliers, Korporatiewe Reg, 117 [Kap. 9.04]). 68 Zur Gehilfenhaftung (vicarious liability) s. a. Kap. C. I. 2. und Neethling / Potgieter / Visser, The Law of Delict, 4. Auflage 2002, Kapstadt, Kap. 11 (21.5). 69 Vgl. Barkett v SA National Trust 360H (per Centlivres, CJ: „Whatever the real reason may be for holding a master responsible for the harm done by a servant in the execution of his work, it is clear that in modern South African law it is not because the master himself has been at fault: whether he was at fault or not is irrelevant: all that has to be proved is that the harm was done by the servant in the execution of his master’s work.“) und 362C–E („In any event, . . . it does not seem to me that, even if the maxim supplies the reason for holding the master liable for his servant’s negligence it follows that it can be said that the master is himself negligent. [It has been] contended [by the respondent], that . . . a legal persona can only be negligent or commit an unlawful act through its servants and agents . . . I do not agree with this contention. A company acts through its directors and the company, qua company, may be guilty of negligence through an act of omission or commission . . .“). Vgl. ferner Levy v Central Mining 149G / H (per Centlivres, CJ: „It was pointed out in the Barkett’s case . . . that a company, qua company, may be guilty of negligence apart from being vicariously liable . . .“) und Bates & Lloyd Aviation (Pty) Ltd v Aviation Insurance 932I (Vorbringen seitens Aviation Insurance: „[T]his was not a case of vicarious responsibility but a case in which he was the directing mind of Bates & Co.“) und 933I (Entscheidung des Gerichts, per Galgut, AJA: „The result of all the above is that it has not been shown that Bates & Co . . . was negligent or was vicariously responsible for any act of the pilot . . . It follows that the . . . claim based on delict . . . should have been dismissed“). Vgl. schließlich Simon v Mitsui 527C i.V. m. 528F (per Wunsh, J): „Viscount Haldane’s judgement [in Lennard’s Carrying Co Ltd v Asiatic Petroleum] articulated the alter ego doctrine [d.i. die identification theory] peculiar to company law as one quite distinct from the ordinary principles of agency or vicarious liability.“ Abgrenzungsunsicherheiten weist dagegen die Entscheidung Van den Berg v Coopers & Lybrand Trust (Pty) Ltd and others 2001 (2) SA 242 (SCA) 259C–D (per Smalberger, JA) auf: „[D]irectors . . . are its ,directing mind and will‘, to use the phraseology . . . in Lennard’s Carrying Company Ltd v Asiatic Petroleum Company Ltd [1915] AC 705 (HL) at 713. One of . . . [the] directors, [Mr] Lane, is the very person who is delictually liable to the applicant for his actions while carrying out his duties on their behalf. In the circumstances it is simply not open to [the respondent, d.i. die beklagte Gesellschaft] to contend that the delict was committed outside the course or scope of Lane’s employment and that they are not vicariously liable for the defamatory statement published by him.“ Hierzu s. a. Larkin (2001), ASSAL 506 (512).

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Der vicarious liability liegt das Konzept einer Haftung des master für seinen servant zugrunde. Sie ist eine Haftung der juristischen Person als master für ihr zugerechnetes Fremdhandeln / -verschulden ihres servant. Kernfälle der vicarious liability sind employer-employee-Rechtsverhältnisse;72 daneben ist die (hier unerhebliche) Fallgruppe vehicle owner-vehicle driver bedeutsam. Fraglich ist, ob das Haftungskonzept der Gehilfenhaftung (vicarious liability) überhaupt im Verhältnis director-company tatbestandlich einschlägig sein kann und ein director somit als ein servant der Gesellschaft als master angesehen werden kann. Befürwortende Rechtsprechung gibt es in Südafrika nicht. Aus den oben genannten obiter dicta zum Thema deliktische Haftung der Gesellschaft für ihre directors lässt sich ablesen, dass die Rechtsprechung diesen Weg wohl auch nicht einschlagen wird. Stattdessen neigt sie dazu, eine Gesellschaft im Wege der Anwendung der identification theory für deliktisches Handeln ihres director haften zu lassen.73 Die Literatur folgt dieser Ansicht nahezu einhellig.74 Sie hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der vicarious liability nicht ohne weiteres im Verhältnis director-company erfüllt sind: Denn eine Haftung aus vicarious liability setzt in ihrer Grundfallgruppe employer-employee-Verhältnis ein bestehendes Vertragsverhältnis zwischen deliktisch handelndem servant und seinem master voraus. Zwar können directors in einem Dienstvertragsverhältnis (contract of service) zur Gesellschaft stehen (sog. executive directors)75 und sind dann jedenfalls begrifflich 70 Vgl. z. B. Davids, Lifting the Veil, 40 (Fn. 90) unter Verweis auf Diaz Jurisprudence, 5. Auflage 1985, London, 257 und Mayson, Company Law, 643 (Kap. 19.7). 71 Vgl. die Nachweise bei Davids, Lifting the Veil, 43 (Fn. 103), unter anderem die bezeichnende Frage: „[I]s corporate liability essentially more than a distinguished form of vicarious liability?“ 72 Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftung des Arbeitgebers (employer) aus vicarious liability für ein von seinem Arbeitnehmer (employee) begangenes Delikt sind in Südafrika in den beiden Leitentscheidungen Botes v Van Deventer 1966 (3) SA 182 (A) 205 f. und Carter and Co Ltd v MacDonald 1955 (1) SA 202 (A) 207 f. sowie ferner in Feldman (Pty) Ltd v Mall 1945 (AD) 733 (756), African Guarantee & Indemnity Co Ltd v Minister of Justice 1959 (2) SA 437 (A) 447 und SAR & H v Marais 1950 (4) SA 610 (A) 616 ff. formuliert worden. Danach muss vorliegen: Erstens ein durch den Arbeitnehmer begangenes Delikt. Zweitens ein bereits zum Zeitpunkt des Begehens des Delikts bestehendes employer / employee-Rechtsverhältnis. Und drittens, dass der employee gehandelt hat „within the course and scope of his employment“. 73 Vgl. Wicke, Vicarious Liability in modern South African Law, 1997, LLM Universität Stellenbosch, Kap. X , 233 ff. 74 Naudé, Die Regsposisie van die Maatskappydirekteur met besonderse verwysing na die interne maatskappyverband, 1970, LLD University of South Africa, 30 ff., Cilliers, Corporate Law, 84 / 85 (Kap. 7.03), Wicke, Vicarious Liability, 234, Fn. 888 m.w. N. 75 Die Möglichkeit der Anstellung von executive directors muss in den articles of association vorgesehen sein, andernfalls sind nur non-executive directors zulässig, vgl. Van Dorsten, South African Business Entities, 229. Wie im deutschen Recht ergibt sich im Übrigen allein aus der Organstellung kein Arbeitnehmerstatus.

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unproblematisch employees.76 Jedoch ist ein solcher Vertrag für die Rechtsstellung eines director nicht notwendig. Diese kann sich ohne weiteres auch allein aus den articles of association ergeben, die kein Vertrag sind, der einen director zum employee macht.77 Für solche non-executive directors ist der Tatbestand der vicarious liability demnach schon mangels Vorliegen eines Vertragsverhältnisses nicht erfüllt.78 Daneben lässt sich ein weiteres, auch im deutschen Recht im Hinblick auf den Verrichtungsgehilfen i. S. d. § 831 BGB parallel bestehendes Problem anführen: Die Reichweite des Begriffs servant ist nicht ausreichend, um auch directors zu erfassen. Auch wenn executive directors rechtlich employees der Gesellschaft sind, unterscheidet sich ihre Stellung von der servant-Konzeption der vicarious liability, die von der Weisungsgebundenheit des servant ausgeht. Dies passt nur schwerlich auf directors, die in der Regel nicht servants, sondern directing minds der Gesellschaft sind. Allenfalls lässt sich argumentieren, dass die Geschäftsführer (directors) gegenüber der Gesamtheit der Gesellschafter (Gesellschafterversammlung bzw. general meeting of shareholders) als oberstem Organ weisungsgebunden sind und durch Gesellschafterbeschlüsse bindende Weisungen in Geschäftsführungsangelegenheiten erhalten können (§ 37 GmbHG im deutschen Recht, § 179 ff. Companies Act im südafrikanischen Recht). Denkbar ist schließlich, einen director (executive oder nicht) als agent der Gesellschaft als principal aus vicarious liability haften zu lassen. Zwar fällt in der einschlägigen Rechtsprechung zur vicarious liability immer wieder der Begriff agent als Bezeichnung für den servant. Jedoch wurde diese Terminologie bislang nur für die (für die vorliegende Arbeit unerhebliche) Fallgruppe vehicle 76 Zu der Problematik, ob directors als employees gelten können, vgl. z. B. auch die Entscheidung Boulting v Association of Cinematograph Television and Allied Technicians [1963] 1 All ER 716 722B, die allerdings einen anders gelagerten Sachverhalt betraf. Dort wurde ein executive director nicht als employee im Sinne einer gewerkschaftsrechtlichen Vorschrift eingestuft, sondern als employer. 77 Zur Rechtsnatur der articles of association s. Van Dorsten, South African Business Entities, 107 f.: Articles begründeten ein mitgliedschaftrechtliches Vertragsverhältnis zwischen den Gesellschaftern, jedoch kein Vertragsverhältnis zwischen Gesellschaft und director („The articles of association constitute a contract between the members themselves and between the company and its members in their capacity as members . . . The articles only bind the members in their capacity as members . . . They do not for instance constitute a contract between the company and a director in his capacity as such . . . The articles are subordinate to the memorandum and are void to the extent that they conflict with the memorandum.“). 78 Pienaar (1985), TSAR 83: „Die reg stel eiesoortige vereistes vir middellike aanspreeklikheid en die optrede van ’n regspersoon kan ten ene male nie altyd aan ’n verteenwoordigings- of diensverhouding toegeskryf word nie . . . In die geval van niestatutêre middellike aanspreeklikheid word primêr ’n kontraktuele verhouding tussen die dader en die persoon wat aanspreeklik gehou word, vereis, wat in die verhouding tussen ’n verenigingsregspersoon en sy organe juis ontbreek . . .“

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owner-vehicle driver verwendet und wird von der ganz herrschenden Ansicht das Konzept des Stellvertretungsrechts (law of agency) deutlich von dem der vicarious liability unterschieden.79 Dies gilt gleichermaßen für die südafrikanische Rechtsprechung.80 d) Sind solche Eigenschafts-, Wissen- und Verschuldenszurechnungen ein piercing of the corporate veil? Zu prüfen ist, ob solche Zurechnungen von Handeln, Eigenschaften, Kenntnis oder Verschulden (Vorsatz / Fahrlässigkeit) von den directors bzw. Gesellschaftern auf die Gesellschaft als piercing of the corporate veil verstanden werden. Sowohl die südafrikanische Rechtslehre als auch die südafrikanische Rechtsprechung unterscheiden nur verschwommen zwischen Zurechnungen von Eigenschaften / Handeln / Wissen / Wollen von Organen (directors) auf die Gesellschaft einerseits und von Gesellschaftern (members) auf die Gesellschaft andererseits. Flemming J in Botha v Van Niekerk hat Fälle der Zurechnung persönlicher Eigenschaften der directors oder der Gesellschafter zusammengefasst als eine Fallgruppe des (unechten) piercing of the corporate veil eingeordnet.81 Aus der Sicht der deutschen Organtheorie unterscheidet er also nachlässigerweise auch nicht zwischen Zurechnungen seitens eines Organs (director) und Zurechnungen seitens der Gesellschafter. 79 Buckley, The Modern Law of Negligence, 3. Auflage 1999, London, 403 (Kap. 18.24): „Somewhat confusingly, the careless drivers have sometimes been termed the ,agents‘ of the owners [of the car] for the purpose of this principle . . . The cases typically involve social or domestic situations so that the drivers could not appropriately be labelled as servants or as independent contractors of the owner, but it is not obvious that the term ,agent‘ is any more appropriate. It is true that there is some overlap between the concept of agency as used in the law of contract and that of vicarious liability in the law of tort. Thus an employer cannot be vicariously liable for his servant’s deceit under the rule in Lloyd v Grace, Smith & Co [(1912) AC 716 HL] unless the servant’s act fell within his actual or ostensible authority as defined by the law of agency . . . Nevertheless the two concepts are essentially different. As Eveleigh J observed in . . . [Nottingham v Altridge (1971) 2 QB 739 at 749 . . .]: ,There is no general rule that a principal is liable [in tort] for the acts of an agent performed for his benefit even though the acts are performed solely in the course of carrying out the project which the principal has commissioned. . . .‘ Lord Denning MR put it in this way in Launchbury v Morgans [(1971) 2 QB 245 at 255, CA]: ,The words ,principal‘ and ,agent‘ are not used here in the connotation which they have in the law of contract (which is one thing), or the connotation which they have in the business community (which is another thing). They are used in shorthand to denote the circumstances in which vicarious liability is imposed‘.“ Ebenso trennen Millet, Gore-Browne on Companies I (Kap. 7.17 und 7.23) Stellvertretungsrecht und vicarious liability. 80 Vgl. Simon v Mitsui 528G i.V. m. 527C. 81 s. o. Kap. A. II. 2. a) aa) (2) (bzgl. Botha v Van Niekerk, 521D) und Larkin (1989), SAMercLJ 279.

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Lediglich Ottolenghi trennt deutlich Zurechnungen seitens der Organe (directors) einerseits von Zurechnungen seitens der Gesellschafter (members) andererseits, folgt dabei allerdings keiner Argumentation im Sinne der deutschen Organtheorie: Fälle, in denen Verhalten (conduct) oder Eigenschaften (wie Feindeigenschaft) seitens der directors der Gesellschaft zugerechnet werden, seien kein lifting the veil „in the true sense“, weil „[t]he directors stand in front of the veil so that there is no need to unveil them.“82 Würden dagegen Verhalten (conduct) oder Eigenschaften seitens der Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet, so handele es sich um lifting the veil in Form eines „peeping behind the veil“.83 Beides entspricht im Ergebnis, nicht aber – jedenfalls im Hinblick auf Zurechnungen seitens der directors – in der Begründung, der deutschen Auffassung. Geht man davon aus, dass auch bei Eigenschaftszurechnungen die identification theory gelten soll, so geht im Hinblick auf Zurechnungen seitens der directors Ottolenghis Argumentation fehl: Denn ausschlaggebend ist dann, dass die betreffenden Eigenschaften der directors zugleich die Eigenschaften der Gesellschaft sind und damit gar keine Zurechnung (oder allenfalls noch eine Eigenzurechnung) nötig ist. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich dann vertreten, dass Zurechnungen seitens der Organe kein piercing of the corporate veil seien. Unerheblich ist dagegen die Frage, ob man ein Organ (director) als „vor“ oder „hinter“ dem corporate veil stehend auffasst. Entscheidend ist allein, ob die betreffende Person directing mind ist. Im Hinblick auf die Zurechnungen seitens der Gesellschafter ist Ottolenghis Ansicht dagegen mit der identification theory vereinbar, soweit die betreffenden Gesellschafter nicht directing minds (herrschende Gesellschafter) oder directing functionaries der Gesellschaft sind und somit zwischen ihnen und der Gesellschaft keine eigenschaftsmäßige Identität besteht. Ob allerdings in Südafrika im Hinblick auch auf solche Eigenschaftszurechnungen die identification theory überhaupt gelten soll, ist nicht zweifelsfrei. Zwar liegt es nahe, dies anzunehmen. Jedoch spricht der Wortlaut des § 332 Criminal Procedure Act dagegen. Und auch Botha v Van Niekerk führt Eigenschaftszurechnung einerseits und (zwar nicht Wollens-, aber) Wissenszurechnungen seitens der directors andererseits als zwei verschiedene Fallgruppen auf.84 Jedoch finden sich in Simon v Mitsui im Hinblick auf die Zurechenbarkeit von Wissen wiederum obiter-Ausführungen, denen zweifelsfrei ein Verständnis im Sinne der identification theory zugrunde liegt.85 82

Ottolenghi (1990), MLR 341, einschließlich Fn. 38 und 342 (Fn. 46). Ottolenghi (1990), MLR 341, einschließlich Fn. 38. Zu Ottolenghis Lifting-Leiter s. o. Kap. A. I. 2. b) aa). 84 Botha v Van Niekerk 521D (Eigenschaftszurechnungen) bzw. 523C–D (Wissenszurechnungen). 85 Simon v Mitsui 480I, 526I. 83

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Gower ist der Ansicht, dass jedenfalls die enemy character- und die determination of residence-Fälle keine echten Ausnahmen zum Trennungsprinzip („not a true exception to the corporate entity principle“) darstellten,86 und verweist zur Begründung auf Lord Parkers Ausführungen im Daimler-Fall, wonach der Salomon-Rechtsgrundsatz „does not mean that the law must know nothing about the natural persons who constitute and control the company.“87 Nach Ottolenghi gilt bei den determination of residence-Fällen: Soweit auf den offiziellen Ort der Gesellschafterversammlungen (meeting of the general assembly) oder der Vorstands- / Geschäftsführungstreffen (meetings of the board) abgestellt werde, liege kein lifting of the veil vor, denn beide Treffen seien Tätigkeiten (functions) der Organe der Gesellschaft. Da diese offen (overt) seien, sei kein lifting of the veil erforderlich.88 In der südafrikanischen Literatur werden solche Fälle nicht unter der Thematik des piercing of the corporate veil diskutiert. Was Wissens- (knowledge) / Wollens- (intention) Zurechnungen außerhalb des Deliktsrechts angeht (Steuerrechtsfälle), so versteht Botha v van Niekerk jedenfalls Wissenszurechnungen seitens der Organe (directors) als piercing of the corporate veil.89 Keine ausdrückliche Stellungnahme liegt dazu vor, wie Wissenszurechnungen seitens der Gesellschafter eingeordnet werden. Jedoch dürfte 86 Gower, Principles of Company Law (1979), 135 f. In den nachfolgenden Auflagen von Gower, Principles of Company Law (1992, 1997, 2003) werden diese Fälle nicht mehr unter dem Themenbereich Lifting of the corporate veil abgehandelt. 87 Vgl. Daimler v Continental Tyre [1916–17] All ER 191 (HL) 205C–E (per Lord Parker): „[T]he decision of the Court of Appeal . . . [was] that, for all purposes to which the character and not merely the rights and powers of an artificial person are material, the personalities of the natural persons, who are its corporators, are to be ignored. An impassable line is drawn between the one person and the others. When the law is concerned with the artificial person, it is to know nothing of the natural persons, who constitute and control it. In questions of property and capacity, of acts done and rights acquired or liabilities assumed thereby, this may be always true. Certainly it is so for the most part. But the character in which property is held, and the character in which the capacity to act is enjoyed and acts are done, are not in pari materia . . . The latter character is a quality of the company itself, and conditions its capacities and its acts. It is not a mere part of its energies or acquisitions, and if that character must be derivable, not from the circumstances of its incorporation, which arises once for all, but from qualities of enmity and amity, which are dependent on the chances of peace or war and are attributable to human beings, I know not from what human beings that character should be derived, in cases where the active conduct of the company’s officers has not already decided the matter if resort is not to be had to the predominant character of its shareholders and corporators.“ Laut Gower, Principles of Modern Company Law (1979), 136 folgt aus diesem Zitat, dass „[i]n other words . . . [that] it is no more a breach of the Salomon principle to look at the corporators to determine the character of the corporation as an enemy alien or as a British resident, than it is to look at the members to determine whether the company is a subsidiary.“ 88 Ottolenghi (1990), MLR 342. 89 Botha v Van Niekerk 522D („toedig van kennis“) als obiter dictum.

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dies unproblematisch als piercing of the corporate veil verstanden werden. Für Wollenszurechnungen außerhalb des Deliktsrecht scheint die identification theory zu gelten. Dies legen obiter dicta in Simon v Mitsui nahe, die die Gültigkeit dieser Theorie (in Simon v Mitsui als „doctrine“ bezeichnet) auf das gesamte Zivilrecht (civil law) erstrecken wollen.90 Ob die Anwendung der gemeinrechtlichen identification theory als piercing of the corporate veil verstanden werden soll, haben südafrikanische Rechtsprechung und Rechtslehre bislang nicht ausdrücklich festgelegt. Jedoch wird § 332 Criminal Procedure Act von der ganz herrschenden Ansicht als statutory piercing aufgefasst.91 Zugleich ist er nach herrschender Ansicht gesetzesrechtlicher Ausdruck der identification theory. Folglich ist wohl davon auszugehen, dass solche Zurechnungen im Wege der identification theory auch im Zivilrecht als piercing of the corporate veil angesehen werden.

90 Simon v Mitsui 528D–E (per Wunsh, J): „Application [der identification theory] to civil law: The same principle [bezogen auf die englische identification theory] has been employed by the Courts where in civil proceedings it is necessary to attribute a particular mental state to a company. In most civil actions against companies this question does not arise, since the company may be affixed with liability on some other basis. Thus in tort the ordinary principles of vicarious liability will as a rule determine the matter, and contractual liability will depend on that special adaptation of the principles of agency known to the company lawyers as the ,rule in Turquand’s case‘.“ 91 Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 16 („Piercing the veil by the Legislature“). Cilliers, Korporatiewe Reg, 11 (Kap. 1.2.2 „Verontagsaming deur die wetgewer“: „Die gesindheid waarmee die direkteure of amptenare die daad gepleeg het, word eenvoudig geneem as die gesindheid van die maatskappy.“) Ebenso Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 239, jedoch ohne jegliche Begründung („Auch Section 332 Criminal Procedure Act führt die Durchbrechung des juristischen Schleiers herbei . . . Die Handlungen und Absichten des directors werden der juristischen Person zugerechnet.“). Davids führt § 332 Criminal Procedure Act nicht als statutory piercing of the corporate veil auf (in Lifting the Veil, Kap. 6.3.4 „[Lifting the veil by] Statute law“). Stattdessen bezeichnet sie die strafrechtliche und deliktische Haftung der Gesellschaft als eine Haftung „sui generis“ (Davids, Lifting the Veil, 42 und 48, unter Berufung auf Pienaar (1985), TSAR 79. Da sie sie jedoch zugleich als „departure from the separate entity principle“ versteht, ist Davids’ Sicht von § 332 Criminal Procedure Act nach südafrikanischem Verständnis als statutory piercing einzuordnen, vgl. Davids, Lifting the Veil, 44 / 45: „It appears that the liability of a company for the criminal and delictual acts of its agents or servants is a departure from the separate entity principle . . . [E]ven though a company is regarded as an independent juristic person from the members who form it, it is wholly dependent on their thoughts and actions for its functioning . . . These actions and thoughts of the persons directly connected with the company are attributed to the company and they are regarded as the actions of the company itself. In order for a court to ascertain the actions and thoughts of a company, it is obliged to look at the persons in actual control of the company . . .“ Bei Meskin, Henochsberg on the Companies Act findet sich keine Stellungnahme dazu, ob § 332 Criminal Procedure Act ein piercing of the corporate veil darstellt.

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2. Deutsche Rechtslage und vergleichende Betrachtung Eigenschaftszurechnung findet im deutschen und im südafrikanischen Recht statt. Die entsprechenden Fälle sind jedoch nur eingeschränkt vergleichbar. Ähnlichkeit haben die deutschen Fälle im Zusammenhang mit der Zurechenbarkeit einer verkehrswesentlichen Eigenschaft oder der Verwandtschaftseigenschaft eines beherrschenden Gesellschafters (beide sollen der Gesellschaft zugerechnet werden können) sowie die von der Literatur vorgeschlagene Zurechnung des „groben Undankes“ i. S. d. § 530 BGB einerseits mit den südafrikanischen „enemy company“-Fällen andererseits.92 Auffallend ist das Fehlen deutscher Feindeigenschafts-Rechtsprechung zeitens des Ersten Weltkrieges. Serick begründet dies schlüssig damit, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen damaligen Vorschriften unanfechtbar waren.93 In den deutschen Entscheidungen wurden jeweils persönliche Eigenschaften geschäftsführender Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet. Nicht letztlich klar ist, ob hierbei auf die Organeigenschaft (Geschäftsführer) oder auf die Gesellschaftereigenschaft abgestellt wurde. Im ersten Fall handelt es sich um eine Eigenschaftszurechnung im Sinne der Organtheorie, im zweiten Fall um einen Zurechnungsdurchgriff. Ähnliche Unsicherheiten zeigen sich in Südafrika: Die englische Entscheidung Daimler v Continental Tyre nannte als Zurechnungsquellen Organe (directors) und de facto controlling persons (faktische Geschäftsführer) in einem Atemzug und wollte ferner auch mittelbar (über die directors im Falle deren Weisungsabhängigkeit) eine Zurechnung persönlicher Eigenschaften der Mehrheitsgesellschafter zulassen. In der Entscheidung Re Hilckes, ex parte Muchesa wurde dagegen wieder nur auf die Organe (directors) abgestellt. Die südafrikanische Rechtsprechung war sehr zurückhaltend mit Zurechnungen persönlicher Eigenschaften: Dies gilt sowohl für die in England praktizierte Zurechnung von Feindeigenschaft als auch für die Zurechnung von Rasseeigenschaft. Es gibt keine solche Zurechnungsentscheidung. Gegenüber dem obiter dictum des Richters Lord Parker in der Daimler-Entscheidung nahm die südafrikanische Rechtsprechung eine zwiespältige Haltung ein: Einerseits wurde eine solche Zurechenbarkeit in Dadoo v Krugersdorp abgelehnt und hierauf später in Gumede v Bandhla und in Lategan v Boyes billigend verwiesen. Andererseits wurde im Fall Overseas v Godfrey Lord Parkers obiter dictum herangezogen, eine Stellungnahme hierzu jedoch letztlich vermieden infolge einer anwen92 s. o. Kap. A. II. 1. a) bb) (3). Vgl. auch Asch, Privatrechtsverhältnisse zwischen Deutschen und Ausländern, insbesondere Engländern während des Krieges, in: JW, 1914, 911 und Wertheimer, Die Behandlung der zwischen Deutschen und feindlichen Ausländern abgeschlossenen Verträge nach Kriegsrecht, in: JW, 1917, 125. 93 Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 140 ff., Fn. 2. Hierzu s. ausführlich oben Kap. C. I. 1., Fn.-Apparat.

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dungsausschließenden Sachverhaltsunterscheidung (distinguishing on the facts). Rasseeigenschaftszurechnungen wurden immer abgelehnt. Sitzzurechnungen (determination of residence-Fälle) werden weder im südafrikanischen noch im deutschen Recht unter der Thematik des piercing of the corporate veil bzw. des Durchgriffs diskutiert. Es finden sich in Südafrika und der Commonwealth-Rechtslehre lediglich einige Literaturstimmen, die dies (im Ergebnis ablehnend) ansprechen. Im deutschen Recht ist der Sitz der Gesellschaft im Falle einer GmbH im Gesellschaftsvertrag zu benennen (§ 3 Abs. 1 GmbHG). Sitz wird regelmäßig die Gemeinde sein, auf deren Gebiet die Hauptverwaltung der Gesellschaft liegt. Zwingend ist das jedoch nicht; der Gesellschaftsvertrag braucht nicht den Mittelpunkt der Verwaltung als Sitz zu bezeichnen, es kommt auch nicht auf den Ort der Geschäftsbetätigung oder den Wohnsitz der Geschäftsführer an. Das Statut kann jeden beliebigen Ort als Sitz bestimmen, ohne dass die Gültigkeit des Vertrages berührt würde oder ein Einschreiten des Registergerichts erfolgen müsste. Jedoch wird ein rein fiktiver Sitz vom Registerrichter beanstandet werden. Damit liegt aber noch kein zur Auflösung der Gesellschaft führender Mangel der Bestimmung über den Sitz der Gesellschaft vor.94 Auch stellt die Rechtsprechung dann nicht auf den Geschäftsführerwohnsitz ab. Sitzverlegungen sind zulässig, bedürfen aber, da der Sitz im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist, der Satzungsänderung.95 Was die Wissenszurechnung angeht, so wird im deutschen Recht Wissen der Organe (Geschäftsführer / Vorstand) der juristischen Person zugerechnet. Der Gesetzgeber hat für den Bereich der Wissenszurechnung – im Gegensatz zum Bereich der Handlungszurechnung (dort findet sich in § 31 BGB eine punktuelle Regelung zugunsten der Organtheorie) – keine Regelung getroffen. Der alte Streit zwischen Organtheorie einerseits und Vertretertheorie andererseits96 ist hier demnach noch nicht endgültig entschieden. Streitig ist deshalb, wie die juristische Person ihr Wissen erlangt: Die überwiegende Meinung der Literatur will auf die Organstellung des Willensträgers abstellen.97 Streitig ist allerdings unter Hinweis auf konzeptionelle Unterschiede die Wissenszurechnungsnorm (§ 31 BGB [Organtheorie: Wissen des Organs ist Wissen der juristischen Person] oder § 166 BGB98 [Vertretertheorie: Organ als gesetzlicher Empfangsver94

Scholz-Schmidt, GmbHG-Kommentar, § 60, Rn. 39. Scholz-Emmerich, GmbHG-Kommentar, § 4 a, Rn. 1 ff. 96 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 2 a: „Gemeint ist der Streit zwischen der ,Vertretertheorie‘ und der ,Organtheorie‘ . . . Nach der Vertretertheorie ist die juristische Person selbst nicht fähig zum Wollen und Handeln; dies erledigen Dritte, nämlich ihre Vertreter. Nach der Organtheorie ist der Verband selbst mittels seiner Organe . . . Willens- und Handlungsträger.“ 97 Vgl. Münchener Kommentar-Schramm, § 166, Rn. 20 (und m.w. N. in Fn. 29), K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V 1 und 2. 98 § 166 Abs. 1 BGB in direkter Anwendung bezüglich empfangener Willenserklärungen, § 166 Abs. 1 BGB in rechtsgedanklicher Anwendung bezüglich empfangener 95

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treter]).99 Je nachdem ist Wissenszurechnung dann entweder Eigenzurechnung (Organtheorie) oder Fremdzurechnung (§ 166 BGB). Die neuere Rechtsprechung sieht dagegen als maßgeblichen Grund für eine solche Wissenszurechnung nicht die Organstellung des Wissensträgers, sondern den Verkehrsschutz:100 Aus Verkehrsschutzgründen hat die juristische Person eine (einer Verkehrspflicht ähnliche) Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation.101

Wissenserklärungen und sonstigen Kennens / Kennenmüssens. Vgl. Münchener Kommentar-Schramm, § 166, Rn. 17. 99 s. die Darstellung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V („Organschaftliche Zurechnung: Wissenszurechnung“). K. Schmidt selbst ist a. a. O., § 10 V 2 b der Ansicht, dass „[d]ie Zurechnung organschaftlichen Wissens . . . nicht aus § 166 Abs. 1 BGB, sondern aus dem in § 31 BGB zum Ausdruck gelangten allgemeinen Rechtsgedanken hergeleitet werden [sollte] . . .“ 100 Vgl. demgegenüber die Ausführungen der älteren Rechtsprechung, angeführt bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V 2 b: „Der BGH sagt in WM 1959, 81, 84 einfach: ,Das Wissen eines Organmitglieds ist das Wissen der Rechtsperson.‘ Erkennbar prägt sich in derartigen Formulierungen die Organtheorie aus, . . .“ 101 BGH 1996 NJW 1339 (1340 / 1341): „Taupitz (Wissenszurechnung nach englischem und deutschem Recht, Karlsruher Forum 1994, S. 16 ff., 28 ff.) [hat] als maßgeblichen Grund für die Zurechnung von Wissen eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Kommunikation herausgearbeitet (sachlich übereinstimmend Medicus [Probleme der Wissenszurechnung, Karlsruher Forum 1994, Beilage zum „Versicherungsrecht“, S. 4 ff.] S. 10). Diese Organisationspflicht gründe, ähnlich wie eine Verkehrspflicht auf der Beherrschung eines selbsteröffneten Verkehrsbereichs: eine am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation müsse . . . so organisiert sein, daß Informationen, deren Relevanz für andere Personen innerhalb dieser Organisation bei den konkret Wissenden erkennbar ist, tatsächlich an jene Personen weitergegeben werden (Informationsweiterleitungspflicht als Problem der Wissenszurechnung); umgekehrt müsse sichergestellt sein, daß gegebenenfalls nach erkennbar anderswo innerhalb der Organisation vorhandenen und für den eigenen Bereich wesentlichen Informationen nachgefragt werde (Informationsabfragepflicht als Problem des Wissens . . .). Beide Autoren stimmen weiter darin überein, daß das Problem der arbeitsteiligen „Wissensaufspaltung“ in gleicher Weise wie bei juristischen Personen auch bei allen sonstigen Organisationsformen auftaucht, die zu einer Wissenszersplitterung führen können . . . Der Senat schließt sich dieser Beurteilung sowohl in der Begründung als auch in den praktischen Ergebnissen an. Er bejaht die erörterte Möglichkeit einer Wissenszurechnung insbesondere auch für die – hier zu beurteilende – GmbH & Co. KG; denn die Wissenszurechnung gründet nicht in der Organstellung oder einer vergleichbaren Position des Wissensvermittlers (Organtheorie), sondern im Gedanken des Verkehrsschutzes und der daran geknüpften Pflicht zu ordnungsgemäßer Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation.“ s. auch Münchener Kommentar-Schramm, § 166, Rn. 20 sowie dortige Fn. 30 m.w. N. Die in BGH 1996 NJW 1339 besprochene Entscheidung betraf allerdings den Sonderfall der Wissenszurechnung bei solchen juristischen Personen, bei denen aufgrund ihrer arbeitsteiligen Organisationsform typischerweise Wissen zwischen verschiedenen Personen oder Abteilungen aufgespalten ist. s. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V 2 a, der diese Rechtsprechung kritisiert: „[D]iese ausdifferenzierte Zurechnung passt nicht auf der Organebene, sondern nur bei der Zurechnung der Kenntnis oder Unkenntnis unterhalb der Organebene . . . Aber das ist nichts anderes als das schon

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Ob das Wissen der Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet werden kann, ist weniger eindeutig. Auf eine Wissenszurechnung laufen bislang nur die Fälle im Zusammenhang mit § 123 Abs. 2 BGB hinaus (Die Kenntnis des täuschenden beherrschenden Gesellschafters von der Täuschung wird „seiner“ GmbH zugerechnet.). Ferner wurde in der Literatur § 61 VVG diskutiert (Der Versicherer wird leistungsbefreit gegenüber der Gesellschaft, wenn die Gesellschafter den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführen.).102 Der Bundesgerichtshof will solche Zurechnungen in Fällen von Allein- und Mehrheitsgesellschaftern zulassen, wenn diese die Möglichkeit zur Weisungserteilung gegenüber der Geschäftsführung haben.103 Anerkannt ist eine solche Zurechnung auch im Fall einer verbergenden Treuhand von einem Treugeber (die Treuhandgesellschafter hielten 100% der Anteile) auf die Gesellschaft.104 Derartige Zurechnungen sind auch in Südafrika im Hinblick auf TreugeberFälle anerkannt, wie beispielsweise die von der dortigen Rechtsprechung inzwischen als bindender Rechtsgrundsatz angewandte englische Entscheidung Gilford v Horne zeigt. Dieser Fall betraf allerdings keine tatbestandliche Wissenszurechnung von Treugeber auf Gesellschaft, sondern die Erstreckung einer Verpflichtung (vertragliches Wettbewerbsunterlassungsverbot) von Treugeber auf Gesellschaft.

von § 31 BGB bekannte Eindringen der Zurechnung in Organisationsinstanzen unter der Leitungsebene . . .“ 102 s. o. Kap. A. II. 1. a) bb) (3). 103 BGH 1990 WM 506. 104 BGH 1990 WM 506 / 507: Zum Zeitpunkt des Abschlusses (01.08.1980) des später gem. § 123 Abs. 1 BGB angefochtenen Rechtsgeschäfts war der Beklagte nicht mitgliedschaftsrechtlich, sondern treuhandvertragsrechtlich (§ 665 BGB) beherrschend (BGH 1990 WM 506: „Schaltet . . . er – wie im vorliegenden Fall – . . . eine Gesellschaft ein, die von ihm beherrscht und finanziert wurde, . . .“ und „Möglichkeiten seiner Weisungsbefugnis gegenüber der Geschäftsführung“): Denn das Stammkapital der betreffenden Gesellschaft, der gegenüber das Rechtsgeschäft angefochten wurde und die erst kurz zuvor von zwei von dem Beklagten vorgeschobenen Personen gegründet worden war, war am 01.08.1980 zu 98% in den Händen des Schwagers des Beklagten. Geschäftsführer war ein Strohmann. Am 23.08.1980 löste der Schwager des Beklagten den Strohmann als Geschäftsführer ab und übernahm dessen Geschäftsanteile (2%). Am 10.05.1983 wurde der Beklagte geschäftsführender Alleingesellschafter der Gesellschaft (BGH 1990 WM 506 / 507: „Zwar war jener [der Beklagte], als die . . . [Gesellschaft] am 01.08.1980 die Anteile erwarb, noch nicht unmittelbar an der . . . [Gesellschaft] beteiligt; deren Gesellschafter hielten aber ihre Geschäftsanteile für Rechnung des Beklagten . . . Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die . . . [Gesellschaft] auf Veranlassung des Beklagten . . . gegründet worden ist . . . [D]er Beklagte . . . finanzierte nicht nur das Stammkapital der . . . [Gesellschaft], sondern auch die Kaufpreise, die . . . [die Gesellschaft] den Klägern [im Zuge des von diesen mit ihr abgeschlossenen und später von ihnen angefochtenen Rechtsgeschäfts] bezahlt hat . . . [D]ie Gesellschafter der Gesellschaft [hatten] ihre Geschäftsanteile nicht für eigene, sondern für Rechnung des Beklagten erworben . . . und [hielten sie] seitdem treuhänderisch für ihn . . .“

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Zurechnung von Wissen / Absicht (intention) wird in Südafrika – außerhalb des Bereiches des Schadensersatzrechts – im Hinblick auf Organe (directors) bislang nur in steuerrechtlichen Fällen praktiziert. In der englischen Rechtsprechung liegen dagegen auch andere Beispiele vor (Bolton Engineering Co Ltd v Graham). Die Unterscheidung zwischen Zurechenbarkeit von Wissen / Absicht der directors einerseits und der Gesellschafter andererseits ist nicht immer deutlich eingehalten worden. Problematisch waren Fälle geschäftsführender Gesellschafter (Elandsheuwel) und beherrschender Gesellschafter (Malcomess Properties): In Elandsheuwel hat das Mehrheitsvotum die Absicht der beherrschenden Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet. Diese Möglichkeit wurde im Folgeurteil Malcomess Properties jedoch wieder erheblich eingeschränkt. Das Minderheitsvotum in Elandsheuwel wollte – auch im Falle geschäftsführender Gesellschafter – dogmatisch klar trennen zwischen Willenskundgebungen in der Eigenschaft als Gesellschafter und solchen in der Eigenschaft als directors und wollte nur letztere zurechnen. Eine vertiefte Diskussion, auf welcher Grundlage Wissen zugerechnet werden soll, wird nicht geführt. Verkehrsschutzargumente im Sinne einer Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation sind bislang nicht vorgebracht worden. Wissenszurechung wird (ebenso wie Handlungszurechnung) im Wesentlichen mit organtheoretischen Überlegungen begründet. Im Hinblick auf die Zurechenbarkeit von Handeln / Verschulden / Verhalten seitens der Organe (directors) und der Gesellschafter auf die Gesellschaft zeigen sich folgende Gemeinsamkeiten zwischen deutschem und südafrikanischem Recht: Was die Handlungszurechnung angeht, besteht in Deutschland mit § 31 BGB eine gesetzliche Zurechnungsregelung im Hinblick auf die schadensersatzrechtliche und damit auch deliktische Haftung einer juristischen Person.105 Ein Handeln ihrer Organe wird also der juristischen Person als Eigenhandlung zugerechnet, die juristische Person handelt selbst durch ihre Organe. In Südafrika gibt es im gesetzlichen Zivilrecht keine entsprechende Norm. Zwar besteht mit § 332 Criminal Procedure Act eine Handlungs- und Vorsatzzurechnungsnorm mit organtheoretischem Ton (Zurechnung als Eigenhandeln / -wollen), doch gilt er nur im Strafrecht. Ferner liegt bislang auch kein Gemeinrechtsgrundsatz vor, der eine deliktische Haftung der Gesellschaft außerhalb der Konstruktion der Gehilfenhaftung (vicarious liability) bewerkstelligt. Jedoch finden sich spätestens seit Simon v Mitsui unzweideutige obiter dicta, die die 105 Mit § 31 BGB hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, den Bereich des Handelns / Verhaltens der Organe im Sinne der Organtheorie zu regeln. Vgl. die Darstellung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 2 und 4 sowie Münchener Kommentar-Reuter, § 26, Rn. 11 (und m.w. N. in Fn. 26) und § 31, Rn. 1 f.

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identification theory (Organtheorie) auch auf das Deliktsrecht anwenden möchten. Das Verständnis der südafrikanischen Rechtslehre bezüglich der Reichweite der aus England kommenden identification theory geht über das der deutschen bezüglich der Reichweite der Organtheorie hinaus: Eingeschlossen werden nämlich Fälle (The Lady Gwendolen), die ihrer Argumentation nach nach deutschem Recht nicht mehr als Fälle einer Zurechnung als Eigenhandlung und Eigenverschulden im Sinne der Organtheorie zu § 31 BGB und der Organtheorie angesehen werden, sondern als Primärhaftung der juristischen Person wegen Verletzung einer eigenen Betriebsorganisationspflicht aus § 823 Abs.1 BGB. Diese ist gerade keine Zurechnungshaftung. The Lady Gwendolen ist in Südafrika allerdings nur persuasive authority, nicht aber bindender Rechtsgrundsatz (binding precedent). In der deutschen Literatur werden diese beiden Haftungsmöglichkeiten als zwei dogmatisch verschiedene, aber konkurrierend nebeneinander bestehende und nahezu gleiche Sachverhalte erfassende Haftungsmöglichkeiten betrachtet. Die identification theory trennt hier dagegen nicht. Sowohl die deutsche Organhaftung gemäß § 31 BGB als auch die südafrikanische identification theory haben den Kreis ihrer Zurechnungsquellen über bestellte Organe hinaus erweitert. Die Organhaftung gemäß § 31 BGB ist von der Rechtsprechung zu einer Repräsentantenhaftung erweitert worden106 und erfasst somit heute über die reinen Organe (Vorstand / Geschäftsführer) hinaus alle Personen, die sich als sogenannte leitende Angestellte verstehen lassen.107 Die identification theory ließ mit ihrer ursprünglichen directing mind-Formel Zurechnungen nur von der obersten Hierarchieebene (board of directors; managing director) aus zu. Mit ihrer neuen directing functionary-Formel ist der Kreis der Zurechnungsquellen nun erheblich erweitert. Er geht begrifflich auch über den Bereich der leitenden Angestellten hinaus und kann jeden eigenständigen Funktionsträger erfassen. Die deliktische Haftung der juristischen Person für Verhalten / Handeln ihrer Organe wird im deutschen Recht gemäß der in § 31 BGB zum Ausdruck gebrachten Organtheorie als Eigenzurechnung verstanden. In Südafrika tut die in obiter dicta vorliegende identification-Theorie dies ebenso. Vertretertheorien zur schadensersatzrechtlichen Haftung der juristischen Person sind jeweils in der Minderheit geblieben.

106

Münchener Kommentar-Reuter, § 31, Rn. 19 unter Verweis auf BGHZ 49, 19

(21). 107 Münchener Kommentar-Reuter, § 31, Rn. 19. Der Begriff ist dem BetrVG (§ 5 Abs. 3) und dem MitbestG (§ 3 Abs. 3 Nr. 2) entlehnt.

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Bislang ist in Südafrika die deliktische Haftung einer juristischen Person von der Rechtsprechung nur im Wege der Gehilfenhaftung (vicarious liability) bewerkstelligt worden. Dieser liegt das Konzept des master-servant-Verhältnisses zugrunde. Es passt kaum auf das Verhältnis zwischen director und Gesellschaft. Die südafrikanische vicarious liability ist wie die deutsche Verrichtungsgehilfenhaftung nach § 831 BGB und die Erfüllungsgehilfenhaftung gem. § 278 BGB eine Hilfspersonenhaftung. Diese Konzepte weisen aber allesamt erhebliche konzeptionelle Unterschiede zueinander auf. Die vicarious liability ist nur auf den ersten Blick der deutschen Haftung des Geschäftsherrn für seinen Verrichtungsgehilfen gem. § 831 BGB ähnlich. Deutliche Unterschiede bestehen darin, dass vicarious liability im Gegensatz zur Haftung nach § 831 keine Eigenverschuldenshaftung der juristischen Person begründet, sondern eine Haftung der juristischen Person aus ihr zugerechnetem Fremdverschulden ist.108 Vicarious liability setzt ferner keine Verschuldensfähigkeit desjenigen voraus, dem zugerechnet wird; § 831 BGB setzt dagegen Verschuldensfähigkeit des Geschäftsherrn voraus. § 831 BGB erfordert kein Vertragsverhältnis zwischen Geschäftsherr und Verrichtungsgehilfen, vicarious liability dagegen schon. § 831 BGB lässt einen Entlastungsbeweis des Geschäftsherrn zu (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB); einer Haftung aus vicarious liability kann in einigen Fällen eine due diligence-Einwendung entgegengehalten werden. Vicarious liability ist ferner auch nur auf den ersten Blick der deutschen Haftung des Geschäftsherrn für seinen Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB sehr ähnlich: Gemeinsam ist ihnen, dass beide eine Haftung für zugerechnetes Fremdverschulden der Hilfsperson darstellen. Ferner, dass beide ein zum Zeitpunkt des Handelns des Erfüllungsgehilfen bzw. servant bestehendes Rechtsverhältnis verlangen. Während eine Zurechenbarkeit nach § 278 BGB jedoch ein zum Zeitpunkt des Handelns des Erfüllungsgehilfen bestehendes Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Drittem verlangt, ist demgegenüber (in den employeremployee-Fällen der vicarious liability) für eine Haftung des master aus vicarious liability erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Handeln des servant ein ([Arbeits-]Vertrags-)Rechtsverhältnis zwischen master und servant bestand. § 278 BGB verlangt demgegenüber kein solches Vertragsverhältnis. 108 Mayson, Company Law, 643 (Kap. 19.7): „A company is liable for any torts it commits, for example, by publishing a newspaper containing a defamatory libel. Like any other employer, a company is [demgegenüber] vicariously liable for torts committed by its employees in the course of their employment. A company’s vicarious liability for another’s tort does not mean that the company is regarded as having committed the tort: the company is liable for somebody else’s commission of the tort under a liability which arises because of the company’s employment of that other person. The company’s capacity to commit the tort is therefore irrelevant.“

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Vicarious liability greift vor allem als Zurechnungsnorm bei deliktischen Handlungen des servant (employee) gegenüber Dritten. § 278 BGB kann dagegen als Zurechnungsnorm bei solchen Sachverhalten nicht greifen: Denn zwar lassen deliktische Handlungen ein gesetzliches Schuldverhältnis aus Delikt oder objektiv zu verantwortender Schädigung zwischen Schädiger und Geschädigtem entstehen.109 Jedoch wird zum einen für Schadensersatz auslösende Handlungen einer Hilfsperson gem. § 831 BGB gehaftet bzw. werden solche Handlungen eines Repräsentanten gem. § 31 BGB zugerechnet und nicht gem. § 278 BGB.110 Daneben hat die Rechtsprechung mit der Lehre vom Organisationsmangel eine unmittelbare deliktische Eigenhaftung der juristischen Person entwickelt, die ohne jegliche Zurechnung auskommt. Zum anderen verlangt § 278 BGB ja, dass das Schuldverhältnis zwischen Geschäftsherr und Drittem bereits bestanden haben muss zum Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens des Erfüllungsgehilfen. Ein gesetzliches Schuldverhältnis aus Delikt entsteht jedoch erst mit dem deliktischen Handeln des Erfüllungsgehilfen als rechtserzeugendem Tatbestand, also zu spät für eine Zurechnung gem. § 278 BGB. Außerdem muss für § 278 BGB zum Zeitpunkt des Handelns des Erfüllungsgehilfen ein Schuldverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Drittem bestanden haben. Ein deliktisches Handeln des Erfüllungsgehilfen lässt jedoch ein deliktisches Schuldverhältnis zwischen Erfüllungsgehilfen und Drittem entstehen und nicht zwischen Geschäftsherr und Drittem. Im Gegensatz zum Zurechnungsinstitut der vicarious liability kann § 278 BGB somit nicht dafür herangezogen werden, ein deliktisches oder ein Gefährdungshandeln der Hilfsperson dem Geschäftsherrn zuzurechnen. Ähnlichkeiten zwischen vicarious liability und § 278 BGB bestehen allerdings wieder bei dem jeweiligen Erfordernis, dass der Erfüllungsgehilfe in Erfüllung einer Verbindlichkeit des Geschäftsherrn (und nicht nur bei Gelegenheit 109

Münchener Kommentar-Kramer, Einleitung zu § 241, Rn. 57. Anderer Ansicht Teile der sog. Vertretertheorie zur schadensersatzrechtlichen Haftung von Organen der juristischen Person unter Hinweis auf den Wortlaut „gesetzlichen Vertreters“ des § 278 Satz 1 BGB. Danach sei jedenfalls bei Schadenersatzansprüchen aufgrund von Handlungen der Hilfsperson, durch welche Pflichten des Geschäftsherrn aus einem bestehenden Schuldverhältnis mit dem Dritten verletzt wurden, § 278 BGB vorzuziehen, und sei § 31 BGB folglich auf Schädigungen im Allgemeinen Rechtsverkehr beschränkt (z. B. Flume, Die juristische Person, § 11 III, Münchener Kommentar-Reuter, § 31, Rn. 31, Fn. 77 m.w. N.). Hiergegen wird zutreffend vorgebracht (Münchener Kommentar-Reuter, § 31, Rn. 18 und Münchener KommentarGrundmann, § 278, Rn. 1 ff.), dass § 31 BGB grundsätzlich vorzugswürdig sei bei Handlungen der Hilfsperson, welche eine Schadensersatzhaftung auslösen, weil sonst – wie § 278 Satz 2 BGB zeige – die Funktion des § 31 BGB (Sicherung einer Eigenhaftung der rechtlich selbständigen Organisation in Parallele zur Haftung für eigenes Handeln bei der natürlichen Person) nicht erreicht werde. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 3 verweist (m.w. N. in Fn. 104) allerdings auf die geringe praktische Bedeutung dieses Problems. 110

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der Erfüllung) bzw. der servant (employee) „within the course and scope of his employment“ gehandelt haben muss.111 Auch die Tatbestände, unter denen dies nicht mehr angenommen werden können soll und eine Haftung aus vicarious liability bzw. gem. § 278 BGB somit ausgeschlossen ist, stimmen erheblich überein.112 In Südafrika geht die Rechtsprechung davon aus, dass deliktische Haftung der juristischen Person im Wege der identification theory einerseits und im Wege der vicarious liability andererseits zwei verschiedene Haftungskonzepte sind. In der Literatur herrscht überwiegend dieselbe Meinung vor. In Deutschland sind die konzeptionellen Unterschiede zwischen § 31 BGB (Repräsentantenhaftung) und § 831 BGB (Gehilfenhaftung) unstreitig. In Südafrika ist bislang noch nicht verbindlich entschieden, ob eine Haftung im Wege der Gehilfenhaftung (vicarious liability) oder eine Haftung im Wege der identification theory als piercing of the corporate veil zu verstehen sind. Was die identification theory betrifft, wird man wohl davon ausgehen können, dass diese als piercing of the corporate veil aufgefasst wird.113 Was die Gehilfenhaftung (vicarious liability) betrifft, so wird diese wohl als ein von piercing of the corporate veil verschiedenes Konzept verstanden, denn weder Rechtsprechung noch Rechtslehre haben bislang – soweit ersichtlich – eine Haftung der Gesellschaft aus Gehilfenhaftung (vicarious liability) als piercing of the corporate veil bezeichnet. In Deutschland wird weder § 831 noch § 31 BGB als gesetzlich geregelter Fall der Durchgriffshaftung diskutiert. Beide bewerkstelligen eine Eigenhaftung der juristischen Person (entweder primär [§ 831 BGB] oder durch Zurechnung als Eigenhandeln [§ 31 BGB]). Eine Haftungserstreckung (wie beim umgekehrten Haftungsdurchgriff) einer primären Verbindlichkeit des Verrichtungsgehilfen bzw. des Organs auf den Geschäftsherrn bzw. die juristische Person findet hierbei konzeptionell nicht statt. 111 Botes v Van Deventer 1966 (3) 182 (A) 205A. Ferner findet sich dort die allgemeine Formulierung „in the exercise of the functions entrusted to him“ (205H). 112 Das Tatbestandsmerkmal „within the course and scope of his employment“ ist nicht erfüllt, wenn einer der drei folgenden Ausschlusstatbestände vorliegt: Ein selbständiges Handeln (independent act) des Arbeitnehmers (d.h. „Employee does something in his personal capacity and for his own ends“) oder eine Abweichung (deviation) des Arbeitnehmers (d.h. „Employee deviates from his appointed functions to such a degree that it cannot reasonably be held that he was exercising the function to which he was appointed.“) oder ein Tun des Arbeitnehmers, das außerhalb des scope of employment liegt (d.h. „An unauthorised act that falls entirely outside the scope of his employment as determined by written or oral instructions given by his employer.“). Siehe Van Dorsten, South African Business Entities, 521. Vgl. demgegenüber die Rechtsprechungsbeispiele in Münchener Kommentar-Grundmann, § 278, Rn. 31 zur deutschen Rechtslage bezüglich der Frage, wann das Tatbestandsmerkmal „in Erfüllung einer Verbindlichkeit des Geschäftsherrn“ nicht mehr gegeben ist. 113 s. o. Kap. C. I. 1. d).

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

In keinem der südafrikanischen (und in südafrikanischen Entscheidungen verwiesenen) Fälle der piercing-Fallgruppe „Attribution / imputation of personal characteristics / intention“ sind im deutschen Recht Durchgriffsüberlegungen anzustellen. Lennard’s Carrying v Asiatic Petroleum und The Lady Gwendolen lassen sich vielmehr bequem über §§ 823 Abs. 1, 31 BGB lösen. Eine Schadensersatzhaftung aus § 831 BGB scheitert dagegen in der Regel an der fehlenden Weisungsgebundenheit oder an der möglichen Entlastung. Im Fall Levy v Central Mining würde heute nach Maßgabe der Ausführungen in Simon v Mitsui eine Haftung im Wege der Organtheorie im Übrigen wohl bejaht werden können.

II. Südafrikanische Fallgruppe „Evasion of a (contractual or legal) duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent / improper use of a corporate personality“ und deutsche Rechtslage (Fallgruppe „Rechtsmissbrauch“) Die Fallgruppe „Evasion of a duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent / improper use of a corporate personality“114 deckt die Mehrzahl der vorliegenden südafrikanischen piercing-Entscheidungen ab und bildet den Kernbereich der südafrikanischen piercing-Diskussion. 114 Im Unterschied zu dieser Rechtslage bei der private company sind für die close corporation Fälle des Missbrauchs der Rechtspersönlichkeit der juristischen Person gesetzlich in § 65 des Close Corporations Act geregelt. Für close corporations dürfte daher kaum noch ein Bedürfnis für eine derartige piercing-Fallgruppe bestehen. Zu § 65 Close Corporations Act s. o. Kap. A. I. 2. b) aa), Fn.-Apparat. Larkin (1989), SAMercLJ 280 (Fn. 20) beurteilt § 65 Close Corporations Act folgendermaßen: „This admirably conceived provision does not succeed in escaping the vagueness problem and one wonders what concrete ,true precedents‘ of gross abuse of a close corporation’s separate identity are going to look like. Also, it opts for a narrow approach to the issue of disregarding the entity, focusing on the ,fraud‘ or ,abuse‘ issue only . . . Much might depend on the willingness of the courts to interpret the words of the section, particularly words such as ,any use of‘, widely. Another possibility is the development of a common-law principle similar to the one in company law which would complement s[ection] 65. The analytical issue itself remains a difficult one but will have to be faced squarely in interpreting the section. Thus, the words ,be deemed not to be a juristic person‘ seem to make it clear that a power to order a true piercing the veil is being conferred on the courts. As the power has a statutory base, it is beyond question. However, it is not clear what the effect of such a deeming would be. The narrow, technical, approach is to say that all this can achieve is an uncovering of the members as an undifferentiated body. A richer, and more practical, view would not insist on any such limitation.“ Zur Wechselwirkung zwischen richterrechtlichem company law, insbesondere piercing of the corporate veil, und dem Close Corporations Act führt Larkin (1989), SAMercLJ 280 aus: „The Close Corporations Act is generally regarded as reflecting the very best in modern thinking on issues which are relevant to it. Many of these issues are of equal relevance to company law, piercing the corporate veil being a case in point. Consequently, the Close Corporations Act can, in a very real way, be an excellent crystal ball for company law. It is often a very good indicator of what direc-

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1. Südafrikanische Fallgruppe a) Voraussetzungen Die Fallgruppe „Evasion of a duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent / improper use of a corporate personality“ ist einschlägig, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Erstens muss eine Pflicht, ein Gebot oder ein Verbot umgangen worden sein. Solche Pflichten, Gebote oder Verbote können sich aus Gesetz, aus Vertrag oder aus dem Gemeinrecht (common law) ergeben. Die häufigsten Fälle von Umgehungen vertraglicher Pflichten sind Wettbewerbsunterlassungsabsprachen, die häufigsten Fälle von Umgehungen gemeinrechtlicher Pflichten betreffen Treupflichten (fiduciary duties) der Geschäftsführer (directors) 115 gegenüber der Gesellschaft. Eine solche Umgehung muss zweitens dadurch bewerkstelligt worden sein, dass eine Gesellschaft hierzu verwendet wurde. Und diese Verwendung der Gesellschaft muss drittens instituts- / rechtsmissbräuchlich (fraudulent / improper use) gewesen sein. Zu piercing of the corporate veil wird dann gegriffen, um den Zweck dieser umgangenen Pflicht oder dieses umgangenen Gebotes oder Verbotes durchzusetzen. aa) Definition der Begriffe fraud / impropriety im piercing-rechtlichen Sinne Fraglich ist, wann eine solche Verwendung einer Gesellschaft als instituts- / rechtsmissbräuchlich (fraudulent / improper use) angesehen wird. Der Inhalt der Begriffe fraud und impropriety ist in piercing-rechtlicher Hinsicht in Südafrika nicht verbindlich geklärt:116 Zwar hat die Rechtsprechung obiter in Lategan v Boyes klargestellt, dass im Falle eines fraudulent use of a corporate personality zum Mittel des piercing of the corporate veil gegriffen tion company law should take on a particular issue. If the Close Corporations Act has inclined in favour of it, this is a good indication that the doctrine of piercing the veil is also right for company law. On this view, it ought to be developed in company law as a common-law principle and, possibly, . . . given statutory form at some future time. One might say that a common-law doctrine of piercing the corporate veil has been given an unmistakeable respectability by the Close Corporations Act.“ 115 Treupflichten (fiduciary duties) der Geschäftsführer (directors) gegenüber ihrer Gesellschaft gründen im Gemeinrecht (common law), vgl. Cilliers, Corporate Law, 139 (Kap. 10.08). 116 Ähnlich ist die Rechtslage in England, vgl. Siebert, Durchgriffshaftung im englischen und deutschen Recht, 192 ff.

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wird, hat dem aber keine tatbestandlich griffigen Erläuterungen folgen lassen.117 Insbesondere ist unklar, ob der Begriff fraud technisch im Sinne des Straf- oder Zivilrechts verstanden werden soll.118 In Lategan v Boyes ging es um zivilrechtlichen fraud; jedoch wurde dessen Vorliegen vom Gericht nach Sachverhaltslage verneint. Zumindest im Hinblick auf die Umgehung gesetzlicher Verbote liegt seit Dadoo Ltd v Krugersdorp Municipal Council 119 eine richterliche Begriffsbestimmung vor. Danach ist ein Rechtsgeschäft rechtsmissbräuchlich (in fraudem legis) „when it is designedly disguised so as to escape the provisions of the law, but falls in truth within these provisions . . . [A] transaction . . . may in truth be within the provisions of a statute, but the parties may call it by a name or cloak it in a guise, calculated to escape those provisions.“120 Nicht ungesetzlich sei dagegen der bloße Versuch, Haftung zu vermeiden.121 117 Lategan v Boyes 201H (per Le Roux, J): „[N]o doubt that our Courts would brush aside the veil of the corporate identity time and again where fraudulent use is made of the fiction of legal personality.“ 118 Davids, Lifting the Veil, 134 unter Bezugnahme auf Larkin (1982) LAWSA, 24. 119 Dadoo v Krugersdorp 1920 AD 530. 120 Dadoo v Krugersdorp 1920 AD 547 f. (per Innes, CJ): „ An examination of the authorities . . . leads me to the conclusion that a transaction is in fraudem legis when it is designedly disguised so as to escape the provisions of the law, but falls in truth within these provisions. Thus stated, the rule is merely a branch of the fundamental doctrine that the law regards the substance rather than the form of things, – a doctrine common, one would think, to every system of jurisprudence and conveniently expressed in the maxim plus valet quod agitur quam quod simulate concipitur. And if that be so, then there is no practical difference between our rule on this point and the rule of English law. Under both systems the words of the lawgiver must be read in the light of his intention to be gathered from the enactment as a whole and from a consideration of the mischief dealt with. Voet (ad Pand. 1.3., par. 20) states this very clearly. That interpretation should be adopted, he says, which is most calculated to attain the object and most in accordance with the mind of the lawgiver; not a hidebound interpretation nor one which circumvents the aim of the law so as to allow that which the law does not wish to be done, though it has not expressly prohibited it. But he emphasises the importance of adhering to the language of the statute where there is any doubt. Nec aliter a propria verborum significatione recedendum, quam cum manifestum id sensisse legislatorem. Magisque in dubio verbis edicti serviendum, ut Ulpianus ait. Very similar principles are recognized in English courts. . . . These remarks cover portion of the ground; a further portion is covered by the rule as stated in Maxwell ([Ein Lehrbuch mit dem Titel: Interpretation of Statutes] 3rd ed., p. 157), quoting the Digest (1.3.29), that ,To carry out effectually the object of a statute it must be so construed as to defeat all attempts to do or avoid in an indirect or circuitous manner that which it has prohibited or enjoined.‘ But an Act thus construed may nevertheless be evaded; parties may genuinely arrange their transactions so as to remain outside its provisions. Such a procedure is, in the nature of things, perfectly legitimate. There is nothing in the authorities, as I understand them, to forbid it. Nor can it be rendered illegitimate by the mere fact that the parties intend to avoid the operation of the law, and that the selected course is as convenient in its result as another which would have brought them within it. An attempted evasion, however, may proceed on other lines.

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Abgesehen von diesen beiden Fundstellen hat die Rechtsprechung – außerhalb des Bereichs der Rechtsprechung zur Definition des Tatbestandsmerkmals „fraudulent“ des § 424 Companies Act122 – bisher keine weiteren Begriffsbestimmungsbeiträge geliefert.123 Ebensowenig hat die südafrikanische Rechtslehre eine griffige Definition erarbeitet. Milo hat befürwortend auf eine neuere, enge Definition der englischen Literatur verwiesen, wonach fraud auf Rechtsvereitelung abziele.124

The transaction contemplated may in truth be within the provisions of the statute, but the parties may call it by a name or cloak it in a guise, calculated to escape those provisions. Such a transaction would be in fraudem legis; the Court would strip off its form and disclose its real nature, and the law would operate.“ Diese Passage oder zumindest Teile davon sind in späteren südafrikanischen Entscheidungen häufig zitiert worden, z. B. kürzlich in Erf 3183 / 1 Ladysmith (Pty) Ltd v CIR 1996 (3) SA 942 (A) 951 / 952. Ähnlich die Definition von De Villiers, JA in Dadoo v Krugersdorp 564 f.: „The question therefore is, when can a transaction be said to be in fraudem legis? As the learned Judge in the Court below points out, our law draws a distinction between an act which is contra legem and an act which is said to be in fraudem legis. (Dig. I. iii. 29 and 30.1 non dubium C. de leg.) That person acts contra legem who does an act which the law expressly prohibits; but he who, while not falling within the letter of the law, violates the intention of the lawgiver acts in fraudem legis. (Voet, I. iii. 20.) The intention of the Legislature is variously expressed by the words, voluntas, sententia or mens legis. Where there has been a contravention of any particular law depends therefore upon whether the mens legis has been violated or not. So that before a Court of Justice can determine whether there has been a contravention of any law it must first determine what is the will of the legislator in the particular instance. If the act in question is not against the mens legis there has been no violation of the law even if it be done dolo, although on the other hand dolus may bring an act, which, if done innocently, would be outside the mens legis, within it (Dig. XXXVII. xiv., 16 pr.) When once the Court has determined what the mens legis is, it is in a position to say whether the act is or is not a violation thereof. For practical purposes, however, it is sufficient in any particular case to determine id quod lex non voluit, in other words, whether the act challenged falls within the prohibition. . . . This is what Donellus says: – ,In legibus sententia totum facit. Non enim lex est quod scriptum est, sed quod legislator voluit, quod judicio suo probavit et recepit.‘ (Ad Pand., Lib. 1, ch. 13, No. 2 – cf. Zoesius ad Pand. I. iii. 48.) It is not always sufficient to keep to the words of the statute, we must endeavour to ascertain the object of the Legislature: – ,Ratio et causa legis est id quod lex sibi propositum habuit, ut legem constitueret; id, propter quod lex lata est, et sine quo lata non esset.‘ (ib. No. 9.) And this view is borne out by the Digest – ,Scire leges non hoc est verba earum tenere, sed vim ac potestatam.‘ (Dig. I. iii. 17.) Dernburg (Pand. Lib. I., sec. 31) puts it very well: ,Das Verbotsgesetz will in der Regel nicht bloss einen bestimmten Weg zu einem Ziele ungangbar machen, sondern einen materiellen, insbesondere wirtschaftlichen Erfolg verhinderen [sic].‘ With this in mind I now address myself to the question whether the registration of the stand in the name Dadoo, Ltd., falls within the prohibition. . . .“ 121 Dadoo v Krugersdorp 1920 AD 548 (per Innes, CJ). 122 Zu § 424 Companies Act s. o. Kap. A. II. 2. b) aa) und unten Kap. C. III. 2. 123 Die englische Rechtsprechung bietet ein ähnliches Bild. Davids, Lifting the Veil, 75 f. belegt m.w. N., dass sich die englische Rechtsprechung bisher dessen enthalten hat, eine Definition des Begriffs fraud im piercing-rechtlichen Sinne zu formulieren.

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Des Öfteren wird in der südafrikanischen Rechtslehre vorgebracht, man könne Fälle von improper / fraudulent use daran erkennen, dass die Rechtsprechung die betreffenden Gesellschaften als bloßen sham oder als bloße façade125 bezeichnet habe.126 Jedoch gehen die Meinungen darüber, wann eine Gesellschaft denn als sham company oder façade company bezeichnet wird, weit auseinander.127 Die Literatur hat hier einen bunten Strauß verschiedener Definitionen vorgelegt; von einer einheitlichen Begriffsbestimmung kann derzeit keine Rede sein. Larkin128 kommt nach Durchsicht der bisherigen südafrikanischen Rechtsprechung129 zu dem Schluss, dass Voraussetzung für das Vorliegen von sham lediglich sei, dass die betreffende Gesellschaft „for no good commercial purpose“ gegründet worden sei.130 Sei dies gegeben, so sei sie auch dann ein sham, wenn der Gesellschafter sie in lauterer Absicht verwendet habe.131 Fraud oder impropriety seien dagegen nicht nötig.132 Mit dieser These hat Larkin allerdings nicht

124 Milo (1998), SALJ 326, Fn. 44 unter Bezugnahme auf Payne, Lifting the Corporate Veil: A Reassessment of the Fraud Exception, in: CambridgeLJ, (56) 1997, 284: „For a recent evaluation of the meaning of fraud in this context, see . . . Payne [(1997), CambridgeLJ 284], where it is argued that fraud has to be narrowly interpreted as the intention to use the corporate structure to deny the plaintiff some preexisting legal right.“ 125 Eine Übersicht über ähnliche von der Rechtsprechung verwendete Metaphern (u. a. cloak, mask, puppet, . . .) gibt Gower, Principles of Company Law (1992), 130 (Fn. 39). Laut Gower a. a. O. habe jedoch heutzutage in der Wortwahl der Rechtsprechung der Begriff façade die übrigen Begriffe verdrängt. Demgegenüber spricht allerdings Mayson, Company Law, 147 (Kap. 5.2.2.4) nach wie vor bevorzugt von sham. 126 Vgl. Davids, Lifting the Veil, 75 / 76: „There is no indication in the literature as to the meaning of fraud in the context of lifting the veil. It is, however, generally agreed that the courts are prepared to lift the veil if the company is used as a vehicle to perpetrate fraud.“ 127 Der Begriff sham wird gelegentlich austauschbar mit dem Begriff alter ego verwendet. Zu Übereinstimmungen und Unterschieden zwischen diesen beiden Begriffen / Konzepten nach dem Verständnis der vorliegenden Arbeit s. u. Kap. C. VI. 2. 128 Larkin (1989), SAMercLJ 284 f. 129 Vasco Dry Cleaners v Twycross 1979 (1) SA 603 (A) 620, Skjelbreds Rederi A / S v Hartless (Pty) Ltd 1982 (2) SA 710 (A) 734, The Unisec Group Ltd v Sage Holdings Ltd 1986 (3) SA 259 (T) 282. 130 Larkin (1989), SAMercLJ 284: „How is one to recognise a ,sham‘ company? . . . [T]he significant point is that transactions which fail to make commercial sense are being struck down.“ 131 Larkin (1989), SAMercLJ 284: „How is one to recognise a ,sham‘ company? The issue appears to revolve around the ,interesting question whether . . ., assuming an honest intention . . ., there would be any room in our law for a finding that the contract was a simulated one‘ [Es folgt eine Fussnote, die auf Vasco Dry Cleaners v Twycross 1979 (1) SA 603 (A) 620 verweist.]. All the signs today, and not only in this country, . . . appear to indicate that a positive answer is finding favour with the courts.“ 132 Larkin (1989), SAMercLJ 284: „It may be that this [d.h. Larkins aus der o. a. Rechtsprechung entnommene Definition einer sham company] is what the ,fraud‘,

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allzuviel Gefolgschaft: Mit Blick auf die englische piercing-Leitentscheidung Adams v Cape Industries plc133 kommt beispielsweise Gower bei der Bestimmung des Begriffs façade zu dem Schluss, dass Täuschung (deceit) wohl ein erforderliches Tatbestandsmerkmal ist.134 Allerdings räumt auch er ein, dass – abgesehen von der älteren englischen Entscheidung Jones v Lipman135 – in der englischen und schottischen Rechtsprechung bislang kaum Richtlinien zur Bestimmung des Begriffs zu finden seien.136 Dies hatte auch das Gericht in Adams v Cape Industries plc so gesehen;137 diese Entscheidung will Jones v Lipman entnehmen, dass für das Vorliegen einer façade der subjektive Tatbestand wesentlich sei.138

,gross abuse‘ or ,unconscionable injustice as a result of clearly improper conduct‘ tests for piercing the veil have all been pointing to.“ 133 Vgl. Adams v Cape Industries plc [1991] 1 All ER 929 (Ch & CA) 1022b ff. (per Slade, LJ), wo billigend ein obiter dictum aus der Woolfson-Entscheidung zitiert wird: „[T]here is one well-recognised exception to the rule prohibiting the piercing of ,the corporate veil‘. Lord Keith referred to this principle in Woolfson v Strathclyde . . .: ,I have some doubts whether . . . the Court of Appeal [Die Rede ist hier von der DHN-Entscheidung.] properly applied the principle that it is appropriate to pierce the corporate veil only where special circumstances exist indicating that it [d.h. die Gesellschaft] is a mere façade concealing the true facts.‘“ 134 Gower, Principles of Company Law (1992), 130 ff. leitet dies aus einem befürwortenden Verweis in Adams v Cape Pacific plc 1019g und 1022b–c (per Slade, LJ) auf ein obiter dictum der schottischen höchstrichterlichen Entscheidung Woolfson v Strathclyde Regional Council (1978) SC (HL) 90 96 her. Gower, Principles of Company Law (1992), 130, Fn. 38 ist der Ansicht, die Rechtsprechung habe dort den Begriff façade verwendet im Sinne einer „an outward appearance or front, especially a deceptive one.“ Einschränkender formuliert Gower dann wieder a. a. O., 133: „It . . . seems clear that a company can be a façade even though it was not originally incorporated with any deceptive intention; what counts is whether it is being used as a façade at the time of the relevant transactions.“ 135 [1962] 1 WLR 832. 136 Gower, Principles of Company Law (1992), 130 und 133. 137 Adams v Cape Pacific [1991] 1 All ER 1025f (per Slade, LJ): „From the authorities cited to us we are left with rather sparse guidance as to the principles which should guide the court in determining whether or not the arrangements of a corporate group involve a façade within the meaning of that word as used by The House of Lords in Woolfson v Strathclyde . . .“ Ebenso Gower, Principles of Company Law (1992), 130. 138 Adams v Cape Industries plc 1034j (per Slade, LJ): „Following Jones v Lipman, we agree . . . that . . . where a façade is alleged the motives of the architects of the façade may be highly material.“ s. auch Adams v Cape Pacific 1022j. Hierauf verweist billigend Smalberger, JA in Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 804G– H: „The transfer [of the Findon shares] was in fraud of the appellant’s rights; at the very best it was carried out with an improper purpose – the evasion of legal obligations – in mind. [Mr] Lubner’s motive in transferring the Findon shares from LCI to GLI, or causing them to be transferred, is a highly relevant consideration – see Adams and Others v Cape Industries plc and Another [1991] 1 All ER 929 (CA) at 1022j and 1024j. The misuse by Lubner of both LCI and GLI amounted to an abuse of their separate corporate identities.“

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Mayson ist der Ansicht, dass ein sham (bei Mayson gleichgesetzt mit pretence) vorliege, wenn eine Gesellschaft verwendet werde, um Rechtsdurchsetzung zu vereiteln.139 Damit ist noch nicht ausreichend darüber ausgesagt, ob zudem fraud und ein entsprechender subjektiver Tatbestand erforderlich sind. Für anerkannt hält Mayson die Definition des Begriffs sham in der englischen Entscheidung Snook v London & West Riding Investments Ltd.140 Allerdings war dies kein Fall, bei dem es um piercing of the corporate veil ging. Die Übertragbarkeit der dortigen Definition auf piercing-Sachverhalte ist daher fragwürdig.141 Nach Rixon ist beim Begriff façade ein subjektiver Tatbestand in Form eines Verheimlichungsvorsatzes entscheidend („deliberate concealment of the identity and activities of the corporation“). Ferner stellt Rixon ebenfalls auf Täuschung (deceit) ab. Zudem betont er, dass vollständige Beherrschung (complete control) allein nicht genüge, um die Gesellschaft zu einer façade zu machen.142 In der südafrikanischen Rechtslehre vertritt Davids die Ansicht, dass die Begriffe façade / sham auf das Vorliegen von fraud schließen lassen.143 Rationes decidendi der südafrikanischen Rechtsprechung liegen nicht vor. Allerdings fielen die Begriffe façade und sham regelmäßig im Zusammenhang mit Gesellschaften, bei denen fraudulent / improper use bejaht wurde.144 Das Min139 Mayson, Company Law, 147 (Kap. 5.2.2.4): „[E]vading enforcement of existing rights.“ 140 Snook v London & West Riding Investments Ltd [1967] 2 QB 786 (CA) 802, per Diplock, LJ: „[I]t means acts done or documents executed by the parties to the ,sham‘ which are intended by them to give third parties or the court the appearance of creating between the parties legal rights and obligations different from the actual legal rights and obligations (if any) which the parties intend to create.“ 141 Zu weiteren Einschränkungen der Anwendbarkeit der Diplock-Definition s. Baker, Shams or schemes of avoidance, in: LQR, (105) 1989, 167 (168). 142 Rixon, Lifting the veil between holding and subsidiary companies, LQR, (102) 1986, 415 (423): „In its figurative sense, ,façade‘ denotes outward appearance, especially one that is false or deceptive . . . and imports pretence and concealment. That the corporation has ,complete control of the company‘ is not enough to constitute the company a mere façade . . .; rather that term suggests, in the context, the deliberate concealment of the identity and activities of the corporation. Certainly the term calls to mind expressions used by the courts when lifting the veil in In re Darby. Ex parte Broughman . . ., Gilford . . . v Horne . . . and Jones . . . v Lipman . . ., . . . all cases in which the company was formed in order to enable the corporator to do through, and under cover of, the company what he might not do openly and in person.“ 143 Davids, Lifting the Veil, 75: „[W]henever a company is formed to evade a legal obligation the courts will treat it as a ,sham‘ or a ,device‘. The term ,façade‘ is also used by the court to refer to those companies which are formed to achieve improper ends . . . It appears that the terms ,sham‘ or ,mask‘ imply a fraudulent conduct by the incorporators of a company.“ 144 Vgl. in der südafrikanischen Rechtsprechung The Shipping Corporation of India v Evdomon 1994 (1) SA 566D–F (per Corbett, CJ): „I do not find it necessary to consider, or attempt to define, the circumstances under which the Court will pierce

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derheitsvotum (Van Heerden JA) in Cape Pacific v Lubner 1995 AD145 folgte ausdrücklich dem in Adams v Cape Pacific plc vertretenen façade-Begriff („concealing the true facts“). Im Gegensatz zu Larkin ist die vorliegende Arbeit daher der Ansicht, dass auch in der südafrikanischen Rechtsprechung deutlich eine Neigung besteht, die Begriffe façade und sham auf Sachverhalte anzuwenden, in denen fraudulent / improper use vorliegt. Für den Rechtsanwender bleibt das Dilemma damit aber bestehen: Er weiß zwar nun, dass ein piercing of the corporate veil sattfindet, wenn fraud / impropriety vorliegt und dass fraud / impropriety vorliegt, wenn façade / sham vorliegt. Aber er weiß nicht, unter welchen Voraussetzungen façade / sham vorliegt.146 Abzuzeichnen scheint sich lediglich, dass hierfür ein subjektiver Tatbestand für erforderlich gehalten wird. bb) Umgangene Gebote oder Verbote (vertragliche, gesetzliche, gemeinrechtliche) Umgangene Gebote oder Verbote können gesetzlicher, gemeinrechtlicher (common law-rechtlicher) oder vertraglicher Natur sein. Als Fälle von Umgehungen gesetzlicher Vorschriften mittels Verwendung von Gesellschaften werden in Südafrika vornehmlich die beiden (alten) Entscheidunthe corporate veil. Suffice it to say that they would generally have to include an element of fraud or other improper conduct in the establishment or use of the company or the conduct of its affairs. In this connection the words . . . ,cloak‘ and ,sham‘ have been used (see the discussions in Lategan v Boyes . . .; Dithaba Platinum (Pty) Ltd v Erconovaal Ltd . . . (1985) (4) SA 615 (T) at 624B–625J; and the recent [English] decision . . . Adams . . . v Cape Pacific plc . . . [1991] 1 All ER 929 (Ch & CA) at 1022b–j, 1024d–1025f.“ Die jüngste südafrikanische Leitentscheidung zum piercing-Recht, Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A), stellt allerdings klar (804B–D, per Smalberger, JA): „It is not necessary that a company should have been conceived and founded in deceit, and never have been intended to function genuinely as a company, before its corporate personality can be disregarded . . . Thus if a company, otherwise legitimately established and operated, is misused in a particular instance to perpetrate a fraud, or for a dishonest or improper purpose, there is no reason . . . why its separate personality cannot be disregarded in relation to the transaction in question . . .“ Vgl. auch Le’bergo Fashions CC v Lee 1998 (2) SA 608 (C) 614C (per Hoffman, AJ): „[T]he first respondent [Mrs Lee] is guilty of improper conduct in using her company, the second respondent, as a façade behind which she has engaged in business in breach of the restraint of trade undertaking.“ 145 1995 (4) SA 790 (A) 811F–G. 146 Bezeichnend merkt Gower, Principles of Company Law (1992), 133 / 134 an: „The difficulty [im Hinblick auf das façade-Schlagwort] . . . is the lack of guidance on the principles for determining whether a company is a mere façade . . . [U]ncertainty and difficulties . . . remain . . . It is to be hoped that the Lords [d.i. die Richterschaft] will be afforded another opportunity to reviewing the law in this field. Having invented the ,façade‘ test it behoves the Lords to tell us what it means.“

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gen Dadoo Ltd v Krugersdorp Municipal Council 147 (Umgehung von Apartheid-Bestimmungen des Staates Transvaal über Immobilienerwerb) und Rex v Gillet148 (Umgehung des Wuchergesetzes von 1926) angeführt. 147 Dadoo Ltd v Krugersdorp Municipal Council 1920 AD 530. Allerdings nur nach dem Urteil der Erstinstanz (Trial Court, per Wessels, J) und dem Minderheitsvotum der Entscheidung der Appellate Division (per De Villiers, JA). Vgl. ferner die noch älteren Entscheidungen Reynolds v Oosthuizen 1916 WLD 103 und Madrassa Anjumann Islamia v Johannesburg Municipal Council 1919 AD 439. a) Sachverhalt des Falles Dadoo Ltd v Krugersdorp Municipal Council: Bestimmungen des Transvaaler Provinzgesetzes Transvaal Gold Law von 1885 bzw. 1908 verboten Indern (indischstämmigen Südafrikanern), in der Provinz Transvaal Land zu Eigentum zu haben. Die Vorschriften trafen ihrem Wortlaut nach nur auf natürliche Personen zu. Die beiden indischstämmigen Südafrikaner Mr Dadoo und Mr Dindar gründeten deshalb eine Gesellschaft (Dadoo Ltd), deren einzige Gesellschafter und Geschäftsführer sie waren. Diese erwarb dann Grund in der Transvaaler Gemeinde Krugersdorp. Die Gemeindeverwaltung von Krugersdorp hielt die Landkaufverträge für eine Gesetzesumgehung (in fraudem legis) und somit für nichtig. b) Entscheidung: Die erstinstanzliche Entscheidung (per Wessels, J) hielt die Verträge als Gesetzesumgehung (in fraudem legis) für nichtig. Die Zweitinstanz (per Innes, CJ) hielt sie dagegen für wirksam, da keine Gesetzesumgehung vorliege. c) Piercing-erhebliche Ausführungen (per Innes, CJ): Rechtsgeschäfte in fraudem legis seien anerkanntermaßen nichtig (543). Sei daher die Verwendung einer Gesellschaft zur Tätigung eines Rechtsgeschäfts in fraudem legis, so gelte „the fundamental doctrine that the law regards the substance rather than the form of things“ (547), so dass „the Court would strip off its form and disclose its real nature, and the law would operate“ (548). Die Passage hat deutliche piercing-Diktion (wenngleich der Begriff piercing nicht fällt); sie schuf in Südafrika die Grundlage für die piercing-Fallgruppe „Evasion of a statutory prohibition by means of fraudulent use of a corporate personality (in fraudem legis).“ Jedoch verneinte Innes, CJ im Gegensatz zu Wessels, J, dass die von Dadoo Ltd abgeschlossenen Verträge Gesetzesumgehung (in fraudem legis) seien. Die Erstinstanz (per Wessels, J) war dagegen einer normzweckorientierten Argumentation gefolgt: Die betreffenden Vorschriften des Transvaal Gold Law wollten verhindern, dass Inder Land kontrollierten. Durch Verwendung einer Gesellschaft hätten Mr Dadoo und Mr Dindar vorsätzlich eine Lücke im Wortlaut der Vorschriften ausgenutzt und somit deren Normzweck unterlaufen (in fraudem legis). Abzustellen sei daher auf diese beiden die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter und deren indische Herkunft. Der Landerwerb durch die Gesellschaft Dadoo Ltd sei daher in fraudem legis und somit nichtig. Die Zweitinstanz (Mehrheitsvotum, per Innes, CJ) folgte dagegen einer wortlautorientierten Auslegung: Ein erweiterter Normzeck wurde verneint (549) mit dem Hinweis, der Gesetzgeber hätte andernfalls die betreffende Vorschrift entsprechend formuliert (550: „[H]ad the lawgiver meant to give effect to the larger policy, different language would probably have been employed.“). Die Vorschriften seien daher nicht auf juristische Personen anwendbar (552). Der Landerwerb durch Dadoo Ltd sei daher nicht in fraudem legis und somit rechtsgültig. Das abweichende Minderheitsvotum (per De Villiers, JA) hielt dagegen mit Normzweckargumentation den Landerwerb durch Dadoo Ltd für nichtig (566) und folgte damit der Argumentation der Erstinstanz. Weder Erst- noch Zweitinstanz bemühten piercing-Argumentationen im Sinne der piercing-Fallgruppe „Attribution of shareholders’ personal characteristics“ (hierzu s. o. Kap. C. I. 1.). De Villiers, JA stellte obiter klar, dass die persönliche Eigenschaft

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Als Fälle von Umgehungen / Vereitelungen vertraglicher Pflichten tauchen zwei Gruppen auf: Zum einen diejenigen Fälle, in denen kaufvertragliche Pflichten vereitelt werden sollen. In Südafrika sind dies die beiden Leitentscheidungen Botha v Van Niekerk (Umgehung der Kaufpreiszahlungspflicht [was vom Gericht allerdings verneint wurde])149 und Cape Pacific Ltd v Lubner 1995 AD (Umgehung der Pflicht zu delivery of res vendita / transfer of possession, ähnlich der deutschen Besitzübertragungs- und Eigentumsverschaffungspflicht aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB). Und zum anderen diejenigen Fälle, in denen die Umgehung von Wettbewerbsunterlassungsabsprachen in Rede stand: Klassische Entscheidungen sind hier die englischen Fälle Gilford Motor v Horne150 und Jones v Lipman151, südafrikanische Fälle finden sich in Louw J „Inder“ der Gesellschafter nicht der Gesellschaft zugerechnet werden könne und die Gesellschaft somit nicht als „indische“ Gesellschaft angesehen werden könne (566). Innes, CJ beschränkte sich auf die Feststellung, dass dies nicht Klageantrag war (548) und ging auf die Problematik nicht weiter ein. 148 Rex v Gillett (1929) AD 364 (per De Villiers, ACJ). a) Sachverhalt: Mr Gillet war Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer zweier Gesellschaften (Marais Agencies Ltd und Gillet’s Ltd). Mittels dieser beiden Gesellschaften betrieb er ein Kreditgeschäft: Marais Agencies Ltd trat als eigentliche Darlehensgeberin auf und forderte gesetzlich zulässige (im Sinne des südafrikanischen Wuchergesetzes [Usury Act] von 1926) Darlehenszinsen. Gillet’s Ltd arbeitete als Verwaltungsgesellschaft im Hinblick auf die von Marais Agencies Ltd zu vergebenden Darlehen. Sie bearbeitete die bei ihr eingereichten Darlehensanträge und gab befürwortende oder abschlägige Darlehensempfehlungen an Marais Agencies Ltd ab. Hierfür erhob sie Verwaltungsgebühren, deren Höhe sich nach der Darlehenssumme bemaß. Jeder Darlehensnehmer musste somit neben den Darlehenszinsen auch die Verwaltungsgebühren entrichten. Verwaltungsgebühren und Darlehenszinsen zusammengenommen überstiegen den nach dem Wuchergesetz höchstzulässigen Zinssatz. Getrennt betrachtet, blieben sie dagegen unterhalb dieser Schwelle. Sowohl Verwaltungsgebühren als auch Darlehenszinsen flossen an Mr Gillet. b) Entscheidung: Strafrechtliche Haftung von Mr Gillet im Sinne des damaligen § 384 Abs. 1 Criminal Procedure Act wegen Wuchers. 149 Botha v Van Niekerk 1983 (3) SA 513 (W), per Flemming, J. 150 Gilford Motors Co Ltd v Horne [1933] All ER 109, per Hanworth, MR. 151 Jones v Lipman (ChD 1961) [1962] 1 All ER 442, per Russell, J. a) Sachverhalt: Mr Lipman als Verkäufer schloss mit Mr Jones als Käufer einen Kaufvertrag über ein Hausgrundstück. Später versuchte er, die Eigentumsübertragung dadurch zu verhindern, dass er das Eigentum am Hausgrundstück vorher einer hierfür eigens erworbenen Gesellschaft, Alamed Ltd, übertrug. Diese Gesellschaft war zwar von einem Dritten (Lipmans Rechtsanwalt) gegründet worden, Lipman erwarb jedoch alle Geschäftsanteile und wurde (neben einem unbedeutenden nominee [einem Angestellten seines Rechtsanwalts]) ihr Alleingesellschafter. Mr Jones wollte sich nicht mit Nichterfüllungsschadensersatz (damages) begnügen und klagte sowohl gegen Mr Lipman als auch gegen die Gesellschaft Alamed Ltd auf Erfüllung der Verkäuferpflichten (specific performance of the contract of sale). b) Entscheidung: Leistungsurteile ergingen sowohl gegen Mr Lipman persönlich als auch gegen die Gesellschaft Alamed Ltd (Jones v Lipman 442E; 445G). c) Piercing-erhebliche Ausführungen: Die Entscheidung betont, dass das Grundstück der Gesellschaft Alamed Ltd zu Eigentum übertragen worden sei zwecks Vereitelung

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von Mr Lipmans vertraglicher Verkäuferpflicht (delivery of res vendita / transfer of possession) [444C] und die Leistungsurteile deshalb ergingen. Die Entscheidung lässt sich daher in die Fallgruppe „Evasion of a contractual obligation by means of fraudulent use of a corporate personality“ einordnen, auch wenn sie nicht ausdrücklich von piercing / lifting of the corporate veil spricht. Das Tatbestandsmerkmal „fraudulent use“ wird in der Entscheidung nicht eigens erörtert; jedoch wird Alamed Ltd als Mr Lipman’s device / mask / sham bezeichnet (445C). Zum Inhalt dieser Begriffe s. Kap. C. II. 1. a) aa). Die Entscheidung stellt zur Begründung des Urteils gegen Mr Lipman zum einen auf Mr Lipmans mitgliedschaftsrechtliche Einwirkungsmöglichkeiten auf Alamed Ltd ab (444D [Klägervorbringen:] „[S]pecific performance would be ordered against a party to a contract who has it in his power to compel another person to convey the property in question“; 444F [Ratio decidendi, unter Berufung auf Elliot v Pierson [1948] 1 All ER 939:] „[S]pecific performance cannot be resisted by a vendor who, by his absolute ownership and control of a limited company . . ., is in a position to cause the contract to be completed.“). Zum anderen stellt die Entscheidung auf Gilford v Horne ab zur Begründung des Urteils auch gegen Alamed Ltd (444D; 444G ff.): Wie JM Horne & Co Ltd in Gilford v Horne sei auch Alamed Ltd ein mere cloak / sham (des Mr Lipman), vgl. 444H, 445C. Allerdings thematisiert die Entscheidung hier unvollständigerweise nicht die unterschiedlichen rechtlichen Stellungen Mr Hornes (Treugeber) einerseits und Mr Lipmans (Alleingesellschafter und Geschäftsführer) andererseits gegenüber JM Horne & Co Ltd bzw. Alamed Ltd. Die Erstreckung der Pflicht des Mr Lipman auf die Gesellschaft Alamed Ltd wird letztlich auf reine Billigkeitsüberlegungen gestützt und als equity remedy verstanden (445D: „The defendant company [Alamed Ltd] is the creature of the first defendant [Mr Lipman], a device and sham, a mask which he holds before his face in an attempt to avoid recognition by the eye of equity. The case cited [Gilford v Horne] illustrates that an equitable remedy is rightly to be granted against the creature in such circumstances.“) Die gerichtliche Anordnung auch gegen Alamed Ltd bedeutet somit eine equity-gestützte Erstreckung der Pflicht des Mr Lipman zu delivery of res vendita / transfer of possession auch auf die Gesellschaft (Rechtsfolgenerstreckung). d) Verweise in südafrikanischen Entscheidungen: Die südafrikanische Rechtsprechung hat auf Jones v Lipman insgesamt zweimal Bezug genommen, und zwar in Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 817D–F (per Nel, J: Jones v Lipman als Beispiel [„particularly instructive in this regard“] der piercing-Fallgruppe „alter ego, cloak or sham“ im Sinne der dortigen Fallgruppenbildung) sowie Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 805B–C (per Smalberger, JA [Verweis auf Jones v Lipman als einen Fall, dessen Sachverhalt „somewhat analogous to the present case“ sei] und in 812G–I per Van Heerden, JA [abweichendes Minderheitsvotum], der mit entwaffnender Offenheit bekennt, dass er zur Frage, ob ein Urteil gegen die Gesellschaft – wie in Jones v Lipman gegen Alamed Ltd – auf ein equitable remedy gestützt werden könne, mangels ausreichender Kenntnis des englischen Rechts in diesem Bereich nicht Stellung nehmen könne.). e) Beurteilung nach deutschem Recht: Denkbar ist, den Fall Jones v Lipman entweder als „sonstigen Rechtsfolgendurchgriff“ (Erstreckung der Verkäuferpflicht des Mr Lipman auch auf die Gesellschaft Alamed Ltd) oder als „Einwirkungsfall“ (Pflicht des Mr Lipman, aufgrund seiner mitgliedschaftsrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gesellschaft [Mr Lipman war nahezu Alleingesellschafter] diese zu veranlassen, das Grundstück Mr Jones zu übertragen) einzuordnen. Jedoch liegen in Deutschland durchgriffsrechtliche Einwirkungsfälle bislang nur im Hinblick auf Auskunftsund Einsichtsrechte („Bilanz“-Fall) und „Fälle sonstiger Rechtsfolgenerstreckungen“

II. „Evasion of a duty or prohibition‘‘ und deutsche Rechtslage

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(Pty) Ltd v Richter152 (dort wurde eine Pflichtumgehung allerdings verneint) und Le’bergo Fashions CC v Lee.153 Ferner ging es in der kürzlichen Entscheinur im Hinblick auf Wettbewerbsunterlassungspflichten und Stimmrechtsausübungen vor. In Bezug auf die in Jones v Lipman in Rede stehende Vereitelung von Verkäuferpflichten dürfte daher in Deutschland der Weg über das Leistungsstörungsrecht (§ 283 BGB i.V. m. § 280 Abs. 1 BGB) und über § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Gläubigers Mr Jones) geboten sein. Mr Jones stünden damit nur Ansprüche gegen Mr Lipman zu, jedoch keine Ansprüche auch gegen Alamed Ltd. Zu Jones v Lipman s. a. Siebert, Durchgriffshaftung im englischen und deutschen Recht, 187. 152 Louw J (Pty) Ltd v Richter 1987 (2) SA 237 (N), per Didcott, J. a) Sachverhalt: Mr Richter war Inhaber eines Patents für eine bestimmte Straßenbaumaschine. Zugleich war er Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Junov Pty (Ltd). Diese und Mr Richter als Mitunterzeichner schlossen mit Louw J (Pty) Ltd einen Lizenzvertrag für die Alleinnutzung dieser Maschine durch Louw J (Pty) Ltd. Zugleich verpflichteten sich beide (Mr Richter und Junov Pty Ltd), einen Wettbewerb zu unterlassen (license to use the specific roadmaking apparatus coupled with covenant in restraint of trade). Mr Richter wollte sein Patent auf Junov Pty (Ltd) ummelden, jedoch wurde in dieses vorher zwangsvollstreckt. Danach gehörte es einem Dritten, der es auch unter seinem Namen anmeldete. Mr Richter gründete später eine neue Gesellschaft, Lynkor Pty (Ltd), die Straßenbauarbeiten unter Zuhilfenahme der besagten Maschinen betrieb. 18 Monate später nahmen sowohl Louw J (Pty) Ltd als auch Lynkor (Pty) Ltd an einer Straßenbau-Ausschreibung der Nataler Provinzverwaltung teil. Lynkor (Pty) Ltd erhielt den Zuschlag. Louw J Ltd klagte nun gegen Mr Richter persönlich und gegen Lyncor Pty (Ltd) auf Unterlassung des Wettbewerbs. Fraglich war, ob die Wettbewerbsunterlassungsvereinbarung, deren Partei nur Mr Richter war, sich auch auf seine neue Gesellschaft Lyncor Pty (Ltd) erstreckt. b) Entscheidung: Unterlassungsansprüche gegen Lyncor Pty (Ltd) wurden abgelehnt. c) Piercing-erhebliche Ausführungen: In Frage gekommen wäre nur die Fallgruppe „Evasion of a contractual duty (restraint of trade) by means of fraudulent / improper use of a corporate personality.“ Laut der Entscheidung lag aber kein Sachverhalt vor, der piercing hätte in Frage kommen lassen, weder nach einschlägigem südafrikanischem Recht (Louw v Richter 241C–F: „I was urged to pierce or lift the veil of its [Lynkor (Pty) Ltd’s] corporate personality . . . Veil-piercing or lifting has come in for quite a lot of comment . . . during the past half dozen years: The occasions I have in mind are the judgement delivered in four cases, namely Lategan v Boyes . . ., Banco de Moçambique . . ., Botha v Van Niekerk . . . and Dithaba Platinum . . ., as well as some pieces published in . . . [Es folgt eine Aufzählung von zwei Publikationen Larkins (1983, ASSAL 271 und 1985, ASSAL 290) und der Publikation Domanskis (1986, SAMercLJ 224); zu diesen Publikationen s. o. Kap. A. I. 2. b) cc) bzw. A. I. 2. b) dd)]. But nothing I have noticed while reading these encourages me to put the exercise to the use now proposed.“) noch nach englischen persuasive authorities (Gilford v Horne, erörtert in Louw v Richter 241F–242A): Denn die Gesellschaft Lyncor Pty (Ltd) sei – im Gegensatz zur Gesellschaft Hornes in Gilford v Horne – nicht zwecks Umgehung einer Pflicht eigens gegründet worden („honestly established“ und „not conceived in sin“ [241H–I]). Insoweit wurde der der piercing-Entscheidung Gilford v Horne zugrunde liegende Sachverhalt vom vorliegenden Fall unterschieden (distinguishing on the facts) und Gilford v Horne daher für nicht anwendbar gehalten. Es fehlte damit jedenfalls bereits an fraud / impropriety Richters im Hinblick auf die Verwendung der Gesellschaft. Eine rechtsmissbräuchliche Verwendung einer Gesell-

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

dung Die Dros v Telefon Beverages154 um die Umgehung einer Wettbewerbsunterlassungsabsprache. Als Fälle von Umgehungen / Vereitelungen gemeinrechtlicher Pflichten kommen – neben exotischen Fällen wie Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd v Veldman155 – vornehmlich Treuplichtverstöße (fiduciary duties) von Geschäftsführern (directors) gegenüber ihrer Gesellschaft vor. Klassische südafrikanische schaft lag daher nicht vor. Der Tatbestand der piercing-Fallgruppe war deshalb schon aus diesem Grund nicht erfüllt. Hilfsweise wurde weiter geprüft, ob Mr Richter überhaupt eine eigene (Wettbewerbsunterlassungs-)Pflicht verletzt habe: Die Wettbewerbsverbotsvereinbarung (zwischen Richter und Louw (Pty) Ltd) sei Bestandteil der Lizenzvereinbarung; Letztere sei wegen Zweckverfehlung jedoch aufgelöst („buried and forgotten“). Daher sei auch Erstere nicht mehr vollstreckbar („no more reasonable and . . . therefore unenforceable“). Vgl. Louw v Richter 243D: „The present covenant was an integral part of a contract [die Lizenzvereinbarung] which may in law have come into operation but which in no other sense ever did, a contract that has never been implemented, a contract that in all other respects is now buried and forgotten. One recalls in particular the licence to exploit the patent which Louw was granted but never got the opportunity of using. To view the covenant in isolation is unrealistic. Its purpose was to reinforce the licence. And that purpose . . . has failed alltogether, leaving nothing to warrant the restriction imposed on Richter . . . to trade and to work as they like. The result, I believe, is a covenant no longer reasonable and therefore unenforceable.“ Die Entscheidung bleibt mit ihrer bildhaften Sprache dogmatisch unklar im Hinblick darauf, wie und wann (mutmaßlich ex nunc zum Zeitpunkt des Verlusts des Patents durch Richter) die Lizenzvereinbarung entfallen sein soll. c) Nachfolgend geänderte Rechtslage: Le’bergo Fashions CC v Lee 1998 (2) SA 608 (C ) 615D–H (per Hoffman, AJ) stellte klar, dass es angesichts der bindenden Ausführungen von Smalberger, JA in der Leitentscheidung Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) 804C heute in Südafrika nicht mehr zulässig ist (vgl. Le’bergo Fashions CC v Lee 609H), wie noch in Louw v Richter eine anwendungsausschließende Sachverhaltsunterscheidung (distinguishing on the facts) im Hinblick auf Gilford v Horne danach vorzunehmen, ob die Gesellschaft eigens zu Umgehungszwecken gegründet worden sei (so der Sachverhalt in Gilford v Horne) oder stattdessen eine bereits bestehende Gesellschaft zu Umgehungszwecken verwendet werde: „In the light of the passages . . . in the judgement of Smalberger JA at 804C, I am of the view that the distinction is no longer well drawn“ (Le’bergo Fashions CC v Lee 615G per Hoffman, AJ). 153 Le’bergo Fashions CC v Lee 1998 (2) SA 608 (C), per Hoffman, AJ. 154 Die Dros (Pty) Ltd & Another v Telefon Beverages CC 2003 (4) SA 207 (C), per Van Reenen, J. 155 Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd v Veldman 1974 (1) SA 169 (R), per Beadle, CJ. a) Sachverhalt: Die Eheleute Mr und Mrs Veldman bewohnten als eheliche Wohnung ein Farmhaus, das die Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd an sie vermietet hatte. Mr Veldman war Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Gesellschaft. Mr Veldman beging Ehebruch und zog danach aus dem Haus aus. Mrs Veldman blieb im Haus. Kurze Zeit später kündigte die Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd den Mietvertrag und klagte auf Räumung des Hauses seitens Ehefrau Veldman. [Anmerkung: Nach dem common law kann ein Ehemann seine Ehefrau nur dann aus der Ehewohnung werfen, wenn er ihr eine zumutbare Alternativunterkunft oder finanzielle Mittel zum Erwerb einer solchen stellt (vgl. die Entscheidungsliste bei Cattle Breeders 171H). Ehefrau Veldman hätte somit vorliegend gegen einen Räumungs-

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Entscheidung (bereits aus dem Jahre 1921) hierzu ist Robinson v Randfontein Estates Gold Mining Co Ltd.156 anspruch des Ehemannes Mr Veldman eine im common law gründende materiellrechtliche rechtshemmende Einwendung (Einrede) zugestanden.] b) Entscheidung: Die Räumungsklage der Gesellschaft wurde abgewiesen. Der Ehefrau wurde eine rechtshemmende Einrede gegen die Gesellschaft zugestanden. c) Piercing-erhebliche Äußerungen: Die Gesellschaft Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd wurde als Mr Veldmans „alter ego“ charakterisiert (Cattle Breeders 171F). Die Gesellschaft habe deshalb nicht mehr Rechte, die Ehefrau vor die Tür zu setzen, als der Ehemann Mr Veldman selbst hat (171F). Fraglich war, ob Mr Veldman seine common law-Pflicht habe umgehen wollen (evasion of a duty): Nach Beweislage war dies nicht sicher (Cattle Breeders 172A–F). Jedoch wurde vom Gericht angenommen und als ausreichend erachtet, dass Mr Veldman zumindest Verzögerungstaktiken anzuwenden versucht habe im Hinblick auf die Erfüllung dieser Pflicht. Fraglich war anschließend, ob Mr Veldman die Gesellschaft Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd rechtsmissbräuchlich verwendet habe (fraudulent / improper use of a corporate personality): Mr Veldman selbst habe keinen Anspruch auf Räumung (da er nicht Eigentümer der Farm ist). Selbst wenn er Eigentümer wäre, wäre sein Anspruch bis zur Erfüllung seiner common law-Pflicht gegenüber seiner Frau nicht durchsetzbar. Deshalb habe er die Gesellschaft Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd benutzt, der ein solcher Räumungsanspruch aufgrund ihrer Eigentümerstellung zustehe und die zudem mangels Eigenschaft „Ehegatte“ keine Wohnungsbeschaffungspflicht gegenüber Veldmans Ehefrau treffe. Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd sei somit von Mr Veldman zur Umgehung dieser Pflicht verwendet worden. Das Tatbestandsmerkmal „fraudulent“ wird allerdings in der Entscheidung nicht eigens erörtert. Ein piercing of the corporate veil liegt hier insofern vor, als der Räumungsanspruch der Gesellschaft gegen die Ehefrau durch eine Einrede gehemmt wird, die nur einem Räumungsanspruch des Ehegatten Mr Veldman entgegengehalten werden könnte, falls dieser Hauseigentümer wäre (Einwendungsdurchgriff auf die Gesellschaft). Cattle Breeders Ltd v Veldman fällt somit als piercing-Entscheidung in die Fallgruppe „Evasion of a common law duty by means of fraudulent use of a corporate personality“. 156 Robinson v Randfontein Estates Gold Mining Co Ltd 1921 AD 168 (per Innes, CJ, mit den zustimmenden Voten von Solomon, JA sowie Juta, JA und dem teilweise zustimmenden Votum von Bristowe, AJA). a) Sachverhalt: Mr Robinson war geschäftsführender Gesellschafter (Vorstandsmitglied) von Randfontein Ltd. Diese war Muttergesellschaft der Randfontein group. Mr Robinson selbst hatte in Randfontein Ltd keine beherrschende Gesellschafterstellung (Aktionärsstellung) inne. Die Tochtergesellschaften von Randfontein Ltd führte er allerdings wie Betriebsabteilungen. Das Grundstück „Waterval“ stellte eine gute Geschäftsgelegenheit für Randfontein Ltd dar. Mr Robinson versuchte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer (Vorstandsmitglied), das Grundstück von Eigentümer W für die Randfontein Ltd zu erwerben; die Verkaufsverhandlungen kamen jedoch nicht voran. Im Anschluss daran kaufte und erwarb Mr Robinson jedoch persönlich über einen Bevollmächtigten (Mr Langeman) das Grundstück zum Preis von R 60.000. Unmittelbar danach gründete Randfontein Ltd auf Betreiben Mr Robinsons eine 100%-ige Tochtergesellschaft (Waterval Trust Company – WTC), deren Geschäftsführer Mr Langeman wurde. Mr Robinson verkaufte und übereignete das Grundstück an WTC für R 275.000. Danach wurde WTC aufgelöst, ihre Rechtsnachfolgerin wurde Randfontein Ltd. Randfontein Ltd klagt gegen Mr Robinson auf Herausgabe seines Gewinns i. H. v. R 215.000.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

b) Entscheidung: Der Anspruch wurde anerkannt. Eine persönliche Haftung des Mr Robinson gegenüber Randfondtein Ltd wurde aus Treupflichtbruch (breach of fiduciary duty) wegen Interessenskollision (conflict of interests) bejaht. Allerdings war man sich zu dieser Zeit (1921) noch nicht über die Rechtsnatur einer solchen Haftung im Klaren: Klargestellt wurde lediglich, dass sie jedenfalls keine bereicherungsrechtliche (condictio indebiti), deliktische oder rechtsgeschäftliche Haftung ist (Robinson v Randfontein Ltd 168). Ihre (heute unstreitige) Einordnung als sui generis-Haftung wurde angedeutet. c) Piercing-erhebliche Ausführungen: Fraglich war, worin Mr Robinsons Treupflichtbruch wegen Interessenskollision bestand: Zwei Pflichtverletzungen (Interessenskollisionen) lagen vor: Erstens der Ankauf des Grundstücks als Privatmann von W, da Mr Robinson wusste, dass auch seine Gesellschaft Randfontein Ltd an diesem Geschäft interessiert war. Zweitens der gewinnbringende Verkauf des Grundstücks an Randfontein Ltd (Profitinteresse Mr Robinsons in Kollision mit Randfontein Ltds Interesse an preisgünstigem Erwerb). In der Entscheidung wurde nur auf die zweite Pflichtverletzung abgestellt: Der Verkauf an WTC wurde als Verkauf an Randfontein Ltd behandelt und damit die Rechtspersönlichkeit der WTC missachtet. Dies gilt nach südafrikanischem Verständnis als piercing of the corporate veil. In der Entscheidung selbst fällt der Begriff allerdings nicht. Die Zwischenschaltung der WTC wurde als Mittel zur Umgehung der nur gegenüber Randfontein Ltd bestehenden Treupflicht Mr Robinsons verstanden. WTC wurde als „mere puppet“ bezeichnet. Das (heute etablierte) Tatbestandserfordernis des „fraudulent use“ wurde in dieser frühen Entscheidung noch nicht ausdrücklich erörtert, ist aber angesichts der zweckdenkerischen und in Kenntnis aller Umstände erfolgten Verwendung der WTC durch Mr Robinson wohl unproblematisch. Robinson v Randfontein fällt somit als piercing-Entscheidung in die Fallgruppe „Evasion of a common law duty [fiduciay duty] by means of fraudulent use of a corporate personality“. d) Beurteilung nach deutschem Recht: Nach deutschem Recht kommt eine persönliche Haftung des Mr Robinson aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen in Betracht: aa) Denkbar ist zum einen eine persönliche Haftung des Mr Robinson in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer (Vorstandsmitglied) der Randfontein Ltd: In Frage kommt zunächst eine persönliche Schadensersatzhaftung des Mr Robinson aus § 43 Abs. 2 GmbHG (bzw. § 93 Abs. 2 AktG). § 43 Abs. 1 GmbHG (bzw. § 93 Abs. 1 AktG) beinhaltet unter anderem eine gesetzlich geregelte Treupflicht gegenüber der Gesellschaft (Hachenburg-Mertens, GmbHG-Kommentar, § 43, der zum Pflichtenkreis der Sorgfaltspflicht aus § 43 Abs. 1 GmbHG die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung, die Treupflicht, die Verschwiegenheitspflicht und sogar die Pflichten aus dem Anstellungsvertrag zählt. Ebenso Zöllner-Mertens, Kölner Kommentar, § 93, Rn. 57 ff.). Der Geschäftsführer (das Vorstandsmitglied) hat eine Pflicht zu loyalem Verhalten gegenüber der Gesellschaft, insbesondere bei Interessenskollisionen. Diese verbietet typischerweise die Übernahme von Geschäftschancen der Gesellschaft als Eigengeschäft (Scholz-Emmerich, GmbHG-Kommentar, § 43, Rn. 144 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung sowie Zöllner-Mertens, Kölner Kommentar, § 93, Rn. 67.). Streiten lässt sich im vorliegenden Fall allenfalls noch darüber, ob die Geschäftschance der Gesellschaft angesichts der festgefahrenen Verkaufsverhandlungen überhaupt noch bestanden hat. Durch die Tatsache, dass er bei WTC nach Belieben schalten und walten konnte, hat Mr Robinson die Geschäftschance der Randfontein Ltd vereitelt, das Grundstück für R 60.000 zu erwerben. Fraglich ist aber, ob dadurch eine Vermögensdifferenz i. H. v. R 215.000 bei Randfontein Ltd eintrat: Abkäuferin WTC wurde voll von Randfontein Ltd finanziert und war deren 100%-ige Tochtergesellschaft. Somit trat bei

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Randfontein Ltd zu dem Zeitpunkt, als WTC als Tochter von Randfontein Ltd eine Verbindlichkeit i. H. v. R 275.000 einging, für die jedoch nur ein Gegenwert von R 60.000 geliefert wurde (also bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages zwischen Mr Robinson und WTC), ein Schaden i. H. v. R 215.000 ein; denn zu diesem Zeitpunkt wurde der Wert der Beteiligung Robinson Ltds an WTC mit einer Verbindlichkeit i. H. v. R 275.000 belastet und verminderte sich so um R 215.000. Der Ersatz, den Randfontein Ltd aus § 43 Abs. 2 GmbHG von Mr Robinson fordern kann, geht also auf R 215.000. Statt des Schadensersatzes kann die Gesellschaft auch verlangen, dass der Geschäftsführer seinen Grundstückskauf als für ihre Rechnung eingegangen gelten lässt. Sie kann dadurch das Ergebnis des Geschäfts an sich ziehen und an sich herausgeben lassen (§§ 88 Abs. 2 AktG, 113 HGB analog für die GmbH [Scholz-Emmerich, GmbHG-Kommentar, § 43, Rn. 146], § 88 Abs. 2 AktG für die Aktiengesellschaft [Zöllner-Mertens, Kölner Kommentar, § 88, Rn. 14]). Dies war jedoch im vorliegenden Fall nicht Klagebegehren der Robinson Ltd. bb) Denkbar ist ferner eine deliktische Haftung des Geschäftsführers (Vorstandsmitglieds) Mr Robinson gegenüber der Randfontein Ltd aus § 826 BGB. Als sittenwidrige Schädigungshandlung kommt hierbei der Verkauf des Grundstücks an WTC in Betracht. Neben einer Haftung des Mr Robinson als Geschäftsführer (Vorstandsmitglied) kommt dessen persönliche Schadensersatzhaftung in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der Randfontein Ltd in Betracht: Denkbar ist eine Schadensersatzhaftung des Mr Robinson gegenüber Randfontein Ltd aus Verletzung seiner Treupflicht als Gesellschafter der Randfontein Ltd. Treupflichten der GmbH-Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft sind in Deutschland seit der „ITT“-Entscheidung (BGHZ 65, 15) anerkannt. Sie wurden herkömmlicherweise aus der personalistischen Struktur einer Gesellschaft hergeleitet. Die Bindung wurde als um so stärker angesehen, je mehr das personale Element im Vordergrund stand. Für die Aktiengesellschaft war deshalb lange Zeit eine vergleichbare Treupflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft verneint worden (vgl. z. B. BGH 1976 WM 449 – „Audi / NSU“). Einen Durchbruch brachte hier jedoch die „Linotype“-Entscheidung (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 2 c). Sowohl im Falle von Gesellschaften mbH als auch im „Linotype“-Fall ging es allerdings jeweils um eine Treupflichtbindung des Mehrheitsgesellschafters und einen Missbrauch seiner Gesellschaftermacht. Damit scheidet die Annahme einer Treupflicht des Gesellschafters Mr Robinson gegenüber der Randfontein Ltd aus, da Mr Robinson nicht deren Mehrheitsgesellschafter war. Im Übrigen war Randfontein Ltd nicht personalistisch geprägt und es wäre daher die Annahme einer Treubindung des Mr Robinson allenfalls gemäß der „Linotype“Entscheidung möglich. cc) Denkbar ist schließlich, dass Randfontein Ltd konzernrechtliche Ansprüche gegen Mr Robinson (Konzerninnenhaftung) geltend machen kann: Fraglich ist allerdings bereits, ob Mr Robinson als (Konzern-)Unternehmen angesehen werden kann. Nach der Rechtsprechung besitzt jeder Gesellschafter, der nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch außerhalb der Gesellschaft unternehmerische Interessen verfolgt, Unternehmensqualität. Das können der Rechtsprechung zufolge auch Einzelpersonen sein, sofern sie nur noch an einer weiteren Gesellschaft mehrheitlich beteiligt sind (hier nicht der Fall) oder in einer anderen Gesellschaft gleichfalls Leitungsmacht ausüben, sei es persönlich oder durch von ihnen bestellte Geschäftsführer (Emmerich / Sonnenschein, Konzernrecht, § 2 III 3 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Hier ist Mr Robinson Einzelperson und ferner Gesellschafter (Aktionär) der Randfontein Ltd; er übt zudem über die Geschäftsführer aller Tochtergesellschaften Leitungsmacht aus. Er könnte daher in dieser Hinsicht als Unternehmen im Sinne des Konzernrechts angese-

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Im Fall Botha v van Niekerk aus dem Jahre 1983 ging es darum, ob eine kaufvertragliche Pflicht durch Zwischenschaltung einer vermögenslosen Gesellschaft umgangen worden war und dieser Zustand mittels eines piercing of the corporate veil berichtigt werden müsse. Der Fall behandelte einen Hauskaufvertrag zwischen Verkäuferin Mrs Botha und Käufer Mr Van Niekerk. Der Käufer wird im Vertrag als „Van Niekerk oder sein nominee“ bezeichnet (in Südafrika zulässig). Von der Kaufpreissumme R 300.000 wurden lediglich R 20.000 sofort bezahlt, die restlichen R 280.000 waren innerhalb einer Frist von 60 Tagen zu zahlen. Für den Fall der Nichterfüllung war für die Verkäuferin ein Zwangsvollstreckungsrecht vereinbart. Mr Van Niekerk gründete kurz vor Ablauf der Frist eine Gesellschaft (mit ihm als Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer) und machte diese zum nominee. Das gestattete Emissionskapital (authorised share capital) der Gesellschaft betrug R 1.000, eingezahlt war lediglich R 1. Gegenüber Mrs Botha erklärte Mr Van Niekerk nach Ablauf der Frist, es habe infolge der nomination ein Vertragsparteiwechsel stattgefunden, und die Gesellschaft habe ihn als Schuldner ersetzt. Mrs Botha klagte daraufhin gegen Mr Van Niekerk persönlich auf Zahlung aus piercing of the corporate veil mit der Begründung, die Gesellschaft sei lediglich Mr Van Niekerk in anderer Gestalt.157 Mr Van Niekerk versuche dadurch, seiner Kaufpreiszahlungspflicht zu entgehen.158 hen werden. Jedoch verfolgte Mr Robinson mit dem Grundstückskauf außerhalb der Interessen der Randfontein Ltd nicht auch die Interessen dieser anderen Gesellschaften, sondern lediglich seine eigenen Privatinteressen. Es dürfte daher vertretbar sein, Mr Robinson Unternehmensqualität zu versagen. Andererseits ist das Verfolgen seines Privatinteresses ein außerhalb der Interessen der Randfontein Ltd liegendes Interesse und kann deshalb Mr Robinson noch unter die weite Formulierung des teleologischen Unternehmensbegriffs der Rechtsprechung fallen. Will man Mr Robinson als Unternehmen und Konzernspitze ansehen, so kommen Ansprüche der Randfontein Ltd gegen Mr Robinson aus einem qualifiziert faktischen Konzernverhältnis dennoch nicht in Betracht, da ihm in seiner Eigenschaft als Gesellschafter die hierfür erforderliche beherrschende Stellung innerhalb der Randfontein Ltd fehlte. Auch trifft die gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG mangels Mehrheitsbeteiligung nicht zu. Daher ist allenfalls ein einfacher faktischer Konzern vorstellbar mit der daraus folgenden Nachteilsausgleichshaftung (aus § 311 AktG analog für die GmbH bzw. § 311 AktG direkt für die AG) sowie gegebenenfalls eine Schadensersatzhaftung (aus § 317 Abs. 1 AktG analog für die GmbH bzw. § 317 AktG direkt für die AG) des Mr Robinson gegenüber Randfontein Ltd. dd) Im Ergebnis greift somit keine Durchgriffshaftung. Stattdessen kommt eine persönliche Primärhaftung des Geschäftsführers (Vorstandsmitglieds) Mr Robinson in Betracht und es ist eventuell an eine Konzerninnenhaftung zu denken. 157 Botha v Van Niekerk 519A: „Namens applikante is aangevoer dat die Hof in die omstandighede die sluier van inkorporasie moet lig; dat tweede respondent [die Gesellschaft] eintlik maar eerste respondent [Mr Van Niekerk] in ’n ander gedaante is; en dat die kontrak teen die eerste respondent afgedwing moet word ondanks die bestaan van tweede respondent en enige regsgeldige nominasie wat origens mag blyk.“

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Das Gericht (per Flemming J) ging von einer wirksam vollzogenen nomination aus. Mr Van Niekerk war damit durch die Gesellschaft als Schuldner ersetzt. Damit bestand keine persönliche rechtsgeschäftliche Haftung des Mr Van Niekerk aus dem Kaufvertrag mehr. Flemming J zufolge lag kein Sachverhalt vor, der piercing of the corporate veil hätte in Frage kommen lassen. Allerdings hält sich Flemming – eine Neuheit in Südafrika im Jahre 1983 – nicht an den traditionellen categorisation approach, sondern entwirft einen eigenen piercing-Prüftest (seinen onduldbare onreg-Test). Unter Zugrundelegung dieses Tests lehnte er ein piercing of the corporate veil ab. Eine Umgehung (kauf-)vertraglicher Pflichten unter rechtsmissbräuchlicher Verwendung einer Gesellschaft (Evasion of a contractual obligation by means of fraudulent use of a corporate personality) liege nicht vor, da in der kaufvertraglichen Vereinbarung die Möglichkeit einer nomination mit schuldbefreiender Wirkung vereinbart gewesen sei. Im Hinblick auf die vorliegende materielle Unterkapitalisierung der Gesellschaft befand Flemming J, dass es gängige Geschäftspraxis sei, dass das Eigenkapital weit unter dem tatsächlichen Kapitalbedarf liege. Klägerin Botha sei vorliegend zudem nur minder schutzwürdig, da sie ja noch Eigentum am Haus habe. Außerdem habe sie die Möglichkeit gehabt, im Vertrag mit Mr Van Niekerk von vornherein festzulegen, dass der nominee ein ausreichendes eigenes Vermögen haben müsse.159 Die südafrikanische Rechtslehre (Domanski) hat diese Entscheidung kritisiert und mit schlüssiger Argumentation belegt, dass hier ein Fall von „Evasion of a contractual duty by means of fraudulent use of a corporate personality“ vorgelegen habe.160 Nach deutschem Recht würde Botha v van Niekerk wohl als Unterkapitalisierungsfall gelöst werden161 und damit nach einer Ansicht auf eine Durchgriffshaftung des Mr Van Niekerk hinauslaufen und nach anderer Ansicht auf eine 158

Botha v Van Niekerk 519A–B und 524G. Botha v Van Niekerk 524C–D. 160 Domanski (1986), SALJ 227. Domanski ist unter anderem mit Blick auf die Kapitalausstattung der Gesellschaft der Ansicht, dass hier ein Fall von „Evasion of contractual duties by means of fraudulent use of a corporate personality“ vorgelegen habe: „The decision in Botha’s case was harsh on the seller, who had done everything that could reasonably have been expected of her in terms of the contract of sale. One cannot help feeling that the conduct of the first respondent [Mr Van Niekerk] was less than proper. Not only did he fail to . . . exercise his right to appoint a nominee until a very late state in the proceedings, but the timing and circumstances of the incorporation of the company appear to be suggestive of an intention . . . to evade his contractual obligations. In all the circumstances, it is submitted that on the basis of the test formulated by Flemming, J, himself, the court would have been justified in piercing the veil in Botha’s case. Furthermore, it was hardly reasonable to require the applicant [Mrs Botha] to stipulate in advance that the nominee had to have sufficient independent means.“ 161 s. u. Kap. C. III. 159

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

deliktische Primärhaftung des Mr Van Niekerk gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Verkäuferin Mrs Botha. Solange allerdings – wie im vorliegenden Sachverhalt – noch kein Eigentumsübergang von Mrs Botha auf die Gesellschaft stattgefunden hat, ist bei Mrs Botha wohl noch kein Schaden feststellbar. Der Sachverhalt der wichtigsten neueren Leitentscheidung, Cape Pacific v Lubner 1995 AD, fällt zweifelsfrei in die hiesige Fallgruppe „Evasion of a duty by means of fraudulent / improper use of a corporate personality“. Trotzdem hat die Appellate Division (per Smalberger JA) diesen Fall nicht einfach hierunter eingeordnet, sondern neue rechtsgrundsätzliche piercing-Überlegungen angestellt. Cape Pacific v Lubner 1995 AD lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mr Lubner war Treuhänder (trustee) mehrerer trusts, als deren Begünstigte (beneficiaries) seine Kinder eingesetzt waren („The children trusts“). Das trustVermögen (trust property), an dem nach südafrikanischem law of trust grundsätzlich162 der trustee treugebundenes Eigentum (formal ownership) innehat, bestand aus der Inhaberschaft an den Geschäftsanteilen mehrerer von Mr Lubner gegründeter Gesellschaften („The Lubner group“). Die erstbeklagte Gesellschaft, LCI (Pty) Ltd („LCI“), war 100%-ige Tochtergesellschaft der Gerhard Lubner Family Trust (Pty) Ltd, die wiederum zu 60% unmittelbar zum trust-Vermögen gehörte und zu den übrigen 40% im Eigentum von Wencor (Pty) Ltd stand, welche wiederum 100%-ig zum trust-Vermögen gehörte. Obwohl Mr Lubner weder Gesellschafter noch director einer dieser drei Gesellschaften war, beherrschte er sie faktisch vollständig (complete control).163 Die zweitbeklagte Gesellschaft, GLI (Pty) Ltd („GLI“), stand in Mehrheitsanteilsinhaberschaft von Mr Lubner. Mr Lubner und eine weitere Person, Mr Swersky, waren ferner die beiden einzigen directors von GLI. Mr Lubner beherrschte GLI ebenfalls faktisch vollständig.164 LCI besaß Anteile an Findon (Pty) Ltd. Diese verkaufte sie an Cape Pacific Ltd. Mr Lubner erhielt davon noch vor der Übergabe der Anteile an Cape Pacific Ltd Kenntnis und veranlasste daraufhin LCI, die Findon-Anteile an GLI zu verkaufen und zu veräußern, um dadurch deren Veräußerung an Cape Pacific Ltd zu vereiteln.165 162 Es sei denn, es liegt ausnahmsweise ein sog. bewind-trust i. S. d. § 1 (b) Trust Property Control Act, No. 57 of 1988 vor. Dann liegt das Eigentum am trust-Vermögen bei den beneficiaries und nicht beim trustee. Die „The childrens’ trusts“ waren jedoch keine bewind-trusts. 163 1995 (4) SA 790 (A) 798B ff. 164 1995 (4) SA 790 (A) 799H.

II. „Evasion of a duty or prohibition‘‘ und deutsche Rechtslage

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Cape Pacific Ltd klagte nun auf Herausgabe der Findon-Anteile an sie gegen LCI (Erstbeklagte), GLI (Zweitbeklagte) und Mr Lubner (Drittbeklagter) mit folgenden Klageanträgen: Erstens, GLI anzuweisen, die Geschäftsanteile an Cape Pacific Ltd herauszugeben (to deliver the res vendita), oder alternativ, GLI anzuweisen, an LCI herauszugeben, und LCI anzuweisen, danach an Cape Pacific Ltd herauszugeben (to deliver the res vendita), und zweitens, Mr Lubner persönlich anzuweisen, GLI zu veranlassen herauszugeben. Die Appellate Division gab mit Mehrheitsvotum (per Smalberger JA) den Klagebegehren der Cape Pacific Ltd statt.166 Das Minderheitsvotum (Van Heerden JA) wollte sie stattdessen abweisen.167 Das Mehrheitsvotum verstand seine Entscheidung ausdrücklich als piercingEntscheidung,168 wies allerdings zugleich darauf hin, dass das piercing-Recht in Südafrika noch nicht gefestigt ist.169 Die Übertragung der Findon-Anteile von LCI auf GLI (auf Mr Lubners Veranlassung hin) wurde als „fraudulent, or, at the very least, seriously improper“ eingestuft.170 Zweck der Übertragung sei die Vereitelung des Rechts der Käuferin Cape Pacific Ltd gewesen.171 Hierfür seien LCI und GLI von Mr Lubner rechtsmissbräuchlich verwendet worden.172 „Fraudulent use of the corporate personalities“ von LCI und GLI seitens Mr Lubner wurde somit bejaht. Der Sachverhalt hätte damit unproblematisch in die piercing-Standardfallgruppe „Evasion of a [Kaufvertrags-]obligation by means of use of a corporate personality“ eingeordnet werden können. Dies wurde von Smalberger JA jedoch nicht getan. Stattdessen wurde zunächst als ständige Rechtsprechung festgestellt, dass „fraud, dishonesty or improper conduct“ als piercing-Gründe anerkannt sind.173 Allerdings nicht im Sinne eines Automatismus, sondern als Auslöser eines „balancing“-Test.174 Der bisherige „onduldbare onreg“-Test Flemmings (aus der Entscheidung Botha v van Niekerk) wurde als zu streng

165

1995 (4) SA 790 (A) 799H ff. und 802C. 1995 (4) SA 790 (A) 806J und 807I–808B. 167 1995 (4) SA 790 (A) 810E. 168 1995 (4) SA 790 (A) 790B. 169 1995 (4) SA 790 (A) 802H. 170 1995 (4) SA 790 (A) 802C; ferner 1995 (4) SA 790 (A) 804G: „The transfer was in fraud of the appellant’s [Cape Pacific (Pty) Ltd’s] rights; at the very least it was carried out with an improper purpose – the evasion of legal obligations – in mind.“ 171 1995 (4) SA 790 (A) 802C und 804F. 172 1995 (4) SA 790 (A) 804H: „The misuse by [Mr] Lubner of both LCI and GLI amounted to an abuse of their separate corporate identities.“ 173 1995 (4) SA 790 (A) 803D. Hierzu s. o. Kap. A. I. 2. b) ff) (3), Fn.-Apparat. 174 1995 (4) SA 790 (A) 803H–I. Hierzu s. o. Kap. A. I. 2. b) ff) (3), Fn.-Apparat. 166

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

abgeschafft: „[Der Flemming-Test] is . . . too rigid a test and [I] opt for a more flexible approach . . .“.175 Der Sachverhalt in Cape Pacific v Lubner wurde von Smalberger JA als „somewhat analogous to . . . Jones . . . v Lipman . . . [and] Gilford . . . v Horne“176 bezeichnet. Hier ist allerdings Vorsicht geboten: Ähnlichkeit mit Jones v Lipman besteht darin, dass sowohl Mr Lipman als auch Mr Lubner aufgrund ihrer beherrschenden mitgliedschaftsrechtlichen (gesellschafterrechtlichen) Stellung Einwirkung auf die jeweilige Gesellschaft (Veranlassung) schulden. Im Falle Mr Lubners gilt dies jedoch nur im Hinblick auf GLI, nicht dagegen im Hinblick auf erstbeklagte LCI. Denn Mr Lubner war nicht LCIs Gesellschafter, seine beherrschende Stellung in LCI nicht rechtlicher (sie floss nicht aus seiner trustee-Stellung), sondern stattdessen rein faktischer Natur. Keine Ähnlichkeit zwischen den beiden Fällen besteht dagegen insofern, als Mr Lipman seine eigene kaufvertragliche (Verkäufer-)Pflicht (delivery of res vendita / transfer of possession) umgehen wollte, während Mr Lubner LCIs Pflicht vereiteln will. Ähnlichkeiten mit Gilford v Horne sind insofern nicht gegeben, als Gilford v Horne nur ein mittelbarer Einwirkungsfall war: Mr Horne war im Gegensatz zu Mr Lubner nicht Gesellschafter. Während Mr Lubner aufgrund seiner mitgliedschaftsrechtlichen (jedenfalls gegenüber GLI) Stellung Einwirkung schuldet, schuldet Mr Horne aufgrund seiner vertraglich gegenüber Gilford Ltd eingegangenen Wettbewerbsunterlassungspflicht eine Weisung (§ 665 BGB) an die Treuhänderin und Alleingesellschafterin, Ehefrau Mrs Horne, ihre mitgliedschaftsrechtliche Stellung geltend zu machen und auf die Gesellschaft JM Horne & Co Ltd einzuwirken, die Wettbewerbstätigkeit einzustellen. Ein piercing of the corporate veil liegt in dieser Entscheidung in zweierlei Hinsicht vor: Zum einen insoweit, als dem Klageantrag gegen Mr Lubner selbst stattgegeben wurde („Einwirkungsfall“). Mr Lubner schuldet Ausübung seiner beherrschenden Gesellschaftermacht in GLI. Zum anderen auch insoweit, als GLI verurteilt wurde, an LCI herauszugeben; denn GLI hat eigentlich mit LCIs Verpflichtung gegenüber Cape Pacific Ltd aus deren gemeinsamen Kaufvertrag nichts zu tun. Das Minderheitsvotum (Van Heerden JA) lehnte ein piercing of the corporate veil dagegen ab, obgleich es Mr Lubners Verhalten für verwerflich hielt.177 Van Heerden erkannte als piercing-Grund in Anlehnung an die englische Leitentscheidung Adams v Cape Industries plc lediglich den Fall an, dass die Ge175 1995 (4) SA 790 (A) 803D–F. Hierzu s. o. Kap. A. I. 2. b) ff) (3), Fn.-Apparat. Zum Flemming-Test s. o. Kap. A. I. 2. b) ff) (2). 176 1995 (4) SA 790 (A) 805B–C. Zu Gilford v Horne s. u. in diesem Kapitel. 177 1995 (4) SA 790 (A) 810D / E: „Ek kom met spyt tot die gevolgtrekking dat die appèl afgewys behoort te word. Ek sê dit omdat die derde respondent (,Lubner‘) ongetwyfeld op ’n moreel laakbare wyse opgetree het.“

II. „Evasion of a duty or prohibition‘‘ und deutsche Rechtslage

243

sellschaft eine façade concealing the true facts („strooipop“ [„Strohpuppe“]) ist.178 Eine derartige façade-Eigenschaft verneinte er aber im Hinblick auf LCI und GLI:179 Es seien keine Tatsachen verheimlicht worden (concealing of the true facts), da sowohl die Übertragung von LCI auf GLI bekannt gegeben wurde, als auch die Beherrschung der Gesellschaften durch Mr Lubner bekannt war. Allein die Tatsache der Beherrschung durch Mr Lubner in Verbindung mit dessen Plichterfüllungsvereitelungsabsicht sei für eine façade-Eigenschaft und damit als piercing-Grund ungenügend. Nach deutschem Recht sind im Fall Cape Pacific v Lubner (Vereitelung der Besitzübertragungs- und Eigentumsverschaffungspflicht aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) durchgriffshaftungsrechtlich gestützte Herausgabeansprüche der Cape Pacific Ltd gegen GLI nicht ersichtlich. In Betracht kommen stattdessen Ansprüche der Cape Pacific Ltd gegen LCI aus § 283 BGB i.V. m. § 280 Abs. 1 BGB und aus § 826 BGB. Gegen Mr Lubner kommen Ansprüche der Cape Pacific Ltd allenfalls aus § 826 BGB in der Fallgruppe „Verleitung zum Vertragsbruch“ in Betracht.180 Fraglich ist aber, ob die über den objektiven Vertragsbruch hinaus erforderlichen181 besonderen Umstände vorliegen, die das Handeln des Mr Lubner sittlich verwerflich machen. Angesichts der derzeitigen Rechtsprechungslage dürfte dies wohl zu ver-

178 1995 (4) SA 790 (A) 811F–G: „In soverre in ’n bepaalde geval die [ontsluierings-]leerstuk . . . van toepassing kan wees, word blykbaar algemeen aanvaar dat bedrog of iets soortgelyks ’n vereiste is. Dit is egter nie die enigste vereiste nie. In Adams and Others v Cape Industries plc and Another [1991] 1 All ER 929 op 1022c kom voor ’n passasie van Lord Keith in ’n saak waarvan die uitspraak nie vir my beskikbaar is nie. Daarin verwys Lord Keith na ,the principle that it is appropriate to pierce the corporate veil only where special circumstances exist indicating that it is a mere façade concealing the true facts‘. Dit, meen ek, is ’n gesonde beginsel.“ 179 1995 (4) SA 790 (A) 811B–C: „Daardie beheer [wat Lubner oor die aandele kon uitoefen] bring egter nie mee dat die korporasie regtens as ’n strooipop van die lid beskou moet word, of dat ’n vervreemding van ’n bate van die korporasie as ’n handeling van die lid beskou moet word nie. ’n Ander gevolgtrekking sou klaarblyklik neerkom op ’n ontkenning van korporatiewe selfstandigheid wat reeds sedert die vorige eeu algemeen erken word.“ Ferner 811G–811I: „Die vraag is dan welke korporatiewe fasade in die onderhawige geval die ,ware feite‘ verberg het. Nóg die eerste nóg die tweede respondent was ooit ’n fasade wat opgerig of aangewend was om ’n valse skyn te verwek. Die oordrag van die aandele aan die tweede respondent was nie geheim gehou nie. So ook nie die beheer wat Lubner oor beide die eerste en tweede respondent uitgeoefen het, of kon uitoefen nie. Dit was trouens geredelik vasstelbaar met verwysing na die aandeelregisters van daardie maatskappye (en die ander in die Lubnergroep). Die blote feite van Lubner se beheer en die bedoeling waarmee die oordrag aan die tweede respondent geskied het, regverdig dus nie die invokasie van die ontsluieringsleerstuk nie.“ 180 Vgl. Palandt, § 826, Rn. 52. 181 BGHZ 12, 318.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

neinen sein.182 Ansprüche der Cape Pacific Ltd gegen GLI sind nicht ersichtlich, da GLI die Findon-Anteile von der Berechtigten LCI erworben hat. Durchgriffsrechtlich ist der Sachverhalt auch kein Fall „wirtschaftlicher Personenidentität“ zwischen LCI und GLI, denn das erforderliche Tatbestandsmerkmal „selbständiges Verkehrsgeschäft“ spielt im Verhältnis zwischen LCI und GLI keine Rolle (weil kein Gutglaubenserwerb der GLI von LCI vorliegt). Die Entscheidung Le’bergo Fashions CC v Lee (per Hofman AJ) aus dem Jahre 1998 brachte weitere Neuerungen zum piercing-Recht. Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mrs Lee, Alleingesellschafterin und Alleingeschäftsführerin der Le’bergo Knitting Mills (Pty) Ltd, verkaufte und veräußerte das Unternehmen („sale of the business known as Le’bergo Knitting Mills as a going concern“) 183 an Le’bergo Fashions CC (Close Corporation). Bestandteil des Kaufvertrages war eine Mrs Lee persönlich für drei Jahre verpflichtende Wettbewerbsunterlassungsvereinbarung (zulässig). Über den Verkaufspreis von 500 kg Tuchrestposten der Le’bergo Knitting Mills (Pty) Ltd konnte keine Preiseinigung erzielt werden; sie wurden deshalb von Le’bergo Fashions CC nicht mitübernommen. In der Folgezeit begann Le’bergo Knitting Mills (Pty) Ltd damit, diesen Restposten noch an Kunden zu veräußern. Le’bergo Fashions CC klagte unter Hinweis auf die Wettbewerbsunterlassungsvereinbarung auf Unterlassung. Fraglich war, ob die Wettbewerbsunterlassungsvereinbarung, aus der nur Mrs Lee persönlich verpflichtet war, sich auch auf die Gesellschaft Le’bergo Knitting Mills (Pty) Ltd erstreckte. Hofman AJ bejahte Unterlassungsansprüche auch gegen Le’bergo Knitting Mills (Pty) Ltd.184 Die Entscheidung zieht die englische Entscheidung Gilford v Horne als Vergleichsfall heran („A case very similar“),185 klassifiziert jene eindeutig als piercing-Entscheidung186 und wendet den dort enthaltenen Rechtsgrundsatz an.187 Gilford v Horne ist damit nun auch in Südafrika verbindlicher Rechtsgrundsatz (binding precedent). Die Entscheidung zieht ferner Cape Pacific v Lubner 1995 AD als piercingEntscheidung heran („The leading case on the subject of piercing of the corporate veil in South Africa“) 188 und stützt ihre ratio decidendi auf Smalbergers 182 183 184 185 186 187 188

Vgl. Palandt, § 826, Rn. 52. Le’bergo Fashions CC v Lee Le’bergo Fashions CC v Lee Le’bergo Fashions CC v Lee Le’bergo Fashions CC v Lee Le’bergo Fashions CC v Lee Le’bergo Fashions CC v Lee

610E. 616F. 612G. 612I. 609G. 612J.

II. „Evasion of a duty or prohibition‘‘ und deutsche Rechtslage

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Ausführungen in Cape Pacific v Lubner 1995 AD 804B („Thus, if the company, otherwise legitimately established and operated, is misused in a particular instance to perpetrate a fraud, or for a dishonest or improper purpose, there is no reason in principle or logic why its separate personality cannot be disregarded in relation to the transaction in question . . .“).189 In Le’bergo v Lee ist somit erstmals die Erstreckung einer Wettbewerbsunterlassungspflicht auf eine Gesellschaft ausdrücklich als piercing of the corporate veil bezeichnet worden. Systematisch fällt Le’bergo v Lee in die Fallgruppe „Evasion of a contractual duty (restraint of trade) by means of improper / fraudulent use of a corporate personality“. Aus der Sicht deutschen Rechts ist Le’bergo v Lee ein Fall eines „sonstigen Rechtsfolgendurchgriffs“: Die Verpflichtung der Alleingesellschafterin Mrs Lee zur Unterlassung des Wettbewerbs wird auf Le’bergo Knitting Mills (Pty) Ltd erstreckt. Der Sachverhalt lässt sich ferner ebenso gut als „Einwirkungsfall“ einordnen: Alleingesellschafterin Mrs Lee schuldet aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen (anteilsrechtlichen) Stellung Einwirkung auf die Gesellschaft Le’bergo Fashions (Pty) Ltd. Der infolge Le’bergo v Lee zum verbindlichen Rechtsgrundsatz gewordenen englischen Entscheidung Gilford Motors Co Ltd v Horne190 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mr Horne war Geschäftsführer (managing director) der Gilford Ltd. Er hatte wirksam eine Wettbewerbsunterlassungsvereinbarung mit Gilford Ltd abgeschlossen, derzufolge er auch für eine gewisse Zeit nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit Gilford Ltd nicht in Wettbewerb zu ihr treten durfte. Unmittelbar nach seiner Entlassung gründete Mr Horne eine Gesellschaft, JM Horne & Co Ltd, die mit Gilford Ltd in Wettbewerb trat, und übertrug alle Gesellschaftsanteile (treuhänderisch) zur Hälfte seiner Frau und zur Hälfte Mr Howard, einem Angestellten der JM Horne & Co Ltd. Mr Horne selbst war somit zwar beherrschend (rechtlich weisungsbefugt, § 665 BGB), aber weder Geschäftsführer noch Gesellschafter der Gesellschaft. Gilford Ltd klagte nun auf Unterlassung sowohl gegen Mr Horne als auch gegen die Gesellschaft JM Horne & Co Ltd. Das Gericht bejahte Unterlassungsansprüche sowohl gegen Mr Horne als auch gegen Hornes Gesellschaft.191 Die Entscheidung betont, dass die Gesellschaft JM Horne & Co Ltd zum Zwecke der Umgehung von Mr Hornes vertraglicher Wettbewerbsunterlassungs189 190 191

Le’bergo Fashions CC v Lee 614C und 616A. [1933] All ER 109 (CA), per Hansworth, MR. Gilford v Horne 117I.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

pflicht gegründet worden sei.192 Allerdings wurde das Vorliegen von „fraudulent use“ in der Entscheidung nicht eigens erörtert; stattdessen wurde JM Horne & Co Ltd lediglich als Mr Hornes „mere cloak or sham“193 und als „a mere device“194 und „a mere channel“195 charakterisiert.196 Die Entscheidung fällt damit in die Fallgruppe „Evasion of a contractual obligation by means of fraudulent use of a corporate personality“. Der Begriff piercing / lifting the corporate veil fällt allerdings nicht ausdrücklich im Wortlaut der Entscheidung. Die Entscheidung unterstreicht Mr Hornes beherrschende Stellung gegenüber der Gesellschaft.197 Kaum dogmatisiert wird allerdings, wie sich Mr Hornes beherrschende Stellung rechtlich erfassen lässt und damit das Urteil auch gegen JM Horne Co Ltd begründen lässt (Treuhandvereinbarungen mit Treuhandgesellschaftern Mrs Horne und Mr Howard): In Gilford v Horne 110B wird die Annahme eines agency-Rechtsverhältnisses angedeutet (Mr Horne als principal [Hintermann], JM Horne & Co Ltd als sein agent), der Gedanke aber nicht weiter verfolgt. Ebenso wenig finden sich dogmatische Erörterungen in Gilford v Horne 117I, wo eine frühere Entscheidung mit gleicher Sachverhaltslage („defendant [carried on the business] through his wife . . .“) zitiert wird, die Formulierung „through his wife“ jedoch nicht näher als Treuhandvereinbarung charakterisiert wird. Die spätere Entscheidung Jones v Lipman hat das Urteil auch gegen die JM Horne Co Ltd in Gilford v Horne als reine Billigkeitsrechtsprechung verstanden (equity remedy).198 Die südafrikanische Rechtsprechung hat mehrfach auf Gilford v Horne verwiesen, und zwar auch in den Leitentscheidungen Lategan v Boyes199 (Gilford v Horne sei „an excellent example“ eines „more ,realistic‘ view of corporate identity“ im Sinne der amerikanischen Entscheidung US v Milwaukee Refrigerator Transit Co200) und Cape Pacific v Lubner 1993 CPD201 (Gilford v Horne als Beispiel der Untergruppe „corporate entity . . . used as an instrument of fraud or improper conduct“ der piercing-Fallgruppe „fraud“ im Sinne der dortigen Fallgruppenbildung durch Nel J) sowie Cape Pacific v Lubner 1995 AD 805C (per Smalberger JA). Ferner hatte auch die Entscheidung Louw v Richter202 aus dem Jahre 1987 die Entscheidung Gilford v Horne diskutiert, sie je192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202

Gilford v Horne 111H, 114F–G, 119G. Gilford v Horne 117I, 119G. Gilford v Horne 117I. Gilford v Horne 119I. Zum Inhalt dieser Begriffe s. o. Kap. C. II. 1. a) aa). Gilford v Horne 111H und 114D. Vgl. Jones v Lipman [1962] 1 All ER 445D. Lategan v Boyes 201A–B. [1905] 42 Fed 247 255. Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 817H. Louw v Richter 241F–J.

II. „Evasion of a duty or prohibition‘‘ und deutsche Rechtslage

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doch wegen Sachverhaltsverschiedenheit (distingushing on the facts) für nicht anwendbar gehalten.203 Die australische Entscheidung Pioneer Concrete Services Ltd v Velnah (Pty) Ltd 204 hatte die Entscheidung Gilford v Horne dahingehend ausgelegt, dass stets erforderlich sei, dass die Gesellschaft zwecks Umgehung einer Pflicht eigens gegründet worden ist, so dass im Falle von bereits bestehenden Gesellschaften, die erst später zwecks Umgehung einer Pflicht verwendet werden, piercing folglich nicht angewandt werden könne. Sehr ähnlich hatte fast zeitgleich Louw v Richter ohne jeglichen Verweis auf Pioneer Concrete v Velnah argumentiert. Die südafrikanische Rechtsprechung hat auf Pioneer Concrete v Velnah in Le’bergo v Lee205 Bezug genommen und die dortige Auslegung für Südafrika als nicht vereinbar mit Smalbergers Ausführungen in Cape Pacific v Lubner 1995 AD 804C–D abgelehnt. Der Fall Gilford v Horne bildet eine Besonderheit innerhalb der Fälle der Umgehungen vertraglicher Pflichten (Le’bergo v Lee, Louw v Richter und Gilford v Horne bezüglich Wettbewerbsunterlassungsabsprachen, Jones v Lipman bezüglich Verkäuferverpflichtungen). Le’bergo v Lee, Louw v Richter und Jones v Lipman sind nach deutschem Verständnis als „Einwirkungsfälle“ oder „Fälle sonstigen Rechtsfolgendurchgriffs“ und somit als allgemeine Durchgriffsfragen einzuordnen. Gilford v Horne lag jedoch eine Treuhandvereinbarung zugrunde; Mr Hornes Einwirkungsmöglichkeit ergab sich deshalb nicht aus seiner mitgliedschaftsrechtlichen Stellung gegenüber der Gesellschaft, sondern aus seinem Treuhandvertrag mit der Treuhandgesellschafterin, Ehefrau Horne (§ 665 BGB): Der Gesellschaft gegenüber ist Treuhänderin Mrs Horne Gesellschafterin mit allen Rechten und Pflichten. Im Außenverhältnis gegenüber Dritten ebenso. Im Innenverhältnis zwischen Treuhänderin Mrs Horne und Treugeber Mr Horne gilt Auftragsrecht (Treuhandvertrag).206 Danach ist sie verpflichtet, den Weisungen ihres Auftraggebers Folge zu leisten (§ 665 BGB) und hat ihm jederzeit auf Verlangen den Geschäftsanteil zu übertragen (§ 667 BGB). Aufgrund dieses Weisungsrechts des Treugebers Mr Horne gegenüber der Treugesellschafterin und Treuhänderin Ehefrau Horne lässt sich daher angesichts des für Mr Horne geltenden vertraglichen Wettbewerbsverbots schließen, dass Mr Horne verpflichtet ist, der Treuhandgesellschafterin Ehefrau die Weisung zu erteilen, ihren Einfluss in der Gesellschaft geltend zu machen, um die Wettbewerbstätigkeit der Gesellschaft zu beenden. Da Ehefrau Horne Alleingesellschafterin (zwar war Mr Howard, der Angestellte der Gesellschaft, auch Anteilseigner, 203 204 205 206

26.

Louw v Richter 241G. (1986) 11 ACLR 108 SC (NSW). 1998 (2) SA 608 (C) 615B–C. Zu Einzelheiten s. Beuthien, Treuhand an Gesellschaftsanteilen, in: ZGR, 1974,

248

C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

jedoch ohne nennenswerte Eigeninteressen) ist, kann sie entsprechend gesellschaftsrechtlich auf die Gesellschaft einwirken. Aufgrund dieses bestehenden Treuhandverhältnisses unterscheidet sich dieser Fall von den Regelfällen der deutschen Fallgruppe „Erstreckung einer Unterlassenspflicht“ und von den „Einwirkungsfällen“. Im Gegensatz zu den Regelfällen muss hier zweistufig gelöst werden: Erst eine Weisung des unterlassungsverpflichteten Treugebers an die Treuhänderin, dann deren Einflussnahme als Treuhandgesellschafterin auf die Gesellschaft. Die Gültigkeit von Le’bergo Fashions CC v Lee and Gilford v Horne als Rechtsgrundsätze wurde in der nachfolgenden Entscheidung Die Dros (Pty) Ltd v Telefon Beverages CC207 aus dem Jahre 2003 bekräftigt. Gleichzeitig wurde dort anerkannt, dass nach geltendem Richterrecht ein Grund für ein piercing of the corporate veil vorliegt, falls eine Wettbewerbsunterlassungsverpflichtung unter Verwendung einer Gesellschaft umgangen wird.208 Die Dros (Pty) Ltd v Telefon Beverages lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mr K und Mr V schlossen im Namen einer von ihnen zu gründenden Close Corporation („as members of a close corporation to be formed (hereafter called the ,franchisee‘)“) 209 einen Franchise-Vertrag mit dem Stellenboscher Restaurant Dros (Pty) Ltd. Franchise-Geber war Dros (Pty) Ltd. Der FranchiseVertrag räumte das Recht ein, ein Dros-Restaurant zu betreiben. Ferner enthielt er eine Wettbewerbsunterlassungsklausel (Klausel 10.3), wonach es dem Franchise-Nehmer untersagt war, innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Vertrages mit Dros (Pty) Ltd in Wettbewerb zu treten.210 Die Close Corporation wurde nachfolgend ordnungsgemäß gegründet und übernahm den FranchiseVertrag („adoption, ratification and confirmation“211). Mr K ging ferner mit Dros (Pty) Ltd einen Bürgschaftsvertrag ein im Hinblick auf die Verpflichtungen des Franchise-Nehmers aus dem Franchise-Vertrag. Nach Ablauf des Franchise-Vertrages gründeten Mr K und sein Bruder eine weitere Close Corporation. Diese betrieb dann auf dem bisherigen Geschäftsanwesen ein den Dros-Restaurants ähnliches Restaurant („De Kelder Restaurant“). Dros (Pty) Ltd 207 Die Dros (Pty) Ltd v Telefon Beverages CC 2003 (4) SA 207 (C), per Van Reenen, J. 208 2003 (4) SA 207 (C) 215J–216A (per Van Reenen, J): „Courts permit the separate legal personality of a close corporation or a company to be disregarded where a natural person, who is subject to a restraint of trade, uses a close corporation or company as a front to engage in the activity that is prohibited by an agreement in restraint of trade (See Le’bergo Fashions CC v Lee . . .; Gilford Motor Co Ltd v Horne . . .).“ 209 2003 (4) SA 207 (C) 211I. 210 Die Klausel 10.3 lautete: „Upon termination of this agreement the franchisee will not participate either directly or indirectly in the management or control of a business which conducts business in the nature of or similar to the franchise business within the territory for a period of 12 months.“ 211 2003 (4) SA 207 (C) 215A.

II. „Evasion of a duty or prohibition‘‘ und deutsche Rechtslage

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klagte nun auf Wettbewerbsunterlassung mit dem Vorbringen, dass Klausel 10.3 neben der ersten Close Corporation auch Mr K persönlich verpflichte und Mr K ferner die Klausel 10.3 dadurch verletze, dass er die zweite Close Corporation lediglich als Fassade verwende, um sein Restaurant zu betreiben.212 Das Gericht wies den Klageantrag ab und vertrat, dass Klausel 10.3 nur die erste Close Corporation verpflichte.213 Nach Beweislage wurde ferner abgelehnt, die zweite Close Corporation lediglich als Mr K’s Fassade anzusehen.214 Die Entscheidung verwies billigend auf den Smalberger-Test in Cape Pacific v Lubner 803G–J. Dem Urteil zufolge wären die sich aus Le’bergo Fashions CC v Lee and Gilford v Horne ergebenden Rechtsgrundsätze bei entsprechender Beweislage auf das Verhältnis zwischen Mr K und der zweiten Close Corporation zu Lasten Mr K’s anzuwenden gewesen.215 Obiter wurden ferner zum Verhältnis zwischen Mr K und der ersten Close Corporation Ausführungen zum Begriff und Konzept des alter ego gemacht.216 2. Deutsche Rechtslage: Fallgruppe „Rechtsmissbrauch“ (instituts- / rechtsmissbräuchliche Verwendung der juristischen Person) Der südafrikanischen Fallgruppe entspricht im deutschen Durchgriffsrecht die teilweise angeführte Fallgruppe „Rechtsmissbrauch“. a) Institutioneller Rechtsmissbrauch: Existenzvernichtungshaftung Institutioneller Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn die Rechtsform der juristischen Person zwar in buchstäblicher Übereinstimmung mit den Vorschriften des Gesellschaftsrechts verwendet wird, aber entgegen dem Zweck grundlegender 212

2003 (4) SA 207 (C) 207C: „[Mr K] being the only member of . . . [der ersten Close Corporation] . . . Applicants alleging that restraint thus also becoming binding on . . . [Mr K] personally and that . . . [Mr K] acting in breach of restraint by using . . . [die zweite Close Corporation] as front to conduct prohibited business“. s. a. 2003 (4) SA 207 (C) 214G–H („in the guise of or in association with [der zweiten close corporation]“) und 2003 (4) SA 207 (C) 216B („using . . . [die zweite close corporation] as a front to engage in the activities prohibited by the said clause“). 213 2003 (4) SA 207 (C) 214J–215B: „Whatever obligations resided in . . . [Mr K und Mr V] as signatories of the franchise agreement prior to its incorporation and the adoption, ratification and confirmation of the terms thereof, they thereafter became merely sureties and co-principal debtors to the . . . [Dros (Pty) Ltd] for the contractual obligations of the first respondent [d.i. die erste Close Corporation] . . . I incline to the view that, ex facie its provisions, clause 10.3 of the franchise agreement are binding only on the first respondent.“ Ebenso 2003 (4) SA 207 (C) 216D–E. 214 2003 (4) SA 207 (C) 217E–G. 215 2003 (4) SA 207 (C) 216A / B. 216 Zum Begriff und Konzept des alter ego s. u. Kap. C. VI. 2.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Prinzipien des Gesellschaftsrechts und insbesondere entgegen dem Zweck des Prinzips der beschränkten Haftung. Nirk formuliert genauer: Nicht die Rechtspersönlichkeit werde missbraucht, sondern das Prinzip der beschränkten Haftung, und zwar insofern, als die Kapitalerhaltungsvorschriften, die eine beschränkte Haftung des Gesellschafters rechtfertigen, unterlaufen würden.217 In der Literatur schien lange nur Lutter eine solche Fallgruppe bilden zu wollen und auch nur als Auffangtatbestand.218 Grund für diese spärliche Befürwortung dürfte gewesen sein, dass es lange an deutschen Entscheidungen bezüglich einer Durchgriffshaftung wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs fehlte. Die Befürworter dieser Fallgruppe griffen deshalb gerne auf die amerikanischen Taxi-Fälle zurück.219 Lutter wollte ferner den Architekt-Fall220 als Beispiel eines institutionellen Rechtsmissbrauchs anführen.221 Dies entsprach allerdings nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, denn der Bundesgerichtshof hatte dort anstatt einer Lösung über eine Durchgriffshaftung eine Lösung über deliktische Primärhaftung bevorzugt.

217

Nirk (1987), FS Goerdeler 610 / 611. Lutter, Die zivilrechtliche Haftung in der Unternehmensgruppe, in: ZGR, 1982, 244 (252). Vgl. Lutter / Hommelhoff-Lutter, GmbHG Kommentar, § 13, Rn. 26: „[Die Fallgruppe] Institutsmißbrauch liegt (nur) vor, wenn die Haftungsfreistellung des Gesellschafters bewußt zum Nachteil der Gläubiger eingesetzt wird und keiner der obigen Fälle [d.h. der von Lutter aufgeführten Fallgruppen Unterkapitalisierung, Sphärenvermischung und Existenzvernichtung] eingreift.“ Ähnlich spricht Raiser, Die Haftungsbeschränkung ist kein Wesensmerkmal der juristischen Person, in: Festschrift für Marcus Lutter, 2000, 637 [650]) von einer „Residualkategorie“. 219 Lutter (1982), ZGR 252, Stimpel (1987), FS Goerdeler 611, Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 4 III 1. In den Taxi-Fällen (z. B. Mull v Colt Co 31 F.R.D. 154 [F.D.N.Y. 1962], Walkovsky v Charlton 223 N.E. 2d 6 [1966]) ging es typischerweise um folgenden Sachverhalt: Ein Taxi-Unternehmen betreibt 50 Taxis. Um Versicherungsprämien zu sparen, schließt es eine viel zu niedrige Haftpflichtversicherung ab. Um andererseits aber das nun hohe eigene Risiko zu begrenzen, bildet es aus je zwei seiner Taxis eine selbständige corporation, somit insgesamt 25 corporations. Durch Fahrlässigkeit eines Taxifahrers wurde ein Passagier ernsthaft verletzt. Die Versicherungssumme reichte bei weitem nicht aus. Die Haftungsmasse des Taxi-Kleinunternehmens, bei dem der Fahrer angestellt war und an das sich der Passagier nun halten konnte, hatte nur den Wert von zwei gebrauchten Taxis. Die US-amerikanische Rechtsprechung sah die Aufspaltung des Unternehmens in 25 Kleinunternehmen als institutionellen Rechtsmissbrauch an und ließ regelmäßig die (Mutter-)Gesellschaft im Wege des piercing haften. Lutter (1982), ZGR 244 stimmt dem im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zu: Nicht die Aufteilung der Risiken sei missbräuchlich, sondern sei vielmehr nach dem Gesetz ausdrücklich erlaubt und legal gewesen. Jedoch sei eine so unzureichende Ausstattung des Kleinunternehmens mit Kapital – gemessen am Risiko der unterversicherten Taxis – unerlaubt. 220 BGH 1979 WM 229 („Architekt“). 221 Lutter (1982), ZGR 252. 218

II. „Evasion of a duty or prohibition‘‘ und deutsche Rechtslage

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Diese Rechtslage hat sich mit den Entscheidungen Bremer Vulkan und KBV und der dortigen Anerkennung der Existenzvernichtungshaftung grundlegend geändert:222 Die Existenzvernichtungshaftung wird zum einen vom Bundesgerichtshof und einer vordringenden Ansicht der Literatur als Durchgriffshaftung verstanden.223 Zum anderen wird sie deutlich mit institutionellem Rechtsmissbrauch begründet.224 Offen ist lediglich noch die Frage, ob es sich dabei um eine eigene Fallgruppe (oder einen Teil der Fallgruppe des institutionellen Rechtsmissbrauchs) handelt oder um die eigentliche dogmatische Grundlage der Durchgriffshaftung, die dann in Fallgruppen zu konkretisieren ist. Bitter nimmt bereits allgemein im Hinblick auf den institutionellen Rechtsmissbrauch Letzteres an.225 Die übrige Literatur neigt dagegen mehrheitlich zur Entwicklung einer eigenen Fallgruppe.226 Lutter und Banerjea kommen zu dem Schluss, dass die Haftung wegen Existenzvernichtung rundum dem institutionellen Rechtsmissbrauch entspricht und damit keine eigene Fallgruppe ist.227 Dementsprechend wird auch vorliegend Existenzvernichtung als Teil der Fallgruppe des institutionellen Rechtsmissbrauchs eingeordnet.228 222

s. o. Kap. A. II. 1. b), insb. Kap A. II. 1. b) bb). s. o. Kap. A. II. 1. b) bb) (2). 224 Vgl. BGHZ 151, 181: „Zugriffe der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen, welche die . . . gebotene Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeit der Gesellschaft zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten . . . vermissen lassen, stellen . . . einen Missbrauch der Rechtsform der GmbH dar, der zum Verlust des Haftungsprivilegs führt . . .“. Vgl. auch Drygala (2003), GmbHR 731. 225 Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 103 weist darauf hin, dass es sich beim institutionellen Missbrauch bzw. bei der zweckwidrigen Verwendung der juristischen Person „richtigerweise nicht um eine eigene Fallgruppe, sondern um einen Auffangtatbestand [handele], da es in allen Fällen der Durchgriffshaftung . . . um einen Missbrauch bzw. eine zweckwidrige Verwendung der ,Institution Haftungsprivileg‘ . . . geh[e].“ 226 Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 17 ff., Lutter / Hommelhoff-Lutter, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 14 ff. (Anders jedoch Lutter / Banerjea 2003 ZGR, 440. Hierzu s. Haupttext dieses Kapitels.), Ulmer-Raiser, GmbH-Kommentar, § 13, Rn. 134 ff. 227 Lutter / Banerjea (2003), ZGR 440: „[Es] drängt . . . sich auf, die Haftung wegen Existenzvernichtung als Auffangtatbestand zu den Haftungstatbeständen der Unterkapitalisierung und der Vermögensvermengung zu betrachten, womit sie in der Tat rundum dem Institutsmissbrauch entsprechen würde . . . Für die Gegenauffassung, wonach die Existenzvernichtung als weiterer Spezialtatbestand des allgemeinen Institutsmissbrauchs neben der Unterkapitalisierung und der Vermögensvermischung anzusehen sei, könnte allenfalls die – sehr zweifelhafte – Begrenzung der Haftung auf die Vermögensabzüge laut BGH sprechen. Wir neigen daher der ersteren Auffassung zu.“ Dahingehend auch Drygala (2003), GmbHR 731. 228 Genau umgekehrt Raiser in Ulmer-Raiser, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 123.: „Zweifelhaft ist, ob neben den genannten Fällen [eines (echten) Haftungsdurchgriff – Genannt werden die Fälle Vermögensvermischung, Sphärenvermischung, Existenzvernichtung und Unterkapitalisierung] und neben § 826 BGB ein generalklauselhafter 223

252

C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

b) Individueller Rechtsmissbrauch Vereinzelt (Rehbinder) wurde versucht, eine Fallgruppe „individueller Rechtsmissbrauch“ zu bilden.229 Individueller Rechtsmissbrauch solle vorliegen in Fällen, in denen jemand die Rechtsform der juristischen Person wiederum zwar in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Gesellschaftsrechts verwende, aber durch eine entsprechende Rechtsausübung in Bezug auf einen individuellen Gläubiger gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße.230 Dadurch werde die Rechtsausübung rechtsmissbräuchlich. Die Treuwidrigkeit ergebe sich aufgrund der persönlichen Beziehungen der Parteien oder aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium.231 Kennzeichnend für diese Fallgruppe des individuellen Rechtsmissbrauchs ist, dass sie auf die Versagung von Einreden / Einwendungen hinausläuft. Der Rechtsmissbrauch verstößt hier – im Gegensatz zum institutionellen Rechtsmissbrauch – nicht gegen Prinzipien des Gesellschaftsrechts, sondern gegen die schutzwürdigen Interessen eines Geschäftspartners desjenigen, der sich auf die Rechtspersönlichkeit der juristischen Person beruft. Die Rechtslehre ist geteilter Meinung, ob es Sinn mache, eine solche Fallgruppe zu bilden.232 Gegen die Einrichtung einer solchen Fallgruppe wurde vorgebracht, dass sie zu inhomogene Sachverhalte einschließe und daher ihr systeHaftungstatbestand des . . . objektiven . . . Missbrauchs der juristischen Person noch benötigt wird. Zwar entspricht es einem allgemein anerkannten, im Zivilrecht aus § 242 BGB abgeleiteten rechtlichen Grundsatz, dass die Institute des geltenden Rechts, wenngleich zwar formal einwandfrei, so doch sachlich nicht im Widerspruch zu den Ordnungsprinzipien des geltenden Rechts dazu benutzt werden dürfen, sich einem danach gebotenen Verhalten zu entziehen. Auch in den Fällen des Haftungsdurchgriffs haben Rechtsprechung und Lehre daher ungeachtet des Bestrebens, bestimmte Fallgruppen herauszuarbeiten, mit Recht zur Begründung ihrer Entscheidungen stets auch das Missbrauchsverbot herangezogen . . . Jedoch dürfte es keine nicht schon in den genannten Fallgruppen artikulierten Ordnungsprinzipien oder Anforderungen an Treu und Glauben geben. Deshalb sprechen gute Gründe dafür, dass das Missbrauchsverbot als eigenständiger Haftungstatbestand nicht mehr gebraucht wird.“ 229 Rehbinder, Zehn Jahre Rechtsprechung zum Durchgriff, in: Festschrift für Robert Fischer, 1979, 597. 230 Bzgl. dieser Definition s. Möllers, Internationale Zuständigkeit bei der Durchgriffshaftung, in: Schriften zum deutschen und europäischen Zivil-, Handels- und Prozessrecht, Band 115, Köln 1987 (zugl. Diss. Universität Bielefeld 1987) 31 / 32, Nirk (1985), FS Stimpel 453 / 454, Wiedemann, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1. 231 Rehbinder, Konzernaußenrecht, 117. 232 Befürwortend Müller, Die Haftung der Muttergesellschaft für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft im Aktienrecht, in: ZGR, 1977, 1 (32), Rehbinder (1979), FS Fischer 597, ders., Konzernaußenrecht, 117 ff., Sauermann, Haftung der Muttergesellschaft, 92, Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 4 III 1. Ablehnend Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 56 (hinsichtlich Rehbinders Fallgruppe) und auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 1 (Fn. 97).

II. „Evasion of a duty or prohibition‘‘ und deutsche Rechtslage

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matischer Wert fragwürdig sei.233 Ferner sind Fälle von Umgehungen vertraglicher Pflichten oder gesetzlicher Gebote und Verbote nicht Durchgriffsfälle im engeren Sinn, sondern sind allgemeine / sonstige Durchgriffsfragen, insbesondere solche der Untergruppen „sonstiger Rechtsfolgendurchgriff“ und „Einwirkungsfälle.“234 Darüber, welche Fallkonstellationen in dieser Gruppe zusammengefasst werden sollen, herrscht keine Einigkeit. Teilweise werden die Fälle von Umgehungen vertraglicher Pflichten (vor allem Wettbewerbsverbote) oder gesetzlicher Gebote und Verbote hierunter gefasst,235 teilweise soll die Fallgruppe auf solche Fälle beschränkt werden, in denen jemand seiner persönlichen Primärhaftung durch Verwendung der juristischen Person entgehen will.236 K. Schmidt fasst Fälle, in denen nach der obigen Definition ein individueller Rechtsmissbrauch vorliegt, in einer Fallgruppe „Missbräuchliche Rechtsausübung“ zusammen, versteht sie jedoch ausdrücklich nicht als Durchgriff.237 Rehbinder gibt einige kurze, selbstgebildete Fälle an.238 3. Deutsche Rechtslage im Hinblick auf die südafrikanische Fallgruppe und vergleichende Betrachtung Im deutschen und im südafrikanischen Recht werden Fälle, in denen unter Verwendung einer GmbH eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht umgangen werden soll, unter der Durchgriffs- bzw. piercing-Problematik besprochen. Die Hauptrolle spielen dabei jeweils Umgehungen von vertraglichen Wettbewerbsunterlassungsabsprachen. Typischerweise handelt es sich um eine von ei233

Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 56. s. o. Kap. A. II. 1. a) bb). 235 Müller (1977), ZGR 32, Rehbinder (1979), FS Fischer 597, ders., Konzernaußenrecht, 117 ff., Sauermann, Haftung der Muttergesellschaft, 92. 236 Nirk (1985), FS Stimpel 454. 237 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 1 unter Anführung der „Firmenwagen“Entscheidung (OLG Hamm 1977 NJW 1159). Nach K. Schmidt a. a. O. (2. Auflage, 1986) sind solche Fälle dadurch gekennzeichnet, dass „den Gesellschaftern unter Berufung auf § 242 BGB Rechtsvorteile versag[-t werden], die die Gesellschafter treuwidrig aus dem Vorhandensein getrennter Rechtsträger herzuleiten versuchen.“ 238 Rehbinder, Konzernaußenrecht, 117 f.: Eine Gesellschaft räumt ihrem Alleingesellschafter nach außen die Position eines faktischen Geschäftsführers ein, lehnt aber die Zurechnung seiner Kenntnis ab. Eine Muttergesellschaft richtet bei der Tochtergesellschaft ein bestimmtes Abrechnungsverfahren ein, das deren Wechselschuldner der Gefahr doppelter Inanspruchnahme aus den Wechseln aussetzt; gegenüber einer wechselrechtlichen Bereicherungsklage beruft sie sich auf das Trennungsprinzip. Die Gesellschafter einer GmbH verpflichten sich rechtswirksam, den Geschäftsführer zu entlassen, kommen dieser Verpflichtung jedoch nicht nach; die Gesellschaft klagt nun einen Schadensersatzanspruch aus seiner Geschäftsführung ein. 234

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

ner natürlichen Person vertraglich übernommene Wettbewerbsunterlassungspflicht, die später durch eine von ihr abhängige Gesellschaft umgangen wird. Beide Rechtsordnungen lassen solche Pflichtumgehungen nicht zu: In Südafrika bilden diese Fälle den Kernbereich der gesamten piercing-Diskussion und sind als piercing-Fallgruppe „Evasion of a duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent use of a corporate personality“ allgemein anerkannt. Im deutschen Recht war die Lage durchgriffsrechtlich lange anders. Zwar gab es hier ebenfalls vereinzelt Versuche der Literatur, eine Durchgriffsfallgruppe „institutioneller Rechtsmissbrauch“ (rechtsmissbräuchliche Verwendung der juristischen Person) zu etablieren. Diese war jedoch längere Zeit nur halbherzig anerkannt und allenfalls als Auffangtatbestand verstanden worden. Der Bereich ihrer möglichen Einschlägigkeit war zudem im Laufe der Zeit stark zusammengeschmolzen: Denn zwar hatten frühe Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes noch in Fällen von Einmann-Gesellschaften eine Neigung zu einer solchen Fallgruppe erkennen lassen; dort war zumeist verschwommen sowohl mit § 242 BGB als auch mit § 826 BGB argumentiert worden. Scharf zwischen beiden (auf § 242 BGB gestützte Durchgriffshaftung einerseits und Primärhaftung gemäß § 826 BGB andererseits) getrennt wurde erstmals in der Flugtaxi-Entscheidung. Doch wurden später solche Fälle rechtsmissbräuchlicher Verwendung der Gesellschaft, soweit es um Zahlungshaftung ging, vorwiegend deliktsrechtlich (vor allem über § 826 BGB, vgl. die Entscheidungen Architekt und Bauherr-GmbH) und damit ohne jegliche Durchgriffsüberlegungen gelöst. Dies gälte gleichermaßen für die südafrikanischen Fälle Botha v van Niekerk (Haftung aus § 826 BGB) und Cape Pacific v Lubner (Haftung des Mr Lubner aus § 826 BGB [Verleitung zum Vertragsbruch], Haftung der LCI aus §§ 283 i.V. m. 280 Abs. 1 BGB und § 826 BGB). Eine Kehrtwende brachte jedoch die 2001 vom Bundesgerichtshof etablierte Existenzvernichtungshaftung. Mit ihr erhält die Fallgruppe des institutionellen Rechtsmissbrauchs eine tatbestandlich griffige Form. Ob die Existenzvernichtungshaftung lediglich die altbekannte Fallgruppe des institutionellen Rechtsmissbrauchs wiederbeleben wird oder eine eigene Fallgruppe begründen wird, bleibt abzusehen. Sofern es um sonstige Rechtsfolgen (Wettbewerbsverbote, Stimmrechtsausübungsverbote) geht, scheint es im deutschen Recht systematisch vorzugswürdig, solche Fälle nicht als eigene Durchgriffsfallgruppe zusammenzufassen, sondern sie unter der Überschrift „allgemeine / sonstige Durchgriffsfragen“ als dortige „sonstige Rechtsfolgendurchgriffe“ (wie die Entscheidungen Heumann / Ogilvy, Kiesgrube und RGZ 146, 385 ff. sowie das nachgebildete Beispiel von K. Schmidt) einzuordnen. Sehr ähnliche Fälle liegen im Hinblick auf vertragliche Wettbewerbsverbote in Südafrika (Le’bergo v Lee, Louw v Richter) und in England (Gilford v Horne, Jones v Lipman) vor und werden jedenfalls in Südafrika als piercing-Fälle verstanden.

II. „Evasion of a duty or prohibition‘‘ und deutsche Rechtslage

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Neben der Umgehung vertraglicher Pflichten spielt auch die Umgehung gesetzlicher Gebote und Verbote in beiden Rechtsordnungen eine Rolle. Im deutschen Recht tauchten solche Fälle von Umgehungen gesetzlicher (Wettbewerbsoder Stimmrechtsausübungs-)Verbote selten auf. Nur Rehbinder hat vorgeschlagen, sie zu einer eigenen Fallgruppe zu machen. Dies hat sich jedoch nicht durchsetzen können. Sachgerecht scheint es, sie als allgemeine Durchgriffsfragen in der Fallgruppe der „sonstigen Rechtsfolgendurchgriffe“ einzuordnen. In Südafrika liegen nur zwei einschlägige Entscheidungen vor, Dadoo v Krugersdorp und Rex v Gillet. Beide werden als piercing-Entscheidungen verstanden, haben allerdings inzwischen schon fast antiquarischen Wert. Neuere Entscheidungen sind nicht ersichtlich. Dieser Bereich der Fallgruppe erscheint demnach ziemlich ausgedörrt. „Stimmrechtsausübungs“-Fälle sind, soweit ersichtlich, in Südafrika noch nicht entschieden worden. In beiden Rechtsordnungen wird, um einen durchgriffsrechtlichen bzw. piercing-rechtlichen Lösungsweg rechtfertigen zu können, verlangt, dass die juristische Person rechtsmissbräuchlich verwendet wurde. In Südafrika kommt dies in der Formulierung „fraudulent / improper use“ zum Ausdruck. Sowohl im südafrikanischen als auch im deutschen Recht war lange Zeit ungenügend definiert, wann ein solcher Rechtsmissbrauch bzw. fraud / impropriety vorliegt. Im deutschen Recht hat sich die Lage mit der richterlichen Bildung des Tatbestandes der Existenzvernichtung erheblich verbessert. Die südafrikanische Rechtsprechung hat dagegen etwas vergleichbar Griffiges nicht verlautbart. Die Literatur versucht deshalb nach wie vor eingehend, die Begriffe fraud / impropriety subsumtionsfähig zu machen. Die bisherigen Erfolge waren mäßig. Auch der Versuch, die Begriffe fraud und impropriety über die Begriffe façade und sham zu definieren, half nicht weiter. Das Problem wurde dadurch nur von einem vagen Begriffspaar auf ein anderes verlagert. Erschwert wird die begriffsjuristische Lage dadurch, dass gelegentlich überschneidend des Weiteren der Begriff alter ego fällt. In der vorliegenden Arbeit wird versucht, den Begriff alter ego einerseits und façade / sham andererseits inhaltlich voneinander zu trennen.239 Dies findet in der südafrikanischen Rechtsprechung allerdings keine gesicherte Stütze. Es dürfte daher ebenso vertretbar sein anzunehmen, dass die Begriffe austauschbar sind und mit übereinstimmendem Inhaltsverständnis verwendet werden. Was die Umgehung von vertraglichen Wettbewerbsverboten betrifft, so hat die Entscheidung Heumann / Ogilvy240 klargestellt, dass es bei der Frage, ob 239

s. u. Kap. C. VI. 2. BGHZ 89, 162 (165) [„Hermann / Ogilvy“]. Vgl. auch Löffler, Zur Reichweite des gesetzlichen Wettbewerbsverbotes in der Kommanditgesellschaft, in: NJW, 1986, 223, Wiedemann / Hirte, Die Konkretisierung der Pflicht des herrschenden Unternehmens, in: ZGR, 1986, 163. 240

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Wettbewerbsverbote (oder andere Verhaltenspflichten, die der GmbH obliegen) auch deren Gesellschafter treffen, auf die Struktur der Gesellschaft und auf die Stellung des Gesellschafters innerhalb der GmbH ankommt. Den Gesellschaftern einer personalistisch geprägten Gesellschaft ist es in der Regel verwehrt, eine Tätigkeit, die der Gesellschaft nicht gestattet ist, selbst oder durch eine Gesellschaft aufzunehmen, deren alleinige Mitglieder sie sind.241 Dagegen kann der Literatur zufolge nicht ohne weiteres angenommen werden, dass ein Wettbewerbsverbot, zu dem sich ein Gesellschafter verpflichtet, auch eine GmbH trifft, wenn diese noch weitere Mitglieder mit eigenen wirtschaftlichen Interessen an entsprechenden Geschäften hat.242 Eine Pflichterstreckung auf die GmbH will die Rechtslehre nur dann bejahen, wenn die Mitgesellschafter als Strohmänner zum Zwecke der Umgehung des Verbotes oder in Kenntnis des Verbotes in die Gesellschaft aufgenommen wurden. In allen anderen Fällen solle allenfalls eine Einwirkungspflicht des Gesellschafters in Betracht kommen. Diese müsse jedoch hinter seine mitgliedschaftliche Treubindung zurücktreten, wenn der GmbH durch seine Einflussnahme Nachteile entstünden. Im Regelfall sei der Begünstigte daher auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen seine Vertragspartner beschränkt.243 Was Organe der Gesellschaft angeht, so ist im Recht der Aktiengesellschaft in § 88 AktG den Vorstandsmitgliedern ausdrücklich ein Wettbewerbsverbot auferlegt. Im Recht der GmbH besteht hier im Hinblick auf die Geschäftsführer eine Lücke. Rechtsprechung und überwiegende Ansicht der Literatur sind sich jedoch einig, dass aus der Pflicht des Geschäftsführers zu loyalem Verhalten gegenüber der Gesellschaft ein umfassendes Wettbewerbsverbot für den Geschäftsführer folgt, auch wenn dies nicht ausdrücklich in der Satzung oder im Anstellungsvertrag geregelt ist.244 Verletzt der Geschäftsführer das Wettbewerbsverbot, so kann die Gesellschaft auf Unterlassung klagen. Unabhängig hiervon schuldet der Geschäftsführer der Gesellschaft Schadensersatz. Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht nur die Verletzung der vertraglichen Pflichten. Die Wettbewerbstätigkeit wird in der Regel zugleich eine Untreue des Geschäftsführers sein, so dass er daher der Gesellschaft auch Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 266 StGB und unter Umständen auch aus § 826 BGB schuldet. Ferner ergibt sich ein Anspruch der Gesellschaft auf Herausgabe des Erlangten aus § 675 i.V. m. § 667 BGB bzw. aus § 687 Abs. 2 BGB 241 BGHZ 59, 64 („Kiesgrube“). Methodisch blieb in dieser Entscheidung allerdings undeutlich, worauf diese Erstreckung der Unterlassenspflicht gestützt wurde: Der BGH stellte teils auf den Sinn und Zweck der Sperrbezirksklausel, teils auf § 242 BGB und teils auf § 128 HGB ab. 242 Hachenburg-Mertens, GmbHG-Kommentar, Anh. § 13, Rn. 57 m.w. N. aus der Literatur. Anders jedoch BGH 1975 WM 777 für einen Umgehungsfall. 243 Hachenburg-Mertens, GmbHG-Kommentar, Anh. § 13, Rn. 57. 244 Scholz-Emmerich, GmbHG-Kommentar, § 43, Rn. 126 mit zahlreichen Belegen aus Rechtsprechung und Literatur.

III. „Unterkapitalisierung‘‘ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage

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i.V. m. §§ 681, 667 BGB sowie aus § 43 GmbHG. Alle Haftungen sind Primärhaftungen des Geschäftsführers. Durchgriffsüberlegungen sind hier nicht anzustellen. Im deutschen wie im südafrikanischen Recht sind Fälle von Treupflichtumgehungen des Geschäftsführers entschieden worden. Alle über § 242 BGB hinausgehenden Treupflichten des Geschäftsführers fallen im deutschen Recht unter den Auffangtatbestand des § 43 Abs. 1 GmbHG, hierunter eine über § 242 BGB hinausgehende Treupflicht gegenüber der Gesellschaft zum loyalen Dienst.245 Eine Konkretisierung dieser Pflicht ist das in Robinson v Randfontein umgangene Verbot, Erwerbs- oder Geschäftschancen der Gesellschaft an sich zu ziehen. Wird diese Pflicht durch Umgehungsversuche verletzt, so greift die Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Selten kann zudem eine deliktische Haftung aus § 826 BGB greifen. Beides ist reine Primärhaftung des Organs und hat somit nichts mit Durchgriffshaftung zu tun.

III. Deutsche Fallgruppe „Unterkapitalisierung“ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage 1. Deutsche Fallgruppe „Unterkapitalisierung“ a) Begriffsdefinitionen aa) Stammkapital, Eigenkapital und Fremdkapital, Eigenkapitalersatz Das Stammkapital 246 einer GmbH ist gesetzlich mit einer Mindesthöhe von 25.000 Euro vorgeschrieben (§ 5 Abs. 1 GmbHG). Seine genaue Höhe wird in der Satzung festgelegt. Es gibt lediglich über zwei Dinge Auskunft: Erstens, in welcher Höhe der GmbH von den Gesellschaftern einmal Vermögen zugeführt werden muss. Und zweitens, in welcher Höhe das Gesellschaftsvermögen gegen Ausschüttung und Rückerstattung an die Gesellschafter geschützt ist (Grundsatz der Kapitalerhaltung). Der Grundsatz der Kapitalerhaltung schützt nur gegen eine Kapitalausschüttung bis zur verbleibenden Höhe des Stammkapitals; dagegen schützt er nicht gegen eine Auszehrung des Gesellschaftsvermögens im normalen Geschäftsbetrieb. Das Stammkapital gibt daher in der Regel auch nicht über das tatsächlich vorhandene Vermögen der GmbH Aufschluss. Eigenkapital ist definiert als bilanzielles Eigenkapital (Differenz zwischen bilanzmäßig ausgewiesenem Vermögen einerseits und bilanzmäßig ausgewiese245

Hachenburg-Mertens, GmbHG-Kommentar, § 43, Rn. 35 ff. Bei der Aktiengesellschaft „Grundkapital“ (§§ 6, 7 AktG). Gemeinsamer Oberbegriff ist „gezeichnetes Kapital“. 246

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

nen Verbindlichkeiten und Rücklagen andererseits).247 Es ist das haftende Eigenvermögen der Gesellschaft.248 Fremdkapital umfasst alle der Gesellschaft zugeflossenen Geldmittel, die als Verbindlichkeiten der Gesellschaft bilanziert werden. Es ist das Kreditvermögen der Gesellschaft. Eigenkapitalersatz umfasst alle Geld- und Sachmittel, die der Gesellschaft von Gesellschaftern üblicherweise in Form von Darlehen zur Verfügung gestellt werden (eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen). Eigenkapitalersatz ist in der Bilanz nicht wie Eigenkapital zu behandeln, sondern als Verbindlichkeit zu passivieren. Eine besondere Kennzeichnung solcher Verbindlichkeiten in der Bilanz als Eigenkapitalersatz ist hierbei gesetzlich nicht vorgeschrieben. bb) Unterkapitalisierung (materielle, nominelle) Unterkapitalisierung ist ein Tatbestand, der sich auf die Fähigkeit der Gesellschaft zu angemessenem Wirtschaften bezieht; Unterkapitalisierung ist nicht identisch mit Vermögenslosigkeit, Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit oder Unterbilanz.249 Von materieller Unterkapitalisierung wird gesprochen, wenn der GmbH benötigte Mittel überhaupt nicht – weder als Eigenkapital noch als Fremdkapital – zugeführt werden. Nominelle Unterkapitalisierung liegt vor, wenn die Kapitalgrundlage nur dann als noch ausreichend gesehen werden kann, wenn man auch

247 § 272 HGB. Was alles als Eigenkapital in der Bilanz auszuweisen ist, ist in § 266 Abs. 3 A. HGB katalogisiert. 248 Der Begriff erfasst Geld- und Sachvermögenswerte. Zu den Geldvermögenswerten zählen insbesondere die Stammeinlagen sowie gebildete Rücklagen und Reserven. 249 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 a. Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 InsO vor, wenn die Passiva höher sind als die Aktiva (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO), wobei mit einer Fortführungsprognose (going concern) angesetzt wird, sofern eine solche Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO), vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 3 a. Zahlungsunfähigkeit ist Illiquidität. Zahlungsunfähigkeit ist der Grundtatbestand des Insolvenzrechts: Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverbindlichkeiten zu erfüllen. Dieser Tatbestand ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 InsO), vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 3 a. Vermögenslosigkeit liegt vor, wenn die Gesellschaft kein für die Gläubigerbefriedigung verwertbares Aktivvermögen hat. Kapitalgesellschaften werden gem. § 141 a FGG im Falle der Vermögenslosigkeit gelöscht, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 5 b. Eine Unterbilanz liegt vor, wenn das Reinvermögen der Gesellschaft (Aktiva minus Verbindlichkeiten) nicht mehr das Stammkapital deckt. Das Entstehen einer Unterbilanz lässt die Kapitalschutzvorschrift § 30 Abs. 1 GmbHG eingreifen, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III 1 d.

III. „Unterkapitalisierung‘‘ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage

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den Eigenkapitalersatz mit berücksichtigt, nicht mehr aber, wenn man nur Stamm- plus Eigenkapital berücksichtigt. K. Schmidt und Bitter sprechen griffig von „Unterkapitalisierung durch Nichtkapitalisierung“ (materielle Unterkapitalisierung) und „Unterkapitalisierung durch Fremdkapitalisierung“ (nominelle Unterkapitalisierung).250 Worauf abzustellen ist, um festzustellen, ob eine Kapitaldecke ausreichend ist, ist streitig.251 Richtigerweise wird aus Gläubigerschutzgesichtspunkten jedenfalls auf Stamm- plus Eigenkapital abzustellen sein und nicht etwa nur auf Stammkapital. Streitig ist ferner, ob Eigenkapitalersatz mit einbezogen werden soll.252 Mehrheitlich wird dies unter Hinweis auf den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit bejaht.253 Die Rechtsprechung scheint ebenfalls dieser Ansicht zuzuneigen.254 Nominelle Unterkapitalisierung kann somit eine materielle abwenden.

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K. Schmidt (1981), ZIP 690, Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 111 f. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 101 (Fn. 30 ff.). 252 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 103 f. 253 Problematisch ist diese Ansicht insofern, als das Eigenkapital die Aufgabe erfüllt, ein Risikopolster zu sein, um die Insolvenz abzuwenden. Eigenkapitalersatz kann aber erst in der Insolvenz zu haftendem Eigenkapital umqualifiziert werden (§ 32a GmbHG: „im Insolvenzverfahren“), also zu spät. Bei der Umqualifizierung von Eigenkapitalersatz in haftendes Eigenkapital handelt es sich nicht um Durchgriff (BGHZ 81, 311 [317] – „HeLaBa / Sonnenring“), sondern um Normanwendung. 254 BGHZ 31, 258 (271) [„Flugtaxi“], OLG Hamburg 1973 BB 1231 (1232) und Revisionsentscheidung BGH 1977 WM 73 hierzu („Verlag“). In der „Flugtaxi“-Entscheidung aus dem Jahre 1959 war eine GmbH (Service-FlugGmbH) 1951 mit einem Stammkapital von nur 20.000 DM (damals zulässig) gegründet worden und tätigte bald danach Geschäfte mit einem Umfang in Millionenhöhe. Das Stammkapital war im September 1953 aufgebraucht. Die GmbH ging im Juni 1955 in Konkurs. Zwischen 1953 und 1955 hatte sie eigenkapitalersetzende Darlehen i. H. v. 56.000 DM von B erhalten, der Anfang 1955 Alleingesellschafter der Gesellschaft wurde. Hiervon waren 36.000 DM bereits wieder an B zurückbezahlt. Die Gläubiger der Gesellschaft versuchten nun, B persönlich im Wege der Durchgriffshaftung haften zu lassen. Der BGH lehnte eine Durchgriffshaftung aus Unterkapitalisierung ab. Stattdessen wurde eine Lösung über § 31 GmbHG gefunden (Erstattung der von der Service-FlugGmbH an den Gesellschafter B zurückgezahlten Darlehen an die Service-FlugGmbH). In der „Verlag“-Entscheidung hatten zwei Verleger zwecks Herausgabe einer Illustrierten eine GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 DM gegründet. Ferner hatte die GmbH Eigenkapitalersatz (Gesellschafterdarlehen) i. H. v. 770.000 DM erhalten. Die Illustrierte hatte keinen Erfolg; die GmbH ging in Konkurs. Die Gläubiger der Gesellschaft machten gegen die Verleger persönlich Honoraransprüche aus Durchgriffshaftung geltend. Die Klage hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Der BGH als Revisionsinstanz vertrat unter Hinweis auf den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit, dass dieser Eigenkapitalersatz genüge, um Unterkapitalisierung zu verneinen. Eine nur nominelle Unterkapitalisierung beseitigte somit nach Ansicht des BGH eine materielle. 251

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Streitig ist, wann das Vorliegen einer materiellen Unterkapitalisierung anzunehmen ist. Allein auf die Kapitalbasis kann nicht abgestellt werden. Denn aus dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit folgt, dass eine Pflicht zur angemessenen materiellen Finanzierung der GmbH nicht besteht255 und somit eine GmbH nicht materiell unterkapitalisiert sein kann. Stattdessen stellt die Rechtslehre heute überwiegend auf den Geschäftsumfang (Verhältnis der Eigenkapitalsumme zur Geschäftsumfangssumme) ab.256 Die Rechtsprechung arbeitet mit ähnlichen Bestimmungskriterien.257 b) Rechtliche Behandlung Durchgriffshaftung spielt heute im Bereich der nominellen Unterkapitalisierung258 praktisch keine Rolle mehr. Stattdessen werden solche Sachverhalte im Wege des Rechts eigenkapitalersetzender Darlehen (§§ 32a, 32b GmbHG) sowie der subsidiär fortgeltenden,259 zu §§ 30, 31 GmbHG entwickelten Rechtsgrundsätze entschieden. Im Bereich materieller Unterkapitalisierung ist die Rechtsprechung der Bundesgerichte uneinheitlich. Mit Bitter lässt sich von einer „defensiven Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts einerseits und von einer „offensiven Rechtsprechung“ des Bundessozialgerichts andererseits sprechen.260 255 So jedenfalls die überwiegende Meinung im Umkehrschluss zu den Spezialvorschriften § 10 KWG, § 2 KAGG, §§ 8 und 115 VAG. 256 Vor allem die sog. „Ulmer’sche Formel“, wonach eine entscheidungserhebliche materielle Unterkapitalisierung vorliegt, „wenn das Eigenkapital nicht ausreicht, um den nach Art und Umfang der . . . Geschäftstätigkeit . . . bestehenden, nicht durch Kredite Dritter zu deckenden mittel- oder langfristigen Finanzbedarf zu befriedigen.“, vgl. Hachenburg-Ulmer, GmbHG-Kommentar, Anh. § 30, Rn. 16. Griffig formuliert auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 a: „Eine konstitutionell kreditunwürdige Gesellschaft ist unterkapitalisiert . . . Nicht akzidentielle, sondern konstitutionelle Kreditunwürdigkeit begründet den Tatbestand der Unterkapitalisierung.“ Kritisch dagegen Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, Syst. Darst. 1, Rn. 68 („vielfach auf Grund fehlender tatbestandlicher Umschreibbarkeit nicht justitiabel“) und Michalski-Zeidler, GmbHG-Kommentar, § 5, Rn. 29 zum Stand der Versuche, materielle Unterkapitalisierung zu definieren. 257 Bestimmungsmerkmal „unangemessene Geschäftsausdehnung“ (das im Wesentlichen der Ulmer’schen Formel entspricht), vgl. BSG 1984 ZIP 1217 (1220) [„Arbeitsplätzeschaffungsgelder“], BAG 1999 NJW 2299 und BAG 1999 NJW 2612; Bestimmungsmerkmal „Ertragserwartung“ (das darauf abstellt, ob die Kapitallage zuzüglich erwarteter Erträge den künftigen Finanzierungsbedarf abdeckt), vgl. BGH 1979 NJW 2104 („Architekt“). 258 BGHZ 31, 258 („Flugtaxi“). 259 BGHZ 90, 370. 260 Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 115 und 118. Vgl. auch BAG 1999 NJW 740 (741): „Ob eine Unterkapitalisierung Ansatzpunkt für eine Durchgriffshaftung sein kann, wird in der Rechtsprechung nicht ganz einheitlich beantwortet.

III. „Unterkapitalisierung‘‘ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage

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Der Bundesgerichtshof hat bislang stets ausdrücklich offen gelassen, ob in Fällen von (auch krasser) materieller Unterkapitalisierung Durchgriffshaftung greifen solle261 und hat bisher in derartigen Fällen nur eine Gesellschafterhaftung aus § 826 BGB anerkannt.262,263 Bitter kommt zu dem Schluss, dass in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes deutlich eine Tendenz erWährend der BGH die Frage verneint hat (BGHZ 68, 312 [318] . . .; offengelassen dagegen in BGHZ 69, 95 . . .), hielt das BSG immerhin eine gewisse Relation zwischen der beabsichtigten oder tatsächlichen Geschäftstätigkeit einer GmbH und dem daraus folgenden Finanzbedarf auf der einen sowie dem haftenden Eigenkapital auf der anderen Seite für erforderlich (NJW-RR 1997, 94 . . .; deutlich zurückhaltender nunmehr Urt. v. 29.10.1997, NZS 1998, 346 . . .) . . .“ 261 BGHZ 22, 226 (230 f.), BGHZ 31, 258 (270 ff.) [„Flugtaxi“], BGH 1961 GmbHR 161 (162). Ablehnend BGHZ 68, 312 (316) [„Typenhäuser“], nachfolgend jedoch abgeschwächt (ausdrücklich wieder offengelassen) in BGH 1977 NJW 1683 (1686). Im „Typenhäuser“-Fall hatte eine Baugesellschaft, die juristische Person war und Typenhäuser baute und verkaufte, eine Tochter-GmbH gegründet und dieser den Hausbaubereich ihres Geschäfts, der bislang von ihr selbst betrieben worden war, übertragen. Die Tochter-GmbH wurde lediglich mit dem Mindeststammkapital ausgestattet. Das für den Geschäftsbetrieb der Tochter-GmbH erforderliche Anlagevermögen wurde dieser von der Muttergesellschaft unter Eigentumsvorbehalt geliefert. Die TochterGmbH wurde insolvent. Ein Gläubiger der Tochter-GmbH nahm die Muttergesellschaft persönlich aus Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung ihrer TochterGmbH in Anspruch. Der BGH lehnte eine Durchgriffslösung entgegen zahlreicher Stimmen aus der Literatur ab unter Hinweis darauf, dass das GmbH-Gesetz nur ein Mindeststammkapital vorschreibt. Stattdessen verwies der BGH auf eine Innenhaftungslösung über §§ 30, 31 GmbHG. Diese Entscheidung stieß auf heftige Kritik; der BGH hat sich nachfolgend wieder von ihr distanziert und sprach sich für einen verstärkten Gläubigerschutz (also für eine Außenhaftungslösung) aus, vgl. BGH 1977 NJW 1683 (1686). 262 BGH 1979 NJW 2104 („Architekt“), BGH 1988 NJW-RR 2104 („Bauherr“). Im „Architekt“-Fall war eine GmbH & Co. KG so organisiert, dass das außerordentlich hohe Risiko, das mit einem Bauvorhaben verbunden war, der KomplementärGmbH (Mindeststammkapital DM 20.000, damals zulässig) auferlegt war, während die beiden Beklagten als die einzigen Kommanditisten der KG und geschäftsführenden Gesellschafter der GmbH sich die Gewinnchancen aus dem Bauvorhaben vorbehielten. Denn die KG errichtete Eigentumswohnungen zum Festpreis und veräußerte diese dann für Rechnung der beiden Beklagten; der den Festpreis übersteigende Erlös ging also an diese beiden. Der BGH ließ die Gesellschafter persönlich aus § 826 BGB haften. Ähnlich der „Bauherr-GmbH“-Fall; auch dort ließ der BGH die Gesellschafter persönlich aus § 826 BGB haften. 263 Vgl. die zusammenfassende Darstellung in BGH 1995 WM 396 (398): „Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs begründet die bloße Unterkapitalisierung noch keine Durchgriffshaftung der Gesellschaft [Druckfehler in (1995), WM, 398; der Text muss lauten „Gesellschafter“] in Abweichung von § 13 Abs. 2 GmbHG (BGHZ 68, 312, 316 ff. . . .). Vielmehr muß grundsätzlich ein subjektiver Gesichtspunkt hinzukommen, der das Gesellschafterverhalten als einen Verstoß gegen Treu und Glauben oder gegen die guten Sitten kennzeichnet (BGH . . . WM 1958, 460 462). Demgemäß hat der Bundesgerichtshof im Fall der Unterkapitalisierung der GmbH eine Gesellschafterhaftung bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) des Gesellschaftsgläubigers bejaht (BGH . . . WM 1979, 229; . . . DB 1988, 1848; . . .)“.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

kennbar wird, Fälle von Unterkapitalisierung deliktsrechtlich zu lösen.264 Ob allerdings bereits gesagt werden kann, dass der Bundesgerichtshof allgemein eine Durchgriffshaftung bei Unterkapitalisierung ablehnt, ist derzeit noch streitig.265 Schwankender, wenngleich auch überwiegend ablehnend gab sich das Bundesarbeitsgericht im Hinblick auf eine Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung.266 264 Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 117 unter Verweis auf Boujong (1992), GmbHR 207 ff. Ebenso Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 108. 265 Zurückhaltend Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 117 und Ehricke (1999), AcP 277, bejahend dagegen Boujong (1992), GmbHR 207 ff. 266 BAG 1999 NJW 740 (741): Der Kläger war Kapitän bei einer Binnenschifffahrtsgesellschaft (oHG). Als diese in finanzielle Schwierigkeiten geriet, gründete der Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter eine GmbH und übertrug den Geschäftsbetrieb der oHG (einschließlich der Arbeitsverträge) auf die GmbH. Die GmbH wurde später zahlungsunfähig; Lohnzahlungen an den Kapitän standen noch für mehrere Monate aus. Der Kapitän verklagte nun den geschäftsführenden Gesellschafter persönlich auf Zahlung. Die Gründung der GmbH habe nur dazu gedient, die Verbindlichkeiten der oHG auf diese zu verlagern. Der Beklagte habe gewusst oder hätte jedenfalls wissen müssen, dass die GmbH unausweichlich auf den Konkurs zusteuere. Das BAG verneinte nach Beweislage, dass eine solche persönliche Haftung des geschäftsführenden Gesellschafters aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG oder aus Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung bestehe (1999 NJW 741): Die Rechtsprechung der Bundesgerichte zur Durchgriffshaftung aus Unterkapitalisierung sei nicht einheitlich. Einigkeit bestehe allerdings darüber, dass materielle Unterkapitalisierung allein noch nicht genüge (verwiesen wird u. a. auf BSGE 56, 76 [„Arbeitsplätzeschaffungsgelder“] und BGHZ 54, 222 [224]). Erforderlich sei als zusätzliches Tatbestandsmerkmal in Anlehnung an BGHZ 68, 312 (315) [„Typenhäuser“] „eine willkürliche und von vornherein nicht praktikable Ausgliederung . . ., die darauf hinausliefe, daß eine rechtliche Selbständigkeit ausschließlich der Form nach bestünde“. Der erforderliche Rechtsmissbrauch dürfe nicht vorrangig aus der Unterkapitalisierung abgeleitet werden: „Lediglich dann, wenn neben der Unterkapitalisierung weitere Gesichtspunkte auftreten, die die Unterkapitalisierung so in den Hintergrund treten lassen, daß der Vorwurf des Rechtsmißbrauchs nicht mehr vorrangig darauf gestützt werden kann, ist es denkbar, aus dem Gesamtgefüge eines solchen Vorgangs auf einen Rechtsmißbrauch zu schließen.“ Klar stellt das BAG fest, dass bei Vorliegen bloßer Unterkapitalisierung eine Durchgriffshaftung des geschäftsführenden Gesellschafters in seiner Eigenschaft als Gesellschafter ausgeschlossen ist angesichts der ausdrücklich geregelten Geschäftsführerhaftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG: „Im Hinblick darauf ist es weder rechtssystematisch geboten noch von der Sache her notwendig, auf die Regeln des Rechtsmißbrauchs zurückzugreifen.“ Kritisch zu dieser Entscheidung Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 131: Die Insolvenzantragspflicht beseitige nicht die für die Gläubiger aus einer risikoreichen Aktivität der Gesellschaft resultierenden Gefahren. Vgl. auch BAG 1999 NJW 2239: Ein Ehemann und seine Ehefrau waren die beiden einzigen Gesellschafter einer Sanitärinstallations-GmbH. Der Ehemann war Alleingeschäftsführer. Das Stammkapital der GmbH betrug 60.000 DM, wovon nur rund die Hälfte einbezahlt war. Die GmbH ging 1992 in Konkurs; sie hatte bereits seit Mitte 1991 praktisch keine Rechnungen mehr begleichen können. Die Klägerin hatte Ende 1991 den vier Arbeitnehmern der GmbH Konkursausfallgeld gewährt. Die Klägerin

III. „Unterkapitalisierung‘‘ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage

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Das Bundessozialgericht erkennt dagegen heute eine Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung klar an.267 Erstmals wurde eine solche Haftung in einer Entscheidung aus dem Jahre 1984 bejaht.268

begehrte nun von dem geschäftsführenden Gesellschafter persönlich Erstattung des gezahlten Konkursausfallgeldes und stützte diesen Anspruch (neben § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 64 Abs. 1 GmbHG) auf Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung (Formuliert als: „Anspruch nach den Grundsätzen der Durchgriffshaftung gem. §§ 128, 129 HGB analog, § 242 BGB wegen offenbarer materieller Unterkapitalisierung“). Das BAG lehnte einen solchen Anspruch ab (1999 NJW 2239 f.): Im Anschluss an BAG 1999 NJW 740 und BGHZ 68, 312 wurde betont, dass bloße materielle Unterkapitalisierung für sich allein noch keine Durchgriffshaftung auslösen könne, und zwar aus zwei Gründen: Erstens sei der Begriff der Unterkapitalisierung tatbestandlich nicht griffig genug, und zweitens habe der Gesetzgeber davon abgesehen, eine Mindestkapitalausstattung vorzuschreiben. Vielmehr sei folgendes zusätzliches Tatbestandsmerkmal erforderlich (und liege im Fall nicht vor): „[S]chwerwiegende Gesichtspunkte aus Treu und Glauben . . ., also Rechtsmissbrauch . . . Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen [Verwiesen wird im Weiteren u. a. auf die „Typenhäuser“-Entscheidung BGHZ 68, 312 (315)]“ (1999 NJW 2239). „Ein Haftungsdurchgriff wäre – wenn überhaupt – nur dann gerechtfertigt, wenn der Gesellschafter die Unterkapitalisierung erkennen kann. Nicht jeder Gesellschafter einer GmbH verfügt aber über vertiefte betriebswirtschaftliche Kenntnisse . . .“ (1999 NJW 2240). Anders dagegen die Entscheidung BAG 1999 NJW 2612: Die H-Verwaltungsgesellschaft mbH übernahm die Geschäftsführung und Verwaltung der H-Unternehmensgruppe: Hierzu gehörten eine Produktionsgesellschaft, Wohnmöbel H-GmbH & Co. KG, sowie eine Vertriebsgesellschaft, H-Möbelwerke GmbH & Co. KG. Komplementärin beider Kommanditgesellschaften war die H-Verwaltungsgesellschaft mbH, die auch deren alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin war. Die Vertriebsgesellschaft war die einzige Auftraggeberin der Produktionsgesellschaft; alle Arbeitnehmer der H-Unternehmensgruppe wurden von der Produktionsgesellschaft beschäftigt. Später wurde für alle drei Gesellschaften das Konkursverfahren eröffnet. Ein Pensionssicherungsverein, der die Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer der H-Unternehmensgruppe erfüllte, klagte gegen die Vertriebsgesellschaft (diese war noch Eigentümerin eines großen Grundstücks) auf Zahlung der Versorgungsverbindlichkeiten der Produktionsgesellschaft „wegen ihres beherrschenden Einflusses nach den Grundsätzen der Durchgriffshaftung im Konzern [und] wegen Rechtsformmissbrauchs“. Der Klage wurde stattgegeben. Zur Frage der Durchgriffshaftung führte das BAG aus (1999 NJW 2612), dass eine solche Haftung „[n]ach der ständigen Rechtsprechung des BAG und des BGH“ bei objektiv rechtsmissbräuchlicher Verwendung der Rechtsperson in Betracht komme. Drei Fallgruppen eines solchen Missbrauchs wurden unterschieden: Vermögensverschiebung, nachteilige Fremdsteuerung und offenkundige Unterkapitalisierung. Das BAG erörterte ferner eine Haftung aus §§ 302, 303 AktG analog und schien eine solche Haftung als Durchgriffshaftung zu verstehen (1999 NJW 2613). Dieser konzernrechtliche Haftungsansatz ist allerdings heute infolge der Entscheidung „Bremer Vulkan“ (BGHZ 149, 10) nicht mehr aktuell. 267 BSG 56, 76 (83 ff.) = BSG 1984 ZIP 1217 (1220 ff.) = BGH 1984 NJW 2117 („Arbeitsplätzeschaffungsgelder“): G war Mehrheitsgesellschafter der KomplementärGmbH (Mindeststammkapital 20.000 DM, damals zulässig) der MR-GmbH & Co. KG. Zugleich war er Gesellschafter der SGP-GmbH. Beide Unternehmen stellten Isolierfenster her. G hatte das ihm gehörende Betriebsgelände und die Firmengebäude an beide Unternehmen vermietet. Die KG erhielt Ende 1976 auf Antrag hin vom Arbeitsamt 120.000 DM als Darlehen zur Neuschaffung von Arbeitsplätzen. Den Vergabebe-

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

dingungen zufolge hätten dem Darlehen kurzfristige Investitionen seitens der KG folgen müssen. Die MR-GmbH & Co. KG war jedoch bereits seit Mitte 1976 zahlungsunfähig. Im März 1977 wurden die Konkursanträge für die KG, die KomplementärGmbH sowie die SGP-GmbH abgelehnt. Im Februar 1977 hatte Ehefrau E des G die GR-GmbH gegründet, welche die Geschäfte der beiden früheren Gesellschaften fortsetzte und bei der G nun als Angestellter beschäftigt wurde. Die Bundesanstalt für Arbeit nahm nach Aufhebung der Bewilligungsbescheide nun G persönlich auf Rückzahlung des Darlehens in Anspruch. Das BSG ließ G persönlich nach den Grundsätzen der Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung der Komplementär-GmbH auf Rückzahlung haften. Die Entscheidung spricht von „dem in Literatur und Rechtsprechung anerkannten Rechtsinstitut der sog. Durchgriffshaftung“ (BSGE 56, 81), führt aber keine Belege an. Zum Durchgriffsverständnis wird ausgeführt (BSGE 56, 81): „In diesen Fällen versagt die Berufung auf das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG; die haftungsausschließende Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ist aufgehoben, die Schuldverpflichtung greift auf den Gesellschafter durch . . . [N]ach den Grundsätzen von Treu und Glauben i. S. d. § 242 BGB . . . [e]rgibt sich danach, daß die Berufung auf das Trennungsprinzip . . . eine unzulässige Rechtsausübung darstellt.“ Voraussetzung für eine Durchgriffshaftung sei das Vorliegen eines (objektiven) Missbrauchstatbestandes („Mißbrauch der Rechtsform der juristischen Person“; „objektiv zweckwidrige Verwendung der juristischen Person“). Ein solcher liege vor, „wenn mit . . . Hilfe [der juristischen Person] Gesetzesbestimmungen umgangen, vertragliche Verpflichtungen verletzt oder Dritte auf sonstige Weise zumindest objektiv rechtswidrig geschädigt werden sollen“ (BSGE 56, 81). Vorsatz soll demnach nicht erforderlich sein: „[D]iese Rechtsfolge [einer Durchgriffshaftung leitet] sich bereits aus . . . einer objektiv zweckwidrigen Verwendung der juristischen Person her . . ., das Hinzutreten subjektiver Elemente im Sinne vorwerfbaren Verschuldens [ist] nicht erforderlich . . .“ (BSGE 56, 85 / 86). Deutlich scheint hier die objektive Missbrauchslehre durch, vgl. oben Kap. A. I. 1. b) aa), Fn.-Apparat. Die Entscheidung lässt unter Hinweis auf BGHZ 68, 312 (316 ff.) [„Typenhäuser“] ausdrücklich offen, ob allein schon Unterkapitalisierung genügt, um eine Durchgriffshaftung auszulösen (BSGE 56, 84). Eine solche Durchgriffshaftungslösung des BSG wäre wohl nicht notwendig gewesen. G hätte im Wege der Primärhaftung haftbar gemacht werden können: Entweder deliktisch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 263 StGB oder aus § 826 BGB oder nach den Grundsätzen der cic-Eigenhaftung des Vertreters, die der BGH im Hinblick auf geschäftsführende Gesellschafter entwickelt hat (§ 311 Abs. 3 BGB). Vgl. ferner die Entscheidung BSGE 75, 82 = BSG 1994 ZIP 1944: Der Kläger, Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG, wendete sich gegen seine persönliche Heranziehung nach den Grundsätzen der Durchgriffshaftung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, die die Beklagte im Rahmen der Konkursausfallversicherung für Arbeitnehmer der GmbH & Co. KG entrichtet hatte. Das BSG unterschied nach „Durchgriffshaftung (im herkömmlichen Sinne)“ (BSGE 75, 84) einerseits und „Konzernhaftung als spezielle Ausprägung einer Durchgriffshaftung“ (1994 ZIP 1946) andererseits. Innerhalb der Durchgriffshaftung im herkömmlichen Sinn will das BSG die zwei Fallgruppen „Vermögensvermischung“ (im Sinne der Fallgruppe „Vermögensvermengung“ der vorliegenden Arbeit, vgl. Kap. C. V. 1. b)) und „(materielle) Unterkapitalisierung“ bzw. „missbräuchliche Unterkapitalisierung“ unterscheiden (BSGE 75, 84). Unklar ist nach der Formulierung der Entscheidung, ob sich hierzu noch eine dritte Fallgruppe „allgemeiner Missbrauchstatbestand“ gesellen soll, vgl. BSGE 75, 92.

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Offengelassen ist vom Bundesgerichtshof lediglich noch,269 ob die Gesellschafter den Gläubigern der GmbH auch haften im Falle einer rein materiellen Unterkapitalisierung der GmbH (bei der somit Ansprüche aus § 32b GmbHG ausscheiden), bei der zugleich den Gesellschaftern nicht (Gläubigerschädigungs-) Vorsatz nachzuweisen ist (und somit deliktsrechtliche Ansprüche aus § 826 BGB ausscheiden). Der wohl überwiegende Teil der Rechtslehre bejaht eine Durchgriffshaftung bei materieller Unterkapitalisierung.270 Als Haftungsgrund wird dabei mehrheitlich entweder die Verletzung einer angenommenen ungeschriebenen Pflicht der Gesellschafter genannt, ihre Gesellschaft mit einem angemessenen Eigenkapital auszustatten,271 oder der Miss-

Eine Durchgriffshaftung setze allgemein voraus, dass „eine Berufung auf die Selbständigkeit der juristischen Person mit Treu und Glauben unvereinbar [ist], insbesondere, weil diese Rechtsfigur missbraucht oder dem Zweck der Rechtsordnung zuwider verwendet worden ist, vgl. BGHZ 22, 226; BGHZ 54, 222, 224 . . .).“ Im vorliegenden Sachverhalt war keiner dieser Tatbestände erfüllt. Das BSG hielt es nicht für erforderlich, „einen Grundtypus genuin öffentlich-rechtlicher Durchgriffshaftung wegen vorausgegangenen Rechtsmissbrauchs zu entwickeln“ (BSGE 75, 86), sondern hielt es stattdessen grundsätzlich für „sachgerecht, entsprechend der bisherigen Vorgehensweise des BSG die aufgrund zivilrechtlicher Erfahrung entwickelten Rechtsinstitute anzuwenden, soweit dies im Sozialrecht nicht zu systemwidrigen Ergebnissen führt.“ Vgl. auch BSG 1996 ZIP 1134 (1135) = BSG 1997 NJW-RR 94. Vgl. demgegenüber BSG (1998), NZS 346. Dort zeigte sich das BSG zurückhaltender gegenüber einem Durchgriff. Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung 119, Fn. 132 weist darauf hin, dass sich die dortigen Zweifel des BSG allerdings aus dem – zivilrechtlich nicht bestehenden – Problem ergeben, „dass die Anwendung der Durchgriffshaftung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht von der Zufälligkeit abhängen kann, ob gegenüber der juristischen Person ein Aufhebungs- oder Rücknahmebescheid ergangen ist und ob er bestandskräftig geworden ist oder nicht.“ 268 BSGE 56, 76 („Arbeitsplätzeschaffungsgelder“). 269 So der BGH ausdrücklich in BGH 1981 BB 750 (751). 270 Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung bei GmbH und GmbH & Co. KG, in: Festschrift für Konrad Duden, 1977, 661 (676 ff.), ders., Die GmbH und der Gläubigerschutz, in: GmbHR, 1984, 252 (262), Ulmer-Raiser, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 155 (Fn. 130 m.w. N.), Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 4 III 1 b und § 10 IV 3 b, Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, 207 f., Blaurock, Einfluß im Unternehmen und die gesellschaftsrechtliche Haftungsstruktur, in: Festschrift für Walter Stimpel, 1985, 553 (559), Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 403 und 416, Drüke, Haftung der Muttergesellschaft, 30 ff. Ablehnend dagegen Fastrich in Hueck / Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 16 m.w. N., weil es nach wie vor an ausreichend klaren Maßstäben für die notwendige Höhe des Eigenkapitals fehle. Ablehnend ferner Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 308 ff., Flume, Die juristische Person, 79 ff., Ehricke (1999), AcP 257 und wohl auch Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, Syst. Darst. 1, Rn. 68 (vgl. aber Michalski-Zeidler, GmbHGKommentar, § 5, Rn. 30). 271 Kuhn, Strohmanngründung bei Kapitalgesellschaften, 207 ff. und 214 ff., Wiedemann, Juristische Personen und Gesamthand als Sondervermögen, in: WM, 1975, Son-

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brauch des Haftungsbeschränkungsprivilegs und eine daraus sich ergebende Reduktion der Trennungsnorm unter Ausfüllung einer anderen Norm.272 K. Schmidt geht zwar von einer Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter aus, will aber keine Durchgriffshaftung zulassen, sondern nur eine Insolvenzverursachungshaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft für erkennbar existenzgefährdende Eingriffe.273 Ein anderer Teil der Lehre lehnt Durchgriffshaftung aus Unterkapitalisierung in jeglicher Form ab, da es gesetztem Recht zufolge eine unterkapitalisierte GmbH nicht gebe. Stattdessen solle eine persönliche Haftung der Gesellschafter nur über den Tatbestand des § 826 BGB erzielt werden können.274 Der Unterschied zur herrschenden Lehre ist praktisch gering, da der Tatbestand einer krassen Unterkapitalisierung wohl regelmäßig das Vorliegen eines Schädigungsvorsatzes i. S. d. § 826 BGB annehmen lässt.275,276 derbeilage Nr. 4, 19, Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 126 ff. (130). Vgl. auch Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 112. Die Annahme einer solchen Pflicht ist problematisch, da sie dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit (§ 5 GmbHG) entgegensteht. Zwar bestehen einige spezialgesetzliche Vorschriften, die eine Pflicht zur angemessenen Ausstattung der Gesellschaft mit haftendem Eigenkapital vorschreiben (§ 10 KWG, § 2 Abs. 2 (a) KAGG, §§ 5 Abs. 4, 53 (c) VAG). Diese sind aber nicht analogiefähig. Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 134 will eine Durchgriffshaftung auf Fälle krasser („qualifizierter“) Unterkapitalisierung beschränken, stützt dies allerdings auf Praktikabilitäts- und nicht auf dogmatische Erwägungen: Zwar seien Haftungsfolgen auch für Fälle einfacher Unterkapitalisierung wünschenswert, doch könne eine solche einfache materielle Unterkapitalisierung praktisch nicht tatbestandlich griffig formuliert werden. 272 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 10 IV 3, ders. (1975), WM (Sonderbeilage Nr. 4) 19, Ulmer (1977), FS Duden 678, ders. (1984), GmbHR 262, Lutter (1982), ZGR 249, Stimpel, ,Durchgriffshaftung‘ bei der GmbH: Tatbestände, Verlustausgleich, Ausfallhaftung, in: Festschrift für R. Goerdeler, 1987, 601 (607 f.), Michalski / de Vries, Eigenkapitalersatz, Unterkapitalisierung und Finanzplankredite, in: NZG, 1999, 181 (182). 273 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 c und 5: „[Gegen eine Durchgriffshaftung] spricht sowohl die Unbestimmtheit des Unterkapitalisierungstatbestandes (deshalb nur Verschuldenshaftung) . . . als auch die Überlegung, dass selbst eine unterkapitalisierte Gesellschaft dann noch nicht zur offenen Handelsgesellschaft wird (darum keine Direkthaftung gegenüber den Gläubigern) . . .“ s. a. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 37 III 7. Vgl. oben Kap. A. I. 1. b) cc) (4) (b). 274 Von Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 124 zusammenfassend als „restriktive Ansichten“ bezeichnet: Vonnemann, Haftung von GmbH-Gesellschaftern wegen materieller Unterkapitalisierung, in: GmbHR, 1992, 77 (78), Schulze-Osterloh, Gläubiger- und Minderheitenschutz bei der steuerlichen Betriebsaufspaltung, in: ZGR, 1983, 123 (124), Hoffmann, Zum ,Durchgriffs‘-Problem bei der unterkapitalisierten GmbH, in: NJW, 1966, 1941 (1946 f.) und Ehricke (1999), AcP 275. 275 Kritisch hierzu Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 134 f.: „Wenn die Vertreter . . . [dieser restriktiven Ansicht] sich hier mit geringeren Nachweisanforderungen im Rahmen der Deliktshaftung begnügen wollen, indem sie von der (objektiv) qualifizierten Unterkapitalisierung auf den Schädigungsvorsatz schließen . . ., so wird

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Noch nicht absehbar ist derzeit, inwieweit sich die Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung auf die – bislang seitens des Bundesgerichtshofes noch ausstehende – höchstrichterliche Anerkennung der Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung auswirken wird.277 Ulmer argumentiert mit Blick auf die Existenzvernichtungshaftung schlüssig auch für die Anerkennung einer solchen Durchgriffshaftungs-Fallgruppe der Unterkapitalisierung.278 Ähnlich äußert sich Lutter.279 Raiser gibt dagegen zu bedenken, dass es mit der bisherigen höchstrichterlichen Formulierung des Tatbestandes der Existenzvernichtung (Tatbestandsmerkmal „Zugriff“) wohl noch nicht möglich sein dürfte, Fälle anfänglicher materieller Unterkapitalisierung zu erfassen und spricht sich deshalb für eine entsprechende Erweiterung des Tatbestandes der Existenzvernichtungshaftung aus.280 hier letztlich doch wieder eine objektive Einstandspflicht ,durch die Hintertür‘ eingeführt . . . Es erscheint insoweit methodenehrlicher, . . . von vornherein auf objektive Kriterien abzustellen und die persönliche Einstandspflicht der Gesellschafter über die teleologische Reduktion der haftungsbeschränkenden Norm zu begründen.“ 276 Vereinzelt wurde vorgebracht, eine solche Haftung als Haftung wegen Schutzgesetzverletzung (§ 823 Abs. 2 BGB) zu begründen, vgl. Roth, Unterkapitalisierung und persönliche Haftung, in: ZGR, 1993, 170: Leitgedanke ist hier, dass die Haftungsbeschränkung stets von einer angemessenen Eigenkapitalausstattung abhängig ist (1993, ZGR 176). Es sei deshalb „methodenehrlicher und interessengerechter, gleich § 823 II BGB in der Weise der Rechtsfortbildung zu eröffnen, daß der Schutzzweck des Verhaltensgebots zum Dreh- und Angelpunkt der Schadensersatzhaftung wird“ (1993, ZGR 206). Die mit dem Eintritt der Unterkapitalisierung entstehenden Pflichten dienten unmittelbar dem Schutz der Gläubiger, und somit sei eine Außenhaftung begründet (1993, ZGR 206 f.). 277 Ulmer (2002), JZ 1049. Ebenso Hueck / Fastrich-Fastrich, § 13, Rn. 16 a. E. 278 Ulmer (2002), JZ 1049: „Eine solche Entwicklung [einer Fallgruppe der Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung] liegt schon deshalb nahe, weil die Kapitalsicherungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG auch in derartigen Fällen, angesichts des von den Gesellschaftern zu verantwortenden völlig unzureichenden Stammkapitals, faktisch leerlaufen und als Schutzinstrument für die GmbH-Gläubiger ausfallen. Trifft der vom BGH im KBV-Urteil aufgestellte Rechtssatz zu, daß unabdingbare Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG durch die Gesellschafter die Trennung des Vermögens der Gesellschaft von demjenigen der Gesellschafter und die Respektierung seiner Zweckbindung für die Gesellschaftsbelange ist, so sollte Entsprechendes auch in denjenigen Fällen gelten, in denen die Vermögenstrennung bereits im Ansatz daran scheitert, daß die Gesellschafter entweder von vornherein oder im weiteren Verlauf der Gesellschaft nicht das für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit unerläßliche Mindestkapital zur Verfügung gestellt, sondern in der Hoffnung auf überraschende Erfolge eindeutig zu Lasten der Gläubiger spekuliert haben.“ 279 Lutter / Hommelhoff-Lutter, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 11: „[A]uch wer eine Gesellschaft mit unangemessen niedrigem Kap[-ital] betreibt, mißbraucht sie und mißachtet ihre Fähigkeit zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten. Es wäre auch nicht begründbar, weshalb der nachträgliche Resourcenabzug die Existenzvernichtungshaftung auslösen, die anfängliche Resourcenverwehrung dagegen haftungsrechtlich unbeachtlich sein sollte.“ 280 Ulmer-Raiser, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 162–164.

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2. Südafrikanische Rechtslage (insolvent trading) Die englische Entsprechung des deutschen Begriffs der Unterkapitalisierung ist „undercapitalisation“ oder (häufiger) „thin capitalisation“. Diese Begriffe sind allerdings in Südafrika ungebräuchlich.281 Stattdessen werden der deutschen Unterkapitalisierungsproblematik ähnliche Fälle unter dem Begriff des „insolvent trading“ („trading in insolvent circumstances“ oder „fraudulent / reckless incurring of debts“) behandelt. Dabei ist allerdings zuzugestehen, dass solche Sachverhalte des insolvent trading keine wirkliche Parallele zur Fragestellung der Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung, sondern eher eine Parallele zur deutschen Insolvenzverschleppungshaftung darstellen. a) Begriffsdefinitionen aa) Share capital (issued share capital, authorised share capital) In Südafrika ist für Kapitalgesellschaften (companies) im Gegensatz zu Deutschland kein Mindeststammkapital vorgeschrieben.282 Somit können auch Gesellschaften mit einem Stammkapital (share capital) von einem Rand ins Leben gerufen werden. 281 Die südafrikanische Rechtsprechung hat den Begriff „thin capitalisation“ bislang noch nie verwendet. Der Begriff „undercapitalisation“ taucht in der Urteilssprache nur ein einziges Mal auf und auch dort nicht als rechtstechnischer Begriff (Philotex Pty Ltd v Snyman, Braitex Pty Ltd v Snyman (1998) SA (2) 138 (SCA) 168). Die Begriffe sind in den USA und in Kanada üblicher, vgl. z. B. Welling, Corporate Law in Canada, 142 ff. Keiner der beiden Begriffe wird im südafrikanischen Gesetzesrecht (statute law) verwendet. Auf untergesetzlicher Ebene taucht der Begriff „thin capitalisation“ allerdings im Einkommenssteuerrecht auf und ist dort („The thin capitalisation rule“) im Zusammenhang mit § 31 Income Tax Act in einer Practice Note des South African Revenue Service definiert (Practice Note No. 2 of 14 May, 1996: „Determination of taxable income where financial assistance has been granted by a non-resident of the Republic to a resident of the Republic“). Diese Definition steht aber in keinem Zusammenhang zu insolvent trading. Auch hat die südafrikanische Rechtsprechung bislang noch nie im Zusammenhang mit insolvent trading auf diese Definition Bezug genommen. § 31 Income Tax Act regelt (vereinfacht), unter welchen Voraussetzungen von einer Gesellschaft auf Gesellschafterdarlehen gezahlte Zinsen nicht mehr als einkommenssteuerrechtlich abzugsfähig angesehen werden können. Dies ist dann der Fall, wenn die Fremdfinanzierung (Darlehen, Schuldbriefe, . . . – „Interest bearing financial assistance“) der Gesellschaft „übertrieben“ („excessive“) im Verhältnis zu ihrem Eigenkapital („fixed capital“) ist. Das Tatbestandsmerkmal „excessive“ ist gemäß der Practice Note erfüllt, wenn das Verhältnis von Fremdfinanzierung zu Eigenkapital 3:1 überschreitet. Ab diesem Verhältnis gilt dann „thin capitalisation“ als vorliegend. s. a. Huxham / Haupt, Income Tax, 348 ff. 282 Vgl. Van Dorsten, South African Business Entities, 131: „There is no prescribed minimum capital and no restriction on the number, value or classes of shares that a company may issue, nor on the number of shares that a shareholder may hold.“

III. „Unterkapitalisierung‘‘ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage

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Die Höhe des gestatteten Emissionskapitals (authorised share capital) wird in der Gründungsurkunde (memorandum) der Gesellschaft festgeschrieben.283 Geschäftsanteile dürfen nicht ausgegeben (issued) werden, bevor nicht der Ausgabepreis an die Gesellschaft in voller Höhe bezahlt ist.284 bb) Insolvency (factual insolvency und commercial insolvency) Im Hinblick auf insolvency werden die beiden Tatbestände factual insolvency und commercial insolvency voneinander unterschieden. Nach allgemein anerkannter richterlicher Begriffsbestimmung liegt factual insolvency vor, wenn bilanzmäßig die Verbindlichkeiten (liabilities) der Gesellschaft ihr Vermögen (assets) übersteigen; factual insolvency entspricht somit dem deutschen Tatbestand der Überschuldung. Demgegenüber liegt commercial insolvency vor, wenn eine Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht mehr fälligkeitsgerecht bedienen kann;285 commercial insolvency entspricht somit dem deutschen Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit. Als rechtlich erheblich soll nur Zahlungsunfähigkeit (commercial insolvency) gelten.286 Das südafrikanische Recht gilt insoweit seit der Leitentscheidung Carbon Developments (1993) als gefestigt.287 Eine Ausnahme gilt allerdings nach gesetzesrechtlicher Lage für diejenigen Fälle, in denen das Gericht auf Klageantrag hin eine Gesellschaft wegen insol283

§ 52 Abs. 2 Companies Act. § 92 Abs. 1 Companies Act. 285 Vgl. die richterliche Definition in der Leitentscheidung (per Goldstone, JA) Ex parte de Villiers and Another: In re Carbon Developments (Pty) Ltd (in liq) (1993) (1) SA 493 (im Folgenden als Carbon Developments (1993) abgekürzt), die sich damit die Definition der Vorinstanz (per Stegman, J) in Ex parte de Villiers: In re Carbon Developments (Pty) Ltd (in liq) (1992) (2) SA 95 (W) 112A–113D zu eigen machte. Dort war der Begriff insolvency definiert worden als „the condition of any person, natural or juristic, whose liabilities exceed his assets fairly valued, and who for this reason is unable to pay all of his debts in full, irrespective of the fact that some of such debts may not already have fallen due“ (112A–B). 286 Carbon Developments (1993) 502H–I und 503B, wo eine Passage aus der Vorläuferentscheidung Ex parte Strydom NO: In re Central Plumbing Works (Natal) (Pty) Ltd (1988) (1) SA 616 (D) 623C–E (per Friedman, J und Wilson, J) als „unexceptionable“ bezeichnet wird: „It is true that [a] . . . company which the Court ,sends back into business‘ is insolvent in the sense that its liabilities (all of which are owing to its new controller) exceed its assets. Any company which has accumulated losses in excess of its share capital is insolvent in this sense. And there are undoubtedly very many companies operating exceedingly successfully in the real business world in this position. From a commercial point of view, however (and this is recognized in many ways in the Companies Act), the true test of a company’s solvency is not whether the company’s liabilities exceed its assets but whether it is able to pay its debts.“ 287 Van Dorsten, South African Business Entities, 283: „It is settled law . . . that the true test of solvency for trading purposes is not whether the company’s liabilities exceed its assets but whether it is able to pay its debts.“ 284

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

vency auflöst. Die hierfür erhebliche insolvency ist in § 345 Companies Act umschrieben. Hier kann es daher dazu kommen, dass auch eine sich noch nicht im Bereich der Zahlungsunfähigkeit, sondern nur im Bereich der Überschuldung befindliche Gesellschaft aufgelöst wird, weil einer der Insolvenztatbestände des § 345 Companies Act einschlägig ist.288,289 Eine bestehende Zahlungsunfähigkeit kann durch eine Rangrücktrittsvereinbarung (subordination agreement) mit den Gläubigern abgewendet werden.290 b) Rechtliche Behandlung Das südafrikanische Recht sieht im Falle von insolvent trading drei Gläubigerschutzmechanismen vor: Erstens eine gerichtliche Auflösung (liquidation) der Gesellschaft auf Antrag hin gem. § 344 (f) i.V. m. § 345 Companies Act. Zweitens eine persönliche Haftung der Geschäftsführer (directors), der Gesellschafter und sogar außenstehender Dritter (einschließlich anderer juristischer Personen [companies]291) gem. § 424 Abs. 1 Companies Act und daneben292 288 § 344 (f) Companies Act [Circumstances in which company may be wound up by Court] „A company may be wound up by the court if . . . (f) the company is unable to pay its debts as described in section 345 . . .“ § 345 Companies Act [When company deemed to pay its debts] „(1) A company . . . shall be deemed to be unable to pay its debts if (a) a creditor . . . to whom the company is indebted in a sum not less than one hundred Rand then due . . . has served on the company . . . a demand requiring the company to pay the sum so due . . . and the company . . . has for three weeks thereafter neglected to pay the sum, or to secure or compound for it to the reasonable satisfaction of the creditor . . . or (c) it is provided to the satisfaction of the Court that the company is unable to pay its debts.“ 289 Vgl auch Luiz / Van der Linde, Trading in insolvent circumstances – Its relevance to sections 311 and 424 of the Companies Act, in: SAMercLJ, (5) 1993, 230 (231 / 232): „The word ,debts‘ [in § 345 Abs. 1 (c) Companies Act] . . . connote[s] all debts that have been occurred . . . Thus, a debt which is due but not yet payable must be taken into account when determining a company’s ability to pay its debts [i. S. d. § 344 (f) Companies Act] . . . It thus follows that the ability of a company to pay its current debts does not detract from the fact that it may be liable to be wound up on the basis that it is unable to pay all its debts (under s 344 (f) read with s 345(1)(c) and s 345(2)). The concept ,commercial insolvency‘ was intended to supplement rather than substitute factual insolvency.“ 290 Zu solchen subordination agreements und ihrer rechtlichen Wirkung s. im einzelnen Van Dorsten, South African Business Entities, 288 ff. und Goldstone, JA in Carbon Developments (1993) 504H–I. 291 Vgl. die Entscheidung Cooper NNO v SA Mutual Life Assurance Society (2001) (1) SA 967 (SCA) 976B–C (per Harms, JA, mit den zustimmenden Voten der Richter Smalberger, JA, Vivier, JA, Zulman, JA und Mpati, AJA), in der ein Anspruch gegen eine Gesellschaft aus § 424 Abs. 1 Companies Act geprüft wurde. „Roux J [der Richter der Vorinstanz] held that s 424 does not create liability for juristic persons but only for natural persons, mainly because of the use of the term ,personally liable‘ in the section . . . [T]his reasoning . . . is, however, contrary to other authority (for example Anderson and Others v Dickson and Another NNO (Intermenua (Pty) Ltd Intervening) (1985) (1) SA 93 (N) at 110A–B).“ Vgl. ferner die Entscheidung Simon v Mit-

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auch noch deren deliktsrechtliche persönliche Haftung nach Gemeinrecht aus fraud oder negligence im Wege der actio legis Aquiliae.293 Nicht anerkannt ist bislang in Südafrika eine sui generis-Haftung des director aus Treupflichtverletzung (breach of fiduciary duty) gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft.

sui, in der eine Haftung mehrerer Gesellschaften (unter anderem der Mitsui Co Ltd) aus § 424 Abs. 1 Companies Act von den Klägern begehrt wurde (Simon v Mitsui 476A, 478E–F, 480F ff.). Die Möglichkeit der Haftung einer Gesellschaft aus § 424 Abs. 1 Companies Act wurde in Südafrika erstmals in Anderson v Dickson NO (1985) (1) SA 93 (N) 109I–110B (per Booysen, J) angedeutet: „It is, of course, correct that s[ection] 424 may not be invoked against a company merely upon the basis that it is vicariously liable on account of the conduct or fault of its servants or agents . . . It does not follow, however, that a company cannot be held liable under s 424. It is equally clear that one has to distinguish between a situation in which it is sought to invoke s 424 to hold a company liable on account of its own conduct or fault and a situation in which it is sought to hold the company vicariously liable on account of the conduct or fault of its servants or agents.“ Die Entscheidung Cooper NNO v SA Mutual Life Assurance verweist auf diese Passage. 292 Diese Haftungsmöglichkeiten bestehen nebeneinander, vgl. Ex parte Lebowa Development Corporation Ltd (1989) (3) SA 71 (T) 109D / E und 116I (per Stegman, J) und Ex parte de Villiers: In re Carbon Developments (Pty) Ltd (in liq) (1992) (2) SA 95 (W) 144E–149C (per Stegman, J). Vgl. auch Meskin, Henochsberg on the Companies Act I, 913: „The section [§ 424 Companies Act] supplements, and does not replace, remedies which may be available at common law to any person (Ex parte Lebowa Development Corporation Ltd (1989) (3) SA 71 (T) at 109) . . . Indeed, it enables the Court to impose a liability on a person where at common law such liability might not exist (ibid.; Howard v Herrigel NO (1991) (2) SA 660 (AD) at 672[C– E]), or where such a claim under the common law may be difficult to prove.“ In Howard v Herrigel 672C–E (per Goldstone, JA) wurde hervorgehoben, dass eine auf § 424 Abs. 1 Companies Act gestützte Klage wegen fraudulent trading für den Kläger zwei Vorzüge hat gegenüber einer auf common law fraud gestützten Klage: Zum einen muss er nicht Kausalität zwischen fraud und Schaden beweisen. Und zum anderen muss er nicht die Höhe des entstandenen Schadens beweisen, da dem Gericht in dieser Hinsicht in § 424 Abs. 1 Companies Act ein weites Rechtsfolgeermessen eingeräumt ist. Zu den Schwächen des § 424 Abs. 1 Companies Act aus der Sicht des Klägers s. o. Kap. A. II. 2. b) aa). 293 J. S. A. Fourie (1996), CLDS II 42. Wie über § 424 Abs. 1 Companies Act kann auch über diese common law-Haftungsinstrumente ferner die Gesellschaft selbst haftbar gemacht werden, vgl. O. J. S. Fourie Die plig van direkteure teenoor die maatskappyskuldeisers [„Die Pflicht der Geschäftsführer gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft“], in: SAMercLJ, (4) 1992, 25 (48): „Wanneer ’n skuldeiser bewus word daarvan dat ’n maatskappy in insolvente omstandighede handel dryf en voortgaan om verdere dienste en goedere op krediet te verkry, kan die maatskappy en direkteure ingevolge die gemeenregtelike beginsels van bedrog aangekla word.“ O. J. S. Fourie verweist (1992, SAMercLJ 48, Fn. 168) zur Unterstützung dieser These auf Ex Parte Lebowa Development Corporation Ltd 1989 (3) SA 71 (T) 106G–I. Dieser Verweis ist allerdings unklar, denn dort finden sich keine eigenen Aussagen zu einer solchen deliktischen common law-Haftung der Gesellschaft aus fraud. Zur deliktischen Haftung juristischer Personen (delictual corporate liability) s. o. Kap. C. I. 1. c).

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Praktisch findet rechtserhebliches trading in insolvent circumstances in der Form des Eingehens neuer Verbindlichkeiten (namentlich Darlehens-, aber auch Kaufpreis-, Werk- / Dienstlohnzahlungsverbindlichkeiten) statt. Als Haftende kommen deshalb in erster Linie die directors und die officers der Gesellschaft in Frage. Fraglich ist, wann ein derartiger Geschäftsbetrieb (insbesondere die weitere Kreditaufnahme im Namen der Gesellschaft zu Zeiten, zu denen diese bereits überschuldet oder zahlungsunfähig ist) eine solche persönliche Haftung entstehen lässt. Hier wird wieder nach Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unterschieden: Liegt Zahlungsunfähigkeit oder gar zusammen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit vor, muss – falls nicht neues Eigenkapital oder neuer Eigenkapitalersatz zugeführt wird oder Rangrücktrittsvereinbarungen getroffen werden und der Zustand der Zahlungsunfähigkeit so abgewendet wird – der Geschäftsbetrieb eingestellt werden und dürfen auch keine weiteren Verbindlichkeiten eingegangen werden. Andernfalls trifft die directors eine persönliche Vorsatzhaftung (fraudulent trading i. S. d. § 424 Abs. 1 Companies Act oder gemeinrechtliche fraud-Haftung). Liegt dagegen nur Überschuldung vor, so darf der Geschäftsbetrieb (einschließlich der Aufnahme neuer Verbindlichkeiten) fortgesetzt werden, sofern der sogenannte Test of directors’ genuine belief (auch als „Clouds and sunshine“-Test bezeichnet) diesen Schluss erlaubt. Nach diesem in der Leitentscheidung Carbon Developments 1993 (per Goldstone JA) herangezogenen Test wird darauf abgestellt, ob die directors zum Zeitpunkt des Eingehens der Verbindlichkeit der Gesellschaft gutgläubig waren (directors’ genuine belief) im Hinblick darauf, dass die Gesellschaft bezüglich dieser Verbindlichkeit nicht zahlungsunfähig werden werde und sie somit fälligkeitsgerecht zurückbezahlen können werde.294 294 Van Dorsten, South African Business Entities, 284. Vgl. Goldstone, JA in Carbon Developments (1993) 503H–504B, wo befürwortend der „Clouds-and-sunshine“Test zitiert wird: „In a transaction on credit, the representation as to ability to pay is a representation by the purchaser of a present belief that he will be able to pay when payment falls due, rather than a representation as to what his financial conditions will in fact be at a future date. If his belief is genuine, even somewhat optimistic, the representation is not false, whatever his financial position may turn out to be at the due date . . . [W]hat is placed in issue is a state of mind rather than financial condition . . . This statement of our law with regard to the fraudulent incurring of credit is consistent with the following statement [einer früheren Entscheidung, in der der „Cloudand-sunshine“-Test formuliert wurde]: ,[T]here is nothing wrong in the fact that directors incur credit at a time when, to their knowledge, the company is not able to meet all its liabilities as they fall due. What is manifestly wrong is if directors allow a company to incur credit at a time when the business is carried on in such circumstances that it is clear that the company will never be able to satisfy its creditors. However, there is nothing to say that directors who genuinely believe that the clouds

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Die Vorsatztatbestände fraud (im common law) und fraudulent trading (in § 424 Abs. 1 Companies Act) sind daher schon im Hinblick auf ihren subjektiven Tatbestand nicht erfüllt, wenn ein solcher genuine belief des director vorliegt.295 Bei den Fahrlässigkeitstatbeständen negligence (im common law) und reckless trading (in § 424 Abs. 1 Companies Act) ist die Lage dagegen anders: Eine Haftung entfällt dort nur, wenn der genuine belief des director gemessen am verobjektivierten Standard eines „reasonable businessman in similar circumstances“296 nicht vorwerfbar war. Im Hinblick auf Haftungen aus „negligence, default [oder] breach of duty“ hat die Rechtsprechung unter den Voraussetzungen des § 248 Companies Act297 ein Haftungsreduzierungsermessen (relief) bezüglich der Haftungsschuldner director und officer. Eine vollständige Haftungsfreistellung ist dagegen gem. § 247 Companies Act ausdrücklich nicht möglich.298 Gesellschafter und außenwill roll away and the sunshine of prosperity will shine upon them again . . . are not entitled to incur credit to help them to get over the bad time.‘“ 295 s. Van Dorsten, South African Business Entities, 285: „Fraud is a crime and a delict that requires intention. A director acts fraudulently only if he has a subjective intention to deceive. A director cannot therefore be convicted of fraud if he can show that he genuinely believed . . .“ s. a. Van Dorsten, South African Business Entities, 285: „Where recklessness is concerned . . . [:] A director who raises the defence of a ,genuine belief‘ can succeed only if he can show that his belief was reasonable.“ 296 So die Formulierung in der Leitentscheidung Ozinsky v Lloyd (1992) (3) SA 396 (C) 414B–C (per Van Deventer, J; im Fall ging es um persönliche Haftung der directors aus § 424 Abs. 1 Companies Act wegen reckless trading): „What has to be shown is an attitude of reckless regard of the consequence of the conduct complained of. The test to be applied is an objective one, namely the standard of care that would be observed by a reasonable businessman in similar circumstances.“ 297 § 248 Companies Act: „[Relief of directors and others by Court in certain cases] (1) If in any proceedings for negligence, default, breach of duty or breach of trust against any director, officer or auditor of the company it appears to the Court that the person concerned is or may be liable in respect of the negligence, default, breach of duty or breach of trust, but that he has acted honestly and reasonably, and that, having regard to all the circumstances of the case . . . he ought fairly to be excused for the negligence, default, breach of duty or breach of trust, the Court may relieve him, either wholly or partly, from his liability on such terms as the Court may think fit. (2) . . .“ 298 § 247 Companies Act: „[Exemption from or indemnity against liability of directors, officers or auditors of a company] (1) Subject to the provisions of subsection (2), any provision, whether contained in the articles of a company or in any contract with a company, . . . which purports to exempt any director or officer or the auditor of the company from any liability which by law would otherwise attach to him in respect of negligence, default, breach of duty or breach of trust of which he may be guilty in relation to the company or to indemnify him against any such liability, shall be void. (2) The provisions of subsection (1) shall not be construed as prohibiting a company from indemnifying any director, officer or auditor in respect of any liability incurred by him in defending any proceedings, whether civil or criminal, in which judgement is given in his favour . . . or in respect of any such proceedings which are abandoned or in connection with any application under section 248 in which relief is granted to him by the Court.“

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

stehende Dritte (ausgenommen die Wirtschaftsprüfer [auditors] der Gesellschaft) können nach dem Wortlaut des § 248 Companies Act nicht privilegiert werden. Zu § 248 Companies Act gibt es bislang nur wenig Rechtsprechung.299 Zudem besteht hierzu Streit im Hinblick auf die wesentliche Frage, ob mittels § 248 Companies Act nur von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den director bzw. officer freigestellt werden kann oder auch von Ansprüchen Dritter (insbesondere geschädigten Gläubigern der Gesellschaft gegen den director bzw. officer). Der Wortlaut des § 248 Companies Act enthält hier keinerlei Beschränkungen, so dass ein Teil der Rechtslehre auch letztere Ansprüche erfasst sehen will.300 Anders die Rechtsprechung sowie der andere Teil der Rechtslehre301 unter Hinweis auf entsprechende englische Rechtsprechung302 zur britischen Parallelvorschrift303 des südafrikanischen § 248 Companies Act.304 299 J. S. A. Fourie, Enkele historiese perspektiewe op die vertrouenspligte van direkteure en artikel 248 van die Maatskappywet, in: StellLR, (2) 1991, 339 (347). Vgl. z. B. Ex parte Lebowa Development Corporation Ltd (1989) (3) SA 71 (T). Eine Vorläufernorm zu § 248 Companies Act ist in Niagara Ltd (in liq) v Langerman (1913) WLD 188 angewandt worden. 300 Meskin, Henochsberg on the Companies Act I, 460. 301 J. S. A. Fourie (1996), CLDS II 42. 302 In Customs & Excise Commisioners v Hedon Alpha Ltd [1981] 2 All ER 697 (CA) 702b 703d (bzgl. § 448 Companies Act 1948) wurde die Möglichkeit einer Haftungsreduzierung per § 448 des britischen Companies Act im Hinblick auf zivilrechtliche Ansprüche Dritter trotz einer entsprechend weiten Formulierung der Vorschrift mit folgenden drei Argumenten abgelehnt: Erstens ergebe sich aus dem Normenzusammenhang, dass § 448 Companies Act nicht bei „,any‘ legal proceedings“ greifen solle (702b: „Wide and general though the opening words of s[ection] 448 are, read in their context they do not allow an officer or an auditor of a company to claim relief in ,any‘ legal proceedings which may be brought against him in his capacity as an officer or auditor of a company by the rest of the world.“). Zweitens könnten directors nach einigen Vorschriften des Companies Act gesetzlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Eine gleichzeitig bestehende gesetzliche Möglichkeit zur Haftungsreduzierung sei hiermit nicht stimmig (703c: „If Parliament had wished to provide a director, whom it exceptionally makes liable to discharge a company liability, with the protection of s 448 or some other protection, it would, in my judgement, have done so by express words, either by subjecting the statutory liability to the right to claim relief under s 448 or, as in the Social Security Act 1975, by subjecting it to some other restriction. That Parliament has not done . . .“). Drittens spreche ein Normenvergleich mit § 152 Abs. 4 des britischen Social Security Act 1975 für eine Versagung des Haftungsprivilegs (703d–f: „Significant support for the proposition that s 448 Companies Act operates . . . only in relation to claims by a company against its officers or auditor is provided by the Social Security Act 1975, s 152(4) . . .“). 303 § 448 des britischen Companies Act 1948 bzw. dessen Nachfolgernorm § 727 des britischen Companies Act 1985. 304 Ex parte Lebowa: Developments Corporation Ltd (1989) (3) SA 71 (T) 107D („No relief from personal liabilty for fraud“) und 107F („No relief from personal liability for negligence causing loss to a creditor“) und 108B („Limited relief from personal liability causing loss to the company itself“) m.w. N. aus der Rechtsprechung.

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Auch der Teil der südafrikanischen Rechtslehre, der § 248 Companies Act auch auf Ansprüche Dritter anwenden will, will jedoch eine Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act davon aussparen mit der Begründung, dass § 424 Abs. 1 Companies Act keine Haftung sei, die im Sinne von § 248 Companies Act auf „negligence, default . . . [oder] breach of duty“ (wie von § 248 Companies Act gefordert) begründet sei. Verwiesen wird hierbei auf die englische Rechtsprechung zu § 727 des britischen Companies Act 1985 und zu § 214 des britischen Insolvency Act 1986 (Wrongful trading).305 Der Verweis auf § 214 Insolvency Act 1986 ist jedoch insofern bedenklich, als § 214 Insolvency Act 1986 eine reine Innenhaftung (unter anderem) des director gegenüber der Gesellschaft begründet, während demgegenüber § 424 Abs. 1 Companies Act eine Haftung (unter anderem) des director gegenüber Dritten begründet. Eine Haftungsprivilegierung kann somit allenfalls noch für die common lawHaftung greifen. Jedoch dürfte dies für eine common law-Haftung aus negligence mit gleicher Begründung306 wie für eine Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act wegen reckless trading ausscheiden. Ferner ergibt sich aus dem Wortlaut „honestly“ („[director] has acted honestly . . .“) des § 248 Companies Act, dass die Vorschrift für Vorsatzdelikte (fraud) nicht greifen kann.307 Eine common law-Haftung aus negligence (von § 248 Companies Act erfasst) und eine Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act wegen reckless trading (nicht von § 248 Companies Act erfasst) unterscheiden sich dadurch, dass recklessness Fahrlässigkeit in der Form der gross negligence (groben Fahrlässigkeit) 305 Meskin, Henochsberg on the Companies Act I, 461: „The liability of a director, officer . . . in terms of a declaration under s 424(1) is predicated on his having been found by the Court to have been knowingly party to the carrying on of the business of the company in the particular manner envisaged by such subsection. It is respectfully submitted that such liability is not one in respect of negligence, default, breach of duty . . . within the meaning of s 248(1) and accordingly no relief therefrom can be obtained in terms of this section.“ Zur Unterstützung dieser These verweist Meskin a. a. O. auf die englische Entscheidung Re Produce Marketing Consortium Ltd [1989] 3 All ER 1 (Ch). Dort wurde die Anwendbarkeit des § 727 Companies Act auf § 214 Insolvency Act 1986 (Wrongful trading) deshalb verneint, weil die subjektiven Tatbestandsanforderungen des § 727 Companies Act nicht mit dem verobjektivierten (Fahrlässigkeits-)Maßstab des § 214 Insolvency Act 1986 in Einklang zu bringen seien: „The jurisdiction under s 727(1) of the 1985 [Companies] Act . . . was not exercisable in conjunction with . . . s 214 of the 1986 [Insolvency] Act . . ., since the question under s 214 whether the director had taken every step to minimise creditors’ losses was required to be answered objectively according to the knowledge, skill and experience which might reasonably be expected of a person carrying out his functions and according to what he ought to have known . . ., whereas the question under s 727(1) whether he had acted honestly and reasonably was to be answered subjectively. Accordingly, the director could not rely on . . . [a] relief under s 727(1) as a defence to the . . . summons under s 214“ (Re Produce Marketing 1g–h). 306 Re Produce Marketing 1g–h. 307 So auch J. S. A. Fourie (1996), CLDS II 42.

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erfordert,308 während für negligence auch Fahrlässigkeit in Form der leichten Fahrlässigkeit genügt. Eine Primärhaftung des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft im Falle von insolvent trading aus Verletzung einer eigenen Treupflicht (breach of fiduciary duty) des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft wird in Südafrika seit längerem diskutiert,309 ist aber bislang nach wie vor unzweifelhaft nicht anerkannt.310 Das Bestehen einer solchen Treupflicht gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft ist im Übrigen nur für den director in Erwägung gezogen worden; für die Gesellschafter besteht sie dagegen unstreitig nicht und auch für beherrschende Gesellschafter sowie de facto-Geschäftsführer ist sie unstimmigerweise noch nie diskutiert worden. Anerkannt und unstreitig ist wie in Deutschland, dass der director eine Treupflicht gegenüber der Gesellschaft innehat (fiduciary duty to act bona fide in the interests of the company).311 Zuerst in Australien, dann in Neuseeland und später auch in England ist dieses Treupflichtverhältnis zwischen director und Gesellschaft dahingehend erweitert worden, dass hierin auch die Belange der Gläubiger der Gesellschaft eingestellt zu werden haben.312 Die Entwicklung in der (englischen und austra308

Ozinsky NO v Lloyd (1992) (3) SA 396 (C) 413I (per Van Deventer, J). Vgl. insbesondere J. S. A. Fourie (1996), CLDS II 22, O. J. S. Fourie (1992), SAMercLJ 25 ff. 310 Eine detaillierte Diskussion findet sich bei J. S. A. Fourie (1996), CLDS II 36 ff. Vgl. auch O. J. S. Fourie (1992), SAMercLJ 25 und Cilliers, Corporate Law, 162 f. (Kap. 10.62–10.63). 311 Schon seit Percival v Wright [1902] 2 Ch 421 425 ff. 312 Mit schlüssiger Argumentation kritisch zu dieser Konzeption Worthington, Directors’ duties, creditors rights and shareholders intervention, in: Melbourne University LR, (18) 1991, 121 (140 f.), vgl. J. S. A. Fourie (1996), CLDS II 37 f. Den Startschuss für diese Entwicklung gab die australische Entscheidung Walker v Wimborne (1979) Australian LJR 446 (449: „[T]he directors of the company in discharging their duty must take account of the interest of its shareholders and its creditors“), gefolgt von der neuseeländischen Leitentscheidung Nicholson v Permakraft (NZ) Ltd (1985) NZLR 242 (249: „The duties of directors are owned to the company. On the facts of particular cases this may require the directors to consider inter alia the interests of the creditors . . . if the company is insolvent or near-insolvent . . .“). In England ist noch weitergehend in einem obiter dictum in Winkworth v Edward Baron Development Co Ltd [1987] 1 All ER 114 (HL) 118d–e (per Lord Templeman) angenommen worden, dass directors gegenüber der Gesellschaft und auch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft die Pflicht haben sicherzustellen, dass die Geschäftsangelegenheiten ordentlich geführt werden und nicht Eigentum der Gesellschaft zum Eigennutz der directors zum Nachteil der Gläubiger verwendet wird: „[A] company owes a duty to its creditors . . . The company is not bound to pay off every debt as soon as it is incurred, and the company is not obliged to avoid all ventures which involve an element of risk but the company owes a duty to its creditors to keep its property inviolated and available for the repayment of its debts. The conscience of a company, as well as its management, is confided to its directors. A duty is owed by 309

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lischen) Rechtsprechung ging in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre bereits so weit, dass nicht nur von einer solchen erweiterten Treupflicht des director gegenüber der Gesellschaft die Rede war, sondern man sich konzeptionell schon deutlich einem eigenen Treupflichtverhältnis zwischen director und Gläubigern der Gesellschaft näherte.313 Der Höhepunkt dieser Entwicklung wurde in England mit einem obiter dictum von Lord Templeman in Winkworth v Edward Baron Development Co Ltd314 erreicht; in Westaustralien wurde in einer ratio decidendi sogar ausdrücklich festgestellt, dass directors eine Treupflicht gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft innehaben.315 Unklar blieb, ob ein solches

the directors to the company and to the creditors of the company to ensure that the affairs of the company are properly administered and that its property is not dissipated or exploited for the benefit of the directors themselves to the prejudice of the creditors.“ Vgl. auch [1987] 1 All ER 114 (HL) 115b–e (wieder per Lord Templeman): „Held . . . (2) Having regard to the facts (a) that . . . the husband and wife had breached the duty which they as directors owed to the company and its creditors to ensure that the affairs of the company were properly administered, and (b) that the wife had failed to . . . exercise her powers as a director, equity would not . . . allow the company to hold part of its property on trust for the wife to the detriment of and in priority to the claims of its creditors . . .“ 313 So jedenfalls die Meinung eines Teils der südafrikanischen Literatur zu Winkworth v Edward, vgl. O. J. S. Fourie (1992), SAMercLJ 34 / 35: „Lord Templeman . . . beslis [in Winkworth v Edward] ondubbelsinnig [„unzweideutig“] . . . dat ’n maatskappy ’n plig verskuldig is teenoor huidige en toekomstige . . . skuldeisers. . . . Hy beslis dat direkteure teenoor die maatskappy en teenoor skuldeisers ’n plig verskuldig is om te verseker dat die sake van die maatskappy behoorlik bestuur word, en dat die eiendom van die maatskappy nie verkwis of tot hul eie voordeel uitgebuit word tot nadeel van die skuldeisers nie. Hierdie argument is merkwaardig . . . aangesien dit ’n plig veronderstel deur ’n maatskappy teenoor skuldeisers bo en behalwe hulle kontraktuele verhouding. . . . Dit skyn [„scheint“] ook of Lord Templeman van mening is dat sodanige plig nie via die maatskappy teenoor skuldeisers verskuldig is nie maar direk teenoor die skuldeisers self!“ O. J. S. Fourie (1992), SAMercLJ 37 räumt allerdings ein, dass diese Anerkennung einer eigenen Pflicht des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft durch Templeman nur in einem obiter dictum erfolgt ist und keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstellt. Noch zurückhaltender gibt sich De Koker (2002), TSAR 30 (Fn. 44), der sich nicht einmal sicher zu sein scheint, ob dem betreffenden obiter dictum eine solche eigene Pflicht des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft entnommen werden kann: „Hierdie opmerking [gemeint ist Templemans obiter in Winkworth v Edward 118D–E] konstrueer ’n plig vir direkteure om deurentyd die belange van skuldeisers te oorweeg en struktureer dit oënskynlik [„anscheinend“] as ’n plig wat direk aan die skuldeisers verskuldig is. Hierdie opmerking is egter obiter gemaak en weerspieël nie die algemene siening van so ’n plig nie . . .“ 314 [1987] 1 All ER 114 118d–e (HL). 315 Jeffree v National Companies & Securities Commission (1989) 15 ACLR 217 221 und 227 (Western Australian Supreme Court, per Brinsden, J). Vgl hierzu Baxt, A senior Australian Court gives the ,Thumbs-up‘ to the Winkworth principle – Directors owe a duty to creditors both present and future, in: Company & Securities LJ, (7) 1989, 344 und ders., Getting your directors’ duties (or interests) right – The Western Australian Full Court endorses a radical English decision that directors owe duties to future creditors, in: Australian Business LR, (60) 1989, 404. Vgl. ferner aus der süd-

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Pflichtverhältnis nur in Fällen von Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit oder bereits allgemein bestehen solle. Die südafrikanische Rechtslehre (OJS Fourie) nahm mit Blick auf die englische Rechtsprechung nur Ersteres an.316 Der mit Winkworth v Edward angeführte Trend hat sich allerdings inzwischen wieder deutlich abgeschwächt.317 In Südafrika fand eine entsprechende Entwicklung überhaupt gar nicht erst statt. Dort wird in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, dass eine solche erweiterte oder eigene Pflicht des director auch gar nicht erforderlich sei, um Gläubigerschutz zu gewährleisten, da Gläubigerinteressen in Insolvenzfällen theoretisch bereits über § 424 Abs. 1 Companies Act ausreichend geschützt seien. Nicht ausdrücklich, aber schlüssig vertritt diese Ansicht die These, § 424 Abs. 1 Companies Act enthalte bereits eine gesetzliche Pflicht des director, Gläubigerinteressen in Insolvenzfällen in Betracht zu nehmen, derart, wie sie in Australien und Neuseeland herausgebildet werde.318 Eine andere Ansicht hält afrikanischen Rechtslehre Havenga, Directors’ fiduciary duties under our future company-law regime, in: SAMercLJ, (4) 1997, 310 (318 ff.). 316 O. J. S. Fourie (1992), SAMercLJ 43: „Ter samevatting: In die lig van die problematiek waarop hierbo gewys is moet dit duidelik wees dat die laaste woord nog lank nie gespreek is oor die pligte van die direkteure teenoor skuldeisers nie. In besonder moet nog duidelikheid gekry word oor die vraag teenoor wie hierdie plig verskuldig is. Dit is ook onseker of die plig slegs ten tyde van insolvensie of dreigende insolvensie ontstaan, en of dit ’n deurlopende plig is. Huidige aanduidings is dat die plig slegs by insolvensie of dreigende insolvensie ontstaan. Onsekerheid oor die aard en omvang van die plig maak dit moeilik om inhoud te gee aan wat van direkteure in die toekoms verwag gaan word in hierdie verband. In die afwesigheid van skuldeisersremedies waar die maatskappy solvent is, blyk dit dat ’n verbreking van die plig grootliks ongestraf kan bly, terwyl die aanduidings is dat by insolvensie of dreigende insolvensie die lede nie verbreking van die plig kan kondoneer nie.“ 317 Vgl. Keay, Directors’ duties to creditors: Contractarian concerns relating to efficiency and over-protection of creditors, in: MLR, (66) 2003, 665 (668: „It is generally accepted that the duty is indirect and cannot be enforced by creditors.“), unter Hinweis (a. a. O., 668, Fn. 27) auf Yukong Lines Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corporation [1998] BCC 870 und die australische Entscheidung Spies v The Queen (2000) 173 ALR 529. Ebenso Flannigan, Fiduciary duties of shareholders and directors, in: JBL, 2004, 277 (300 f.). 318 O. J. S. Fourie (1992), SAMercLJ 49 / 50 (s. o. Kap. A. II. 2. b) aa), Fn.-Apparat) und 52: „Dit [blyk] . . . dat daar in beginsel, maar nie in die praktyk nie, voldoende beskerming vervat is in die gemenereg [„common law“] en die statutêre remedies in a[rtikel] 424 en 219. Daar blyk tans nie ’n behoefte te wees aan die erkenning van ’n plig teenoor skuldeisers soortgelyk aan sodanige plig in die Gemenebeslande [„Commonwealth“] nie.“ O. J. S. Fourie gibt keine Stellungnahme dazu ab, ob er im Hinblick auf § 424 Abs. 1 Companies Act diese Pflicht als gesetzlich verfestigte Erweiterung der Treupflicht des director gegenüber der Gesellschaft versteht oder als eigene Pflicht des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Im Hinblick auf die vorliegende englische und australische Rechtsprechung hierzu hält er allerdings Letzteres für vorzugswürdig (1992, SAMercLJ 41 und 50 / 51). Zur Einordnung des § 424 Abs. 1 Companies Act s. auch oben Kap. A. II. 2. b) aa).

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dagegen den von § 424 Abs. 1 Companies Act gebotenen Gläubigerschutz angesichts der praktischen Schwächen des § 424 Abs. 1 Companies Act für ungenügend und befürwortet deshalb eine entsprechende Ergänzung des Companies Act.319 Die südafrikanische Rechtsprechung steht weit hinter der Rechtsprechung in England, Australien und Neuseeland zurück. Es liegt weder eine Entscheidung vor, in der eine Treupflicht des director gegenüber der Gesellschaft erstreckt wird, um auch Gläubigerbelange einzuschließen, noch eine Entscheidung, die eine (Treu-)Pflicht des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft anerkennt.320 Nach OJS Fouries Untersuchungen gibt es allerdings einige obiter dicta, die die Schutzwürdigkeit der Gläubigerinteressen in Insolvenzfällen allgemein betonen, dagegen keine, die dies auch bei solventen Gesellschaften tun.321 Eine Primärhaftung aus Treupflichtverletzung gilt als Haftung sui generis.322 c) Gesellschafterdarlehen als haftender Eigenkapitalersatz? Die in Deutschland überragende Bedeutung der Diskussion um die rechtliche Beurteilung von Eigenkapitalersatz (insbesondere Gesellschafterdarlehen) bei O. J. S. Fourie erkennt im Übrigen auch an, dass § 424 Abs.1 Companies Act praktisch weitgehend als Gläubigerschutzinstrument versagt (1992, SAMercLJ 49 [Fn. 177] und 52). 319 J. S. A. Fourie (1996), CLDS II 45 f.: „In my opinion, . . . section 424 does not provide sufficient protection to creditors of companies trading in insolvent circumstances . . . In my view the legislature should . . . insert [. . .] a statutory provision which imposes a positive duty upon company directors to protect the interests of creditors if they engage in trading while the company is factually insolvent where the company is also unable to pay some of its debts, as they fall due.“ 320 J. S. A. Fourie (1996), CLDS II 36: „South African courts have never imposed a duty on directors to act in the interest of creditors, even in insolvent circumstances.“ 321 O. J. S. Fourie (1992), SAMercLJ 47 f. unter Verweis auf Sammel v President Brand Gold Mining Co Ltd (1969) (3) SA 629 (A) 662 („Here, because of the insolvency of [the company] Saaiplaas, the paramount consideration must be the rights . . . and interests of the creditors and not of the shareholders.“). Ähnlich Ex parte Lebowa Development Corporation Ltd (1989) (3) SA 71 (T) 105E 106H und Ex parte de Villiers: In re MSL Publications (Pty) Ltd (in liq) (1990) (4) SA 59 (W) 82G 86H–87B. 322 Seit Robinson v Randfontein (1921) AD 168 199 (per Innes, CJ: Klage weder aus condictio indebiti noch aus damage noch aus Vertrag) und 240 f. (per Salomon, JA: Klage aus sui generis-Rechtsgrund). Eine Treuplichtverletzung (breach of fiduciary duty) ist ein breach of trust und begründet nach südafrikanischem Rechtsverständnis eine Haftung sui generis; diese ist keine deliktische Haftung (Cohen v Segal (1970) (3) SA 702 (W) 706). Ebenso Naudé, Die Regsposisie van die Maatskappydirekteur met besonderse verwysing na die interne maatskappyverband, 1970, LLD University of South Africa [„Die Rechtsstellung des Geschäftsführers“], 142 f.: „’n Direkteur se aanspreeklikheid op grond van trouskending is onafhanklik van die bestaan van ’n kontraktuele verhouding [en] skuld is in beginsel geen vereiste daarvoor nie . . . Die aanspreeklikheid is derhalwe nie te verklaar as ’n obligatio wat ex contracto of ex delicto ontstaan nie.“

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

unterkapitalisierten Gesellschaften spielt in Südafrika eine vergleichsweise unbedeutende Rolle. Die Rede ist hier in der Regel von „loan capital“ oder „shareholders’ loan“. Selten fällt ferner der Begriff der „insider liabilities.“323 Südafrikanische Gerichte sind nicht bereit, Gesellschafterdarlehen im Falle der Insolvenz der Gesellschaft wie haftendes Eigenkapital zu behandeln. Solche Forderungen sollen im Konkurs der Gesellschaft Konkursforderungen bleiben, und es soll auch kein Rangrücktritt zu ihren Lasten gelten.324 Jedoch hat die Rechtsprechung andererseits deutlich gemacht, dass sie Gesellschafter- / Geschäftsführer-Darlehensgeber (loan capital creditors) für minder schutzwürdig hält als Drittgläubiger (trade creditors): Sie sollen – im Gegensatz zu den trade creditors – nicht die Möglichkeit haben (dies gilt praktisch nur für die Gesellschafter-Darlehensgeber) zur persönlichen Inanspruchnahme der directors im Wege des § 424 Abs. 1 Companies Act im Hinblick auf ihre Forderungen.325 Drittgläubiger sind nach Ansicht der Rechtsprechung in folgender Weise ausreichend geschützt: Erstens stelle es ihnen gegenüber regelmäßig tatbestandsmäßig ein (zumindest) reckless trading i. S. d. § 424 Abs. 1 Companies Act oder eine gemeinrechtliche negligence dar, wenn die Gesellschaft ohne deren Wissen vorwiegend mit Darlehenskapital geschäftstätig sei. Drittgläubiger könnten daher insofern directors und Gesellschafter hieraus persönlich haften lassen.326 Zweitens hätten Drittgläubiger stets die Möglichkeit, zur Absicherung ihrer Forderungen gegenüber der Gesellschaft Barzahlung oder Personalsicherheiten zu verlangen.327 Dieses Argument erscheint jedoch nicht praxisnah. Drittens hätten sie die Möglichkeit, mit den Gesellschafter- / Geschäftsführer-Darlehensgebern 323 Bislang nur einmal, in Ozinsky NO v Lloyd (1992) (3) SA 396 (C) 397H (per Van Deventer, J). 324 Ex parte de Villiers NO: In re MSL Publications (Pty) Ltd (1990) (4) SA 59 (W) 73A (per Stegman, J): „[T]he essential difference between the providers of true risk capital (ie shareholders) and providers of so-called ,loan capital‘ (ie loan creditors) is that on the winding up of the company the former cannot compete with the company’s trade and other creditors to recover their money . . . from the company’s assets, whereas the latter can. In the present case the providers of so-called ,loan capital‘ are indeed competing with the company’s other creditors in the concursus creditorum.“ 325 Ex parte de Villiers NO: In re MSL Publications 65D (per Stegman, J): „A proper investigation could . . . reveal that, if the providers of ,loan capital‘ had known that the company had been trading, not at the risk of shareholders’ capital, but at the risk of its creditors, it could fairly be inferred that the ,loan capital‘ providers had acquiesced in taking that risk to the extent that they had made loans to the company. There would then be no need to burden the directors and other officers with any personal liability for so much of the risk as those particular creditors may be inferred to have taken on themselves.“ Ebenso Ex parte de Villiers NO: In re MSL Publications 76E. 326 Ex parte de Villiers NO: In re MSL Publications 76G und 87G. 327 Ex parte Strydom 623F–G.

III. „Unterkapitalisierung‘‘ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage

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Rangrücktrittsvereinbarungen (subordination agreements) zu Lasten deren Darlehensforderungen gegen die Gesellschaft abzuschließen.328 Viertens schließlich bestehe die gesetzliche Warneinrichtung des § 45 Abs. 1 Auditing Profession Act,329 wonach die Wirtschaftsprüfer (auditors) der Gesellschaft die Pflicht haben, eine sogenannte „reportable irregularity“ („meldepflichtige Unregelmäßigkeit“) in der Finanzierungsweise der Gesellschaft in den Fußnoten zum Jahresabschluss offen zu legen („Qualified opinion“ oder „Disclaimer of opinion“) und dies ferner an die Wirtschaftsprüferkammer (IRBA – Independent Regulatory Board for Auditors) zu melden.330 Darlehensgeber sind somit nach südafrikanischem Recht schwächer geschützt als nach deutschem. Eine den §§ 32a, 32b GmbHG entsprechende gesetzliche Regelung (statute law) oder ein ihnen entsprechender gemeinrechtlicher Grundsatz bestehen zu ihren Gunsten nicht. Nur § 45 Auditing Profession Act hilft ihnen als Warnsignal augenscheinlich. Ansonsten müssen sie sich selbst darum bemühen, ihre Darlehensforderungen ausreichend abzusichern. 3. Vergleichende Betrachtung In Deutschland ist Unterkapitalisierung eine häufig diskutierte Fallgruppe der Durchgriffshaftung. Ihre rechtliche Behandlung ist strittig: Die Literatur befürwortet wohl mehrheitlich eine Durchgriffshaftung. Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist gespalten. Während der Bundesgerichtshof vorzugsweise über de328

Ex parte Strydom 623H. Act No. 26 of 2005. § 45 Abs. 1 Auditing Profession Act lautet: „An individual registered auditor referred to in section 44(1)(a) of an entity that is satisfied or has reason to believe that a reportable irregularity has taken place or is taking place in respect of that entity must, without delay, send a written report to the Regulatory Board [Gemeint ist die Wirtschaftsprüferkammer IRBA (Independent Regulatory Board for Auditors)] . . . The report must give particulars of the reportable irregularity . . . and must include such other information and particulars as the registered auditor considers appropriate.“ § 44 Abs. 1 (a) Auditing Profession Act lautet: „Where a registered auditor that is a firm is appointed by an entity to perform an audit, that firm must immediately after the appointment is made, take a decision as to the individual registered auditor or registered auditors within the firm that is responsible and accountable for that audit . . .“ Der Begriff „reportable irregularity“ ist legal definiert in § 1 Auditing Profession Act: „,[R]eportable irregularity‘ means any unlawful act or omission committed by any person responsible for the management of an entity, which (a) has caused or is likely to cause material financial loss to the entity or to any partner, member, shareholder, creditor or investor of the entity in respect of his, her or its dealings with that entity; or (b) is fraudulent or amounts to theft; or (c) represents a material breach of any fiduciary duty owed by such person to the entity or any partner, member, shareholder, creditor or investor of the entity under any law applying to the entity or the conduct or management thereof; . . .“ 330 Vgl. Van Dorsten, South African Business Entities, 287 f. 329

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

liktische Primärhaftungstatbestände Lösungen finden zu wollen scheint, hat das Bundessozialgericht Durchgriffshaftung in einer Entscheidung bereits bejaht. Neben deliktischer Primärhaftung (vorwiegend aus § 826 BGB und über § 823 Abs. 2 BGB [Insolvenzverschleppungshaftung]) kommt eine Eigenhaftung (des Geschäftsführers; strittig im Hinblick auf faktische Geschäftsführer und aktive Mehrheitsgesellschafter) aus culpa in contrahendo in Betracht. In Südafrika wird in Unterkapitalisierungsfällen nur im Hinblick auf § 424 Abs. 1 Companies Act (unter dem Schlagwortbegriff des insolvent trading) ein piercing of the corporate veil diskutiert. Die Literatur befürwortet dort mehrheitlich, § 424 Abs. 1 Companies Act als piercing-Vorschrift (statutory piercing) zu verstehen. Die Rechtsprechung hat hierzu noch nichts verlauten lassen. Zur Art der von § 424 Abs. 1 Companies Act ausgelösten Haftung besteht im Übrigen erhebliche Unklarheit.331 Neben § 424 Abs. 1 Companies Act ist unstreitig eine Haftung gegenüber Dritten (Gläubigern der Gesellschaft) nach Gemeinrechtsgrundsätzen (fraud oder negligence) möglich. Eine solche Deliktshaftung wird im Gegensatz zur Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act nicht gleichermaßen einstimmig als piercing of the corporate veil verstanden („common law-piercing“ im Gegensatz zum „statutory piercing“ nach § 424 Abs. 1 Companies Act). Vielmehr werden hier zwei verschiedene Lösungswege vertreten (sog. deliktsrechtlicher Ansatz und sog. gesellschaftsrechtlicher Ansatz). § 424 Abs. 1 Companies Act ist, was seinen Haftungsadressatenkreis angeht, sehr weit gefasst. Haften können neben directors und Gesellschaftern auch außenstehende Dritte. Gedacht ist hierbei insbesondere an controllers of puppet directors (auch als shadow directors bezeichnet). Die deutsche Fallgruppe der Durchgriffshaftung erfasst dagegen (soweit sie anerkannt wird) als Haftungsadressaten nur die Gesellschafter (und im Falle von geschäftsführenden Gesellschaftern die betreffenden Personen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter), nicht dagegen Organe. Organe können demgegenüber (ebenso wie Gesellschafter) bei vorliegender Gläubigerschädigungsabsicht im Wege deliktischer Primärhaftung (vor allem aus § 826 BGB) gegenüber Dritten haften. Unklar war in Südafrika längere Zeit, ob auch juristische Personen (companies oder close corporations) aus § 424 Abs. 1 Companies Act haften können. Dies wurde nun in Cooper v SA Mutual Life Assurance (2001) und davor in Simon v Mitsui (1997) klar bejaht. Allerdings wurde in beiden Entscheidungen eine Haftung der Gesellschaft jeweils letztlich nach Tatsachenlage abgelehnt. Damit ist bis heute § 424 Abs. 1 Companies Act noch nicht erfolgreich angewandt worden, um eine juristische Person haften zu lassen.

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s. o. Kap. A. II. 2. b) aa).

III. „Unterkapitalisierung‘‘ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage

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Die Haftung nach § 424 Abs. 1 Companies Act (in dessen „fraudulent trading“-Tatbestandsalternative) einerseits und die Haftung aus § 826 BGB (wegen Gläubigerschädigungsabsicht) andererseits haben tatbestandlich einige Gemeinsamkeiten, weisen aber auch erhebliche Unterschiede auf: Gemeinsam ist ihnen, dass sie jeweils sowohl Gesellschafter als auch Geschäftsführer als auch außenstehende Dritte erfassen können. Unterschiedlich ist zum einen ihre jeweilige Einordnung, wenngleich auch im deutschen Recht Durchgriffshaftung und Primärhaftung nach § 826 BGB nicht immer einwandfrei auseinander gehalten wurden. Ferner, dass § 424 Abs. 1 Companies Act erhebliche praktische Schwächen aufweist und deshalb seit seinem Inkrafttreten praktisch erst wenig einschlägig war. Außerdem erfordert eine Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act nicht (den Nachweis von) Kausalität zwischen Handlung (Nachteilszufügung) und Verbindlichkeit, während die Haftung aus § 826 BGB Kausalität zwischen Handlung und Schaden verlangt. Schließlich ist die Rechtsfolge des § 424 Abs. 1 Companies Act anders gefasst: Sie geht nicht allgemein auf Schadensersatz (compensation of damage), sondern lässt nur für bestehende schuldrechtliche (debts) und sonstige (vor allem gesetzliche [deliktische, bereicherungsrechtliche]) Verbindlichkeiten (liabilities) der Gesellschaft haften. In der südafrikanischen Rechtslehre gelangt man zunehmend zu der Erkenntnis, dass die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Gläubigerschutzmechanismen in Fällen von insolvent trading unzulänglich sind: Es verbleibt praktisch nur das common law-Deliktsrecht; § 424 Abs. 1 Companies Act hat sich bislang weitgehend als Papiertiger erwiesen. Und eine common law-rechtliche Treupflichthaftung des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft ist zwar im Gespräch, aber ist jedenfalls (noch) nicht anerkannt. Die Literatur (JSA Fourie) hat deshalb bereits gefordert, den Companies Act zu ergänzen und eine entsprechende Pflicht des director einzufügen. Im deutschen Recht gibt es einen vergleichbar einhelligen Mangelbefund nicht. Neben der Möglichkeit der Durchgriffshaftung wird hier mit den drei Instrumenten deliktische Primärhaftungstatbestände, Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen und Konzernaußenhaftung gearbeitet und werden diese als ausreichend angesehen. Sowohl südafrikanisches als auch deutsches Recht haben Schwierigkeiten festzulegen, ab wann ein haftungsauslösender Grad an Unterkapitalisierung bzw. insolvency vorliegt. In Deutschland rankt sich die Diskussion sowohl um den Begriff der materiellen Unterkapitalisierung als auch um die sogenannte nominelle Unterkapitalisierung und die Frage, ob und wann Gesellschafterdarlehen als haftender Eigenkapitalersatz mitberücksichtigt werden sollen. Die Diskussion um die nominelle Unterkapitalisierung ist auch heute noch nicht zur Ruhe gekommen; gelegentlich wird hierbei aus betriebswirtschaftlicher Sicht

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

recht oberflächlich argumentiert. In der Diskussion um die materielle Unterkapitalisierung haben sich zwar inzwischen einige griffige Formeln (namentlich die Ulmer’sche Formel) verfestigt, jedoch arbeitet man noch immer nicht mit einer einheitlichen Formel. In Südafrika ging eine ähnliche Diskussion darum, ob auf Überschuldung (factual insolvency) oder auf Zahlungsunfähigkeit (commercial insolvency) abzustellen sei. Seit 1992 (Ex parte de Villiers: In re Carbon Development) ist dies entschieden und wird nun allein darauf abgestellt, ob die Gesellschaft noch zahlungsfähig ist. Ein Streit wie in Deutschland um den Begriff der materiellen Unterkapitalisierung erübrigt sich damit. Die Frage, ob im Falle der Insolvenz der Gesellschaft Gesellschafterdarlehen wie Eigenkapital (loan capital) oder stattdessen wie alle anderen Verbindlichkeiten (liabilities) zu behandeln sind, hat in Südafrika eine wesentlich geringere Rolle gespielt als in Deutschland: Die Rechtsprechung hat hier zum einen auf zugunsten von Drittgläubigern der Gesellschaft bestehende gesetzliche Warneinrichtungen (§ 45 Auditing Profession Act) und Schutzmöglichkeiten (Rangrücktrittsvereinbarungen sowie Personalsicherheiten) verwiesen. Zum anderen hat sie betont, dass auch Gesellschafter de lege lata problemlos unter den Tatbestand der persönlichen Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act fallen können (sofern sie dessen Tatbestandsmerkmal „[A]ny party who was knowingly a party to the carrying on of the business in the [fraudulent or reckless] manner“ erfüllen); Gesellschafterdarlehen könnten somit als Verbindlichkeiten eingeordnet bleiben, da eine eventuelle persönliche Haftung der Gesellschafter-Darlehensgeber aus § 424 Abs. 1 Companies Act persönliche Haftung sei und daher ohnehin auch an sie zurückbezahlte Darlehen erfasse. Diese Argumentation ist allerdings im Hinblick auf § 424 Abs. 1 Companies Act wegen dessen praktischer Schwächen unbefriedigend. Nicht übereinstimmend wird somit im deutschen und im südafrikanischen Recht Eigenkapitalersatz behandelt. In Deutschland kann Eigenkapitalersatz kraft gesetzlicher Vorschriften (§§ 32a, 32b GmbHG etc.) wie haftendes Eigenkapital behandelt werden. In Südafrika bestehen solche gesetzlichen Vorschriften nicht; zudem ist die Rechtsprechung unwillig, Entsprechendes richterrechtlich zu tun. Die Darlehensforderungen der Gesellschafter unterliegen keinem gesetzlichen oder common law-rechtlichen Rangrücktritt; sie bleiben im Konkurs der Gesellschaft als Konkursforderungen anerkannt. Stattdessen droht den Gesellschaftern eine mögliche persönliche Haftung gegenüber Drittgläubigern der Gesellschaft aus § 424 Abs. 1 Companies Act oder aus common law-Deliktsrecht.

IV. Group-Rechtsverhältnisse und deutsche Rechtslage

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IV. Südafrikanische Fallgruppe „group-Rechtsverhältnisse“ und deutsche Rechtslage 1. Südafrikanische Fallgruppe group-Rechtsverhältnisse a) Konzernverständnis im südafrikanischen Recht: Group als Rechtsträger? Die südafrikanische Rechtsprechung hat auf verbundene Gesellschaften (groups of companies) 332 häufig Bezug genommen.333 Allerdings hat sie den Begriff dabei nie im Sinne einer group als einer eigenständigen Rechtsperson oder eines teilrechtsfähigen Verbandes verwendet, welche bzw. welcher entweder neben den Rechtspersönlichkeiten von Mutter- und Tochtergesellschaft oder anstatt derer besteht.334 Stattdessen hat sie unter dem Einfluss des Salomon-Rechtsgrundsatzes stets betont, dass im Falle des Vorliegens einer group im Hinblick auf Eigentumsverhältnisse sowie Haftung und Ansprüche die beiden Rechtspersönlichkeiten von Muttergesellschaft einerseits und Tochtergesellschaft andererseits getrennt voneinander in Betracht genommen werden müssen.335 Nach südafrikanischer Rechtsprechung gibt es keine eigene Rechtsperson group, die als solche die Interessen der verschiedenen verbundenen Gesellschaften wahrnimmt.336 Die südafrikanische Gesetzgebung hat den Begriff group im Text des Companies Act in §§ 288 ff. erwähnt und ihn damit anerkannt. Dort geht es um Konzernrechnungslegung (group financial statements).337 Group-typischen Ge332

Zum Begriff group s. o. Kap. B. II. 1. b) bb). Vgl. die Entscheidungsübersicht bei Botha (1982), De Jure 110 und Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 123. 334 Botha (1982), De Jure 112 und 122, Davids, Lifting the Veil, 145, Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 123 f. Die beiden klassischen Fälle hierzu sind Rex v Milne & Erleigh (7) 1951 (1) SA 791 (A) 827F–H und Langeberg Koöperasie v Inverdoorn Farming and Trading Co 1965 (2) SA 597 (A) 606E–G. 335 s. die Verweise bei Botha (1982), De Jure 111 (Fn. 17) und Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 114 (Fn. 5). Dies ist der traditionelle Standpunkt der Rechtsordnungen der Staaten des Commonwealth, vgl. Botha (1982), De Jure 109 und 112. Die US-amerikanische Rechtslehre und Rechtsprechung gehen allerdings bereits weiter, s. u. Kap. C. IV. 1. b) bb) (1), Fn.-Apparat. 336 Botha (1982), De Jure 111, Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 123. Vgl. Rex v Milne & Erleigh (7) 1951 (1) SA 791 (A) 827 G / H (per Centlivres, CJ): „The persons who wield the controlling power are the only legal personae apart from the companies themselves. There is no persona which is the group, and there are no interests involved except the interests of the companies and the interests of the controllers. This is not mere legal technicality. No doubt it may be convenient to talk of the interests of the group, but no one could seriously think of the group as having interests distinct from those of the companies and controllers. The fact that in a group bargaining between companies may often be non-existent, because the controllers decide, does not support the idea of a single persona with single interests.“ 337 § 288 Abs. 1 Companies Act betrachtet Mutter- und Tochtergesellschaften als eine zusammengefasste wirtschaftliche Einheit (economic entity) „group“, jedoch le333

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

fahrenlagen und Interessenskollisionen sollen ferner die Vorschriften des Companies Act über Missbrauchskontrolle (abuse of control provisions, §§ 37 ff. und §§ 226 f. Companies Act)338 vorbeugen. Allerdings findet sich im südafrikanischen Gesetzesrecht bislang nicht einmal ansatzweise ein Konzernrecht vergleichbar dem des deutschen Aktiengesetzes und auch keinerlei Richterrecht vergleichbar dem des deutschen GmbH-Konzernrechts. Vielmehr beschränkt sich das südafrikanische Konzernrecht auf diese Sonderregelungen. b) Behandlung von Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften in der Rechtsprechung Die südafrikanische Rechtsprechung hat zwei Lösungswege erwogen zur Bewältigung von Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften (holding company / subsidiary-Rechtsverhältnisse). Dies sind zum einen agency-Konstruktionen und zum anderen economic entity (enterprise entity)-Konstruktionen. Beide werden in der Literatur als piercing of the corporate veil diskutiert. Daneben ist 1998 von der südafrikanischen Rechtslehre (Milo) auch erstmals vorgeschlagen worden, Sachverhalte mit verbundenen Gesellschaften über partnership-Konstruktionen zu lösen. Hierzu liegt bislang noch keine Rechtsprechung vor.

diglich für die Zwecke des Konzernjahresabschlusses (group annual financial statement oder consolidated financial statement). Mutter- und Tochtergesellschaft verlieren dabei nicht ihre getrennten Rechtspersönlichkeiten, denn der Konzernjahresabschluss ist lediglich ein Zusatzerfordernis an die Muttergesellschaft, befreit diese jedoch nicht von der Verpflichtung, daneben ihren eigenen Jahresabschluss zu erstellen. Vgl. Botha (1982), De Jure 110 sowie Industrial Equity Ltd v Blackburn [1977] CLR 567 (577 / 578). Unter Zugrundelegung des südafrikanischen piercing-Verständnisses ist daher auch die teilweise in der südafrikanischen Literatur vertretene Ansicht (z. B. Cilliers, Corporate Law, 11), § 288 Abs. 1 Companies Act sei ein Fall von statutory piercing, verfehlt. § 288 Abs. 1 Companies Act: „[Obligation to lay group statements before annual general meeting] (1) Where at the end of its financial year a company, which is not a wholly owned subsidiary of another company . . ., has subsidiaries, group annual financial statements shall be made out and shall be laid before the annual general meeting of the company before which its own annual financial statements are so laid under section 286 (1).“ 338 § 37 Companies Act („Loans made and security provided by a subsidiary“), § 38 Companies Act („No financial assistance to purchase shares of company or holding company“), § 39 Companies Act („Company not to be a member of its holding company“), § 226 Companies Act („Prohibitions of loans to, or security in connection with transactions by, directors and managers“) und § 227 Companies Act („Payments to directors for loss of office in connection with arrangements and take-over schemes“).

IV. Group-Rechtsverhältnisse und deutsche Rechtslage

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aa) Agency-Konstruktion Die Verwendung von agency-Konstruktionen wird in der südafrikanischen Rechtslehre teilweise als piercing diskutiert.339 Unter Zugrundelegung des südafrikanischen piercing-Verständnisses ist dies jedoch konzeptionell nicht stimmig, denn agency-Rechtsverhältnisse erfordern zwingend stets zwei Rechtspersonen (agent und principal).340 bb) Economic entity-Konstruktion (1) Definition des Begriffs economic entity Das Konzept, demzufolge eher an die wirtschaftliche Einheit (economic entity oder enterprise entity) anstatt an ihre einzelnen Gesellschaften anzuknüpfen sei, stammt ursprünglich nicht aus England, sondern aus den USA.341 Eine Legaldefinition des Begriffs economic entity besteht im südafrikanischen Recht nirgends, weder im Gemeinrecht noch im Gesetzesrecht. Innerhalb der südafrikanischen Rechtslehre hat Botha anhand der einschlägigen englischen Rechtsprechung eine Begriffsbestimmung versucht.342 Danach muss tatbestandlich erstens eine wirtschaftliche Verflechtung (economic interrelationship) zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft und zweitens Beherrschung (control) der Muttergesellschaft über ihre Tochtergesellschaft vorliegen. Entscheidend sei das Ausmaß der Beherrschung (degree of control), wobei Botha allerdings nähere 339

Zu agency-Konstruktionen s. o. Kap. B. II. 1. s. o. Kap. B. II. 1. a). 341 Vgl. Berle, The theory of enterprise entity, in: ColLR, (47) 1947, 343 (350). Hierauf verweisen auch Davids, Lifting the Veil, 102 und Mayson, Company Law, 157 (Kap. 2.2.2.9). Vgl. ebenso Drüke, Haftung der Muttergesellschaft, 5 ff. Berle (1947), ColLR 350: „The court . . . has constructed for purposes of imposing liability an entity unknown to any secretary of state comprising assets and liabilities of two or more legal personalities; endowed that entity with the assets of both, and charged it with the liabilities of one or both. The facts that induce courts to do this are precisely the facts which most persuasively demonstrate that, though nominally there were supposed to be two or more enterprises, in fact, there was but one. The economic fact pushes through the paper differentiations embodied in the corporate certificates; and liabilities are dealt with in accord with the business, instead of the legal fact of corporate entity.“ Bzgl. entsprechender US-amerikanischer Rechtsprechung s. Davids, Lifting the Veil, 103 und Ottolenghi (1990), MLR 350: „The practice of . . . [lifting the veil innerhalb groups of companies] is much more developed in the US. The results of extending the veil to include the general enterprise entity are numerous: holding affiliated transport companies liable in tort for damages caused by negligent conduct of one of them; treating the holding company as responsible for the acts of its subsidiary; rejecting the subsidiary’s claim because its holding company was involved in the detrimental act caused by a third party; rejecting the holding company’s claim in the bankruptcy proceedings of its subsidiary; . . . and many others.“ 342 Botha (1982), De Jure 116. 340

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Ausführungen hierzu vermissen lässt. Sein Definitionsversuch bleibt dadurch unbrauchbar vage. Eine economic entity im Sinne eines Rechtsträgers ist in Südafrika nicht anerkannt.343 Die für Südafrika bedeutsame englische Rechtsprechung hat mehrfach für bestimmte Sachverhaltszwecke die wirtschaftliche Einheit group als vorrangig vor der rechtlichen Selbstängigkeit der Mutter- und Tochtergesellschaften angesehen.344 Diese Tendenz hatte ihre Hochzeit Mitte der siebziger Jahre und hätte auf die Anerkennung eines eigenständigen Rechtsträgers group of companies oder economic entity hinauslaufen können.345 Jedoch hat die englische Rechtsprechung diesen Weg nicht weiter beschritten. Vielmehr hat sich die economic entity-Theorie nicht durchgesetzt und hat heute wieder weitgehend an Bedeutung verloren.346 (2) Economic entity-Rechtsprechung in England Klassische englische Entscheidung bezüglich der economic entity-Theorie, auf die in diesem Zusammenhang in Südafrika regelmäßig verwiesen wird, ist das DHN-Urteil (per Denning MR) aus dem Jahre 1976.347 In DHN ging es um einen Sachverhalt, der dem von Smith, Stone & Knight v Birmingham sehr ähnlich war:348 DHN Food Distributors Ltd betrieb einen Gemüsegroßhandel auf einem ihrer 100%-igen Tochtergesellschaft Bronze Ltd gehörenden Grundstück. Dieses war DHN als licensee von Bronze Ltd zur Nutzung überlassen worden. Bronze Ltd hatte keinen eigenen Geschäftsbetrieb. Ihr einziges Vermögen bestand in dem Grundstück. Eine weitere 100%-ige Tochtergesellschaft der DHN betrieb den von DHN genutzten Fuhrpark. Die Geschäftsführung der drei Gesellschaften war personengleich. Der Londoner Stadtrat ließ das Grundstück der Bronze Ltd aus Stadtplanungsgründen enteignen (und bezahlte hierfür Entschädigung [compensation] in Höhe des Grundstückwertes an Bronze Ltd). DHN musste infolge dessen ihren Großhandelsbetrieb einstellen und klagte deshalb auf Ent343 344 345 346

Botha (1982), De Jure 113. Hierzu s. u. in diesem Kapitel. Botha (1982), De Jure 108. Vgl. auch Siebert, Durchgriffshaftung im englischen und deutschen Recht,

184 f. 347 DHN Food Distributors Ltd v Tower Hamlets London Borough Council (1976) 1 WLR 875 (und [1976] 3 All ER 462), per Denning, MR, mit den zustimmenden Voten von Goff, LJ und Shaw, LJ. Vgl. auch Morse, Palmers’ Company Law, 2.1520.11. Zu dieser Entscheidung s. a. Siebert, Durchgriffshaftung im englischen und deutschen Recht, 180 f. 348 Sealy, Cases and Materials in Company Law, 69.

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schädigungszahlung an sich wegen dieses Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (compensation for disturbance of the business carried on). Das Gericht gab dem Anspruch statt. Das Problem bestand zunächst rechtstechnisch darin, dass DHN eine solche Entschädigungszahlung nach englischem Recht nur dann verlangen konnte, falls DHN ein über das Interesse eines bloßen licensee hinausgehendes Eigeninteresse am Grundstück zuerkannt werden konnte. Hätte das Gericht jedoch alle drei Gesellschaften isoliert in Betracht genommen, so hätte keine von ihnen Entschädigung verlangen können: Bronze Ltd nicht, da ihr zwar das Grundstück gehörte, sie aber kein Geschäft darauf betrieb, und DHN nicht, da sie zwar ein Geschäft darauf betrieb, aber nur als licensee, und ihr nicht etwa das Grundstück gehörte.349 Das Gericht betrachtete deshalb die drei Gesellschaften als „three in one . . . [a]lternatively, . . . one in three: one group of three companies“350 und behandelte das Grundstück der Tochtergesellschaft für die Zwecke des in Rede stehenden Entschädigungsanspruchs als im Eigentum der Muttergesellschaft DHN stehend.351 Dadurch konnte der Anspruch zum Schaden gezogen werden.352 Die DHN-Entscheidung stellte die insgesamt deutlichste richterliche Hinwendung zur economic entity-Theorie in England dar.353 Allerdings hatte es durch349

DHN [1976] 3 All ER 473f (per Shaw, LJ). DHN [1976] 3 All ER 464h (per Denning, MR). 351 Die einschlägige Stelle des Urteils lautet (DHN [1976] 3 All ER 467b–d, per Denning, MR): „We all know that in many respects a group of companies are treated together for the purpose of general accounts, balance sheet and profit and loss account. They are treated as one concern. Professor Gower [gemeint ist das Gesellschaftsrechtslehrbuch Gower, Principles of Modern Company Law, 3. Auflage (1969), London] . . . says: ,there is evidence of a general tendency to ignore the separate legal entities of various companies within a group, and to look instead at the economic entity of the whole group‘. This is especially the case when a parent company owns all the shares of the subsidiaries, so much so that it can control every movement of the subsidiaries. These subsidiaries are bound hand and foot to the parent company and must do just what the parent company says . . . So here. This group is virtually the same as a partnership in which all the three companies are partners. They should not be treated separately so as to be defeated on a technical point . . . The three companies should, for present purposes, be treated as one.“ 352 Alternativ wurde vom Gericht als Lösungsweg erwogen, der Gesellschaft DHN Food Distributors Ltd in ihrer Eigenschaft als licensee dadurch ein ausreichendes Eigeninteresse und damit einen eigenen Entschädigungssanspruch zuzuerkennen, dass eine irrevocable licence konstruiert worden wäre. Vgl. Sealy, Cases and Materials in Company Law, 69 und Gower, Principals of Company Law (1992), 127, Fn. 23. 353 Klar erkannt worden ist seinerzeit das in DHN liegende Potential, einen neuen, allgemeingültigen piercing-Rechtsgrundsatz (general piercing formula: „Piercing whenever it is just and equitable to do so“) zu etablieren: So stellten z. B. Sugarman / Webb, Three-in-one: Trusts, licenses and veil, in: LQR, (93) 1977, 170 (174), auf die auch Beck (1987), CICL 77 und Rixon, Lifting the veil between holding and subsidiary companies, LQR, (102) 1986, 415 verweisen, fest: „It is but a short step from this 350

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aus bereits in diese Richtung weisende Vorläuferentscheidungen (oder jedenfalls entsprechende obiter dicta) gegeben. Keine letztliche Einigkeit herrscht innerhalb der Literatur allerdings darüber, welche Entscheidungen hierunter fallen.354 [DHN decision] to the proposition, that the courts may disregard Salomon’s case whenever it is just and equitable to do so.“ Die Rechtsprechung hat dem jedoch inzwischen deutlich einen Riegel vorgeschoben, zuletzt in Adams v Cape Industries plc (1991). Dort wurde das Vorbringen des Klägers, seit DHN bestehe ein neuer piercingRechtsgrundsatz („piercing whenever it is just and equitable“), verneint: „[Appellant] submitted that the court will, in appropriate circumstances, ignore the distinction in law between members of a group of companies treating them as one, and that broadly speaking, it will do so whenever it considers that justice so demands“ (Adams v Cape Industries plc 1016b). Zu dieser Leitentscheidung s. u. ausführlich in diesem Kapitel. s. a. Sealy, Cases and Materials in Company Law, 58: „In the DHN case the readiness of judges to . . . disregard the Salomon principle probably reached its peak.“ 354 Vgl. die Entscheidungsübersicht bei Adams v Cape Industries plc [1991] 1 All ER 1016c–1019c. Genannt werden dort vor allem The Roberta (1937) 58 LI.L.Rep. 159 (Muttergesellschaft verantwortlich aus einem Seefrachtbrief, der von ihrer Tochtergesellschaft im eigenen Namen unterzeichnet war), Harold Holdsworth & Co (Wakefield) Ltd v Caddies [1955] 1 All ER 725 (HL) (Geschäftsbetrieb [business] der Muttergesellschaft schließe den ihrer Tochtergesellschaft mit ein) und Scottish Co-operative Wholesale Society Ltd v Meyer [1959] AC 324 HL (Sc) (Geschäftsführung einer Gesellschaft als unterdrückerisch gegenüber den Minderheitsgesellschaftern dieser Gesellschaft angesehen, obwohl die betreffenden Handlungen nicht die der Gesellschaft selbst, sondern vielmehr die ihrer Tochtergesellschaft waren). Deutliche und fundierte Kritik daran, wie Denning in der DHN-Entscheidung obiter dicta aus Harold Holdsworth als piercing- oder economic entity-Belege einzuordnen, übt allerdings Rixon (1986), LQR 415 ff.; hierzu s. u. Kap. C. IV. 1. b) bb) (6). Ferner weist Gower, Principles of Company Law (1992), 126 f. darauf hin, dass diese Fälle – anders als DHN – allesamt Normauslegungsentscheidungen waren: „The above three authorities [Gemeint sind The Roberta, Holdsworth v Caddies und Scottish Co-operative Wholesale] related exclusively to the interpretation of statutes or documents, an area in which further authority to the like effect can be found . . . [Gower führt weiter Bird v Thos Cook und Amalgamated Investment & Property Co v Texas Commercial Bank [1982] QB 84 an. Hierzu s. u. in diesem Kapitel.]. DHN was rather different . . .“ Vereinzelt werden weitere Entscheidungen aufgeführt: Gower a. a. O. nennt ferner die Entscheidungen Bird & Co v Thos Cook & Son Ltd [1937] 2 All ER 227 (Scheckindossierung zugunsten der Tochtergesellschaft Thos Cook & Son Ltd als Indossierung zugunsten der Muttergesellschaft Thos Cook & Son Bankers Ltd betrachtet) und Scottish Co-operative Wholesale Society Ltd v Meyer [1959] AC 324 HL (Sc) (Eine gegenüber einer Bank im Hinblick auf von dieser vergebene Darlehen abgegebene Rückzahlungsgarantie decke auch solche Darlehen ab, die nicht von der Bank selbst, sondern von ihrer 100%-igen Tochtergesellschaft vergeben worden sind). Botha a. a. O. nennt weiter Re Hellenic & General Trust Ltd [1975] 3 All ER 382 (ChD) (Eine 100%-ige Tochtergesellschaft und ihre Muttergesellschaft wurden für die Zwecke des Begriffs „class“ i. S. v. § 206 des englischen Companies Act als eine Einheit betrachtet). Mayson, Company Law, 157 (Kap. 5.2.2.9) nennt Littlewoods Mail Order Stores Ltd v CIR, same v McGregor (Inspector of Taxes) [1969] 3 All ER 855 860f–g. Dieser Fall ist ebenfalls – wie DHN selbst – von Denning entschieden worden, kommt aber aus dem Steuerrecht und kann daher nur mit Vorbehalt als Beleg herangezogen werden. Denning stufte dort die Konzernabschlussvorschriften als gesetzlich verankerte economic entity-Vorschriften ein.

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Laut Mayson ist im Anschluss an DHN die economic entity-Theorie in England355 nicht mehr angewandt worden.356 Die Meinung ist in der englischen Rechtslehre jedoch nicht einhellig.357 Auch das südafrikanische Schrifttum (Botha, Sauermann) ist nicht dieser Ansicht. Botha zufolge ist Dennings spätere Entscheidung Littlewoods Organisation Ltd v Harris358 aus dem Jahre 1978, in der dieser sich ausdrücklich auf sein DHN-Urteil beruft, eine economic entityEntscheidung.359 Sauermann führt ferner die Entscheidung Merchandise Transport360 an. Die südafrikanische Rechtsprechung hat in der Leitentscheidung Ritz v Ritz neben DHN noch die Entscheidung Revlon Inc v Cripps361 aus dem Jahre 1980 als economic entity-Entscheidung erwähnt. 355 In Kanada (Ontario) ist dagegen die economic entity-Theorie noch einmal erfolgreich bemüht worden in Manley Inc v Fallis [1977] 38 CPR (2d) 74 76, und ist ihre Anwendung vom Gericht als „lifting the corporate veil“ gewertet worden, vgl. Mayson, Company Law, 157 (Kap. 5.2.2.9). 356 Mayson, Company Law, 157 (Kap. 5.2.2.9): „Since the DHN case, further attempts to rely on the enterprise entity theory in England have been unsuccessful.“ Allerdings weist Mayson a. a. O. auf ein obiter dictum in Lewis Trusts v Bambers Stores Ltd [1983] FSR 453 (CA) hin, welches befürwortete, eine Muttergesellschaft für eine Urheberrechtsverletzung seitens ihrer Tochtergesellschaft im Wege des piercing haften zu lassen. 357 Gower, Principles of Company Law (1992), 128 führt ferner den Warenzeichenfall Revlon Inc v Cripps & Lee Ltd [1980] FSR 85 (CA) an (Zu dieser Entscheidung s. u. in diesem Kapitel). Dort wurde die Verwendung des Warenzeichens der Tochtergesellschaft (proprietor) durch die Muttergesellschaft mit economic entity-Argumentation (Warenzeichen der Tochtergesellschaft als Vermögensgegenstand [asset] des Konzerns [der Revlon group] als Ganzes) nicht als Warenzeichenverletzung angesehen. Allerdings hat das Gericht seine Entscheidung ausdrücklich nicht als piercing-Entscheidung verstanden (Revlon 105). Gower versteht diese Entscheidung deshalb – ebenso wie dies die Leitentscheidung Adams v Cape Industries plc ([1991] 1 All ER 929 1019c–g) tut – als reinen (Norm-)Interpretationsfall (im Sachverhalt ging es um § 4 Abs. 3 Trade Marks Act 1938) und nicht als piercing-Fall. Die economic entity-Argumentation habe hier lediglich als Auslegungshilfe gedient, nicht etwa als Durchgriffsgrundlage. Zum Sachverhalt des Revlon-Falls s. u. in diesem Kapitel (Fn.-Apparat). In die gleiche Richtung (reine Auslegung, diesmal einer Urkunde) geht nach Gower a. a. O. 127 ferner Amalgamated v Texas Commercial Bank. Beck (1987), CICL 77 ist dagegen der Ansicht, dass Denning in der Amalgamated-Entscheidung seinen DHNAnsatz bestätigt habe. Nicht klar ist allerdings, ob Beck sich hiermit auf das Potential der DHN-Entscheidung bezog, einen neuen allgemeinen piercing-Rechtsgrundsatz einzuführen, oder auf DHN als eine enterprise entity-Entscheidung. 358 [1978] 1 All ER 1026 (CA) 1036g–h (Vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot gegenüber der gesamten group mit economic entity-Überlegungen für zulässig gehalten). 359 Botha (1982), De Jure 115. 360 Merchandise Transport Ltd v British Transport Commission 1986 (2) QB 173 (Der Tochtergesellschaft wurde eine Lizenzerteilung verweigert, weil im Hinblick auf die Muttergesellschaft Versagungsgründe vorlagen). 361 Revlon Inc v Cripps and Lee Ltd [1980] FSR 85. a) Sachverhalt: Revlon Inc war die US-Muttergesellschaft eines multinationalen Konzerns. Die von den Konzerngesellschaften verwendeten Warenzeichen waren auf eine Gesellschaft des Konzerns, die Gesellschaft Revlon Suisse SA, übertragen. Diese

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Heute findet die Theorie in England kaum noch Anhang.362 Die DHN-Entscheidung wird zunehmend als „Ausreißer“ aufgefasst.363 Stattdessen findet war eine Enkelgesellschaft (100%-ige Tochtergesellschaft einer 100%-igen Tochtergesellschaft) von Revlon Inc. Sie war gemäß britischem Warenzeichenrecht in Britannien als Inhaber (proprietor) eines bestimmten Warenzeichens eingetragen. Die Muttergesellschaft Revlon Inc versah die von ihr in den USA hergestellten Waren ebenfalls mit diesem Warenzeichen. Cripps and Lee Ltd importierte solche Waren, auf die von der Muttergesellschaft Revlon Inc in den USA das betreffende Warenzeichen angebracht worden war, aus den USA nach Britannien. Fraglich war, ob die Benutzung (use) der Warenzeichen durch die Muttergesellschaft Revlon Inc als Benutzung (use) „in relation to goods connected in the course of trade with the proprietor [Revlon Suisse SA]“ i. S. d. § 4 Abs. 3 des britischen Trade Marks Act von 1938 anzusehen war. Eine derartige Benutzung galt gem. § 4 Abs. 3 Trade Marks Act von 1938 nicht als Verletzung des Warenzeichenrechts (infringement of trade mark). b) Entscheidung: Das Gericht bejahte, dass die betreffenden Waren als „goods connected in the course of trade with the proprietor [Revlon Suisse SA]“ i. S. d. § 4 Abs. 3 Trade Marks Act von 1938 anzusehen seien. Economic entity-Argumentation wurde hierbei zwar herangezogen. Jedoch wurde dies ausdrücklich nicht als piercing of the corporate veil verstanden, sondern als reine Norminterpretation: Buckley, LJ (Revlon 105): „Since, however, all the relevant companies are wholly owned subsidiaries of Revlon, it is undoubted that the mark is, albeit remotely, an asset of Revlon and its exploitation is for the ultimate benefit of no one but Revlon. It therefore seems to me to be realistic and wholly justifiable to regard [Revlon Suisse SA] as holding the mark at the disposal of Revlon and for Revlon’s benefit. The mark is an asset of the Revlon group of companies regarded as a whole, which all belongs to Revlon. This view does not, in my opinion, constitute what is sometimes called ,piercing the corporate veil‘; it recognises the legal and factual positions resulting from the mutual relationship of the various companies.“ Normzweckargumentation findet sich ebenso bei Templeman, LJ (Revlon 116): „The object of the section is to prevent the owner of the trade mark claiming infringement in respect of a product which he has produced and to which he has attached the trademark. In the circumstances . . . use by the parent [company Revlon Inc] . . . may fairly be considered as use by the proprietor . . . itself. In more homely language, [the legislation] cannot be evaded by substituting the monkey for the organ-grinder.“ Ähnlich bereits Dillon, J in der Vorinstanz (Revlon 95; wiedergegeben in Ritz v Ritz 1988 (3) SA 290 (A) 316I): „In my judgement . . . this narrow emphasis on the individuality of companies in a group is not in accordance with recent authorities; see DHN Food Distributors Ltd v Tower Hamlets London Borough Council [1976] 1 WLR 852.“ 362 Die economic entity-Theorie befindet sich nicht nur in England, sondern auch im übrigen Commonwealth auf dem Rückzug. Vgl. z. B. im Hinblick auf Neuseeland und Australien Farrar, Company Law, 73 f., der eine Reihe neuerer neuseeländischer und australischer Entscheidungen auflistet, die allesamt dem Woolfson-obiter folgen. Vgl. auch Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 119. 363 Bezeichnend ist Sealys Anmerkung (Cases and Materials in Company Law, 71): „[A]ll the indications are that the DHN case is increasingly to be seen as a decision that is out of the line with current trends.“ Sealy verweist als Beleg auf die Entscheidungen The Albazero (1977), Bank of Tokyo Ltd v Karoon (1986) und Adams v Cape Industries plc (1991). Zu diesen Entscheidungen s. u. in diesem Kapitel. Ebenso Mayson, Company Law, 156 (Kap. 5.2.2.8): „It seems that the DHN case has not been enthusiastically received and developed by the courts . . .“

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sich eine parallele Reihe von Urteilen, die bis ins Jahr 1977 zurückgeht, deutlich von der economic entity-Vorstellung abgekehrt ist und stattdessen wieder streng das Trennungsprinzip innerhalb von groups of companies beachten will. Diese Rechtsprechungslinie reicht – im Gegensatz zu den economic entity-Entscheidungen – bis in die Gegenwart: Hierzu zählen die Entscheidungen The Albazero (1977),364 Woolfson (1978) mit einem deutlich DHN-feindlichen obiter,365 Lonrho (1980),366 Multinational (1983),367 Bank of Tokyo (1986)368 und schließlich die Leitentscheidung Adams v Cape Industries plc (1990).369

364 The Albazero [1975] 3 All ER 21 (CA). Der Fall kam vor das House of Lords aus Gründen, die nicht piercing of the corporate veil betrafen. Obiter findet sich dort ([1975] 3 All ER 28g–h, per Roskill, LJ): „[S]uch defences are able to be advanced because of two fundamental principles of English law long established and now unchallengeable by judicial decision, at least in this court, first that . . ., and secondly that each company in a group of companies (a relatively modern concept) is a separate legal entity possessed of separate legal rights and liabilities so that the rights of one company in a group cannot be exercised by another company in that group even though the ultimate benefit of the exercise of those rights would enure beneficially to the same person or corporate body irrespective of the person or body in whom those rights were vested in law.“ 365 Woolfson and another v Strathclyde Regional Council (1978) SC (HL) 90. a) Sachverhalt: Fünf aneinander grenzende Grundstücke wurden von Campbell Ltd für ihren Einzelhandelsgeschäftsbetrieb genutzt. 99,9% der Anteile von Campbell Ltd gehörten Mr Woolfson, 0,1% dessen Ehefrau. Zwei der fünf Grundstücke gehörten Solfred Ltd. Zwei Drittel der Anteile von Solfred Ltd gehörten wiederum Mr Woolfson, das übrige Drittel dessen Ehefrau. Die drei übrigen Grundstücke gehörten Mr Woolfson. Alle fünf Grundstücke wurden aus Stadtplanungsgründen zwangsenteignet. Mr Woolfson und Solfred Ltd klagten gemeinsam auf (abgesehen von Entschädigungszahlung in Höhe des Wertes der Grundstücke) Entschädigung wegen dieses Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (compensation for disturbance of the business carried on). Unter Berufung auf die DHN-Entscheidung brachten sie vor, dass Mr Woolfson, Campbell Ltd und Solfred Ltd als eine (wirtschaftliche) Einheit betrachtet werden müssten (Woolfson v Strathclyde 94 / 95: „[I]n the circumstances Woolfson, Campbell and Solfred should all be treated as a single entity embodied in Woolfson himself.“) b) Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen mit der Begründung, dass ein entsprechender Rechtsgrundsatz nicht bestehe (Woolfson v Strathclyde 96: „[There is] no basis consonant with the principle upon which on the facts of this case the corporate veil can be pierced to the effect of holding Woolfson to be the true owner of Campbell’s business or of the assets of Solfred.“). Dies stellt zunächst noch keine Abkehr vom DHN-Rechtsgrundsatz dar, da der Woolfson-Sachverhalt vom DHN-Sachverhalt unterschieden wurde (distinguishing on the facts: Im Gegensatz zum DHN-Sachverhalt lag kein parent company / subsidiaryRechtsverhältnis vor; stattdessen waren Campbell Ltd und Solfred Ltd nur über ihren beherrschenden natürlichen Gesellschafter Mr Woolfson miteinander verbunden). Jedoch hat das Gericht in der Woolfson-Entscheidung (per Lord Keith of Kinkel) darüber hinaus noch in einem obiter dictum ausdrücklich eine Abkehr vom DHNRechtsgrundsatz vollzogen (Woolfson v Strathclyde 96: „I have some doubts whether . . . [the decision in DHN] properly applied the principle that it is appropriate to pierce the corporate veil only where special circumstances exist indicating that [it] is a mere façade concealing the true facts . . .“).

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366 Lonrho Ltd v Shell Petroleum Co Ltd [1980] 2 WLR 367 (CA), per Denning, MR, mit dem zustimmenden Votum von Shaw, LJ. Hierzu s. u. in diesem Kapitel. 367 Multinational Gas and Petrochemical Co v Multinational Gas and Petrochemical Services [1983] 2 All ER 563. a) Sachverhalt: Drei multinationale Ölgesellschaften (eine US-amerikanische, eine französische und eine japanische) vereinbarten ein Gemeinschaftsunternehmen (Joint venture) und gründeten hierfür eine englische 100%-ige Tochtergesellschaft (Multinational Co.), deren Sitz dann aus steuerrechtlichen Gründen nach Libyen verlegt wurde und die dort Ölförderung betrieb. Ferner wurde eine zweite englische 100%-ige Tochtergesellschaft (Multinational Services Ltd) gegründet, die als Multinational Co.’s agent tätig sein sollte. Multinational Co.’s Geschäftsbetrieb scheiterte, und ihre Gläubiger fielen in Höhe mehrerer Millionen britischer Pfund aus. Anschließend kam unter anderem zu Tage, dass Multinational Services Ltd in fahrlässiger Weise (negligent) fehlerhafte und für Multinational Co. entscheidungserhebliche Geschäftsinformationen an Multinational Co. gegeben hatte. Auf Betreiben des Konkursverwalters verklagte Multinational Co. – abgesehen von einer Klage gegen ihre eigene Geschäftsführung, da diese die erhaltenen Geschäftsinformationen fahrlässig für richtig gehalten hatte – sowohl Multinational Services Co. als auch deren drei Gesellschafter (die drei Ölgesellschaften) auf Schadensersatz (action for damages for breaches of duty of care). Ziel der Klage war es, im Interesse der Gläubiger von Multinational Co. auf die liquiden multinationalen Ölgesellschaften zuzugreifen. b) Entscheidung: Das Mehrheitsvotum des Gerichts (per Lawton, LJ und Dillon, LJ) beachtete – unter Verweis auf den Salomon-Rechtsgrundsatz – streng das Trennungsprinzip (571d: „[Multinational Co.] was at law a different legal person from the subscribing oil company shareholders and was not their agent.“) und wollte eine Haftung nur getreu den im Companies Act 1948 vorgesehenen Haftungsmöglichkeiten zulassen (571e: „[T]he oil companies as shareholders were not liable to anyone except to the extent and the manner provided by the Companies Act 1948.“). Einem eventuellen piercing wurde eine klare Absage erteilt (582f: „It is not suggested that [Multinational] Services [Ltd] was a sham or that the corporate veil can be torn aside so as to treat the activities of [Multinational] Services [Ltd] as activities of the plaintiff [Multinational Co.].“). Auch das Minderheitsvotum (per May, LJ) sprach sich nirgends für eine economic entity-Betrachtungsweise aus. 368 Bank of Tokyo v Karoon [1986] 3 All ER 468 (CA), per Ackner, LJ und Goff, LJ. a) Sachverhalt: Die Bank of Tokyo Ltd betrieb ein Bankgeschäft in London. Ihre 100%-ige Tochtergesellschaft BTT Co. betrieb ein Bankgeschäft in New York. Mr Karoon war Kunde beider Bankgesellschaften. BTT Co. hatte Konteninformationen über Mr Karoon ohne dessen Erlaubnis auf Anfrage der Muttergesellschaft hin dieser gegenüber offengelegt im Zuge eines Rechtsstreites in London, dessen Parteien unter anderem Mr Karoon und Bank of Tokyo Ltd waren. Mr Karoon verklagte in New York die BTT Co. auf Schadensersatz wegen Bruchs ihrer Verschwiegenheitspflicht. Die Muttergesellschaft Bank of Tokyo selbst begehrte daraufhin im eigenen Namen eine gerichtliche Unterlassungsverfügung bezüglich dieser Klage mit der Begründung, Mutter- und Tochtergesellschaft bildeten eine wirtschaftliche Einheit (Bank of Tokyo v Karoon 475h / j, per Ackner, LJ: „[C]ounsel’s submission . . . that . . . public policy . . . requires the court to overlook the corporate distinctions in law between BT [Bank of Tokyo] and BTTC. While accepting that BT and BTTC are separate legal entities, counsel contends that from a practical point of view it makes no difference whether BTTC was a branch of BT or a subsidiary.“)

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In Adams v Cape Industries plc ging es um folgenden Sachverhalt: Die englische Gesellschaft Cape Industries plc baute Asbest in Südafrika ab. Sie war Muttergesellschaft zahlreicher 100%iger Tochtergesellschaften. Einige davon, unter anderem die US-amerikanische North American Asbestos Corp. (NAAC) bzw. deren Nachfolgegesellschaft CPC, vertrieben Asbest in den USA. NAAC wurde in Texas mit Erfolg auf Schadensersatz verklagt im Hinblick auf durch Asbeststaub verursachte Personenschäden. Fraglich war nun, ob dieses US-Urteil unter economic entity-Gesichtspunkten auch gegenüber der englischen Muttergesellschaft Cape Industries plc geltend gemacht werden konnte. Dies hing davon ab, ob Cape Industries plc als in den USA „present“ (anwesend / sesshaft für vorliegende Zwecke) angesehen werden konnte. Dies wiederum hing davon ab, ob Cape Industries plc über ihre 100%igen US-amerikanischen Tochtergesellschaften in den USA „present“ war. Das Gericht lehnte dies ab. Adams v Cape Industries ist die jüngste und eine sehr detaillierte englische Leitentscheidung zum Thema piercing bei verbundenen Gesellschaften: Das Getrenntsein der Rechtspersönlichkeiten von Muttergesellschaft Cape Industries plc und Tochtergesellschaft NAAC bzw. deren Nachfolgegesellschaft CPC wurde hervorgehoben. Ein economic-entity-Ansatz wurde deutlich abgelehnt unter befürwortender Bezugnahme auf The Albazero.370 Die strenge Gültigkeit des Trennungsprinzips innerhalb groups of companies wurde unter Verweis hierauf betont.371 Das obiter dictum aus The Albazero wurde als „the approach to be adopted to parent companies trading through subsidiaries“ bezeichnet. b) Entscheidung: Der Klageantrag der Muttergesellschaft wurde unter eindeutiger Ablehnung der economic entity-Argumentation abgewiesen (Bank of Tokyo v Karoon 476a, per Ackner, LJ: „The reality of the matter is that BTTC is not a branch of BT.“ und Bank of Tokyo v Karoon 486d / e, per Goff, LJ: „Counsel [for the Bank of Tokyo Ltd] suggested beguilingly that it would be technical for us to distinguish between parent company and subsidiary in this context; economically, he said, they were one. But we are considered not with economics but with law. The distinction between the two is, in law, fundamental and cannot here be bridged.“). 369 Adams v Cape Industries plc [1991] 1 All ER 929 (CA), per Slade, LJ; das Urteil bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz (Chancery Division, per Scott, J). Scotts Entscheidung wird ausführlich in Adams v Cape Industries plc 935d–987b wiedergegeben. Vgl. Gower, Principles of Company Law (1992), 125: „In that important case the Court . . . subjected lifting the veil to the most exhaustive treatment that it has yet received in the English (or Scottish) courts.“ Zu dieser Entscheidung s. a. Siebert, Durchgriffshaftung im englischen und deutschen Recht, 181 f. 370 Adams v Cape Industries plc 965c–d (per Slade, LJ), verweisend auf Roskill, LJ’s obiter dictum in The Albazero [1975] 3 All ER 21 28g–h. 371 Adams v Cape Industries plc 1016a (per Slade, LJ): „The ,single economic unit‘ argument [:] There is no general principle that all companies in a group of companies are to be treated as one. On the contrary, the fundamental principle is that ,each company in a group of companies (a relative modern concept) is a separate legal entity possessed of separate legal rights and liabilities‘: The Albazero [1975] 3 All ER 21 at 28, [1977] AC 774 at 807 per Roskill LJ. It is thus indisputable that each of Cape [Industries plc], Capasco, NAAC and CPC were in law separate legal entities.“

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Die Entscheidungen Harold Holdsworth und Revlon wurden als sachverhaltsspezifisch ergangen und als bloße Norm- / Vertragsinterpretation verstanden, nicht aber als verallgemeinerungsfähige piercing-Rechtsgrundsätze.372 Die südafrikanische Rechtsprechung hat mehrfach auf Adams v Cape Industries plc verwiesen:373 In Wambach v Macadamia v Maizecor wird (per Van Heerden JA) obiter bemerkt, dass Adams v Cape Industries plc eine Kehrtwende vollzogen hat und im Gegensatz steht zu Aussagen früherer Entscheidungen zum Thema piercing of the corporate veil bei verbundenen, eine economic entity bildenden Gesellschaften.374 In der nachfolgenden Entscheidung Macadamia Finance BPK v De Wet wird (per Botha JA) obiter darauf verwiesen, dass der economic entity-Ansatz durch Adams v Cape Industries plc erheblich eingeschränkt wurde.375 In Gore v Saficon unterstrich das Gericht unter Verweis un372 Adams v Cape Industries plc 1019c–g (per Slade, LJ): „[I]n many cases such as Holdsworth, . . . Revlon, . . . the wording of a particular statute or contract has been held to justify the treatment of parent and subsidiary as one unit, at least for some purposes.“ 373 MV Silvergate Tradax Ocean Transport SA v MV Silvergate Properly described as MV Astyanax 1999 (4) 405 (SCA), Jones v Krok 1996 (2) SA 71 (T), Jones v Krok 1996 (1) SA 504 (T), Cape Pacific Ltd v Lubner Controlling Investments (Pty) Ltd 1995 (4) SA 790 (A) 792 804 811, Gore and Another NNO v Saficon Industrial (Pty) Ltd 1994 (4) SA 536 (W) 545, The Shipping Corporation of India v Evdomon 1994 (1) SA 550 (A) 553 566, Wambach v Macadamia Maizecor Industries (Edms) Bpk 1993 (2) SA 669 (A) 675 und Macadamia Finance BPK v De Wet en andere NNO 1993 (2) SA 743 (A) 748. In den drei erstgenannten Entscheidungen wird Adams v Cape Industries plc allerdings nicht im Hinblick auf seine Aussagen zur economic entity-Theorie in Bezug genommen; sie sind daher für vorliegende Zwecke unerheblich. In The Shipping Corporation of India v Evdomon 566E–F lag kein Sachverhalt mit verbundenen Gesellschaften vor, die als economic entity hätten betrachtet werden können. Corbett, CJ interpretierte dort lediglich unter Berufung auf u. a. Adams v Cape Industries plc 1022b–j und 1024d–1025f die Begriffe „device“, „stratagem“, „cloak“ und „sham“ im piercing-rechtlichen Sinne. In Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) lag ebenfalls keine group (im Sinne eines holding company / subsidiary-Rechtsverhältnisses) vor. An der Spitze der dortigen group stand vielmehr eine natürliche Person, Mr Lubner. Economic entity-Argumentation wurde in Cape Pacific v Lubner 1995 (4) SA 790 (A) nicht vorgetragen. Die Verweise auf Adams v Cape Industries plc betreffen stattdessen die Frage, wann ein misuse of a corporate personality vorliege, der ein piercing of the corporate veil rechtfertige (vgl. Cape Pacific v Lubner 804G–H und 811F–G). Zu dieser Thematik s. o. Kap. C. II. 1. 374 1993 (2) SA 669 (A) 675D (per Van Heerden, JA, mit den zustimmenden Voten von Smalberger, JA, Eksteen, JA, Grosskopf, JA und van Coller, AJA): „In die verbygaan kan ek meld dat in Adams and Others v Cape Industries plc and Another [1990] 1 CH 433 ([1991] 1 All ER 929 (Ch and CA)) op 532 en 543, die Court of Appeal klaarblyklik nie akkoord gegaan het nie met uitlatings in vroeëre beslissings aangaande ontsluiering waarop die respondent se advokaat peil probeer trek het.“ 375 1993 (2) SA 743 (A) 748C–D: „Ek kan egter terloops daarop wys dat die beslissings waarop die appellante se advokaat hom beroep het, sedertien aan ’n beperkende ontleding en bespreking onderwerp is in die beslissing van die Court of Appeal in Adams v Cape Industries plc . . .“

IV. Group-Rechtsverhältnisse und deutsche Rechtslage

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ter anderem auf Adams v Cape Industries plc, dass der „group approach“ dem Trennungsprinzip zuwiderläuft.376 Im südafrikanischen Schrifttum hatte Davids 1993 zur englischen Rechtslage noch vertreten, dass es dort eine Tendenz in der Rechtsprechung gebe, „to lift the veil and treat all the companies within the group as one economic unit.“377 Diese These ist jedoch seit Adams v Cape Industries plc (1991) nicht mehr haltbar.378 Zu beachten ist, dass die economic entity-Theorie (wie in der DHN-Entscheidung formuliert) in England nie dazu herangezogen worden ist, um innerhalb einer group of companies eine Gesellschaft für die Verbindlichkeiten einer anderen Gesellschaft haften zu lassen.379 376 1994 (4) SA 536 (W) 545B–C (per Zulman, J): „As was correctly pointed out . . ., the ,group approach‘ . . . ignores the fact that each of the companies in the . . . group enjoys separate corporate personality. This is so even if their affairs might be interlinked and intertwined . . . See, for example, Adcock-Ingram . . .; Ritz v Ritz . . .; Adams v Cape Industries plc . . .“ 377 Davids, Lifting the Veil, 68 f. unter Hinweis auf Farrar, Company Law, 2. Auflage (1988), 63 und Gower, Principles of Company Law (1979), 133. 378 Vgl. auch Farrar, Company Law, 73, der feststellt, dass „[t]he courts have sometimes shown a willingness to look upon a group of companies as one unit.“ Er spricht jedoch nicht von einer allgemeinen Tendenz. Gower, Principles of Company Law, 4. Auflage (1979), 137 stellte zwar noch fest, dass „following the lead of the legislature there is evidence of a tendency to recognise the substance rather than the legal form by treating the whole group . . . as one entity . . .“ Gleichzeitig aber merkt Gower an, dass die Rechtsprechung „timid“ sei, dies zu tun. Deutlicher hebt Gower dann in Principles of Company Law (1992), 129 f. bei der Besprechung der Adams v Cape Industries-Entscheidung hervor, dass „[i]t seems . . . that [only] in aid of interpretation the court may (and indeed should) have regard to the economic realities in relation to the companies concerned. But that now seems to be the extent to which the ,single economic unit‘ argument can succeed.“ Die Autoren vertreten insgesamt die These, dass der „single economic unit“-Ansatz inzwischen nur noch als bloße „interpretation exception“ betrachtet werden könne. 379 Mayson, Company Law, 156 (Kap. 5.2.2.8) unter Verweis auf Re Southard & Co Ltd [1979] 1 WLR 1198 (CA) 1208, [1979] 3 All ER 556 (CA) 565 (Muttergesellschaft nicht haftbar für die Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaft, per Templeman, LJ) und Kleinwort Benson Ltd v Malaysia Mining Corporation Bhd [1989] 1 WLR 379 CA (Muttergesellschaft selbst dann nicht haftbar für die Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaft, wenn sie dem Gläubiger der Tochtergesellschaft einen comfort letter gegeben hat, per Gibson, LJ): „The most interesting point about the reception of the DHN case is that it has not been applied in the most obvious way, that is, to make one company in a group liable for the debts of another company in the group: a parent is not responsible for the debts of its subsidiary (Re Southard & Co Ltd [1979] 3 All ER 556 565c–d per Templeman, LJ . . .) even if it has in the past expressed in a comfort letter a policy of supporting the subsidiary (Kleinwort Benson Ltd v Malaysian Mining . . .).“ Templeman, LJ’s obiter dictum in Re Southard & Co Ltd [1979] 3 All ER 556 (CA) 565c–d lautet: „English company law possesses some curious features, which may generate curious results. A parent company may spawn a number of subsidiary companies, all controlled directly or indirectly by the shareholders of the parent com-

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

(3) Voraussetzungen einer economic entity-Konstruktion In Südafrika liegt bislang noch keine Entscheidung vor, in der bei einem Konzern mit einer holding company als Spitze zu piercing of the veil gegriffen wurde. Anders ist dagegen die Lage bei Konzernen mit einer natürlichen Person als Spitze. Hier liegt seit Cape Pacific v Lubner 1995 AD eine piercing-Leitentscheidung vor, denn dem dortigen Lubner-Konzern lag ein faktisches Beherrschungsverhältnis zugrunde.380 Jedoch wird in Südafrika ein Konzern mit einer natürlichen Person als Konzernspitze im Gegensatz zu einem Konzern mit einer holding company als Konzernspitze nicht als group verstanden.381 Anhand der englischen Rechtsprechung bis 1980 hat aus der südafrikanischen Literatur Botha die Voraussetzungen für das Vorliegen einer economic entity und für die Einschlägigkeit der economic entity-Theorie bei einer group of companies zu formulieren versucht.382 Danach muss kumulativ tatbestandlich erstens Beherrschung (control) der Mutter- über die Tochtergesellschaft sowie zweitens eine Interessengemeinschaft / -identität („utter identity and community pany. If one of the subsidiary companies, to change the metaphor, turns out to be the runt of the litter and declines into insolvency to the dismay of its creditors, the parent company and the other subsidiary companies may prosper to the joy of the shareholders without any liability for the debts of the insolvent subsidiary.“ Diese Rechtslage von 1979 hat sich in England inzwischen zugunsten der Gläubiger der Tochtergesellschaft geändert mit der Einführung des § 214 Insolvency Act 1986 (Insider Trading): Das dortige Tatbestandsmerkmal „director“ schließt ausdrücklich auch einen „shadow director“ ein (§ 214 Abs. 7 Insolvency Act 1986). Ein shadow director ist definiert als „a person in accordance with whose directions or instructions the directors of the company are accustomed to act“ (§ 251 Insolvency Act 1986), und eine parent company, die die Leitung der Tochtergesellschaft an sich gezogen hat, lässt sich problemlos als ein solcher shadow director einordnen. Vgl. auch Reed v Nova Securities Ltd [1985] 1 WLR 193 (HL) 201 (wieder per Lord Templeman): „[T]he theoretical independent existence of every corporation enables a group of companies to escape liability at common law for the losses of an individual member of the group.“ 380 Der dort vorliegende Lubner-Konzern gründete in einem faktischen Beherrschungsverhältnis. Ein rechtliches Beherrschungsverhältnis (vertraglich oder anteilsinhaberschafts- [mehrheitsbeteiligungs-]rechtlich) lag dagegen nicht vor. Mr Lubner als natürliche Person beherrschte faktisch, nicht jedoch rechtlich alle Gesellschaften dieses Konzerns. Nur im Hinblick auf die von Cape Pacific (Pty) Ltd zweitbeklagte GLI-Gesellschaft, welche holding company einer Reihe von nachgeordneten Gesellschaften war, war Mr Lubner Mehrheitsgesellschafter und es lässt sich somit an eine (anteilsinhaberschafts-)rechtliche Beherrschung denken. Im Hinblick auf die erstbeklagte LCI-Gesellschaft jedoch, die ihrerseits holding company einer Reihe von nachgeordneten Gesellschaften war, war Mr Lubner dagegen nicht einmal Gesellschafter (und auch nicht director), sondern lediglich Treuhänder (trustee). Als trustee kann er jedoch rechtlich kein Eigeninteresse verfolgen im Hinblick auf das trust-Vermögen; aus seiner trustee-Stellung ergibt sich daher kein rechtliches Beherrschungsverhältnis. 381 s. o. Kap. B. II. 1. b) bb). 382 Botha (1982), De Jure 118, Sauermann, Haftung des Mutterunternehmens, 118 f.

IV. Group-Rechtsverhältnisse und deutsche Rechtslage

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of interest“) zwischen den verbundenen Gesellschaften vorliegen. Botha präzisiert control allerdings nicht näher, verweist jedoch auf die Lonrho-Entscheidung und schließt aus ihr, dass effective control erforderlich sei und eine solche sich jedenfalls noch nicht schon allein aus einer 100%-igen Beteiligung ergebe.383 Ferner bestünden folgende Anwendungsschranken: Erstens müsste, falls man Mutter- und Tochtergesellschaften gesondert in Betracht nähme, eine gesetzliche Regelungslücke vorliegen,384 und zweitens dürfe diese Theorie nicht zu Lasten von Gläubigern oder Minderheitsgesellschaftern angewandt werden. Diese Prüfliste ist jedoch kaum von Nutzen, da sie sich fast nicht von derjenigen unterscheidet, die Botha vorlegt, um zu bestimmen, wann ein agencyRechtsverhältnis zwischen holding company und subsidiary angenommen werden kann.385 Sehr zweifelhaft ist ferner, ob sie so heute noch Gültigkeit besitzt, 383 Botha (1982), De Jure 116 unter Bezugnahme auf Lonrho [1980] 2 WLR 376 (CA) 373D–F [Im Lonrho-Fall ging es um eine Herausgabeklage der englischen Muttergesellschaften Shell / BP gegenüber ihren südafrikanischen und rhodesischen Tochtergesellschaften im Hinblick auf bestimmte Urkunden. Die Tochtergesellschaften weigerten sich.]: „What is the position with regard to a holding company or the head of a group, like [wie vorliegend] Shell or B.P., which has subsidiaries – some 100 per cent. owned or (as in many of these cases) when they own 50 per cent. each, so that between them they control the subsidiaries? When there is a parent company with subsidiaries, is it or is it not the law that the parent company has the ,power‘ over the documents of the subsidiaries when they are in another country? I would like to say at once that, to my mind, a great deal depends on the facts of each individual case. For instance, take the case of a one-man company, where one man is the shareholder . . . where perhaps he is the sole director. In those circumstances, his control over that company may be so complete – his ,power‘ over it so complete – that it is his alter ego . . . But in the case of multi-national companies, it is important to realise that their position with regard to their subsidiaries is very different from the position of oneman companies. And often it is different from the position of a 100 per cent. company operating in one country only . . . [374B–C:] These South African and Rhodesian companies were very much self-controlled. Their directors were local directors – running their own show, operating it, with comparatively little interference from London . . . [374D:] We then come to the question in this case: One hundred per cent. of the shares were owned by Shell and B.P. Did that give them the ,power‘ over these documents? . . . [374F:] Mr Sparrow [Anwalt der klagenden Muttergesellschaft] . . . said that in recent years we have, in many cases lifted the corporate veil. We have pierced the corporate veil so that now a group company like this – or a parent company – has not only de facto, but virtually in law, power over the actions of the subsidiary, and over its documents . . . [375D–E:] [I]t seems to me that even if we lift up the [corporate] veil in this case: even if we look, as we can, at all the shareholdings and all the directors: . . . in this particular case it is entirely different. Although the parent companies may have owned 100 per cent. or 50 per cent. each of the shares in the subsidiaries, it seems to me that in regard to the documents which are in the possession of the South African and Rhodesian companies, the parent companies have no ,power‘ over them.“ (per Denning, MR). 384 Die Anwendungsvoraussetzung „Regelungslücke“ und die Tatbestandsvoraussetzung „Interessensgemeinschaft / -identität“ finden sich bereits in der DHN-Entscheidung [1976] 3 All ER 473f–g (per Shaw, LJ). 385 s. o. Kap. B. II. 1. b) ee) (2).

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

denn Botha hat sie schon 1982 vorgelegt und damit vor der südafrikanischen Ritz v Ritz-Leitentscheidung (1988) und vor der noch späteren englischen Leitentscheidung Adams v Cape Industries plc (1991). Davids hält es für ein schwieriges Unterfangen, die Tatbestandsvoraussetzungen zu formulieren, unter denen die südafrikanische Rechtsprechung die economic entity-Theorie bei verbundenen Gesellschaften anwenden werde.386 Auch mit Blick auf die englische Rechtslage kann Davids keine allgemeinen Richtlinien erkennen, insbesondere da die DHN-Entscheidung (1976), die Davids als „a more realistic approach with regard to groups of companies“ bezeichnet, durch die nachfolgende gegenläufige Multinational-Entscheidung (1983) aufgewogen worden sei.387 Die weitere südafrikanische Rechtslehre (Beuthin / Luiz, Cilliers)388 hat gänzlich davon Abstand genommen, den Tatbestand einer economic entity zu formulieren. (4) Ist die economic entity-Konstruktion eine allgemeingültige oder nur eine Einzelfall-Konstruktion? Unklar ist, ob die bisherige Rechtsprechung economic entity-Konstruktionen als allgemeingültige Konstruktionen zur Behandlung von Fällen mit groupSachverhalten verstanden hat389 oder diese Urteile vielmehr nur eine Reihe von Einzelfallentscheidungen darstellen.390 386

Davids, Lifting the Veil, 168. Davids, Lifting the Veil, 72. Unvollständigerweise nimmt Davids, Lifting the Veil (1993) keinen Bezug auf die Leitentscheidung Adams v Cape Industries plc (1991). Auch Adams v Cape Industries plc gibt jedoch keinen Leitfaden für das „,single economic entit‘ argument“ an die Hand, vgl. Gower, Principles of Company Law (1992), 126 f. 388 Beuthin / Luiz, Basic Company Law, Cilliers, Corporate Law. 389 Diese Ansicht vertrat das Gericht (per Denning, MR) anscheinend in DHN [1976] 1 WLR 852 860A–B, wo befürwortend Gower, Principles of Company Law (1969), 216 zitiert wird. Jedoch betonte Denning in DHN [1976] 1 WLR 860D andererseits auch ausdrücklich, dass die drei im Sachverhalt vorliegenden Gesellschaften lediglich „for present purposes“ als eine Einheit behandelt werden sollen. In der späteren Entscheidung Littlewoods Organisation Ltd v Harris [1978] 1 All ER 1026 (CA) (wieder per Denning, MR) findet sich eine solche Einschränkung allerdings nicht mehr, vgl. Botha (1982), De Jure 117 (Fn. 53). In seiner späteren Lonrho-Entscheidung (Lonrho Ltd v Shell Petroleum Co Ltd [1980] 2 WLR 367 (CA) 374F–375B) hat Denning, MR jedoch den durch sein DHNUrteil entstandenen Eindruck abgeschwächt, er habe in allgemeingültiger Weise group interests anerkannt: „I may say that on occasions the courts do lift up a corner of the veil: but that does not mean that they alter the legal position between the companies.“ Die südafrikanische Literatur (Botha 1982, De Jure 117) liest aus dieser Passage, dass group-Gesellschaften nach wie vor sowohl im Verhältnis zueinander als auch im Verhältnis zu Dritten als getrennte Rechtspersönlichkeiten gelten. 390 Diese Ansicht vertrat Goff, LJ im DHN-Urteil: Zwar befürwortete er Denning, MR’s Überlegung, dass es sich bei DHN um einen Sachverhalt handele, bei dem ein 387

IV. Group-Rechtsverhältnisse und deutsche Rechtslage

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Die Literatur in Südafrika scheint heute überwiegend der Meinung zu sein, die economic entity-Theorie sei jeweils nur auf Einzel- / Sondersachverhalte angewandt worden und damit nicht verallgemeinerungsfähig: Botha hält Goff LJ’s Minderheitsvotum in der DHN-Entscheidung, in dem Goff der in DHN angewandten economic entity-Konstruktion nur sachverhaltsbedingten Einzelfallcharakter zuspricht,391 für vorzugswürdig gegenüber Denning MR’s dortigen Ausführungen.392 Larkin ist unter Hinweis auf die englische Leitentscheidung Adams v Cape Industries plc393 der Ansicht, dass durch sie der (in DHN enthaltene) Rechtsgrundsatz beseitigt worden sei, demzufolge innerhalb einer economic entity ein piercing of the corporate veil der verbundenen Gesellschaften statthaft sei.394 Ferner legt auch Larkin die Entscheidung dahingehend aus, dass sie bisherige economic entity-Entscheidungen als bloße Norminterpretationen einordnet.395 (5) Ist die economic entity-Konstruktion ein piercing of the corporate veil? Umstritten ist in der Literatur, ob die Behandlung einer group als economic entity ein piercing of the corporate veil darstellt.396 piercing of the corporate veil anzuwenden sei. Aber er lehnte ausdrücklich ab, die economic entity-Konstruktion für auf alle Fälle mit group-Sachverhalten gleichermaßen anwendbar zu halten (DHN [1976] 1 WLR 861D–E): „The relevant parts of the judgements in . . . DHN . . . must, we think, . . . be regarded as decisions on the relevant statutory provisions for compensation, even though these parts were somewhat broadly expressed, and the correctness of the decisions was doubted by the House of Lords in Woolfson v Strathclyde Regional Council . . .“ Auch Adams v Cape Industries plc 1019h / j hält die DHN-Entscheidung nicht für eine allgemeingültige Lösung, sondern für eine auf ihren besonderen Sachverhalt (also auf die einschlägigen Entschädigungsregeln) beschränkte Lösung. Vgl. hierzu auch Mayson, Company Law, 137. 391 s. o. vorherige Fußnote. 392 Botha (1982), De Jure 117. 393 Adams v Cape Industries plc [1991] 1 All ER 929 1019h / j (per Slade, LJ): „[T]he court is not free to disregard the principle of Salomon v A Salomon . . . merely because it considers that justice so requires. Our law, for better or worse, recognises the creation of subsidiary companies, which though in one sense the creatures of the their parent companies, will nevertheless under the general law fall to be treated as separate legal entities with all the rights and liabilities which would normally attach to separate legal entities.“ 394 Larkin (1993), ASSAL 428 (unter Bezugnahme auf Adams v Cape Industries plc 1019h / j): „In this way, Adams disposed of the principle that, where a group of companies can be said to be a single economic entity, the individual identities of the companies within that group can be disregarded.“ Vgl. auch Mayson, Company Law, 156 (Kap. 5.2.2.8), der auf Adams v Cape Industries plc 1019f / g verweist. Zu Einzelheiten der Adams v Cape Industries plc-Entscheidung vgl. Gower, Principles of Company Law (1992), 125 ff. 395 Larkin (1993), ASSAL 429. 396 Vgl. Davids, Lifting the Veil, 73 m.w. N.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Powles bejaht dies mit der Begründung, dass die getrennten Rechtspersönlichkeiten der einzelnen verbundenen Gesellschaften missachtet (ignored) würden und deren Rechte und Pflichten als zur Muttergesellschaft gehörig betrachtet würden, wenn – wie in DHN – auf die economic entity abgestellt werde.397 Ähnlich sehen dies Sugarman und Webb.398 Botha lässt die Frage, ob eine economic entity als rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil zu verstehen sei, erklärtermaßen offen,399 scheint allerdings eher der Ansicht zuzuneigen, dass sie kein piercing bedeute.400 Ottolenghi401 versteht – im Sinne ihrer Lifting-Leiter402 – die economic entity als einen Fall des extending of the corporate veil und somit als eine gesteigerte Form des lifting of the veil. Die Annahme einer economic entity laufe auf ein Ergebnis hinaus, das unterhalb der Schwelle der Auflösung der Rechtspersönlichkeiten (ignoring the veil) der abhängigen Gesellschaften liege und lediglich bewirke, dass „each corporate entity does not concern us any more: it is ,the enterprise entity‘ on which we focus.“403 Die südafrikanische Rechtsprechung hat nichts ausdrücklich dazu verlauten lassen, ob economic entity-Konstruktionen als piercing of the corporate veil zu verstehen seien. Allerdings verweist Ritz v Ritz billigend auf die DHN- und besonders auf die Revlon-Entscheidung. In Revlon wurde klar gesagt, dass das dort vertretene economic entity-Verständnis nicht Ergebnis eines piercing of the corporate veil sei, sondern das Ergebnis reiner Normauslegung.404 Für DHN 397 Powles (1977), MLR 341 f. Powles zufolge ist in dieser Entscheidung die Tochtergesellschaft als ein rechtliches Minus im Vergleich zu einer eigenständigen Rechtsperson behandelt worden, wobei die Entscheidung keine Antwort auf die Frage gegeben habe, was genau der rechtliche Status einer Tochtergesellschaft innerhalb einer group sei. 398 Sugarman / Webb (1977), LQR 174. 399 Botha (1982), De Jure 112. 400 Botha (1982), De Jure 112: „This analysis will not be concerned with the question whether the constructions placed by the courts on the relationship between a holding company and its subsidiary should correctly rather be regarded as ,piercing‘ . . . It would appear that in these judgements . . . the courts have not viewed the interests of the different holding and subsidiary companies in isolation, refusing to allow the existence of the separate legal personalities of the holding and subsidiary companies to divert the judicial course of applying the law to ascertained facts.“ 401 Ottolenghi (1990), MLR 347. 402 Zu Einzelheiten s. o. Kap. A. I. 2. b) aa), Fn.-Apparat und Davids, Lifting the Veil, 73. 403 Ottolenghi (1990), MLR 347. 404 Revlon 105 (per Buckley, LJ); hierzu s. o. Kap. C. IV. 1. b) bb) (2), Fn.-Apparat. Gower, Principles of Company Law (1997), 185 versteht diesen Fall deshalb – ebenso wie Adams v Cape Industries plc dies tut – als reinen (Norm-)Interpretationsfall und nicht als piercing-Fall. Die economic entity-Argumentation habe hier lediglich als Auslegungshilfe gedient, nicht etwa aber als Durchgriffsinstrument. Vgl. die einschlägige Passage in Adams v Cape Industries plc 1019c–g: „[I]n many cases such

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kann dies nicht mit gleicher Sicherheit gesagt werden.405 Dort kann die economic entity durchaus als im Wege des piercing hergestellt aufgefasst worden sein. (6) Kritik an der economic entity-Theorie Die in DHN formulierte economic entity-Theorie hat vom Schrifttum sowohl befürwortende als auch ablehnende Kritik erfahren. Von der nachfolgenden Rechtsprechung ist sie nahezu einhellig abgelehnt worden. Innerhalb der Literatur hat Rixon das DHN-Urteil scharf kritisiert:406 Erstens habe Denning MR in seiner DHN-Urteilsbegründung die von ihm zitierte Gower-Passage407 („[T]here is evidence of a general tendency to ignore the separate legal entities of various companies within a group, and to look instead at the economic entity of the whole group.“) fehlinterpretiert. Denn im Zusammenhang gelesen habe Gower diese These abgeschwächt formuliert als „a ,tentative‘ conclusion which might ,perhaps, be drawn‘“ und habe im Weiteren klar die fortbestehende Gültigkeit des Trennungsprinzips auch innerhalb groups unterstrichen.408 Botha führt ähnliche Kritik an.409 Zweitens erläutert Rixon eingehend und schlüssig, dass diejenige Vorläuferentscheidung, auf die DHN hauptsächlich abgestützt ist (Harold Holdsworth v Caddies), eine sehr fragwürdige Rechtsgrundlage für die in DHN getroffene Entscheidung sei.410 Drittens

as Holdsworth, . . . Revlon, . . . the wording of a particular statute or contract has been held to justify the treatment of parent and subsidiary as one unit, at least for some purposes.“ 405 Ebenso Gower, Principles of Company Law (1992), 127. 406 Rixon (1986), LQR 415. 407 Gower, Principles of Company Law (1969), 216. 408 Rixon (1986), LQR 417: „Elsewhere in his Principles of Modern Company Law [4. Auflage (1979), 100], in a passage presumably overlooked by the Master of the Rolls [d.i. Denning, MR], Gower stated that ,the rule that the company is distinct from its members applies equally to the separate entities of a group‘.“ 409 Botha (1982), De Jure 116 / 117. 410 Rixon (1986), LQR 419: „The principal authority relied on by . . . [Denning, MR] in DHN . . . was the decision . . . Harold Holdsworth . . . v Caddies [1955 (1) WLR 352], . . . Denning, MR describing that case as a ,striking instance‘ . . . of the ,tendency to ignore the separate legal entities of various companies within a group.‘ In fact, in Harold Holdsworth . . . [the judges] merely took cognisance of the fact that the appellant company owned all the shares in its subsidiary and might, by the exercise of its controlling interest . . . procure the appointment of the respondent as managing director of the subsidiary company; nowhere in the speeches of those judges is there any suggestion that the separate personae of the parent and the subsidiary companies might be disregarded. On the contrary, . . . [one judge] said: ,It is true that each company in the group is in law a separate entity, the business whereof is to be carried on by its own directors and managing directors, if any . . .‘ Hence, Harold Holdsworth . . . v Caddies is a most unsure foundation for the decision . . . in DHN.“

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stehe die DHN-Entscheidung zudem nicht in Einklang mit der früheren Entscheidung Tunstall v Steigman.411 Mayson412 bemängelt Denning MR’s Beschreibung der Tochtergesellschaften in DHN als einerseits „bound hand and foot to the parent company“ und zugleich andererseits als „partners“ der Muttergesellschaft.413 Denn partnership sei ein Verhältnis, das zwischen Personen bestehe, die einer Geschäftstätigkeit gemeinsam in Gewinnerzielungsabsicht nachgingen. Gewöhnlich gingen die Gesellschaften einer group jedoch unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten nach und seien daher gerade nicht in partnership geschäftstätig. In der DHN-group sei nur ein Geschäftsbereich verfolgt worden, die beiden Tochtergesellschaften seien völlig geschäftsinaktiv gewesen. Maysons Argument ist hier nicht durchschlagend, denn damit lag im Wesentlichen eine partnership in Form einer partnership en commandite mit einem aktiven partner (disclosed partner) und zwei passiven partners (die sich wohl als commanditarian partners einordnen lassen) vor.414 Schmitthoff415 bringt zwei Argumente für die economic entity-Theorie vor, insbesondere in Fällen 100%iger Tochtergesellschaften: Erstens sprächen Gläubigerschutzgesichtspunkte für die Theorie. Denn ohne die Möglichkeit der Anwendung der economic entity-Theorie stelle eine Muttergesellschaft, die über eine 100%ige Tochtergesellschaft spekulative und risikoträchtige Geschäftsoperationen durchführt, eine Gefahr für ihre Gläubiger dar. Denn werde die Tochtergesellschaft wegen dadurch eingetretener Insolvenz aufgelöst, fielen die Gläubiger der Tochtergesellschaft aus, da die Muttergesellschaft ja nicht haftbar gemacht werden könne. Dasselbe Argument findet sich bei Davids.416 Zweitens sei es häufig nur eine organisatorische Frage, ob Geschäfte über eine selbständige 100%ige Tochtergesellschaft (wholly owned subsidiary) oder eine unselbständige Zweigstelle (branch) abgewickelt würden. Wedderburn schließt sich Schmitthoff an und möchte – unter Hinweis auf ähnliche Möglichkeiten im deutschen und französischen Recht – die economic entity-Theorie deshalb ausdrücklich darauf angewandt sehen, eine Muttergesellschaft für Zahlungsverbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaft haftbar zu machen.417 411

Rixon (1986), LQR 420. Mayson, Company Law, 155 (Kap. 5.2.2.8). 413 DHN [1976] 3 All ER 467c. 414 Zu Einzelheiten bezüglich der südafrikanischen partnership en commandite s. Van Dorsten, South African Business Entities, 378 ff. 415 Schmitthoff (1978), JBL 221 / 222. 416 Davids, Lifting the Veil, 98. 417 Wedderburn (1984), MLR 90, allerdings mit Blick auf das Gesetzesrecht: „[It is] time . . . to . . . make parent corporations . . . liable for some at least of the debts and liabilities of subsidiaries“ und Wedderburn (1984), MLR 91: „[W]e need extensions . . . in liability . . . of parents for subsidiaries . . ., recognising the multinational [group] 412

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Sugarman und Webb418 begrüßen den economic entity-Ansatz, da dieser agency-Konstruktionen überflüssig mache. Gerade gegenteilig bringt Powles419 vor, dass der economic entity-Ansatz überflüssig sei, da die Anwendung der bewährten agency-Konstruktion zu demselben Ergebnis führe, ohne jedoch dabei das Trennungsprinzip zu verletzen.420 Botha hält die economic entity-Konstruktion für vorzugswürdig gegenüber der agency-Konstruktion, da sie eine gesellschaftsrechtseigene Konstruktion darstelle.421 Das Argument ist bedenklich, da die economic entity-Theorie ja gerade einem Grundpfeiler des Gesellschaftsrechts, dem Trennungsprinzip (Salomon-Rechtsgrundsatz), zuwiderläuft. Auch von der Rechtsprechung ist Denning MR’s DHN-Urteilsbegründung deutlich kritisiert worden, und zwar zuerst in der australischen Entscheidung Industrial Equity Ltd v Blackburn (1977),422 danach mit einem DHN-feindlichen obiter in der schottischen Entscheidung Woolfson (1978) und schließlich in der englischen Leitentscheidung Adams v Cape Industries plc (1991): Die höchstrichterliche Entscheidung Industrial Equity Ltd v Blackburn kritisierte schlüssig Dennings These in DHN,423 wonach das gesetzliche Erfordernis des Companies Act an die Muttergesellschaft, einen Konzernabschluss aufzustellen, ein Beispiel dafür sei, wie das Gesetzesrecht eine enterprise entity anerkenne. Denn dieses Erfordernis sei ein bloßes Zusatzerfordernis an die Muttergesellschaft, befreie diese aber nicht davon, auch noch ihren eigenen Jahresabschluss vorzulegen. Die Konzernabschlussvorschriften könnten daher kaum als Beleg für piercing innerhalb von groups herangezogen werden. In Woolfson v Strathclyde wurden ebenfalls – wenngleich nur obiter – deutliche Zweifel an der Richtigkeit der DHN-Entscheidung laut. Diese bezogen sich allerdings darauf, ob die DHN-Entscheidung das Potential in sich schließe, einen neuen allgemeingültigen piercing-Rechtsgrundsatz („piercing, whenever it is just and equitable to do so“) zu etablieren, und nicht im besonderen auf seine Eigenschaft als Leitentscheidung in Sachen economic entity-Theorie. Die englische Leitentscheidung Adams v Cape Industries plc lehnte den economic-entity-Ansatz deutlich ab und betonte die strenge Gültigkeit des Tren-

,as an economic unit‘ . . . How can poor old Salomon be expected to cope with . . . Multinational Gas [v Multinational Gas]? . . . [P]redominant reality is not today the company. It is the corporate group.“ 418 Sugarman / Webb (1977), LQR 174. 419 Powles (1977), MLR 342. 420 Dennoch begrüßte Powles (1977, MLR 342) DHN als eine Entscheidung, die „clearly a victory for common sense over technicality“ sei. 421 Botha (1982), De Jure 122 f. 422 [1977] 137 CLR 567 577 / 578. 423 [1976] 3 All ER 467b / c.

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nungsprinzips bei verbundenen Gesellschaften.424 Ferner verstand sie die economic entity-Lösungswege der Entscheidungen Harold Holdsworth und Revlon zum einen als bloße Einzelfallrechtsprechung und zum anderen als bloße Norm- / Vertragsinterpretation, nicht aber als verallgemeinerungsfähige piercingRechtsgrundsätze.425 (7) Economic entity-Spuren in der südafrikanischen Rechtsprechung Zwar war die economic entity-Theorie bislang noch nie ratio decideni einer südafrikanischen Entscheidung. Doch hat die Rechtsprechung 1988 in einigen obiter dicta in Ritz v Ritz426 (per Nicholas AJA) ihr Wohlwollen gegenüber dieser Konstruktion erkennen lassen. Allerdings wurde dort letztlich auf der Grundlage der Annahme eines (implied) agency-Rechtsverhältnisses eine Lösung gefunden und nicht auf der Grundlage der Annahme einer economic entity. In Ritz v Ritz lag der Appellate Division folgender Sachverhalt zur Entscheidung vor: Die beklagte südafrikanische Gesellschaft Charles of the Ritz Ltd war seit 1970 Inhaberin mehrerer in Südafrika eingetragener Kosmetika-Warenzeichen („Charles of the Ritz“, „Ritz“), die südafrikanische Gesellschaft African Sales (Pty) Ltd eingetragene Benutzerin (registered user) dieser Warenzeichen. African Sales (Pty) Ltd stellte „Charles of the Ritz“- und „Ritz“-Produkte her und vertrieb sie. Das Verpackungsmaterial für die hergestellten Waren bekam sie von der US-amerikanischen Muttergesellschaft, Charles of the Ritz Group Ltd, geliefert. Dieses trug die Aufschrift „Made in USA, Charles of the Ritz Group Ltd“. Die südafrikanische Charles of the Ritz Ltd war 100%-ige Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Muttergesellschaft Charles of the Ritz Group Ltd. Die Abteilung für technische Überwachung der Muttergesellschaft überwachte die Qualität der Herstellung aller von African Sales (Pty) Ltd hergestellten „Charles of the Ritz“- / „Ritz“-Waren. Die Klägerin, das Luxushotel Ritz Hotel Ltd, wollte 1980 ein eigenes Warenzeichen „Hotel Ritz“ für bestimmte, in ihrer Hotellobby vertriebene Kosmetika eintragen lassen. Ihr Eintragungsantrag wurde jedoch abgelehnt unter Hinweis auf die Verwechslungsgefahr mit den obigen Warenzeichen der Beklagten. Ritz Hotel Ltd klagte daraufhin darauf, die Warenzeichen der beklagten Charles of the Ritz Ltd aus dem Warenzeichenregister zu entfernen.

424

Adams v Cape Industries plc 1016a. Adams v Cape Industries plc 1019c–g (per Slade, LJ): „[I]n many cases such as Holdsworth, . . . Revlon, . . . the wording of a particular statute or contract has been held to justify the treatment of parent and subsidiary as one unit, at least for some purposes.“ 426 Ritz Hotel Ltd v Charles of the Ritz Ltd 1988 (3) SA 290 (A) 314H–316B. 425

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Begründet wurde der Antrag damit, dass die Verwendung (use) der Warenzeichen jedenfalls kein „permitted use“ i. S. d. § 48 Trade Marks Act427 sei, da der Warenzeicheninhaber (die beklagte Gesellschaft) nicht die von § 48 Trade Marks Act geforderte „control“ über den eingetragenen Benutzer (African Sales (Pty) Ltd) ausübe. Denn die gesamte (Produktions-)Überwachung (control) werde von der technischen Abteilung der US-Muttergesellschaft ausgeübt, die jedoch nicht Vertragspartei der user-Vereinbarung zwischen der beklagten Gesellschaft und African Sales (Pty) Ltd sei. Die Appellate Division (per Nicholas AJA) verwarf die Argumentation von Ritz Hotel Ltd: Grundsätzlich seien wegen des Trennungsprinzips Handlungen (hier die Ausübung von Qualitäts- und Produktionsüberwachung, also „control“ im Sinne des Trade Marks Act) der Muttergesellschaft nicht Handlungen der Tochtergesellschaft und umgekehrt. Doch wurde mit Blick auf die englische Rechtsprechung festgestellt, dass dort bei Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften zunehmend ein „more relaxed approach“ eingenommen werde.428 Als Belege (persuading authorities) hierfür wurden die beiden Entscheidungen DHN und Revlon angeführt.429 In der von Nicholas AJA angeführten DHN-Passage430 zitiert Denning MR aus Gower Principles of Company Law,431 wo (insbesondere 427 § 48 Trade Marks Act, No. 62 of 1963 [Registered User]: „(1) (a) [A] person other than the proprietor of a trade mark may be registered as a registered user . . . (b) The use of a trade mark by a registered user . . . is in the Act referred to as the ,permitted use‘ . . . (2) The permitted use of a trade mark shall be deemed to be use by the proprietor . . . (4) Where it is proposed that a person should be registered as a registered user . . ., the proprietor and the proposed registered user shall apply in writing to the Registrar . . . and shall furnish him with a . . . declaration . . . (a) giving particulars of the relationship . . . between the proprietor and the proposed registered user, including particulars showing the degree of control by the proprietor over the permitted use which their relationship will confer . . .“ 428 Ritz v Ritz 314H: „It is clear that the acts of a holding company are not per se the acts of its wholly owned subsidiary, or vice versa, since the holding company is a separate legal entity from its subsidiary; but in recent years, there has become evident in the English cases a more relaxed approach to the application of this basic [Salomon-]principle.“ 429 Ritz v Ritz 314I–315I. 430 Ritz 315 F–H: „In DHN . . . at [(1976) 3 All ER] 467b–c . . . Denning MR quoted with approval a statement in the 3rd edition of Gower [d.i. das Lehrbuch Gower, Principles of Modern Company Law, 3. Auflage (1969), London] that ,there is evidence of a general tendency to ignore the separate legal entities of various companies within a group, and to look instead at the economic entity of the whole group‘ and added: ,This is especially the case when a parent company owns all the shares of the subsidiary, so much that it can control every movement of the subsidiaries . . .‘.“ Erstaunlicherweise führt Nicholas, AJA nicht im Folgenden auch DHN 467d an, wo Dennings economic entity-Ansatz besonders deutlich wird: „The three companies should . . . be treated as one, and the parent company . . . should be treated as that one . . .“ 431 Gower, Principles of Company Law, 3. Auflage (1969), 216.

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mit Blick auf 100%ige Tochtergesellschaften) festgestellt wird, „that there is a general judicial tendency to focus with regard to groups on the economic entity and, thus, to ignore the separate legal personalities of the individual companies.“ In der von Nicholas AJA angeführten Revlon-Passage lehnt das dortige Gericht (per Dillon J) eine strenge Beachtung des Trennungsprinzips bei groups als mit dem DHN-Rechtsgrundsatz unstimmig ab.432 Beide Urteilspassagen stützen somit deutlich den economic entity-Ansatz.433 Die Revlon-Entscheidung wird in Ritz v Ritz als der richtige Ansatz angesehen für die Behandlung von Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften. Deutlich wird dies in der Schlüsselpassage Ritz v Ritz 316A, in der Nicholas AJA darüber hinaus seine Bereitschaft andeutet, seine frühere Adcock-IngramEntscheidung „im Lichte des Revlon-Falles zu überdenken.“434 In Adcock-Ingram hatte er das Vorbringen zurückgewiesen, dass ein (implied) agencyRechtsverhältnis zwischen einer 100%igen Tochtergesellschaft (agent) und ihrer Muttergesellschaft (principal) bestehe. Ein Neu-Überdenken der Adcock432 Ritz v Ritz 315H–316A: „In Revlon Inc v Cripps and Lee Ltd . . . Dillon J, in dealing with an argument based on the fact that companies in the Revlon cosmetics group were separate companies, said at 95: ,In my judgement . . . this narrow emphasis on the individuality of companies in a group is not in accordance with recent authorities; see DHN . . .‘ This approach was approved by the Court of Appeal . . .“ 433 In Ritz v Ritz 314I–315B wird ferner auch auf die Entscheidung The Albazero [1975] 3 All ER (CA) 21 52a–c verwiesen, wo Roskill, LJ ebenfalls befürwortend aus Gower, Principles of Company Law (1979), 126 ff. zitiert: „The Courts are still apt to affirm that it is a fundamental principle of English law ,. . . that each company in a group . . . is a separate legal entity . . .‘ Nevertheless while doing so they may admit that: ,It is perhaps permissible under modern conditions to regret the existence of this principle‘, and that: ,Modern commerce is hampered and not helped by too rigid an adherence to the basic principle . . . [T]he law should not be too astute not to recognise the realities of the position . . .‘“ Es ist allerdings zweifelhaft, ob diese Gower-Textstelle als Stütze für die in DHN dargestellte economic entity-Theorie herangezogen werden kann: Denn zwar kritisiert Gower die strenge Beachtung des Trennungsprinzips bei der Behandlung von Fällen, in denen ein group-Rechtsverhältnis vorliegt. Doch scheint er solche Fälle in erster Linie unter Heranziehung von agency-Konstruktionen lösen zu wollen und nicht unter Heranziehung von economic entity-Konstruktionen, vgl. Gower, Principles of Company Law (1979), 128 f.: „In the light of this attitude it is not surprising that cases can be found where the Courts have been willing to treat a subsidiary company as an agent of the holding company . . . [I]t was said in the Court of Appeal [in Ebbw Vale UDC v Wales Traffic Area [1951] 2 KB 366 CA] that: ,Under the ordinary rules of law, a parent company and a subsidiary company, even a 100 percent subsidiary company, are distinct legal entities, and in the absence of an agency contract between the two companies one cannot be said to be the agent of the other.‘ Insofar as this suggests that an express agency contract is needed it clearly goes too far. But exactly what else will suffice?“ 434 Ritz v Ritz 316A–B: „I should observe here that in the light of the judgements in the Revlon case, it may become necessary to reconsider Adcock-Ingram Laboratories v SA Druggists Ltd and Another; Adcock-Ingram Laboratories Ltd v Lennon Ltd 1983 (2) SA 350 (T) where I held that use of a trade mark by a wholly owned subsidiary of the registered proprietor was not use by the proprietor.“

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Ingram-Entscheidung im Lichte der Revlon-Entscheidung lief daher auf einen economic entity-Lösungsansatz (Tochter- und Muttergesellschaft als eine erweiterte economic entity) hinaus. Damit war für Ritz v Ritz der Weg geebnet für eine solche Lösung. Jedoch schlug Nicholas AJA diesen Weg letztlich nicht ein, sondern folgte einer reinen (umgekehrten) agency-Konstruktion: Die US-Muttergesellschaft (durch ihre technische Abteilung) habe als agent der beklagten Tochtergesellschaft (der Inhaberin der Warenzeichen) als principal für diese die von § 48 Trade Marks Act geforderte control (Qualitäts- und Produktionskontrolle) über die eingetragene Benutzerin African Sales (Pty) Ltd ausgeübt.435 Zwar liege kein express agency-Rechtsverhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft vor, aber jedenfalls ein implied agency-Rechtsverhältnis (Muttergesellschaft als agent der Tochter). Nicholas AJA räumt allerdings ein, dass er den Begriff agent hier nicht technisch im Sinne der Rechtsgrundsätze des Stellvertretungsrechts verwendet habe.436 „Permitted use“ i. S. d. § 48 Trade Marks Act lag somit vor, und die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Alle Ausführungen über economic entity blieben damit obiter dicta. Fraglich ist, welche Bedeutung Ritz v Ritz als Wegweiser für die economic entity-Theorie in Südafrika zukommt: In Revlon wurde im Wege einer reinen Normauslegung und ausdrücklich ohne jede Heranziehung von piercing-Erwägungen eine economic entity-Lösung gefunden.437 Die in Ritz v Ritz 316A ausgesprochene Bereitschaft, die frühere Adcock-Ingram-Entscheidung „im Lichte des Revlon-Falles neu zu überdenken“, weist zwar in dieselbe Richtung, jedoch steht die dortige Entscheidung dem entgegen. Denn in Ritz v Ritz wurde in Kenntnis der Revlon-Entscheidung gerade nicht im Wege einer economic entityKonstruktion, sondern im Wege einer agency-Konstruktion eine Lösung gefunden, obgleich der vorliegende Sachverhalt kaum größere Auslegungsanforderungen gestellt hätte als derjenige in Revlon. Zusammenfassend gilt somit derzeit in Südafrika: Bei Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften (holding company / subsidiary) wird inzwischen (jedenfalls im Bereich des Warenzeichenrechts) innerhalb der group of companies zugerechnet. Unklar ist jedoch weiterhin, ob dies im Wege einer durch Normzweckauslegung ermittelten economic entity oder im Wege einer agency-Konstruktion geschehen soll. Klar ist ledig435

Ritz v Ritz 239H–J. Ritz v Ritz 317A–C: „The respondent does not rely on an express agreement of agency, and this is not required. The real question is, whether in performing the function of quality control, the technical services division is a third party acting independently of the respondent, or whether it is the respondent’s agent, using the word, not in a precise legal sense, but loosely, in the sense that it is acting on behalf of the respondent . . . It follows that the services and control must have been performed by the technical services division at the behest of the respondent and on its behalf.“ 437 Revlon 105. 436

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lich, dass eine als piercing of the corporate veil verstandene enterprise entityKonstruktion keinen Lösungsweg darstellt. Während die südafrikanische Rechtsprechung sich somit mit Blick auf englische Entscheidungen aus den siebziger Jahren seit Ende der achtziger Jahre in Richtung economic entity-Theorie bewegt hat, hat sich in England die Entwicklung inzwischen wieder umgekehrt. Dort hat die Rechtsprechung die economic entity-Theorie bereits wieder deutlich verworfen, wie insbesondere die Entscheidungen Multinational (1983), Bank of Tokyo (1987) und Adams v Cape Industries plc (1991) gezeigt haben. Zwar gelten diese Entscheidungen in Südafrika als persuasive authorities,438 doch hat sich die südafrikanische Rechtsprechung in Ritz v Ritz (1988) nicht auf die seinerzeit bereits vorliegenden ersteren beiden gestützt. Bislang liegen noch keine rationes decidendi vor, die darüber Aufschluss geben, inwieweit die südafrikanische Rechtsprechung heute bei verbundenen Gesellschaften noch stets Wohlwollen gegenüber DHN bzw. Revlon und die jeweils darin vertretenen economic entity-Lösungsansätze aufbringt oder stattdessen der neueren Entscheidung Adams v Cape Industries plc (1991) folgt. In obiter dicta hat die Appellate Division bislang lediglich gezeigt, dass sie die Kehrtwende in England zur Kenntnis genommen hat (Wambach v Macadamia [1993], Macadamia Finance Bpk v De Wet [1993]).439 cc) Partnership-Konstruktion (Milo) Zu der von Milo vorgeschlagenen partnership-Konstruktion440 liegen noch keine Stellungnahmen der südafrikanischen Rechtslehre oder Rechtsprechung vor. Vermutlich werden solche Konstruktionen verfehlt als piercing of the corporate veil aufgefasst werden.441 Ausgehend vom südafrikanischen piercingVerständnis ist dies jedoch nicht stimmig, denn wie agency-Rechtsverhältnisse erfordern auch partnership-Rechtsverhältnisse zwingend stets zwei Rechtspersonen. Noch keine Aussage ist möglich zur Frage, wann bei verbundenen Gesellschaften eher zu agency-Konstruktionen und wann eher zu partnership-Konstruktionen gegriffen werden würde. Milo selbst ist im Übrigen recht pessimistisch, was die Erfolgsaussichten seines partnership approach angeht.442 438

Vgl. Cilliers, Corporate Law, 20 (Kap. 2.04). Hierzu s. o. Kap. C. IV. 1. b) bb) (2). 440 s. o. Kap. B. II. 2. b). 441 s. o. Kap. B. II. 2. c). 442 Milo (1998), SALJ 345: „It has been argued that traditional South African company law is hostile to the claim of the creditor of a subsidiary against a holding company. While some solace may be found in the common law, the conservative nature 439

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2. Deutsche Rechtslage und vergleichende Betrachtung Fraglich ist, ob im deutschen Recht der Durchgriffshaftung ein Bedürfnis besteht für eine Fallgruppe „nachteilige Beherrschung / Fremdbestimmung“. Dies wurde längere Zeit durchaus vertreten;443 auch frühere Arbeiten zum vorliegenden Thema waren dem durchaus noch zugeneigt.444 Vorliegend werden jedoch Durchgriffshaftung und Konzernaußenhaftung als unterschiedliche Haftungskonzepte voneinander getrennt und wird Konzernaußenhaftung nicht als Fallgruppe der Durchgriffshaftung verstanden.445 Der dann noch möglicherweise einschlägige Bereich einer Durchgriffshaftungs-Fallgruppe „nachteilige Beherrschung / Fremdbestimmung“ verkleinert sich dadurch bereits erheblich. Bis zur Etablierung der Existenzvernichtungshaftung erfasste er aber immerhin noch namentlich den herrschenden nichtunternehmerischen Gesellschafter. Seit den Entscheidungen Bremer Vulkan und KBV sind Eingriffe eines solchen Gesellschafters jedoch in der Existenzvernichtungshaftung aufgegangen. Für eine Fallgruppe „nachteilige Beherrschung / Fremdbestimmung“ besteht daher heute kein Bedürfnis mehr. Sie ist überholt. Um einen partnership approach im deutschen Recht nachzubilden und so die Obergesellschaft für ein Rechtsgeschäft der Untergesellschaft haften zu lassen, müsste ein Konzern als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) angesehen werden können und müssten die Konzerngesellschaften als Gesellschafter dieser GbR gesamtschuldnerisch446 für eine von der Untergesellschaft im Namen der GbR (des Konzerns) abgegebene Willenserklärung haften. Zur gesamthänderischen Haftung (Haftung der Außen-GbR) wurden im deutschen Recht lange drei Theorien vertreten:

of its development will probably stop judicial reform in its tracks. [Es folgt eine Fußnote: „Witness the fate of the DHN case . . . Prentice puts the point thus: ,It is probably not realistic to expect any significant judicial creativity in this field. This is partly due to (a) the extent to which the corporate entity doctrine is entrenched in . . . company law . . . (b) judicial conservatism, (c) and policy considerations which are considered to make this an area which is more suitable for legislative than judicial intervention.‘ . . .“]. . . . Our last hope is the legislature.“ 443 Vgl. z. B. Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 357: „Weiterhin galt als klassische Fallgruppe der echten Durchgriffshaftung eine Haftung bei Unternehmensverbünden und Abhängigkeiten.“ 444 Vgl. Sauermann, Die Haftung des Mutterunternehmens für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft nach deutschem und südafrikanischem Konzernrecht, 1990, Diss. Universität Münster, insb. Kap. D. 1. („Durchgriffshaftung [:] Durchgriff als Reaktion auf das Konzernproblem“) und Kap. D. 4. a („Wichtige Fallgruppen [:] a) Beherrschung und Fremdsteuerung“), namentlich S. 84. 445 s. o. Kap. A. II. 1. b) dd). 446 Zum diesbezüglichen Streitstand im südafrikanischen Recht der partnership s. o. Kap. B. II. 2. b), Fn.-Apparat.

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Nach der traditionellen (gesetzestreuen) Lehre sollte ein rechtsgeschäftliches Handeln für die GbR nach §§ 421, 427 BGB grundsätzlich die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter begründen, und zwar sowohl mit deren Privatvermögen als auch mit dem Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen).447 Schuldner sollten nur die Gesellschafter sein; das Gesellschaftsvermögen wurde als ein diesen zur gesamten Hand zugeordnetes Sondervermögen ohne eigene Rechtsfähigkeit verstanden. Nach der sogenannten Doppelverpflichtungstheorie sollte dagegen der für die (Außen-)GbR handelnde Geschäftsführer durch gleichzeitiges Handeln als Vertreter sowohl der GbR als auch der Mitgesellschafter jeweils beide rechtsgeschäftlich verpflichten.448 Keine dieser beiden Theorien hat sich durchsetzen können. Höchstrichterlich anerkannt ist stattdessen heute die sogenannte Gruppenlehre, wonach Gesamthandsverbindlichkeiten Verbindlichkeiten der rechtsfähigen (Außen-)GbR sind (analog § 124 HGB) und diese von der ihnen korrespondierenden, akzessorischen Haftung der Gesellschafter (analog §§ 128, 129 HBG) zu unterscheiden sind.449 Milo bleibt bedauerlicherweise in seinen Ausführungen undeutlich im Hinblick auf die entscheidende Frage, ob und inwieweit er eine partnership als (teil-)rechtsfähig ansehen will, obgleich ein solches Verständnis in Südafrika durchaus auch vertreten wird.450 Der Vergleich mit der deutschen Rechtslage wird dadurch erheblich erschwert und mutmaßlich: Zwar geht Milo – wie die Doppelverpflichtungstheorie – davon aus, dass der partner als Vertreter (agent) der partnership auftritt. Nicht klar macht Milo aber, ob der rechtsgeschäftlich handelnde partner auch als Vertreter der übrigen Mitgesellschafter (partners) auftritt. Verpflichtet werden soll ferner – im Gegensatz zur Doppelverpflichtungstheorie – nicht die Außen-GbR (partnership) selbst, sondern nur die partners, wenngleich als joint debtors („gemeinschaftliche / gesamthänderische Schuldner“) bzw. Gesamtschuldner (joint and several debtors). Das spricht wohl deutlich dagegen, dass Milo auch die partnership selbst als (teil-)rechtsfähig ansieht. Sein partnership approach liegt deshalb jedenfalls nicht auf der Linie der Doppelverpflichtungstheorie. Zugleich dürfte damit auch abwegig sein, Milos partnership approach mit der Gruppenlehre zur Gesamthandshaftung zu vergleichen.

447

Münchener Kommentar-Ulmer, § 705, Rn. 296 sowie § 714, Rn. 2–5 und Rn. 31. Münchener Kommentar-Ulmer, § 714, Rn. 3. 449 Münchener Kommentar-Ulmer, § 705, Rn. 302, 311 und 354–356, § 714, Rn. 32–34. 450 Sog. entity theory (im Gegensatz zur aggregate theory), vgl. LAWSA 19, par. 277 und par. 304. 448

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Es bleibt also nur ein Vergleich mit der traditionellen Lehre zur Gesamthandshaftung: Ähnlichkeit besteht insofern, als sowohl Milos partnership approch als auch die traditionelle Lehre nur die Gesellschafter (partners) verpflichten wollen, nicht dagegen die GbR (partnership) selbst. Ähnlichkeit besteht ferner darin, dass traditionelle Lehre und jedenfalls ein Teil der Literatur und Rechtsprechung in Südafrika diese Haftung als gesamtschuldnerisch ansehen. Keine Übereinstimmung besteht dagegen mit der anderen Ansicht in Südafrika, wonach die Haftung gemeinschaftlich verpflichtend ist (joint debtors). Insgesamt lässt sich Milos partnership approach jedenfalls mit der herrschenden Gruppenlehre nicht nachzeichnen. Ein weiteres Problem besteht bei der Frage, wer bei einer partnership einerseits bzw. einer GbR andererseits Vertretungsmacht innehat: Nach südafrikanischem Recht hat grundsätzlich jeder partner Einzelgeschäftsführungsbefugnis451 und Einzelvertretungsmacht.452 Jede Konzerngesellschaft kann deshalb die partnership der verbundenen Gesellschaften nach außen gegenüber Dritten vertreten. Nach deutschem Recht wird die Vertretungsmacht durch § 714 BGB im Zweifel der Geschäftsführungsbefugnis gleichgeschaltet, so dass – sofern keine anderweitige Vereinbarung getroffen wird – nach der gesetzlichen Grundregel Gesamtvertretung besteht, die Vertretung also allen Gesellschaftern nur gemeinschaftlich zusteht. Sofern deshalb nicht der Tatbestand einer Anscheinsvollmacht erfüllt ist, liegt grundsätzlich keine Vertretungsmacht einer Untergesellschaft für die Konzern-GbR vor. Auch unter diesem Gesichtspunkt lässt sich Milos partnership approach somit nicht ohne Weiteres im deutschen Recht nachbilden.

451 LAWSA 19, par. 294: „Subject to the terms of the partnership agreement, the general rule is that every partner has a right to share in the management of the partnership, . . . and to perform management functions without the consent or co-operation of his fellow partners . . . This means that every partner has the implied authority („mutual mandate“) to conclude transactions falling within the scope of the partnership’s business and that he can bind his co-partners in this respect . . .“ 452 LAWSA 19, par. 302: „[Authority to bind partnership] In order that an obligation may be a partnership obligation, a primary requirement is that the contracting partner must have had authority to bind the partnership . . . The authority may be actual or ostensible . . . One of the naturalia of a contract of partnership is that each partner is entitled to participate in management, and empowered to perform management functions without the consent or co-operation of his partners . . . It follows that, in the absence of an agreement to the contrary, each partner has authority to perform all such acts as are necessary for or incidental to the proper conduct of the partnership business, and that such acts bind the partnership . . . This implied authority (mutual mandate) . . . of every partner to act for the partnership and to bind it to transactions falling within the scope of the partnership business is clearly actual authority.“

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Denkbar ist ferner, Milos partnership approach mit der im deutschsprachigen Rechtskreis gelegentlich erörterten sogenannten Haftung aus Konzernvertrauen in Vergleich zu bringen. Die – weitgehend auf Ablehnung gestoßene453 – Haftung aus Konzernvertrauen ist als allgemeine Vertrauenshaftung bzw. als Haftung aus culpa in contrahendo (§ 311 BGB) entworfen: Die offen gelegte Zugehörigkeit der Untergesellschaft zu einem Unternehmensverbund („ein Unternehmen der X-Gruppe“) soll dabei ein Vertrauen Dritter darauf begründen können, dass die Obergesellschaft im Bedarfsfall für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten ihrer abhängigen Gesellschaft haften werde. Damit steht diese Haftung aus Konzernvertrauen Milos partnership approach konzeptionell fern: Bei Milos partnership approach tritt die Untergesellschaft ausdrücklich im Namen der partnership (des Unternehmensverbundes) auf und weist sich nicht etwa nur – wie bei der Haftung aus Konzervertrauen – als zum Konzern zugehörig aus. Dabei will Milo für eine Haftung auch ostensible authority genügen lassen. Dann ist jedoch die Haftung auf eine solche Anscheinsvollmacht begründet, ist aber keine Vertrauenshaftung wie die Haftung aus Konzernvertrauen. Auch die von Milo bemühte doctrine of undisclosed principal 454 belegt, dass partnership approach und Haftung aus Konzernvertrauen auseinander liegen: Zwar tritt bei der Haftung aus Konzernvertrauen die Untergesellschaft nicht ausdrücklich im Namen des Unternehmensverbundes auf. Doch ist sich bei dieser Haftung der Vertragspartner der Untergesellschaft über den Hintermann „Obergesellschaft“ im Klaren (wenngleich nicht in dem Sinne, dass er von bestehender Vertretungsmacht ausgeht), während er bei der doctrine of undisclosed principal zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von dem Hintermann gerade nichts weiß. Im deutschen Gesellschaftsrecht ist ein Konzern- und Konzernaußenhaftungsrecht gesetzlich geregelt, allerdings nur für Aktiengesellschaften und nicht auch für Gesellschaften mbH. Die gesetzlichen Regelungen haben sich als unvollständig erwiesen. Dies war Ausgangspunkt für die Entwicklung eines heute überwiegend richterrechtlich geprägten Konzernrechts. In Südafrika gibt es nahezu kein kodifiziertes Recht verbundener Gesellschaften: Die gesellschaftsrechtlichen Gesetze (Companies Act und Close Corporations Act) enthalten nur sehr wenige und verstreute konzernrechtliche Spezialvorschriften (namentlich die Bestimmungen über Konzernrechnungslegung und die Missbrauchskontrollvorschriften) und überhaupt kein Konzernaußenhaf453 Lutter / Hommelhoff-Lutter, GmbHG-Kommentar, Anh. § 13, Rn. 25, Lutter, Haftung aus Konzernvertrauen, in: Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, 229, Hueck / Fastrich-Zöllner, GmbHG SchlAnhKonzernR, Rn. 111. 454 Hierzu s. o. Kap. B. II. 1. b) ff) und B. II. 2. b) aa).

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tungsrecht. Die Rechtslage ist somit auf diesem Gebiet fast ausschließlich richterrechtlich geprägt. Eine Unterscheidung zwischen Konzernhaftungsrecht und piercing-Haftungsrecht ist unbekannt. Eine Obergesellschaft ist im Wege des piercing of the corporate veil bislang noch nie für Verbindlichkeiten einer Untergesellschaft haftbar gemacht worden. Die gesamte Diskussion um piercing of the corporate veil in der Fallgruppe „group of companies“ dreht sich somit ausschließlich um tatbestandliche Zurechnungen und Erstreckungen sonstiger Rechtsfolgen bei verbundenen Gesellschaften. Entsprechende Sachverhalte finden sich auch in der deutschen Rechtsprechung (Heumann / Ogilvy, Maklerprovision II). Allerdings wird dieser Bereich – anders als der Bereich der Haftungsfragen – kaum als eigenständige (Zurechnungs-)Durchgriffsfallgruppe oder gar als eigenständiges konzernbegründetes Zurechnungsinstitut verstanden, sondern wird einfach zusammen mit Sachverhalten, in denen kein Konzern vorliegt, in die allgemeinen Durchgriffsfragen eingeordnet.455 In der südafrikanischen Literatur wird – durchaus mit Blick auf die Entwicklung des deutschen Konzernrechts – zunehmend diskutiert, wie eine Obergesellschaft für die Verbindlichkeit ihrer Untergesellschaft deren Gläubigern gegenüber haften kann, und zwar jenseits der Möglichkeiten des gemeinrechtlichen Delikts- und Bereicherungsrechts: Ein Haftungsdurchgriff (piercing of the corporate veil) scheidet hierfür aus. Zwar sind in England vereinzelt Stimmen aus der Literatur zu hören (Wedderburn), die sich dafür aussprechen, piercing of the corporate veil auch dafür heranzuziehen, um eine Obergesellschaft für Verbindlichkeiten der von ihr abhängigen Gesellschaft haften zu lassen. Doch stehen dem eindeutige Stellungnahmen aus der Rechtsprechung (insbesondere der englischen, wie beispielsweise Templeman LJ’s obiter dictum in In re Southard) entgegen. Ein Haftungsdurchgriff im Wege eines piercing of the corporate veil ist von der südafrikanischen Rechtsprechung bislang nicht einmal obiter erwogen worden. Die Commonwealth-Rechtsprechung hat sich bisher nur mit agency-Konstruktionen versucht, allerdings mit mäßigem Erfolg, da hierbei zumeist dem Stellvertretungsrecht Gewalt angetan wurde: Sachverhalte mit verbundenen Gesellschaften ließen sich in der Regel nur schwerlich in die Rechtsbegriffe und die Rechtsgrundsätze des Stellvertretungsrechts einpassen. Bereits mehrfach ist gerügt worden, dass die Rechtsprechung das Begriffspaar agent / principal in solchen Fällen als hohle Phrase benutzt und den Anwendungsbereich der Rechtsbegriffe überdehnt hat. Im Übrigen werden agency-Konstruktionen bei verbundenen Gesellschaften deshalb nur sehr zurückhaltend verwendet, weil man sich durchaus dessen be455

s. o. Kap. A. II. 1. a) bb) (1) und A. II. 1. a) bb) (4).

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

wusst ist, dass über agency-Konstruktionen andernfalls praktisch die beschränkte Haftung beseitigt wird. Eine Zeitlang schien die englische economic entity-Theorie ein (von piercing of the corporate veil eigentlich lediglich namensverschiedenes) Vehikel bieten zu können, um die Muttergesellschaft haften zu lassen. Ihr gegenüber hat auch die südafrikanische Rechtsprechung Gefallen gezeigt. Doch ist die economic entity-Theorie selbst in England nie bis zu einem Haftungsdurchgriff fortentwickelt worden und ist dort heute praktisch wieder aufgegeben. In Südafrika ist sie ebenfalls nie als Mittel zur Bewerkstelligung eines Haftungsdurchgriffs herangezogen worden. Möglich ist ferner eine Haftung der Obergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft gemäß § 424 Abs. 1 Companies Act (Obergesellschaft als „[A]ny person who was knowingly a party“; Wissenszurechnung gemäß der identification theory). Ein entsprechender Klageantrag lag in Simon v Mitsui (1997) und Philotex v Snyman (1998) vor und ist dort nicht aus dogmatischen Gründen, sondern lediglich nach Tatsachenlage abgelehnt worden. Dahingehende Entscheidungen sind demnach künftig wohl zu erwarten. Möglich ist schließlich eine Haftung der Obergesellschaft gemäß den Rechtsgrundsätzen des law of partnership (Obergesellschaft und Untergesellschaft als gegenüber Dritten gesamtschuldnerisch haftende partners; die group of companies als partnership). Entsprechende Rechtsprechung liegt jedoch noch nicht vor. Im deutschen Recht kann das herrschende Unternehmen je nach Konzernstufe gem. §§ 302 f. (ggf. analog) AktG gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft haften. Die Existenzvernichtungshaftung hat diese Haftung jüngst erheblich erweitert und von konzernrechtlichen Voraussetzungen losgelöst. Nun kann auch ein Alleingesellschafter (unabhängig davon, ob er Unternehmen im Sinne des Konzernrechts ist oder nicht) im Falle existenzvernichtender Eingriffe im Wege der Durchgriffshaftung haften. Im deutschen Recht sind Vertreter-Konstruktionen zwischen Ober- und Untergesellschaft zwecks Bewerkstelligung einer Haftung der Obergesellschaft gegenüber Dritten für Zahlungsverbindlichkeiten der Untergesellschaft praktisch unbekannt. Eine Obergesellschaft wird nicht als Geschäftsherrin der Untergesellschaft als ihrer Vertreterin verstanden, so dass auch nicht auf diesem Wege eine rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten entstehen kann. Würde man die südafrikanische agency-Konstruktion auf deutsche Konzerne übertragen wollen, so sind zwei Möglichkeiten denkbar, um die Untergesellschaft zur Vertreterin zu machen: Zum einen könnte die Untergesellschaft als gesetzliches Vertretungsorgan (Vorstand / Geschäftsführerin) der Obergesellschaft bestellt worden sein. Die (Ober-)Gesellschaft wird im deutschen Recht zwingend organschaftlich vertre-

IV. Group-Rechtsverhältnisse und deutsche Rechtslage

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ten (im Falle der Aktiengesellschaft ist dies der Vorstand, § 78 AktG, im Falle der GmbH der Geschäftsführer, § 35 GmbHG). Jede juristische Person benötigt organschaftliche Vertretung; diese ist gesetzlich umschrieben. Dass die Untergesellschaft als Vertretungsorgan der Obergesellschaft bestellt wird, ist jedoch im Recht der GmbH und der Aktiengesellschaft nicht möglich. Denn Vertretungsorgane müssen dort jeweils natürliche Personen sein.456 Im Übrigen hätte eine solche Vertreterbestellung, um der südafrikanischen Rechtslage zu entsprechen, konkludent (implied) erfolgt sein müssen. Dies ist angesichts der gesetzlichen Regelungen über die organschaftliche Bestellung (§ 84 AktG, § 46 Nr. 5 GmbHG) nur schwerlich möglich (wohl noch bei der GmbH, kaum aber bei der Aktiengesellschaft [Bestellung durch den Aufsichtsrat], zumal dort ja auch beispielsweise nach ständiger Rechtsprechung eine stillschweigende Weiterbeschäftigung des Vorstandes über die 5-Jahres-Periode hinaus schon nicht möglich ist). Zum anderen könnte die Untergesellschaft rechtsgeschäftlich von der Obergesellschaft bevollmächtigt worden sein, Rechtsgeschäfte mit Wirkung für und gegen die Obergesellschaft zu tätigen. Gegen eine solche Bevollmächtigung ist nichts einzuwenden, solange Klarheit darüber besteht, dass die bevollmächtigte juristische Person (Untergesellschaft) eben nur Bevollmächtigte ist und weder eine organschaftliche Vertreterin ist noch eine solche ersetzen kann. In der deutschen Rechtsprechung liegen allerdings keine Entscheidungen vor, in denen zu solchen Konstruktionen gegriffen wurde. Problematisch dürften solche Konstruktionen auch sein, weil Stellvertretung erfordert, dass die Willenserklärung im Namen des Geschäftsherrn abgegeben wird. Die Untergesellschaft wird jedoch regelmäßig im eigenen Namen die Rechtsgeschäfte getätigt haben und nicht im Namen der Obergesellschaft. Außerdem könnten mit solchen Vertreter-Konstruktionen im deutschen Recht nur Rechtsfolgenerstreckungen bewerkstelligt werden. Sie könnten daher im Ergebnis nur mit dem Haftungsdurchgriff und den Fällen sonstiger Rechtsfolgenerstreckungen gleichziehen (mit dem Unterschied, dass bei Vertreter-Konstruktionen nur die Geschäftsherrin [die Obergesellschaft] verpflichtet wird, nicht aber – wie beim Durchgriff – beide [Obergesellschaft und Untergesellschaft] verpflichtet sind). Der Bereich der tatbestandlichen Zurechnungen kann dagegen – abgesehen von Wissenszurechnungen (§ 166 Abs. 1 BGB) – nicht mehr über das Stellvertretungsrecht bewerkstelligt werden. Zu agency-Konstruktionen (tatbestandlichen Zurechnungen und Erstreckungen nicht auf Zahlung gerichteter Rechtsfolgen bei verbundenen Gesellschaften) liegt in Südafrika kaum Rechtsprechung vor. Fälle ausdrücklich vereinbarter 456 Für die Aktiengesellschaft § 76 Abs. 3 AktG, für die GmbH § 6 Abs. 2 GmbHG.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Stellvertretungsverhältnisse (express agency) zwischen verbundenen Gesellschaften hatte die südafrikanische Rechtsprechung bislang noch nicht zu entscheiden. Nur ein Fall liegt – soweit ersichtlich – bisher vor (Ritz v Ritz), in dem auf eine group of companies eine implied agency-Konstruktion angewandt wurde. Jedoch wurde dort ein umgekehrtes agency-Verhältnis angenommen (holding company als agent ihrer subsidiary); die Entscheidung ist insoweit untypisch. Die Möglichkeit solcher implied agency-Rechtsverhältnisse war bereits 1982 anerkannt worden (Adcock-Ingram v SA Druggist). Keine Entscheidung liegt vor, welche tatbestandlich griffig klarstellt, unter welchen Voraussetzungen bei verbundenen Gesellschaften das Vorliegen eines implied agency-Rechtsverhältnisses angenommen werden kann. Möglich ist, dass die südafrikanische Rechtsprechung hier dem englischen Atkinson-Test aus dem Jahre 1939 folgt. Sie hat ihn allerdings bislang noch nie angewandt. Der Atkinson-Test und die ihm zugrunde liegende Entscheidung Smith, Stone & Knight v Birmingham sind im Übrigen nicht unkritisiert geblieben. Der in der Entscheidung Banco de Moçambique angewandte Moorthy-Test dürfte nicht verallgemeinerungsfähig sein. Die südafrikanische Rechtslehre hat 1980 einen eigenen Test entwickelt (Botha-Test: „Control plus close working relationship“); dieser ist jedoch zu unscharf formuliert und damit weitgehend unbrauchbar. Die südafrikanische Rechtsprechung hat ferner zeitweilig Wohlwollen gegenüber economic entity-Konstruktionen gezeigt, wie Verweise auf DHN Food Distributors v London Borough of Tower Hamlets und Revlon Inc v Cripps and Lee zeigen. Wie sie heute der economic entity-Theorie gegenüber steht, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Rationes decidendi liegen nicht vor; die Appellate Division hat allerdings im Anschluss an Ritz v Ritz in zwei Entscheidungen (Wambach v Macadamia [1993] und Macadamia Finance Bpk v De Wet [1993]) auf die in Adams v Cape Industries plc vollzogene Kehrtwende in England verwiesen. Problematisch ist im Hinblick auf die economic entity-Konstruktion in Südafrika zudem zweierlei: Erstens ist noch nicht klar, ob sich die Rechtsprechung die economic entity-Konstruktion als allgemeinen Zurechnungsgrundsatz bei Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften vorstellt oder ob diese Konstruktion nur Einzelfall bezogen befürwortet wird. Letzteres nimmt mehrheitlich die südafrikanische Rechtslehre an. Zweitens hat die Rechtsprechung noch nicht zweifelsfrei die Frage verneint, ob sie die Anwendung der economic entity-Konstruktion auch als piercing of the corporate veil einordnet. Insbesondere der Verweis in Ritz v Ritz auf Revlon Inc v Cripps and Lee spricht dafür, dass sie – wie das Gericht in Revlon Inc v Cripps and Lee – das Vorliegen einer economic entity als das Ergebnis reiner Norminterpretation versteht und gerade nicht als Ergebnis eines piercing of the corporate veil.

IV. Group-Rechtsverhältnisse und deutsche Rechtslage

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Fraglich ist, welches Maß an Beherrschung bzw. control erforderlich ist, um eine konzern- bzw. group of companies-bezogene rechtliche Behandlung auslösen zu können. Im südafrikanischen Recht ist „control“ der Schlüsselbegriff zur Behandlung solcher Fälle, im deutschen Recht „Beherrschung“ (abgesehen von dem Schlüsselbegriff des Konzernunternehmens), jedenfalls seitdem damit begonnen wurde, zwischen einfachen und qualifiziert faktischen Konzernen zu unterscheiden. Im deutschen Recht stellt sich die Frage nach dem erforderlichen Maß an Beherrschung im Rahmen der tatbestandlichen Abgrenzung des einfachen vom qualifiziert faktischen Konzern. Einig ist man sich hier darüber, dass bei einem qualifiziert faktischen Konzern das herrschende Unternehmen die Leitung des abhängigen Unternehmens dauerhaft und umfassend an sich gezogen haben muss. Eine verbreitete Ansicht hält insbesondere in Fällen unselbständiger Betriebsabteilungen, in denen das herrschende Unternehmen die Leitung der abhängigen Gesellschaft bis in das Tagesgeschäft hinein auf Dauer übernommen hat, einen qualifiziert faktischen Konzern stets für vorliegend. In Südafrika ist das Problem weitgehend ins agency-Recht verlagert, da dort bei Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften bislang vorzugsweise über das law of agency eine Lösung gesucht wird. Es stellt sich die Frage, welches Maß an control erforderlich ist, um ein solches agency-Rechtsverhältnis zwischen den verbundenen Gesellschaften auszulösen. Dieses Problem ist noch nicht geklärt. Man hat sich bislang auch erstaunlicherweise sehr wenig darum bemüht, tatbestandlich griffig zu werden. Die Literatur nimmt auf nichtverallgemeinerungsfähige Formeln aus Entscheidungen zu Sondersachverhalten (Botha: „effective control“, in Anlehnung an die englische Lonrho-Entscheidung) Rückgriff oder verweist ohne eigene Stellungnahme auf Begriffsbestimmungsversuche der englischen Rechtslehre (Davids). Klar ist nur, dass control allein (was auch darunter verstanden werden mag) ungenügend ist und auch eine 100%-ige Anteilsinhaberschaft allein nicht ausreicht, um ein agency-Rechtsverhältnis auszulösen. Die Rechtsprechung hat in CIR v Malcomess den Begriff „control“ als de facto-Kontrolle auch über die Tagesgeschäfte definiert (und somit sehr ähnlich dem Beherrschungsverständnis der deutschen Rechtsprechung im Hinblick auf qualifiziert faktische Konzerne), allerdings im Zusammenhang mit der Frage, ab welchem Grad an control Wissenszurechnungen (Zurechnung von intention) stattfinden können, und nicht im Zusammenhang mit der Frage, ab wann ein agency-Rechtsverhältnis ausgelöst wird. Klar ist ferner, dass jedenfalls ein Mehr an control erforderlich ist gegenüber dem Maß, das in § 1 Abs. 3 Companies Act beschrieben wird. Denn liegt control i. S. d. § 1 Abs. 3 Companies Act vor, so wird dadurch noch kein agencyRechtsverhältnis ausgelöst. Vielmehr greifen dann lediglich die Sondervorschriften des Companies Act über verbundene Gesellschaften.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

V. Deutsche Fallgruppe „Subjektvermischung“ / „Vermögensvermengung“ und vergleichbare südafrikanische Rechtslage 1. Subjektvermischung und Vermögensvermengung a) Subjektvermischung Subjektvermengung (Subjektvermischung) ist von Vermögensvermengung zu unterscheiden.457 aa) Begriffsabgrenzungen Von Subjektvermengung (Subjektvermischung, Rechtsträgervermengung) ist die Rede, wenn die rechtliche Verschiedenheit von GmbH und Gesellschafter gegenüber Dritten im Rechtsverkehr nicht mehr ausreichend deutlich wird. Der vorliegend bevorzugte Begriff „Subjektvermischung“ wird nicht einheitlich verwendet.458 Vermögensvermengung liegt demgegenüber vor, wenn das Gesellschaftsvermögen und das Privatvermögen der Gesellschafter so miteinander vermischt sind, dass die Vermögensmassen nicht mehr zuverlässig dem einen oder dem anderen Rechtsträger zugeordnet werden können (sog. „Waschkorblage“). Auch der Begriff „Vermögensvermengung“ wird nicht einheitlich verwendet.459 bb) Rechtliche Behandlung Eine Durchgriffshaftung in Fällen von Subjektvermischungen wird heute einhellig460 abgelehnt. 457 Für diese Abgrenzung trat im älteren Schrifttum bereits Drobnig ein, vgl. Drobnig, Haftungsdurchgriff, 35 und Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 85. 458 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 54 f., Sauermann, Haftung der Muttergesellschaft, 81 ff., Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 15, Lutter / Hommelhoff-Lutter, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 14, Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 356 und Ulmer-Raiser, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 131 sprechen in diesen Fällen von „Sphärenvermischung“, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 b von einer „haftungsbegründenden Sphärenvermischung“, Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 108 f. von „Vermischung von Haftungssubjekten“. 459 Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 14, Lutter / Hommelhoff-Lutter, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 13, Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 342 und Ulmer-Raiser, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 126 sprechen allesamt von „Vermögensvermischung“. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 a spricht von „gegenständlicher Sphärenvermischung“, Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 104 ff. von „genereller Vermögensvermischung“. 460 Z. B. Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 15, Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 356, Ulmer-Raiser, GmbHG-Kommentar, § 13,

V. „Subjektvermischung‘‘ und südafrikanische Rechtslage

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Stattdessen hält man solche Sachverhalte für bloße Probleme der sachgerechten Zuordnung von Primärhaftung. Zumeist geht es um die Auslegung von Willenserklärungen,461 um die (ebenfalls Auslegungs-)Frage, ob ein Vertreter ein Eigengeschäft getätigt oder mit Wirkung für und gegen den Geschäftsherrn aufgetreten ist,462 um Rechtsscheinshaftung463 oder um Vertrauenshaftung.464 Eine klare Zuordnung ist nicht immer möglich, die Übergänge sind fließend. Rn. 131, Lutter (1982), ZGR 251 f., Blaurock (1985), FS Stimpel 558. Ebenso K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 b: „[D]as ist ein Offenkundigkeitsproblem des Firmen- und Stellvertretungsrechts.“ Vgl. auch Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 85. 461 Z. B. die „Wechsel“-Entscheidung des OLG Nürnberg 1955 WM 1566 (1567): W war als Einzelhandelskaufmann Inhaber eines Textilgroßhandels und zugleich Alleingesellschafter einer GmbH. Beide Unternehmen waren branchengleich und hatten ihren Sitz unter gleicher Adresse in denselben Geschäftsräumen. Alleingeschäftsführer der GmbH und zugleich Zeichnungsbevollmächtigter des Einzelhandelsunternehmens war dessen Angestellter L. Streitig war, ob die GmbH oder ihr Alleingesellschafter, ein Einzelhandelsunternehmen, als Aussteller zweier Wechsel in Betracht kamen. Der Ausstellervermerk lautete auf die GmbH, ausgestellt hatte der nicht vertretungsberechtigte Alleingesellschafter. Das OLG entschied sich dafür, die GmbH als Ausstellerin anzusehen. Der Fall wurde allein über das Stellvertretungsrecht gelöst. Vgl. ferner K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 b (Bsp. Nr. 20 in Anlehnung an BGH 1979 JuS 212 [Weglassung von Rechtsformzusätzen]): V hat Tuche an „Fashion Express“ geliefert. Tatsächlich gibt es jedoch zwei Gesellschaften dieses Namens, nämlich die „Fashion Express Vertriebs KG“ und die „Fashion Express Produktions GmbH“. Geschäftsführender Gesellschafter bei beiden Gesellschaften ist B, der auch die Bestellung aufgegeben hat. Nach K. Schmidt hat V hier einen vertraglichen Erfüllungsanspruch gegen diejenige Gesellschaft, die nach den objektiven Umständen als Vertragspartnerin in Betracht kommt. Das wird bei einer Tuchlieferung die Produktions-GmbH sein und nicht die Vertriebs-KG. Da B mit Vertretungsmacht handelte, haftet er nicht selbst nach § 179 BGB. Hat er ohne Offenlegung gehandelt, so will K. Schmidt eine Vertrauenshaftung auch der Vertriebs-KG zulassen. Drüke, Haftung der Muttergesellschaft, 85 scheint in solchen Fällen (allerdings ohne ausdrückliche Bezugnahme auf BGH 1979 JuS 212) angesichts des gesetzten Rechtsscheins eines rechtseinheitlichen Unternehmens die Vertriebs-KG im Wege der Rechtsscheinshaftung haften lassen zu wollen. Ähnlich BGH 1986 NJW-RR 456; vgl. hierzu auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 b (Bsp. Nr. 21). 462 BGHZ 62, 216 (224 ff.) [„Firmenzusatz“]: Der geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG (so in BGHZ 62, 216) schließt schriftliche Verträge ab, ohne durch Verwendung des Firmenzusatzes darauf hinzuweisen, dass er nicht Einzelkaufmann ist (Verstoß gegen § 4 GmbHG bzw. § 19 Abs. 1 HGB). Ähnlich BGH 1990 WM 600. Der BGH hat auf die Auslegungsregel § 164 Abs. 2 BGB abgestellt. In BGHZ 62, 216 (220 f.) wurde demnach der Betreffende als Vertreter der Gesellschaft angesehen. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 b (Bsp. Nr. 22) möchte neben der GmbH den Betreffenden lieber dem auf die unbeschränkte Haftung vertraut habenden Vertragspartner nach Vertrauenshaftungsgrundsätzen persönlich haften lassen. In derartigen Fällen dürfte stattdessen häufig auch eine persönliche Haftung des Betreffenden aus gesetztem Rechtsschein in Betracht kommen. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 52 führt BGHZ 62, 216 als Beispiel hierfür an. Dies ist unglücklich gewählt, denn in

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

All diesen Sachverhalten liegt das Problem zugrunde, bei einem bestimmten Verhalten oder einer Willenserklärung auszulegen, ob die GmbH oder der Gesellschafter Partei eines Rechtsgeschäfts oder Adressat einer Rechtsfolge hieraus ist. Muss danach auf den Gesellschafter abgestellt werden, so liegt mangels Rechtsfolgenerstreckung keine Durchgriffshaftung vor, sondern Primärhaftung. b) Vermögensvermengung Vermögensvermengung ist heute explizit von der Rechtsprechung als Durchgriffshaftungsfall anerkannt.465 Auch in der Literatur ist sie im Kern unbestritten.466 Vermögensvermengungen kommen in wenigen, typischen Fallgestaltungen vor: In erster Linie bei eingliedrigen Gesellschaften mbH, wenn der Alleingesellschafter das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich als sein Privatvermögen diesem Fall hat der BGH gerade in ausführlicher Darstellung (BGHZ 62, 222 ff.) das Vorliegen von Rechtsscheinshaftungsgesichtspunkten geprüft und abgelehnt. 463 Z. B. BGH 1985 NJW 740 = BGH 1985 BB 77 : „Sofern die Kläger allgemein . . . ohne Benennung der jeweils beteiligten Gesellschafter im Schriftverkehr . . . unter bloßem Hinweis auf die R-Firmengruppe in Erscheinung getreten sein sollten, mögen sich Ansprüche irregeführter Vertragsparteien aus Rechtsscheinsgesichtspunkten ergeben.“ 464 Z. B. OLG Düsseldorf 1972 ZMR 307 („Firmenähnlichkeit“): Der später klagende Vermieter trat an die Mieterin, die „S-GmbH“, heran und wollte den Mietzins erhöhen. Es antwortete unter Weglassung des GmbH-Zusatzes das Einzelunternehmen „S“. Die Briefköpfe beider Firmen waren fast völlig gleich, ebenso deren Geschäftsgegenstand und Geschäftsadresse. Im Schriftwechsel mit dem Vermieter wurde in den folgenden Jahren bis auf eine Ausnahme nur noch das Einzelunternehmen genannt. Nach Ende der Mietzeit verklagte der Vermieter das Einzelunternehmen „S“ wegen Verschlechterung der Mietsache. Zunächst erfolgte der Schriftwechsel mit dem Einzelunternehmen; erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist meldet sich wieder die „SGmbH“. Die Klage wurde danach auf die GmbH umgestellt. Inzwischen war die Verjährungsfirst abgelaufen. Die „S-GmbH“ erhob nun Verjährungseinrede mit der Begründung, ihr gegenüber seien keine Ansprüche geltend gemacht worden. Das Gericht wies dies als rechtsmissbräuchlich zurück: Der Kläger (Vermieter) habe durch den Schriftverkehr den Eindruck einer Firmenidentität gewonnen. Dadurch sei eine Vertrauensgrundlage geschaffen worden, zu der sich die GmbH nun in Widerspruch setze. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 b (Bsp. Nr. 23) will in solchen Fällen den Einzelkaufmann persönlich aus Vertrauenshaftung in Anspruch nehmen. Dahin geht auch die Diktion des Urteils (Vertrauenshaftung aufgrund venire contra factum proprium). Drüke, Haftung der Muttergesellschaft, 85 spricht sich hier dagegen für eine Rechtsscheinshaftung aus. Ähnlich BGH 1987 NJW-RR 335 and BGH 2001 NJW 2716. 465 BGHZ 95, 330, BGHZ 125, 366, BAG 1994 ZIP 1944 (1945). 466 Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG, § 13, Rn. 14, Lutter / Hommelhoff-Lutter, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 13 und Ulmer-Raiser, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 126, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 a und Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 109.

V. „Subjektvermischung‘‘ und südafrikanische Rechtslage

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ansieht,467 und ferner im GmbH-Konzern,468 typischerweise in beiden Fällen in der Insolvenz. aa) Tatbestand einer durchgriffshaftungsrechtlich erheblichen Vermögensvermengung Nicht jede Vermögensvermengung ist ausreichend, um eine Durchgriffshaftung auslösen zu können. Vielmehr wird darauf abgestellt, ob in einem gegebenen Vermengungsfall die Kapitalerhaltungsvorschriften noch funktionsfähig

467 OLG Karlsruhe 1943 DR 811. Dort ging es um die Vollstreckbarkeit eines gegen den Alleingesellschafter erstrittenen Titels in eine Forderung der GmbH (und somit um einen umgekehrten Durchgriff): Ein Alleingesellschafter einer GmbH vermengte sein Privatvermögen und das seiner GmbH derart, dass er in die Bilanz der GmbH auch ihm privat zustehende Darlehensforderungen sowie Privatliegenschaften einstellte. Der Gesellschafter wickelte ständig private oder sonstige geschäftsfremde Vermögensangelegenheiten über die GmbH ab und vernachlässigte dabei eine buchmäßige Trennung. Das OLG versagte eine Berufung auf die rechtliche Verschiedenheit von GmbH und Gesellschafter und ließ die Vollstreckung zu (Wegen der im Fall vorliegenden Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Gesellschafters wurde eine Berufung auf das Bestehen der GmbH unter Hinweis auf die Arglisteinrede [§ 242 BGB] versagt.). Die Entscheidung wurde in BGHZ 22, 226 (230) als Durchgriffshaftungslösung verstanden. Ablehnend Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 104 f.: „Diese Einordnung der Entscheidung [OLG Karlsruhe 1943 DR 811 als Durchgriffshaftung] durch den BGH . . . war . . . unzutreffend. Denn wie der BGH in einem weiteren Urteil aus dem Jahre 1957 [1958 WM 460 (461)] zu Recht klargestellt hat, setzte das OLG Karlsruhe . . . für die persönliche Haftung des Gesellschafters . . . die Absicht der Gläubigerbenachteiligung voraus, so daß ein Fall ,echten Durchgriffs‘ gar nicht vorlag . . . Denn wenn die Vermögensvermischung in der Absicht der Gläubigergefährdung erfolgt, ergibt sich bereits eine deliktische Haftung aus § 826 BGB.“ Vgl. auch OLG Hamm 1977 NJW 1159 („Firmenauto“) sowie K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 3 (Bsp. Nr. 17): B hatte gegen G einen Vollstreckungstitel erwirkt. G war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der K-GmbH. Aufgrund des Titels wurde ein Auto gepfändet, das auf G zugelassen war. G hatte auf Befragen erklärt, Eigentümer des Autos sei er selbst, also nicht die GmbH. Nach der Pfändung erhob die GmbH Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO), weil sie Eigentümerin des Autos sei. Die Klage wurde vom OLG mit Durchgriffsargumenten abgewiesen: Wenn der Gesellschafter und Geschäftsführer einer Einmann-GmbH die Gegenstände des Betriebsvermögens nicht ausreichend deutlich von seinem Privatvermögen trenne, so könne ihm die Geltendmachung von Privateigentum versagt sein. Werde beispielsweise aus einem gegen die GmbH gerichteten Titel das Auto gepfändet, so setze eine erfolgreiche Drittwiderspruchsklage des Alleingesellschafters i. S. v. § 771 ZPO eine klare Vermögenstrennung voraus. Im Unterschied zu OLG Karlsruhe 1943 DR 811 kann jedoch hier nur schwerlich argumentiert werden, das Firmenauto habe bilanzmäßig nicht mehr zugeordnet werden können und es liege deshalb Vermögensvermengung vor. K. Schmidt a. a. O. möchte der Durchgriffsargumentation des OLG zumindest in der Begründung widersprechen: Allenfalls lasse sich gem. § 242 BGB (venire contra factum proprium) sagen, dass die GmbH durch die Einlassung ihres Geschäftsführers die Befugnis verloren habe, sich auf ihr Eigentum zu berufen. Vgl. Kap. A. II. 1. c) bb) (4). 468 BGHZ 95, 330 („Autokran“).

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

sind. Diese Vorschriften binden das Gesellschaftsvermögen nicht gegenständlich, sondern lediglich (bilanz-)wertmäßig. Solange sich somit Vermögensverschiebungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft noch anhand der Bucheinträge nachvollziehen lassen, scheidet eine Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermengung aus und greifen möglicherweise die §§ 30, 31 GmbHG. Eine bestehende bloße gegenständliche Vermögensvermengung ist unerheblich, falls und solange sich die mangelhafte Buchführung durch nachträgliche Inventarisierung noch berichtigen lässt.469 Erforderlich ist vielmehr eine generelle, nicht gegenständlich festlegbare Vermögensvermengung.470 Adressat einer solchen Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermengung sollen nach neuerer Rechtsprechung nicht undifferenziert die Gesellschafter schlechthin sein. Vielmehr solle sich die Haftung nur gegen beherrschende Gesellschafter richten.471 Zudem wird teilweise Kenntnis oder zumindest Evidenz 469 BGH 1985 NJW 740 (741), BGHZ 95, 330 (333 f.) [„Autokran“], BGHZ 125, 366 [„Vermögensverwaltungsgesellschaft“] (368: „Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine persönliche Haftung von GmbH-Gesellschaftern in Betracht, wenn die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden ist; denn dann können die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Erhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG) ist, nicht funktionieren (BGHZ 95, 330, 333 f.; . . .). Dies kann es rechtfertigen, ausnahmsweise den Gläubigern außer dem nicht mehr wirksam geschützten Haftungsfonds der Gesellschaft das Privatvermögen der Gesellschafter zur Verfügung zu stellen.“ Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 a (mit Blick auf BGH 1985 NJW 740): „Die gegenständliche Vermögensvermengung führt grundsätzlich nur zu einer gegenständlichen Haftungserweiterung.“ Ebenso Stimpel (1987), FS Goerdeler 606. 470 Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung, 109. 471 BGHZ 125, 366 (368) [„Vermögensverwaltungsgesellschaft“]: Die beklagte Ehefrau und ihr Ehemann waren Gesellschafter einer Vermögensverwaltungs-GmbH. Die Ehefrau war Minderheitsgesellschafterin und ferner nominell Geschäftsführerin; faktisch führte jedoch ihr Ehemann, der Bevollmächtigter der Gesellschaft war, die Geschäfte der Gesellschaft. Der Ehemann hatte das Vermögen der Gesellschaft undurchschaubar mit seinem Privatvermögen vermengt und weitgehend verbraucht. Eine Kundin der Gesellschaft verklagte nun die Ehefrau persönlich auf Schadensersatz. Der BGH lehnte eine persönliche Haftung der Ehefrau in ihrer Eigenschaft als geschäftsführender Gesellschafterin aus Durchgriffshaftung aufgrund Vermögensvermengung ab, da sie keine beherrschende Stellung innehatte. ([368:] „Die persönliche Haftung kann . . . nur diejenigen Gesellschafter treffen, die auf Grund des ihnen in dieser Stellung gegebenen Einflusses in der Gesellschaft für den Vermögensvermischungstatbestand verantwortlich sind; wer wegen geringer Beteiligung und fehlender interner Mitspracherechte einen solchen Einfluß nicht ausüben kann, kann . . . [369:] nicht verantwortlich gemacht werden (Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 411; Stimpel, in: Bilanz- und Konzernrecht [FS Goerdeler], 1987, S. 601, 612; . . .). Über derartige Einflußmöglichkeiten verfügen in der Regel nur solche Gesellschafter, die auf die Gesellschaft einen beherrschenden Einfluß ausüben können. Dazu . . . gehören Minderheitsgesellschafter nur dann, wenn sie aufgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Umstände die Geschicke des Unternehmens bestimmen können. Dies ist etwa der Fall, wenn einem Gesellschafter zwar nicht rechtlich, wohl aber wirtschaftlich die Mehrheit der Anteile gehört, weil andere Gesellschafter ihre Anteile als

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der Vermögensvermengung verlangt.472 Ein einflussloser Minderheitsgesellschafter wird somit nicht erfasst. bb) Rechtliche Behandlung Die Rechtsprechung hatte bislang nur wenige Fälle von Vermögensvermengung zu entscheiden und dabei nur selten zur Vermögensvermengung als Haftungsgrund Stellung genommen.473 In keinem Fall wurde bislang Durchgriffshaftung aufgrund Vermögensvermengung bejaht. Zu Unrecht hat die Literatur gelegentlich die Wechsel-Entscheidung des OLG Nürnberg als einen Musterfall der Vermögensvermengung angesehen.474 Der Bundesgerichtshof hatte 1985 noch offen gehalten, ob sich aus Vermögensvermengung eine Durchgriffshaftung ergeben können solle.475 In der späteren Autokran-Entscheidung hat er dann jedoch eine Durchgriffshaftung in Fällen von Vermögensvermengung anerkannt und dabei auch zur Methodik und Rechtsfolgenseite einer solchen Haftung Stellung genommen.476 In der noch späteren Vermögensverwaltungsgesell-

Treuhänder für ihn halten, oder wenn er, wie die ständige Übung gezeigt hat, in der Gesellschafterversammlung immer mit der Unterstützung bestimmter anderer Gesellschafter rechnen kann, mit denen zusammen er über die Mehrheit verfügt . . . [370:] Die Befugnis, die Geschäfte der GmbH zu führen, gibt einem Minderheitsgesellschafter keine beherrschende Stellung in der Gesellschaft; denn er ist von den Weisungen der Gesellschaftermehrheit abhängig . . .“. K. Schmidt hat Zweifel daran, dass es auf eine „die Gesellschaft beherrschende Stellung“ ankommen soll, vgl. K. Schmidt (1994), ZIP 839. Hueck / Fastrich-Fastrich, GmbHG § 13, Rn. 14 verlangt „Einfluss auf Herbeiführung oder Aufrechterhaltung [der Waschkorblage].“ 472 K. Schmidt (1994), ZIP 840, ders., Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 a. Inwieweit nach der Rechtsprechung Verschulden erforderlich sein soll, lässt sich derzeit nicht genau sagen, vgl. Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 350. 473 OLG Karlsruhe 1943 DR 811, BGHZ 22, 216, BGH 1958 WM 460, BGH 1985 NJW 740, BGHZ 95, 330, BGHZ 125, 366. Ferner BAG 1991 ZIP 884 (889), BSGE 75, 82 (84) = BSG 1994 ZIP 1944 (1946), BSG 1996 ZIP 1134 (1135). BGHZ 95, 330 (333 ff.) [„Autokran“]: Persönliche Haftung des beherrschenden Gesellschafters aus Durchgriffshaftung aufgrund Vermögensvermengung abgelehnt; stattdessen persönliche konzernrechtliche Haftung aus § 303 AktG analog bejaht. BGH 1985 NJW 740 = BGH 1985 BB 77: Persönliche Haftung des Gesellschafters aus Durchgriffshaftung aufgrund Vermögensvermengung abgelehnt; stattdessen auf mögliche persönliche Haftung aus gesetztem Rechtsschein hingewiesen. BGHZ 125, 366 = BGH 1994 WM 396. Hierzu s. o. in diesem Kapitel. 474 s. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 81 (Fn. 7) m.w. N. Die „Wechsel“Entscheidung ist ein Fall von Subjektvermischung. s. auch Leutner, Die vollstreckbare Urkunde, 42 (Fn. 7), der auf Darmstadt, a. a. O., S. 118 verweist. 475 BGH 1985 NJW 740: „Ob Sachverhalte dieser Art freilich sinnvoll mit allgemeinen Durchgriffserwägungen oder, wie auch sonst in den sogenannten ,Durchgriffs‘Fällen, besser fallgruppenweise mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu erfassen sind, kann hier dahingestellt bleiben . . .“ 476 BGH 95, 330 (332).

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

schaft-Entscheidung wurde schließlich der Haftungsadressatenkreis dieser persönlichen Haftung wieder eingeschränkt.477 Die herrschende Meinung der Literatur folgt der Ansicht, die der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen Autokran und Vermögensverwaltungsgesellschaft zur Vermögensvermengung vertreten hat. Eine Mindermeinung lehnt demgegenüber eine Durchgriffshaftung des Gesellschafters wegen Vermögensvermengung ab und will stattdessen ausschließlich auf eine Primärhaftung des Geschäftsführers wegen Verletzung seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung (einschließlich Inventarisierung und Bilanzierung des Gesellschaftsvermögens478) aus § 41 GmbHG abstellen.479 Eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten kommt dann aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. den Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften des Strafgesetzbuches (§ 283 b StGB) und des Handelsgesetzbuches (§§ 331 ff. HGB) in Betracht.480 2. Südafrikanische Rechtslage und vergleichende Betrachtung In Südafrika wird weder eine piercing-Fallgruppe „Subjektvermischung“ noch eine piercing-Fallgruppe „Vermögensvermengung“ (intermingling of assets oder commingling of assets) anerkannt. Fälle von Weglassungen klarstellender Rechtsformzusätze,481 die in der deutschen Literatur teilweise unter der (heute verabschiedeten) Fallgruppe „Subjektvermischung“ erfasst wurden, sind in Südafrika für close corporations in § 63 (a) Close Corporations Act geregelt. Dieser ordnet eine persönliche gesamtschuldnerische Haftung aller Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der close corporation für die Schulden der close corporation an. Vom deutschen Durchgriffsverständnis unterscheidet sich die Rechtsfolgenregelung dieser Vorschrift insofern, als sie keine subsidiäre Haftung der Gesellschafter anordnet, sondern vielmehr die close corporation und ihre Gesellschafter den Gläubigern der close corporation als Gesamtschuldner haften lässt. Ein solches Verständnis der Durchgriffshaftung wird in Deutschland nur von einer Mindermeinung vertreten.482 § 63 (a) Close Corporations Act wird in Südafrika vereinzelt als statutory piercing of the corporate 477

BGHZ 125, 366 (368 f.). § 238 HGB, § 243 Abs. 1 und Abs. 2 HGB, § 240 HGB. 479 Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 91 ff. Vgl. auch Michalski-Michalski, GmbHG-Kommentar, § 13, Rn. 344. 480 Daneben greift eine Innenhaftung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH aus § 43 Abs. 2 GmbHG. 481 Wie beispielsweise OLG Düsseldorf 1972 ZMR 307 („Firmenähnlichkeit“) oder BGHZ 62, 216 („Firmenzusatz“). 482 Kuhn (1979), FS Fischer 360, vgl. Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, 27. 478

V. „Subjektvermischung‘‘ und südafrikanische Rechtslage

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veil eingeordnet. Die überwiegende Meinung der Rechtslehre scheint ihn allerdings als Primärhaftung zu verstehen.483 In der deutschen Literatur ist die Durchgriffsfallgruppe der Subjektvermischung inzwischen verabschiedet, und es werden heute solche Fälle des Weglassens von klarstellenden Rechtsformzusätzen im Wege des Vertretungsrechts (unter Auslegung des Verhaltens des Handelnden), der Rechtsscheins- sowie der Vertrauenshaftung und somit ausschließlich im Wege einer Primärhaftung gelöst. Für die Gesellschafter einer südafrikanischen company besteht eine dem § 63 (a) Close Corporations Act entsprechende Haftungsregelung nicht. Dort trifft in Fällen mangelhafter Firmenzeichnung i. S. d. § 50 Abs. 1 Companies Act nur den Geschäftsführer (director) eine persönliche Haftung gem. § 50 Abs. 3 (b) Companies Act. Die Gesellschafter werden dagegen nicht mit Haftung belastet. Dies ist jedoch nur scheinbar ein Unterschied zur deutschen Rechtslage: Zwar gab es in den deutschen Fällen zumeist einen beherrschenden geschäftsführenden Gesellschafter, der daneben noch Einzelkaufmann war. Jedoch stellte auch die deutsche Rechtsprechung nicht auf dessen Gesellschaftereigenschaft ab, sondern auf dessen Verhalten im Rechtsverkehr als Vertreter der Gesellschaft (Geschäftsführer). Nichts anderes tut § 50 Abs. 3 (b) Companies Act. Auch bei § 63 (a) Close Corporations Act ist die Lage nicht anders, denn bei close corporations sind gemäß § 54 Close Corporations Act alle Gesellschafter jeweils einzelgeschäftsführungsbefugt. § 50 Abs. 3 (b) Companies Act wird – wie § 63 (a) Close Corporations Act – in Südafrika zum Teil als statutory piercing of the corporate veil eingeordnet.484 Nach heutigem deutschen Verständnis geht es hier vorwiegend um Fragen der Auslegung und des Stellvertretungsrechts. § 50 Abs. 3 (b) Companies Act dürfte sich – ins deutsche Recht übertragen – wohl am ehesten als spezielle Eigengeschäftsregelung i. S. d. § 164 Abs. 2 BGB einordnen lassen. Die piercing-Fallgruppe „Vermögensvermengung“ ist in Südafrika bislang erst in einer einzigen Entscheidung (Simmons NO v Snobberie) 485 diskutiert worden und dort deutlich abgelehnt worden. Der Fall betraf einen Antrag des Liquidators (liquidator) der High Fashion (Pty) Ltd (in liq), Mr Simmons, auf gerichtliche Auflösung (winding-up) der Snobberie Cape (Pty) Ltd gem. § 344 (h) Companies Act.486 Snobberie Cape (Pty) Ltd war ein mit mehreren anderen Gesellschaften, darunter der Le Quinze (Pty) Ltd, verbundenes Unternehmen. Das Vermögen der Gesellschaft Snobberie Cape (Pty) Ltd war mit dem der übrigen Gesellschaften 483 484 485 486

s. o. Kap. s. o. Kap. Simmons Zu § 344

A. II. 2. b) cc). A. II. 2. b) cc). NO v Snobberie (Pty) Ltd (1977) (3) SA 451 (W), per Phillipps, AJ. (h) Companies Act s. o. Kap. B. II. 2. a) und Kap. C. VI. 3.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

so vermengt, dass es buchhalterisch nicht mehr der einen oder anderen Gesellschaft zugeordnet werden konnte.487 Nach deutschem Verständnis liegt damit eine der beiden Voraussetzungen für eine Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermengung vor. Nicht deutlich ersichtlich wird aus dem Urteilstext allerdings, ob und inwieweit Le Quinze (Pty) Ltd zudem beherrschende Gesellschafterin der Snobberie (Pty) Ltd im Sinne der in der Vermögensverwaltungsgesellschaft-Entscheidung des Bundesgerichtshofes aufgestellten Anforderungen war und ob somit nach deutscher Rechtslage eine Durchgriffshaftung der Le Quinze (Pty) Ltd hätte bejaht werden können. Kläger Mr Simmons beantragte, das Gericht möge ihm angesichts dieser buchhalterischen Vermögensvermengung im Wege des piercing of the corporate veil Zugriff auf die bei diesen Gesellschaften (vor allem Le Quinze (Pty) Ltd) befindlichen Vermögensmassen der Snobberie (Pty) Ltd gewähren.488 Das Gericht erkannte eine Vermögensvermengung (intermingling of assets) an und ging sogar in seiner Formulierung soweit, die betreffenden Vermögensmassen als einer group of associated companies gehörig zu betrachten, allerdings ohne nähere dogmatische Ausführungen.489 Jedoch lehnte es ein piercing 487 Simmons NO v Snobberie Cape (Pty) Ltd (1977) (3) SA 453E / F (per Phillips, AJ): „[T]he affairs of the respondent [Snobberie Cape (Pty) Ltd] and other companies, including High Fashion [(Pty) Ltd] were so hopelessly confused and intermingled, that the applicant is quite unable to say whether or not he has any claim against the respondent, whether for assets or for money.“ Ferner 454D: „[T]he applicant had established a manipulation of the various companies to the extent that their assets and liabilities were indistinguishable from those of the remaining companies in the ,group‘.“ 488 Simmons NO v Snobberie Cape (Pty) Ltd (1977) (3) SA 454D–F (per Phillips, AJ): „He [Mr Simmons] said that [infolge dieser Vermögensvermengung] the result was a general corpus of assets and liabilities, and that the obligations of the associated companies inter se were fictitious. He asked me on that account to disregard the corporate entities of the separate companies, and to assume that . . . [he] was entitled to take whatever assets were to be found in the respondent as the assets of High Fashion [(Pty) Ltd] and subject to the rights of its creditors . . . He said . . . that the Court must ,lift the corporate veil‘ off these companies.“ Der Antrag ist aus deutscher Sicht unverständlich: Entweder ist klar, um welche Vermögensgegenstände der Snobberie (Pty) Ltd es sich handelt. Dann bestehen Herausgabeansprüche und es ist kein piercing of the corporate veil der Snobberie (Pty) Ltd nötig. Jedoch konnte der Liquidator im Fall konkrete Ansprüche der High Fashion (Pty) Ltd wegen der vermögensvermengenden Buchhaltungslage nicht nachweisen. Oder es ist – wie vorliegend – nicht klar, um welche Vermögensmassen es geht. Dann hilft nur ein piercing of the corporate veil aller dieser verbundenen Unternehmen unter dem Gesichtspunkt einer (wegen Vermögensvermengung bestehenden) „general corpus of assets“ (454D). Nur diese Variante erscheint hier sinnvoll. Dahingehend schien auch das Gericht den Antrag zu verstehen (455C: „It simply does not help [the] appellant . . . to argue, as he did, that ,in effect‘ High Fashion [(Pty) Ltd] is a creditor of the respondent [Snobberie (Pty) Ltd] because whatever assets are in the respondent are also the assets of High Fashion.“). 489 Der Fall ist deshalb im Hinblick auf Kap. C. IV. 1. nicht weiter von Interesse. Davids, Lifting the Veil, 145 f. führt ihn jedoch in ihrer Fallgruppe „group of companies“ als Beispiel dafür an, dass die Rechtsprechung bei holding company / subsidiary-

VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen

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of the corporate veil mangels entsprechender bestehender Rechtsgrundsätze (Vorläuferentscheidungen) ab.490 Der Fall legt zugleich eine Schwäche des herrschenden und in dieser Entscheidung angewandten categorisation approach offen:491 Die Urteilsbegründung bemüht sich kaum um eine Abwägung, ob Umstände vorliegen, die ein piercing of the corporate veil rechtfertigen; abgestellt wird stattdessen nahezu ausschließlich darauf, ob der Sachverhalt in eine der bestehenden Fallgruppenschubladen passt. Da dem nicht so war, wurde achselzuckend ein piercing of the corporate veil abgelehnt. Diese ängstliche Haltung ist nur zum Teil verständlich, denn die südafrikanische Rechtsprechung hat mehrfach betont, dass die etablierten piercing-Fallgruppen keinen numerus clausus darstellen sollen. Davids ist der Ansicht, dass in Simmons NO v Snobberie berechtigterweise ein piercing of the corporate veil der Le Quinze (Pty) Ltd begehrt worden sei.492

VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen Drei der in Südafrika diskutierten piercing-Fallgruppen haben entweder gar keine Entsprechung in der deutschen Durchgriffsdiskussion (so die Fallgruppe „agency“ und die Fallgruppe „Zugrunde liegende partnership-Struktur“ [„Domestic companies“]) oder werden – wie die Fallgruppe „Alter ego“ – nicht als eigenständige Gruppe aufgefasst, sondern in eine größere Gruppe (Fälle sonstiger Rechtsfolgendurchgriffe)493 eingeordnet. 1. Verfehlte Fallgruppe „Agency“ Der überwiegende Teil der südafrikanischen Rechtslehre betrachtet agencyKonstruktionen nach wie vor als piercing-Fallgruppe.494 Rechtsverhältnissen sehr zurückhaltend ist mit der Anwendung eines piercing of the corporate veil. Von einem solchen holding company / subsidiary-Rechtsverhältnis zwischen Snobberie (Pty) Ltd und Le Quinze (Pty) Ltd oder anderen Gesellschaften ist jedoch in der Entscheidung nicht ausdrücklich die Rede. 490 Simmons NO v Snobberie Cape (Pty) Ltd (1977) (3) SA 454H–455A (per Phillips, AJ): „The very best that can be said for the applicant . . . is that it has been shown that the assets belong to a ,group‘ of associated companies . . . There is no authority for ,lifting the corporate veil‘ in a case of this kind . . .“ 491 Hierzu s. o. Kap. A. I. 2. a). 492 Davids, Lifting the Veil, 146. 493 Hierzu s. o. Kap. A. II. 1. a) bb) (1). 494 Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 15, Cilliers, Corporate Law, 14, Davids, Lifting the Veil, 140. Ebenso in der englischen Rechtslehre Gower, Principles of Company Law (1992), 132 f. Ferner Farrar, Company Law, 70. Ein kleiner Teil der – allerdings nicht südafrikanischen – Literatur betrachtet agency-Konstruktionen dagegen ausdrücklich als rechtliche Verankerung des lifting of the corporate veil (Ottolenghi 1990, MLR 345 f.), s. o. Kap. A. I. 2. b) aa).

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Vorliegend wurde jedoch dargestellt, dass diese Einordnung verfehlt ist und agency-Konstruktionen stattdessen als alternativer Lösungsweg einzuordnen sind, der neben dem Lösungsweg über ein piercing of the corporate veil besteht.495 Agency als piercing-Fallgruppe ist zwar von einigen Stimmen aus der Literatur in Zweifel gezogen worden, dies jedoch – abgesehen von Mayson496 und Milo497 – nicht mit dem schlüssigen Argument, dass ein agency-Rechtsverhältnis stets zwei Rechtspersonen (principal und agent) erfordert und daher das Trennungsprinzip gerade nicht in Frage stellt, sondern es bestärkt und somit nicht piercing of the corporate veil ist. Stattdessen halten diese Stimmen die betreffenden agency-Entscheidungen lediglich für in anderen Fallgruppen besser aufgehoben. Genannt werden dabei die Fallgruppen „fraud(-ulent use of a corporate personality)“ und „sham“ / „pretence“498 oder „alter ego“ / „instrumentality“499 oder „tax evasion“.500

2. Südafrikanische Fallgruppe „Alter ego“ Gelegentlich wird eine eigene Fallgruppe „alter ego / instrumentality / sham . . .“ aufgeführt. Innerhalb der Literatur tut dies Davids,501 die eine Gruppe „instrumentality, alter ego and agency“ bildet. Ebenso scheint dies – mit Blick auf Die Dros (Pty) Ltd v Telefon Beverages CC502 – Larkin zu sehen.503 In der Rechtsprechung hat beispielsweise Nel J in Cape Pacific v Lubner 1993 CPD eine Fallgruppe „alter ego, cloak or sham“ anerkannt.504

495

s. o. Kap. B. II. 1. a). Mayson, Company Law, 146 (Kap. 5.2.2.3). 497 Milo (1998), SALJ 326 und 343. s. a. oben Kap. B. II. 1. a). 498 Die von Teilen der Literatur aufgespalten angeführten Fallgruppen „Fraud(-ulent use of a corporate personality)“ und „sham“ / „pretence“ sind vorliegend zu einer Fallgruppe zusammengefasst. s. o. Kap. C. II. 1. 499 Vgl. Davids, Lifting the Veil, 140 und unten Kap. C. VI. 2. 500 Vgl. Farrar, Company Law, 79, der eine piercing-Fallgruppe „tax [evasion]“ bildet, zugleich aber betont, dass in den einschlägigen Entscheidungen die betreffenden Gesellschaften häufig als „sham“ bezeichnet wurden. 501 Davids, Lifting the Veil, 140 (Kap. 6.3.1.3). 502 (2003) (4) SA 207 (C). 503 Larkin (2003), ASSAL 569: „In light of this explanation [gemeint ist das Obiter in Dros (Pty) Ltd v Telefon Beverages CC 216F–I; hierzu s. u. in diesem Kapitel], it may be possible to treat the alter ego concept as a species of ,fraud, dishonesty or improper conduct‘ at least in a very extended sense. Otherwise, it should be seen as a separate ground for piercing the corporate veil.“ 504 (1993) (2) SA 784 (C) 816I. 496

VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen

331

Der Begriff alter ego ist im piercing-rechtlichen Sinne nicht anerkannt definiert.505 Es hat allerdings Versuche der Rechtsprechung506 und Rechtslehre507 gegeben, Prüftests zu entwickeln, um zu bestimmen, wann eine Gesellschaft das alter ego ihrer Gesellschafter ist. Nach Joubert ist eine Gesellschaft ein alter ego, wenn ihre beherrschenden Gesellschafter rechtsmissbräuchlich die Vorzüge der juristischen Person in Anspruch nähmen, Gesellschaft und Gesellschafter praktisch jedoch nicht trennten. Betrugsvorsatz (intention to defraud) solle dabei jedoch nicht vorzuliegen brauchen.508 Carteaux geht weiter: Alter ego liege vor, wenn die Gesellschaft „merely an aggregation of shareholders without an identity of its own“ sei.509 Ist somit ein alter ego gegeben, so ist nach diesem Begriffsverständnis die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft aufgelöst. Auf Carteaux’ Ausführungen haben aus der südafrikanischen Rechtslehre Davids und Domanski befürwortend verwiesen.510 Die Rechtsprechung hat den Begriff alter ego zwar des Öfteren verwendet. Sie hat bislang allerdings nur einmal – und auch dort nur obiter – nähere begriffsbezogene Ausführungen dazu gemacht, hierbei jedoch schlichtweg und vollständig auf Jouberts Definition verwiesen („a helpful exposition of the alter

505 Carteaux, Louisiana adopts a balancing test for the piercing of the corporate veil, in: TulLR, (58) 1984, 1095 (1095 f.), die von „absence of a definition of the term ,alter ego‘“ spricht. 506 Vgl. Carteaux (1984), TulLR, 1095 f., die auf verschiedene Entscheidungen der Rechtsprechung des US-Staates Louisiana verweist, insbesondere auf Kingsman Enterprises v Bakerfield Electric Co 339 So 2d 1280 (La. App. 1st Cir. 1976). Dort wurde entschieden, dass die „totality of circumstances“ in Betracht genommen werden müsse bei der Entscheidung der Frage, ob die alter ego doctrine anzuwenden sei. Dieses Merkmal dürfte als Tatbestandsmerkmal unbrauchbar vage sein. 507 Vgl. z. B. Davids, Lifting the Veil, 94. 508 Joubert, LAWSA 4, 90 (par 46): „A company is said to have been the . . . ,alter ego‘ of its controlling shareholders where it does not, in truth, carry on its own business or affairs, but acts merely in the furtherance of the business or affairs of its shareholders, in other words, its controllers do not treat it as a separate entity, at least not in the full sense . . . [I]n truth the company is a mere instrumentality or business conduit for promoting, not its own business or affairs, but those of its controlling shareholders. For all practical purposes the two concerns are in truth one. In these cases there is usually no intention to defraud although there is always abuse of the company’s separate existence (an attempt to obtain the advantages of the separate personality of the company without in fact treating it as a separate entity).“ 509 Carteaux (1984), TulLR 1095 unter Verweis auf Wormser, Disregard of the corporate fiction, in: ColLR, (27) 1927, 49 ff. Carteaux weist m.w. N. ferner darauf hin, dass die alter ego doctrine bisher beinahe ausschließlich nur auf folgende zwei Fallgestaltungen angewandt worden ist: „[C]ases involving one-man corporations . . . or circumstances in which a plaintiff seeks to recover from a parent corporation for the acts of its subsidiary.“ 510 Davids, Lifting the Veil, 93 ff., Domanski (1986), SALJ, 232 f.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

ego concept“).511 Ferner lässt sich aus Banco de Moçambique entnehmen, dass jedenfalls alter ego-Konstruktionen einerseits und agency-Konstruktionen (in der die Gesellschaft zwingend eine eigene Rechtspersönlichkeit beibehalten muss) andererseits als unterschiedliche Konzepte verstanden werden.512 Die Entscheidung Cape Pacific v Lubner 1995 AD (per Smalberger JA) ist zweideutig: Einerseits bezeichnet sie Mr Lubners Gesellschaften als dessen alter egos513 und folgt in deren weiteren Beschreibung Carteaux’ Verständnis dieses Begriffs.514 Andererseits ergingen in der Entscheidung Herausgabeurteile (außer gegen Mr Lubner selbst) auch gegen die betreffenden Gesellschaften,515 was einem Verständnis aufgelöster Rechtspersönlichkeit zuwiderläuft. Ebenso zweideutige Ausführungen finden sich in der Entscheidung Cape Pacific v Lubner 1993 CPD (per Nel J), in der in einer alter ego-Fallgruppe beispielhaft die beiden englischen Entscheidungen Jones v Lipman und Gilford Ltd v Horne aufgeführt werden. Auch dort sind jedoch Urteile jeweils sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die sie beherrschende Person ergangen. Anders dagegen im rhodesischen Fall Gering v Gering:516 Dort war die Gesellschaft Zweitbeklagte neben ihrem alleingeschäftsführenden Gesellschafter als Erstbeklagtem, und es erging nur ein Urteil gegen den alleingeschäftsführenden Gesellschafter, nicht aber auch gegen die Gesellschaft. Jedoch fällt in der Entscheidung nicht ausdrücklich der Begriff alter ego. Hieraus wird deutlich, dass jedenfalls die südafrikanische Rechtsprechung517 mit dem Begriff alter ego wohl überwie511 Die Dros (Pty) Ltd v Telefon Beverages (2003) (4) SA 207 (C) 216F–I, wo auf Joubert, LAWSA 4, 90 (par 46) verwiesen wird. 512 Banco de Moçambique 339A und 343H, wo zunächst die Frage gestellt wurde, ob die Zentralbank von Moçambique „the alter ego or the organ of [the] Government“ sei (339H), und dies dann damit beantwortet wurde, dass die Zentralbank „an agent and not an organ of [the] Government“ (343H) sei. Damit wurden in dieser Entscheidung die Begriffe alter ego und organ gleichgesetzt. 513 Cape Pacific v 1995 (4) SA 790F / G: „In relation to their dealings with shares, first and second respondents [d.h. die von Mr Lubner beherrschten Gesellschaften] alter egos of third respondent.“ 514 Cape Pacific v 1995 (4) SA 790 (A) 799C / D in Bezug auf die betroffene Gesellschaft LCI: „LCI was more than just [Mr] Lubner’s puppet; it was essentially none other than Lubner personally, albeit in a different guise.“ und 799H in Bezug auf die betroffene Gesellschaft GLI: „[N]ot only did Lubner control the affairs of GLI, but in relation to its acquisition of the Findon shares GLI was Lubner in one of his guises.“ 515 Cape Pacific v 1995 (4) SA 790 (A) 807I–808A. 516 (1975) (2) SA 485 (R). 517 Anders scheinbar die englische Rechtsprechung (per Denning, MR) in Wallersteiner v Moir, vgl. Wallersteiner v Moir 237j („Each [of the companies] was in reality Dr Wallersteiner wearing another hat.“) und 238a („If we were to treat each of these concerns as being Dr Wallersteiner himself under another hat, we should not . . . be lifting a corner of the corporate veil. We should be sending it up in flames.“). Diese Formulierung legt zunächst ein Verständnis im Sinne von dem Carteaux’ nahe. Jedoch bezeichnet Denning im Weiteren (Wallersteiner v Moir 238a–b) die betreffenden Gesellschaften Mr Wallersteiners (Investment Finance Trust Ltd of Nassau, Roth-

VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen

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gend kein so weitgehendes Verständnis wie Carteaux verbindet. Vielmehr scheint, wenn eine Gesellschaft als alter ego eingestuft wird, lediglich damit eine Zurechnungserstreckung auf die die Gesellschaft beherrschende Person als automatisch ausreichend begründet zu gelten. Neben dem Begriff alter ego taucht der Begriff sham (façade und puppet) 518 auf. Er wird häufig synonym mit dem Begriff alter ego verwendet.519 Allerdings besteht zwischen beiden ein Unterschied bei der Frage, ob Rechtsformmissbrauchsvorsatz oder noch weitergehend Betrugsvorsatz (intention to defraud) vorhanden sein muss: Nach bisher entschiedenem Fallrecht (Gering v Gering520, Cattle Breeders Pvt v Veldman) scheint dies für den Begriff alter ego nicht nötig zu sein und scheint dieser Begriff diesbezüglich neutral zu sein: In Gering v Gering lag schon keine Gebots- / Verbotsumgehung vor, in Cattle Breeders Pvt v Veldman lässt sich ein Pflichtumgehungsvorsatz Mr Veldmans zumindest in Frage stellen.521 Jedoch steht dem seit 2003 eine Äußerung der Cape Provincial Division in Die Dros (Pty) Ltd v Telefon Beverages 216F–I entgegen, wonach Rechtsformmissbrauchsvorsatz immer erforderlich ist.522 Diese Äußerung ist jedoch ein bloßes obiter dictum. Die später als Die Dros (Pty) Ltd v Telefon Beverages ergangene Entscheidung Rudman v Road Accident Fund des Supreme Court of Appeal nimmt wiederum keinen Anstoß daran, dass der Begriff alter ego zur Kennzeichnung einer Gesellschaft herangezogen wird, die in völlig lauterer Absicht betrieben wurde.523 shild Trust Ltd Liechtenstein und Stawa AG) ausdrücklich als juristische Personen und folgt damit der Auffassung, dass sie ihre Rechtspersönlichkeiten beibehalten (Wallersteiner v Moir 238a–b: „I am prepared to accept that the English concerns – those governed by English company law or its counterparts in Nassau and Nigeria – were distinct legal entities . . .“). Auch Denning geht somit mit seinem alter ego-Begriff nicht so weit wie Carteaux. So sieht das auch die südafrikanische (rhodesische) Rechtsprechung, vgl. RP Crees (Pvt) Ltd v Woodpecker Industries Ltd 1975 (2) 485 (R) 487C–F (per Goldin, J): „It will be noted that Denning [in Wallersteiner v Moir] accepted that an incorporated company was a distinct legal entity.“ 518 Zu den Begriffen façade / sham und ihrem Inhalt s. o. Kap. C. II. 1. a) aa). 519 Vgl. Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 784D: „[A] puppet or alter ego . . . [A] sham or alter ego“. Ebenso 785B und 785C. Siehe auch 816I, wo eine Fallgruppe „Alter ego, cloak or sham“ gebildet wird. Vgl. ferner Wallersteiner v Moir 237j: „[A]ll these . . . concerns were used by Dr Wallersteiner as a façade, so that each could be treated as his alter ego.“ 520 (1974) (3) SA 358. Zu dieser Entscheidung s. u. in diesem Kapitel. 521 Vgl. Cattle Breeders Pvt v Veldman (1974) (1) SA 169 / 170 (R). 522 Noch weitgehender Rhino Hotel & Resort (Pty) Ltd v Forbes (2000) (1) SA 1180 (W) 1183E–H, per Joffe, J: „[T]he applicant . . . accepts that the first and the third respondents did not themselves commit the delict replied upon. He contends, however, that they are second respondent’s alter ego . . . It is noteworthy that it is not suggested that the respondents are part of a conspiracy or acting fraudulently in any manner. There is no basis to pierce the corporate veil as suggested by . . . [the applicant].“ Diese Entscheidung ist auf Kritik gestoßen, vgl. Larkin / Cassim (2000), ASSAL 486 (490): „This is an unduly narrow approach.“

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Der Begriff sham scheint demgegenüber einen vorwerfbaren subjektiven Vorsatz zu beinhalten.524 In der Regel wird dies der Vorsatz sein, ein (vertragliches oder gesetzliches) Gebot oder Verbot im Wege eines fraudulent / improper use einer Gesellschaft zu umgehen. Zunehmend wird hierbei auch auf Verheimlichungsvorsatz (deliberate concealment) abgestellt.525

523 Rudman v Road Accident Fund (2003) (2) SA 234 (SCA), per Jones, AJA. a) Sachverhalt: Mr Rudman betrieb sehr erfolgreich eine Großwildjagdranch in der Ostkapprovinz. Diese Ranch wurde in Form einer Gesellschaft (Blaauwkrantz Farming Enterprises Pty Ltd) betrieben und war ein Familienbetrieb. Mr Rudman war selbst aktiver Großwildjäger und Jagdleiter für touristische Großwildjäger aus Übersee. Rechtlich war Mr Rudmann Arbeitnehmer und Geschäftsführer (director) der Gesellschaft. Ferner hielt er als Gesellschafter 2% der Anteile. Infolge eines Autounfalls wurde Mr Rudmann teilweise behindert und war von da an jagdunfähig. Mehrere Großwildjäger sagten daraufhin ihre Jagdbuchungen ab, nachdem sie davon erfahren hatten, dass Mr Rudmann nun keine Jagden mehr leiten kann. Mr Rudmann verklagte nun seinen Unfallgegner auf Schadensersatz wegen Verdienstausfalles (loss of earnings and earnings capacity) in Höhe der Differenz zwischen dem geschätzten Umsatz der Grosswildfarm, falls er keinen Unfall erlitten hätte, und dem tatsächlichen geringeren Umsatz: Die Gesellschaft sei lediglich aus erbschafts- und einkommensteuerrechtlichen Gründen errichtet worden (237G). Sie sei „for all practical purposes [Mr] Rudman’s alter ego“ (242C). Mr Rudman sei die eigentliche Triebkraft des Unternehmens, er habe es eigenhändig aufgebaut („[H]e has virtually single-handedly produced the company’s income“, 242D). Der Schaden sei deshalb bei ihm entstanden („He is the person who in fact suffered the loss incurred by the company. He is the person who should be compensated.“, 242F). b) Entscheidung: Der Klageantrag wurde abgewiesen. Das Gericht bekräftigte die vorinstanzliche Entscheidung, derzufolge diese Geschäftsverluste keine Verminderung des Vermögens des Klägers darstellten (239G und 239I), sondern der Gesellschaft selbst, da beide getrennte Rechtspersonen seien (242G). c) Piercing-erhebliche Ausführungen: Das Urteil weist darauf hin, dass der Kläger Mr Rudman sein alter ego-Vorbringen nicht weiter untermauert hat („Mr . . . [Rudman] has not pressed this argument before us.“, 242H), und bezog deshalb nicht weiter dazu Stellung. Die vom Kläger vorgetragene alter ego-Argumentation bezieht sich hier allerdings zweifelsfrei auf eine Gesellschaft (Blaauwkrantz Farming Enterprises Pty Ltd), die in lauterer Absicht betrieben wurde. Weder ist ein Rechtsformmissbrauchsvorsatz ersichtlich noch liegt Betrugsabsicht vor. Der Supreme Cout of Appeal scheint nicht daran Anstoß genommen zu haben (man hätte andernfalls wohl ein entsprechendes Obiter erwarten müssen), dass diese Gesellschaft als „alter ego“ bezeichnet wurde. Vgl. auch Larkin (2003), ASSAL 549 (568). 524 Zum derzeitigen Stand der Diskussion s. o. Kap. C. II. 1. a) aa). 525 Vgl. die von Nel, J in Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 816I–817G aufgeführten Entscheidungen Jones v Lipman, Gilford Ltd v Horne und Robinson v Randfontein Ltd, die allesamt Pflichtumgehungen zum Gegenstand hatten, s. o. Kap. C. II. 1. a) bb). Anders jedoch die ebenfalls aufgeführte Entscheidung Wallersteiner v Moir: Dort wurde eine Umgehung zweier Vorschriften des Companies Act vom Gericht zwar bejaht, eine rechtsmissbräuchliche Verwendung der juristischen Person (eine mittels eines improper use of a company bewerkstelligte Umgehung) aber verneint.

VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen

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Der Begriff instrumentality und die instrumentality-rule (instrumentality-doctrine) wurden von der US-amerikanischen Rechtsprechung entwickelt. Sie sind von der englischen Rechtsprechung nicht übernommen worden.526 Aus Sicht der südafrikanischen Rechtslehre besteht im Übrigen nach wie vor auch in den USA noch nicht letztlich Klarheit darüber, was der Begriff instrumentality genau bedeute, wie er zu agency abzugrenzen sei und was seine Tatbestandsvoraussetzungen seien.527 Die US-amerikanische Rechtsprechung hat in Zaist v Olson den Versuch unternommen, die Voraussetzungen zu umschreiben, unter denen eine Gesellschaft als instrumentality anzusehen ist:528 Danach sind als objektiver Tatbestand control (im Sinne von complete domination) und als subjektiver Tatbestand fraudulent / evasive intention erforderlich. Auf diesen Test hat die südafrikanische Leitentscheidung Cape Pacific v Lubner 1993 CPD in einem obiter dictum verwiesen, ohne jedoch näher dazu Stellung zu nehmen.529 Carteaux befindet, dass Rechtsprechung und Rechtslehre die Begriffe alter ego und instrumentality überwiegend gleichsetzen.530 Ebenso scheint dies Joubert zu sehen.531 Beide Begriffe unterscheiden sich jedoch in folgender Hinsicht: Erstens wird der Begriff instrumentality meist im Zusammenhang mit agency-Konstruktionen verwendet.532 Demgegenüber bestehen Bedenken, alter ego und agency gleichzusetzen. Denn agency-Rechtsverhältnisse erfordern zwin526 Vgl. Dobson (1986), ICLQ 849 m.w. N.: „English courts have not adopted this [instrumentality-]rule, . . . but there have been some proposals for its adoption by scholars and the Cork Committee [d.i. eine Rechtsreformkommission].“ 527 Vgl. Davids, Lifting the Veil, 94 (Fn. 36). 528 Vgl. Zaist v Olson 227 A2d 552 (1967) 558: „The instrumentality rule requires, in any case by an express agency, proof of three elements: (1) control, not mere majority or complete stock control, but complete domination, not only of finances but of policy and business practice in respect to the transaction attacked so that the corporate entity as to this transaction had at the time no separate mind, will or existence of its own; and (2) such control must have been used by the defendant to commit fraud or wrong, to perpetuate the violation of a statutory or other positive legal duty, or a dishonest or unjust act in contravention of plaintiff ’s legal rights; and (3) the aforesaid control and breach of duty must proximately cause the injury or unjust loss complained of . . .“ Dobson (1986), ICLQ 849 fügt ergänzend hinzu, dass die instrumentality-rule nur in Insolvenzfällen angewandt wird. 529 Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 817C, 821C. 530 Carteaux (1984), TulLR 1093 (Fn. 19). Davids, Lifting the Veil, 93 (Fn. 28) verweist hierauf. 531 Joubert, LAWSA 4, 90 (par 46). 532 Vgl. Carteaux (1984), TulLR 1093 (Fn. 19), die darauf hinweist, dass gelegentlich sogar instrumentality doctrine und agency doctrine als Synonyme ansehen werden. Vgl. ferner Dobson (1986), ICLQ 848 f., der instrumentality und agency ebenfalls sehr nahe zueinander rückt (wobei er instrumentality als ein Korrektiv bei agencyKonstruktionen versteht, das den Zweck hat, einer zu großen Haftungsausweitung vorzubeugen, die sich ansonsten bei Anwendung einer reinen agency-Konstruktion erge-

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

gend zwei vollwertige Rechtsträger, während Carteaux’ Definition des Begriffs alter ego die Rechtsperson und Rechtsträgereigenschaft der Gesellschaft gerade auflöst. Ein solches Unterscheidungsverständnis von alter ego und agent ergibt sich auch aus Banco de Moçambique. Zweitens ist der Begriff instrumentality dem Zaist v Olson-Rechtsgrundsatz zufolge nur in solchen Fällen angebracht, in denen der beherrschende Gesellschafter subjektiv vorwerfbar (fraudulent) seine Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Gesellschaft zu seinem Vorteil ausgenutzt hat.533 Der Begriff alter ego ist demgegenüber anscheinend nicht ausschließlich auf solche Fälle beschränkt. Zusammenfassend lässt sich damit zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Begriffe / Konzepte alter ego, instrumentality und façade / sham Folgendes sagen: Die Begriffe façade / sham und instrumentality erfordern jeweils einen subjektiven Tatbestand, der auf eine rechtsmissbräuchliche Verwendung der juristischen Person gerichtet ist, sowie einen objektiven Tatbestand, der darin besteht, dass erstens eine Pflicht, ein Gebot oder ein Verbot umgangen worden ist und zweitens die Gesellschaft beherrscht wird (complete control / domination). Diese Ähnlichkeiten machen die Begriffe instrumentality und façade / sham scheinbar weitgehend austauschbar. Jedoch unterscheiden sich beide Konzepte dogmatisch: Instrumentality ist eine besondere agency-Konstruktion, geht also von zwei getrennten Rechtssubjekten (principal und agent) aus. Demgegenüber sind die beiden Begriffe façade / sham Carteaux’ Definition von alter ego angenähert und stellen die juristische Rechtspersönlichkeit der betroffenen Gesellschaft zumindest in Frage. Die Begriffe façade / sham und alter ego stimmen insoweit überein, als mit ihnen jeweils das Fortbestehen der Rechtspersönlichkeit der juristischen Person in Frage gestellt wird. Während die Begriffe façade / sham jedoch zudem wohl einen subjektiven Tatbestand im Sinne eines betrügerischen Vorsatzes zur

ben kann) und Moorthy (1981), ICLQ 638, der ebenfalls davon auszugehen scheint, dass instrumentality und agency weitgehend inhaltsgleiche Begriffe sind. 533 Vgl. Dobson (1986), ICLQ 848 / 849, der unterstreicht: „[The instrumentalityrule] entails [the] application of the fraud-approach to agency, so that a company controller will only be liable under the law of agency, if the control has been exercised in a fraudulent manner . . . Fraud and agency principles have thus been brought together . . .“ Vgl. ferner die in der Zaist v Olson-Entscheidung enthaltene Prüfliste für das Vorhandensein von instrumentality. Diese Liste nennt als zweite Voraussetzung: „(2) [C]ontrol must have been used . . . to commit fraud or wrong . . .“ Eigene instrumentality-Prüftests sind ferner von Moorthy (1981), ICLQ 640 / 641 entworfen worden für das Sonderproblem, wann eine public corporation als eine governmental instrumentality einzustufen ist.

VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen

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rechtsmissbräuchlichen Verwendung der Gesellschaft verlangen, erfordert der Begriff alter ego dies anscheinend nicht notwendigerweise. Die vorliegende Arbeit verwendet deshalb den Begriff alter ego nur zur Bezeichnung einer Fallgruppe, deren Fälle dadurch gekennzeichnet sind, dass zum einen die Rechtspersönlichkeit der jeweiligen Gesellschaft insgesamt zumindest in Frage gestellt wird, die Gesellschaft zum anderen aber in lauterer Absicht verwendet worden ist. Diese Ansicht steht allerdings im Widerspruch zum obiter dictum der Entscheidung Die Dros (Pty) Ltd v Telefon Beverages CC 216F–I. Die façade / sham-Fälle werden demgegenüber vorliegend zur Fallgruppe „Evasion of duties (obligations) or prohibitions by means of fraudulent / improper use of a corporate personality“ gezogen wegen ihrer größeren Sachnähe hierzu.534 Die instrumentality-Fälle sind als agency-Konstruktionen zur Fallgruppe „group-Rechtsverhältnisse“ gezogen. Einzige nach diesem Begriffsverständnis einschlägige südafrikanische (rhodesische) Entscheidung der Fallgruppe alter ego ist demnach Gering v Gering.535,536 534

s. o. Kap. C. II. 1. Gering v Gering (1974) (3) SA 358 (W), per Margo, J. a) Sachverhalt: Ehefrau Gering verklagt Ehemann Gering auf Übertragung der Geschäftsanteile an einer Gesellschaft, welche Eigentümerin des ehelichen Wohnhauses der Gerings ist. Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Gesellschaft ist Ehemann Gering. Ehefrau Gering bringt vor, dass sie beneficial owner dieser Geschäftsanteile sei, da sie seinerzeit das Geld zur Verfügung gestellt habe, mit dem die Gesellschaft das Haus gekauft hat. Um dies nachweisen zu können, beantragt sie Einsicht in die Bücher und die Konten der Gesellschaft. Ehemann Gering hatte dies verweigert. b) Entscheidung: Eine Auskunfts- und Einsichtsgewährungsverfügung erging gegen den (erstbeklagten) Alleingesellschafter Ehemann Gering, nicht aber (auch oder stattdessen) gegen die (zweitbeklagte) Gesellschaft. c) Piercing-erhebliche Äußerungen: Die Auskunfts- und Einsichtsgewährungspflicht der Einmann-Gesellschaft wurde auf den Alleingesellschafter erstreckt. Die Gesellschaft wurde in der Entscheidung als „creature“ / „instrument“ des Alleingesellschafters Mr Gering bezeichnet. Ein Fall von Umgehung einer persönlichen Pflicht des Mr Gering vermittels Zwischenschaltung einer Gesellschaft lag nicht vor. Eine Zuordnung der Entscheidung zur piercing-Fallgruppe „Evasion of duty / obligation“ ist daher nicht möglich. Irreführend sind in der Diktion der Entscheidung die Begriffe „creature“ / „instrument“. Richtig schiene es stattdessen, den Begriff „alter ego“ zu verwenden. Verfehlt ist die Begründung Beuthins aus der südafrikanischen Rechtslehre, wonach piercing of the corporate veil hier deshalb vorliege, weil Ehegatte Gering in seiner Eigenschaft als director der Gesellschaft berechtigt sei, alle Unterlagen der Gesellschaft einzusehen (Beuthin 1974, ASSAL 256): Diese Argumentation wäre nur nachzuvollziehen, wenn die Gesellschaft und nicht ihr Alleingesellschafter Mr Gering zur Auskunftserteilung / Einsichtsgewährung verurteilt worden wäre. Dann würde die Gesellschaft ihre Verpflichtung durch ihr für sie handelndes Organ director erfüllen. Weil hier aber stattdessen nur Ehegatte Gering persönlich verurteilt worden ist, ist nicht auf 535

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Ferner lassen sich die beiden Fälle RP Crees (Pvt) Ltd v Woodpecker Industries (Pvt) Ltd 537 und Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd v Veldman anführen, allerdings mit folgenden Einschränkungen: In der Entscheidung RP Crees (Pvt) Ltd v Woodpecker findet sich zum einen der Begriff alter ego im Wortlaut der Entscheidung nicht. Zum anderen folgt das Gericht in dieser Entscheidung gerade nicht der piercing-Argumentation der beklagten Woodpecker-Gesellschaft. Und zum dritten stützt sich Woodpecker Ltds piercing-Argumentation verfehlt auf eine Vorläuferentscheidung, in der dessen director-Eigenschaft, sondern auf dessen (Allein-)Gesellschaftereigenschaft abgestellt worden. 536 Ferner lässt die Entscheidung Rudman v Road Accident Fund ein dahingehendes Verständnis von alter ego vermuten. Hierzu s. o. in diesem Kapitel. 537 RP Crees (Pvt) Ltd v Woodpecker Industries Ltd (1975) (2) SA 485 (R), per Goldin, J. a) Sachverhalt: Mr RP Crees war beherrschender Gesellschafter sowohl der RP Crees (Pvt) Ltd als auch der Woodpecker Industries (Pvt) Ltd („complete control“, 468H). Woodpecker Industries (Pvt) Ltd erhielt von Tobacco Sales Ltd ein Darlehen über $ 3.000. RP Crees (Pvt) Ltd gab im Hinblick auf die Rückzahlung dieses Darlehens ein Bürgschaftsversprechen gegenüber Tobaccco Sales Ltd ab. Woodpecker Industries (Pvt) Ltd zahlte nicht zurück, und PR Crees (Pvt) Ltd wurde deshalb von Tobacco Sales Ltd in Anspruch genommen und zahlte. Im Anschluss daran verlangte RP Crees (Pvt) Ltd von Woodpecker Industries (Pvt) Ltd Zahlung von $ 3.000. Woodpecker Industries (Pvt) Ltd verweigerte dies mit folgender piercing-gestützter Argumentation: Woodpecker Industries (Pvt) Ltd und RP Crees (Pvt) Ltd und Mr RP Crees seien „one and the same person“ (487A, 486H), da beide vollständig von Mr RP Crees beherrscht würden und ihre gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten miteinander vermengt seien sowie Subjektvermischung vorliege (486H–487A: „The defendant [Woodpecker Industries] avers that because of the close association and intermingling of affairs and personalities of R.P. Crees, the plaintiff [RP Crees (Pvt) Ltd] and the defendant . . . the defendant did not have a persona separate from the plaintiff and [Mr] R.P. Crees. It is accordingly alleged that . . . the plaintiff, the defendant and [Mr] R.P. Crees were one and the same person.“). Die Tatsache, dass Mr Crees Woodpecker Industries (Pvt) Ltd beherrsche, lasse die eigene Rechtspersönlichkeit Woodpecker (Pvt) Ltds enden (487C: „[T]he company [Woodpecker (Pvt) Ltd] did not exist as a separate legal entity because its main shareholder [Mr Crees] was in complete control of its functions and decisions.“). b) Entscheidung: Der Zahlungsanspruch der RP Crees (Pvt) Ltd wurde bejaht. Woodpecker Industries (Pvt) Ltds Argumentation wurde zurückgewiesen und das Trennungsprinzip betont. Klargestellt wurde, dass Beherrschung durch einen Gesellschafter die Rechtssubjekteigenschaft der Gesellschaft unberührt lasse (487E–F): „[A] company can be under complete control of and its activities entirely dictated by another person but that does not deprive it of its distinct legal personality. A person in captivity may be entirely subject to and his conduct completely dictated by his captor. Nevertheless he still retains an existence and is a separate entity from the person who has complete power over and direction of him.“ Als Funktion des piercing of the corporate veil (die Entscheidung selbst spricht von „lifting of the corporate veil“) wurde nur die Tatsachenermittlung (hierzu s. o. Kap. A. II. 2. a) aa) (2)) genannt (487E: „The lifting of the corporate veil is possible and may be necessary in order to prove who determines or who is responsible for the activities, decisions and control of a company.“)

VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen

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letztlich gerade eine agency-Konstruktion angewandt wurde (Wallersteiner v Moir).538 Nach vorliegend vertretener Auffassung sind solche Konstruktionen jedoch kein piercing of the corporate veil.539 In der Entscheidung Cattle Breeders v Veldman fällt zwar der Begriff alter ego.540 Allerdings ist nicht letztlich sicher, ob dort seitens Mr Veldman Pflichtumgehungsabsicht vorlag oder nicht. Je nachdem, welcher Ansicht man folgt, lässt sich Cattle Breeders v Veldman dann entweder in die hiesige Fallgruppe „Alter ego“ oder vielmehr in die Fallgruppe „Evasion of a common law duty by means of improper use of a company“541 einordnen. Problematisch ist schließlich, dass dogmatisch unstimmig gelegentlich der Begriff agent zusammen mit den Begriffen alter ego und façade / sham (oder ähnlichen Begriffen) fällt.542 Rechtsprechung und Rechtslehre sind hier schlichtweg begriffsnachlässig. Es handelt sich um Fälle, die im Grenzbereich der Möglichkeiten der agency-Konstruktionen liegen und gleichermaßen gut (anstatt als agency-Fälle) als reine alter ego-Fälle hätten gelöst werden können. Dies gilt beispielsweise für die Tochtergesellschaft Birmingham Waste Co. Ltd in Smith, Stone & Knight Ltd v Birmingham543 und ähnlich für die Wallersteiner-Gesellschaften Investment Finance Trust Ltd of Nassau, Rothshild Trust Liechtenstein und Stawa AG in Wallersteiner v Moir544 sowie in Re F. G. (Films) 538 Wallersteiner v Moir [1974] 3 All ER 283a–c, zitiert in RP Crees (Pvt) Ltd v Woodpecker Industries (Pvt) Ltd 487D. In Wallersteiner v Moir wandte das Gericht ausdrücklich agency-Konstruktionen auf eine Reihe von Gesellschaften an, die von Mr Wallersteiner beherrscht wurden. Das Gericht ging somit deutlich von zwei verschiedenen Rechtssubjekten aus (principal Mr Wallersteiner und seine Gesellschaften als seine agents) und behandelte diese Gesellschaften somit gerade nicht als Mr Wallersteiners alter egos ohne eigene Rechtssubjektseigenschaft (Wallersteiner v Moir 238a– b). s. o. Kap. B. II. 1. a), Fn.-Apparat sowie Kap. B. II. 1. b) ee) (1), Fn.-Apparat. 539 s. o. Kap. B. II. 1. Nel, J in Cape Pacific v Lubner 1993 (2) SA 784 (C) 817H hat Cattle Breeders v Veldman als Fall von Evasion of obligation aufgefasst. 540 (1974) (1) SA 169 (R) 171F. 541 Zu dieser Fallgruppe s. o. Kap. C. II. 1. 542 Vgl. Gower, Principles of Company Law (1979), 124. Vgl. auch Atkinson, J in Smith, Stone & Knight v Birmingham 121F: „[O]ne company can be said to be the agent or employee, or tool or simulacrum of another, . . .“. Ähnlich Denning, MR in Wallersteiner v Moir, der die betreffenden Gesellschaften einmal als „puppets“ /„creatures“ (z. B. 238c, 239a), ein anderes Mal als „agents“ (238b) bezeichnet. Vgl. ferner Davids’ Fallgruppe „Alter ego, instrumentality and agency“. Die vorliegende Arbeit behandelt die Begriffe alter ego und puppet als synonym. Ein abweichendes Verständnis des Begriffs puppet zeigt dagegen Mayson, Company Law, 142 (Kap. 5.2.2.1): „,Puppet‘ seems to mean no more than that the company is under the other person’s control.“ 543 s. o. Kap. B. II. 1. b) ee) (2). 544 Dort wurde auf Vorbringen hin erörtert, ob die betreffenden Gesellschaften lediglich Mr Wallersteiners façades (237j–238c) seien, wobei – entgegen dem Verständnis der vorliegenden Arbeit, die wegen der in Wallersteiner v Moir bezweckten Umgehung der gesetzlichen Verbote der §§ 54 Abs. 1 und 190 Abs. 1 des britischen Com-

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

Ltd für die Tochtergesellschaft F. G. Films Ltd.545 Typischerweise handelt es sich hier um Fälle, in denen die Tochtergesellschaft vollständig von der Muttergesellschaft beherrscht wird.546 Ein Gering v Gering im deutschen Recht vergleichbarer Fall ist die BilanzEntscheidung des Reichsgerichts. Beide Fälle fallen in die Kategorie der „Einwirkungsfälle“: Der (Allein-)Gesellschafter schuldet die Ausübung seiner mitgliedschaftsrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gesellschaft. Im Fall RP Crees v Woodpecker ist nach deutschem Recht keine Einwendung der Woodpecker Ltd gegen den auf RP Crees Ltd übergegangenen Darlehensrückzahlungsanspruch ersichtlich. Woodpecker Ltd’s VermögensvermengungsArgumentation griffe auch im deutschen Recht nicht: Zwar mag vorliegen, dass die Vermögen von Woodpecker Ltd, RP Crees (Pty) Ltd und Mr Crees derart miteinander vermengt waren, dass sie bilanzmäßig nicht mehr zweifelsfrei zugeordnet werden konnten und somit die Kapitalerhaltung gefährdet war. Jedoch kann dies allenfalls zu einem Durchgriffsanspruch Dritter gegen Mr Crees (als beherrschenden Gesellschafter der beiden Gesellschaften) und gegen die jeweils nichtschuldende Gesellschaft führen, sofern diese Gesellschafterin der schuldenden Gesellschaft ist. Ein solcher Sachverhalt lag jedoch nicht vor. 3. Südafrikanische Fallgruppe „Zugrunde liegende partnership-Struktur“ („Domestic company“) Die Fallgruppe „domestic company“ wird nur von Teilen der Literatur aufgeführt.547 Die Rechtsprechung hat sie bislang lediglich in Botha v Van Niekerk erwähnt.548 panies Act hier nur das Begriffspaar façade / sham für zutreffend hält – die Begriffe alter ego und façade gleichgesetzt wurden. Denning, MR bezeichnete die Gesellschaften im Folgenden als Mr Wallersteiners „puppets“ (238b; 239j) und „creatures“ (z. B. 238c; 239a), sprach ihnen jedoch trotzdem selbständige und von Mr Wallersteiner verschiedene Rechtspersönlichkeiten zu (238a–b), was einem alter ego-Verständnis zuwiderläuft, und wandte letztlich eine agency-Konstruktion mit Mr Wallersteiner als principal und diesen Gesellschaften als seinen agents an (238b). Hierzu s. o. Kap. B. II. 1. b) ee) (1), Fn.-Apparat. 545 Das Urteil selbst spricht nur von „agent“ (In re FG Films 616G, per Vaisey, J: „[I]t acted at all in the matter, merely as the nominee of and agent for an American company called Film Group Incorporated . . .“). 546 So auch Pennington, Company Law (1990), 50 f.: Der Begriff agent sei gelegentlich völlig untechnisch und nur metaphorisch verwendet worden zur Beschreibung einer „subsidiary’s complete subjection to the holding company“. 547 Cilliers, Corporate Law, 14 (Fallgruppe „Underlying partnership intention between parties“), Beuthin / Luiz, Basic Company Law, 16 und 274 ff. (Fallgruppe „Domestic companies“), Davids, Lifting the Veil, 143 ff. (Fallgruppe „Partnership“). 548 Botha v Van Niekerk 521C–523A (per Flemming, J), der eine entsprechende Fallgruppe auflistet (521F–522B: „Wanneer die Hof gevolg moet gee aan ’n bedoeling

VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen

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Sie zerfällt in drei Untergruppen: Erstens die Fälle, in denen eine zwangsweise gerichtliche Auflösung i. S. d. § 344 (h) Companies Act (bzw. § 68 (d) Close Corporations Act) begehrt wird.549 Diese bilden die übergroße Mehrzahl der Entscheidungen dieser Fallgruppe. Zweitens die höchstrichterliche Einzelfallentscheidung Bellairs v Hodnett.550 Und drittens im Gesetzesrecht diejeniwat tot stand gekom het buite die kontrak wat in die akte en statute vervat is alleenstaande, kan aan die bedoeling gevolg gegee word.“ Er unterteilt diese in zwei Untergruppen (strafrechtliche und zivilrechtliche Fälle) und zergliedert Letztere wiederum in mehrere weitere Untergruppen. Hiervon ist eine die hiesige Fallgruppe (521H): „By ’n onderliggende vennootskapsbedoeling tussen partye kan aan daardie bedoeling erkenning verleen word al het die partye ’n maatskappy gestig om aan hul bedoeling uitvoering te gee. (Vgl In re Yenidje Tobacco Co Ltd [1916] 2 Ch 426.).“ Flemmings Fallgruppenbildung weist allerdings Schwächen auf, vgl. Larkins Kritik hierzu in 1983, ASSAL 276. 549 s. o. Kap. B. II. 2. a). 550 Bellairs v Hodnett (1978) (1) SA 1109 (A). a) Sachverhalt: Mr Bellairs, ein erfahrener Township-Immobilienentwickler, trat im Hinblick auf ein bestimmtes Grundstück (N15) in ein Joint Venture ein mit Mr Hodnett, einem Neuling auf diesem Gebiet. Beide gründeten eine Gesellschaft, die Northcliff Township (Pty) Ltd, deren Geschäftszweck laut ihrer Gründungsurkunde (memorandum) der Erwerb von Township-Entwicklungsimmobilien war. Bellairs hielt 66,6% ihrer Anteile, Hodnett 33,3%. Beide waren geschäftsführende Gesellschafter, Bellairs allerdings de facto-Alleingeschäftsführer. Northcliff Township (Pty) Ltd erwarb das Grundstück N15. Später kamen die Gesellschafter überein, dass Northcliff Township (Pty) Ltd auch noch das angrenzende Grundstück N19 erwerben solle, was diese auch tat. Noch später wurde ihnen auch noch das daran angrenzende Grundstück N20 zum Kauf angeboten. Hodnett hatte schon im Vorfeld kein Interesse an diesem Grundstück bekundet. Bellairs erwarb dieses deshalb nun für sich selbst und nicht etwa in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer für die Gesellschaft Northcliff Township (Pty) Ltd. Das persönliche Verhältnis zwischen Bellairs und Hodnett zerrüttete in der Folgezeit zunehmend. Hodnett erwarb später die restlichen 66,6% der Anteile von Northcliff Township (Pty) Ltd. Namens der Gesellschaft Northcliff Township (Pty) Ltd verklagte er daraufhin Bellairs auf Herausgabe des unrealisierten Gewinns, den dieser mit dem Erwerb von Grundstück N20 gemacht hatte, an die Gesellschaft. b) Entscheidung: aa) Erstinstanzliches Gericht (per Botha, J): Laut memorandum sei Immobilienerwerb und -entwicklung Geschäftszweck der Gesellschaft. Das memorandum sei diesbezüglich nicht auf N15 und N19 beschränkt; daher sei auch der Erwerb von N20 Geschäftszweck der Northcliff Township (Pty) Ltd. Durch den persönlichen Erwerb von Grundstück N20 habe Bellairs deshalb gegen seine ihm als Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft zufallende Treupflicht (fiduciaty duty) verstoßen (conflict of interests, vgl. Robinson v Randfontein): Die Geschäftsinteressen der Gesellschaft erstreckten sich nämlich soweit, wie sich aus dem hierfür maßgeblichen memorandum ergebe, also auf alle Grundstücke einschließlich N20. Anders wäre es, wenn die beiden Gesellschafter auf einer Gesellschafterversammlung einen Beschluss dahingehend gefasst hätten, dass die Gesellschaft Northcliff Township (Pty) Ltd keine weiteren Grundstücke mehr erwerben solle (special resolution, die das memorandum ändert, vgl. § 55 Companies Act); dies sei aber vorliegend nicht der Fall gewesen (1130C). Dass sich aus dem partnership agreement zwischen Bellairs und Hodnett etwas anderes ergebe (es galt nur für N15 und N19), sei unerheblich, da im Hinblick auf Bel-

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

lairs als Geschäftsführer (director) der company auf eventuelle conflicts of interests gegenüber der Gesellschaft abzustellen sei und nicht auf conflicts of interests gegenüber Hodnett persönlich (1130B / C). Diese Ausführungen Botha, J’s sind von der südafrikanischen Rechtslehre zu Recht als dogmatisch einwandfrei angesehen worden, vgl. Beuthin, Corporate opportunities and the non-profit rule, in: SALJ, (95) 1978, 458 (466). Das partnership analogy-Vorbringen wurde von Botha, J verworfen: Zwar seien partnership-Betrachtungen von der Rechtsprechung häufig angewandt worden bei Zweimann-Gesellschaften wie hier (1130A a. E.), aber nicht zu dem Zweck, die Existenz der juristischen Person zu beseitigen. Darauf liefe die partnership analogy jedoch hier hinaus (1130B). Hier stehe der Geschäftszweck (main object, scope of business) der company in Rede und nicht der Geschäftszweck der partnership (1130B / C). Es sei daher unerheblich, was Geschäftszweck der partnership sei; abzustellen sei allein auf den Geschäftszweck der company (wie im main object des memorandum niedergelegt). Die company sei insoweit auch nicht im Grunde eine partnership, sondern stattdessen „a separate legal entity, distinct from ,the partners‘ who carry on their joint venture through, or by means of the company“ (1130B) mit dem fortbestehenden Geschäftszweck „acquisition of further properties“. Rechtlich sei die Lage daher so, dass die partnership (die beiden partners Bellairs und Hodnett) im Hinblick auf die Grundstücke in Rechtsbeziehungen zu der company (1130C a. E.) getreten seien. Keine Stellung nimmt Botha, J dazu ein, welcher Art diese Rechtsbeziehungen sein sollen, insbesondere nicht dazu, ob alle drei (Bellairs, Hodnett und die Gesellschaft Northcliff Township (Pty) Ltd) als partnership anzusehen sind (anders im Folgenden die Appellate Division per Trollip, JA). bb) Appellate Division (per Trollip, JA): Die Appellate Division bejahte einen partnership approach: Die Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschaft, Bellairs und Hodnett wurden als „analogous to a partnership“ angesehen. Jedenfalls im Hinblick auf das in Rede stehende Treupflichtverhältnis liege eine partnership vor, bestehend aus den drei partners Bellairs, Hodnett und company Northcliff Township (Pty) Ltd (vertreten durch ihre directors Bellairs und Hodnett) [1130D a. E.; 1110B–C: „Where two people agree to develop as a township certain property held by a company and they become the sole shareholders and directors in it, the relationship between the three of them is analogous to a partnership, at any rate for the purpose of determining their fiduciary duties inter se.“]. Das partnership agreement (demzufolge der Geschäftszweck der partnership nur auf den Erwerb und die Entwicklung von N15 und N19 beschränkt war) sei maßgeblich für das main object des memorandums der Gesellschaft. Das partnership agreement schränke daher die Reichweite des im memorandum festgelegten Geschäftszwecks (Erwerb und Entwicklung von Grundstücken, also auch von Grundstück N20) ein. Insofern wurde die Argumentation der Vorinstanz (per Botha, J) verworfen. Geprüft wurde, ob partner Bellairs gegenüber partner Hodnett eine Treupflicht (fiduciary duty) gehabt habe, den Erwerb von N20 offenzulegen. Anhand des dem Gericht vorliegenden seinerzeitigen Briefwechsels zwischen Bellairs und Hodnett wurde dies aber abgelehnt: Hodnett habe kein Interesse daran gezeigt, N20 zu erwerben. Da partner Bellairs somit keine fiduciary duty gegenüber partner Hodnett gehabt habe, habe er auch keine gegenüber dem partner Gesellschaft Northcliff Township (Pty) Ltd gehabt (1130F: „For if Bellairs did not owe at any time his co-shareholder and copartner [Hodnett] any fiduciary duty of the type contended for, he did not owe it to . . . [his co-partner] Company either.“). Insofern stellt die Argumentation juristisches Neuland dar, das von der Vorinstanz unbetreten war. c) Piercing of the corporate veil: Die Appellate Division hat aus südafrikanischer Sicht insofern zu einem piercing of the corporate veil gegriffen, als in dieser Entschei-

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gen Vorschriften, die bei einem Absinken der Gesellschafterzahl unter eine Mindestanzahl eine wie in einer partnership übliche gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter entstehen lassen (§ 66 Companies Act).551 § 66 Companies Act ist bislang in Südafrika allerdings noch nie angewandt worden, ebensowenig jemals seine britischen Entsprechungsnormen.552 Die (viel besprochene553) Entscheidung Bellairs v Hodnett stellt im Hinblick auf die partnership analogy bei domestic companies in mehrerlei Hinsicht eine Neuerung dar: Zum Ersten ging es hier nicht um einen Auflösungsantrag i. S. d. § 344 (h) Companies Act. Stattdessen ging es darum, ob der Kreis und Umfang der (Treu-)Pflichten des geschäftsführenden Gesellschafters einer domestic company gegenüber der domestic company analog dem law of partnership nach dem Kreis und Umfang der (Treu-)Pflichten der partners einer partnership im Verhältnis zueinander bestimmt werden können. Dies wurde bejaht. Im Ergebnis wurde damit insoweit das Organ (director) einer juristischen Person (domestic company) als deren partner betrachtet. Zum Zweiten wurde hier nicht nur das Verhältnis der Gesellschafter einer company zueinander als partnership-ähnlich angesehen (wie dies in all den Fällen des § 344 (h) Companies Act getan wurde), sondern die partnership analogy auf alle drei (den Gesellschafter Bellairs, den Gesellschafter Hodnett und die Gesellschaft selbst) ausgedehnt und somit die Gesellschaft als partner dieser

dung der Pflichtenkreis des director einer company anhand des Pflichtenkreises des partner einer partnership bestimmt wurde. Damit wurde diesbezüglich das Verhältnis zwischen Organ der juristischen Person und juristischer Person (domestic company) dem zwischen partners einer partnership gleichgesetzt und das Organ somit als partner der juristischen Person company verstanden. Kein piercing liegt hier insoweit vor, als die Selbständigkeit der juristischen Person gewahrt bleibt. Piercing liegt dagegen insoweit vor, als damit auf das (im Hinblick auf Treupflichten) common law-rechtlich festgelegte Pflichtenverhältnis zwischen Organen und ihrer juristischen Person company Einfluss genommen wurde. 551 s. o. Kap. B. II. 2. b) bb). 552 Heute § 24 des britischen Companies Act (1985). Die Unterschiede zwischen § 24 des britischen Companies Act (1985) und § 66 des südafrikanischen Companies Act sind nur geringfügig: Im Gegensatz zur britischen Vorschrift erfasst § 66 Companies Act nur public companies, nicht aber auch private companies. Und im Gegensatz zur britischen Vorschrift gilt § 66 Companies Act nicht für Tochtergesellschaften. Zu Einzelheiten s. De Koker / Henning (1990), THRHR 378. Ein partnership approach wie in § 66 Companies Act findet sich auch in § 63 (c) Close Corporations Act für die Gesellschafter einer close corporation, allerdings nicht für den Fall des Unterschreitens einer Mindestmitgliederzahl, sondern für den Fall des Überschreitens einer Höchstmitgliederzahl. Wie § 66 Companies Act ist auch § 63 (c) Close Corporations Act seit seinem Inkrafttreten 1984 noch nie angewandt worden. Zur Haftung aus § 66 Companies Act s. o. Kap. B. II. 2. b) bb). 553 Z. B. Beuthin (1978), SALJ 458, Cartoon, Taking advantage of a corporate opportunity – The Legacy of Bellairs v Hodnett, in: THRHR, (43) 1980, 67.

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C. Fallgruppen des Durchgriffs / piercing case categories

partnership verstanden.554 Im Ergebnis wurde damit das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern dem einer partnership gleichgesetzt. Und zum Dritten wurde in Bellairs v Hodnett die Gründungsurkunde (memorandum) einer Gesellschaft, die die Reichweite der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft festlegt und aus der sich (unter anderem) die Pflichten der directors ergeben, im Hinblick auf deren Bestimmungen über den Geschäftszweck (main object) der Gesellschaft555 als durch eine partnership Vereinbarung eingeengt angesehen. Im Ergebnis wurde damit über sämtliche Anforderungen des Companies Act an eine Änderung des memorandum556 hinweggegangen. Die in Bellairs v Hodnett angewandte partnership analogy geht erheblich über die im Zusammenhang mit § 344 (h) Companies Act bekannte partnership analogy hinaus: Sie betrifft nicht nur mehr bloße Tatsachenermittlungen und -zurechnungen; vielmehr ist sie insoweit bereits ein echter partnership approach, als hier zwischen den Gesellschaftern Pflichtenverhältnisse wie solche zwischen partners einer partnership angenommen werden. Von Milos partnership approach unterscheidet sie sich dadurch, dass sie nicht Zahlungspflichten betrifft, und dadurch, dass auch die Gesellschaft als partner dieser partnership verstanden wird (Bei Milos partnership approach kann dagegen nur die Obergesellschaft als Mitgliedsgesellschaft der group of companies auch partner werden, nicht dagegen – mangels Rechtsträgereigenschaft – die group selbst.). Von dem § 66 Companies Act zugrunde liegenden partnership approach unterscheidet sie sich wie554 In dieselbe Richtung geht auch Tjospomie Boerderey v Drakensberg 48E / F (per Stegman, J): „Partnership is, of course, a contractual relationship between natural persons. However, it does not follow that a company, and in particular a family company which is intended to retain that character, cannot enter into a relationship which resembles that of a partnership in imposing a reciprocal duty of uberrima fides on the parties to the relationship. To be effective, the relationship would have to be extended to include the members and directors of the family company“. Larkin (1989), ASSAL 228 befürwortet diesen Ansatz. 555 Der Geschäftszweck bestimmt die Reichweite der Rechtsfähigkeit (legal capacity, scope of powers) der Gesellschaft. Rechtsgeschäfte jenseits dieser Grenzen sind jedoch nach heutigem südafrikanischen Gesellschaftsrecht nicht mehr im Sinne der früheren ultra vires-Lehre automatisch nichtig. Stattdessen gilt § 36 Companies Act „[Acts ultra vires the company not void] No act of a company shall be void by reason only of the fact that the company was without capacity or power so to act or because the directors had no authority to perform that act on behalf of the company by reason only of the said fact and, except as between the company and its members or directors, or as between its members and its directors, neither the company nor any other person may in any legal proceedings assert or rely upon any such lack of capacity or power or authority.“ 556 §§ 55 ff. Companies Act, insbesondere das Erfordernis einer entsprechenden special resolution auf einer Gesellschafterversammlung (§ 55 Abs. 1 Companies Act) und § 58 Abs.1 Companies Act (Hinterlegung der das memorandum ändernden special resolution beim Registrar).

VI. Südafrikanische Fallgruppen ohne Entsprechungen

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derum dadurch, dass sie nicht Zahlungspflichten betrifft, stimmt jedoch insofern mit ihm überein, als beide jeweils auch die Gesellschaft selbst als partner der partnership auffassen. Die rechtlichen Konstruktionen dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung (Appellate Division, per Trollip JA) sind dogmatisch gewagt und wohl nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass Billigkeitsrecht zugunsten Mr Bellairs gesprochen werden sollte. Rechtstechnisch einwandfrei im Sinne der Rechtsgrundsätze des südafrikanischen Gesellschaftsrechts (insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung von Mr Bellairs’ Treupflicht anhand der Entscheidung Robinson v Randfontein557) war demgegenüber die (aufgehobene) Entscheidung der Erstinstanz (per Botha J).558

557

Hierzu s. o. Kap. C. II. 1. a) bb), Fn.-Apparat. Ebenso Beuthin (1978), SALJ 466: „With respect, Botha J was correct when he stressed the importance of the corporate form, . . . for in essence no matter what duties, fiduciary or otherwise, may have been reciprocally owed by B and H to each other, the problem before the court really required it to consider only what fiduciary duties B and H owed to the company, and the two sets of duties need not necessarily have coincided.“ 558

D. Zusammenfassung Folgende Ergebnisse ließen sich beim Vergleich des Durchgriffs im deutschen Recht mit dem piercing of the corporate veil im südafrikanischen Recht feststellen:

I. Im Hinblick auf das jeweilige Verständnis der Begriffe Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil und ihre Abgrenzung zu benachbarten Haftungs- / Zurechnungsmöglichkeiten 1. Durchgriff ist nach wohl überwiegender Meinung der Literatur die Erstreckung einer Verbindlichkeit der GmbH auch auf die Gesellschafter, so dass dem Gläubiger dann zwei Schuldner zur Verfügung stehen. Nicht dagegen bedeutet Durchgriffshaftung eine Schuldnerbefreiung oder -ersetzung oder gar eine (vollständige oder nur punktuelle in Bezug auf einen bestimmten Anspruch) Auflösung der Rechtssubjektseigenschaft der juristischen Person. Auch die Vorstellung, dass die Gesellschafter „hinter der juristischen Person stehen“, ist dem deutschen Gesellschaftsrecht fremd. In Südafrika wird dagegen ein piercing-Verständnis vertreten, dem die Vorstellung einer punktuell in Bezug auf einen bestimmten Anspruch aufgelösten Rechtsperson zugrunde liegt. 2. Im südafrikanischen wie im deutschen Recht ist versucht worden, ein einheitliches Rechtsinstitut piercing of the corporate veil bzw. Durchgriff zu schaffen. Solche Versuche sind in Deutschland heute als erfolglos aufgegeben. Der Begriff „Durchgriff“ wird nur noch als Schlagwort für eine Reihe verschiedener Problembereiche verstanden. In Südafrika werden dagegen nach wie vor immer wieder neue sogenannte piercing-Prüftests vorgeschlagen. Diese bemühen sich jeweils darum, ein allgemeingültiges Prinzip aufzudecken, das hinter allen piercing-Entscheidungen steht und folglich darüber Aufschluss geben kann, wann jeweils piercing of the corporate veil heranzuziehen sei. 3. Sowohl im deutschen als auch im südafrikanischen Recht wird mehrheitlich einer fallgruppenmäßigen Betrachtungsweise (categorisation approach) gefolgt. Weder die deutsche noch die südafrikanische Rechtsprechung haben jedoch eine verbindliche Liste von Fallgruppen anerkannt. Im Gegensatz zur deutschen hat die südafrikanische jedoch mehrmals in obiter dicta versucht, eine solche Fallgruppenliste zu erstellen. In Deutschland bestand jedenfalls in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes längere Zeit eine Tendenz zur

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durchgriffsfreien Lösung. Bevorzugt wurden Lösungen im Wege deliktischer Primärhaftung gefunden, vor allem über § 823 BGB Abs. 2 BGB und gem. § 826 BGB. Die Rechtslehre hatte bereits früher (Rehbinder und dessen „bürgerlich-rechtlicher Ansatz“) dahingehende Vorschläge unterbreitet. Zwei anerkannte Ausnahmen bestehen jedoch inzwischen: Dies sind zum einen die Fälle der Vermögensvermengung und zum anderen die Fälle der Existenzvernichtung. Dort will der Bundesgerichtshof jeweils Durchgriffshaftung greifen lassen. Die südafrikanische Rechtsprechung hat eine vergleichbare Neigung zum Deliktsrecht nicht erkennen lassen. Selbst in der Rechtslehre gibt es – abgesehen von Larkin – keine Stimmen, die dahin tendieren. Der Vorschlag Wellings aus der kanadischen Rechtslehre ist bislang in Südafrika noch nicht erörtert worden. 4. Beide Rechtsordnungen haben ein unterschiedliches Verständnis davon, was mittels Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil erreicht werden soll. Sowohl in Deutschland wie in Südafrika wird zweigeteilt nach Durchgriff im engeren Sinn bzw. echtem piercing und sonstigen Durchgriffsfragen bzw. unechtem piercing. Ersteres wird dabei jeweils als (Zahlungs-)Haftungsdurchgriff verstanden, Letzteres als Zurechnungsdurchgriff auf tatbestandlicher Seite oder als sonstiger Rechtsfolgendurchgriff. In Deutschland ist diese Grobunterscheidung (zumeist mit den Begriffen „Haftungsdurchgriff“ und „Zurechnungsdurchgriff“) inzwischen gängig. In Südafrika wird sie zwar vereinzelt getroffen, hat sich aber noch längst nicht durchgesetzt. Statt dessen werden zumeist noch nach wie vor alle einschlägigen Entscheidungen undifferenziert als piercingEntscheidungen bezeichnet. In Südafrika werden außerdem auch bereits bloße Tatsachenermittlungen (Tatsachen über Gesellschafter oder Gesellschaftereigenschaften) als (unechtes) piercing verstanden (RP Crees v Woodpecker). Dies ist im deutschen Recht nicht so. Dort ist von Durchgriff frühestens dann die Rede, wenn (ermittelte) Tatsachen / Eigenschaften zugerechnet werden (Zurechnungsdurchgriff). Vereinzelt wird in Südafrika schließlich statutory piercing als gesonderte funktionale piercing-Kategorie verstanden. Eine solche Kategorie ist jedoch überflüssig; sie geht in den beiden ersten Kategorien auf. Im deutschen Recht werden außerhalb des Steuerrechts keine Normen als gesetzlicher Durchgriff diskutiert. 5. Im deutschen Recht spielt der Haftungsdurchgriff eine erhebliche Rolle neben dem Zurechnungsdurchgriff. In Südafrika liegt dagegen noch keine Entscheidung vor, in der eine Zahlungshaftung der Gesellschafter im Wege des piercing of the corporate veil bewerkstelligt wurde. Als piercing of the corporate veil verstandene Rechtsfolgendurchgriffe tauchten bislang nur im Hinblick auf Unterlassungspflichten (Le’bergo v Lee), Auskunfts- / Einsichtspflichten (Gering v Gering) und kaufvertragliche Besitzverschaffungspflichten (Cape Pacific v Lubner 1995 AD) auf. Die gesamte südafrikanische piercing-Thematik

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umfasst daher nur den Bereich der sogenannten sonstigen Durchgriffsfragen (tatbestandliche Zurechnungen und Erstreckungen von nicht auf Zahlung gerichteten Verpflichtungen). In Botha v Van Niekerk war zwar die Erstreckung einer Kaufpreiszahlungspflicht im Wege des piercing of the corporate veil von der Klägerin begehrt worden, dies wurde jedoch vom Gericht abgelehnt. 6. Die dogmatische Trennung zwischen Durchgriffshaftung einerseits und Konzernaußenhaftung andererseits wird im deutschen Recht zunehmend beachtet. In Südafrika ist eine solche Trennung dagegen unbekannt, ein Konzernaußenhaftungsrecht besteht dort nicht. Eine Muttergesellschaft ist bislang noch nie im Wege des piercing of the corporate veil für die Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaft haftbar gestellt worden. 7. Eine Abgrenzung der Durchgriffshaftung bzw. piercing-Haftung von Primärhaftungstatbeständen wird in Deutschland wie in Südafrika vorgenommen. Allerdings tauchten hierbei jeweils einige Abgrenzungsunsicherheiten auf: In Deutschland wurden Primärhaftung aus § 826 BGB und Durchgriffshaftung nicht immer säuberlich getrennt. Daneben zeigten sich vereinzelt Unsicherheiten bei der Abgrenzung zu (gesetzlich nicht allgemein geregelten) Haftungsprinzipien wie der Rechtsscheins- und der Vertrauenshaftung aus venire contra factum proprium. Und schließlich traten Abgrenzungsschwierigkeiten im Bereich der rechtsgeschäftlichen Primärhaftung auf (Auslegung von Willenserklärungen, Eigengeschäft des Vertreters). In Südafrika besteht Unsicherheit vorwiegend im Hinblick auf die Einordnung einiger gesetzlicher Haftungsnormen. Dies betrifft in erster Linie § 424 Abs. 1 Companies Act. Gelegentlich zeigt sich auch Unsicherheit bei § 50 Abs. 3 (b) Companies Act sowie § 63 (a) Close Corporations Act. Nach deutschem Verständnis sind diese beiden Vorschriften ebenfalls kein gesetzlich geregelter Haftungsdurchgriff, sondern Primärhaftung aus Rechtsschein oder aus Eigengeschäft des Vertreters. In einer Entscheidung (Lategan v Boyes) traten ferner Abgrenzungsschwierigkeiten auf im Hinblick auf eine im Wege der Auslegung einer Willenserklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont ermittelten rechtsgeschäftlichen Haftung einerseits und piercing-Haftung andererseits. Allerdings wurde dort, nachdem eine Haftung im Wege eines piercing of the corporate veil ausführlich erörtert wurde, im Ergebnis klar zwischen beiden getrennt und einer im Wege der Auslegung der Willenserklärung (Vertragsrechtsgrundsatz des ostensible assent) ermittelten rechtsgeschäftlichen Primärhaftung gefolgt. Abgrenzungsunsicherheiten tauchten schließlich bei der Frage auf, worauf ein künftiger Unterlassungsanspruch gegen die Gesellschaft und ihre eventuelle Haftung gestützt werden kann in Fällen, in denen die Gesellschaft zur Umgehung von Wettbewerbsunterlassungsabsprachen verwendet wird: Es liegen sowohl Entscheidungen vor, die dies im Wege der Rechtsfolgenerstreckung (piercing of the corporate veil) tun (Le’bergo v Lee) als auch solche, die hier-

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für das common law-Deliktsrecht (intentional assistance in breaching a contract) heranziehen (Genwest Batteries). 8. Ähnliche Auffassungen werden in Südafrika und in Deutschland vertreten zur Frage der Anspruchskonkurrenz oder Subsidiarität zwischen Durchgriffshaftung und Primärhaftung bzw. Konzernhaftung einerseits sowie zwischen piercing of the corporate veil und sonstigen Rechtsbehelfen (remedies) andererseits: In Deutschland wird seit KBV Anspruchskonkurrenz zwischen deliktischer Primärhaftung (§ 826 BGB) und Durchgriffshaftung angenommen. Was das Verhältnis von Durchgriffshaftung zu Konzernaußenhaftung betrifft, wird vorliegend mit Zöllner vertreten, dass zwar einerseits die Existenzvernichtungshaftung große Bereiche dessen in sich aufnimmt, was bislang von der Konzernaußenhaftung erfasst wurde, und Konzernaußenhaftung deshalb in diesen Bereichen überholt ist, dass aber andererseits Konzernaußenhaftung bei noch nicht von der Existenzvernichtungshaftung erfassten Sachverhalten noch seine Bestandsberechtigung hat. In Südafrika hat Smalberger JA in Cape Pacific v Lubner 1995 AD klargestellt, dass zwischen piercing of the corporate veil und anderen Rechtsbehelfen ein Wahlrecht besteht. 9. Im Hinblick auf eine persönliche Haftung des Organs gegenüber Dritten für organschaftliches Handeln / Unterlassen wird in Südafrika im Gegensatz zu Deutschland im Bereich des Deliktsrechts diskutiert, ob eine solche persönliche deliktische Haftung des director unmittelbar oder erst nach vorangegangenem piercing of the corporate veil möglich sei. Im deutschen Recht werden bei der Frage der persönlichen Haftung des Organs gegenüber Dritten keine Durchgriffsüberlegungen angestellt. 10. Eine Primärhaftung gegenüber Dritten aus Treupflichtverletzung gibt es im deutschen Recht im Hinblick auf den Geschäftsführer nicht. Auch die Pflichten zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung sind in Deutschland dem Geschäftsführer nur im Verhältnis zur Gesellschaft, nicht aber im Verhältnis zu Dritten (insbesondere den Gläubigern der Gesellschaft) auferlegt. Im Verhältnis zur Gesellschaft bestehen dagegen Treupflichten; diese sind teilweise gesetzlich geregelt (§ 43 Abs. 1 GmbHG; § 93 Abs. 1 AktG). Im Gegensatz zu Südafrika wird in Deutschland nicht darüber gestritten, ob diese Treupflicht des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft auch die Berücksichtigung der Interessen der Gläubiger der Gesellschaft mit einschließt. Anerkannt ist im Recht der GmbH, dass Gesellschafter eine Treupflicht haben. Jedoch besteht diese nur im Verhältnis zur Gesellschaft sowie im Verhältnis der Gesellschafter zueinander. Treupflichten treffen in erster Linie den Mehrheitsgesellschafter bzw. Mehrheitsaktionär und sind daher nicht für jeden Gesellschafter gleich. Eine Treupflicht der GmbH-Gesellschafter gegenüber Dritten besteht dagegen nicht und wird auch nicht diskutiert.

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In Südafrika ist wie im deutschen Recht die Treupflicht des director gegenüber der Gesellschaft unstreitig und ist dort im common law geregelt. Umstritten ist dagegen, ob auch eine (common law-)Treupflicht des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft anerkannt werden soll oder zumindest die Belange der Gläubiger der Gesellschaft mit in die Treupflicht des director gegenüber der Gesellschaft einbezogen werden sollen. Ein Teil der Literatur verneint die Notwendigkeit einer solchen Pflicht mit dem (fragwürdigen) Argument, dass mit § 424 Abs. 1 Companies Act eine vergleichbare Haftung des director bereits geregelt sei. Die südafrikanische Rechtsprechung hat die diesbezügliche Schutzbedürftigkeit der Gläubiger der Gesellschaft insbesondere in Insolvenzfällen zumindest in obiter dicta anerkannt. Jedenfalls bei solventen Gesellschaften wird eine solche Pflicht des director dagegen abgelehnt. Eine entsprechende Treupflicht der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft wird in Südafrika weder anerkannt noch wird sie diskutiert. 11. Eine deliktische Primärhaftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten wird im deutschen Recht vorwiegend über § 823 Abs. 2 BGB bewerkstelligt bei Verletzung eines im Interesse der Gläubiger stehenden Schutzgesetzes. Eine Primärhaftung über § 823 Abs. 2 trifft dagegen nur selten die Gesellschafter, da nur wenige Schutzgesetze im Verhältnis Geschäftsführer / Gesellschafter adressatenneutral sind. Ferner ist eine Haftung aus § 826 BGB für beherrschende Gesellschafter, geschäftsführende Gesellschafter und Nur-Geschäftsführer in mehreren Fällen anerkannt worden. Im südafrikanischen Recht können sowohl directors als auch Gesellschafter über § 424 Abs. 1 Companies Act primär haften aufgrund des weiten Adressatenkreises dieser Vorschrift. Neben einer Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act kann unproblematisch sowohl für Geschäftsführer als auch für Gesellschafter eine common law-Haftung aus negligence oder fraud greifen. Ferner hat die Rechtsprechung in den Fällen, in denen eine Wettbewerbsunterlassungspflicht durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft umgangen wurde, common law-deliktsrechtlich aus intentional assistance in breaching a contract haften lassen (Genwest Batteries). Dies ist im deutschen Recht den (seltenen und) auf § 826 BGB gestützten Haftungen aus Verleitung zum Vertragsbruch vergleichbar. 12. Das Problem der Haftung des sogenannten faktischen Organs ist im deutschen Recht noch nicht abschließend geklärt. Die Rechtsprechung hat mit der Einbeziehung des faktischen Geschäftsführers in die zivilrechtliche Geschäftsführerhaftung des GmbH-Gesetzes begonnen. Bislang ist allerdings insofern lediglich anerkannt, dass auch das faktische Organ eine Insolvenzantragsstellungspflicht i. S. d. § 64 GmbHG hat. Neben einer solchen eingeleiteten Schutzgesetzhaftung i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB kann ein faktisches Organ unproblematisch persönlich aus § 823 Abs. 1 BGB und § 826 BGB gegenüber den Geschäftspartnern der Gesellschaft haften.

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Im südafrikanischen Recht werden faktische Organe (faktische Geschäftsführer) unter den Begriff des „directing mind (of the company)“ gefasst; das englische Gesetzesrecht verwendet den Ausdruck „shadow director“. Haftungstechnisch bereiten sie weniger Schwierigkeiten als ihr deutsches Gegenstück, denn sie können von der weiten Haftungsadressaten-Formulierung des § 424 Abs. 1 Companies Act („[A]ny person who was knowingly a party to the carrying on of the business“) problemlos miterfasst werden. Allerdings wird eine solche Diskussion in Südafrika überhaupt noch nicht geführt. Rechtsprechung liegt nicht vor. Dies rührt vor allem daher, dass § 424 Abs. 1 Companies Act aufgrund konzeptioneller Schwächen bislang erst wenig einschlägig war. Unproblematisch kann der faktische Geschäftsführer ferner aus common law-Deliktsrecht (fraud, negligence; intentional assistance in breaching a contract) haften. 13. Eine Primärhaftung gegenüber Dritten aus gesetztem Rechtsschein ist im deutschen Recht sowohl für Gesellschafter als auch für Geschäftsführer möglich, typischerweise wenn ohne den GmbH-Zusatz gezeichnet wird. Vergleichbare Sachverhalte liegen in Südafrika vor und sind für die close corporation in § 63 (a) Close Corporations Act geregelt. Für die company besteht eine ähnliche Haftung in § 50 Abs. 3 (b) Companies Act. Sie kann allerdings nur eine Haftung des director begründen, nicht aber auch der Gesellschafter. Zumindest im Hinblick auf § 50 Abs. 3 (b) Companies Act scheint es richtig, ihn nicht als Tatbestand einer Rechtsscheinshaftung, sondern als Eigengeschäftshaftungsregelung zu verstehen.

II. Im Hinblick auf die jeweilige rechtliche Verankerung des Durchgriffs bzw. des piercing 1. Im deutschen wie im südafrikanischen Recht ist jeweils versucht worden, den Ausnahmefall Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil in den vorhandenen Möglichkeiten der jeweiligen Rechtsordnungen zu verankern. Dies ist nur mit mäßigem Erfolg geglückt. In der deutschen Literatur hat man dabei – neben einigen anderen Herleitungsversuchen – § 242 BGB als Anspruchsgrundlage heranzuziehen versucht. Dies ist aber fragwürdig. Die Rechtsprechung (Autokran; Bremer Vulkan; KBV) arbeitet mit einer analogen Anwendung des § 128 Satz 1 HGB. Jedoch ist diese Lösung bislang noch unausgereift, und eine Haftung analog § 128 Satz 1 HGB insbesondere nicht stimmig mit einer Ausfallhaftung. In Südafrika ist die Rechtslage weniger klar. Zur Erreichung eines Haftungsdurchgriffs ist dort bisher erwogen worden, das law of agency heranzuziehen. Rechtsprechung liegt hierzu jedoch nicht vor. Ein Haftungsdurchgriff könnte ferner auf das law of partnership gestützt werden mit der Folge gesamtschuldnerischer Haftung von Gesellschafter und Gesellschaft (bzw. Obergesellschaft

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und Untergesellschaft) als partners für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (bzw. Untergesellschaft). Jedoch hat die Rechtsprechung dies bislang noch nicht getan. Vereinzelt sind diese hergebrachten Rechtsgrundsätze (traditional principles of law: law of agency, law of partnership und auch das law of delict) zusammenfassend als „the principles approach“ zur Lösung piercing-relevanter Sachverhalte bezeichnet worden. Jedoch bieten sie keinen allgemeingültigen und einheitlichen Lösungsweg und können zudem nur einen kleineren Teil der Fälle mit piercing-erheblichen Sachverhalten erfassen. Gleichermaßen können sie angesichts dieser Unzulänglichkeit wohl auch nicht als problemdeckende Sammlung von Lösungsalternativen zu einem piercing of the corporate veil angesehen werden. Über ihre Bedeutung für die Lösung piercing-erheblicher Sachverhalte herrscht Streit. Mehrheitlich werden sie entweder als rechtliche Verankerung des piercing of the corporate veil oder als Fallgruppen des piercing of the corporate veil verstanden. Lediglich eine Mindermeinung (Milo) versteht sie stimmig weder als rechtliche Verankerung noch als Fallgruppen des piercing of the corporate veil, sondern als Alternativen dazu. 2. Agency-Konstruktionen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zwecks Bewerkstelligung einer Haftung der Gesellschafter gegenüber Dritten für Zahlungsverbindlichkeiten der Gesellschaft sind im deutschen Recht unbekannt: Um solche agency-Konstruktionen nachzubilden, müsste die Gesellschaft als Vertreterin der Gesellschafter (Geschäftsherren) aufgetreten sein. Solche Konstruktionen mit einer Gesellschaft als Bevollmächtigte der Gesellschafter sind möglich, aber lebensfremd. Die Organe der Gesellschaft gäben dann ihre eigene Willenserklärung im Namen der Gesellschaft im Namen der Gesellschafter ab. Dies mag noch vorstellbar sein in Fällen einer ausdrücklichen Bevollmächtigung der Gesellschaft, kaum dagegen in Form von (in Südafrika praktizierten) konkludenten (implied) Bevollmächtigungen. Entsprechende deutsche Rechtsprechung gibt es nicht. 3. Eine dem § 344 (h) Companies Act entsprechende Billigkeitsbestimmung (partnership analogy) gibt es im deutschen Gesellschaftsrecht nicht. Zwar kann auch die deutsche GmbH gem. § 60 Nr. 3 i.V. m. § 61 Abs. 1 GmbHG durch Urteil aufgelöst werden, wenn „die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich wird, oder wenn andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende, wichtige Gründe für die Auflösung der Gesellschaft vorhanden sind.“ Eine solche Klage ist wie in Südafrika gem. § 61 Abs. 2 Satz 1 GmbHG gegen die Gesellschaft zu richten, kann aber – im Gegensatz zur Rechtslage in Südafrika – nur von Gesellschaftern i. S. d. § 61 Abs. 2 Satz 2 GmbHG erhoben werden. Dagegen ist der Kreis der Klageberechtigten i. S. d. § 344 (h) Companies Act erheblich weiter und umfasst gem. § 346 Companies Act insbesondere auch die Gläubiger der Gesellschaft.

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Nach deutscher Rechtsprechung liegt bei personalistisch geprägten Gesellschaften mbH Unmöglichkeit der Erreichung des Gesellschaftszwecks i. S. d. § 61 Abs. 1, 1. Alternative GmbHG vor, wenn jede Aussicht fehlt, das Unternehmen allgemein oder gerade mit diesen Gesellschaftern ersprießlich fortzusetzen. Auf ein Verschulden einzelner Gesellschafter kommt es dabei nicht an. Ein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern ist als Grund zur Auflösung anerkannt worden, insbesondere bei einer Zweimann-GmbH mit paritätischer Beteiligung. Ein sonstiger wichtiger Grund i. S. d. § 61 Abs. 1, 2. Alternative GmbHG liegt vor, wenn dem Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft aus in der Gesellschaft liegenden Gründen nicht mehr zugemutet werden kann. Gründe, die ausschließlich in der Privatsphäre eines Gesellschafters liegen, finden somit keine Beachtung, es sei denn, sie wirken sich nachhaltig auf das Verhältnis der Gesellschafter aus. Ein tiefgreifendes Zerwürfnis der Gesellschaft beispielsweise durch fortgesetzten, die Arbeit der Gesellschaft auf Dauer lahmlegenden Missbrauch des Stimmrechts durch einen Gesellschafter wird dabei jedenfalls von der Literatur als sonstiger wichtiger Grund angesehen. Damit besteht zwischen deutschem und südafrikanischem Auflösungsrecht zumindest im Bereich des „squeeze-out“ des Minderheitsgesellschafters Übereinstimmung. Allerdings ist im deutschen Recht in diesem Zusammenhang nicht von Durchgriff die Rede und es wird § 61 Abs. 1 GmbHG auch nicht als gesetzliche Durchgriffsvorschrift verstanden. 4. Sowohl im deutschen Recht als auch im Commonwealth-Rechtskreis wird die Heranziehung deliktischer Haftung als ein alternativer Lösungsweg zu einer Lösung über Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil verstanden. Deliktsrechtliche Lösungen werden jeweils eindeutig nicht als Durchgriff bzw. piercing of the corporate veil aufgefasst.

III. Im Hinblick auf die südafrikanische Fallgruppe „Attribution / imputation of personal characteristics / knowledge / intention“ und die vergleichbare deutsche Rechtslage 1. Eigenschaftszurechnung findet im deutschen und im südafrikanischen Recht statt. Die entsprechenden Fälle sind jedoch nur eingeschränkt vergleichbar. Ähnlichkeit haben die deutschen Fälle im Zusammenhang mit der Zurechenbarkeit einer verkehrswesentlichen Eigenschaft oder der Verwandtschaftseigenschaft eines beherrschenden Gesellschafters (beide sollen der Gesellschaft zugerechnet werden können) sowie die von der Literatur vorgeschlagene Zurechnung des „groben Undankes“ i. S. d. § 530 BGB einerseits, mit den südafrikanischen „enemy company“-Fällen andererseits.

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In den deutschen Entscheidungen wurden jeweils persönliche Eigenschaften geschäftsführender Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet. Nicht letztlich klar ist, ob hierbei auf die Organeigenschaft (Geschäftsführer) oder auf die Gesellschaftereigenschaft abgestellt wurde. Im ersten Fall handelt es sich um eine Eigenschaftszurechnung im Sinne der Organtheorie, im zweiten Fall um einen Zurechnungsdurchgriff. Ähnliche Unsicherheiten zeigen sich in Südafrika: Die englische Entscheidung Daimler v Continental Tyre nannte als Zurechnungsquellen Organe (directors) und de facto controlling persons (faktische Geschäftsführer) in einem Atemzug und wollte ferner auch mittelbar (über die directors im Falle deren Weisungsabhängigkeit) eine Zurechnung persönlicher Eigenschaften der Mehrheitsgesellschafter zulassen. In der Entscheidung Re Hilches, ex parte Muchesa wurde dagegen wieder nur auf die Organe (directors) abgestellt. Die südafrikanische Rechtsprechung war sehr zurückhaltend mit Zurechnungen persönlicher Eigenschaften: Dies gilt sowohl für die in England praktizierte Zurechnung von kriegsgegnerischer Nationalität (Feindeigenschaft) als auch für die Zurechnung von Rasseeigenschaft. Es gibt keine derartige Zurechnungsentscheidung. Gegenüber dem obiter dictum des Richters Lord Parker in der Daimler-Entscheidung nahm die südafrikanische Rechtsprechung eine zwiespältige Haltung ein: Einerseits wurde eine solche Zurechenbarkeit in Dadoo v Krugersdorp abgelehnt und hierauf später in Gumede v Bandhla und in Lategan v Boyes billigend verwiesen. Andererseits wurde im Fall Overseas v Godfrey Lord Parkers obiter dictum herangezogen, eine Stellungnahme hierzu jedoch letztlich vermieden infolge einer anwendungsausschließenden Sachverhaltsunterscheidung (distinguishing on the facts). Rasseeigenschaftszurechnungen wurden immer abgelehnt. 2. Sitzzurechnungen (determination of residence-Fälle) werden weder im südafrikanischen noch im deutschen Recht unter der Thematik des Durchgriffs / piercing of the corporate veil diskutiert. Es finden sich in Südafrika und der Commonwealth-Rechtslehre lediglich einige Literaturstimmen, die dies – im Ergebnis ablehnend – ansprechen. Im deutschen Recht ist der Sitz der Gesellschaft (im Falle der GmbH) im Gesellschaftsvertrag zu benennen (§ 3 Abs. 1 GmbHG). Sitz wird regelmäßig die Gemeinde sein, auf deren Gebiet die Hauptverwaltung der Gesellschaft liegt. Zwingend ist das jedoch nicht; der Gesellschaftsvertrag braucht nicht den Mittelpunkt der Verwaltung als Sitz zu bezeichnen, es kommt auch nicht auf den Ort der Geschäftsbetätigung oder den Wohnsitz der Geschäftsführer an. Das Statut kann jeden beliebigen Ort als Sitz bestimmen, ohne dass die Gültigkeit des Vertrages berührt würde oder ein Einschreiten des Registergerichts erfolgen müsste. Jedoch wird ein rein fiktiver Sitz vom Registerrichter beanstandet werden. Damit liegt aber noch kein zur Auflösung der Gesellschaft führender Mangel der Bestimmung über den Sitz der Gesellschaft vor. Auch stellt die Rechtsprechung dann nicht auf den Geschäftsfüh-

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rerwohnsitz ab. Sitzverlegungen sind zulässig, bedürfen aber, da der Sitz im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist, der Satzungsänderung. 3. Was die Wissenszurechnung angeht, so wird im deutschen Recht Wissen der Organe (Geschäftsführer / Vorstand) der juristischen Person zugerechnet. Der Gesetzgeber hat für den Bereich der Wissenszurechnung – im Gegensatz zum Bereich der Handlungszurechnung (dort findet sich in § 31 BGB eine punktuelle Regelung zugunsten der Organtheorie) – keine Regelung getroffen. Der alte Streit zwischen Organtheorie einerseits und Vertretertheorie andererseits ist hier demnach noch nicht endgültig entschieden. Streitig ist deshalb, wie die juristische Person ihr Wissen erlangt: Die überwiegende Meinung der Literatur will auf die Organstellung des Willensträgers abstellen. Streitig ist allerdings unter Hinweis auf konzeptionelle Unterschiede die Wissenszurechnungsnorm (§ 31 BGB [Organtheorie: Wissen des Organs ist Wissen der juristischen Person] oder § 166 BGB [Vertretertheorie: Organ als gesetzlicher Empfangsvertreter]). Je nachdem ist Wissenszurechnung dann entweder Eigenzurechnung (Organtheorie) oder Fremdzurechnung (§ 166 BGB). Die neuere Rechtsprechung sieht dagegen als maßgeblichen Grund für eine solche Wissenszurechnung nicht die Organstellung des Wissensträgers, sondern den Verkehrsschutz: Aus Verkehrsschutzgründen hat die juristische Person eine (einer Verkehrspflicht ähnliche) Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation. Ob das Wissen der Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet werden kann, ist weniger eindeutig. Auf eine Wissenszurechnung laufen bislang nur die Fälle im Zusammenhang mit § 123 Abs. 2 BGB hinaus (Die Kenntnis des täuschenden beherrschenden Gesellschafters von der Täuschung wird „seiner“ GmbH zugerechnet.). Ferner wurde in der Literatur § 61 VVG diskutiert (Der Versicherer wird leistungsbefreit gegenüber der Gesellschaft, wenn die Gesellschafter den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführen.). Der Bundesgerichtshof will solche Zurechnungen in Fällen von Allein- und Mehrheitsgesellschaftern zulassen, wenn diese die Möglichkeit zur Weisungserteilung gegenüber der Geschäftsführung haben. Anerkannt ist eine solche Zurechnung auch im Fall einer verbergenden Treuhand von einem Treugeber (die Treuhandgesellschafter hielten 100% der Anteile) auf die Gesellschaft. Derartige Zurechnungen sind auch in Südafrika im Hinblick auf TreugeberFälle anerkannt, wie beispielsweise die von der dortigen Rechtsprechung inzwischen als bindender Rechtsgrundsatz angewandte englische Entscheidung Gilford v Horne zeigt. Dieser Fall betraf allerdings nicht eine tatbestandliche Wissenszurechnung von Treugeber auf Gesellschaft, sondern die Erstreckung einer Verpflichtung (vertragliches Wettbewerbsunterlassungsverbot) von Treugeber auf Gesellschaft.

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Zurechnung von Wissen / Absicht (intention) wird in Südafrika – außerhalb des Bereichs des Schadensersatzrechts – im Hinblick auf Organe (directors) bislang nur in steuerrechtlichen Fällen praktiziert. In der englischen Rechtsprechung liegen dagegen auch andere Beispiele vor (Bolton Engineering Co Ltd v Graham). Die Unterscheidung zwischen Zurechenbarkeit von Wissen / Absicht der directors einerseits und der Gesellschafter andererseits ist nicht immer deutlich eingehalten worden. Problematisch waren Fälle geschäftsführender Gesellschafter (Elandsheuwel) und beherrschender Gesellschafter (Malcomess Properties): In Elandsheuwel hat das Mehrheitsvotum die Absicht der beherrschenden Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet. Diese Möglichkeit wurde im Folgeurteil Malcomess Properties jedoch wieder erheblich eingeschränkt. Das Minderheitsvotum in Elandsheuwel wollte – auch im Falle geschäftsführender Gesellschafter – dogmatisch klar trennen zwischen Willenskundgebungen in der Eigenschaft als Gesellschafter und solchen in der Eigenschaft als directors und wollte nur Letztere zurechnen. Eine vertiefte Diskussion, auf welcher Grundlage Wissen zugerechnet werden soll, wird nicht geführt. Verkehrsschutzargumente im Sinne einer Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation sind bislang nicht vorgebracht worden. Wissenszurechung wird (ebenso wie Handlungszurechnung) im Wesentlichen mit organtheoretischen Überlegungen begründet. Im Hinblick auf die Zurechenbarkeit von Handeln / Verschulden / Verhalten seitens der Organe (directors) und der Gesellschafter auf die Gesellschaft zeigen sich folgende Gemeinsamkeiten zwischen deutschem und südafrikanischem Recht: Was die Handlungszurechnung angeht, besteht in Deutschland mit § 31 BGB eine gesetzliche Zurechnungsregelung im Hinblick auf die schadensersatzrechtliche und damit auch deliktische Haftung einer juristischen Person. Ein Handeln ihrer Organe wird also der juristischen Person als Eigenhandlung zugerechnet, die juristische Person handelt selbst durch ihre Organe. In Südafrika gibt es im gesetzlichen Zivilrecht keine entsprechende Norm. Zwar besteht mit § 332 Criminal Procedure Act eine Handlungs- und Vorsatzzurechnungsnorm mit organtheoretischem Ton (Zurechnung als Eigenhandeln / -wollen), doch gilt er nur im Strafrecht. Ferner liegt bislang auch kein Gemeinrechtsgrundsatz vor, der eine deliktische Haftung der Gesellschaft außerhalb der Konstruktion der Gehilfenhaftung (vicarious liability) bewerkstelligt. Jedoch finden sich spätestens seit Simon v Mitsui unzweideutige obiter dicta, die die identification theory (Organtheorie) auch auf das Deliktsrecht anwenden möchten. Das Verständnis der südafrikanischen Rechtslehre bezüglich der Reichweite der aus England kommenden identification theory geht über das der deutschen

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bezüglich der Reichweite der Organtheorie hinaus: Eingeschlossen werden nämlich Fälle (The Lady Gwendolen), die ihrer Argumentation nach nach deutschem Recht nicht mehr als Fälle einer Zurechnung als Eigenhandlung und Eigenverschulden im Sinne der Organtheorie zu § 31 BGB und der Organtheorie angesehen werden, sondern als Primärhaftung der juristischen Person wegen Verletzung einer eigenen Betriebsorganisationspflicht aus § 823 Abs.1 BGB. Diese ist gerade keine Zurechnungshaftung. The Lady Gwendolen ist in Südafrika allerdings nur persuasive authority, nicht aber bindender Rechtsgrundsatz (binding precedent). In der deutschen Literatur werden diese beiden Haftungsmöglichkeiten als zwei dogmatisch verschiedene, aber konkurrierend nebeneinander bestehende und nahezu gleiche Sachverhalte erfassende Haftungsmöglichkeiten betrachtet. Die identification theory trennt hier dagegen nicht. 4. Sowohl die deutsche Organhaftung gem. § 31 BGB als auch die südafrikanische identification theory haben den Kreis ihrer Zurechnungsquellen über bestellte Organe hinaus erweitert. Die Organhaftung gem. § 31 BGB ist von der Rechtsprechung zu einer Repräsentantenhaftung erweitert worden und erfasst somit heute über die reinen Organe (Vorstand / Geschäftsführer) hinaus alle Personen, die sich als sogenannte leitende Angestellte verstehen lassen. Die identification theory ließ mit ihrer ursprünglichen directing mind-Formel Zurechnungen nur von der obersten Hierarchieebene (board of directors, managing director) aus zu. Mit ihrer neuen directing functionary-Formel ist der Kreis der Zurechnungsquellen nun erheblich erweitert. Er geht begrifflich auch über den Bereich der leitenden Angestellten hinaus und kann jeden eigenständigen Funktionsträger erfassen. 5. Die deliktische Haftung der juristischen Person für Verhalten / Handeln ihrer Organe wird im deutschen Recht gemäß der in § 31 BGB zum Ausdruck gebrachten Organtheorie als Eigenzurechnung verstanden. In Südafrika tut die in obiter dicta vorliegende identification-Theorie dies ebenso. Vertretertheorien zur schadensersatzrechtlichen Haftung der juristischen Person sind jeweils in der Minderheit geblieben. Bislang ist in Südafrika die deliktische Haftung einer juristischen Person von der Rechtsprechung nur im Wege der Gehilfenhaftung (vicarious liability) bewerkstelligt worden. Dieser liegt das Konzept des master-servant-Verhältnisses zugrunde. Es passt kaum auf das Verhältnis zwischen director und Gesellschaft. 6. Die südafrikanische vicarious liability ist wie die deutsche Verrichtungsgehilfenhaftung nach § 831 BGB und die Erfüllungsgehilfenhaftung gem. § 278 BGB eine Hilfspersonenhaftung. Diese Konzepte weisen aber allesamt erhebliche konzeptionelle Unterschiede zueinander auf.

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Die vicarious liability ist nur auf den ersten Blick der deutschen Haftung des Geschäftsherrn für seinen Verrichtungsgehilfen gem. § 831 BGB ähnlich. Deutliche Unterschiede bestehen darin, dass vicarious liability im Gegensatz zur Haftung nach § 831 keine Eigenverschuldenshaftung der juristischen Person begründet, sondern eine Haftung der juristischen Person aus ihr zugerechnetem Fremdverschulden ist. Vicarious liability setzt ferner keine Verschuldensfähigkeit desjenigen voraus, dem zugerechnet wird; § 831 BGB setzt dagegen Verschuldensfähigkeit des Geschäftsherrn voraus. § 831 BGB erfordert kein Vertragsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Verrichtungsgehilfen, vicarious liability dagegen schon. § 831 BGB lässt einen Entlastungsbeweis des Geschäftsherrn zu (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB). Einer Haftung aus vicarious liability kann in einigen Fällen eine due diligence-Einwendung entgegengehalten werden. Vicarious liability ist ferner auch nur auf den ersten Blick der deutschen Haftung des Geschäftsherrn für seinen Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB sehr ähnlich: Gemeinsam ist ihnen, dass beide eine Haftung für zugerechnetes Fremdverschulden der Hilfsperson darstellen; ferner, dass beide ein zum Zeitpunkt des Handelns des Erfüllungsgehilfen bzw. servant bestehendes Rechtsverhältnis verlangen. Während eine Zurechenbarkeit nach § 278 BGB jedoch ein zum Zeitpunkt des Handelns des Erfüllungsgehilfen bestehendes Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Drittem verlangt, ist demgegenüber (in den employeremployee-Fällen der vicarious liability) für eine Haftung des master aus vicarious liability erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Handeln des servant ein ([Arbeits-]Vertrags-)Rechtsverhältnis zwischen master und servant bestand. § 278 BGB verlangt demgegenüber kein solches Vertragsverhältnis. Vicarious liability greift vor allem als Zurechnungsnorm bei deliktischen Handlungen des servant (employee) gegenüber Dritten. § 278 BGB kann dagegen als Zurechnungsnorm bei solchen Sachverhalten nicht greifen: Zwar lassen deliktische Handlungen ein gesetzliches Schuldverhältnis aus Delikt oder objektiv zu verantwortender Schädigung zwischen Schädiger und Geschädigtem entstehen; jedoch wird zum einen für Schadensersatz auslösende Handlungen einer Hilfsperson gem. § 831 BGB gehaftet bzw. werden solche Handlungen eines Repräsentanten gem. § 31 BGB zugerechnet und nicht gem. § 278 BGB. Daneben hat die Rechtsprechung mit der Lehre vom Organisationsmangel eine unmittelbare deliktische Eigenhaftung der juristischen Person entwickelt, die ohne jegliche Zurechnung auskommt. Zum anderen verlangt § 278 BGB ja, dass das Schuldverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Drittem bereits zum Zeitpunkt des schädigenden Verhaltens des Erfüllungsgehilfen bestanden haben muß. Ein gesetzliches Schuldverhältnis aus Delikt entsteht jedoch erst mit dem deliktischen Handeln des Erfüllungsgehilfen als rechtserzeugendem Tatbestand, also

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zu spät für eine Zurechnung gem. § 278 BGB. Außerdem muss für § 278 BGB ein Schuldverhältnis zwischen Geschäftsherrn und Drittem zum Zeitpunkt des Handelns des Erfüllungsgehilfen bestanden haben. Ein deliktisches Handeln des Erfüllungsgehilfen lässt jedoch ein deliktisches Schuldverhältnis zwischen Erfüllungsgehilfen und Drittem entstehen und nicht zwischen Geschäftsherrn und Drittem. Im Gegensatz zum Zurechnungsinstitut der vicarious liability kann § 278 BGB somit nicht dazu herangezogen werden, ein deliktisches oder ein Gefährdungshandeln der Hilfsperson dem Geschäftsherrn zuzurechnen. Ähnlichkeiten zwischen vicarious liability und § 278 BGB bestehen allerdings wieder bei dem jeweiligen Erfordernis, dass der Erfüllungsgehilfe in Erfüllung einer Verbindlichkeit des Geschäftsherrn (und nicht nur bei Gelegenheit der Erfüllung) bzw. der servant (employee) „within the course and scope of his employment“ gehandelt haben muss. Auch die Tatbestände, unter denen dies nicht mehr angenommen werden können soll und eine Haftung aus vicarious liability bzw. gem. § 278 BGB somit ausgeschlossen ist, stimmen erheblich überein. 7. In Südafrika geht die Rechtsprechung davon aus, dass deliktische Haftung der juristischen Person im Wege der identification theory einerseits und im Wege der vicarious liability andererseits zwei verschiedene Haftungskonzepte sind. In der Literatur herrscht überwiegend dieselbe Meinung vor. In Deutschland sind die konzeptionellen Unterschiede zwischen § 31 BGB (Repräsentantenhaftung) und § 831 BGB (Gehilfenhaftung) unstreitig. 8. In Südafrika ist bislang noch nicht verbindlich entschieden, ob eine Haftung im Wege der Gehilfenhaftung (vicarious liability) oder eine Haftung im Wege der identification theory als piercing of the corporate veil zu verstehen sind. Was die identification theory betrifft, wird man wohl davon ausgehen können, dass diese als piercing of the corporate veil aufgefasst wird. Was die Gehilfenhaftung (vicarious liability) betrifft, so wird diese wohl als ein von piercing of the corporate veil verschiedenes Konzept verstanden, denn weder Rechtsprechung noch Rechtslehre haben bislang – soweit ersichtlich – eine Haftung der Gesellschaft aus Gehilfenhaftung (vicarious liability) als piercing of the corporate veil bezeichnet. In Deutschland wird weder § 831 noch § 31 BGB als gesetzlich geregelter Fall der Durchgriffshaftung diskutiert. Beide bewerkstelligen eine Eigenhaftung der juristischen Person (entweder primär [§ 831 BGB] oder durch Zurechnung als Eigenhandeln [§ 31 BGB]). Eine Haftungserstreckung (wie beim umgekehrten Haftungsdurchgriff) einer primären Verbindlichkeit des Verrichtungsgehilfen

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bzw. des Organs auf den Geschäftsherrn bzw. die juristische Person findet hierbei konzeptionell nicht statt. 9. In keinem der südafrikanischen (und in südafrikanischen Entscheidungen verwiesenen) Fälle der piercing-Fallgruppe „Attribution / imputation of personal characteristics / intention“ sind im deutschen Recht Durchgriffsüberlegungen anzustellen. Lennard’s Carrying v Asiatic Petroleum und The Lady Gwendolen lassen sich vielmehr bequem über §§ 823 Abs. 1, 31 BGB lösen. Eine Schadensersatzhaftung aus § 831 BGB scheitert dagegen in der Regel an der fehlenden Weisungsgebundenheit oder an der möglichen Entlastung. Im Fall Levy v Central Mining würde heute nach Maßgabe der Ausführungen in Simon v Mitsui eine Haftung im Wege der Organtheorie im Übrigen wohl bejaht werden.

IV. Im Hinblick auf die südafrikanische Fallgruppe „Evasion of a (contractual or legal) duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent / improper use of a corporate personality“ und die vergleichbare deutsche Rechtslage (Fallgruppe „Rechtsmissbrauch“) 1. Im deutschen und im südafrikanischen Recht werden Fälle, in denen unter Verwendung einer Gesellschaft eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht umgangen werden soll, unter der Durchgriffs- bzw. piercing-Problematik besprochen. Die Hauptrolle spielen dabei jeweils Umgehungen von vertraglichen Wettbewerbsunterlassungsabsprachen. Typischerweise handelt es sich um eine von einer natürlichen Person vertraglich übernommene Wettbewerbsunterlassungspflicht, die später durch eine von ihr abhängige Gesellschaft umgangen wird. Beide Rechtsordnungen lassen solche Pflichtumgehungen nicht zu: In Südafrika bilden diese Fälle den Kernbereich der gesamten piercing-Diskussion und sind als piercing-Fallgruppe „Evasion of a duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent use of a corporate personality“ allgemein anerkannt. Im deutschen Recht war die Lage durchgriffsrechtlich lange anders. Zwar gab es hier ebenfalls vereinzelt Versuche der Literatur, eine Durchgriffsfallgruppe „institutioneller Rechtsmissbrauch“ (rechtsmissbräuchliche Verwendung der juristischen Person) zu etablieren. Diese war jedoch längere Zeit nur halbherzig anerkannt und allenfalls als Auffangtatbestand verstanden worden. Der Bereich ihrer möglichen Einschlägigkeit war zudem im Laufe der Zeit stark zusammengeschmolzen: Frühe Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes hatten zwar noch in Fällen von Einmann-Gesellschaften eine Neigung zu einer solchen Fallgruppe erkennen lassen; dort war zumeist verschwommen sowohl mit § 242 BGB als auch mit § 826 BGB argumentiert worden. Scharf zwischen beiden (auf § 242 BGB gestützte Durchgriffshaftung einerseits und

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Primärhaftung gem. § 826 BGB andererseits) getrennt wurde erstmals in der Flugtaxi-Entscheidung. Doch wurden später solche Fälle rechtsmissbräuchlicher Verwendung der Gesellschaft, soweit es um Zahlungshaftung ging, vorwiegend deliktsrechtlich (vor allem über § 826 BGB, vgl. die Entscheidungen Architekt und Bauherr-GmbH) und damit ohne jegliche Durchgriffsüberlegungen gelöst. Dies gälte gleichermaßen für die südafrikanischen Fälle Botha v van Niekerk (Haftung aus § 826 BGB) und Cape Pacific v Lubner (Haftung des Mr Lubner aus § 826 BGB [Verleitung zum Vertragsbruch], Haftung der LCI aus §§ 283 i.V. m. 280 Abs. 1 BGB und § 826 BGB). Eine Kehrtwende brachte jedoch die 2001 vom Bundesgerichtshof etablierte Existenzvernichtungshaftung. Mit ihr erhält die Fallgruppe des institutionellen Rechtsmissbrauchs eine tatbestandlich griffige Form. Ob die Existenzvernichtungshaftung lediglich die altbekannte Fallgruppe des institutionellen Rechtsmissbrauchs wiederbeleben wird oder eine eigene Fallgruppe begründen wird, bleibt abzusehen. Sofern es um sonstige Rechtsfolgen (Wettbewerbsverbote, Stimmrechtsausübungsverbote) geht, scheint es im deutschen Recht systematisch vorzugswürdig, solche Fälle nicht als eigene Durchgriffsfallgruppe zusammenzufassen, sondern sie unter der Überschrift „allgemeine / sonstige Durchgriffsfragen“ als dortige „sonstige Rechtsfolgendurchgriffe“ (wie die Entscheidungen Heumann / Ogilvy, Kiesgrube und RGZ 146, 385 ff. sowie das nachgebildete Beispiel von K. Schmidt) einzuordnen. Sehr ähnliche Fälle liegen im Hinblick auf vertragliche Wettbewerbsverbote in Südafrika (Le’bergo v Lee, Louw v Richter) und in England (Gilford v Horne, Jones v Lipman) vor und werden jedenfalls in Südafrika als piercing-Fälle verstanden. 2. Neben der Umgehung vertraglicher Pflichten spielt auch die Umgehung gesetzlicher Gebote und Verbote in beiden Rechtsordnungen eine Rolle. Im deutschen Recht tauchten solche Fälle von Umgehungen gesetzlicher (Wettbewerbs- oder Stimmrechtsausübungs-)Verbote selten auf. Nur Rehbinder hat vorgeschlagen, sie zu einer eigenen Fallgruppe zu machen. Dies hat sich jedoch nicht durchsetzen können. Sachgerecht scheint es, sie als allgemeine Durchgriffsfragen in der Fallgruppe der „sonstigen Rechtsfolgendurchgriffe“ einzuordnen. In Südafrika liegen nur zwei einschlägige Entscheidungen vor, Dadoo v Krugersdorp und Rex v Gillet. Beide werden als piercing-Entscheidungen verstanden, haben allerdings inzwischen schon fast antiquarischen Wert. Neuere Entscheidungen sind nicht ersichtlich. Dieser Bereich der Fallgruppe erscheint demnach ziemlich ausgedörrt. „Stimmrechtsausübungs“-Fälle sind, soweit ersichtlich, in Südafrika noch nicht entschieden worden. 3. In beiden Rechtsordnungen wird, um einen durchgriffsrechtlichen bzw. piercing-rechtlichen Lösungsweg rechtfertigen zu können, verlangt, dass die juristische Person rechtsmissbräuchlich verwendet wurde. In Südafrika kommt

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dies in der Formulierung „fraudulent / improper use“ zum Ausdruck. Sowohl im südafrikanischen als auch im deutschen Recht war lange Zeit ungenügend definiert, wann ein solcher Rechtsmissbrauch bzw. fraud / impropriety vorliegt. Im deutschen Recht hat sich die Lage mit der richterlichen Bildung des Tatbestandes der Existenzvernichtung erheblich verbessert. Die südafrikanische Rechtsprechung hat dagegen etwas vergleichbar Griffiges nicht verlautbart. Die Literatur versucht deshalb nach wie vor eingehend, die Begriffe fraud / impropriety subsumtionsfähig zu machen. Die bisherigen Erfolge waren mäßig. Auch der Versuch, die Begriffe fraud und impropriety über die Begriffe façade und sham zu definieren, half nicht weiter. Das Problem wurde dadurch nur von einem vagen Begriffspaar auf ein anderes verlagert. Erschwert wird die begriffsjuristische Lage dadurch, dass gelegentlich überschneidend des Weiteren der Begriff alter ego fällt. In der vorliegenden Arbeit wird versucht, den Begriff alter ego einerseits und façade / sham andererseits inhaltlich voneinander zu trennen. Dies findet in der südafrikanischen Rechtsprechung allerdings keine gesicherte Stütze. Es dürfte daher ebenso vertretbar sein anzunehmen, dass die Begriffe austauschbar sind und mit übereinstimmendem Inhaltsverständnis verwendet werden. 4. In keiner der in Südafrika in die piercing-Fallgruppe „Evasion of a contractual obligation or prohibition“ bzw. „Evasion of a fiduciary duty“ fallenden Entscheidungen sind im deutschen Recht Durchgriffsüberlegungen anzustellen: Was die Fälle der Umgehungen vertraglicher Pflichten angeht (Le’bergo v Lee, Louw v Richter und Gilford v Horne bezüglich Wettbewerbsunterlassungspflichten, Jones v Lipman bezüglich Verkäuferpflichten), so sind sie nach deutschem Verständnis als „Einwirkungsfälle“ oder „Fälle sonstigen Rechtsfolgendurchgriffs“ und somit als allgemeine Durchgriffsfragen einzuordnen. Dies gilt jedenfalls für die Fälle Le’bergo v Lee und Jones v Lipman. Lediglich der Fall Gilford v Horne bildet insofern eine Ausnahme, als ihm eine Treuhandvereinbarung zugrunde lag und sich deshalb Mr Hornes Einwirkungsmöglichkeit nicht aus seiner mitgliedschaftsrechtlichen Stellung gegenüber der Gesellschaft ergab, sondern aus seinem Treuhandvertrag mit der Treuhandgesellschafterin, Ehefrau Horne (§ 665 BGB). Im Fall Cape Pacific v Lubner (Vereitelung der Besitzübertragungs- und Eigentumsverschaffungspflicht aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) sind nach deutschem Recht durchgriffshaftungsrechtlich gestützte Herausgabeansprüche der Cape Pacific Ltd gegen GLI nicht ersichtlich. Stattdessen kommt nur eine Lösung über das Leistungsstörungsrecht in Betracht, allenfalls sind deliktische Ansprüche (§ 826 BGB) denkbar. Der Fall Botha v van Niekerk (Vereitelung der Kaufpreiszahlungspflicht) würde im deutschen Recht wohl als Unterkapitalisierungsfall gelöst werden und damit nach einer Ansicht auf eine Durchgriffshaftung, nach anderer Ansicht da-

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gegen auf eine deliktische Primärhaftung gem. § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung hinauslaufen. Im Fall Robinson v Randfontein (Umgehung des Verbots, Erwerbschancen oder Geschäftschancen der Gesellschaft an sich zu ziehen) griffe im deutschen Recht eine Schadenersatzhaftung gegenüber der Gesellschaft aus § 43 Abs. 2 GmbHG, eventuell auch eine deliktische Haftung aus § 826 BGB. Beide sind reine Primärhaftungen des Organs und haben somit nicht mit Durchgriffshaftung zu tun.

V. Im Hinblick auf die deutsche Fallgruppe „Unterkapitalisierung“ und die vergleichbare südafrikanische Rechtslage (insolvent trading) 1. In Deutschland ist Unterkapitalisierung eine häufig diskutierte Fallgruppe der Durchgriffshaftung. Ihre rechtliche Behandlung ist strittig: Die Literatur befürwortet wohl mehrheitlich eine Durchgriffshaftung. Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist gespalten. Während der Bundesgerichtshof vorzugsweise über deliktische Primärhaftungstatbestände Lösungen finden zu wollen scheint, hat das Bundessozialgericht Durchgriffshaftung in einer Entscheidung bereits bejaht. Neben deliktischer Primärhaftung (vorwiegend aus § 826 BGB und über § 823 Abs. 2 BGB [Insolvenzverschleppungshaftung]) kommt eine Eigenhaftung (des Geschäftsführers; strittig im Hinblick auf faktische Geschäftsführer und aktive Mehrheitsgesellschafter) aus culpa in contrahendo in Betracht. In Südafrika wird nur im Hinblick auf § 424 Abs. 1 Companies Act (unter dem Schlagwortbegriff des insolvent trading) ein piercing of the corporate veil diskutiert. Dabei ist allerdings zuzugestehen, dass solche Sachverhalte des insolvent trading keine wirkliche Parallele zur Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung, sondern eher eine Parallele zur deutschen Insolvenzverschleppungshaftung darstellen. Die Literatur befürwortet mehrheitlich, § 424 Abs. 1 Companies Act als piercing-Vorschrift (statutory piercing) zu verstehen. Die Rechtsprechung hat hierzu noch nichts verlauten lassen. Zur Art der von § 424 Abs. 1 Companies Act ausgelösten Haftung besteht im Übrigen erhebliche Unklarheit. Neben § 424 Abs. 1 Companies Act ist unstreitig eine Haftung gegenüber Dritten (Gläubigern der Gesellschaft) nach Gemeinrechtsgrundsätzen (fraud oder negligence) möglich. Eine solche Deliktshaftung wird im Gegensatz zur Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act nicht gleichermaßen einstimmig als piercing of the corporate veil verstanden („common law-piercing“ im Gegensatz zum „statutory piercing“ nach § 424 Abs. 1 Companies Act). Vielmehr werden hier zwei verschiedene Lösungswege vertreten (sog. deliktsrechtlicher Ansatz und sog. gesellschaftsrechtlicher Ansatz).

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2. § 424 Abs. 1 Companies Act ist, was seinen Haftungsadressatenkreis angeht, sehr weit gefasst. Haften können neben directors und Gesellschaftern auch außenstehende Dritte. Gedacht ist hierbei insbesondere an controllers of puppet directors (auch als shadow directors bezeichnet). Die deutsche Fallgruppe der Durchgriffshaftung (soweit sie anerkannt wird) erfasst dagegen als Haftungsadressaten nur die Gesellschafter (und im Falle von geschäftsführenden Gesellschaftern die betreffenden Personen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter), nicht dagegen Organe. Organe können demgegenüber (ebenso wie Gesellschafter) bei vorliegender Gläubigerschädigungsabsicht im Wege deliktischer Primärhaftung (vor allem über § 826 BGB) gegenüber Dritten haften. Unklar war in Südafrika längere Zeit, ob auch juristische Personen (companies oder close corporations) aus § 424 Abs. 1 Companies Act haften können. Dies wurde nun in Cooper v SA Mutual Life Assurance (2001) und davor in Simon v Mitsui (1997) klar bejaht. Allerdings wurde in beiden Entscheidungen eine Haftung der Gesellschaft jeweils letztlich nach Tatsachenlage abgelehnt. Damit ist bis heute § 424 Abs. 1 Companies Act noch nicht erfolgreich angewandt worden, um eine juristische Person haften zu lassen. 3. Die Haftung nach § 424 Abs. 1 Companies Act (in dessen „fraudulent trading“-Tatbestandsalternative) einerseits und die Haftung aus § 826 BGB (wegen Gläubigerschädigungsabsicht) andererseits haben tatbestandlich einige Gemeinsamkeiten, weisen aber auch erhebliche Unterschiede auf: Gemeinsam ist ihnen, dass sie jeweils sowohl Gesellschafter als auch Geschäftsführer als auch außenstehende Dritte erfassen können. Unterschiedlich ist zum einen ihre jeweilige Einordnung, wenngleich auch im deutschen Recht Durchgriffshaftung und Primärhaftung nach § 826 BGB nicht immer einwandfrei auseinander gehalten wurden; ferner, dass § 424 Abs. 1 Companies Act erhebliche praktische Schwächen aufweist und deshalb seit seinem Inkrafttreten praktisch erst wenig einschlägig war. Außerdem erfordert eine Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act nicht (den Nachweis von) Kausalität zwischen Handlung (Nachteilszufügung) und Verbindlichkeit, während die Haftung aus § 826 BGB Kausalität zwischen Handlung und Schaden verlangt. Schließlich ist die Rechtsfolge des § 424 Abs. 1 Companies Act anders gefasst: Sie geht nicht allgemein auf Schadensersatz (compensation of damage), sondern lässt nur für bestehende schuldrechtliche (debts) und sonstige (vor allem gesetzliche [deliktische, bereicherungsrechtliche]) Verbindlichkeiten (liabilities) der Gesellschaft haften. 4. In der südafrikanischen Rechtslehre gelangt man zunehmend zu der Erkenntnis, dass die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Gläubigerschutzmechanismen in Fällen von insolvent trading unzulänglich sind: Es verbleibt praktisch nur das common law-Deliktsrecht; § 424 Abs. 1 Companies Act hat sich bislang weitgehend als Papiertiger erwiesen. Und eine common law-rechtliche Treu-

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pflichthaftung des director gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft ist zwar im Gespräch, aber ist jedenfalls (noch) nicht anerkannt. Die Literatur (JSA Fourie) hat deshalb bereits gefordert, den Companies Act zu ergänzen und eine entsprechende Pflicht des director einzufügen. Im deutschen Recht gibt es einen vergleichbar einhelligen Mangelbefund nicht. Neben der Möglichkeit der Durchgriffshaftung wird hier mit den drei Instrumenten deliktische Primärhaftungstatbestände, Recht der eigenkapitalersetzenden Darlehen und Konzernaußenhaftung gearbeitet und werden diese als ausreichend angesehen. 5. Sowohl südafrikanisches als auch deutsches Recht haben Schwierigkeiten festzulegen, ab wann ein haftungsauslösender Grad an Unterkapitalisierung bzw. insolvency vorliegt. In Deutschland rankt sich die Diskussion sowohl um den Begriff der materiellen Unterkapitalisierung als auch vor allem um die sogenannte nominelle Unterkapitalisierung und die Frage, ob und wann Gesellschafterdarlehen als haftender Eigenkapitalersatz mitberücksichtigt werden sollen. Die Diskussion um die nominelle Unterkapitalisierung ist auch heute noch nicht zur Ruhe gekommen; gelegentlich wird hierbei aus betriebswirtschaftlicher Sicht recht oberflächlich argumentiert. In der Diskussion um die materielle Unterkapitalisierung haben sich zwar inzwischen einige griffige Formeln (namentlich die Ulmer’sche Formel) verfestigt, jedoch arbeitet man noch immer nicht mit einer einheitlichen Formel. In Südafrika ging eine ähnliche Diskussion darum, ob auf Überschuldung (factual insolvency) oder auf Zahlungsunfähigkeit (commercial insolvency) abzustellen sei. Seit 1992 (Ex parte de Villiers: In re Carbon Development) ist dies entschieden und wird nun allein darauf abgestellt, ob die Gesellschaft noch zahlungsfähig ist. Ein Streit wie in Deutschland um den Begriff der materiellen Unterkapitalisierung erübrigt sich damit. Die Frage, ob im Falle der Insolvenz der Gesellschaft Gesellschafterdarlehen wie Eigenkapital (loan capital) oder stattdessen wie alle anderen Verbindlichkeiten (liabilities) zu behandeln sind, hat in Südafrika eine wesentlich geringere Rolle gespielt als in Deutschland: Die Rechtsprechung hat hier zum einen auf zugunsten von Drittgläubigern der Gesellschaft bestehende gesetzliche Warneinrichtungen (§ 45 Auditing Profession Act) und Schutzmöglichkeiten (Rangrücktrittsvereinbarungen sowie Personalsicherheiten) verwiesen. Zum anderen hat sie betont, dass auch Gesellschafter de lege lata problemlos unter den Tatbestand der persönlichen Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act fallen können (sofern sie dessen Tatbestandsmerkmal „[A]ny party who was knowingly a party to the carrying on of the business in the [fraudulent or reckless] manner“ erfüllen). Gesellschafterdarlehen könnten somit als Verbindlichkeiten eingeordnet bleiben, da eine eventuelle persönliche Haftung der Gesellschafter-Darlehensgeber aus § 424 Abs. 1 Companies Act persönliche Haftung sei und daher ohnehin auch an sie zurückbezahlte Darlehen erfasse. Diese Argumentation ist

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allerdings im Hinblick auf § 424 Abs. 1 Companies Act wegen dessen praktischer Schwächen unbefriedigend. 6. Nicht übereinstimmend wird somit im deutschen und im südafrikanischen Recht Eigenkapitalersatz behandelt. In Deutschland kann Eigenkapitalersatz kraft gesetzlicher Vorschriften (§§ 32a, 32b GmbHG etc.) wie haftendes Eigenkapital behandelt werden. In Südafrika bestehen solche gesetzlichen Vorschriften nicht; zudem ist die Rechtsprechung unwillig, Entsprechendes richterrechtlich zu tun. Die Darlehensforderungen der Gesellschafter unterliegen keinem gesetzlichen oder common law-rechtlichen Rangrücktritt; sie bleiben im Konkurs der Gesellschaft als Konkursforderungen anerkannt. Stattdessen droht den Gesellschaftern eine mögliche persönliche Haftung gegenüber Drittgläubigern der Gesellschaft aus § 424 Abs. 1 Companies Act oder aus common law-Deliktsrecht.

VI. Im Hinblick auf die südafrikanische Fallgruppe „group-Rechtsverhältnisse“ und die vergleichbare deutsche Rechtslage 1. Im deutschen Recht besteht für eine Fallgruppe „nachteilige Beherrschung / Fremdbestimmung“ kein Bedürfnis mehr. Sie ist überholt. Frühere Arbeiten zum vorliegenden Thema waren dem zwar durchaus noch zugeneigt. Vorliegend werden jedoch Durchgriffshaftung und Konzernaußenhaftung als unterschiedliche Haftungskonzepte voneinander getrennt und wird Konzernaußenhaftung nicht als Fallgruppe der Durchgriffshaftung verstanden. Der dann noch möglicherweise einschlägige Bereich einer Durchgriffshaftungs-Fallgruppe „nachteilige Beherrschung / Fremdbestimmung“ verkleinert sich dadurch bereits erheblich. Bis zur Etablierung der Existenzvernichtungshaftung erfasste er aber immerhin noch namentlich den herrschenden nichtunternehmerischen Gesellschafter. Seit den Entscheidungen Bremer Vulkan und KBV sind Eingriffe eines solchen Gesellschafters jedoch in der Existenzvernichtungshaftung aufgegangen. 2. Um einen partnership approach im deutschen Recht nachzubilden und so die Obergesellschaft für ein Rechtsgeschäft der Untergesellschaft haften zu lassen, müsste ein Konzern als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) angesehen werden können und müssten die Konzerngesellschaften als Gesellschafter dieser GbR gesamtschuldnerisch für eine von der Untergesellschaft im Namen der GbR (des Konzerns) abgegebene Willenserklärung haften. Zur gesamthänderischen Haftung (Haftung der Außen-GbR) wurden im deutschen Recht lange drei Theorien vertreten: Nach der traditionellen (gesetzestreuen) Lehre sollte ein rechtsgeschäftliches Handeln für die GbR nach §§ 421, 427 BGB grundsätzlich die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter begründen, und zwar sowohl mit deren Pri-

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vatvermögen als auch mit dem Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen). Schuldner sollten nur die Gesellschafter sein; das Gesellschaftsvermögen wurde als ein diesen zur gesamten Hand zugeordnetes Sondervermögen ohne eigene Rechtsfähigkeit verstanden. Nach der sogenannten Doppelverpflichtungstheorie sollte dagegen der für die (Außen-)GbR handelnde Geschäftsführer durch gleichzeitiges Handeln als Vertreter sowohl der GbR als auch der Mitgesellschafter jeweils beide rechtsgeschäftlich verpflichten. Keine dieser beiden Theorien hat sich durchsetzen können. Höchstrichterlich anerkannt ist stattdessen heute die sogenannte Gruppenlehre, wonach Gesamthandsverbindlichkeiten Verbindlichkeiten der rechtsfähigen (Außen-)GbR sind (analog § 124 HGB) und diese von der ihnen korrespondierenden, akzessorischen Haftung der Gesellschafter (analog §§ 128, 129 HBG) zu unterscheiden sind. Milo bleibt bedauerlicherweise in seinen Ausführungen undeutlich im Hinblick auf die entscheidende Frage, ob und inwieweit er eine partnership als (teil-)rechtsfähig ansehen will, obgleich ein solches Verständnis in Südafrika durchaus auch vertreten wird. Der Vergleich mit der deutschen Rechtslage wird dadurch erheblich erschwert und mutmaßlich: Zwar geht Milo – wie die Doppelverpflichtungstheorie – davon aus, dass der partner als Vertreter (agent) der partnership auftritt. Nicht klar macht Milo aber, ob der rechtsgeschäftlich handelnde partner auch als Vertreter der übrigen Mitgesellschafter (partners) auftritt. Verpflichtet werden soll ferner – im Gegensatz zur Doppelverpflichtungstheorie – nicht die Außen-GbR (partnership) selbst, sondern nur die partners, wenngleich als joint debtors („gemeinschaftliche / gesamthänderische Schuldner“) bzw. Gesamtschuldner (joint and several debtors). Das spricht wohl deutlich dagegen, dass Milo auch die partnership selbst als (teil-)rechtsfähig ansieht. Sein partnership approach liegt deshalb jedenfalls nicht auf der Linie der Doppelverpflichtungstheorie. Zugleich dürfte damit auch abwegig sein, Milos partnership approach mit der Gruppenlehre zur Gesamthandshaftung zu vergleichen. Es bleibt also nur ein Vergleich mit der traditionellen Lehre zur Gesamthandshaftung: Ähnlichkeit besteht insofern, als sowohl Milos partnership approch als auch die traditionelle Lehre nur die Gesellschafter (partners) verpflichten wollen, nicht dagegen die GbR (partnership) selbst. Ähnlichkeit besteht ferner darin, dass traditionelle Lehre und jedenfalls ein Teil der Literatur und Rechtsprechung in Südafrika diese Haftung als gesamtschuldnerisch ansehen. Keine Übereinstimmung besteht dagegen mit der anderen Ansicht in Südafrika, wonach die Haftung gemeinschaftlich verpflichtend ist (joint debtors). Insgesamt lässt sich Milos partnership approach jedenfalls mit der herrschenden Gruppenlehre nicht nachzeichnen.

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Ein weiteres Problem besteht bei der Frage, wer bei einer partnership einerseits bzw. einer GbR andererseits Vertretungsmacht innehat: Nach südafrikanischem Recht hat grundsätzlich jeder partner Einzelgeschäftsführungsbefugnis und Einzelvertretungsmacht. Jede Konzerngesellschaft kann deshalb die partnership der verbundenen Gesellschaften nach außen gegenüber Dritten vertreten. Nach deutschem Recht wird die Vertretungsmacht durch § 714 BGB im Zweifel der Geschäftsführungsbefugnis gleichgeschaltet, so dass – sofern keine anderweitige Vereinbarung getroffen wird – nach der gesetzlichen Grundregel Gesamtvertretung besteht, die Vertretung also allen Gesellschaftern nur gemeinschaftlich zusteht. Sofern deshalb nicht der Tatbestand einer Anscheinsvollmacht erfüllt ist, liegt grundsätzlich keine Vertretungsmacht einer Untergesellschaft für die Konzern-GbR vor. Auch unter diesem Gesichtspunkt lässt sich Milos partnership approach somit nicht ohne Weiteres im deutschen Recht nachbilden. 3. Denkbar ist ferner, Milos partnership approach mit der im deutschsprachigen Rechtskreis gelegentlich erörterten sogenannten Haftung aus Konzernvertrauen in Vergleich zu bringen. Die – weitgehend auf Ablehnung gestoßene – Haftung aus Konzernvertrauen ist als allgemeine Vertrauenshaftung bzw. als Haftung aus culpa in contrahendo (§ 311 BGB) entworfen: Die offen gelegte Zugehörigkeit der Untergesellschaft zu einem Unternehmensverbund („ein Unternehmen der X-Gruppe“) soll dabei ein Vertrauen Dritter darauf begründen können, dass die Obergesellschaft im Bedarfsfall für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten ihrer abhängigen Gesellschaft haften werde. Damit steht diese Haftung aus Konzernvertrauen Milos partnership approach konzeptionell fern: Bei Milos partnership approach tritt die Untergesellschaft ausdrücklich im Namen der partnership (des Unternehmensverbundes) auf und weist sich nicht etwa nur – wie bei der Haftung aus Konzervertrauen – als zum Konzern zugehörig aus. Dabei will Milo auch ostensible authority genügen lassen für eine Haftung. Dann ist jedoch die Haftung auf eine solche Anscheinsvollmacht begründet, ist aber keine Vertrauenshaftung wie die Haftung aus Konzernvertrauen. Auch die von Milo bemühte doctrine of undisclosed principal belegt, dass partnership approach und Haftung aus Konzernvertrauen auseinanderliegen: Zwar tritt bei der Haftung aus Konzernvertrauen die Untergesellschaft nicht ausdrücklich im Namen des Unternehmensverbundes auf, doch ist sich bei dieser Haftung der Vertragspartner der Untergesellschft über den Hintermann „Obergesellschaft“ im Klaren (wenngleich nicht in dem Sinne, dass er von bestehender Vertretungsmacht ausgeht), während er bei der doctrine of undisclosed principal zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von dem Hintermann gerade nichts weiß.

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4. Im deutschen Gesellschaftsrecht ist ein Konzern- und Konzernaußenhaftungsrecht gesetzlich geregelt, allerdings nur für Aktiengesellschaften und nicht auch für Gesellschaften mbH. Die gesetzlichen Regelungen haben sich als unvollständig erwiesen. Dies war Ausgangspunkt für die Entwicklung eines heute überwiegend richterrechtlich geprägten Konzernrechts. In Südafrika gibt es nahezu kein kodifiziertes Recht verbundener Gesellschaften: Die gesellschaftsrechtlichen Gesetze (Companies Act und Close Corporations Act) enthalten nur sehr wenige und verstreute konzernrechtliche Spezialvorschriften (namentlich die Bestimmungen über Konzernrechnungslegung und die Missbrauchskontrollvorschriften) und überhaupt kein Konzernaußenhaftungsrecht. Die Rechtslage ist somit auf diesem Gebiet fast ausschließlich richterrechtlich geprägt. Eine Unterscheidung zwischen Konzernhaftungsrecht und piercing-Haftungsrecht ist unbekannt. Eine Obergesellschaft ist im Wege des piercing of the corporate veil bislang noch nie für Verbindlichkeiten einer Untergesellschaft haftbar gemacht worden. Die gesamte Diskussion um piercing of the corporate veil in der Fallgruppe „group of companies“ dreht sich somit ausschließlich um tatbestandliche Zurechnungen und Erstreckungen sonstiger Rechtsfolgen bei verbundenen Gesellschaften. Entsprechende Sachverhalte finden sich auch in der deutschen Rechtsprechung (Heumann / Ogilvy, Maklerprovision II). Allerdings wird dieser Bereich – anders als der Bereich der Haftungsfragen – in Deutschland kaum als eigenständige (Zurechnungs-)Durchgriffsfallgruppe oder gar als eigenständiges konzernbedingtes Zurechnungsinstitut verstanden, sondern wird einfach zusammen mit Sachverhalten, in denen kein Konzern vorliegt, in die allgemeinen Durchgriffsfragen eingeordnet. 5. In der südafrikanischen Literatur wird – durchaus mit Blick auf die Entwicklung des deutschen Konzernrechts – zunehmend diskutiert, wie eine Obergesellschaft für die Verbindlichkeit ihrer Untergesellschaft deren Gläubigern gegenüber haften kann, und zwar jenseits der Möglichkeiten des gemeinrechtlichen Delikts- und Bereicherungsrechts: Ein Haftungsdurchgriff (piercing of the corporate veil) scheidet hierfür aus. Zwar sind in England vereinzelt Stimmen aus der Literatur zu hören (Wedderburn), die sich dafür aussprechen, piercing of the corporate veil auch dafür heranzuziehen, um eine Obergesellschaft für Verbindlichkeiten der von ihr abhängigen Gesellschaft haften zu lassen. Doch stehen dem eindeutige Stellungnahmen aus der Rechtsprechung (insbesondere der englischen, wie beispielsweise Templeman LJ’s obiter dictum in In re Southard) entgegen. Ein Haftungsdurchgriff im Wege eines piercing of the corporate veil ist von der südafrikanischen Rechtsprechung bislang nicht einmal obiter erwogen worden. Die Commonwealth-Rechtsprechung hat sich bisher nur mit agency-Konstruktionen versucht, allerdings mit mäßigem Erfolg, da hierbei zumeist dem Stell-

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vertretungsrecht Gewalt angetan wurde: Sachverhalte mit verbundenen Gesellschaften ließen sich in der Regel nur schwerlich in die Rechtsbegriffe und die Rechtsgrundsätze des Stellvertretungsrechts einpassen. Die Literatur hat bereits mehrfach gerügt, dass die Rechtsprechung das Begriffspaar agent / principal in solchen Fällen als hohle Phrase benutzt und den Anwendungsbereich der Rechtsbegriffe überdehnt hat. Im Übrigen werden agency-Konstruktionen bei verbundenen Gesellschaften deshalb nur sehr zurückhaltend verwendet, weil man sich durchaus dessen bewusst ist, dass über agency-Konstruktionen andernfalls praktisch die beschränkte Haftung beseitigt wird. Eine Zeit lang schien die englische economic entity-Theorie ein (von piercing of the corporate veil eigentlich lediglich namensverschiedenes) Vehikel bieten zu können, um die Muttergesellschaft haften zu lassen. Ihr gegenüber hat auch die südafrikanische Rechtsprechung Gefallen gezeigt. Doch ist die economic entity-Theorie selbst in England nie bis zu einem Haftungsdurchgriff fortentwickelt worden und ist dort heute praktisch wieder aufgegeben. In Südafrika ist sie ebenfalls nie als Mittel zur Bewerkstelligung eines Haftungsdurchgriffs verwendet worden. Möglich ist ferner eine Haftung der Obergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft gem. § 424 Abs. 1 Companies Act (Obergesellschaft als „[A]ny person who was knowingly a party“; Wissenszurechnung gemäß der identification theory). Ein entsprechender Klageantrag lag in Simon v Mitsui (1997) und Philotex v Snyman (1998) vor und ist dort nicht aus dogmatischen Gründen, sondern lediglich nach Tatsachenlage abgelehnt worden. Dahingehende Entscheidungen sind demnach künftig wohl zu erwarten. Möglich ist schließlich eine Haftung der Obergesellschaft gemäß den Rechtsgrundsätzen des law of partnership (Obergesellschaft und Untergesellschaft als gegenüber Dritten gesamtschuldnerisch haftende partners; die group of companies als partnership). Entsprechende Rechtsprechung liegt jedoch noch nicht vor. Im deutschen Recht kann das herrschende Unternehmen je nach Konzernstufe gem. §§ 302 f. (ggf. analog) AktG gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft haften. Die Existenzvernichtungshaftung hat diese Haftung jüngst erheblich erweitert und von konzernrechtlichen Voraussetzungen losgelöst. Nun kann auch ein Alleingesellschafter (unabhängig davon, ob er Unternehmen im Sinne des Konzernrechts ist oder nicht) im Falle existenzvernichtender Eingriffe im Wege der Durchgriffshaftung haften. 6. Im deutschen Recht sind Vertreter-Konstruktionen zwischen Ober- und Untergesellschaft zwecks Bewerkstelligung einer Haftung der Obergesellschaft gegenüber Dritten für Zahlungsverbindlichkeiten der Untergesellschaft praktisch unbekannt. Eine Obergesellschaft wird nicht als Geschäftsherrin der Untergesellschaft als ihrer Vertreterin verstanden, so dass auch nicht auf diesem Wege

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eine rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten entstehen kann. Würde man die südafrikanische agency-Konstruktion auf deutsche Konzerne übertragen wollen, so sind zwei Möglichkeiten denkbar, um die Untergesellschaft zur Vertreterin zu machen: Zum einen könnte die Untergesellschaft als gesetzliches Vertretungsorgan (Vorstand / Geschäftsführerin) der Obergesellschaft bestellt worden sein. Die (Ober-)Gesellschaft wird im deutschen Recht zwingend organschaftlich vertreten (im Falle der Aktiengesellschaft ist dies der Vorstand, § 78 AktG, im Falle der GmbH der Geschäftsführer, § 35 GmbHG). Jede juristische Person benötigt organschaftliche Vertretung; diese ist gesetzlich umschrieben. Dass die Untergesellschaft als Vertretungsorgan der Obergesellschaft bestellt wird, ist jedoch im Recht der GmbH und der Aktiengesellschaft nicht möglich. Denn Vertretungsorgane müssen dort jeweils natürliche Personen sein. Im Übrigen hätte eine solche Vertreterbestellung, um der südafrikanischen Rechtslage zu entsprechen, konkludent (implied) erfolgt sein müssen. Dies ist angesichts der gesetzlichen Regelungen über die organschaftliche Bestellung (§ 84 AktG, § 46 Nr. 5 GmbHG) nur schwerlich möglich (wohl noch bei der GmbH, kaum aber bei der Aktiengesellschaft [Bestellung durch den Aufsichtsrat], zumal dort ja auch beispielsweise nach ständiger Rechtsprechung eine stillschweigende Weiterbeschäftigung des Vorstandes über die 5-Jahres-Periode hinaus schon nicht möglich ist). Zum anderen könnte die Untergesellschaft rechtsgeschäftlich von der Obergesellschaft bevollmächtigt worden sein, Rechtsgeschäfte mit Wirkung für und gegen die Obergesellschaft zu tätigen. Gegen eine solche Bevollmächtigung ist nichts einzuwenden, solange Klarheit darüber besteht, dass die bevollmächtigte juristische Person (Untergesellschaft) eben nur Bevollmächtigte ist und weder eine organschaftliche Vertreterin ist noch eine solche ersetzen kann. In der deutschen Rechtsprechung liegen allerdings keine Entscheidungen vor, in denen zu solchen Konstruktionen gegriffen wurde. Problematisch dürften solche Konstruktionen auch sein, weil Stellvertretung erfordert, dass die Willenserklärung im Namen des Geschäftsherrn abgegeben wird. Die Untergesellschaft wird jedoch regelmäßig im eigenen Namen die Rechtsgeschäfte getätigt haben und nicht im Namen der Obergesellschaft. Außerdem könnten mit solchen Vertreter-Konstruktionen im deutschen Recht nur Rechtsfolgenerstreckungen bewerkstelligt werden. Sie könnten daher im Ergebnis nur mit dem Haftungsdurchgriff und den Fällen sonstiger Rechtsfolgenerstreckungen gleichziehen (mit dem Unterschied, dass bei Vertreter-Konstruktionen nur die Geschäftsherrin [die Obergesellschaft] verpflichtet wird, nicht aber – wie beim Durchgriff – beide [Obergesellschaft und Untergesellschaft] verpflichtet werden). Der Bereich der tatbestandlichen Zurechnungen kann da-

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gegen – abgesehen von Wissenszurechnungen (§ 166 Abs. 1 BGB) – nicht mehr über das Stellvertretungsrecht bewerkstelligt werden. 7. Zu agency-Konstruktionen (tatbestandlichen Zurechnungen und Erstreckungen nicht auf Zahlung gerichteter Rechtsfolgen bei verbundenen Gesellschaften) liegt in Südafrika kaum Rechtsprechung vor. Fälle ausdrücklich vereinbarter Stellvertretungsverhältnisse (express agency) zwischen verbundenen Gesellschaften hatte die Rechtsprechung bislang noch nicht zu entscheiden. Nur ein Fall liegt – soweit ersichtlich – bisher vor (Ritz v Ritz), in dem auf eine group of companies eine implied agency-Konstruktion angewandt wurde. Jedoch wurde dort ein umgekehrtes agency-Verhältnis angenommen (holding company als agent ihrer subsidiary); die Entscheidung ist insoweit untypisch. Die Möglichkeit solcher implied agency-Rechtsverhältnisse war bereits 1982 anerkannt worden (Adcock-Ingram v SA Druggist). Keine Entscheidung liegt vor, welche tatbestandlich griffig klarstellt, unter welchen Voraussetzungen bei verbundenen Gesellschaften das Vorliegen eines implied agency-Rechtsverhältnisses angenommen werden kann. Wahrscheinlich ist, dass die südafrikanische Rechtsprechung hier noch dem englischen Atkinson-Test aus dem Jahre 1939 folgt. Sie hat ihn allerdings bislang noch nie angewandt. Der Atkinson-Test und die ihm zugrunde liegende Entscheidung Smith, Stone & Knight v Birmingham sind im Übrigen nicht unkritisiert geblieben. Der in der Entscheidung Banco de Moçambique angewandte Moorthy-Test dürfte nicht verallgemeinerungsfähig sein. Die südafrikanische Rechtslehre hat 1980 einen eigenen Test entwickelt (Botha-Test: „Control plus close working relationship“); dieser ist jedoch zu unscharf formuliert und damit weitgehend unbrauchbar. Die südafrikanische Rechtsprechung hat ferner zeitweilig Wohlwollen gegenüber economic entity-Konstruktionen gezeigt, wie Verweise auf DHN Food Distributors v London Borough of Tower Hamlets und Revlon Inc v Cripps and Lee zeigen. Wie sie heute der economic entity-Theorie gegenüber steht, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Rationes decidendi liegen nicht vor. Die Appellate Division hat allerdings im Anschluss an Ritz v Ritz in zwei Entscheidungen aus dem Jahre 1993 (Wambach v Macadamia und Macadamia Finance Bpk v De Wet) auf die durch Adams v Cape Industries plc vollzogene Kehrtwende in England verwiesen. Problematisch ist im Hinblick auf die economic entity-Konstruktion in Südafrika zudem zweierlei: Erstens ist noch nicht klar, ob sich die Rechtsprechung die economic entity-Konstruktion als allgemeinen Zurechnungsgrundsatz bei Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften vorstellt oder ob diese Konstruktion nur Einzelfall bezogen befürwortet wird. Letzteres nimmt mehrheitlich die südafrikanische Rechtslehre an. Zweitens hat die Rechtsprechung noch nicht zweifelsfrei die Frage verneint, ob sie die Anwendung der economic entity-Kon-

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struktion auch als piercing of the corporate veil einordnet. Insbesondere der Verweis in Ritz v Ritz auf Revlon Inc v Cripps and Lee spricht dafür, dass sie – wie das Gericht in Revlon Inc v Cripps and Lee – das Vorliegen einer economic entity als das Ergebnis reiner Norminterpretation versteht und gerade nicht als Ergebnis eines piercing of the corporate veil. 8. Fraglich ist, welches Maß an Beherrschung bzw. control erforderlich ist, um eine konzern- bzw. group of companies-bezogene rechtliche Behandlung auslösen zu können. Im südafrikanischen Recht ist „control“ der Schlüsselbegriff zur Behandlung solcher Fälle, im deutschen Recht „Beherrschung“ (abgesehen von dem Schlüsselbegriff des Konzernunternehmens), jedenfalls seitdem damit begonnen wurde, zwischen einfachen und qualifiziert faktischen Konzernen zu unterscheiden. Im deutschen Recht stellt sich die Frage nach dem erforderlichen Maß an Beherrschung im Rahmen der tatbestandlichen Abgrenzung des einfachen vom qualifiziert faktischen Konzern. Einig ist man sich hier darüber, dass bei einem qualifiziert faktischen Konzern das herrschende Unternehmen die Leitung des abhängigen Unternehmens dauerhaft und umfassend an sich gezogen haben muss. Eine verbreitete Ansicht hält insbesondere in Fällen unselbständiger Betriebsabteilungen, in denen das herrschende Unternehmen die Leitung der abhängigen Gesellschaft bis in das Tagesgeschäft hinein auf Dauer übernommen hat, einen qualifiziert faktischen Konzern stets für vorliegend. In Südafrika ist das Problem weitgehend ins agency-Recht verlagert, da dort bei Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften bislang vorzugsweise über das law of agency eine Lösung gesucht wird. Es stellt sich die Frage, welches Maß an control erforderlich ist, um ein solches agency-Rechtsverhältnis zwischen den verbundenen Gesellschaften auszulösen. Dieses Problem ist noch nicht geklärt. Man hat sich bislang auch erstaunlicherweise sehr wenig darum bemüht, tatbestandlich griffig zu werden. Die Literatur nimmt auf wohl nicht verallgemeinerungsfähige Formeln aus Entscheidungen zu Sondersachverhalten (Botha: „effective control“, in Anlehnung an die englische Lonrho-Entscheidung) Rückgriff oder verweist ohne eigene Stellungnahme auf Begriffsbestimmungsversuche der englischen Rechtslehre (Davids). Klar ist nur, dass control allein (was auch darunter verstanden werden mag) ungenügend ist und auch eine 100%-ige Anteilsinhaberschaft allein nicht ausreicht, um ein agencyRechtsverhältnis auszulösen. Die Rechtsprechung hat in CIR v Malcomess den Begriff „control“ als de facto-Kontrolle auch über die Tagesgeschäfte definiert (und somit sehr ähnlich dem Beherrschungsverständnis der deutschen Rechtsprechung im Hinblick auf qualifiziert faktische Konzerne), allerdings im Zusammenhang mit der Frage, ab welchem Grad an control Wissenszurechnungen (Zurechnung von intention) stattfinden können, und nicht im Zusammenhang mit der Frage, ab wann ein agency-Rechtsverhältnis ausgelöst wird.

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Klar ist ferner, dass jedenfalls ein Mehr an control erforderlich ist gegenüber dem Maß, das in § 1 Abs. 3 Companies Act beschrieben wird. Denn liegt control i. S. d. § 1 Abs. 3 Companies Act vor, so wird dadurch noch kein agencyRechtsverhältnis ausgelöst. Vielmehr greifen dann lediglich die Sondervorschriften des Companies Act über verbundene Gesellschaften.

VII. Im Hinblick auf die deutsche Fallgruppe „Subjektvermischung“ / „Vermögensvermengung“ und die vergleichbare südafrikanische Rechtslage 1. Eine Durchgriffshaftungsfallgruppe „Subjektvermischung“ wird heute übereinstimmend von der deutschen Rechtslehre und Rechtsprechung abgelehnt. Entsprechende Sachverhalte werden ausschließlich im Wege der Primärhaftung gelöst (Auslegung von Willenserklärungen, Eigengeschäft des Vertreters, Rechtsscheinshaftung, Vertrauenshaftung). Fälle von Subjektvermischungen in Form von Weglassungen klarstellender Rechtsformzusätze traten auch in Südafrika auf. Sie sind dort gesetzlich geregelt (§ 63 (a) Close Corporations Act und § 50 Abs. 3 (b) Companies Act). Diese Normen werden in Südafrika teilweise als statutory piercing eingeordnet. Nach deutschem Verständnis sind sie Auslegungs- und Eigengeschäftsregelungen. 2. Vermögensvermengung ist heute von der Rechtsprechung als Durchgriffsfall anerkannt. Auch in der Literatur ist sie im Kern unbestritten. Sie soll allerdings nur zu Lasten des beherrschenden Gesellschafters greifen. Anders ist die Rechtslage in Südafrika: Dort liegt nur eine Entscheidung vor (Simmons NO v Snobberie), in der bei bestehender Vermögensvermengung piercing-Überlegungen angestellt wurden. Jedoch wurde dort deutlich abgelehnt, Vermögensvermengung als piercing-Grund anzusehen. Deutsche und südafrikanische Rechtslage unterscheiden sich somit hier.

E. Ausblick Die vorliegende Arbeit fand folgende Entwicklungen im Bereich des südafrikanischen Rechts des piercing of the corporate veil offen. Eine abschließende Stellungnahme war nicht möglich. (1) Was Prüftests für ein piercing of the corporate veil angeht, so scheint sich die Smalberger-Regel (Cape Pacific v Lubner 1995 AD), obgleich erklärtermaßen nur sachverhaltsspezifisch ergangen, als ein neuer allgemeiner Prüftest zu verfestigen. Nachfolgende Rechtsprechung hat bislang regelmäßig auf ihn verwiesen. (2) Was das funktionelle Verständnis von piercing of the corporate veil angeht, so scheint eine Unterscheidung nach echtem piercing (Haftungsdurchgriff) und unechtem piercing (Zurechnungsdurchgriff) im Vordringen begriffen. (3) Was das konzeptionelle Verständnis von piercing of the corporate veil angeht, so scheint Larkins entity approach keinen starken Anklang in der Rechtsprechung zu finden. (4) Was den agency approach angeht, so herrscht im Hinblick darauf, ob er rechtliche Verankerung oder Fallgruppe eines piercing of the corporate veil oder eine Alternative zu piercing of the corporate veil ist, weiterhin Unklarheit. Eine überwiegende Meinung zeichnet sich nicht ab. (5) Die Reichweite des agency approach scheint erreicht. Es mehrt sich Kritik, dass die Rechtsbegriffe des Stellvertretungsrechts überdehnt würden. (6) Eine Entwicklung in der südafrikanischen Rechtsprechung, den agency approach bei Sachverhalten mit verbundenen Gesellschaften zu einem Haftungsdurchgriff auszubauen, ist nicht ersichtlich. (7) Der kürzlich vorgeschlagene, elegante und alternative partnership approach hat bislang noch nirgends in der Rechtsprechung Niederschlag gefunden. Milo hat selbst vorausgesagt, dass sein partnership approach möglicherweise an der konservativen Haltung der Richterschaft scheitern werde. (8) Die Einstellung der südafrikanischen Rechtsprechung gegenüber der economic entity-Konstruktion ist derzeit nicht deutlich. Es scheint allerdings wahrscheinlich, dass sie in Anlehnung an die englische Rechtsprechung eine Abkehr hiervon vollziehen wird.

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E. Ausblick

(9) Die Rechtsprechung scheint derzeit im Begriffe zu sein, die englische identification theory zu rezipieren, um eine deliktische Haftung der Gesellschaft für das Handeln ihrer Organe bewerkstelligen zu können. Die Anwendung der identification theory wird wohl als piercing of the corporate veil verstanden. Abgelehnt hat es die Rechtsprechung jüngst, die englische doctrine of assumption of personal responsibility zu rezipieren. Diese doctrine scheidet damit in Zukunft als Begründung der deliktischen Haftung der Gesellschaft für das Handeln ihres Organs aus. (10) Es ist unwahrscheinlich, dass die Rechtsprechung Gehilfenhaftung (vicarious liability) heranziehen wird, um eine deliktische Haftung der Gesellschaft für das Handeln ihres director zu bewerkstelligen. Vicarious liability wird nicht als piercing of the corporate veil verstanden. (11) Bei der Herleitung von Unterlassungsansprüchen gegen eine Gesellschaft in Fällen von Umgehungen vertraglicher Wettbewerbsverbote mittels einer abhängigen Gesellschaft verfolgt die Rechtsprechung derzeit parallel zwei konzeptionell unterschiedliche Lösungswege: Common law-Deliktsrecht einerseits und piercing of the corporate veil andererseits. Nicht absehbar ist, ob sich dieser Trend fortsetzen wird oder künftig einer der beiden Lösungswege vorgezogen wird. (12) Die Rechtsprechung ist damit befasst, den Haftungsadressatenkreis des § 424 Abs. 1 Companies Act auch auf juristische Personen (company; close corporation) auszuweiten. Auf diesem Wege kann dann in Zukunft auch eine Haftung der Muttergesellschaft für Verbindlichkeiten ihrer Tochtergesellschaft möglich werden. (13) Die Art einer Haftung aus § 424 Abs. 1 Companies Act ist unklar. Eine überwiegende Ansicht zeichnet sich nicht ab. Eine gesetzlich geregelte Treupflichthaftung scheint allerdings auszuscheiden. (14) Eine Entwicklung in der südafrikanischen Rechtsprechung, die als piercing of the corporate veil verstandene Haftung des director gegenüber Dritten in Fällen von insolvent trading auf ein Treupflichtverhältnis zu stützen, ist nicht ersichtlich. (15) Die zentrale Fallgruppe Evasion of a duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent use of a corporate personality ist bislang tatbestandlich unzureichend griffig bestimmt. Die Rechtslehre bemüht sich, die hierzu von der Rechtsprechung vorgegebenen Leitbegriffe fraud / impropriety bzw. façade / sham sowie alter ego zu definieren. Eine überwiegende Meinung lässt sich derzeit hierzu nicht ausmachen.

E. Ausblick

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Umgehungen vertraglicher Verpflichtungen / Verbote (und dort wiederum vor allem Wettbewerbsunterlassungsvereinbarungen) rücken deutlich in den Mittelpunkt dieser Fallgruppe. (16) Eine Entwicklung in der südafrikanischen Rechtsprechung, eine Fallgruppe (materielle) Unterkapitalisierung zu etablieren, ist nicht ersichtlich. (17) Eine Entwicklung in der südafrikanischen Rechtsprechung, eine Fallgruppe Vermögensvermengung (intermingling of assets) zu etablieren, ist nicht ersichtlich.

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Entscheidungengesamtverzeichnis 1. Südafrika, Süd-West Afrika / Namibia, Rhodesien, Botswana Adcock-Ingram Laboratories Ltd v SA Druggist Ltd 1983 (2) SA 350 (T) African Guarantee & Indemnity Co Ltd v Minister of Justice 1959 (2) SA 437 (A) Anderson v Dickson NNO (Intermenua (Pty) Ltd Intervening) 1985 (1) SA 93 (N) August Lapple (South Africa) v Jarrett [2003] 12 BLLR 1194 (LC) Banco de Moçambique v Inter-Science Research and Development Services (Pty) Ltd 1982 (3) SA 330 (T) Bark NNO v Boesch 1959 (2) SA 377 (T) Barkett v SA National Trust and Assurance Co Ltd 1951 (2) SA 353 (A) Bates & Lloyd Aviation (Pty) Ltd v Aviation Insurance Co 1985 (3) SA 916 (A) Bellairs v Hodnett 1978 (1) SA 1109 (A) Body Corporate of Greenwood Scheme v 75 / 2 Sandown (Pty) Ltd 1999 (3) SA 480 (W) Botes v Van Deventer 1966 (3) SA 182 (A) Botha v Van Niekerk 1983 (3) SA 513 (W) Braun v Blann and Botha NNO 1984 (2) SA 850 (A) Cape Pacific Ltd v Lubner Controlling Investments (Pty) Ltd 1995 (4) SA 790 (A) (zitiert als: Cape Pacific v Lubner 1995 AD) Cape Pacific Ltd v Lubner Controlling Investments (Pty) Ltd 1993 (2) SA 784 (C) (zitiert als: Cape Pacific v Lubner 1993 CPD) Carter and Co Ltd v MacDonald 1955 (1) SA 202 (A) Cattle Breeders Farm (Pvt) Ltd v Veldman 1974 (1) SA 169 (R) Commissioner of Customs and Excise v Randles, Brothers & Hudson Ltd 1941 AD 369 CIR v Louw 1983 (3) SA 551 (A) CIR v Malcomess Properties (Isando) (Pty) Ltd 1991 (2) SA 27 (A) CIR v Richmond Estates (Pty) Ltd 1956 (1) SA 602 (A) Cohen v Segal 1970 (3) SA 702 (W) Commissioner, SARS v TFN Diamond Cutting Works (Pty) Ltd 2005 (5) SA 113 (SCA) Constantia Heights (Pty) Ltd v SIR 1979 (3) SA 768 (A) Cooper NO and others NNO v SA Mutual Life Assurance Society 2001 (1) SA 967 Cronje v Stone 1985 (3) SA 597 (T)

Entscheidungengesamtverzeichnis

395

Cullinan v Noordkaaplandse Aartappelkernmoerkwekers Koöperasie Bpk 1972 (1) SA 761 (A) Dadoo Ltd v Krugersdorp Municipal Council 1920 AD 530 Die Dros (Pty) Ltd & Another v Telefon Beverages CC 2003 (4) SA 207 (C) Dithaba Platinum (Pty) Ltd v Erconovaal Ltd 1985 (4) SA 615 (T) Durity Alpha (Pty) Ltd v Vagg 1991 (2) SA 840 (A) Elandsheuwel Farming (Edms) Bpk v Sekretaris van Binnelandse Inkomste 1978 (1) SA 101 (A) Emphy v Pacer Properties (Pty) Ltd 1979 (3) SA 363 (D) Erasmus v Pentamed Investments (Pty) Ltd 1982 (1) SA 178 (W) Erf 3183 / 1 Ladysmith (Pty) Ltd v CIR 1996 (3) SA 942 (A) Ex parte De Villiers: In re Carbon Developments (Pty) Ltd (in liq) 1992 (2) SA 95 (W) Ex parte De Villiers: In re Carbon Developments (Pty) Ltd (in liq) 1993 (1) SA 493 (A) Ex parte De Villiers: In re MSL Publications (Pty) Lty (in liq) 1990 (4) SA 59 (W) Ex parte Lebowa Development Corporation Ltd 1989 (3) SA 71 (T) Ex parte McClung 1983 (3) SA 446 (O) Ex parte Strydom NO: In re Central Plumbing Works (Natal) (Pty) Ltd 1988 (1) SA 616 (D) Feldman (Pty) Ltd v Mall 1945 AD 733 Fisheries Development Corporation of SA Ltd v Jorgesen 1980 (4) SA 156 (W) Genwest Batteries (Pty) Ltd v Van der Heyden 1991 (1) SA 727 (T) Gering v Gering 1974 (3) SA 358 (W) Gien v Gien 1979 (2) SA 1113 (T) Gore and Another NNO v Saficon Industrual (Pty) Ltd 1994 (4) SA 536 (W) Gumede v Bandhla Vukani Bakithi Ltd 1950 (4) SA 560 Howard v Herrigel 1991 (2) SA 660 (A) Hülse-Reutter v Gödde 2001 (4) SA 1336 (SCA) Jones v Krok 1996 (1) SA 504 (T), (2) SA 71 (T) Kalinko v Nisbet 2002 (5) SA 766 Langeberg Koöperasie Bpk v Inverdoorn Farming and Trading Co Ltd 1965 (2) SA 597 (A) Lategan v Boyes 1980 (4) SA 191 (T) Lawrence v Lawrich Motors (Pty) Ltd 1948 (2) SA 1029 (W) Le’bergo Fashions CC v Lee and Another 1998 (2) SA 608 (C) Levy v Central Mining and Investment Corp Ltd 1955 (1) SA 141 (A) Lipschitz and Schwartz v Markowitz 1976 (3) SA 772 (W)

396

Entscheidungengesamtverzeichnis

Louw J (Pty) Ltd v Richter 1987 (2) SA 237 (N) Maasdorp v Haddow NO 1959 (3) SA 86 (C) Macadamia Finance BPK v De Wet en andere NNO 1993 (2) SA 743 (A) Madrassa Anjuman Islamia v Johannesburg Municipal Council 1919 AD 439, [1922] 1 AC 500 (PC) Marshall v Marshall (Pty) Ltd 1954 (3) SA 571 (N) Moosa NO v Mavjee Bathawan (Pty) Ltd 1969 (3) SA 131 (T) Moosa v Mavjee Bhawan (Pty) Ltd 1967 (3) SA 131 (T) MV Heavy Metal Belfry Marine Ltd v Palm Base Maritime SDN BHD 1999 (3) SA 1083 (SCA) MV Silvergate Tradax Ocean Transport SA v MV Silvergate Properly described as MV Astyanax 1999 (4) 405 (SCA) MV Stella Tingas: Transnet Ltd t / a Portnet v Owners of the MY Stella Tingas 2003 (2) SA 473 (SCA) Natal Estates Ltd v SIR 1975 (4) SA 177 (A) NBS Bank Ltd v Cape Produce Co (Pty) Ltd 2002 (1) SA 396 (SCA) Nel & Others NNO v McArthur 2003 (4) SA 142 (T) Ngcwase v Terblanche NO 1977 (3) SA 796 (A) Niagara Ltd (in liq) v Langerman 1913 WLD 188 Northern Province Development Corporation v Attorneys Fidelity Fund Board of Control 2003 (2) SA 284 (T) Ochberg v Commissioner for Inland Revenue 1931 AD 215 Orkin Bros Ltd v Bell 1921 TPD 92 Overseas Trust Corporation Ltd v Godfrey 1940 CPD 177 Ozinsky v Lloyd 1992 (3) SA 396 (C) Phame (Pty) Ltd v Paizes 1973 (3) SA 397 (A) Philotex (Pty) Ltd v Snyman 1998 (2) SA 138 (SCA) Pinshaw v Nexus Securities (Pty) Ltd 2002 (2) SA 510 (C) Rand Air (Pty) Ltd v Ray Bester Investments (Pty) Ltd 1985 (2) 345 (W) Redler v Collier & The Cereal Manufacturing Co Ltd 1923 CPD 458 Rentekor (Pty) Ltd v Rheeder and Berman 1988 (4) SA 469 (T) Rex v Gillett 1929 AD 364 Rex v Milne & Erleigh (7) 1951 (1) SA 791 (A) Reynolds v Oosthuizen 1916 WLD 103 Rhenosterkop Copper Co, in re (1908) 18 CTR 931 Rhino Hotel & Resort (Pty) Ltd v Forbes 2000 (1) SA 1180 (W)

Entscheidungengesamtverzeichnis

397

Ritz Hotel Ltd v Charles of Ritz Ltd 1988 (3) SA 290 (A) Robinson v Randfontein Estates Gold Mining Co Ltd 1921 AD 168 R P Crees (Pvt) Ltd v Woodpecker Industries Ltd 1975 (2) 485 (R) Rudman v Road Accident Fund 2003 (2) SA 234 (SCA) R v Bennett & Co (Pty) Ltd 1941 TPD 194 Sage Holdings Ltd v The Unisec Group Ltd 1982 (1) SA 337 (W), 1983 (2) SA 485 (T) Sammel v President Brand Gold Mining Co Ltd 1969 (3) SA 629 (A), (3) SA 699 (W) SAR & H v Marais 1950 (4) SA 610 (A) Simmons NO v Snobberie (Pty) Ltd 1977 (3) SA 451 (W) Simon NO v Mitsui and Co Ltd 1997 (2) SA 475 (W) SIR v Trust Bank of Africa Ltd 1975 (2) SA 652 (A) Skjelbreds Rederi v Hartless 1982 (2) SA 710 (A) Standard Bank of SA v Nair 2001 (1) SA 998 (D) Steenkamp v Webster 1955 (1) SA 524 (A) S v Coetzee 1997 (3) SA 527 (C) S v Nicolaou 1970 (4) SA 258 (E) Tati Co. Ltd v Collector of Income Tax, Botswana, 37 SATC 68 Terblanche NO v Damji & Another 2003 (5) SA 489 (C) The Shipping Corporation of India v Evdomon 1994 (1) SA 550 (A) The Unisec Group Ltd v Sage Holdings Ltd 1986 (3) SA 259 (T) Tjospomie Boerdery (Pty) Ltd v Drakensberg Botteliers (Pty) Ltd 1989 (4) SA 31 (T) Valentino Blobe BV v Phillips [1998] 4 All SA 1 (A) Van der Berg v Coopers & Lybrand Trust (Pty) Ltd 2001 (2) SA 242 (SCA) Van Lochen v Associated Office Contracts (Pty) Ltd 2004 (3) SA 247 (W) Vasco Dry Cleaners v Twycross 1979 (1) SA 603 (A) Von Wuldfling Eybers v Soundprops 2587 Investments CC 1994 (4) SA 640 (C) Wackrill v Sandton International Removals (Pty) Ltd 1984 (1) SA 282 (W) Wambach v Macadamia Maizecor Industries (Edms) Bpk 1993 (2) SA 669 (A) Wimbledon Lodge (Pty) Ltd v Gore NO 2003 (5) SA 315 (SCA) Worman v Hughes 1948 (3) SA 495 (A)

398

Entscheidungengesamtverzeichnis 2. England, Schottland

Abbey Malvern Wells Ltd, the v Ministry of Local Government & Planning (ChD 1951) [1951] Ch 728, (1951) 2 All ER 154 Adams v Cape Industries plc (CA 1989) (1990) Ch 433, (1990) 2 WLR 657, [1991] 1 All ER 929 Albazero, the (QBD 1974) [1977] AC 774, [1975] 3 WLR 491, [1974] 2 All ER 906; affirmed by CA (1975) [1977] AC 774, [1975] 3 WLR 491, [1975] 3 All ER 221; affirmed by HL [1976] sub nom. Albacruz v Albazero [1977] AC 774, [1976] 3 WLR 419, [1976] 3 All ER 129 Alec Lobb (Garages) Ltd v Total Oil (Great Britain) Ltd (CA 1984) [1985] 1 WLR 173, [1985] 1 All ER 303 Amalgamated Investment & Property Co (in liq) v Texas Commerce International Bank [1982] QB 84; [1981] 3 WLR 565; [1981] 3 All ER 577; affirming [1981] 2 WLR 554; [1981] All ER 923 Atlas Maritime Co SA v Avalon Maritime Ltd (No 1) (CA 1990) [1991] 4 All ER 769 Bank of Tokyo Ltd v Karon (CA 1984) [1987] AC 45, [1986] 3 WLR 414, [1986] 3 All ER 468 Belmont Finance Corporation Ltd v Williams Furniture Ltd (No 2) (CA 1979) [1980] 1 All ER 393 Bird & Co (London) Ltd v Thomas Cook & Son (Bankers) Ltd (KBD 1937) [1937] 2 All ER 227 Bolton (HL) (Engineering) Co Ltd v Graham (TJ) & Sons Ltd (CA 1956) [1957] 1 QB 159, (1956) WLR 804, [1956] 3 All ER 624 Boulting v Association of Cinematograph Television and Allied Technicians [1963] 1 All ER 716 C Evans & Sons Ltd v Spritebrand Ltd 1985 2 All ER 415 (CA) Christina v Seear (1985) 2 EGLR 128 Customs & Excise Commisioners v Hedon Alpha Ltd [1981] 2 All ER 697 (CA) Daimler Co Ltd v Continental Tyre & Rubber Co (Great Britain) Ltd (HL) [1916] 2 AC 307, [1916–17] All ER 191 DHN Food Distributors Ltd v London Borough of Tower Hamlets [1976] 3 All ER 462, [1976] 1 WLR 852 Ebbw Vale Urban District Council v South Wales Traffic Area Licensing Authority (CA 1951) [1951] 2 KB 366, [1951] 1 All ER 806 EBM Co Ltd Dominion Bank (PC [Ontario CA] 1937) [1937] 3 All ER 555 Ebrahimi v Westbourne Galleries Ltd and others (HL 1972) [1973] AC 360, [1972] 2 WLR 1289, [1972] 2 All ER 492 El Ajou v Dollar Landholdings plc (1994) 1 BCLC 464 (CA)

Entscheidungengesamtverzeichnis

399

English Sewing Cotton Co v IRC [1947] 1 All ER 679 (CA) Fairline Shipping Corporation v Adamson [1974] 2 WLR 824, [1974] 2 All ER 967 (QB) Ferguson v Wilson (1866) 2 Ch App 77, 15 LT 230 Firestone Tyre and Rubber Co Ltd v Llewelling [1957] 1 WLR 464, HL [1956] 1 All ER 561 Flitcroft’s case (1882) 21 ChD 519 Garnac Grain Co Inc v HMF Faure & Fairclough Ltd (HL 1967) (1968) AC 1130, [1967] 3 WLR 143, [1967] 2 All ER 353 Gilford Motors Co Ltd v Horne [1933] Ch 935 (CA) Gramophone & Typewriter Ltd v Stanley (Surveyors of Faxs) [1908] 2 KB 89 (CA) Harold Holdsworth & Co (Wakefield) v Caddies [1955] 1 WLR 352, HL [1955] 1 All ER 725 Houghton & Co v Nothard, Lowe and Wills Lts (CA 1926) [1927] 1 KB 246 (CA), 136 LT 140 [1927] All ER 97; affirmed by HL (1927) [1928] AC 1 In re Duomatic Ltd [1969] 2 Ch 365, [1969] 1 All ER 161 In re (FG) Films Ltd [1953] 1 WLR 483, [1953] 1 All ER 615 (ChD) In re Hellenic & General Trust Ltd [1975] 3 All ER 382 (Ch) In re Southard & Co Ltd [1979] 1 WLR 1198 In re Yenidje Tobacco Co Ltd (CA 1916) 2 Ch 426 Jones v Lipman (ChD 1961) [1962] 1 WLR 832, [1962] 1 All ER 442 Kleinwort Benson Ltd v Malaysia Corporation Bhd (CA 1989) [1989] 1 WLR 379, (1989) 1 All ER 785 Launchbury v Morgans [1971] 2 QB 245 (CA) Lee v Lee’s Air Farming Ltd (1961) AC 12, [1960] 3 All ER 420 (PC) Lennard’s Carrying Co Ltd v Asiatic Pretoleum Co Ltd [1914–15] All ER 280 Lewis Trust v Bambers Stores Ltd [1983] FSR 453 (CA) Littlewoods Mail Order Stores Ltd v Commissioners of Inland Revenue (CA 1969) [1969] 1 WLR 1241, [1969] 3 All ER 855 (sub nom. Littlewoods Mail Order Stores Ltd v McGregor) Littlewoods Organisation Ltd v Harris [1978] 1 All ER 1026 (CA) Lloyd v Grace, Smith & Co [1912] AC 716 (HL) Lonrho Ltd v Shell Petroleum Co Ltd [1980] QB 358, [1980] 2 WLR 367, affirmed [1981] 2 All ER 456, [1980] 1 WLR 627 Lubbe v Cape Plc (No 2) [2000] 4 All ER 268 (HL) Lumley v Gye (1853) 2 E & B 216

400

Entscheidungengesamtverzeichnis

Merchandise Transport Ltd v British Transport Commission (CA 1961) [1962] 2 QB 173, [1961] 3 All ER 495 Meridian Global Funds Management Asia Ltd v Securities Commission [1995] 3 All ER 918 (PC), [1995] 2 AC 500 Multinational Gas and Petrochemical Co v Multinational Gas and Petrochemical Services [1983] 1 Ch 258, CA, [1983] 3 WLR 492, [1983] 2 All ER 563 (CA) Nottingham v Altridge [1971] 2 QB 739 Pegler v Craven [1952] 1 All ER 685 CA Percival v Wright [1902] 2 Ch 421 Rainham Chemical Works Ltd v Belvedere Fish Guano Co [1921] 2 AC 465 (HL) Re Hellenic & General Trust Ltd [1975] 3 All ER 382 (ChD) Re Hilckes, ex parte Muhesa Rubber Plantations Ltd [1917] KB 48 Re Leadenhill General Stores Ltd [1971] 115 Sol.J. 202 Re Produce Marketing Consortium Ltd [1989] 3 All ER 1 (Ch) Reed v Nova Securities Ltd (HL 1985) [1985] 1 WLR 193, [1985] 1 All ER 686 Revlon Inc v Cripps and Lee Ltd 1980 FSR 85, 124 Sol Jo 184 (CA) Roberta (The) [1937] 58 LI LR Rep 159 R v Great North of England Railway Co (1846) 9 QB 315 Salomon v A Salomon & Co Ltd (HL 1896) [1897] AC 22, [1895–96] All ER Rep 33; reversing CA (1895 sub nom. Broderip v Salomon) [1895] 2 Ch 323, ChD (1895 sub nom Broderip v Salomon) [1895] 2 Ch 323 Scottish Co-operative Wholesale Society Ltd v Meyer [1959] AC 324 HL (Sc), [1958] 3 WLR 404, [1958] 3 All ER 66 Smith, Stone & Knight Ltd v Birmingham Corporation (KBD 1939) [1939] 4 All ER 116 Snook v London & West Riding Investments Ltd (CA 1967) [1967] 2 QB 786, [1967] 2 WLR 1020, [1967] 2 All ER 518 Southern v Watson [1940] 3 All ER 439 (CA) The Abbey Malvern Wells Ltd v Minister of Town and Country Planning [1951] 2 All ER 154 (Ch) The Lady Gwedolen [1965] 2 All ER 283 (CA) The Polzeath [1916] P 241 The St Tudno [1916] P 291 Thomson & Co v Deakin [1952] All ER 361 Trebanog Working Men’s Club & Institute Ltd v Macdonald [1940] 1 KB 576, [1940] 1 All ER 454 Truculent HMS, The Admiralty v Divina (Owners) [1951] 2 All ER 968

Entscheidungengesamtverzeichnis

401

Tunstall v Steigman [1962] 2 QB 593, CA, [1962] 2 WLR 1045, [1962] 2 All ER 417 Wallersteiner v Moir (No 1); Moir v Wallersteiner and others (CA 1974) [1974] 1 WLR 991, [1974] 3 All ER 217 Wallersteiner v Moir (No 2); Moir v Wallersteiner and others (CA 1975) [1975] QB 373, [1975] 2 WLR 389, [1975] 1 All ER 849 White Horse Distillers Ltd v Gregson Associates Ltd 1984 RPC 61 William Cory & Son Ltd v Dorman Long & Co Ltd [1936] 2 All ER 386 Williams v Natural Life Health Food Ltd [1998] 2 All ER 577 Willis v Association of Universities of the British Commonwealth (CA 1964) [1965] 1 QB 140, [1964] 1 WLR 946, [1964] 2 All ER 39 Winkworth v Edward Baron Development Co Ltd [1986] 1 WLR 1512, [1987] 1 All ER 114 (HL) Woolfson and another v Strathclyde Regional Council (HL 1978) 1978 SC (HL) 90 Wurzel v Houghton Main Home Delivery Service Ltd [1937] 1 KB 380, [1936] 3 All ER 311 (DC) Yenidje Tobacco Co Ltd, re (CA 1916) [1916] 2 Ch 426 Yuille v B & B Fisheries (Leigh) Ltd and Bates (The ,Radiant‘) 1958 LI L Rep 596 Yukong Line Ltd of Korea v Rendsburg Investment Corp of Liberia (The Rialto) [1998] 4 All ER 82, [1998] BCC 870

3. Australien, Kanada, Neuseeland, USA Centrepac Partnership v Foreign Currency Consultants Ltd [1989] 4 NZCLC 64940 Clarkson Co Ltd Co Ltd v Zhelka (1967) 64 DLR (2d) 457 Constitution Insurance Co of Canada v Kosmopoulus (SC of Canada 1987) 34 DLR (4th) 208 Cumberland Holdings Ltd v Washington H Soul Pattison & Co Ltd (SC of New South Wales) [1977] 13 ALR 561, 2 ACLR 307 Dallas v Dallas (British Columbia CA 1960) 24 DLR (2d) 746 De Witt Truck Brokers Inc v W Ray Flemming Fruit Co 540 F2d 681 (4th Cir 1976) Glazer v Commission on Ethics for Public Employees 431 So 2d 752 (La 1983) Hotel Terrigal Pty Ltd v Latec Investments Ltd (No 2) (New South Wales SC 1963) [1969] 1 NSWR 676; affirmed in part of HC Australia (1965) sub nom Late Investment Ltd v Hotel Terrigal Pty Ltd 113 CLR 265 Industrial Equity Ltd v Blackburn Australian HC (1977) 137 CLR 567, 52 Australian LJR 89, 17 ALR 575, 3 ACLR 89 Jeffree v National Companies & Securities Commission (1989) 15 ACLR 217 Kingsman Enterprise v Bakerfield Electric Co 339 So 2d 128 (La App 1st Cir 1976)

402

Entscheidungengesamtverzeichnis

Manley Inc v Fallis (Ontario CA 1977) 38 CPE (2d) 74 Mentmore Manufacturing Co Ltd v National Merchandising Co Ins 1979 89 DLR (3d) 195 Mull v Colt Co 31 FRD 145 (FDNY) 1962 Nicholson v Permakraft (NZ) Ltd (1985) 1 NZLR 242 Pioneer Concrete Services Ltd v Velnah Pty Ltd (New South Wales SC 1986) 5 NSWLR 254, 11 ACLR 108 Spies v The Queen (2000) 173 ALR 529 Spreag v Paeson Pty Ltd (1990) 94 ALR 679 Taylor v Standard Gas and Electrical Co 306 US 307, 59 [1939] Sct 543 Trevor Ivory Ltd v Anderson [1992] 2 NZLR 517 United States v Milwaukee Refrigerator Transit Co [1906] 142 F 247 Walker v Wimborne (1976) 50 Australian LJR 446 Walkovsky v Carlton 223 NE 2d6 (1966) Zaist v Olson 154 Conn 563, 227 A2d 552 (1967) 4. Deutsches Reich / Bundesrepublik Deutschland a) Reichsgericht 58 RGZ 356 („Missbrauch organschaftlicher Vertretungsmacht“) 99 RGZ 232 („Bilanz“) 117 RGZ 257 119 RGZ 126 („Gutgläubig lastenfreier Erwerb“) 130 RGZ 340 („Verwandtschaft“) 134 RGZ 67 136 RGZ 266 142 RGZ 219 143 RGZ 429 145 RGZ 311 („Missbrauch organschaftlicher Vertretungsmacht“) 146 RGZ 385 („Stimmverbot“) 160 RGZ 349 RG 1935 JW 512 („Tivoli“) RG 1938 JW 862 RG 1940 DR 580 („Schmiergeld“)

Entscheidungengesamtverzeichnis

403

b) Bundesgerichtshof 3 BGHZ 316 5 BGHZ 126 12 BGH 318 20 BGHZ 4 22 BGHZ 226 25 BGHZ 115 26 BGHZ 31 31 BGHZ 258 („Lufttaxi / Flugtaxi“) 54 BGHZ 22 („Siedlungsverein“) 58 BGHZ 20 59 BGHZ 64 („Kiesgrube“) 62 BGHZ 216 („Firmenzusatz“) 65 BGHZ 15 („ITT“) 68 BGHZ 312 („Typenhäuser“) (= BGH 1977 NJW 1449) 69 BGHZ 334 („VEBA / Gelsenberg“) 70 BGHZ 331 80 BGHZ 69 („Süssen“) 80 BGHZ 129 („Gervais / Danone“) 81 BGHZ 311 („HeLaBa / Sonnenring“) 87 BGHZ 27 88 BGHZ 344 89 BGHZ 162 („Heumann / Ogilvy“) 90 BGHZ 370 93 BGHZ 146 95 BGHZ 330 („Autokran“) 95 BGHZ 393 102 BGHZ 95 („Bauhandwerkerhypothek – Besteller i. S. d. § 648 BGB“) (= BGH 1988 NJW 255) 103 BGHZ 184 („Linotype“) 105 BGHZ 55 („Lagergrundstück“) 107 BGHZ 7 („Tiefbau“) 109 BGHZ 297 („Haftung des Geschäftsführers aus § 823 Abs. 1 BGB“ – „Baustoff“) 109 BGHZ 327

404

Entscheidungengesamtverzeichnis

115 BGHZ 187 („Video“) 116 BGHZ 37 („Stromlieferung“) 122 BGHZ 123 („TBB“) 125 BGHZ 366 („Vermögensverwaltungsgesellschaft“) (= BGH 1994 NJW 1801) 126 BGHZ 181 127 BGHZ 1 127 BGHZ 17 132 BGHZ 30 142 BGHZ 92 149 BGHZ 10 („Bremer Vulkan“) (= BGH 2002 NJW 1803) 150 BGHZ 61 (= BGH 2002 ZIP 848 = BGH 2002 NJW 1803) 151 BGHZ 181 („KBV“) (= BGH 2002 ZIP 1578 = BGH 2002 NJW 3024) BGH 1958 WM 460 BGH 1960 WM 611 BGH 1961 GmbHR 161 BGH 1964 BB 1273 BGH 1966 WM 491 BGH 1971 NJW 1309 BGH 1971 NJW 1839 („Maklerprovision“) BGH 1973 NJW 1649 („Maklerprovision“) BGH 1974 NJW 1130 („Maklerprovision II“) BGH 1976 GmbHR 208 BGH 1976 WM 449 („Audi / NSU“) BGH 1976 WM 770 BGH 1977 NJW 1449 BGH 1977 NJW 1683 BGH 1977 WM 73 („Verlag“) BGH 1978 BB 1085 BGH 1978 NJW 1001 BGH 1979 JuS 212 BGH 1979 NJW 718 BGH 1979 NJW 2104 („Architekt“) BGH 1979 WM 229 BGH 1980 WM 955

Entscheidungengesamtverzeichnis BGH 1981 BB 750 BGH 1982 WM 1374 BGH 1983 BB 14 BGH 1983 NJW 676 BGH 1984 NJW 2284 BGH 1984 NJW 2473 BGH 1985 NJW 740 (= BGH 1985 BB 77) BGH 1985 NJW 2473 BGH 1986 BB 353 BGH 1986 NJW 188 BGH 1986 NJW 456 („G-Gesellschaften“) BGH 1986 NJW 586 BGH 1986 WM 734 BGH 1986 WM 939 BGH 1987 NJW-RR 335 BGH 1988 DB 1848 BGH 1988 NJW 255 BGH 1988 NJW 1181 BGH 1988 NJW 1789 BGH 1988 NJW 2234 BGH 1988 NJW-RR 2104 („Bauherr“) BGH 1988 WM 756 BGH 1990 GmbHR 212 BGH 1990 WM 505 („Dritter i. S. v. § 123 Abs. 2 BGB“) BGH 1990 NJW 1915 BGH 1990 ZIP 35 BGH 1991 NJW 281 BGH 1992 NJW 2818 BGH 1993 NJW 1200 BGH 1993 NJW 2225 BGH 1994 NJW 446 („EDV-Peripherie“) BGH 1994 NJW 1801 BGH 1994 NJW 3288 BGH 1994 WM 896

405

406

Entscheidungengesamtverzeichnis

BGH 1995 GmbHR 130 BGH 1995 WM 396 BGH 1995 ZIP 1753 BGH 1996 DB 1028 (= BGH 1996 ZIP 637) BGH 1996 NJW 589 BGH 1996 JZ 731 BGH 1997 NJW 943 BGH 2001 NJW 370 BGH 2001 NJW 2716 BGH 2002 NJW 208 BGH 2002 NJW 1803 BGH 2002 NJW 3024 BGH 2002 NZG 914 BGH 2002 NZG 520 BGH 2002 ZIP 848 BGH 2002 ZIP 1578 BGH 2005 BB 232 BGH 2005 BB 286 BGH 2005 NJW 145 BGH 2005 NJW 520 BGH 2005 NJW 914 BGH 2005 NZG 177 BGH 2005 NZG 214 BGH 2005 ZIP 117

c) Bundesarbeitsgericht BAG 1975 DB 307 BAG 1984 DB 1103 BAG 1991 DB 1472 BAG 1991 ZIP 884 BAG 1993 NJW 954 BAG 1993 ZIP 380 BAG 1994 NJW 3244 BAG 1995 ZIP 491

Entscheidungengesamtverzeichnis

407

BAG 1996 AG 232 BAG 1999 AG 376 BAG 1999 NJW 740 BAG 1999 NJW 2299 BAG 1999 NJW 2612 BAG 1999 ZIP 24

d) Bundessozialgericht 19 BSGE 18 45 BSGE 279 56 BSGE 76 („Arbeitsplätzeschaffungsgelder“) (= BSG 1984 NJW 2117 = BSG 1984 ZIP 1217) 75 BSGE 82 BSG 1984 DB 1103 BSG 1984 NJW 2117 BSG 1984 ZIP 1217 BSG 1994 ZIP 1944 BSG 1995 NJW-RR 730 BSG 1996 ZIP 1134 BSG 1997 NJW-RR 94 BSG 1998 NZS 346

e) Oberlandesgerichte, Landgerichte OLG Celle 1999 NZG 728 OLG Dresden 2000 NZG 598 OLG Düsseldorf 1966 NJW 550 OLG Düsseldorf 1972 ZMR 307 („Firmenähnlichkeit“) OLG Düsseldorf 1980 WM 1120 OLG Düsseldorf 1989 NJW-RR 743 („Sonderkonto“) OLG Düsseldorf 1990 GmbHR 44 OLG Düsseldorf 2001 NZG 368 OLG Frankfurt 1980 NJW 1397 OLG Hamburg 1973 BB 1231 („Verlag“) OLG Hamm 1977 NJW 1159 („Firmenauto“)

408

Entscheidungengesamtverzeichnis

OLG Hamm 1984 BB 873 OLG Hamm 1986 GmbHR 384 OLG Hamm 1987 NJW 1030 („Banning“) OLG Karlsruhe 1943 DR 811 OLG Karlsruhe 1978 BB 1332 OLG Köln 1985 GmbHR 358 OLG Köln 1990 DB 1399 („GW“) OLG München 1996 NJW-RR 1134 OLG Nürnberg 1955 WM 1566 („Wechsel“) OLG Nürnberg 1983 BB 1941 OLG Rostock 2004 NZG 385 OLG Stuttgart 1995 NJW-RR 1136 OLG Thüringen 2002 GmbHR 112 LG Köln 1989 ZIP 1565 LG Mannheim 1990 WM 760 („SEN“)

Verzeichnis verwendeter südafrikanischer / britischer Gesetze (statute law) und untergesetzlicher Vorschriften 1. Südafrika a) Gesetze Alienation of Land Act Nr. 68 von 1981 Auditing Profession Act Nr. 26 von 2005 Banks Act Nr. 23 von 1965 Business Names Act Nr. 27 von 1960 Close Corporations Act Nr. 69 von 1984 i. d. F. d. Close Corporations Amendment Act Nr. 25 von 2005 Companies Act Nr. 46 von 1926 Companies Act Nr. 61 von 1973 i. d. F. d. Companies Amendment Act Nr. 20 von 2004 und des Judicial Matters Amendment Act Nr. 22 von 2005. Criminal Procedure Act Nr. 31 von 1917 Criminal Procedure Act Nr. 56 von 1955 Criminal Procedure Act Nr. 51 von 1977 Deposit-taking Institutions Act Nr. 94 von 1990 Expropriation Act Nr. 55 von 1965 Group Areas Act Nr. 36 von 1966 Income Tax Act Nr. 58 von 1962 i. d. F. d. Second Revenue Laws Amendment Act Nr. 34 von 2004 Insolvency Act Nr. 24 von 1936 i. d. F. d. Judicial Matters Amendment Act Nr. 55 von 2005 Insurance Act Nr. 27 von 1943 Motor Vehicle Insurance Act Nr. 29 von 1942 Sale of Land on Instalments Act Nr. 72 von 1971 Stock Exchanges Control Act Nr. 7 von 1947 Stock Exchanges Control Act Nr. 1 von 1985 Supreme Court Act Nr. 59 von 1959 Trade Marks Act Nr. 62 von 1963 Trade Marks Act Nr. 194 von 1993

410 Verzeichnis verwendeter südafrikanischer / britischer Gesetze und Vorschriften Trust Property Control Act Nr. 57 von 1988 Usury Act von 1926 b) Untergesetzliche Vorschriften Practice Note Nr. 2 vom 14. Mai 1996 des South African Revenue Service (SARS) 2. Britannien Companies Act 1948 Companies Act 1980 Companies Act 1985 Companies Act 1989 Companies Directors (Disqualification) Act 1986 Company Securities (Insider Dealing) Act 1985 European Communities Act 1972 Income and Corporation Taxes Act 1988 Insolvency Act 1976 Insolvency Act 1986 Landlord & Tenant Act 1954 Licensing Act 1910 Limited Partnership Act 1907 Merchant Shipping Act 1938 Partnership Act 1890 Social Security Act 1975 Trade Marks Act 1938 Trading with the Enemy Act 1914

Personenverzeichnis Zahlen geben Seitenzahlen an. Kursiv gedruckte Zahlen verweisen auf die Stellen, an denen die betreffende Person besonders behandelt wird. Fundstellen in Gesellschaftsrechtskommentaren sowie Standardlehrbüchern sind nicht ausgewiesen. Atkinson J 152, 159 ff., 174, 181, 339

Drax 26, 33, 76, 81, 91, 92, 98, 136, 145, 253 Drobnig 75, 320 Du Plessis 47, 114 ff., 119, 131, 138, 195, 205

Banerjea 85 ff., 100, 145, 251 Basson J 111 Bauschke 33 Baxt 277 Beck 62, 65 f., 78, 147, 160, 180, 289, 291 Benade 28, 43, 52 ff., 63 f., 70, 74, 164 Berle 287 Beuthin 124, 165, 167, 340, 343 Bitter 30, 32, 37, 39, 87 f., 145, 251, 260 ff., 265, 266 f., 320, 322, 323 Blaurock 265, 321 Boltar 66 f. Botha 148, 154, 156, 161 f., 164, 174, 181, 288, 291, 298 ff., 303, 304, 318

Flannigan 64, 66, 74, 278 Flemming J 28, 43, 44, 47, 55, 69 ff., 101 ff., 114, 117, 122, 129, 133, 189, 209, 239, 340 f. Flume 36, 41 Fourie, J. S. A. 106 ff., 112, 274, 276, 283 Fourie, O. J. S. 107, 271, 277 ff. Friedman J 128, 269

Carteaux 60 f., 331 ff., 333 Claassen, J 111 Comrie J 119 f.

Goldstone JA 110, 111, 150, 269, 270, 271, 272 Grosskopf JA 71, 296

Davids 43, 49, 55, 62 ff., 74, 102, 106, 122, 130, 149, 164, 176, 179, 180, 212, 226, 228, 297, 300, 304, 329, 330, 340 De Koker 26, 107, 116 f., 118, 172 f., 195, 277, 343 Denning 63, 171 f., 288 ff., 294, 299, 300 f., 303 ff., 332 f., 339 Domanski 43 ff., 60 ff., 68, 69, 70, 72, 74, 115, 160, 239

Erlinghagen 37 ff. Erman 37

Haas 87 Havenga 278 Henning 47, 114 ff., 119, 131, 138, 154, 172 f., 205, 343 Hoffman AJ 229, 234 Howie, JA 107, 111, 112 Immenga 31, 32 Joubert 43, 331, 332, 335

412

Personenverzeichnis

Khan-Freund 160 ff. Kiethe 99, 100 Larkin 43 f., 53, 55, 56 ff., 68, 74, 103, 104, 111, 114, 121, 133 f., 189, 206, 209, 222 ff., 226 ff., 241, 301, 330, 333, 341, 375 Le Roux J 43, 67 ff., 107, 122 ff., 143, 187, 224 Luiz 73, 270 Lutter 85, 86, 88, 100, 145, 251

101, 143, 233, 126,

Milo 149, 150, 166, 169 ff., 174, 176, 180, 182, 226, 310 ff., 330, 344, 375 Moorthy 150, 153, 318, 336 Müller-Freienfels 34 ff., 133, 134 Nel J 44, 47, 55, 67, 68, 69 f., 72, 102, 114, 135, 232, 246, 330, 332, 333, 334, 339 Nicholas AJA 155 f., 159, 193, 306 ff. Nirk 250, 252, 253 Ottolenghi 43, 44, 46 f., 49 ff., 101, 104, 106, 108, 129 f., 132 f., 148 f., 151, 173, 175, 176, 190, 210, 287, 302, 329 Pienaar 67, 205, 208, 212 Prentice 153, 165, 167, 175, 311 Rehbinder 31, 36, 80, 96, 134, 143, 252 f. Reinhardt 31, 38 Rixon 228, 290, 303 f. Röhricht 86, 88, 100 Roth 267 Sauermann 107, 113, 122, 148, 151, 156, 160, 161, 162, 175, 212, 311, 320 Schanze 35

Schmitthoff 147, 149, 151, 161, 163, 176, 304 Schön 87 Serick 29 f., 32 f., 55, 185 f., 213 Shaw, LJ 63, 171 f., 288, 294 Siebert 149, 152, 158, 223, 233, 288, 295 Smalberger JA 43, 48, 56, 66, 71 ff., 102, 127 f., 133, 155, 227, 229, 232, 234, 240 ff., 249, 296, 332, 375 Stegman J 107, 169, 271, 280, 344 Stimpel 266, 325 Sugarman 63, 289, 302, 305 Templeman 276 f., 292, 297 f., 315 Ulmer 30, 87 ff., 145, 260, 265 ff., 284 Van den Heever JA 46, 71, 203 Van der Linde 270 Van Dorsten 46, 110, 208, 221, 268, 270 ff., 281, 304 Van Heerden JA 56, 75, 128, 229, 232, 241, 242 f., 296 Van Reenen J 234, 248 f. Vivier JA 41, 270 Webb 63, 289, 302, 305 Wedderburn 304 f. Welling 64 ff., 74, 125 f., 134, 143, 171, 177, 268 Wilhelm 15 f. Winter 37, 38 Wolff 34 Worthington 276 Wunsh J 115, 204 ff., 212 Zulman J/JA 270, 297

Sachwortverzeichnis Zahlen geben Seitenzahlen an. Kursiv gedruckte Zahlen verweisen auf Stellen, an denen der betreffende Begriff besonders behandelt wird. Schlagwortbezeichnungen für deutsche Gerichtsentscheidungen stehen in Anführungszeichen. Adams v Cape Industries 227, 293, 295 ff., 300, 301, 305 f., 310, 318 Adcock-Ingram 57 ff., 155 f., 159, 180, 308 f., 318 Agency approach siehe Agency-Konstruktionen Agency-Konstruktionen – als Fallgruppe des piercing of the corporate veil? 27, 147 ff., 329 f. – Doctrine of undisclosed principal 162 f., 314 – Express agency-Rechtsverhältnisse 156, 180 f., 309 – Hauptanwendungsfall 151 ff. – Inferred agency-Rechtsverhältnisse 157 ff., 174, 180 f. – Kritik an 163 ff., 375 – Ostensible agency (estoppel) 162 ff., 314 – Ostensible authority siehe Ostensible agency – und Control 154 ff. – Voraussetzungen und Formen 151 ff. Albazero siehe The Albazero Alter ego – Abgrenzung zu façade/sham 198 ff., 243, 255, 330 ff., 339 ff. – Abgrenzung zu instrumentality 255, 335 f. – als Fallgruppe des piercing of the corporate veil 136 f., 157 f., 232, 235, 330 ff., 376 – Definition 255, 249, 330 ff.

Alter ego doctrine siehe Instrumentality Alter ego theory siehe Identification theory „Architekt“ 250, 254, 260, 261 Atlas Maritime v Avalon 47 f., 103 Attribution/Imputation of personal characteristics/knowledge/intention (Eigenschafts- und Wissens-/Wollenszurechnungen) – als Fallgruppe des piercing of the corporate veil? 209 ff. – Zurechung von Eigenschaften der directors oder der Gesellschafter 184 ff. – Zurechung von Kenntnis/Wissen der directors oder der Gesellschafter 194 ff. „Audi/NSU“ 140, 237 Auditing Profession Act 281, 284 „Autokran“ 83 f., 144 f., 181, 325 f. Banco de Moçambique 44, 45, 150, 153, 318, 332, 336 Bank of Tokyo v Karoon 293, 294 f., 310 „Banning“ 84 Barkett v SA National Trust 199, 206 Bates v Aviation Insurance 199 f., 204 „Bauhandwerkerhypothek“ 80 „Bauherr“ 98, 254, 261 Bellairs v Hodnett 168, 176, 341 ff. „Bilanz“ 77, 136 f., 232, 340 Billikheid-Test (Benade) 52 ff., 70, 74 f. Binnenhaftungsmodelle – K. Schmidt 39, 41 f. – Wilhelm 39 f.

414

Sachwortverzeichnis

Bolton (Engineering) v Graham 194, 217 Botha v Van Niekerk 28, 43, 44, 47, 55, 57, 67, 69 ff., 74, 102, 104, 122, 129, 133, 135, 136, 189, 209, 231, 238 ff., 254, 340 f. Botha-Test 161, 318 „Bremer Vulkan“ 30, 83 85 ff. 145 f., 181, 251, 263 Cape Pacific v Lubner 1993 (CPD) 44, 47, 55, 60, 62, 67, 69 f., 102 f., 114, 135, 232, 246, 332, 333, 334, 339 Cape Pacific v Lubner 1995 (AD) 43, 48, 56, 62, 66, 67 f., 70, 71 ff., 102 f., 127 ff., 133, 136, 138, 227, 229, 231, 232, 240 ff., 254, 298, 332 Categorisation approach 43 f., 61, 73 f., 135, 239, 329 Cattle Breeders v Veldman 152 f., 180, 234 f., 333, 338 f. Centrepac 118 f. Christina v Seear 45 CIR v Malcomess Properties 193, 217, 319 CIR v Richmond Estates 191 f. Clarkson v Zhelka 123 Close Corporations Act (No. 69 of 1984) – § 63 (a) 121 f., 131, 138, 143, 176, 326 f. – § 63 (c) 174 f., 343 – § 65 26, 48, 57, 133, 222 Companies Act (No. 61 of 1973) – § 36 344 – § 50 121 f., 131, 138, 143, 327 – § 66 26, 51, 171 ff., 343 f. – § 68 (d) 166, 168, 341 – § 247 273 – § 248 273 ff. – § 288 129, 286 – § 344 (f) 270 – § 344 (h) 54, 166 ff., 174 ff., 180, 182, 341 ff. – § 424 26, 60, 105 ff., 131, 138 ff., 225, 270 ff., 316, 376

Control siehe Agency-Konstruktionen Cooper v SA Mutual Life 270, 282 Criminal Procedure Act (No. 51 of 1977) – § 332 203, 210 ff., 217 Cronje v Stone 107 Customs & Excise v Hedon 274 Dadoo v Krugersdorp 71, 187 ff., 213, 224 f., 230 f., 255 Daimler v Continental Tyre 47, 104, 123, 184 ff., 211, 213 DHN 50, 62 f., 130, 171 ff., 181, 288 ff., 297, 300 ff., 310 Die Dros v Telefon Beverages 234, 248 f., 330, 333, 337 Doctrine of undisclosed principal siehe Agency-Konstruktionen Domestic company als Fallgruppe des piercing of the corporate veil 26, 166 ff., 175 f., 340 ff. Durchgriff – allgemeine Durchgriffsfragen 75 ff. – als einheitliches Rechtsinstitut? 29 f. – rechtliche Verankerung 144 ff. Durchgriffshaftung – Abgrenzung zur Konzernhaftung 90 f. – Abgrenzung zur Primärhaftung 91 ff. – Konkurrenzen 88 ff., 100 f., 138 Ebrahimi v Westbourne Galleries 164 ff. Economic entity-Konstruktion – als Fallgruppe des piercing of the corporate veil? 301 ff. – Begriff 287 f. – Kritik an 303 ff., 375 – Rechtsprechung 288 ff., 306 ff., 375 – Voraussetzungen 298 ff. Eigenkapitalersatz 258, 279 ff., 284 Einwirkungsfälle 76, 77 f., 251, 253, 340 Elandsheuwel 191 ff., 217 Enterprise entity siehe Economic entity Entity approach (Larkin) 56 ff. Erasmus v Pentamed 165 f.

Sachwortverzeichnis Erklärungshaftung (Erman) 37 Estoppel siehe Ostensible agency Evasion of a duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent use of a corporate personality – als Fallgruppe des piercing of the corporate veil 27, 136, 222 ff., 376 – Voraussetzungen 223 ff., 376 Existenzvernichtungshaftung – institutioneller Rechtsmissbrauch 27, 143, 222, 249 ff. – Rechtsnatur 87 f. – Voraussetzungen und Rechtsfolge 85 ff. – Zweispurigkeit von Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern und Existenzvernichtungshaftung 88 ff. Ex parte De Villiers: In re Carbon Developments 269, 271 f., 284 Ex parte Lebowa 107, 271, 274 Façade siehe Alter ego Fairline Shipping v Adamson 114, 117 ff. Firestone Tyre and Rubber v Llewelling 161 „Firmenähnlichkeit“ 322, 326 „Firmenauto“ 96 „Firmenzusatz“ 323, 326 „Flugtaxi“ 98, 254, 259, 260 Fraud/Impropriety – als Tatbestandsvoraussetzung der Fallguppe Evasion of a duty (obligation) or prohibition by means of fraudulent use of a corporate personality 44, 223 ff., 376 – Definition 67 f., 72 f., 138 ff., 223 ff., 255, 271 f. – in fraudem legis 224 f., 230 f. Fraud-Test (Lategan v Boyes) 67 f., 74 Fraudulent and reckless trading (§ 424 Companies Act) 26, 105 ff., 131, 138 ff., 225, 270 ff., 316 General formula 43, 55, 66, 71, 74 Genwest Batteries 126, 132, 137, 142

415

Gering v Gering 57, 136, 152 f., 180, 333, 337 f., 340 Gesellschafterdarlehen 258, 279 ff., 284 Gilford v Horne 50, 127, 130, 216, 228, 231, 242, 244, 245 ff., 254, 332, 334 Glazer 61 f. Gower-Test 161 Group (of companies) – Begriff 153 f. – group-Rechtsverhältnisse 128 ff., 137, 151 ff., 162, 169 ff., 176 f., 180 f., 286 ff. Haftung des director – aus § 50 Abs. 3 (b) Companies Act 121 ff. – aus negligence 114 ff. Harold Holdsworth v Caddies 290, 296, 303 Hellenic siehe In re Hellenic „Heumann/Ogilvy“ 76 f., 137, 254 f., 315 Howard v Herrigel 110, 271 Hülse-Reutter v Gödde 73 Identification theory 115, 195 ff., 212, 218 ff., 376 Implied agency-Rechtsverhältnis siehe Inferred agency-Rechtsverhältnis Industrial Equity v Blackburn 286, 305 Inferred agency-Rechtsverhältnisse siehe Agency-Konstruktionen In re (FG) Films Ltd 151, 339 f. In re Hellenic 290 In re Southard 297 f. In re Yenidje 164, 175 Insolvency – Commercial insolvency 269, 284 – Factual insolvency 269, 284 – Insolvent trading 268 ff., 376 – rechtliche Behandlung 270 ff., 376 Insolvenzverschleppungshaftung 268, 282 Instrumentality 52, 64, 152 f., 330, 335 ff. Intermingling of assets 27, 45, 64, 326, 328, 377

416

Sachwortverzeichnis

Jones v Lipman 50, 52, 55, 56, 127, 227, 231 ff., 242, 246, 247, 332 Just and equitable (§ 344 (h) Companies Act) 166, 168 f. Kalinko v Nisbet 107, 111 „KBV“ 30, 83, 85, 88, 100, 138, 145, 181, 251, 311 „Kiesgrube“ 77, 93, 254, 256 Konzern – einfacher 83 ff. – qualifiziert faktischer 83 ff. Konzernaußenhaftung – als Fallgruppe der Durchgriffshaftung? 90 f. – Definition 81 Konzernstufen 82 Konzernunternehmen 81 f. Lategan v Boyes 43, 44, 57, 61, 67 ff., 74, 103, 114, 122 ff., 132, 138, 143, 187, 213, 223 f., 233, 246 Le’bergo v Lee 126, 127, 1132, 136, 233, 244 f., 254 Lennard’s Carrying v Asiatic Petroleum 104, 194, 195 ff., 204, 222 Levy v Central Mining 46, 199 f., 204, 206, 222 Lifting-Leiter (Ottolenghi) 49 f., 210, 302 „Linotype“ 140, 237 Littlewoods Organisation v Harris 291 Lonrho 203, 293, 294, 299 Louw v Richter 126, 233 f., 246, 247, 254 „Lufttaxi“ siehe „Flugtaxi“ „Maklerprovision“ 80, 137, 315 Malcomess Properties siehe CIR v Malcomess Properties Manley Inc v Fallis 291 Mentmore Manufacturing 115, 117 Moorthy-Test 150, 318 Moosa v Mavjee 165, 168 Multi-factor equity-Test (Davids) 62 ff., 74

Multinational v Multinational 154, 293, 294, 300, 305, 310 Negligence siehe Primärhaftung Nel v McArthur 107, 111 Ngcwase v Terblanche 46, 202, 204 Nicholson v Permakraft 276 Objectified balancing-Test (Domanski) 60 ff. Onduldbare onreg-Test (Flemming) 44, 55, 69 ff., 74 f., 133, 239 Organhaftung – deliktische Haftung des Organs 114 ff. – Wilhelms Organhaftung 39 ff. Organisationsfehlerhaftung (Erlinghagen) 37 ff. Orkin v Bell 57, 68 f., 94, 105, 113 f., 123, 131, 143 Ostensible assent siehe Primärhaftung Ostensible authority siehe Agency-Konstruktionen Overseas v Godfrey 187 f., 213 f. Partnership analogy 164 ff., 181 ff., 182 f., 343 ff. – als piercing of the corporate veil? 174 ff. – Voraussetzungen 166 ff. Partnership approach (Milo) bei verbundenen Gesellschaften 169 ff., 181, 310, 375 – als piercing of the corporate veil? 174 ff. – Kritik am 173 f. – rechtliche Stützen 171 ff. – Voraussetzungen 170 f. Pennington-Test 160 f. Philotex v Snyman 107, 111, 112, 268, 316 Piercing of the corporate veil – Abgrenzung zur Primärhaftung 105 ff. – als einheitliches Rechtsinstitut? 42 ff. – echtes 102

Sachwortverzeichnis – Eigenständiges piercing betreffend groups of companies? 128 ff. – Gesetzesrechtliches (statutory) 26, 52, 104 f., 107, 110, 122, 131, 135, 172 f., 175, 212, 282, 327 – rechtliche Verankerung 147 ff. – unechtes 102 ff. Pinshaw v Nexus 114, 119 ff. Pioneer Concrete v Velnah 247 Primärhaftung – aus culpa in contrahendo 92, 93 ff., 100, 282, 314 – aus Delikt 97 f. – aus gesetztem Rechtsschein 92, 96 f., 81, 122, 137 f., 143, 321 f. – aus venire contra factum proprium 92, 96 f., 137, 252, 321, 322 – rechtsgeschäftliche 92 f. – Verhältnis zur Durchgriffshaftung 100 f. Principles approach (Beck) 147, 182 Rand Air 167 f. Rechtsfolgendurchgriffe, sonstige 70 f., 253 Rechtsmissbrauch – individueller 92, 252 f. – institutioneller siehe Existenzvernichtungshaftung Re Hilckes, ex parte Muhesa Rubber Plantations 186 Revlon 291 f., 302, 307 ff., 318 Rex v Gillett 57, 123, 230 f. Rhino Hotel v Forbes 333 Richmond Estates siehe CIR v Richmond Estates Ritz v Ritz 57, 129, 151, 155, 159, 180, 291, 302, 306 ff., 318 Roberta siehe The Roberta Robinson v Randfontein 57, 112, 235 ff., 257, 279, 334 RP Crees v Woodpecker 104, 135, 153, 155, 156, 157, 180, 338 ff. Rudman v Road Accident Fund 334

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Salomon v Salomon 44, 46, 54, 59, 71 f., 147, 149, 152, 154, 162, 163, 211, 285, 290, 305, 307 Scottish Co-operative Wholesale Society 290 „Siedlungsverein“ 93 Simmons v Snobberie 45, 57, 327 ff. Simon v Mitsui 115, 195, 203 ff., 209, 210, 212, 217, 222, 282, 316 Smalberger-Test 43, 66, 71 ff., 74 f., 375 Smith, Stone & Knight Ltd v Birmingham 152, 154, 157, 159 f., 288, 318, 339 Snook v London 228 „Sonderkonto“ 94, 99, 113 Spreag v Paeson 163 „Stimmverbot“ 77 Subjektvermischung 95 f., 320 ff., 338 „TBB“ 85, 88 The Albazero 293, 295, 308 The Lady Gwendolen 195 ff., 218, 222 The Roberta 290 The Shipping Corporation of India v Evdomon 67 f., 71, 73, 74, 228 f., 296 Thin capitalisation 268 „Tiefbau“ 84, 98 „Tivoli“ 98, 99 Trebanog Working Men’s Club 177 ff. Trevor Ivory v Anderson 117 ff. Truculent 195 f. Trusteeship approach 177 ff. Tunstall v Steigman 45, 151, 304 „Typenhäuser“ 261 ff. Ulmer’sche Formel 260, 284 Undercapitalisation siehe Thin capitalisation United States v Milwaukee Refrigerator 55, 246 Unterkapitalisierung – materielle 239 f., 258 ff., 283 f., 377 – nominelle 259 f., 283 f.

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Sachwortverzeichnis

– rechtliche Behandlung 260 ff. Unternehmen siehe Konzernunternehmen Valentino v Phillips 156 Van den Berg v Coopers 204, 206 „Verlag“ 259 Vermögensvermengung – als Fallgruppe des Durchgriffs 27, 45, 143, 145, 264, 322 ff., 340, 377 – Tatbestand 320, 323 f. „Vermögensverwaltungsgesellschaft“ 324 ff., 328 Vertragskonzern 82 f. Vicarious liability 65, 194 ff., 206 ff., 217, 219 ff., 376 „Video“ 84 Walker v Wimborne 276 Walkovsky v Carlton 250 Wallersteiner v Moir 129, 152, 157 f., 332 f., 339

Wambach v Macadamia 296, 310, 318 Waschkorblage 320, 325 „Wechsel“ 312 Wettbewerbsverbote 65, 76, 105, 125 ff., 132, 247, 253 ff., 291, 376 f. Williams v Natural Life 117 ff. Willis v Association of Universities of the British Commonwealth 151 Wimbledon Lodge v Gore 190 Winkworth v Edward 108, 117, 141, 276 ff. Wirtschaftliche Personenidentität 76, 79 f. Woolfson v Strathclyde 227, 293 f., 305 Wurzel v Houghton 179 Zaist v Olson 335 f. Zurechung – Zurechnungsdurchgriff 25 f., 29, 31, 58, 76 ff., 101, 136 f., 177, 213, 375 – Zurechnungsfälle 78 f.