Der Amtsträger als Beschuldigter: Eine Untersuchung zur Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht als Mittel der Verteidigung im Strafverfahren [1 ed.] 9783428554577, 9783428154579

Sieht sich der Amtsträger mit der Durchführung eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens konfrontiert, treffen zwei Gr

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Der Amtsträger als Beschuldigter: Eine Untersuchung zur Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht als Mittel der Verteidigung im Strafverfahren [1 ed.]
 9783428554577, 9783428154579

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Schriften zum Strafrecht Band 326

Der Amtsträger als Beschuldigter Eine Untersuchung zur Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht als Mittel der Verteidigung im Strafverfahren

Von

Martin Schäfer

Duncker & Humblot · Berlin

MARTIN SCHÄFER

Der Amtsträger als Beschuldigter

Schriften zum Strafrecht Band 326

Der Amtsträger als Beschuldigter Eine Untersuchung zur Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht als Mittel der Verteidigung im Strafverfahren

Von

Martin Schäfer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D21 Alle Rechte vorbehalten © 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-15457-9 (Print) ISBN 978-3-428-55457-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85457-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

In dankbarer Erinnerung Dr. Ansgar Schäfer

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017 / 2018 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 21. Dezember 2017 statt. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Dezember 2017 berücksichtigt werden. Zuvorderst möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Bernd Heinrich, an dessen Lehrstuhl ich während der Erstellung der Arbeit tätig war, herzlich danken. Die herausragende fachliche Betreuung, die vielen persönlichen Gespräche, aber auch die kritischen Anmerkungen, die mich immer wieder dazu anhielten, die eigenen Schlussfolgerungen zu hinterfragen, haben den Grundstein für meine eigene wissenschaftliche Arbeit gelegt. Für die ausgesprochen zügige Erstellung des Zweitgutachtens möchte ich mich bei Professor Dr. Jörg Kinzig besonders bedanken. Die Anfertigung der Arbeit wäre mir nicht möglich gewesen ohne den Rückhalt und die immerwährende Unterstützung meiner Familie. Mein großer Dank gilt daher meinen Eltern Krystyna und Dr. Ansgar Schäfer sowie meinen Geschwistern Dr. Rita Schäfer und Dr. Norbert Schäfer. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Ehningen, im April 2018

Martin Schäfer

Inhaltsverzeichnis Einleitung 

21

§ 1 Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 § 2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Erstes Kapitel

Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers 

§ 3 Begriff des Amtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beamter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung . . . . . . . . . . 1. Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufgaben der öffentlichen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hoheitsrechtliche Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eingriffsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leistungsverwaltung (insbesondere Daseinsvorsorge) . . . . . . cc) Bedarfsverwaltung und erwerbswirtschaftliche Tätigkeit  . . b) Bestellungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Form und Inhalt der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bei einer Behörde oder sonstigen Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Im Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mandatsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mitglieder kommunaler Selbstverwaltungsorgane . . . . . . . . . cc) Soldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 27 28 30 32 36 38 39 43 44 45 46 48 50 52 53 54 56 56 56 57

§ 4 Die rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . 58 I. Das geschützte Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Die allgemeine Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers . . . . . . . . . . . 60 1. Beamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Historische Entwicklung der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 aa) Frühe vereinzelte Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

10 Inhaltsverzeichnis bb) Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten . . . . . . . cc) Reichsbeamtengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Deutsches Beamtengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Neuregelung in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . b) Rechtliche Grundlagen der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . b) Beratungsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschwiegenheitspflicht bei organisatorischer Eingliederung . . . b) Verschwiegenheitspflicht bei Beauftragung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Spezielle Verschwiegenheitspflichten des Amtsträgers . . . . . . . . . . . . . . IV. Drittgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 64 66 67 69 72 74 74 75 77 77 81 81 85 86 88

§ 5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Zweites Kapitel

Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren 

90

§ 6 Der Amtsträger als Zeuge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechte und Pflichten des Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aussagegenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antragsstellung durch die vernehmende Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Genehmigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Folgen der Versagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechte und Pflichten des Beschuldigten im Strafverfahren . . . . . . . . . . 1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht auf Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Recht auf ein faires Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und Anspruch auf den gesetzlichen Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aussagegenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften  . . . . . . . 3. Antragsstellung durch den Beschuldigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

104 104 106 112 113 116 118 119 121 127

Inhaltsverzeichnis11 III. Genehmigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 IV. Folgen der Versagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 § 8 Exkurs: Vergleich zu anderen Geheimnisträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beschäftigte eines Unternehmens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berufsgeheimnisträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht  . . . . . . . . . . . . 2. Schutz des Privatgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133 133 137 137 138

§ 9 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Drittes Kapitel

Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers 

§ 10 Rechtsschutz gegen die Versagung der Aussagegenehmigung . . . . . . . . . I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsmittel des Beamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anforderungen an die Darstellung der Versagungsgründe . . . . . . . . . . . IV. „In-camera“-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 11 Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 § 12 Anspruch auf Entbindung von der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 § 13 Konsequenz: Aussetzung des Strafverfahrens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 § 14 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Viertes Kapitel

Die Sanktionierung von Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht  157

§ 15 Allgemeiner Geheimnisbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 § 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verletzung von Dienstgeheimnissen (§ 353b Abs. 1 StGB) . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung von Privatgeheimnis und Amtsgeheimnis . . . . . . . . . . . 2. Schutzzweck  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dienstgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kenntniserlangung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unbefugte Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zustimmung zur Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Offenbarungspflicht und Offenbarungsbefugnis . . . . . . . . . . cc) Einordnung des Merkmals „unbefugt“ als normatives Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161 162 163 165 166 166 170 170 173 174 174

12 Inhaltsverzeichnis dd) Restriktive Auslegung und teleologische Reduktion des Merkmals „unbefugt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 ee) Einschränkung des Merkmals „unbefugt“ im Wege der Sozialadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 ff) Besonderheiten im Fall der Aussagegenehmigung . . . . . . . . 181 (1) Verwaltungsaktsakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (2) Rechtswidrige Aussagegenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (3) Rechtswidrige Versagung der Aussagegenehmigung . . . 188 (4) Genehmigungsfähigkeit des Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . 189 (5) Irrtümer in Bezug auf die Aussagegenehmigung . . . . . . 190 gg) Behördliche Duldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (1) Abgrenzung der behördlichen Duldung zu anderen Rechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (2) Rechtsgrundlagen und Formen der behördlichen Duldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (a) Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (b) Aktive und passive Duldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (3) Auswirkungen der Duldung auf die verwaltungsrecht­ liche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (a) Legalisierungswirkung der rechtmäßigen Duldung . 198 (b) Legalisierungswirkung der rechtswidrigen Duldung  199 (4) Die Auswirkungen der Duldung auf die Beurteilung der Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 hh) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Gefahr für wichtige öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Konkrete Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Wichtige öffentliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Wichtige öffentliche Interessen bei Versagung der Aussagegenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 d) Konkrete Gefahr bei Ausschluss der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . 208 5. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 6. Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 7. Verfahrensvoraussetzung und Nebenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 II. Verletzung von Staatsgeheimnissen (§§ 93 ff. StGB) . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Begriff und Schutzzweck des Staatsgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . 214 2. Objekt des Staatsgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3. Geheimhaltungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 III. Sonstige in Betracht kommende Straftatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Schutz des Steuergeheimnisses (§ 355 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Strafrechtrechtlicher Schutz persönlicher Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IV. Exkurs: Bestechlichkeit (§ 332 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Schutzzweck  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Diensthandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Inhaltsverzeichnis13 a) Strafbare Diensthandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorteil und Unrechtsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

221 222 222 223

§ 17 Außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Disziplinarrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verletzung der Verschwiegenheitspflicht als Dienstvergehen . . . . b) Disziplinarmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gewichtung des Dienstvergehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schweres Dienstvergehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verletzung der Verschwiegenheitspflicht als schweres Dienstvergehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bindungswirkung des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Verlust der Beamtenrechte als Folge des Strafurteils . . . . . . 2. Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonstige Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224 224 225 226 227 227 230 230 232 233 234 235 236

§ 18 Exkurs: Regress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 § 19 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Fünftes Kapitel

Die Rechtfertigung oder Entschuldigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht 

241

§ 20 System der Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 § 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwehr (§ 32 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundprinzipien des Notstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Utilitaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Solidaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorrang gesetzlicher Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit des Notstandsrechts im Fall des beschuldigten Amtsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gerichtliche Überprüfung der Aussagegenehmigung . . . . . . bb) Fehlende Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung . . . . . . cc) Vereitelung der Erteilung durch den Amtsträger . . . . . . . . . . dd) Unterlassene gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Untätigkeit der Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

245 245 248 250 252 257 258 262 267 268 271 275 277 278

14 Inhaltsverzeichnis ff) Kein Ausschluss des Notstandsrechts bei nicht erforder­ licher Aussagegenehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 3. Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes . . . . . . . . . . . . . . . 281 a) Notstandslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 aa) Notstandsfähiges Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 bb) Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . 284 cc) Gegenwärtigkeit der Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 dd) Ergebnis zum Bestehen einer Notstandslage . . . . . . . . . . . . . 292 b) Notstandshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 aa) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 cc) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 dd) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 IV. Rechtfertigende Pflichtenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 V. Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte als Rechtfertigungsgrund . 305 § 22 Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 § 23 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Ansicht

ABl.

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Abs. Absatz AcP

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a. F.

alte Fassung

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AG Aktiengesellschaft AktG Aktiengesetz Alt. Alternative Anh. Anhang Anm. Anmerkung AnwK Anwalt-Kommentar AO Abgabenordnung AöR

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AufenthG Aufenthaltsgesetz Aufl. Auflage Ausg. Ausgabe BAG Bundesarbeitsgericht BAT Bundes-Angestelltentarifvertrag Bay Bayern BayBG

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BayObLG

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Bayerische Verwaltungsblätter

BB Betriebsberater BBG Bundesbeamtengesetz BDG Bundesdisziplinargesetz BDO Bundesdisziplinarordnung BDSG Bundesdatenschutzgesetz

16 Abkürzungsverzeichnis BeamtStG Beamtenstatusgesetz BeckRS Beck-Rechtsprechung Beschl. Beschluss BetrVG Betriebsverfassungsgesetz BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGH in Strafsachen

BGHZ

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Besonderer Teil

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BW Baden-Württemberg DBG

Deutsches Beamtengesetz

DDR

Deutsche Demokratische Republik

ders. derselbe dies. dieselbe DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DRiG

Deutsches Richtergesetz

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EGStGB

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis17 Einl. Einleitung EL. Ergänzungslieferung EMRK Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten EuBestG Gesetz zu dem Protokoll vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften f. folgende ff. folgende FG Festgabe FGO Finanzgerichtsordnung FS Festschrift GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht GemO-BW Gemeindeordnung für Baden-Württemberg GemO-BY Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern GemO-NRW Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen GG Grundgesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GOBT Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht HRRS Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz i. d. F. in der Fassung IFG Informationsfreiheitsgesetz i. S. d. im Sinne des i. V. m. in Verbindung mit JA Juristische Arbeitsblätter JURA Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kammergericht KJ Kritische Justiz KorrBekG Gesetz zur Bekämpfung der Korruption LAG Landesarbeitsgericht LBG-BW Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg

18 Abkürzungsverzeichnis LDG-BW Landesdisziplinargesetz Baden-Württemberg LDSG-BW Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg LG Landgericht LK Leipziger Kommentar LPK Lern- und Praxiskommentar LRiStAG Landesrichter und -staatsanwaltsgesetz MDR Monatsschrift des Deutschen Rechts MedR Medizinrecht MiStra Mitteilung in Strafsachen MMR Multimedia und Recht MuBO Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte der Bundesärztekammer MüKo Münchener Kommentar m. w. N. mit weiteren Nachweisen Neudr. Neudruck n. F. neue Fassung NJ Neue Justiz NJW Neue Juristische Wochenschrift NK Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-RR Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungs-Report NZA-RR Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungs-Report NZWiSt Neue Zeitschrift Wirtschafts-, Steuer-, u. Unternehmensstrafrecht öAT Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht OWiG Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ParlStG Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre Pr. ALR Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten RAbgO Reichsabgabenordnung RBG Reichsbeamtengesetz

Abkürzungsverzeichnis19 RegE Regierungsentwurf RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung RStGB Reichsstrafgesetzbuch S. Satz, Seite s. siehe SEV Sammlung Europäischer Verträge SG Soldatengesetz SGB I Sozialgesetzbuch Erstes Buch (I) SGO Sozialgerichtsordnung SK Systematischer Kommentar s. o. siehe oben sog. sogenannten, sogenannter, sogenannte SSW Satzger / Schmitt / Widmaier StA Staatsanwaltschaft StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung StraFo Strafverteidiger Forum StSG Gesetz über die Rechtsverhältnisse der politischen Staatssekretäre StVG Straßenverkehrsgesetz TV-L Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder TVöD Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst u. und u. a. unter anderem Urt. Urteil UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. von, vom VBlBW Verwaltungsblätter Baden-Württemberg VerpflG Gesetz über die Verpflichtung nichtbeamteter Personen VerwArch Verwaltungsarchiv VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof Vor Vorbemerkung

20 Abkürzungsverzeichnis VR Verwaltungsrundschau VS Verschlusssache VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WBeauftrG Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages wistra Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht WM Wertpapier Mitteilungen WRV Die Verfassung des Deutschen Reichs z. B. zum Beispiel ZBR Zeitschrift für Beamtenrecht Ziff. Ziffer ZIS Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik ZJS Zeitschrift für das juristische Studium ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einleitung § 1 Problemdarstellung „Manche sitzen zwischen den Stühlen, der beschuldigte Amtsträger zwischen den Grundsätzen. Es geht ihm dort nicht gut. Noch schlechter dem BestimmtheitsGrundsatz.“

So lautet das ernüchternde Fazit von Bohnert am Ende seines Aufsatzes,1 in dem er sich mit der Problematik des Amtsträgers als Beschuldigter befasste und der zugleich Anlass dazu gab, das Thema aufzugreifen und näher zu beleuchten. Sieht sich der Amtsträger mit einem Strafverfahren konfrontiert, steht er in der Tat zwischen zwei Grundsätzen, die sich auf den ersten Blick unvereinbar gegenüberstehen. Zum einen ist der Amtsträger verpflichtet, seine ihm obliegende Verschwiegenheitspflicht zu wahren und zum anderen gehört es zu den grundlegenden Rechten eines jeden Beschuldigten, sich zu den erhobenen Vorwürfen umfänglich und ohne Einschränkungen äußern zu dürfen. So selbstverständlich uns dieses Recht erscheint, verlangt die Verschwiegenheitspflicht vom Amtsträger grundsätzlich auch dann zu schweigen, wenn er Beschuldigter eines Strafverfahrens ist. Bezieht sie sich nun aber auf eine Angelegenheit, die den Tatvorwurf widerlegen könnte, befindet sich der Amtsträger in einer misslichen Lage, denn es ist ihm verboten, die entlastenden Umstände vorzubringen. Angesichts der drohenden Verurteilung drängt sich geradezu die Frage auf, ob er das geschützte Geheimnis offenbaren darf, um sich verteidigen zu können. Die damit einhergehende Verletzung der Verschwiegenheitspflicht bedeutet aber zugleich, dass sich der Amtsträger der Gefahr der erneuten Strafverfolgung aussetzt, wenn sein Verhalten nicht gerechtfertigt oder entschuldigt ist. Auf den ersten Blick scheint die Antwort auf diese Frage schnell gegeben zu sein. Natürlich muss sich der Amtsträger in dieser Situation auf Rechtfertigungsgründe berufen können. So jedenfalls die weit überwiegende Meinung im bekannten Fall des Berufsgeheimnisträgers, der seine Verschwiegenheitspflicht verletzt, um von sich oder einem Dritten Schaden abzuwenden.2 Bei 1  Bohnert,

NStZ 2004, 301 (309). BGH Urt. v. 9.10.1951  – 1 StR 159 / 51, BGHSt 1, 366 (368); BGH Urt. v. 28.10.1960 – 4 StR 375 / 60, BGHSt 15, 200 (202); Lackner / Kühl, § 203 Rn. 25; LK-Schünemann, 12. Aufl., § 203 Rn. 134; Matt / Renzikowski / Altenhain, § 203 Rn. 39; SSW-StGB / Bosch, § 203 Rn. 40; a. A. Schumann, S.  321 ff. 2  Grundlegend:

22 Einleitung

genauerer Betrachtung entpuppt sich das Problem im Fall des beschuldigten Amtsträgers aber als weitaus vielschichtiger. Am Ende der Untersuchung wird die Antwort aber überraschend klar ausfallen. Dass es sich bei der Ausgangsfrage nicht nur um ein theoretisches Pro­ blem handelt, zeigt eine jüngere Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2007.3 Der Angeklagte war Beamter und wurde beschuldigt, eine Vielzahl an unterschiedlichen Straftaten während seiner dienstlichen Tätigkeit begangen zu haben. Zu den erhobenen Vorwürfen durfte er sich allerdings nicht äußern, weil ihm sein Dienstherr aus Geheimschutzgründen keine Aussagegenehmigung erteilt hatte. Das in erster Instanz zuständige Landgericht ging aufgrund dessen davon aus, dass der Verurteilung ein Verfahrenshindernis entgegenstand und stellte das Verfahren dementsprechend ein. Über die eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft musste der BGH zwar nicht in der Sache entscheiden, weil sie allein auf die Verletzung formellen Rechts gestützt war und nicht in zulässiger Form erhoben wurde, gleichwohl hielt er eine Verurteilung des Angeklagten trotz des Äußerungsverbots nicht von vornherein für ausgeschlossen.4 Keine durchgreifenden Bedenken zeigte der BGH in einer früheren Entscheidung, in der sich der beschuldigte Amtsträger ebenfalls aufgrund einer nur eingeschränkt erteilten Aussagegenehmigung nicht vollumfänglich zum Tatvorwurf äußern durfte und trotzdem verurteilt wurde.5 Die angestoßene Thematik erinnert an das Problem, in welchem Umfang die Exekutive aus Geheimschutzgründen durch die Sperrung von Beweismitteln Einfluss auf das Strafverfahren nehmen darf, wirft aber aufgrund der Stellung des Amtsträgers als Beschuldigter eine Vielzahl an neuen recht­ lichen Fragestellungen auf, die sich beileibe nicht nur auf das Strafrecht beschränken. Bedingt durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse innerhalb der verschiedenen Personengruppen der „Amtsträger“ muss die Ausgangsfrage aus unterschiedlichen Perspektiven beurteilt werden. Es wird sich zeigen, dass die Antwort für alle vom Amtsträgerbegriff umfassten Personengruppen im Ergebnis zwar gleich ausfällt, sich jedoch in ihrer Begründung deutlich unterscheidet. Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Geheimnisbruchs darf dabei nicht isoliert für sich erfolgen, sondern muss stets im Blick behalten, dass der Amtsträger als Beschuldigter am Strafverfahren, wenn auch unfreiwillig, beteiligt ist. Dieser Punkt ist es auch, der den wesentlichen Unterschied zu den bereits bekannten Fällen darstellt. Diesen lag stets der Fall zugrunde, dass der Geheimnisbruch bereits Gegenstand des 3  BGH

Beschl. v. 5.6.2007 – 5 StR 383 / 06, NJW 2007, 3010. Beschl. v. 5.6.2007 – 5 StR 383 / 06, NJW 2007, 3010 (3012). 5  BGH Urt. v. 9.12.1988 – 2 StR 279 / 88, BGHSt 36, 44 (48 ff.); nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass weite Teile dieses Urteils nahezu wortgleich in der neueren Entscheidung übernommen wurden. 4  BGH



§ 2 Gang der Untersuchung23

Verfahrens war und nicht erst im Verfahren erfolgen soll. Die Beteiligung des Amtsträgers als Beschuldigter am Strafverfahren wird daher in zweierlei Hinsicht von entscheidender Bedeutung sein. Zum einen muss der Frage nachgegangen werden, wie sich die Verschwiegenheitspflicht auf das Strafverfahren auswirkt und zum anderen ist von Interesse, wie die Beteiligung als Beschuldigter die Frage der Rechtfertigung oder der Schuld beeinflusst. Die Anknüpfung an den Amtsträgerbegriff verlangt zugleich eine Beschränkung der Fragestellung auf eine bestimmte Fallkonstellation, denn der Amtsträger kann aus ganz unterschiedlichen Gründen zur Verschwiegenheit verpflichtet sein. So ist der Amtsträger nicht nur gegenüber seinem Dienstherrn zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit verpflichtet, sondern auch gegenüber einem Dritten, wenn es sich um ein geschütztes Privatgeheimnis handelt. Es liegt auf der Hand, dass sich die Frage der strafrechtlichen Bewertung des Geheimnisbruchs zu Verteidigungszwecken auch danach beurteilt, in wessen Interesse die Verschwiegenheitspflicht besteht. Die Untersuchung will sich darauf konzentrieren, der Frage nachzugehen, ob die Verletzung derjenigen Verschwiegenheitspflicht gerechtfertigt sein kann, die ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht. Auf die anderen Konstellationen soll hingegen nur am Rande zu Vergleichszwecken eingegangen werden.

§ 2 Gang der Untersuchung Im ersten Kapitel geht die Untersuchung auf die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers ein. Hierfür bedarf es zunächst der Feststellung, welche Personengruppen überhaupt vom Begriff des Amtsträgers umfasst sind. Während die Entscheidung für den Beamten oder Richter ohne größere Probleme möglich ist, gestaltet sich die Feststellung in den anderen Fällen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB deutlich schwieriger. Sodann erfolgt die Darstellung der Rechtsgrundlagen der Verschwiegenheitspflicht. Weil die Verschwiegenheitspflicht nicht aus dem strafrechtlichen Amtsträgerbegriff selbst folgt, muss sie für jede Personengruppe gesondert untersucht und in ihrer Reichweite bestimmt werden. Der Amtsträgerbegriff muss hierfür aus einer anderen Perspektive beleuchtet werden. Entscheidend ist nicht die strafrechtliche Beurteilung als Amtsträger, sondern die Ausgestaltung des jeweiligen Rechtsverhältnisses. Im Anschluss an die Untersuchung der Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers wird aufgezeigt, wie sie sich auf die Stellung als Beschuldigter auswirkt. Dieses Kapitel wird zum gegenständlichen Konflikt der Ausgangsfrage überleiten. Es wird sich zeigen, dass die Unterschiede, die schon bei der rechtlichen Begründung der Verschwiegenheitspflicht zu beachten waren, auch das Strafverfahren beeinflussen. Um die Auswirkungen auf den be-

24 Einleitung

schuldigten Amtsträger aufzuzeigen, wird zunächst die Stellung des Amtsträgers als Zeuge untersucht, bevor ausführlich auf die Stellung des Amtsträgers als Beschuldigter eingegangen wird. Hierbei wird neben den Rechten des Beschuldigten, die durch das Verbot, sich zu äußern, beeinträchtigt werden, ein besonderes Augenmerk auf dem aus dem Beamtenrecht bekannten Institut der Aussagegenehmigung liegen. Insbesondere muss der Frage nachgegangen werden, inwiefern diese Regelung auch auf die anderen Personengruppen des Amtsträgerbegriffs angewendet werden kann und welche Vo­ raussetzungen erfüllt sein müssen, um dem Amtsträger zu verbieten, sich als Beschuldigter im Strafverfahren äußern zu dürfen. Eng verbunden mit der Untersuchung, wie sich die Verschwiegenheitspflicht auf die Stellung als Beschuldigter auswirkt, ist die Frage, welche Rechtsschutzmöglichkeiten dem beschuldigten Amtsträger zur Verfügung stehen, wenn ihm sein Dienstherr nicht gestattet, sich im Strafverfahren zu äußern. Sowohl die rechtliche Begründung der Verschwiegenheitspflicht als auch die Frage der Rechtsschutzmöglichkeit wird entscheidend sein für die Prüfung der Rechtswidrigkeit des Geheimnisbruchs. Wiederum werden sich die Unterschiede, die sich aus den verschiedenen Rechtsverhältnissen ergeben, auch auf die Rechtsschutzmöglichkeit des beschuldigten Amtsträgers auswirken. Bricht der Amtsträger seine Verschwiegenheitspflicht, kann dies sowohl strafrechtliche als auch außerstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im Mittelpunkt des vierten Kapitels werden vornehmlich die einschlägigen Vorschriften des StGB stehen. Der strafrechtliche Schutz des Amtsgeheimnisses vor der unbefugten Offenbarung durch den Amtsträger wird, soweit es um den Schutz der Verschwiegenheitspflicht geht, die im öffentlichen Inte­ resse besteht, hauptsächlich über § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB und die §§ 93 ff. StGB gewährleistet. In diesem Zusammenhang soll auch der Frage nachgegangen werden, ob bereits bei der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Konflikt, in dem sich der Amtsträger befindet, gelöst werden kann. Sodann wendet sich die Untersuchung der Darstellung der außerstrafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten zu, die für den beschuldigten Amtsträger sogar gravierender sein können als die strafrechtlichen Rechtsfolgen. Nach der Prüfung, auf welche Weise der Amtsträger zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und mit welchen Sanktionen er rechnen muss, wenn er diese Pflicht verletzt, wendet sich das letzte Kapitel der entscheidenden Frage zu, ob sich der beschuldigte Amtsträger in dieser Situation auf Rechtfertigungsoder Entschuldigungsgründe berufen kann. Es wird sich schnell herausstellen – so viel sei an dieser Stelle vorweggenommen –, dass als Rechtfertigungsgrund nur der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB in Betracht kommt. Dieser wird dementsprechend im Mittelpunkt der Untersuchung ste-



§ 2 Gang der Untersuchung25

hen. Die Unterschiede, die zuvor bei der Begründung der Verschwiegenheitspflicht und bei der Untersuchung der Rechtsschutzmöglichkeiten herausgearbeitet wurden, werden von entscheidender Bedeutung sein, weil sie maßgeblich zur Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen dem Verfahrensrecht und dem rechtfertigenden Notstand beitragen werden. Auf mögliche Entschuldigungsgründe wird nur noch in der gebotenen Kürze eingegangen werden, weil die Untersuchung der Rechtswidrigkeit das Ergebnis bereits vorwegnehmen wird.

Erstes Kapitel

Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers Die Untersuchung der Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers setzt in einem ersten Schritt voraus, auf den Begriff des Amtsträgers näher einzugehen. Dies ist erforderlich, weil die rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht nicht für alle vom Amtsträgerbegriff umfassten Personengruppen einheitlich bestimmt werden können. Es bedarf daher zunächst der Prüfung, welche Personen unter dem Begriff „Amtsträger“ zu fassen sind, um in einem zweiten Schritt auf die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und deren Reichweite näher einzugehen. Um die einschlägigen rechtlichen Grundlagen für die Untersuchung der Verschwiegenheitspflicht herausarbeiten zu können, kann sich die Frage, welche Personen vom Amtsträgerbegriff umfasst sind, nicht auf eine allzu knappe Darstellung beschränken. Wie zu zeigen sein wird, kann der Amtsträger, ausgehend von der Prüfung in welchem Dienst-, Amts- beziehungsweise Anstellungsverhältnis er zu seinem Dienstherrn steht, auf sehr unterschiedliche Weise dazu verpflichtet sein, über die ihm durch seine Amtsausübung bekanntgewordenen dienstlichen Angelegenheiten zu schweigen. Die so herausgearbeiteten Unterschiede werden entscheidend sein für die weitere Untersuchung, weil alle sich anschließenden Fragen an die rechtliche Ausgestaltung der Verschwiegenheitspflicht anknüpfen werden. So wird nicht nur die Frage nach den Sanktionsmöglichkeiten maßgeblich durch die Ausgestaltung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses beeinflusst, sondern auch die Beantwortung der zentralen Frage der Untersuchung, ob sich der Amtsträger auf Rechtfertigungsgründe berufen kann, um sich zu verteidigen, hängt maßgeblich von diesem Befund ab. Neben der Darstellung der rechtlichen Grundlagen ist des Weiteren von entscheidender Bedeutung, welchen Inhalt und Umfang die Verschwiegenheitspflicht aufweist. Denn nur dort, wo der Amtsträger diese Pflicht verletzt, kann die Einlassung des Amtsträgers mit ihr kollidieren. Es wird sich dabei zeigen, dass sich die Unterschiede, die sich aus der rechtlichen Ausgestaltung der Verschwiegenheitspflicht ergeben, auch den Umfang dieser Pflicht bestimmen. Um eine grundlegende Vorgehensweise für die weitere Untersuchung zu treffen, orientieren sich die nachfolgenden Ausführungen, soweit es auf die Unterschiede zwischen den jeweiligen Personengruppen innerhalb des Amtsträgerbegriffs ankommt und eine einheitliche Betrachtung deswegen nicht



§ 3 Begriff des Amtsträgers27

zielführend ist, an der Reihenfolge der genannten Personengruppen, wie sie von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorgegeben wird.

§ 3 Begriff des Amtsträgers Der Begriff des Amtsträgers ist in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c StGB und § 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB legaldefiniert.1 Amtsträger ist demnach, wer nach deutschem Recht entweder Beamter oder Richter ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB), in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB) oder sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB). Ergänzend zur Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB ist zudem § 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu beachten, der aber lediglich eine gesonderte Klarstellung für den Begriff des Richters enthält.2 Von vornherein nicht vom Amtsträgerbegriff erfasst sind somit Personen, die nicht nach deutschem Recht in die jeweilige Stellung berufen oder zur Aufgabenwahrnehmung bestellt wurden. Das Fehlen der deutschen Staatsangehörigkeit ist hingegen kein Ausschlussgrund, entscheidend ist nur, dass die jeweilige Berufung oder Bestellung nach deutschem Recht erfolgte.3 Amtsträger ausländischer Staaten oder supranationaler Organisationen fallen ebenfalls nicht unter den Begriff des Amtsträgers. Für den Bereich der Europäischen Union hat der Gesetzgeber im Jahr 2015 mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption den Begriff des „Europäischen Amtsträgers“ in § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB eingefügt,4 das die bisherigen Regelungen des EU-Bestechungsgesetzes (EuBestG) in das StGB überführte. Allerdings sind diese Regelungen für die zu untersuchende Frage nicht weiter von Interesse, da ausländische Amtsträger nicht den nationalen Verschwiegenheitsregelungen unterliegen. Der Begriff des Amtsträgers muss zunächst nach seiner inneren Systematik unterschieden werden.5 Im Hinblick auf die von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b StGB erfassten Personengruppen begründet bereits das Dienst- bezie1  Die strafrechtliche Legaldefinition des Amtsträgerbegriffs stimmt mit der in § 7 AO weitgehend überein; vgl. zum Amtsträgerbegriff allgemein Heinrich, Amtsträger, S.  161 ff. 2  Siehe sogleich Kapitel 1 § 3 II. 3  SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 16; Zieschang, NJW 1999, 105 (106). 4  BGBl. 2015 I S. 2025. 5  AnwK-StGB / Tsambikakis, § 11 Rn. 17; MüKo-StGB / Radtke, 3.  Aufl., §  11 Rn. 17; Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 16.

28

1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

hungsweise Amtsverhältnis die Amtsträgereigenschaft (formell-institutionelle Anknüpfung).6 Hingegen knüpft die Zuordnung zum Begriff des Amtsträgers für die in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB genannte Personengruppen nicht an das zugrundeliegende Rechtsverhältnis an, sondern folgt aus der übertragenen Aufgabe (materiell-funktionelle Anknüpfung).7 Keine Amtsträger, obwohl in vielerlei Hinsicht den Amtsträgern gleichstellt, sind alle für den Bereich des öffentlichen Dienstes besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Sie sind damit zwar nicht Gegenstand der Untersuchung, jedoch muss gelegentlich auf sie zurückgegriffen werden, um eine Abgrenzung vornehmen zu können. Aufgrund der eindeutigen Formulierung des Gesetzes „[…] ohne Amtsträger zu sein, […]“, fallen unter § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB nur solche Personen, die selbst keine öffentlichen Funktionen wahrnehmen, etwa Bürokräfte oder V-Leute der Polizei.8

I. Beamter Vom Amtsträgerbegriff umfasst ist zunächst die Gruppe der Beamten (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB). Einigkeit besteht darüber, dass der Begriff „Beamter“ streng verwaltungsrechtsakzessorisch auszulegen ist und somit nur Beamte im staatsrechtlichen Sinn erfasst.9 Das streng verwaltungsrechtsakzessorische Verständnis resultiert aus der historischen Entwicklung der Amtsdelikte und der damit einhergehenden Herausbildung des strafrecht­ lichen Beamtenbegriffs.10 Bedingt durch die weite Auslegung eben jenen Begriffs in der Rechtsprechung des Reichsgerichts wurde der Anwendungsbereich des § 359 StGB a. F. auch auf solche Personen ausgedehnt, die nicht mehr dem staatsrechtlichen Beamtenbegriff unterfielen.11 Dies hatte zur Folge, dass sich der strafrechtliche Beamtenbegriff immer weiter vom staatsrechtlichen Beamtenbegriff entfernte und zu einem unterschiedlichen Verständnis im Straf- und Verwaltungsrecht führte. Diesen Umstand, der teils gravierende Unterschiede nach sich zog, nahm der Gesetzgeber zum Anlass, im Zuge der Neufassung des § 11 StGB durch das Einführungsgesetz zum 6  MüKo-StGB / Radtke,

3. Aufl., § 11 Rn. 17; Rübenstahl, S. 286; Schuldt, S. 69. Urt. v. 13.1.2016 – 2 StR 148 / 15, BGHSt 61, 135 (138); Heinrich, Amtsträger, S. 319; Schuldt, S. 29. 8  SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 41. 9  AnwK-StGB / Tsambikakis, § 11 Rn. 19; Bock, in: Graf / Jäger / Wittig, 10 StGB § 11 Rn. 7; Eisele, BT I, Rn. 1606; Fischer, StGB, § 11 Rn. 13; Heinrich, Amtsträger, S. 317 ff.; ders., wistra 2016, 471 (472); HK-GS / Hölscher, § 11 StGB Rn. 3; Kindhäuser, LPK, § 11 Rn. 14; Rohlff, S. 71; Rönnau / Wegner, JuS 2015, 505 (506); Rübenstahl, S. 287; Walther, JURA 2009, 421 (422). 10  Hierzu ausführlich: Heinrich, Amtsträger, S.  69 ff. 11  Heinrich, Amtsträger, S.  96 ff. 7  BGH



§ 3 Begriff des Amtsträgers29

Strafgesetzbuch (EGStGB) im Jahr 1975 den strafrechtlichen Beamtenbegriff wieder an den staatsrechtlichen anzugleichen.12 Als Beamter ist demnach anzusehen, wer nach den einschlägigen Beamtengesetzen des Bundes oder der Länder von der zuständigen Stelle durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde in das Beamtenverhältnis berufen wurde (vgl. § 10 Abs. 2 S. 1 BBG und § 8 Abs. 2 S. 1 BeamtStG).13 Erfasst werden nicht nur die unmittelbar im Dienst des Bundes oder der Länder stehenden Beamten, sondern auch die Beamten, die einer Gemeinde oder einer sonstigen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zugeordnet sind.14 Eine Berufung in das Beamtenverhältnis setzt allerdings nicht zwingend eine förmliche Ernennung, die in der Sache als rechtsgestaltender, formgebundener und mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt zu qualifizieren ist,15 voraus. Wahlbeamte, die durch eine öffentliche Wahl in das Amt berufen werden, sind ebenfalls Beamte im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB.16 Hierunter fallen beispielsweise (Ober-)Bürgermeister, Landräte oder Kreisräte.17 Die förmliche Ernennung wird in diesen Fällen durch die Annahme der Wahl ersetzt. Gleichgültig ist zudem der Umstand, ob die Berufung in das Beamtenverhältnis freiwillig erfolgte.18 Dies trifft vor allem auf kommunale Ehrenbeamte zu,19 die zur Annahme der Wahl verpflichtet sind. Kommt es somit ausschließlich auf die Berufung in das Beamtenverhältnis an, ist es dementsprechend unerheblich, welche Tätigkeit der Beamte ausübt oder ob ihm ein Anspruch auf Besoldung zusteht.20 Ehrenbeamte werden beispielsweise zur unentgeltlichen Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Aufgaben in das Beamtenverhältnis berufen.21 Nicht von Belang ist

12  BT-Drucks. 7 / 550,

S. 208. Urt. v. 9.10.1990  – 1 StR 538 / 89, BGHSt 37, 191 (192); Lackner / Kühl, § 11 Rn. 4; NK-Saliger, § 11 Rn. 19; Welp, Lackner-FS 1987, 762. 14  BGH Urt. v. 9.10.1990 – 1 StR 538 / 89, BGHSt 37, 191 (192). 15  Battis / Battis, § 10 Rn. 2; Reich, § 6 Rn. 1. 16  BGH Urt. v. 3.12.1987  – 4 StR 554 / 87, BGHSt 35, 128 (132); AnwKStGB / Tsambikakis, § 11 Rn. 20. 17  Der Bürgermeister ist in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl der Gemeinde Ehren- oder Hauptbeamter auf Zeit (§ 42 Abs. 2 GemO-BW). Der Landrat ist Beamter auf Zeit (§ 37 Abs. 2 LKrO-BW). 18  Heinrich, Amtsträger, S. 326 ff.; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 21; a. A. AnwK-StGB / Tsambikakis, § 11 Rn. 21. 19  Z. B.: Pflicht zur Annahme der Wahl als Ortsvorsteher (§§ 71 Abs. 1, 72 GemOBW i. V. m. § 15 Abs. 1 GemO-BW). Verbunden mit der Wahl ist die Ernennung zum Ehrenbeamten auf Zeit. 20  RG Urt. v. 8.7.1902  – 1659 / 02, RGSt 35, 325 (327); Heinrich, Amtsträger, S.  332 ff. 21  Vgl. § 6 Abs. 5 BBG. 13  BGH

30

1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

auch der Umstand, ob der Beamte die Tätigkeit selbstständig und vollumfänglich wahrnimmt oder lediglich vorbereitend tätig wird.22 Die Anknüpfung an das Verwaltungsrecht bedingt zudem, dass Fehler bei der Ernennung des Beamten ebenfalls nach den einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften zu beurteilen sind. § 13 Abs. 1 BBG beziehungsweise § 11 Abs. 1 BeamtStG regeln abschließend die Fälle, in denen die Ernennung nichtig ist. Liegt eine nichtige Ernennung vor, ist der Ernannte bis zur Feststellung der Nichtigkeit weiterhin als Amtsträger anzusehen, obwohl die Nichtigkeit ex-tunc wirkt.23 Gleiches gilt im Übrigen im Fall der Rücknahme der Ernennung. Beamte im Ruhestand sind keine Beamte mehr im staatsrechtlichen Sinn.24 Schon begrifflich wurde kein Beamtenverhältnis im Fall der Nichternennung begründet. Eine Nichternennung ist dann gegeben, wenn die für die Berufung in das Beamtenverhältnis erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, etwa die Ernennung durch eine Privatperson erfolgt oder der Körperschaft die Dienstherrenfähigkeit fehlt.25 Nicht vom staatsrechtlichen Beamtenbegriff erfasst sind Kirchenbeamte. Hintergrund dessen ist, dass die Kirchen zwar formal den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts innehaben (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV) und somit die Dienstherrenfähigkeit (§ 2 BBG bzw. § 2 BeamtStG) besitzen, jedoch aufgrund der konfessionellen Neutralität des Staates nicht mit anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts, die dem Staat eingegliedert sind, gleichgestellt werden können.26

II. Richter Vom Amtsträgerbegriff umfasst ist des Weiteren die Gruppe der Richter (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB). Die gesonderte Nennung neben den Beamten soll die verfassungsrechtlich herausgehobene Stellung des Richters betonen.27 Richter sind, anders als Beamte, nicht Organwalter eines staat­ lichen Amtes, sondern selbst eine von der Verfassung geforderte Grundeinheit des Organisationsrechts im Bereich der rechtsprechenden Gewalt.28 22  RG

Urt. v. 19.11.1928 – II 669 / 28, RGSt 62, 337. Amtsträger, S. 340 f.; a. A. Walther, JURA 2009, 421 (422). 24  Fischer, StGB, § 11 Rn. 14; LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 29. 25  MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 26; NK-Saliger, § 11 Rn. 22; SSWStGB / Satzger, § 11 Rn. 19; Walther, JURA 2009, 421 (422). 26  BGH Urt. v. 9.10.1990 – 1 StR 538 / 89, BGHSt 37, 191 (192); OLG Düsseldorf Beschl. v. 16.10.2000  – 1 Ws 534 / 00, NJW 2001, 85; SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 18. 27  HK-GS / Hölscher, § 11 StGB Rn. 4; Preisendanz, § 11 II 1 a; Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 29. 28  BeckOK-GG / Morgenthaler, Art. 97 Rn. 18. 23  Heinrich,



§ 3 Begriff des Amtsträgers31

Durch den Hinweis in § 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird klargestellt, dass als Amtsträger nur anzusehen ist, wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamt­licher Richter ist. Eine richterliche Tätigkeit im Sinne der genannten Vorschrift üben nur solche Personen aus, denen die rechtsprechende Gewalt anvertraut ist (Art. 92 GG) und diese an einem staatlichen Gericht ausüben (Art. 92 Hs. 2 GG). Richter, die aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung, namentlich als Schiedsrichter, die Aufgabe eines Richters an einem nichtstaatlichen Gericht (z. B. Sportgericht) wahrnehmen, sind daher mangels Ausübung rechtsprechender Gewalt des Staates keine Richter im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB.29 Wegen ihrer durch private Vereinbarung veranlassten Tätigkeit können sie auch nicht als sonstige Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB qualifiziert werden, da es insofern an der Wahrnehmung einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung fehlt.30 Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind darüber hinaus alle in der Rechtspflege tätigen Personen, für die der Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) nicht gilt.31 Dies trifft insbesondere auf Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher zu, auch wenn sie Aufgaben des Richters wahrnehmen (§ 3 RPflG). Allerdings werden sie als Beamte über § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB vom Amtsträgerbegriff erfasst. Rechtsreferendare, die einem Gericht zur Ausbildung zugewiesen sind, können ebenfalls nicht als Richter angesehen werden. Sie sind aber, je nachdem welches Dienstverhältnis der Ausbildung zugrunde liegt, Beamte nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a oder sonstige Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.32 Der Begriff „Richter“ bezieht sich nach § 11 Abs. 3 StGB zunächst auf den Berufsrichter.33 Auch für sie ist allein die formale Ernennung als Richter für die Qualifikation als Amtsträger entscheidend.34 Die Ernennung richtet sich ihrerseits nach den einschlägigen verwaltungsrechtlichen Vorschriften. Für Berufsrichter sind die Regelungen des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) maßgeblich, das ausschließlich für sie gilt, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 2 DRiG). Berufsrichter werden durch die Aushändigung der Ernennungsurkunde als Richter ernannt (§ 17 Abs. 1 DRiG). Die Aushändigung der Er29  Fischer, StGB, § 11 Rn. 24a; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 116; Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 30. 30  Heinrich, Amtsträger, S. 347. 31  LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 64; NK-Saliger, § 11 Rn. 47. 32  Fischer, StGB, § 11 Rn. 24a; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 116; NKSaliger, § 11 Rn. 47. 33  Zu den ehrenamtlichen Richtern siehe sogleich. 34  Fischer, StGB, § 11 Rn. 24a; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 111; Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 29.

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

nennungsurkunde stellt – wie die Ernennung des Beamten – einen streng formgebundenen und rechtsgestaltenden Verwaltungsakt dar.35 Formstreng deshalb, weil eine Ernennung, die unter Missachtung des von § 17 Abs. 2 und 3 DRiG geforderten Inhalts vollzogen wurde, nichtig ist.36 Unerheblich ist für die Einstufung als Amtsträger, in welcher Gerichtsbarkeit der Richter tätig wird und ob es sich um eine Ernennung auf Lebenszeit (§ 10 DRiG), auf Zeit (§ 11 DRiG), auf Probe (§ 12 DRiG) oder um eine Ernennung kraft Auftrags (§ 14 DRiG) handelt.37 Richter, die an internationalen Gerichtshöfen tätig sind, fallen nicht unter den Amtsträgerbegriff, da sie nicht nach deutschem Recht als Richter ernannt wurden. Richter an einem Gericht der Europäischen Union werden allerdings über den Begriff des Europäischen Amtsträgers erfasst, § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB. § 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt klar, dass neben den Berufsrichtern auch die ehrenamtlichen Richter als Amtsträger anzusehen sind. Ehrenamtliche Richter sind ausweislich der gesetzlichen Regelungen des DRiG alle nicht berufsmäßig tätigen Richter (§§ 1 und 2 DRiG). Die Einbeziehung der ehrenamtlichen Richter in den Kreis der Amtsträger stellt im Übrigen eine bewusste Ausdehnung des Anwendungsbereichs gegenüber der vorherigen Regelung dar. Unter Geltung des § 359 StGB a. F. wurden Laienrichter nicht als Beamte im strafrechtlichen Sinn erfasst, da es an einer Anstellung fehlte.38 Unter dem Oberbegriff des ehrenamtlichen Richters sind all diejenigen zu fassen, die in einer vom Gesetzgeber vorgesehenen Weise an einem staatlichen Gerichtsverfahren als Laienrichter mitwirken (§ 44 Abs. 1 DRiG).39 Hierzu zählen die Schöffen im Strafprozess, Laienbeisitzer als ehrenamtliche Richter im Arbeits- oder Verwaltungsprozess oder die Handelsrichter in den Kammern für Handelssachen. Des Weiteren zählen zu den ehrenamtlichen Richtern die anwaltlichen Mitglieder des Ehrengerichtshofs für Rechtsanwälte (§§ 92 ff. BRAO) und die Beisitzer bei den Disziplinargerichten.40

III. Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes Neben der Ernennung zum Beamten oder Richter begründet auch das Bestehen eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisses die Amtsträ35  Staats,

§ 17 Rn. 1. § 17 Rn. 8. 37  AnwK-StGB / Tsambikakis, § 11 Rn. 44; MüKo-StGB / Radtke, 3.  Aufl., § 11 Rn. 112. 38  BGH Urt. v. 7.12.1956 – 1 StR 56 / 56, BGHSt 10, 294 (297). 39  Staats, Vor §§ 44 – 45a Rn. 2. 40  Kindhäuser, BT I, § 76 Rn. 7; SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 39. 36  Staats,



§ 3 Begriff des Amtsträgers33

gereigenschaft (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB). Das Gesetz gibt keinen Hinweis darauf, was unter einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zu verstehen ist. Einigkeit besteht nur dahingehend, dass es aus systematischen Erwägungen nicht mit dem besonderen Dienst- und Treueverhältnis des Beamten gleichgesetzt werden darf und somit auch nicht den Anforderungen von Art. 33 Abs. 5 GG unterfällt.41 Allgemein wird das Verhältnis eines Organwalters zur juristischen Person des öffentlichen Rechts als öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis bezeichnet,42 wenngleich damit noch nichts über den Inhalt und die Voraussetzungen gesagt ist und wodurch es sich vom besonderen Dienst- und Treuverhältnis des Beamten unterscheiden soll. Innerhalb der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hat bisher keine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Inhalt des öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisses stattgefunden, die uneingeschränkt zur Bestimmung des strafrechtlichen Amtsträgerbegriffs herangezogen werden könnte. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist das öffentlichrechtliche Amtsverhältnis lediglich ein Oberbegriff, der sowohl für den besonderen rechtlichen Status von Verfassungsorganen und Mitgliedern derselben als auch „für sonstige öffentlich-rechtliche Amtsverhältnisse anderer Ordnung“ gebräuchlich ist.43 Aber auch diese Definition lässt keinen endgültigen Schluss darauf zu, welche Merkmale für ein öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis erfüllt sein müssen. Sie kann aber durchaus als Anhaltspunkt dafür dienen, in welchen Fällen grundsätzlich die Annahme in Betracht kommt. Es lassen sich demnach zwei Merkmale ausmachen, die das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis auszeichnen. Zunächst kann sich ein öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis aus dem besonderen rechtlichen Status ergeben, der dem Mitglied eines Verfassungsorgans zukommt. Dies schränkt den Kreis der möglichen Amtsträger, die in einem solchen Verhältnis stehen können, auf die Mitglieder des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesversammlung, der Bundesregierung, des Gemeinsamen Ausschusses, des Bundesverfassungsgerichts und den Bundespräsidenten ein.44 Ausgesondert werden können aber sogleich wieder die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts, da sie als Richter bereits über § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 StGB erfasst werden. Zudem stehen die Mitglieder der Bundesregierung und die Mitglieder der Regierungen der Länder bereits von Gesetzes wegen in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis.45 Dass die gebräuchliche Definition des Bundesverwaltungsgerichts, sofern sie jedenfalls den rechtlichen 41  Frenzel,

ZBR 2008, 243 (251); LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 31. VR 2015, 37 (38). 43  BVerwG Urt. v. 28.4.2011 – 2 C 39 / 09, DÖV 2011, 940. 44  Maurer, StaatsR I, § 12 Rn. 23. 45  Siehe sogleich Kapitel 1 § 3 III. 42  Rottenwallner,

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

Status von Mitgliedern von Verfassungsorganen im Blick hat, nicht vollends mit dem strafrechtlichen Verständnis übereinstimmt, lässt sich auch am Beispiel des Bundestagsabgeordneten aufzeigen. Als Mitglied eines Verfassungsorgans würde er nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen, er ist jedoch kein Amtsträger im strafrechtlichen Sinn, weil er keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.46 Gleiches gilt im Übrigen für die Mitglieder der Bundesversammlung. Somit lässt sich anhand dieser Definition nur die Amtsträgereigenschaft für den Bundespräsidenten, den Präsidenten des Deutschen Bundestages, seine Stellvertreter und die Schriftführer (Art. 40 Abs. 1 GG) begründen. Sie nehmen im Gegensatz zu den sonstigen Mitgliedern des Deutschen Bundestages eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahr. Deutlich schwieriger zu bestimmen ist hingegen, was unter einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis „anderer Ordnung“ zu verstehen sein soll. Im Ergebnis handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der bestimmte Einzelfälle erfasst. Die Bestimmung des Inhalts muss daher weitgehend strafrechtsautonom anhand des Wortlauts und der systematischen Stellung innerhalb von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfolgen.47 Die Vorschrift nimmt durch die Formulierung „Amtsverhältnis“ ersichtlich Bezug auf die Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB und hierbei speziell auf die Gruppe der Beamten, da Richter schon begrifflich kein Amt ausüben, sondern als Teil der verfassungsrechtlichen Ordnung die rechtsprechende Gewalt vollziehen.48 Den Gegensatz zum Amtsverhältnis bildet das „normale“ privatrechtlich begründete Dienstverhältnis, das lediglich zur Erbringung einer Dienstleistung verpflichtet, darüber hinaus aber keine gesteigerten Pflichten enthält.49 Dies beantwortet aber noch nicht die Frage, wann ein sonstiges öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis gegeben ist, aufgrund dessen der Amtsinhaber als Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB angesehen werden kann. Das Verwaltungsrecht gibt hierfür, wie gesehen, keine befriedigende Antwort. Wegen der Inbezugnahme auf die Gruppe der Beamten zieht die weit überwiegende Meinung die Schlussfolgerung, dass für die Annahme eines solchen Amtsverhältnisses kein mit dem Beamtenrechtsverhältnis vergleichbares Dienst- und Treueverhältnis erforderlich ist, der Amtsinhaber aber dennoch in einem Rechtsverhältnis mit gesteigerten Pflichten zu seinem 46  Zum

Sonderfall des Mandatsträgers siehe Kapitel 1 § 3 IV. 3. c) aa). in: Leitner / Rosenau, § 11 StGB Rn. 13; Heinrich, Amtsträger, S.  349 ff. 48  Vgl. Kapitel 1 § 3 II. 49  BAG Urt. v. 25.8.1966 – 5 AZR 525 / 65, BAGE 19, 55 (63); Hailbronner / Renner / Maaßen, § 22 Rn. 4. 47  Gaede,



§ 3 Begriff des Amtsträgers35

Dienstherrn stehen muss.50 Hierzu hat sich eine vielfältige Kasuistik herausgebildet, welche Personen erfasst sind. Eindeutig ist die Entscheidung, wenn das Gesetz bereits selbst vorgibt, dass es ein Amtsinhaber in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht. Dies gilt beispielsweise für die Mitglieder der Bundesregierung (§ 1 BMinG).51 Sie stehen in einem spezifischen Verhältnis zum Bund, sind aber keine Beamte, weshalb es sich um ein Amtsverhältnis eigener Art handelt.52 In einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen von Gesetzes wegen zudem der Wehrbeauftrage des Deutschen Bundestages (§ 15 Abs. 1 S. 1 WBeauftrG), der Datenschutzbeauftragte des Bundes (§ 22 Abs. 4 S. 1 BDSG)53 und die Datenschutzbeauftragten der Länder. Die Mitglieder des Vorstandes der Deutschen Bundesbank stehen ebenfalls in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis (§ 7 Abs. 4 BBankG). Auch der Präsident der Bundesnetzagentur (§ 4 Abs. 1 BEGTPG) oder der Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR (§ 35 Abs. 5 S. 1 StUG) steht in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund. Abseits einer gesetzlichen Regelung wurde das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisses anerkannt – wie zuvor dargestellt – für den Präsidenten des Deutschen Bundestages (§ 7 Abs. 4 GOBT) und die jeweiligen Landtagspräsidenten.54 Der Bundespräsident ist trotz des Fehlens expliziter gesetzlicher Regelungen ebenfalls als Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB einzustufen.55 Des Weiteren stellt sich die Frage, ob für die Qualifikation als Amtsträger die Übernahme des Amtes entscheidend ist oder die ausgeübte Tätigkeit im Mittelpunkt der Betrachtung stehen muss. Die inhaltliche Vergleichbarkeit mit § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB legt bereits die Vermutung nahe, dass allein die Inhaberschaft des öffentlich-rechtlichen Amtes ausschlaggebend ist.56 Der Anwendungsbereich von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB würde ansonsten leerlaufen, wenn es allein auf die ausgeübte Tätigkeit ankommt, da diese Fälle bereits von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB erfasst werden. Aus diesem Grund ist der Notar Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen

50  Heinrich, Amtsträger, S. 352; Lenckner, ZStW 106 (1994), 502 (523 Fn. 70); MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 34; Rohlff, S. 102; Schönke / Schröder / Eser /  Hecker, § 11 Rn. 19; Welp, Lackner-FS 1987, 761 (763). 51  Auf Landesebene sind die jeweiligen Ministergesetze maßgeblich (z.  B.: § 1 MinG-BW). 52  Busse, § 1 Rn. 1. 53  Gola / Schomerus, § 22 Rn. 9. 54  Heinrich, Amtsträger, S. 354 ff.; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 36 ff.; Zimmermann, ZStW 124 (2012), 1023 f. 55  Leimbrock, S. 48; Zimmermann, ZStW 124 (2012), 1023. 56  Welp, Lackner-FS 1987, 761 (764).

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

Amtes,57 während Notarassessoren keine Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b. StGB sind.58 Sie stehen zwar in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (§ 7 Abs. 4 S. 1 BNotO), jedoch ist ihnen noch kein Amt übertragen worden. Dies geschieht erst mit der Bestellung zum Notar (§ 7 Abs. 6 Nr. 1 BNotO). Allerdings können sie als Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB angesehen werden, wenn sie im Einzelfall Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Keine Amtsträger sind grundsätzlich auch Mandatsträger. Sie sind nicht dem Bereich der Exekutive zuzuordnen und üben in diesem Zusammenhang daher auch kein Amt aus. Sie nehmen grundsätzlich auch keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB).59 Übernehmen sie aber innerhalb des Gesetzgebungsorgans, dem sie angehören, Verwaltungsaufgaben, wurde ihnen damit ein entsprechendes Amt übertragen, weshalb sie in einem solchen Fall als Amtsträger qualifiziert werden können (z. B. der Präsident des Deutschen Bundestages, § 7 Abs. 4 GOBT).60 Kein Inhaber eines öffentlich-rechtliches Amtes ist auch der Rechtsanwalt, weil er keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung erfüllt. Zwar ist der Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO), jedoch übt er als Angehöriger eines freien Berufs kein öffentliches Amt aus.61 Keine Inhaber eines öffentlich-rechtliches Amtes sind des Weiteren der Betreuer62 oder der Insolvenzverwalter. Zwar werden auch sie vom Staat bestellt, jedoch nehmen sie keine staatlichen Aufgaben wahr, da sie in erster Linie privaten Interessen dienen.63 Für die spätere Untersuchung der Verschwiegenheitspflicht zeichnet sich aber bereits an dieser Stelle ab, dass aufgrund der Vielzahl an Einzelfällen, keine einheitliche Bestimmung der Rechtsgrundlagen der Verschwiegenheitspflicht für alle Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes möglich sein wird.

IV. Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung Als Amtsträger ist schlussendlich auch derjenige anzusehen, der dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren 57  MüKo-StGB / Radtke,

3. Aufl., § 11 Rn. 39; NK-Saliger, § 11 Rn. 24. Amtsträger, S. 354 f.; a. A. Lackner / Kühl, § 11 Rn. 5; MüKo-StGB /  Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 39; NK-Saliger, § 11 Rn. 24; Rönnau / Wegner, JuS 2015, 505 (506). 59  Heinrich, Amtsträger, S. 669 ff.; Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 19. 60  Ausführlich zum Mandatsträger Kapitel 1 § 3 IV. 3. c) aa). 61  Rohlff, S. 165. 62  OLG München Urt. v. 23.7.2009 – 5 St RR 134 / 09, NJW 2009 2837 (2838). 63  BGH Urt. v. 12.1.1956 – 3 StR 626 / 54, BGHSt 9, 203 (222). 58  Heinrich,



§ 3 Begriff des Amtsträgers37

Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB). Im Gegensatz zu den anderen Varianten des Amtsträgerbegriffs steht bei der Personengruppe des sonstigen Amtsträgers nicht das Dienst- oder Amtsverhältnis im Vordergrund. Vielmehr entscheidet die ausgeübte Tätigkeit über die Amtsträgereigenschaft.64 Dieser Anknüpfungspunkt, der auf den Erhalt des strafrechtlichen Beamtenbegriffs des § 359 StGB a. F. im Zuge der Neufassung des Amtsträgerbegriffs in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB zurückzuführen ist,65 führt zu teilweise erheblichen Problemen, den Inhalt dieser Norm zu bestimmen. Die Entwicklung des strafrechtlichen Beamtenbegriffs, die bereits durch das Preußische Obertribunal angestoßen wurde,66 mündete in der sehr weiten Ausdehnung des Beamtenbegriffs innerhalb der Rechtsprechung des Reichsgerichts, der sich der BGH zu Beginn anschloss. Es wurden beispielsweise auch solche Personen vom strafrechtlichen Beamtenbegriff erfasst, die ohne formelle Anstellung allein durch einen ausdrücklichen oder stillschweigenden öffentlich-rechtlichen Akt zur Dienstverrichtung berufen wurden. Dieser öffentlich-rechtliche Akt der Berufung zur Dienstverrichtung musste sich lediglich aus der deutschen Staatsgewalt ableiten und staatsrechtlichen Zwecken dienen.67 Nach der Vorstellung des Gesetzgeber sollte nun diese Rechtsprechung durch die Einführung von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB im Jahre 1975 weiter fortbestehen.68 Die unbesehene Anwendung der Grundsätze des unter Geltung des § 359 StGB a. F. vertretenen strafrechtlichen Beamtenbegriffs ist jedoch vor dem Hintergrund des vermehrten Rückgriffs der Verwaltung auf privatrechtliche Handlungsformen und Organisa­ tionsstrukturen problematisch. Ausgehend vom Wortlaut der Norm lassen sich zwei Fälle unterscheiden. Im ersten Fall muss die Bestellung „bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle“ erfolgt sein, im zweiten muss der Amtsträger dazu bestellt sein, Aufga64  Fischer, StGB, § 11 Rn. 21; Heinrich, Amtsträger, S. 365; Marxen, S. 246; NKSaliger, § 11 Rn. 26; Rübenstahl, S. 299; Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 20. 65  LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 33; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 44; ausführlich zur Entwicklung des strafrechtlichen Beamtenbegriffs: Heinrich, Amtsträger, S. 95 ff.; Weiß, Beamtenbegriff, S. 24 ff. 66  Heinrich, Amtsträger, S. 82 f. 67  RG Urt. v. 19.3.1926 – I 532 / 25, RGSt 60, 139 (140 f.); RG Urt. v. 26.9.1933 – I 36 / 33, RGSt 67, 299 (300); BGH Urt. v. 13.5.1952 – 1 StR 670 / 51, BGHSt 2, 396 (398); BGH Urt. v. 10.10.1958  – 5 StR 404 / 58, BGHSt 12, 89; BGH Urt. v. 26.6.1973 – 1 StR 188 / 73, BGHSt 25, 204 (206). 68  BGH Urt. v. 10.3.1983  – 4 StR 375 / 82, BGHSt 31, 264 (268); Radtke, NStZ 2007, 57 (59).

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

ben der öffentlichen Verwaltung „in deren Auftrag“ wahrzunehmen.69 Beiden Fällen ist somit gemein, dass der Täter dazu bestellt sein muss, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Auf die gewählte Organisationsform kommt es seit der Änderung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB im Jahr 1997 durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption (KorrBekG) nicht mehr an.70 Diese Erweiterung durch den Gesetzgeber, die eine Reaktion auf ein einschränkendes Urteil des BGH war,71 ist im Übrigen ein weiterer Beleg dafür, dass der Gesetzgeber von den zu § 359 StGB a. F. entwickelten Grundsätze abgewichen ist. Erforderlich ist zunächst eine Auseinandersetzung mit der Frage, was unter einer Behörde oder einer sonstigen Stelle zu verstehen ist, bevor auf die einzelnen Varianten näher eingegangen werden kann. 1. Behörde Das StGB selbst definiert den Begriff der Behörde nicht. In § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB wird lediglich klargestellt, dass auch ein Gericht eine Behörde sein kann. Dies gilt aber nur für den Bereich der Justizverwaltung. Die Rechtsprechungstätigkeit als solche fällt nicht unter diesen Begriff.72 Ein allgemeingültiger und abschließender Behördenbegriff ist bisher weder im öffentlichen Recht noch im Strafrecht entwickelt worden. Insbesondere das Strafrecht verwendet den Behördenbegriff in vielfältiger Weise, wie sich am Beispiel von § 44 Abs. 2 StGB und § 193 StGB festmachen lässt. Während § 44 Abs. 2 StGB die Vorstellung eines spezifischen Amts zugrunde liegt, das mit einer spezifischen Zuständigkeit ausgestattet ist, wird vom Begriff der Behörde in § 193 StGB die organisatorische Einheit erfasst, die mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut ist.73 Ein Rückgriff auf den gesetzlich definierten Behördenbegriff des Verwaltungsverfahrensgesetzes hilft zur Inhaltsbestimmung nur bedingt weiter. Nach § 1 Abs. 4 VwVfG ist eine Behörde im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes schlicht jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.74 Der Gesetzgeber ordnet somit für den Geltungsbereich des VwVfG einen funktionellen Behördenbegriff an. Entscheidend ist allein die Wahrnehmung von öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben.75 Der dort 69  Haft,

NJW 1995, 1113 (1114). I S. 2038. 71  BGH Urt. v. 29.1.1992 – 5 StR 338 / 91, BGHSt 38, 199. 72  Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 22; SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 24. 73  Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 51. 74  Ebenso der Behördenbegriff in § 1 Abs. 2 SGB X und § 6 Abs. 1 AO. 75  NK-VwVfG / Schönenbroicher, § 1 Rn. 45; Obermayer / Funke-Kaiser / Hoffmann, § 1 Rn. 76. 70  BGBl. 1997



§ 3 Begriff des Amtsträgers39

verwendete Behördenbegriff ist jedoch an den Zweck des VwVfG geknüpft und stellt keine allgemeingültige Definition für das komplette Verwaltungsrecht dar.76 Das Strafrecht weist an diesem Punkt daher auch keine Akzessorietät zu den verwaltungsrechtlichen Regelungen auf.77 Dies verdeutlicht schon die Existenz des bereits erwähnten § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB. Zwar beinhaltet dieser keine neuen Erkenntnisse, zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber sich nicht auf einen verwaltungsrechtsspezifischen Behördenbegriff festlegen wollte. Im Übrigen nennt § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB neben der Behörde ausdrücklich auch den Begriff der sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Der Behördenbegriff muss demnach enger gefasst sein als derjenige in § 1 Abs. 4 VwVfG, da andernfalls kein Anwendungsbereich mehr für eine sonstige Stelle im Sinne dieser Norm übrigbleiben würde. Nach überwiegender Meinung erfasst der strafrechtliche Behördenbegriff nur Behörden im verwaltungsorganisatorischen Sinn, also ein unabhängig von der konkreten Person bestehendes Organ, das sich in das Staatsgefüge einordnen lässt und welches dazu bestimmt ist, mit einer gewissen Selbstständigkeit Staatsaufgaben zu erfüllen.78 Ausgeschlossen vom Behördenbegriff sind somit alle Privatrechtssubjekte, auch wenn sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, wie etwa im Fall der Beleihung. Sie lassen sich aufgrund ihrer Organisationsstruktur nicht mehr in Verwaltungsaufbau eingliedern. Unter den Behördenbegriff fallen damit vornehmlich alle im klassischen zwei- oder dreigliedrig ausgestalteten Verwaltungsaufbau eingegliederten unmittelbaren und mittelbaren Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden. 2. Sonstige Stelle Wesentlich unschärfer und schwieriger zu bestimmen, ist der Begriff der sonstigen Stelle. Der Wortlaut der Norm hilft erneut nur sehr eingeschränkt weiter, da der Sprachgebrauch unter „Stelle“ sowohl die Annahme einer ­Behörde, eines Behördenteils, aber auch andere Organisationseinheiten als möglich erscheinen lässt.79 Die Gesetzesmaterialien können ebenfalls nicht 76  Stelkens / Bonk / Sachs / Schmitz,

§ 1 Rn. 227. 12. Aufl., § 11 Rn. 93; NK-Saliger, § 11 Rn. 63; Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 51 f. 78  BVerfG Beschl. v. 26.05.1981  – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 10, 20 (48); BGH Beschl. v. 20.9.1957  – V ZB 19 / 57, BGHZ 25, 186; AnwK-StGB / Tsambikakis § 11 Rn. 58; LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 93; NK-Saliger, § 11 Rn. 64; Schönke /  Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 52. 79  BGH Urt. v. 19.12.1997 – 2 StR 521 / 97, BGHSt 43, 370 (375). 77  LK-Hilgendorf,

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

zur einer abschließenden Inhaltsbestimmung herangezogen werden. Die Begründung des Gesetzesentwurfs zum EGStGB führt lediglich aus, dass der Begriff „sonstige Stelle“ nur deshalb gesondert genannt wird, um deutlich zu machen, dass nicht nur die Bestellung bei Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts die Amtsträgereigenschaft begründet, sondern auch bei sonstigen Stellen, die zur Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben berufen sind, etwa bei Vereinigungen, Ausschüssen oder Beiräten, die bei der Ausführung der Gesetze mitwirken.80 Für die Auslegung entscheidend ist die Inbezugnahme auf den Begriff der Behörde. Die sonstige Stelle muss jedenfalls eine behördenähnliche Funktion aufweisen, deren Aufgabe gleichfalls darin besteht, eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.81 Eine sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH schlicht jede behördenähnliche Einrichtung, die rechtlich dazu befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken, ohne selbst Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein.82 Wie in den Gesetzesmaterialien angesprochen, fallen unter den Begriff der sonstigen Stelle beispielsweise Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. Aber auch eine öffentlich-rechtliche Stiftung kann als sonstige Stelle aufgefasst werden.83 Allerdings darf nicht bereits aufgrund der gewählten Organisationsform auf das Vorliegen einer sonstigen Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst c StGB geschlossen werden.84 Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts können daher nicht allein aufgrund ihrer Rechtsform als sonstige Stelle angesehen werden. Entscheidend ist jeweils die Frage, ob auch tatsächlich eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung ausgeübt wird.85 Gleichwohl stellt die Rechtsform oder der verfolgte Zweck ein gewichtiges Indiz dar.86 80  BT-Drucks. 7 / 550,

S. 209. Urt. v. 9.7.2009 – 5 StR 263 / 08, BGHSt 54, 39. 82  BGH Urt. v. 19.12.1997  – 2 StR 521 / 97, BGHSt 43, 370 (375); BGH Urt. v. 16.7.2004  – 2 StR 486 / 03, BGHSt 49, 214 (219); BGH Urt. v. 18.4.2007  – 5 StR 506 / 06, NStZ 2007, 461 (462); BGH Urt. v. 19.6.2008  – 3 StR 490 / 07, BGHSt 52, 290 (293); BGH Urt. v. 9.7.2009  – 5 StR 263 / 08, BGHSt 54, 39 (41); BGH Urt. v. 27.11.2009 – 2 StR 104 / 09, BGHSt 54, 202 (212); BGH Beschl. v. 29.3.2012 – GSSt 2 / 11, BGHSt 57, 202 (205). 83  LG Frankfurt a. M. Urt. v. 6.6.2016  – 5 / 12 KLs 7210 Js 235570 / 10 (6 / 15), BeckRS 2016, 16054. 84  BGH Urt. v. 27.11.2009 – 2 StR 104 / 09, BGHSt 54, 202 (208); KG Beschl. v. 4.11.2014 – 2 Ws 298 / 14, 2 Ws 298 / 14 – 161 AR 16 / 14, wistra 2015, 71 (73). 85  Siehe Kapitel 1 § 3 IV. 3. 86  BGH Urt. v. 18.4.2007  – 5 StR 506 / 06, NStZ 2007, 461 (463); BGH Urt. v. 9.7.2009 – 5 StR 263 / 08, BGHSt 54, 39 (41); kritisch zur Indizwirkung: Heinrich, JZ 2010, 525 (530). 81  BGH



§ 3 Begriff des Amtsträgers41

Viele ihrer Aufgaben erfüllt die öffentliche Verwaltung mittlerweile nicht mehr im Wege der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung, sondern wählt zur Aufgabenerfüllung Organisationsformen des Privatrechts. Der Staat kann sich einer privatrechtlichen Organisationsform auf zwei Wegen bedienen. Er kann entweder selbst eine privatrechtliche Organisationseinheit (häufig in Form einer AG oder einer GmbH) gründen oder sich an einer solchen beteiligen. Die Einordnung im ersten Fall als sonstige Stelle ist dabei pro­ blemlos möglich, denn allein der Umstand, dass eine privatrechtliche Organisationsform zur Aufgabenerfüllung gewählt wurde, steht einer Bewertung als sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB nicht entgegen, wie das Gesetz ausdrücklich klarstellt.87 Problematisch sind somit allein die Fälle, in denen sich die öffentliche Verwaltung an einer privaten Organisationsform beteiligt, sei es, dass die öffentliche Hand zusammen mit einem oder mehreren Privaten eine solche Organisationsform gründet oder eine nachträgliche Beteiligung zugelassen wird. In diesem Bereich stellt sich die Frage, ob bei der Beteiligung Privater noch von einer öffentlichen Aufgabenwahrnehmung gesprochen werden kann, denn im Gegensatz zum Staat handelt der Private regelmäßig mit Gewinnerzielungsabsichten und nicht vornehmlich zur Erfüllung seiner ihm übertragenen öffentlichen Aufgaben. Neben dem breit gefächerten Aufgabenspektrum, dem eine gemischte Partnerschaft zugänglich ist, kann auch die vertragliche Ausgestaltung auf unterschiedlich Art und Weise erfolgen.88 Für die strafrechtliche Beurteilung ist hingegen allein der Umstand von Interesse, inwiefern die Beteiligung eines Privaten der Annahme einer sonstigen Stelle entgegensteht und welches Kriterium für die Abgrenzung zu einem privatrechtlichen Unternehmen entscheidend ist, nachdem es auf die gewählte Organisationsform nun gerade nicht (mehr) ankommen soll. Die Rechtsprechung beurteilt diese Frage danach, ob ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen als „verlängerter Arm“ des Staates angesehen werden kann.89 Dies ist dann anzunehmen, wenn das Unternehmen bei der Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben derart einer staatlichen Steuerung unterliegt, dass die Aufgabenwahrnehmung noch als Vollzug der staatlichen Verwaltung erscheint. Zur Begründung verweist der BGH darauf, dass unter dem Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes, der durch die §§ 331 ff. 87  Zur Frage, inwiefern Angehörige privatrechtlicher Unternehmen in öffentlicher Hand als Beamte i. S. d. § 359 StGB a. F. aufgefasst werden konnten: Jessen, MDR 1962, 526 ff. 88  Eingehend: Stelkens / Bonk / Sachs / Bonk / Neumann, § 54 Rn. 43 ff. 89  BGH Urt. v. 19.12.1997  – 2 StR 521 / 97, BGHSt 43, 370 (377); BGH Urt. v. 15.3.2001  – 5 StR 454 / 00, BGHSt 46, 310 (312 f.); BGH Urt. v. 16.7.2004  – 2 StR 486 / 03, BGHSt 49, 214 (219); BGH Urt. v. 2.12.2005  – 5 StR 119 / 05, BGHSt 50, 299 (303); BGH Urt. v. 18.4.2007 – 5 StR 506 / 06, NStZ 2007, 461 (462).

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

StGB bezweckt wird, nämlich der Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Integrität von Trägern staatlicher Gewalt,90 eine Ausdehnung auf privatrechtliche Unternehmen nur geboten ist, wenn diese sich bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als Teil der Staatsverwaltung und damit als „verlängert Arm“ der Verwaltung darstellen.91 Von einer staatlichen Aufgabenwahrnehmung kann jedenfalls dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn die Beteiligung des Privaten, und die daraus resultierende Einflussmöglichkeit auf das Unternehmen, so stark ist, dass er unternehmerische Entscheidungen maßgeblich mitbestimmen kann.92 Vor dem Hintergrund des verfolgten Rechtsgüterschutzes erscheint diese Einschränkung konsequent und als notwendige Folge der Privatisierung. Erlangt der Private aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung eine bestimmende Position, stellt sich das Handeln nicht mehr als Vollzug der öffentlichen Verwaltung dar.93 Das alleinige Abstellen auf die Einflussmöglichkeiten des privaten Gesellschafters hat allerdings auch Kritik erfahren, weil die konkrete gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung zumindest im Bereich der Daseinsvorsorge nichts am Charakter der öffentlichen Aufgabenerfüllung ändert.94 So stellt sich beispielsweise die Abfallentsorgung nach außen auch weiterhin als öffentliche Aufgabenwahrnehmung dar, selbst wenn sie ausschließlich durch einen Privaten erfolgt. In der Sache liegt aber dennoch keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung mehr vor, wenn sich der Staat vollends aus seiner Rolle zurückgezogen und die Aufgabenerfüllung auf einen Dritten übertragen hat. Gerade die Nähe zum strafrechtlichen Behördenbegriff verdeutlicht, dass die Amtsträgereigenschaft die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe voraussetzt. Hiervon kann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Staat mangels Beteiligung keine entscheidende Einflussmöglichkeit mehr hat. Dies gilt selbst dann, wenn die öffentliche Hand alleinige Anteilseignerin eines Unternehmens ist. Aufgrund der gewählten Organisationsform kann unter gewissen Umständen nicht mehr von einem hinreichenden staatlichen Einfluss ausgegangen werden. Namentlich im Fall der Aktiengesellschaft hat der BGH wiederholt einen ausreichenden Einfluss des Staates auf das Unternehmen verneint, obwohl er Alleinaktionär der Gesellschaft war.95 Begründet wurde dies mit der beschränkten Entscheidungszuständigkeit der Hauptver90  BGH Urt. v. 16.7.2004  – 2 StR 486 / 03, BGHSt 49, 214 (227); BGH Urt. v. 18.4.2007 – 5 StR 506 / 06, NStZ 2007, 461 (463). 91  BGH Urt. v. 19.12.1997 – 2 StR 521 / 97, BGHSt 43, 370 (377). 92  BGH Urt. v. 2.12.2005 – 5 StR 119 / 05, BGHSt 50, 299. 93  Saliger, NJW 2006, 3377 (3380). 94  Radtke, NStZ 2007, 57 (61). 95  BGH Urt. v. 3.3.1999 – 2 StR 437 / 98, BGHSt 45, 16; BGH Urt. v. 16.7.2004 – 2 StR 486 / 03, BGHSt 49, 214.



§ 3 Begriff des Amtsträgers43

sammlung als Beschlussorgan der Aktionäre. Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt (§ 119 Abs. 2 AktG). Im Übrigen kann die Hauptversammlung nur zu den in § 119 Abs. 1 AktG bestimmten Fällen Beschlüsse fassen. Um eine vergleichbare Stellung zur Behörde annehmen zu können, sei es aber erforderlich, dass umfassendere Einflussmöglichkeiten bestehen würden, etwa in Form eines Beherrschungsvertrags (§§ 291 ff. AktG).96 Diese Einschränkung verdient Zustimmung. Aufgrund der gewählten Organisationsform unterwirft sich die öffentliche Hand auch dem privatrechtlichen Regelungsregime. Um eine Vergleichbarkeit der sonstigen Stelle zur Behörde herstellen zu können, ist es erforderlich, dass die Einflussmöglichkeit auch rechtlich umfassend durchgesetzt werden kann. Ist dies, etwa aufgrund der Besonderheiten des Aktienrechts, nicht der Fall und wurden nicht alle Mittel ausgeschöpft, um sich einen entsprechenden Einfluss zu sichern, spricht vieles dafür, dass keine vergleichbare Behördenstellung gegeben ist. 3. Aufgaben der öffentlichen Verwaltung Um die Amtsträgereigenschaft bejahen zu können, ist es des Weiteren erforderlich, dass die ausgeübte Tätigkeit der Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung dient (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB). Der Begriff der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ist – ähnlich wie der Behördenbegriff – in der Staats- beziehungsweise Verwaltungsrechtswissenschaft bisher nicht punktgenau eingegrenzt worden, wobei dies allerdings nicht bedeutet, dass das öffentliche Recht keine Anhaltspunkte zur Auslegung dieses Begriffs bietet. Im Gegensatz zum Behördenbegriff, der aufgrund der vom StGB angelegten Unterscheidung zwischen Behörde und Stelle, strafrechtsautonom ausgelegt werden muss,97 ist der Begriff der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung hingegen keiner eigenständigen strafrechtlichen ­ ­Inhaltsbestimmung zugänglich, sondern ist in seiner verwaltungsrechtlichen Ausprägung auch für das Strafrecht maßgeblich.98 Wird die Verwaltungsrechtsakzessorietät mit dem Hinweis verneint, dass im Gegensatz zum Beamtenbegriff kein klar umrissener Kanon rechtlicher Regelungen vorhanden ist,99 96  BGH

Urt. v. 16.7.2004 – 2 StR 486 / 03, BGHSt 49, 214 (225 f.). Kapitel 1 § 3 IV. 2. 98  BGH Urt. v. 19.12.1997  – 2 StR 521 / 97, BGHSt 43, 370 (374); OLG Karlsruhe Urt. v. 23.1.2017 – Ss 401 / 16, BeckRS 2017, 100739; Ossenbühl, JR 1992, 473 (474); Welp, Lackner-FS 1987, 782; a. A. Dahs / Müssig, NStZ 2006, 191 (192); MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 48; NK-Saliger, § 11 Rn. 30; Paeffgen, JZ 1997, 178 (181 f.); Rohlff, S. 170; Walther, JURA 2009, 421 (425). 99  MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 48. 97  Vgl.

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

kann dem nur insoweit zugestimmt werden, als dass sich durch die Inbezugnahme auf das öffentliche Recht nur die Grenzen des Begriffs festmachen lassen. Mehr kann allerdings aufgrund der vielseitigen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auch kaum erwartet werden. Eine inhaltliche Annäherung kann zunächst durch eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Begrifflichkeiten und deren Inhalt im Verwaltungsrecht erfolgen. § 1 VwVfG unterscheidet in Absatz 1 und Absatz 4 zwischen der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit und den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Erstere grenzt sich von den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung dadurch ab, dass es bei der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit entscheidend auf die gewählte Rechtsform ankommt.100 Die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist (§ 9 VwVfG). Hingegen liegt dem Begriff der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung der sog. materielle Verwaltungsbegriff zugrunde. Er umfasst alle Aufgaben auf dem Gebiet der Verwaltung unter Ausschluss der Rechtsprechung und der Gesetzgebung, ohne dass es auf die gewählte Rechtsform ankommt.101 Der materielle Verwaltungsbegriff ist aber seinerseits einer präzisen Definition nicht zugänglich. Insofern ist die Kritik an der Verwaltungsrechtsakzessorietät zumindest nachvollziehbar, da die vom materiellen Verwaltungsbegriff erfassten Aufgaben einem steten Wandel unterliegen.102 Der Begriff der Aufgabe der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist damit im Wesentlichen identisch mit dem Begriff der öffentlichen Aufgabe und somit weit zu verstehen. Eine öffentliche Aufgabe im Sinne der Vorschrift ist somit schlicht jede Aufgabe, deren Erfüllung im Interesse der Allgemeinheit liegt.103 a) Hoheitsrechtliche Aufgaben Dem Begriff „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ werden grundsätzlich drei Bereiche zugeschrieben, die sich dadurch unterscheiden, in welcher Rolle der Hoheitsträger gegenüber dem Adressaten auftritt. Alle Tätigkeiten, 100  Stelkens / Bonk / Sachs / Bonk / Neumann,

§ 54 Rn. 243. Urt. v. 19.12.1997 – 2 StR 521 / 97, BGHSt 43, 370 (374); OVG Münster Beschl. v. 19.6.2002  – 21 B 589 / 02, NVwZ-RR 2003, 800 (801); Stelkens / Bonk /  Sachs / Bonk / Neumann, § 54 Rn. 243; SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 27. 102  BeckOK-VwVfG / Ronellenfitsch, § 1 Rn. 10. 103  BVerfG Beschl. v. 25.2.1960 – 1 BvR 239 / 52, BVerfGE 10, 354 (363); BVerfG Beschl. v. 7.12.2001  – 1 BvR 1806 / 98, NVwZ 2002, 335; Maunz / Dürig / Korioth, Art. 30 Rn. 14. 101  BGH



§ 3 Begriff des Amtsträgers45

die zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfolgen, setzen zudem voraus, dass der Bestellte die Aufgabe selbst wahrnehmen muss, wobei es auf die Bedeutung der Tätigkeit nicht ankommt. Ausgeschlossen sind allerdings untergeordnete Tätigkeiten und rein mechanische Hilfstätigkeiten, da hierin noch keine Wahrnehmung einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung gesehen werden kann.104 Die Einschränkung, die sich aus dem Erfordernis der eigenhändigen Wahrnehmung ergibt, folgt aus dem Umstand, dass nicht jede Tätigkeit bei einer Behörde bereits die Amtsträger­ eigenschaft begründen kann und soll. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB jede Tätigkeit ausreichend lässt, wenn die Person nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften besonders verpflichtet wurde. aa) Eingriffsverwaltung Zu den klassischen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gehören alle Maßnahmen, die im Bereich der Eingriffsverwaltung vollzogen werden.105 Eingriffsverwaltung ist die Verwaltung, die einseitig in die Freiheits- und Vermögensrechte des Adressaten rechtsverbindlich eingreift und deren Handlung aufgrund des Gesetzesvorbehalts stets einer Ermächtigungsgrundlage bedarf.106 Charakteristisch für den Bereich der Eingriffsverwaltung ist ein Über- und Unterordnungsverhältnis der Beteiligten. Sie ist daher in aller Regel öffentlich-rechtlich organisiert und greift auf Handlungsformen des Verwaltungsrechts, insbesondere auf den Erlass eines Verwaltungsakts und die Befugnisse im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung, zurück.107 Aber auch die Tätigkeit des Beliehenen oder des Verwaltungshelfers (z. B. der zur Blutentnahme beauftragte Arzt) sind dem Bereich der Eingriffsverwaltung zuzuordnen. Neben dem Ordnungs- und Sicherheitsrecht zählt unter anderem auch das Abgabenrecht zum Bereich der Eingriffsverwaltung. Im Bereich der Eingriffsverwaltung ist damit also stets von einer Aufgabenwahrnehmung der öffentlichen Verwaltung auszugehen.

104  BGH Urt. v. 13.1.2016 – 2 StR 148 / 15, BGHSt 61, 135 (139); Fischer, StGB, § 11 Rn. 23c; Lackner / Kühl, § 11 Rn. 9a; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 86; NK-Saliger, § 11 Rn. 38; Preisendanz, § 11 II 1 c) cc); Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 23. 105  LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 42; SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 28. 106  Ehlers, in: Ehlers / Pünder / Burgi, § 1 VII 1; Erbguth, Rn. 11. 107  MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 52.

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

bb) Leistungsverwaltung (insbesondere Daseinsvorsorge) Probleme bei der Abgrenzung zwischen einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung und einer rein privaten Tätigkeit entstehen oft im Bereich der Leistungsverwaltung. Der Bereich der Leistungsverwaltung ist allgemein dadurch gekennzeichnet, dass die Verwaltung dem Bürger oder einer juristischen Person Leistungen oder Vergünstigungen gewährt.108 Erfolgt die Gewährung von Subventionen oder sonstigen begünstigenden Leistungen (z. B.: Ausbildungsförderungen oder Sozialhilfe) durch eine Behörde, lässt sich dieses Handeln unproblematisch dem Bereich der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zuordnen, denn die Gewährung von Leistungen dient der gezielten Umsetzung einer vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung. Schwieriger zu beurteilen ist hingegen der Bereich der Daseinsvorsorge. Beschränkte sich dieser Begriff zunächst auf die Bereitstellung essentiell notwendiger Einrichtungen des Staates, erfasst die Daseinsvorsorge mittlerweile ein breites Feld an Aufgaben (beispielsweise Leistungen im kulturellen und kommunalwirtschaftlichen Bereich), weshalb eine eindeutige Zuordnung kaum mehr ermöglicht ist.109 Der Streit, inwiefern im Bereich der Daseinsvorsorge noch von der Wahrnehmung einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung ausgegangen werden kann, knüpft an die Rechtsprechung des BGH an, die davon ausgeht, dass eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung nur dann angenommen werden kann, wenn deren Erfüllung regelmäßig dem Staat vorbehalten ist.110 Allein der Umstand, dass eine Aufgabe im Bereich der Daseinsvorsorge erbracht wird, reicht somit für sich genommen noch nicht aus, da auch Private in diesem Bereich Leistungen erbringen können, diese aber regelmäßig aus erwerbswirtschaftlichen Gründen handeln.111 Diese Einschränkung ist insofern nachvollziehbar, als dass nicht jeder Private, der in einem Bereich arbeitet, der dem weiten Begriff der Aufgabe der öffentlichen Verwaltung zugeordnet werden kann, damit zwingend zum Amtsträger wird. Dies würde den Amtsträgerbegriff völlig überspannen und zu einer nicht gerechtfertigten Ausdehnung der Strafbarkeit führen. So verneinte der BGH beispielsweise die Amtsträgereigenschaft für den Geschäftsführer einer landeseigenen GmbH.112 Die GmbH wurde vom Bayerischen Roten Kreuz, einer Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet und organisierte den Blutspendedienst. In seiner Entscheidung verneinte der BGH nun die Amtsträgereigenschaft des Hauptgeschäftsführers, weil die 108  Detterbeck,

§ 1 Rn. 10. VerwR AT, § 1 Rn. 16a. 110  BGH Urt. v. 15.3.2001 – 5 StR 454 / 00, BGHSt 46, 310 (313). 111  BGH Urt. v. 15.3.2001 – 5 StR 454 / 00, BGHSt 46, 310 (313). 112  BGH Urt. v. 15.3.2001 – 5 StR 454 / 00, BGHSt 46, 310. 109  Maurer,



§ 3 Begriff des Amtsträgers47

vom Blutspendedienst übernommene Aufgabe auch ohne weiteres durch ein privates Unternehmen hätte ausgeführt werden können. Somit stelle sich die Tätigkeit nicht als „verlängerter Arm der Verwaltung“ dar und die landes­ eigene GmbH könne nicht als sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB angesehen werden. Anders beurteilte sich hingegen die Lage für eine städtische GmbH, die ihre Kunden mit Fernwärme versorgte.113 Der Geschäftsführer war in diesem Fall als Amtsträger zu qualifizieren, weil die GmbH Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllte und die Stadt als alleinige Gesellschafterin aufgrund des Gesellschaftsvertrags maßgeblich auf die unternehmerischen Entscheidungen Einfluss nehmen konnte. Hingegen war der Angestellte eines Unternehmens, dessen Anteile sich ausschließlich in öffentlicher Hand befanden, kein Amtsträger, wenn das Unternehmen (im konkreten Fall die Flughafen Frankfurt AG) vornehmlich auf die Gewinnerzielung ausgerichtet war und daher keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen wurden, zumal die Anteilseigner aufgrund der gewählten Rechtsform nur beschränkt Einfluss nehmen konnten.114 Aus der gleichen Erwägung war auch ein Angestellter bei der Deutschen Bahn AG kein Amtsträger.115 Demgegenüber war ein Angestellter der Deutschen Bahn Netz AG Amtsträger, weil das Unternehmen aufgrund seiner Monopolstellung und seiner nicht erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit als sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzusehen war.116 Die Grenze kann somit sinnvollerweise nur dort gezogen werden, wo der Staat noch an der Aufgabenerfüllung beteiligt ist und die Gewinnerzielungsabsicht nicht das leitende Motiv darstellt. Obwohl es sich gerade im Bereich der Daseinsvorsorge um Strukturen handelt, die der Staat zur Verfügung stellen muss, bedeutet dies auf der anderen Seite nicht, dass er die Aufgabenerfüllung nicht auf Private übertragen kann. Hat er dies aber getan, kann vom Vorliegen einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung nur dann ausgegangen werden, wenn der Staat diese Aufgabenerfüllung nicht vollständig auf den Privaten übertragen hat, also kein Fall der materiellen Privatisierung gegeben ist. Die Frage, ob eine vollständige Aufgabenübertragung im Sinne einer materiellen Privatisierung nach verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Maßstäben zulässig ist, hat dabei keinen Einfluss auf die strafrechtliche Bewertung, da es auf die tatsächliche Beurteilung ankommt, ob die öffentliche Aufgabenerfüllung durch einen Privaten diesen zum Amtsträger macht. Als ungeeignet erscheint indes das Kriterium, ob die Aufgabenerfüllung auch 113  BGH

Urt. v. 14.11.2003 – 2 StR 164 / 03, NStZ 2004, 380. Urt. v. 3.3.1999 – 2 StR 437 / 98, BGHSt 45, 16 (19). 115  BGH Urt. v. 16.7.2004 – 2 StR 486 / 03, BGHSt 49, 214 (224 ff.). 116  BGH Beschl. v. 9.12.2010 – 3 StR 312 / 10, BGHSt 56, 97. 114  BGH

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

durch einen Privaten erfolgen könnte,117 denn dies würde im Widerspruch zur gesetzlichen Ausgestaltung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB stehen, wonach es gerade nicht auf die gewählte Organisationsform ankommt. Auf der anderen Seite kann es aber auch nicht ausreichen, dass die öffentliche Verwaltung das Handeln des Privaten durch die Erteilung einer Genehmigung unterstützt oder auch nur billigt. Nur durch die Beteiligung des Hoheitsträgers an der Aufgabenerfüllung, unabhängig von der konkreten Organisationsform, wird der erforderliche Zusammenhang zwischen der Aufgabenerfüllung und dem staatlichen Handeln hergestellt. Insbesondere vor dem Hintergrund des Rechtsgüterschutzes, der durch die Amtsdelikte (§§ 331 ff. StGB) gewährleistet werden soll, erscheint es nicht nachvollziehbar, dass ein Dritter bereits durch die Übernahme von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zum Amtsträger wird. Ein berechtigtes Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und das ordnungsgemäße Funktionieren der Verwaltung kann nur dort anerkannt werden, wo eine Beteiligung des Staates auch tatsächlich erfolgt. Der automatische Schluss von einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung auf Amtsträgereigenschaft ist somit nicht statthaft. cc) Bedarfsverwaltung und erwerbswirtschaftliche Tätigkeit Heftig umstritten ist zudem die Frage, ob im Bereich der erwerbswirtschaftlich-fiskalischen Verwaltung die Zuordnung der handelnden Person zum Begriff der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung möglich ist. In diesem Bereich sind all jene Tätigkeiten des Staates einzuordnen, die nicht bereits unter die Eingriffs- oder Leistungsverwaltung fallen.118 Im Wesentlichen agiert die öffentliche Verwaltung in diesem Bereich entweder als Anbieter oder als Besteller von Dienstleistungen und Waren. Die Bedarfsverwaltung, also die Bestellung von Waren und Dienstleis­ tungen durch die öffentliche Hand, stellt grundsätzlich auch eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung dar, weil erst durch die Mittelbeschaffung die Voraussetzungen einer funktionierenden Verwaltung geschaffen werden.119 ­ Schon das Reichsgericht führte hierzu aus, dass die Verwaltung öffentlichen Vermögens, wozu auch die Bedarfsverwaltung gehöre, stets als öffentliche Aufgabe anzusehen sei.120 Wesentlich überzeugender erscheint es aber, auf 117  So

aber BGH Urt. v. 15.3.2001 – 5 StR 454 / 00, BGHSt 46, 310 (313). 3. Aufl., § 11 Rn. 74. 119  RG Urt. v. 31.8.1940  – 3 D 202 / 40, RGSt 74, 251 (253); KK-OWiG / Rogall, § 111 Rn. 13; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 77; Ransiek, NStZ 1991, 519 (522); Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 21; SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 30; Weiser, NJW 1994, 968 (970). 120  RG Urt. v. 31.8.1940 – 3 D 202 / 40, RGSt 74, 251 (253). 118  MüKo-StGB / Radtke,



§ 3 Begriff des Amtsträgers49

den Gedanken des Rechtsgüterschutzes der Amtsdelikte und eine damit verbundene funktionale Betrachtung abzustellen.121 Eine sachgemäße Erfüllung der Aufgaben in der Eingriffs- und Leistungsverwaltung wäre ohne die entsprechende Ausstattung an Sachmitteln nicht möglich. Eine fehlerhafte, weil am erforderlichen Bedarf vorbei erfolgte Beschaffung, wirkt sich somit auch auf die Eingriffs- und Leistungsverwaltung aus.122 Vor diesem Hintergrund muss die Bedarfsverwaltung grundsätzlich auch als Aufgabe der öffentlichen Verwaltung angesehen werden, weil sie der eigentlichen Aufgabenerfüllung vorgelagert ist. Sodann stellt sich aber die Frage, ob nur derjenige als Täter erfasst wird, der bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle zur entsprechenden Aufgabenwahrnehmung bestellt ist, oder auch die Person erfasst wird, die bloß in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Hintergrund dieser Diskussion ist, dass die Amtsdelikte voraussetzen, dass die Funktionsfähigkeit der Verwaltung von innen heraus beeinträchtigt wird.123 Verwaltungsexterne Dritte, die im Rahmen der Beschaffungs- und Bedarfsverwaltung für die Behörde tätig sind, sollen nicht an der Wahrnehmung einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung beteiligt sein, da durch sie lediglich eine mittelbare Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung gegeben ist.124 Dies kann allerdings nicht überzeugen, denn auch eine bloß mittelbare Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung stellt weiterhin eine Beeinträchtigung dar. Wird ein Dritter damit beauftragt, für eine Behörde oder eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung vorzunehmen, kann nicht bereits aufgrund seiner Stellung als Verwaltungsexterner darauf geschlossen werden, dass er im Rahmen der Bedarfsverwaltung von vornherein nicht als Amtsträger in Betracht kommt. Der Beauftrage unterscheidet sich zudem grundlegend von einem außenstehenden Dritten. Bereits durch die Beauftragung entsteht ein Verbindungsglied zwischen ihm und der öffentlichen Verwaltung, das die Gleichbehandlung zum Amtsträger, der bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle zur Aufgabenwahrnehmung bestellt ist, rechtfertigt. Nicht überzeugen kann auch das Argument, dass der Staat mit der Beauftragung eines externen Dritten seine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung bereits wahrgenommen hat.125 Zum einen stellt sich in diesem Fall dann die Frage, welcher Anwendungsbereich für den beauftragten Dritten im Bereich der Bedarfsverwaltung überhaupt 121  MüKo-StGB / Radtke,

3. Aufl., § 11 Rn. 76. Urt. v. 13.1.2016 – 2 StR 148 / 15, BGHSt 61, 135 (138); Heinrich, Amtsträger, S. 489 f.; SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 30. 123  Heinrich, Amtsträger, S. 490. 124  Heinrich, Amtsträger, S. 491; Lenckner, ZStW 106 (1994), 503 (535). 125  Heinrich, Amtsträger, S. 491. 122  BGH

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

noch bleibt und zum anderen hat der Staat durch die bloße Beauftragung eines Dritten seine Aufgabe gerade noch nicht selbst erfüllt.126 Besteht etwa ein Bedarf an der Beschaffung von Polizeifahrzeugen, um die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als Aufgabe der öffentlichen Verwaltung erfüllen zu können, kann in der bloßen Beauftragung eines Dritten mit der Beschaffung der Polizeifahrzeuge noch nicht die Wahrnehmung dieser Aufgabe gesehen werden, sondern erst in der tatsächlichen Beschaffung. Andernfalls würde der Schutzzweck der Amtsdelikte unzulässig verkürzt und insbesondere der deutlich anfälligere Schritt der tatsächlichen Verwendung öffentlicher Gelder ausgeblendet. Wird der Staat rein fiskalisch tätig, ist die Amtsträgereigenschaft nach weit überwiegender Meinung mangels Wahrnehmung einer Aufgabe der öffent­ lichen Verwaltung zu verneinen.127 Das bloße Finanzierungsinteresse der öffentlichen Hand kann für sich genommen noch nicht ausreichen, um eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung anzunehmen. Allerdings ist der Anwendungsbereich, der der rein fiskalischen Verwaltung zugeordnet werden kann, verhältnismäßig gering, da nach der hier vertretenen Auffassung auch der Bereich der Bedarfsverwaltung uneingeschränkt unter den Begriff der Aufgabe der öffentlichen Verwaltung zu fassen ist. Auf kommunaler Ebene verlangen beispielsweise die meisten Gemeindeordnungen, dass eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde nur vorgenommen wird, wenn damit zugleich ein öffentlicher Zweck verfolgt wird.128 Auf dieser Ebene bleibt daher kein Anwendungsbereich mehr übrig, der einer rein erwerbswirtschaftlichen Betätigung zugänglich wäre. Als Beispiel einer rein erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Staates kann etwa der Betrieb einer landeseigenen Brauerei angesehen werden oder das Anbieten eines staatlichen Lotteriewesens. b) Bestellungsakt Der Amtsträger, der bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, muss zu dieser Aufgabenwahrnehmung auch bestellt worden sein (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB). Keinesfalls ausreichend ist die rein tatsäch­liche Übernahme 126  MüKo-StGB / Radtke,

3. Aufl., § 11 Rn. 76. NStZ 1984, 501 (503 f.); Geppert, JURA 1981, 42 (44); Heinrich, Amtsträger, S. 489 f.; Knauer / Kaspar, GA 2005, 385 (390); LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 11; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 77; SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 30; a. A. Eisele, BT  I, Rn. 1613; Fischer, StGB, § 11 Rn. 22; Maurach / Schroe­ der / Maiwald, BT II, § 69 Rn. 16; offen gelassen in BGH Urt. v. 10.3.1983  – 4 StR 375 / 82, BGHSt 31, 264 (269). 128  Z. B.: § 102 Abs. 1 Nr. 1 GemO-BW; Art. 87 Abs. 1 S. Nr. 1 GemO-BY; § 107 Abs. 1 Nr. 1 GemO-NRW. 127  Dingeldey,



§ 3 Begriff des Amtsträgers51

der Tätigkeit. Die Bestellung stellt im Innenverhältnis zum Dienstherrn einen öffentlich-rechtlichen Rechtsakt dar, durch den der Adressat gesondert zur Dienstverrichtung berufen wird.129 Der Bestellungsakt darf nicht mit dem zugrundeliegenden Anstellungsverhältnis beziehungsweise Auftragsverhältnis verwechselt werden, die allerdings bei der anschließenden Untersuchung der Verschwiegenheitspflicht im Mittelpunkt stehen werden. In vielen Fällen wird der Bestellungsakt aber mit dem Abschluss des Vertrages zusammen­ fallen. Der Bestellung zur Dienstverrichtung liegt der Gedanke zugrunde, dass diesem gesonderten Akt eine Warnfunktion zukommt, die dazu dient, dem zukünftigen Amtsträger die gesteigerte Verantwortung seiner Position vor Augen zu führen.130 Die Bestellung darf daher nicht gleichgesetzt werden mit dem Abschluss des zugrunde liegenden Anstellungs- oder Auftragsverhältnisses zwischen dem Amtsträger und seinem Dienstherrn. Dass eine solche Differenzierung erforderlich ist, legt bereits der Wortlaut nahe, der vorgibt, dass der Betroffene dazu bestellt sein muss, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.131 Auch die frühere Rechtsprechung zu § 359 StGB a. F. verlangte trotz des Wortlauts, der lediglich von angestellten Personen sprach, dass der Angestellte neben der eigentlichen Anstellung, durch einen weiteren öffentlichrechtlichen Akt zur Dienstverrichtung berufen werden musste.132 Während das Anstellungsverhältnis somit maßgeblich war für die Frage, ob der Betroffene als Beamter im strafrechtlichen Sinn angesehen werden konnte, wurde im öffentlich-rechtlichen Akt der Bestellung die ausdrückliche Berufung zur Dienstverrichtung gesehen. Die Berufung zur Dienstverrichtung musste sich aus der Staatsgewalt ableiten und zugleich staatlichen Zwecken dienen.133 Diese Unterscheidung zwischen Anstellungsverhältnis und Bestellung zur Dienstverrichtung wurde auch mit Einführung des Amtsträgerbergriffs in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht aufgegeben, zumal der neugefasste Wortlaut nun die Notwendigkeit noch deutlicher unterstreicht. Muss demnach von einer Selbstständigkeit der Bestellung ausgegangen werden, können Mängel im Dienst- oder Auftragsverhältnis die Wirksamkeit der Bestellung nicht beeinträchtigen. 129  Heinrich,

Amtsträger, S. 520. Urt. v. 13.1.2016  – 2 StR 148 / 15, BGHSt 61, 135 (139); Dingeldey, NStZ 1984, 503 (504); Otto, JR 1998, 73 (74); Rönnau / Wegner, JuS 2015, 505 (507). 131  BayObLG Beschl. v. 20.7.1995 – 4 St RR 4 / 95, NJW 1996, 268 (270); Heinrich, Amtsträger, S.  521 f. 132  RG Urt. v. 31.8.1940  – 3 D 202 / 40, RGSt 74, 251 (253); BGH Urt. v. 24.1.1952  – 3 StR 913 / 51, BGHSt 2, 119 (120); BGH Urt. v. 26.6.1973  – 1 StR 188 / 73, BGHSt 25, 204 (205). 133  RG Urt. v. 31.8.1940 – 3 D 202 / 40, RGSt 74, 251 (253). 130  BGH

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

aa) Form und Inhalt der Bestellung Die Bestellung bedarf nach weit überwiegender Ansicht keiner besonderen Form.134 Dies belegen auch die Gesetzesmaterialien. Der Gesetzgeber hat sich bei der Neufassung des § 11 StGB über die Aufnahme eines formalisierten Bestellungsaktes ausdrücklich Gedanken gemacht macht und sich schließlich gegen eine solche Regelung entschieden.135 Reicht somit eine formlose Bestellung aus, stellt sich schlussendlich nur noch die Frage, ob auch eine konkludente Bestellung ausreichend ist. Dies ist vor dem Hintergrund der Warnfunktion, die dem Akt der Bestellung zugrunde liegt, zu verneinen. Soll der Betroffene auf seine besondere Stellung hingewiesen werden und wird zugleich angenommen, dass der Akt der Bestellung und das Grundverhältnis unabhängig voneinander sind, kann eine konkludente Bestellung der Warnfunktion nicht gerecht werden.136 Dem kann auch nicht mit dem Argument entgegengetreten werden, dass aus einem systematischen Gegenschluss zu § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB, der eine förmliche Verpflichtung voraussetzt (vgl. § 2 VerpflG),137 zu folgern ist, dass im Fall des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB gerade keine förmliche Verpflichtung verlangt wird.138 Dies zeigt schon der Umstand, dass der Akt der Bestellung oftmals mit dem Beginn des Anstellungsverhältnisses einen einheitlichen Vorgang bilden wird und somit keine klare Trennung der Bestellung vom Anstellungsverhältnis mehr möglich ist, so dass eine konkludente Bestellung bereits aus Gründen der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit für den Betroffenen als nicht ausreichend zu bewerten ist. Aus diesem Grund sind niedergelassene Vertragsärzte der Krankenkassen nicht als Amtsträger anzusehen.139 Unabhängig davon, dass der Vertragsarzt keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, liegt keine wirksame Bestellung vor, weil es an einer zurechenbaren Entscheidung der Kran134  BGH Urt. v. 15.5.1997  – 1 StR 233 / 96, BGHSt 43, 96 (102 f.); BGH Urt. v. 9.7.2009  – 5 StR 263 / 08, BGHSt 54, 39 (42); HK-GS / Hölscher, § 11 StGB Rn. 3; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 100; Ransiek, NStZ 1991, 519 (524); Welp, Lackner-FS 1987, 761 (764). 135  Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 10.  Band, 113. Sitzung, S. 338, Bericht von Schäfer; Heinrich, Amtsträger, S. 531 m. w. N. 136  Dingeldey, NStZ 1984, 503 (504); Ransiek, NStZ 1991, 519 (524); Otto, JR 1998, 73 (74). 137  Fischer, StGB, § 11 Rn. 26; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 118. 138  MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 101; unter Geltung des § 359 StGB a. F. ebenfalls eine konkludente Bestellung als ausreichend erachtend: RG Urt. v. 30.3.1942 – 3 D 15 / 42, RGSt 76, 105 (108) m. w. N. 139  BGH Beschl. v. 25.1.2012 – 1 StR 45 / 11, BGHSt 57, 95.



§ 3 Begriff des Amtsträgers53

kenkasse fehlt.140 Hingegen hat der BGH den stellvertretenden Vorsitzenden eines anwaltlichen Versorgungswerks als Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB angesehen.141 Zur Begründung führte das Gericht aus, dass das Versorgungswerk Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, da es für die verkammerten Berufe die sozialstaatlich gebotene Grundversorgung der Pflichtmitglieder übernimmt. Da die Bestellung keine bestimmte Form voraussetzt, reichte es aus, dass der Beschuldigte durch seine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden mit der eigenständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut war. Der Bestellungsakt muss lediglich den Inhalt aufweisen, dass dem Bestellten die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zur eigenständigen Wahrnehmung übertragen werden.142 Auf einen entsprechenden Willen der zuständigen Behörde kann regelmäßig schon wegen des Abschlusses des Anstellungsvertrages geschlossen werden. Im Übrigen können auch die Anweisungen des Arbeitsgebers im Rahmen seines Direktionsrechts einen entsprechenden Rückschluss erlauben. bb) Bei einer Behörde oder sonstigen Stelle Aus der Formulierung „bei einer Behörde“ ergibt sich nach gefestigter Rechtsprechung, dass der Betroffene bei der Behörde oder der sonstigen Stelle organisatorisch eingegliedert sein muss.143 Dieser Umstand allein reicht bereits aus, um sodann von einer Bestellung auszugehen. Eine Eingliederung wird dabei in den allermeisten Fällen aufgrund des Anstellungsverhältnisses anzunehmen sein.144 Unerheblich ist, ob das Anstellungsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur ist oder einen rein privatrechtlichen Arbeitsvertrag darstellt.145 Es ist darüber hinaus nicht erforderlich, dass der Bestellte nach außen hin als Entscheidungsträger auftritt. Ausreichend ist, wenn er

140  Über die Zulassung entscheiden die jeweils zuständigen Zulassungsausschüsse, vgl. § 96 Abs. 1 SGB V. 141  BGH Urt. v. 9.7.2009 – 5 StR 263 / 08, BGHSt 54, 39. 142  BGH Urt. v. 13.1.2016 – 2 StR 148 / 15, BGHSt 61, 135 (140); SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn.; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 101; Schönke / Schröder / Eser /  Hecker, § 11 Rn. 20. 143  BGH Urt. v. 15.5.1997  – 1 StR 233 / 96, BGHSt 43, 96 (105); BGH Urt. v. 19.6.2008  – 3 StR 490 / 07, BGHSt 52, 290; BGH Urt. v. 9.7.2009  – 5 StR 263 / 08, BGHSt 54, 39; BGH Urt. v. 13.1.2016 – 2 StR 148 / 15, BGHSt 61, 135 (138); BGH Beschl. v. 12.4.2016 – VI ZR 447 / 14, (juris). 144  So ausdrücklich BGH Urt. v. 13.1.2016 – 2 StR 148 / 15, BGHSt 61, 135 (138). 145  MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 95; Rengier, BT  II, § 59 Rn. 10; Weiser, NJW 1994, 968 (970).

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

intern die alleinige Entscheidungsbefugnis hat.146 Die Anforderungen, ab wann von einer Bestellung bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle ausgegangen werden kann, sind somit sehr niedrig. Mangels organisatorischer Eingliederung sind freiberufliche Mitarbeiter eines privaten Ingenieuroder Planungsbüros, das von der öffentlichen Verwaltung damit beauftragte wurde, zur Vorbereitung einer öffentlichen Ausschreibung Werkleistungen zu erbringen, dementsprechend keine Amtsträger.147 Zwar ist die öffentliche Bauverwaltung als solche eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung, jedoch genügt der Umstand, dass ein externes Planungsbüro einmalig mit der Aufgabe beauftragt wurde, bestimmte Werkleistungen für die öffentliche Ausschreibungen vorzubereiten, nicht den Anforderungen an eine organisatorische Eingliederung.148 cc) Im Auftrag Im Gegensatz dazu ist der Beauftragte nicht in den organisatorischen Aufbau der Behörde oder einer sonstigen Stelle eingegliedert. Der Bestellungsakt muss daher einen anderen Inhalt aufweisen, um dem Beauftragten die Warnfunktion vor Augen zu führen.149 Im Fall der Aufgabenerfüllung bei einer Behörde folgt die Bestellung, wie gesehen, bereits aus dem Anstellungsverhältnis, das mit der damit verbundenen organisatorischen Eingliederung einhergeht. Die Aufgabenwahrnehmung im Auftrag der Behörde kann dagegen für sich genommen noch nicht ausreichen, weil allein aus der Aufgabenwahrnehmung nicht ersichtlich ist, dass diese dem Bestellten zur eigenständigen Wahrnehmung übertragen wurden.150 Anknüpfungspunkt für die Bestellung kann nur der Inhalt der Beauftragung selbst sein.151 Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Auftrag im Sinne des § 662 BGB nicht erforderlich ist. Ausreichend ist jede Beauftragung, auch wenn deren Durchführung auf einer Rechtspflicht beruht.152 Für die Beauftragung ist es des Weiteren unerheblich, ob sie im Hauptamt oder nebenamtlich erfolgt, weshalb auch Personen als Beauftragte in Betracht kommen können, die nur einen Probe- oder Ausbildungsdienst ableis146  BGH

Urt. v. 13.1.2016 – 2 StR 148 / 15, BGHSt 61, 135 (141). Urt. v. 15.5.1997 – 1 StR 233 / 96, BGHSt 43, 96 (105). 148  Aus diesem soll auch keine Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Auftrag der Behörde vorliegen, siehe hierzu sogleich Kapitel 1 § 3 IV. 3. b) cc). 149  KK-OWiG / Rogall, § 111 Rn. 16; a. A. Heinrich, Amtsträger, S.  525 f. 150  KK-OWiG / Rogall, § 111 Rn. 16. 151  MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 102. 152  OLG Karlsruhe Urt. v. 23.1.2017 – Ss 401 / 16, BeckRS 2017, 100739; MüKoStGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 95. 147  BGH



§ 3 Begriff des Amtsträgers55

ten.153 Einschränkend verlangt die Rechtsprechung aber, dass sich die Beauftragung nicht nur auf eine kurzfristige oder gar einmalige Tätigkeit richten darf, sie muss vielmehr auf eine längerfristige Beschäftigung gerichtet sein oder zu einer organisatorischen Eingliederung führen.154 Gerade vor dem Hintergrund, dass für den Betroffenen erkennbar sein muss, dass er nun aufgrund seiner Stellung besonderen strafbewehrten Pflichten unterliegt, sei eine einmalige oder nur kurzfristige Beauftragung nicht ausreichend, um diesen Zweck dem Betroffenen deutlich vor Augen zu führen.155 Diese Einschränkung überzeugt allerdings nicht. Allein der Umstand, dass die Beschäftigung in eine längerfristige Tätigkeit münden kann, ist für die Frage der Amtsträgereigenschaft nicht entscheidend. Dies gilt im Übrigen für jedes Zeitmoment. Die Amtsträgereigenschaft nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB bestimmt sich allein nach der konkret ausgeübten Tätigkeit. Dies verlangt die materiell-funktionelle Betrachtungsweise.156 Argumentiert der BGH nun in seiner Entscheidung, dass aus systematischen Erwägungen zu § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b sowie zu § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB zumindest die Aussicht auf eine längerfristige Beauftragung erforderlich sei, werden die Unterschiede verwischt. Während es bei den Buchst. a und b unbestritten auf das Dienst- bzw. Amtsverhältnis ankommt, hat der Gesetzgeber in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB bewusst auf die Tätigkeit als entscheidendes Merkmal zur Begründung der Amtsträgereigenschaft abgestellt. Wird nun versucht, dieses Merkmal dadurch einzuschränken, indem Elemente hinzugefügt werden, die nicht mehr auf die Tätigkeit als solche, sondern auf die Beziehung des Beauftragten zur Behörde oder der sonstigen Stelle abstellen, wird § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c zunehmend in die Nähe der anderen Varianten des Amtsträgerbegriffs gerückt. Ein solches Vorgehen würde jedoch der Normstruktur des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB widersprechen. Auch der Wortlaut der Norm, der von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung spricht, legt nicht zwingend den Schluss nahe, dass es einer längerfristigen Tätigkeit bedarf, da mit dem Begriff „Aufgaben“ auch der gesamte Handlungsbereich der öffentlichen Verwaltung gemeint sein kann und nicht die Notwendigkeit einer mehrmaligen Aufgabenwahrnehmung.157 Allen anderen Versuchen, die vermehrt auf das Verhältnis zwischen dem Beauftragten und der Behörde 153  KG Beschl. v. 24.1.2008  – 3 Ws 66 / 07, NStZ 1998, 198; Schönke / Schröder /  Eser / Hecker, § 11 Rn. 25. 154  BGH Urt. v. 15.5.1997  – 1 StR 233 / 96, BGHSt 43, 96 (105); a. A. MüKoStGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 103. 155  BGH Urt. v. 15.5.1997 – 1 StR 233 / 96, BGHSt 43, 96 (105); Heinrich, Amtsträger, S. 535. 156  Siehe Kapitel 1 § 3 IV. 157  BayObLG Beschl. v. 20.7.1995 – 4 St RR 4 / 95, NJW 1996, 268 (270); Weiser, NJW 1994, 968 (970); a. A. Haft, NJW 1995, 1113 (1116).

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

abstellen, sei es durch einen systematischen Vergleich oder eine „generelle Bestellung“158 (wobei schon unklar ist, welche Voraussetzungen an eine solch generelle Bestellung zu knüpfen sind und wo die Grenze zur Einzelbeauftragung verlaufen soll), ist aus systematischen Erwägungen zu widersprechen. c) Sonderkonstellationen Im Folgenden soll noch in aller Kürze auf umstrittene Sonderkonstellationen eingegangen werden, denen gemein ist, dass die Amtsträgerschaft der handelnden Personen deswegen verneint wurde, weil sie keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. aa) Mandatsträger Wie bereits mehrfach in diesem Zusammenhang festgestellt, fällt die Gesetzgebung nicht in dem Bereich der öffentlichen Verwaltung. Aus diesem Grund sind Abgeordnete auch keine Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB.159 Etwas anderes gilt aber, wenn sie neben ihrem Mandat zusätzlich Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. So ist etwa der Präsident des Deutschen Bundestages als Amtsträger anzusehen.160 bb) Mitglieder kommunaler Selbstverwaltungsorgane Die Amtsträgereigenschaft von Mitgliedern kommunaler Selbstverwaltungsorgane wird unterschiedlich beurteilt. Im Gegensatz zu den Abgeordneten des Bundestages oder der Landtage sind die Mitglieder der kommunalen Selbstverwaltungsorgane (Gemeinderäte, Stadträte oder Kreistagsabgeordnete) keine Parlamentarier. Zwar weisen kommunale Selbstverwaltungsorgane gewisse Ähnlichkeiten zu einem Parlament auf, insbesondere werden die Mitglieder durch Wahlen bestimmt, jedoch handelt es sich bei diesen Organen nicht um Parlamente im Sinne der Gewaltenteilungslehre.161 Kommunale Selbstverwaltungsorgane sind in erster Linie Verwaltungsorgane der jeweiligen Gebietskörperschaft.

158  Haft,

NJW 1995, 1113 (1116). Beschl. v. 21.6.1988  – 2 BvR 975 / 83, NVwZ 1989, 46; LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 48; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn.; LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 81; Rönnau / Wegner, JuS 2015, 505 (508). 160  Vgl. Kapitel 1 § 3 III. 161  BVerfG Beschl. v. 21.6.1988 – 2 BvR 975 / 83, NVwZ 1989, 46; Gern, Rn. 314. 159  BVerfG,



§ 3 Begriff des Amtsträgers57

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Mitglieder einer kommunalen Volksvertretung Amtsträger sein können. Dies wäre eindeutig zu verneinen, wenn sie keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen würden. Auf den ersten Blick scheint dies aber gegeben zu sein, handelt es sich bei kommunalen Selbstverwaltungsorganen doch um Verwaltungsorgane. Die früher vertretene Ansicht, dass kommunale Mandatsträger eine dem Abgeordneten vergleichbare Stellung haben, schließlich werden auch sie in freier, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl von den Bürgern gewählt (z. B. § 26 Abs. 1 GemO-BW, § 22 Abs. 1 LKrO-BW), und daher nicht als Amtsträger aufzufassen seien,162 hat mittlerweile durch die Rechtsprechung des BGH eine klare Absage erfahren.163 Mitglieder eines kommunalen Selbstverwaltungsorgans sind, abhängig von der konkret ausgeübten Tätigkeit, entweder als Amtsträger oder als Abgeordnete anzusehen.164 Werden kommunale Mandatsträger mit Aufgaben betraut, die über ihre Tätigkeiten in der kommunalen Volksvertretung oder den Ausschüssen hinausgehen, nehmen sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr und sind deshalb als Amtsträger zu behandeln. Andernfalls liegt keine Aufgabenwahrnehmung der Verwaltung vor und die Strafbarkeit beurteilt sich allein nach § 108e Abs. 3 Nr. 1 StGB.165 Diese Norm setzt voraus, dass der Abgeordnete im Rahmen seines Mandats tätig wird.166 Die Bestellung wird spätestens in der öffent­ lichen Verpflichtung der Gemeinderäte zur gewissenhaften Erfüllung ihrer Aufgaben zu sehen sein.167 Da die Bestellung auch formlos erfolgen kann, wird sie in aller Regel mit der Verpflichtung zur gewissenhaften Erfüllung durch den Bürgermeister in der ersten Sitzung des Gemeinderats zusammenfallen. cc) Soldaten Soldaten der Bundeswehr sind keine Amtsträger. Zwar nehmen sie unbestritten eine öffentliche Aufgabe wahr und sind damit vom Anwendungsbe162  Deiters,

NStZ 2003, 453 (456 f.). Urt. v. 17.3.2015 – 2 StR 281 / 14, NStZ 2015, 451. 164  BGH Urt. v. 9.5.2006  – 5 StR 453 / 05, BGHSt 51, 44; Geppert, JURA 1981, 42 (45); LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 48; Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 22; a. A. Deiters, NStZ 2003, 453 (458). 165  BGH Urt. v. 17.3.2015 – 2 StR 281 / 14, NStZ 2015, 451; SSW-StGB / Rosenau, § 108e Rn. 7; einleitend zur historischen Entwicklung des § 108e StGB: Heinrich, ZIS 2016, 382 ff. 166  BGH Urt. v. 17.3.2015 – 2 StR 281 / 14, NStZ 2015, 451. 167  A. A. Rübenstahl, HRRS 2006, 23 (33), der bereits eine Bestellung mit der Wahl annimmt. Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass die bloße Wahl noch nicht mit der Berufung zur Dienstverrichtung gleichgesetzt werden kann. 163  BGH

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

reich des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB grundsätzlich erfasst, jedoch wird diese Vorschrift durch den spezielleren § 48 WStG verdrängt.168

§ 4 Die rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht Mit der Erkenntnis, welche Personen vom Amtsträgerbegriff umfasst sind, ist der erste Grundstein für die nachfolgende Untersuchung der Verschwiegenheitspflicht gelegt. Die Verschwiegenheitspflicht hängt in ihrer rechtlichen Begründung maßgeblich davon ab, in welchem Rechtsverhältnis der Amtsträger zu seinem Dienstherrn steht. Die nachfolgende Darstellung muss sich somit an den verschiedenen Personengruppen des Amtsträgerbegriffs orientieren, weil – wie zu zeigen sein wird – die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen keine einheitliche Betrachtung erlauben. Zur Begründung der Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers allein auf die strafrechtlichen Sanktionsnormen abzustellen, wäre vorschnell und in der Sache auch nicht richtig. Zwar beinhalten die einschlägigen Strafnormen grundsätzlich auch das an den Amtsträger gerichtete Verhaltensgebot, ein geschütztes Geheimnis nicht unbefugt zu offenbaren, dies muss aber nicht sein.169 Mit der Bestimmung der rechtlichen Grundlagen muss zugleich der Frage nachgegangen werden, welchen Umfang die jeweilige Verschwiegenheitspflicht aufweist. Es wird sich zeigen, dass hinsichtlich der Systematik und der Reichweite zum Teil deutliche Unterschiede festgestellt werden können, die insbesondere für die spätere Untersuchung der Sanktionierung der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht eine wichtige Weichenstellung beinhalten.

I. Das geschützte Interesse Die Verschwiegenheitspflicht besteht selbstredend nicht um ihrer selbst willen, sondern dient dem Schutz eines bestimmten Interesses. Grundsätzlich kann danach unterschieden werden, ob durch sie ein Geheimnis geschützt werden soll, an dessen Geheimhaltung ein öffentliches Interesse besteht oder ob sie sich auf ein rein privates Interesse bezieht. Die Verschwiegenheitspflicht, die im öffentlichen Interesse besteht, soll die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung absichern. Sie kann nur 168  Fischer, StGB, § 11 Rn. 23c; MüKo-StGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 76; Rübenstahl, S. 338; für Soldaten gilt hingegen die Besonderheit, dass sie in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit sagen müssen (§ 13 Abs. 1 SG). Zu den Auswirkungen dieser Pflicht auf den Strafprozess: Poretschkin, DRiZ 2009, 288 ff. 169  Siehe ausführlich Kapitel 4 § 16.



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht59

gewährleistet werden, wenn die Verwaltung unparteiisch und gerecht arbeiten kann.170 Dies wäre aber nicht mehr möglich, wenn Informationen vor Abschluss der Entscheidungsfindung ungehindert nach außen dringen würden.171 Die Pflicht zur Wahrung des Amtsgeheimnisses trifft den Amtsträger persönlich und dient ausschließlich der Erfüllung der ihm obliegenden öffentlichen Aufgaben. So heißt es beispielsweise in § 67 Abs. 1 BBG, dass „Beamtinnen und Beamte“ in dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren haben. Ähnlich die Regelung in § 6 Abs. 1 BMinG. Nach dieser Vorschrift sind die Mitglieder der Bundesregierung verpflichtet, über die ihnen amtlich bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Wie bereits zu Beginn erwähnt, beschränkt sich die Untersuchung auf die Verletzung dieser Verschwiegenheitspflicht. Sie soll für die weitere Untersuchung verkürzt als allgemeine Verschwiegenheitspflicht bezeichnet werden. Speziell bezogen auf diese Pflicht soll geklärt werden, ob ihre Verletzung im Zusammenhang mit der Verteidigung im Strafverfahren gerechtfertigt werden kann. Dies geschieht nicht nur aus Gründen der erforderlichen Begrenzung des Untersuchungsrahmens, sondern auch deshalb, weil die Frage der Rechtfertigung notwendigerweise mit anderen Fragen verbunden ist, wenn die Verschwiegenheitspflicht nicht ausschließlich im öffentlichem Interesse besteht. Für die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers, die ausschließlich das Individualinteresse schützt, ist hingegen kennzeichnend, dass sie eine Absicherung des Anspruchs des Dritten gegen die Behörde ist, seine Privatgeheimnisse nicht zu offenbaren. Im Unterschied zur Verschwiegenheitspflicht, die das öffentliche Interesse schützt, begründet sie neben der persönlichen Verpflichtung des Amtsträgers auch und gerade eine organschaftliche Verschwiegenheitspflicht der Behörde als solche.172 So hat beispielsweise jeder Bürger bei der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens einen Anspruch gegen die Behörde, dass seine Geheimnisse nicht durch die Behörde preisgegeben werden (§ 30 VwVfG).173 Der Anspruch richtet sich explizit gegen die Behörde und nicht gegen den jeweiligen Amtsträger. Die persönliche Verschwiegenheitspflicht ergibt sich erst mittelbar aus den Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts und des Strafrechts.174 Ein weiteres Beispiel für das geschützte Privatinteresse stellt der Schutz des Sozialgeheimnisses dar (§ 35 Abs. 1 SGB I). Nach dieser Vorschrift kann jeder Bürger verlangen, dass die 170  BVerwG Urt. v. 25.11.1982  – 2 C 19 / 80, NJW 1983, 2343; BVerwG Urt. v. 20.10.2005  – 2 C 12 / 04, BVerwGE 124, 252; BeckOK-BeamtenR / Leppek, § 37 ­BeamtStG Rn. 1; Stelkens / Bonk / Sachs / Kallerhoff, § 84 Rn. 2. 171  BeckOK-BeamtenR / Leppek, § 37 BeamtStG Rn. 1. 172  Knemeyer, NJW 1984, 2241 (2242); Obermayer / Funke-Kaiser / Grünewald, § 30 Rn. 14. 173  Weitere Regelungen finden sich beispielsweise in § 9 UIG oder § 6 S. 2 IFG. 174  Stelkens / Bonk / Sachs / Kallerhoff, § 30 Rn. 1.

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

ihn betreffenden Sozialdaten von den entsprechenden Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Adressat des Geheimnisses ist die jeweilige Behörde beziehungsweise die geheimhaltungspflichtige Stelle als solche. Ein unmittelbarer Anspruch gegen den einzelnen Amtsträger besteht aber wiederum nicht.175 Der Schutz des Individualinteresses muss entweder durch entsprechende Verhaltens- und Sanktionsnormen erreicht werden (z. B.: § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB) oder durch organisatorische Maßnahmen der verpflichteten Stelle.176 Denkbar ist darüber hinaus, dass durch die Verschwiegenheitspflicht sowohl das öffentliche als auch das private Interesse gleichermaßen geschützt werden soll. Diese speziellen Verschwiegenheitspflichten tragen zumeist der besonderen verfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit bestimmter sensibler Informationen Rechnung. Ein Beispiel hierfür ist etwa das Steuergeheimnis (§ 30 AO), das sowohl im privaten als auch im öffentlichen Interesse besteht.177 Ein weiteres Beispiel für eine solche spezielle Verschwiegenheitspflicht stellt § 206 Abs. 4 StGB dar. Nach dieser Vorschrift ist es dem außerhalb des Post- oder Telekommunikationsbereichs tätigen Amtsträger verboten, gegenüber einer anderen Person eine Mitteilung über Tatsachen zu machen, die ihm aufgrund eines befugten oder unbefugten Eingriffs in das Post- oder Fernmeldegeheimnis bekanntgeworden sind. Die Vorschrift schützt damit nicht nur das subjektive Recht auf Geheimhaltung des Inhalts des Post- und Telekommunikationsverkehrs, sondern auch das öffentliche Inte­ resse an der Zuverlässigkeit.178 Die Schutzrichtung des Interesses gibt auch den Schutzzweck der jeweiligen Sanktionsnorm vor.179 Während der strafrechtliche Schutz der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht dementsprechend keine Individualinteressen berücksichtigt, steht dieser Schutzzweck bei den strafrechtlichen Sanktionsnormen im Vordergrund, die an die Verletzung einer speziellen Verschwiegenheitspflicht oder des Individualinteresses anknüpfen.

II. Die allgemeine Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers Im nächsten Schritt soll die allgemeine Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers näher dargestellt werden. Die Untersuchung des Amtsträgerbegriffs hat ergeben, dass unterschiedliche Regelwerke einschlägig sein müs175  Knemeyer,

NJW 1984, 2241 (2242). § 35 SGB I Rn. 8 f. 177  Siehe Kapitel 4 § 16 III. 1. 178  BT-Drucks. 13 / 8453, S. 12; MüKo-StGB / Altenhain, § 206 Rn. 1; SSW-StGB /  Bosch, § 206 Rn. 1. 179  Siehe ausführlich hierzu Kapitel 4 § 16. 176  BeckOK-SGB / Gutzler,



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht61

sen, um die rechtlichen Grundlage der Verschwiegenheitspflicht zu bestimmen. Die nachfolgende Darstellung orientiert sich aus diesem Grund erneut an der Reihenfolge der unterschiedlichen Personengruppen wie sie von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorgegeben wird. 1. Beamte Jeder Beamte unterliegt der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht, die sich auf alle dienstlichen Angelegenheiten bezieht, die dem Beamten während seiner amtlichen Tätigkeit anvertraut oder bekanntgeworden sind. Sie ist gesetzlich verankert in den einschlägigen Beamtengesetzen (§ 37 Abs. 1 Beamt­ StG bzw. § 67 Abs. 1 BBG) und Ausdruck der besonderen Dienst- und Treuepflicht gegenüber seinem Dienstherrn. Sie gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) und besitzt damit Verfassungsrang. Bevor auf die gesetzliche Grundlage der Verschwiegenheitspflicht und ihre Reichweite näher eingegangen wird,180 soll zunächst in gebotener Kürze die historische Entwicklung dargestellt werden. Sie wird zeigen, dass die wesentlichen Inhalte der Verschwiegenheitspflicht seit der Entwicklung des Berufsbeamtentums nahezu unverändert übernommen wurden und somit für die Auslegung weiterhin herangezogen werden können. Gleichwohl hat die Regelungssystematik der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht, die für mehrere Jahrhunderte unverändert geblieben ist, in der jungen Bundesrepublik eine grundlegende Umkehr erfahren. Es wird sich zudem herausstellen, dass sie seitdem eine andere Zielrichtung aufweist im Vergleich zu den anderen Personengruppen innerhalb des Amtsträgerbegriffs. Dieser Umstand wird insbesondere bei der Untersuchung der Sanktionsvorschriften von Bedeutung sein. a) Historische Entwicklung der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht Die Darstellung der historischen Entwicklung der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht wird ergeben, dass eine solche zwar stets als selbstverständlich angenommen wurde, eine ausdrückliche Rechtsgrundlage dieser Pflicht aber erst sehr spät mit Inkrafttreten des Reichsbeamtengesetzes im Jahr 1873 gesetzlich verankert wurde. Zugleich wird deutlich, dass wesent­ liche Grundsätze der Amtsverschwiegenheit, wie sie in den geltenden Fassungen der Beamtengesetze niedergelegt sind, übernommen wurden. Insbesondere lohnt eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Regelungen des Reichsbeamtengesetzes. Nicht nur, weil hier erstmals die Pflicht zur Amts180  Siehe

Kapitel 1 § 4 II. 1. b), c).

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

verschwiegenheit ausdrücklich normierte wurde, sondern auch deshalb, weil sie darüber hinaus bereits die Struktur vorgeben, wie sie auch die heutigen Regelungen verwenden. aa) Frühe vereinzelte Regelungen Es lassen sich bereits sehr früh vereinzelte Regelungen finden, die eine besondere Verschwiegenheitspflicht für Personen anordneten, die im weitesten Sinne mit dem heutigen Beamten vergleichbar sind.181 Seit langem bekannt war das Amtsgeheimnis im kirchlichen Recht. Nachweise hierfür finden sich in den Regelungen zur Wahrung des Amtsgeheimnisses im Siegel der Beichte (sigillum confessionis) im kanonischen Recht.182 Das kanonische Recht verpflichtete den Priester zur strengsten Geheimhaltung über alles, was ihm im Rahmen der Beichte anvertraut wurde. Die Geschichte des weltlichen Rechts nahm im Mittelalter stets das kirchliche Recht als Vorbild und Ideengeber, bedingt dadurch, dass die weltlichen Herrscher in der Regel im kanonischen Recht geschult und ausgebildet waren.183 Weil die Herausbildung des Berufsbeamtentums erst im Laufe des 14. Jahrhunderts mit dem Aufkommen absolutistisch geprägter Staaten seinen Anfang nahm, überrascht es nicht, dass es zunächst keine allgemeine Verschwiegenheitspflicht für alle Staatsdiener gab, sondern eine solche nur für einzelne Berufe existierte. Auffällig ist, dass von der Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit oftmals solche Personen betroffen waren, die entweder dem Gerichtswesen angehörten oder bestimmte Herrschaftsrechte ausübten. So verpflichtete beispielsweise das Recht der Stadt Köln den „Pfenttner“, einen Diensteid zu leisten, mit dem er sich verpflichtete, die Empfehlungen des Stadtrates geheim zu halten.184 Die kurfürstliche Ordnung der Kanzlei des Kammergerichts aus dem Jahr 1562 verpflichtete alle Sekretäre und Schreiber dazu, über alles, was ihnen zu schreiben oder zu konzipieren befohlen wurde und über alles, was aus der Kanzlei kam, Stillschweigen zu bewahren und diese Informationen geheim zu halten.185 Notare und Gerichtsschreiber mussten, bevor sie ihr Amt übernahmen, einen Eid leisten, der sie unter anderem dazu verpflichtete, über alles, was ihnen anvertraut wurde, zu schweigen.186 Für die Kammergerichtsräte schrieb die Kammergerichtsordnung aus dem Jahr Nürnberg, S.  10 ff. S. 7; Probst, S. 14; Rau, S.  5 f. 183  Hattenhauer, S. 11. 184  Der „Pfenttner“ kann in seiner Funktion mit einem heutigen Gerichtsvollzieher verglichen werden, vgl. Probst, S.  15 f. 185  Mylius, Teil 2, Abteilung 1, S. 58. 186  Mylius, Teil 2, Abteilung 1, S. 244. 181  Eingehend 182  Nürnberg,



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht63

1709 vor, dass sie zwar einander beratend an die Hand gehen durften, jedoch über den Inhalt der Abstimmungen zu schweigen hatten.187 Schon relativ früh wurde somit das Bedürfnis erkannt, die im Bereich der Rechtsprechung handelnden Personen einer besonderen Verschwiegenheitsverpflichtung zu unterstellen. bb) Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten Die Anfänge des modernen Berufsbeamtentums gehen einher mit der Entwicklung des Städtewesens und dem Ausbau der Territorialstaaten.188 Maßgeblich zur Entwicklung beigetragen hat die Herausbildung eines besonderen Beamtenethos, das vom Staatsdiener insbesondere Treue und Fleiß verlangte. Vor allem im Königreich Preußen setzte sich, gefördert durch Kants Pflichtenlehre und den Einfluss der preußischen Könige, der Gedanke durch, dass der Beamte dem Ideal der selbstlosen Pflichterfüllung verfangen sei.189 Das Verhältnis zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn wurde nunmehr durch einen Hoheitsakt begründet und bekam damit einen öffentlich-recht­ lichen Charakter, der die besondere Stellung des Beamten für das Staatswesen unterstrich.190 Der Beamte war allein seinem Dienstherrn gegenüber verantwortlich und ihm zu Treue und Gehorsam verpflichtet. In der Epoche des Absolutismus wurde die Verschwiegenheitspflicht daher als selbstverständliche Pflicht eines jeden Staatsdieners angesehen, die aus der Stellung gegenüber dem Dienstherrn folgte.191 Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten (Pr. ALR) von 1794 sah ausdrücklich vor, dass Militärund Zivilbeamte dem Oberhaupt des Staates besondere Treue und Gehorsam schuldig sind.192 Regelungen zur Amtsverschwiegenheit sind aber dennoch nur punktuell vorhanden. So verlangte beispielsweise § 18 der Preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung, dass alle Gerichtsräte über die im Kollegium vorkommenden Angelegenheiten, insbesondere über die Abstimmungen der anderen Mitglieder, Stillschweigen bewahren müssen.193 Auch in der preußischen Verfassung, die im Vergleich zum Allgemeinen Preußischen Landrecht deutlich später – als Reaktion auf die angestoßene Märzrevolution von 1848 – am 5. Dezember 1848 in Kraft trat, findet sich ebenfalls keine explizite Regelung. Allgemein hieß es in Art. 108 nur: „[…] alle Staatsbeamte 187  Mylius,

Teil 2, Abteilung 1, S. 356; Probst, S. 17. Rn. 12; Porr, S. 3. 189  Nachweise bei Porr, S. 4; Schwerin, S. 312. 190  Leppek / Wagner, Rn. 13. 191  Fauser, S. 2. 192  § 2 Pr. ALR Teil II 10. 193  § 18 Allgemeine Prozessordnung für die Preußischen Staaten Teil II 3. 188  Leppek / Wagner,

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

leisten dem Könige den Eid der Treue und des Gehorsams und beschwören die gewissenhafte Beobachtung der Verfassung“. Auch im einschlägigen Titel des Preußischen Allgemeinen Landrechts „Von den Rechten und Pflichten der Diener des Staates“ (Pr. ALR II 10) findet sich kein Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht des Beamten, jedoch muss aus dem Umstand, dass die Verletzung dieser Pflicht mit Strafe bedroht war („Gebrochene Amtsverschwiegenheit“)194 gefolgert werden, dass eine solche als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Die weit überwiegende Meinung leitete daher auch die Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit aus der allgemeinen Treuepflicht des Beamten ab.195 cc) Reichsbeamtengesetz Eine ausdrückliche Normierung der Verschwiegenheitspflicht des Beamten findet sich erstmals in § 11 des Reichsbeamtengesetzes (RBG) vom 31. März 1873196 und in der wortgleichen Fassung vom 18.  Mai 1907. Das Gesetz bezog sich aufgrund der föderalen Struktur des Reiches allerdings nur auf Reichsbeamte. Ein einheitliches Beamtenrecht für Beamte des Reiches und der Länder, zumindest in Form eines Statusrechts wie es heutzutage in Form des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) existiert, gab es nicht. § 11 RBG lautete wie folgt: „Über die vermöge seines Amtes ihm bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich oder von seinem Vorgesetzten vorgeschrieben ist, hat der Beamte Verschwiegenheit zu beobachten, auch nachdem das Dienstverhältnis aufgelöst ist.“

Mit dieser Formulierung wurde eine Regelung geschaffen, die mit der heutigen in weiten Teilen vergleichbar ist. Vorausgesetzt wird damals wie heute, dass eine Kausalität zwischen der Amtsausübung und der Kenntniserlangung des Beamten bestehen muss, damit die Angelegenheit von der Verschwiegenheitspflicht erfasst wird.197 Schon damals wurden aber an die Amtskausalität keine allzu strengen Anforderungen gestellt. Ausreichend war schon ein mittelbarer Zusammenhang, der bereits dann anzunehmen war, wenn sich der Beamte anlässlich der amtlichen Tätigkeit mit einem anderen Beamten besprach und auf diese Weise Kenntnis von der Angelegenheit erlangte.198 Dass die Pr. ALR Teil II 20 Achter Abschnitt; Stock, S. 148. Calker, Mayer-FG 1906, 119 (139); Laband, S. 459; Nürnberg, S. 19; Richter-Brohm, S. 38. 196  RGBl. 1873 I S. 61 ff. 197  Richter, S. 27. 198  RG Urt. v. 20.12.1907 – II 792 / 07, RGSt 41, 4 (10); Fauser, S. 14. 194  §§ 357 f. 195  v.



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht65

Verschwiegenheitspflicht über die Beendigung des Dienstverhältnisses fortwirkt, gilt bis heute. Wie § 11 RBG selbst zum Ausdruck bringt, reicht die Verschwiegenheitspflicht aber nicht grenzenlos. Erforderlich ist, dass die Geheimhaltung der Angelegenheit ihrer Natur nach erforderlich ist. Diese Formulierung ist zu Recht als wenig glücklich kritisiert worden, da sie die Vermutung nahelegt, dass es auf die Angelegenheit selbst ankommt.199 Eine Angelegenheit kann jedoch nicht um ihrer selbst willen geheimhaltungsbedürftig sein, sondern nur aus dem Grund, weil an der Geheimhaltung ein nachvollziehbares Bedürfnis besteht. Die Beurteilung der Erforderlichkeit unterliegt aber einem steten Wandel, da die Antwort auf die Frage, ob eine Sache ihrer Natur nach geheimhaltungsbedürftig ist, keine feste Größe darstellt. Aufgrund dessen stellen die heutigen beamtenrechtlichen Regelungen auch nicht mehr auf die Natur der Sache ab, sondern lassen die Verschwiegenheitspflicht nur entfallen, wenn die dienstlichen Angelegenheiten ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. War die Geheimhaltung ihrer Natur nach nicht erforderlich, war der Beamte trotzdem zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn die Geheimhaltung von seinem Vorgesetzten ausdrücklich angeordnet wurde. Weitaus bedeutender als diese Erkenntnis ist jedoch der Umstand, dass § 11 RBG die Verschwiegenheitspflicht nicht selbst anordnete, sondern hierfür auf die Natur der Sache abstellte oder auf eine gesonderte Anordnung des Vorgesetzten verwies. § 11 RBG muss damit als Verbindungsnorm angesehen werden, die regelte, in welchen Fällen dem Beamten die ihm bekanntgewordenen Angelegenheiten der Verschwiegenheitspflicht unterfielen. Die Existenz der Verschwiegenheitspflicht wurde aber trotz dieser Regelungstechnik weiterhin als selbstverständlich erachtet.200 Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass der Zusatz „deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich ist“ im ursprünglichen Gesetzesentwurf noch nicht vorhanden war. Der Entwurf gab lediglich vor, dass der Beamte, „über die vermöge seines Amtes ihm bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu beobachten hat“.201 Aus Sorge, dass diese weite Formulierung dazu führen würde, dass der Beamte einer allumfassenden Verschwiegenheitspflicht unterliege, die er schlichtweg nicht erfüllen könne, wurde der genannte Zusatz in das Gesetz mitaufgenommen.202 Die Feststellung, ob die Geheimhaltung erforderlich war, musste entweder vom jeweiligen Beamten selbst getroffen wer199  Fauser,

S. 15.

200  Pereis / Spilling, 201  Verhandlungen

S. 41. des Reichstages vom 23. April 1872, Stenographische Berichte

1872, Band 1, S. 148. 202  Verhandlungen des Reichstages vom 23. April 1872, Stenographische Berichte 1872, Band 1, S. 152; v. Calker, Mayer-FG 1906, 119 (120); Richter, S. 25.

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

den oder die Geheimhaltung der Angelegenheit war gesetzlich bereits vorgeschrieben. Bestand keine gesetzliche Regelung, war der Beamte dazu aufgefordert, nach freiem Ermessen und in eigener Verantwortung zu entscheiden, ob die Angelegenheit unter die Amtsverschwiegenheit fiel oder nicht.203 dd) Deutsches Beamtengesetz Durch das Deutsche Beamtengesetz (DBG) vom 26. Januar 1937204 erfuhr auch die Vorschrift über die Amtsverschwiegenheit eine merkliche Änderung, die allerdings nicht die bisher geltenden Grundsätze über den Inhalt der Verschwiegenheitspflicht oder die Regelungstechnik berührte, sondern die ­ Verschwiegenheitspflicht um das nationalsozialistische Gedankengut, das von seinen Staatsdienern einen bedingungslosen Gehorsam gegenüber dem Staat und der Partei erwartete, erweiterte. Der nunmehr geltende § 8 Abs. 1 DBG enthielt folgenden Inhalt: „Der Beamte hat – auch nach Beendigung seines Beamtenverhältnisses – über die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch Gesetz oder dienstliche Anordnung vorgeschrieben oder ihrer Natur nach erforderlich ist, Verschwiegenheit gegen jedermann zu bewahren; von dieser Amtspflicht kann ihn keinerlei andere persönliche Bindung befreien.“

Die Neufassung hebt im Gegensatz zur Regelung im RBG noch deutlicher hervor, dass die Verschwiegenheitspflicht an die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Angelegenheit geknüpft ist. In gleicher Regelungsweise wird sie aber nicht durch die Vorschrift selbst angeordnet. Die Verschwiegenheitspflicht kann sich nur daraus ergeben, dass sie durch Gesetz oder dienstliche Weisung vorgeschrieben oder ihrer Natur nach erforderlich ist. Neu ist im Vergleich zur Regelung des § 8 RBG, dass nun auch die mittelbare Kenntniserlangung ausreicht, wie durch die Formulierung „bei“ zum Ausdruck gebracht wird.205 Auffällig ist an der Neufassung zudem, dass die Bedeutung der Amtsverschwiegenheit für den Beamten besonders deutlich herausgestellt wird, indem das Gesetz zum Ausdruck bringt, dass keinerlei andere persön­ liche Bindung den Beamten von dieser Amtspflicht befreien kann. Die Betonung der Verschwiegenheitspflicht und ihr Vorrang gegenüber allen persön­ lichen Bindungen des Beamten verdeutlicht auf eindringliche Weise das Anliegen der nationalsozialistischen Reichsregierung, ein von „nationalsozialistischer Weltanschauung durchdrungenes Berufsbeamtentum“ (so die Präambel des Deutschen Beamtengesetzes) einzuführen. Die Vorschrift unterstreicht, dass die Verschwiegenheitspflicht eine Kernpflicht des Beamten darstellt und 203  Fauser,

S. 19. 1937 I S. 39. 205  Fischbach, DBG, § 8 I 2. 204  RGBl.



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht67

ihrer Bedeutung nach mit der absoluten Gehorsamspflicht des Beamten (§ 7 DBG) gleichzusetzen ist.206 Nach der Vorstellung der Nationalsozialisten durfte der Beamte gegenüber keiner anderen Organisation zu Treue und Gehorsam verpflichtet sein. So findet sich in der einschlägigen Kommentarliteratur die Bemerkung, dass mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Bedeutungslosigkeit jeglicher persönlichen Bindung des Beamten, z. B. die Mitgliedschaft in Freimaurerlogen oder vergleichbaren Organisationen, der Einfluss nichtstaatlicher Organisationen auf die Ausführung der Verwaltung (im Sinne der Nationalsozialisten) verhindert werden solle. Der Beamte dürfe „das Treueverhältnis zum Führer nicht durch die Preisgabe von Amtsgeheimnissen“ verletzen.207 Neben dieser deutlichen Betonung auf die herausragende Bedeutung der Amtsverschwiegenheit hielt man allerdings an den zum Reichsbeamtengesetz entwickelten Grundsätzen fest. Außer der inhaltlichen Klarstellung, dass nun auch eine gesetzliche Anordnung die Geheimhaltungsbedürftigkeit begründen kann, lassen sich keine weiteren Änderungen inhaltlicher Natur feststellen. ee) Neuregelung in der Bundesrepublik Deutschland Im Zuge des Wiederaufbaus Deutschlands nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erfuhr auch das Berufsbeamtentum und die Stellung des Beamten bedeutende Veränderungen. Viele Beamte waren in der Zeit des Nationalsozialismus entweder an den Verbrechen des Regimes selbst beteiligt gewesen oder standen der NSDAP nahe, weshalb das Beamtentum im besonderen Maße der Entnazifizierung unterzogen wurde. Damit verbunden war die Öffnung des öffentlichen Dienstes für andere Gruppen, die fortan Aufgaben übernahmen, deren Erfüllung ursprünglich den Beamten vorbehalten waren. Im Zuge der Neuordnung des Beamtentums wurde am 14.  Juli 1953 das Bundesbeamtengesetz (BBG)208 und am 1.  Juli 1957 das Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG)209 erlassen, die auch hinsichtlich der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit grundlegende Änderungen mit sich brachten. § 61 Abs. 1 BBG a. F. und § 39 Abs. 1 BRRG normierten nun wortgleich: „Der Beamte hat, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, über die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.“ 206  Seel,

S. 62. § 8 1; ähnlich Fischbach, DBG, § 8 I 4; Seel, S. 62. 208  BGBl. 1953 I S. 551 ff. 209  BGBl. 1953 I S. 667 ff. 207  Brand,

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

Der Wortlaut der Norm zeigt bereits deutlich, dass der damalige Bundesgesetzgeber die Verschwiegenheitspflicht grundlegend neu geregelt hat. Anders als die Vorgängerregelungen gilt nun eine absolute Verschwiegenheitspflicht. Nach der Regelung im RBG und im DBG setzte die Verschwiegenheitspflicht noch voraus, dass sich die Geheimhaltungsbedürftigkeit aus anderen Regelungen ergab. Dies war dann der Fall, wenn sie entweder aufgrund eines Gesetzes, einer dienstlichen Anordnung oder dem Wesen der Angelegenheit nach zu bejahen war. Der Regelungsmechanismus wurde somit umgedreht. Die Neuregelung des § 61 Abs. 1 BBG a. F. und § 39 Abs. 1 BRRG stellte damit eine erhebliche Ausweitung der Verschwiegenheitspflicht dar, weil von vornherein alle Tatsachen, unabhängig von einem gesonderten Bedürfnis der Geheimhaltung, dieser Pflicht unterlagen, solange sie dem Beamten während seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind.210 Durch die bewusste Erweiterung wollte der Gesetzgeber verhindern, dass es dem Beamten überlassen bleibt, festzustellen, ob die Angelegenheit nun von der Verschwiegenheitspflicht erfasst wird oder nicht. Zudem diente nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine klare gesetzliche Regelung auch dem Schutz des Beamten, der bisher im schlimmsten Fall erst durch ein Urteil des Strafgerichts oder durch eine Entscheidung des Disziplinargerichts erfuhr, ob eine Angelegenheit ihrer Natur nach geheimhaltungsbedürftig war oder nicht.211 Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass sich in den Beamtengesetzen der Länder, in denen sich der Wiederaufbau des öffentlichen Dienstes zunächst vollzog, Regelungen finden, die eine offenere Gestaltung der Verschwiegenheitspflicht vorsahen. Abweichend von einer absoluten Ausgestaltung, lag den Landesgesetzen in vielen Fällen eine kasuistische Umgrenzung zugrunde.212 Festzuhalten bleibt damit, dass § 61 Abs. 1 BBG und § 39 Abs. 1 BRRG a. F. eine Umkehr der bisherigen Regelungstechnik darstellten. Knüpfte die Verschwiegenheitspflicht bisher an das Erfordernis der Geheimhaltungsbedürftigkeit an, die für die Annahme einer solchen Pflicht gesondert festgestellt werden musste, bestand diese von nun an uneingeschränkt. Sie entfiel allerdings, wenn die Angelegenheit ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedurfte. Die Auslegung der Begrifflichkeiten, insbesondere das weite Verständnis der Amtskausalität, wurde indes beibehalten.213

210  Bochalli,

§ 61 1 c); Fischbach, BBG, § 61 II 1. zum schriftlichen Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht, Deutscher Bundestag 1. Wahlperiode Drucks. Nr. 4246. 212  Menzel, DÖV 1965, 1 (5) m. w. N. 213  Bochalli, § 61 1 c); Fischbach, BBG, § 61 II 1. 211  Nachtrag



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht69

b) Rechtliche Grundlagen der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt für das Recht des öffentlichen Dienstes ist Art. 33 Abs. 5 GG. Diese Norm sichert als objektives Verfassungsrecht den Kernbestand von Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums.214 Zugleich enthält Art. 33 Abs. 5 GG einen Auftrag an den Gesetzgeber, das Recht des öffentlichen Dienstes „unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln“. Diesem Gestaltungsauftrag ist der Gesetzgeber unter anderem durch den Erlass des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG)215 und der Novellierung des Bundesbeamtengesetzes (BBG)216 nachgekommen. Im Zuge der Föderalismusreform erhielt der Bundesgesetzgeber die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie für die Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, der Besoldung und der Versorgung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG). Für bundeseigene Beamte steht dem Bund dagegen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu (Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG). Ihre jetzige Fassung erhielten die einschlägigen gesetzlichen Regelungen durch das Föderalismusgesetz vom 28.  August 2006.217 Im Zuge der Neuordnung der föderalen Beziehungen zwischen dem Bund und den Ländern wurde das bis dato geltende Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) durch das Beamtenstatusgesetz vom 17.  Juni 2008 abgelöst.218 Ebenfalls einer Neuordnung unterzogen wurde das Bundesbeamtengesetz. Die Verschwiegenheitspflicht des Beamten selbst erfuhr lediglich Änderungen klarstellender Natur. Die Verschwiegenheitspflicht des Beamten wird heute durch § 37 Abs. 1 BeamtStG und § 67 Abs. 1 BBG gesetzlich angeordnet. Beide Vorschriften sind wortgleich ausgestaltet und lauten wie folgt: „Beamtinnen und Beamte haben über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch über den Bereich des Dienstherrn hinaus sowie nach Beendigung des Beamtenverhältnisses.“

214  BVerfG

Beschl. v. 2.12.1958 – 1 BvL 27 / 55, BVerfGE 8, 332. v. 17.6.2008, BGBl. 2008 I S. 1010 ff. 216  Dienstrechtsneuordnungsgesetz v. 5.2.2009, BGBl. 2009 I S. 160. 217  Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28.6.2006, BGBl. 2006 I S. 2034 ff. 218  BGBl. 2008 I S. 1010. 215  Beamtenstatusgesetz

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

Der Verschwiegenheit unterliegt damit im Grundsatz jede dienstliche Angelegenheit. Diese muss dem Beamten bei oder bei Gelegenheit der amt­ lichen Tätigkeit bekanntgeworden sein. Während sich der Begriff der dienstlichen Angelegenheit auf den unter die Verschwiegenheitspflicht fallenden Umstand bezieht, verlangt der Begriff der amtlichen Tätigkeit, dass zwischen der Kenntniserlangung und der Tätigkeit ein kausaler Zusammenhang (sog. Amtskausalität) besteht, der allerdings, wie schon die historische Betrachtung gezeigt hat, sehr weit zu verstehen ist.219 Das Gesetz definiert allerdings nicht, was unter dem Begriff der „dienst­ lichen Angelegenheit“ zu verstehen ist. Ausgehend von der Formulierung „Angelegenheit“ bezieht sie sich jedenfalls nicht nur auf Tatsachen. Sie umfasst vielmehr alles, was einen Bezug zur Dienstausübung aufweist. Daher werden auch Wertungen und das eigene Verhalten des Beamten erfasst.220 Keinen dienstlichen Bezug weisen demgegenüber solche Umstände auf, die von vornherein nicht mit der dienstlichen Tätigkeit in Verbindung gebracht werden können. Hierzu zählen beispielsweise private Umstände des täglichen Lebens. Damit die dienstliche Angelegenheit von der Verschwiegenheitspflicht erfasst wird, muss diese dem Beamten bei oder bei Gelegenheit seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sein. Die Kenntniserlangung außerhalb der eigenen amtlichen Tätigkeit wird damit ebenfalls erfasst. Eine amtliche Tätigkeit liegt vor, wenn der Beamte im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 BeamtStG handelt, also eine hoheitsrechtliche Aufgabe oder eine weitere Aufgabe im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 2 BeamtStG wahrnimmt.221 Unerheblich ist, auf welche Weise der Beamte Kenntnis erlangt. Es reicht aus, dass ihm der Umstand während seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden ist. Die Informationen müssen dem Beamten nicht anvertraut worden sein. Dies ist deshalb sinnvoll, da der Staat aufgrund seiner Hoheitsgewalt auch gegen oder ohne den Willen des Betroffenen in geheimhaltungsbedürftige Sphären eindringen darf.222 Unabhängig von der einfachgesetzlichen Normierung in § 37 Abs. 1 BeamtStG und § 67 Abs. 1 BBG zählt die Verschwiegenheitspflicht, wie eingangs erwähnt, zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG.223 Hierzu zählen nur solche Rechte und 219  BT-Drucks.

16 / 7076, S. 220; Battis / Grigoleit, § 67 Rn. 6. § 37 BeamtStG Rn. 5; Reich, § 37 Rn. 3; Wiese,

220  BeckOK-BeamtenR / Leppek,

S. 119. 221  Reich, § 37 Rn. 3. 222  Düwel, S. 80. 223  BVerfG Beschl. v. 28.4.1970  – 1 BvR 690 / 65, BVerfGE 28, 191 (201); BVerwG Urt. v. 25.2.1971 – II C 11 / 70, NJW 1971, 1229; BVerwG Urt. v. 24.6.1982 – 2 C 91 / 81, BVerwGE 66, 39 (42); Lopacki, ZBR 2016, 329 (331).



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht71

Pflichten, die über einen längeren Zeitraum für das Berufsbild des Beamten traditionsbildend gewirkt haben und als verbindlich anerkannt sind.224 Die historische Entwicklung der Verschwiegenheitspflicht hat gezeigt, dass diese Pflicht stets mit der Stellung des Beamten verbunden und seit der Herausbildung des Berufsbeamtentums bekannt war.225 Die Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit gilt gegenüber jedermann, der nicht zum engeren Dienstbereich des Beamten gehört.226 Zu diesem Bereich sind alle Personen zu zählen, die bestimmungsgemäß und unmittelbar mit der amtlichen Tätigkeit des jeweiligen Beamten in Berührung kommen. Hierzu zählt etwa der Vorgesetzte oder die Kollegen, die mit der gleichen dienstlichen Angelegenheit befasst sind. Darüber hinaus verbieten § 37 Abs. 1 BeamtStG und § 67 Abs. 1 BBG aber jede (auch behörden­ interne) Weitergabe von Informationen, es sei denn, sie ist gesetzlich gestattet oder gerechtfertigt.227 Die beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht gilt insbesondere auch vor Gericht. Beamtinnen und Beamte dürfen ohne Genehmigung weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben (§ 37 Abs. 3 S. 1 BeamtStG, § 67 Abs. 3 S. 1 BBG). Die Verschwiegenheitspflicht gilt unabhängig davon, ob der Beamte als Zeuge, Sachverständiger, Partei, Neben- oder Privatkläger, Beschuldigter oder Angeklagter am Verfahren beteiligt ist.228 Dies bedeutet, dass die Verschwiegenheitspflicht unabhängig von der verfahrensrechtlichen Stellung des Beamten fortwirkt, es sei denn, sie wird durch das Vorliegen einer Aussagegenehmigung aufgehoben. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Beamten die Aussagegenehmigung zu erteilen ist, soll an gesonderter Stelle im Zusammenhang mit der Stellung des Amtsträgers als Beschuldigter eines Strafverfahrens vertieft nachgegangen werden.229 Ehrenbeamte, die ebenfalls als Amtsträger zu qualifizieren sind,230 unterliegen im Übrigen im gleichen Maß wie andere Beamte der Verschwiegenheitspflicht. Für Ehrenbeamte auf Bundesebene ergibt sich dies aus § 133 Abs. 1 BBG. Auf Landesebene sind wiederum die jeweiligen Landesbeamtengesetze maßgeblich. Beispielsweise unterliegen in Baden-Württemberg Ehrenbeamte gem. §§ 97 Abs. 1, 57 LBG-BW der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht. 224  BVerfG

Beschl. v. 2.12.1958 – 1 BvL 27 / 55, BVerfGE 8, 332 (343). Kapitel 1 § 4 II. 1. a). 226  BGH Beschl. v. 20.9.1957 – V ZB 19 / 57, BGHZ 25, 186 (184); Düwel, S. 83. 227  Siehe sogleich Kapitel § 4 II. 1. c). 228  Battis / Grigoleit, § 67 Rn. 12. 229  Hierzu siehe ausführlich Kapitel 2 § 7 I. und II. 230  Siehe hierzu Kapitel 1 § 3 I. 225  Siehe

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

c) Grenzen der Verschwiegenheitspflicht Die beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht gilt nicht grenzenlos. Der Gesetzgeber hat bestimmte Ausnahmefälle vorgegeben, die von vornherein nicht von Verschwiegenheitspflicht erfasst werden. Zudem hat er erkannt, dass die Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit in Konflikt zu anderen Rechten oder Pflichten des Beamten treten kann. Von Gesetzes wegen bezieht sich die Amtsverschwiegenheit nicht auf die drei Fälle, die in § 37 Abs. 2 S. 1 BeamtStG und § 67 Abs. 2 S. 1 BBG abschließend geregelt sind: „(2) Absatz 1 gilt nicht, soweit 1. Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten sind, 2. Tatsachen mitgeteilt werden, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen, oder 3. gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer von der obersten Dienstbehörde bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Stelle ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Korrup­ tionsstraftat nach den §§ 331 bis 337 des Strafgesetzbuches angezeigt wird. Im Übrigen bleiben die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten, von Absatz 1 unberührt.“

In all diesen Fällen ist zwar vom Vorliegen einer geheimhaltungsbedürftigen dienstlichen Angelegenheit auszugehen, jedoch hat der Gesetzgeber aus unterschiedlichen Gründen davon abgesehen, die Verschwiegenheitspflicht auf sie zu erstrecken. Um eine effiziente und unbürokratische Aufgabenerledigung zu ermöglichen, fallen Mitteilungen, die im dienstlichen Verkehr geboten sind, nicht unter die allgemeine Verschwiegenheitspflicht des Beamten.231 Eine Mitteilung im dienstlichen Verkehr ist demnach geboten, wenn sie dazu dient, die Aufgabe zu erfüllen oder wenn sie erforderlich ist, damit die vorgesetzte Dienstbehörde ihre Überwachungsfunktion ausüben kann.232 Dabei bezieht sich die Vorschrift sowohl auf den Informationsaustausch innerhalb der gleichen Behörde als auch zwischen mehreren Behörden.233 Die Amtsverschwiegenheit bezieht sich des Weiteren nicht auf solche dienstlichen Angelegenheiten, die entweder offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Offenkundig ist eine Tatsache, wenn sie allgemein bekannt oder ohne Hindernisse in Erfahrung gebracht werden 231  Battis / Grigoleit, § 67 Rn. 8; BeckOK-BeamtenR / Leppek, §  37 BeamtStG Rn. 12; Düwel, S. 82. 232  Reich, § 37 Rn. 7. 233  BeckOK-BeamtenR / Leppek, § 37 BeamtStG Rn. 11.



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht73

kann.234 Die Frage, wann eine Tatsache ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedarf, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern muss stets vor dem Hintergrund der amtlichen Tätigkeit erfolgen. Üblicherweise bedürfen solche Tatsachen keiner Geheimhaltung, deren Bekanntwerden keine öffentlichen oder privaten Belange beeinträchtigen.235 Der Beamte unterliegt schlussendlich auch dann nicht der Verschwiegenheitspflicht, wenn er der zuständigen Stelle Tatsachen anzeigt, die dazu geeignet sind, den Verdacht einer Korruptionsstraftat zu begründen. Diese Vorschrift ist zurückzuführen auf europarechtliche Vorgaben und soll den redlichen Beamten davor schützen, durch die Anzeige eines Korruptionsverdachts Nachteile zu befürchten.236 Satz 2 stellt zudem klar, dass der Beamte trotz der grundsätzlich weit gefassten Verschwiegenheitspflicht dazu verpflichtet bleibt, geplante Straftaten anzuzeigen und für den Erhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten. Eine weitere wichtige Einschränkung hinsichtlich des Umfangs der Verschwiegenheitspflicht ergibt sich aus dem Wortlaut des jeweiligen Absatzes 2. Dieser bezieht sich nur auf die allgemeine Verschwiegenheitspflicht, die durch das Bundesbeamten- beziehungsweise Beamtenstatusgesetz angeordnet werden, weil ausdrücklich auf den jeweiligen Absatz 1 Bezug genommen wird. Eine unabhängig hiervon bestehende Verschwiegenheitspflicht des Beamten, etwa zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 Abs. 1 AO) oder für den Richter zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses (§ 43 DRiG),237 wird durch die Ausnahmen in § 37 Abs. 2 BeamtStG beziehungsweise § 67 Abs. 2 BBG folglich nicht berührt, sondern kann nur nach den Regelungen der jeweiligen Sondervorschriften entfallen. Die gesetzliche Regelung in den Beamtengesetzen sieht daher gerade keine allgemeine Ausnahmeregelung vor. Weitere Regelungen hinsichtlich des Umfangs der Verschwiegenheitspflicht können sich für Landesbeamte noch aus den jeweiligen Landesbeamtengesetzen ergeben. Diese können jedoch nicht die durch § 37 Abs. 1 BeamtStG gezogenen Grenzen ihrerseits wieder verschärfen, da der Bundesgesetzgeber diesbezüglich von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit mit Erlass des Beamtenstatusgesetzes umfassend Gebrauch gemacht hat. Erlaubt sind hingegen weitere Einschränkungen der Verschwiegenheitspflicht. So schränkt beispielsweise § 57 Abs. 1 LBG-BW die Verschwiegenheitspflicht gegenüber § 37 Abs. 1 BeamtStG noch weiter ein, indem auch 234  Wiese,

S.  119 f.

235  Battis / Grigoleit,

§ 67 Rn. 9. des Zivilrechtsübereinkommens über Korruption des Europarates v. 4.11.1999 (SEV Nr. 174). 237  Siehe sogleich Kapitel 1 § 4 II. 2. c). 236  Art. 9

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

die Mitteilung gegenüber einem bestellten Vertrauensanwalt für Korrup­ tionsverhütung nicht von der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht erfasst wird.238 Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass die Verschwiegenheitspflicht des Beamten im Grundsatz umfassend ausgestaltet worden ist. Abgesehen von den wenigen gesetzlich geregelten Ausnahmen besteht sie auch in der für die vorliegende Untersuchung maßgeblichen Situation fort, in der der Beamte selbst Beschuldigter eines Strafverfahrens ist. Ihm ist es somit verwehrt, sich vor Gericht umfänglich zur Sache einzulassen, solange ihm nicht die erforderliche Aussagegenehmigung seitens der zuständigen Behörde erteilt wurde.239 Gibt er trotz des Nichtvorliegens einer Genehmigung eine Erklärung ab, verletzt er seine ihm obliegende Verschwiegenheitspflicht und begibt sich damit in Gefahr einer disziplinar- und strafrechtlichen Verfolgung dieses Verstoßes. 2. Richter Die rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht des Richters unterscheiden sich nur geringfügig von denen des Beamten. Aufgrund der besonderen verfassungsrechtlichen Stellung des Richters sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten, die eine gesonderte Darstellung erforderlich machen. Zudem ist auf das Beratungsgeheimnis, das sich als eine besondere Ausprägung des Amtsgeheimnisses darstellt, näher einzugehen, da dieses naturgemäß nur für den Richter relevant ist. a) Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht Die rechtlichen Grundlagen der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht sind durch die Verweise auf die beamtenrechtlichen Vorschriften im Deutschen Richtergesetz (DRiG) weitgehend identisch. Wie im Beamtenrecht muss zwischen Richtern im Bundesdienst und solchen im Landesdienst unterschieden werden, für die dem Bund – wie dargestellt – hinsichtlich des Statusrechts eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zusteht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG). Für Richter im Bundesdienst ordnet § 46 DRiG die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes an, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Mangels anderweitiger gesetzlicher Ausgestal238  Eine vergleichbare Regelung findet sich zum Beispiel auch in § 46 Abs. 1 Landesbeamtengesetz Schleswig-Holstein. Die meisten Bundesländer haben allerdings keine abweichende Regelung getroffen. 239  Siehe hierzu ausführlich Kapitel 2 § 7 II.



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht75

tung der Verschwiegenheitspflicht ist, soweit nicht die besondere Regelung über das Beratungsgeheimnis (§ 43 DRiG) zur Anwendung kommt, § 67 BBG uneingeschränkt anwendbar. Für die Richter im Landesdienst gelten gem. § 71 DRiG die Vorschriften des Beamtenstatusgesetzes entsprechend, soweit das DRiG nichts anderes bestimmt. Zur Geltung gelangt somit auch § 37 BeamtStG. Während Berufsrichter damit ebenfalls einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen, stellt sich die Situation für ehrenamtliche Richter, die ebenfalls als Amtsträger anzusehen sind,240 anders dar. Die Vorschriften des DRiG gelten grundsätzlich nur für Berufsrichter (§ 2 DRiG). § 46 beziehungsweise § 71 DRiG, die die unmittelbare Geltung der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht anordnen, finden somit keine Anwendung. In den Vorschriften über die ehrenamtlichen Richter (§§ 44 – 45a DRiG) finden sich keine Vorschriften, die die Geltung der einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen anordnen würden. Ehrenamtliche Richter unterliegen somit gerade nicht der allgemeinen (beamtenrechtlichen) Verschwiegenheitspflicht, sondern sind nur verpflichtet, das Beratungsgeheimnis zu wahren (§ 45 Abs. 1 S. 2 DRiG). Diese Regelung ist insoweit stimmig, als ehrenamtliche Richter ohnehin nur dazu befugt sind, an der Hauptverhandlung mitzuwirken. Anders als der Berufsrichter darf der Laienrichter keine Aktenkenntnis vor der Hauptverhandlung haben.241 b) Beratungsgeheimnis Neben der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht des Richters soll noch auf die Besonderheit des Beratungsgeheimnisses eingegangen werden. § 43 DRiG verlangt, dass der Richter über den Hergang bei der Beratung und über die Abstimmung auch nach Beendigung seines Dienstverhältnisses zu schweigen hat. Die Verpflichtung, über den Inhalt der Beratung und Abstimmung Stillschweigen zu wahren, findet sich bereits in den frühen Verfahrensordnungen, wie die historische Entwicklung der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht gezeigt hat.242 Über Sinn und Funktion des Beratungsgeheimnisses wurde seit seiner Normierung im Jahr 1958243 in § 43 DRiG lebhaft disku240  Vgl.

Kapitel 1 § 3 II. Urt. v. 17.11.1958  – 2 StR 188 / 58, BGHSt 13, 73 (74 f.); BGH Urt. v. 26.3.1997 – 3 StR 421 / 96, BGHSt 43, 36 (38 f.); Kühne, Rn. 116. 242  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 1. a). 243  Zu den rechtlichen Grundlagen vor Einführung des § 43 DRiG vgl. v. Coelln, S. 4 ff.; vor der ausdrücklichen Normierung wurde das Beratungsgeheimnis von der allgemeinen beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht erfasst, vgl. Brand, § 8 2 b). 241  BGH

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

tiert.244 Unbestritten ist allerdings, dass es sich beim Beratungsgeheimnis um einen richtertypischen und besonders wichtigen Anwendungsfall der Amtsverschwiegenheit handelt.245 So führte schon das Reichsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1894 aus, dass das Beratungsgeheimnis einen wesentlichen Bestandteil des Grundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit darstellt,246 indem es sicherstellt, dass alle an der Urteilsfindung beteiligten Richter über den Verlauf und das Ergebnis der Abstimmung schweigen müssen. § 43 DRiG stellt somit eine einfachgesetzliche Konkretisierung der richterlichen Unabhängigkeit dar (Art. 97 Abs. 1 GG).247 Ausweislich des Wortlauts greift das Beratungsgeheimnis ab Beginn der Urteilsberatung. Die Beratung beginnt ab dem Zeitpunkt, in dem das Kollegialorgan sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit zur Urteilsfindung zurückzieht. Da die Beratung kein Teil der Hauptverhandlung ist, kann diese frühestens nach Beendigung des Schlusswortes des Angeklagten (§ 258 Abs. 2 StPO) beginnen.248 Ist ein entsprechender Zusammenhang gegeben, beschränkt sich der Begriff der Beratung allerdings nicht nur auf die bloße Wiedergabe der Ergebnisse, sondern erfasst alle Diskussionen und jeden Gedankenaustausch zwischen den anwesenden Personen, die der Urteilsfindung dienen. Vom Beratungsgeheimnis erfasst ist somit nicht die nur die Tatsache mit welcher Mehrheit eine Entscheidung getroffen wurde, sondern auch welcher Richter wie gestimmt hat.249 Aus dem Sinn der Vorschrift lässt sich ableiten, dass sämtliche Unterlagen, die der Urteilsfindung vorausgingen und einen Rückschluss auf den Hergang der Beratung oder über die Abstimmung zulassen, dem Beratungsgeheimnis nach § 43 DRiG unterliegen.250 Ein bedeutender Unterschied des Beratungsgeheimnisses im Vergleich zur allgemeinen Verschwiegenheitspflicht ist darin zu sehen, dass das Beratungsgeheimnis uneingeschränkt gilt. Es gibt weder eine gesetzliche Ausnahme noch kann die zuständige Dienstbehörde den Richter von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden.251 Dies verdeutlicht zugleich, dass der Gesetzgeber 244  Vgl. die Darstellungen bei Einsiedler, NJ 2014, 6 (7); Fischer, Hassemer-FS 2010, 1002 ff.; Putzke, S.  42 ff. 245  Staats, § 43 Rn. 2. 246  RG Urt. v. 13.11.1894 – 3679 / 94, RGSt 26, 202 (204); Einsiedler, NJ 2014, 6 (7). 247  BVerwG Beschl. v. 21.2.2007  – 20 F 9 / 06, NJW 2007, 1705; Einsiedler, NJ 2014, 6 (7). 248  HK-GS / Böttcher, § 193 GVG Rn. 1; KK-StPO / Diemer, § 193 GVG Rn. 2. 249  SK-StPO / Frister, 4. Aufl., § 193 GVG Rn. 8; a. A. Putzke, S. 85, nur das personalisierte Abstimmungsergebnis ist erfasst. 250  KK-StPO / Diemer, § 193 GVG Rn. 6; Meyer-Goßner / Schmitt, § 263 Rn. 9; SK-StPO / Frister, 4. Aufl., § 193 GVG Rn. 8. 251  KK-StPO / Diemer, § 193 GVG Rn. 7; Staats, § 43 Rn. 3.



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht77

dem Beratungsgeheimnis einen besonders hohen Stellenwert beigemessen hat. Eine Beweiserhebung über den Inhalt des Beratungsgeheimnisses soll selbst dann ausgeschlossen sein, wenn der Richter selbst Beschuldigter eines Straf- oder Disziplinarverfahrens ist.252 Ist beispielsweise ein Richter eines Kollegialgerichts der Rechtsbeugung angeklagt, kann zwar ein anderer Richter als Zeuge geladen werden, diesen trifft aber keine Aussagepflicht.253 Weigert sich der Zeuge daher in einem solchen Fall auszusagen, kann gegen den beschuldigten Richter nicht der Nachweis der Rechtsbeugung geführt werden.254 Das Beratungsgeheimnis schützt den Inhalt der Beratung damit umfassend. Es hindert den Richter jedoch nicht daran, sich in abstrakter Form wissenschaftlich mit dem Urteil auseinanderzusetzen.255 c) Grenzen der Verschwiegenheitspflicht Sofern der geheimhaltungsbedürftige Umstand nicht unter das Beratungsgeheimnis fällt, gelten die Ausführungen zu den beamtenrechtlichen Vorschriften entsprechend. Dies bedeutet, dass sowohl die gesetzlichen Ausnahmefälle zur Anwendung kommen als auch, dass der Richter als Zeuge oder Beschuldigter in einem gerichtlichen Verfahren zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.256 3. Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes Weitaus schwieriger, weil die rechtlichen Grundlagen nicht einheitlich geregelt sind, ist die Untersuchung der Verschwiegenheitspflicht für solche Amtsträger, die in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB).257 Eine systematische Darstellung ist vor diesem Hintergrund kaum möglich, sondern muss sich vornehmlich auf eine Einzelfallbetrachtung beschränken. Es können jedoch gewisse Ähnlichkeiten zu beamtenrechtlichen Regelungen ausgemacht werden, die als Vorbild für vereinzelte Regelungen dienen.

252  RG Urt. v. 28.2.1927 – II 46 / 27, RGSt 61, 217 (218); KK-StPO / Diemer, § 193 GVG Rn. 7. 253  OLG Naumburg Beschl. v. 6.10.2008 – 1 Ws 504 / 07, NJW 2009, 3585 (3587); a. A. Staats, § 43 Rn. 10. 254  OLG Naumburg Beschl. v. 6.10.2008 – 1 Ws 504 / 07, NJW 2009, 3585 (3587). 255  KK-StPO / Diemer, § 193 GVG Rn. 8; SK-StPO / Frister, 4. Aufl., § 193 GVG Rn. 10. 256  Siehe oben Kapitel 1 § 4 II. 1. c). 257  Siehe hierzu ausführlich Kapitel 1 § 3 III.

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

Zu den Personen, die in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen, zählen etwa die Minister der Bundesregierung und der jeweiligen Landesregierungen. Für Bundesminister ergibt sich die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit aus § 6 Abs. 1 S. 1 BMinG.258 Die Norm verpflichtet die Minister der Bundesregierung, über die ihnen amtlich bekanntgewordenen Angelegenheiten, auch nach Beendigung des Amtsverhältnisses, zu schweigen. Die Vorschrift weist damit eine große inhaltliche Nähe zu den beamtenrechtlichen Vorschriften auf, die in vergleichbarer Weise die Verschwiegenheitspflicht anordnen. Sie bezieht sich gleichsam auf alle Angelegenheiten und gilt über die Beendigung des Amtsverhältnisses hinaus. Während beim Beamten jedoch eine weite Amtskausalität vorliegt („bei oder bei Gelegenheit“), um die Verschwiegenheitspflicht zu begründen, findet sich eine solch weitreichende Formulierung für Bundesminister nicht ausdrücklich. Gleichwohl ist auch in diesem Bereich von einer weiten Amtskausalität auszugehen, denn aus dem Umstand, dass in § 37 Abs. 1 BeamtStG und § 67 Abs. 1 BBG ausdrücklich ein weites Verständnis an den Tag zu legen ist, kann im Gegenzug nicht gefolgert werden, dass dies umgekehrt für § 6 Abs. 1 S. 1 BMinG nicht gelten soll. Hierfür spricht entscheidend, dass § 6 Abs. 1 S. 1 BMinG seit dem Erlass des Bundesministergesetzes im Jahr 1953 unverändert geblieben ist.259 Vor der Neufassung des BeamtStG beziehungsweise der Novellierung des BBG wurde auch in diesem Bereich seitens der Rechtsprechung ein weites Verständnis der Amtskausalität zugrunde gelegt.260 Im Ergebnis kann daher weiterhin von einem Gleichlauf der Vorschriften ausgegangen werden. Der Unterschied zwischen dienstlichen Angelegenheiten einerseits und amtlichen Angelegenheiten andererseits ist auf den Umstand zurückzuführen, dass der Inhaber eines öffentlich-rechtliches Amtes in keinem Dienstverhältnis steht, sondern als Organwalter eine Amtstätigkeit ausübt. Auch Bundesminister unterliegen dem Erfordernis einer Aussagegenehmigung, wenn sie als Zeugen oder als Beschuldigte vor Gericht oder außergerichtlich eine Erklärung abgeben wollen (§ 6 Abs. 2 BMinG). Von Gesetzes wegen nicht von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit umfasst sind solche amtlichen Angelegenheiten, die offenkundig oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen (§ 6 Abs. 1 S. 2 BMinG). Für die Parlamentarischen Staatssekretäre der Bundesregierung, die gem. § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (ParlStG) ebenfalls in einem öffentlich-rechtlichen Amtsver258  In den Bundesländern sind die jeweiligen Landesministergesetze zu beachten, die eine vergleichbare Struktur aufweisen. 259  BGBl. 1953 I S. 407; Linke hält aufgrund des Ressortprinzips (Art. 65 S. 2 GG) eine strikte Amtsverschwiegenheit der Bundesminister für verfassungswidrig, vgl. Linke, AöR 2016, 317 (361 ff.). 260  Battis / Grigoleit, § 67 Rn. 6.



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hältnis stehen, sind die für die Verschwiegenheitspflicht einschlägigen Re­ gelungen des BMinG entsprechend anzuwenden (§ 7 S. 1 ParlStG).261 Die obigen Ausführungen können demnach auf diese Gruppe übertragen werden. Auch für den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages findet sich eine vergleichbare Regelung. Er ist gem. § 10 Abs. 1 WBeauftrG zur Verschwiegenheit verpflichtet und darf sich ohne Aussagegenehmigung weder vor Gericht noch außergerichtlich äußern, wenn er über Angelegenheiten, die von der Verschwiegenheitspflicht erfasst werden, Auskunft geben soll oder will (§ 10 Abs. 2 S. 1 WBeauftrG). Die Versagungsgründe sind identisch mit denen des Beamtenrechts (§ 10 Abs. 2 S. 2 WBeauftrG). Eine interessante Abweichung von der bisherigen Regelungssystematik findet sich für den Datenschutzbeauftragten des Bundes. Er ist ebenso wie der Wehrbeauftragte Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB.262 Der Datenschutzbeauftragte unterliegt genauso der Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich der ihm amtlich bekanntgewordenen Angelegenheiten (§ 23 Abs. 5 S. 1 BDSG). Er entscheidet aber nach pflichtgemäßem Ermessen alleine darüber, ob er vor Gericht oder außergerichtlich über solche Angelegenheiten aussagt (§ 23 Abs. 5 S. 3 BDSG).263 Sein Ermessen ist aber wiederum dahingehend eingeschränkt, als dass es dem Datenschutzbeauftragten verboten ist, als Zeuge auszusagen, wenn seine Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder Grundrechte verletzten würde (§ 23 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 und 2 BDSG). Dieser grundlegende Unterschied zu den bisher aufgezeigten Fallgruppen folgt daraus, dass der Bundesbeauftragte für Datenschutz eine oberste Bundesbehörde ist (§ 23 Abs. 5 S. 1 BDSG) und der damit verbundenen Unabhängigkeit.264 Eine weitere Besonderheit ergibt sich für die Inhaber eines öffentlichrechtliches Amtes, deren Rechtsverhältnisse durch Vertrag geregelt. Der Vertrag kann die Verschwiegenheitspflicht gesondert anordnen oder sie ist unabhängig hiervon bereits gesetzlich geregelt. Dies trifft zum Beispiel auf die Mitglieder des Vorstandes der Deutschen Bundesbank (§ 7 Abs. 4 BBankG) zu. Während das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis durch einen Vertrag ausgestaltet ist, ist der Umfang der Verschwiegenheitspflicht gesetz261  Auf

Landesebene sind die Regelungen vergleichbar, z. B.: § 2 Abs. 2 StSG-BW. Kapitel 1 § 3 III. 263  Diese Regelung wurde durch erst durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes – Stärkung der Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht im Bund durch Errichtung einer obersten Bundesbehörde neu eingefügt, BGBl. 2015 I S. 162. Nach § 23 Abs. 5 S. 3 BDSG a. F. bedurfte er noch einer Genehmigung des Bundesministeriums des Innern. 264  BT-Drucks. 18 / 2848, S. 18; demgegenüber ist der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages lediglich ein Hilfsorgan des Bundestages, vgl. Art. 45b GG. 262  Vgl.

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

lich vorgegeben (§ 32 BBankG). Hingegen fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung für den Präsidenten der Bundesnetzagentur (§ 4 Abs. 4 BEGTPG). Für Notare, die ebenfalls zu den Personen zu zählen sind, die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen,265 scheint sich die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit zunächst aus § 18 Abs. 1 S. 1 BNotO zu ergeben. Sie erstreckt sich auf alles, was dem Notar bei Ausübung seines Amtes bekanntgeworden ist (§ 18 Abs. 1 S. 2 BNotO). Allerdings ist dabei die besondere Stellung des Notars zu berücksichtigen. Er ist zwar Inhaber eines öffentlichrechtlichen Amtes, weil er Aufgaben der staatlichen Rechtspflege erfüllt, jedoch nimmt er diese vornehmlich auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege im Interesse von Privatpersonen wahr (vgl. § 24 BNotO), ohne dass dies dazu führen würde, dass es sich nicht um eine Amtstätigkeit handelt.266 Die durch § 18 Abs. 1 S. 1 BNotO angeordnete Verschwiegenheitspflicht gilt jedoch ausdrücklich nur gegenüber dem Beteiligten.267 Dementsprechend können auch nur sie den Notar von seiner Schweigepflicht entbinden (§ 18 Abs. 2 Hs. 1 BNotO). Ist hingegen nicht das Vertrauensverhältnis zwischen dem Notar zu den Rechtssuchenden betroffen, weil der Notar etwa Kenntnis von geheimhaltungsbedürftigen Informationen durch eine Mitteilung der Aufsichtsbehörde erlangt hat, berührt die Preisgabe solcher Angelegenheiten wiederum das besondere Vertrauens- und Treueverhältnis zum Staat. In diesen – zugegebenermaßen – selten vorkommenden Konstellationen soll dann wiederum die entsprechende Anwendung des § 37 BeamtStG möglich sein.268 Für vereinzelte Personen innerhalb der Inhaber eines sonstigen öffentlichrechtlichen Amtes finden sich auf den ersten Blick hingegen gar keine gesetzlichen Regelungen. So zum Beispiel für den Präsidenten des Deutschen Bundestages. Eine gesetzlich verankerte Verschwiegenheitspflicht für Abgeordnete des Deutschen Bundestages findet sich zwar in § 44d Abs. 1 AbgG, allerdings ist zu beachten, dass Mandatsträger keine Amtsträger sind, es sei denn, sie nehmen Aufgaben der Verwaltung wahr.269 Es erscheint daher zweifelhaft, ob diese Verschwiegenheitspflicht auch für den Präsidenten des Deutschen Bundestages in seiner Funktion als solcher gilt. Die Verschwiegenheitspflicht kann sich jedoch aus der Geheimschutzanordnung des Deutschen Bundestages, die Teil der Geschäftsordnung ist, ergeben (§  17 265  Notarassessoren stehen mangels Übernahme eines Amtes in keinem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis, vgl. Kapitel 1 § 3 III. 266  Reithmann, in: Bracker / Schippel, § 24 Rn. 9; im Gegensatz zum Insolvenzverwalter oder dem Betreuer (siehe Kapitel 1 § 3 III.). 267  Kanzleiter, in: Bracker / Schippel, § 18 Rn. 2; a. A. offenbar Diehn / Schwipps, § 18 Rn. 5. 268  Kanzleiter, in: Bracker / Schippel, § 18 Rn. 2. 269  Kapitel 1 § 3 IV. 3. c) aa).



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht

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GOBT).270 Keine ausdrückliche Regelung findet sich für den Bundespräsidenten. Sind keine ausdrücklichen Regelungen vorhanden, muss die Verschwiegenheitspflicht aus den einschlägigen Geheimschutzvorschriften des StGB abgeleitet werden. 4. Sonstige Amtsträger Zu den Amtsträgern zählen schließlich auch noch solche Personen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag wahrnehmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB). Für sie ist kennzeichnend, dass nicht das Dienst- beziehungsweise Amtsverhältnis den Ausschlag über die Amtsträgereigenschaft gibt, sondern die ausgeübte Tätigkeit.271 Dem Anstellungsverhältnis kommt jedoch für die Frage der Verschwiegenheitspflicht eine maßgebliche Bedeutung zu, weil sich die rechtliche Grundlage der Verschwiegenheitspflicht aus eben jenem Rechtsverhältnis ergibt. Die in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB vorgegebene Struktur, die zwischen solchen Personen unterscheidet, die dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen und solchen, die dies im Auftrag der Behörde oder sonstigen Stelle tun, kann auch für die Untersuchung der Verschwiegenheitspflicht fruchtbar gemacht werden. Der wesentliche Unterschied zwischen der Aufgabenwahrnehmung bei oder im Auftrag der Behörde liegt in der organisatorischen Eingliederung des Betroffenen. Nach allgemeiner Auffassung ist der Begriff „im Auftrag“ auf behördenexterne, nicht in die Behördenstruktur eingegliederte Personen anzuwenden.272 a) Verschwiegenheitspflicht bei organisatorischer Eingliederung Anders als bei der Gruppe der Beamten, Richter oder den Inhabern eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes ist die Berufung in das Dienstverhältnis für die Personen, die vom Begriff des sonstigen Amtsträgers (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB) erfasst werden, nicht zwingend an eine bestimmte Form verknüpft. Beamte und Richter müssen von Gesetzes wegen als solche ernannt oder im Fall des Beamten in seltenen Fällen durch eine Wahl berufen werden.273 Personen, die in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsver270  BGBl. 2001

I S. 1203. § 3 IV. 272  Siehe Kapitel  1 § 3 IV. 3. b) bb); Heinrich, Amtsträger, S. 388 ff.; MüKoStGB / Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 96; NK-Saliger, § 11 Rn. 39. 273  Auf die Besonderheiten des Verfahrens zur Ernennung ehrenamtlicher Richter soll aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Regelungen nicht eingegangen werden. 271  Kapitel 1

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

hältnis stehen, muss die Befugnis zur Amtsausübung übertragen werden. So beginnt beispielsweise für Bundesminister das Amtsverhältnis erst mit der Aushändigung der Urkunde oder mit der Vereidigung, falls der Eid vorher geleistet wurde (§ 2 Abs. 1 BMinG). Im Unterschied hierzu werden sonstige Amtsträger nicht in ein bestimmtes Amtsverhältnis berufen. Erforderlich und ausreichend zur Begründung der Amtsträgereigenschaft ist die Bestellung, die weder an eine bestimmte Form geknüpft noch an das Anstellungsverhältnis gekoppelt ist. Das Anstellungsverhältnis zwischen dem Amtsträger und seinem Dienstherrn kann daher öffentlicher-rechtlicher oder rein privatrechtlicher Natur sein.274 Ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine organisatorische Eingliederung erforderlich ist, um eine Bestellung bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle anzunehmen, wird dies aber in der Regel über die Aufnahme eines Anstellungsverhältnisses erfolgen.275 Dieses bildet zugleich die rechtliche Grundlage für die Begründung der Verschwiegenheitspflicht. Ausgehend von der grundlegenden Unterscheidung, die das öffentliche Dienstrecht zwischen Beamten und Beschäftigten im öffentlichen Dienst trifft,276 muss somit der Arbeitsvertrag als rechtliche Grundlage ausgemacht werden. Eine weitgehend gleichlautende inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses in Bezug auf die Verschwiegenheitspflicht für die zahlenmäßig mit Abstand am größte Gruppe der Angestellten im öffentlichen Dienst wird durch die einschlägigen Tarifverträge erreicht.277 Hierbei handelt es sich um den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), der auf Arbeitgeberseite für den Bund und die kommunalen Arbeitgeber gilt und den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Sie beanspruchen Geltung für die allermeisten Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst und sollen deswegen den Ausgangspunkt für die weitere Betrachtung darstellen.278 Verlangt im Übri274  Rengier,

BT II, § 59 Rn. 11. Kapitel  1 § 3 IV. 3. b) bb) und cc); so auch ausdrücklich BGH Urt. v. 13.1.2016  – 2 StR 148 / 15, BGHSt 61, 135 (138); LG Frankfurt a. M. Urt. v. 6.6.2016  – 5 / 12 KLs 7210 Js 235570 / 10 (6 / 15), BeckRS 2016, 16054; Gaede, in: Leitner / Rosenau, § 11 StGB Rn. 30. 276  Die Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst wurde mit der Einführung des TVöD und dem TV-L aufgegeben. Auf die Ausnahmen hinsichtlich der Fortgeltung des BAT kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden, vgl. Groeger, in: Groeger / Betz-Rehm, 1 IV d Rn. 109 ff. 277  Von den ca. 4,6 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, entfielen ca. 2,85 Millionen auf die Gruppe der Arbeitnehmer und Angestellten (Stand: 30.6.2016), vgl. Bundesamt für Statistik, Fachserie 14 Reihe 6 (Personal des öffentlichen Dienstes 2016), S. 25. 278  Der TV-L gilt in 14 von 16 Bundesländern. Im Land Berlin wurden die Vorschriften des TV-L über einen Angleichungstarifvertrag modifiziert übernommen, die Regelungen zur Verschwiegenheitspflicht sind jedoch identisch. Das Land Hessen ist 275  Siehe



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht

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gen nicht bereits die Tarifgebundenheit die Anwendung des Tarifvertrags, wird die Geltung der tarifvertraglichen Regelungen regelmäßig durch eine Inbezugnahme im Arbeitsvertrag herbeigeführt.279 Die Regelungen des Tarifvertrages werden in diesem Fall damit zum Gegenstand des Individualarbeitsvertrages auch für den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer. Zu den allgemeinen Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers gehört nach § 3 Abs. 1 TVöD und § 3 Abs. 2 TV-L insbesondere auch die Verschwiegenheitspflicht.280 Die tarifvertraglichen Regelungen normieren die bereits aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers abzuleitende Verschwiegenheitspflicht und konkretisieren sie für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes.281 Beide Vorschriften regeln wortgleich: „Die Beschäftigten haben über Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet ist, Verschwiegenheit zu wahren; dies gilt auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.“

Bereits anhand des Wortlauts lassen sich Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede zu den beamtenrechtlichen Regelungen feststellen, die auch für die spätere Beurteilung der Strafbarkeit von Bedeutung sein werden. Die Verschwiegenheitspflicht des Beschäftigten bezieht sich ebenso auf „Angelegenheiten“ und gilt auch nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses fort. Unter Angelegenheiten sind wiederum alle Tatsachen und Wertungen zu verstehen. Von diesen Gemeinsamkeiten abgesehen, sind aber auch gewichtige Unterschiede feststellbar. Zunächst ist auffällig, dass die tarifvertraglichen Regelungen keine Aussage darüber treffen, ob auch die mittelbare Kenntniserlangung einer geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheit die Pflicht zur Verschwiegenheit begründet. Dies erklärt sich jedoch vor dem Hintergrund des zweiten wesentlichen Unterschiedes. § 3 Abs. 1 TVöD und § 3 Abs. 2 TV-L verpflichten den Arbeitnehmer nur insoweit zur Verschwiegenheit, als diese gesetzlich vorgeschrieben oder durch den Arbeitgeber angeordnet wurde.282 Die Ausgestaltung der Verschwiegenheitspflicht für Beschäftigte im öffentlichen Dienst ist damit vergleichbar mit der Regelung für Beamte vor der Neuregelung Anfang der 50er Jahre.283 aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten. Die Regelungen zur Verschwiegenheitspflicht des TV-H sind ebenfalls identisch. 279  Müller / Landshuter, Rn. 130. 280  LR-Ignor / Bertheau, 26. Aufl., § 54 Rn. 9; Pahlen, in: Groeger / Betz-Rehm, 3 A I Rn. 19; Rengier, BT  II, § 59 Rn. 11; zu den rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht vor der Geltung der TVöD bzw. TV-L: Groß, S. 12. 281  Burger / Howald, § 3 TVöD Rn. 4. 282  Battis, in: Ehlers / Fehling / Pünder, § 88 Rn. 42; Conze, in: Conze / Karb / Wölk, Rn. 2438. 283  Siehe hierzu Kapitel 1 § 4 II. 1. a) cc) und dd).

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

Die Verschwiegenheitspflicht besteht demnach nur, sofern sie sich aus einer anderen gesetzlichen Regelung, vornehmlich aus den einschlägigen strafrechtlichen Vorschriften (z. B. § 203 Abs. 2 Nr. 1 und § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB), ergibt. Diese werden, um eine einheitliche Untersuchung für alle Amtsträger zu ermöglichen, gesondert dargestellt.284 Der Unterschied in der Regelungstechnik wird sich später auch bei Untersuchung der Sanktionierung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht bemerkbar machen. Verweisen die tarifvertraglichen Regelungen auf strafrechtliche Vorschriften, kommt diesen über den bloßen Charakter einer Sanktionsnorm auch noch der einer Verhaltensnorm zu. Auffällig und für die weitere Untersuchung von erheblicher Bedeutung ist zudem der Umstand, dass keine tarifvertraglichen Regelungen vorhanden sind, die einen Ausschluss der Verschwiegenheitspflicht vorsehen oder gar die Entbindung von dieser Pflicht regeln. Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann sich jedoch ein Anspruch des Arbeitnehmers ergeben, ihn von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.285 Des Weiteren ist der Beschäftige zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn sie durch den Arbeitgeber angeordnet wird. Grundlage für das Anordnungsrecht des Arbeitgebers ist das Direktionsrecht (§ 106 GewO). Aufgrund dessen ist er befugt, für den Einzelfall oder für bestimmte Fallgruppen die Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers zu erweitern. Die Grenze des Anordnungsrechts wird durch das billige Ermessen markiert (§ 315 Abs. 3 BGB).286 Oftmals erfolgt eine abstrakte Anordnung der Verschwiegenheit bezogen auf alle dienstlichen Angelegenheiten in den Allgemeinen Dienstund Geschäftsanweisungen (ADGA). Jedoch darf der Arbeitgeber keine pauschale Verschwiegenheitspflicht anordnen, da eine solche durch die tarifvertragliche Regelung gerade nicht vorgesehen ist und eine solch weitgehende Einschränkung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Beschäftigten führen würden.287 Damit existiert, anders als bei den Beamten und den Inhabern eines öffentlich-rechtlichen Amtes, für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gerade keine umfassende Pflicht zur Verschwiegenheit. Ziel der tarifvertraglichen Regelung war es, den Beschäftigten im öffentlichen Dienst die Bürde zu nehmen, selbst prüfen zu müssen, ob eine Angelegenheit ihrer Natur nach geheimhaltungsbedürftig ist.288 Dies erscheint jedoch widersprüchlich, weil mit genau der gleichen Argumentation die uneingeschränkte Verschwiegenheitspflicht

284  Ausführlich

Kapitel 4 § 16. ausführlich Kapitel 3 § 12. 286  BeckOK TV-L / Kutzki, § 3 Rn. 13. 287  Burger / Howald, § 3 TVöD Rn. 6; Müller, öAT 2012, 102 (103). 288  Groß, S. 14; Radtke / Hohmann / Otte, § 54 Rn. 9. 285  Hierzu



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht

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des Beamten begründet wurde.289 In der Sache kann dieses Argument auch nicht überzeugen, da es dem Beschäftigten nicht abgenommen wird, selbst zu prüfen, ob eine Sache geheimhaltungsbedürftig ist oder nicht. Hierzu muss er nämlich selbst feststellen, ob ihm eine gesetzliche Regelung oder eine Anordnung des Arbeitgebers die Preisgabe der Angelegenheit verbietet. Darin liegt der wesentliche Unterschied zu den beamtenrechtlichen Regelungen. Diese ordnen bereits von sich aus die Pflicht zur Verschwiegenheit an, weil sie hierfür nicht auf eine andere gesetzliche Vorschrift verweisen.290 Fällt der Arbeitnehmer nicht in den Anwendungsbereich der tarifvertrag­ lichen Regelungen, ist gemeinhin anerkannt, dass dem Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsvertrages die Rücksichtnahmepflicht trifft (§ 241 Abs. 2 BGB), über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die er im Rahmen seiner Tätigkeit erlangt hat, zu schweigen.291 Nicht von den tarifvertraglichen Regelungen erfasst werden zum Beispiel alle leitenden Angestellten eines ­Unternehmens (§ 1 Abs. 2 Buchst. a TV-L in Verbindung mit § 5 Abs. 3 ­BetrVG), wenn ihre Arbeitsbedingungen einzelvertraglich – was die Regel darstellt – besonders vereinbart werden. Von vornherein nicht vom Arbeitnehmerbegriff umfasst sind die Organe einer Gesellschaft, also beispielsweise der Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstand einer Aktiengesellschaft. Zwar muss zwischen der Stellung als Organ und dem Anstellungsverhältnis unterschieden werden,292 jedoch ergibt sich auch in diesem Fall die Verschwiegenheitspflicht entweder aus der Satzung und beziehungsweise oder aus dem Anstellungsvertrag. b) Verschwiegenheitspflicht bei Beauftragung Neben der Aufgabenerfüllung bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle kann der Amtsträger auch von dieser beauftragt sein, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Eine organisatorische Eingliederung in die Behördenstruktur ist in diesem Fall nicht erforderlich, da es sich bei diesen Amtsträgern nach allgemeiner Auffassung um behördenexterne Personen handelt.293 Hauptanwendungsfall ist die Beleihung.294 Sie stellt eine Wahr289  Kapitel 1

§ 4 II. 1. a) dd). § 4 II. 1. a) ee). 291  BGH Urt. v. 20.1.1981  – VI ZR 162 / 79, BGHZ 80, 25 (28); BAG Urt. v. 16.3.1982 – 3 AZR 83 / 79, NJW 1983, 134; Conze, in: Conze / Karb / Wölk, Rn. 2429; Dütz / Thüsing, § 4 Rn. 156; Junker, § 4 Rn. 226; Müller / Landshuter, Rn. 545; Waltermann, § 10 Rn. 192. 292  Für den Geschäftsführer einer GmbH vgl. Lutz / Tebben, § 6 Rn. 105 ff. 293  Heinrich, Amtsträger, S. 388 ff.; NK-Saliger, § 11 Rn. 39. 294  SSW-StGB / Satzger, § 11 Rn. 26. 290  Kapitel 1

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

nehmungsform dar, die zwischen dem Amtsträger im klassischen Sinn und dem auf eigene Rechnung tätig werden Privatrechtssubjekt anzusiedeln ist.295 Die Beleihung selbst unterliegt dem Gesetzesvorbehalt. Sie muss durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen296 und führt auf ordnungsrechtlicher Ebene dazu, dass das Beleihungssubjekt als Behörde im Sinne von § 1 Abs. 4 VwVfG anzusehen ist.297 Folgt die Amtsträgereigenschaft aus der Übertragung hoheitsrechtlicher Kompetenzen, kann die Verschwiegenheitspflicht unmittelbar aus dem Beleihungsverhältnis resultieren oder sich aus den strafrechtlichen Geheimnisschutzvorschriften ergeben. Die rechtliche Grundlage der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht kann nicht pauschal bestimmt werden, sondern muss für den jeweiligen Einzelfall gesondert erfolgen. Abgesehen von diesem Hauptanwendungsfall muss sich das Rechtsverhältnis zwischen Beauftragtem und der Behörde beziehungsweise der sonstigen Stelle nicht als Auftragsverhältnis im Sinne der §§ 662 ff. BGB darstellen.298 Liegt eine rein privatrechtliche Vereinbarung vor, kann sich die Verschwiegenheitspflicht nur aus dem Vertrag ergeben. Eine allgemeine Verschwiegenheitspflicht in diesem Bereich ist gerade nicht vorhanden. Fehlt eine ausdrückliche vertragliche Regelung, kann aufgrund von § 241 Abs. 2 BGB der andere Teil aus Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners zur Verschwiegenheit verpflichtet sein.299

III. Spezielle Verschwiegenheitspflichten des Amtsträgers Neben der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht lassen sich noch weitere Vorschriften finden, die die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers anordnen, jedoch mit der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht oder der Verschwiegenheitspflicht, die im Privatinteresse besteht, nicht identisch sind. Sie unterscheiden sich in ihrem Schutzzweck, der sowohl private als auch öffentliche Interessen mitberücksichtigt. Während der strafrechtliche Schutz der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht keine Individualinteressen berücksichtigt, steht dieser Schutzzweck bei den strafrechtlichen Sanktionsnormen, die an die Verletzung einer speziellen Verschwiegenheitspflicht geknüpft sind, im Vordergrund. Die Notwendigkeit einer gesonderten Regelung beruht zumeist auf verfassungsrechtlichen Erwägungen und trägt der besonderen Schutzbedürftigkeit bestimmter persönlicher Informationen Rechnung. Die besondere Schutzbedürftigkeit folgt dabei aus dem Grundrecht auf informa­ 295  Klement,

VerwArch 101 (2010), 112 (114). Urt. v. 26.8.2010 – 3 C 35 / 09, BVerwGE 137, 377 (379 f.). 297  Kopp / Ramsauer, § 1 Rn. 63; Stelkens / Bonk / Sachs / Schmitz, § 1 Rn. 246. 298  Heinrich, Amtsträger, S. 388; Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 11 Rn. 25. 299  MüKo-BGB / Bachmann, 7. Aufl., § 241 Rn. 96. 296  BVerwG



§ 4 Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht

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tionelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG) und je nach Einzelfall auch aus dem Grundrecht aus Art. 14 GG.300 Als eine solch spezielle Ausprägung der Verschwiegenheitspflicht, die den Amtsträger unmittelbar selbst betrifft, stellt sich beispielsweise das Steuer­ geheimnis dar (§ 30 Abs. 1 AO). Nach dieser Vorschrift muss der Amtsträger (§ 7 AO)301 das Steuergeheimnis wahren. Diese spezielle Verschwiegenheitspflicht bildet das Gegenstück zu den umfassenden Offenbarungs- und Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen.302 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, zu dessen Inhalt auch das Steuergeheimnis zählt, verlangt, dass jeder selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persön­ lichen Daten entscheiden darf.303 § 30 AO kommt die Aufgabe zu, diese grundrechtliche Gewährleistung auf einfachgesetzlicher Ebene zu konkretisieren.304 Zugleich schützt das Steuergeheimnis aber auch das öffentliche Interesse, die vollständige Erfassung der Steuerquellen durch eine weitreichende Verschwiegenheitspflicht zugunsten des Steuerpflichtigen zu ermöglichen und eine gleichmäßige Besteuerung vorzunehmen, um dem Gleichheitssatz gerecht zu werden.305 Zur Rechtfertigung von Eingriffen ist ein bereichsspezifisches Gesetz erforderlich.306 Im Verhältnis zu den Vorschriften zur Amtsverschwiegenheit stellt § 30 AO eine bereichsspezifische Regelung dar und geht diesen daher als speziellere Vorschrift vor.307 Ein weiteres Beispiel ist das Datenschutzrecht. Im Datenschutzrecht unterliegt der Amtsträger ebenfalls einer besonderen Verschwiegenheitspflicht zum Schutz des Datengeheimnisses (§ 5 BDSG).308 Nach dieser Vorschrift ist es allen mit der Datenverarbeitung beschäftigten Personen untersagt, personenbezogene Daten unbefugt zu erheben, zu nutzen oder zu verarbeiten. Zu den bei der Datenverarbeitung beschäftigten Personen zählen laut der Legaldefinition in § 3 Abs. 11 Nr. 1 und Nr. 8 BDSG Arbeitnehmer, Beamte und Richter des Bundes. Auch auf Landesebene sind die bei der Datenverarbeitung beschäftigten Personen aufgrund der landesrechtlichen Datenschutzgesetze zur Verschwiegenheit verpflichtet (z. B.: § 6 LDSG-BW). 300  Vgl. für das Steuergeheimnis BVerfG Urt. v. 17.7.1984 – 2 BvE 11 / 83, 2 BvE 15 / 83, BVerfGE 67, 100 (118). 301  § 7 AO ist deckungsgleich mit dem strafrechtlichen Amtsträgerbegriff. 302  BVerfG Beschl. v. 6.5.2008  – 2 BvR 336 / 07, NJW 2008, 3489; BeckOKOWiG / Merkt, § 30 AO Rn. 1; Koenig, § 30 Rn. 1. 303  Grundlegend: BVerfG Urt. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209 / 83, BVerfGE 65, 1 (43). 304  Köpferl, ZIS 2015, 373 (377). 305  BVerfG Urt. v. 17.7.1984 – 2 BvE 11 / 83, NJW 1984, 2271 (2275). 306  BVerfG Urt. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209 / 83, BVerfGE 65, 1 (44). 307  Klein / Rüsken, § 30 Rn. 10. 308  Obermayer / Funke-Kaiser / Grünewald, § 30 Rn. 9.

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1. Kap.: Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers

IV. Drittgeheimnisse Wie eingangs erwähnt, lassen sich diverse weitere Regelungen zur Verschwiegenheitspflicht finden, die sich nicht an den Amtsträger als solchen wenden, sondern dem Bürger gegenüber der Behörde einen Anspruch auf Verschwiegenheit einräumen.309 Der Schutzzweck dieser Verschwiegenheitspflichten ist demnach darin zu sehen, Drittgeheimnisse geheim zu halten. Für jedes Verwaltungsverfahren begründet beispielsweise § 30 VwVfG einen unmittelbaren Anspruch des Beteiligten auf Wahrung seines persönlichen Geheimnisses („Verwaltungsgeheimnisses“).310 § 26 VwVfG a. F., der dem heutigen § 30 VwVfG entspricht, wurde ausweislich der Gesetzesmaterialien allein deshalb in das VwVfG mitaufgenommen, weil die bisherigen allgemeinen Regelungen, die den Amtsträger selbst verpflichteten und durch strafrechtliche Vorschriften geschützt waren, nur einen mittelbaren Schutz der Geheimhaltungsinteressen des Bürgers bewirken konnten.311 Der strafrechtliche Schutz vor der unbefugten Offenbarung eines solchen Drittgeheimnisses wird über § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewährleistet.312 Sie sollen in der weiteren Untersuchung weitgehend unbeachtet bleiben, da sie ausschließlich auf private Geheimhaltungsinteressen abstellen.

§ 5 Zwischenfazit Der Inhalt und Umfang der Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers kann nicht für alle vom Amtsträgerbegriff umfassten Personen einheitlich beurteilt werden. Dies resultiert aus dem Umstand, dass der Amtsträgerbegriff mehrere Personengruppen umfasst, für die unterschiedliche Regelwerke einschlägig sind. Für Beamte ergibt sich die Verschwiegenheitspflicht aufgrund der gesetzlichen Regelungen in den Beamtengesetzen. Die historische Betrachtung hat dabei gezeigt, dass die Verschwiegenheitspflicht des Beamten seit jeher als eine Kernpflicht anerkannt war, jedoch erst relativ spät zu einer absoluten Verschwiegenheitspflicht ausgestaltet wurde. Zuvor war eine Verschwiegenheitspflicht des Beamten nur gegeben, wenn die Angelegenheit ihrer Natur nach der Geheimhaltung unterlag oder durch Gesetz oder Anordnung des Vorgesetzten vorgeschrieben war. Vor dem Hintergrund der fehlenden absoluten Verschwiegenheitspflicht erklärt sich auch die in der älteren Literatur vielfach anzutreffende Bemerkung, dass allein strafrechtliche Regelungen zur Begründung der Verschwiegenheitspflicht herangezogen werden 309  Siehe

Kapitel 1 § 4 I.

310  Stelkens / Bonk / Sachs / Kallerhoff,

§ 30 Rn. 1. BT-Drucks. 7 / 910, S. 54. 312  Zur Abgrenzung zu § 353b Abs. 1 StGB siehe Kapitel 4 § 16 I. 1. 311  RegE



§ 5 Zwischenfazit

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könnten.313 Diese Einteilung kann nach der geltenden Gesetzeslage aber keinen Bestand haben. Da die beamtenrechtlichen Vorschriften inzwischen nicht mehr voraussetzen, dass eine andere gesetzliche Regelung vorhanden ist, müssen die einschlägigen Straftatbestände zur Begründung der Verschwiegenheitspflicht nicht mehr herangezogen werden. Ihnen kommt damit lediglich die Funktion einer Sanktionsnorm zu. Hiervon muss aber die Frage getrennt werden, ob jede Verletzung der Verschwiegenheitspflicht zugleich den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt.314 Die Verschwiegenheitspflicht des Richters ist in weiten Teilen der des Beamten gleichgestellt. Zusätzlich gilt für ihn das Beratungsgeheimnis, das als besondere Ausprägung der Verschwiegenheitspflicht verstanden werden muss. Keiner systematischen Bestimmung zugänglich ist die Gruppe der Inhaber eines sonstigen öffentlichrechtlichen Amtes (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB), da die wenigen anerkannten Fälle nur punktuelle Gemeinsamkeiten aufweisen und stark von der gesetzlichen Ausgestaltung abhängig sind. Es zeigt sich jedoch die Tendenz, dass sich die Ausgestaltung der Verschwiegenheitspflichten in vielen Fällen an den beamtenrechtlichen Vorschriften orientiert. Dies belegt im Übrigen die Nähe des öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnisse zum Dienstverhältnis des Beamten. Für die sonstigen Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB) kann die Frage nach der Verschwiegenheitspflicht ebenfalls nicht einheitlich beantwortet werden. Für die zahlenmäßig größte Gruppe der Beschäftigten im öffentlichen Dienst begründen die tarifvertraglichen Regelungen eine arbeitsvertragliche Pflicht, die gegebenenfalls durch Anordnungen des Arbeitgebers weiter ausgeformt wird. In allen anderen Fällen, namentlich im Fall der Beauftragung oder wenn der Anwendungsbereich der tarifvertraglichen Regelungen nicht eröffnet ist, muss anhand der jeweiligen Regelungen im Vertragsverhältnis der Frage nachgegangen werden, inwiefern der Amtsträger zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.

313  So

z. B. Düwel, S. 43 ff.; Fauser, S. 76 ff.; Richter, S.  44 ff. hierzu ausführlich Kapitel 4 § 16.

314  Siehe

Zweites Kapitel

Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren Nach der Feststellung auf welche Weise und in welchem Umfang die vom Amtsträgerbegriff umfassten Personengruppen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, soll im nächsten Schritt untersucht werden, wie sich diese Pflicht auf die Stellung als Beschuldigter im Strafverfahren auswirkt. Die nachfolgende Darstellung ist grundlegend für die zu untersuchende Frage, weil sie zum gegenständlichen Konflikt zwischen der Pflicht des Amtsträgers zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit und der Stellung als Beschuldigter überleiten wird. Um die Auswirkungen der Verschwiegenheitspflicht auf die Stellung des Amtsträgers als Beschuldigter zu verdeutlichen, sollen mehrere Vergleichsgruppen gebildet werden, die aufzeigen werden, dass sich die Unterschiede, die bereits bei der Begründung der Verschwiegenheitspflicht festgestellt wurden, auch im Strafverfahren fortsetzen. Zunächst wird hierzu auf die Stellung des Amtsträgers als Zeuge eingegangen. Der Zeuge ist zwar im Gegensatz zum Beschuldigten kein Prozesssubjekt, sondern ein Beweismittel, jedoch lohnt sich vor dem Hintergrund des Erfordernisses der Aussagegenehmigung und der damit verbundenen Frage der Durchsetzung der Verschwiegenheitspflicht durch das Verfahrensrecht eine vergleichende Darstellung. Es wird sich zeigen, dass die Verschwiegenheitspflicht für den Zeugen auf gänzlich andere Weise wirkt als im Fall des beschuldigten Amtsträgers. Den Schwerpunkt der Untersuchung wird sodann die Stellung des Amtsträgers als Beschuldigter bilden. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf denjenigen Rechten des Beschuldigten liegen, die mit der Verschwiegenheitspflicht in Konflikt treten können. Namentlich zählt hierzu der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und das Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG. Aber auch unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) und des Rechts auf effektive Verteidigung wird die Verschwiegenheitspflicht von Bedeutung sein. Der vorherige Vergleich zur Stellung des Amtsträgers als Zeuge wird zu der Frage überleiten, inwiefern das Erfordernis der Aussagegenehmigung für den Amtsträger als Beschuldigten von Bedeutung ist. Verbunden mit dieser Untersuchung ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Aussagegenehmigung in diesem Fall versagt werden darf und



§ 6 Der Amtsträger als Zeuge91

welche Folgen die Versagung nach sich zieht. Eine für die weitere Untersuchung entscheidende Weichenstellung wird sich aus der Beantwortung der Frage ergeben, inwiefern dieses beamtenrechtliche Institut auf die anderen Personengruppen des Amtsträgerbegriffs übertragbar ist. Im letzten Schritt wird die Stellung des Amtsträgers als Beschuldigter mit der des Beschäftigten eines Unternehmens und des Berufsgeheimnisträgers verglichen. Auch sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, die gleichsam unabhängig von der Stellung als Beschuldigter in einem Strafverfahren fortbesteht. Sie können sich daher in einer mit dem Amtsträger vergleichbaren Situation befinden, wenn sie durch ihre Einlassung im Strafverfahren diese strafbewehrte Pflicht verletzen, um sich zu verteidigen.

§ 6 Der Amtsträger als Zeuge In einem ersten Schritt wird die Stellung des Amtsträgers als Zeuge dargestellt. Im Mittelpunkt der Untersuchung wird dabei das Erfordernis der Aussagegenehmigung stehen. Sie wirkt sich nicht nur auf den Amtsträger als Adressat, sondern auch auf das Strafverfahren aus. Des Weiteren soll der Frage nachgegangen werden, unter welchen Voraussetzungen die Aussage­ genehmigung im Fall des Zeugen versagt werden darf, um später die Voraussetzungen bestimmen zu können, die erfüllt sein müssen, um die Aussagegenehmigung im Fall des Beschuldigten versagen zu können. Zudem wird diese Untersuchung die Grundlage für die später zu beantwortende Frage bilden, ob die analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften, die dazu führt, dass alle Amtsträger einer Aussagegenehmigung bedürfen, wenn sie als Zeuge vernommen werden, auch auf den Fall des beschuldigten Amtsträgers übertragbar ist.

I. Rechte und Pflichten des Zeugen Die verfahrensrechtliche Stellung des Zeugen unterscheidet sich grundlegend von der des Beschuldigten. Der Zeuge ist in erster Linie ein Beweismittel und kein Prozesssubjekt.1 Mit der Stellung als Zeuge verbunden sind unterschiedliche Pflichten, die sich insbesondere im Hinblick auf das Äußerungsrecht, das durch die Verschwiegenheitspflicht berührt wird, wesentlich von den Rechten des Beschuldigten unterscheiden. Zu den Pflichten des Zeugen zählt es, zu seiner Vernehmung an einem bestimmten Termin vor dem Richter zu erscheinen, wahrheitsgemäß auszusa1  Meyer-Goßner / Schmitt, Vor § 48 Rn. 1; SK-StPO / Rogall, 4. Aufl., Vor § 48 Rn. 8.

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

gen und gegebenenfalls seine Aussage zu beeiden. Bei diesen Zeugenpflichten handelt es sich um staatsbürgerliche Pflichten, die nicht durch § 48 Abs. 1 StPO begründet, sondern von der Vorschrift bereits vorausgesetzt werden.2 Weil er in erster Linie als Beweismittel anzusehen ist, hat der Zeuge keine Entscheidungsbefugnis darüber, ob er aussagen will oder nicht (vgl. § 48 Abs. 1 S. 2 StPO). Die Beweisfunktion des Zeugen wird aber durch das geltende Recht nicht grenzenlos gewährleistet. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Pflicht des Staates, Straftaten zu verfolgen, stellt keine Größe dar, die der Abwägung mit anderen Belangen, insbesondere mit den schutzwürdigen Belangen des Zeugen oder mit schutzwürdigen öffentlichen Inte­ ressen, nicht zugänglich ist.3 Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass die Wahrheit nicht um jeden Preis erforscht werden muss.4 Der Gesetzgeber hat diesen Interessenskonflikt teilweise positivrechtlich geregelt. Der Zeuge kann die Aussage unter anderem verweigern, wenn ihm ein Auskunfts- beziehungsweise Zeugnisverweigerungsrecht zusteht (§§ 52, 53, 53a, 55 StPO). In seltenen Fällen soll sich ein Zeugnisverweigerungsrecht auch unmittelbar aus dem Grundgesetz ergeben, wenn die Zeugenvernehmung in den grundrechtlich geschützten Bereich der privaten Lebensführung eingreift.5 Von Interesse für die Untersuchung ist aber ausschließlich die Ausnahme von der Aussagepflicht, die sich aus § 54 Abs. 1 StPO und der Anwendung der entsprechenden beamtenrechtlichen Vorschriften ergibt, nämlich wenn der Zeuge aufgrund einer fehlenden Aussagegenehmigung nicht vernommen werden darf.

II. Aussagegenehmigung Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers ist in ihrem Bestand – wie gesehen – unabhängig von der Verfahrensstellung.6 Sie besteht daher auch fort, wenn der Amtsträger als Zeuge geladen ist. Dies verdeutlicht § 54 Abs. 1 StPO, der die Beschränkung der Zeugnispflicht allerdings nicht selbst anordnet, sondern hierfür auf andere Vorschriften verweist.7 Im Unterschied zu den Zeugnisverweigerungsrechten beziehungsweise dem Auskunftsver2  BVerfG Beschl. v. 8.10.1974 – 2 BvR 747 / 73, BVerfGE 38, 105 (112); BVerfG Beschl. v. 10.10.1978  – 2 BvL 3 / 78, BVerfGE 49, 280 (284); BVerfG Beschl. v. 1.10.1987  – 2 BvR 1165 / 86, BVerfGE 76, 363 (383); Geppert, JURA 1991, 132; Gerland, § 64 I 3 a). 3  SK-StPO / Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 44. 4  BGH Urt. v. 14.6.1960 – 1 StR 683 / 59, BGHSt 14, 358 (365). 5  BVerfG Beschl. v. 19.7.1972 – 2 BvL 7 / 71, BVerfGE 33, 367 (374). 6  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 7  Ausführlich hierzu sogleich Kapitel  2 § 6 II. 1.; wortgleich ist die Regelung in § 376 Abs. 1 ZPO. Dieser gilt gem. § 98 VwGO für das verwaltungsgerichtliche,



§ 6 Der Amtsträger als Zeuge93

weigerungsrecht gewährt § 54 Abs. 1 StPO dem Zeugen nicht die Befugnis, allein darüber zu entscheiden, die Aussage zu verweigern, sondern macht seine Aussage abhängig vom Vorliegen einer Aussagegenehmigung. Die Vorschrift lautet: „Für die Vernehmung von Richtern, Beamten, und anderen Personen des öffent­ lichen Dienstes als Zeugen über Umstände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, und für die Genehmigung zur Aussage gelten die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften“.

Der von § 54 Abs. 1 StPO verfolgte Schutzzweck muss darin gesehen werden, die Vertraulichkeit geheimhaltungsbedürftiger Informationen auch im Strafverfahren zu gewährleisten.8 Der Gesetzgeber hat bei der Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse und dem Gebot einer möglichst umfassenden Sachverhaltsaufklärung dem Geheimhaltungsinteresse im Wege einer präventiven Kontrolle den Vorrang eingeräumt.9 Soll durch das Genehmigungserfordernis die Vertraulichkeit geheimhaltungsbedürftiger Information geschützt werden, verlangt die Auslegung des Wortlauts, dass der Begriff der Genehmigung nicht im Sinne von § 184 Abs. 1 BGB verstanden wird, sondern, dass sie vorab erteilt werden muss.10 Bis zur Erteilung der Aussagegenehmigung ist der Zeuge somit weder befugt noch verpflichtet auszusagen. Das Erfordernis der Aussagegenehmigung stellt folglich einen gesetzlichen Grund im Sinne des § 70 Abs. 1 StPO dar, weshalb es dem Gericht verwehrt ist, gegen den Zeugen Ordnungsmittel zu verhängen, wenn dem Zeugen die Aussagegenehmigung nicht erteilt wurde. Durch das Erfordernis der Aussagegenehmigung wird der Exekutive die Möglichkeit eröffnet, auf das Strafverfahren Einfluss zu nehmen. Ein Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung liegt hierdurch nicht vor, weil dieses grundsätzlich zulässt, dass Geheimhaltungsinteressen der Exekutive einen Vorrang vor dem Interesse an der Wahrheitsfindung haben.11 § 54 Abs. 1 StPO nimmt daher im Vergleich zu den übrigen Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten eine Sonderstellung ein, weil der Zeuge, wie erwähnt, ohne Aussagegenehmigung nicht vernommen werden darf. Es handelt sich nach § 82 FGO für das finanzgerichtliche, nach § 118 SGO für das sozialgerichtliche und nach § 46 Abs. 2 ArbGG auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren. 8  BGH Urt. v. 15.12.2005  – 3 StR 281 / 04, BGHSt 50, 318 (327); BGH Beschl. v. 14.6.2016 – VI ZR 346 / 15, BeckRS 2016, 12558, (juris); Eisenberg, Beweismittel, Rn. 787; ders., Beweisrecht, Rn. 1259; Jäger, S. 151; Maetzel, DVBl. 1966, 665 (667); Meyer-Goßner / Schmitt, § 54 Rn. 1; MüKo-StPO / Percic, § 54 Rn. 1; Rengier, S. 47; Roggan, GA 2012, 434 (438); SK-StPO / Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 1; SSWStPO / Eschelbach, § 54 Rn. 1; Zezschwitz, NJW 1972, 796 (798). 9  Düwel, S. 127; SK-StPO / Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 3. 10  Reich, § 37 Rn. 12. 11  BVerfG Beschl. v. 26.5.1981 – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 57, 250 (284).

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

somit um den seltenen Fall eines von Amts wegen zu beachtenden Vernehmungsverbots.12 Anders als in den Fällen der §§ 52, 53, 53a StPO ist es deswegen dem Gericht untersagt, den zur Verschwiegenheit verpflichteten Zeugen zu vernehmen, selbst wenn er sich äußern will.13 In den Fällen der Zeugnisverweigerungsrechte ist das Gericht sogar regelmäßig dazu gehalten, den Angehörigen beziehungsweise den Berufsgeheimnisträger vor seiner Entlassung aus dem Zeugenstand zu fragen, ob er dennoch bereit ist, auszusagen.14 Eine Ausnahme zu § 54 Abs. 1 StPO stellt § 28 Abs. 2 S. 2 BVerfGG dar. Der Zeuge kann sich nicht auf seine Schweigepflicht berufen, wenn das Bundesverfassungsgericht mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen die Verweigerung der Aussagegenehmigung für unbegründet erklärt. Während andere Gerichte an die Versagung der Aussagegenehmigung durch die Behörde gebunden sind, wird dem Bundesverfassungsgericht also ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, die Entscheidung der Verwaltung aufzuheben. 1. Personeller Anwendungsbereich Vom personellen Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 StPO erfasst werden Richter, Beamte und andere Personen des öffentlichen Dienstes. Zwar scheint der Wortlaut eine statusrechtliche Betrachtung nahezulegen, jedoch ist nach dem Sinn der Vorschrift eine funktionale Betrachtungsweise geboten.15 Andere Personen des öffentlichen Dienstes sind jedenfalls alle Angestellten des öffentlichen Dienstes.16 Ausgehend vom Schutzzweck der Norm sind als Angestellte des öffentlichen Dienstes aber auch solche Personen anzusehen, die bei juristischen Person des Privatrechts (GmbH, AG, etc.) angestellt sind, wenn durch sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden.17 Dem Wortlaut der Vorschrift nicht unmittelbar zu entnehmen, erfasst § 54 Abs. 1 StPO aber auch solche Personen, die weder Beamte, Richter oder 12  BGH Beschl. v. 14.6.2016  – VI ZR 346 / 15, BeckRS 2016, 12558; KMRNeubeck, § 54 Rn. 2; Rengier, S. 42. 13  BGH Urt. v. 12.1.1956 – 3 StR 195 / 55, BGHSt 9, 59 (61); Rengier, S. 42; zur Frage der Verwertbarkeit der Aussage siehe Kapitel 2 § 6 IV. 14  BGH Urt. v. 28.10.1960  – 4 StR 375 / 60, BGHSt 15, 200 (202); so jedenfalls der BGH im Fall des Berufsgeheimnisträgers. Dieses Vorgehen ist jedoch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Zeugnisverweigerungsrechte abzulehnen. 15  BGH Urt. v. 15.12.2005 – 3 StR 281 / 04, BGHSt 50, 318 (326 f.). 16  LG Göttingen Beschl. v. 22.10.2002  – 10 T 57 / 02, NJW-RR  2003, 117 (118); KK-StPO / Senge, § 54 Rn. 7; Pfeiffer, § 54 Rn. 2; Rengier, S. 43; SK-StPO / Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 23. 17  A. A. Butz, DÖV 2014, 10 (12).



§ 6 Der Amtsträger als Zeuge95

andere Personen des öffentlichen Dienstes sind, sondern als sonstige18 Per­ sonen des öffentlichen Dienstes zu qualifizieren sind.19 Unter diesen Begriff sind solche Personen zu fassen, deren Tätigkeit funktional mit der Auf­ gabenerfüllung der Behörde im weitesten Sinn zusammenhängt, sofern sie nicht völlig untergeordnete Tätigkeiten ausüben.20 Zu den anderen Personen des öffentlichen Diensten gehören zum Beispiel Gemeinderatsmitglieder, Schiedsmänner oder Geistliche außerhalb des Anwendungsbereichs von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO.21 Genau an dieser Stelle unterscheidet sich der Begriff des Amtsträgers vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift in zweierlei Hinsicht. Reicht für die Anwendbarkeit von § 54 Abs. 1 StPO bereits jede funktionale Tätigkeit im Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit aus, verlangt der Amtsträgerbegriff, dass der Amtsträger eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung bei einer Behörde oder sonstige Stelle wahrnehmen muss. Die Schwierigkeiten, die mit dem Begriff der Aufgabe der öffentlichen Verwaltung einhergehen, wurden bereits aufgezeigt.22 Nicht umfasst von diesem Begriff ist nach der hier vertretenen Auffassung zum Beispiel der komplette Bereich der Fiskalverwaltung, also der Bereich, in dem die öffentliche Hand als Anbieter von Dienstleistungen oder Waren auftritt. Personen, die in diesem Bereich bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle zur Aufgabenerfüllung bestellt sind, können mangels Wahrnehmung einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung keine Amtsträger sein. Ein weiterer Unterschied ist darin zu sehen, dass auch EU-Bedienstete dem Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 StPO unterfallen.23 Vom personellen Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 StPO nicht erfasst, sind hingegen die Amtsträger, die Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes sind. Sie können nicht unter dem Begriff der anderen Personen des öffent­ lichen Dienstes gefasst werden, weil sie in keinem funktionalen Zusammenhang zur Behörde stehen, sondern ausschließlich die Inhaberschaft des Amtes das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis begründet. Dass § 54 Abs. 1 StPO diesen Personenkreis nicht umfasst, zeigt die Regelung des § 54 Abs. 2 StPO. Nach dieser Vorschrift gelten für die Mitglieder der Bundes- und Landesre18  Die Terminologie ist an dieser Stelle nicht einheitlich. Teilweise findet sich auch der Begriff „weitere Personen“ z. B. SK-StPO / Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 24. 19  MüKo-StPO / Percic, § 54 Rn. 6; Stromberg, MDR 1974, 892 (893); SSW-StPO /  Eschelbach, § 54 Rn. 8. 20  SSW-StPO / Eschelbach, § 54 Rn. 9. 21  Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 1262a; LR-Ignor / Bertheau, 26. Aufl., § 54 Rn. 9; MüKo-ZPO / Damrau, 5. Aufl., § 376 Rn. 6; Zöller / Greger, § 376 Rn. 4. 22  Kapitel 1 § 3 IV. 3. a). 23  KMR-Neubeck, § 54 Rn. 9; LR-Ignor / Bertheau, 26. Aufl., § 54 Rn. 12; MeyerGoßner / Schmitt, § 54 Rn. 14.

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

gierungen, die allesamt Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB sind,24 die für sie maßgebenden besonderen Vorschriften. Auch bei § 54 Abs. 2 StPO handelt es sich somit um eine Blankettvorschrift. Für die Amtsträger, die Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes sind, verweist somit entweder § 54 Abs. 2 StPO auf spe­ zialgesetzliche Regelungen oder sie ergeben sich ohne der analogen Anwendung von § 54 Abs. 2 StPO in Verbindung mit den besonderen gesetzlichen Vorschriften (z.  B. § 10 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 WBeauftrG oder § 32 BBankG).25 Eine weitere Besonderheit ergibt sich für den Bundespräsidenten, der ebenfalls als Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB anzusehen ist. Dieser darf nach § 54 Abs. 3 StPO das Zeugnis verweigern, wenn durch die Ablegung des Zeugnisses dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile entstehen würden. Im Gegensatz zu den anderen Absätzen des § 54 StPO gibt Absatz 3 selbst vor, unter welchen Voraussetzungen die Verweigerung des Zeugnisses erfolgen kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Bundespräsidenten, um das Zeugnis zu verweigern, enger gefasst sind als für die übrigen Amtsträger, weil sich die Weigerung nur darauf stützen darf, dass die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Für die übrigen Amtsträger ergibt sich ein weiterer Grund da­ raus, dass die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährdet oder erschwert werden würde.26 Verweist § 54 Abs. 1 StPO somit für die Vernehmung des Zeugen und die Genehmigung zur Aussage auf die beamtenrechtlichen Vorschriften, ergibt sich das Erfordernis einer Aussagegenehmigung aus § 37 Abs. 3 BeamtStG beziehungsweise § 67 Abs. 3 BBG, die beide wortgleich lauten: „Beamtinnen und Beamten dürfen ohne Genehmigung über Angelegenheiten, für die Absatz 1 gilt, weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Die Genehmigung erteilt der Dienstherr oder, wenn das Beamtenverhältnis beendet ist, der letzte Dienstherr. Hat sich der Vorgang, der den Gegenstand der Äußerung bildet, bei einem früheren Dienstherrn ereignet, darf die Genehmigung nur mit dessen Zustimmung erteilt werden.“27

24  Siehe

Kapitel 1 § III.

25  AnwK-StPO / v. Schliefen,

§ 54 Rn. 3; KK-StPO / Senge, § 54 Rn. 7; MüKoStPO / Percic, § 54 Rn. 5; Radtke / Hohmann / Otte, § 54 Rn. 9; SK-StPO / Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 23. 26  Siehe hierzu ausführlich Kapitel 2 § 6 III. 27  Im BeamtStG wird Absatz 3 noch um einen Satz 4 erweitert, der aber die lediglich die Möglichkeit eröffnet, von der vorgegebenen Zuständigkeit abzuweichen, und somit nicht weiter von Interesse ist.



§ 6 Der Amtsträger als Zeuge97

Für Richter gelten aufgrund der Verweisungen in §§ 46, 71 DRiG die jeweiligen beamtenrechtlichen Vorschriften unmittelbar, wobei, wie bereits festgestellt wurde, hiervon das Beratungsgeheimnis nicht erfasst wird.28 Die Regelungssystematik, die § 54 Abs. 1 StPO zugrunde liegt, scheint indes nicht vollends widerspruchsfrei zu sein. Ausgehend von der Rechtsfolge, dass eine Aussagegenehmigung der Behörde erforderlich ist, wenn der Zeuge über ein Beweisthema befragt werden soll, das von seiner Pflicht zur Amtsverschwiegenheit berührt wird, verweist § 54 Abs. 1 StPO auf die beamtenrechtlichen Vorschriften. Dies scheint aber auf den ersten Blick nicht zu passen, da sowohl vom Amtsträgerbegriff als auch vom Begriff der anderen Personen des öffentlichen Dienstes im Sinne von § 54 Abs. 1 StPO auch solche Personen erfasst werden, die keine Beamte im staatsrechtlichen Sinn sind und für die die beamtenrechtlichen Vorschriften somit nicht unmittelbar gelten. Für Angestellte und sonstige Personen des öffentlichen Dienstes sind gerade keine vergleichbaren Regelungen für die Erteilung einer Aussagegenehmigung vorhanden. Dennoch besteht Einigkeit, dass diese Personen trotzdem eine Genehmigung brauchen, wenn sie als Zeuge zu dienstlichen Vorgängen vernommen werden sollen.29 Ob dem tatsächlich zugestimmt werden kann, soll an späterer Stelle im Zusammenhang mit der entsprechenden Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften auf den nichtbeamteten Amtsträger als Beschuldigten näher beleuchtet werden, um eine vergleichende Darstellung dieses wichtigen Punktes vornehmen zu können.30 Im Ergebnis ist die analoge Anwendung der beamtenrechtliche Vorschriften auf alle anderen Personen des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 54 Abs. 1 StPO und damit auch auf die Amtsträger, die unter § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zu fassen sind, zuzustimmen, weil der Zeuge in seiner Eigenschaft als Beweismitteln zum einen nicht in seinem Recht berührt wird, wenn die Entscheidung auszusagen, vom Vorliegen einer Aussagegenehmigung abhängig ist und zum anderen die Vertraulichkeit geheimhaltungsbedürftiger Informationen nur unzureichend gewährleistet werden würde.31 Keine Zustimmung verdient in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die anklingen lässt, dass bereits aus der Amtsträger­ eigenschaft als solche eine Verschwiegenheitspflicht abzuleiten ist.32 Zunächst verkennt diese Rechtsprechung, dass die Verschwiegenheitspflicht des 28  AnwK-StPO / v. Schliefen, § 54 Rn. 6; Putzke, S. 95 f.; Radtke / Hohmann / Otte, § 54 Rn. 4. 29  KK-StPO / Senge, § 54 Rn. 7; Meyer-Goßner / Schmitt, § 54 Rn. 9; MüKo-StPO /  Percic, § 54 Rn. 5; SK-StPO / Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 23. 30  Ausführlich Kapitel 2 § 7 II. 1. 31  Zur Auswirkung auf das Strafverfahren siehe sogleich Kapitel 2 § 6 IV. 32  BGH Urt. v. 28.11.1979  – 3 StR 405 / 79, NJW  1980, 846 (847); ausdrücklich offen gelassen: BGH Beschl. v. 8.3.2016 – VI ZR 443 / 14, BeckRS 2016, 05741.

98

2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

Amtsträgers nicht einheitlich begründet werden kann. Selbst wenn jeder Amtsträger auf unterschiedliche Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, bedeutet dies, wie § 54 Abs. 1 StPO selbst zum Ausdruck bringt, nicht, dass damit das Erfordernis der Aussagegenehmigung einhergeht. Eine Aussagegenehmigung für alle Amtsträger bedarf daher einer gesonderten Begründung und kann nicht allein aus der Verschwiegenheitspflicht folgen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die an vorangegangener Stelle vorgenommene Differenzierung zwischen der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht und der speziellen beziehungsweise der Verschwiegenheitspflichten, die im privaten Interesse bestehen.33 § 54 Abs. 1 StPO verweist auf die beamtenrechtlichen Regelungen. Diese beziehen sich wiederum nur auf die allgemeine Verschwiegenheitspflicht, also auf die Verschwiegenheitspflicht, die ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht. Dies ergibt sich zwingend daraus, dass die einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften (§ 67 Abs. 3 BBG und § 37 Abs. 3 BeamtStG) nur auf den jeweiligen Absatz 1 verweisen, also auf die allgemeine Verschwiegenheitspflicht. Unterliegt die Angelegenheit beispielsweise einer speziellen Verschwiegenheitspflicht, darf und kann der Dienstherr den Amtsträger nicht über die genannten beamtenrechtlichen Vorschriften von dieser Pflicht entbinden. So kann zum Beispiel dem Richter von seinem Dienstherrn keine Genehmigung dafür erteilt werden, das Beratungsgeheimnis zu offenbaren. Der Gesetzgeber hat keinerlei Notwendigkeit gesehen, eine spezielle gesetzliche Regelung für dieses Pro­ blem zu schaffen und hinsichtlich der Lösung eines solchen Konflikts auf die Grundsätze des rechtfertigenden Notstandes verwiesen.34 Auch der Amtsträger, der der Verschwiegenheitspflicht nach § 30 Abs. 1 AO unterliegt, kann mangels gesetzlicher Regelung keine Genehmigung erteilt werden, das Steuergeheimnis zu offenbaren.35 2. Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist immer dann eröffnet, wenn der Zeuge zu einem Beweisthema vernommen werden soll, auf das sich seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht. Auf die Ausführungen zum Umfang der Verschwiegenheitspflicht kann an dieser Stelle verwiesen werden.36 Die Beurteilung, ob die Angelegenheit unter die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit fällt, obliegt dem Zeugen. Er muss somit selbst entschei33  Siehe

Kapitel 1 § 4 I. NJ 2014, 6 (11). 35  OVG Münster Urt. v. 18.10.2017  – 15 A 651 / 14, (juris); Ausnahmeregelungen finden sich in § 30 Abs. 4 u. Abs. 5 AO. 36  Siehe ausführlich Kapitel 1 § 4. 34  Einsiedler,



§ 6 Der Amtsträger als Zeuge99

den, ob er eine Aussage tätigen darf oder eine Aussagegenehmigung erforderlich ist. In der Praxis finden sich jedoch Verwaltungsvorschriften, die abstrakt im Voraus regeln, in welchen Fällen die Aussagegenehmigung als erteilt gilt. So muss zum Beispiel Polizeibeamten in der Regel keine gesonderte Aussagegenehmigung für ihre Vernehmung als Zeuge erteilt werden, wenn es sich um ein Strafverfahren handelt, in dem sie von Amts wegen mitgewirkt haben.37 3. Antragsstellung durch die vernehmende Stelle Die Aussagegenehmigung muss nicht vom Zeugen beantragt werden,38 sondern die Stelle, die den Zeugen vernehmen will, holt die Aussagegenehmigung von Amts wegen ein (RiStBV Nr. 66 Abs. 1 S. 1), wenn eine gesonderte Erteilung erforderlich ist. Der Antrag muss die Vorgänge, zu denen der Zeuge vernommen werden soll, kurz und erschöpfend angeben, damit der Dienstvorgesetzte des Zeugen entscheiden kann, ob Versagungsgründe vorliegen (RiStBV Nr. 66 Abs. 3 S. 1). Zuständig für die Erteilung der Aussagegenehmigung ist der Dienstherr oder der letzte Dienstherr beziehungsweise der letzte Dienstvorgesetzte, wenn das Dienstverhältnis bereits beendet wurde (§ 67 Abs. 3 S. 2 BBG i. V. m. § 3 Abs. 2 BBG). Betrifft die Äußerung einen Vorgang, der sich bei einem früheren Dienstherrn ereignet hat, ist dieser für die Erteilung der Aussagegenehmigung zuständig (§ 37 Abs. 3 S. 3 Beamt­ StG, § 67 Abs. 3 S. 2 BBG). Baden-Württemberg hat von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, durch Landesrecht eine andere Stelle als den genannten jeweiligen Dienstherrn zu bestimmen (§ 37 Abs. 3 S. 4 BeamtStG), Gebrauch gemacht. Zuständig für die Versagung ist die oberste Dienst- bzw. Aufsichtsbehörde (§ 4 Abs. 4 LBG-BW). Die Zuständigkeitskonzentration auf die oberste Behörde ist verfassungsrechtlich sinnvoll, weil die Gefahr einer unzulässigen Einflussnahme der Exekutive auf das Strafverfahren bestünde, wenn eine nachgeordnete Behörde die Entscheidung treffen könnte, da sie womöglich aufgrund ihres eingeschränkten Aufgabenbereichs keine umfassende Abwägung treffen könnte.39

37  Als Beispiele können an dieser Stelle die Runderlasse in Nordrhein-Westfalen (RV d. JM vom 15. Juni 2011 (4600 – III. 3) I A Nr. 3) und Niedersachsen (RdErl. d. MI v. 16.4.2015  – 25.2a-03011 / 37 B) genannt werden. Vergleichbare Regelungen existieren in allen Bundesländern. 38  Böhm, NStZ 1983, 158; Meyer-Goßner / Schmitt, Rn. 17. 39  BVerfG Beschl. v. 26.5.1981 – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 57, 250 (289).

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

III. Genehmigungsvoraussetzungen Neben dem personellen Anwendungsbereich der Vorschrift ist für die weitere Untersuchung von besonderem Interesse, unter welchen Voraussetzungen die Aussagegenehmigung für den Zeugen versagt werden kann. Die nachfolgende Darstellung wird an späterer Stelle hilfreich sein, um festzustellen, unter welchen Voraussetzungen die Aussagegenehmigung für den Beschuldigten verweigert werden darf. Der gesetzliche Ausgangspunkt für die Versagung der Aussagengenehmigung findet sich in § 37 Abs. 4 BeamtStG beziehungsweise § 68 Abs. 1 BBG. Diese gelten vorbehaltlich der weiteren Untersuchung für Beamte, Richter und Angestellte des öffentlichen Dienstes im gleichen Umfang. Die beamtenrechtlichen Regelungen differenzieren ihrerseits danach, ob der Beamte Zeuge oder Beschuldigter beziehungsweise Partei eines gerichtlichen Verfahrens ist. Im zuletzt genannten Fall sind die Voraussetzungen, wie zu zeigen sein wird, deutlich strenger.40 § 37 Abs. 3 S. 1 BeamtStG und § 68 Abs. 1 BBG geben die Voraussetzungen für den Beamten als Zeugen wie folgt vor: „Die Genehmigung, als Zeugin oder Zeuge auszusagen, darf nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde.“

Im Beamtenstatusgesetz finden sich zudem noch Vorschriften, die die Aussage vor einem Untersuchungsausschuss und die Erstellung eines Gutachtens betreffen (§ 68 Abs. 3 S. 2 und 3). Beide Fälle sind für die weitere Untersuchung aber nicht von Belang und werden daher nicht weiter behandelt. Bei allen drei Versagungsgründen handelt es sich um Gefährdungstatbestände.41 Die Erteilung der Aussagegenehmigung erfordert zwar grundsätzlich eine Güterabwägung, deren Ergebnis aber bereits durch die gesetzliche Wertung zugunsten eines grundsätzlichen Vorranges der Verschwiegenheitspflicht bei Vorliegen eines Gefährdungstatbestandes vorweggenommen wird. Eine nochmalige Abwägung der widerstreitenden Interessen ist in der Regel da­ mit nicht mehr erforderlich, es sei denn, dass verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter berührt werden. Dies wird bei der Versagung der Aussagegenehmigung im Strafverfahren, dessen zentrales Anliegen in der Verwirklichung des materiellen Schuldprinzips durch die Ermittlung des wahren Sachverhalts zu sehen ist, aber in der Regel der Fall sein.42 Die Behörde darf bei der Beurteilung, ob die Versagungsgründe vorliegen, nicht nur die von ihr wahrzuneh40  Siehe

hierzu Kapitel 2 § 7 III. § 68 Rn. 5. 42  BVerfG Beschl. v. 26.5.1981  – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 57, 250 (275); BVerwG Urt. v. 24.6.1982 – 2 C 91 / 81, BVerwGE 66, 39 (43). 41  Battis / Grigoleit,



§ 6 Der Amtsträger als Zeuge101

menden Aufgaben als Maßstab zugrunde legen, sondern muss sich auch stets an dem Gebot einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung orientieren.43 Insbesondere muss sie berücksichtigen, dass auch zugunsten des Beschuldigten ein rechtlich geschütztes Interesse an der Wahrheitsfindung besteht. Zudem muss sie in ihre Erwägung miteinbeziehen, dass der Beschuldigte einen Anspruch auf ein faires Verfahren hat und es in seinem ureigenen Interesse liegt, seine Freiheitssphäre zu schützen.44 Kommt die Behörde zu dem Ergebnis, dass keiner der Gefährdungstatbestände gegeben ist, muss sie dem Zeugen die Aussagegenehmigung erteilten. Ihr steht kein Ermessen zu.45 Der Begriff des erheblichen Nachteils für das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes muss ausgehend vom Sinn der Regelung in einem staatspolitischen Sinn verstanden werden.46 Eine erheblicher Nachteil kann nur angenommen werden, wenn durch die Aussage des Zeugen die freiheitlichdemokratische Grundordnung, der Schutz der Verfassung oder die Verteidigung nach außen bedroht ist.47 Von einer Gefährdung des Staatswohls kann auch dann ausgegangen werden, wenn die freundschaftlichen Verhältnisse zu anderen Staaten oder zu supranationale Organisationen gestört werden.48 Aus der tatbestandlich vorgegebenen Einschränkung, dass der drohende Nachteil erheblich sein muss, ergibt sich zwingend, dass nicht jede Nachteilszufügung ausreicht. Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Reform der beamtenrecht­ lichen Vorschriften den Konflikt zwischen der Verschwiegenheitspflicht und dem rechtstaatlichen Gebot der möglichst umfassenden Sachverhaltsaufklärung erkannt und aus diesem Grund die Erheblichkeitsschwelle, die in der Vorgängerregelung des § 39 Abs. 3 BRRG noch nicht vorhanden war, in das Gesetz mitaufgenommen.49 Kommunale Interessen werden aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht erfasst. Des Weiteren darf die Aussagegenehmigung nicht erteilt werden, wenn durch die Aussage die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährdet oder erheblich erschwert wird. Wie oben gezeigt, muss der Begriff der öffentlichen Aufgaben sehr weit verstanden werden und erfasst grundsätzlich alle Aufgaben, an deren Erfüllung ein öffentliches Interesse besteht.50 Es 43  MüKo-StPO / Percic,

§ 54 Rn. 21; SSW-StPO / Eschelbach, § 54 Rn. 19. Beschl. v. 26.5.1981  – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 57, 250 (283 ff.); KMR-Neubeck, § 54 Rn. 15; MüKo-StPO / Percic, § 54 Rn. 24. 45  BVerwG Beschl. v. 3.10.1974 – I WB 1.74, BVerwGE 46, 303 BVerwG Urt. v. 24.6.1982 – 2 C 91 / 81, BVerwGE 66, 39 (42). 46  OVG Münster Beschl. v. 4.9.2015  – 6 B 837 / 15, NVwZ-RR 2016, 64 (65); Reich, § 37 Rn. 17; Ziegler, S. 125. 47  Reich, § 37 Rn. 17; Stelkens / Bonk / Sachs / Kallerhoff, § 29 Rn. 63. 48  Stelkens / Bonk / Sachs / Kallerhoff, § 29 Rn. 63. 49  BT-Drucks. 16 / 4027, S. 32. 50  Vgl. Kapitel 1 § 3. IV. 3. 44  BVerfG

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

genügt jedenfalls nicht, dass sich die Vernehmung des Zeugen in irgendeiner Weise nachteilig auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben auswirkt.51 Weil die verweigerte Aussagegenehmigung das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren berührt, kann dies nur hingenommen werden, wenn es sich um Gründe von besonderem Gewicht handelt. Die Schwelle der Erheblichkeit ist beispielsweise dann erreicht, wenn die Funktionsfähigkeit der Behörde nicht mehr gewährleistet werden kann.52 Abweichend von den beamtenrechtlichen Regelungen findet sich in § 7 Abs. 1 BMinG eine Sonderregelung. Nach dieser Vorschrift soll die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteilte bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Diese Formulierung deckt sich weitgehend mit den beamtenrechtlichen Vorschriften, jedoch mit dem Unterschied, dass die Genehmigung lediglich versagt werden „soll“, anstatt nur versagt werden „darf“. Dieser auf die frühere beamtenrechtliche Regelung zurückzuführende Unterschied bedeutet gegenüber der beamtenrechtlichen Regelung eine Erweiterung, weil selbst bei Nichtvorliegen der Tatbestandsmerkmale die Genehmigung in besonderen Fällen versagt werden darf.53 Im Übrigen sind die verschiedenen Regelungen, die für die verschiedenen Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes gelten, zu beachten. Aus ihnen ergibt sich, unter welchen Voraussetzungen die Aussagegenehmigung als Zeuge versagt werden darf. Sie orientieren sich jedoch in vielen Fällen an den beamtenrechtlichen Vorschriften (zum Beispiel § 23 Abs. 6 S. 1 BDSG).

IV. Folgen der Versagung Wird dem Amtsträger keine Aussagegenehmigung erteilt, ist zu prüfen, wie sich die Versagung sowohl auf den Amtsträger in seiner verfahrensrechtlichen Stellung als Zeuge als auch auf das Strafverfahren auswirkt. Wie bereits mehrfach erwähnt, ist es dem Amtsträger in diesem Fall verboten, sich zum Beweisthema zu äußern. Die Entscheidung der Behörde entfaltet Bindungswirkung und darf vom Gericht nicht einfach ignoriert werden.54 Solange keine Aussagegenehmigung vorliegt, besteht ein Beweiserhebungsverbot.55 Hiervon ist jedoch die Frage der Beweisverwertung zu unterscheiden. 51  OVG

Münster Beschl. v. 4.9.2015 – 6 B 837 / 15, NVwZ-RR 2016, 64 (65). Münster Beschl. v. 4.9.2015 – 6 B 837 / 15, NVwZ-RR 2016, 64 (65). 53  Busse, § 7 Rn. 2. 54  BVerfG Beschl. v. 26.5.1981  – 2 BvR 215 / 81, NJW 1981, 1719 (1723); AnwK-StPO / v. Schliefen, § 54 Rn. 9; Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 1271; Radtke / Hohmann / Otte, § 54 Rn. 22. 55  BGH Urt. v. 6.2.2003  – 4 StR 423 / 02, NStZ 2003, 610; Joecks, StPO, § 54 Rn. 1; Meyer-Goßner / Schmitt, § 54 Rn. 2; MüKo-StPO / Percic, § 54 Rn. 15. 52  OVG



§ 6 Der Amtsträger als Zeuge103

Entscheidet sich nämlich der Zeuge dafür, gegen seine Verschwiegenheitspflicht zu verstoßen und dennoch auszusagen, darf das Gericht die Aussage verwerten.56 Die Begründung hierfür ist darin zu sehen, dass das Gericht nicht für den Verstoß verantwortlich ist. Das Strafprozessrecht kennt keine Vorschrift, die es verbieten würde, eine unter Verstoß gegen die strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht gewonnene Aussage zu verwerten.57 Es muss insofern unterschieden werden zwischen dem Interesse des Staates an der Geheimhaltung von Amtsgeheimnissen und der prozessrechtlichen Ebene.58 Die Entscheidung der Behörde muss von den Verfahrensbeteiligten aber nicht ohne weiteres hingenommen werden. Das Gericht kann aufgrund seiner Aufklärungspflicht dazu verpflichtet sein, bei der zuständigen Behörde eine Gegenvorstellung zu erheben, wenn die Entscheidung der Behörde nicht ausreichend oder nachvollziehbar begründet ist. Darüber hinaus kann sich das Gericht auch mit dem Begehren an die oberste Justizbehörde wenden, dass sie an die oberste Innenbehörde eine eigene Gegenvorstellung richtet.59 Der Angeklagte kann die Entscheidung der Behörde zudem gerichtlich anfechten. Für ihn stellt die Versagung der Aussagegenehmigung gegenüber dem Zeugen einen belastenden Verwaltungsakt dar, den er im Verwaltungsrechtsweg überprüfen lassen kann.60 Der Zeuge selbst, und dies unterscheidet ihn vom Beschuldigten, kann gegen die Versagung der Aussagegenehmigung nicht gerichtlich vorgehen. Er ist nämlich nicht klagebefugt, weil er durch die Versagung der Aussagegenehmigung nicht in seinen eigenen Rechten verletzt wird.61 Als Zeuge kann er nicht selbst darüber entscheiden, ob das Amtsgeheimnis offenbart werden kann oder nicht. Selbst wenn er die Entscheidung für falsch oder richtig hält, muss der Zeuge die Entscheidung hinnehmen. 56  Eisenberg, Beweismittel, Rn. 794; Jäger, S. 151 f.; KMR-Neubeck, § 54 Rn. 11; Meyer-Goßner / Schmitt, § 54 Rn. 15; Roxin / Schünemann, § 26 Rn. 32; zu Recht kritisch SSW-StPO / Eschelbach, § 54 Rn. 5; gleiches gilt im Übrigen, wenn ein Berufsgeheimnisträger entgegen seiner Verschwiegenheitspflicht aussagt, vgl. Lenckner, NJW 1965, 321 (325). 57  BGH Urt. v. 12.1.1956  – 3 StR 195 / 55, BGHSt 9, 59 (61 f.); BGH Urt. v. 28.10.1960 – 4 StR 375 / 60, BGHSt 15, 200 (202). 58  Eb. Schmidt, Lehrkommentar StPO II, § 54 Rn. 10; Jäger, S. 152. 59  BGH Beschl. v. 5.6.2007  – 5 StR 383 / 06, NJW 2007, 3010 (3012); Ellbogen, NStZ 2007, 310 (311); Radtke / Hohmann / Otte, § 54 Rn. 20; SSW-StPO / Eschelbach, § 54 Rn. 34. 60  Grundlegend VG Wiesbaden Urt. v. 24.2.1950 – II 3 1342 / 49, NJW 1950, 799; BVerwG Urt. v. 14.2.1964 – VII C 93 / 61, NJW 1964, 1088; Kugele / Buchheister / Kugele, § 67 Rn. 12; Radtke / Hohmann / Otte, § 54 Rn. 20; Schmid, JR 1978, 8. 61  So bereits Schweitzer, ZBR 1956, 201 (202); Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 1272a; auch die Staatsanwaltschaft ist nicht klagebefugt, vgl. MüKo-StPO / Percic, § 54 Rn. 29 m. w. N.

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren Nachdem die Stellung des Amtsträgers als Zeuge beleuchtet wurde, soll nun auf den Amtsträger als Beschuldigter ausführlich eingegangen werden. Es wird sich zeigen, dass sich die Verschwiegenheitspflicht auch auf die verfahrensrechtliche Stellung als Beschuldigter auswirkt und mit seinen Rechten kollidiert. Während sich das Erfordernis der Aussagegenehmigung für den Amtsträger als Zeugen – so viel vorweg – aus der analogen Anwendung der einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften ergibt, wird ein wesentlicher Aspekt der nachfolgenden Untersuchung die Auseinandersetzung mit der Frage sein, ob dies auch für den Amtsträger als Beschuldigten gilt. Da die Versagung der Aussagegenehmigung zur Folge hat, dass sich der Amtsträger nicht unter gleichzeitiger Verletzung seiner sanktionsbewehrten Verschwiegenheitspflicht äußern kann, wird einleitend auf die Verfahrensrechte des Beschuldigten eingegangen werden, die mit dem Verbot sich zu äußern, kollidieren.

I. Rechte und Pflichten des Beschuldigten im Strafverfahren Der Beschuldigte steht im Mittelpunkt des Strafverfahrens. Seine Stellung ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht als Objekt des Strafverfahrens angesehen werden darf, sondern als Prozesssubjekt mit einer Vielzahl an eigenen Rechten ausgestattet ist.62 Zwar kann der Beschuldigte damit nicht als Beweismittel im eigentlichen Sinne angesehen werden, jedoch ist seine Aussage ein wertvolles und zugleich wichtiges Mittel zur Erforschung des Sachverhalts, weshalb er zumindest im materiellen Sinn als „Beweismittel“ behandelt werden kann.63 Von besonderem Interesse für die gegenständliche Untersuchung sind dabei die Rechte, die es dem Beschuldigten erlauben, selbst auf das Verfahren Einfluss zu nehmen, aber durch die Verschwiegenheitspflicht beeinträchtigt werden. Zu den damit angesprochenen Rechten zählt insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör. Darüber hinaus muss ein Strafverfahren auch rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen, so dass auch direkt aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip weitere Rechte des Beschuldigten, insbesondere das Recht auf ein faires Verfahren, abzuleiten sind. 62  BVerfG Beschl. v. 9.6.1970  – 1 BvL 24 / 69, BVerfGE 28, 386 (291); BVerfG Urt. v. 21.6.1977  – 1 BvL 14 / 76, BVerfGE 45, 187 (227 f.); Gerland, § 48 I 1.; Kühne, Rn. 102; Peters, § 28 IV 2; Schlüchter, S. 83; SSW-StPO / Beulke, Einl. Rn. 141; umfassend zur historischen Entwicklung der Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren: Walder, S.  29 ff. 63  MüKo-StPO / Kudlich, Einl. Rn. 416; Roxin / Schünemann, § 25 Rn. 1.



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren105

Neben nationalen Regelungen beeinflussen auch völkerrechtliche Vereinbarungen das Strafverfahren. Die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK),64 die einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt und somit im Rang eines einfachen Bundesgesetzes steht (Art. 59 Abs. 2 GG),65 gewährt dem Beschuldigten ebenfalls eigenständige Rechte, die für Ausgangsfrage von Belang sind. Zu nennen ist hier der fair-trial Grundsatz, der eine ausdrückliche Normierung in Art. 6 Abs. 1 EMRK erfahren hat. In den allermeisten Fällen werden die Anforderungen, die das Grundgesetz und die EMRK an das Strafverfahren stellen, aber nahezu identisch sein. Dies resultiert vor allem aus der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes dazu neigt, soweit es möglich ist, die im Grundgesetz verankerten Rechte konventionskonform auszulegen.66 Explizit führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass die Entscheidungen des EGMR „als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes“ herangezogen werden müssen.67 Aus diesem Grund soll auch keine getrennte Darstellung erfolgen, sondern nur dort auf Unterschiede eingegangen werden, wenn solche für die Untersuchung relevant sind. Eine Gemeinsamkeit sei aber bereits an dieser Stelle genannt. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der EGMR verstehen sich nicht als „Superrechtsmittelinstanz“. Beide Gerichte beurteilen einen möglichen Verstoß ausschließlich in Bezug auf das Grundgesetz beziehungsweise die EMRK. Die Anwendung des einfachen Rechts ist den staatlichen Gerichten vorbehalten und nicht Gegenstand der Überprüfung, soweit sie nicht gegen das Grundgesetz oder die EMRK verstößt.68 Während sich die Frage des Geltungsbereichs für das Grundgesetz nicht weiter stellt, kann durchaus hinterfragt werden, ob Art. 6 Abs. 1 EMRK auch in solchen Verfahren gilt, die kein Gerichtsverfahren im eigentlich Sinn darstellen. Angesprochen ist damit der Punkt, auf den bei der späteren Untersuchung der Sanktionierung von Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht noch vertieft eingegangen wird,69 ob das behördliche Disziplinarverfahren, das als Verwaltungsverfahren zu qualifizieren ist, vom Anwendungsbereich der EMRK überhaupt erfasst wird. Der deutsche Gesetzestext spricht davon, dass jede Person ein Recht darauf hat, dass „[…] über eine gegen sie erho64  BGBl. 1952

II S. 685.

65  Grabenwarter / Pabel,

§ 3 Rn. 8; Zehetgruber, ZJS 2016, 52. Beschl. v. 14.10.2004  – 2 BvR 1481 / 04, BVerfGE  111, 307 (317 f.); Zehetgruber, ZJS 2016, 52. 67  BVerfG Beschl. v. 26.3.1987  – 2 BvR 589 / 79, 2 BvR 740 / 81, 2 BvR 284 / 85, BVerfGE 74, 358 (370). 68  Schabas, S. 271. 69  Siehe Kapitel 4 § 17 I. 66  BVerfG

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

bene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht […]“ verhandelt wird. Nun ist zumindest das behördliche Disziplinarverfahren mit dem Begriff der „strafrechtlichen Anklage“ nicht vergleichbar. Auch der zur Auslegung maßgebliche englische beziehungsweise französische Text der Norm gibt an,70 dass jede Person im Fall einer „criminal charge against him“ das Recht hat, „[…] to a fair and public hearing within reasonable time by an independent and impartial tribunal“. Auch der französische Vertragstext spricht von „accusation en matière pénale“. Zwar hat der EGMR noch keine Entscheidung getroffen, ob die EMRK damit explizit auch für das behördliche Disziplinarverfahren gilt, gleichwohl hat der Gerichtshof in seiner früheren Rechtsprechung die Anwendbarkeit der EMRK auf „regulatory offences“ im Bereich der Verkehrsverstöße bejaht.71 Aufgrund dessen liegt der Schluss nahe, dass auch auf das für den Betroffenen unter Umständen gravierendere Disziplinarverfahren die EMRK zur Anwendung kommt.72 1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör Untrennbar mit der Stellung des Beschuldigten verbunden ist sein Anspruch auf rechtliches Gehör. Art. 103 Abs. 1 GG formuliert schlicht: „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör“. So selbstverständlich diese Formulierung erscheint, handelt es sich bei diesem Recht um eines der ältesten Prozessgrundrechte, das auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken kann.73 Es unterstreicht auf einfache und einprägsame Weise, dass der Einzelne nicht als Objekt des Verfahrens angesehen und behandelt werden darf. Gegen niemand darf eine gerichtliche Entscheidung ergehen, zu deren tatsächlichen und rechtlichen Entscheidungsgrundlagen der Betroffene keine Stellung nehmen konnte. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet den Anspruch auf rechtliches Gehört daher auch als „prozessuales Urrecht“ des Menschen.74 Das Recht, in einem Verfahren gehört zu werden, stellt ein verfahrensrechtliches Prinzip dar, das für ein rechtsstaatliches Verfahren schlichtweg konstitutiv ist.75 Art. 103 Abs. 1 GG weist dabei nicht nur eine subjektive Komponente auf, sondern der Anspruch auf rechtliches Gehör 70  Esser,

§ 9 Rn. 129; SSW-StPO / Satzger, Art. 1 EMRK Rn. 9. S. 283. 72  Kritisch SSW-StPO / Satzger, Art. 6 EMRK Rn. 13. 73  Zur historischen Entwicklung des Anspruchs auf rechtliches Gehör umfassend: Rüping, S. 12 ff.; Walder, S.  66 ff. 74  BVerfG Beschl. v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1 / 02, BVerfGE 107, 395 (408); Müller, Rechtsstaat, S. 49 f.; Sachs / Degenhart, Art. 103 Rn. 2; Wachsmuth, S. 83. 75  BVerfG Beschl. v. 9.7.1980  – 2 BvR 701 / 80, BVerfGE  55, 1 (6); BVerfG ­Beschl. v. 26.5.1981 – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 57, 250 (288). 71  Schabas,



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren107

verfolgt zugleich das Anliegen, gesetzesrichtige und gerechte Entscheidungen zu ermöglichen.76 Von herausragender Bedeutung ist der Anspruch auf rechtliches Gehör im Strafverfahren, denn in ihm ist nicht nur ein Mittel zur Erforschung der Wahrheit zu sehen, sondern auch ein Mittel der Verteidigung, durch das dem Beschuldigten die Möglichkeit eröffnet wird, sich gegen die ihn erhobenen Anschuldigungen zu wehren.77 Bevor auf die Vorgaben eingegangen wird, die der Anspruch auf recht­ liches Gehör beinhaltet, muss zunächst abgeklärt werden, welchen Anwendungsbereich Art. 103 Abs. 1 GG aufweist. Wie bereits angedeutet, kann der Bruch der Verschwiegenheitspflicht nicht nur den Tatbestand einer Sank­ tionsnorm des StGB erfüllen, sondern kann auch außerstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.78 Aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlauts und der systematischen Stellung im neunten Abschnitt des Grundgesetzes über „Die Rechtsprechung“ findet Art. 103 Abs. 1 GG unmittelbar nur auf gerichtliche Verfahren Anwendung.79 Mit Gerichten sind aber nur die staatlichen Gerichte im Sinne von Art. 92 GG gemeint. Nicht anwendbar ist Art. 103 Abs. 1 GG daher auf Verfahren, die von Verwaltungsbehörden und der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden.80 In diesen Fällen zwingen jedoch allgemeine Erwägungen dazu, den Anspruch auf rechtliches Gehör in seinem Anwendungsbereich nicht nur auf das gerichtliche Verfahren zu beschränken. Dies verdeutlicht vor allem die historische Entwicklung von Art. 103 Abs. 1 GG. Die ausdrückliche Aufnahme in das Grundgesetz verfolgte den Zweck, Missbräuche im gerichtlichen Verfahren, wie sie vor allem während der Herrschaft der Nationalsozialisten vorkamen, zu verhindern und zugleich das Vertrauen der Bevölkerung in eine unparteiische Rechtspflege wiederherzustellen.81 Durch Art. 103 Abs. 1 GG erfuhr der bereits anerkannte Grundsatz auf rechtliches Gehör somit nur eine ausdrückliche Normierung. Eine genaue Verortung dieses strukturprägenden Verfahrensgrundsatzes an einer einzelnen Norm außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 103 Abs. 1 GG ist kaum möglich, sondern muss anhand einer Gesamtschau der einschlägigen Verfassungsprinzipien erfolgen. Im Ergebnis besteht aber Einigkeit, dass zumindest im grundrechtsrelevanten Bereich stets ein 76  BVerfGE

Beschl. v. 7.10.1980 – 1 BvL 50 / 79, BVerfGE 55, 72 (93). ZIS 2017, 28 (31); Walder, S. 65. 78  Ausführlich Kapitel 4 § 17. 79  Manssen, Rn. 803; Maunz / Dürig / Remmert, Art. 103 Abs. 1 Rn. 52; SchmidtBleibtreu / Hofmann / Brockmeyer / Schmahl, Art. 103 Rn. 13. 80  BVerfG Beschl. v. 8.1.1959  – 1 BvR 396 / 55, BVerfGE  9, 89 (95); BVerfG Beschl. v. 14.10.1969 – 1 BvR 30 / 66, BVerfGE 27, 88 (103); BeckOK-GG / Radtke /  Hagemaier, Art. 103 Rn. 3; Sachs / Degenhart, Art. 103 Rn. 8. 81  BVerfG Beschl. v. 8.1.1959 – 1 BvR 396 / 55, BVerfGE 9, 89 (95). 77  Vogel,

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

aus der Verfassung abzuleitender Anspruch auf rechtliches Gehör besteht.82 Überzeugend erscheint es daher, den Anspruch auf rechtliches Gehör aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) abzuleiten, da durch diese Rechte verhindert werden soll, dass der Einzelne zum Objekt des Verfahrens gemacht wird.83 Genau dies würde aber geschehen, wenn ihm durch Versagung des rechtlichen Gehörs die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung genommen wird.84 Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings sowohl in seiner Ausgestaltung als auch in seinem Inhalt im hohen Maß konkretisierungsbedürftig. Ausgehend von der verfassungsrechtlichen Anforderung an ein rechtsstaatliches Verfahren, dass der Betroffene einen Anspruch darauf hat, gehört zu werden, gilt es des Weiteren festzustellen, wann im Verfahren dieser Anspruch dem Inhaber gewährt werden muss und welche Rechte sich im Einzelfall aus ihm ableiten lassen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet nicht das Recht, sich in einer bestimmten Form äußern zu dürfen. Es ist grundsätzlich die Aufgabe des Gesetzgebers, zu entscheiden, in welcher Weise er den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewähren will.85 Dies ist zu weiten Teilen in den jeweiligen Verfahrensordnungen geschehen, die, obwohl sie zum überwiegenden Teil den Anspruch auf rechtliches Gehör bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes regelten, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.86 Dies zeigt im Übrigen erneut, dass durch Art. 103 Abs. 1 GG ein bereits bekannter Grundsatz normiert wurde. Dabei gilt die Einschränkung, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör in Abhängigkeit von der jeweiligen Verfahrensart verwirklicht werden muss.87 Der Anspruch auf rechtliches Gehör setzt nicht zwingend voraus, dass dem Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt wird, sich vor einer Entscheidung zu äußern, wenn es sich nicht um eine abschließende Entscheidung handelt und auf die vorherige Anhörung zur Sicherung öffentlicher Interessen verzichtet werden muss. So widerspricht es zum Beispiel dem Zweck und den Besonderheiten des Haftbefehlsverfahrens, dass der Betroffene vor der Entscheidung gehört wird. Selbstver82  Maunz / Dürig / Remmert, 83  BVerfG

Art. 103 Abs. 1 Rn. 55. Beschl. v. 8.1.1959  – 1 BvR 396 / 55, BVerfGE  9, 89 (95); Kühne,

Rn. 264. 84  BVerfG Beschl. v. 18.6.1957  – 1 BvR 41 / 57, BVerfGE 7, 53 (58); Britz, Wendt-FS 2015, 1107 (1123); Joecks, StPO, Einl. Rn. 53; Meyer-Goßner / Schmitt, Einl. Rn. 24; Rüping, S. 134. 85  BVerfG Beschl. v. 8.2.1994 – 1 BvR 765 / 89, 1 BvR 766 / 89, BVerfGE 89, 381 (392); BVerfG Beschl. v. 30.6.2014  – 2 BvR 792 / 11, NJW  2014, 2563; Sachs / Degenhart, Art. 103 Rn. 22. 86  BVerfG Beschl. v. 8.1.1959 – 1 BvR 396 / 55, BVerfGE 9, 89 (96). 87  BGH Urt. v. 18.10.1967 – VIII ZR 145 / 66, BGHZ 48, 327.



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren109

ständlich muss dem Betroffenen aber nach der Verhaftung die Möglichkeit gegeben werden, sich zur Beschuldigung äußern zu können (vgl. § 114b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO). Anders aber bei endgültigen Entscheidungen, die – wie das Urteil – der Rechtskraft fähig sind, weil eine nachträgliche Gewährung in diesem Fall nicht möglich ist. Die Möglichkeit, den Tatvorwurf durch die eigene Aussage entkräften zu können, ist eines der wirksamsten Verteidigungsmittel des Beschuldigten.88 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie tiefgreifend die durch die verweigerte Aussagegenehmigung fortwirkende Verschwiegenheitspflicht den Beschuldigten in seiner Rechten berührt. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör werden drei unterschiedliche Einzelrechte des Anspruchsinhabers abgeleitet,89 die sich anhand der verschiedenen Verwirklichungsstadien unterscheiden lassen.90 Inhaltlich verlangt der Anspruch auf rechtliches Gehör zunächst, dass sich der Beschuldigte zum gesamten Verfahrensstoff in rechtlicher und tatsächlicher Weise äußern darf, dies gilt insbesondere für Beweismittel, die das Gericht in das Verfahren einführt.91 Den Verfahrensbeteiligten muss die Gelegenheit gegeben werden, durch den eigenen Vortrag die Willensbildung des Gerichts beeinflussen zu können.92 Der Anspruchsinhaber muss sich in seinen Ausführungen nicht auf Tatsachen beschränken, sondern kann auch Rechtsausführungen zum Gegenstand seiner Äußerung machen.93 Das Äußerungsrecht erschöpft sich nicht in der einmaligen Wahrnehmung, sondern verlangt, dass sich der Betroffene zu jeder Verfahrenshandlung äußern darf, wenn sie zur Urteilsfindung beiträgt. Der gerichtlichen Entscheidung dürfen daher grundsätzlich nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen der Beschuldigte die Möglichkeit hatte, sich zu äußern.94 Damit das Äußerungsrecht auch wirksam wahrgenommen werden kann, setzt der Anspruch auf rechtliches Gehör des Weiteren zwingend voraus, dass der Betroffene vom Gericht über die Sach- und Rechtslage im Verfahren informiert wird. Zudem muss das Gericht die Äußerungen auch in seiner Entscheidung berücksichtigen, andernfalls wäre das Recht schlicht bedeutungslos. Dies be88  Dahs,

S. 15; Walder, S. 65.

89  BeckOK-GG / Radtke / Hagemaier,

Art. 103 Rn. 7; Maunz / Dürig / Remmert, Art. 103 Abs. 1 Rn. 62. 90  BK / Rüping, Art. 103 Abs. 1 Rn. 44 ff.; MüKo-StPO / Kudlich, Einl. Rn. 70. 91  Eb. Schmidt, Lehrkommentar StPO  I, Rn. 345; Sachs / Degenhart, Art. 103 Rn. 26. 92  BVerfG Beschl. v. 28.6.1967 – 2 BvR 143 / 61, BVerfGE 22, 114 (119); BVerfG Beschl. v. 27.9.1978 – 1 BvR 570 / 77, BVErfGE 49, 212 (215). 93  BeckOK-GG / Radtke / Hagemaier, Art. 103 Rn. 11; BK / Rüping, Art. 103 Abs. 1 Rn. 65; Sachs / Degenhart, Art. 103 Rn. 21. 94  BVerfG Beschl. v. 26.5.1981  – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 57, 250 (273 f.); BVerfG Beschl. v. 16.5.1984 – 1 BvR 799 / 83, 1 BvR 999 / 83, BVerfGE 67, 96 (99).

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

deutet, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen des Beschuldigten aus­ einandersetzen muss. Es darf das Vorbringen nur außer Acht lassen, wenn es offensichtlich unerheblich oder unsubstantiiert ist.95 Das Strafverfahrensrecht kennt in allen Verfahrensstadien Regelungen, die dem Beschuldigten die Möglichkeit eröffnen, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Die Strafprozessordnung gesteht diese Möglichkeit dem Beschuldigten umfassend und frühzeitig zu.96 Der Beschuldigte ist gem. §§ 136 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2, 163a Abs. 4 S. 2 StPO bereits zu Beginn der ersten Vernehmung darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freisteht, sich zu der Beschuldigung zu äußern und dass ihm die Gelegenheit gegeben werden muss, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen.97 Nur am Rande sei angemerkt, dass dies ein Paradebeispiel dafür ist, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör sich nicht allein aus Art. 103 Abs. 1 GG ableiten lässt, denn im Zeitpunkt der ersten Vernehmung ist der Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 1 GG gerade nicht eröffnet ist, weil ein gerichtliches Verfahren noch nicht vorliegt. Die Strafprozessordnung sieht da­ rüber hinaus an vielen weiteren Stellen das Recht des Beschuldigten vor, sich zur Sache zu äußern (vgl. nur §§ 33, 201 Abs. 1, 257, 265 Abs. 1 StPO). In der Hauptverhandlung muss die Vernehmung des Beschuldigten vor dem Eintritt des Gerichts in die Beweisaufnahme erfolgen (§ 243 Abs. 5 S. 1 StPO). Das Gericht darf auf die Vernehmung des Beschuldigten nicht verzichten, wenn er zur Äußerung gewillt ist (§ 243 Abs. 5 S. 2 StPO). An diesem Punkt kollidiert nun die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers mit dem grundlegenden Äußerungsrecht des Beschuldigten. Der an sich zur Einlassung bereite Amtsträger, dessen Verschwiegenheitspflicht nicht von seinem Dienstherrn aufgehoben wurde, kann sich somit nicht zu den Vorwürfen äußern, ohne sich gleichzeitig der Gefahr einer erneuten Sanktionsfolge auszusetzen. Hängt der Anspruch auf rechtliches Gehör maßgeblich von der Ausgestaltung der jeweiligen Verfahrensordnung und der Verfahrensart ab, erlangt zudem der Mündlichkeitsgrundsatz für die gegenständliche Untersuchung eine besondere Bedeutung. Dieser für die Hauptverhandlung prägende Grundsatz verlangt, dass nur der in der Hauptverhandlung vorgetragene Verfahrensstoff dem Urteil zugrunde gelegt werden darf (§ 261 StPO).98 Er zwingt die Verfahrensbeteiligten dazu, direkt miteinander zu kommunizieren, um somit 95  BVerfG Beschl. v. 5.2.2004  – 2 BvR 1621 / 03, NJW 2004, 1519; BVerwG Beschl. v. 10.5.2016 – 1 B 52.16, (juris). 96  Zur Feststellung der Beschuldigteneigenschaft umfassend: MüKo-StPO / Schuhr, Vor §§ 133 ff Rn. 20 ff. 97  KK-StPO / Diemer, § 136 Rn. 1; SSW-StPO / Eschelbach, § 136 Rn. 36. 98  MüKo-StPO / Kudlich, Einl. Rn. 185; SSW-StPO / Beulke, Einl. Rn. 58.



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren111

ohne Unterbrechung auf das Vorgetragene reagieren zu können. Die Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt demnach, dass der beschuldigte Amtsträger sich grundsätzlich in vergleichbarer Weise (also mündlich) zur Sache einlassen kann.99 Abweichend vom allgemeinen Grundsatz, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht das Recht beinhaltet, sich in einer bestimmten Weise äußern zu dürfen, muss dem Angeklagten somit in der Hauptverhandlung die Möglichkeit zugestanden werden, sich mündlich äußern zu dürfen.100 Der EGMR bezeichnet den Anspruch auf rechtliches Gehör ebenfalls als ein grundlegendes Prozessrecht und als wesentlichen Bestandteil des Rechts auf ein faires Verfahren, das in Art. 6 Abs. 1 EMRK ausdrücklich verankert ist.101 Nach dieser Vorschrift hat jede Person den Anspruch „to a fair and public hearing“. Die Vorschrift verlangt, dass der Beschuldigte die Möglichkeit haben muss, sich zu allen erheblichen Tatsachen und rechtlichen Fragen ausreichend äußern zu dürfen und Beweise anbieten zu können.102 Wesentlich für die Entscheidung, ob ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des EGMR die Frage, über welche Möglichkeiten zur Stellungnahme die Gegenseite verfügt. Gibt es hier einen Vorsprung im Sinne einer einseitigen Begünstigung von Verfahrenspositionen, liegt regelmäßig ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK vor.103 Nach der Rechtsprechung des EGMR gilt der Anspruch auf rechtliches Gehör allerdings nicht grenzenlos. Insbesondere gewährt Art. 6 Abs. 1 EMRK kein uneingeschränktes Recht auf ein mündliches Vorbringen, wenn die Natur der Sache ein solches nicht verlangt.104 In den Fällen, in denen eine Partei beispielsweise auf dieses Recht verzichtet oder wenn besondere Umstände vorliegen, bedarf es keiner mündlichen Anhörung.105 Solche besonderen Umstände können zum Beispiel darin gesehen werden, dass die Sach- und Rechtslage aufgrund der Aktenlage und den schriftlichen Beobachtungen der Parteien zweifelsfrei feststeht.106 Ähnlich wie das deutsche Recht ist in der Rechtsprechung des EGMR anerkannt, dass sich der Grundsatz auch den jeweiligen Besonderheiten der Verfahrensart anpassen muss. 99  MüKo-StPO / Kudlich,

Einl. Rn. 185. Art. 103 Abs. 1 Rn. 66. 101  EGMR Urt. v. 23.11.2006 – No. 73053 / 01 (Jussila v. Finnland). 102  EGMR Urt. v. 27.10.1993  – Nr. 37 / 1992382 / 460, NJW 1995, 1413; Grabenwarter / Pabel, § 24 Rn. 72; Meyer-Ladewig / Nettesheim / v.  Raumer / Meyer-Ladewig / Harrendorf / König, Art. 6 Rn. 101; Radtke / Hohmann / Ambos, Art. 6 EMRK Rn. 10; Schabas, S. 288. 103  EGMR Urt. v. 23.6.1993  – Nr. 2 / 1992 / 347 / 420, EuGRZ 1993, 453; Grabenwarter / Pabel, § 24 Rn. 72. 104  Schabas, S. 289. 105  EGMR Urt. v. 12.11.2002 – No. 28394 / 95 (Döry v. Sweden). 106  EGMR Urt. v. 25.11.2003 – No. 55795 / 00 (Pursiheimo v. Finnland). 100  Maunz / Dürig / Remmert,

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

Der EGMR unterscheidet danach, ob es sich um ein zivilrechtliches oder strafrechtliches Verfahren handelt. Im Strafverfahren betont der EGMR aber durchweg die Notwendigkeit einer mündlichen Vernehmung.107 2. Recht auf Verteidigung Eng verwandt mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist das verfassungsrechtliche abgesicherte Recht auf Verteidigung. Dieses aus der Menschenwürde abzuleitende Recht gehört zu den wesentlichen Merkmalen des Rechtsstaats.108 Das Recht auf Verteidigung garantiert dem Inhaber zunächst die grundlegend Möglichkeit, sich gegen die ihn erhobenen Vorwürfe verteidigen zu dürfen.109 Die Durchführung eines Strafverfahrens, das eine Einschränkung dieser Möglichkeit beinhaltet, verstößt gegen dieses Recht, wenn staatliche Interessen nur durch die Beschneidung fundamentaler Rechtspositionen gewahrt werden können.110 Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK gewährt darüber hinaus jeder Person das Recht, sich unter anderem durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen. Aus Buchst. c folgt zudem das Recht auf ungestörten und nicht überwachten Kontakt mit dem Verteidiger.111 Das Recht, ein offenes Gespräch mit seinem Verteidiger führen zu dürfen, zählt somit zu den wesentlichen Aspekten des Rechts auf Verteidigung.112 Dem Beschuldigten muss grundsätzlich die Möglichkeit zustehen, sich über alles mit seinem Verteidiger austauschen zu können, um eine effektive Verteidigung gewährleisten zu können. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Amtsträger bereits durch die unbefugte Offenbarung von Geheimnissen gegenüber seinem Verteidiger die Verschwiegenheitspflicht verletzen kann, wird dieser Aspekt in der weiteren Untersuchung Bedeutung erlangen. Des Weiteren wird dieser Umstand bei der Beurteilung der Frage eine Rolle spielen, in welchem Umfang dem beschuldigten Amtsträger die Aussagegenehmigung versagt werden darf.113

Urt. v. 23.11.2006 – No. 73053 / 01 (Jussila v. Finnland). Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116 / 77, BVerfGE 56, 37 (49); BGH Urt. v. 9.12.1988  – 2 StR 279 / 88, NJW 1989, 1228 (1229); BGH Urt. v. 24.2.2016  – 2 StR 319 / 15, BeckRS 2016, 06835. 109  Ast, JZ 2013, 780 (781). 110  BGH Urt. v. 9.12.1988 – 2 StR 279 / 88, NJW 1989, 1228 (1229). 111  Meyer-Ladewig / Nettesheim / v. Raumer / Meyer-Ladewig / Harrendorf / König, Art. 6 Rn. 238. 112  Meyer-Ladewig / Nettesheim / v. Raumer / Meyer-Ladewig / Harrendorf / König, Art. 6 Rn. 238. 113  Siehe sogleich Kapitel 2 § 7 III. 107  EGMR

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§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren113

3. Recht auf ein faires Verfahren Im Hinblick auf die besondere Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren ist auch das Recht auf ein faires Verfahren näher zu beleuchten. Es ist wiederum eng mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör verbunden und kann deshalb nicht trennscharf von ihm unterschieden werden, weil der Anspruch auf rechtliches Gehör seinerseits Bestandteil des Rechts auf ein faires Verfahren ist. Während unbestritten ist, dass das Recht auf ein faires Verfahren ein wesentlicher Bestandteil jeder Verfahrensordnung ist, sind die Begründungsansätze unterschiedlicher Natur. Vor allem im älteren Schrifttum finden sich Stimmen, die das Recht auf ein faires Verfahren aus dem Justizgewährleistungsanspruch (Art. 19 Abs. 4 GG) und daneben auch aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ableiten wollen.114 Neben der Anknüpfung an das geschriebene Recht findet sich auch die vereinzelt vertretene Ansicht, dass das Fairnessprinzip als Bestandteil des Naturrechts jeder Verfahrensordnung zwangsläufig anhaftet.115 Das Bundesverfassungsgericht leitete das Recht auf ein faires Verfahren ursprünglich ausschließlich aus Art. 20 Abs. 3 GG ab. Es gehöre zum unverzichtbaren Bestand des Rechtsstaatsprinzips und sei dementsprechend bereits vom objektiven Verfassungsrecht vorgegeben.116 Erst in späteren Entscheidungen stützte es das Recht auch auf Art. 2 Abs. 1 GG mit der Folge, dass es nun zu einem Grundrecht aufgewertet wurde.117 Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass Art. 2 Abs. 1 GG verlange, dass ein rechtsstaatliches Strafverfahren dem Betroffenen die Möglichkeit geben müsse, sich gegen staatliche Übergriffe zu verteidigen. Nach heutiger Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur ist das Recht auf ein faires Verfahren aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Freiheitsrechten des Grundgesetzes, insbesondere aus dem Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) und der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), abzuleiten.118 Der Staat unterliege in der Durchführung des Strafverfahrens einer Selbstbeschränkung, weil auch der Einzelne nur über beschränkte Möglichkeiten zur Verteidigung verfüge. Hieraus folge die Pflicht staatlicher Organe, sich korrekt und fair zu verhalten. Im Zuge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge114  Arndt, JZ 1963, 65 (66); Baur, AcP (153) 1953, 393 (402 ff.); Rzepka, S. 252; ein umfassender Überblick findet sich bei Kunig, S.  63 ff. 115  Tönnies, ZRP 1990, 292 (293). 116  Dörr, S. 107; Rzepka, S. 124. 117  BVerfG Beschl. v. 8.10.1974  – 2 BvR 747 / 73, BVerfGE 38, 105 (106); Dörr, S. 141; Hartmann / Apfel, JURA 2008, 495 (496); Rzepka, S. 124. 118  BVerfG Beschl. v. 18.12.2014 – 2 BvR 209 / 14, NJW 2015, 1083; Jahn, ZStW 127 (2015), 549 (563).

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

richts haben sich daher auch die Begründungsansätze stärker auf eine grundrechtliche Position konzentriert, die auf die Ausführungen der Rechtsprechung oder unmittelbar auf Art. 1 Abs. 1 GG zurückgreifen.119 Das Recht auf ein faires Verfahren weist inhaltlich lediglich einen Auffangcharakter auf. Es ist bisher nicht abschließend gelungen, genau zu umreißen, wann ein Verfahren nicht mehr fair ist.120 Diese fehlende inhaltliche Auseinandersetzung hat insoweit Kritik erfahren, als dass es durch eine allzu einzelfallgeprägte Rechtsprechung zu einer Lockerung des positiven Rechts kommen und damit einer unsicheren Rechtsanwendung Vorschub geleistet würde.121 Sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch des EGMR hat sich aber eine Kasuistik herausgebildet, die Anhaltspunkte dafür bietet, wann dieses Recht verletzt ist. Das Bundesverfassungsgericht misst an diesem Recht solche Einschränkungen von Verfahrenspositionen, die von den speziellen Gewährleistungen nicht erfasst werden.122 Die Ausgestaltung eines fairen Strafverfahrensrechts ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers und der Gerichte, die die Gesetze anzuwenden und auszulegen haben.123 Daher ist eine Verletzung dieses Prinzips nach ständiger Rechtsprechung erst dann anzunehmen, wenn eine Gesamtschau ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde.124 Das Recht auf ein faires Verfahren, das seinerseits nur zum Teil in der Verfassung konkretisiert ist, enthält allerdings keine bis in alle Einzelheiten bestimmte Definition von Geboten und Verboten, sondern muss anhand der jeweiligen sachlichen Gegebenheiten konkretisiert werden.125 Durch das Rechtsstaatsprinzip soll dem Gedanken der materiellen Gerechtigkeit zum Durchbruch verholfen werden.126 Dies verlangt, dass im Strafverfahren zwibei Heubel, S. 98; Ransiek, S. 53. Einl. Rn. 77. 121  BGH Urt. v. 21.7.1994 – 1 StR 83 / 94, BGHSt 40, 211 (217 f.); Beulke, StPO, Rn. 28. 122  BVerfG Beschl. v. 3.6.1969  – 1 BvL 7 / 68, BVerfGE 26, 66 (71); BVerfG ­Beschl. v. 8.10.1974  – 2 BvR 747 / 73, BVerfGE 38, 105 (111); BVerfG Beschl. v. 30.6.2014 – 2 BvR 792 / 11, NJW 2014, 2563. 123  BVerfG Beschl. v. 18.12.2014 – 2 BvR 209 / 14, NJW 2015, 1083 (1084). 124  BVerfG Beschl. v. 14.2.1978 – 2 BvR 406 / 77, BVerfGE 47, 239 (250); BVerfG Beschl. v. 24.2.2011  – 2 BvR 1596 / 10, StraFo 2011, 145 (146); BVerfG Beschl. v. 18.12.2014 – 2 BvR 209 / 14, NJW 2015, 1083 (1084); Appel, S. 159. 125  BVerfG Beschl. v. 26.5.1981 – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 57, 250 (280); BVerfG Beschl. v. 30.6.2014 – 2 BvR 792 / 11, NJW 2014, 2563. 126  BVerfG Beschl. v. 26.5.1981 – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 57, 250 (275); BVerfG Urt. v. 8.10.1985  – 2 BvR 1150 / 80, 2 BvR 1504 / 82, BVerfGE 70, 297 (308 f.); BVerfG Beschl. v. 3.06.1992  – 2 BvR 1041 / 88, 2 BvR 78 / 89, BVerfGE 86, 288 (317); Dreier / Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 218. 119  Nachweise

120  SSW-StPO / Beulke,



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren115

schen der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigtem ein gewisses Maß an Waffengleichheit herrscht.127 Das Rechtsstaatsprinzip dient im besonderen Maß dem Schutz des Beschuldigten, der gegen seinen Willen in ein Strafverfahren hineingezogen wird. Muss das Strafverfahren aus diesem Grund von einer gewissen Waffengleichheit zwischen Ankläger und Beschuldigten gekennzeichnet sein, verlangt dieser Grundsatz, dass der Beschuldigte prozessuale Rechte selbstständig wahrnehmen darf.128 Im Rahmen der Gesamtschau sind aber auch andere Belange in den Blick zu nehmen. Insbesondere sind andere verfassungsrechtlich geschützte Aspekte zu berücksichtigen, namentlich die Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann.129 Auf die vorliegende Fragestellung übertragen bedeutet dies, dass bei Beantwortung der Frage, ob dem Beschuldigten sein Äußerungsrecht abgeschnitten werden darf, nicht nur seine Interessen in den Blick zu nehmen sind, sondern auch solche Belange wertend betrachtet werden müssen, die nicht seinen Interessen, sondern auch staatlichen Interessen dienen. Der mit der Verschwiegenheitspflicht verbundene Schutzzweck, nämlich die Gewährleistung der Vertraulichkeit geheimhaltungsbedürftiger Informationen in gerichtlichen Verfahren, kann, wenn er auf eine verfassungsrechtliche Grundlage zurückzuführen ist, somit dazu geeignet sein, das Recht auf ein faires Verfahren mit zu bestimmen. In der Sache bleibt jedoch festzuhalten, dass sich im Recht auf faires Verfahren schlussendlich der Gedanke der Gerechtigkeit widerspiegelt, der aus der Erkenntnis folgt, dass der Beschuldigte Subjekt des Strafverfahrens ist und zur Verwirklichung dieses Zustandes eine gleichberechtigte Verfahrensstellung innehaben muss.130 Das Recht auf ein faires Verfahren ist in Art. 6 Abs. 1 S. 1 der EMRK ausdrücklich normiert. Konkretisierungen dieses allgemeinen Grundsatzes finden sich in Art. 6 Abs. 3 EMRK. Der fair-trial Grundsatz bildet den Kern und zugleich den Oberbegriff für alle Verfahrensrechte, die in der EMRK vorhanden sind.131 Dabei ist anerkannt, dass sich der Bestand der einzelnen Verfahrensgarantien nicht aus der Konvention selbst ergibt, sondern durch 127  Appel,

S. 159; Dreier / Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 217. Beschl. v. 8.10.1974  – 2 BvR 747 / 73, BVerfGE 38, 105 (111 f.); der Grundsatz der Waffengleichheit lässt gleichwohl Differenzierung aufgrund der Rollenverteilung zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem zu; vgl. BVerfG ­Beschl. v. 30.6.2014 – 2 BvR 792 / 11, NJW 2014, 2563 f. 129  BVerfG Urt. v. 19.3.2013 – 2 BvR 2628 / 10, NJW 2013, 1058 (1060); BVerfG Beschl. v. 18.12.2014 – 2 BvR 209 / 14, NJW 2015, 1083 (1084). 130  Ausführlich zu den philosophischen Begründungsansätzen für ein Menschenrecht auf ein faires Verfahren: Demko, S.  127 ff. 131  Ambos, § 10 Rn. 19. 128  BVerfG

116

2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

Auslegung ermittelt werden muss.132 Die EMRK weist in der Sache viele Übereinstimmungen mit dem nationalen Recht auf, regelt diese Rechte teilweise aber in einem unterschiedlichen Zusammenhang. Zu den einzelnen Ausprägungen gehört insbesondere der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit („equality of arms“), der verlangt, dass die Partei beziehungsweise der Beschuldigte die Möglichkeit haben muss, den Fall unter solchen Bedingungen präsentieren zu können, die mit der Position des Anklägers vergleichbar ist.133 Dieser Grundsatz trägt im besonderen Maß zum Schutz des Beschuldigten bei. Das Bestehen einer möglichen Ungleichbehandlung setzt den Vergleich der strittigen Verfahrenspositionen voraus. Eine ausführliche Darstellung der Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers auf seine Stellung als Beschuldigter wird im Anschluss an die Untersuchung der einschlägigen Verfahrensrechte des Beschuldigten erfolgen.134 An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass nicht alle Amtsträger im gleichen Umfang Beschränkungen unterliegen. 4. Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und Anspruch auf den gesetzlichen Richter Weitere Elemente eines rechtsstaatlichen Verfahrens bilden der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und das Verbot, seinem gesetzlichen Richter entzogen zu werden (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG). Die richterliche Unabhängigkeit ist zwingende Folge der Gewaltenteilung. Art. 97 Abs. 1 GG verbietet jegliche Einflussnahme durch die Exekutive auf die Art und Weise der rechtsprechenden Tätigkeit durch Einzelweisungen. Geschützt wird die richterliche Unabhängigkeit sowohl in sachlicher als auch in persönlicher Hinsicht. Sie bezieht sich nicht nur auf Entscheidungen, sondern auf alle verfahrensleitenden und verfahrensbegleitenden Anordnungen.135 Auf den ersten Blick scheint damit auch das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit für den Beschuldigten zu streiten. Dies trifft jedoch nicht zu. Art. 97 Abs. 1 GG stellt in der Sache nämlich kein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht des Betroffenen dar,136 sondern ein Recht des Richters. Hintergrund dessen ist, dass die richterliche Unabhängigkeit zu den hergebrachten 132  Meyer-Ladewig / Nettesheim / v. Raumer / Meyer-Ladewig / Harrendorf / König, Art. 6 Rn. 90. 133  Ambos, ZStW 115 (2003), 583 (592 f.); SSW-StPO / Satzger, Art. 6 EMRK Rn. 40. 134  Siehe Kapitel 2 § 7 II. u. III. 135  BeckOK-GG / Morgenthaler, Art. 97 Rn. 10. 136  BVerfG Beschl. v. 14.11.1969  – 1 BvR 253 / 68, BVerfGE 27, 211 (271); BVerfG Beschl. v. 9.5.1978 – 2 BvR 952 / 75, BVerfGE 48, 246 (263).



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren117

Grundsätzen des Berufsrichtertums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG gehört und somit eine Ausprägung der Gewaltenteilung ist.137 Ist es dem Beschuldigten somit verwehrt, sich auf die richterliche Unabhängigkeit zu berufen, könnte die Verschwiegenheitspflicht allerdings mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter in Konflikt treten. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG garantiert, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Dieser muss in abstrakter Form und ohne Rücksicht auf die Person des Beschuldigten vorab bestimmt werden.138 Das Recht auf den gesetzlichen Richter weist zwar in erster Linie eine formelle Dimension auf, indem es verlangt, dass die Zuständigkeit des einzelnen Richters von vornherein abstrakt festgelegt wird, jedoch enthält es darüber hinaus aber auch eine materielle Dimension, die dem Betroffenen das Recht auf einen unabhängigen und neutralen Richter verleiht.139 Ein Richter ist nur dann als unabhängiger und neutraler Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG anzusehen, wenn das zuständige Gericht nicht daran gehindert wird, das bei ihm anhängige Verfahren ohne Einflüsse von außen erledigen zu können.140 Damit scheint auf den ersten Blick eine unzulässige Beeinflussung gegeben zu sein, sofern der Grund für fehlende Möglichkeit der inhaltlichen Befassung in der fehlenden Aussagegenehmigung liegt. Ein solcher Schluss wäre jedoch vorschnell gezogen, denn das Recht auf den gesetzlichen Richter bezieht sich nicht auf Einflüsse von außen, die lediglich die inhaltliche Beurteilung erschweren oder gar unmöglich machen. Ein Verstoß ist erst dann gegeben, wenn durch externen Einfluss auf die Person des Richters selbst Bezug genommen wird.141 Zwar erlaubt die Aussagegenehmigung der Exekutive auf das Strafverfahren Einfluss zu nehmen, jedoch wirkt sie sich gerade nicht auf das Gericht in seiner Zusammensetzung oder auf die Person des Richters aus. Ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter ist damit nicht gegeben.

137  BVerfG Beschl. v. 7.1.1981 – 2 BvR 401 / 76, 2 BvR 606 / 76, BVerfGE 55, 372 (391); BeckOK-GG / Morgenthaler, Art. 97 Rn. 1. 138  BeckOK-GG / Morgenthaler, Art. 97 Rn. 14; Windthorst, in: Gröpl / Windthorst /  v. Coelln, Art. 101 Rn. 6; Stern / Becker / Grupp, Art. 101 Rn. 6. 139  BVerfG Urt. v. 14.07.1959  – 2 BvF 1 / 58, BVerfGE 10, 200 (213); BeckOKGG / Morgenthaler, Art. 97 Rn. 14. 140  BeckOK-GG / Morgenthaler, Art. 97 Rn. 14; Zezschwitz, NJW 1972, 796 (798). 141  BVerfG Beschl. v. 8.2.1967  – 2 BvR 235 / 64, BVerfGE 21, 139 (146 f.); BVerfG Beschl. v. 14.5.1968 – 2 BvL 9 / 68, BVerfGE 23, 321 (325).

118

2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

II. Aussagegenehmigung Die vorangegangene Darstellung hat gezeigt, dass dem Beschuldigten im Grundsatz frühzeitig und umfassend die Möglichkeit gegeben werden muss, sich zu den erhobenen Vorwürfen äußern zu können und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen anzuführen. Allerdings kennt das Recht auch Regelungen, die dieses Recht zu Lasten des Beschuldigten einschränken. Im nächsten Schritt soll aufgezeigt werden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang der beschuldigte Amtsträger zur Verschwiegenheit auch und gerade als Beschuldigter im Strafverfahren verpflichtet ist. Dass sich der Amtsträger, jedenfalls, wenn er Beamter ist, auch als Beschuldigter nicht ohne Aussagegenehmigung äußern darf, ergibt sich wiederum aus dem bereits angesprochenen § 37 Abs. 3 BeamtStG beziehungsweise § 67 Abs. 3 BBG.142 Voraussetzung ist freilich, dass durch die Aussage Angelegenheiten offenbart werden, die von der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht des Beamten erfasst werden.143 Bezieht sich die Einlassung des beschuldigten Amtsträgers nicht auf solche Angelegenheiten, unterliegt er von vornherein keinen Einschränkungen. Die Anforderungen, um die Aussagegenehmigung in einem solchen Fall zu versagen, finden sich in § 37 Abs. 5 S. 1 BeamtStG und § 68 Abs. 2 S. 1 BBG. Sie lauten wortgleich: „Sind Beamtinnen und Beamte Partei oder Beschuldigte in einem gerichtlichen Verfahren oder soll ihr Vorbringen der Wahrnehmung berechtigter Interessen dienen, darf die Genehmigung auch dann, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 4 [bzw. bei Anwendung des BBG des Absatzes 1] erfüllt sind, nur versagt werden, wenn dienstliche Rücksichten dies unabweisbar erfordern“.144

Interessant ist zunächst die Feststellung, dass die StPO selbst keine zu § 54 Abs. 1 StPO vergleichbare Regelung kennt, die auch für den Beschuldigten auf das Erfordernis der Aussagegenehmigung verweist. Nimmt § 54 Abs. 1 StPO im Fall des zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit verpflichteten Zeugen auf die einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen Bezug, ist eine analoge Anwendung dieser Norm im Fall des beschuldigten Amtsträgers nicht möglich. Insbesondere die Stellung im 6. Abschnitt „Zeugen“ spricht entschieden gegen die analoge Anwendung.145 Auch die Vorschriften über 142  Siehe

Kapitel 1 § 4 II. 1. b). Kapitel 1 § 4 II. 1. b). 144  § 37 Abs. 4 BeamtStG bzw. § 68 Abs. 1 BBG regeln die Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, um dem Zeugen die Aussagegenehmigung zu versagen. Siehe hierzu ausführlich Kapitel 2 § 6 II. u. III. 145  Bohnert, NStZ 2004, 301; KK-StPO / Senge, § 54 Rn. 2; Laue, ZStW 120 (2008), 246 (248); LR-Ignor / Bertheau, 26. Aufl., § 54 Rn. 3; Meyer-Goßner / Schmitt, § 54 Rn. 2; MüKo-StPO / Percic, § 54 Rn. 2; nicht eindeutig BGH Urt. v. 9.12.1988 – 2 StR 279 / 88, BGHSt 36, 44 (46). 143  Siehe



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren119

die Vernehmung des Angeklagten in der Hauptverhandlung oder im Ermittlungsverfahren kennen eine solche Einschränkung nicht. So schreibt beispielsweise § 243 Abs. 5 S. 2 StPO ausdrücklich vor, dass der Angeklagte zur Sache vernommen wird, wenn er zur Äußerung bereit ist. Die StPO kennt keine Vorschrift, die es dem Gericht verbieten würde, dem Beschuldigten die Möglichkeit zu geben, sich zu den erhobenen Vorwürfen äußern zu können. Das Erfordernis der Aussagegenehmigung für den Beschuldigten kann somit nur aus den beamtenrechtlichen Vorschriften resultieren. Enthält das Strafverfahrensrecht keine vergleichbare Vorschrift beziehungsweise eröffnet nicht von sich aus die Möglichkeit, die Fortgeltung der Verschwiegenheitspflicht anzuordnen, stellt sich damit zwingend die Frage nach dem personellen Anwendungsbereich der beamtenrechtlichen Vorschriften und daran anschließend die Frage, ob für alle Amtsträger das Erfordernis der Aussagegenehmigung gleichermaßen gegeben ist oder ob innerhalb des Amtsträgerbegriffs zwischen den verschiedenen Personengruppen unterschieden werden muss. 1. Personeller Anwendungsbereich Die beamtenrechtlichen Vorschriften finden unmittelbar nur auf Bundesbeziehungsweise Landesbeamte Anwendung. Aufgrund der Verweisungen in §§ 46, 71 DRiG gelten die beamtenrechtlichen Vorschriften wiederum auch für Bundesrichter und Richter im Landesdienst. Für Personen, die in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB) und für die Gruppe der sonstigen Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB) fehlen hingegen entsprechende Verweise oder gesetzliche Regelungen. Für sie käme ein Äußerungsverbot folglich nur dann in Betracht, wenn eine analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschrift möglich ist. Das Problem, inwiefern nichtbeamtete Personen solchen Einschränkungen unterliegen, wurde bisher nur bei der Frage diskutiert, ob im Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 StPO die beamtenrechtlichen Vorschriften zur Begründung des Erfordernisses der Aussagegenehmigung für andere Personen des öffentlichen Dienstes herangezogen werden können.146 Anknüpfungspunkt für diese Frage ist der Wortlaut des § 54 Abs. 1 StPO. Diese Vorschrift enthält – wie dargestellt – keine eigenständige Anordnung der Verschwiegen­ heitspflicht,147 sondern verweist hierfür auf die einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen. Doch nicht für alle der in § 54 Abs. 1 StPO (und vom 146  Vgl.

Merkl, S.  21 ff. Kapitel 2 § 6 II. 1.

147  Siehe

120

2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

Amtsträgerbegriff) umfassten Personengruppen gelten die beamtenrecht­lichen Regelungen. Insbesondere für die zahlenmäßig größte Gruppe, nämlich die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, für die vornehmlich die Regelungen des TV-L oder des TVöD einschlägig sind, gelten diese Vorschriften nicht unmittelbar. Bis heute finden sich in den Tarifverträgen keine ausdrücklichen Regelungen, die festlegen, dass die allgemeine Verschwiegenheitspflicht auch als Zeuge oder gar als Beschuldigter fortbesteht und nur nach vorheriger Genehmigung aufgehoben ist. Zu beobachten ist, dass es aber gängige Praxis der Arbeitgeber ist, in ihren Allgemeinen Geschäfts- und Dienstanweisungen (ADGA) Regelungen aufzunehmen, die es den Mitarbeitern untersagen, ohne Genehmigung als Zeuge auszusagen. Im Ergebnis sind diese Anordnungen für das Strafverfahren aber bedeutungslos, denn sie können nicht dazu führen, dass die gesetzliche Pflicht des Zeugen vor Gericht zu erscheinen und auszusagen oder gar das verfassungsrechtlich abgesicherte Recht, sich als Beschuldigter zu den erhobenen Vorwürfen äußern zu dürfen, ausgehebelt wird.148 Anordnungen, die auf privatrechtlichen Vereinbarungen oder auf innerdienstlichen Verwaltungsvorschriften beruhen, schaffen keine von Amts wegen zu beachtende Verschwiegenheitspflicht und können damit auch kein Beweiserhebungsverbot im Sinne des § 54 Abs. 1 StPO begründen. Die analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften wird im Fall des Zeugen von der weit überwiegenden Meinung zu Recht angenommen.149 Begründet wird dies meist mit dem von § 54 Abs. 1 StPO verfolgten Zweck, die Geheimhaltung wichtiger öffentlicher Belange auch im Strafverfahren zu gewährleisten.150 So einleuchtend dieses Argument auf den ersten Blick erscheint, muss gleichzeitig bedacht werden, dass die entsprechende Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften und die damit einhergehende Befugnis der Exekutive, in das Strafverfahren einzugreifen, dazu führen können, dass das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und an einer vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren eingeschränkt wird.151 Gleichwohl ist zu beachten, dass es bei der Reform des § 54 Abs. 1 StPO im Jahr 1950 das ausdrückliche Anliegen des Gesetzgebers war, auch die Aussage von nichtbeamteten Personen von der Erteilung einer Aussagegenehmigung abhängig zu machen, um die Amts148  SK-StPO / Rogall,

4. Aufl., § 54 Rn. 23. StPO, Rn. 190; Feller, JZ 1961, 628 (629); KK-StPO / Senge, § 54 Rn. 7; LR-Ignor / Bertheau, 26. Aufl., § 54 Rn. 8; Meyer-Goßner / Schmitt, § 54 Rn. 9; MüKo-StPO / Percic, § 54 Rn. 6; MüKo-ZPO / Damrau, 5. Aufl., § 376 Rn. 5; SKStPO / Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 23; SSW-StPO / Eschelbach, § 54 Rn. 8. 150  SK-StPO / Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 23; ausführlich Kapitel 2 § 6 II. 151  Zum verfassungsrechtlichen Gebot der wirksamen Strafverfolgung: BVerfG Beschl. v. 15.12.1965  – 1 BvR 513 / 65, NJW 1966, 243 f.; BVerfG Beschl. v. 15.1.1975 – 2 BvR 65 / 74, NJW 1975, 588. 149  Beulke,



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren121

verschwiegenheit zu wahren.152 Zudem würde die Annahme, dass sämtliche Personen, die nicht unmittelbar vom Anwendungsbereich der beamtenrecht­ lichen Vorschrift erfasst werden, keine Aussagegenehmigung bräuchten, einen Widerspruch innerhalb der Norm entstehen lassen. So würde § 54 Abs. 1 StPO weiterhin ausdrücklich von anderen Personen des öffentlichen Rechts sprechen, diese wären jedoch mangels Anwendbarkeit der beamtenrecht­ lichen Regelungen vom Erfordernis der Aussagegenehmigung befreit. Dem kann man zwar entgegenhalten, dass § 54 Abs. 1 StPO lediglich als Blankettvorschrift ausgestaltet ist und in dieser Konsequenz Widersprüche hingenommen werden müssen, jedoch würde dies dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Im Ergebnis ist deswegen der weit überwiegenden Ansicht zuzustimmen, die eine analoge Anwendung annimmt. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der Zeuge in keinem seiner Rechte berührt wird, egal ob er nun aussagen muss oder nicht. Es steht nicht zur Disposition des Zeugen in seiner Stellung als Beweismittel, ob er sich äußern will oder nicht. 2. Analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften Ist die entsprechende Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften auf den nichtbeamteten Zeugen sinnvoll und in der Sache gerechtfertigt, stellt sich die Frage, ob aber eine entsprechende Anwendung der beamtenrecht­ lichen Vorschriften auf den nichtbeamteten Beschuldigten möglich ist.153 Zwar legt der vorangegangene Vergleich einen solchen Schluss nahe, jedoch ist zu bedenken, dass sich die Stellung des Beschuldigten grundlegend von der eines Zeugen unterscheidet.154 Dass nur eine entsprechende Anwendung der beamtenrechtlichen Regelungen ein Äußerungsverbot für den nichtbeamteten Amtsträger begründen kann, ergibt sich zwingend aus dem bereits angesprochenen Umstand, dass privatrechtliche Vereinbarungen keine verfahrensrechtlichen Rechte und Pflichten im Strafverfahren aushebeln können.155 So ist beispielsweise die Anweisung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer auch als Beschuldigter eine Aussagegenehmigung einholen muss, wenn sich die Aussage auf dienstliche Angelegenheiten bezieht, für das Strafverfahren schlichtweg bedeutungslos. Auch in den unterschiedlichen Regelungen, die für die Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes vorhanden sind, lassen sich keine vergleichbaren Bestimmungen ausmachen. So verhält sich etwa das BMinG oder das WBeauftrG nicht zu der Frage, ob auch der beschulAnl. II, S. 8; MüKo-ZPO / Damrau, 5. Aufl., § 376 Rn. 5. die Personengruppe der Richter stellt sich die Frage aufgrund der gesetz­ lichen Verweisung im DRiG auf die beamtenrechtlichen Vorschriften nicht. 154  Siehe Kapitel 2 § 7 I. 155  Siehe Kapitel 2 § 7 I. 1. 152  BT-Drucks. 1 / 530 153  Für

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

digte Amtsträger einer Aussagegenehmigung bedarf. So schreibt das BMinG zum Beispiel ausdrücklich vor, dass Mitglieder der Bundesregierung nur nach vorheriger Genehmigung vor Gericht aussagen dürfen, wenn sich die Verschwiegenheitspflicht auf eine ihnen amtlich bekanntgewordene Angelegenheit bezieht und regelt zugleich unter welchen Voraussetzungen die Aussagegenehmigung im Fall des Zeugen versagt werden darf (§ 6 Abs. 2 BMinG), es trifft jedoch keine Aussage darüber, unter welchen Voraussetzungen dies auch für den Beschuldigten möglich ist. Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, dem Beschuldigten die Aussagegenehmigung zu versagen, findet sich nur im Beamtenrecht.156 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die beamtenrechtlichen Vorschriften auch auf andere Personen des öffentlichen Dienstes angewandt werden können. Wurde das Erfordernis der Aussagegenehmigung für den Zeugen mit dem Schutz des öffentlichen Geheimhaltungsinteresses begründet, steht dieser Schutzzweck auch bei der Aussagegenehmigung des Beschuldigten im Vordergrund. Im Unterschied zum Zeugen, der kein eigenes Recht im Fall der Versagung geltend machen kann, wird in einem solchen Fall in die Rechte des Beschuldigten in besonders intensiver Art und Weise eingegriffen.157 Die Einschränkung wesentlicher Verfahrensrechte setzt voraus, dass eine analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschrift zu Lasten nichtbeamteter Personen möglich ist, weil nur sie eine gesetzliche Regelung zur Versagung der Aussagegenehmigung vorsehen. Die analoge Anwendung einer Norm ist nur möglich, wenn zuvor die Auslegung mit dem Ziel, den Wortlaut des Gesetzes so zu verstehen, dass der in Rede stehende Sachverhalt noch hierunter gefasst werden kann, gescheitert ist.158 Erst wenn der Versuch der extensiven Auslegung nicht möglich ist, kann auf das Mittel der Analogie zurückgegriffen werden. Den Maßstab für die Auslegung bildet der Wortlaut der Vorschrift. Er erfüllt zwei Funktionen. Zum einen ist er Ausgangspunkt für die Frage, welchen Sinn die gesetzliche Regelung hat und zum anderen markiert der Wortlaut die Grenze der mög­lichen Auslegung.159 Eine Deutung, die nicht mehr vom möglichen Wortsinn getragen wird, wäre dementsprechend nicht mehr als Auslegung anzusehen, sondern als Umdeutung zu verstehen.160 Der Wortlaut der einschlägigen Normen, die eine Verschwiegenheitspflicht begrün156  Auf die Ausnahme bezüglich des ehrenamtlich Tätigen (§ 84 VwVfG) wird an späterer Stelle eingegangen. Eine landesspezifische Ausnahme findet sich in § 6 Abs. 3 des saarländischen Ministergesetz (MinG SL). 157  Zu den einschlägigen Rechten des Beschuldigten, vgl. Kapitel 2 § 7 I. 1. und 2. 158  Puppe, S. 172. 159  Larenz, S. 322. 160  Larenz, S. 322.



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren123

den, spricht von „Beamtinnen und Beamten“. Bereits das natürliche Sprachverständnis der Wörter „Beamtinnen und Beamten“ lässt es als nicht möglich erscheinen, auch die anderen Personengruppen innerhalb des Amtsträgerbegriffs unter diese zu fassen. Dem lässt sich zwar entgegenhalten, dass es zumindest im Strafrecht lange Zeit einen eigenen strafrechtlichen Beamtenbegriff (§ 359 StGB a. F.) gab, jedoch ist zu bedenken, dass die Grenze des Wortsinns stets auch das zugrundeliegende Regelwerk, in dem die gesetzliche Regelung eingebettet ist, zu beachten hat. Die Vorschriften der Beamtengesetze bilden einen in sich abgeschlossenen Regelungskomplex, die ausschließlich auf Beamte im staatsrechtlichen Sinn anwendbar sind. Hierfür sprechen bereits die Vorschriften über die Berufung in das Beamtenverhältnis und die übrige Gesetzessystematik, die durchweg die Besonderheiten des Beamtenrechtsverhältnisses thematisiert. Eine Auslegung des Wortlauts, die es ermöglicht, andere Personen als Beamte im staatsrechtlichen Sinn vom Anwendungsbereich des § 37 Abs. 5 S. 1 BeamtStG und § 68 Abs. 2 S. 1 BBG anzusehen, ist damit nicht möglich. Da der Wortlaut somit keine Ausdehnung auf weitere Personen zulässt, ist der Weg für die Prüfung der Analogie gegeben. Voraussetzung für die Annahme einer Analogie ist zunächst das Vorliegen einer Regelungslücke. Von einer Regelungslücke innerhalb des Gesetzes kann aber erst ausgegangen werden, wenn das entsprechende Gesetz eine möglichst vollständige Regelung anstrebt, diese aber auf der Grundlage des derzeitigen Wortlauts der Norm nicht erreicht wird.161 Auf das Vorliegen einer Regelungslücke darf aber nicht vorschnell geschlossen werden, weil der Beamte, ebenso wie die Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB) beziehungsweise die sonstigen Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB), unter den strafrechtlichen Amtsträgerbegriff fallen. Ein Analogieschluss ist nur möglich, wenn sich beide Sachverhalte vielmehr in genau der Eigenschaft gleichen, die nach der analog anzuwendenden Rechtsnorm deren Rechtsfolge begründet.162 Die analog anzuwendende Rechtsnorm ist eine solche des Beamtenrechts, welche die Fortgeltung der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht des Beamten unter bestimmten Voraussetzungen sogar als Beschuldigter normiert. Die Verschwiegenheitspflicht des Beamten stellt, wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, eines der Wesensmerkmale des Berufsbeamtentums dar und weist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums zugleich Verfassungsrang auf.163 Sie ist Ausdruck des besonderen Dienst- und Treueverhältnisses, in dem sich der Beamte gegenüber seinem Dienstherrn befindet. 161  Larenz,

S. 371. S. 171. 163  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 1. a). 162  Puppe,

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

Demgegenüber folgt die Verschwiegenheitspflicht der übrigen Amtsträger nicht durch die Berufung in das Beamtenverhältnis, sondern wird entweder vertraglich vereinbart oder ist ausnahmsweise, beispielsweise bei Bundesministern oder Parlamentarischen Staatssekretären, ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben. So stehen zumindest Amtsträger, die in einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis zu ihrem Dienstherrn stehen, diesem als gleichberechtigte Vertragspartner gegenüber.164 Das Fehlen einer Regelungslücke tritt noch deutlicher zutage, wenn auf den Umfang der Verschwiegenheitspflicht abgestellt wird. Die Beamtengesetze sehen eine absolut ausgestaltete Verschwiegenheitspflicht vor und unterscheiden sich damit erheblich vom Umfang der Verschwiegenheitspflicht der anderen Amtsträger.165 Nun lässt sich anführen, dass insbesondere tarifvertragliche Regelungen oder sonstige privatrechtliche Vereinbarungen keinen Gesetzesrang haben und eine Vergleichbarkeit damit nicht möglich ist. Doch auch auf dieser Ebene hat sich die öffentliche Hand bewusst gegen eine absolute Verschwiegenheitspflicht entschieden.166 Nur vor dem Hintergrund einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht des Beamten, die bereits in der Beamteneigenschaft angelegt ist, lässt sich die Regelung verstehen, die ihm selbst als Beschuldigter eines Strafverfahrens die Möglichkeit nimmt, sich, sofern ihm keine Aussagegenehmigung erteilt wurde, einzulassen. Die Voraussetzungen einer Analogie liegen somit nicht vor, da es bereits an einer Gesetzeslücke fehlt. Die beamtenrechtlichen Regelungen stellen nicht analogiefähige Sonderregelungen dar, die auf die Besonderheiten des Beamtenrechtsverhältnisses zurückzuführen sind. Selbst wenn dieser Ansicht nicht gefolgt wird und vom Bestehen einer Regelungslücke auszugehen ist, müssten die weiteren Voraussetzungen eines Analogieschlusses gegeben sein. Dabei ist zu bedenken, dass es sich bei der Erteilung der Aussagegenehmigung um ein Verwaltungsverfahren handelt. Die Versagung der Aussagegenehmigung stellt für den betroffenen Beamten einen belastenden Verwaltungsakt dar. Aufgeworfen ist damit die Frage, ob im Wege der Analogie Ermächtigungsgrundlagen für belastende Entscheidungen auf einen anderen Sachverhalt übertragen werden können. Diese Frage muss sich am Maßstab von Art. 20 Abs. 3 GG und dem hieraus zu folgernden Gesetzesvorbehalt in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG messen lassen. Belastende Verwaltungsakte müssen, um dem Rechtsstaatsprinzip Genüge zu tun, auf einer Ermächtigungsgrundlage beruhen. Die Ermächtigungsgrundlage muss durch ein Gesetz nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sein, damit Eingriffe für den Einzelnen vorhersehbar 164  BVerfG Beschl. v. 6.5.2008  – 2 BvR 336 / 07, NJW 2008, 3489; BAG Urt. v. 25.8.1966 – 5 AZR 525 / 65, BAGE 19, 55 (62 f.). 165  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 3. u. 4. 166  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 4. a).



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren125

sind.167 Aus Art. 2 Abs. 1 GG folgt weiter das Recht, nur aufgrund solcher Rechtsvorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formell und materiell mit dem Grundgesetz in Einklang stehen und daher zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören.168 Ein solcher Verstoß ist dann anzunehmen, wenn die analoge Anwendung der Ermächtigungsgrundlage gegen den Vorbehalt des Gesetzes verstößt. Im Verwaltungsrecht hat sich das Problem der analogen Anwendung von Ermächtigungsgrundlagen zunächst auf das Abgabenrecht beschränkt. In diesem Bereich hat sich bereits sehr früh der Standpunkt herausgebildet, dass die Schaffung neuer Steuertatbestände im Wege des Analogieschlusses nicht möglich ist, da das Steuerrecht aus dem „Diktum des Gesetzgebers“ lebt.169 Für das allgemeine und das übrige besondere Verwaltungsrecht blieb die Frage lange Zeit offen. In der Wissenschaft hat sich die – nicht unbestrittene – Ansicht herausgebildet, dass eine analoge Anwendung von Ermächtigungsgrundlagen zu Lasten des Betroffenen gegen tragende Staatsstrukturprinzipien verstößt.170 Insbesondere der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts und die hiermit eng verbundene Wesentlichkeitslehre des Bundesverfassungsgerichts stünden einer analogen Anwendung entgegen.171 Vertreter der gegenteiligen Auffassung sehen demgegenüber die Möglichkeit einer Analogie auch im Verwaltungsrecht zu Lasten des Betroffen im Interesse einer optimalen Verwirklichung von „Rechtssicherheit und Rechtsrichtigkeit“ als gegeben an.172 Das Bundesverfassungsgericht sieht es als einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip an, wenn im Wege der Analogie neue Ermächtigungsgrundlagen für belastende Maßnahmen geschaffen werden.173 Das Gericht führt hierzu aus, dass ein solches Vorgehen mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen sei, weil die Schaffung neuer Ermächtigungsgrundlagen allein dem Gesetzgeber obliege.174 Wird diese Tren167  BVerfG Beschl. v. 12.11.1958  – 2 BvL 4 / 56, 2 BvL 26 / 56, 2 BvL 40 / 56, 2 BvL 1 / 57, 2 BvL 7 / 57, BVerfGE 28, 274 (325); BVerfG Beschl. v. 14.8.1996  – 2 BvR 2088 / 93, NJW 1996, 3146. 168  BVerfG Beschl. v. 14.8.1996 – 2 BvR 2088 / 93, NJW 1996, 3146. 169  BVerfG Beschl. v. 30.1.1985  – 1 BvR 279 / 83, NJW 1985, 1891; zur Diskussion in anderen Bereichen des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechts: Bach, S.  24 ff. 170  Anschütz, VerwArch 1906, 315 (329). 171  Konzak, NVwZ 1997, 872 f. 172  Forsthoff, S. 167; Gern, DÖV 1985, 558 (564). 173  BVerfG Beschl. v. 30.1.1985  – 1 BvR 279 / 83, NJW 1985, 1891; BVerfG ­Beschl. v. 14.8.1996 – 2 BvR 2088 / 93, NJW 1996, 3146. 174  BVerfG Beschl. v. 14.8.1996 – 2 BvR 2088 / 93, NJW 1996, 3146.

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

nung zwischen Gesetzesanwendung und der Schaffung neuer Ermächtigungsgrundlagen überschritten, liegt ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip vor. Inwiefern diese Aussage verallgemeinert werden kann, erscheint indes fraglich, da sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wiederum auf einen steuerrechtlichen Sachverhalt bezog und somit nicht als Beleg dafür dienen kann, ein allgemeines Analogieverbot zu begründen.175 Die Antwort muss aus den grundsätzlichen Erwägungen folgen, die dem Gedanken des Gesetzesvorbehaltes zugrunde liegen. Allgemein verlangt dieser Grundsatz, dass das ermächtigende Gesetz nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß bestimmt und vor allem begrenzt ist.176 Nichts anderes kann für die analoge Anwendung der einschlägigen Normen über das Erfordernis und die Erteilung einer Aussagegenehmigung auf nichtbeamtete Personen gelten. Bei den einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen handelt es sich um eine Regelung, die an das besondere Dienst- und Treueverhältnis des Beamten anknüpft. Dies unterstreicht neben dem der systematischen Einordnung im Beamtenrecht auch die Regelung des § 68 Abs. 2 S. 2 BBG beziehungsweise § 37 Abs. 5 S. 2 BeamtStG, die den Dienstherrn im Fall der Versagung verpflichtet, dem Beamten Schutz zu gewähren. Ein solch schwerwiegender Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützten Rechte des Beschuldigten darf somit nur dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben und kann nicht im Wege des Analogieschlusses erfolgen. Daraus folgt das Ergebnis, dass innerhalb des Amtsträgerbegriffs nur die Personengruppe der Beamten und Richter auf das Erfordernis der Aussagegenehmigung angewiesen ist. Die anderen Personengruppen sind hiervon nicht betroffen. Dieses Ergebnis unterstreicht zugleich die besondere Stellung des Beamten beziehungsweise Richters. Solch weitgehende Einschränkungen der Beschuldigtenrechte lässt ein normales Dienstverhältnis, in dem sich die Vertragsparteien als gleichwertige Partner gegenüberstehen,177 nicht zu, diese können nur durch das besondere Dienst- und Treueverhältnis des Beamten begründet werden. Etwaige vertragliche Vereinbarungen können die Rechte des Beschuldigten ebenso wenig einschränken. Gleichwohl stellt sich für diese Personen das Problem, dass sie mit der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht eine Verletzung der vertraglichen Pflichten begehen. Erneut sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass dieser verfahrensrechtliche Unterschied grundsätzlich von der Frage zu trennen ist, welche Sanktionsmöglichkeiten im Fall des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht gegeben sind.

Bach, S. 37 u. S. 52. Beschl. v. 14.8.1996 – 2 BvR 2088 / 93, NJW 1996, 3146. 177  BAG Urt. v. 25.8.1966 – 5 AZR 525 / 65, BAGE 19, 55 (63). 175  Vgl.

176  BVerfG



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren127

3. Antragsstellung durch den Beschuldigten Der Beschuldigte ist mit der Ladung darauf hinzuweisen, dass er, wenn er sich zur Sache äußern will und die Angaben seiner Pflicht zur Amtsverschwiegenheit unterliegen, eine Aussagegenehmigung beantragen muss (RiStBV Nr. 44 Abs. 3 S. 1). Teilt der Beschuldigte bereits vorab mit, dass er sich nicht äußern will, bedarf es keiner Aussagegenehmigung. Anders als beim Zeugen wird der Antrag nicht von Amts wegen von der vernehmenden Stelle gestellt.178 Diese Regelung stößt auf Bedenken.179 Wird der beschuldigte Amtsträger gezwungen, von sich aus eine Aussagegenehmigung bei seinem Dienstvorgesetzten zu beantragen, informiert er diesen zwangsläufig über das gegen ihn gerichtete Strafverfahren. Insbesondere im Fall des Beamten kann dies wiederum Anlass dafür geben, gegen ihn ein Disziplinarverfahren einzuleiten.180 Ein solches Vorgehen berührt aber unweigerlich die Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten, wenn die Mitteilung zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens führen kann.181 Zwar unterscheidet sich die Kriminal- von der Disziplinarstrafe in ihrem Zweck grundlegend,182 gleichwohl kann nicht bestritten werden, dass auch Letztere zu einschneidenden Konsequenzen für den Betroffenen führen kann. Zuständig für die Erteilung der Aussagegenehmigung ist der Dienstherr beziehungsweise der Dienstvorgesetze (§ 37 Abs. 3 S. 2 BeamtStG, § 67 Abs. 3 S. 2 BBG).183

III. Genehmigungsvoraussetzungen Nachdem festgestellt wurde, dass sich der personelle Anwendungsbereich nur auf Beamte und Richter erstreckt, muss als nächstes der Frage nachgegangen werden, unter welchen Voraussetzungen dem Betroffenen die Aussagegenehmigung als Beschuldigter versagt werden darf. Die Voraussetzungen, die die beamtenrechtlichen Vorschriften an die Versagung der Aussagegenehmigung stellen, sind deutlich strenger als im Fall des Zeugen. Während die Aussagegenehmigung für den Zeugen nur verwei178  Vgl.

Kapitel 2 § 6 II. 2.

179  BeckOK-StPO / Meyberg,

RiStBV 44 Rn. 21. den außerstrafrechtlichen Konsequenzen siehe ausführlich Kapitel 4 § 17. 181  Rogall, S. 164. 182  Siehe Kapitel 4 § 17 I. 183  Das Land Baden-Württemberg hat von seiner Abweichungskompetenz nach § 37 Abs. 3 S. 4 BeamtStG keinen Gebrauch gemacht. § 4 Abs. 4 LBG-BW bezieht sich ausdrücklich nur auf § 37 Abs. 4 BeamtStG. Anders hingegen die Regelung zum Beispiel in Bayern. Zuständig für die Versagung der Aussagegenehmigung ist sowohl für den Beamten als Zeuge als auch für den Beamten als Beschuldigter eines Strafverfahrens die oberste Dienst- bzw. Aufsichtsbehörde (Art. 6 Abs. 3 S. 3 BayBG). 180  Zu

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

gert werden darf, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben erheblich erschweren oder gefährden würde,184 müssen im Fall des Beschuldigten dienstliche Rücksichten die Versagung unabweisbar erfordern. Dass mit dieser Formulierung strengere Voraussetzungen aufgestellt werden als im Vergleich zum Zeugen, ergibt sich unzweifelhaft aus der Formulierung des Gesetzes, die vorgibt, dass auch dann, wenn die Voraussetzungen im Fall des Zeugen erfüllt sind, es der zusätzlichen Feststellung bedarf, dass dienstliche Rücksichten die Versagung der Aussagegenehmigung unabweisbar erfordern (§ 37 Abs. 5 BeamtStG, § 68 Abs. 2 BBG). Bereits der Wortlaut verlangt somit eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung, denn die Versagung der Aussagegenehmigung ist nur möglich, wenn die Versagung „unabweisbar“ erforderlich ist.185 Es darf somit zugunsten des Beschuldigten kein milderes Mittel bestehen, um die dienstlichen Rücksichten zu wahren. Des Weiteren ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass nur solche dienstlichen Rücksichten zur Begründung herangezogen werden können, die einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit aufweisen. So wenig aussagekräftig diese Feststellung für sich allein genommen ist, gewinnt sie deutlich an Substanz, wenn die Voraussetzungen für Versagung der Aussagegenehmigung im Fall des Zeugen in die Betrachtung miteinbezogen werden, denn sie allein sind nicht ausreichend, um auch gegenüber dem Beschuldigten die Aussagegenehmigung zu versagen. Von unabweisbaren ­ dienstlichen Rücksichten kann folglich erst dann ausgegangen werden, wenn es sich um dienstliche Angelegenheiten handelt, die noch gewichtiger sind als die Versagungsgründe im Fall des Zeugen. Demnach kann die Entscheidung nicht allein darauf gestützt werden, dass die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Eine historische Betrachtung hilft bei der inhaltlichen Bestimmung nur bedingt weiter. Erstmals findet sich eine ausdrückliche Regelung zur Beschränkung der Äußerungsbefugnis des Beamten in seiner Rolle als Beschuldigter in § 9 Abs. 2 des Deutschen Beamtengesetzes (DBG) vom 26.  Januar 1937.186 Dieser lautete: „Ist der Beamte Partei oder Beschuldigter in einem gerichtlichen Verfahren und soll sein Vorbringen der Wahrnehmung seiner berechtigten Belange dienen, so soll die Genehmigung auch dann, wenn sein Vorbringen dem Wohle des Reichs Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheb184  Siehe

hierzu ausführlich Kapitel 2 § 6 III. Magdeburg Beschl. v. 22.5.2014 – 5 B 371 / 14 MD, (juris); Ziegler, S. 133. 186  RGBl. 1937 I S. 39. 185  VG



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren129 lich erschweren würde, nur versagt werden, wenn dienstliche Rücksichten dies unabweisbar erfordern; wird sie versagt, so hat der Dienstvorgesetzte dem Beamten den Schutz zu gewähren, den die dienstlichen Rücksichten zulassen.“

Die jetzige Regelung entspricht damit nahezu wortgleich der Vorschrift des § 9 Abs. 2 DBG. Ein Unterschied ist jedoch darin zu sehen, dass § 9 Abs. 2 DBG neben der Beteiligung als Partei oder Beschuldigter in einem gerichtlichen Verfahren zusätzlich verlangte, dass das Vorbringen der Wahrnehmung berechtigter Interessen dienen sollte, also über die Beteiligung als Partei bzw. Beschuldigter hinaus eine weitere Einschränkung vorsah. Dieser Zusatz ist in der heutigen Regelung nicht mehr als zusätzliche Voraussetzung ausgestaltet, sondern ist ein eigenständiges Merkmal, was sich aus der Formulierung „oder“ ergibt. In der damaligen Kommentarliteratur lässt sich zur Begründung dieser Regelung nur der lapidare Hinweis finden, dass der Beamte in einem solchen Fall die Nachteile, die aus seiner Pflicht zur Amtsverschwiegenheit resultieren, hinnehmen muss.187 Der Dienst- und Treuepflicht des Beamten wurde also nicht nur grundsätzlich der Vorrang eingeräumt, sondern dem Dienstherrn wurde zusätzlich das Recht zugestanden, zu entscheiden, ob das Vorbringen des Beamten der Wahrnehmung seiner berechtigten Belange diente. Eine Erklärung hierfür kann womöglich der folgende Hintergrund liefern: Im Zuge der Reform des Beamtentums durch die Nationalsozialisten wurde die Pflicht des Beamten zum Gehorsam und zur Amtsverschwiegenheit in besonders strenger Form gehandhabt, um nach der Vorstellung der Nationalsozialisten die Disziplin in der Beamtenschaft zu sichern und des Weiteren – wobei dieser Gedanke bei der Reform eher von untergeordneter Bedeutung gewesen sein dürfte – den Beamten vor Gewissenskonflikten und Schaden zu bewahren.188 In diesem Geist des strengen Gehorsams und der bedingungslosen Pflichterfüllung mussten persönliche Rechte zurücktreten. Gerade dies zeigt jedoch, dass allein aus der historischen Betrachtung keine verallgemeinerungsfähige Aussage gewonnen werden kann. Es überrascht aber, dass der Bundesgesetzgeber eine nahezu identische Regelung, offenbar ohne große Bedenken, in die Beamtengesetze mitaufgenommen hat. Abseits der beamtenrechtlichen Regelungen findet sich jedoch mit § 84 Abs. 4 VwVfG eine bereichsspezifische Vorschrift, die eine nähere Konkre­ tisierung des Merkmals der „unabweisbaren dienstlichen Rücksichten“ erlaubt.189 Die Vorschrift regelt die Verschwiegenheitspflicht des ehrenamtlich 187  Fischbach,

DBG, § 9 II. S. 19. 189  Das VwVfG trat erst am 1.1.1977 in Kraft und ist damit deutlich jünger als die Beamtengesetze. Die tradierten Begrifflichkeiten aus dem Beamtenrecht wurden im VwVfG zum Teil neu gefasst. 188  Seel,

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

Tätigen. Sie gilt (insofern ist die Regelung nämlich vergleichbar) auch, wenn der ehrenamtlich Tätige Zeuge oder Beschuldigter eines gerichtlichen Verfahrens ist. Ist er Beteiligter in einem gerichtlichen Verfahren, darf die Aussagegenehmigung nur dann versagt werden, wenn ein zwingendes öffent­ liches Interesse der Erteilung entgegensteht (§ 84 Abs. 4 S. 1 VwVfG). Von einem zwingenden öffentlichen Interesse wird nur ausgegangen werden können, wenn besonders wichtige Gemeinschaftsgüter oder Individualrechtsgüter von höchstem Rang betroffen sind.190 Aufgrund der gleichen Systematik in Bezug auf Anordnung, Umfang und Inhalt der Verschwiegenheitspflicht, wie sie in § 84 VwVfG zugrunde gelegt wird, kann davon ausgegangen werden, dass kein Unterschied zwischen dem zwingenden öffentlichen Interesse in § 84 Abs. 4 S. 1 VwVfG und dem Begriff der dienstlichen Rücksicht in den beamtenrechtlichen Vorschriften besteht.191 Dies belegt im Übrigen auch die Gesetzesbegründung, die erkennen lässt, dass es das ausdrückliche Anliegen des Gesetzgeber war, einen Gleichlauf zu den beamtenrechtlichen Vorschriften herzustellen.192 Dass nur der Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter die Versagung der Aussagegenehmigung erlaubt, bestätigt auch die – allerdings nur spärlich – vorhandene Rechtsprechung. In zwei vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen, denen jeweils ein Disziplinarverfahren gegen einen Beamten zugrunde lag, wurde dem Beamten jeweils nur eine beschränkte Aussagegenehmigung erteilt. Er durfte nur aussagen, soweit sich der Inhalt nicht auf nachrichtendienstliche Arbeitsweisen, Methoden und Quellen oder auf Namen anderer Mitarbeiter bezog.193 In einem vergleichbar sensiblen Bereich arbeitete der beschuldigte Beamte, über dessen Disziplinarverfahren das Verwaltungsgericht Berlin zu entscheiden hatte.194 Er war als Polizist beim Landeskriminalamt eingesetzt und dort als VP-Führer tätig. Auch ihm wurde nur eine beschränkte Aussagegenehmigung erteilt. Er durfte sich zwar grundsätzlich gegenüber seinem Verteidiger äußern und auch im gerichtlichen Verfahren über seine dienstliche Tätigkeit berichten, jedoch war es ihm untersagt, sich zu den Personaldaten der von ihm geführten Vertrauenspersonen zu äußern. Ein weiterer vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidender Fall, jedoch in einer grundlegend anderen Konstellation, unterstreicht den bisher gewonnenen Eindruck, dass es sich bei dem Begriff der dienstlichen Rücksichten jedenfalls um solche Angelegenheiten handeln muss, an denen 190  BeckOK-VwVfG / Schaller / Troidl, § 84 Rn. 7.1; Obermayer / Funke-Kaiser /  Seegmüller, § 84 Rn. 62; Stelkens / Bonk / Sachs / Kallerhoff, § 84 Rn. 17. 191  Stelkens / Bonk / Sachs / Kallerhoff, § 84 Rn. 17. 192  BT-Drucks. 7 / 910, S. 94. 193  BVerwG Beschl. v. 26.3.2009  – 2 B 88 / 08, (juris); BVerwG Beschl. v. 26.3.2009 – 2 B 86 / 08, (juris). 194  VG Berlin Urt. v. 23.1.2014 – 80 K 40.12 OL, (juris).



§ 7 Der Amtsträger als Beschuldigter im Strafverfahren131

ein nicht von der Hand zu weisendes Bedürfnis an Geheimhaltung besteht, weil durch die Offenbarung Rechtsgüter höchsten Ranges gefährdet sind. In diesem Fall führte eine Beamtin des Bundesnachrichtendienstes ein Zivilverfahren gegen einen Mitarbeiter der gleichen Behörde. Die erteilte Aussage­ genehmigung gestattete ihr, sich zunächst gegenüber einem Anwalt anzu­ vertrauen und dabei alle freigegebenen Schriftstücke nur in sicherheitlich bereinigter Form vorzulegen.195 Da sie entgegen den Vorgaben der Aussagegenehmigung eine Klageschrift durch ihren Anwalt einreichen ließ, die geheimhaltungsbedürftige Tatsachen über Personen und behördeninterne Abläufe beinhaltete, hatte sie ihre Verschwiegenheitspflicht verletzt. Dieser kurze Überblick über die einschlägige Rechtsprechung führt zusammenfassend somit zu zwei Erkenntnissen: Erstens wurde in keinem der Fälle dem Betroffenen die Aussagegenehmigung in Gänze versagt. Dies bestätigt, dass es nur in sehr selten gelagerten Fällen möglich sein wird, die Aussagegenehmigung uneingeschränkt zu verweigern. Die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips wird es in alle Regel erforderlich machen, von der Aussagegenehmigung nur bestimmte Bereiche auszunehmen. Demgegenüber wurde aber auch in keinem der dargestellten Fälle eine unbeschränkte Aussagegenehmigung erteilt. Die völlige Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht würde nicht im Einklang mit den beamtenrechtlichen Grundsätzen stehen.196 Zweitens hatte der jeweils Betroffene in allen Entscheidungen in Bereichen gearbeitet, in denen ein gesteigertes Bedürfnis an Geheimhaltung besteht, sei es, dass zum Schutz von Personen (V-Männern oder Mitarbeitern der Behörde) keine Aussagegenehmigung erteilt werden konnte oder dass durch die Aussage die Gefahr bestand, die Arbeitsweisen und die Methoden der Erkenntnisgewinnung der Behörde offenzulegen. Zwar kann die Bestimmung des Merkmals, wann dienstliche Rücksichten die Versagung unabweisbar erfordern, nicht abschließend anhand der vorhandenen Rechtsprechung erfolgen, jedoch ist festzustellen, dass die Einschränkung aufgrund unabweisbarer dienstlicher Rücksichten jedenfalls dort angenommen werden kann, wo überaus gewichtige Rechtsgüter Dritter (Leib oder Leben) betroffen sind oder Strukturen offenbart werden, die aufgrund der Natur der Aufgabenerfüllung im Verborgenen bleiben müssen und deren Wahrnehmung durch die Offenbarung nachhaltig erschwert oder gar unmöglich werden könnte. Eine punktgenaue Abgrenzung zu den Voraussetzungen, die für die Versagung der Aussagegenehmigung im Fall des Zeugen gegeben sein müssen, ist damit nicht möglich. Die nur sehr eingeschränkte Bestimmtheit des Begriffs der dienstlichen Rücksicht verlangt es, die Voraussetzungen nur mit größter Vorsicht anzunehmen. 195  BVerwG 196  VGH

Urt. v. 15.12.2005 – 2 A 4 / 04, (juris). München Beschl. v. 28.4.2014 – 3 CE 13.2600, (juris).

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

IV. Folgen der Versagung Die Auswirkungen der Versagung der Aussagegenehmigung müssen erneut danach unterschieden werden, wie sie sich auf den Beschuldigten in seiner Verfahrensstellung auswirkt und welchen Einfluss sie auf das laufende Strafverfahren hat. Wird die Aussagegenehmigung versagt, besteht die Verschwiegenheitspflicht für den Adressaten fort. Macht er dennoch Angaben, verletzt er damit seine Verschwiegenheitspflicht, was im Grundsatz eine straf- beziehungsweise außerstrafrechtliche Sanktion nach sich ziehen kann, weil stets eine unbefugte Offenbarung eines Geheimnisses gegeben ist.197 Insofern unterscheiden sich die Folgen nicht im Vergleich zum Zeugen. Die Auswirkungen auf das Strafverfahren sind hingegen unterschiedlich. Weil der Zeuge ein Beweismittel ist, führte die Versagung der Aussagegenehmigung zur Annahme eines Beweiserhebungsverbots.198 Im Fall des Beschuldigten kann diese Annahme selbstredend nicht gelten. Wird es dem Beschuldigten verboten, sich gegen die erhobenen Vorwürfe zu äußern, legt dies auf den ersten Blick die Annahme eines Verfahrenshindernisses nahe. Die Antwort auf diese Frage soll aber an späterer Stelle gegeben werden, weil sich dieser Umstand entscheidend auf die zentrale Frage der Untersuchung, nämlich die Rechtfertigung der Verschwiegenheitsverletzung auswirkt.199 Ein weiterer Unterschied, der auch für die später zu untersuchende Frage der Rechtfertigung von entscheidender Bedeutung sein wird, ist darin zu sehen, dass sich der beschuldigte Amtsträger (anders als der Zeuge) gegen die Versagung der Aussagegenehmigung gerichtlich zur Wehr setzen kann. Für nichtbeamtete Amtsträger scheint sich das Problem nur auf den ersten Blick gelöst zu haben. Zwar sind die beamtenrechtlichen Vorschriften keiner Analogie zugänglich, jedoch bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass sich für den nichtbeamteten Amtsträger nicht die gleiche Frage stellt, denn seine Verschwiegenheitspflicht besteht unabhängig vom Erfordernis einer Aussagegenehmigung fort. Der entscheidende Unterschied zur Aussagegenehmigung ist jedoch darin zu sehen, dass sich das Erfordernis der Aussagegenehmigung bereits auf das gegenwärtige Strafverfahren, mit dem sich der Amtsträger konfrontiert sieht, unmittelbar auswirkt. Denn die beamtenrechtlichen Vorschriften verlangen, dass bereits für das Strafverfahren, in dem der Amtsträger beabsichtigt, die Verschwiegenheitspflicht zu verletzen, eine Aussagegenehmigung vorliegen muss. Die bloße Strafandrohung, die allein durch die einschlägigen Strafvorschriften begründet wird, wirkt sich hingegen nicht unmittelbar auf die Stellung des Beschuldigten aus, weil sie nur an den noch 197  Hierzu

ausführlich Kapitel 4 § 16 I. 3. c). Kapitel 2 § 6 IV. 199  Siehe ausführlich Kapitel 5 § 21 III. 2. a) bb). 198  Vgl.



§ 8 Exkurs: Vergleich zu anderen Geheimnisträgern133

zu erfolgenden Bruch der Verschwiegenheitspflicht anknüpft, aber darüber hinaus keinen Bezug zum gegenständlichen Verfahren aufweist. Dieser feine Unterschied wird bei der späteren Untersuchung der Rechtfertigung und bei der Prüfung, ob dem Strafverfahren ein Verfahrenshindernis entgegensteht, eine entscheidende Rolle einnehmen.

§ 8 Exkurs: Vergleich zu anderen Geheimnisträgern Während sich die bisherigen Ausführungen mit der Situation des beschuldigten Amtsträgers befassten, gibt es vergleichbare Konstellationen, in denen sich andere Personen- oder Berufsgruppen, die ebenfalls einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen, mit einer Situation konfrontiert sehen, in der sie sich als Beschuldigte eines Strafverfahrens unter Verletzung ihrer Verschwiegenheitspflicht äußern wollen und sich somit der Gefahr der erneuten Strafverfolgung aussetzen würden. Im Folgenden soll in gebotener Kürze auf zwei Vergleichsgruppen näher eingegangen werden, nämlich zum einen der Beschäftigte eines Unternehmens und zum anderen auf die Gruppe der Berufsgeheimnisträger.

I. Beschäftigte eines Unternehmens Der Beschäftigte eines Unternehmens unterliegt zum Schutz des Betriebsund Geschäftsgeheimnisses einer strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht. Diese ergibt sich aus § 17 Abs. 1 UWG und lautet: „Wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihr im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an jemanden zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitteilt, wird mit […] bestraft.“

Der unter Strafe gestellte Treuebruch stellt ein Sonderdelikt dar, das nur durch den Beschäftigten des Unternehmens begangen werden kann.200 Das geschützte Rechtsgut ist primär im Integritätsinteresse des Unternehmens sowie im Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb zu sehen.201

200  Ebert-Weidenfeller, in: Achenbach / Ransiek / Rönnau, Kap. 3 Rn. 62; Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Kap. 15 Rn. 11; Reinbacher, in: Leitner / Rosenau, § 17 UWG Rn. 6. 201  Ebert-Weidenfeller, in: Achenbach / Ransiek / Rönnau, Kap. 3 Rn. 63; MüKoStGB / Janssen / Maluga, 2. Aufl., § 17 UWG Rn. 10.

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

Die Tathandlung besteht in der unbefugten Mitteilung eines Geschäftsoder Betriebsgeheimnisses. Von einer Mitteilung ist auszugehen, wenn aufgrund einer aktiven Handlung das Geheimnis zur Kenntnis gebracht wird.202 Da es sich bei § 17 Abs. 1 UWG nicht um ein Erfolgsdelikt handelt, muss der Empfänger das Geheimnis nicht tatsächlich wahrgenommen haben. Ausreichend ist die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme.203 Tatobjekt ist das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Unter dem Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen verstanden, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung das Unternehmen ein berechtigtes Interesse hat.204 Während sich das Betriebsgeheimnis auf den technischen Ablauf erstreckt, bezieht sich das Geschäftsgeheimnis auf den allgemeinen geschäftlichen Verkehr. Eine genaue Abgrenzung der beiden Geheimnisse ist allerdings schwierig, aber in der Sache nur von untergeordneter Bedeutung. Zum Beispiel wurde als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis angesehen: Kundenlisten, Jahresabschlüsse, beabsichtigte Vertragsabschlüsse, Agenturverzeichnisse oder Zahlungsbedingungen.205 § 17 Abs. 1 UWG wird hinsichtlich des in Betracht kommenden Täterkreises weit ausgelegt, weshalb alle Beschäftigten eines Unternehmens, unabhängig von ihrer konkreten Position, erfasst werden. Als Täter kommt somit jede Person in Betracht, die mit dem Betriebsinhaber einen privatrechtlichen Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen hat.206 Erfasst werden nicht nur Angestellte des Betriebes, sondern auch die Organe eines Unternehmens. Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft werden damit ebenso erfasst wie Geschäftsführer einer GmbH. Sogar Personen, die streng genommen in keinem Rechtsverhältnis zum Unternehmen stehen, wie etwa der faktische Geschäftsführer, sollen als Beschäftigte im Sinne des § 17 Abs. 1 UWG gelten.207 Ähnlich wie die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers setzt § 17 Abs. 1 UWG voraus, dass das Geheimnis dem Beschäftigten im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich geworden ist. Erforderlich ist demnach ebenfalls ein kausaler Zusammenhang zwischen der Kenntniserlangung und der Dienstausübung.208 Der Umfang der strafrecht202  MüKo-StGB / Janssen / Maluga,

2. Aufl., § 17 UWG Rn. 49. in: Wabnitz / Janovsky, Kap. 15 Rn. 13. 204  Brettel / Schneider, § 3 Rn. 534; MüKo-StGB / Jassen / Maluga, §  17 UWG Rn. 13; Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Kap. 15 Rn. 13; Salger / Breitfeld, BB 2005, 154; Wittig, § 33 Rn. 35. 205  Beispiele nach Dittrich, in: Müller-Gugenberger, § 33 Rn. 49. 206  MüKo-StGB / Jassen / Maluga, § 17 UWG Rn. 44. 207  Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Kap. 15 Rn. 11. 208  Dittrich, in: Müller-Gugenberger, § 33 Rn. 55. 203  Möhrenschlager,



§ 8 Exkurs: Vergleich zu anderen Geheimnisträgern135

lich geschützten Verschwiegenheitspflicht erinnert stark an die weit gefasste Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers, die sich auch auf alle Angelegenheiten bezieht, die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind. Im Unterschied zum Amtsträger wirkt die strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht des Beschäftigten aber nicht über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus.209 Nur die unbefugte Offenbarung des Geheimnisses erfüllt den Tatbestand. Wurde dem Beschäftigten eine Einwilligung erteilt, liegt keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht vor. Berechtigt zur Erteilung der Einwilligung ist der Betriebsinhaber, da er allein durch § 17 Abs. 1 UWG in seinen rechtlichen Interessen geschützt wird.210 Die Einwilligung stellt damit das Gegenstück zur Aussagegenehmigung dar. Wird dem Beschäftigten die Einwilligung verweigert, stellt sich die Frage, ob dennoch von einer unbefugten Offenbarung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen ausgegangen werden kann, wenn er sich als Zeuge oder Beschuldigter äußern will. Auf einen grundsätzlichen Unterschied zur Stellung des Amtsträgers als Zeuge sei schon an dieser Stelle hingewiesen. Es fehlt an einer vergleichbaren Regelung zu § 54 Abs. 1 StPO. Das Gericht darf den Zeugen trotz der fehlenden Einwilligung zur Offenbarung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses vernehmen. Fehlt es hingegen eine Aussagegenehmigung für den Amtsträger, ist es dem Gericht hingegen verwehrt den Zeugen zu befragen.211 Ist der Beschäftigte als Zeuge geladen, soll trotz des Fehlens einer Einwilligung keine unbefugte Mitteilung vorliegen, wenn der Zeuge aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Aussage verpflichtet ist.212 Dies kann jedoch nicht richtig sein. Die gesetzliche Pflicht, als Zeuge zu erscheinen und auszusagen, ergibt sich aus seiner Stellung als Zeuge selbst. Hierbei handelt es sich um eine staatsbürgerliche Pflicht, die durch § 48 Abs. 1 StPO lediglich konkretisiert wird.213 Allerdings kann für den Zeugen, der in Erfüllung dieser Pflicht vor Gericht erscheint und eine Aussage tätigt, die zugleich den Tatbestand des § 17 Abs. 1 UWG erfüllt, nicht zugutekommen, dass allein die Zeugenpflicht die Befugnis zur Mitteilung verleiht, jedenfalls dann, wenn es sich um ein Zivilverfahren handelt. Zum einen würde der Geheimnisschutz entwertet werden, wenn bereits die Zeugeneigenschaft dem Zeugen das Recht geben 209  Ebert-Weidenfeller, in: Achenbach / Ransiek / Rönnau, Kap. 3 Rn. 77; MüKoStGB / Janssen / Maluga, 2. Aufl., § 17 UWG Rn. 54. 210  Dittrich, in: Müller-Gugenberger, § 33 Rn. 57. 211  Vgl. Kapitel 2 § 6 IV. 212  Dittrich, in: Müller-Gugenberger, § 33 Rn. 57; Köhler / Bornkamm / Feddersen /  Köhler, § 17 Rn. 21a; Stein, S.  31 f. 213  BVerfG Beschl. v. 10.10.1978  – 2 BvL 3 / 78, BVerfGE 49, 280 (284); BGH Beschl. v. 5.11.2003  – 1 StR 368 / 03, BGHSt 48, 237 (238); KK-StPO / Senge, § 54 Rn. 2; Geppert, JURA 1991, 132.

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

würde, ein Geheimnis zu offenbaren, und zum anderen muss berücksichtigt werden, dass die Verfahrensordnungen dem Zeugen in diesem Fall Rechte zur Verfügung stellen, auf die er sich berufen kann. So sieht § 384 Nr. 3 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen vor, das sich allerdings nur auf einzelne Fragen erstreckt und damit in der Sache ein zu § 55 StPO vergleichbares Auskunftsverweigerungsrecht darstellt.214 Es gilt für den Fall, dass der Zeuge Fragen nicht beantworten könnte, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis zu offenbaren. Sehen die Verfahrensordnungen demnach Möglichkeiten vor, die der Zeuge in Anspruch nehmen kann, kann bereits die Stellung als solche für sich allein genommen noch nicht dazu führen, dass es sich um eine befugte Mitteilung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen handelt. Auch der Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 172 Nr. 2 GVG) kann am Merkmal der unbefugten Offenbarung nichts ändern, da es auf die Kenntnisnahme durch den Dritten gerade nicht ankommt.215 Die Straflosigkeit des Zeugen ergibt sich vielmehr daraus, dass es ihm an einem der in § 17 Abs. 1 UWG genannten Beweggründen fehlt, wenn er als Zeuge das Geheimnis offenbart. Insbesondere handelt der Zeuge in diesem Fall nicht aus Eigennutz, weil er nicht nach einem materiellen oder immateriellen Vorteil strebt, sondern seine Zeugenpflicht erfüllen will.216 Keine strafbare Offenbarung liegt des Weiteren vor, wenn gesetzliche Rechtfertigungsgründe eingreifen. Hierzu zählen neben der Einwilligung insbesondere die Notwehr (§ 32 StGB) und der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB).217 Bekanntheit hat diese Konstellation für den Bereich des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen im Bereich des Whistle­ blowings erlangt.218 Eine gerechtfertigte Offenbarung soll etwa dann vorliegen, wenn die Offenbarung der Wahrnehmung erheblicher Eigeninteressen, z. B. dem Interesse an einer sachgemäßen Verteidigung, dient.219

214  MüKo-ZPO / Damrau, 5. Aufl., § 376 Rn. 1; ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kommt nicht in Betracht, weil der Beschäftigte eines Unternehmens keine Person ist, die kraft ihres Gewerbes zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. 215  A. A. Köhler / Bornkamm / Feddersen / Köhler, § 17 Rn. 21. 216  Ebenso: Harte-Bavendamm / Henning-Bodewig / Harte-Bavendamm, § 17 UWG Rn. 11a. 217  Dittrich, in: Müller-Gugenberger, § 33 Rn. 57; Köhler / Bornkamm / Feddersen /  Köhler, § 17 Rn. 21a; Möhrenschlager, in: Wabnitz / Janovsky, Kap. 15 Rn. 13; Ohly, GRUR 2014, 1 (6). 218  Ohly, GRUR 2014, 1 (7) m. w. N. 219  Harte-Bavendamm / Henning-Bodewig / Harte-Bavendamm, § 17 UWG Rn. 11; Stein, S.  31 f.



§ 8 Exkurs: Vergleich zu anderen Geheimnisträgern137

II. Berufsgeheimnisträger Auch der Berufsgeheimnisträger kann vor einer vergleichbaren Situation stehen. Er ist seinem Mandanten beziehungsweise dem Ratsuchenden grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Befindet er sich nun selbst in der Situation, als Zeuge aussagen zu müssen oder als Beschuldigter in einem Strafverfahren beteiligt zu sein, kann seine Verschwiegenheitspflicht ebenfalls mit anderen geschützten Interessen in Konflikt treten. 1. Rechtliche Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht Die Feststellung der rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht für die Gruppe der Berufsgeheimnisträger gestaltet sich ähnlich diffizil wie für die vom Amtsträgerbegriff umfassten Personengruppen. Teilweise finden sich gesetzliche Regelungen, zum Teil existieren aber auch nur standesrechtliche beziehungsweise berufsethische Vorschriften, die die Verschwiegenheitspflicht anordnen. Um die Schwierigkeiten zu verdeutlichen, soll in aller Kürze aufgezeigt werden, wie unterschiedlich die Regelungen zur Verschwiegenheit ausgestaltet werden können. Ein Beispiel für eine gesetzliche Regelung zur Verschwiegenheitspflicht des Berufsgeheimnisträgers ist § 43a Abs. 2 BRAO. Danach unterliegt der Rechtsanwalt einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht, die sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist, bezieht. Das Gebot der Verschwiegenheit zählt zu den tragenden Säulen des Anwaltsberufs und war bereits lange vor seiner Regelung in § 43a Abs. 2 BRAO gemeinhin anerkannt.220 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber die nähere Ausgestaltung der Verschwiegenheitspflicht bewusst nicht selbst geregelt hat, sondern dies als Ausdruck der funktionalen Selbstverwaltung der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer überlassen hat (§ 59b Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c BRAO). Eine Konkretisierung der Verschwiegenheitspflicht samt Ausnahmen findet sich in § 2 BORA.221 Noch feingliedriger sind die Regelungen zur Verschwiegenheitspflicht für die Berufsgruppe der Ärzte. Der Umstand, dass jede Landesärztekammer die Befugnis hat, eine eigene Berufsordnung zu erlassen, führt dazu, dass sich die Verschwiegenheitspflicht des Arztes nach der Zugehörigkeit der jeweili220  Zur historischen Entwicklung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht Henss­ler, NJW 1994, 1817 f.; Feuerich / Weyland / Träger, § 43a Rn. 12. 221  Hierzu umfassend: Siegmund, Rn. 455 ff.; insbesondere ist nunmehr geregelt, dass die Wahrnehmung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen, namentlich zur Verteidigung in eigener Sache, keine unbefugte Offenbarung des Geheimnisses vorliegt, vgl. § 2 Abs. 3 Buchst. b BORA.

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

gen Landesärztekammer richtet.222 Diese von den jeweiligen Landesärztekammern erlassenen Regelungen stimmen allerdings in wesentlichen Punkten mit der Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte der Bundesärztekammer überein (MuBO).223 Ärzte unterliegen nach § 9 MuBO der Verschwiegenheit über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Ärztin oder Arzt anvertraut oder bekanntgeworden ist, auch über den Tod des Patienten hinaus. Dass diese Pflicht Einschränkungen unterliegt, zeigt § 9 Abs. 2 MuBO. Der Arzt darf die Verschwiegenheitspflicht brechen, wenn die Offenbarung zum Schutz eines höherwertigen Rechtsguts erforderlich ist. Zuletzt sei noch auf eine Gruppe hingewiesen, für die keine gesetzliche Verpflichtung zur Wahrung der Verschwiegenheit besteht. Für Angehörige der Presse besteht keine gesetzliche oder standesrechtliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit. Lediglich Ziffer 5 des Pressekodex, der allerdings nur den Charakter einer freiwilligen Selbstverpflichtung aufweist, regelt, dass die Presse das Berufsgeheimnis wahrt, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht und Informationen ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preisgibt.224 Weiter konkretisiert wird dieses Gebot durch Ziffer 5.1. Die Vertraulichkeit muss nicht gewahrt werden, wenn die Informationen ein Verbrechen betrifft und eine Pflicht zur Anzeige besteht. Des Weiteren muss die Vertraulichkeit nicht gewahrt werden, wenn bei sorgfältiger Abwägung staatspolitische Gründe überwiegen, insbesondere wenn die verfassungsmäßige Ordnung berührt oder gefährdet ist. 2. Schutz des Privatgeheimnisses Das Privatgeheimnis, das der Rat- beziehungsweise Hilfesuchende dem Berufsgeheimnisträger anvertraut hat oder das ihm in sonstiger Weise bekanntgeworden ist, wird auf unterschiedliche Weise geschützt. Ist der Berufsgeheimnisträger als Zeuge geladen, steht ihm grundsätzlich ein Zeugnisverweigerungsrecht zu (§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 5 StPO). Die unbefugte Offenbarung des Privatgeheimnisses durch den Berufsgeheimnisträger wird durch die Vorschrift des § 203 Abs. 1 Nr. 1 – 6 StGB unter Strafe gestellt. In beiden Fällen liegt der wesentliche Unterschied aber, wie beim Betriebs- und Geschäftsgeheimnisträger, darin, dass der Berufsgeheimnisträger sowohl in sei222  Z. B.: § 9 der BO der Landesärztekammer Baden-Württembergs oder § 9 der BO für die Ärzte Bayerns. 223  MuBO in der Fassung des Beschlusses des 118. Deutschen Ärztetages 2015 in Frankfurt a. M. 224  Publizistische Grundsätze (Pressekodex) – Herausgegeben vom Presserat, http: /  / www.presserat.de / pressekodex / pressekodex / #panel-undefined (zuletzt aufgerufen am 11.7.2017).



§ 8 Exkurs: Vergleich zu anderen Geheimnisträgern139

ner Stellung als Zeuge als auch als Beschuldigter nicht vom Vorliegen einer Aussagegenehmigung abhängig ist. Seine Aussage steht nicht unter dem Vorbehalt der vorherigen Genehmigung. Unabhängig von der Frage, ob der Schutzzweck des § 53 Abs. 1 StPO nun ausschließlich im Schutz der besonderen Vertrauensstellung zwischen dem Berufsgeheimnisträger und seinem Klienten gesehen werden kann225 oder der Schutzzweck vielmehr in einem institutionellen Sinn gesehen werden muss,226 da der Staat ein eigenes Interesse an der Funktionstüchtigkeit bestimmter Berufsgruppen hat, ist die verfahrensrechtliche Stellung des Berufsgeheimnisträgers als Zeuge dadurch gekennzeichnet, dass ihm ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht über alle Tatsachen zusteht, die ihm in seiner jeweiligen Eigenschaft anvertraut oder bekanntgeworden sind. Anders als das Zeugnisverweigerungsrecht für den Betriebs- und Geschäftsgeheimnisträger kann der Berufsgeheimnisträger aber nicht in jedem Fall von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden werden. Dies ist nämlich dann ausgeschlossen, wenn es sich um ein eigenes Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen handelt. Wird der Zeuge von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden (§ 53 Abs. 2 S. 1 StPO), hat dies nur für die in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis 3b StPO genannten Berufsgruppen zur Folge, dass sie nun wie jeder andere Zeuge auch zur Aussage verpflichtet sind.227 In den Fällen von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4 und 5 StPO führt die Entbindung hingegen nicht zum Wegfall des Zeugnisverweigerungsrechts. Die Entscheidung steht weiter allein im Ermessen des Zeugen.228 Zur Entbindung vom Zeugnisverweigerungsrecht ist wiederum nur diejenige Person berechtigt, zu deren Gunsten die Schweigepflicht besteht.229 Der strafrechtliche Schutz des Privatgeheimnisses wird durch § 203 Abs. 1 StGB gewährleistet, der im engen Zusammenhang zu § 53 Abs. 1 StPO steht. Gleichwohl sind die Vorschriften in sachlicher und in persönlicher Hinsicht nicht vollends deckungsgleich. So kann sich zum Beispiel der Tierarzt wegen 225  BVerfG Beschl. v. 15.1.1975  – 2 BvR 65 / 74, BVerfGE 38, 312 (323); BGH Beschl. v. 18.2.2014  – StB 8 / 13, NStZ-RR 2014, 149; Grünwald, S. 28; KKStPO / Senge, § 54 Rn. 1; Kühne, Rn. 817; Schlüchter, Rn. 489.1; SSW-StPO / Eschelbach, § 54 Rn. 1; ein umfassender Überblick findet sich bei: Schumann, S. 145 ff.; Siegmund, Rn.  222 ff. 226  Haffke, GA 1973, 65 (83); LR-Ignor / Bertheau, 26. Aufl., § 54 Rn. 1; SK-StPO /  Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 6 der den Schutzzweck für die jeweilige Berufsgruppe unterschiedlich beurteilt. 227  BGH Urt. v. 20.11.1962  – 5 StR 426 / 62, BGHSt 18, 146 (147); MüKoStPO / Percic, § 54 Rn. 55; SSW-StPO / Eschelbach, § 54 Rn. 44. 228  LR-Ignor / Bertheau, 26. Aufl., § 54 Rn. 78; MüKo-StPO / Percic, § 54 Rn. 55; SSW-StPO / Eschelbach, § 54 Rn. 44. 229  KK-StPO / Senge, § 54 Rn. 46; SSW-StPO / Eschelbach, § 54 Rn. 46.

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

der Verletzung von Privatgeheimnissen strafbar machen (§ 203 Abs. 1 Nr. 1), ihm steht aber kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 StPO zu. Die Verwirklichung des Tatbestandes des § 203 Abs. 1 StGB ist daran geknüpft, dass der Berufsgeheimnisträger unbefugt ein Geheimnis offenbart. Unter dem Begriff des Geheimnisses sind alle Tatsachen zu verstehen, die nur einem beschränkten Kreis von Personen bekannt sind und an deren Geheimhaltung der Berechtigte ein subjektives Interesse hat.230 Ohne auf die vielen Einzelfragen einzugehen, die mit dem Geheimnisbegriff des § 203 Abs. 1 StGB verbunden sind,231 stellt sich die Frage, wann von einer unbefugten Offenbarung auszugehen ist. Zweifelsfrei liegt keine unbefugte Offenbarung vor, wenn der Berechtigte in die Offenbarung eingewilligt hat. Liegt keine Einwilligung seitens des Berechtigten vor, entfällt das Merkmal „unbefugt“, wenn sich der Geheimnisträger auf eine Befugnisnorm berufen kann oder zu seinen Gunsten Rechtfertigungsgründe eingreifen. Eine Befugnisnorm kann den Geheimnisträger entweder verpflichten oder berechtigen, das Geheimnis zu offenbaren. Eine allgemeine Offenbarungspflicht beinhaltet etwa § 138 Abs. 1 und  2 StGB. Für bestimmte Berufsgeheimnisträger sind jedoch die in § 139 Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 StGB vorgesehenen Ausnahmen zu § 138 StGB zu beachten. Als allgemeine staatsbürgerliche Pflicht beinhaltet auch die prozessuale Aussagepflicht (§ 48 Abs. 1 StPO) eine Offenbarungspflicht, wenn dem Zeugen kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.232 Demgegenüber eröffnen Offenbarungsbefugnisse dem Geheimnisträger die Möglichkeit, die Verschwiegenheitspflicht in befugter Weise zu verletzen, ohne dass hierfür eine Pflicht besteht.233 So ist zum Beispiel der Rechtsanwalt ausdrücklich dazu befugt, zur Durchsetzung seines Vergütungsanspruchs das Mandantenverhältnis im nötigen Umfang offen zu legen (§ 43a Abs. 2 BRAO i. V. m. § 2 Abs. 3 Buchst. b BORA).234 Greift keiner dieser genannten Gründe ein, kann die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht aber dennoch im Ausnahmefall gerechtfertigt sein.235 230  AnwK-StGB / Popp, § 203 Rn. 4; Losert, S. 12; Matt / Renzikowski / Altenhain, § 203 Rn. 15; NK-Kargl, § 203 Rn. 6. 231  Ausführlich MüKo-StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 11 ff. 232  Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, § 203 Rn. 29 mit weiteren Beispielen für Offenbarungspflichten. 233  MüKo-StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 68; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, § 203 Rn. 29b; SSW-StGB / Bosch, § 203 Rn. 41. 234  Die vielfach in der Kommentarliteratur zur dieser Ausnahme aufgeführte Rechtsprechung kann vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Ermächtigung zum Satzungserlass in § 59b BRAO und der Rechtsprechung des BVerfG zu diesem Thema (BVerfG Beschl. v. 14.7.1987 – 1 BvR 537 / 81, BVerfGE 71, 171) nicht mehr als Begründung herangezogen werden. 235  OLG Düsseldorf Beschl. v. 2.4.2015 – III-2 Ws 101 / 15, 2 Ws 101 / 15, (juris); KG Urt. v. 27.6.2013  – 20 U 19 / 12, NJW 2014, 640; OLG Karlsruhe Urt. v.



§ 9 Zwischenfazit141

Ausgangspunkt ist stets die Frage, ob bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Rechtsgut das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. So finden sich in der Rechtsprechung zahlreiche Beispiele, in denen eine Strafbarkeit nach § 203 Abs. 1 StGB verneint wurde, weil sich der Geheimnisträger auf den rechtfertigenden Notstand berufen konnte. So hat zum Beispiel in einer neueren Entscheidung des OLG Düsseldorf ein Arzt die Straßenverkehrsbehörde über die nach seiner Ansicht nicht mehr gegebene Fahrtauglichkeit seines Patienten informiert.236 Das Gericht entschied, dass grundsätzlich eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in solchen Fällen in Betracht kommt, hat diese jedoch im konkreten Fall verneint, da der Arzt die gesamte Krankenakte an die Behörde übersandt hatte, was für diese Zwecke nicht erforderlich war. In einer älteren Entscheidung verneinte das OLG Frankfurt a. M. den Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Arzt wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, der die HIV-Erkrankung seines Patienten gegenüber dem Sexualpartner offenbarte, der ebenfalls sein Patient war. Das durch die Erkrankung bedrohte Rechtsgut des Sexualpartners überwiege das Rechtsgut des Vertrauensschutzes des Patienten.237 Der grundlegende Unterschied zwischen den angeführten Beispielen und der Ausgangsfrage der Untersuchung darf jedoch nicht verkannt werden. Die angeführten Beispiele behandelten jeweils Konstellationen, in denen sich der Berufsgeheimnisträger außerhalb eines gesetzlich geregelten Verfahrens auf den Rechtfertigungsgrund des § 34 StGB berufen kann, weil der Geheimnisbruch Gegenstand des Verfahrens war und nicht erst im Verfahren erfolgte. Die Frage, ob der Berufsgeheimnisträger zum Zweck der Verteidigung seine Verschwiegenheitspflicht verletzen darf und ob ein solches Handeln gegebenenfalls gerechtfertigt sein kann, war gerade nicht Gegenstand der dargestellten Entscheidungen.238

§ 9 Zwischenfazit Die Verschwiegenheitspflicht wirkt sich für den Amtsträger im Hinblick auf seine Stellung als Zeuge beziehungsweise Beschuldigter auf unterschiedliche Weise aus. Während das Strafverfahrensrecht mit § 54 Abs. 1 und 11.8.2006  – 14 U 45 / 04, MedR 2007, 253; Haffke, GA 1973, 65 (70); Krey / Heinrich / Hellmann, BT I, Rn. 590; Michalowski, ZStW 109 (1997), 519 (530 f.); MüKoStGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 85 ff.; Timm, S. 67 ff.; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, § 203 Rn. 30; Schlund, JR 1977, 265 (268 f.); SSW-StGB / Bosch, § 203 Rn.  41 f. 236  OLG Düsseldorf Beschl. v. 2.4.2015 – III-2 Ws 101 / 15, 2 Ws 101 / 15, (juris). 237  OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 8.7.1999 – 8 U 67 / 99, NJW 2000, 875. 238  Ausführlich hierzu Schumann, S.  217 ff.

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2. Kap.: Die Stellung des Amtsträgers im Strafverfahren

Abs. 2 StPO eine Norm kennt, welche die Aussage des Zeugen vom Vorliegen einer Aussagegenehmigung abhängig macht, fehlt eine vergleichbare Regelung für den Beschuldigten. Obwohl der Amtsträgerbegriff nicht gänzlich mit dem erfassten Personenkreis des § 54 Abs. 1 StPO übereinstimmt, bedarf jeder der vom Amtsträgerbegriff umfassten Personen eine Aussagegenehmigung, wenn er als Zeuge vernommen werden soll. Die analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften auf nichtbeamtete Amtsträger ist im Fall des Zeugen möglich und in der Sache auch erforderlich, um einen Gleichlauf der in § 54 Abs. 1 StPO genannten Personen zu gewährleisten. Da in diesem Fall der Amtsträger nicht in seinen eigenen Rechten berührt wird – er ist in erster Linie ein Beweismittel – ist die Möglichkeit einer analogen Anwendung auch vor diesem Hintergrund zu bejahen. Unterschiedlich muss die Situation allerdings für den Amtsträger als Beschuldigten beurteilt werden. Eine analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften auf den nichtbeamteten Amtsträger ist in diesem Fall nicht möglich. So sind bereits die Voraussetzungen für eine Analogie nicht gegeben. Eine Regelungslücke kann aufgrund der unterschiedlich ausgestalteten Verschwiegenheitspflichten nicht angenommen werden. Selbst bei gegenteiliger Ansicht muss eine Analogie daran scheitern, dass eine entsprechende Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften gegen das Gebot des Gesetzesvorbehalts verstoßen würde. Die Schaffung von Ermächtigungsgrundlagen muss dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Gegenüber dem Beamten beziehungsweise Richter darf die Aussagegenehmigung nur versagt werden, wenn dienstliche Rücksichten dies unabweisbar erfordern. Bereits aus Verhältnismäßigkeitsgründen wird es kaum möglich sein, eine Aussagegenehmigung in Gänze zu verweigern. Aufgrund des nur schwer bestimmbaren Begriffs der dienstlichen Rücksicht muss dieser mit großer Vorsicht angewandt werden. Es werden nur solche Fälle erfasst, in denen durch die Aussage entweder äußerst gewichtige Rechtsgüter eines Dritten unmittelbar gefährdet werden oder die Aussage dazu führt, dass die Aufgabenerfüllung durch die Behörde schlichtweg unmöglich oder nachhaltig gestört wird (z. B. durch Offenbarung der Erkenntnisquellen oder Beschaffungsmethoden). In der Praxis wird es sich daher auf Bereiche beschränken, bei denen ein gesteigertes Geheimhaltungsinteresse unabweisbar anzunehmen ist. Als Beispiel hierfür kann der Einsatz verdeckter Ermittler im Bereich der organisierten Kriminalität oder im Bereich der nachrichtendienstlichen Erkenntnisgewinnung genannt werden. Nichtbeamtete Amtsträger sind nicht vom Vorliegen einer Aussagegenehmigung abhängig, jedoch findet sich vielfach das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung niedergelegt im Arbeitsvertrag oder in den Allgemeinen Geschäfts- und Dienstanweisungen. Diese Einschränkung kann zwar für das Strafverfahren keine Bedeutung erlangen, gleichwohl stellt die Missachtung



§ 9 Zwischenfazit143

dieses Erfordernisses gegenüber dem Arbeitgeber eine Pflichtverletzung dar. In der Sache ist die Situation daher vergleichbar. Dennoch darf der feine Unterschied im Vergleich zur Aussagegenehmigung nicht verkannt werden. Das Erfordernis der Aussagegenehmigung bezieht sich bereits auf das gegenständliche Verfahren, in dem der Amtsträger seine Verschwiegenheitspflicht brechen will, um sich zu verteidigen. Sie weist zu diesem Strafverfahren also einen unmittelbaren Bezug auf. Demgegenüber weist die bloße Androhung der strafrechtlichen Sanktionierung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht keinen unmittelbaren Bezug auf, sondern wirkt sich lediglich mittelbar auf die Stellung des Beschuldigten aus. Sowohl Berufsgeheimnisträger als auch der Beschäftige eines Unternehmens unterliegen regelmäßig einer strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht. Wird der Betreffende von dieser Pflicht nicht entbunden, steht er vor der Frage, ob eine Verletzung dieser Pflicht zu rechtfertigen ist, wenn nur auf diesem Weg eine effektive Verteidigung möglich ist. Beide Vergleichsgruppen geben einen ersten Hinweis, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkt ein Bruch der Amtsverschwiegenheit einer Lösung zugeführt werden kann. Die Rechtfertigung wird sich maßgeblich an den Anforderungen des § 34 StGB orientieren. Scheint dieser Weg zumindest für den Berufsgeheimnisträger bereits vorgezeichnet zu sein, müssen beim Amtsträger die Unterschiede bedacht werden, die aus dem geschützten Rechtsgut und den aufgezeigten Besonderheiten des jeweiligen Rechtsverhältnisses resultieren.

Drittes Kapitel

Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers Eng verbunden mit der rechtlichen Begründung und dem Umfang der Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers ist die Frage, ob er sich gegen diese Pflicht, die ihn hindert, alles vorzutragen, um sich gegen den erhobenen Vorwurf zu verteidigen, gerichtlich zur Wehr setzen kann. Der Umstand, dass der Amtsträger gegebenenfalls einen Anspruch darauf hat, von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden zu werden, wird für die spätere Untersuchung der Rechtfertigung von erheblicher Bedeutung sein, weil sich die Anwendbarkeit des rechtfertigenden Notstandes maßgeblich nach dem hierzu gefundenen Ergebnis richten wird. Denn besteht für den Amtsträger die Möglichkeit, eine rechtswidrige Versagung der Aussagegenehmigung anzufechten, könnte hierdurch – im Sinne des § 34 StGB – die „Gefahr“ anders abwendbar sein, was an späterer Stelle ausführlich untersucht wird.1 Die bereits bei der Darstellung der Verschwiegenheitspflicht festgestellten Unterschiede, die aus der Ausgestaltung des jeweiligen Rechtsverhältnisses resultieren, setzen sich bei der Frage der Rechtsschutzmöglichkeiten zwangsläufig fort. Die nachfolgende Darstellung befasst sich daher zunächst mit der Personengruppe innerhalb des Amtsträgerbegriffs, für die die beamtenrechtlichen Vorschriften gelten, also die Gruppe der Beamten und Richter (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB). Nur für sie besteht nach der hier vertretenen Auffassung das Erfordernis einer Aussagegenehmigung.2 Im Anschluss folgt die Untersuchung für die Amtsträger, für die ein solches Erfordernis der Einholung einer Aussagegenehmigung nicht besteht.

§ 10 Rechtsschutz gegen die Versagung der Aussagegenehmigung Ist der Beamte auf die Erteilung einer Aussagegenehmigung angewiesen, um sich vor Gericht äußern zu dürfen, muss zunächst festgestellt werden, in welchem Rechtsweg er sich gegen die ablehnende Entscheidung wehren kann. Ein Rechtsschutzmittel gegen die Versagung der Aussagegenehmigung 1  Ausführlich 2  Siehe

Kapitel 5 § 21 III. Kapitel 2 § 7 II. 2.



§ 10 Rechtsschutz gegen die Versagung der Aussagegenehmigung145

stellt in erster Linie die Durchführung des Widerspruchsverfahren dar, welches auch Voraussetzung für die Erhebung der Verpflichtungsklage ist (§ 68 Abs. 2 VwGO).3 Dass die Durchführung eines Widerspruchsverfahren stets eine notwendige Sachentscheidungsvoraussetzung ist, selbst wenn der Verwaltungsakt von einer obersten Bundes- oder Landesbehörde erlassen wurde, ergibt sich aus beamtenrechtlichen Regelungen, die anordnen, dass ein Widerspruchsverfahren in jedem Fall zwingend durchzuführen ist (§ 54 Abs. 2 BeamtStG bzw. § 126 Abs. 2 BBG). Wird dem Widerspruch durch die Behörde nicht abgeholfen, steht dem Beamten die Möglichkeit offen, den Ablehnungsbescheid gerichtlich überprüfen zu lassen (§ 68 Abs. 2 VwGO). Aufgrund der Rechtsnatur der Versagung der Aussagegenehmigung als Verwaltungsakt und der Beamteneigenschaft des Adressaten scheint der Verwaltungsrechtsweg somit unproblematisch eröffnet zu sein.4 Anders wäre die Frage aber zu entscheiden, wenn es sich bei Versagung um einen Justizverwaltungsakt handeln würde. Läge ein solcher vor, wäre der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet (§ 23 Abs. 1 EGGVG).

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist eröffnet, wenn aufgrund der in § 126 Abs. 1 BBG und § 54 Abs. 1 BeamtStG5 angelegten Sonderzuweisung von einer beamtenrechtlichen Streitigkeit ausgegangen werden muss. Voraussetzung für die Annahme einer beamtenrechtlichen Streitigkeit ist, dass es sich um die Klage eines Beamten, Ruhestandsbeamten, früheren Beamten oder dessen Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis handelt. Dies scheint im Fall der Aussagegenehmigung der Fall zu sein. Vereinzelt wurde hierzu jedoch die Ansicht vertreten, dass eine Klage gegen die Versagung der Aussagegenehmigung nicht im Verwaltungsrechtsweg geführt werden dürfe, weil es sich in der Sache um einen Justizverwaltungsakt handele und somit der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet sei.6 Ein Justizverwaltungsakt liegt gem. § 23 Abs. 1 EGGVG vor, wenn es sich um eine Anordnung, Verfügung oder sonstige Maßnahme handelt, die von den 3  Schenke,

Rn. 645. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist auch für das Widerspruchsverfahren notwendige Voraussetzung. 5  Umstritten ist, ob § 126 Abs. 1 und Abs. 2 BRRG neben den genannten Vorschriften noch einen eigenständigen Anwendungsbereich hat, vgl. Kopp / Schenke, § 40 Rn. 75. 6  Baring, ZBR 1956, 37 (39); ähnlich zuletzt Laue, ZStW 120 (2008), 246 (271), der dies allerdings an die Einführung eines „In-camera“-Verfahrens für das Strafverfahren knüpft. 4  Die

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3. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers

Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet der Strafrechtsrechtspflege getroffen wird. Ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 1 VwVfG muss dagegen gerade nicht vorliegen. Ausreichend ist jede hoheitliche Maßnahme in diesem Bereich.7 Zur Begründung für die Annahme eines Justizverwaltungsaktes wird auf den Sachzusammenhang abgestellt.8 In der Sache ergehe, so die Vertreter der Ansicht dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist, die Maßnahme auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, weil sie sich auf das gegenständliche Strafverfahren auswirke. Allein aufgrund der formalen Einordnung als behördliches Verwaltungsverfahren dürfe dieser Sachzusammenhang daher nicht ignoriert werden. Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht. Das Bundesverwaltungsgericht und die ihm nachfolgenden Gerichte nehmen zutreffend an, dass die Klage des Beamten gegen die Versagung der Aussagegenehmigung unter den Anwendungsbereich von § 126 Abs. 1 BBG beziehungsweise § 54 Abs. 1 BeamtStG fällt.9 Der Einwand eines vorrangig zu beachtenden Sachzusammenhangs im Hinblick auf den Bereich der Strafrechtspflege greift nicht durch. Bereits aufgrund der Stellung der genannten Vorschriften innerhalb der Beamtengesetze kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich in der Sache um einen Justizverwaltungsakt auf dem Gebiet der Strafrechtspflege handelt.10 Neben diesem systematischen Argument besteht ein solch behaupteter Sachzusammenhang auch in der Sache nicht. Der Rechtswegzuweisung zu den ordentlichen Gerichten in § 23 Abs. 1 EGGVG liegt nämlich die Annahme zugrunde, dass den Justizbehörden die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsmaßnahmen in den dort genannten Gebieten eher möglich sei als den anderen Gerichtszweigen. Aus diesen rein sachlichen Erwägungen sollen sie auch die genannten Streitigkeiten beurteilen.11 Will die gesetzliche Regelung somit erreichen, dass das sachnähere Gericht entscheidet, kann aber gerade nicht von einer Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ausgegangen werden, weil es sich bei der Versagung der Aussagegenehmigung bei näherer Betrachtung nicht um eine Maßnahme auf dem Gebiet der Strafrechtspflege handelt. Allein die zuständige Behörde ist zur Entscheidung berufen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Aussagegenehmigung unter Berücksichtigung der beamtenrechtlichen Vorschriften 7  KK-StPO / Mayer, § 23 EGGVG Rn. 21; MüKo-ZPO / Pabst, 5.  Aufl., §  23 EGGVG Rn. 3. 8  Baring, ZBR 1956, 37 (39). 9  Grundlegend: VG Wiesbaden Urt. v. 24.2.1950  – II 3 1342 / 49, NJW 1950, 799; BVerwG Urt. v. 24.6.1982  – 2 C 91 / 81, BVerwGE 66, 39 (41); VG Frankfurt a. M. Beschl. v. 1.12.2010 – K 4550 / 10, BeckRS 2011, 46346. 10  Ziegler, S. 148. 11  BGH Beschl. v. 24.6.1998 – 5 AR (VS) 1 / 98, BGHSt 44, 107 (112 f.).



§ 10 Rechtsschutz gegen die Versagung der Aussagegenehmigung147

gegeben sind.12 Es handelt sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, dass die Exekutive im Wege der Vorabkontrolle feststellen soll, ob durch die Aussage wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden. Zwar muss die Behörde die Auswirkung ihrer Entscheidung für das Strafverfahren im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung mitberücksichtigen, jedoch handelt es sich in der Sache um eine originäre Entscheidung der Exekutive. Die Streitigkeit um die Erteilung der Aussagegenehmigung muss somit im Verwaltungsrechtsweg ausgetragen werden.

II. Rechtsmittel des Beamten Als statthafter Rechtsbehelf kommt die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) in Form der Versagungsgegenklage in Betracht.13 Hat der Beamte einen Antrag auf Erteilung der Aussagegenehmigung gestellt, wurde dieser aber von der Behörde nach Ablauf einer gewissen Frist nicht beschieden, kann der Antragssteller auch die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage als Unterfall der Verpflichtungsklage erheben (§ 75 VwGO). Sein Rechtsschutzbegehren ist nicht darauf gerichtet, die Aussagegenehmigung isoliert anzufechten, sondern den Verwaltungsakt aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine entsprechende Genehmigung zu erteilen. Die Klage ist somit auf den Erlass eines Vornahmeurteils gerichtet, da die Behörde, wenn die Voraussetzungen für die Versagung der Aussagegenehmigung nicht gegeben sind, verpflichtet ist, dem Kläger diese zu erteilen.14 Begehrt der Beamte die Erteilung der Aussagegenehmigung im einstweiligen Rechtsschutz, ist eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO statthaft. Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang das Problem der dem Grunde nach unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache. Die Entscheidung im Eilrechtsschutz würde aber im Fall des beschuldigten Amtsträgers aber zwangsläufig zu einer endgültigen Vorwegnahme führen, weil es dem Antragssteller entweder gestattet wird auszusagen oder nicht. Dies steht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aber nicht prinzipiell entgegen.15 Die endgültige Vorwegnahme ist allerdings nur zulässig, wenn eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr abgewartet werden 12  Siehe

Kapitel 2 § 7 III. näher eingegangen werden soll an dieser Stelle auf den Rechtsbehelf der Remonstration (§ 63 Abs. 2 BBG, § 36 Abs. 2 BeamtStG) und den formlosen Rechtsbehelf der Gegenvorstellung. Beide Rechtsbehelfe weisen für die Fragestellung nur eine geringe Relevanz auf. 14  Siehe Kapitel 2 § 7 III. 15  VGH München Beschl. v. 28.4.2014  – 3 CE 13.2600, (juris); VG Düsseldorf Beschl. v. 29.6.2015 – 13 L 1133 / 15, StV 2015, 485; a. A. Schmid, JR 1978, 8 (9). 13  Nicht

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3. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers

kann und das Begehren des Antragsstellers nach strenger summarischer Prüfung aller Voraussicht nach auch im Hauptsacheverfahren erfolgreich sein wird.16 Dies erfordert, dass der Antragssteller den Regelungsgrund besonders deutlich herausstellen muss. Als Adressat der Versagung ist der Beamte ohne weiteres klage- bzw. antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Eine Verletzung in eigenen Rechten ist im Fall der verweigerten Aussagegenehmigung stets gegeben.

III. Anforderungen an die Darstellung der Versagungsgründe Ein weiterer Aspekt bei der Behandlung der Rechtsschutzmöglichkeiten ist die Frage, in welchem Umfang seitens der Behörde die Umstände gegenüber dem Beamten dargelegt werden müssen, die für die Versagung der Aussagegenehmigung ausschlaggebend waren. Dabei ist zu bedenken, dass eine vollumfängliche Darlegung dem Zweck der Versagung unterlaufen würde, da die genauen Versagungsgründe selbst Gegenstand der Geheimhaltung sind. Auf der anderen Seite muss dem Adressaten die Möglichkeit gegeben werden, nachzuvollziehen, aus welchen Gründen ihm die Genehmigung versagt wurde, um zu entscheiden, ob er sich gegen diese Entscheidung zur Wehr setzen will. Diesen Zwiespalt hat die frühere beamtenrechtliche Literatur und Rechtsprechung weitgehend ignoriert und eine Begründungspflicht bei der Versagung der Aussagegenehmigung verneint. Es sei allgemein anerkannt, dass die Entscheidung ihrer Natur nach keiner Begründung bedürfe, da andernfalls das Ziel der Aussagegenehmigung gefährdet sei.17 Dass eine solche Ansicht nach der heutigen Rechtslage nicht mehr vertretbar ist, ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz, denn § 39 Abs. 1 VwVfG sieht eine entsprechende Begründungspflicht vor.18 Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist eine ausreichende Begründung zwingend erforderlich, um dem Rechtsstaatsprinzip zu genügen.19 Zwar sind die Anforderungen, die an eine ausreichende Begründung zu stellen sind, je nach Einzelfall unterschiedlich, jedoch müssen die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe 16  BVerwG Beschl. v. 13.8.1999  – 2 VR 1 / 99, BVerwGE 109, 258; VGH München Beschl. v. 28.4.2014 – 3 CE 13.2600, (juris). 17  OVG Münster Bescheid v. 26.1.1960  – VIII A 458 / 59, ZBR 1960, 117 (119); VG Wiesbaden Urt. v. 24.2.1950 – II 3 1342 / 49, NJW 1950, 799; Düwel, S. 196. 18  Der Anwendungsbereich bezieht sich unmittelbar nur auf schriftliche Verwaltungsakte. Doch selbst im Fall der theoretisch möglichen mündlichen Versagung muss von einer Begründungpflicht ausgegangen werden, wenn keine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt, vgl. Stelkens / Bonk / Sachs / Stelkens, § 39 Rn. 12. 19  BVerfG Beschl. v. 26.5.1981 – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 57, 250 (288).



§ 10 Rechtsschutz gegen die Versagung der Aussagegenehmigung149

benannt werden, die Grundlage der behördlichen Entscheidung waren.20 Gleichwohl darf das Geheimhaltungsinteresse nicht vollständig zurückgedrängt werden. Aus diesem Grund muss die Versagung nicht im Einzelnen begründet werden, sondern es reicht aus, wenn der Adressat in den Stand versetzt wird, die Notwendigkeit der Versagung zu überprüfen, ohne hierbei das Geheimhaltungsinteresse unzulässig einzuschränken.21 Schutzwürdige öffentliche Interessen, insbesondere solche, die die Arbeitsweise und die Erkenntnismittel einer Behörde betreffen, sind lediglich so nachvollziehbar darzulegen, dass sie unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten noch als triftig angesehen werden können.22

IV. „In-camera“-Verfahren Zu unterscheiden von der Frage, in welchem Umfang die Behörde verpflichtet ist, ihre Entscheidung gegenüber dem Adressaten zu begründen, ist die Frage, in welchem Umfang sie dem Gericht die entscheidungserheblichen Urkunden und Akten zur Verfügung stellen muss. Der Rechtsschutz wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn das Gericht nicht in die Lage versetzt wird, den zugrunde liegenden Sachverhalt untersuchen zu können. Weigert sich die Behörde, die entsprechenden Unterlagen und Akten dem Gericht zu übergeben, führt dies dazu, dass die Rechtsschutzmöglichkeit des Betroffenen massiv eingeschränkt wird und letztlich mit dem Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar ist. Galt unter § 99 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 2 S. 1 VwGO a. F. noch der Grundsatz, dass auch im Hinblick auf die Verweigerung der Aktenvorlage die bloße Glaubhaftmachung seitens der Behörde ausreichte,23 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein solches Vorgehen nicht mit Grundgesetz zu vereinbaren ist. Das Gericht führte hierzu aus, dass Art. 19 Abs. 4 GG, an dem diese Einschränkung zu messen ist, verlange, dass in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine wirksame gerichtliche Kontrolle möglich sein muss.24 Dies sei dann nicht mehr der Fall, wenn bereits für die Versagung der Genehmigung die glaubhafte Darlegung der Versagungsgründe ausreicht, weil in einem solchen Fall die Begründung für die Versagung der Aktenvorlage inhaltsgleich sind.25 Einen Ausgleich zwischen den legitimen Geheim20  Stelkens / Bonk / Sachs / Stelkens,

§ 39 Rn. 45; Ziegler, S. 156. Beschl. v. 26.5.1981 – 2 BvR 215 / 81, BVerfGE 57, 250 (288). 22  BVerwG Beschl. v. 29.10.1982 – 4 B 172 / 82, BVerwGE 66, 233 (236). 23  BVerwG Urt. v. 24.6.1982  – 2 C 91 / 81, BVerwGE 66, 39 (44); Bickenbach, VBlBW 2003, 295; Kornblum, S. 170; Spiegels, BayVBl 2004, 208. 24  BVerfG Beschl. v. 25.2.1960 – 1 BvR 239 / 52, BVerfGE 101, 106 (122). 25  BVerfG Beschl. v. 25.2.1960 – 1 BvR 239 / 52, BVerfGE 101, 106 (126). 21  BVerfG

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3. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers

haltungsinteressen der Behörde und der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes könne nur durch ein sog. „In-camera“-Verfahren erfolgen. Bei einem solchen Verfahren ist die Behörde verpflichtet, dem Gericht alle entscheidungserheblichen Akten zu überlassen, jedoch entscheidet das Gericht in einem Zwischenverfahren ohne mündliche Verhandlung und ohne Kenntnisnahmemöglichkeit des Betroffenen, ob die Zurückhaltung der Akten für das Hauptverfahren zulässig ist. Eine Entscheidung in der Hauptsache trifft das Gericht aber nicht.26 Der Gesetzgeber griff diese Anregung des Bundesverfassungsgerichts auf und fügte im Jahr 2001 das „In-camera“Verfahren in § 99 Abs. 2 VwGO ein.27 Nach § 99 Abs. 1 VwGO sind nunmehr alle Behörden dazu verpflichtet, dem Gericht alle Urkunden und Akten vorzulegen. Eine solche Pflicht besteht ausnahmsweise nicht, wenn das Bekanntwerden des Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen (§ 99 Abs. 1 S. 2 VwGO). Die Gründe, die zur Verweigerung der Aktenvorlage berechtigen, stimmen mit den Voraussetzungen, die an die Versagung der Aussagegenehmigung zu stellen sind, überein, weshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.28 Weigert sich die Behörde nun in einem Verwaltungsrechtsstreit, die der Entscheidung zugrundeliegenden Akten dem Gericht zur Verfügung zu stellen, kann jeder Beteiligte die Durchführung des „In-camera“-Verfahrens beantragen (§ 99 Abs. 2 S. 1 VwGO). In prozessualer Hinsicht handelt es sich um ein Zwischenverfahren, das mit dem für die Hauptsache bindenden Beschluss endet, der feststellt, ob die Verweigerung der Aktenvorlage rechtmäßig erfolgte oder ob die Behörde verpflichtet ist, dem Gericht der Hauptsache die Akten vorzulegen.29 Das für die Durchführung des „In-camera“-Verfahrens zuständige Gericht prüft zunächst, ob der Antrag auf Durchführung des Zwischenverfahrens zulässig ist. Ein solcher ist nur zulässig, wenn es auf den Inhalt der geheimhaltungsbedürftigen Akten für das Hauptsacheverfahren ankommt. Bereits an dieser Stelle muss der zuständige Fachsenat30 eine eigene Abwägungsentscheidung treffen, inwiefern eine Aktenvorlage für das Hauptverfah26  Vogel,

27  Gesetz

ZIS 2017, 28 (31). zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts (RmBereinVpG), BGBl. I 2001

S. 3987. 28  Siehe oben Kapitel  2 § 7 III.; ausführlich zu den Verweigerungsgründen des § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO: Kornblum, S.  172 ff. 29  BVerwG Urt. v. 20.10.2016 – 2 A 2 / 16, NVwZ 2017, 232 (234); Gärditz / Gärditz, § 99 Rn. 70; Kopp / Schenke, § 99 Rn. 21. 30  Zuständig ist gem. § 99 Abs. 2 S. 1 das Oberverwaltungsgericht. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Aktenvorlage ist gem. § 99 Abs. 2 S. 2 VwGO das Bundesverwaltungsgericht zuständig.



§ 11 Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes151

ren erforderlich ist.31 In einem zweiten Schritt hat das Gericht unter Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich dem Offenlegungsinteresse und dem Geheimhaltungsinteresse, über den Umfang der Vorlagepflicht zu entscheiden. Die hiermit verbundene Einschränkung, dass der Beamte keine Kenntnis über den Inhalt der Akten erhält, stellt eine verfassungsrechtliche zulässige Einschränkung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.32 Nicht verwechselt werden darf die Gewährung des effektiven Rechtsschutzes auf verwaltungsrechtlicher Ebene mit der Frage, ob ein „In-camera“Verfahren auch im Strafprozess denkbar ist. Der Durchführung eines solchen Zwischenverfahrens ist das Bundesverfassungsgericht entschieden entgegengetreten.33 Der Anspruch auf rechtliches Gehör, dem im Strafverfahren eine überragende Bedeutung zukommt,34 lasse es nicht zu, geheim zu haltende Tatsachen nur gegenüber dem Gericht offenzulegen.35 Sofern allerdings vorgeschlagen wird, dass eine erweiterte Form des „In-camera“-Verfahrens unter Beteiligung des Beschuldigten und seines Rechtsanwaltes die verfassungsrechtliche Hürde überwinden könnte,36 ist dem zwar grundsätzlich zuzustimmen, jedoch wird die weitere Untersuchung zeigen, dass es eines solchen Verfahrens in der vorliegenden Konstellation nicht bedarf.37 Jedenfalls kann das Argument, dass hierdurch eine unnötige Aufspaltung des Rechtsweges vermieden würde, nicht überzeugen, weil der Anspruch auf rechtliches Gehör dem Inhaber nicht das Recht vermittelt, diesen in einem bestimmten Verfahren oder in einer bestimmten Form wahrzunehmen.38

§ 11 Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes Unklar ist hingegen die Situation für den Amtsträger, der in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB). Vorab ist zu bedenken, dass weder der Inhaber eines öffentlichrechtliches Amtes noch die Gruppe der sonstigen Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB) auf das Erfordernis einer Aussagegenehmigung ange31  Spiegels,

BayVBl 2004, 208 (211). Beschl. v. 25.2.1960  – 1 BvR 239 / 52, BVerfGE 101, 106 (129); BVerwG Urt. v. 20.10.2016 – 2 A 2 / 16, NVwZ 2017, 232 (233 f.). 33  BVerfG Beschl. v. 19.1.2006  – 2 BvR 1075 / 05, NJW 2006, 1048; BVerfG Beschl. v. 9.9.2013 – 2 BvR 533 / 13, NStZ-RR 2013, 379 (380). 34  Siehe hierzu Kapitel 2 § 7 I. 1. 35  Beulke, StPO Rn. 248; Meyer-Goßner / Schmitt, § 96 Rn. 7; Müller, Behörd­liche Geheimhaltung, S. 39; a. A. Laue, ZStW 120 (2008), 246 (270 f.); Pohlreich, S.  106 ff. 36  Laue, ZStW 120 (2008), 246 (271). 37  Siehe Kapitel 5 § 21 III. 2. 38  Vgl. Kapitel 2 § 7 I. 1. 32  BVerfG

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3. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers

wiesen sind. Die Rechtsschutzsituation muss demnach eine andere sein, weil diese Amtsträger im Grunde genommen gar keinen Rechtsschutz benötigen, denn sie unterliegen von vornherein keiner verfahrensrechtlichen Einschränkung. Nichtsdestotrotz erlangt diese Frage bei der Beurteilung der Strafbarkeit und insbesondere der Rechtfertigung der Handlung eine erhebliche Bedeutung und muss aus diesem Grund vorab geklärt werden. Bereits die Beantwortung der Frage, ob überhaupt ein Anspruch für den Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes gegeben ist und in welchem Rechtsweg dieser durchgesetzt werden kann, bereitet erhebliche Schwierigkeiten und kann nicht einheitlich beantwortet werden. Die Unter­ suchung zu den rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht des Inhabers eines öffentlich-rechtlichen Amtes hat gezeigt, dass sich viele Regelungen am Beamtenrecht orientieren.39 So braucht etwa der Bundesminister ebenfalls eine Aussagegenehmigung, wenn er als Zeuge vernommen werden soll (§§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 1 BMinG). Es existieren aber keine Regelungen, die ausdrücklich vorgeben, dass dem Amtsträger ein Anspruch gegen seinen Dienstherrn auf Entbindung seiner Verschwiegenheitspflicht zusteht. Das Gleiche gilt beispielsweise auch für die Parlamentarischen Staatssekretäre, die ebenfalls Inhaber eines öffentlich-rechtliches Amtes sind und für die die Regelungen des BMinG entsprechend gelten.40 Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes ist des Weiteren der Notar. § 18 Abs. 1 BNotO sieht die Möglichkeit der Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht vor, wenn derjenige, in dessen Interesse die Verschwiegenheitspflicht besteht, mit der Offenbarung einverstanden ist.41 Wie bereits dargelegt, obliegt dem Notar nicht nur eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Rechtssuchenden, sondern auch gegenüber der Öffentlichkeit.42 Auch er steht hinsichtlich dieser Pflicht in einem beamtenähnlichen Verhältnis. Aber auch für den Notar finden sich keine Regelungen, die einen Anspruch auf Entbindung von der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht beinhalten. Allerdings sollen für ihn hinsichtlich der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht die beamtenrechtlichen Vorschriften entsprechend anwendbar sein.43 Für vereinzelte Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes fehlt dagegen gänzlich an einer Regelung, wie beispielsweise für den Bundespräsidenten. Es liegt jedoch nahe, dass zumindest für die Inhaber eines öffentlichrechtlichen Amtes, bei denen die Verschwiegenheitspflicht in vergleichbarer Weise zu der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht gesetzlich ausge39  Siehe

oben Kapitel 1 § 3 III. oben Kapitel 1 § 3 III. 41  Kanzleiter, in: Bracker / Schippel, § 18 Rn. 51. 42  Kanzleiter, in: Bracker / Schippel, § 18 Rn. 2. 43  Vgl. oben Kapitel 1 § 4 II. 3.; Dütz / Thüsing, § 4 Rn. 152. 40  Siehe



§ 12 Entbindung von der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht153

staltet ist, ein entsprechender Anspruch gegeben ist. Zwar ist das öffentlichrechtliche Amtsverhältnis nicht mit dem beamtenrechtlichen Dienstverhältnis identisch, weist aber gleichwohl Berührungspunkte auf. Sowohl im Beamtenrecht als auch im Arbeitsrecht ist der Grundsatz anerkannt, dass aus dem Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis eine Fürsorgepflicht des Dienstherrn entspringt.44 Dass die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ein allgemeines Prinzip darstellt und somit jedem Rechtsverhältnis zugrunde liegt, wird auch durch die Regelung des § 241 Abs. 2 BGB bestätigt, der lediglich einen seit jeher anerkannten Rechtssatz normiert.45 Dies lässt den Schluss zu, dass auch aus dem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis eine Fürsorgepflicht folgt, aufgrund der der Amtsträger verlangen kann, von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden zu werden, wenn er seine berechtigten Interessen nicht auf andere Weise wahrnehmen kann. Die Frage, ob ein Anspruch gegeben ist, muss an dieser Stelle aber nicht beantwortet werden. Es wird sich an späterer Stelle zeigen, dass im Hinblick auf die anderen Personengruppen innerhalb des Amtsträgerbegriffs eine verallgemeinerungsfähige Antwort gegeben werden kann, so dass die Auswirkungen auf die Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht dennoch dargestellt werden kann.46

§ 12 Anspruch auf Entbindung von der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht Beruht das Anstellungsverhältnis auf einem Arbeits- beziehungsweise Dienstvertrag, wie es auf die Amtsträger zutrifft, die unter § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zu fassen sind, stellt sich in vergleichbarer Weise die Frage, ob der Amtsträger gegenüber seinem Arbeitgeber einen Anspruch darauf hat, von seiner vertraglich begründeten Verschwiegenheitspflicht entbunden zu werden. Die Antwort kann zumindest für diese Gruppe klar beantwortet werden. In der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verpflichtet ist, den Arbeitnehmer von seiner bestehenden Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.47 Die Fürsorgepflicht verlangt von ihm, jeden vermeidbaren Schaden von seinem Arbeitnehmer abzuwenden. Dazu kann auch gehören, den Arbeitnehmer von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, wenn es ihm nur auf diese Weise 44  Zur

arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht siehe sogleich Kapitel 3 § 12. 7. Aufl., § 241 Rn. 46 m. w. N. 46  Siehe hierzu Kapitel 5 § 21 III. 2. b) aa). 47  BAG Urt. v. 25.8.1966  – 5 AZR 525 / 65, BAGE 19, 55 (63); Burger / Howald, § 3 TVöD Rn. 10; Lopacki, ZBR 2016, 329 (332); Müller, öAT 2012, 102 (104). 45  MüKo-BGB / Bachmann,

154

3. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers

möglich ist, seine berechtigten Interessen zu verfolgen. Es besteht nach der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ein grundsätzlicher Unterschied hinsichtlich dessen, welche Belastungen für den Arbeitnehmer im Vergleich zum Beamten aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht hinnehmbar sind, denn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind aufgrund des Arbeitsvertrages gleichgestellte Vertragsparteien. Der Arbeitnehmer steht nicht in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zu seinem Dienstherrn, weshalb tiefgreifende Einschränkungen der eigenen Rechtsposition durch die Verschwiegenheitspflicht nicht ohne weiteres begründet werden können.48 Der Anspruch des Arbeitnehmers, von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden zu werden, besteht jedoch nicht grenzenlos. Weil auch er aufgrund seiner Treuepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, auf die Interessen der anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen, muss der Konflikt zwischen der Verschwiegenheitspflicht und der Fürsorgepflicht im Wege der gerechten Abwägung beider Interessen aufgelöst werden. Eine solche Abwägung muss vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls erfolgen.49 Besondere Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, ob sich die Verschwiegenheitspflicht auf Angelegenheiten bezieht, die im Interesse des Staats oder der Allgemeinheit geheim zu halten sind. Tritt der Arbeitnehmer eine Stelle an, die sich vor allem mit Angelegenheiten befasst, die geheimhaltungsbedürftig sind, kann von ihm wegen dieser Kenntnis erwartet werden, dass er aufgrund des Arbeitsverhältnisses bestimmten Einschränkungen unterliegt, die sich auch bei der prozessualen Durchsetzung bemerkbar machen.50 Es zeigt sich also, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitnehmers keineswegs verlangt, den Arbeitnehmer in jedem Fall von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Schnell zu beantworten ist sodann die Frage, welcher Rechtsweg eröffnet ist. Für den Arbeitnehmer ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, da es sich um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG). In der Sache ist die Klage auf die Abgabe einer Entbindungserklärung gerichtet, die als Willenserklärung anzusehen ist und im Fall der Verurteilung fingiert wird (§ 894 ZPO). Amtsträger, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle erfüllen, sind zwar nicht organisatorisch eingegliedert und stehen dementsprechend nicht in einem Anstellungsverhältnis,51 jedoch ergibt sich in diesem Fall aus dem Vertragsverhältnis ein entsprechen48  BAG

Urt. v. 25.8.1966 – 5 AZR 525 / 65, BAGE 19, 55 (63). Urt. v. 25.8.1966 – 5 AZR 525 / 65, BAGE 19, 55 (64 f.). 50  BAG Urt. v. 25.8.1966 – 5 AZR 525 / 65, BAGE 19, 55 (64 f.), in der Entscheidung war der Kläger beim Bundesamt für Verfassungsschutz beschäftigt. 51  Siehe Kapitel 1 § 3 IV. 3. b) bb). 49  BAG



§ 13 Konsequenz: Aussetzung des Strafverfahrens?155

der Anspruch auf Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht. Ist dieser nicht ausdrücklich vertraglich vereinbart, lässt sich dieser Anspruch aus dem Vertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB stützen.

§ 13 Konsequenz: Aussetzung des Strafverfahrens? Steht dem Amtsträger ein Anspruch auf Entbindung von seiner Verschwiegenheitspflicht zu, stellt sich die Frage, ob das Gericht dem beschuldigten Amtsträger vorab die Möglichkeit einräumen muss, diesen Anspruch durchzusetzen. Eine solche Pflicht könnte sich aus § 262 Abs. 2 StPO ergeben. Nach dieser Vorschrift ist das Gericht befugt, die Untersuchung auszusetzen, um das Urteil eines Zivilgerichts abzuwarten, wenn die Strafbarkeit von der Beurteilung eines bürgerlichen Rechtsverhältnisses abhängt. Die Norm spricht zwar ausdrücklich nur von der Entscheidung eines Zivilgerichts, jedoch ist geheimhin anerkannt, dass diese Vorschrift auch bei der Zuständigkeit anderer Gerichtszweige anwendbar ist.52 Die Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, steht grundsätzlich im Ermessen des erkennenden Gerichts. Hierbei ist die Bedeutung der Strafsache und die Schwierigkeit der Vorfrage mit dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung abzuwägen.53 Das Gericht muss die wesentlichen Umstände des Einzelfalls bewerten und dabei insbesondere die Beweisbedeutung und die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beachten. Die Anwendbarkeit des § 262 StPO ist dennoch für die zu untersuchende Fallgestaltung nicht gegeben. Die Vorschrift setzt nämlich voraus, dass bereits eine Handlung begangen wurde, deren Strafbarkeit von der Beurteilung eines bestimmten Rechtsverhältnisses abhängt und über die das Gericht nun zu urteilen hat. Der beschuldigte Amtsträger, der sich durch die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht verteidigen will, hat zu diesem Zeitpunkt aber noch gar keine strafbare Handlung begangen. Dies geschieht erst, die Strafbarkeit unterstellt, mit der Einlassung des Beschuldigten. Eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften auf die vorliegende Konstellation, in der sich der beschuldigte Amtsträger befindet und die dadurch gekennzeichnet ist, dass er noch keine Straftat begangen hat, erscheint auf den ersten Blick naheliegend. Allerdings wird sich im Verlauf der weiteren Untersuchung zeigen, dass es auf diese Frage nicht ankommt, weil aufgrund des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses die analoge Anwendung 52  OLG Köln Beschl. v. 13.2.1990  – 2 Ws 648 / 89, wistra 1991, 74; Jörgensen, S. 4 f.; KK-StPO / Kuckein, § 262 Rn. 2; LR-Stuckenberg, 26. Aufl., § 262 Rn. 1; SSW-StPO / Franke, § 262 Rn. 1. 53  BGH Urt. v. 3.5.1985  – 2 StR 824 / 84, NStZ 1985, 466 (468 f.); MüKoStPO / Miebach, § 262 Rn. 22; SSW-StPO / Franke, § 262 Rn. 7.

156

3. Kap.: Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers

überflüssig ist.54 Gleiches gilt im Übrigen für das Ermittlungsverfahren. Grundsätzlich ist die Staatsanwaltschaft gem. § 154d StPO befugt, die Erhebung der öffentlichen Klage von der Austragung der Vorfrage im bürger­ lichen Verfahren oder im Verwaltungsstreitverfahren abhängig machen. Einen Anspruch hierauf hat der Beschuldigte aber nicht.55

§ 14 Zwischenfazit Die gerichtliche Durchsetzung und Überprüfung der Aussagegenehmigung wird für den Beamten und diejenigen Amtsträger, auf die die beamtenrechtlichen Vorschriften Anwendung finden, vollumfänglich gewährleistet. Die Besonderheiten, die sich aus dem Geheimhaltungsinteresse ergeben, wirken sich auch auf das gerichtliche Verfahren aus. Dies macht sich bereits an den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Umfang der Begründung bemerkbar. Die Begründung muss hinreichend erkennen lassen, dass die Behörde ihre Erwägung auf triftige Gründe stützen kann. Eine detaillierte Darstellung ist nicht erforderlich. Dies verkürzt den Rechtsschutz des Beamten jedoch nicht in unzulässiger Weise, weil gegenüber dem Gericht eine vollumfängliche Vorlagepflicht besteht. Weigert sich die Behörde oder hält sie von sich aus eine besondere Geheimhaltung auch im gerichtlichen Verfahren für erforderlich, können beide Beteiligte den Umfang der Vorlagepflicht im Wege des „In-camera“-Verfahrens verbindlich feststellen lassen. Amtsträger, die nicht vom Anwendungsbereich der beamtenrechtlichen Vorschriften erfasst werden, sind vom Erfordernis der Aussagegenehmigung zwar nicht betroffen, jedoch steht ihnen ein Anspruch gegen ihren Dienstherrn zu, sie von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Dies gilt jedenfalls für die Amtsträger, deren Dienstverhältnis durch einen Arbeitsvertrag begründet wurde. Unklar ist hingegen die Situation für den Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Amtes. Bedingt durch die Besonderheiten und Unklarheiten, die dem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zugrunde liegen, kann keine pauschale Antwort gegeben werden. Ein Vergleich zu den anderen Personengruppen innerhalb des Amtsträgerbegriffs legt jedoch die Vermutung nahe, dass ein solcher Anspruch gegeben ist. Anknüpfungspunkt für einen solchen Entbindungsanspruch wäre die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers oder die allgemeine vertragliche Rücksichtnahmepflicht.

54  Siehe

hierzu Kapitel 5 § 21 III. 1. b) bb) (2). § 54 Rn. 20; a. A. Düwel, S. 198.

55  KK-StPO / Senge,

Viertes Kapitel

Die Sanktionierung von Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht Bevor auf die Frage eingegangen werden kann, ob der Bruch der Verschwiegenheitspflicht durch den Amtsträger zu Verteidigungszwecken im Strafverfahren gerechtfertigt oder entschuldigt ist, muss zunächst festgestellt werden, welche Sanktionen die Verletzung dieser Pflicht nach sich ziehen können. Die bisher untersuchten Regelungen über die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers stellen lediglich Verhaltensnormen dar, die an den Amtsträger das Gebot richten, die Amtsverschwiegenheit zu wahren. Während Verhaltensnormen somit lediglich ein bestimmtes Verhalten einfordern, ordnen Sanktionsnormen bei Nichtbeachtung des geforderten Verhaltens nachteilige Folgen für den Adressaten an.1 Verhaltensnormen benennen dementsprechend die Voraussetzungen, unter denen das vom Gesetzgeber festgelegte Schutzinteresse dem Interesse an der Vornahme einer bestimmten Handlung vorgeht.2 Sie sind der entscheidende Bezugspunkt für die strafrechtlichen Sanktionsnormen, weil sie ein bestimmtes Verhalten zum Schutz des Rechtsguts als verboten oder erlaubt bewerten.3 Prinzipiell ist davon auszugehen, dass jede strafrechtliche Regelung in zwei unterschiedliche Komponenten aufgespalten werden kann, nämlich einen Verhaltensbefehl und eine Sanktionsfolge als Konsequenz der Verletzung des Verhaltensbefehls. Jede Strafnorm setzt das Bestehen einer Verhaltensvorgabe voraus, deren Verletzung durch die angedrohte Sanktion verhindert werden soll.4 Sanktionsnormen kommt somit schlicht die Funktion zu, die Einhaltung der Verhaltensnorm abzusichern.5 Die Verhaltensvorgabe muss jedoch nicht in der Sanktionsnorm aufgehen, sondern kann unabhängig von ihr geregelt werden. Die vorherige Untersuchung hat gezeigt, dass die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers eine solche Unterscheidung erforderlich macht. Während die 1  Golla,

S. 119; Maier-Reimer, NJW 2007, 3157 (3158). S. 437; Kindhäuser, S. 30. 3  Appel, S. 437; Günther, S. 169; Kindhäuser, S.  149 f. 4  Appel, S. 79. 5  Appel, S. 441; Kindhäuser, S. 30. 2  Appel,

158 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

beamtenrechtlichen Vorschriften eine eigenständige Verhaltensvorgabe treffen, besteht insbesondere für die Gruppe der sonstigen Amtsträger eine solche Pflicht nur, wenn diese durch Gesetz vorgeschrieben oder vertraglich gesondert angeordnet wird.6 Zur Verdeutlichung sei erneut auf die Regelung zur Verschwiegenheitspflicht in den einschlägigen Tarifverträgen hingewiesen (§ 3 Abs. 2 TV-L bzw. § 3 Abs. 1 TVöD). Diese ordnen die Verschwiegenheitspflicht nicht selbst an, sondern sehen eine solche nur vor, wenn die Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen ist oder durch den Arbeitgeber gesondert angeordnet wurde. Diese Vorschriften enthalten somit kein eigenständiges Verhaltensgebot, sondern verweisen diesbezüglich auf die einschlägigen Straftatbestände, die ein entsprechendes Gebot unausgesprochen mitregeln. Den strafrechtlichen Sanktionsnormen kommt damit im Einzelfall noch die weitere Funktion zu, ein Verhaltensgebot aufzustellen, welches die Verschwiegenheitspflicht regelt. Im Mittelpunkt der nachfolgenden Darstellung stehen die Sanktionsnormen des StGB. Sämtlichen Strafvorschriften liegt eine Gemeinsamkeit zugrunde: Sie setzen allesamt voraus, dass die strafrechtliche Schutzbedürftigkeit des Geheimnisses gegeben ist, denn nicht jede unbefugte Offenbarung eines Geheimnisses erfüllt den Tatbestand eines Strafgesetzes.7 Dies leitet zur Frage über, ob der strafrechtliche Geheimnisbegriff mit dem Umfang der Verschwiegenheitspflicht gleichzusetzen ist oder ob die Verschwiegenheitspflicht in ihrem Anwendungsbereich über das strafrechtlich geschützte Geheimnis hinausgeht. Aus diesem Grund wird der Untersuchung zunächst ein allgemeiner Geheimnisbegriff vorangestellt. Im Mittelpunkt der Untersuchung der strafrechtlichen Sanktionsnormen wird § 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB stehen, der die Verletzung des Dienstgeheimnisses durch den Amtsträger sanktioniert. Selbstredend kann sich die allgemeine Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers auch auf ein Staatsgeheimnis im Sinne von § 93 StGB beziehen. Neben den Tatbeständen, die ausschließlich das öffentliche Interesse vor der unbefugten Offenbarung eines Geheimnisses schützen, muss an die vorab getroffene Unterscheidung zu den verschiedenen Schutzrichtungen der Verschwiegenheitspflichten angeknüpft werden, um eine Abgrenzung zu anderen Tatbeständen zu ermöglichen.8 Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch den Amtsträger, die im privaten Interesse besteht, kann eine Strafbarkeit nach § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB nach sich ziehen, wenn der Amtsträger ein fremdes Geheimnis offenbart, das zum persönlichen Lebensbereich einer anderen Person gehört. Verletzt der Amtsträger hingegen eine spezielle Verschwiegenheitspflicht, die sowohl im öffentlichen 6  Siehe

Kapitel 1 § 4 II. 4. Kapitel 4 § 16 I. 3. c). 8  Vgl. Kapitel 1 § 4 I. 7  Ausführlich



§ 15 Allgemeiner Geheimnisbegriff159

als auch im privaten Interesse besteht, wie beispielsweise das Steuergeheimnis, kann dies den Tatbestand des § 355 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllen. Sanktionsfolgen können sich für den Amtsträger aber nicht nur aus dem Bereich des Strafrechts ergeben. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann beispielsweise für den Beamten auch disziplinarrechtliche Folgen nach sich ziehen, die für ihn sogar weitaus gravierender sein können als das Urteil im Strafverfahren. Die Darstellung kann sich daher nicht nur auf die Untersuchung strafrechtlicher Sanktionen beschränken, sondern muss die darüber hinaus in Betracht kommenden außerstrafrechtlichen Rechtsfolgen miteinbeziehen. Während die Sanktionsmöglichkeiten des StGB für alle Amtsträger einheitlich beurteilt werden können, muss bei den außerstrafrechtlichen Konsequenzen wiederum nach dem zugrunde liegenden Dienst-, Amts-, oder Anstellungsverhältnis unterschieden werden.

§ 15 Allgemeiner Geheimnisbegriff Der Geheimnisbegriff ist das zentrale Begriffselement der strafrechtlichen Vorschriften zum Schutz der Verschwiegenheit. Auf den ersten Blick widersprüchlich setzt der Geheimnisbegriff voraus, dass das Geheimnis bekannt ist. Zumindest eine Person muss über den Inhalt des Geheimnisses Kenntnis haben, andernfalls kann kein Geheimnis existieren.9 Von einem Geheimnis kann auf der anderen Seite aber nicht mehr gesprochen werden, wenn alle Personen den Inhalt kennen oder der Personenkreis der Kenntnisinhaber nicht mehr klar abgegrenzt werden kann. Ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht, da selbstredend nicht vorausgesetzt werden kann, dass alle anderen Personen positive Kenntnis von der betreffenden Information haben müssen. Dass die Offenkundigkeit der Angelegenheit dazu führt, dass kein Geheimnis mehr vorliegt, wird dadurch bestätigt, dass sich die Verschwiegenheitspflicht von vornhe­ rein nicht auf solche Angelegenheiten bezieht (z. B.: § 67 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BBG). Neben dem objektiven Element eines eingeschränkten Kreises an Kenntnisträgern beinhaltet der Geheimnisbegriff auch eine subjektive Komponente.10 Der strafrechtliche Geheimnisschutz ist dadurch gekennzeichnet, dass der Kenntnisträger das Geheimnis nicht uneingeschränkt mit anderen Personen teilen darf. Um von einem Geheimnis im rechtlichen Sinn zu sprechen, muss aber auch eine Vorschrift existieren, die eine Weitergabe der Information verbietet. Will der Kenntnisträger das Geheimnis hingegen nicht teilen, 9  Düwel,

S. 28. S. 28.

10  Düwel,

160 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

obwohl er dies ohne weiteres dürfte, kann nicht von einem Geheimnis im rechtlichen Sinn ausgegangen werden. In diesem Fall handelte der Kenntnisträger allein aus seiner persönlichen Motivation heraus.11 Die subjektive Pflicht, die Verschwiegenheitspflicht zu wahren, wird ferner aufgehoben, wenn es dem Geheimnisträger erlaubt wird, das Geheimnis gegenüber einer bestimmten Person oder der Allgemeinheit zu offenbaren. Eine solche Erlaubnis liegt zum Beispiel im bereits angesprochenen Fall der Aussagegenehmigung vor. Der Kenntnisträger kann aber auch von Gesetzes wegen verpflichtet oder befugt sein, das Geheimnis zu offenbaren. Eine solche Offenbarungspflicht ergibt sich beispielsweise aus § 138 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, wenn sich das Geheimnis auf eine der im dortigen Katalog genannte Straftat bezieht.12 Liegen die Voraussetzungen einer Offenbarungspflicht vor, muss der Kenntnisträger den Inhalt des Geheimnisses preisgeben. Steht ihm hingegen lediglich die Befugnis zu, kann er selbst entscheiden, ob er das Geheimnis offenbaren möchte. Eine gesetzliche Befugnis, das Geheimnis zu offenbaren, resultiert beispielsweise aus den Regelungen zur Korruptionsbekämpfung, die es dem Beamten erlauben, sich beim Verdacht einer Korruptionsstraftat an eine bestimmte Stelle zu wenden.13 Weicht der Kenntnisträger allerdings vom gesetzlich vorgegebenen Weg ab, handelt es sich weiterhin um eine unbefugte Offenbarung. Als drittes Element setzt der Geheimnisbegriff schlussendlich voraus, dass an der Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse besteht. Das Geheimnis ist nicht um seiner selbst schutzwürdig, sondern nur aufgrund eines besonderen Interesses an der Geheimhaltung. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit folgt in den allermeisten Fällen bereits aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen.14 So ergibt sich beispielsweise die Geheimhaltungsbedürftigkeit eines Staatsgeheimnisses daraus, dass durch die unbefugte Offenbarung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abgewendet werden soll (§ 93 Abs. 1 StGB). Die Geheimhaltungsbedürftigkeit muss sich jedoch nicht zwangsläufig aus der Strafnorm erschließen. Die angesprochenen beamtenrechtlichen Regelungen geben die Geheimhaltungsbedürftigkeit ebenfalls – und zwar in weit umfassenderem Maße – vor (§ 37 Abs. 1 BeamtStG, § 67 Abs. 1 BBG). Sie kann sich insbesondere im Fall des Privatgeheimnisses, das hier nicht weiter von Bedeutung sein soll, aber auch aus vertraglichen Regelungen oder dem Standesrecht er11  Düwel,

S. 28. den Offenbarungspflichten siehe sogleich Kapitel 4 § 16 I. 3. c) bb). 13  Vgl. Kapitel 1 § 4 II. 1. c). 14  Siehe hierzu ausführlich Kapitel  4 § 16 I. 3. a); allgemein zum Rechtsgüterschutz: Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Eisele, AT, § 2 Rn. 1 ff.; Heinrich, AT, Rn. 3 ff.; Hoffmann-Holland, AT, Rn. 10. 12  Zu



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen161

geben. So resultiert die Geheimhaltungsbedürftigkeit der ärztlichen Schweigepflicht, die über § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB geschützt ist, aus dem Behandlungsvertrag und dem ärztlichen Standesrecht.15

§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen Der strafrechtliche Schutz der Verschwiegenheitspflicht wird durch unterschiedliche Sanktionsnormen gewährleistet, die zwar allesamt die unbefugte Offenbarung beziehungsweise Mitteilung eines Geheimnisses als Tathandlung voraussetzen, sich aber hinsichtlich ihres Schutzzweckes unterscheiden. Um eine Systematisierung der Darstellung zu ermöglichen, kann auf die oben vorgenommene Unterscheidung der unterschiedlichen Verschwiegenheitspflichten zurückgegriffen werden, die sich daran orientierte, in welchem Interesse sie besteht.16 Der Schutz der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht vor der unbefugten Offenbarung eines Geheimnisses durch den Amtsträger wird vornehmlich über § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB erreicht. Bezieht sich die Verschwiegenheitspflicht auf ein Staatsgeheimnis, sind hingegen die §§ 93 ff. StGB einschlägig. Im Unterschied zu § 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB handelt es sich aber bei den §§ 93 ff. StGB nicht um echte Amtsdelikte.17 Dies bedeutet aber wiederum nicht, dass sich der einzelne Amtsträger nicht auch nach den §§ 93 ff. StGB strafbar machen kann. Selbstverständlich kann sich die allgemeine Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers auch auf ein Staatsgeheimnis erstrecken. Auf die weiteren Unterschiede, insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen Schutzrichtung, wird in der weiteren Ausführung näher eingegangen.18 Die Verletzung spezieller Verschwiegenheitspflichten des Amtsträgers, wie etwa das Steuergeheimnis oder die besondere Verschwiegenheitspflicht aus § 5 BDSG, hat auch auf strafrechtlicher Ebene in § 355 Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 44 Abs. 1 BDSG eine Entsprechung gefunden. Auf diese wird nur in gebotener Kürze eingegangen. Eine umfassende Darstellung der einzelnen Sanktionsnormen wäre in diesem Rahmen nicht möglich und auch nicht erforderlich, um die Unterschiede darzustellen. Die Untersuchung beschränkt sich aus diesem Grund darauf, aufzuzeigen, dass spezielle Verschwiegenheitspflichten auch einen gesonderten strafrechtlichen Schutz erfahren haben. Die strafrechtliche Absicherung des Anspruchs des Bürgers auf 15  Siehe

Kapitel 2 § 8 II. 2. Kapitel 1 § 4 I. 17  AnwK-StGB / Tsambikakis, § 353b Rn. 7; Joecks, StGB, § 353b Rn. 1; SSWStGB / Bosch, § 353b Rn. 1. 18  Vgl. Kapitel 4 § 16 II. 16  Siehe

162 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Wahrung der Verschwiegenheit über seine persönlichen Angelegenheiten vor der unbefugten Offenbarung durch den Amtsträger wird vornehmlich durch § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewährleistet.19

I. Verletzung von Dienstgeheimnissen (§ 353b Abs. 1 StGB) Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch den Amtsträger kann den Tatbestand des § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllen. Die Vorschrift steht trotz der Bedenken an ihrer demokratischen Legitimation im Einklang mit dem Grundgesetz.20 Der Straftatbestand der Verletzung von Dienstgeheimnissen wurde erst im Jahr 1936 durch das „Gesetz zur Änderung des Straf­ gesetzbuchs“ in das Strafgesetzbuch aufgenommen.21 Die staatsrechtliche Grundlage für das Gesetzgebungsverfahren war seinerseits das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933. § 353b Abs. 1 StGB enthält nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts und der Literatur aber kein nationalsozialistisches Unrecht, da die Vorschrift nicht gegen elementare Prinzipien der Gerechtigkeit verstößt und sich auch nicht an spezifischen Auffassungen des nationalsozialistischen Staates orientiert.22 Dies zeigt auch der Umstand, dass bereits die Entwürfe zum Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1925 und 1927 einen vergleichbaren Tatbestand vorsahen.23 Es handelt es sich bei dieser Vorschrift um ein echtes Sonderdelikt, das nur von den in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen begangen werden kann.24 Zum Täterkreis gehört neben den für den öffentlichen Dienst besonders verpflichteten Personen (§ 353b Abs. 1 Nr. 3 StGB) und den Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnehmen (§ 353b Abs. 1 Nr. 2 StGB), auch und gerade die Gruppe der Amtsträger (§ 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB). Der Tatbestand ist verwirklicht, wenn der Amtsträger ein Geheimnis, das ihm anvertraut oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und da19  Die Abgrenzung zwischen § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB knüpft an diese Unterscheidung an, vgl. Kapitel 4 § 16 I. 1. 20  BVerfG Beschl. v. 28.4.1970  – 1 BvR 690 / 65, BVerfGE 28, 191 (197), Groß, S. 15; eingehend zur Geschichte des § 353b StGB: Brischke, S. 2 ff.; MüKo-StGB /  Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 6 f.; Möhrenschlager, JZ 1980, 161 (162 ff.). 21  RGBl. 1936 I S. 532. 22  BVerfG Beschl. v. 28.4.1970  – 1 BvR 690 / 65, BVerfGE 28, 191 (197); Behm, AfP 2004, 85 (88). 23  Linke, AöR 2016, 317 (327); Walter, v. Heintschel-Heinegg-FS 2015, 471 (478). 24  Fischer, StGB, § 353b Rn. 2; MüKo-StGB / Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 4; SSWStGB / Bosch, § 353b Rn. 1; a. A. Schönke / Schröder / Perron, § 353b Rn. 1.



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen163

durch wichtige öffentliche Interessen gefährdet. Ein besonderes Augenmerk wird im Laufe der nachfolgenden Untersuchung auf dem Geheimnisbegriff, dem Merkmal „unbefugt“ und auf dem Tatbestandsmerkmal der Gefährdung wichtiger öffentlichen Interessen liegen. Beim Merkmal des Geheimnisses wird insbesondere die Frage zu beantworten sein, ob der Geheimnisbegriff des § 353b Abs. 1 StGB mit der Reichweite der Amtsverschwiegenheit gleichgesetzt werden kann. Da nur eine unbefugte Offenbarung den Tatbestand erfüllt, wird des Weiteren zu untersuchen sein, ob das Merkmal „unbefugt“ erfüllt ist, wenn der Amtsträger zur Durchsetzung erheblicher Eigen­ interessen ein Geheimnis offenbart. Zudem muss es durch die unbefugte Offenbarung des Geheimnisses zu einer konkreten Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen kommen. Auch unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage, wie sich dieses Merkmal zur Verschwiegenheitspflicht an sich verhält. 1. Abgrenzung von Privatgeheimnis und Amtsgeheimnis Der Amtsträger wird während seiner Dienstausübung nicht nur mit Geheimnissen in Berührung kommen, deren Geheimhaltung ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht, sondern deren Geheimhaltung auch oder ausschließlich im privaten Interesse eines Dritten liegt. Lässt sich das Geheimnis dem persönlichen Lebensbereich eines Dritten zuordnen oder handelt es sich um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, liegt ein strafrechtlich geschütztes Privatgeheimnis im Sinne des § 203 Abs. 1 StGB vor. In beiden Fällen macht sich der Amtsträger strafbar, wenn er das Geheimnis unbefugt offenbart. Die erforderliche Abgrenzung zwischen dem Dienst- und dem Amtsgeheimnis muss vor allem vor der historischen Entwicklung des § 203 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB erfolgen. Die Entwicklung des strafrechtlichen Schutzes von Privatgeheimnissen gegen die unbefugte Offenbarung durch Amtsträger nahm ihren Ausgangspunkt zunächst in der Regelung des § 353b Abs. 1 StGB.25 Seit der Einführung des Straftatbestandes im Jahr 1936 erfuhr der Begriff des Amtsgeheimnisses eine extensive Auslegung, die den Anwendungsbereich der Vorschrift über den Schutz des Dienstgeheimnisses hinaus auch auf solche Fälle erstreckte, die mit dem heutigen Schutz des Privatgeheimnisses vor unbefugter Offenbarung durch den Amtsträger (§ 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB) vergleichbar sind. Erreicht wurde eine Einbeziehung über die mittelbare Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen. Eine mittelbare Gefährdung ­ konnte nach damaligem Verständnis nämlich auch dann gegeben sein, wenn 25  Ausführlich zu den vorangegangenen Reformentwürfen, die eine eigenständige Regelung vorsahen: Brischke, S.  2 ff.

164 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

sich der geheimhaltungsbedürftige Umstand zunächst auf eine Angelegenheit bezog, die nur im Interesse eines Einzelnen geheim gehalten werden musste, jedoch durch das Bekanntwerden des Geheimnisverrats durch den Beamten das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung verletzt wurde.26 In einem solchen Fall könne „das Vertrauen der Volksgenossen zu den Behörden allgemein oder zu der Behörde, der der Täter angehört, erschüttert werden“.27 War der strafrechtliche Schutz des Privatgeheimnisses somit für lange Zeit nur über die mittelbare Gefährdung wichtiger öffentlicher Inte­ ressen im Rahmen des § 353b Abs. 1 StGB möglich, schuf der Gesetzgeber erst im Jahr 1974 durch die Neufassung von § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine eigenständige Regelung zum Schutz des Privatgeheimnisses gegen die unbefugte Offenbarung durch Amtsträger. Dabei war es sein erklärtes Ziel, dass unabhängig von der bestehenden Regelung des § 353b Abs. 1 StGB die Verletzung des Privatgeheimnisses unter Strafe gestellt wird.28 Neben den Schwierigkeiten, die sich bei Anwendung des § 353b Abs. 1 StGB für den Betroffenen offenbarten,29 erkannte auch der Gesetzgeber, dass es bei der Verletzung von Privatgeheimnissen nicht entscheidend sein kann, ob hierdurch auch wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden.30 Der Anknüpfungspunkt an das Bekanntwerden des Geheimnisbruchs in der Öffentlichkeit bot keinen wirksamen Schutz des Privatgeheimnisses, weil die unbefugte Preisgabe straffrei blieb, wenn sie ihrerseits geheim blieb. Zudem war die Strafverfolgung vor der Neufassung des § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB von der Zustimmung der vorgesetzten Behörde abhängig (vgl. § 353b Abs. 4 StGB). Die verletzte Privatperson konnte eine Strafverfolgung dementsprechend nicht erzwingen.31 Der entscheidende Unterschied zwischen dem Privat- und Dienstgeheimnis muss demnach, wie die historische Entwicklung gezeigt hat, im unterschiedlichen Schutzzweck gesehen werden. Verfolgt § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB das Anliegen, das Recht des Dritten zu schützen, selbst über die Preisgabe des ihn betreffenden Geheimnisses entscheiden zu können, dient § 353b Abs. 1 StGB spätestens seit der Neufassung von § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB ausschließlich dem Schutz öffentlicher Interessen. Dementsprechend stellt § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB gerade nicht auf den Schutz des Innenverhältnisses 26  Unter

Geltung des § 359 StGB a. F. in: Pfundtner / Neubert, Stand Okt. 1941, S. 110. 28  BT-Drucks.  7 / 550, S. 240; Kindhäuser, LPK, § 203 Rn. 1; MüKo-StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 92. 29  Zum Merkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen siehe Kapitel 4 § 16 I. 4. 30  Behm, AfP 2004, 85 (87). 31  BT-Drucks. 7 / 550, S. 240. 27  Grau / Schäfer,



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen165

zwischen dem Staat und dem Amtsträger ab.32 Für das Verhältnis zwischen § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB zu § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB hat dieses Ergebnis zur Konsequenz, dass der Anwendungsbereich von § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine abschließende Regelung zum Schutz des Privatgeheimnis vor der unbefugten Offenbarung durch Amtsträger enthält. Zugleich bedeutet dies für die Auslegung des Merkmals der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen in § 353b Abs. 1 StGB, dass Privatgeheimnisse grundsätzlich nicht mehr als öffentliche Interessen angesehen werden können, auch nicht mehr über den Umweg der sog. mittelbaren Gefährdung. 2. Schutzzweck Welches Rechtsgut durch § 353b Abs. 1 StGB genau geschützt wird, ist umstritten. Der Schutzzweck der Vorschrift wird zum einen darin gesehen, das öffentliche Interesse zu schützen, das durch die jeweilige Verschwiegenheitspflicht erfasst wird.33 Zum anderen wird das jeweilige Geheimnis selbst als geschützt angesehen.34 Wieder andere stellen hingegen nicht ausschließlich auf das öffentliche Interesse ab, sondern sehen den Schutzzweck der Vorschrift auch darin, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verschwiegenheit amtlicher und anderer Stellen zu schützen.35 Das Bundesverfassungsgericht sieht den durch § 353b Abs. 1 StGB verfolgten Schutzzweck darin, die Aufrechterhaltung und das einwandfreie Funktionieren einer geordneten Verwaltung zu gewährleisten.36 Jedenfalls ist das Schutzgut – und darin sind sich alle Auffassungen einig – kein Individualinteresse, sondern ein Gemeinschaftswert. Es spricht viel dafür, das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung bestimmter Informationen selbst als geschützt anzusehen, welches durch die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gefährdet wird. Die öffentliche Verwaltung kann nur unabhängig und unparteiisch arbeiten, wenn über dienstliche Vorgänge Stillschweigen bewahrt wird.37

32  Dannecker, in: Graf / Jäger / Wittig, 10 StGB § 203 Rn. 170; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, § 203 Rn. 44a; SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 3; Walter, v. Heintschel-Heinegg-FS 2015, 471 (479). 33  Bär, MMR 2001, 607; Klesczewski, BT, § 21 Rn. 86; Lackner / Kühl, § 335b Rn. 1; MüKo-StGB / Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 3; Schönke / Schröder / Perron, § 353b Rn. 1; SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 1. 34  Kindhäuser, LPK, § 353b Rn. 1; NK-Kuhlen, § 353b Rn. 6; Maiwald, JuS 1977, 353 (360). 35  Fischer, StGB, § 353b Rn. 2; SK-StGB / Hoyer, 9. Aufl., § 353b Rn. 2. 36  BVerfG Beschl. v. 28.4.1970 – 1 BvR 690 / 65, BVerfGE 28, 191 (200). 37  BVerfG Beschl. v. 28.4.1970 – 1 BvR 690 / 65, BVerfGE 28, 191 (198 ff.).

166 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

3. Tathandlung Die von § 353b Abs. 1 StGB sanktionierte Tathandlung liegt im unbefugten Offenbaren eines Geheimnisses, das dem Amtsträger anvertraut wurde oder ihm sonst bekanntgeworden ist. Des Weiteren muss es durch die unbefugte Offenbarung zu einer konkreten Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen gekommen sein. Insbesondere unter diesem Gesichtspunkt wird zu untersuchen sein, ob die Offenbarung eines Geheimnisses zu Verteidigungszwecken im Strafverfahren das Merkmal „unbefugt“ erfüllt und ob in diesem Fall von einer konkreten Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen ausgegangen werden kann. a) Dienstgeheimnis Der Tatbestand setzt zunächst das Vorliegen eines Dienstgeheimnisses voraus. Ein Geheimnis im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB sind Tatsachen und Gegenstände, die lediglich einem begrenzten Personenkreis bekannt und geheimhaltungsbedürftig sind.38 Auf die Ausführungen zum allgemeinen Geheimnisbegriff und zum Unterschied zwischen dem Dienst- und Privatgeheimnis kann an dieser Stelle verwiesen werden.39 Ergänzend sei an dieser Stelle nur auf folgenden Umstand hingewiesen. Von einer offenkundigen Angelegenheit ist nicht schon deshalb auszugehen, weil bereits einzelne Außenstehende aufgrund eines zuvor erfolgten Geheimnisbruchs Kenntnis von der geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheit erlangt haben. Es würde dem Zweck der Regelung zuwiderlaufen, wenn ein bereits vollzogener Geheimnisbruch die Geheimhaltungsbedürftigkeit entfallen lässt.40 Erst wenn die Angelegenheit allgemein zugänglich ist oder sich der Einzelne aus allgemein zugänglichen Quellen darüber informieren kann, ist von der Offenkundigkeit des Dienstgeheimnisses auszugehen.41 Der Geheimnisbegriff setzt sich – wie gezeigt – aus mehreren Elementen zusammen. Neben der Kenntnis eines nur begrenzten Personenkreises und dem Bestehen einer Geheimhaltungspflicht bedarf es insbesondere der Ge38  BGH Urt. v. 23.3.2001  – 2 StR 488 / 00, BGHSt 46, 339 (341); BGH Urt. v. 9.12.2002  – 5 StR 276 / 02, BGHSt 48, 126 (129); BGH Urt. v. 16.3.2017  – 4 StR 545 / 16, (juris); Klesczewski, BT, § 21 Rn. 88; NK-Kuhlen, § 353b Rn. 10; Schönke / Schröder / Perron, § 353b Rn. 4 f. 39  Vgl. oben Kapitel 4 § 16 I. 1. 40  BGH Urt. v. 8.11.1965  – 8 StE 1 / 65, BGHSt 20, 342 (383); BGH Urt. v. 16.3.2017 – 4 StR 545 / 16, (juris); Schuldt, S. 75. 41  BGH Urt. v. 8.10.2002  – 1 StR 150 / 02, BGHSt 48, 28 (30); BGH Urt. v. 16.3.2017  – 4 StR 545 / 16, (juris); eingehend zur Frage, ob durch das Informationszugangsrecht der Tatbestand eine neue Kontur erfahren hat: Schuldt, S.  103 ff.



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen167

heimhaltungsbedürftigkeit. Auf dieses normative Element soll im Folgenden näher eingegangen werden. Es begrenzt seinem Zweck nach den strafrecht­ lichen Geheimnisbegriff, weil nur solche Angelegenheiten erfasst werden, die vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Norm als geheimhaltungsbedürftig anzusehen sind. Angelegenheiten, an deren Geheimhaltung aufgrund ihrer Bedeutung kein Interesse besteht, werden dementsprechend nicht vom Geheimnisbegriff des § 353b Abs. 1 StGB erfasst.42 Wann einer Angelegenheit keine ausreichende Bedeutung beizumessen ist, lässt sich auf unterschiedliche Weise feststellen. Das Bestehen oder auch das Fehlen der Geheimhaltungsbedürftigkeit können sich zunächst aus einer gesetzlichen Regelung ergeben. So besteht etwa keine Geheimhaltungsbedürftigkeit in den Fällen, in denen das Gesetz bereits von sich aus vorgibt, dass die Angelegenheit nicht unter die Verschwiegenheitspflicht fällt.43 Namentlich trifft dies auf die von § 37 Abs. 2 S. 1 BeamtStG und § 67 Abs. 2 S. 1 BBG geregelten Fällen zu. Demnach besteht beispielsweise an einer dienstlichen Angelegenheit, die den Verdacht einer Korruptionsstraftat begründet, schon von Gesetzes wegen kein Geheimhaltungsinteresse, wenn sie gegenüber der zuständigen Stelle offenbart wird. Demgegenüber muss aber von der Geheimhaltungsbedürftigkeit einer Angelegenheit ausgegangen werden, wenn aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift die Pflicht zu Verschwiegenheit besteht, da bereits der Wille des Gesetzgebers die Geheimhaltungsbedürftigkeit begründet.44 Gibt zum Beispiel § 6 Abs. 1 BMinG vor, dass sich die Verschwiegenheitspflicht auf alle amtlich bekanntgewordenen Angelegenheiten bezieht, ist damit zugleich die Feststellung gegeben, dass auch die von § 353b Abs. 1 StGB geforderte Geheimhaltungsbedürftigkeit gegeben ist. Dieser Befund gilt jedoch nur, wenn eine gesetzliche Regelung vorhanden ist. Denn bei konsequenter Anwendung dieses Gedankens bedeutet dies, dass § 353b Abs. 1 StGB die Verschwiegenheitspflicht nicht selbst anordnet, sondern eine solche bereits voraussetzt.45 In diesem Fall stellt § 353b Abs. 1 StGB eine reine Sanktionsnorm dar. Dies ist auch insoweit folgerichtig, wenn der Gesetzgeber die entsprechende Handlungsvorgabe in einem anderen Regelwerk vorgegeben hat, eine solche also durch § 353b Abs. 1 StGB nicht mehr erforderlich ist.

42  Matt / Renzikowski / Sinner, § 353b Rn. 10; MüKo-StGB / Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 24; NK-Kuhlen, § 353b Rn. 7; Wagner, JZ 1987b, 658 (664). 43  Vgl. Kapitel 1 § 4 II. 1. c), Kapitel 1 § 4 II. 2. c), Kapitel 1 § 4 II. 3. und 4. 44  Speziell zur beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht: BGH Urt. v. 23.3. 2001 – 2 StR 488 / 00, BGHSt 46, 339 (341); Düwel, S. 160 f. Matt / Renzikowski / Sinner, § 353b Rn. 10; Rogall, Schünemann-FS 2014, 661 (669). 45  NK-Kuhlen, § 353b Rn. 7.

168 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Bei den anderen Personengruppen innerhalb des Amtsträgerbegriffs ist die Begründung der Geheimhaltungsbedürftigkeit mit deutlich größeren Schwierigkeiten verbunden. Handelt es sich zum Beispiel um einen Amtsträger, dessen Verschwiegenheitspflicht aus den tarifvertraglichen Regelungen folgt, setzen diese ihrerseits voraus, dass andere Normen die Verschwiegenheitspflicht regeln oder sie gesondert angeordnet wird.46 Wäre nun die Bestimmung der Geheimhaltungsbedürftigkeit ausschließlich an das Bestehen einer außerstrafrechtlichen Verschwiegenheitspflicht geknüpft, würde dies dazu führen, dass innerhalb des Amtsträgerbegriffs die Situation eintreten würde, dass für manche Personengruppen eine strafrechtlich geschützte Verschwiegenheitspflicht besteht für andere hingegen nicht. Dies führt aber zwangsläufig zu einer gespalteten Auslegung bei der Bestimmung der Geheimhaltungsbedürftigkeit. Ein solcher Schluss kann vom Gesetzgeber aber weder bezweckt noch gewollt sein. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit kann sich somit nicht nur aus dem Bestehen einer außerstrafrechtlichen Regelung ergeben, sondern muss darüber hinaus auch eigenständig im Rahmen des § 353b Abs. 1 StGB möglich sein. In diesem Fall stellt die Vorschrift auch eine Verhaltensnorm dar, denn wenn es an einer außerstrafrechtlichen Verhaltensnorm fehlt, muss diese Funktion automatisch der Strafvorschrift selbst zukommen.47 Anders als teilweise verstanden, begnügt sich § 353b Abs. 1 StGB somit gerade nicht durchweg mit einer formellen Sekretur.48 Eine solche Annahme würde – wie gezeigt – zu unauflösbaren Widersprüchen innerhalb des Tatbestandes führen. Dies zeigt auch ein Vergleich zu § 353b Abs. 2 StGB, der verlangt, dass eine gesonderte Verpflichtung zur Geheimhaltung erfolgt sein muss. Um dem von § 353b Abs. 1 StGB verfolgten Schutzzweck Genüge zu tun, muss sich Geheimhaltungsbedürftigkeit in diesem Fall aus der Natur der Sache ergeben.49 Es muss sich allerdings um eine Sache von einigem Gewicht handeln, bei der sich die Geheimhaltungsbedürftigkeit ohne weiteres ergibt, um zu verhindern, dass der Begriff konturlos wird. Daran fehlt es etwa bei einfachen bürotechnischen Angelegenheiten.50 Auf zwei Konstellationen soll an dieser Stelle noch gesondert eingegangen werden. Vom Geheimnisbegriff des § 353b Abs. 1 StGB sind auch die sog. illegalen Geheimnisse erfasst. Hierbei handelt es sich um Tatsachen, die rechtswidrige Vorgänge innerhalb der Verwaltung zum Gegenstand haben. 46  Siehe 47  Zur

§ 16.

Kapitel 1 § 4 II. 4. a). Unterscheidung zwischen Verhaltens- und Sanktionsnorm siehe Kapitel 4

aber Ahrens, S. 5. § 78 Rn. 3; SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 3; Wagner, JZ 1987, 658 (664). 50  NK-Kuhlen, § 353b Rn. 12; Schuldt, S. 76. 48  So

49  Gössel / Dölling,



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen169

Zwar besteht ein nicht von der Hand zu weisendes Interesse daran, dass rechtswidrige Vorgänge innerhalb der Verwaltung aufgeklärt werden, jedoch verliert das Dienstgeheimnis noch nicht seine Geheimhaltungsbedürftigkeit, weil es sich auf einen unrechtmäßigen Zustand bezieht.51 Die gegenteilige Auffassung, die aus § 93 Abs. 2 StGB ableiten will, dass solche Geheimnisse erst Recht nicht von § 353b Abs. 1 StGB erfasst sind,52 ist nicht zu folgen. Dass auch der Verrat des illegalen Staatsgeheimnisses strafbar ist, zeigt die Vorschrift des § 97a StGB, weshalb der Erst-Recht-Schluss einer Grundlage entbehrt.53 Das Beratungsgeheimnis, das eine besondere Ausprägung der Verschwiegenheitspflicht des Richters darstellt,54 wird ebenfalls vom Geheimnisbegriff des § 353b Abs. 1 StGB erfasst. Einer Einschränkung des Geheimnisbegriffs auf Verwaltungsgeheimnisse kann vor dem Hintergrund des Schutzzwecks und der Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers nicht zugestimmt werden. Die Auffassung des OLG Düsseldorf55 und des Kammergerichts,56 wonach das Beratungsgeheimnis nicht von der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht erfasst wird, ist zwar in der Sache richtig, dies bedeutet jedoch nicht, dass es allein aus diesem Grund nicht als Geheimnis im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB aufgefasst werden kann. Die allgemeine beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht, die für Berufsrichter gleichermaßen gilt,57 erfasst das Beratungsgeheimnis nicht, weil es sich bei § 43 DRiG um eine berufstypische Sondervorschrift handelt, die das Gebot der Amtsverschwiegenheit aufgrund der verfassungsrechtlich herausgehobenen Stellung des Richters gesondert regelt.58 Bereits der Wortlaut des § 353b Abs. 1 StGB lässt aber eine Einschränkung, die das Beratungsgeheimnis als nicht erfasst ansieht, nicht zu. Eine Einschränkung auf „Verwaltungsgeheimnisse“ würde den Anwendungsbereich der Vorschrift dem Gesetzeszweck zuwider erheblich einschränken. Denkbar ist allenfalls, das Beratungsgeheimnis mangels einer konkreten Gefährdung von wichtigen öffentlichen Interessen als nicht tatbestandsgemäß aufzufassen.59 Im Ergebnis wird aber auch dies zu verneinen sein, denn ge51  Aus diesem Grund muss auch der Whistleblower mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, vgl. hierzu: Lopacki, ZBR 2016, 329 ff. 52  Grünwald, KJ 1979, 291 (300); SK-StGB / Hoyer, 9. Aufl., § 353b Rn. 5. 53  NK-Kuhlen, § 353b Rn. 15; Schuldt, S.  77 f. 54  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 2. b). 55  OLG Düsseldorf Beschl. v. 5.9.1980  – 1 Ws 419 / 80, NStZ 1981, 25; zustimmend LK-Vormbaum, 12. Aufl., § 353b Rn. 11. 56  KG Beschl. v. 8.4.1999 – 4 Ws 35–99, NStZ 1999, 427. 57  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 2. a). 58  Staats, § 43 Rn. 2. 59  OLG Köln Urt. v. 11.1.2005  – 8 Ss 460 / 04, NJW 2005, 1000; Einsiedler, NJ 2014, 6 (12); Schönke / Schröder / Perron, § 353b Rn. 5.

170 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

rade der Schutz der richterlichen Entscheidungsfindung und Unabhängigkeit stellt ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse dar. b) Kenntniserlangung Dem Amtsträger muss das Geheimnis in gerade dieser Eigenschaft anvertraut oder bekanntgeworden sein.60 Anvertraut ist dem Amtsträger die Tatsache, wenn sie ihm in einer die Verschwiegenheitspflicht begründenden Weise mitgeteilt wurde.61 Eine Angelegenheit ist dem Amtsträger bekanntgeworden, wenn er in anderer Weise von der Tatsache Kenntnis erlangt. Die Variante des Bekanntwerdens weist somit einen Auffangcharakter auf und erfasst jede Form der Kenntniserlangung, sei es durch eigene Wahrnehmungen oder Untersuchungen.62 Das Bekanntwerden setzt zudem nicht voraus, dass der Amtsträger auf rechtmäßige Weise Kenntnis erlangt.63 Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob demjenigen ein Geheimnis bekanntgeworden ist, der die geheimhaltungsbedürftige Angelegenheit selbst schafft. Als Beispiel hierfür kann auf den Staatsanwalt Bezug genommen werden, der durch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Kenntnis über einen geheimhaltungsbedürftigen Umstand erhält.64 Richtigerweise erlangt auch derjenige, der erst durch seine eigene Handlung eine geheimhaltungsbedürftige Angelegenheit schafft, Kenntnis hiervon.65 Die gegenteilige Auffassung vertritt aufgrund des Wortlauts die Ansicht, dass von einem Bekanntwerden erst dann ausgegangen werden kann, wenn das Geheimnis bereits vor Kenntniserlangung existierte. Dem lässt sich aber erwidern, dass der Kenntnis­erlangung nicht entgegensteht, dass diese mit der Existenz der geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheit zusammenfällt. c) Unbefugte Offenbarung Ausgehend vom allgemeinen Geheimnisbegriff liegt eine unbefugte Offenbarung des Dienstgeheimnisses vor, wenn es der Täter außerhalb des Personenkreises, der dazu berechtigt ist, Kenntnis über die geheimhaltungsbedürftige Angelegenheit zu haben oder unter Zuwiderhandlung bestehender Offen12. Aufl., § 353b Rn. 13; SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 5. 2. Aufl., § 353b Rn. 29; SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 5. 62  MüKo-StGB / Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 30. 63  SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 5. 64  Beispiel nach Klesczewski, BT, § 21 Rn. 89. 65  Klesczewski, BT, § 21 Rn. 90; Lackner / Kühl, § 353b Rn. 7; Schuldt, S. 80; a. A. OLG Dresden Beschl. v. 11.9.2007 – 2 Ws 163 / 07, NJW 2007, 3509. 60  LK-Vormbaum,

61  MüKo-StGB / Graf,



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen171

barungsrechte oder -pflichten, einem Dritten zugänglich macht.66 Unerheblich ist, ob der Empfänger selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, da es nur darauf ankommt, ob er zum berechtigten Personenkreis der Kenntnisträger gehört. Hat der Empfänger aber bereits auf andere Weise Kenntnis erlangt, liegt kein erneutes Offenbaren vor, da es insofern am Erfolgsunwert der Tat fehlt.67 In Betracht kommt dann allerdings eine Versuchsstrafbarkeit (§ 353b Abs. 3 StGB). Die Offenbarung des Geheimnisses ist strafrechtlich nur relevant, wenn sie unbefugt erfolgt. Das Merkmal „unbefugt“ stellt nach überwiegender Ansicht kein Tatbestandsmerkmal dar, sondern soll lediglich einen Hinweis auf die Prüfung der Rechtswidrigkeit beinhalten.68 Wird dies so gesehen, weist das Merkmal keine eigenständige Bedeutung mehr auf, sondern geht vollständig in der Prüfung der Rechtswidrigkeit auf. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Wird zugrunde gelegt, dass zur Bestimmung der Geheimhaltungsbedürftigkeit auch auf die gesetzlichen Regelungen zur Ausgestaltung der Verschwiegenheitspflicht zurückgegriffen werden muss,69 erscheint es nicht einleuchtend, dass in den Fällen, in denen bereits von Gesetzes wegen keine Geheimhaltungsbedürftigkeit angenommen wird, trotzdem von einer tatbestandsmäßigen Handlung ausgegangen werden muss. Teilt der Beamte beispielsweise im Wege der gebotenen Amtshilfe einen an sich geheimhaltungsbedürftigen Umstand einem anderen hierfür zuständigen Amtsträger mit, bezieht sich die Verschwiegenheitspflicht von vornherein nicht auf diese dienstliche Angelegenheit (§ 67 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BBG, § 37 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BeamtStG). Dennoch wäre in diesem Fall bloß von einem gerechtfertigten Verhalten des Beamten auszugehen. Noch deutlicher wird der Widerspruch, wenn dem Beamten eine Aussagegenehmigung erteilt wird. Wird dem Amtsträger im Wege eines rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes erlaubt, sich zu äußern, kann dieses Verhalten nicht zugleich den Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB erfüllen.70 Anders als der Beschuldigte muss der Zeuge in diesem Fall sogar aussagen, weil er gesetzlich hierzu verpflichtet ist. Es ist 66  NK-Kuhlen, § 353b Rn. 19; Roxin, AT  I, § 17 Rn. 59 ff.; Schönke / Schröder /  Sternberg-Lieben, Vor §§ 32 ff. Rn. 24; SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 6. 67  NK-Kuhlen, § 353b Rn. 19. 68  AnwK-StGB / Tsambikakis, § 353b Rn. 21; Fischer, StGB, § 353b Rn. 18; Lackner / Kühl, § 353b Rn. 13; Schönke / Schröder / Perron, § 353b Rn. 21; SK-StGB /  Hoyer, 9. Aufl., § 353b Rn. 14; SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 11; a. A. MüKo-StGB /  Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 37, der dem Merkmal „unbefugt“ eine Doppelfunktion zuspricht. Als Tatbestandsmerkmal anzusehen: Linke, AöR 2016, 317 (330 f.); NKKuhlen, § 353b Rn. 20; Schuldt, S. 81. 69  Siehe oben Kapitel 4 § 16 I. 3. a). 70  Zur Verwaltungsaktsakzessorietät der Aussagegenehmigung Kapitel 4 § 16 I. 3. c) ff) (1).

172 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

nicht nachvollziehbar, wenn der Zeuge trotz der Erfüllung seiner gesetz­lichen Pflicht (§ 48 Abs. 1 S. 2 StPO) den Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB erfüllen würde.71 Für die Einstufung als Tatbestandsmerkmal lässt sich im Fall der notwendigen Aussagegenehmigung des Weiteren die vor allem aus dem Umweltstrafrecht bekannte Frage heranziehen, ob eine behördliche Genehmigung bereits den Tatbestand ausschließt oder das Verhalten lediglich rechtfertigt.72 Die Antwort auf diese Frage wird dadurch ermittelt, indem festgestellt wird, ob es sich bei der Genehmigung um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt oder um repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt.73 Im ersten Fall lässt das Vorliegen einer behördlichen Genehmigung den Tatbestand entfallen, während im anderen Fall von einem gerechtfertigten Verhalten auszugehen ist. Bei einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt soll eine an sich zulässige Handlung lediglich unter behördliche Kontrolle gestellt werden. Demgegenüber ist von einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt auszugehen, wenn ein generell unerwünschtes Verhalten ausnahmsweise genehmigt werden soll.74 Für die Einordnung ist somit entscheidend, ob das genehmigungsbedürftige Verhalten bereits ohne den Aspekt der Genehmigungsbedürftigkeit einen strafwürdigkeitsbegründenden Unrechtsgehalt aufweist.75 Bei Anwendung dieses Unterscheidungsmaßstabes muss die Aussagegenehmigung bereits den Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB entfallen lassen. Die strengen Anforderungen, die an die Versagung der Aussagegenehmigung zu stellen sind, und der von der Aussagegenehmigung verfolgte Zweck76 zeigen, dass ein an sich zulässiges Verhalten unter behördliche Kontrolle gestellt werden soll, um zu verhindern, dass durch die Aussage besonders gewichtige öffentliche Interessen gefährdet werden. Die Wahrnehmung der Rechte als Beschuldigter, wozu insbesondere auch das Recht gehört, sich in einem gerichtlichen Verfahren äußern zu dürfen, kann selbstredend nicht als generell unerwünschtes Verhalten aufgefasst werden. Ist das Merkmal „unbefugt“ somit als Tatbestandsmerkmal aufzufassen, ist im Folgenden zu untersuchen, wann nun von einem unbefugten Offenbaren ausgegangen werden kann. Hierbei lassen sich zunächst eindeutige Fälle § 353b Rn. 20; Schuldt, S. 81. S. 157; SSW-StGB / Rosenau, Vor §§ 32 ff. Rn. 24. 73  Altenhain, Weber-FS 2004, 441 (442); Dannecker, in: Graf / Jäger / Wittig, 10 StGB Vor §§ 32 ff. Rn. 63; NK-Paeffgen / Zabel, Vor §§ 32 ff. Rn. 201; Rengier, ZStW 101 (1989), 874; Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben, Vor §§ 32 ff. Rn. 61. 74  Brauer, S. 51 ff.; Goldmann, S. 81; NK-Paeffgen / Zabel, Vor §§ 32 ff. Rn. 201; Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben, Vor §§ 32 ff. Rn. 61. 75  Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Mitsch, AT, § 14 Rn. 25. 76  Siehe Kapitel 2 § 7 II. und III. 71  NK-Kuhlen, 72  Golla,



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen173

unterscheiden, in denen das Merkmal „unbefugt“ nicht erfüllt ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn seitens des Berechtigten eine Aussagegenehmigung erteilt wurde oder dem Amtsträger die Befugnis zukommt, das Geheimnis zu offenbaren. Schwieriger ist hingegen die Frage zu beurteilen, ob der Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB so aufgefasst werden kann, dass keine unbefugte Offenbarung vorliegt, wenn der Amtsträger aus der nachvollziehbaren Motivation heraus handelt, sich zu verteidigen. Zusätzlich erschwert wird die nachfolgende Betrachtung durch die Besonderheiten innerhalb der Personengruppen des Amtsträgerbegriffs. Die Unterschiede, die sich aus der Anwendung unterschiedlicher Rechtsgebiete ergeben, wirken insoweit auch bei der Untersuchung des Merkmals „unbefugt“ fort. aa) Zustimmung zur Offenbarung Das Merkmal „unbefugt“ ist zweifelsfrei nicht gegeben, wenn dem Amtsträger eine Aussagegenehmigung erteilt wurde.77 Erinnert sei an dieser Stelle daran, dass nach der hier vertretenen Auffassung nur diejenigen Amtsträger eine Aussagegenehmigung bedürfen, auf die die beamtenrechtlichen Vorschriften Anwendung finden und es sich somit um ein spezifisches beamtenrechtliches Institut handelt.78 Die pauschale Verwendung des Begriffs der Aussagegenehmigung ist deswegen im Zusammenhang mit dem Amtsträgerbegriff unscharf, soweit sie sich jedenfalls auf den beschuldigten Amtsträger bezieht. Zugunsten der anderen vom Amtsträger umfassten Personengruppen entfällt das Merkmal „unbefugt“ dementsprechend, wenn die Zustimmung seitens des Berechtigten gegeben ist. Weil das Merkmal „unbefugt“ als Tatbestandsmerkmal eine eigenständige Bedeutung aufweist, muss in dieser Konsequenz abgeklärt werden, ob es sich bei der Zustimmung um ein tatbestandsausschließendes Einverständnis handelt oder um eine Einwilligung in die Verletzung des Rechtsguts. Von einem tatbestandsausschließenden Einverständnis ist auszugehen, wenn das Delikt ein Handeln gegen den Willen des Berechtigten voraussetzt.79 Aus dem systematischen Zusammenhang und der Erkenntnis, dass das Dienstgeheimnis nicht um seiner selbst geheimhaltungsbedürftig ist, sondern um die Wahrnehmung öffentlicher Interessen zu gewährleisten, ergibt sich, dass dies hier der Fall ist, weil der Tatbestand ein Handeln gegen den Willen des Berechtigten voraussetzt. 77  NK-Kuhlen, § 353b Rn. 21; Schönke / Schröder / Perron, § 353b Rn. 21a; SKStGB / Hoyer, 9. Aufl., § 353b Rn. 14. 78  Siehe Kapitel 2 § 7 II. 2. 79  Frister, AT, 15. Kap. Rn. 2; Kühl, AT, § 9 Rn. 25; Murmann, AT, § 25 Rn. 118; zu Recht kritisch zur Unterscheidung zwischen Einverständnis und Einwilligung MüKo-StGB / Schlehofer, 3. Aufl., Vor §§ 32 ff. Rn. 216 ff.

174 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

bb) Offenbarungspflicht und Offenbarungsbefugnis Wurde dem Amtsträger keine Zustimmung erteilt, liegt grundsätzlich eine unbefugte Offenbarung des Geheimnisses vor. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz muss dort anerkannt werden, wo dem Amtsträger zugleich die Pflicht auferlegt wird, das Geheimnis zu offenbaren. Eine solche Offenbarungspflicht kann zum Beispiel in § 138 Abs. 1 und  2 StGB gesehen werden.80 § 37 Abs. 2 S. 2 BeamtStG und § 67 Abs. 2 S. 2 BBG stellen dies für den verbeamteten Amtsträger ausdrücklich klar. Eine Offenbarungspflicht kann sich des Weiteren auch daraus ergeben, dass der Amtsträger verpflichtet ist, bei Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung für deren Erhalt einzutreten hat (so zum Beispiel ausdrücklich § 6 Abs. 3 BMinG).81 Während Offenbarungspflichten gerade eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht zum Schutz höherrangiger Interessen verlangen, eröffnen Offenbarungsbefugnisse dem Geheimnisträger lediglich die Möglichkeit, das Geheimnis zu offenbaren, ohne dass hierzu eine Pflicht besteht. Eine Offenbarungsbefugnis ergibt sich insbesondere aus den in den Beamtengesetzen vorgesehenen Regelungen zur Korruptionsbekämpfung.82 Im Übrigen findet sich im beamtenrechtlichen Bereich kein generelles Offenlegungsrecht.83 cc) Einordnung des Merkmals „unbefugt“ als normatives Merkmal Wurde dem Amtsträger keine Aussagegenehmigung erteilt beziehungsweise fehlt es an der Zustimmung und ist auch keine Offenbarungspflicht oder ein Offenbarungsrecht einschlägig, drängt sich die Frage auf, ob im Wege der Auslegung das Merkmal „unbefugt“ so verstanden werden kann, dass sich eine Befugnis aus der berechtigten Wahrnehmung von Verteidigungsinteressen ergibt. Eine für die Auslegung vorab zu beantwortende Frage ist, ob es sich beim Merkmal „unbefugt“ um ein normatives Merkmal handelt oder ein Blankettmerkmal vorliegt.84 Beinhaltet der Tatbestand nämlich ein normatives Merkmal, muss sich die Auslegung streng nach dem Inhalt des Rechtsgebiets 80  NK-Kuhlen,

§ 353b Rn. 23. Beschl. v. 28.4.1970  – 1 BvR 690 / 65, BVerfGE 28, 191 (202 ff.); BGH Urt. v. 8.11.1965 – 8 StE 1 / 65, BGHSt 20, 342 (367 f.); BGH Urt. v. 9.12.2002 – 5 StR 276 / 02, BGHSt 48, 126 (131). 82  Siehe oben Kapitel 1 § 4 II. 1. c). 83  Eingehend zur Frage der beamtenrechtlichen Zulässigkeit des Whistleblowings: Herold, ZBR 2013, 8 (9 ff.), Lopacki, ZBR 2016, 329 ff.; Maunz / Dürig / Grabenwarter, Art. 5 Rn. 183. 84  Brettel / Schneider, § 2 Rn. 10; Hohmann, ZIS 2007, 38 (40); Otto, JURA 2005, 538; Puppe, AT, § 8 Rn. 35. 81  BVerfG



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen175

richten, durch welches das normative Merkmal ausgefüllt wird, allerdings ohne den Inhalt der einzelnen Vorschriften, auf die Bezug genommen wird, zum Gegenstand der strafrechtlichen Vorschrift zu machen.85 Die Strafnorm gestaltet den Tatbestand somit vollständig alleine aus, bedient sich aber ausfüllungsbedürftiger Begriffe aus anderen Rechtsgebieten und macht sich deren Auslegung zu eigen.86 Gegenteiliges gilt bei Annahme eines Blanketttatbestandes. Ein solcher liegt vor, wenn der Straftatbestand nicht ein Recht oder Rechtsverhältnis beschreibt, sondern auf eine andere außerstrafrechtliche Norm zur Ausfüllung des Tatbestandes verweist (sog. Außenverweisung).87 Blankettgesetze verfügen somit über keinen (vollständigen) Tatbestand. Anerkannt ist zudem, dass auch Verweisungen innerhalb eines Gesetzes (sog. Binnenverweisungen) zur Annahme einer Blankettvorschrift führen können.88 Verfassungsrechtlich bestehen gegen diese Art der Verweisungstechnik grundsätzlich keine Bedenken.89 Charakteristisch ist in beiden Fällen jedoch, dass der Tatbestand des Strafgesetzes inhaltlich nicht vollständig geregelt und deshalb durch das Blankettgesetz ausgefüllt werden muss, weil die strafrechtliche Regelung für sich genommenen keinen Sinn hat. Während sich das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG im Fall einer Blankettvorschrift auf die Strafnorm und die ausfüllenden Vorschriften beziehen muss, gilt das Bestimmtheitsgebot im Fall des normativen Tatbestandsmerkmals nur für die Strafnorm.90 Zur Abgrenzung, ob ein Tatbestandsmerkmal nun als normatives Merkmal oder als Blankettmerkmal aufgefasst werden muss, haben sich verschiedene Ansichten herausgebildet.91 Nach einer Ansicht soll ein Blankettstrafgesetz vorliegen, wenn sich sein Regelungsgehalt lediglich darauf beschränkt, Art und Maß der Strafe vorzugeben und anzuordnen, dass derjenige zu bestrafen ist, der gegen die außerstrafrechtlich festgesetzte Handlungs- oder Unterlassungspflicht verstößt.92 Nach diesem rein formalen Kriterium ist das Merkmal „unbefugt“ kein Blanketttatbestand. § 353b Abs. 1 StGB beschränkt sich gerade nicht darauf, nur die Strafbarkeit anzuordnen. Dies verdeutlicht be85  Bülte, JuS 2015, 769 f.; Dannecker, S. 465 f.; Hohmann, ZIS 2007, 38 (40); Wittig, § 6 Rn. 14. 86  Dannecker, S. 465. 87  Brettel / Schneider, § 2 Rn. 8; Jescheck / Weigend, AT, § 12 III 2; Kindhäuser, AT, § 27 Rn. 32; Puppe, AT, § 8 Rn. 37; KK-OWiG / Rogall, Vor § 1 Rn. 16. 88  Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Eisele, AT, § 6 Rn. 67; Bülte, JuS 2015, 769 (770); Dannecker, S. 464; KK-OWiG / Rogall, Vor § 1 Rn. 16. 89  BVerfG Beschl. v. 21.9.2016 – 2 BvL 1 / 15, NJW 2016, 3648. 90  Enderle, S. 128 f.; Golla, S. 169. 91  Ausführlich hierzu Wissmann, S.  96 ff. 92  Enderle, S. 82; Fischer, StGB, § 1 Rn. 9; KK-OWiG / Rogall, Vor § 1 Rn. 16; Otto, JURA 2005, 538; Wittig, § 6 Rn. 18.

176 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

reits der Umstand, dass es durch die unbefugte Offenbarung zu einer Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen kommen muss. Der Tatbestand be­ inhaltet neben dem Merkmal „unbefugt“ somit noch ein weiteres Tatbestandsmerkmal. Demgegenüber soll nach anderer Ansicht danach abgegrenzt werden, ob der Tatbestand mit dem normativen Tatbestandsmerkmal vollständig sei und nur zur Auslegung weitere Normen hinzugezogen werden müssen.93 Aber auch nach dieser Ansicht handelt es sich beim Merkmal „unbefugt“ um ein normatives Merkmal, denn der Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB enthält bereits eine eigenständige Handlungsbeschreibung. Diese liegt im Offenbaren des Dienstgeheimnisses, das dem Amtsträger ­bekanntgeworden oder anvertraut wurde. Der Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB beschreibt somit von sich heraus in ausreichender Form, welches Rechtsgut durch ihn geschützt werden soll und welche Verhaltensweisen bei Missachtung sanktioniert werden.94 Aufgrund der Stellung der Norm innerhalb der Amtsdelikte und den jeweiligen rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht ergibt sich, dass bei der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht das Merkmal „unbefugt“ erfüllt ist. Das Merkmal „unbefugt“ ist somit als normatives Merkmal aufzufassen. Dies bedeutet für die Auslegung, dass sie sich nach dem Rechtsgebiet richten muss, auf welches das Merkmal Bezug nimmt. Muss beispielsweise im Fall der Aussagegenehmigung auf das Beamtenrecht zurückgegriffen werden, sind dessen Wertungen bei der Frage, ob das Merkmal „unbefugt“ verwirklicht ist, heranzuziehen. Sind die beamtenrechtlichen Regelungen hingegen nicht einschlägig, weil der Amtsträger nicht auf das Vorliegen einer Aussagegenehmigung angewiesen ist, muss die Auslegung dementsprechend strafrechtsautonom erfolgen. dd) Restriktive Auslegung und teleologische Reduktion des Merkmals „unbefugt“ Für alle vom Amtsträgerbegriff umfassten Personengruppen stellt sich nun gleichermaßen die Frage, ob das Merkmal „unbefugt“ bereits auf tatbestandlicher Ebene einer restriktiven Auslegung oder einer telelogischen Reduktion zugänglich ist. Konstellationen, in denen der Amtsträger seine Verschwiegenheitspflicht bricht, um sich als Beschuldigter gegen die erhobenen Vorwürfe zu verteidigen, wären demnach nicht als unbefugte Offenbarung eines Dienstgeheimnisses zu verstehen. Im Zusammenhang mit der Auslegung des Merkmals „unbefugt“ ist zudem auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) einzugehen, an dem sich die Auslegung zu orientieren hat. Es verlangt, dass die Strafbar93  Winkelbauer, 94  BVerfG

S. 12. Beschl. v. 21.6.1977 – 2 BvR 308 / 77, NJW 1977, 1815; Golla, S. 160.



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen177

keit eines Verhaltens „gesetzlich bestimmt“ sein muss. Der Einzelne muss im Voraus wissen, welches Verhalten strafrechtlich verboten ist und welche Konsequenzen bei einem Verstoß drohen.95 Gleichwohl dürfen an das Bestimmtheitsgebot keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, um zu verhindern, dass Gesetze zu starr und einzelfallbezogen wirken und somit der Vielgestaltigkeit des Lebens und den Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden können.96 Aus diesem Grund ist es dem Gesetzgeber bei der Schaffung von Straftatbeständen nicht verwehrt, auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückzugreifen.97 Die Grenze der zulässigen Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist dementsprechend erst überschritten, wenn sich der Begriff nicht anhand der gängigen Auslegungsmethoden konkretisieren lässt. Diesen Anforderungen wird § 353b Abs. 1 StGB bei einer restriktiven Auslegung des Merkmals „unbefugt“ gerecht. Unter den verschiedenen zulässigen Bedeutungen des Wortsinns verlangt die restriktive Auslegung, den Anwendungsbereich im Vergleich zu anderen zulässigen Auslegungsergebnissen eng zu fassen. Demgegenüber ist von einer extensiven Auslegung auszugehen, wenn der Anwendungsbereich weit zu verstehen wäre. Sowohl die restriktive als auch die extensive Auslegung müssen sich allerdings noch mit der Bedeutung des Kernbereichs der Norm decken.98 Der Wortsinn des Merkmals „unbefugt“ umfasst, wird der allgemeine Sprachgebrauch zugrunde gelegt, die Bedeutung, eine Handlung zu begehen, ohne das Recht hierfür zu haben. Nun kann Recht in diesem Sinn verstanden ­werden, dass nur die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefälle gemeint sind. Dies trifft vor allem auf gesetzlich vorgesehene Offenbarungspflichten und -befugnisse zu. Recht kann aber auch in dem Sinn verstanden werden, dass keine unbefugte Offenbarung vorliegt, wenn zugunsten des Täters allgemeine Rechtssätze eingreifen, die ihm sein Verhalten gestatten. Namentlich zählt zu den allgemeinen Rechtssätzen die Regelung über den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB). Eine solch weit verstandene Bedeutung des Merkmals „unbefugt“ würde jedoch Elemente der Rechtfertigung bereits vollständig auf der Ebene des Tatbestandes berücksichtigen, wenn – wie hier vertreten – dem Merkmal „unbefugt“ eine eigenständige Bedeutung als Tatbestandsmerkmal zugemessen wird.99 Noch deutlicher wird dieses Ergebnis, wenn man das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ umkehrt und im Begriff der „Befugnis“ aufge95  BVerfG Beschl. v. 26.2.1969  – 2 BvL 15 / 68, 2 BvL 23 / 68, BVerfGE 25, 269 (285); BVerfG Beschl. v. 8.5.1974 – 2 BvR 636 / 72, BVerfGE 37, 201 (207); BVerfG Beschl. v. 21.6.1977 – 2 BvR 308 / 77, NJW 1977, 1815. 96  BVerfG Beschl. v. 21.6.1977  – 2 BvR 308 / 77, NJW  1977, 1815; Köhler, AT, S. 87. 97  BVerfG Beschl. v. 22.6.1960 – 2 BvR 125 / 60, BVerfGE 11, 234 (237). 98  Larenz, S. 354. 99  Vgl. Kapitel 4 § 16 I. 3. c).

178 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

hen lässt. Die Befugnis, etwas zu tun, steht nur dem Inhaber des Rechts zu. Inhaber dieser Befugnis kann aber keinesfalls der Amtsträger sein, der aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht gerade gegenüber seinem Dienstherrn zur Wahrung des Amtsgeheimnisses verpflichtet ist. Gegen eine solch weit verstandene Auslegung spricht des Weiteren der Schutzzweck der Norm. Soll durch § 353b Abs. 1 StGB das allgemeine Interesse an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben geschützt werden, welches seinerseits wiederum voraussetzt, dass zur effektiven Aufgabenerfüllung der Geheimnisschutz gewährleistet wird, kann das Merkmal „unbefugt“ sinnvollerweise nur in dem Sinne verstanden werden, dass nur ein Verhalten nicht als „unbefugt“ angesehen werden kann, das sich auf eine Ausnahmevorschrift stützen lässt oder bei dem auf andere Weise festgestellt werden kann, dass die Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht gegeben ist.100 Dieses Ergebnis unterstreicht auch der Umstand, dass der Geheimnisbegriff des § 353b Abs. 1 StGB selbst bereits eng gefasst ist und von vornherein nur solche Geheimnisse geschützt werden, für die eine besondere Geheimhaltungsbedürftigkeit festgestellt werden kann.101 Zudem muss bedacht werden, dass § 353b Abs. 1 StGB eine weitere Einschränkung vorsieht, indem die Erfüllung des Tatbestandes nämlich daran geknüpft ist, dass durch die unbefugte Offenbarung wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden.102 Dies zeigt, dass schon der Gesetzgeber nicht jede unbefugte Offenbarung für sanktionswürdig hielt. Sieht das Gesetz aber bereits eine solche Einschränkung vor, ist kein Grund ersichtlich, dass Merkmal „unbefugt“ noch restriktiver auszulegen, ohne dabei den gesetzgeberischen Willen zu sehr einzuengen. Das Merkmal „unbefugt“ kann somit nicht zugunsten des Amtsträgers dahingehend ausgelegt werden, dass die Wahrnehmung berechtigter Verteidigungsinteressen eine Befugnis zur Offenbarung des Dienstgeheimnisses verleiht. Auch eine teleologische Reduktion des Begriffs „unbefugt“ in dem Sinne, dass Konstellationen der vorliegenden Art, in denen der Amtsträger selbst Beschuldigter ist, nicht mehr tatbestandsmäßig sein sollen, kommt nicht in Betracht. Im Gegensatz zur restriktiven Auslegung stellt die teleologische Reduktion keine Methode der Gesetzesauslegung dar, weil durch sie Sachverhalte vom Tatbestand ausgeschlossen werden, die grundsätzlich vom Regelungsbereich der Norm erfasst sind.103 Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist, dass eine Ausnahme für den Regelfall begründet werden kann.104 100  Vgl. insbesondere zur Feststellung der Geheimhaltungsbedürftigkeit für den Fall, dass sie sich nicht aus anderen Vorschriften ergibt Kapitel 4 § 16 I. 3. a). 101  Siehe Kapitel 4 § 16 I. 3. a). 102  Siehe Kapitel 4 § 16 I. 4. 103  Larenz, S. 354. 104  Gast, Rn. 355.



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen179

Der Regelfall der unbefugten Offenbarung liegt vor, wenn zugunsten des Täters keine Ausnahmen bestehen, die ihn verpflichten oder berechtigen das Dienstgeheimnis zu offenbaren. Eine teleologische Reduktion würde bedeuten, dass von einer unbefugten Offenbarung nur gesprochen werden kann, wenn besonders geschützte Interessen des Täters, zum Beispiel im Fall als Beschuldigter, nicht betroffen sind. Es stellt sich somit die Frage, ob ein solcher Ausnahmetatbestand sinnvoll begründet werden kann. Die teleologische Reduktion weist Ähnlichkeiten zur Analogie auf. Während bei der teleologischen Reduktion dem Tatbestand ein einschränkendes Merkmal hinzugefügt wird, überträgt die Analogie eine gesetzlich vorgegebene Regel auf einen vergleichbaren Sachverhalt. Beide Methoden modifizieren also den Tatbestand. Die Analogie setzt voraus, dass eine planmäßige Regelungslücke vorhanden ist, um die Ausdehnung der Norm zu rechtfertigen. Im Gegensatz dazu ist zur Begründung der teleologischen Reduktion die Feststellung erforderlich, dass die gesetzliche Regelung entgegen dem Willen des Gesetzgebers zu weitgehend verstanden wird, also eine nicht beabsichtigte Ungleichheit zwischen gewollter und tatsächlicher Wirkung der Norm festgestellt werden kann. Das Gebot der Gerechtigkeit verlangt sodann Ungleiches auch ungleich zu behandeln.105 Eine teleologische Reduktion legen aber weder der Normzweck noch die historische Entwicklung des § 353b Abs. 1 StGB nahe. Der Normzweck, der wie gesehen, ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel verfolgt,106 stellt sich nicht als planwidrig zu weit gefasst dar. Besteht ein unabweisbares Bedürfnis an einer funktionierenden öffentlichen Verwaltung, setzt dies gleichsam einen wirksamen Geheimnisschutz voraus, der strafrechtlich vor allem durch § 353b Abs. 1 StGB gewährleistet wird. Die Ausgestaltung des strafrecht­ lichen Geheimnisschutzes durch den Gesetzgeber ist zudem nicht grenzenlos erfolgt. Bereits das einschränkende Erfordernis der konkreten Gefahr für wichtige öffentliche Interessen und das Ermächtigungserfordernis (§ 353b Abs. 4 S. 1 StGB) begrenzen die Strafverfolgung. Dass darüber hinaus weitere Aspekte geeignet sein sollen, den Tatbestand einzuschränken, ist nicht ersichtlich. Es besteht hierfür im Übrigen auch kein Bedürfnis, da diese Fragen zweckmäßig auf der Ebene der Rechtswidrigkeit geklärt werden können. Durch die Rechtfertigungsgründe hat der Gesetzgeber den Rahmen vorgegeben, in dem ein Bruch der Verschwiegenheitspflicht als nicht strafbares Verhalten gewertet werden kann. Eine Vorverlagerung dieser Problematik auf Tatbestandsebene beim Merkmal „unbefugt“ durch eine teleologische Reduktion von § 353b Abs. 1 StGB zu erzwingen, läuft dem Gesetzeszweck zuwider. 105  Larenz,

106  BVerfG

S. 392. Beschl. v. 28.4.1970 – 1 BvR 690 / 65, BVerfGE 28, 191 (200).

180 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

ee) Einschränkung des Merkmals „unbefugt“ im Wege der Sozialadäquanz Ist das Merkmal „unbefugt“ einer restriktiven Auslegung in dem oben genannten Sinn oder einer teleologischen Reduktion somit nicht zugänglich, kann der Anwendungsbereich womöglich unter dem Gesichtspunkt der Sozialadäquanz eingeschränkt werden. Die maßgeblich von Welzel107 begründete Lehre der Sozialadäquanz geht davon aus, dass nicht alle Lebensvorgänge, auch wenn sie auf den ersten Blick die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm erfüllen, ein zu ahndendes Unrecht darstellen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten gesellschaftlich bedingten Ordnung vollziehen.108 Unabhängig von der konkreten Einordnung der Sozialadäquanz im Deliktsaufbau109 ist demnach eine Strafbarkeit zu verneinen, wenn das Unrecht, das durch die Handlung des Täters verwirklicht wird, durch den Nutzen eines solchen Verhaltens verdrängt wird, weil es einer gewachsenen gesellschaftlichen Auffassung entspricht.110 Neben dem faktischen Element des üblichen gesellschaftlichen Verhaltens kann eine Handlung nur dann als sozial adäquates Verhalten angesehen werden, wenn das normative Element der „sozialen Akzeptanz“ hinzutritt.111 Im Kern handelt es sich bei der Beurteilung der Sozialadäquanz aber um einen weiteren Begründungsansatz zur teleologischen Reduktion des Tatbestandes, weil zugrunde gelegt wird, dass der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen von vornherein aus dem Tatbestand ausschließen wollte.112 Die Behandlung der Sozialadäquanz als Rechtfertigungsgrund113 erscheint als nicht vorzugswürdig, da die Voraussetzungen der Sozialadäquanz nicht hinreichend bestimmt sind. Um von einem sozialüblichen Verhalten des Amtsträgers – soweit eine Einschränkung im Wege der Sozialadäquanz überhaupt für möglich gehalten wird114 – auszugehen, muss demnach eine allgemein anerkannte und gesell107  Welzel, ZStW 58 (1939), 491 (516 ff.); ausführlich zu der sich hieran anschließenden Auseinandersetzung in der Literatur: Wolski, S.  10 ff. 108  Welzel, ZStW 58 (1939), 491 (517). 109  Ausführlich hierzu mit weiteren Nachweisen: Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Mitsch, AT, § 6 Rn. 36; Gropp, AT, § 5 Rn. 421; Jakobs, AT, S. 163 ff.; Jescheck / Weigend, AT, § 26 IV; Schmidhäuser, AT, 9 / 27; Strehlow, S. 87 ff.; Valerius, JA 2014, 561 (562). 110  Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Mitsch, AT, § 6 Rn. 35; Hardtung / Putzke, Rn. 285; Schmidhäuser, Einführung Strafrecht, § 9 Rn. 26. 111  Kargl, ZStW 114 (2002), 763 (779). 112  Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Mitsch, AT, § 6 Rn. 36; Heinrich, AT, Rn. 519; Roxin, Klug-FS 1983, 303 (304). 113  Klug, Eb. Schmidt-FS 1961, 249 (255); Welzel, § 10 IV.



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen

181

schaftlich akzeptierte Verhaltensweise feststellbar sein, die den Bruch der Verschwiegenheitspflicht in bestimmten Fällen als nicht strafwürdig erscheinen lässt. Solch ein gesellschaftlich anerkanntes Verhalten ist jedoch nicht feststellbar oder gar erwünscht. Dies belegen die einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen, die eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für diesen Fall vorsehen. Gleiches gilt für die Gruppe von Amtsträgern, die von dieser Regelung nicht beeinträchtigt ist. Für sie resultiert die Verhaltensvorschrift direkt aus § 353b Abs. 1 StGB. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 353b Abs. 1 StGB erfüllt, ist nicht ersichtlich, dass ein solcher Rechtsbruch ein gemeinhin akzeptiertes Verhalten darstellt. Im Übrigen hätte dies zur Folge, dass der Sozialadäquanz die Wirkung zugesprochen wird, ein bereits vorhandenes Urteil der Missbilligung über das Verhalten aufzuheben. Eine solche Funktion kommt ihr aber nicht zu.115 Ganz im Gegenteil ist das Fehlen einer strafrechtlichen Missbilligung Voraussetzung für die Annahme eines sozial adäquaten Handelns. Andernfalls würde die merkwürdige Situation eintreten, dass trotz fehlender Aussagegenehmigung oder ausdrücklicher Anordnung der Verschwiegenheitspflicht eine Strafbarkeit nach § 353b Abs. 1 StGB verneint werden könnte. Das Merkmal der Sozial­ adäquanz ist somit nicht geeignet, das Merkmal „unbefugt“ in sonstiger Weise zu beschränken. Versuche, den Bruch der Verschwiegenheitspflicht zu Verteidigungszwecken, über eine einschränkende Auslegung des Merkmals „unbefugt“ bereits auf Tatbestandsebene als nicht erfasst anzusehen, sind somit insgesamt abzulehnen. ff) Besonderheiten im Fall der Aussagegenehmigung Besonderheiten ergeben sich für die Amtsträger, bei denen das Merkmal „unbefugt“ vom Vorliegen einer Aussagegenehmigung abhängig ist. Namentlich trifft dies auf die Gruppe der Beamten und Richter zu (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB).116 Wurde bereits oben festgestellt, dass es sich bei der Aussagegenehmigung um einen Verwaltungsakt handelt, ist damit zugleich die Überlegung verbunden, wie sich das Vorliegen einer zu Unrecht erteilten Aussagegenehmigung oder die rechtswidrige Versagung der Aussagengenehmigung auf die Frage der Strafbarkeit auswirkt. Geht etwa der Dienstvorgesetzte irrtümlich davon aus, dass die strengen Voraussetzungen, die für die 114  Die Figur der Sozialadäquanz ablehnend: Kargl, ZStW 114 (2002), 763 (778 ff.); MüKo-StGB / Korte, 2. Aufl., § 331 Rn. 114; Roxin, AT  I, § 10 Rn. 40 f.; Wagner, JZ 1987, 594 (604); Wolski, S. 201. 115  LG Köln Urt. v. 7.5.2012  – 151 Ns 169 / 11, NStZ 2012, 449; Herzberg, JZ 2009, 332. 116  Siehe Kapitel 2 § 7 II. 1.

182 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Versagung erforderlich sind, nicht vorliegen und erteilt er dem Beschuldigten in der Folge eine Aussagegenehmigung, ist dieser Verwaltungsakt rechtwidrig. In der Annahme, dass er sich infolge der erteilten Aussagegenehmigung äußern dürfe, lässt der Beamte sich nun zum Tatvorwurf ein und könnte damit seine sanktionsbewehrte Verschwiegenheitspflicht verletzen. Zur Beantwortung dieser Frage gilt es zunächst zu untersuchen, ob das Merkmal „unbefugt“ als verwaltungsaktsakzessorisch zu verstehen ist. Nur wenn die Strafbarkeit vom Vorliegen eines Verwaltungsaktes abhängig ist, kann eine rechtswidrige Genehmigung dazu geeignet sein, den Tatbestand entfallen zu lassen. Darüber hinaus kann auch die Situation eintreten, dass die zuständige Behörde zwar Kenntnis davon hat, dass der Amtsträger auf eine Aussagegenehmigung angewiesen ist und sich äußern möchte, aber schlicht untätig bleibt. Angesprochen ist damit das Problem der behördlichen Duldung. Die hierzu hauptsächlich im Umwelt- und Wirtschaftsstrafrecht diskutierten Erwägungen lassen sich auf die vorliegende Konstellation übertragen, denn auch die Erteilung der Aussagegenehmigung lässt die Strafbarkeit entfallen.117 (1) Verwaltungsaktsakzessorietät Der Begriff der Verwaltungsaktsakzessorietät ist zunächst von der Verwaltungsrechtsakzessorietät und der begrifflichen Akzessorietät abzugrenzen.118 Im Fall der begrifflichen Akzessorietät werden Begriffe des Verwaltungsrechts durch das Strafrecht lediglich übernommen.119 Als Beispiele für eine solche Übernahme kann etwa der Begriff „Naturschutzgebiet“ (§ 23 Abs. 1 BNatSchG) oder „Gewässer“ (§ 3 WHG) genannt werden. So macht sich wegen Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete nur strafbar, wer den Schutzzweck des Naturschutzgebietes durch bestimmte Handlungen beeinträchtigt (§ 329 Abs. 3 StGB). Die Übernahme gleichlautender Begriffe ist grundsätzlich unproblematisch, es sei denn, den Begriffen des Verwaltungsrechts kommt im Strafrecht eine andere Bedeutung zu. Geht die sprachliche Identität nicht mit der inhaltlichen einher, kann dies die Normklarheit und damit die Rechtssicherheit beeinträchtigen.120 So setzt zum Beispiel die strafbare Gewässerverunreinigung tatbestandlich das Vorliegen eines Gewässers vo­ 117  Siehe

Kapitel 4 § 16 I. 3. c) aa). hinaus sind auch noch weitere Formen der Akzessorietät denkbar, beispielsweise die Verwaltungsvertragsakzessorietät oder die Verwaltungsjudikationsakzessorietät, vgl. Heger, S. 177. 119  Felix, S. 19; Frenz, NVwZ 2016, 1510 (1511); Heider, S. 88 f.; SSW-StGB / Saliger, Vor §§ 324 ff. Rn. 20. 120  Näher hierzu: Perschke, wistra 1996, 161 (162). 118  Darüber



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen

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raus (§ 324 Abs. 1 StGB). Die Legaldefinition in § 330d Abs. 1 Nr. 1 StGB ist in ihrem Anwendungsbereich gegenüber dem Gewässerbegriff des Wasserhaushaltsgesetzes (§ 3 Nr. 1 WHG) weiter gefasst, weil der strafrechtliche Gewässerbegriff nicht auf die Meeresgewässer im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone beschränkt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 2a WHG).121 In diesem Fall liegt also aufgrund einer eindeutigen gesetzlichen Bestimmung gerade keine Verwaltungsrechtsakzessorietät vor. Dass dem Strafrecht bei der Übernahme von Begriffen Grenzen gesetzt sind, ergibt sich ferner zwangsläufig aus dem strengen strafrechtlichen Analogieverbot. Erlaubt das Verwaltungsrecht im Wege der Analogie grundsätzlich eine Auslegung über die Grenze des möglichen Wortsinns hinaus, muss in einem solchen Fall der Begriff strafrechtsautonom ausgelegt werden.122 Eine Verwaltungsrechtsakzessorietät liegt in denjenigen Fällen vor, in denen das Strafgesetz allgemein auf verwaltungsrechtliche Normen verweist.123 In einem solchen Fall wird der jeweilige Inhalt des Verwaltungsgesetzes vom Strafgesetz übernommen. Die Anlehnung von Straftatbeständen an verwaltungsrechtliche Normen wurde unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes teilweise kritisch gesehen, zumindest wenn das Strafgesetz nicht ausdrücklich auf ein bestimmtes Gesetz verweist, sondern allgemein auf „Rechtsverordnungen“ und „Rechtsvorschriften“. Doch selbst im Fall der dynamischen Verweisung hat das Bundesverfassungsgericht eine solche Regelungstechnik als verfassungsgemäß angesehen, wenn die Verweisungsnorm selbst oder die gesetzliche Vorschrift, auf die Bezug genommen wird, die Voraussetzungen der Strafbarkeit hinreichend deutlich regeln.124 Der Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB ist somit in Bezug auf das Vorliegen eines Dienstgeheimnisses vom Verwaltungsrecht abhängig, sofern sich die Geheimhaltungsbedürftigkeit der dienstlichen Angelegenheit aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften ergibt. Von einer Verwaltungsaktsakzessorietät ist auszugehen, wenn die Strafbarkeit von der jeweiligen Einzelfallentscheidung der Behörde abhängig ist.125 Der Täter muss hier regelmäßig gegen eine aus einem vollziehbaren Verwal121  MüKo-StGB / Schmitz,

§ 330d Rn. 2. Vor §§ 324 ff. Rn. 21. 123  Felix, S. 19 f.; Frenz, NVwZ 2016, 1510 (1512); Heger, S. 177; Kloepfer / Heger, Rn. 84; Matejko, S. 25; Perschke, wistra 1996, 161 (162 f.); SSW-StGB / Saliger, Vor §§ 324 ff. Rn. 21; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 172; Winkelbauer, S. 12. 124  BVerfG Beschl. v. 6.5.1987  – 2 BvL 11 / 85, BVerfGE 75, 329 (342); BVerfG Beschl. v. 21.9.2016 – 2 BvL 1 / 15, NJW 2016, 3648 (3650). 125  Franzheim / Pfohl, Rn. 13; Frenz, NVwZ 2016, 1510 (1512 f.); Kloepfer / Heger, Rn. 84; Matejko, S. 26; Ventura-Heinrich, in: Momsen / Grützner, Kap. 10 Rn. 21; ausführlich zu den verfassungsrechtlichen Aspekten der Verwaltungsaktsakzessorietät Perschke, wistra 1996, 161 (163). 122  SSW-StGB / Saliger,

184 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

tungsakt begründete Pflicht verstoßen, um den Tatbestand zu erfüllen. Das Merkmal „unbefugt“ ist nach diesem Maßstab vom Verwaltungsrecht abhängig. Ist der Beamte auf das Vorliegen einer Aussagegenehmigung angewiesen, weil sich seine Aussage auf einen geheimhaltungsbedürftigen Umstand bezieht, ist dementsprechend von einer Verwaltungsaktsakzessorietät der behördlichen Entscheidung auszugehen. Dabei regeln die beamtenrechtlichen Vorschriften, unter welchen Voraussetzungen die Aussagegenehmigung versagt werden darf. Der Gesetzgeber hat die Entscheidungskompetenz hierfür der Verwaltungsbehörde zugesprochen. Eine abweichende Auslegung des Merkmals „unbefugt“ würde diese Entscheidung ignorieren. Die Annahme der Verwaltungsaktsakzessorietät hat im Übrigen den nicht von der Hand zu weisenden Vorteil für sich, dass sich das Merkmal „unbefugt“ auf diese Weise präzise bestimmen lässt.126 Damit zeigt sich, dass der Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB in doppelter Hinsicht vom Verwaltungsrecht abhängig sein kann, weil zur Begründung der Geheimhaltungsbedürftigkeit auf die beamtenrechtlichen Regelungen Bezug genommen wird127 und weil das Merkmal „unbefugt“ entfällt, wenn dem Amtsträger eine Aussagegenehmigung erteilt wurde. Somit steht § 353b Abs. 1 StGB im Fall des verbeamteten Amtsträgers exemplarisch für eine Konstellation, in der die Grundsätze der Verwaltungsrechts- und Verwaltungsaktsakzessorietät gleichzeitig zur Anwendung gelangen. (2) Rechtswidrige Aussagegenehmigung Lässt die Aussagegenehmigung aufgrund der Verwaltungsaktsakzessorietät somit das Merkmal „unbefugt“ entfallen, stellt sich die Frage, ob nur die rechtmäßig erteilte Aussagegenehmigung dem Amtsträger die Befugnis zur Offenbarung verleiht oder ob dies auch für die rechtswidrige Genehmigung gilt. Der Wortlaut der Vorschrift gibt hierfür jedenfalls keine eindeutige Antwort. So könnte das Merkmal „unbefugt“ in der Weise verstanden werden, dass nicht jede formell erteilte Genehmigung ausreicht, sondern nur eine materiell rechtmäßige Aussagegenehmigung den Tatbestand entfallen lässt. Die hierzu vertretenen Ansichten reichen von der Annahme einer strikten Verwaltungsaktsakzessorietät128 bis hin zu der Auffassung, dass nur eine rechtmäßig erteilte Aussagegenehmigung zur Offenbarung des Geheimnisses berechtigt.129 Als Argument wird von den Vertretern der zuletzt genannten 126  Paeffgen,

Stree / Wessels-FS 1993, 587 (591). Kapitel 4 § 16 I. 3. a). 128  LK-Vormbaum, 12. Aufl., § 353b Rn. 30; MüKo-StGB / Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 46; Schuldt, S. 82. 129  Schönke / Schröder / Perron, § 353b Rn. 13; SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 11. 127  Siehe



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Ansicht vorgebracht, dass die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen nicht zur Disposition der Behörde stünden und somit im Fall einer rechtwidrigen Aussagegenehmigung weiterhin von einer unbefugten Offenbarung im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB auszugehen sei. Ist dieses Argument in der Sache nachvollziehbar, beinhaltet es aber im Grunde genommen nur die allgemeine Aussage, dass die Behörde keine inhaltlich falsche Entscheidung treffen darf. Geschieht dies trotzdem, soll die Entscheidung der Behörde aber für die strafrechtliche Bewertung des Handelns unbeachtlich sein. Diese Ansicht verkennt ungeachtet der verfassungsrechtlichen Bedenken, die mit einer solcher Beschränkung einhergehen,130 dass dem Amtsträger damit das Risiko einer Fehlentscheidung durch die Behörde aufgebürdet wird. Sind Tatbestände von verwaltungsrechtlichen Entscheidungen abhängig, verlangt eine Auslegung, die den strengen Anforderungen des Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG genügt, dass es auf die materielle Richtigkeit der Genehmigung nicht ankommt.131 Die Annahme, dass nur eine rechtmäßig erteilte Genehmigung das Merkmal „unbefugt“ entfallen lässt, steht zudem nicht im Einklang mit dem Gedanken der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt ist wirksam, solange er nicht nichtig ist. Ist das Verhalten des Betroffenen somit unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten von der Genehmigung gedeckt, kann dieses Verhalten auf der anderen Seite nicht zugleich einen Straftatbestand erfüllen.132 Dies gilt selbst dann, wenn sich die für die Genehmigung zuständige Person strafbar gemacht haben sollte.133 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz könnte allerdings erforderlich sein, wenn sich der beschuldigte Amtsträger die Aussagegenehmigung erschlichen hat und sich somit rechtsmissbräuchlich verhält. Der Beschuldigte ist selbst dafür verantwortlich, die Aussagegenehmigung zu beantragen (RiStBV Nr. 44 Abs. 3).134 Der Antrag auf Erteilung muss dabei die Vorgänge, über die der Beschuldigte vernommen werden soll, kurz aber erschöpfend darstellen (RiStBV Nr. 44 Abs. 3 i. V. m. RiStBV Nr. 66 Abs. 3). Eine vorschnelle Antwort auf diese Frage kann nicht mit dem Verweis auf § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB geben werden. Der Gesetzgeber hat für den Bereich des Umweltstrafrechts klargestellt, dass eine aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben erschlichene Genehmigung als Handeln ohne Genehmigung anzusehen ist. Es handelt sich bei dieser gesetzlich angeordneten Durchbrechung der 130  Frenz,

NVwZ 2016, 1510 (1514); Perschke, wistra 1996, 161 (165 f.). Urt. v. 27.4.2005 – 2 StR 457 / 04, NJW 2005, 2095 (2098). 132  Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (895). 133  LK-Vormbaum, 12. Aufl., § 353b Rn. 30; MüKo-StGB / Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 37. 134  Siehe hierzu Kapitel 2 § 7 II. 3. 131  BGH

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Verwaltungsaktsakzessorietät jedoch um eine auf das Umweltstrafrecht begrenzte Ausnahme.135 Schildert der beschuldigte Amtsträger nun gegenüber seinem Dienstherrn bewusst wahrheitswidrig, dass sich die Aussagegenehmigung nur auf solche dienstlichen Angelegenheiten beziehen soll, die nicht dazu geeignet sind, Versagungsgründe als einschlägig erscheinen zu lassen, ist diese auf verwaltungsrechtlicher Ebene grundsätzlich wirksam aber rechtswidrig. Die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes wird durch die Grenze zur Nichtigkeit (§ 44 VwVfG) markiert. Allerdings wird in den wenigsten Fällen eine Täuschung zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen. Absolute Nichtigkeitsgründe (§ 44 Abs. 2 VwVfG) sind in einem solchen Fall nicht erfüllt, weil keiner der aufgeführten zwingenden Nichtigkeitsgründe einschlägig ist. Insbesondere ist hierin kein Verstoß gegen die guten Sitten zu sehen (§ 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG), weil sich der Verstoß ausweislich des Wortlauts der Norm aus dem Verwaltungsakt selbst ergeben muss.136 Das ist bei der Aussagegenehmigung nicht der Fall, da das Äußerungsrecht für sich genommen einen solchen Verstoß nicht begründen kann. Die Nichtigkeit kann sich somit nur aus § 44 Abs. 1 VwVfG ergeben. Dieser setzt voraus, dass ein besonders schwerwiegender Mangel vorliegt. Ein Mangel ist be­ sonders schwerwiegend, wenn die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes als schlechthin unerträglich erscheint, also mit tragenden Verfassungsprinzipien oder wesentlichen Wertvorstellungen der Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen ist.137 Ein solch besonders schwerwiegender Mangel wurde etwa angenommen bei der Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes an eine nicht existente Person oder bei völliger rechtlicher Unmöglichkeit.138 Aus mehreren Gründen kann nun aber der durch eine Täuschung erlangte Verwaltungsakt keinen besonders schwerwiegenden Fehler darstellen. Bereits der Wortlaut legt nahe, dass es nicht auf das Verhalten der Verfahrensbeteiligten ankommt, sondern allein der Inhalt des Verwaltungsakts Maßstab der Beurteilung ist.139 Im Übrigen geht das Gesetz selbst davon aus, dass durch Täuschung erschlichene Verwaltungsakte zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig sind (§ 48 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG). Zur Lösung dieses Problems lassen sich zwei Wege beschreiten, die beide im Ergebnis die Straffreiheit einer durch Täuschung erlangten Genehmigung verneinen. Die Vertreter der Ansicht, die in diesem Fall von einer nur einge135  BGH Urt. v. 27.4.2005  – 2 StR 457 / 04, NJW 2005, 2095 (2098); Paetzold, NStZ 1996, 170; SSW-StGB / Saliger, § 330d Rn. 16. 136  Stelkens / Bonk / Sachs / Sachs, § 44 Rn. 155. 137  BVerwG Urt. v. 22.2.1985 – 8 C 107 / 83, NVwZ 1985, 2658; BVerwG Urt. v. 9.9.2014 – 1 C 10 / 14, NVwZ 2014, 1679 (1680). 138  Stelkens / Bonk / Sachs / Sachs, § 44 Rn. 111 ff. 139  BVerwG Urt. v. 22.8.1985  – 8 C 107 / 83, NJW  1985, 2658 (2659); BVerwG Urt. v. 9.9.2014 – 1 C 10 / 14, NVwZ 2014, 1679 (1680).



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schränkten Akzessorietät ausgehen, verneinen die Bindungswirkung einer solchen Genehmigung für das Strafrecht, weil der Täter durch die Täuschung lediglich eine formale Rechtsposition erlangt habe.140 Das Strafrecht und seine Schutzfunktion dürfen sich nicht in die völlige Abhängigkeit von der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes begeben. Dem Strafrecht müsse ein geschützter Kernbereich verbleiben, der weiterhin strafwürdig sei.141 Dieser Bereich sei im Fall der Täuschung erreicht. Eine Strafbarkeit ist in dieser Konsequenz trotz vorhandener Genehmigung gegeben. So nachvollziehbar dieser Gedanke ist, birgt er doch die nicht unerhebliche Gefahr, mit dem strafrechtlichen Rückwirkungsverbot in Konflikt zu treten (Art. 103 Abs. 2 GG). Obwohl der Täter im Zeitpunkt der Tat Inhaber einer (rechtswidrigen) Genehmigung ist, soll er sich nachträglich strafrechtlich verantworten müssen. Verwaltungsaktsakzessorische Straftatbestände würden auf diese Weise aber um einen speziellen strafrechtlichen Nichtigkeitsbegriff erweitert, der diesen nicht zugrunde liegt.142 Dass eine solche Erweiterung durch den Gesetzgeber gewollt sein kann, zeigt zum Beispiel die Regelung des § 18 Abs. 9 AWG und der bereits angesprochene § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB, die ausdrücklich die erschlichene Genehmigung der fehlenden Genehmigung gleichstellen. Die von den Vertretern der Ansicht, die eine eingeschränkte Verwaltungsaktsakzessorietät befürworten, häufig geäußerte Befürchtung, dass ungewollte Strafbarkeitslücken entstehen würden, kann bei konsequenter Anwendung der verwaltungsrechtlichen Regelungen weitgehend entkräftet werden. Die Strafbarkeit ergibt sich nicht daraus, dass der erschlichenen Genehmigung die Rechtswirkung abgesprochen wird, sondern der Regelungsumfang der Genehmigung eingeschränkt wird.143 Aufgrund der falschen Angaben des Antragsstellers erstreckt sich der Regelungsumfang nämlich nur auf die Umstände, die bei der Antragsstellung tatsächlich gegeben waren. Alles das, was über diesen Regelungsumfang hinausgeht, ist von der Genehmigung nicht mehr umfasst und erfüllt in dieser Konsequenz auch den Straftatbestand.144 Welchen Umfang die Regelungswirkung des im Raum stehenden Verwaltungsaktes aufweist, muss im Wege der Auslegung ermittelt werden. Beide Vorgehensweisen werden in der Regel aber zum gleichen Ergebnis kommen, nämlich, dass die erschlichene Genehmigung keinen Einfluss auf die Strafbarkeit hat.

140  Dölling, JZ 1985, 461 (465); Rudolphi, NStZ 1984, 193 (197); Paeffgen, Stree / Wessels-FS 1993, 587 (600 f.). 141  Paeffgen, Stree / Wessels-FS 1993, 587 (600 f.). 142  Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (886). 143  Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (900). 144  LG Düsseldorf Urt. v. 27.5.1986  – 64 / 83, NStZ 1988, 231 f.; Holthausen, NStZ 1988, 257 (260).

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(3) Rechtswidrige Versagung der Aussagegenehmigung Führt das Vorliegen einer rechtswidrigen Aussagegenehmigung dazu, dass keine unbefugte Offenbarung eines Dienstgeheimnisses vorliegt, sofern sich die Angaben des Amtsträgers mit dem Umfang der Genehmigung decken, ist für die weitere Untersuchung zudem von Interesse, ob das Merkmal „unbefugt“ dann erfüllt ist, wenn dem Amtsträger die Aussagegenehmigung zu Unrecht versagt wurde und er daraufhin – ohne Genehmigung – das Geheimnis offenbart. Im Vergleich zur vorherigen Konstellation folgt die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandeln nun nicht aus dem Umstand, dass dem Amtsträger die Aussagegenehmigung erteilt wurde, sondern dass sie ihm nicht erteilt wurde. Hat der Amtsträger einen Anspruch auf die Genehmigung, erscheint es jedenfalls zweifelhaft, ob in diesem Fall ein strafwürdiges Unrecht vorliegt. Aufgrund der Verwaltungsaktsakzessorietät des Merkmals „unbefugt“ ergibt sich aber zwangsläufig, dass auch die rechtswidrige Versagung für die Beurteilung der Strafbarkeit beachtlich ist.145 Gegen diese Ansicht, die freilich nicht unbestritten ist, wird das Argument vorgebracht, dass der Adressat gezwungen werde, sich an eine rechtswidrige Behördenentscheidung zu halten und das Strafrecht somit dazu beitrage, einen rechtswidrigen Zustand zu perpetuieren.146 Des Weiteren würde die Bestrafung des Täters in diesem Fall dem Schutzzweck der Norm zuwiderlaufen, weil aufgrund des Anspruchs des Täters eine Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts ersichtlich nicht gegeben sei und damit letztlich ein bloßer Verwaltungsgehorsam geschützt werde.147 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber der jeweils zuständigen Behörde die Entscheidungsbefugnis zugewiesen hat, ob eine Aussagegenehmigung erteilt wird oder nicht. Es obliegt nicht dem Amtsträger, abschließend zu beurteilen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Versagung gegeben sind. Ist er der Auffassung, dass die Versagung rechtswidrig ist, kann er sich sowohl im behördlichen als auch im gerichtlichen Verfahren gegen die Entscheidung zur Wehr setzen. Die Unbeachtlichkeit der rechtswidrigen Versagung würde im Übrigen dazu führen, dass die Verwaltungsaktsakzessorietät aufgespalten wird. Liegt eine begünstigende Entscheidung vor, soll von einer Bindung ausgegangen werden, hingegen soll die belastende Entscheidung unbeachtlich sein. Eine solche Differenzierung ist der Verwaltungsakzessorietät aber grundsätzlich fremd, es sei denn, sie ist gesetzlich angeordnet.148 145  BGH Beschl. v. 12.4.1983  – 5 StR 513 / 82, BGHSt 31, 314 (315); Fischer, StGB, Vor §§ 324 ff. Rn. 7; SK-StGB / Schall, 9. Aufl., Vor §§ 324 ff. Rn. 39; a. A. AnwK-StGB / Szesny, Vor §§ 324 ff. Rn. 52; MüKo-StGB / Schmitz, 2. Aufl., Vor §§ 324 ff. Rn. 86 ff.; SSW-StGB / Saliger, Vor §§ 324 ff. Rn. 31. 146  AnwK-StGB / Szesny, Vor §§ 324 ff. Rn. 52. 147  SSW-StGB / Saliger, Vor §§ 324 ff. Rn. 31.



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(4) Genehmigungsfähigkeit des Verhaltens Eng verbunden mit der Frage, ob die rechtswidrige Versagung das Merkmal „unbefugt“ entfallen lässt, ist die Überlegung, wie die Situation des Amtsträgers im Fall eines an sich genehmigungsfähigen Verhaltens zu beurteilen ist, für welches aber eine Genehmigung nicht eingeholt wurde. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Konstellationen unterscheidet sich diese dadurch, dass überhaupt keine Entscheidung seitens der Behörde vorliegt. Das Verhalten des Amtsträgers wäre aber grundsätzlich genehmigungsfähig, weil keine Versagungsgründe einschlägig sind und ihm dementsprechend eine Genehmigung erteilt werden muss, wenn er sie beantragt. In den allermeisten Fällen wird dies wegen der strengen Voraussetzungen, die für die Versagung gegeben sein müssen, sogar der Fall sein.149 Ist die Genehmigungsfähigkeit gegeben, könnte es auf den ersten Blick wiederum als reiner Formalismus erscheinen, die Strafbarkeit allein am Fehlen der Genehmigung festmachen zu wollen. So ließe sich argumentieren, dass der Täter in diesem Fall eigentlich kein Unrecht begeht, weil er sich nach der Erteilung der Genehmigung ohnehin hätte äußern dürfen. Insoweit läge aber auch keine Gefährdung der durch § 353b Abs. 1 StGB geschützten Rechtsgüter vor. Dennoch nimmt die weit überwiegende Meinung zu Recht an, dass die bloße Genehmigungsfähigkeit für sich genommen nicht ausreicht, um den Tatbestand entfallen zu lassen.150 Der Sinn eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalts ist gerade darin zu sehen, dass der Verwaltung vorab die Möglichkeit eingeräumt wird, zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung erfüllt sind.151 Dem wird der Einwand entgegengehalten, dass die Ungefährlichkeit der Handlung nicht erst aus der Genehmigung folge, sondern bereits vorab feststehen müsse, um die Genehmigung überhaupt erteilen zu können.152 Weil präventive Verbote nicht den Sinn hätten, die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens zu garantieren, sondern allein der vorgelagerte Schutz von Rechtsgütern gewährleistet werden solle, stehe mit der Genehmigungsfähigkeit zugleich fest, dass keine 148  Vgl.

oben Kapitel 4 § 16 I. 3. c) ff) (2). Kapitel 2 § 7 III. 150  Ensenbach, S. 119; NK-Paeffgen / Zabel, Vor §§ 32 ff. Rn. 202; Schönke / Schröder / Lenckner / Sternberg-Lieben, Vor §§ 32 ff. Rn. 62c; SSW-StGB / Rosenau, Vor §§ 32 ff. Rn. 26; Ventura-Heinrich, in: Momsen / Grützner, Kap. 10 Rn. 23; Winkelbauer, NStZ 1986, 149 (152). 151  NK-Paeffgen / Zabel, Vor §§ 32 ff. Rn. 202; Winkelbauer, NStZ 1986, 149 (152). 152  Brauer, S. 90; kritisch zur Anwendung des Strafrechts in solchen Fällen aufgrund der fehlenden Sanktionswürdigkeit: Bloy, ZStW 100 (1988), 485 (506); Frisch, Stree / Wessels-FS 1993, 69 (96). 149  Siehe

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Gefahr für das Rechtsgut drohe und somit kein Strafbedürfnis bestehe.153 Dieser Einwand vermag jedoch nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber hat die Zuständigkeit zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen auf die Behörde übertragen. Dem Einzelnen kommt daher nicht die Befugnis zu, in eigener Entscheidung das Ergebnis der Prüfung durch die zuständige Behörde vorwegzunehmen. Besonders deutlich wird dies, wenn es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Der damit einhergehende Entscheidungsspielraum darf nicht durch die Annahme der Genehmigungsfähigkeit unterlaufen werden.154 Wurde bereits festgestellt, dass es der Behörde in aller Regel nicht möglich sein wird, die Aussagegenehmigung in Gänze zu versagen,155 steht die Entscheidung, in welchem Umfang sie den Beamten von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden kann, im Ermessen der Behörde. Dieser Entscheidungsspielraum muss ihr überlassen bleiben. Dies bedeutet aber nicht, dass die Genehmigungsfähigkeit des Verhaltens nicht auf Ebene der Strafzumessung berücksichtigt werden kann oder gar muss.156 (5) Irrtümer in Bezug auf die Aussagegenehmigung Hängt der Umfang der Verschwiegenheitspflicht von einer Reihe unterschiedlicher Regelungen ab, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Amtsträger in Bezug auf die Aussagegenehmigung einem Irrtum unterliegt. Die rechtliche Bewertung von Irrtümern in Bezug auf die Notwendigkeit der Aussagegenehmigung soll hier nur angerissen werden, da der Bruch der Verschwiegenheitspflicht zum Zweck der Verteidigung eine Irrtumskonstellation als praktisch unmöglich erscheinen lässt, jedenfalls soweit sie sich auf tatsächliche Umstände bezieht. Entscheidend für die richtige Einordnung des Irrtums ist die Feststellung, ob es sich um einen Irrtum über tatsächliche Umstände handelt oder sich der Irrtum auf die rechtliche Bewertung bezieht.157 Während der Irrtum über tatsächliche Umstände dem Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB) zugeordnet wird und in dieser Konsequenz der Vorsatz zu verneinen ist, begründet ein Irrtum über die rechtliche Bewertung einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB), der für die Beurteilung der Strafbarkeit nur von Bedeutung ist, wenn der Irrtum für den Täter unvermeidbar war (§ 17 S. 1 StGB). Vom Vorliegen eines Tatbestandsirrtums kann demnach nur ausgegangen werden, wenn der Täter einen Umstand, der zum gesetzlichen Tatbestand 153  Brauer,

S. 98 f. ZStW 100 (1988), 485 (507). 155  Siehe Kapitel 2 § 7 III. 156  MüKo-StGB / Schmitz, 3. Aufl., Vor §§ 32 Rn. 94. 157  Heinrich, AT, Rn. 1069; Wissmann, S. 58 ff. 154  Bloy,



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gehört, nicht in seine Vorstellung aufgenommen hat. Beim Verbotsirrtum kennt der Täter hingegen alle Tatbestandsmerkmale und handelt damit vorsätzlich im Sinne von § 16 StGB, er hält jedoch sein Verhalten für erlaubt. Die Einordnung dieses Irrtums im Fall der Aussagegenehmigung hängt folglich davon ab, ob dem Merkmal „unbefugt“ eine tatbestandsausschließende Funktion zukommt oder nur einen Hinweis auf die Prüfung der Rechtfertigung beinhaltet.158 Entgegen der überwiegenden Meinung handelt es sich bei diesem Merkmal um ein Tatbestandsmerkmal, weshalb ein Irrtum über tatsächliche Umstände dazu führt, dass der Amtsträger nicht vorsätzlich handelt.159 Er weiß zwar, dass er über keine Aussagegenehmigung verfügt, meint aber fälschlicherweise, dass er eine solche gar nicht braucht, weil sich die Verschwiegenheitspflicht nicht auf diesen Umstand bezieht. Irrt sich der Täter über den Umfang der Genehmigung, liegt im Grundsatz ebenfalls ein Tatbestandsirrtum vor.160 Stellt die Genehmigung ein Tatbestandsmerkmal dar, muss sich ein Irrtum diesbezüglich auch auf Ebene des Vorsatzes auswirken. Von einem Verbotsirrtum ist hingegen auszugehen, wenn sich der Amtsträger allein über die rechtlichen Grenzen seiner Verschwiegenheitspflicht irrt, etwa wenn er meint, dass nach seinem Ausscheiden aus dem Amt diese Pflicht erloschen ist.161 gg) Behördliche Duldung162 Führt das Vorliegen einer Aussagegenehmigung dazu, dass keine unbefugte Offenbarung von Dienstgeheimnissen gegeben ist, kann für den beschuldigten Amtsträger des Weiteren die Frage von Bedeutung sein, ob er sich auch äußern darf, wenn er zwar bei der zuständigen Behörde eine entsprechende Aussagegenehmigung beantragt hat, diese ihm jedoch zu erkennen gibt, in der Sache zunächst nicht entscheiden zu wollen, sondern abzuwarten, das Verhalten also dulden wird. Die Frage nach den Rechtswirkungen der behördlichen Duldung erlangt in den Konstellationen entscheidende Bedeutung, in denen der Betroffene ohne die erforderliche Genehmigung beziehungsweise Erlaubnis eine Anlage (z. B. eine Abfallbeseitigungsanlage) oder ein Gewerbe (z. B. das Anbieten von 158  BGH Urt. v. 11.9.2002  – 1 StR 73 / 02, NStZ-RR 2003, 55 (56); BeckOKOWiG / Valerius, § 11 Rn. 59; KK-OWiG / Rengier, § 11 Rn. 40. 159  Siehe Kapitel 4 § 16 I. 3. c). 160  KK-OWiG / Rengier, § 11 Rn. 38. 161  MüKo-StGB / Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 64. 162  Eingehend zu den verwaltungsrechtlichen Grundlagen der behördlichen Duldung: Heider, S. 39 ff.; Hermes / Wieland, S. 18 ff.; Randelzhofer / Wilke, S. 54 ff.; SSW-StGB / Saliger, Vor §§  324 ff. Rn.  36 ff.

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Sportwetten) betreibt und dies der Behörde bekannt ist, sie aber nichts dagegen unternimmt. Grundsätzlich verwirklicht der Betroffene durch ein solches Verhalten den entsprechenden Straftatbestand, weil ihm keine Genehmigung erteilt wurde.163 Unterlässt es die Behörde, hiergegen mit ordnungsrechtlichen Mitteln einzuschreiten, und signalisiert sie dies dem Betroffenen, kann das bewusste Abwarten aber für die Frage der Strafbarkeit von Bedeutung sein. Die oben geschilderte Ausgangssituation des Amtsträgers ist mit den klassischen Fällen der behördlichen Duldung durchaus vergleichbar, denn auch er muss sein Verhalten vorab durch die behördliche Entscheidung legitimieren lassen. In gleicher Weise stellt sich damit die Frage, wie sich das Untätigbleiben auf die Strafbarkeit des Amtsträgers auswirkt. Ein nicht zu leugnender Unterschied ist freilich darin zu sehen, dass sich die Aussagegenehmigung in der vorliegenden Konstellation nicht auf einen auf Dauer ausgelegten Zustand, wie etwa der Betrieb einer Anlage, bezieht, sondern sich in ihrem einmaligen Gebrauch erschöpft. Regelungstechnisch lässt sich die behördliche Duldung als Teil des informellen Verwaltungshandelns auffassen.164 Sämtliche Formen des informellen Verwaltungshandelns zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht darauf angelegt sind, ein förmliches Verwaltungsverfahren, an dessen Ende der Erlass eines Verwaltungsaktes steht, einzuleiten. In der Regel kann aus der schlichten Untätigkeit der Behörde keine Rechtswirkung abgeleitet werden, denn auch im Bereich des Verwaltungshandelns gilt der Grundsatz, dass dem bloßen Nichtstun kein Erklärungswert beigemessen werden kann.165 Im Bereich der Duldung wird jedoch diskutiert, ob aufgrund der bewussten Entscheidung seitens der zuständigen Behörde, nicht einzuschreiten, zugunsten des Betroffenen Einschränkungen dieses Grundsatzes möglich oder gar geboten sind. Vor allem unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann ein bewusstes Untätigbleiben dazu führen, dass von einer Legalisierungswirkung auszugehen ist. Von einer behördlichen Duldung kann aber von vornherein nur gesprochen werden, wenn ein bestimmtes Verhalten (bspw. der Betrieb einer Anlage oder eben die Einlassung im Strafverfahren ohne Aussagegenehmigung) bereits von einer spezialgesetzlichen Regelung erfasst ist.166 Nur dann, wenn der Gesetzgeber den Konflikt erkannt und der Verwaltung einer Kontrollfunktion 163  Bei den genannten Beispielen wären dies § 327 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StGB und § 284 Abs. 1 StGB. 164  SK-StGB / Schall, 9. Aufl., Vor §§ 324 ff. Rn. 92; Randelzhofer / Wilke, S. 56 f.; zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen des informellen Verwaltungshandelns ausführlich Hüting, S.  17 ff. 165  Beaucamp, DÖV 2016, 802 (803). 166  Hermes / Wieland, S. 4.



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zugestanden hat, ist die Möglichkeit einer behördlichen Duldung eröffnet. Typischerweise kommt der Verwaltung eine solche Kontrollfunktion in den Bereichen zu, in denen der Gesetzgeber zur Überwachung von Gefahrenquellen Gesetzesvorbehalte angeordnet hat.167 (1) Abgrenzung der behördlichen Duldung zu anderen Rechtsinstituten Eine Begriffsbestimmung oder Definition des Begriffs der behördlichen Duldung ist bisher weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung erfolgt. Eine gesetzliche Regelung der Duldung findet sich nur im Aufenthaltsrecht (§ 60a AufenthG), die sich jedoch nicht auf andere Bereiche, insbesondere nicht auf das allgemeine Verwaltungsrecht, übertragen lässt. Um festzustellen, wann von einer behördlichen Duldung ausgegangen werden kann, muss diese zunächst von anderen Erscheinungsformen abgegrenzt werden, in denen die Behörde ebenfalls schlicht untätig bleibt. Schon begrifflich kann nicht mehr von einer Duldung ausgegangen werden, wenn die Behörde eine Entscheidung in der Sache trifft, diese jedoch rechtswidrig ist. Verweigert die zuständige Behörde die Aussagegenehmigung, weil sie unzutreffend davon ausgeht, dass die Voraussetzungen für eine Versagung gegeben sind, liegt zwar ein rechtswidriger Verwaltungsakt vor, der jedoch, wie gesehen, auch für die Beurteilung der Strafbarkeit bindend ist.168 Gegen die Entscheidung muss der Betroffene den Verwaltungsrechtsweg bestreiten und kann sich nicht einfach auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung berufen. Das Vorliegen einer Duldung ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn es sich in der Sache um eine Zusicherung (§ 38 VwVfG) seitens der Behörde oder um das Angebot auf Abschluss eines öffentlichrechtliches Vertrages (§§ 54 ff. VwVfG) handelt.169 Des Weiteren ist die behördliche Duldung abzugrenzen von der konkludenten Genehmigung.170 Dass der Erlass eines konkludenten Verwaltungsaktes möglich ist, stellt § 37 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich klar. Dort heißt es, dass der Verwaltungsakt auch „in anderer Weise erlassen“ werden kann. Zugleich wird hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass es sich um einen Auffangtatbestand handelt. Im Gegensatz zur behördlichen Duldung stellt die konkludente Genehmigung einen Verwaltungsakt dar, weil sie eine Sachentscheidung enthält, die auf die Herbeiführung einer unmittelbaren Rechtswirkung gerichtet ist. Die gegenteilige Auffassung, die bereits die behördliche 167  Hermes / Wieland,

S. 4. § 16 I. 3. c) ff) (3). 169  Rogall, NJW 1995, 922 (923). 170  Beaucamp, DÖV 2016, 802 (806). 168  Kapitel 4

194 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Duldung als konkludenten Verwaltungsakt ansehen will,171 überzeugt nicht. Könnte eine Duldung schon als Genehmigung aufgefasst werden, wäre sie obsolet, weil es dann keinen Anwendungsbereich mehr neben der konkludenten Genehmigung geben würde. Im Übrigen kann dem Schweigen der Behörde auch unter verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten kein Erklärungswert beigemessen werden.172 Von einer konkludenten Genehmigung kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich aus dem Verhalten des Erklärenden unmissverständlich ergibt, dass ein Verwaltungsakt erlassen werden soll.173 Gleiches gilt, wenn die Behörde dem Betroffenen zunächst schriftlich mitteilt, vorerst auf den Erlass eines Verwaltungsaktes zu verzichten, aber zu einem späteren Zeitpunkt eine Entscheidung erlassen will. Zwar kann in diesem Verhalten mangels Regelungswirkung keine konkludente Genehmigung gesehen werden, jedoch stellt ein solches Vorgehen eine Zusicherung im Sinne des § 38 Abs. 1 VwVfG dar. Im Wege der Auslegung muss ermittelt werden, ob es sich um eine verbindliche Selbstverpflichtung der Behörde handeln soll, die einen Rechtsanspruch des Adressaten begründen soll.174 Keine konkludente Genehmigung, sondern von einer fingierten Genehmigung ist auszugehen, wenn die Voraussetzungen des § 42a Abs. 1 S. 1 VwVfG erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift, die der Umsetzung der EURichtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt dient,175 gilt eine beantragte Genehmigung als erteilt, wenn die Behörde nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist noch keine Entscheidung getroffen hat. Die Frist für die Bearbeitung nach Absatz 1 Satz 1 beträgt grundsätzlich drei Monate, soweit durch Rechtsvorschrift nichts Abweichendes bestimmt ist (§ 42a Abs. 2 S. 1 VwVfG). Ist der Anwendungsbereich dieser Norm nicht von vornherein auf die von der zugrundeliegenden EU-Richtlinie erfassten Gebiete beschränkt,176 ist die Vorschrift aber nur anwendbar, wenn das jeweilige Fachrecht auf § 42a VwVfG Bezug nimmt.177 In den beamtenrechtlichen Vorschriften lässt sich allerdings kein entsprechender Verweis finden. Die Annahme einer fingierten Aussagegenehmigung ist somit nicht möglich. 171  Rudolphi, NStZ 1984, 193 (198); Ventura-Heinrich, in: Momsen / Grützner, Kap. 10 Rn. 25. 172  Beaucamp, DÖV 2016, 802 (806); aus diesem Grund kann auch nur der aktiven Duldung eine Legitimationswirkung zugesprochen werden, siehe Kapitel 4 § 16 I. 3. c) gg) (3). 173  Stelkens / Bonk / Sachs / Stelkens, § 37 Rn. 79. 174  VGH Mannheim Urt. v. 16.10.1989  – 1 S 1056 / 88, NVwZ 1990, 882 (892); SSW-StGB / Saliger, Vor §§  324 ff. 175  Richtlinie 2006 / 123 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006, ABl. 2006 L 376, 36. 176  Eisele, NJW 2014, 1417 (1418). 177  BT-Drucks. 16 / 10493, S. 15; Eisele, NJW 2014, 1417 (1418); Schröder, S. 76.



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen195

Kein Fall der behördlichen Duldung liegt des Weiteren vor, wenn die Behörde es aufgrund eigener Unkenntnis unterlässt, gegen den Betroffenen eine Entscheidung zu erlassen.178 In einem solch gelagerten Fall kann die Behörde schon mangels Kenntnis des Sachverhalts gar nicht entscheiden, ob sie eine Entscheidung treffen will oder nicht.179 Das Vorliegen einer behördlichen Duldung kann nur in Betracht gezogen werden, wenn sich die Behörde bewusst für ein Nichteinschreiten entscheidet. Sie kann dabei auf verschiedene Weise Kenntnis über den Sachverhalt erlangen. Zum einen muss der beschuldigte Amtsträger selbst aktiv werden und sich bereits vor seiner Vernehmung um eine Aussagegenehmigung bemühen (RiStBV Nr. 44)180 und zum anderen ist die Strafverfolgungsbehörde spätestens mit Erhebung der öffentlichen Klage dazu verpflichtet, dies auch dem Dienstherrn mitzuteilen, damit dieser den Erlass dienstrechtlicher Maßnahmen in Betracht ziehen kann (vgl. ­MiStra  15 Abs.  1).181 (2) Rechtsgrundlagen und Formen der behördlichen Duldung Setzt die behördliche Duldung somit voraus, dass die Behörde nicht in Unkenntnis des Sachverhalts handelt, muss des Weiteren danach differenziert werden, auf welche Rechtsgrundlage sich die Duldung stützt und auf welche Weise die Behörde ihre Entscheidung nach außen kommuniziert. (a) Rechtliche Grundlage Ist die behördliche Duldung Teil des informellen Verwaltungshandelns, findet sie ihre Grenze dort, wo dem informellen Verwaltungshandeln als solchem Grenzen gesetzt werden. Sieht das Gesetz die Einhaltung einer besonderen Form vor, kommt eine behördliche Duldung nicht in Betracht.182 Eine besondere Form sieht das Gesetz beispielsweise im Fall der Ernennung des Beamten oder Richters vor. Die Ernennung muss – wie bereits erwähnt – durch die Aushändigung der Ernennungsurkunde erfolgen.183 178  Beaucamp, DÖV 2016, 802 (803); Rogall, NJW 1995, 922 (923); Saliger, Rn. 124. 179  BGH Urt. v. 26.04.1990 – 4 StR 24 / 90, BGHSt 37, 21 (27); Franzheim / Pfohl, Rn. 105; Hermes / Wieland, S. 6; Schönke / Schröder / Heine / Hecker, Vor §§  324 ff. Rn. 20. 180  Siehe oben Kapitel 2 § 7 II. 3. 181  Hierdurch werden die gesetzlichen Mitteilungspflichten umgesetzt, vgl. § 115 Abs. 1 BBG, § 49 Abs. 1 BeamtStG, § 71 Abs. 3 DRiG. 182  Stelkens / Bonk / Sachs / Stelkens, § 37 Rn. 184 ff. 183  Siehe Kapitel 1 § 3 I.

196 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Die verwaltungsrechtlichen Grundlagen für die behördliche Duldung bilden das Opportunitätsprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.184 Ausgehend von der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage, welche die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung beinhaltet, muss deswegen unterschieden werden, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder um eine Ermessensentscheidung handelt. Im Fall der gebundenen Entscheidung hat der Gesetzgeber nämlich bereits die Entscheidung getroffen, dass die Behörde tätig werden muss, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind. In diesem Fall kann eine behördliche Duldung von vornherein nicht in Betracht kommen, weil die Behörde sich nicht entscheiden darf, ob sie handeln will oder nicht, also auch nicht befugt ist, den Zustand zu dulden. Eine solches Vorgehen der Behörde entgegen der gesetzlichen Regelung ist auf verwaltungsrechtlicher Ebene stets als rechtswidrig einzustufen, weil der Behörde keine Ermessensentscheidung zusteht.185 Die Herleitung einer rechtlich geschützten Position aus einem rechtswidrigen Handeln ist ausgeschlossen, da es keinen Vertrauensschutz contra legem geben kann.186 Dem steht im Übrigen nicht entgegen, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt das Verhalten legalisiert, denn in einem solchen Fall ergibt sich für den Adressaten eine schutzwürdige Position bereits aus der Existenz des Verwaltungs­ aktes selbst. Dies zeigt schon die Regelung des § 48 VwVfG.187 Hat der Gesetzgeber der Behörde aber ein Ermessen hinsichtlich des ­ ätigwerdens eingeräumt, kommt eine behördliche Duldung grundsätzlich in T Betracht. Eröffnet das Gesetz der Behörde die Möglichkeit nicht einzuschreiten, darf sie sich auch vorläufig darauf beschränken, den rechtswidrigen Zustand zu dulden, wenn die gesetzlichen Grenzen der Ermessensausübung eingehalten werden (§ 40 VwVfG). Muss der Behörde somit überhaupt die Möglichkeit offenstehen, untätig bleiben zu dürfen, ist eine behördliche Duldung aber wiederum ausgeschlossen, wenn die Behörde nur ein Ermessen hinsichtlich der in Betracht kommenden Maßnahmen eingeräumt wird (Auswahlermessen). Denn auch in einem solchen Fall steht der Behörde hinsichtlich der Frage des Einschreitens kein Ermessen zu. Übertragen auf die hier zu behandelnde Fragestellung bedeutet dies zunächst, dass im Bereich der Aussagegenehmigung für die Möglichkeit einer behördlichen Duldung überhaupt nur dann Platz wäre, wenn die einschlägi184  Hermes / Wieland, S. 18 ff.; MüKo-StGB / Schmitz, 2.  Aufl., Vor §§  324  ff. Rn. 97; Perschke, wistra 1996, 161 (168); Randelzhofer / Wilke, S. 80 ff.; Saliger, Rn. 126; SK-StGB / Schall, 9. Aufl., Vor §§ 324 ff. Rn. 93; SSW-StGB / Saliger, Vor §§  324 ff. 37. 185  Hermes / Wieland, S. 34. 186  Hermes / Wieland, S. 34. 187  Siehe sogleich Kapitel 4 § 16 I. 3. c) gg) (3) (b).



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen197

gen beamtenrechtlichen Rechtsgrundlagen über die Versagung der Aussagegenehmigung der Behörde ein Ermessen einräumen. Die Behörde muss die Aussagegenehmigung erteilen, wenn kein Gefährdungstatbestand einschlägig ist. Geht die zuständige Behörde allerdings davon aus, dass ein Gefährdungstatbestand grundsätzlich gegeben ist, und nur diese Konstellation ist von Interesse, weil andernfalls der Beamte einen Anspruch auf Erteilung der ­ Aussagegenehmigung hat, liegt es im Ermessen der Behörde, trotz des Vorliegens eines Versagungsgrundes die Aussagegenehmigung zu erteilen.188 Dass dem Dienstherrn durch das Gesetz eine solche Möglichkeit eingeräumt wird, ergibt sich aus der Formulierung des Gesetzes selbst, die vorgibt, dass die Genehmigung versagt werden „darf“, wenn dienstliche Rücksichten die Versagung unabweisbar erfordern, sie muss es dementsprechend aber nicht. Kommt die Behörde also zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Aussagegenehmigung nicht erteilt werden muss, weil dienstliche Rücksichten eine Versagung unabweisbar erfordern, steht es grundsätzlich in ihrem Ermessen den Zustand zu dulden, wenn aus Billigkeits- oder Opportunitätserwägungen ein solches Vorgehen erforderlich vertretbar ist. Dementsprechend ist die Möglichkeit für eine behördliche Duldung in einer solchen Konstellation gegeben. (b) Aktive und passive Duldung Bei der behördlichen Duldung muss des Weiteren danach unterschieden werden, ob es sich um eine aktive oder passive (stillschweigende) Duldung handelt.189 Eine passive Duldung liegt vor, wenn sich die zuständige Behörde trotz Kenntnis dazu entscheidet, untätig zu bleiben und diese Entscheidung nicht nach außen kommuniziert wird. In diesem Fall kann die Entscheidung aber keine Rechtswirkung entfalten, weil das bloße Schweigen nie geeignet sein kann, einen Vertrauenstatbestand zu begründen.190 Signalisiert die Behörde aber gegenüber dem Betroffenen, dass sie zunächst nicht einschreiten wird, handelt es sich um eine aktive Duldung. Der Unterschied zwischen den beiden Formen ist demnach darin zu sehen, dass nur bei der aktiven Duldung eine Kommunikation nach außen stattfindet. Zugleich wird durch die nach außen kundgegebene Entscheidung ein Vertrauenstatbestand auf Seiten des Betroffenen dahingehend geschaffen, dass die Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage zunächst nicht gegen das geduldete Verhalten vorgehen 188  Battis / Grigoleit,

§ 68 Rn. 6. Weber-FS 2004, 441 (445); Hermes / Wieland, S. 91; Randelzhofer /  Wilke, S. 78 f.; Rogall, NJW 1995, 922 (923); Wasmuth / Koch, NJW  1990 (2436); krit. SSW-StGB / Saliger, Vor §§ 324 ff. Rn. 37. 190  Siehe oben Kapitel 4 § 16 I. 3. c) gg) (1); Beaucamp, DÖV 2016, 802 (803). 189  Altenhain,

198 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

wird.191 Die Gründe, weshalb die Behörde den Zustand duldet, müssen dem Betroffenen nicht bekanntgegeben werden. Allein die Erklärung der Behörde nicht einzuschreiten, schafft einen Vertrauenstatbestand. (3) Auswirkungen der Duldung auf die verwaltungsrechtliche Beurteilung Bevor die Auswirkungen der Duldung auf die Strafbarkeit aufgezeigt werden können, muss zunächst festgestellt werden, welche Konsequenzen die Duldung für das Handeln auf ordnungsrechtlicher Ebene hat. Ist sie schon auf verwaltungsrechtlicher Ebene unbeachtlich, kann für die Bewertung auf strafrechtlicher Ebene kein Unterschied bestehen, weil das Verhalten ohne die Beeinflussung durch die verwaltungsrechtlichen Erwägungen den Tatbestand in jedem Fall erfüllen würde. Legalisiert die behördliche Duldung hingegen auf ordnungsrechtlicher Ebene das Verhalten, muss der Frage nachgegangen werden, ob aufgrund der Verwaltungsrechtsakzessorietät des Merkmals „unbefugt“ ebenfalls von einer Legitimationswirkung für die strafrechtliche Beurteilung ausgegangen werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage muss unterschieden werden, ob es sich um eine rechtmäßige oder rechtswidrige Duldung handelt. Dies wiederum beurteilt sich nach den Voraussetzungen der jeweiligen Norm über die Erteilung der Aussagegenehmigung. Wurde zuvor festgestellt, dass eine behördliche Duldung nur im Bereich einer Ermessensvorschrift in Betracht kommt, kann Maßstab für die verwaltungsrechtliche Beurteilung nur die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung sein. Überschreiten die Ermessenserwägungen die Grenze des Zulässigen, muss die Behörde die Aussagegenehmigung zwingend versagen, um eine Aussage des Amtsträgers zu verhindern. Handelt sie nicht, sondern duldet das Verhalten, liegt in diesem Fall eine rechtswidrige Duldung vor. Geht die Behörde hingegen davon aus, dass zwar ein Versagungsgrund gegeben ist, jedoch aufgrund von zutreffenden Ermessenserwägungen ein Einschreiten nicht erforderlich ist, liegt eine rechtmäßige Duldung vor. (a) Legalisierungswirkung der rechtmäßigen Duldung Eine Legalisierungswirkung zugunsten des Betroffenen kann nur angenommen werden, wenn dieser darauf vertrauen darf, dass die Behörde nicht gegen ihn einschreiten wird.192 Dies setzt auf Seiten des Betroffenen zwin191  OVG Münster Beschl. v. 21.5.2010  – 7 B 547 / 10, BeckRS 2014, 47066; VG Arnsberg Urt. v. 5.3.2010 – 12 K 900 / 09, BeckRS 2010, 52073. 192  Beaucamp, DÖV 2016, 802 (806); Wasmuth / Koch, NJW 1990, 2434 (2438).



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen199

gend voraus, dass er überhaupt Kenntnis von der Entscheidung der Behörde erlangt. In diesem Zusammenhang ist auf die oben getroffene Unterscheidung zwischen der aktiven und passiven Duldung zurückzukommen.193 Kommuniziert die Behörde ihre Entscheidung, den rechtswidrigen Zustand hinzunehmen, entsteht dementsprechend auf Seiten des Adressaten ein schutzwürdiges Vertrauen, dass sich die Behörde zunächst an ihre eigene Entscheidung hält. Demgegenüber fehlt bei der passiven Duldung eine solche Mitteilung. Gibt die Behörde ihre Entscheidung nicht nach außen bekannt, kann sich der Betroffene mangels Kenntnis auch nicht darauf berufen, dass er auf die Entscheidung der Behörde vertraut hat. Ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand kann auf Seiten des Betroffenen daher nicht entstehen.194 Eine etwaige Legalisierungswirkung kann daher nur der aktiven Duldung zugesprochen werden. Jedoch könnte zu überlegen sein, ob von dieser grundlegenden Richtungsvorgabe eine Abweichung getroffen werden muss, wenn die Behörde in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle immer nach dem gleichen Muster entscheidet, ihre Entscheidung jedoch nicht in jedem Einzelfall nach außen kommuniziert. Es stellt sich also die Frage, ob eine durchgängige Verwaltungspraxis in ihrer Wirkung mit der einer aktiven Duldung vergleichbar ist. Unabhängig von der Frage, ob bereits eine gängige Verwaltungspraxis zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt, kann auch in diesem Fall ein schutzwürdiges Vertrauen nur angenommen werden, wenn der Betroffene Kenntnis von dieser gängigen Praxis hat, andernfalls kann er nicht erwarten, dass die Behörde den gegenwärtigen Zustand hinnimmt. Dies setzt voraus, dass die Behörde ihm entweder ihre eigene Handlungsrichtlinie in diesen Fällen mitteilt oder es zumindest gemeinhin bekannt ist, dass eine solche Praxis üblich ist. In jedem Fall muss der Betroffene aber die Behörde über seinen Einzelfall in Kenntnis setzen, um die Möglichkeit einer behördlichen Duldung überhaupt in Betracht ziehen zu können. (b) Legalisierungswirkung der rechtswidrigen Duldung Hat die Behörde das ihr zustehende Ermessen überschritten, handelt es sich um eine rechtswidrige Duldung.195 Sie kann keine Legalisierungswirkung entfalten. Die Annahme einer schutzwürdigen Position entgegen der gesetzlichen Wertung ist mit dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung, der unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, nicht in Einklang zu 193  Siehe

Kapitel 4 § 16 I. 3. c) gg) (2) (a). Urt. v. 26.04.1990  – 4 StR 24 / 90, BGHSt 37, 21 (28); Fischer, StGB, Vor § 324 Rn. 11; Kemme, S. 352; SK-StGB / Schall, 9. Aufl., Vor §§ 324 ff. Rn. 94; Wasmuth / Koch, NJW 1990, 2423 (2439). 195  Vgl. Kapitel 4 § 16 I. 3. c) gg) (2). 194  BGH

200 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

bringen.196 Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass auch im Fall des rechtswidrig erteilten Verwaltungsaktes das Verhalten des Adressaten nicht strafbar ist, weil das Vorliegen eines Verwaltungsaktes das Verhalten legalisiert. Genau an diesem Punkt liegt der wesentliche Unterschied, der eine Differenzierung erforderlich macht. Das Gesetz selbst hat in § 48 VwVfG den Konflikt geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein rechtswidriger Verwaltungsakt zurückgenommen werden kann. Dieser vom Gesetzgeber geschaffene Ausgleich zwischen dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Prinzip der Rechtmäßigkeit der Verwaltung kann nicht unbesehen auf die rechtswidrige Duldung übertagen werden, weil die behördliche Duldung in ihrer Rechtsnatur gerade nicht mit einem Verwaltungsakt vergleichbar ist. Dies verdeutlicht schon allein der Umstand, dass nur der Verwaltungsakt in Bestandskraft erwachsen kann. Festzuhalten bleibt daher, dass nur die rechtmäßige behördliche Duldung eine Legalisierungswirkung enthält. (4) Die Auswirkungen der Duldung auf die Beurteilung der Strafbarkeit Die Auswirkung der behördlichen Duldung auf die Strafbarkeit des Betroffenen hängt in erster Linie davon ab, ob sich die Legalisierungswirkung auf verwaltungsrechtliche Ebene akzessorisch zur Strafbarkeit verhält. Vergleichbar mit der Frage, ob die Strafbarkeit vom Vorliegen eines wirksamen Verwaltungsakts abhängt,197 reichen die hierzu vertretenen Auffassungen von der Annahme einer strikten Verwaltungsrechtsakzessorietät198 bis zur Ablehnung einer solchen.199 Die Befürworter einer strikten Verwaltungsrechtsakzessorietät nehmen in der Sache zutreffend an, dass die Wertung auf verwaltungsrechtlicher Ebene auch für das Strafrecht gelten muss, sofern es sich um eine aktive und rechtmäßige Duldung handelt.200 Die Einheit der Rechtsordnung verlangt, dass ein Verhalten, das auf verwaltungsrechtlicher Ebene als zulässig anzusehen ist, nicht zugleich eine Strafbarkeit begründen kann. Es besteht zudem keine Notwendigkeit, ein Verhalten auf der Ebene des Strafrechts gesondert zu sanktionieren, um Rechtsgüter zu schützen. Zunächst ist die Behörde aufgefordert, präventiv von ihren Eingriffsbefugnissen Gebrauch zu machen. Ist das Verhalten durch eine Genehmigung oder eben durch eine behördliche Duldung legalisiert, bedarf es mangels Schutzbedürf196  Forsthoff,

S. 218 f. oben Kapitel 4 § 16 I. 3. c) ff) (1). 198  MüKo-StGB / Schmitz, 2. Aufl., Vor §§ 324 ff. Rn. 99; Perschke, wistra 1996, 161 (168); Samson, JZ 1988, 800 (802 f.). 199  AnwK-StGB / Szesny, Vor §§ 324 ff. Rn. 54; Fischer, StGB, § 324 Rn. 11; Lackner / Kühl, § 324 Rn. 12. 200  Heider, S. 96; Kemme, S. 359 f.; Kuhlen, ZStW 105 (1993), 697 (707); Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (893 ff.); SSW-StGB / Saliger, Vor §§ 324 ff. Rn. 40. 197  Siehe



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen201

tigkeit des Rechtsguts auch keines Strafrechtsschutzes mehr.201 Wird das Institut der Verwaltungsaktsakzessorietät anerkannt, wäre es in dieser Konsequenz widersprüchlich, wenn der Behörde eine Entscheidungsbefugnis zukommt, die getroffene Entscheidung aber für die Beurteilung der Strafbarkeit nicht von Belang wäre. Abzulehnen sind daher die Ansichten, die der rechtlichen Bewertung der Behörde entweder nur eine eingeschränkte Akzessorietät202 oder gar keine Wirkung zusprechen.203 Dass sich die Legalisierungswirkung auf die Strafbarkeit auswirkt, zeigt auch der folgende Gedanke: Das Gebot der Rechtsklarheit, das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) enthalten ist, verlangt, dass Rechtsnormen in sich widerspruchsfrei sind.204 Hiervon kann allerdings nicht mehr gesprochen werden, wenn die Rechtsordnung mehrere gegensätzliche Verhaltensbefehle an den Adressaten richtet. Genau dies würde jedoch eintreten, wenn das Verhalten des Betroffenen auf ordnungsrechtlicher Ebene im Einklang mit der Rechtsordnung steht, hingegen das Strafrecht in Bezug auf die gleiche Handlung ein Verbot ausspricht. Als Ergebnis kann damit festgehalten werden, dass die rechtmäßige aktive Duldung grundsätzlich dazu geeignet ist, das Merkmal der unbefugten Offenbarung entfallen zu lassen. Allerdings dürften die Voraussetzungen, und dies relativiert die Bedeutung der behördlichen Duldung für die Untersuchung, in der Praxis regelmäßig nicht gegeben sein. Die Voraussetzungen, die das Gesetz für die Versagung der Aussagegenehmigung aufstellt, sind so streng, dass eine Duldung trotz des Vorliegens von Versagungsgründen in der Regel ermessensfehlerhaft sein wird. In dieser Konsequenz läge aber eine rechtswidrige Duldung vor, von der keine Legalisierungswirkung ausgehen kann. hh) Zwischenergebnis Es bleibt somit festzuhalten, dass das Merkmal „unbefugt“ ein Tatbestandsmerkmal ist und nicht nur einen Hinweis auf das allgemeine Deliktsmerkmal der Rechtswidrigkeit beinhaltet. Für alle Amtsträger gilt gleichermaßen, dass das Merkmal „unbefugt“ keiner einschränkenden Auslegung zugänglich ist, die es erlauben würde, Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht zur Verteidigung im Strafverfahren als nicht tatbestandsgemäß anzusehen. Eine Berücksichtigung der berechtigten Eigeninteressen des Amtsträgers kann, soweit eine Einschränkung der Strafbarkeit in diesem Fall nicht 201  Günther,

S. 159. Frankfurt a. M. Urt. v. 22.5.1987  – 1 Ss 401 / 86, NStZ 1987, 508 (509); Lackner / Kühl, Vor § 324 Rn. 3. 203  Roxin, AT I, § 17 Rn. 67. 204  Maunz / Dürig / Grzeszick, Art. 20 Rn. 56. 202  OLG

202 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

über das Tatbestandsmerkmal der konkreten Gefahr möglich ist,205 somit nur auf Rechtswidrigkeitsebene erfolgen. Darüber hinaus müssen aber die Besonderheiten, die sich aus der Anwendung des Verwaltungsrechts ergeben, bei der Beurteilung berücksichtigt werden. Das Vorliegen einer wirksamen Aussagegenehmigung führt dazu, dass die Strafbarkeit des Amtsträgers ungeachtet ihrer materiellen Rechtmäßigkeit zu verneinen ist. Eine behördliche Duldung ist grundsätzlich geeignet, ein an sich strafbares Verhalten zu legalisieren. Dies gilt allerdings nur im Fall der aktiven behördlichen Duldung. Nur diese kann auf verwaltungsrechtlicher Ebene das Verhalten legalisieren. Ist das Merkmal „unbefugt“ in § 353b Abs. 1 StGB in einem verwaltungsakts­ akzessorischen Sinn zu verstehen, führt die Legalisierungswirkung dazu, dass kein strafbares Verhalten mehr gegeben ist. 4. Gefahr für wichtige öffentliche Interessen Kann der Geheimnisbegriff in § 353b Abs. 1 StGB in großer Übereinstimmung zur Verschwiegenheitspflicht gesehen werden, setzt der Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB des Weiteren voraus, dass durch die unbefugte Offenbarung des Dienstgeheimnisses eine Gefahr für wichtige öffentliche Interessen verursacht wird. Beide Voraussetzungen dienen dazu, den weit gefassten Tatbestand auf das nötige Maß zu beschränken.206 a) Konkrete Gefahr Nach allgemeiner Auffassung setzt der Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB voraus, dass es zu einer konkreten Gefahr für das geschützte Rechtsgut gekommen ist.207 Allein die unbefugte Offenbarung eines Dienstgeheimnisses reicht für die Annahme einer konkreten Gefahr noch nicht aus, sondern muss gesondert festgestellt werden. Ein andere Betrachtungsweise würde ansonsten dazu führen, dass unabhängig voneinander bestehende Tatbestandsmerkmale in unzulässiger Weise miteinander verschliffen würden.208 Die Annahme 205  Siehe

hierzu sogleich Kapitel 4 § 16 I. 4. JuS 1977, 353 (360); NK-Kuhlen, § 353b Rn. 24; Schönke / Schröder / Perron, § 353b Rn. 6. 207  BGH Urt. v. 8.11.1965  – 8 StE 1 / 65, BGHSt 20, 342 (348); Fischer, StGB, § 353b Rn. 21; Lackner / Kühl, § 353b Rn. 11; LK-Vormbaum, 12. Aufl., § 353b Rn. 26; MüKo-StGB / Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 42; Schönke / Schröder / Perron, § 353b Rn. 9; SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 8. 208  BGH Urt. v. 8.11.1965 – 8 StE 1 / 65, BGHSt 20, 342 (348); Bär, MMR 2001, 607 f.; Linke, AöR 2016, 317 (332); LK-Vormbaum, 12. Aufl., § 353b Rn. 24; Rogall, Schünemann-FS 2014, 661 (669). 206  Maiwald,



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen203

einer konkreten Gefahr verlangt, dass eine gewisse auf Tatsachen beruhende Wahrscheinlichkeit besteht, dass wichtige öffentliche Interessen Schaden nehmen.209 Solch gefahrbegründende Umstände können sich beispielsweise aus der Person des Kenntnisträgers selbst ergeben, wenn dieser nicht zur Kenntnis berechtigt ist, wie etwa im Fall eines vorangegangenen Geheimnisbruchs. Ausreichend sind aber auch sonstige Umstände, die bei einem normalen Ablauf die Vermutung nahelegen, dass es zu einer konkreten Gefährdung kommt.210 Ob das wichtige öffentliche Interesse schlussendlich einen Schaden durch die Offenbarung erleidet, ist für den Taterfolg unerheblich. Eine konkrete Gefahr soll nach Ansicht der Rechtsprechung auch dann zu bejahen sein, wenn es bloß zu einer mittelbaren Gefährdung eines wichtigen öffentlichen Interesses gekommen ist. Von einer mittelbaren Gefährdung ist auszugehen, wenn die Offenbarung des Geheimnisses keinen Einfluss auf die konkrete Maßnahme hat, etwa weil der Vorgang bereits abgeschlossen ist oder lediglich private Geheimhaltungsinteressen berührt werden, jedoch durch das Bekanntwerden das Vertrauen in die öffentliche Aufgabenerfüllung beeinträchtigt wird.211 Hingegen werden wichtige öffentliche Interessen bereits unmittelbar gefährdet, wenn durch die unbefugte Offenbarung laufende Prozesse gefährdet werden.212 Die Rechtsprechung lässt die mittelbare Gefährdung ausreichen, wenngleich die Begründung nicht einheitlich erfolgt. Der Grundgedanke, der allen Begründungsmodellen zugrunde liegt, ist der, dass durch die unbefugte Offenbarung auch das Vertrauen in die ordnungsgemäße Amtsführung erschüttert wird, welches seinerseits ein wichtiges öffentliches Interesse darstellt.213 Zur Begründung wird auf den Wortlaut, der eine Einschränkung nicht vorsieht, und auf die Gesetzgebungsgeschichte Bezug genommen.214 Erforderlich ist aber stets eine Gesamtabwägung, um festzustellen, ob das Vertrauen der Öffentlichkeit durch die unbefugte Offenbarung gefährdet wird.215 Teilweise wird darauf abgestellt, ob es in bestimmten Region tatsächlich zu Kritik an den Behörden kam.216 Auf der anderen Seite

209  BGH

Urt. v. 8.11.1965 – 8 StE 1 / 65, BGHSt 20, 342 (348). Urt. v. 8.11.1965 – 8 StE 1 / 65, BGHSt 20, 342 (348). 211  AnwK-StGB / Tsambikakis, § 353b Rn. 23; HK-GS / Schmedding, § 353b StGB 6; NK-Kuhlen, § 353b Rn. 25. 212  Siehe sogleich Kapitel 4 § 16 I. 4. b). 213  BGH Urt. v. 19.6.1958  – 4 StR 151 / 58, BGHSt 11, 401 (404); OLG Celle Beschl. v. 5.9.2016  – 2 Ss 103 / 16, BeckRS 2016, 112130; KG Urt. v. 5.1.2017  – 3 StE 6 / 16, (juris). 214  BayObLG Urt. v. 15.1.1999 – 1 St RR 223–98, NStZ 1999, 568 (569). 215  BGH Urt. v. 9.12.2002 – 5 StR 276 / 02, BGHSt 48, 126 (132). 216  BGH Urt. v. 19.6.1958 – 4 StR 151 / 58, BGHSt 11, 401 (404); OLG Köln Urt. v. 11.1.2005 – 8 Ss 460 / 04, NJW 2005, 1000. 210  BGH

204 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

soll es genügen, wenn die Gefahr der Aufdeckung und des Bekanntwerdens des Geheimnisbruchs droht.217 Zu Recht wird das Kriterium der mittelbaren Gefährdung von Teilen der Literatur aufgrund der mangelnden Bestimmtheit der einzelnen Voraussetzungen abgelehnt.218 Dass private Interessen kein tauglicher Anknüpfungspunkt sein können, wurde bereits aufgezeigt.219 Trotz des Versuchs, die sehr weit gezogenen Grenzen der mittelbaren Gefährdung durch das Erfordernis einer Gesamtabwägung einzufangen, sind die Voraussetzungen, wann es tatsächlich zu einer Erschütterung des Vertrauens der Bevölkerung gekommen ist, weitgehend unklar geblieben. In dieser Form stellt dieses Vorgehen eine erhebliche Ausweitung des Tatbestandes dar, die in der Sache nicht gerechtfertigt ist. Das Vertrauen der Bevölkerung reicht als Strafgrund nicht aus, weil § 353b Abs. 1 StGB verlangt, dass durch den Geheimnisbruch selbst wichtige öffentliche Interesse gefährdet werden und nicht erst durch das Bekanntwerden. Soll die Allgemeinheit vor dem Bekanntwerden des Geheimnisbruchs geschützt werden, darf nicht übersehen werden, dass gerade ein berechtigtes Interesse eben jener Allgemeinheit daran besteht, von einem Geheimnisbruch zu erfahren. Dieser Gedanke wird aber durch die Rechtsprechung ins Gegenteil verkehrt. Eine solche Ansicht ist jedoch in Zeiten, in denen es ein Anliegen des Staates ist, seinen Bürgern einen möglichst umfassenden Informationszugang zu ermöglichen, nicht mehr haltbar.220 Zudem führt die Unsicherheit innerhalb der Rechtsprechung über die Voraussetzungen der mittelbaren Gefährdung dazu, dass ein erhebliches Legitimationsproblem entstanden ist.221 Die Konstruktion der mittelbaren Gefährdung ist somit durchweg abzulehnen. b) Wichtige öffentliche Interessen Es muss sich um eine konkrete Gefahr für wichtige „öffentliche Interessen“ handeln. Von vornherein keinen tauglichen Anknüpfungspunkt stellen somit alle Privatinteressen dar. Der Schutz gegen die unbefugte Offenbarung von Privatgeheimnissen durch Amtsträger wird allein über § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewährleistet.222 Wann nun ein öffentliches Interesse als wichtig im Sinne der Vorschrift aufgefasst werden kann, ist schwierig zu beurteilen, da 217  OLG

Düsseldorf Urt. v. 27.10.1982 – 2 Ss 347 / 82, NStZ 1985, 169. AfP 2004, 85 (88); NK-Kuhlen, § 353b Rn. 28; Perron, JZ 2002, 50 (51 f.); SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 9. 219  Vgl. Kapitel 4 § 16 I. 220  Behm, NStZ 2001, 153 (154 f.). 221  Matt / Renzikowski / Sinner, § 353b Rn. 17. 222  Vgl. oben Kapitel 4 § 16 I. 1. 218  Behm,



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen205

die Beurteilung schlussendlich auf eine Wertungsfrage hinausläuft. Entscheidend muss letztlich der Schutzzweck der Norm sein. Will § 353b Abs. 1 StGB die Erfüllung öffentlicher Aufgaben schützen, ist von einem wichtigen öffentlichen Interesse immer dann auszugehen, wenn es sich um öffentliche Aufgaben handelt, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse besteht.223 Der BGH hat eine konkrete Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen zum Beispiel darin gesehen, dass dienstliche Beurteilungen von Offizieren des Bundesgrenzschutzes an den Staatssicherheitsdienst der DDR weiter­ gegeben wurden.224 Durch die Weitergabe dieser Informationen könnten Schwächen der genannten Personen ausgenutzt werden und die Handlungs­ fähigkeit des Bundesgrenzschutzes negativ beeinflusst und somit der Grenzschutz als öffentliche Aufgabe von einigem Gewicht beeinträchtigt werden. Eine Gefährdung öffentlicher Interessen wurde auch darin gesehen, dass einem Prüfling die Prüfungsaufgaben mitgeteilt wurden, wenn die bestandene Prüfung zur Verwendung im öffentlichen Dienst befähigt.225 Durch die unbefugte Offenbarung könne der Prüfling unter Umgehung des Prinzips der Bestenauslese eine Ausbildung aufnehmen, die nicht seinen Fähigkeiten entspräche. Zugleich werde verhindert, dass ein geeigneter Kandidat einen Platz bekomme. Dies stelle eine Gefahr für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben dar, da hierzu entsprechend befähigte Personen eingesetzt werden müssten. Einer neueren Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag folgender Fall zugrunde: Der Angeklagte war Polizeibeamter und konnte mittels seiner Personalnummer und eines ihm bekannten Codes auf ein Datennetz der Bundes­ polizei zugreifen. In diesem System waren unter anderem Namen von Personen eingespeichert, die zur Fahndung ausgeschrieben waren. Darüber hinaus enthielt die Datenbank fallbezogene Eintragungen, insbesondere zu polizeilich bekanntgewordenen Umständen. Für einen Freund führte der Angeklagte nun mehrere Abfragen zu verschiedenen Personen durch. In mehreren Fällen lieferte die Abfrage keine Ergebnisse, was der Angeklagte seinem Freund auch so mitteilte. Der Angeklagte erhielt aber durch die Abfrage zufällig Kenntnis von einem bevorstehenden Einsatz der Polizei und informierte seinen Freund, woraufhin er entsprechende Maßnahmen ergriff, die dazu führten, dass die polizeilichen Ermittlungen ergebnislos verliefen. Der BGH bestätigte die Verurteilung nach § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB.226 Sowohl die Bekanntgabe der bevorstehenden polizeilichen Maßnahme als auch die Mitteilung, dass die Datenbankabfrage ergebnislos verlief, verletzten wichtige öffentliche Interessen. Zur Begründung führt der BGH aus, dass der Betrieb 223  LK-Vormbaum, 12. Aufl., § 353b Rn. 24; NK-Kuhlen, § 353b Rn. 35; Schönke /  Schröder / Perron, § 353b Rn. 9; Wagner, S. 224. 224  BGH Urt. v. 30.1.1957 – 2 StE 18 / 56, BGHSt 10, 108. 225  BGH Urt. v. 19.6.1958 – 4 StR 151 / 58, BGHSt 11, 401. 226  BGH Urt. v. 23.3.2001 – 2 StR 488 / 00, BGHSt 46, 339 (343).

206 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

einer Datenbank zur Aufgabenerfüllung der Polizei erforderlich sei. Werden Informationen über den Inhalt der Datenbank unbefugt offenbart, sei diese Handlung dazu geeignet, wichtige öffentliche Interessen zu gefährden.227 Diese Rechtsprechung wurde jüngst durch den BGH in einem ähnlich gelagerten Fall bestätigt. Ein Polizeibeamter übermittelte seinem Auftraggeber die Rechercheergebnisse, die er durch die Abfrage zweier Datenbanken erhielt.228 Gegenstand der Abfrage waren mehrere Personenüberprüfungen und Halterabfragen. Beide Abfragen führten aber im Ergebnis nicht dazu, dass polizeiliche Maßnahmen beeinträchtigt wurden. Nur hinsichtlich der Personenabfragen ging das Gericht von einem Geheimnis aus. Aufgrund der allgemein zugänglichen Halterabfrage (§ 39 StVG) stelle diese Auskunft bereits kein Geheimnis dar.229 Obwohl polizeiliche Maßnahmen, deren Durchführung zweifelsfrei ein wichtiges öffentliches Interesse darstellen, nicht beeinträchtigt wurden, nahm das Gericht eine konkrete Gefahr an, da auch eine mittelbare Gefährdung zur Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals genügen könne.230 Die Voraussetzungen, um vom Vorliegen eines wichtigen öffentlichen Interesses ausgehen zu können, sind nach alledem nicht sehr hoch anzusetzen. Aufgrund der Ansicht der Rechtsprechung, dass bereits die Erschütterung des Vertrauens der Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ausreicht, verliert dieses Merkmal allerdings seine Umgrenzungsfunktion zusehends, weshalb eine solche Ausweitung auf die mittelbare Gefährdung öffentlicher Interessen abzulehnen ist. Neben der Eingrenzung des Tatbestandes kommt dem Merkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen noch eine weitere Funktion zu. Nach § 37 Abs. 1 BeamtStG und § 67 Abs. 1 BBG bezieht sich Verschwiegenheitspflicht auf alle dienstlichen Angelegenheiten, unabhängig davon, ob es sich um eine „wichtige“ dienstliche Angelegenheit handelt oder nicht. Entsprechende Regelungen gelten auch für viele Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes. Daraus folgt, dass nicht jede Verletzung der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht zugleich auch den Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB erfüllt. Folgt die Verschwiegenheitspflicht für Beamte und Richter somit unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung, dient die inhalt­ liche Bestimmung der „wichtigen“ öffentlichen Interessen aber der Feststellung, ob der Bruch der Verschwiegenheitspflicht ein strafbares Verhalten begründet oder letztlich nur als Dienstvergehen angesehen werden kann. Für die anderen Personengruppen, die dem Amtsträgerbegriff unterfallen, ist aber 227  BGH Urt. v. 23.3.2001  – 5.1.2017 – 3 StE 6 / 16, (juris). 228  BGH Urt. v. 15.11.2012 – 229  BGH Urt. v. 15.11.2012 – 230  BGH Urt. v. 15.11.2012 –

2 StR 488 / 00, BGHSt 46, 339 (344); KG Urt. v. 2 StR 388 / 12, NJW 2013, 549. 2 StR 388 / 12, NJW 2013, 549 (551). 2 StR 388 / 12, NJW 2013, 549 (551).



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen207

zu bedenken, dass § 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB nicht nur die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht sanktioniert, sondern darüber hinaus die Verschwiegenheitspflicht auch begründet, wenn die einschlägigen Regelungen auf andere Normen (also auch auf § 353b Abs. 1 StGB) verweisen,231 wie dies etwa bei § 3 Abs. 1 TVöD beziehungsweise § 3 Abs. 2 TV-L der Fall ist. Fällt der Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB in den Anwendungsbereich dieser tarifvertraglichen Regelung, ist er zur Verschwiegenheit verpflichtet, wenn deren Geheimhaltung durch eine gesetzliche Vorschrift vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet ist.232 In diesem Fall begründet § 353b Abs. 1 StGB die Verschwiegenheitspflicht selbst. Hat der Arbeitgeber hingegen die Verschwiegenheit im Wege der Anordnung für bestimmte Bereiche vorgegeben, dient das Merkmal der „wichtigen“ öffentlichen Interessen wiederum der Abgrenzung zwischen einem Verhalten, das strafwürdig ist, und der Verletzung rein vertraglicher Pflichten. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht stellt damit, wenn sie nicht durch § 353b Abs. 1 StGB selbst begründet wird, nicht zwangsläufig ein strafbares Verhalten dar, weil sie nicht mit dem Begriff des „wichtigen“ öffentlichen Interesse einhergeht. Entscheidend sind dabei stets der Einzelfall und die genaue Feststellung, nach welchen rechtlichen Grundlagen der Amtsträger zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. c) Wichtige öffentliche Interessen bei Versagung der Aussagegenehmigung Wurde bisher festgestellt, dass die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers nicht zwangsläufig mit der Reichweite des Begriffes der „wichtigen öffentlichen Interessen“ gleichgestellt werden kann, lässt sich die Frage aber eindeutig beantworten, wenn dem Amtsträger die Aussagegenehmigung versagt wurde. Die Voraussetzungen, unter denen dem Amtsträger als Zeuge die Aussagegenehmigung versagt werden kann, sind bereits streng.233 Nach § 37 Abs. 4 BeamtStG und § 68 Abs. 1 BBG darf die Aussagegenehmigung nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würden. Die Voraussetzungen, die für die Versagung der Aussagegenehmigung als Beschuldigter gegeben sein müssen, sind im Vergleich zum Zeugen noch strenger.234 Sind die Voraussetzungen hierfür gegeben, muss davon ausgegangen werden, dass die Gründe, die zur Versagung berechtigen, zu231  Vgl.

oben Kapitel 4 § 16. Kapitel 1 § 4 II. 4. a). 233  Siehe ausführlich Kapitel 2 § 6 III. 234  Ausführlich hierzu Kapitel 2 § 7 III. 232  Siehe

208 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

gleich wichtige öffentliche Interessen im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB darstellen. Der Gesetzgeber hat den schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Beschuldigten, der durch die Versagung der Aussagegenehmigung erfolgt, erkannt und entsprechend hohe Anforderungen an die Versagungsgründe gestellt. Daher ist jedenfalls dann, wenn die Aussagegenehmigung für den Beamten versagt werden könnte, auch von Bestehen eines „wichtigen“ öffentlichen Interesses auszugehen. d) Konkrete Gefahr bei Ausschluss der Öffentlichkeit Das Verfahrensrecht eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, die Öffentlichkeit für die komplette Verhandlung oder zumindest für einen Teil davon auszuschließen (§ 172 GVG). Die Öffentlichkeit kann insbesondere ausgeschlossen werden, wenn eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist (§ 172 Nr. 1 GVG). Erfolgt ein Ausschluss, stellt sich die Frage, ob in einem solchen Fall weiterhin von einer konkreten Gefährdung ausgegangen werden kann, die – wie dargestellt – aus der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht selbst resultieren muss. Verlangt die Annahme einer konkreten Gefahr, dass eine auf Tatsachen beruhende Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch die Offenbarung wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden, wird dies im Fall des Ausschlusses der Öffentlichkeit nicht ohne weiteres anzunehmen sein. Zwar ist das Merkmal der unbefugten Offenbarung grundsätzlich dann erfüllt, wenn ein Dritter Kenntnis über den geheimhaltungsbedürftigen Umstand gewinnt, selbst wenn dieser zur Verschwiegenheit verpflichtet ist,235 jedoch wurde bereits aufgezeigt, dass das Merkmal der unbefugten Offenbarung nicht gleichgesetzt werden darf mit dem Merkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen. Eine konkrete Gefahr könnte demnach zu verneinen sein, wenn die im Verfahren anwesenden Personen eine ausreichende Gewähr dafür bieten, dass trotz der Kenntniserlangung keine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen zu erwarten ist. Mag dies zwar für manche der Verfahrensbeteiligten grundsätzlich anzunehmen sein, insbesondere für diejenigen, die aufgrund ihrer berufs- oder dienstrechtlichen Pflicht ohnehin zur Verschwiegenheit verpflichtet sind,236 erscheint es dennoch zweifelhaft, ob dieser Umstand für sich genommen ausreicht, um eine Gefährdung mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Besonders deutlich wird dies zum Beispiel im Fall des Angeklagtenbeistandes, der zwar kein Verfahrensbeteiligter ist, aber dem den235  Vgl.

Kapitel 4 § 16 I. 3. a). Urt. v. 8.11.1965  – 8 StE 1 / 65, BGHSt 20, 342 (348); OLG Düsseldorf Urt. v. 6.9.2011  – 5 Sts 5 / 10, NStZ 2013, 590 (591); ähnlich VG Berlin Urt. v. 23.1.2014 – 80 K 40.12 OL, (juris). 236  BGH



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen209

noch ein Anwesenheitsrecht zusteht. Stellt der Angeklagte einen Antrag auf Zulassung eines Beistandes muss diesem Antrag entsprochen werden. Aus § 149 Abs. 1 S. 1 StPO folgt ein Rechtsanspruch auf sofortige Zulassung, jedenfalls nach Erhebung der Anklage.237 Eine Gefährdung kann daher erst ausgeschlossen werden, wenn das Gericht die anwesenden Personen unabhängig von ihrer etwaigen Verschwiegenheitspflicht oder Verfahrensstellung zur Geheimhaltung über die Tatsachen, die ihnen durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes Schriftstück zur Kenntnis gelangt sind, gesondert verpflichtet (§ 174 Abs. 3 GVG).238 Diese Pflicht wird durch die Strafnorm des § 353d Nr. 2 StGB zusätzlich geschützt.239 Liegt eine solche Verpflichtung vor, muss davon ausgegangen werden, dass keine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen mehr eintreten kann. Andernfalls würde gegenüber den anwesenden Personen unausgesprochen die Unterstellung erhoben, dass davon auszugehen ist, sie werden gegen eine strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Diese Einschränkung kann aber nur zugunsten des beschuldigten Amtsträgers greifen, wenn die Voraussetzungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit gegeben sind und das Gericht sein Ermessen fehlerfrei ausübt. Der Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz eines Geheimnisses richtet sich nach § 172 GVG und hierbei insbesondere nach § 172 Nr. 1 GVG. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausschluss der Öffentlichkeit möglich, wenn eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist. Eine Gefahr für die Staatssicherheit setzt voraus, dass die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder das Funktionieren des Staates in seinen wesentlichen Bestandteilen betroffen ist.240 Auf den ersten Blick scheinen sich die Voraussetzungen, die an den Ausschluss der Öffentlichkeit gestellt werden, mit den Voraussetzungen, die an die Versagung der Aussagegenehmigung geknüpft sind, zu überschneiden.241 Allerdings verlangt § 172 Nr. 1 GVG einschränkend, dass zumindest eine ab­strakte Gefahr vorliegen muss. Hingegen verzichten die einschlägigen Vorschriften über die Versagung der Aussagegenehmigung auf dieses einschränkende 237  MüKo-StPO / Thomas / Kämpfer,

§ 149 Rn. 3; SSW-StPO / Beulke, § 149 Rn. 8. Urt. v. 17.7.1984  – 2 BvE 11 / 83, 2 BvE 15 / 83, BVerfGE  67, 100 (134 f.); OLG Düsseldorf Urt. v. 6.9.2011 – 5 Sts 5 / 10, NStZ 2013, 590 (591); Roxin /  Schünemann, § 47 Rn. 15; Soiné, GA 2014, 527 (529). 239  Handelt es sich um eine besondere Geheimhaltungsverpflichtung, kann auch eine Strafbarkeit nach § 353b Abs. 2 StGB in Betracht kommen, vgl.: MüKoStGB / Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 74; Walter, v. Heintschel-Heinegg-FS 2015, 471 (472). 240  KK-StPO / Diemer, § 172 GVG Rn. 4; Kissel / Mayer, § 172 Rn. 20; SK-StPO /  Velten, 4. Aufl., § 172 GVG Rn. 4. 241  Vgl. Kapitel 2 § 7 III. 238  BVerfG

210 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Merkmal und lassen es bereits ausreichen, wenn die Aussage einen Nachteil bereiten würde. Bezieht sich die Aussagegenehmigung auf einen Sachverhalt, in dem es nicht um die Abwehr von Gefahren geht, beispielsweise um allgemeine Verwaltungsabläufe, das Anwerben von Kontaktpersonen oder Mittel der Informationsverwertung (Methodenschutz), ist die Vorschrift nicht einschlägig.242 Selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 172 Nr. 1 GVG gegeben sind, steht die Entscheidung des Gerichts, die Öffentlichkeit von der Verhandlung oder eines Teils davon auszuschließen, im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.243 Die Verfahrensbeteiligten haben keinen Anspruch darauf, dass die Öffentlichkeit vom Verfahren ausgeschlossen wird. Eine Ermessensreduktion des Gerichts wird nur in den seltensten Fällen in Betracht kommen, da die Ermessenserwägungen stets berücksichtigen müssen, dass durch den Ausschluss der Öffentlichkeit ein grundlegendes Prinzip des Strafverfahrens verletzt wird. Im Grundsatz führt der Ausschluss der Öffentlichkeit aber dazu, dass eine Strafbarkeit nach § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB zu verneinen ist. Entscheidet sich das Gericht aber ermessensfehlerfrei, die Öffentlichkeit nicht von der Verhandlung auszuschließen, besteht für den beschuldigten Amtsträger die Gefahr, sich durch seine Aussage einer erneuten Strafverfolgung auszusetzen, ungemindert fort. 5. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand des § 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter zumindest bedingt vorsätzlich handelt. Dies setzt zunächst voraus, dass er in Kenntnis seiner Amtsträgereigenschaft handelt. Ebenso muss er das ihm anvertraute oder bekanntgewordene Dienstgeheimnis vorsätzlich offenbaren.244 Der Vorsatz muss sich des Weiteren auch auf das Merkmal „unbefugt“, wenn man es wie nach der hier vertreten Auffassung als Tatbestandsmerkmal begreift,245 und auf die konkrete Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen beziehen.246 Hat der Täter lediglich fahrlässig 242  SK-StPO / Velten,

4. Aufl., § 172 GVG Rn. 4. Urt. v. 4.12.2003  – 5 StR 250 / 03, NStZ-RR 2004, 116 (118); MeyerGoßner / Schmitt, § 172 GVG Rn. 1; SK-StPO / Velten, 4. Aufl., § 172 GVG Rn. 3; SSW-StPO / Quentin, § 172 GVG Rn. 20. 244  AnwK-StGB / Tsambikakis, § 353b Rn. 40; Matt / Renzikowski / Sinner, § 353b Rn. 17; NK-Kuhlen, § 353b Rn. 39; Schönke / Schröder / Perron, § 353b Rn. 20; Schuldt, S. 89 ff. 245  Siehe hierzu Kapitel  4 § 16 I. 3. c) ff) (5); AnwK-StGB / Tsambikakis, § 353b Rn. 40; NK-Kuhlen, § 353b Rn. 39; Schuldt, S. 138. 246  AnwK-StGB / Tsambikakis, § 353b Rn. 40; Lackner / Kühl, § 353b Rn. 12; Matt /  Renzikowski / Sinner, § 353b Rn. 18. 243  BGH



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen211

wichtige öffentliche Interessen gefährdet, findet § 353b Abs. 1 S. 2 StGB Anwendung, der eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination enthält (§ 11 Abs. 2 StGB). Der hierfür erforderliche Sorgfaltspflichtverstoß kann in der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gesehen werden, wobei die Frage, ob es zu einer konkreten Gefährdung kam, eine Beurteilung des Einzelfalls erfordert.247 Hierbei müssen Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, deren in Aussicht gestellte Verwendung und die Person des Amtsträgers berücksichtigt werden.248 6. Rechtswidrigkeit Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass der Amtsträger in einer Zwickmühle sitzt. Hat ihm sein Dienstherr keine Aussagegenehmigung erteilt oder der Offenbarung des Dienstgeheimnisses nicht zugestimmt, ist bei einer Weitergabe des Dienstgeheimnisses, welches wichtige öffentliche Interessen verletzt, der Tatbestand des § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt. Auch über den Weg einer restriktiven Auslegung oder einer teleologischen Reduktion des Merkmals „unbefugt“ konnte keine Einschränkung erreicht werden. Ist der Amtsträger nun Beschuldigter eines Strafverfahrens, stellt sich für ihn die Frage, ob der Bruch der Verschwiegenheitspflicht gegebenenfalls gerechtfertigt sein kann, wenn es ihm nur auf diese Weise möglich ist, sich zu verteidigen. Auf diese zentrale Frage soll an gesonderter Stelle in einem eigenen Kapitel ausführlich eingegangen werden, weshalb die Antwort an dieser Stelle noch nicht gegeben werden soll.249 7. Verfahrensvoraussetzung und Nebenfolgen Die Verletzung des Dienstgeheimnisses wird nur verfolgt, wenn eine Ermächtigung vorliegt (§ 353b Abs. 4 StGB). Dem sachlichen Grund, die Strafverfolgung von der Ermächtigung der zuständigen Stelle abhängig zu machen, liegen zwei verschiedene Erwägungen zugrunde. Zum einen soll verhindert werden, dass durch die Durchführung des Strafverfahrens eine weitergehende Gefährdung des öffentlichen Interesses eintritt und zum anderen soll ausnahmsweise der Behörde das Recht eingeräumt werden, auf die Durchführung eines Strafverfahrens zu verzichten.250 Die Verfolgung von Taten nach § 353b Abs. 1 StGB steht damit im politischen Ermessen der 247  Schuldt,

S. 138. Urt. v. 22.6.2000  – 5 StR 268 / 99, NStZ 2000, 596 (598); BGH Urt. v. 9.12.2002 – 5 StR 276 / 02, BGHSt 48, 126 (132). 249  Siehe hierzu ausführlich Kapitel 5. 250  Rogall, Schünemann-FS 2014, 661 (668). 248  BGH

212 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Exekutive.251 Die Ermächtigung stellt ein zusätzliches Korrektiv dar, durch welches die Strafverfolgung auf strafwürdige Fälle beschränkt werden kann,252 die aufgrund der fehlenden Möglichkeit, das Merkmal „unbefugt“ einschränkend auszulegen, grundsätzlich als tatbestandsmäßige Handlung erfasst werden.253 Zuständig für die Erteilung ist die Stelle, bei der der Täter im Moment des Geheimnisverrats tätig war.254 Des Weiteren ist § 358 StGB zu beachten, der als Nebenfolge den Verlust der Fähigkeit vorsieht, öffentliche Ämter zu bekleiden. Voraussetzung ist die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe nicht unter sechs Monaten. Der Verlust der Amtsfähigkeit stellt in vielen Fällen die deutlich schwerwiegendere Konsequenz für den Amtsträger dar, weshalb § 358 StGB eine erhebliche präventive Wirkung zukommt.255 Steht die Anwendung dieser Vorschrift grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, ordnet § 45 Abs. 1 StGB zwingend den Verlust der Amtsfähigkeit an, wenn der Täter zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde.

II. Verletzung von Staatsgeheimnissen (§§ 93 ff. StGB) Bezieht sich die allgemeine Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers auf dienstliche Angelegenheiten, deren Offenbarung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde, handelt es sich bei den hier zu untersuchenden Straftatbeständen nicht nur um die strafbare Offenbarung eines Dienstgeheimnisses, sondern um eine strafbewehrte Verletzung von Staatsgeheimnissen. Die hieran anknüpfenden Tatbestände sind im zweiten Abschnitt des StGB über den Landesverrat und die Gefährdung der äußeren Sicherheit verankert. Im Unterschied zu § 353b Abs. 1 StGB, der als echtes Sonderdelikt nur von den in den Nummern 1 – 3 genannten Personen begangen werden kann, stellen die §§ 94 ff. StGB keine Sonderdelikte dar. Aus diesem Grund ist auch eine systematische Regelung im Bereich der Amtsdelikte nicht zweckdienlich gewesen. Die allgemeinen Erwägungen zum Geheimnisbegriff und zur Einordnung der Verhaltens- und Sanktionsnorm lassen sich allerdings auch für den Begriff des „Staatsgeheimnisses“ fruchtbar machen.256 Die 251  BGH Beschl. v. 14.12.1977 – StB 255 / 77, BGHSt 27, 307 (311); Arzt / Weber, Rn. 507. 252  MüKo-StGB / Graf, 2. Aufl., § 353b Rn. 97. 253  Zu den außerstrafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten siehe Kapitel 4 § 17. 254  AnwK-StGB / Tsambikakis, § 353b Rn. 57; SK-StGB / Hoyer, 9. Aufl., § 353b Rn. 18; SSW-StGB / Bosch, § 353b Rn. 18. 255  MüKo-StGB / Voßen, § 358 Rn. 2. 256  Vgl. Kapitel 4 § 15.



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen213

Straftatbestände der §§ 93 ff. StGB begründen die Verschwiegenheitspflicht, wenn andere Vorschriften auf diese Regelung Bezug nehmen. Ist die Verschwiegenheitspflicht bereits gesetzlich oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung vorgeschrieben, bedeutet dies, dass die §§ 93 ff. StGB den besonders schwerwiegenden Fall des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht sanktionieren, wenn sie sich auf ein Staatsgeheimnis bezieht. Auf die einzelnen Strafvorschriften soll im Rahmen dieser Darstellung nur sehr eingeschränkt eingegangen. Dies folgt zunächst daraus, dass die unbefugte Offenbarung eines Staatsgeheimnisses zu Verteidigungszwecken im Strafverfahren zumindest nicht die Tatbestände verwirklicht, die voraussetzen, dass das Staatsgeheimnis gegenüber einer fremden Macht mitgeteilt wird oder es der Täter an einen Unbefugten gelangen lässt oder öffentlich bekannt macht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen. Weil diese Voraussetzungen im Fall der Mitteilung gegenüber der vernehmenden Stelle im Strafverfahren ersichtlich nicht erfüllt sind, scheidet der Tatbestand des Landesverrats (§ 94 StGB) und der landesverräterischen Ausspähung (§ 96 StGB), der verlangt, dass sich der Täter ein Staatsgeheimnis verschafft, um es zu verraten, aus. Ebenso ist § 97a StGB nicht einschlägig, der zwar nicht voraussetzt, dass ein Staatsgeheimnis vorliegt, aber verlangt, dass das illegale Geheimnis einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitgeteilt wird. Für die ansonsten in Betracht kommenden Tatbestände, namentlich das Offenbaren von Staatsgeheimnissen (§ 95 StGB) und die Preisgabe von Staatsgeheimnissen (§ 97 StGB), ist die Strafbarkeit im Fall des Offenbarens zu Verteidigungszwecken nicht von vornherein ausgeschlossen. Allerdings ist zumindest im Fall der Preisgabe von Staatsgeheimnissen aufgrund der erforderlichen Strafverfolgungsermächtigung durch die Bundesregierung (§ 97 Abs. 3 StGB) keine praktische Relevanz gegeben, weil die ohnehin seltenen Fälle dieser Art zumeist dienstrechtlich erledigt werden.257 Übrig bleibt somit nur noch der Straftatbestand der unbefugten Offenbarung von Staatsgeheimnissen (§ 95 StGB). Dieser setzt tatbestandlich unter anderem voraus, dass es zu einer konkreten Gefahr eines schweren Nachteils für die geschützten Rechtsgüter, also in diesem Fall die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, gekommen ist.258 Von einer konkreten Gefahr kann allerdings, wie im Fall des § 353b Abs. 1 StGB, aber nicht mehr ausgegangen werden, wenn das Gericht die Öffentlichkeit ausgeschlossen und die anwesenden Personen gesondert zur Verschwiegenheit verpflichtet hat.259 Sind die meisten Tatbestände der Staatsschutzdelikte somit nicht einschlägig oder weisen hinsicht257  MüKo-StGB / Lampe / Hegemann,

3. Aufl., § 97 Rn. 14. § 95 Rn. 11.

258  Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben, 259  Siehe

Kapitel 4 § 16 I. 4. d).

214 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

lich bestimmter Merkmale eine Ähnlichkeit zu den bereits erfolgten Ausführungen auf, soll im Folgenden nur noch ein besonderes Augenmerk auf den Begriff des Staatsgeheimnisses gelegt werden, um insbesondere die Unterschiede bei der inhaltlichen Bestimmung der Geheimhaltungsbedürftigkeit im Vergleich zum Dienstgeheimnis aufzuzeigen. 1. Begriff und Schutzzweck des Staatsgeheimnisses Der Begriff des Staatsgeheimnisses wird in § 93 Abs. 1 und Abs. 2 StGB legaldefiniert. Absatz 1 enthält eine positive, Absatz 2 hingegen eine negative Legaldefinition.260 Staatsgeheimnisse sind nach § 93 Abs. 1 StGB alle Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Der Geheimnisbegriff des § 93 StGB weist damit eine weitgehende Übereinstimmung zum Begriff des Dienstgeheimnisses in § 353b Abs. 1 StGB und damit ebenfalls zum allgemeinen Geheimnisbegriff auf. Der wesentliche Unterschied liegt in der Begründung der Geheimhaltungsbedürftigkeit, die sich aus dem unterschiedlichen Schutzzweck ergibt. Bereits anhand der Formulierung des Begriffs „Staatsgeheimnis“ wird deutlich, dass der Schutzzweck, der in diesem Abschnitt verankerten Straftatbestände darin gesehen werden muss, die äußere Sicherheit des Staates zu schützen.261 Das Merkmal der äußeren Sicherheit beschränkt sich aber nicht nur auf den Bereich der Landesverteidigung. Erfasst werden darüber hinaus alle Bereiche, die für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland von erheblicher Bedeutung sind. Beispielsweise zählen zu solchen Sicherheitsbelangen die Anwendung von Kryptotechnologien oder die Standorte von Notfallvorräten.262 Ziel der Strafvorschriften ist es, eine Schwächung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern.263

260  AnwK-StGB / Anders / Mavany, § 93 Rn. 1; NK-Paeffgen, § 93 Rn. 7; Schönke /  Schröder / Sternberg-Lieben, § 93 Rn. 1. 261  Matt / Renzikowski / Dannenfeldt, § 93 Rn. 1; MüKo-StGB / Lampe / Hegemann, 3. Aufl., § 93 Rn. 1; Möhrenschlager, JZ 1980, 161 (164); NK-Paeffgen, § 93 Rn. 5; Schroeder, S.  362 ff. 262  Beispiel nach NK-Paeffgen, § 93 Rn. 5. 263  MüKo-StGB / Lampe / Hegemann, 3. Aufl., § 93 Rn. 1.



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen215

2. Objekt des Staatsgeheimnisses Gegenstand des Staatsgeheimnisses können Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse sein. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Merkmalen sind fließend und einer trennscharfen Abgrenzung nicht zugänglich. Im Übrigen gelten aber auch für den Begriff des Staatsgeheimnisses die allgemeinen Begriffsmerkmale des Geheimnisses.264 Ausdrücklich vom Begriff des Staatsgeheimnisses ausgenommen ist nach § 93 Abs. 2 StGB das sog. illegale Geheimnis. Der Grund für diese Einschränkung ist in den historischen Erfahrungen während der Weimarer Republik auszumachen.265 Das Reichsgericht hatte zur damaligen Zeit entschieden, dass die Offenbarung von Verstößen gegen Rüstungsabsprachen, zu deren Einhaltung sich das Deutsche Reich aufgrund des Versailler Vertrages verpflichtet hatte, den Tatbestand des damaligen § 92 Abs. 1 StGB a. F. erfüllte, obwohl sie in der Sache zutreffend waren.266 Zwar wird das illegale Geheimnis nicht als Staatsgeheimnis erfasst, dennoch wird die Mitteilung eines solchen an einen an eine fremde Macht oder einem ihrer Mittelsmänner durch § 97a StGB bestraft, wenn durch die Mitteilung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt wird. Die Problematik des sog. illegalen Geheimnisses findet sich vergleichbar auch im Bereich der Dienstgeheimnisse. Allerdings wurde dieses dort nicht ausdrücklich vom Geheimnisbegriff ausgeklammert und in einer gesonderten Norm geregelt, sondern ist vom Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB umfasst.267 3. Geheimhaltungsbedürftigkeit Anders als bei § 353b Abs. 1 StGB, bei dem die Geheimhaltungsbedürftigkeit anhand unterschiedlicher Quellen bestimmt werden muss,268 ergibt sie sich für das Staatsgeheimnis aus dem Gesetz. Es muss vor einer fremden Macht geheim gehalten werden, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.269 Das Gesetz legt also selbst den sog. materiellen Geheimnisbegriff zugrunde, wonach ein Staatsgeheimnis dann gegeben ist, wenn der zugrunde liegende 264  Vgl.

Kapitel 4 § 15. 12. Aufl., § 93 Rn. 1; Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben, § 93

265  LK-Schmidt,

Rn. 25. 266  RG Urt. v. 14.3.1928 – 7 J 63 / 25, RGSt 62, 65. 267  Siehe Kapitel 4 § 16 I. 3. a). 268  Siehe Kapitel 4 § 16 I. 3. a). 269  AnwK-StGB / Anders / Mavany, § 93 Rn. 10; MüKo-StGB / Lampe / Hegemann, 3. Aufl., § 93 Rn. 10.

216 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Sachverhalt von sich aus die Geheimhaltung verlangt.270 Die Geheimhaltungsbedürftigkeit setzt somit weder eine bestimmte Treuepflicht des Täters noch eine formale Anordnung der Geheimhaltung voraus.271 Das Bestehen einer außerstrafrechtlichen Verschwiegenheitspflicht ist allerdings ein starkes Indiz für die Geheimhaltungsbedürftigkeit. Dies gilt zumindest dann, wenn sich die Verschwiegenheitspflicht auf eine dienstliche Angelegenheit bezieht, die vom Dienstherrn mit einer erhöhten Geheimhaltungsstufe („GEHEIM“ oder „STRENG GEHEIM“) versehen wurde.272 Die Geheimhaltungsbedürftigkeit besteht nur bezüglich solcher Staatsgeheimnisse, die die äußere Sicherheit betreffen. Liegt ein solcher Bezug nicht vor, handelt es sich zwar nicht um ein Staatsgeheimnis, jedoch stellt die unbefugte Offenbarung in diesem Fall in aller Regel die Verletzung eines Dienstgeheimnisses dar. Der Begriff ist weit zu verstehen und umfasst alle Umstände, welche die äußere Machtstellung der Bundesrepublik Deutschland nachteilig berühren.273 Der Kreis der Geheimnisse, die unter die Geheimhaltungsbedürftigkeit fallen, ist somit wesentlich enger als bei § 353b Abs. 1 StGB. Ein weiterer Unterschied scheint auf den ersten Blick darin zu bestehen, dass der Begriff des Staatsgeheimnisses eine Gefahr im abstrakten Sinn genügen lässt. Das Bekanntwerden muss lediglich dazu geeignet sein, einen schweren Nachteil für die Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen.274 Dagegen setzen die einzelnen Tatbestände der §§ 94 ff. StGB aber voraus, dass durch das Bekanntmachen des Staatsgeheimnisses die konkrete Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland entsteht.

270  MüKo-StGB / Lampe / Hegemann,

Rn. 7.

271  NK-Paeffgen,

3. Aufl., § 93 Rn. 10; NK-Paeffgen, § 93

§ 93 Rn. 7. zu den unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen finden sich in verschiedenen Regelwerken. Exemplarisch soll an dieser Stelle auf die allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) vom 31. März 2006 Bezug genommen werden. Eine Definition der einzelnen Geheimhaltungsgrade finden sich in § 3. Als „GEHEIM“ ist eine Verschlusssache zu behandeln, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen kann. Als „STRENG GEHEIM“ ist eine Verschlusssache zu behandeln, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte den Bestand oder lebenswichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden kann. 273  Lackner / Kühl, § 93 Rn. 5; MüKo-StGB / Lampe / Hegemann, 3.  Aufl., § 93 Rn. 17; NK-Paeffgen, § 93 Rn. 23. 274  NK-Paeffgen, § 93 Rn. 24; Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben, § 93 Rn. 20. 272  Bestimmungen



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen217

III. Sonstige in Betracht kommende Straftatbestände Um die eingangs vorgenommene Differenzierung der unterschiedlichen Verschwiegenheitspflichten fortzuführen,275 soll in gebotener Kürze aufgezeigt werden, dass spezielle Verschwiegenheitspflichten zumeist mit einem speziellen Straftatbestand korrelieren. Dies soll am Beispiel des strafrecht­ lichen Schutzes des Steuergeheimnisses (§ 355 Abs. 1 StGB) und des strafrechtlichen Schutzes gegen das unbefugte Offenbaren personenbezogener Daten aufgezeigt werden (§§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 1 BDSG). 1. Schutz des Steuergeheimnisses (§ 355 StGB) Die Tathandlung setzt nach § 355 Abs. 1 Nr. 1 StGB voraus, dass der Amtsträger unbefugt die Verhältnisse eines anderen, die er unter den in den Buchst. a bis c näher umschriebenen Umständen erfahren hat, offenbart beziehungsweise verwertet oder nach § 355 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm als Amtsträger bekanntgeworden ist, offenbart oder verwertet. Die Tathandlung entspricht wortgleich der in § 30 Abs. 2 AO beschriebenen Verletzung des Steuergeheimnisses. § 355 StGB wurde erst durch das EGStGB im Jahr 1974 in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Der strafrechtliche Schutz des Steuergeheimnisses war zuvor in §§ 412, 22 Abs. 2 und 3 RAbgO verankert. Die Vorschrift geht § 203 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB als lex speciales vor.276 Das Steuergeheimnis bezieht sich auf alle Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Unter „Verhältnisse“ sind alle Merkmale zu verstehen, die eine Person charakterisieren. Umfasst sind daher alle persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen Person.277 Der Begriff des Steuergeheimnisses ist somit denkbar weit gefasst. Dies ist vor allem unter dem Gesichtspunkt kritisch zu beurteilen, als dass ein Strafbedürfnis nur angenommen werden kann, sofern auch schützenwertes Geheimhaltungsinteresse besteht.278 Das Steuergeheimnis knüpft anders als die Geheimnisbegriffe in § 353b Abs. 1 StGB und § 93 StGB nicht an einen geheimhaltungsbedürftigen Umstand an, sondern bezieht sich auf alle mit einer Person verbundenen Eigenschaften. Streng genommen handelt es sich nicht einmal um Geheimnis im eigentlichen Sinn, da es nicht darauf ankommt, dass die Informationen nur 275  Vgl.

Kapitel 1 § 4 I.

276  MüKo-StGB / Schmitz,

2. Aufl., § 355 Rn. 111; NK-Kuhlen, § 355 Rn. 40; Schönke / Schröder / Perron, § 355 Rn. 36; SSW-StGB / Bosch, § 355 Rn. 11. 277  Fischer, StGB, § 355 Rn. 7a; Kindhäuser, LPK, § 355 Rn. 4; Klein / Rüsken, § 30 Rn. 43; Köpferl, ZIS 2015, 373 (377); MüKo-StGB / Schmitz, 2. Aufl., § 355 Rn. 12; NK-Kuhlen, § 355 Rn. 7. 278  Maiwald, JuS 1977, 353 (362).

218 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind. Vom Steuergeheimnis umfasst ist zum Beispiel auch der Name der Person. Es muss sich also weder um ein Geheimnis im Sinne des „klassischen“ Geheimnisbegriffs handeln noch muss das Verhältnis für die Steuer relevant sein.279 Das Steuergeheimnis bezieht sich des Weiteren auf alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (§ 355 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Hierzu zählen, wie in § 17 UWG und in § 203 StGB alle Geheimnisse, die sich auf den Geschäftsbetrieb oder ein Unternehmen beziehen und an deren Wahrung der Inhaber ein sachlich begründetes Interesse hat.280 Der Tatbestand des § 355 Abs. 1 StGB kann durch zwei unterschiedliche Tathandlungen erfüllt werden. Entweder muss das Steuergeheimnis unbefugt offenbart oder verwertet werden. Eine unbefugte Offenbarung liegt in großer Übereinstimmung mit den bisherigen Ausführungen vor, wenn die geschützten Geheimnisse und Verhältnisse einem Dritten zugänglich gemacht werden, der nicht zum Kreis der berechtigten Kenntnisinhaber gehört. Weil der Schutzzweck des § 355 Abs. 1 StGB auch das individuelle Geheimhaltungsinteresse des Steuerpflichtigen schützt, liegt eine unbefugte Offenbarung allerdings erst dann vor, wenn ein Rückschluss auf die jeweilige Person möglich ist.281 Im Fall eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses ist hingegen erst dann von einem Offenbaren auszugehen, wenn es vollständig mitgeteilt wurde, weil der Schutz des wirtschaftlichen Interesses an die Verwertbarkeit geknüpft ist. Dies ist erst möglich, wenn es in Gänze mitgeteilt wurde.282 Neben dem Offenbaren kann der Täter den Tatbestand auch dadurch erfüllen, indem er das Steuergeheimnis unbefugt verwertet. Unter Verwerten ist das wirtschaftliche Ausnutzen der unter das Steuergeheimnis fallenden Verhältnisse zu verstehen.283 Allerdings können nur solche Steuergeheimnisse verwertet werden, die ihrer Natur nach geeignet sind, wirtschaftlich ausgenutzt zu werden.284 Der strafrechtliche Schutz des Steuergeheimnisses setzt des Weiteren vo­ raus, dass dem Amtsträger das Steuergeheimnis in einem der in Nr. 1 Buchst. a bis c genannten Verfahren bekanntgeworden ist. Auch in diesem Fall reicht es aus, wenn dem Amtsträger anlässlich des Verfahrens bestimmte 279  MüKo-StGB / Schmitz,

Rn. 4.

280  MüKo-StGB / Schmitz,

2. Aufl., § 355 Rn. 12; Schönke / Schröder / Perron, § 355

2. Aufl., § 355 Rn. 18. 2. Aufl., § 355 Rn. 37. 282  MüKo-StGB / Schmitz, 2. Aufl., § 355 Rn. 37; zur Frage, ob es sich bei der behördeninternen Mitteilung um ein Offenbaren handelt, ausführlich NK-Kuhlen, § 355 Rn. 18. 283  NK-Kuhlen, § 355 Rn. 21; Schönke / Schröder / Perron, § 355 Rn. 15. 284  Schönke / Schröder / Perron, § 355 Rn. 15. 281  MüKo-StGB / Schmitz,



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen219

Geheimnisse oder persönliche Verhältnisse bekanntgeworden sind. Die Norm verlangt nicht, dass das Verfahren gerade zu dem Zweck geführt wird, diese Kenntnis zu erlangen.285 Nur das „unbefugte“ Offenbaren verletzt das Steuergeheimnis.286 Ein unbefugtes Offenbaren liegt nicht vor, wenn ein Einverständnis des Betroffenen vorliegt oder bei behördeninternen Mitteilungen handelt. Eine Offenbarungsbefugnis ergibt sich insbesondere aus dem Katalog des § 30 Abs. 4 und Abs. 5 AO.287 Der Täter muss seine Amtsträger­ eigenschaft kennen und das ihm bekanntgewordene Steuergeheimnis vor­ sätzlich offenbaren. 2. Strafrechtrechtlicher Schutz persönlicher Daten Eine weitere bereichsspezifische strafrechtliche Regelung, die an die Verletzung einer speziellen Verschwiegenheitspflicht anknüpft, sind die Sanktionsnormen der §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 1 BDSG.288 Nach diesen Vorschriften macht sich derjenige strafbar, der unbefugt und „gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen“ eine der in § 43 Abs. 2 BDSG aufgeführten Handlungen begeht.289 Im Mittelpunkt steht erneut die Frage, wann von einer unbefugten Datenverarbeitung auszugehen ist. Im Kern wird aufgrund der verschiedenen Regelungen und der unklaren Begrifflichkeiten von einer unbefugten Datenverarbeitung nur dann ausgegangen werden können, wenn ein evidenter Verstoß vorliegt.290

IV. Exkurs: Bestechlichkeit (§ 332 StGB) Obwohl auf den ersten Blick nicht unmittelbar einschlägig, kann die Verletzung der Amtsverschwiegenheit aber auch den Tatbestand der Bestechlich285  AnwK-StGB / Leipold, § 355 Rn. 17; Blesinger, wistra 1991, 239 (241); Schönke / Schröder / Perron, § 355 Rn. 10. 286  Auch in diesem Zusammenhang nimmt die überwiegende Meinung an, dass es sich beim Merkmal „unbefugt“ lediglich um einen allgemeinen Hinweis auf die Prüfung der Rechtswidrigkeit handelt, vgl. MüKo-StGB / Schmitz, 2. Aufl., § 355 Rn. 10; SSW-StGB / Bosch, § 355 Rn. 10. 287  AnwK-StGB / Leipold, § 355 Rn. 24; Blesinger, wistra 1991, 239 (241); Köpferl, ZIS 2015, 373 (381 ff.). 288  Umfassend: Golla, S. 121 ff.; in vergleichbarer Weise finden sich Strafvorschriften in den Landesdatenschutzgesetzen (z. B. § 41 LDSG-BW; Art. 37 Abs. 3 S. 1 BayDSG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen stimmen weitgehend überein. 289  Zur Kritik an der Reichweite des Anwendungsbereichs und der Bestimmtheit der Norm: Golla, ZIS 2016, 191 (193 f.); Plath / Becker, § 44 Rn. 3. 290  Golla, ZIS 2016, 191 (195).

220 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

keit (§ 332 Abs. 1 StGB) erfüllen. Auf diesen Straftatbestand soll nur der Vollständigkeit halber hingewiesen werden, da diese Sanktionsnorm für die zu untersuchende Frage keine praktische Relevanz aufweist. Ist der Amtsträger Beschuldigter eines Strafverfahrens, ist keine Konstellation vorstellbar, in der zwar der Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllt ist, zugleich aber Rechtfertigungsgründe zugunsten des Amtsträgers anzunehmen sind. Der Tatbestand setzt nämlich voraus, dass der Amtsträger handelt, um einen ihm nicht zustehenden Vorteil zu erhalten. In der vorliegenden Konstellation handelt der Amtsträger jedoch nicht aus dieser Motivation heraus, sondern zu Verteidigungszwecken. Die Darstellung erschöpft sich daher auf die Darstellung der grundlegenden Inhalte dieses Delikts, welches zum strafrechtlichen Schutz der Verschwiegenheitspflicht jedenfalls mittelbar beträgt, weil die unbefugte Offenbarung eines Amtsgeheimnisses stets mit der Verletzung einer Dienstpflicht einhergeht. Der Tatbestand der Bestechlichkeit ist erfüllt, wenn der Amtsträger für sich oder einen Dritten einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder vornehmen wird und dadurch seine Dienstpflichten verletzt beziehungsweise verletzen würde. Von den Korruptionsdelikten (§§ 331 ff. StGB) kann im vorliegenden Kontext nur der Tatbestand des § 332 Abs. 1 StGB in Betracht kommen. Dieser setzt im Gegensatz zur Vorteilsnahme (§ 331 StGB) die Verletzung einer Dienstpflicht voraus, wovon bei der Verletzung der Amtsverschwiegenheit stets auszugehen ist.291 1. Schutzzweck Der Schutzzweck der Korruptionsdelikte unterscheidet sich grundlegend vom Schutzzweck des § 353b Abs. 1 StGB. Während bei der Verletzung von Dienstgeheimnissen der Schutz des öffentlichen Interesses an der Geheimhaltung wichtiger öffentlicher Interessen im Vordergrund steht, stellen die §§ 331 ff. StGB auf die Lauterkeit der Amtsausübung ab.292 Innerhalb der Korruptionsdelikte, die sich nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Syste291  Exemplarisch

BGH Urt. v. 2.3.1989 – 2 StR 705 / 88, NStZ 1989, 318. § 331 Rn. 5; Ein einheitliches Rechtsgut für die §§ 331 ff. StGB konnte bisher nicht formuliert werden. Es findet sich aus diesem Grund eine große Bandbreite an Begründungsansätzen, die über die „Reinheit der Amtsausübung“ bis zur „Sachgerechtigkeit“ alles beinhaltet. Soll auf ein einheitliches Schutzgut für alle Amtsdelikte zurückgegriffen werden, kann auf die Funktionstüchtigkeit der Verwaltung abgestellt werden, da alle der in §§ 331 ff. StGB gefassten Delikte entfernt diesem Zweck dienen. Allgemein zu den Schwierigkeiten der Bestimmung des Schutzzwecks: AnwK-StGB / Sommer, § 331 Rn. 2 ff.; Heinrich, Amtsträger, S. 209 ff.; SSW-StGB / Rosenau, § 331 Rn. 6. 292  Matt / Renzikowski / Sinner,



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen221

matik in aktive und passive Delikte unterteilen lassen, muss jedenfalls für die Delikte der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) und Bestechung (§ 334 StGB) der Schutz der Rechtmäßigkeit des handelnden Amtsträgers als geschütztes Rechtsgut angesehen werden, da beide Vorschriften voraussetzen, dass der Amtsträger eine Dienstverletzung begeht. 2. Diensthandlung Die Tathandlung setzt zunächst voraus, dass der Amtsträger eine pflichtwidrige Diensthandlung vorgenommen hat oder eine solche vornehmen soll, um einen ihm nicht zustehenden Vorteil zu erhalten. Der Begriff der Diensthandlung in § 332 Abs. 1 StGB wird mit der Dienstausübung in § 331 Abs. 1 StGB weitgehend gleichgesetzt.293 Unter einer Diensthandlung sind nur solche Tätigkeiten zu verstehen, die mit den Amtsobliegenheiten des Amtsträgers verknüpft sind.294 Dieses Merkmal ist dementsprechend zu verneinen, wenn der Amtsträger in privater Eigenschaft handelt. Allein sein Status reicht für die Annahme einer dienstlicheren Tätigkeit nicht aus.295 In Abgrenzung zur Vornahme einer privaten Tätigkeit verlangt die Rechtsprechung, dass die Dienstausübung in einem inneren Bezug mit dem Amt steht.296 a) Strafbare Diensthandlung In diesem Zusammenhang stellt sich nun das Problem, ob auch solche Handlungen als Diensthandlungen qualifiziert werden können, die ihrerseits strafbare Handlungen darstellen. Übermittelt beispielsweise ein Polizeibeamter Informationen aus einer polizeilichen Datenbank an einen Dritten, um im Gegenzug eine versprochene Geldsumme zu erhalten, hat der Polizeibeamte den Tatbestand des § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB und des § 332 Abs. 1 StGB erfüllt, weil beide Delikte aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtung in Tateinheit zueinander stehen.297 Vertreter der Auffassung, die in einem solchen Fall das Vorliegen einer Diensthandlung verneinen, begründen diese Ansicht damit, dass die kriminalpolitische Konzeption der Bestechungsdelikte solche Handlungen nicht erfasse, die einen Straftatbestand

293  AnwK-StGB / Sommer,

§ 331 Rn. 6. Urt. v. 3.12.1987  – 4 StR 554 / 87, BGHSt 35, 128 (135); AnwKStGB / Sommer, § 331 Rn. 6; Schönke / Schröder / Heine / Eisele, § 331 Rn. 31. 295  AnwK-StGB / Sommer, § 331 Rn. 6. 296  BGH Urt. v. 5.9.1952  – 4 StR 885 / 51, BGHSt 3, 143 (145); Schönke / Schröder / Heine / Eisele, § 331 Rn. 33. 297  MüKo-StGB / Korte, 2. Aufl., § 332 Rn. 55. 294  BGH

222 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

erfüllen.298 Darüber hinaus wird unter Bezugnahme auf die Grenze des Wortsinns des Begriffs der „Diensthandlung“ angenommen, dass eine strafbare Handlung keine Diensthandlung mehr sein könne und aus diesem Grund nicht von den §§ 331 ff. StGB erfasst werde.299 Dem Begriff der Diensthandlung könnten nur solche Handlungen zugeordnet werden, für die auf Seiten des Amtsträgers eine pflichtgemäße Entsprechung der pflichtwidrigen Handlungen existiere (sog. relative pflichtwidrige Handlung).300 Fehlt eine solche Entsprechung, liegt in dieser Konsequenz auch keine Diensthandlung vor. Diese Auffassung kann jedoch nicht überzeugen. Der Begriff „Diensthandlung“ soll lediglich das Verbindungsstück zwischen der Amtsausübung und der relevanten Handlung darstellen. Der Schutzzweck der §§ 331 ff. StGB verlangt es, auch solche Handlungen einzubeziehen, die erst durch den Missbrauch der Amtsstellung begangen werden können. Im Übrigen erscheint die Abgrenzung zwischen einer relativen und absoluten Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung als nicht oder nur sehr schwer durchführbar, da nicht ersichtlich ist, woraus sich die Pflichtwidrigkeit genau ergeben soll.301 b) Pflichtwidrigkeit Im Gegensatz zu § 331 StGB, der die Vorteilsnahme sanktioniert, setzt der Tatbestand der Bestechlichkeit des Weiteren voraus, dass durch die Diensthandlung eine Dienstpflicht verletzt wird. Von einer dienstpflichtwidrigen Handlung ist auszugehen, wenn die Diensthandlung gegen ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, eine Verwaltungsvorschrift, eine allgemeine Weisung oder eine Einzelanweisung des Vorgesetzten verstößt.302 Lässt sich ein solcher Verstoß nicht objektiv feststellen, kommt allenfalls eine Strafbarkeit nach § 331 Abs. 1 StGB in Betracht.303 3. Vorteil und Unrechtsvereinbarung Die Dienstausübung muss zur Erlangung eines Vorteils führen. Unter einem Vorteil ist jede Leistung materieller oder immaterieller Art zu verstehen, auf die der Täter keinen Anspruch hat und die zu einer Besserstellung seiner 298  Ebert,

GA 1979, 361 (388). JuS 1984, 595 (596); Wagner, JZ 1987b, 594 (598). 300  Amelung / Weidemann, JuS 1984, 595 (596). 301  MüKo-StGB / Korte, 2. Aufl., § 332 Rn. 19. 302  Fischer, StGB, § 332 Rn. 8; LK-Sowada, 12. Aufl., § 332 Rn. 9; MüKoStGB / Korte, 2. Aufl., § 332 Rn. 23. 303  MüKo-StGB / Korte, 2. Aufl., § 332 Rn. 24. 299  Amelung / Weidemann,



§ 16 Strafrechtliche Sanktionsnormen223

wirtschaftlichen, rechtlichen oder persönlichen Lage führt.304 Das Tatbestandsmerkmal „Vorteil“ ist demnach in einem sehr weiten Sinn zu verstehen. Erfasst ist jeder Vorteil, sofern er einen messbaren Mehrwert darstellt. Dies ist insbesondere bei immateriellen Vorteilen schwierig. Solange es sich daher nur um solche Vorteile handelt, die dazu führen sollen, dass der Täter beispielsweise seine Reputation stärkt, liegt mangels objektiver Messbarkeit kein Vorteil vor.305 Zwischen der Annahme des Vorteils und der Dienstausübung muss ein besonderes Beziehungsverhältnis bestehen, das den Vorteil als Äquivalent zur Dienstausübung kennzeichnet. Dies wird im Tatbestand durch das Merkmal „für“ zum Ausdruck gebracht. Stellt sich im Rahmen des § 331 Abs. 1 StGB das schwierige Problem, unter welchen Voraussetzungen von einer tatbestandsgemäßen Diensthandlung als Gegenleistung für den gewährten Vorteil ausgegangen werden kann und wie dieses Merkmal gegebenenfalls einzuschränken ist,306 ist eine solche Diskussion im Rahmen des § 332 Abs. 1 StGB nicht erforderlich. Die Annahme eines Vorteils, für dessen Gegenleistung eine Dienstpflicht verletzt wurde, stellt in jedem Fall ein sozialwidriges Verhalten dar und wird stets vom Tatbestand des § 332 Abs. 1 StGB erfasst.307 4. Subjektiver Tatbestand In subjektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand, dass der Täter zumindest bedingt vorsätzlich hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale gehandelt hat. Insbesondere muss ihm bewusst gewesen sein, dass er eine dienstliche Pflicht verletzt. Irrt sich der Täter über die Pflichtwidrigkeit der Amtshandlung, liegt zwar ein beachtlicher Irrtum vor, jedoch ist in diesem Fall der Tatbestand der Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StGB) erfüllt, der kein pflichtwidriges Verhalten voraussetzt.308 Bricht der Amtsträger somit die Verschwiegenheitspflicht, um einen Vorteil für sich zu erlangen, erfüllt ein solches Verhalten grundsätzlich den Tatbestand der Bestechlichkeit. Zu anderen Delikten, die ebenfalls an die Verletzung der Dienstpflicht anknüpfen, besteht in der Regel Tateinheit.309 304  BGH Urt. v. 21.6.2007  – 4 StR 69 / 07, NStZ-RR 2007, 309 (310); AnwKStGB / Sommer, § 331 Rn. 13; MüKo-StGB / Korte, 2. Aufl., § 331 Rn. 60. 305  BGH Urt. v. 23.5.2002 – 1 StR 372 / 01, BGHSt 47, 295 (304); Schönke / Schröder / Heine / Eisele, § 331 Rn. 18. 306  Ausführlich: Strehlow, S. 118 ff. 307  MüKo-StGB / Korte, 2. Aufl., § 332 Rn. 37. 308  MüKo-StGB / Korte, 2. Aufl., § 332 Rn. 20. 309  MüKo-StGB / Korte, 2. Aufl., § 332 Rn. 55.

224 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

§ 17 Außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann nicht nur strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Zwar stellen diese für den Schutz der Verschwiegenheitspflicht ein wichtiges Mittel dar, jedoch können sich für den Amtsträger auch außerhalb des Strafrechts einschneidende Konsequenzen ergeben. Sie können für ihn unter Umständen sogar gravierender sein als die strafrechtlichen Rechtsfolgen der Tat. So kann beispielsweise die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und der damit verbundene Verlust des Anspruchs auf Besoldung und Versorgung für den Beamten weitaus schlimmer sein, als die Verurteilung zu einer Geld- oder geringfügigen Freiheitsstrafe. Die Darstellung der außerstrafrechtlichen Konsequenzen steht dabei in Bezug auf die Ausgangsfrage nicht im luftleeren Raum. Rechtfertigungsgründe beschränken sich in ihrer Wirkung nämlich nicht allein auf das Strafrecht, sondern bilden aufgrund der Einheit der Rechtsordnung ein Urteil, das auch für ­außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten gleichermaßen gilt.310 Anders als die strafrechtlichen Regelungen, die entweder als echte Sonderdelikte an die Amtsträgereigenschaft als solche anknüpfen oder unabhängig von dieser einen besonderen Geheimnisschutz vorsehen, ist für die Untersuchung der außerstrafrechtlichen Konsequenzen erneut auf die Unterscheidung des Dienst-, Amts- und Anstellungsverhältnisses innerhalb der einzelnen Personengruppen des Amtsträgerbegriffs abzustellen. Dies ist deshalb erforderlich, weil die außerstrafrechtlichen Sanktionsnormen ihrerseits diese Unterscheidung voraussetzen. Disziplinarrechtliche Maßnahmen kommen beispielsweise nur gegen Beamte in Betracht. Hingegen können sich (arbeits-) vertragliche Schadensersatzansprüche nur aus einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis ergeben. An dieser Unterscheidung orientiert sich daher auch die nachfolgende Darstellung. Zuerst wird auf Möglichkeit der disziplinarrechtlichen Verfolgung eingegangen. In einem zweiten und dritten Schritt wird auf die anderen vom Amtsträgerbegriff umfassten Personengruppen eingegangen.

I. Disziplinarrecht Disziplinarmaßnahmen können sich nur gegen die Amtsträger richten, die entweder Beamte oder Richter sind. Ausnahmsweise muss innerhalb dieser Gruppe zwischen Beamten und Richtern unterschieden werden. Für letztere sind aufgrund ihrer herausgehobenen verfassungsrechtlichen Stellung beson310  Zur strafrechtsspezifischen Rechtswidrigkeit siehe Kapitel  5; Heinrich, AT, Rn. 312; Lindgen, S. 364 ff.; Roxin, AT I, § 14 Rn. 32.



§ 17 Außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten225

dere Regelungen zu beachten, die entgegen der bisherigen Darstellung eine getrennte Darstellung erforderlich machen. 1. Beamte Das Disziplinarrecht ist in seiner geschichtlichen Entwicklung eng verbunden mit der Herausbildung des Berufsbeamtentums. Wurden Verfehlungen des Beamten zunächst noch im Wege der Kriminalstrafe verfolgt,311 setzte mit der fortschreitenden Entwicklung des Strafrechts ein Umbruch ein, der in der Erkenntnis mündete, dass nicht alle Dienstvergehen der Ahndung durch eine Kriminalstrafe bedürfen.312 Deutlich später als das Disziplinarrecht hat sich allerdings das Disziplinarverfahren von seiner engen Beziehung zum Strafverfahrensrecht gelöst. Erst durch das Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts im Jahr 2001313 wurde die bis dato in § 25 BDO vorhandene Verweisung auf die StPO aufgegeben und stattdessen auf die Vorschriften der VwGO Bezug genommen.314 Auf eine vertiefte Darstellung des formellen Disziplinarrechts wird in diesem Zusammenhang bewusst verzichtet, weil sie für die zu beantwortende Fragestellung nur von untergeordneter Bedeutung ist. Der Gesetzgeber hat die Verletzung der allgemeinen beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht nur dann der Sanktionierung mittels einer Kriminalstrafe unterworfen, wenn durch die unbefugte Offenbarung eines Geheimnisses wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden oder ein Staatsgeheimnis verletzt wird.315 Kann eine konkrete Gefahr nicht festgestellt werden oder liegt schon tatbestandlich kein Staatsgeheimnis vor, hat sich der Beamte zwar nicht strafbar gemacht, aber trotzdem seine Dienstpflicht verletzt. Für eine Verletzung dieser Pflicht reicht es bereits aus, wenn der Beamte gegen die Vorgabe des § 37 Abs. 1 BeamtStG beziehungsweise § 67 Abs. 1 BBG verstößt. Die fehlende Deckungsgleichheit des strafrechtlichen Geheimnisschutzes mit der einfachen Verletzung der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht erlangt an dieser Stelle entscheidende Bedeutung. Ein weiterer Unterschied ist darin zu sehen, dass im Gegensatz zu § 353b Abs. 1 StGB bereits die fahrlässige Verletzung einer Dienstpflicht ein Dienstvergehen darStock, S.  231 ff. historischen Entwicklung der Amtsverbrechen und dem damit verbundenen Ausscheiden des Disziplinarrechts aus dem Strafrecht: Lindgen, S. 4 ff.; Polaczy, S. 97 ff.; Stock, S.  42 ff. 313  BGBl. 2001 I S. 1510. 314  Ausführlich hierzu: Müller-Eising, NJW 2001, 3587 ff.; Urban, NVwZ 2001, 1335 ff. 315  Siehe Kapitel 4 § 16 I. und II. 311  Vgl. 312  Zur

226 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

stellt.316 Zwar kann sich der Täter gem. § 353b Abs. 1 S. 2 StGB auch strafbar machen, wenn er durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, er muss aber hinsichtlich der unbefugten Offenbarung eines Dienstgeheimnisses weiterhin vorsätzlich handeln.317 Selbst wenn eine strafbare Handlung vorliegt, ist die Durchführung eines Disziplinarverfahrens nicht ausgeschlossen. Das Doppelbestrafungsverbot (Art. 103 Abs. 3 GG) steht einem solchen Vorgehen nicht entgegen, weil ausgehend von der unterschiedlichen Zweckrichtung des Disziplinarrechts dieses nicht unter dem Begriff der „allgemeinen Strafgesetze“ fällt.318 Das Disziplinarrecht dient dazu, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des Berufsbeamtentums aufrechtzuerhalten.319 Neben diesem generalpräventiven Zweck verfolgt das Disziplinarverfahren auch das Anliegen, auf den Beamten einzuwirken, sich in Zukunft pflichtgemäß zu verhalten.320 Das Disziplinarrecht weist somit in erster Linie den Charakter eines Zucht- und Erziehungsmittels auf. Demgegenüber liegt der Zweck der Kriminalstrafe im Schutz allgemeiner Rechtsgüter.321 Die Disziplinarstrafe muss zu der persönlichen Schuld des Beamten in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das Schuldprinzip ist somit ebenfalls ein wesentliches Prinzip des Disziplinarverfahrens.322 Aus diesem Grund ist es auch möglich, gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren durchzuführen, obwohl bereits aufgrund des gleichen Sachverhalts ein Strafverfahren abgeschlossen wurde (vgl. § 14 BDG).323 a) Verletzung der Verschwiegenheitspflicht als Dienstvergehen Von zentraler Bedeutung für das Disziplinarverfahren ist das Vorliegen eines Dienstvergehens (vgl. § 2 BDG). Ein solches ist immer dann gegeben, 316  Urban / Wittkowski,

§ 2 Rn. 17. Kapitel 4 § 16 I. 5. 318  BVerfG Beschl. v. 2.5.1967 – 2 BvR 391 / 64, 2 BvR 263 / 66, BVerfGE 21, 378 (384); BVerfG Beschl. v. 29.10.1969 – 2 BvR 545 / 68, BVerfGE 27, 180. 319  BVerwG Urt. v. 19.8.2010 – 2 C 13 / 10, NVwZ 2011, 299; BVerwG Beschl. v. 5.7.2016  – 2 B 24 / 16, NVwZ-RR 2016, 876 (877); Alberti / Burr / Düsselberg / Eckstein / Nonnenmacher / Wahl / Eckstein, Einl. Rn. 1; Schmidt, BeamtenR, Rn. 438; Stock, S. 234 f.; Weiß, Dienstvergehen, S. 24; ausführlich zum Zweck der Disziplinarstrafe: Arndt, DÖV 1966, 809 ff. 320  Alberti / Burr / Düsselberg / Eckstein / Nonnenmacher / Wahl / Eckstein, Einl. Rn. 1. 321  BVerfG Beschl. v. 2.5.1967 – 2 BvR 391 / 64, 2 BvR 263 / 66, BVerfGE 21, 378 (384); zur Kritik an der unterschiedlichen Zweckrichtung: Zöllner, S.  32 ff. m. w. N. 322  BVerfG Beschl. v. 19.2.2003  – 2 BvR 1413 / 01, NVwZ  2003, 1504; BVerfG Beschl. v. 20.10.2007 – 2 BvR 1050 / 07, wistra 2008, 179. 323  Urban / Wittkowski, § 14 Rn. 1. 317  Siehe



§ 17 Außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten227

wenn der Beamte schuldhaft eine ihm obliegende Pflicht verletzt hat (§ 47 Abs. 1 S. 1 BeamtStG, § 77 Abs. 1 S. 1 BBG).324 Welche Dienstpflichten der Beamte zu befolgen hat, ergibt sich aus den hierzu ergangenen Bundes- und Landesbeamtengesetzen. Ausdrücklich von diesem Pflichtenkatalog umfasst ist selbstredend die Verschwiegenheitspflicht.325 Die Vorschrift findet grundsätzlich nur auf aktive Beamte Anwendung. Mit Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand endet die Dienstpflicht (§ 30 Nr. 4 BBG, § 21 Nr. 4 Beamt­ StG). Der Gesetzgeber hat jedoch der Verschwiegenheitspflicht einen dermaßen hohen Stellenwert eingeräumt, dass selbst für Ruhestandsbeamte das Fortbestehen dieser Pflicht fingiert wird, indem die schuldhafte Verletzung einem Dienstvergehen gleichsteht (§ 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BBG, §§ 47 Abs. 2 S. 1 BeamtStG). Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht begründet somit stets ein Dienstvergehen. Eine Unterscheidung zwischen der Begehung einer innerdienstlichen oder außerdienstlichen Pflichtverletzung, wie sie grundsätzlich angezeigt ist, erübrigt sich bei der Verschwiegenheitspflicht. Da sich diese von vornherein nur auf dienstliche Angelegenheit beschränkt, ist der Beamte bezüglich dieser Pflicht stets „im Dienst“.326 b) Disziplinarmaßnahmen Die einzelnen in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahmen sind gesetzlich festgelegt (§ 5 BDG).327 Das Dienstvergehen kann im Wege des Verweises, der Geldbuße, der Kürzung der Dienstbezüge, der Zurückstufung oder der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geahndet werden. Darüber hinaus sind in § 5 Abs. 2 und Abs. 3 BDG besondere Vorschriften für Ruhestandsbeamte und für Beamte auf Probe und auf Widerruf vorgesehen. aa) Gewichtung des Dienstvergehens Welche Disziplinarmaßnahme gegenüber dem Beamten auszusprechen ist, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (§ 13 Abs. 1 S. 1 BDG).328 324  Alle Bundesländer haben Disziplinargesetze erlassen. Für die folgende Darstellung wird auf das Bundesdisziplinargesetz (BDG) zurückgegriffen. Es stimmt mit den landesrechtlichen Regelungen weitgehend überein. Wird ausnahmsweise auf das Landesrecht zurückgegriffen, orientiert sich die Darstellung am Landesdisziplinargesetz von Baden-Württemberg (LDG-BW). 325  Kapitel 1 § 4 II. 1. b). 326  VG Berlin Urt. v. 14.10.2015 – 80 K 13.14 OL, BeckRS 2016, 41300. 327  Dieser Maßnahmenkatalog stimmt mit den Landesdisziplinargesetzen überein. 328  Im gerichtlichen Disziplinarverfahren trifft das Verwaltungsgericht eine eigene Ermessensentscheidung hinsichtlich des „ob“ und des „wie“, Urban / Wittkowski, § 13 Rn. 10.

228 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Im Gegensatz zur Einleitung des Disziplinarverfahrens, das bei Vorliegen eines hinreichenden Verdachts durchgeführt werden muss (§ 17 Abs. 1 S. 1 BDG), und dem somit das Legalitätsprinzip zugrunde liegt, hat sich der Gesetzgeber in § 13 Abs. 1 S. 1 BDG bei der Sanktionierung des Verstoßes für das Opportunitätsprinzip entschieden. Das Gesetz gibt für die Frage, welche Maßnahme angemessen ist, in den Sätzen 2 bis 4 des Absatzes 1 Ermessensrichtlinien vor. Die Maßnahme ist vornehmlich nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen (§ 13 Abs. 1 S. 2 BDG).329 Innerhalb dieses Krite­ riums ist wiederum zwischen objektiven und subjektiven Handlungsmerkmalen und den unmittelbaren Folgen des Dienstvergehens zu unterscheiden.330 Im Rahmen der objektiven Handlungsmerkmale steht die Frage im Vordergrund, ob es sich bei der verletzten Dienstpflicht um eine Kern- oder Nebenpflicht des Beamten handelt.331 Besonderes Gewicht ist auch dem Umstand beizumessen, ob es sich bei der Verletzung der Dienstpflicht um eine innerdienstliche oder außerdienstliche Pflichtverletzung handelt, sowie der Frage, ob durch die Verfehlung des Beamten zugleich ein Straftatbestand verwirklicht wird.332 Dabei gibt der vom Gesetzgeber vorgegebene Strafrahmen, durch den der Unrechtsgehalt der Tat ausgedrückt wird, bereits einen deut­ lichen Hinweis auf die Schwere des Dienstvergehens.333 Daneben sind auch die besonderen Umstände der Tatbegehung in die Beurteilung mitaufzunehmen, insbesondere die Häufigkeit und die Dauer des Fehlverhaltens.334 Bei den subjektiven Handlungsmerkmalen ist zunächst die Form des Verschuldens festzustellen. Ein vorsätzliches Handeln wiegt in aller Regel schwerer als eine fahrlässige Begehung, wobei innerhalb des Vorsatzes wiederum zwischen den verschiedenen Vorsatzformen unterschieden werden muss.335 Neben der Feststellung, welche Form des Vorsatzes anzunehmen ist, bedarf es zur Beurteilung auch einer Auseinandersetzung mit den Beweggründen.336 Handelt der Beamte beispielsweise aus eigensüchtigen Motiven heraus, ist dies bei der Beurteilung schwerer zu werten, als wenn der Beamte aus Hilfsbereitschaft gegen seine Dienstpflicht verstößt. So wie die Aufklärungs- und Präventionshilfe des Straftäters im Rahmen des § 46 Abs. 2 StGB

329  BVerwG Urt. v. 20.10.2005  – 2 C 12 / 04, NVwZ 2006, 469; BVerwG Urt. v. 3.5.2007 – 2 C 30 / 05, NVwZ-RR 2007, 695 (696); Urban / Wittkowski, § 13 Rn. 3. 330  Urban / Wittkowski, § 13 Rn. 15. 331  BVerwG Urt. v. 20.10.2005 – 2 C 12 / 04, NVwZ 2006, 469 (471). 332  BVerwG Urt. v. 24.11.2005 – 2 WD 32 / 04, NVwZ 2006, 608 (610). 333  BVerwG Urt. v. 19.8.2010 – 2 C 13 / 10, NVwZ 2011, 299 (301). 334  BVerwG Urt. v. 20.10.2005 – 2 C 12 / 04, NVwZ 2006, 469 (471). 335  Urban / Wittkowski, § 13 Rn. 19. 336  BVerwG Urt. v. 23.2.2005 – 1 D 13 / 04, NVwZ-RR 2006, 53.



§ 17 Außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten229

Berücksichtigung finden kann,337 ist es möglich, die Mithilfe des Beamten an der Aufklärung und der Schadenswiedergutmachung strafmildernd zu berücksichtigen.338 Welches Gewicht dem Dienstvergehen zukommt, bestimmt sich auch danach, welche unmittelbaren Auswirkungen der Pflichtenverstoß für den dienstlichen Bereich und für außenstehende Dritte hat.339 In diese Betrachtung miteinzubeziehen sind nicht nur die materiellen Folgen, sondern insbesondere auch solche Aspekte, die die weitere Dienstausübung unmittelbar betreffen. Führt das Dienstvergehen dazu, dass die Aufgabenerfüllung der Behörde erheblich und nachhaltig beeinträchtigt wird, wiegt dieser Umstand naturgemäß besonders schwer.340 In Bezug auf nachteilige Auswirkungen gegenüber Dritten ist zu hinterfragen, ob durch das Dienstvergehen in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen wird.341 Namentlich wird dies in solchen Bereichen der Fall sein, die eine besondere Ausprägung durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfahren haben, beispielsweise das Steuergeheimnis. Die gesetzliche Regelung verlangt, dass auch das Persönlichkeitsbild des Beamten gewürdigt werden muss (§ 13 Abs. 1 S. 3 BDG). Dieses Merkmal kann als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufgefasst werden.342 Das Persönlichkeitsbild umfasst sowohl das Verhalten des Beamten als auch seine persönlichen Verhältnisse. Insbesondere bedarf es der Prüfung, ob das Persönlichkeitsbild des Beamten mit dem Dienstvergehen übereinstimmt oder ob es sich als persönlichkeitsfremdes Verhalten darstellt.343 Schlussendlich muss für die Feststellung, welches Gewicht der Verstoß gegen die Dienstpflicht aufweist, ermittelt werden, inwiefern durch das Dienstvergehen das Vertrauen gegenüber dem Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt wurde (§ 13 Abs. 1 S. 4 BDG). Dies erfordert eine Prognoseentscheidung, ob der Beamte sich in Zukunft so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflicht erwartet wird.344 Das Vertrauen bezieht sich allerdings nicht nur auf seine Stellung als Beamter, sondern auch

337  Vgl. hierzu BeckOK-StGB / v. Heintschel-Heinegg, § 46 Rn. 51; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 46 Rn. 39. 338  BVerwG Urt. v. 23.2.2005 – 1 D 13 / 04, NVwZ-RR 2006, 53 (54). 339  Urban / Wittkowski, § 13 Rn. 22. 340  BVerwG Urt. v. 23.2.2005 – 1 D 1 / 04, NVwZ-RR 2006, 47 (52). 341  Urban / Wittkowski, § 13 Rn. 22. 342  Alberti / Burr / Düsselberg / Eckstein / Nonnenmacher / Wahl / Burr, § 26 Rn. 22; Urban / Wittkowski, § 13 Rn. 23. 343  BVerwG Urt. v. 3.5.2007 – 2 C 30 / 05, NVwZ-RR 2007, 695 (696). 344  Urban / Wittkowski, § 13 Rn. 26.

230 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

auf die konkret ausgeübte Funktion.345 Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des Dienstvorgesetzten. Es ist anhand objektiver Kriterien festzustellen, ob der Dienstvorgesetzte bei Abwägung aller für und gegen den betroffenen Beamten sprechenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass dieser in Zukunft seinen Dienstpflichten nachkommen wird.346 bb) Schweres Dienstvergehen Liegt ein schweres Dienstvergehen vor, hat die Behörde kein Ermessen hinsichtlich der in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahme. In einem solchen Fall ist der Beamte zwingend aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 13 Abs. 2 S. 1 BDG).347 Der Begriff des schweren Dienstvergehens ist im Gesetz selbst nicht geregelt. Er ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der in § 13 Abs. 1 S. 2 bis 4 BDG genannten Beurteilungsrichtlinien. Die Annahme eines schweren Dienstvergehens liegt nahe, wenn der Beamte im Kernbereich seiner Pflichten schwer versagt hat.348 Neben dem Vorliegen eines schweren Dienstvergehens ist für den Eintritt dieser Rechtsfolge des Weiteren erforderlich, dass der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Von einem endgültigen Vertrauensverlust ist auszugehen, wenn aufgrund der zuvor aufgeführten Kriterien der Schluss gezogen werden muss, dass der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstvorschriften verstoßen wird oder das Ansehen des Berufsbeamtentums bei Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen ist.349 cc) Verletzung der Verschwiegenheitspflicht als schweres Dienstvergehen Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ist bei Anwendung dieses Maßstabes grundsätzlich dazu geeignet, die Annahme eines schweren Dienstvergehens zu begründen. Die Verschwiegenheitspflicht gehört zu den Kernpflichten des Beamten. Sie zählt zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und besitzt damit Verfassungsrang (Art. 33 Abs. 5 GG).350 Bei der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht handelt es sich stets um ein innerdienstliches Dienstvergehen, da der Beamte hinsichtlich dieser Pflicht 345  BVerwG

Urt. v. 20.10.2005 – 2 C 12 / 04, NVwZ 2006, 469 (471). Urt. v. 20.10.2005 – 2 C 12 / 04, NVwZ 2006, 469 (471). 347  Vgl. § 31 Abs. 1 LDG-BW. 348  OVG Magdeburg Urt. v. 24.8.2011 – 10 L 3 / 11, BeckRS 2011, 55350. 349  BVerfG Beschl. v. 19.2.2003  – 2 BvR 1413 / 01, NVwZ  2003, 1504; BVerwG Urt. v. 3.5.2007 – 2 C 30 / 05, NVwZ-RR 2007, 695 (696); Lindgen, S.  169 f. 350  Vgl. Kapitel 1 § 4 II. 1. b). 346  BVerwG



§ 17 Außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten231

nie außer Dienst steht.351 Besonderes Gewicht für die Beurteilung der Schwere des Dienstvergehens kommt dem Umstand zu, dass die Verletzung der Amtsverschwiegenheit grundsätzlich auch strafrechtlich geschützt ist. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass die Verletzung dieser Pflicht einen gesteigerten Unrechtsgehalt aufweist. Einen gewichtigen Hinweis auf die Schwere des Dienstvergehens bietet grundsätzlich der Strafrahmen des jeweiligen Delikts. Dieser reicht bei § 353b Abs. 1 StGB von einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Ausgehend von diesem weit gefassten Strafrahmen kann jedoch keine pauschale Einordnung vorgenommen werden, sondern es muss anhand des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden, ob durch die Verwirklichung ein schweres Dienstvergehen indiziert wird. Die Einstufung als Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB) beinhaltet zwar gegenüber der Einstufung als Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) den Ausdruck geringer Strafwürdigkeit, jedoch kann nicht allein anhand dieser Zuordnung für den konkreten Einzelfall eine Entscheidung getroffen werden, welche Tat schwerer oder leichter wiegt.352 Wurde der Beamte zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt, liegt die Annahme eines schweren Dienstvergehens allerdings besonders nahe, da in diesem Fall das Gericht den Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, aussprechen kann (§ 358 StGB). Gleiches gilt im Übrigen für die Verletzung des Steuergeheimnisses (§ 355 Abs. 1 StGB) und der Verletzung persönlicher Daten (§ 44 Abs. 1 BDSG), die im Vergleich zu § 353b Abs. 1 StGB allerdings einen deutlich geringen Strafrahmen aufweisen, da der Täter nur zu einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe verurteilt werden darf. Im Gegensatz zu den bisher genannten Delikten lassen die §§ 94 ff. StGB, mit Ausnahme von § 97 StGB, nur die Möglichkeit einer Freiheitsstrafe zu. Im Zusammenhang mit der Feststellung der subjektiven Handlungsmerkmale kann von Bedeutung sein, ob zugunsten des Beamten mildernd zu berücksichtigen ist, dass er gegen die Verschwiegenheitspflicht verstößt, um einen drohenden Schaden von sich abzuwenden. Befindet sich der Beamte beispielsweise in einer Notlage, kann dies als Entlastungsgrund für den ­Beamten sprechen.353 Von einer Notlage kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet kann.354 Bei Anwendung dieses Maßstabes erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass in einer solchen Situation entlastende UmKapitel 4 § 17 I. 1. a); Bohnert, NStZ 2004, 301 (302). StGB, § 12 Rn. 2; Schönke / Schröder / Eser / Hecker, § 12 Rn. 4. 353  BVerwG Urt. v. 3.5.2007  – 2 C 30 / 05, NVwZ-RR 2007, 695 (696); BVerwG Beschl. v. 20.12.2013 – 2 B 35 / 13, NVwZ-RR 2014, 314. 354  BVerwG Urt. v. 3.5.2007 – 2 C 30 / 05, NVwZ-RR 2007, 695 (696). 351  Siehe

352  Fischer,

232 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

stände zugunsten des Beamten sprechen. Die Gefahr, einer erheblichen Sanktion ausgesetzt zu sein, wenn sich der Beamte an die Verschwiegenheitspflicht hält, kann zu einer Situation führen, die eine psychische Notlage ­begründen kann. Gleichwohl kann dieser Umstand nur im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung berücksichtigt werden. Zu weitgehend erscheint daher die Auffassung, dass bereits mit der Verwirklichung des § 353b Abs. 1 StGB zwingend von einem endgültigen Vertrauensbruch ausgegangen werden muss.355 Zu berücksichtigen ist aber auch, dass es sich bei der Verschwiegenheitspflicht um eine der Kernpflichten des Beamten handelt. Bei der ebenfalls in die Gesamtbeurteilung einzustellende Folgenbetrachtung kann dieser Umstand einen bedeutenden Einfluss aufweisen, wenn etwa besonders gewichtige Geheimhaltungsinteressen betroffen sind. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn dem Beamten in der Sache zutreffend die Aussagegenehmigung versagt wurde. In diesem Fall bezieht sich die Verschwiegenheitspflicht auf derart gewichtige öffentliche Interessen, dass ihr bei der Abwägung ein besonderes Gewicht beizumessen ist. Dafür spricht auch der Umstand, dass das Gesetz vom Dienstvorgesetzten in einem solchen Fall verlangt, dass er dem Beamten den Schutz gewähren muss, den die dienst­ lichen Rücksichten zulassen (§ 68 Abs. 1 BBG, § 37 Abs. 5 S. 2 BeamtStG). Das Gesetz verlangt demnach vom Beamten, dass in besonderen Ausnahmefällen die Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Interesse des Beamten überwiegen muss. Hat der Gesetzgeber eine solche Regelung getroffen, kann die Zwangslage nur sehr eingeschränkt bei der Beurteilung der Schwere des Dienstvergehens berücksichtigt werden. Andernfalls würde sich die Behörde in Widerspruch zur gesetzlichen Regelung setzen. dd) Bindungswirkung des Strafverfahrens Wurde gegen den Beamten aufgrund der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht bereits ein Strafverfahren durchgeführt, sind die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils für das behördliche Disziplinarverfahren bindend (§ 23 Abs. 1 BDG).356 Die Bindungswirkung gilt uneingeschränkt.357 Zweck dieser Vorschrift ist es, zu verhindern, dass zu demselben Sachverhalt in verschiedenen Verfahren abweichende Feststellungen getroffen werden, um auf diese Weise die Rechtssicherheit und das Ver355  Lindgen,

S. 575. § 14 Abs. 1 LDG-BW. 357  Schmidt, BeamtenR, Rn. 503; im gerichtlichen Disziplinarverfahren besteht eine eingeschränkte Lösungsmöglichkeit des Gerichts (§ 57 Abs. 1 S. 2 BDG). Eine solche Möglichkeit sieht das behördliche Disziplinarverfahren nicht vor. § 14 Abs. 1 S. 2 LDG-BW sieht hingegen eine Lösungsmöglichkeit der Behörde bei offenkundiger Unrichtigkeit der getroffenen Feststellungen vor. 356  Entspricht



§ 17 Außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten233

trauen in die Beständigkeit einer rechtskräftig gewordenen Entscheidung zu schützen.358 Die Bindungswirkung bezieht sich nicht nur – wie der Wortlaut zunächst vermuten lässt – auf die tatsächlichen Feststellungen zum Sachverhalt, sondern auch auf die innere Tatseite. Dies bedeutet, dass auch Feststellungen, die für das subjektive Rechtfertigungselement von Bedeutung sein können, Bindungswirkung entfalten.359 Liegt ein rechtskräftiges Urteil vor, das den Beamten freispricht, muss diese Wertung auch auf das Disziplinarverfahren übertragen werden. ee) Verlust der Beamtenrechte als Folge des Strafurteils Die Verurteilung kann sich unmittelbar auf das Bestehen des Beamtenverhältnisses auswirken. Das Beamtenverhältnis endet von Gesetzes wegen mit der Rechtskraft des Urteils, wenn der Beamte in einem ordentlichen Gerichtsverfahren aufgrund einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt wurde (§ 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BBG, § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeamtStG).360 Wird der Beamte wegen eines vorsätzlich begangenen Staatsschutzdelikts oder wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt (§ 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BBG, § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeamtStG), hat dies ebenfalls den Verlust des Beamtenrechts zur Folge. Das Gleiche gilt, wenn dem Beamten im Strafverfahren als Nebenfolge die Fähigkeit aberkannt wird, öffentliche Ämter zu bekleiden (§ 41 Abs. 1 S. 2 BBG, § 24 Abs. 1 S. 2 BeamtStG i. V. m. § 45 Abs. 1 und Abs. 2 StGB). Der Verlust des Beamtenrechts auf diesem Weg weist für die Untersuchung allerdings nur eine sehr eingeschränkte Bedeutung auf. § 45 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Beamte wegen eines Verbrechens verurteilt wurde. Lediglich die Straftatbestände des Landesverrats (§ 94 Abs. 1 StGB), die landesverräterische Ausspähung (§ 96 Abs. 1 StGB) und der Verrat illegaler Geheimnisse (§ 97a StGB) weisen in Bezug auf die allgemeine Verschwiegenheitspflicht einen Verbrechenscharakter auf. Zwar kann das Gericht diese Nebenfolge gesondert anordnen (§§ 45 Abs. 2, 358 StGB), jedoch wird von dieser Möglichkeit in der Praxis nur sehr eingeschränkt Gebrauch gemacht.361 Es handelt sich hierbei nicht um eine disziplinarrechtliche Maßnahme, weil der Verlust der Beamtenrechte nicht an eine Entscheidung im Disziplinarverfahren anknüpft, jedoch steht 358  VGH Mannheim Urt. v. 15.12.2015  – DB 13 S 1634 / 15, (juris); Urban / Wittkowski, § 23 Rn. 1. 359  BVerwG Urt. v. 29.11.1989 – 1 D 71 / 88, NJW 1990, 2834; Urban / Wittkowski, § 23 Rn. 3. 360  Die Verurteilung im Strafbefehlsverfahren reicht hingegen nicht aus: BVerwG Urt. v. 8.6.2000 – 2 C 20 / 99, NJW 2000, 3297; Battis / Hebeler, § 41 Rn. 4. 361  Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, § 45 Rn. 1.

234 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

sie in ihrer Wirkung der Entfernung aus dem Dienst gleich.362 Sinn der Vorschrift ist es, die Durchführung unnötiger Disziplinarverfahren zu vermeiden.363 Liegen die gesetzlichen Beendigungsgründe vor, steht zugleich fest, dass sich der Beamte als unwürdig erwiesen hat, das Amt auszuführen.364 2. Richter Neben den Beamten können sich wegen der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht auch für den Richter disziplinarrechtliche Konsequenzen ergeben. Besonderheiten ergeben sich jedoch für diese Personengruppe aufgrund der verfassungsrechtlich abgesicherten persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit des Richters (Art. 97 Abs. 1 GG), die ihn grundsätzlich von Weisungen und Maßnahmen der Exekutive freistellt. Das Richterdisziplinarrecht entwickelte sich aus dem Beamtenrecht heraus, da Richter lange Zeit als „normale“ Beamte angesehen wurden und somit das Beamtenrecht unmittelbar auch auf sie Anwendung fand.365 Die Verschwiegenheitspflicht des Richters kann sich zunächst auf die Verletzung der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht beziehen, die sich aus dem Verweis auf die entsprechenden beamtenrechtlichen Vorschriften ergibt oder sie kann sich auf das Beratungsgeheimnis beziehen, das eine besondere Ausprägung der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht für den richterspezifischen Fall der Urteilsberatung darstellt.366 Anders als das Disziplinarrecht für Beamte weist das behördliche Disziplinarverfahren für die Gruppe der Richter nur eine sehr geringe Bedeutung auf. Im Wege der Disziplinarverfügung kann gegen den Richter nur die schwächste Form der Disziplinarmaßnahme, der Verweis, ausgesprochen werden (§ 64 Abs. 1 DRiG).367 Hintergrund dieser Einschränkung ist die bereits angesprochene verfassungsrechtlich geschützte persönliche und sachliche Unabhängigkeit des Richters, die es der Exekutive verbietet, einschneidende Disziplinarmaßnahmen gegen den Richter zu verfügen. Über alle anderen Disziplinarmaßnahmen entscheidet das zuständige Dienstgericht (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 DRiG). Diese Besonderheiten berühren aber die dargelegten Grundsätze nicht. Aufgrund des Verweises in § 46 DRiG sind im Übrigen die Regelungen des BDG entsprechend anwendbar. 362  Lambrecht,

S. 153. § 41 Rn. 2; Lambrecht, ZBR 2001, 194 (195). 364  BVerwGE Urt. v. 19.11.1964  – VIII C 39.64, BVerwGE  20, 21; Battis / Hebeler, § 41 Rn. 2. 365  Ausführlich zur historischen Entwicklung: Fischer, Disziplinarrecht, S. 23 ff. 366  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 2. 367  § 73 Abs. 3 LRiStAG-BW. 363  Battis / Hebeler,



§ 17 Außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten235

Keine Anwendung findet das Disziplinarrecht auf ehrenamtliche Richter. Sie unterliegen ohnehin nicht der allgemeinen Verschwiegenheitspflicht, sondern nur dem Beratungsgeheimnis,368 welches allerdings ebenfalls durch § 353b Abs. 1 StGB erfasst wird.369 Im Übrigen sind die disziplinarrecht­ lichen Regelungen mangels gesetzlicher Grundlage nicht auf die ehrenamt­ lichen Richter anwendbar (§ 2 DRiG).370

II. Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes Für die Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB) kann aufgrund der Unterschiede innerhalb dieser Personengruppe wiederum keine einheitliche Aussage getroffen werden. Die vorliegende Arbeit muss sich daher mit dem Aufzeigen einzelner Beispiele begnügen. Eindeutig ist die Rechtslage etwa für die Minister der Bundesregierung. § 8 BMinG verbietet es, gegen sie ein Disziplinarverfahren durchzuführen.371 Für diese Personengruppe kommen demnach keine außerstrafrechtlichen Konsequenzen in Betracht. Im Fall einer Dienstverletzung kann der Bundeskanzler lediglich auf die Entlassung des Ministers hinwirken (Art. 64 GG).372 Gleiches gilt für die Parlamentarischen Staatssekretäre. Aufgrund der Verweisung in § 7 ParlStG auf § 8 des BMinG dürfen auch gegen sie keine disziplinarrechtlichen Maßnahmen verhängt werden. Sie können aber jederzeit entlassen werden (§ 4 ParlStG). Verletzt der Notar seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, stellt dies ein Dienstvergehen dar (§ 95 BNotO),373 das entsprechend den Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes geahndet werden kann (§ 96 Abs. 1 S. 1 BNotO). Als Disziplinarmaßnahme kommt neben dem Verweis und der Geldbuße auch die Entfernung aus dem Amt in Betracht (§ 97 Abs. 1 S. 1 BNotO). Letztere kommt namentlich bei strafrechtlichen Verfehlungen des Notars in Betracht.374 Die Entfernung setzt aber nicht zwingend die Begehung einer Straftat voraus, sondern kann bereits vollzogen werden, wenn der Notar aufgrund der

368  Siehe

Kapitel 1 § 4 II. 2. Kapitel 4 § 16 I. 1. 370  Kritisch hierzu Fischer, Disziplinarrecht, S. 193. 371  Auf Landesebene zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Während in Bayern Art. 7 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Staatsregierung die Durchführung eines Disziplinarverfahrens ausdrücklich verbietet, fehlt eine entsprechende Regelung beispielsweise im Ministergesetz von Baden-Württemberg. 372  Busse, § 8 Rn. 1. 373  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 3. 374  Hager / Müller-Teckhof, NJW 2016, 1857 (1858). 369  Siehe

236 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Schwere des Dienstvergehens als unwürdig erscheint, das Amt weiter auszuüben.375

III. Sonstige Amtsträger Zur Gruppe der sonstigen Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB) gehören die Personen, die dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen oder solche, die dies in deren Auftrag erledigen. Richtet sich die außerstrafrecht­ liche Sanktionsmöglichkeit maßgeblich danach, welches Rechtsverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Dienstverpflichteten besteht, kann die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht eine arbeitsvertragliche oder sonstige vertragliche Sanktion nach sich ziehen. Amtsträger, die bei einer Behörde angestellt sind und Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, stehen zu ihrem Dienstherrn in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht verbeamtet sind. Gegenstand der arbeitsvertraglichen Pflicht ist auch die Wahrung der Verschwiegenheit.376 Verletzt der Arbeitnehmer die vertragliche Nebenpflicht, kann dies den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitnehmer abzumahnen oder den Arbeitsvertrag zu kündigen.377 Einer verhaltensbedingten Kündigung muss in aller Regel zunächst eine Abmahnung vorausgehen. Durch die Abmahnung beanstandet der Arbeitgeber das Fehlverhalten und weist den Arbeitnehmer auf seine vertragliche Pflicht hin.378 Zugleich wird er dazu angehalten, in Zukunft seine arbeitsvertragliche Pflicht zu erfüllen. Bei erneuter Pflichtverletzung ist der Arbeitgeber befugt, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Denkbar ist des Weiteren, dass aufgrund der Pflichtverletzung dem Arbeitgeber Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer in Betracht kommen, Voraussetzung hierfür ist aber, dass ein Schaden entstanden ist (§ 280 Abs. 1 BGB). Ob durch die Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflicht ein solcher entstanden ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern muss für den jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Der Arbeitnehmer ist zudem verpflichtet, die Verschwiegenheitspflicht auch über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu wahren.379 Zwar können in einem solchen Fall keine arbeitsrechtlichen Sanktionen mehr verhängt werden, jedoch können aus einer solchen Pflicht375  BVerfG Beschl. v. 9.4.2015 – 1 BvR 574 / 15, NJW 2015, 2642; Hager / MüllerTeckhof, NJW 2016, 1857 (1858 f.); Terner, NJW 2015, 2645. 376  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 4. a). 377  Lopacki, ZBR 2016, 329 (337). 378  LAG Düsseldorf Urt. v. 24.7.2009 – 9 Sa 194 / 09, NZA-RR 2010, 52; Junker, § 6 Rn. 369. 379  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 4. a).



§ 18 Exkurs: Regress237

verletzung weiterhin Ansprüche des Arbeitgebers in Form von Schadens­ ersatz- oder Unterlassungsansprüchen geltend gemacht werden.380 Steht der Amtsträger ausnahmsweise nicht in einem Arbeitsverhältnis, weil er beispielsweise als Organ einer juristischen Person (z. B. der Geschäftsführer einer GmbH) tätig ist, kann er gegebenenfalls abberufen und der Anstellungsvertrag gekündigt werden.381 Gleiches gilt für die Gruppe der sonstigen Amtsträger, die im Auftrag einer Behörde Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Das Auftragsverhältnis, welches sich nicht zwangsläufig als Auftrag im Sinne der §§ 662 ff. BGB qualifizieren lassen muss,382 stellt einen privatrechtlichen Vertrag dar. Ist eine Pflichtverletzung gegeben, greifen die allgemeinen Erwägungen. Der Vertragspartner kann insbesondere die Unterlassung künftiger Pflichtverletzungen verlangen und gegebenenfalls Schadensersatz beanspruchen, wenn ein Schaden nachgewiesen werden kann.

§ 18 Exkurs: Regress Keine unmittelbare Sanktion stellt der schadensrechtliche Rückgriff auf den Amtsträger dar, weil der Regress lediglich dem Zweck dient, eine erlittene Vermögenseinbuße auszugleichen. Muss der Dienstherr für ein Fehlverhalten seines Amtswalters haften, weil die persönliche Haftung des Amtswalters im Wege der Amtshaftung auf den Staat übergeleitet wird,383 kann dieser unter gewissen Umständen beim Dienstverpflichteten Regress nehmen. Dieser in Art. 34 S. 2 GG geregelte Rückgriffsvorbehalt gibt allerdings nur den verfassungsrechtlichen Rahmen vor. Die Anspruchsgrundlage folgt nicht aus der grundgesetzlichen Regelung, sondern muss wiederum gesondert für das jeweilige Rechtsverhältnis bestimmt werden. Für die Beamten der Länder ergibt sich der Regressanspruch aus § 48 Abs. 1 Beamt­ StG i. V. m. den jeweiligen Vorschriften des Landesrechts.384 Für Bundes­ beamte gilt § 75 BBG. Für andere Arbeitsverhältnisse ergibt sich die Rückgriffsmöglichkeit aus § 3 Abs. 7 TV-L beziehungsweise § 3 Abs. 7 TVöD, die ihrerseits auf die beamtenrechtlichen Vorschriften verweisen. Der Dienstherr ist aber nicht verpflichtet, beim Amtswalter Regress zu nehmen. 380  Müller,

öAT 2012, 102 (103). für den Fall einer GmbH: Lutz / Tebben, § 6 Rn. 215 ff. 382  Siehe Kapitel 1 § 3 IV. 3. b) cc). 383  Tremml / Luber / Karger, Rn. 1394; Ossenbühl / Cornils, S. 119. 384  Ahrens, Staatshaftungsrecht, 2 IV Rn. 18; Maurer, StaatsR I, § 26 Rn. 10; Tremml / Luber / Karger, Rn. 1398; in Baden-Württemberg ergibt sich der Anspruch des Dienstherrn aus § 48 Abs. 2 BeamtStG i. V. m. § 59 Abs. 1 LBG-BW. 381  Ausführlich

238 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

Art. 34 S. 2 GG gibt eine solche Pflicht nicht vor, sondern stellt sie ins Ermessen des Dienstherrn.385 Voraussetzung für einen solchen Fall ist allerdings, dass zunächst ein Amtshaftungsanspruch in Betracht kommt (Art. 34 GG i. V.m § 839 BGB). Ein solcher setzt jedoch, unabhängig von den übrigen Voraussetzungen, auf die mangels Bedeutung für die Untersuchung nicht näher eingegangen wird, voraus, dass eine drittbezogene Amtspflicht verletzt wird.386 Diese als „Crux des Amtshaftungsrechts“ bezeichnete Hürde387 schränkt den Amtshaftungsanspruch gegen den Staat ein, weil nicht jedes pflichtwidrige Handeln eine Schadensersatzpflicht begründen kann. Von einer Drittbezogenheit ist auszugehen, wenn die verletzte Amtspflicht auch dem Schutz der Rechte des Verletzten dient.388 Dies ist bei der Verschwiegenheitspflicht allerdings nur eingeschränkt der Fall. Die Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit, die im öffentlichen Interesse besteht, schützt keine Drittinteressen und weist dementsprechend auch keine Drittbezogenheit auf. Anders ist die Situation für die Verschwiegenheitspflicht zu beurteilen, die im privaten Interesse besteht.389 Verletzt der Amtsträger beispielsweise vorsätzlich ein Geschäftsoder Betriebsgeheimnis, das er in dieser Eigenschaft erfahren hat, woraufhin der Betroffene einen nachweisbaren Schaden erleidet, kann der Dienstherr den Amtsträger für etwaige Amtshaftungsansprüche in Regress nehmen. Da der Kern der Arbeit sich jedoch mit der Verschwiegenheitspflicht zur Wahrung des Amtsgeheimnisses beschäftigt, soll an dieser Stelle nicht weiter auf die Regressvoraussetzungen eingegangen werden.

§ 19 Zwischenfazit Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann für den Amtsträger schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Im Mittelpunkt des strafrechtlichen Schutzes steht § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB. Bezieht sich die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers auf Umstände, die den Tatbestand des Staatsgeheimnisses (§ 93 StGB) erfüllen, können zwar auch die Staatsschutzstraftatbestände der §§ 94 ff. StGB einschlägig sein, jedoch haben diese für die vorliegende Untersuchung nur eine eingeschränkte Relevanz, weil die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht zu Verteidigungszwecken entweder schon tatbestandlich nicht erfasst wird oder die zu § 353b Abs. 1 StGB ge385  Ossenbühl / Cornils,

S. 119.

386  Baldus / Grzeszick / Wienhues,

Rn. 125; Sauer, JuS 2012, 800 (804). S. 60. 388  Baldus / Grzeszick / Wienhues, Rn. 125. 389  Siehe zu dieser Unterscheidung Kapitel 1 § 4 I. 387  Ossenbühl / Cornils,



§ 19 Zwischenfazit239

fundenen Ergebnisse, die unter gewissen Umständen eine Strafbarkeit entfallen lassen, übertragen werden können. Die Unterschiede, die im Hinblick auf die Ausgestaltung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses zwischen Amtsträger und Dienstherr festgestellt wurden, sind auch bei der Beurteilung der Strafbarkeit zu berücksichtigen. Zunächst kommt § 353b Abs. 1 StGB selbst eine unterschiedliche Rolle zu. Wird die Verschwiegenheitspflicht, wie etwa in den beamtenrechtlichen Regelungen geschehen, gesondert angeordnet, kommt § 353b Abs. 1 StGB nur die Funktion einer Sanktionsnorm zu. In allen anderen Fällen stellt die Vorschrift eine Verhaltens- und Sanktionsnorm dar. Dies führt jedoch zwangsläufig dazu, dass das Schutzniveau der Verschwiegenheitspflicht innerhalb des Amtsträgerbegriffs nicht einheitlich beurteilt werden kann. Ist beispielsweise die Verschwiegenheitspflicht des Beamten umfassend geschützt, weil ein Dienstvergehen bereits durch die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gegeben ist, ohne dass es auf die strafrechtliche Wertung und hierbei insbesondere auf das Merkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen ankommt, kommt eine Sanktion für die Personen, für die § 353b Abs. 1 StGB zugleich eine Verhaltensnorm darstellt, nur in Betracht, wenn es zu einer Gefährdung kommt. Das Merkmal „unbefugt“ ist ebenfalls im besonderen Maß von den unterschiedlichen Regelungen, die auf die unterschied­lichen Personengruppen innerhalb des Amtsträgerbegriffs Anwendung finden, abhängig. Lässt eine Aussagegenehmigung beziehungsweise das Einverständnis dieses Merkmal entfallen, ergeben sich darüber hinaus spezielle Fragestellungen, wenn die beamtenrechtlichen Regelungen zur Anwendung kommen. Die Erteilung beziehungsweise die Versagung der Aussagegenehmigung stellt ein Verwaltungsverfahren dar. Angesprochen ist damit die gesamte Bandbreite an Problemen, die sich aus der Verwaltungsaktsakzessorietät des Merkmals „unbefugt“ ergibt. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist des Weiteren, dass es durch die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht zu einer Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen kommt. Durch dieses einschränkende Merkmal wird verhindert, dass nicht jede Verletzung der Verschwiegenheitspflicht eine strafrechtliche Sanktion nach sich zieht. Abzulehnen ist in diesem Zusammenhang die Annahme einer konkreten Gefahr für wichtige öffentliche Interessen im Wege der mittelbaren Gefährdung. Diese Ausweitung des Tatbestandes steht auf keiner rechtlichen Grundlage und erweitert ihn in unzulässiger Weise. Neben den strafrechtlichen Konsequenzen, die der Amtsträger gegebenenfalls zu befürchten hat, können die außerstrafrechtlichen Sanktionen weitaus gravierendere Folgen für ihn haben. Erneut ist das jeweilige Rechtsverhältnis maßgeblich für die in Betracht kommende Sanktionsmöglichkeit. Die Verschwiegenheitspflicht stellt für den Beamten und den Richter eine Kernpflicht

240 4. Kap.: Sanktionierung von Verstößen gegen Verschwiegenheitspflicht

dar. Verletzt er sie, hat er unabhängig von der strafrechtlichen Wertung seine Dienstpflicht verletzt. Die Konsequenzen, die aus diesem Fehlverhalten resultieren, können grundsätzlich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen. Voraussetzung ist, dass die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ein schweres Dienstvergehen darstellt. Eine solche Annahme ist jedenfalls dann naheliegend, wenn der Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB oder eines anderen Strafgesetzes erfüllt ist. Amtsträger, deren Anstellungsverhältnis durch einen Arbeitsvertrag geregelt ist, müssen bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gleichsam mit außerstrafrechtlichen Konsequenzen in Form der Abmahnung oder gar der Kündigung rechnen. Lässt sich im Einzelfall ein Schaden zu Lasten des Dienstherrn feststellen, kann darüber hinaus sogar ein Schadenersatzanspruch in Betracht kommen. Eine Sonderstellung innerhalb des Amtsträgerbegriffs nimmt die Gruppe der Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes ein. Weder disziplinarrecht­liche noch zivilrechtliche Sanktionen sind auf das Amtsverhältnis anwendbar. Ob eine außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeit in Betracht gezogen werden kann, muss somit für den jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Erneut lassen die Unterschiede innerhalb dieser Personengruppe keine einheitliche Betrachtung zu. Es lässt sich somit festhalten, dass der Schutz der Verschwiegenheitspflicht keineswegs einheitlich beurteilt werden darf. Selbst innerhalb der Sanktionsnormen, die wie § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB pauschal an den Amtsträgerbegriff anknüpfen, muss differenziert werden. Alle Sanktionsmöglichkeiten weisen jedoch im Hinblick auf die sich anschließende Untersuchung eine Gemeinsamkeit auf. Kann sich der Amtsträger auf einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund berufen, beschränkt sich dieses Urteil nicht nur auf das Strafrecht, sondern muss auch bei der Frage der außerstrafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten berücksichtigt werden.

Fünftes Kapitel

Die Rechtfertigung oder Entschuldigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht Hat die bisherige Untersuchung gezeigt, dass die Verschwiegenheitspflicht aufgrund verschiedener Sanktionsmöglichkeiten umfassend geschützt ist, leitet dies schlussendlich zur Frage über, ob sich der Amtsträger als Beschuldigter eines Strafverfahrens auf Rechtfertigungsgründe berufen kann, wenn er seine Verschwiegenheitspflicht im Strafverfahren bricht, um sich gegen die erhobenen Vorwürfe verteidigen zu können. Musste sich die bisherige Darstellung daran orientieren, in welchem Rechtsverhältnis der Amtsträger zu seinem Dienstherrn steht, gelten die nun folgenden Erwägungen uneingeschränkt für alle Amtsträger gleichermaßen. Gleichwohl werden die zuvor herausgearbeiteten Unterschiede für die Prüfung der Rechtswidrigkeit von erheblicher Bedeutung sein. Die Feststellung, ob eine Handlung rechtswidrig oder gerechtfertigt ist, kann auch für die strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten nur einheitlich erfolgen.1 Auf die vor allem von Günther vertretene Ansicht, der in diesem Zusammenhang eine spezifische Strafrechtswidrigkeit annehmen will,2 kommt es für die zu untersuchende Frage nicht an, weshalb sie hier unbeantwortet bleiben kann. Selbst Günther nimmt an, dass „unechte Strafausschließungsgründe“, für die er insbesondere § 34 StGB nennt, ein tatbestandsmäßiges Verhalten für die gesamte Rechtsordnung als gerechtfertigt erscheinen lassen, weil es sich bei ihnen um eine unmodifizierte Rezeption eines allgemeinen Rechtfertigungsgedankens handele.3 Gleiches gelte im Übrigen auch für § 32 StGB. Bei diesem Rechtfertigungsgrund handele es sich ebenfalls um eine rein deklaratorische Rezeption eines allgemeinen und in der Rechtsauffassung der Bevölkerung fest verankerten Gedankens eines allgemeinen Notwehrrechts, weshalb das Verhalten für die gesamte Rechtsordnung als gerechtfertigt gelten müsse.4

1  Engisch,

S. 57 f.; Lackner / Kühl, Vor § 32 Rn. 3; Satzger, JURA 2016, 154 (157). S.  100 f. 3  Günther, S.  306 ff. 4  Günther, S. 304. 2  Günther,

242

5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

Zunächst soll in der erforderlichen Kürze darauf eingegangen werden, ob sich alle Rechtfertigungsgründe auf ein bestimmtes System zurückführen lassen, das sich entweder auf einen monistischen oder pluralistischen Ansatz bezieht. Diese Erkenntnis wird insbesondere für das Notstandsrecht Bedeutung erlangen, da sich in diesem Bereich gleich mehrere Ordnungsprinzipien ausmachen lassen, die über die Rechtswidrigkeit der Handlung entscheiden. Sodann wird sich die Untersuchung den einzelnen in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründen zuwenden. Der Schwerpunkt der Untersuchung wird auf dem rechtfertigenden Notstand liegen, weil sich schnell herausstellen wird, dass die Voraussetzungen anderer Rechtfertigungsgründe nicht gegeben sind. Innerhalb der Untersuchung zu § 34 StGB wird zunächst der Frage nach dem Grundprinzip des rechtfertigenden Notstandes nachgegangen. Die sich hieraus ergebende Antwort wird den Lösungsweg bereits vorzeichnen und zu einer recht klaren Antwort führen, ob sich der Amtsträger auf diesen Rechtfertigungsgrund berufen kann.

§ 20 System der Rechtfertigungsgründe Die nachfolgende Darstellung der Begründungsansätze zur allgemeinen Legitimationswirkung von Rechtfertigungsgründen muss von der Einsicht getragen werden, dass es Aufgabe einer jeden Rechtsordnung ist, den Rechtsfrieden zu schützen. Im Rahmen der Gesamtrechtsordnung leistet das Strafrecht hierfür einen wichtigen Beitrag, weil es besonders wichtige Rechtsgüter schützt, indem es deren Verletzung mit den spezifischen Machtmitteln des Staates sanktioniert.5 Der Rechtsgüterschutz kann jedoch nicht in einem absoluten Sinn verstanden werden, sondern muss sich von der Einsicht leiten lassen, dass es einen solchen Schutz nicht geben kann. Ein absolut wirkender Schutz setzt nämlich voraus, dass sich die Sphären der Rechtsträger nie berühren oder überschneiden würden. Weil dies aber schon allein aus rein tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, können sich aus diesem Spannungsverhältnis, das in einem Kollisionsfall entsteht, Gründe ergeben, die verlangen, dass der Träger eines bestimmten Rechtsgutes Eingriffe zu seinen Lasten dulden muss.6 Dies bedeutet, dass die Schutzbedürftigkeit von Rechtsgütern in bestimmten Situationen verneint werden muss, um andere Rechtsgüter zu schützen, wobei sie selbstredend ihren Status hierdurch nicht verlieren. Die Schutzbedürftigkeit kann, wie etwa im Fall der Notwehr, zu verneinen sein, weil sich der Angreifer gegen die Rechtsordnung stellt und der Verteidiger ein natürliches Interesse am Erhalt seiner

5  Günther,

S. 90; Lenckner, S. 47; Welzel, ZStW 58 (1939), 491 (514). S. 48.

6  Lenckner,



§ 20 System der Rechtfertigungsgründe243

Rechtsgüter hat7 oder der Rechtsgutsinhaber in die Verletzung eingewilligt hat.8 Fehlt es allerdings auf Seiten des Rechtsgutsinhabers an einem vorwerfbaren Verhalten oder hat er nicht in die Verletzung eingewilligt, lässt sich der Verlust der Schutzbedürftigkeit des fremden Rechtsguts nur dadurch begründen, dass vom Betroffenen verlangt wird, in dieser speziellen Situation ein Opfer zum Schutz eines anderen Rechtsguts zu erbringen.9 Innerhalb der verschiedenen Begründungsmodelle zur Legitimationswirkung der Rechtfertigung lassen sich zwei unterschiedliche Ansätze ausmachen, die sich maßgeblich in der Frage unterscheiden, ob sich die Rechtfertigungsgründe auf ein allumfassendes Prinzip zurückführen lassen oder nicht. Nach Ansicht der Vertreter einer monistischen Lehre liegt allen Rechtfertigungsgründen ein gemeinsamer Gedanke zugrunde. Für sie steht folgerichtig nur die Frage im Mittelpunkt, nach welchem Prinzip sich die Legitimationswirkung richtet. Nach der Zwecktheorie ist ein tatbestandsmäßiges Verhalten als gerechtfertigt anzusehen, wenn es im Sinne einer formalen Maxime zur Erreichung eines vom Gesetzgeber anerkannten Zweckes das geeignete Mittel ist.10 Da jede Rechtsordnung einem bestimmten sozialen Zweck dienen müsse, könne nur ein solches Verhalten als rechtswidrig angesehen werden, das sich nicht als Mittel zur Erreichung dieses Zwecks darstelle.11 Die Festlegung, was als anerkannter Zweck angesehen werden dürfe, sei bereits durch den Gesetzgeber erfolgt, nämlich durch den Erlass einer Norm. Dies bedeutet, dass ein Verhalten als rechtswidrig angesehen werden muss, wenn sich keine Norm findet, deren Zweck durch das Verhalten erreicht werden kann. Übertragen auf die Frage der Rechtfertigung der unbefugten Offenbarung von Geheimnissen ergibt sich, dass das Geheimhaltungsinteresse, das durch das positive Recht festgesetzt wird und somit den vom Gesetzgeber vorgegebenen Zweck darstellt, regelmäßig dem Individualinteresse vorgehen muss.12 Diese rein auf einem formalen Zweck beruhende Ansicht wurde bereits früh von den Vertretern einer monistischen Ansicht beiseitegelegt und nicht weiterverfolgt. Stattdessen wurde nun nicht mehr ausschließlich auf den durch das positive Recht vorgegebenen Zweck Bezug genommen, sondern es wurde in einer generalisierten Betrachtungsweise gefragt, ob das

7  So die dualistische Notwehrkonzeption, vgl. BGH Urt. v. 14.6.1972 – 2 StR 679 / 71, BGHSt 24, 356 (359); Heinrich, AT, Rn. 337; Jescheck / Weigend, AT, § 32 I 1; Lackner / Kühl, § 32 Rn. 1; NK-Kindhäuser, § 32 Rn. 9 f.; Schönke / Schröder / Perron, § 32 Rn. 1. 8  Lenckner, S. 49. 9  Lenckner, S. 49. 10  Graf zu Dohna, S. 48 f.; Liszt / Schmidt, § 32 A 2; Sauer, § 13 II 2 b. 11  Graf zu Dohna, S.  47 f. 12  So schon Graf zu Dohna, S. 111 f.; Schumann, S. 230.

244

5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

Verhalten der staatlichen Gemeinschaft mehr nutzt als schadet.13 Weil dem Erhaltungsgut in diesem Fall ein höherer Achtungsanspruch zukommt als dem Eingriffsgut, ist die Handlung des Täters nicht rechtswidrig. Das materielle Prinzip des höheren Nutzens für die Gemeinschaft rückte somit innerhalb der Zwecktheorie in den Mittelpunkt. Demgegenüber geht die pluralistische Lehre davon aus, dass zumindest zwei, wenn nicht gar mehrere Prinzipien, zur Begründung der Legitimationswirkung der Rechtfertigung herangezogen werden müssen.14 Mezger stellte sich zunächst auf den Standpunkt, dass allein zwei Prinzipien maßgeblich seien, nämlich das Prinzip des „überwiegenden Interesses“ und das Prinzip des „mangelnden Interesses“.15 Ein klassisches Beispiel für den Fall des mangelnden Interesses stellen die Einwilligung und die mutmaßliche Einwilligung dar.16 Eine Rechtfertigung nach dem Prinzip des überwiegenden Inte­ resses sei hingegen anzunehmen, wenn das verletzte Interesse im Einzelfall zugunsten eines höher bewerteten Interesses verdrängt werde.17 Mezger macht das Vorliegen an drei Unrechtsausschließungsgründen fest. Ein überwiegendes Interesse sei zunächst gegeben bei Handlungen, die auf einer besonderen Handlungsberechtigung, wie beispielsweise dem Notwehrrecht ­ oder dem zivilrechtlichen Notstand, beruhen.18 Gleiches gelte, wenn die Handlung auf eine überwiegende Handlungspflicht, etwa Amts- oder Berufspflichten zurückzuführen sei. Darüber hinaus soll eine Handlung aber auch gerechtfertigt sein, wenn das allgemeine Güterabwägungsprinzip zu Gunsten des Notstandstäters ausfalle.19 Zu Recht muss sich die pluralistische Theorie, die nur auf zwei grundlegende Prinzipien abstellt, vorhalten lassen, dass auch sie es nicht vermag, eine inhaltliche Konkretisierung zu gewährleisten, weil die Bewertungsgrundlagen, die für die Legitimation der Berechtigung herangezogen werden, abstrakt bleiben. Aus diesem Grund entwickelte sich innerhalb dieser Lehre die Auffassung, dass weitere Ordnungsprinzipien hinzutreten müssten. So findet sich beispielsweise bei Jakobs die Unterscheidung nach dem Prinzip der Verantwortung des Eingriffsopfers, das Prinzip der ­Interessendefinition und das Solidaritätsprinzip.20 Aber auch die Festlegung auf eine bestimmte Mindestanzahl von Ordnungsprinzipien, die zur Begründung herangezogen werden können, erscheint nicht zielführend, weil hier13  Sauer,

S. 56. S. 222. 15  Mezger, § 27. 16  Mezger, § 27; dies gilt nur, sofern man die Einwilligung nicht bereits als einen Fall des Tatbestandsausschlusses auffasst, so aber: Roxin, AT I, § 13 Rn. 12 ff. 17  Mezger, § 27. 18  Mezger, § 27. 19  Mezger, § 27. 20  Jakobs, AT, 11 / 3. 14  Schumann,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe245

durch die jeweiligen Unterschiede innerhalb der verschiedenen Rechtfertigungsgründe verwischt werden. Dem System der Rechtfertigungsgründe kann daher weder ein einheitlicher Gedanke noch eine bestimmte Mindestanzahl an Ordnungsprinzipien sinnvoll vorangestellt werden. Ein einheitlicher Grundgedanke aller Rechtfertigungsgründe müsste zwangsläufig so abstrakt gefasst werden, dass er keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn liefern würde. Auch der Ansatz, den Rechtfertigungsgründen mehrere allgemeine Grundsätze voranzustellen, ist unbefriedigend, weil auch dieses Vorgehen die ­Unterschiede der einzelnen Rechtfertigungsgründe verwischt. Ein allgemeingültiges Prinzip wird sich, auch aufgrund des fehlenden praktischen Bedürfnisses, daher kaum festmachen lassen.21

§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe Zunächst wird auf die Rechtfertigungsgründe der Notwehr (§ 32 StGB) und der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) eingegangen. Es wird sich jedoch schnell zeigen, dass beide Rechtfertigungsgründe nicht einschlägig sind, um den Bruch der Verschwiegenheitspflicht zur Verteidigung im Strafverfahren zu rechtfertigen. Im Anschluss soll eine vertiefte Auseinandersetzung mit § 34 StGB erfolgen. In diesem Zusammenhang werden die bereits gefundenen Erkenntnisse zum Erfordernis einer Aussagegenehmigung und zu den Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers, gegen die Versagung vorzugehen beziehungsweise von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden zu werden, eine entscheidende Rolle einnehmen.

I. Notwehr (§ 32 StGB) Eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Notwehr ist nach dem gängigen Verständnis des Notwehrrechts nicht vorstellbar. Voraussetzung für das Notwehrrecht ist zunächst das Vorliegen eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs. Gemeinhin wird unter dem Begriff des Angriffs ein willensgesteuertes menschliches Verhalten verstanden, durch das ein Individualrechtsgut bedroht wird.22 Ein Angriff durch eine juristische Person in Form der Durchführung eines Strafverfahrens ist unter Zugrundelegung dieser Definition nicht denkbar, weil diese nicht in der Lage ist, einen Angriff durch21  Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Mitsch, AT, § 14 Rn. 39; LK-Rönnau, 12. Aufl., Vor § 32 Rn. 38; Perron, S. 95; Roxin, AT  I, § 14 Rn. 38; SSW-StGB / Rosenau, Vor §§ 32 ff. Rn. 8. 22  Heinrich, AT, Rn. 341; Kühl, AT, § 7 Rn. 23; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 32 Rn. 55; Neuheuser, S. 25; NK-Kindhäuser, § 32 Rn. 30; Rengier, AT, § 18 Rn. 6; Schönke / Schröder / Perron, § 32 Rn. 3; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 483.

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

zuführen, der auf einen autonomen Willen zurückzuführen ist, da sie nur durch die für sie handelnden natürlichen Personen entscheiden kann.23 Somit muss bereits aufgrund des fehlenden Angriffs einer natürlichen Person vom Fehlen einer Notwehrlage ausgegangen werden.24 Stellt man hingegen auf die jeweilige natürliche Person ab, würde § 32 StGB nur Eingriffe in deren Rechtsgüter gestatten, nicht aber in die der juristischen Person. Die Verfügungsbefugnis über das Amtsgeheimnis steht aber allein der juristischen Person zu, in deren alleinigen Interesse es besteht. Die verbleibenden Möglichkeiten, einen Angriff im Sinne des § 32 StGB begründen zu können, wären, entweder der juristischen Person die Handlung der natürlichen Person zuzurechnen oder den Begriff der Verteidigung so weit auszudehnen, dass zulässige Verteidigungsfolgen gegenüber der natürlichen Person auch Kollateralschäden an Rechtsgütern der juristischen Person umfassen. Beide Wege lassen sich jedoch nicht überzeugend begründen. Die Möglichkeit der Zurechnung, wie sie im Zivilrecht ohne weiteres gegeben ist, existiert im Strafrecht nicht. Zum einen fehlt es an einer vergleichbaren Zurechnungsvorschrift und zum anderen wäre eine solche Fiktion auch nicht zielführend, weil sich die Verteidigung ohnehin nur gegen das reale Verhalten richten kann.25 Bereits der Sinn der Zurechnungsvorschriften des BGB, das wirtschaftliche Risiko des Fehlverhaltens auf die juristische Person abzuwälzen,26 zeigt, dass dieser Gedanke nicht auf das Strafrecht übertragen werden kann. Versuche, die Handlung der natürlichen Person strafrechtlich der juristischen Person zuzurechnen, können auch nicht über eine entsprechende Anwendung von § 74e Nr. 1 StGB erfolgen.27 Dort ist zwar eine Zurechnung der Handlung zu Lasten der juristischen Person explizit vorgesehen, jedoch bezieht sich diese Sondervorschrift auf die Regelungen über die Einziehung von Taterträgen. Anders als bei der Zurechnung eines Angriffs, der den Angegriffenen zur Verteidigung berechtigen würde, setzt die Anordnung der Einziehung als Anknüpfungstat eine vorsätzliche Straftat einer natürlichen Person voraus.28 Ein solches Erfordernis verlangt das Notwehrrecht aber gerade nicht. Schon aus diesem Grund sind die Regelungen nicht vergleichbar. Das entscheidende Argument ist aber die Beachtung der Verhält23  Mitsch,

NZWiSt 2015, 259. Übrigen stellt die Durchführung eines Strafverfahrens keinen rechtswidrigen Angriff dar. Zur Frage, ob ein geordnetes Verfahren eine Gefahr begründen kann, siehe ausführlich Kapitel 5 § 21 III. 1. b) aa). 25  MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 32 Rn. 58; Neuheuser, S. 18; Schönke / Schröder / Perron, § 32 Rn. 3. 26  LK-Rönnau / Hohn, 12. Aufl., § 32 Rn. 164. 27  Mitsch, NZWiSt 2015, 259 (260). 28  AnwK-StGB / Adick, § 74 Rn. 10; Mitsch, NZWiSt 2015, 259 (260); SSWStGB / Burghart, § 74a Rn. 10. 24  Im



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe247

nismäßigkeit für die Einziehung. Zwar sieht § 74f Abs. 1 StGB diese Notwendigkeit ausdrücklich nur für die fakultative Einziehung vor, jedoch gilt dieser Grundsatz uneingeschränkt auch für die zwingend vorgeschriebene Einziehung.29 Der Gedanke der Verhältnismäßigkeit ist dem Notwehrrecht aber fremd. Schließlich zeichnet sich die Schärfe des Notwehrrechts gerade dadurch aus, dass keine Verhältnismäßigkeitserwägungen angestellt werden müssen.30 Gegen die Ausübung des Notwehrrechts zu Lasten juristischer Personen spricht des Weiteren auch das Rechtsbewährungsprinzip.31 Dem Notwehrrecht kommt neben der Verteidigung der eigenen Rechtsgüter auch die Funktion zu, die Rechtsordnung zu schützen.32 Verbunden mit dem Rechtsbewährungsprinzip ist zugleich der Gedanke der Generalprävention.33 Die Appellwirkung, die von diesem Prinzip ausgeht, kann die juristische Person aber nicht als solche erreichen und dementsprechend keine Wirkung entfalten. Würde das etwaige Fehlverhalten von Organen ausreichen, um das Notwehrrecht gegen die juristische Person begründen zu können, würde dies im Ergebnis wiederum auf eine Zurechnung hinauslaufen, für die es keine rechtliche Grundlage gibt. Diese Überlegungen zeigen, dass der Gedanke der Zurechnung, die der Einziehung von Taterträgen zugrunde liegt, nicht übertragbar ist. Handelnder bleibt somit immer die natürliche Person. Nur gegen diese darf der Angegriffene sein Notwehrrecht ausüben. Ist die Zurechnung des Angriffs ausgeschlossen, könnte allenfalls überlegt werden, über den Begriff der Verteidigung Eingriffe in die Rechtsgüter des Staates als zulässig zu erachten. Ausgangspunkt dieses Gedankens ist wiederum, dass das Notwehrrecht nur Eingriffe in die Rechtsgüter des Angreifers gestattet, nicht aber in die eines Dritten.34 Hierzu muss unterstellt werden, dass ein rechtswidriger Angriff im Sinne des § 32 StGB seitens einer natür­ lichen Person vorliegt.35 Eine zulässige Verteidigungshandlung kann demnach nur unter der Voraussetzung angenommen werden, dass der Begriff der Verteidigung Eingriffe in die Rechtsgüter eines unbeteiligten Dritten mitumfasst, wenn dieser das Angriffsmittel zur Verfügung stellt und somit in zurechenbarer Weise seine Belange in die Hände des Angreifers legt. Ist eine juristische Person Inhaber des Eingriffsrechtsguts, soll eine Rechtfertigung folglich in Betracht kommen können, wenn ein Organ der juristischen Person 29  Schönke / Schröder / Eser,

§ 74b Rn. 1; SSW-StGB / Burghart, § 74b Rn. 1. AT, Rn. 335; Zieschang, AT, Rn. 211. 31  Späth, S.  69 ff. 32  Heinrich, AT, Rn. 337; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 32 Rn. 12; Roxin, AT I, § 15 Rn. 1; SSW-StGB / Rosenau, § 32 Rn. 2. 33  SSW-StGB / Rosenau, § 32 Rn. 2; Späth, S. 69. 34  Krey / Esser, AT, Rn. 500; Kühl, AT, § 7 Rn. 84; Zieschang, AT, Rn. 211. 35  Dies erscheint bei der Durchführung eines Strafverfahrens allerdings sehr zweifelhaft. 30  Heinrich,

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

den Angriff ausübt.36 Übertragen auf die zu untersuchende Frage würde dies bedeuten, dass zur Verteidigung auch Eingriffe in die Rechtsgüter der juristischen Person zulässig sind, weil sie das Angriffsmittel, nämlich das Strafverfahren, zur Verfügung gestellt hat. Eine solche Ansicht kann aber nicht überzeugen. Unabhängig von der Frage, ob bereits die Durchführung eines Strafverfahrens einen rechtswidrigen Angriff bedeuten kann, reichen die bloße Überlassung oder das Ausnutzen der zur Verfügung gestellten Mittel nicht aus, um einen Angriff der juristischen Person begründen zu können.37 Es bleibt bereits offen, wann von einem Bereitstellen durch die juristische Person ausgegangen werden kann. Muss das Angriffsmittel mit einem bestimmten Zweck verbunden werden oder reicht das bloße Bereitstellen aus? Im Endeffekt würde dies erneut auf eine Zurechnung hinauslaufen, für die es – wie gesehen – keine Rechtsgrundlage gibt. Nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Begrenzung des Notwehrrechts, nur Eingriffe in die Rechtsgüter des Angreifers zu gestatten, kann somit auch der Verteidigungsbegriff nicht in derlei Hinsicht verstanden werden. Eine Ausdehnung auf den Dritten begründet die Gefahr, den Begriff der Verteidigung konturlos werden zu lassen. Im Übrigen verlangt eine Abgrenzung zu § 34 StGB, der in seinem Anwendungsbereich unstreitig Eingriffe in die Rechtsgüter eines Dritten gestattet, als zulässige Verteidigungshandlung nur solche anzusehen, die sich unmittelbar gegen die Rechtsgüter des Angreifers richten.

II. Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) Eine Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgen. Nach § 193 StGB, dessen Anwendungsbereich bereits in Bezug auf die Beleidigungsdelikte umstritten ist,38 ist eine Handlung gerechtfertigt, wenn die Beleidigung zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt. Es sind alle Verhaltensweisen erfasst, die zur Durchsetzung des Rechts erforderlich sind.39 Richtet sich die inhaltliche Prüfung nach dem Prinzip der Güterabwägung, kann eine Rechtfertigung nach § 193 StGB aber von Anfang an nur in Betracht gezogen werden, wenn der Anwendungsbereich nicht auf die Beleidigungsdelikte des vierzehnten Abschnitts beschränkt oder eine Analogie zugunsten des Amtsträgers möglich ist. 36  Schönke / Schröder / Lenckner,

24. Aufl., § 32 Rn. 3. 12. Aufl., § 32 Rn. 164. 38  Vgl. nur AnwK-StGB / Rahmlow, § 193 Rn. 2; MüKo-StGB / Joecks, 2. Aufl., § 193 Rn. 6 ff.; NK-Zaczyk, § 193 Rn. 7 ff.; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, § 193 Rn. 2 f.; SSW-StGB / Sinn, § 193 Rn. 5. 39  MüKo-StGB / Joecks, 2. Aufl., § 193 Rn. 18; NK-Zaczyk, § 193 Rn. 14. 37  LK-Rönnau / Hohn,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe249

Es finden sich vor allem im älteren Schrifttum Stimmen, die im Prinzip der Wahrnehmung berechtigter Interessen einen allgemeinen Rechtfertigungsgrund erblicken wollen.40 Die Vertreter dieser Auffassung argumentierten, dass eine Rechtsordnung stets das Anliegen verfolge, widerstreitende Interessen auszugleichen. Diese Erkenntnis sei unmittelbar auf das „Urprinzip“ der Rechtfertigungsgründe zurückzuführen, nämlich auf das Prinzip der Interessen- und Güterabwägung.41 Liege allen Rechtfertigungsgründen dieses Prinzip zugrunde, ergebe sich, dass bei einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung, in die nicht allein die berechtigten Interessen des Täters eingestellt werden dürften, mit § 193 StGB ein allgemeingültiger Rechtfertigungsgrund vorliege.42 Weil die übrigen Rechtfertigungsgründe aber lediglich auf die Sicherung des gegenwärtigen Status gerichtet sind, komme dem Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen die „evolutive Funktion“ zu, dem vorzugswürdigen Interesse des Einzelnen unter Beachtung des gesamtgesellschaftlichen Rahmens zur Durchsetzung zu verhelfen.43 Aus der Erkenntnis, dass die Schutzbereiche strafrechtlicher Normen in erster Linie sozialbezogen oder zumindest von sozialen Erwägungen getragen seien, müsse, um eine Durchlässigkeit im Sinne eines „evolutiven Moments“ ermöglichen zu können, eine allgemeine Klausel geschaffen werden.44 Zudem seien auch Situationen vorstellbar, in der widerstreitende Interessen in Konflikt zueinander treten, ohne dass eine gegenwärtige Gefahr vorliege. Diese Ansicht, in § 193 StGB einen allgemeinen Rechtfertigungsgrund zu erblicken, überzeugt jedoch nicht und wird zu Recht von der weit überwiegenden Meinung (inzwischen) verneint.45 Bereits der Zeitpunkt, zu dem diese Erwägungen verbreitet diskutiert wurden, nämlich vor Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (2. StRG)46 und somit vor der Normierung des rechtfertigenden Notstandes in § 34 StGB, zeigt, dass die 40  Eser, S. 40 ff.; Rogall, NStZ 1983, 1 (6); Schönke / Schröder, 17. Aufl., Vor § 51 Rn. 62a; Welzel, § 45 II 3. 41  Eser, S. 41. 42  Eser, S.  44 f. 43  Eser, S. 51 und 67. 44  Eser, S.  50 f. 45  OLG Stuttgart Urt. v. 5.12.1986  – 1 Ss 551 / 86, NStZ 1987, 121 (122); Barton, Beulke-FS 2015, 605 (609); MüKo-StGB / Joecks, 2. Aufl., § 193 Rn. 8; NK-Zaczyk, § 193 Rn. 12; Paglotke, S. 165; Schönke / Schröder / Lenckner / Eisele, § 193 Rn. 3; SSW-StGB / Sinn, § 193 Rn. 6; Wichmann, S. 53; a. A. Noll, ZStW 77 (1965), 1 (31); Roeder, Heinitz-FS 1972, 229 (240), die § 193 StGB als Schuldausschließungsgrund verstehen. 46  BGBl. 1969 I S. 717. Nach Maßgabe des Gesetzes über das Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts v. 30.7.1973 (BGBl. 1973 I S. 909) sind die meisten Regelungen erst am 1.1.1975 in Kraft getreten.

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

Argumentation nicht unbesehen auf das heutige System der Rechtfertigungsgründe übertragen werden kann. Wurde als Voraussetzung für die Herleitung eines allgemeinen Rechtfertigungsgrundes genannt, dass der Schutzbereich des verletzten Rechts in einem sozialen Bezug stehen muss, kann dies unabhängig von der Stichhaltigkeit dieser Voraussetzung nicht für die Amtsverschwiegenheitspflicht gelten. Sie wird gerade nicht von sozialen Erwägungen geleitet, sondern dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse. Es lässt sich daher nicht sinnvoll begründen, dass sich der Einzelne, insbesondere auch unter Beachtung des von Eser geprägten Begriffs des „evolutiven Mo­ ments“,47 auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen kann. Auch eine analoge Anwendung des § 193 StGB zugunsten des Amtsträgers ist nicht möglich. Vom Bestehen einer bewussten Regelungslücke kann spätestens seit der Normierung des rechtfertigenden Notstandes in § 34 StGB nicht mehr ausgegangen werden. Beide Rechtfertigungsgründe unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt. Während § 193 StGB lediglich ein gleichrangiges Interesse voraussetzt, muss bei § 34 StGB das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegen. Auch die Stellung innerhalb der Beleidigungsdelikte spricht gegen eine analoge Anwendung auf andere Straftatbestände. Die Erwägungen, die § 193 StGB zugrunde liegen, müssen insbesondere vor der Bedeutung von Art. 5 GG gesehen werden. Der vorzunehmende Interessensausgleich zwischen dem Schutz der Ehre des Einzelnen und der Meinungsfreiheit beziehungsweise der Kunstfreiheit kann nicht auf andere Konstellationen übertragen werden. Eine solche Verallgemeinerung würde den spezifischen Konflikt, dem durch § 193 StGB Rechnung getragen werden soll, ignorieren.

III. Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB) Kann somit weder das Notwehrrecht noch der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht zu Verteidigungszwecken rechtfertigen, drängt sich die Frage auf, ob dies unter dem Gesichtspunkt des rechtfertigenden Notstandes möglich ist. Ausgehend von der gesetzgeberischen Entscheidung in § 34 StGB, dass in einer Notstandslage die Beeinträchtigung fremder Rechtspositionen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist, wird die Verbindlichkeit von Normen grundsätzlich unter den Vorbehalt gestellt, dass ihre Befolgung nicht zu einer unannehmbaren Gefahr für die Rechtsgüter des Notstandstäters führt.

47  Eser,

S.  51 f.



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe251

Das Notstandsrecht war bereits vor seiner Normierung in § 34 StGB durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts (2. StRG) vom 4.7.196948 seit langem allgemein anerkannt, wobei seine Einordnung als Rechtfertigungsoder Entschuldigungsgrund heftig umstritten war und sich erst im Laufe der Zeit die heute bekannte Unterscheidung zwischen dem rechtfertigenden und dem entschuldigenden Notstand herausbildete.49 Die bei Erlass des StGB im Jahre 1871 enthaltenen Notstandsvorschriften in den §§ 52, 54 RStGB regelten die denkbaren Notstandskonstellationen nur unvollständig. Während die Vorschrift des § 54 StGB a. F. dem heutigen entschuldigenden Notstand entsprach, ordnete § 52 StGB a. F. die Straflosigkeit des Täters an, der einem Nötigungsnotstand zum Opfer fiel. Die Einordnung des Nötigungsnotstandes als Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund ist bis heute umstritten.50 Mit Inkrafttreten des BGB am 1.1.1900 kamen die Notstandsregelungen der §§ 228 S. 1, 904 S. 1 BGB hinzu. Die zivilrechtlichen Regelungen erfassen aber nur Handlungen, die sich auf die Abwehr von Sachgefahren (§ 228 StGB) oder auf die zur Abwehr erforderliche Einwirkung auf fremde Sachen (§ 904 BGB) beziehen.51 War lange Zeit umstritten, ob der Notstand überhaupt als Rechtfertigungsgrund in Betracht gezogen werden kann, schloss diese Lücke das Reichsgericht in seiner Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch, in der es erstmals ausdrücklich anerkannte, dass neben § 54 StGB a. F. auf einen ungeschriebenen Rechtssatz, nämlich den übergesetzlichen Notstand, geschlossen werden kann, der die Rechtswidrigkeit der Handlung in bestimmten Konstellationen ausschließt.52 Bevor auf die einzelnen Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes näher eingegangen wird, muss eine Auseinandersetzung mit den rechtsphilosophischen Grundlagen dieses Rechtfertigungsgrundes erfolgen. Erscheint die Rechtfertigung desjenigen, der in Notwehr die Rechtsgüter des Angreifers verletzt, ohne weiteres als nachvollziehbar, bedarf es einer vertieften Begründung, weshalb ein Verhalten straflos sein soll, das Eingriffe in die 48  BGBl. 1969 I S. 717. Es trat nach Maßgabe des Gesetzes über das Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts erst am 1.1.1975 in Kraft. 49  Siehe Kapitel  5 § 21 III.; eine Übersicht zu den Notstandsregelungen vom römischen Recht bis zum 19. Jhd. findet sich bei Allfeld, § 26 I; Stammler, S. 7 ff.; zum Gesetzgebungsverfahren: Seelmann, S.  9 ff. 50  Für die Einordnung als rechtfertigender Notstand: Frister, AT, 17. Kap. Rn. 19; Lackner / Kühl, § 34 Rn. 2; Roxin, AT  I, § 16 Rn. 68. Hingegen sprechen sich für die Einordnung als entschuldigender Notstand aus: Jakobs, AT, 13 / 14; Rengier, AT, Rn. 53; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 462. 51  Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Mitsch, AT, § 15 Rn. 68; Jakobs, AT, 13 / 4; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 10; Roxin, AT I, § 16 Rn. 2 f.; Schmidhäuser, AT, 9 / 62. 52  RG Urt. v. 11.3.1927  – I 105 / 26, RGSt 61, 242 (252); Jescheck / Weigend, AT, § 33 IV 1; Rönnau, JuS 2016, 786 (787).

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

geschützte Rechtssphäre eines anderen erlaubt, und somit sein Interesse am Erhalt seiner Rechtsgüter zurücktreten muss. Bereits anhand dieser Auseinandersetzung wird sich vor dem Hintergrund, dass der Notstandstäter Beschuldigter eines Strafverfahrens ist, eine entscheidende Weichenstellung für die weitere Untersuchung ergeben. 1. Grundprinzipien des Notstandes Es lassen sich im Wesentlichen zwei rechtsphilosophische Denkschulen ausmachen, die der Problematik des Notstandes auf eine gänzlich unterschiedliche Weise begegneten.53 Kant stellte sich in seiner Auseinandersetzung mit dem Notstand auf den Standpunkt, dass es kein Notstandsrecht im Sinne einer Befugnisnorm geben könne, weil keine noch so große Not dazu im Stande sei, Unrecht in Recht zu verwandeln.54 Das Unrecht, welches durch die Notstandshandlung verwirklicht werde, bleibe selbst in einer Notsituation weiter bestehen, die Tat dürfe somit nicht als „unsträflich“, sondern nur als „unstrafbar“ im Sinne einer subjektiven Straflosigkeit behandelt werden.55 Kant sah folglich in der Anerkennung eines Notstandsrechts einen „Widerspruch der Rechtslehre mit sich selbst“. Diese Unterscheidung zwischen objektiver Gesetzmäßigkeit und subjektiver Straflosigkeit muss allerdings vor Kants freiheitsrechtlichen Gesetzesbegriff verstanden werden.56 Recht ist für ihn der „Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden“.57 Der so verstandene Freiheitsbegriff zielt darauf ab, die Handlungsfreiheit zu erhalten.58 Taten, die dem Erhalt der Handlungsfreiheit zuwiderlaufen, können somit nie ein Recht begründen. Dementsprechend kann eine Handlung, die dazu führt, dass die Freiheit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz (also im konkreten Fall das Notstandsrecht) nicht mehr neben der Freiheit des Notstandstäters beste53  Eine vollständige Darstellung der rechtsphilosophischen Grundlinien des Notstandrechts, wie sie von den nachfolgend genannten Personen entwickelt wurden, kann diese Arbeit nicht leisten. Sie muss sich aus diesem Grund auf die entscheidenden Erwägungen beschränken. Ein hervorragender Überblick findet sich bei Eng­ länder, GA 2017, 242 ff. und Schumann, S. 242 ff. Die Auseinandersetzung mit den Notrechten begann bereits weitaus früher, siehe hierzu: Renzikowski, Solidarität, S. 16 ff.; Schaffstein, § 13. 54  Kant, XLII. 55  Kant, XLI. 56  Küper, JZ 2005, 106 (108); Pawlik, S.  19 f. 57  Kant, XXXIII. 58  Bockelmann, S. 7; Küper, JZ 2005, 106 (109); Küper, E.A. Wolff-FS 1998, 285 (290 f.); Pawlik, S.  19 f.



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe253

hen kann, nicht dem allgemeinen Begriff des Rechts entsprechen. Der Notstand darf in dieser Konsequenz nicht als Recht angesehen werden, weil er mangels Rechtsqualität keine Befugnis beinhaltet, einen anderen zu zwingen, Eingriffe in seine Handlungsfreiheit zu dulden. Nach Kants Verständnis zwingt nämlich nicht das Recht, den Eingriff hinzunehmen, sondern die tatsächlichen Umstände der Notlage. Weil sich der Notstand nach seiner Ansicht damit von vornherein einer gesetzlichen Regelung entziehe, könne auch kein Richter dazu berufen werden, über den Notstandstäter zu entscheiden. Aus diesem Grund handle der Notstandstäter außerhalb des Rechts und verwirkliche durch seine Handlung Unrecht, jedoch bliebe er aufgrund der besonderen Umstände des Falles „unstrafbar“.59 Der Gedanke der Exemtionstheorie wurde in der Folgezeit verschiedentlich aufgegriffen und modifiziert. Zu nennen sind an dieser Stelle insbesondere die Untersuchungen von Fichte und Feuerbach. In seinem Werk über die „Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaft“ legte Fichte die Prämisse zugrunde, dass das Recht als Gemeinschaft zwischen freien Wesen zu verstehen sei.60 Jedes Mitglied der Gemeinschaft müsse sich in seiner Freiheit so beschränken lassen, dass alle anderen Mitglieder neben ihm frei sein können. Diese Grundvoraussetzung bestehe aber im Notstand nicht mehr, weil neben der Freiheit des Notstandstäters keine Freiheit mehr für den anderen möglich sei. Das Notrecht müsse daher zwangsläufig außerhalb des Rechts stehen. Unterscheiden sich beide Ansätze in ihrem Verständnis, was unter dem Begriff des Rechts zu verstehen ist, weisen sie in einem Punkt aber eine Gemeinsamkeit auf. Es wird, in sich konsequent, auf eine Lösung des Problems verzichtet, weil das Notstandsrecht in beiden Fällen außerhalb des Rechts steht und somit kein Bedürfnis für eine rechtliche Lösung vorhanden ist. Für Feuerbach befand sich der Täter, der in einer Notstandslage handelt, hingegen in einer unverschuldeten Situation.61 Der Notstand wird zwar im Deliktsaufbau verortet, jedoch spricht auch Feuerbach ihm die Rechtsqualität ab. Bei Zugrundelegung der Feuerbachschen Strafrechtstheorie, wonach der Zweck der Strafe darin gesehen werden muss, auf das „Begehrungsvermögen“ des Einzelnen einzuwirken und ihn auf diese Weise von der Begehung einer Straftat abzuhalten,62 steht der Notstand außerhalb des Rechts, weil es an einer willentlichen Zuwiderhandlung fehlt. Feuerbach geht davon aus, dass eine Straftat dem Täter nur dann zugerechnet werden könne, wenn ihr eine dem Strafgesetz widersprechende Willensbestimmung zugrunde liege. Die Zurechnung entscheide letztlich darüber, ob der Täter für seine 59  Bockelmann,

S 9. Einl. II 4. 61  Feuerbach, § 91. 62  Feuerbach, § 84. 60  Fichte,

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

Handlung strafrechtlich belangt und bestraft werden dürfe.63 Die Zurechnung setze ihrerseits die Zurechnungsfähigkeit des Täters voraus. Von ihr sei auszugehen, wenn er für die begangene Handlung verantwortlich gemacht werden könne, er also willkürlich gehandelt habe.64 Ist eine Zurechnung nicht möglich, fehlt es nach dem Verständnis Feuerbachs an der Schuld. Eine freie Willensentscheidung des Täters sei nach seiner Ansicht im Fall des Notstandes aber nicht möglich, weil der Notstandstäter sich nicht willkürlich entscheide. Die Situation zwinge den Täter dazu, gegen ein Strafgesetz zu verstoßen.65 Verneinten Kant und die ihm folgenden Anhänger der Exemtionstheorie die Existenz eines Notstandsrechtes, widersprach Hegel in seiner Schrift über die „Grundlinien der Rechtsphilosophie“ dieser Auffassung entschieden. Er verstand die Befugnis, in einer Notsituation in die Rechte eines Dritten eingreifen zu dürfen (allerdings bezogen auf den Fall, in dem das Leben mit dem Eigentum eines Dritten kollidiert), als „Nothrecht“.66 Sei das Leben in Gefahr und könne es nur durch den Eingriff in das Eigentum eines anderen gerettet werden, müsse dem in der Not Handelnden ein Recht zugestanden werden, sich der Gefahr zu erwehren. Dies folge zwingend aus dem Umstand, dass sich die Totalität des Daseins im Leben ausdrücke.67 Die Verletzung des Lebens und der damit verbundene Verlust der Rechtsfähigkeit überwiegen die nur eingeschränkte Verletzung des Daseins der Freiheit durch die Beeinträchtigung des Eigentums.68 Aus dieser Begründung lassen sich zwei wichtige Schlussfolgerung gewinnen. Das „Nothrecht“ gibt dem Notstandstäter zunächst die Befugnis, in die Rechte eines Dritten einzugreifen. Neben der einleuchtenden Begründung, schließlich steht im angeführten Beispiel „nur“ das Eigentum im Vergleich zum Leben zur Abwägung, ist der zweite bemerkenswerte Umstand an der Begründung Hegels, dass der Gedanke der Güterabwägung zur Legitimation des Notstandsrechts herangezogen wurde. Die unterschiedliche Wertigkeit von Rechtsgütern entscheidet demnach über die Anwendbarkeit des Notstandrechts. Der von Hegel begründete Gedanke wurde von zahlreichen ihm in seiner Ansicht folgenden Rechtslehrern aufgegriffen und weiter begründet.69 Zunächst übernahm Abegg diesen Gedanken und erkannte im Notstand ebenfalls einen Rechtfertigungsgrund.70 Die Legitimationswirkung des 63  Feuerbach,

§ 84. § 88. 65  Bockelmann, S. 17 f.; Feuerbach, § 91. 66  Hegel, § 121. 67  Hegel, § 121. 68  Hegel, § 121. 69  Ausführlich Bockelmann, S. 55 ff.; Schumann, S.  254 ff. 70  Abegg, § 107. 64  Feuerbach,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe255

Notstandes resultierte für ihn aus der Höherwertigkeit des durch den Notstand verteidigten Rechts. Das höherrangige Recht habe im Notstand gegenüber dem untergeordneten einen selbstständigen Anspruch auf Geltung, weshalb das untergeordnete Recht im Kollisionsfalle zurücktreten müsse.71 Gleichwohl sieht er das Notstandsrecht auf solche Fälle beschränkt, in denen zur Verteidigung des Lebens in fremde Sachen eingegriffen werde. Die Verletzung fremden Lebens soll seiner Ansicht nach nur durch das Notwehrrecht erlaubt sein.72 Beschränkten sich die bisherigen Erwägungen stets auf die Kollision zwischen dem Leben als Erhaltungsgut und dem Eigentum als Eingriffsgut, findet sich bei Köstlin die ausdrückliche Feststellung, dass zum Schutz des Lebens, als Inbegriff der Rechte einer Person, Eingriffe in jedes andere untergeordnete Recht erlaubt sein müssen.73 Die Totalität des Lebens, welches die Persönlichkeit und Rechtsfähigkeit zusammenfasse, müsse sich stets gegenüber dem beschränkten Dasein eines partikularen Rechts durchsetzen.74 Deutlich erkennbar sind die Verbindungen zu Hegel, der die Einschränkungen des Eingriffsguts ebenfalls mit der nicht hinnehmbaren Verletzung der Absolutheit des Daseins begründete. Präzise arbeitete Köstlin zudem heraus, dass durch den Eingriff nicht das Recht des Notstandsopfers am Eingriffsgut im Allgemeinen verneint wird, sondern nur gegenüber dem Notstandstäter. Er erweiterte das Notrecht allerdings dahingehend, dass zur Rettung des gefährdeten Rechtsguts auch die Nothilfe zulässig ist.75 Im Lauf der weiteren Entwicklung ist jedoch zu beobachten, dass sich die weiteren Erwägungen nicht nur auf die gegenständliche Frage der Abwägung des Lebens gegenüber einem anderen Rechtsgut beschränkten, sondern um weitere Rechtsgüter erweitert wurden. So verengte Berner, der den Gedanken Köstlins offensichtlich aufgriff, in seinem Lehrbuch ausdrücklich das Notstandsrecht nicht nur auf die Gefahr für Leib oder Leben, sondern hielt jedes Recht für notstandsfähig.76 Zugleich kritisierte er damit die Regelung des § 54 StGB a. F., der das Notstandsrecht nur in dieser Konstellation anerkannte. Richtungsweisend ist darüber hinaus die von Berner getroffene Unterscheidung, die der Differenzierungstheorie vorausgeht, zwischen dem Notrecht und der Entschuldigung.77 Er unterschied zwei Fälle des Notrechts, nämlich zum einen den Fall, 71  Abegg, § 108; auf den Widerspruch in der Begründung Abeggs, der im Fall des Schwangerschaftsabbruchs die Mutter und den Arzt durch das Notstandsrecht als gerechtfertigt ansieht, weist Bockelmann, S. 58, hin. 72  Abegg, § 108; Bockelmann, S. 58. 73  Köstlin, Revision, § 154; Köstlin, System, § 37. 74  Köstlin, Revision, § 154. 75  Köstlin, Revision, § 154. 76  Berner, § 57. 77  Berner, § 57 2 a).

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

in dem das Verhältnis der Dinge den Ausschlag für das Notrecht gebe, und zum anderen den Fall, in dem vom Täter nicht erwartet werden könne, sittlich zu handeln.78 Im ersten Fall stehe dem Notstandstäter ein Notrecht zu, weil die unterlassene Aufopferung des fremden Rechts eine „außergewöhnliche Thorheit“ darstellen würde.79 Gebe hingegen nicht das Verhältnis der Dinge den Ausschlag, sondern könne vom Täter nur nicht erwartet werden, sittlich zu handeln, weil diese Sittlichkeit eine ungewöhnliche Höhe erreicht, handle der Täter entschuldigt. Die Entschuldigung resultiere ihrerseits aus dem Umstand, dass der Staat ein sittliches Heldentum nicht bei Strafe fordern könne.80 Neben Berner verdienen noch besondere Erwähnung die Arbeiten von Stammler, die, in die gleiche Richtung weisend, den Gedanken der Güterabwägung für die Notstandslehre aufgreifen und weiter vertiefen. Er legte dar, dass jedes Rechtsgut fähig ist, in Not zu geraten, und unter den Voraussetzungen des Notstandes verteidigt werden darf.81 In dieser Konsequenz gebe es auch ein Notstandsrecht, das es erlaube, ein höheres Recht zu Lasten eines niederen Rechts zu erhalten.82 Es tritt immer deutlicher zu Tage, dass die Wertigkeit der kollidieren Rechtsgüter entscheidend ist für die Anerkennung des Notrechts und dass sich der Anwendungsbereich des Notstandes nicht nur auf eine Gefahr für das Leben des Notstandstäter beschränkt, sondern jedes Rechtsgut geschützt wird. Diese in aller Kürze dargestellte Entwicklung zeigt, dass der Notstandstäter bereits seit jeher mit Nachsicht für seine Handlung rechnen konnte.83 Entscheidend für die Entwicklung des Notstandsrechts war die Annahme, dass der Notstandstäter durch seine Handlung kein Unrecht verwirklicht, sondern sein Tun im Einklang mit der Rechtsordnung steht. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass das Notstandsrecht von der Wertigkeit der kollidierenden Rechtsgüter abhängt. Beschränkte sich die Lehre anfangs auf die drohende Beeinträchtigung des Lebens und des Leibes, setzte sich später die Erkenntnis durch, dass alle Rechtsgüter notstandsfähig sein können. Unbeantwortet blieb damit aber die Frage, welcher Blickwinkel für die Bestimmung der Wertigkeit angelegt werden soll.

78  Berner,

§ 57 2 b). § 57 2. 80  Berner, § 57 2. 81  Stammler, S. 38. 82  Stammler, S. 74. 83  Eine vertiefte Darstellung der historischen Entwicklung findet sich bei Bockelmann, S. 55 ff., und Schumann, S.  242 ff. 79  Berner,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe257

a) Utilitaritätsprinzip Die heutigen Begründungsansätze, die zur Annahme eines solchen Vorbehaltes, der das Eingriffsopfer zu Duldung verpflichtet, führen, lassen sich auf zwei unterschiedliche Erwägungen stützen.84 Sie greifen die dargestellte Entwicklung auf, dass der Eingriff in ein fremdes Rechtsgut deshalb legitimiert ist, weil dem Erhaltungsgut im Kollisionsfall ein stärkerer Achtungs­ anspruch beigemessen wird. Die Vertreter des Utilitaritätsprinzips stellen maßgeblich darauf ab, dass die gegensätzlichen Interessen in ihrer Wertigkeit gegenübergestellt werden müssen und sodann der höhere Wert der Gesamtbetrachtung den Ausschlag gibt.85 Nicht die Wertigkeit des einzelnen Individualinteresses entscheidet über die Schutzbedürftigkeit, sondern das gesamtgesellschaftliche Interesse am Erhalt des für die Gemeinschaft überwiegenden Interesses.86 Diese Ansicht, deren Ursprünge sich auf die Gedanken zum Nützlichkeitsprinzip der englischen Philosophen und Rechtsgelehrten Bentham und Mill zurückführen lassen und die auch die rechtsphilosophische Untersuchungen zum Notstand begleitet haben,87 stellt das Wohlergehen aller in den Mittelpunkt. Die Nützlichkeit ist danach zu beurteilen, welche Entscheidung dem Gemeinwohl am ehesten gerecht wird. Nach dem Verständnis des Utilitaritätsprinzips ist die Entscheidung somit richtig, wenn der positive Wert der Entscheidung für die Gemeinschaft den negativen überwiegt. Entscheidend ist daher nur das Ergebnis.88 Zur Feststellung, ob ein höherwertiges Interesse am Erhalt des zu schützenden Rechtsguts vorliegt, muss dementsprechend festgestellt werden, welche Summe von Einzelinteressen nach abschließender Betrachtung größer ist.89 Dem Einzelnen wird dabei kein unangemessener Nachteil zugefügt, weil sich sein Notstandsrecht aus dem Interesse der Allgemeinheit ableitet.90 Ein vernünftiges Zusammenleben, dessen Regelung das Anliegen des Rechts ist, bedingt den Umfang der Rechte der Individuen und somit auch den Umfang des Notstandrechts. Die Notstandsregelung, legt man ihr einen utilitaristischen Begründungsansatz zugrunde, weist somit durchgehend einen konsequentialistischen Ansatz auf, weil sie sich an den Folgen orientiert und nicht 84  Ausführlich zu der rechtshistorischen Entwicklung der Begründungsmodelle des Notstandes: Kühl, Lenckner-FS 1998, 143 ff.; Meißner, S. 106 ff.; Pawlik, S. 18 ff.; Schumann, S.  242 ff. 85  Graf zu Dohna, S. 127 f.; Hruschka, S. 112 ff.; Meißner, S. 164 ff.; Schmitz, S. 36 f; zur Unschärfe des Begriffs des „Utilitarismus“ Merkel, S. 182 f. 86  Neumann, Solidarität, S. 155 (159). 87  Meißner, S.  106 ff. m. w. N. 88  Fletcher, ZStW 101 (1989), 803 (806). 89  Hruschka, S.  106 ff. 90  Berner, S. 100.

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

an allgemein verbindlichen Regeln.91 Zur Verdeutlichung soll das von Neumann gebildete Beispiel dienen:92 Ein Bergsteiger droht zu erfrieren und bricht in die Berghütte eines Dritten ein. Dem Bergsteiger steht das Notstandsrecht zu, weil das gesamtgesellschaftliche Interesse am Erhalt der Rechtsgüter des Bergsteigers höher ist als das Individualinteresse des Eigentümers der Berghütte. Dieser darf aufgrund der ihm zustehenden Befugnisse als Eigentümer grundsätzlich jeden vom Gebrauch der Sache ausschließen (§ 903 BGB). In einer solchen Notsituation wird aber dieses grundlegende Recht des Eigentümers durch eine aus der Notsituation resultierende Duldungspflicht überlagert. Legt man diesen Gedanken des Utilitaritätsprinzips zugrunde, würde die Verletzung eines Amtsgeheimnisses, das ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht, einer Rechtfertigung nicht zugänglich sein. Denn die Feststellung, dass ein öffentliches Interesse an der Geheimhaltungsbedürftigkeit besteht, überwiegt das Einzelinteresse des Betroffenen. Eine Verrechnung der gegenläufigen Interessen würde zu Lasten des Beschuldigten ausfallen. b) Solidaritätsprinzip Demgegenüber verlangt das Solidaritätsprinzip, das von der überwiegenden Meinung zur Begründung der Legitimationswirkung des rechtfertigenden Notstandes herangezogen wird, vom Betroffenen den Eingriff zu dulden, weil er gegenüber dem Notstandstäter zum Erhalt seiner Rechtsgüter verpflichtet ist, und zwar unabhängig davon, ob diese Pflicht seiner persönlichen Motivation entspricht oder nicht.93 Ein solcher Ansatz hat das nicht von der Hand zu weisende Argument auf seiner Seite, dass subjektive Rechte des Dritten nicht weitgehend vernachlässigt werden, indem sie eine bloße Verrechnungsgröße darstellen. Eine solche Vorgehensweise verkennt nämlich, dass das Gesetz jeder Person schützenswerte Einzelinteressen zugestanden hat.94 Daraus ergibt sich, dass subjektive Rechte nicht ohne weiteres zum Nutzen der Allgemeinheit aufgegeben werden dürfen.95 Wird das Selbstbe91  Neumann,

Solidarität, S. 155 (160). Solidarität, S. 155 (160). 93  Engländer, GA 2010, 15 (20); ders., GA 2017, 242 (247 ff.); Fischer, StGB, § 34 Rn. 2; Jakobs, AT, 11 / 3; Krey / Esser, AT, § 15 Rn. 580; Kühl, AT, § 8 Rn. 9 f.; Kühnbach, S. 52 ff.; NK-Neumann, § 34 Rn. 9; Renzikowski, Notstand, S. 196; Schumann, S. 284; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 441; zum Begriff und zum Rechtsgrundsatz der Solidarität im Allgemeinen: Schlegel, Jaeger-FS 2011, 331 ff.; Supiot, Höland-FS 2015, 167 ff.; Volkmann, S.  76 ff. 94  Pawlik, S.  42 f. 95  Engländer, GA 2017, 242 (245); Kühl, AT, § 8 Rn. 8; Neumann, Solidarität, S. 155 (162). 92  Neumann,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe259

stimmungsrecht und die Personenwürde des von der Notstandshandlung Betroffenen aber nicht als Schranke angesehen, führt dies dazu, dass die Freiheitssphäre des Einzelnen völlig entwertet wird.96 Stellt das Solidaritätsprinzip nicht auf das Ergebnis der Verrechnung gegenläufiger Interessen ab, muss eine Erklärung dafür gefunden werden, weshalb der Einzelne zur Abwendung der Notstandslage in Form einer Duldungspflicht beitragen muss. Allein der Umstand, dass sich eine Person in Not befindet, kann noch nicht die Annahme einer Duldungspflicht nach sich ziehen, weil nicht vom Sein auf das Sollen geschlossen werden darf.97 Die Verpflichtung zur Solidarität folgt vielmehr aus der Überlegung, dass jeder selbst damit rechnen muss, in eine Notstandslage zu geraten. In diesem Fall hätte er das gleiche Interesse, zur Rettung seiner Rechtsgüter in die Rechte eines Dritten eingreifen zu dürfen. Diese Möglichkeit steht ihm aber nur zu, wenn er dem Notstandstäter die gleiche Möglichkeit einräumt. Mit den ­Worten Pawliks kommt dem Notstandsrecht quasi der „Charakter eines Versicherungsverhältnisses“ zu. Der Einzelne wird von Daseinsrisiken entlastet, wenn er bereit ist, in bestimmten Situationen zum Erhalt fremder Rechts­ güter selbst in Anspruch genommen zu werden.98 Dieser rechtsphilosophische Begründungsansatz entwickelte sich allerdings erst im Laufe der Zeit.99 Heinitz führte den Gedanken der Solidarität an, um das seiner Ansicht nach unzureichende Utilitaritätsprinzip zu erweitern.100 Merkel entwickelte, maßgeblich getragen von den Überlegungen Rawls’ eines neuen kontraktualistischen Ansatzes, ein Solidaritätsmodell, das sich als Konsequenz eines verständigen Eigeninteresses darstellt.101 Rawls’ grundlegende Überlegung zu einem Gesellschaftsvertrag, die er in seinem Werk „A Theory of Justice“ verfasste,102 der mehr sein soll als ein historisches Ereignis, weil er zugleich auch Vorstellungen und Prinzipien enthält, die sich freie und vernünftige Menschen in ihrem eigenen Interesse geben würden, bildet dabei die Grundlage für Merkels Überlegungen. Zur Verwirklichung eines jeden vernünftigen Lebensplans müssen bestimmte Grundgüter vorhanden sein. Keiner der Be96  Kühl,

Rechtsphilosophie, S. 48 f. S. 58. 98  Engländer, S. 357; Frisch, GA 2016, 121 (132); aber auch Pawlik, S. 65, der dem Gedanken der Reziprozität aber kritisch gegenübersteht. 99  Vgl. hierzu ausführlich die Darstellungen bei Pawlik, S. 57 ff. und Schumann, S. 284 ff. 100  Heinitz, S. 37. 101  Merkel, S. 184 ff. 102  Rawls, S. 10 f.; ausführlich: Kühnbach, S. 65 ff.; Volkmann, S. 21 ff.; auf die kritische Auseinandersetzung mit diesem Ansatz, insbesondere durch die Vertreter der kommunitaristischen Lehre, kann in dieser Arbeit nur hingewiesen, siehe hierzu Volkmann, S.  32 ff. 97  Pawlik,

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

teiligten könne aber vorab wissen, ob ihm in einer Notstandssituation die Rolle des Duldungspflichtigen oder des Notstandstäters zufalle. Weil aber keiner wisse, welche Rolle ihm zuteilwerden wird, wird jeder der Beteiligten als rational denkendes Wesen an einer fairen Verteilung der Grundgüter des Urzustandes interessiert sein.103 Hieraus, aus diesem „Schleier des Nichtwissens“, formuliert Merkel eine „Solidaritätsobhut“ jedes Einzelnen gegenüber jedem anderem, die darin besteht, Interessen, die mit den Grundgütern in direktem Zusammenhang stehen, dem anderen anzuvertrauen.104 Er widerspricht damit der Ansicht, dass ein konsequentialistisches Prinzip, wie es § 34 StGB zugrunde liegt, nur mittels einer utilitaristischen Theorie legitimiert werden kann. Das so verstandene Modell des Eigeninteresses zur Begründung der Solidaritätspflicht auf Grundlage einer kontraktualistischen Annahme ist nicht ohne Kritik geblieben. Insbesondere der Gedanke, dass ein solcher Begründungsansatz die bereits in der Vergangenheit erlangten Vorteile ausblendet, ist nicht zu leugnen.105 Muss auf das vernünftige Eigeninteresse abgestellt werden, stellt sich für jede Person ausschließlich die Frage, ob sie auch in Zukunft ihre Position verschlechtern würde, wenn sie sich gegenüber dem Notstandstäter nicht solidarisch verhält. Dies setzt aber voraus, dass der Zukunftshorizont entsprechend weit gezogen werden kann, um den Nachteil eines nur kurzfristigen, unsolidarischen Verhaltens zu überbieten.106 Diese Schwäche will das Fairnessprinzip vermeiden, das im Kern ebenfalls auf einen kontraktualistischen Begründungsansatz hinausläuft, aber die bereits in der Vergangenheit erlangten Vorteile miteinbeziehen will. Weil jeder Einzelne in der Vergangenheit von der potentiellen Solidaritätspflicht profitiert hat, ist er auch für die Zukunft verpflichtet, sich solidarisch zu verhalten.107 Die Gefahr, dass eine unbestimmte Anzahl von Mitgliedern der Rechtsgemeinschaft die Solidarität ausnutzt, weil sie in der Vergangenheit nicht darauf angewiesen waren, wird auf diese Weise vermieden, da dieser Umstand gerade die Solidaritätspflicht im Sinne eines Fairnessgedankens begründet. Wer sich in der Vergangenheit auf die Solidarität eines anderen verlassen durfte, muss sich in Zukunft aufgrund dieser Verpflichtung selbst solidarisch verhalten. Doch auch diese Begründung hat insoweit Kritik erfahren, als dass das Abstellen auf Umstände in der Vergangenheit, die zur Begründung zukünftiger Pflichten herangezogen werden, stets die Gefahr eines infiniten Regresses mit sich trägt.108 Weil die 103  Rawls,

S. 11. S. 184 f. 105  Pawlik, S. 70. 106  Pawlik, S. 71. 107  Baurmann, S.  357 f. 108  Pawlik, S. 76. 104  Merkel,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe261

Begründung der Solidaritätspflicht ihrerseits immer wieder einer Begründung bedarf, entstünde eine unendliche Abfolge von Begründungen. Einen anderen Begründungsansatz des Solidaritätsprinzips stellt der von Habermas und Kühl vertretene diskurstheoretische Ansatz dar.109 Dieser Ansatz legt zugrunde, dass sich die Freiheit des Einzelnen auch immer von der Freiheit des Anderen ableite und diese somit intersubjektiv erworben und behauptet werden müsse.110 Aufgrund dieser Sozialität würden moralische Urteile universelle Geltung erlangen, die ein „verallgemeinerbares Interesse verkörpern“.111 Das Prinzip der Solidarität gehöre als ein solch verall­ gemeinerbares Interesse zu den moralischen Urteilen mit universellem Geltungsanspruch. Die Grundlage des Solidaritätsprinzips liege in der Erfahrung eines jeden einsichtigen Menschen, dass er für einen anderen einstehen müsse, weil alle Menschen an „der Integrität ihres gemeinsamen Lebenszusammenhangs in derselben Weise interessiert sein müssen“.112 Aus diesem Grund sei die so verstandene Solidarität aber keine altruistische Beistandspflicht, sondern umfasse auch die eigennützige Motivation, diese von einem Dritten einfordern zu dürfen. Diese Argumente der moralphilosophischen Hilfspflichten nutzt Kühl in einem „Erst-Recht“-Schluss zur Begründung der Duldungspflichten des Notstandsopfers.113 Wenn das Gesetz aus solidarischer Verbundenheit in bestimmten Fällen eine Hilfspflicht anordne (etwa im Fall des § 323c StGB), müsse sich auch der Duldungspflichtige solidarisch verhalten, da von ihm weniger verlangt werde als vom aktiv Hilfspflichtigen.114 Jedermann wisse, dass er selbst in Not geraten könne und aus diesem Grund ist es für jeden einsichtig, dass er sich dem in Not geratenen Mitmenschen nicht in den Weg stellen dürfe, wenn er ein nur vergleichsweise geringwertiges Gut aufopfern muss.115 Die dargestellten Begründungsansätze vermögen jedoch nicht vollends zu erklären, weshalb sich der Staat, dessen Verhältnis zu seinen Bürgern durch ein ausgefeiltes System von Rechten und Pflichten gekennzeichnet ist, solidarisch verhalten muss und ihm damit ebenfalls eine Duldungspflicht auferlegt wird, denn schließlich greift der Amtsträger durch den Bruch der Verschwiegenheitspflicht in die Rechtsgüter des Staates ein. Dass der Notstandstäter auch in Rechtsgüter der Allgemeinheit eingreifen darf, wird nicht bestritten,116 Kühl, Hirsch-FS 1999, 259 (272 ff.); Kühnbach, S.  67 ff. Hirsch-FS 1999, 259 (273). 111  Habermas, S.  309 ff. 112  Habermas, S.  309 ff. 113  Kühl, Lenckner-FS 1998, 259 (275). 114  Kühl, Rechtsphilosophie, S. 49. 115  Kühl, Lenckner-FS 1998, 259 (275). 116  LK-Zieschang, 12. Aufl., § 34 Rn. 20; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 7. 109  Eingehend: 110  Kühl,

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

eine Begründung hierfür findet sich allerdings nicht. Nun ließe sich schlichtweg einwenden, dass der Wortlaut von § 34 StGB keinerlei Einschränkung vorsieht und damit auch Eingriffe in Rechtsgüter der Allgemeinheit erlauben würde. Doch dieser Schluss gerät zu kurz, denn dem Staat ist es selbst nur in sehr engen Grenzen erlaubt, Eingriffe in grundrechtlich geschützte Position über § 34 StGB zu legitimieren, ohne dass der Wortlaut diese Einschränkung verlangen würde.117 Der Grundsatz der gegenseitigen Absicherung ist im Verhältnis des Bürgers gegenüber dem Staat gerade nicht gegeben, weil der Staat aufgrund des ihm zustehenden Gewaltmonopols seine Rechtsgüter auf andere Weise schützen kann. Der Gedanke der gegenseitigen Absicherung gilt im Verhältnis Staat zu Notstandstäter gerade nicht. Die Solidaritätspflicht des Staates lässt sich aber dadurch begründen, dass der Staat lediglich als Sachwalter des Rechtsguts angesehen wird, das der Allgemeinheit zusteht. Ihm kommt die Funktion zu, die Solidaritätspflicht aller Rechtsträger in der juristischen Person zu organisieren.118 Weil das beeinträchtigte Rechtsgut allen Solidaritätspflichtigen gemeinsam zusteht, erklärt sich auch, dass der Staat als Sachwalter stellvertretend für alle ihm zugehörigen Personen zur Duldung verpflichtet ist. Die Darstellung der Grundprinzipien des rechtfertigenden Notstandes führt im Hinblick auf die Frage einer etwaigen Rechtfertigung der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht zu folgenden Erkenntnissen: Nur das Solidaritätsprinzip erlaubt es, weitere Erwägungen dahingehend anzustellen, ob der Amtsträger das Amtsgeheimnis brechen darf, um sich zu verteidigen. Im Gegensatz zum Utilitaritätsprinzip kann dabei das Interesse des Einzelnen in die Bewertung miteinbezogen werden, wenn festgestellt wird, dass er von der Rechtsgemeinschaft erwarten darf, ihm in dieser Notstandslage beizustehen. Überzeugt das Solidaritätsprinzip in der Sache, fallen die Begründungsansätze hierzu allerdings unterschiedlich aus. Unabhängig davon, welchem Ansatz nun der Vorzug zu geben ist, muss im nächsten Schritt festgestellt werden, ob das Solidaritätsprinzip auch in der konkreten Situation als Beschuldigter eines Strafverfahrens gilt. Diese Voraussetzung leitet über zur Untersuchung der Anwendbarkeit und der einzelnen Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes. 2. Vorrang gesetzlicher Verfahren In den Fokus rückt damit die entscheidende Frage, ob die Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Amtsträger einen Rückgriff auf den rechtfer117  BGH Beschl. v. 23.9.1977  – StB 215 / 77, BGHSt 27, 260 (263); Fischer, StGB, § 34 Rn. 34; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 45 ff. m. w. N. 118  Kühnbach, S. 209.



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tigenden Notstand ausschließt. Der gedankliche Anknüpfungspunkt für eine solche Überlegung ist, dass das Solidaritätsprinzip die Konkurrenzsituation zwischen der Verteidigung unter Zuhilfenahme der vom Verfahrensrecht vorgesehenen Möglichkeiten und dem Notstandsrecht zugunsten des gesetz­ lichen Verfahrens entscheidet, weil in diesem Fall keine Solidaritätspflicht gegenüber dem Notstandstäter besteht. Diese Konkurrenzsituation darf nicht mit der Frage verwechselt werden, wie sich mehrere in Betracht kommende Rechtfertigungsgründe zueinander verhalten. Im Grundsatz ist anzunehmen, dass alle Rechtfertigungsgründe unabhängig voneinander anwendbar sind. Es muss durch Auslegung ermittelt werden, welcher Rechtfertigungsgrund zum Zuge kommt.119 Die Begründung hierfür ist naheliegend und überzeugend. Hat die Rechtsordnung allgemeine und spezielle Rechtfertigungsgründe vorgesehen, ist nicht ersichtlich, weshalb sie in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinanderstehen stehen sollen.120 Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn sie nicht auf dem gleichen Grundprinzip beruhen. Gegen die Anwendbarkeit des § 34 StGB kann demnach nicht der Einwand erhoben werden, dass die Voraussetzungen der Notwehr nicht gegeben sind, weil es sich bei § 32 StGB ohnehin nicht um einen Unterfall des rechtfertigenden Notstandes handelt.121 Die im Raum stehende Konkurrenzproblematik bezieht sich im Gegensatz dazu auf das Verhältnis des rechtfertigenden Notstandes zum Verfahrensrecht und somit auf die grundsätzliche Frage, ob der rechtfertigende Notstand in dieser Situation überhaupt zur Anwendung gelangen kann. Rechtfertigungsgründe sollen nach allgemeiner Ansicht nicht in Betracht kommen, wenn zur Lösung konfligierender Rechtsgüter spezielle Verfahrensregelungen vorhanden sind.122 Sind Regelungen vorhanden, die den Konflikt in einem rechtsförmigen Verfahren aufgreifen, dürfen diese nicht einfach durch einen Rück119  NK-Paeffgen / Zabel, Vor §§ 32 ff. Rn. 76 f.; Roxin, AT  I, § 15 Rn. 45 ff.; Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben, Vor §§ 32 ff. Rn. 28a; Thiel, S. 44; Warda, Maurach-FS 1972, 143 (149). 120  Eine anerkannte Ausnahme bildet bspw. § 26 BJagdG zu § 228 StGB, Warda, Maurach-FS 1972, 143 (149); SSW-StGB / Rosenau, Vor §§ 32 ff. Rn. 9. 121  LK-Zieschang, 12. Aufl., § 34 Rn. 93; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 24; SSW-StGB / Rosenau, Vor §§ 32 ff. Rn. 9. 122  BGH Urt. v. 9.4.1986  – 3 StR 551 / 85, BGHSt 34, 39 (52); BGH Urt. v. 3.2.1993 – 3 StR 356 / 92, BGHSt 39, 133 (137); BGH Beschl. v. 28.6.2016 – 1 StR 613 / 15, BGHSt 61, 202 (204 f.); OLG Braunschweig Beschl. v. 16.5.2013  – 1 Ss 20 / 13, StV 2013, 708 (709); Abramenko, NStZ 2001, 71 (72); Böse, ZStW 113 (2001), 40 (45); Dannecker, in: Graf / Jäger / Wittig, 10 StGB § 34 Rn. 33; Engländer, S. 161 f.; Jescheck / Weigend, AT, § 33 IV 3; Lee, S. 103; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 184; Pawlik, S. 220; Roxin, JuS 1975, 505 (510); ders., AT  I, § 16 Rn. 51; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 41; Thiel, S. 213; a. A. Paglotke, S. 101 ff.; Pelz, NStZ 1995, 305 (306 f.).

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

griff auf den rechtfertigenden Notstand ausgehebelt werden. Andernfalls würde ein Verstoß gegen fundamentale Ordnungsprinzipien, namentlich dem Gewaltmonopol des Staates, vorliegen.123 Mit diesem Prinzip ist zugleich die Idee einer politischen Ordnung verbunden.124 Es konzentriert und bündelt die Befugnis zur Zwangsanwendung beim Staat. Bliebe es jedem Einzelnen überlassen, sein Recht durchzusetzen, würde dies nicht zu einer zufriedenstellenden Konfliktlösung führen, weil es an einer anerkannten, unparteilichen Institution fehlt.125 Eine Befriedigung des Konflikts und die damit verbundene Herstellung des Rechtsfriedens wären unmöglich. Aufgrund der fehlenden Unparteilichkeit bestünde zudem das Risiko, dass die Gewalt fehlerhaft und ineffektiv eingesetzt wird. Um diese Missstände zu vermeiden, liegt es im Interesse aller Personen, dass ein Organ die Befugnis zur Gewaltanwendung in sich bündelt.126 Wenn nun diese gesetzgeberischen Vorgaben in Form von Verfahrensregelungen zur Konfliktbeilegung für die Anwendbarkeit des Notstandsrecht unbeachtlich wären, würde dies aber bedeuten, dass dem Notstandstäter ein weitreichender Billigkeitsvorbehalt gegenüber dem Gesetz zugesprochen wird. Ein solches Zugeständnis kann jedoch mit dem Verständnis des modernen Verfassungsstaates und dem ihm zustehenden Gewaltmonopol nicht in Einklang gebracht werden.127 Einzig der Staat kann Personen mit Gewaltmitteln ausstatten. Nur er ist hierzu legitimiert, weil er durch seine Ermächtigung zum Erlass von Gesetzen letztverbindlich über den Einsatz und den Umfang von Gewaltmitteln entscheiden darf.128 In dieser Konsequenz legitimiert das Recht nicht nur Gewalt, es delegitimiert sie dort, wo der Staat durch Gesetz bereits Vorgaben getroffen hat. Aus der Notwendigkeit des Gewaltmonopols folgt zwangsläufig eine Friedenspflicht des Einzelnen, weil es neben dem staat­lichen Zwang keine weitere legitimierte Gewalt gibt und geben kann.129 Dies bedeutet, dass kein Raum mehr für die Anwendung des Notstandsrechts gegeben ist, wenn schon gesetzliche Regelungen vorhanden sind, die den Konflikt aufgreifen. Die Gewaltanwendung des Privaten kann in diesem Bereich niemals gerechtfertigt sein kann, weil sie nicht legitimiert ist. Hat der Staat durch das Notstandsrecht sein Gewaltmonopol auf den Einzelnen 123  Engländer, S. 160 ff.; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 32 Rn. 142; Schönke / Schrö­ der / Perron, § 34 Rn. 41; umfassend zur geschichtlichen Entwicklung des staatlichen Gewaltmonopols: Oestmann, S.  29 ff. 124  Baldus, Bull-FS 2011, 3 (7). 125  Engländer, S. 160. 126  Engländer, S.  162 f. 127  Kühl, AT, § 8 Rn. 175 ff.; Pawlik, S. 219. 128  Baldus, Bull-FS 2011, 3 (5). 129  Fleiner / Basta Fleiner / Hänni, Kap. 3 C II; Lagodny, S. 263.



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe265

übertragen, muss ein Rückgriff auf dieses Recht stets ausgeschlossen sein, wenn der Staat Verfahrensregelungen zur Abwendung der Gefahr vorgesehen hat. Kennzeichnend für das Notstandsrecht ist somit die fehlende Möglichkeit, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zum Solidaritätsprinzip, sondern bestätigt es. Stützt sich das Notstandsrecht maßgeblich auf die Erwägung, dass jeder Einzelne seinem Mitmenschen zur Solidarität verpflichtet ist, darf die Solidaritätspflicht aber nicht über das hinausreichen, was durch den Gesetzgeber bereits geregelt wurde.130 Würde diese Annahme nicht gelten, dürfte der Notstandstäter weiterhin die Solidarität des Dritten einfordern und gleichzeitig die staatliche Zwangsbefugnis in Frage stellen. Der Gedanke der gegenseitigen Absicherung würde damit leerlaufen.131 Die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe ist für den Notstandstäter somit kein Selbstzweck. Er muss sie in Anspruch nehmen, weil er keine andere Wahl hat, ohne andernfalls den Vorrang staatlicher Gewalt in Abrede zu stellen. Verlangt das Solidaritätsprinzip, dass der Einzelne verpflichtet ist, den Eingriff in seine Rechtsgüter zu dulden, kann dies nicht dazu führen, dass von ihm eine grenzenlose Opferbereitschaft verlangt wird. Dort, wo der Gesetzgeber bereits Vorgaben zur Auflösung des Konflikts durch die Bereitstellung von Verfahrensregelungen gemacht hat, endet die Solidaritätspflicht. Eine Rechtfertigung nach § 34 StGB ist nach alledem ausgeschlossen, wenn in der Notstandslage, in der sich der beschuldigte Amtsträger befindet, eine Konkurrenz zu den verfahrensrechtlichen Regelungen besteht. Von einer solchen Konkurrenzsituation kann allerdings nur ausgegangen werden, wenn das Verfahrensrecht selbst Mittel und Wege parat hält, um die Gefahr aufzugreifen. Allein der Umstand, dass ein gesetzlich geregeltes Verfahren vorhanden ist, reicht für sich genommen noch nicht aus, um einen Ausschluss des Notstandsrechts zu begründen. Bei aller erforderlichen Achtung vor dem Gewaltmonopol des Staates kann es in einer Rechtsordnung, die sich selbst als Zweck gesetzt hat, eine gerechte soziale Ordnung zu schaffen, kein unbedingtes Festhalten am Gesetz geben, wenn ein rechtlich anzuerkennendes Bedürfnis – eben in Form einer Notlage – besteht.132 Hierfür ist eine genaue Betrachtung des Verfahrens erforderlich, um festzustellen, ob durch den Ausschluss des Notstandrechts Konsequenzen eintreten, die in keiner Weise gewollt sind. Zwingt der Gesetzgeber den Einzelnen, auf die von der einschlägigen Verfahrensordnung vorgesehenen Mittel zurückzugreifen, um der Gefahr zu begegnen, geht diese Einschränkung mit der Untersuchung einher, ob 130  Lesch,

S. 54; Pawlik, S. 219; Schumann, S.  321 f. S. 323. 132  MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 5; Neumann, Solidarität, S. 155 (158); NK-Neumann, § 34 Rn. 6. 131  Schumann,

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

dem Einzelnen durch das Verfahren ein funktionierendes Rechtsschutzsystem zur Verfügung gestellt wird.133 Denkbar ist es, die in Betracht kommenden Verfahrensregelungen in eine der drei folgenden Gruppen einzuteilen und sodann über den Vorrang gegenüber dem Notstandsrecht zu entscheiden.134 Die erste Gruppe regelt exakt den Interessenkonflikt. Dies wird freilich nur sehr selten der Fall sein, weil Gesetze notwendigerweise ein gewisses Maß an Verallgemeinerung aufweisen müssen, um effektiv wirken zu können. In die zweite Gruppe fallen solche Verfahren, die zwar nicht den exakten Einzelfall erfassen, weil sich die jeweilige Konstellation überhaupt nicht punktgenau legislatorisch erfassen lässt, aber eine vergleichbare Fallgestaltung abdecken. Die dritte Gruppe umfasst schließlich solche Konstellationen, denen sich der Gesetzgeber bisher nicht bewusst war oder die er nicht für regelungsbedürftig hielt. In der ersten Gruppe kann eine Rechtfertigung nach den bisherigen Ausführungen nicht in Betracht kommen. Der Gesetzgeber hat durch die Ausgestaltung eines passgenauen Verfahrens die Abwägung der widerstreitenden Interessen bereits abschließend vorgenommen.135 Ebenso verständlich ist, dass die Anwendung des § 34 StGB in solchen Fällen nicht ausgeschlossen ist, die keine gesetzliche Ausgestaltung erfahren haben. Hier hat der Gesetzgeber von seinem Gewaltmonopol gerade keinen Gebrauch gemacht. Ein Beispiel für einen solchen Fall bildet das Beratungsgeheimnis (§ 43 DRiG). Die beamtenrechtlichen Vorschriften finden auf das Beratungsgeheimnis keine Anwendung, weil es sich nicht um eine dienstliche Angelegenheit handelt, die von den einschlägigen Vorschriften erfasst wird.136 Da sich auch im DRiG keine Regelungen finden, die eine Entbindung vom Beratungsgeheimnis ermöglichen, fehlt es an einem gesetzlichen Verfahren. In diesem Fall muss § 34 StGB anwendbar sein, weil es an einer Konkurrenzsituation fehlt. Keine eindeutige Antwort lässt sich für die zweite Gruppe finden. Auch in diesem Fall spricht vieles dafür, die Anwendung des rechtfertigenden Notstandes zu verneinen.137 Andernfalls könnte man den Vorrang des gesetzlichen Verfahrens leicht dadurch umgehen, dass der Begriff des „Einzelfalls“ entsprechend eng gefasst wird. Aufgrund der erforderlichen Verallgemeinerung bei der Schaffung von Normen wird es oftmals vorkommen, dass der konkrete Einzelfall nicht exakt legislatorisch erfasst wird.

133  Lagodny,

S. 266; Schünemann, S.  9 f. JuS 1975, 505 (510). 135  Roxin, JuS 1975, 505 (510). 136  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 2. b). 137  A. A. Roxin, JuS 1975, 505 (510). 134  Roxin,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe267

Für die weitere Untersuchung muss somit davon ausgegangen werden, dass der Vorrang des gesetzlichen Verfahrens zwingend gegeben ist, wenn dieses geeignet ist, der Gefahr zu begegnen, den gegenständlichen Konflikt der kollidierenden Rechtsgüter also erfasst. Hierzu muss es Verfahrensregeln beinhalten, die tatsächlich in Konkurrenz zu § 34 StGB treten können und somit einen Vorrang begründen. Bezogen auf die Ausgangsfrage bedeutet dies, dass ein Ausschluss des Notstandrechtes gegeben ist, wenn dem Umstand, dass sich der Amtsträger nicht äußern darf oder aufgrund seiner Äußerung erneut strafbar machen würde, durch verfahrensrechtliche Regelungen Rechnung getragen wird. Allerdings darf der Maßstab für die Beurteilung nicht allzu streng gefasst werden. Allein der Umstand, dass dem Notstands­ täter durch ein Verfahren Nachteile erwachsen, kann nicht per se zu der ­Annahme führen, dass keine Konkurrenzsituation vorliegt. Nachteile, die aus der Durchführung des Verfahrens resultieren, muss der Betroffene aufgrund des Gewaltmonopols hinnehmen. Die Grenze muss vielmehr dort gezogen werden, wo das Verfahren aufgrund seiner Ausgestaltung überhaupt nicht mehr geeignet ist, der Gefahr zu begegnen, sie also ignoriert. Es wird sich wiederum zeigen, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der Verschwiegenheitspflicht hierauf einen entscheidenden Einfluss haben wird. a) Anwendbarkeit des Notstandsrechts im Fall des beschuldigten Amtsträgers Die Anwendbarkeit des Notstandsrechts ist nach den bisherigen Erkenntnissen an die Bedingung geknüpft, dass das Verfahrensrecht keine Mittel bereithält, um der Gefahr zu begegnen. Nicht zuzustimmen ist der Auffassung, die in diesem Zusammenhang von Paglotke vertreten wird. Er ist der Auffassung, dass die Inanspruchnahme von Gefahrenabwehrrechten nur ausgeschlossen sei, wenn die Gefahr „außerhalb des staatlich geregelten Verfahrens“ begründet werde.138 Die sei insbesondere dann anzunehmen, wenn die Gefahr von einem belastenden Verwaltungsakt in Form eines Ablehnungsbescheids ausgehe, also beispielsweise auch im Fall der Versagung der Aussagegenehmigung. Der Beschuldigte dürfe auf die Durchführung eines staatlichen Verfahrens nur verwiesen werden, wenn es der Gefahr entgegentrete. Dies treffe aber auf das Strafverfahren gerade nicht zu, weil es die Gefahr selbst verursache und nicht auf eine bereits bestehende Gefahr reagiere.139 Ist ein Verfahren als Rechtsschutzinstrument des Bürgers ausgestaltet, sei der Vorrang staatlich geordneter Verfahren unzweifelhaft anzuerkennen. Ist aber der Staat zur Einhaltung eines bestimmten Verfahrens gezwungen, 138  Paglotke, 139  Paglotke,

S. 105. S.  105 f.

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

um in die Rechte des Privaten eingreifen zu dürfen, könne nicht von einem Vorrang des Strafverfahrens ausgegangen werden.140 Diese Beschränkung Paglotkes überzeugt nicht. Bereits die Differenzierung zwischen „Gefahrenabwehrverfahren“ und „Gefährdungsverfahren“ erscheint wenig plausibel, da es für die Anwendbarkeit der Notstandsregeln ohnehin nicht darauf ankommt, welchen Ursprung die Gefahr hat.141 Nicht nur das „Gefahrenabwendungsverfahren“, sondern jedes rechtsförmlich ausgestaltete Verfahren steht der Anwendbarkeit des § 34 StGB im Grundsatz entgegen, da es als Konsequenz des Gewaltmonopols nicht zur Disposition des Einzelnen steht, sich dem Verfahren zu unterwerfen.142 Zudem ist die Aussage, dass das Strafverfahren keine geeigneten Mittel enthält, um auf die Gefahr zu reagieren, sondern selbst die Gefahr begründet, in dieser Allgemeinheit nicht haltbar. Die Antwort auf die Frage, ob neben den Verfahrensvorschriften noch Raum für die Anwendbarkeit des rechtfertigenden Notstandes bleibt, muss sich danach orientieren, ob das Verfahrensrecht die Einschränkungen, die aus der Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers folgt, abschließend aufgreift und einer Konfliktlösung zuführt. An dieser Stelle erlangen nun die getroffenen Feststellungen zu den Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers entscheidende Bedeutung, da sie die Antwort darauf geben, ob das Verfahrensrecht einen Rückgriff auf den rechtfertigenden Notstand ausschließt.143 Erneut muss also unterschieden werden, ob eine Aussagegenehmigung erforderlich ist oder nicht, weil nur im Fall des Erfordernisses eine unmittelbare verfahrensrechtliche Einschränkung gegeben ist. Entscheidende Bedeutung wird auch der Umstand erlangen, ob der beschuldigte Amtsträger die Möglichkeit hatte, sich gegen die Versagung der Aussagegenehmigung gerichtlich zur Wehr zu setzen. Es wird sich zeigen, dass die Antwort, ob dem Verfahrensrecht der Vorrang einzuräumen ist, zugleich mitberücksichtigen muss, wie sich die Verschwiegenheitspflicht vor dem Hintergrund der Rechte des Beschuldigten auf das gegenständliche Strafverfahren auswirkt. Im Folgenden werden verschiedene Konstellationen aufgezeigt, um die Auswirkungen des Verfahrensrechts auf die Anwendbarkeit des Notstandsrechts zu verdeutlichen. aa) Gerichtliche Überprüfung der Aussagegenehmigung Hat der Beschuldigte bereits den Versuch unternommen, die Aussagegenehmigung im behördlichen Verfahren oder vor Gericht zu erstreiten und 140  Paglotke,

S. 106.

141  MüKo-StGB / Erb,

3. Aufl., § 34 Rn. 75; NK-Neumann, § 34 Rn. 52. oben Kapitel 5 § 21 III. 1. b) aa). 143  Siehe Kapitel 3. 142  Siehe



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe269

blieb dieses Vorgehen ohne Erfolg, stellt sich aus mehreren Gründen nicht mehr die Frage, ob eine Berufung auf den rechtfertigenden Notstand möglich ist. Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit, die Versagung der Aussagegenehmigung im Verwaltungsrechtsweg zu überprüfen, ein Verfahren zur Verfügung gestellt, das den gegenständlichen Konflikt abschließend aufgreift. Durch die Möglichkeit des „In-camera“-Verfahrens wird zudem gewährleistet, dass dem beschuldigten Amtsträger eine umfassende Rechtsschutzmöglichkeit zur Seite gestellt wird, die es ermöglicht, die Versagungsgründe einer uneingeschränkten richterlichen Kontrolle zu unterziehen.144 Somit darf sich der beschuldigte Amtsträger in diesem Fall nicht über das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren hinwegsetzen.145 Schon allein aus diesem Grund ist ein Rückgriff auf den rechtfertigenden Notstand ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass durch die gerichtliche Entscheidung festgestellt wurde, dass dem Beschuldigten kein Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung zusteht, weil der seltene Fall gegeben ist, dass dienstliche Rücksichten die Versagung der Aussagegenehmigung unabweisbar erfordern. Aus der gerichtlichen Entscheidung folgt daher eine institutionalisierte Duldungspflicht des Amtsträgers, so dass die Voraussetzungen des Notstandsrechts, unabhängig von seiner Anwendbarkeit, in der Sache nicht vorliegen.146 Es finden sich jedoch auch Gegenstimmen, die selbst in einem solchen Fall nicht zur Annahme kommen wollen, dass eine Rechtfertigung nach § 34 StGB von vornherein ausgeschlossen ist. Begründet wird diese Ansicht damit, dass theoretisch immer die Möglichkeit besteht, aufgrund des Rechtsgewährleistungsanspruchs (Art. 19 Abs. 4 GG) eine belastende behördliche Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen.147 Würde man aber diesen Maßstab anlegen, hätte § 34 StGB bei dieser Art von Fällen keinen eigenständigen Regelungsbereich mehr. Der Vorrang des gesetzlichen Verfahrens soll daher nicht mehr gegeben sein, wenn dem Verfahren äußere Hindernisse entgegenstehen.148 Auch innerhalb der Rechtsprechung findet sich der Hinweis, dass in außergewöhnlichen Situationen nicht durchweg von einem Vorrang des Verfahrens ausgegangen werden kann.149 Solchen Einschränkungsversuchen ist allerdings entschieden zu widersprechen. Neben den 144  Siehe

Kapitel 3 § 10 IV. Ergebnis ebenso: Laue, ZStW 120 (2008), 246 (256 Fn. 26). 146  Siehe hierzu sogleich Kapitel  5 § 21 III. 2. a); Rönnau, JuS 2016, 786 (790); Schönke / Schröder / Perron, § 35 Rn. 24. 147  Keller, S. 319. 148  Jakobs, AT, 13 / 37; a. A. Schönke / Schröder / Perron, § 34, der zutreffend von einem strikten Vorrang ausgeht. 149  BGH Urt. v. 9.4.1986  – 3 StR 551 / 85, BGHSt 34, 39 (52); OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 29.11.1974 – 2 Ws 239 / 74, NJW 1975, 271 (272). 145  Im

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

grundsätzlichen Erwägungen zum Vorrang gesetzlicher Verfahren, die für sich genommen bereits einer solchen Auffassung entgegenstehen, sind die einzelnen Voraussetzungen, die für eine Ausnahme gelten sollen, nicht geeignet, ein Abweichen von diesem Grundsatz zu rechtfertigen. Es bleibt bereits weithin unklar, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um doch zu ­einer Anwendung von § 34 StGB zu gelangen. Das Kriterium des äußeren Hindernisses beziehungsweise der fehlende Vorrang in außergewöhnlichen Konstellationen erlaubt keine sichere Abgrenzung und ignoriert die gesetz­ geberische Entscheidung. Besonders deutlich wird dies etwa, wenn die Anwendung des Notstandsrechts dazu führen würde, dass verbindliche Entscheidungen ignoriert werden könnten. Legt der Beschuldigte gegen den Ablehnungsbescheid keinen Widerspruch ein, wird dieser nach Ablauf der Widerspruchsfrist bestandskräftig.150 Die Bestandskraft entspricht der formellen Rechtskraft des Prozessrechts,151 würde aber durch den Notstand aufgehoben, wenn sie denn als äußeres Hindernis aufgefasst werden kann. Das Verneinen des Notstandsrechts bedeutet jedoch nicht, dass dem Umstand, dass sich der beschuldigte Amtsträger nicht vollumfänglich zur Sache einlassen darf, nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann. Dies zeigt ein Vergleich zu den Fällen, in denen ein Beweismittel dem Verfahren vollständig entzogen wurde und somit nicht geklärt werden kann, welches Beweisergebnis hätte erzielt werden können. Die Rechtsprechung verlangt im Fall der Sperrerklärung (§ 96 StPO) oder im Fall des Zeugen, dem keine vollumfängliche Aussagegenehmigung erteilt wurde (§ 54 StPO), den Beweiswert eines solches Beweismittels besonders vorsichtig und sorgfältig zu überprüfen.152 Muss ein Beweismittel aus Geheimhaltungsgründen aus dem Strafverfahren herausgehalten werden, darf dies nicht dazu führen, dass die Beweisgrundlage zu Lasten des Beschuldigten unzulässig verkürzt wird,153 denn es darf nicht übersehen werden, dass die Exekutive entscheidend auf den Umfang der Beweisgrundlage Einfluss nehmen kann. Ein solche Beschränkung kann rechtsstaatlichen Anforderungen aber nur genügen, wenn ein Regulativ vorhanden ist. Ein passendes Regulativ stellen sowohl die freie richterliche Beweiswürdigung (§ 261 StPO) als auch der Zweifelsgrundsatz dar.154 Der Tatrichter muss bei der abschließenden Würdigung des Beweisergebnisses mitberücksichtigen, dass durch das gesperrte Beweismittel das 150  Siehe

zu dieser Konstellation sogleich Kapitel 5 § 21 III. 1. b) bb) (4). hierzu auch sogleich Kapitel  5 § 21 III. 1. b) bb) (2); Stelkens / Bonk /  Sachs / Sachs, § 43 Rn. 11. 152  BGH Urt. v. 16.4.1985  – 5 StR 718 / 84, BGHSt 33, 178 (181); BGH Urt. v. 4.3.2004 – 3 StR 218 / 03, BGHSt 49, 112 (118); Pohlreich, S.  95 ff. m. w. N. 153  BGH Urt. v. 4.3.2004 – 3 StR 218 / 03, BGHSt 49, 112 (119 f.). 154  BGH Urt. v. 4.3.2004  – 3 StR 218 / 03, BGHSt 49, 112 (121); Wohlers, JR 2008, 124 (129). 151  Siehe



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe271

Entlastungsvorbringen des Beschuldigten womöglich hätte bestätigt werden können.155 Diese Grundsätze lassen sich auf die Situation des Amtsträgers, dem keine Aussagegenehmigung erteilt wurde, übertragen. In beiden Fällen ist die Urteilsgrundlage durch die Entscheidung der Behörde erheblich eingeschränkt und das Gericht in seiner Möglichkeit zur freien Beweiswürdigung eingeschränkt. Zwar handelt es sich beim Beschuldigten nicht um ein Beweismittel, jedoch kommt der Einlassung des Beschuldigten eine nicht minder wichtige Bedeutung zu.156 bb) Fehlende Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung Sodann stellt sich die Frage, ob von einem Ausschluss des Notstandsrechts ausgegangen werden kann, wenn eine Überprüfung der Aussagegenehmigung gerichtlich (noch) nicht stattgefunden hat. Zur Verdeutlichung kann folgendes Beispiel gebildet werden: Nach der Eröffnung der Hauptverhandlung will sich der beschuldigte Amtsträger zu einem Umstand äußern, der von seiner Verschwiegenheitspflicht umfasst wird. Eine Aussagegenehmigung hat er noch nicht beantragt, weil er nicht davon ausging, dass diese Angelegenheit, auf die sich die Verschwiegenheitspflicht bezieht, für das Verfahren von Bedeutung sein wird. Das Gericht ist nicht gewillt, das Verfahren auszusetzen, um den Beschuldigten die Möglichkeit zu geben, sich um eine Aussagegenehmigung zu bemühen. Auch in dieser Situation darf sich der Beschuldigte grundsätzlich nicht äußern, denn die beamtenrechtlichen Regelungen verlangen, dass er vorab eine Aussagegenehmigung einholt. Es liegt aber auch keine gerichtliche Entscheidung vor, aus der für ihn eine Duldungspflicht folgen würde. Im Grundsatz müsste aber auch in diesem Fall das Ergebnis lauten, dass eine Berufung auf § 34 StGB ausgeschlossen ist, weil der Vorrang des Verfahrensrechts, nämlich die Möglichkeit zur Überprüfung der Aussagegenehmigung im Verwaltungsrechtsweg, gegeben ist. Einer Auseinandersetzung mit dieser Pro­ blematik bedarf es aber von vornherein nicht, wenn es in einer solchen Konstellation schon gar nicht auf die Frage der Rechtfertigung ankommt, weil ­ aufgrund des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses das Verfahren nicht durchgeführt werden darf. Dies hängt wiederum davon ab, wie sich die nicht gewährte Möglichkeit, die Aussagegenehmigung einzuholen, auf das zugrundeliegende Strafverfahren auswirkt. Die Durchführung eines Strafverfahrens setzt das Nichtvorliegen eines Verfahrenshindernisses oder positiv formuliert das Vorliegen der Verfahrens155  BGH

156  Siehe

Urt. v. 4.3.2004 – 3 StR 218 / 03, BGHSt 49, 112 (123). Kapitel 2 § 7 I.

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

voraussetzungen voraus.157 Stehen der Durchführung eines Strafverfahrens mit dem Ziel, eine Sachentscheidung herbeizuführen, solch schwerwiegende Umstände entgegen, die nach dem ausdrücklichen oder dem ersichtlichen Willen des Gesetzgebers das Strafverfahren im Ganzen betreffen, ist von ­einem Verfahrenshindernis auszugehen.158 Liegt ein Verfahrenshindernis vor, muss das Strafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt werden. Im Hauptverfahren muss diese Rechtsfolge zwingend durch das Gericht im Urteil ausgesprochen werden (§ 260 Abs. 3 StPO). Außerhalb der Hauptverhandlung erfolgt die Einstellung durch das Gericht im Beschlusswege (§ 206a Abs. 1 StPO). Gleiches gilt für das Zwischenverfahren (§ 204 Abs. 1 StPO). Im Ermittlungsverfahren erfolgt die Einstellung durch eine Verfügung (§ 170 Abs. 2 StPO). Die Annahme eines Verfahrenshindernisses setzt aber einschränkend voraus, dass dem Umstand nicht bei der Strafzumessung oder durch die Anwendung des Straf- und Strafverfahrensrechts in angemessener Weise Rechnung getragen werden kann.159 Offen bleibt freilich die entscheidende Frage, wann von einem solch schwerwiegenden Umstand auszugehen ist, der ein Verfahrenshindernis nach sich zieht. Die StPO setzt in den genannten Vorschriften ein Verfahrenshindernis voraus, gibt aber keinen Hinweis darauf, wann ein solches besteht. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund, dass bei Erlass der StPO die Lehre von den Prozessvoraussetzungen, die sich zunächst auf das Zivilprozessrecht bezog, noch in ihrer Entwicklung begriffen war.160 In Rechtsprechung und Literatur haben sich Fallgruppen herausgebildet, in denen vom Vorliegen eines Verfahrenshindernisses gemeinhin ausgegangen wird. Zur besseren Erfassung können sie unterteilt werden in solche Verfahrenshindernisse, die den Beschuldigten, das Gericht oder die Sache selbst betreffen.161 So stellen beispielsweise die Strafunmündigkeit des Kindes oder 157  Die Begriffe „Verfahrenshindernis“ und „Verfahrensvoraussetzung“ werden identisch gebraucht und drücken das Gleiche aus, vgl. LR-Stuckenberg, 26. Aufl., § 206a Rn. 25; a. A. Meyer-Goßner, S. 37 ff., der aber ausdrücklich anerkennt, dass die StPO zwischen den Begriffen nicht differenziert. 158  BVerfG Beschl. v. 18.3.2003  – 2 BvB 1 / 01, 2 BvB 2 / 01, 2 BvB 3 / 01, BVerfGE 107, 339 (378 f.); BGH Beschl. v. 23.11.1960 – 4 StR 265 / 60, BGHSt 15, 287 (290); BGH Beschl. v. 19.4.1985  – 2 StR 317 / 84, BGHSt 33, 183 (186); BGH Urt. v. 18.4.1990 – 3 StR 252 / 88, BGHSt 37, 10 (13); BGH Urt. v. 11.8.2016 – 1 StR 196 / 16, BeckRS 2016, 17440; Eb. Schmidt, Lehrkommentar StPO I, Rn. 117; MeyerGoßner, S. 5; MüKo-StPO / Maier, § 260 Rn. 104; Schroeder / Verrel, § 10 Rn. 74; SK-StPO / Velten / Schlüchter, 4. Aufl., § 260 Rn. 44. 159  BGH Urt. v. 4.3.2004  – 3 StR 218 / 03, BGHSt 49, 112 (127); MüKo-StPO /  Maier, § 260 Rn. 104. 160  Grundlegend: Bülow, S.  6 ff. 161  Meyer-Goßner, S. 9; SK-StPO / Paeffgen, 4. Aufl., Anh. § 206a Rn. 2a ff.



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe273

das Fehlen eines form- und fristgerecht gestellten Strafantrages unzweifelhaft ein Verfahrenshindernis dar. Gleiches gilt, wenn die sachliche Zuständigkeit des Gerichts nicht gegeben ist oder der Eröffnungsbeschluss fehlt. Deutlich schwieriger gestaltet sich die Beurteilung in anderen Fällen, wie zum Beispiel im Fall der unzulässigen Tatprovokation oder der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.162 Beide Fallgruppen unterscheiden sich von den anderen Verfahrenshindernissen dadurch, dass sie nicht an das Bestehen einer Tatsache (Strafunmündigkeit, Verhandlungsfähigkeit, etc.) oder an eine bestimmte Rechtslage (sachliche Zuständigkeit des Gerichts, Verjährung, Strafklageverbrauch etc.) anknüpfen, sondern auf eine Gesamtbewertung abstellen. Wie streitbehaftet die Diskussion über die Ausdehnung von Verfahrenshindernissen ist, zeigt sich exemplarisch an der über viele Jahre andauernden Auseinandersetzung über den Einsatz polizeilicher Lockspitzel. Erst in jüngster Zeit hat sich der 2. Strafsenat des BGH dazu entschieden, von der bisherigen Rechtsprechung, die lediglich eine Berücksichtigung auf Strafzumessungsebene vorsah,163 abzurücken, und nun vom Vorliegen eines Verfahrenshindernisses ausgeht.164 Der BGH macht die Annahme eines Verfahrenshindernisses in Fällen der vorliegenden Art davon abhängig, ob das Recht des Beschuldigten auf Verteidigung in seinem Kernbereich betroffen ist.165 Wird der Beschuldigte hingegen nur im Randbereich durch die Versagung der Aussagegenehmigung berührt, soll eine Einschränkung zulässig sein, wenn es zur Wahrnehmung sehr gewichtiger und verfassungsmäßig legitimierter Aufgaben erforderlich ist.166 Die Lösung des BGH überzeugt nicht. Bereits die Unklarheit, wo genau die Trennlinie zwischen dem Kern- und Randbereich gezogen werden muss, führt zu erheblichen Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung der vom BGH aufgestellten Anforderungen.167 Zwar lässt sich aus den Ausführungen der Hinweis entnehmen, dass das erkennende Gericht anhand einer „prospektiven Betrachtung“ zu beurteilen hat, ob der Kernbereich betroffen ist, jedoch birgt eine solche Vorgehensweise erhebliche Unsicherheiten, die sich einseitig zu Lasten des Beschuldigten auswirken. Das Gericht muss, ausgehend von der durch die Aussagegenehmigung betroffenen Thematik 162  Im Fall der rechtsstaatswidrigen überlangen Verfahrensdauer kommt nach der Rechtsprechung ein Verfahrenshindernis nur in Extremfällen in Betracht, vgl. BGH Beschl. v. 17.1.2008 – GSSt 1 / 07, BGHSt 52, 124 (133); BGH Urt. v. 11.8.2016 – 1 StR 196 / 16, BeckRS 2016, 17440. 163  BGH Urt. v. 23.5.1984 – 1 StR 148 / 84, BGHSt 32, 345 (355). 164  BGH Urt. v. 10.6.2015 – 2 StR 97 / 14, BGHSt 60, 276 (290). 165  BGH Beschl. v. 5.6.2007 – 5 StR 383 / 06, NJW 2007, 3010 (3012). 166  BGH Urt. v. 9.12.1988 – 2 StR 279 / 88, BGHSt 36, 44 (48 f.); BGH Beschl. v. 5.6.2007 – 5 StR 383 / 06, NJW 2007, 3010 (3012). 167  Niehaus, NStZ 2008, 354 (355); Wohlers, JR 2008, 124 (128).

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

und dem historischen Geschehen, eine Abwägung treffen, ob der Beschuldigte zu stark in seinen Rechten eingeschränkt wird. Es muss dazu das mögliche Verteidigungsvorbringen antizipieren und bewerten.168 Unabhängig davon, dass eine vorausschauende Beurteilung aufgrund der Vielzahl der in Betracht kommenden Verteidigungsmöglichkeiten kaum sinnvoll durchführbar sein wird, lässt sich ein solches Vorgehen mit dem Anspruch auf recht­ liches Gehör kaum vereinbaren. Hängt die Legitimität des Schuldspruchs wesentlich davon ab, ob der Beschuldigte die Möglichkeit hatte, sich zur Sache äußern zu können, erscheint die Durchführung eines Strafverfahrens, das dem Beschuldigten dieses Recht nicht zugesteht, ausgeschlossen. Auch der Gedanke der „prospektiven Betrachtung“ kann die Einschränkung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht kompensieren. Neben den rein faktischen Schwächen eines solchen Ansatzes verleiht der Anspruch auf recht­ liches Gehör dem Inhaber aber auch das Recht, Ausführungen rechtlicher und tatsächlicher Art vorzunehmen. Das Gericht muss diese Ausführungen grundsätzlich auch würdigen, es sei denn, das Vorgetragene darf oder muss ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben.169 Dieser Grundsatz schließt es aus, im Wege einer „prospektiven Betrachtung“ vorzugehen. Leitet sich der Anspruch auf rechtliches Gehör unmittelbar aus der Menschenwürde ab,170 kann ein Eingriff auch nicht gerechtfertigt sein, selbst wenn es nur den Randbereich des Rechts auf Verteidigung berührt. Der vom BGH vorgeschlagene Weg, auch in diesem Fall dem Beschuldigten durch eine außerordentlich zurückhaltende Beweiswürdigung entgegenzukommen, ist insoweit abzulehnen, weil sie auf eine unzulässige Abwägung hinausläuft. Die Annahme eines Verfahrenshindernisses erscheint somit zwingend. Der entscheidende Unterschied zu der vorab dargestellten Konstellation, in der eine gerichtliche Überprüfung der verweigerten Aussagegenehmigung stattgefunden hat, liegt somit darin, dass das Gericht dem Beschuldigten nicht die Möglichkeit gewährt hat, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör geltend zu machen. Wurde ihm diese Möglichkeit nicht gegeben, muss ein Verfahrenshindernis angenommen werden. Somit kommt es auf die Frage der Anwendbarkeit des Notstandsrechts in diesem Fall nicht mehr an. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass die Annahme eines Verfahrenshindernisses nicht zwangsläufig den Ausspruch eines Einstellungsurteils nach sich ziehen muss (§ 260 Abs. 3 StPO). Der grundsätz­ liche Vorrang eines Einstellungsurteils kann ausnahmsweise nicht mehr gegeben sein, wenn kein Befassungsverbot gegeben ist. Von einem solchen ist 168  Salditt,

NStZ 1989, 331 (332). oben Kapitel 2 § 7 I. 1. 170  Siehe oben Kapitel 2 § 7 I. 2. 169  Siehe



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe275

auszugehen, wenn das Gericht sich inhaltlich mit dem Tatvorwurf nicht befassen darf. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Eröffnungsbeschluss fehlt.171 Die Entscheidung, ob das Verfahren im Wege des Einstellungsurteils zu beenden ist oder ein Freispruch erfolgen muss, hängt maßgeblich davon ab, wie weit das Verfahren fortgeschritten ist. Ist die Schuldfrage noch ungeklärt oder sind noch weitere Schritte in der Beweisaufnahme vonnöten, ist das Verfahren im Wege des Einstellungsurteils zu beenden. Ist der Sachverhalt hingegen schon soweit geklärt, dass ein Freispruch erfolgen kann, ist dieser im Hinblick auf das Rehabilitierungsinteresse des Angeklagten vorrangig.172 Wird die Einstellung des Verfahrens im Urteil ausgesprochen, kann der Angeklagte dagegen grundsätzlich nicht im Wege der Revision vorgehen, um einen Freispruch zu erreichen. Es fehlt ihm in der Regel an der erforderlichen Beschwer.173 Auf die Ausnahme, nämlich wenn der Angeklagte behauptet, es liege ein weiteres, nicht behebbares Verfahrenshindernis vor,174 braucht nicht näher eingegangen zu werden, weil sie für die Untersuchung keine Relevanz aufweist. cc) Vereitelung der Erteilung durch den Amtsträger Das zuvor festgestellte Ergebnis führt bei konsequenter Anwendung zu dem auf den ersten Blick merkwürdig anmutenden Ergebnis, dass derjenige Beschuldigte schlecht beraten ist, der sich gerichtlich um eine Aussagegenehmigung bemüht, weil zu seinen Gunsten kein Verfahrenshindernis angenommen werden kann. Stellt sich zum Beispiel der beschuldigte Amtsträger in der Hauptverhandlung schlichtweg auf den Standpunkt, dass er zwar eine Aussagegenehmigung braucht, er sich aber weigert diese zu beantragen, weil er sich seinem Dienstherrn gegenüber nicht offenbaren will oder sich sonst in irgendeiner Weise an der Beibringung der Aussagegenehmigung beteiligen möchte, stellt sich auch in dieser Konstellation die Frage, ob sich der Amtsträger schlicht über das Erfordernis der Aussagegenehmigung hinwegsetzen darf und wie sich die Weigerung auf die Anwendbarkeit des rechtfertigenden Notstandes auswirkt. Die Anwendbarkeit des Notstandsrechts ist auch in dieser Situation zu verneinen, weil ein gesetzlich vorrangig zu beschreitendes Verfahren gegeben ist, um den Konflikt der kollidierenden Rechtsgüter aufzulösen. Der Amtsträger hat die Möglichkeit, seinen Anspruch auf Erteilung der Aussage171  MüKo-StPO / Maier,

§ 260 Rn. 148; SSW-StPO / Franke, § 260 Rn. 7. § 260 Rn. 150. 173  BGH Urt. v. 4.5.1970 – AnwSt (R) 6 / 69, BGHSt 23, 257 (259); BGH Beschl. v. 5.6.2007 – 5 StR 383 / 06, NJW 2007, 3010 (3011). 174  Vgl. hierzu BGH Beschl. v. 2.3.2011 – 2 StR 524 / 10, NStZ 2011, 418. 172  MüKo-StPO / Maier,

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

genehmigung im Verwaltungsrechtsweg durchzusetzen.175 Allein die Möglichkeit hierzu reicht aus, um einen Vorrang des Verfahrensrechts zu begründen, weil aus dem Solidaritätsprinzip und dem Gewaltmonopol der Grundsatz folgt, dass dem Notstandstäter nicht die Befugnis zukommt, über die Inanspruchnahme des Verfahrens zu entscheiden. Andernfalls würde ihm ein Billigkeitsvorbehalt gegenüber den gesetzlichen Regelungen zugestanden, der einseitig zu Lasten des Eingriffsopfers ausfallen würde.176 Auch ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor. Der Unterschied zu der zuvor behandelten Konstellation ist nämlich darin zu sehen, dass der beschuldigte Amtsträger sich bereits von Anfang an über das Erfordernis der Aussagegenehmigung im Klaren war, jedoch bewusst auf die Beantragung verzichtet hat. In diesem Fall ist es nicht erforderlich, dass das Gericht das Verfahren aussetzt, um den Beschuldigten zu verpflichten, gegen die Versagung der Aussagegenehmigung gerichtlich vorzugehen. Als Rechtsgrundlage für ein solches Vorgehen könnte unter Umständen § 262 Abs. 2 StPO in Betracht kommen, jedoch kann die Frage, ob eine solche Mitwirkungspflicht vom Beschuldigten verlangt werden kann, an dieser Stelle unbeantwortet bleiben.177 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt nicht, dass der Beschuldigte dieses Recht auch wahrnimmt. Zur Wahrung dieses Rechts ist die bloße Möglichkeit der Wahrnehmung ausreichend.178 Das erkennende Gericht wird daher lediglich dazu gehalten sein, dem Beschuldigten vorab die Möglichkeit zu eröffnen, eine Aussagegenehmigung einzuholen.179 Diese Einschränkung gilt allerdings nur, wenn der Beschuldigte zu erkennen gibt, dass er sich äußern will. Verzichtet er auf dieses Recht, bedarf es von vornherein keiner Aussagegenehmigung.180 Im Übrigen kann die Behörde aber auch von Amts wegen tätig werden. Bei der Untersuchung der Verschwiegenheitspflicht wurde festgestellt, dass sich der Beschuldigte selbst um die Aussagegenehmigung bemühen muss (RiStBV Nr. 44 Abs. 3).181 Stellt sich der Beschuldigte nun auf den Standpunkt, dass er sich zwar äußern will, aber keinen Antrag bei der Behörde stellen möchte, weil er sich nicht gegenüber seinem Dienstherrn offenbaren will,182 hindert 175  Siehe

Kapitel 3 § 10. Kapitel 5 § 21 III. 1. b). 177  Kritisch: BGH Beschl. v. 5.6.2007 – 5 StR 383 / 06, NJW 2007, 3010 (3012). 178  Dahs, S. 45; Maunz / Dürig / Remmert, Art. 103 Abs. 1 Rn. 63; Roxin / Schünemann, § 18 Rn. 12; Rüping, S. 145. 179  Vgl. im Übrigen auch RiStBV Nr. 44 Abs. 3. 180  Siehe Kapitel 2 § 7 II. 3. 181  Siehe Kapitel 2 § 7 II. 3. 182  Auf die rechtlichen Bedenken dieses Vorgehens wurde bereits hingewiesen, vgl. Kapitel 2 § 7 II. 3. 176  Siehe



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe277

dies die Behörde nicht, von sich aus die Aussagegenehmigung zu versagen oder nur in einem eingeschränkten Umfang zu gewähren. § 22 Abs. 1 S. 1 VwVfG erlaubt es der Behörde grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dies gilt nur dann nicht, wenn sie von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwVfG) oder nur auf Antrag tätig werden darf und ein solcher nicht vorliegt (§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG). Das Verwaltungsverfahren wird vom Offizialprinzip getragen, weil die Wahrung des Allgemeinwohls im Vordergrund steht.183 Spätestens zu dem in MiStra Nr. 15 genannten Zeitpunkt wird die Behörde Kenntnis über den Sachverhalt erlangen und gegebenenfalls eine Entscheidung treffen können. Die Weigerung des Beschuldigten, sich um eine Aussagegenehmigung zu bemühen, hilft ihm demnach nicht weiter, weil davon auszugehen ist, dass die Behörde von sich aus die Aussagegenehmigung versagen wird, wenn entsprechend gewichtige Interessen geschützt werden müssen. dd) Unterlassene gerichtliche Überprüfung Wird dem Amtsträger entweder auf Antrag oder von Amts wegen eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt oder sogar in Gänze versagt, will er sich jedoch hiergegen gerichtlich nicht zur Wehr setzen, stellt sich wiederum die Frage, wie sich dies auf die Anwendbarkeit des Notstandsrechts auswirkt. Unterlässt es der Adressat gegen die Versagung gerichtlich vorzugehen, erwächst diese – wie jeder Verwaltungsakt – in Bestandskraft. Mit dem Eintritt der materiellen Bestandskraft sind die Verfahrensbeteiligten aus Gründen der Rechtssicherheit aber an die behördliche Entscheidung gebunden. Die Rechtswirkung der Bestandskraft ist mit der Rechtskraft eines Urteils zwar nicht völlig identisch, aber vergleichbar.184 Es bestehen zweifelsfrei gewichtige Unterschiede zwischen einem Verwaltungsverfahren und einem gerichtlichen Verfahren, jedoch dienen beide dazu, Rechtssicherheit zu schaffen. Durch die Bestandskraft soll die getroffene Regelung des Verwaltungsaktes gesichert und auf Dauer gefestigt werden.185 Besteht an der Bestandskraft ein verfassungsrechtliches Interesse, folgt aus ihr ebenfalls eine institutionelle Duldungspflicht des Adressaten, die eine Sperrwirkung gegenüber § 34 StGB entfaltet.186 Die aus dem Anwendungsbereich des § 54 StPO bekannte Frage, ob die Entscheidung des Gerichts bezie183  Kopp / Ramsauer,

§ 22 Rn. 2; Stelkens / Bonk / Sachs / Schmitz, § 22 Rn. 2. Beschl. v. 20.4.1982 – 2 BvL 26 / 81, NJW 1982, 2425 (2426); Kopp /  Ramsauer, § 43 Rn. 29; Stelkens / Bonk / Sachs / Sachs, § 43 Rn. 11. 185  Erichsen / Knoke, NVwZ 1983, 185 (188). 186  Vgl. Kapitel 5 § 21 III. 1. b) aa). 184  BVerfG

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

hungsweise die Bestandskraft des Verwaltungsaktes auch Bindungswirkung gegenüber dem Gericht entfalten, stellt sich im Fall des Beschuldigten nicht.187 Es hat sich bei der Untersuchung der Aussagegenehmigung für den beschuldigten Amtsträger gezeigt, dass diese keine Entsprechung im Strafverfahrensrecht findet. Die StPO kennt im Vergleich zum Zeugen keine Vorschrift, die die Geltung der einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften für alle Beschuldigten anordnet, die Angehörige des öffentlichen Dienstes sind.188 ee) Untätigkeit der Behörde Des Weiteren ist die Konstellation denkbar, in der der Amtsträger zwar weiß, dass er auf die Erteilung einer Aussagegenehmigung angewiesen ist, die Behörde den Antrag jedoch schlichtweg nicht bescheidet. Sollte sich nicht bereits aus dem Untätigbleiben der Behörde auf eine behördliche Duldung schließen lassen,189 ist dennoch die Anwendbarkeit des Notstandsrechts nicht gegeben. Denn auch für diesen Fall sieht das Verfahrensrecht Regelungen vor, die es dem Amtsträger erlauben, gegen die Untätigkeit der Behörde gerichtlich vorzugehen und somit vorrangig zu befolgen sind, nämlich durch die Möglichkeit die Aussagegenehmigung im Wege der Verpflichtungsklage oder des vorläufigen Rechtsschutzes zu erstreiten.190 Schreitet das Gericht aber mit dem Verfahren voran, liegt wiederum ein Verfahrenshindernis vor, weil dem Beschuldigten nicht die Möglichkeit gegeben wurde, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör überprüfen zu lassen. ff) Kein Ausschluss des Notstandsrechts bei nicht erforderlicher Aussagegenehmigung Unbeantwortet blieb bisher die Frage, ob ein Ausschluss des Notstandsrechts auch für diejenigen Amtsträger angenommen werden muss, die von vornherein nicht auf das Erfordernis einer Aussagegenehmigung angewiesen sind, weil die beamtenrechtlichen Vorschriften auf sie nicht analog angewendet werden können. Dies trifft namentlich auf die Gruppe der Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB) 187  Krehl, GA 1990, 555 (557); SK-StPO / Rogall, 4. Aufl., § 54 Rn. 65; a. A. Pohlreich, S. 83, der eine Bindungswirkung nur für den Fall der rechtmäßigen Verweigerung annimmt. 188  Vgl. Kapitel 2 § 7 II. 1. 189  Hierzu ausführlich Kapitel 4 § 16 I. 3. c) gg). 190  Kapitel 3 § 10 II.



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe279

und die sonstigen Amtsträger zu (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB).191 Für sie resultiert die Verschwiegenheitspflicht aus den einschlägigen Gesetzen oder aus den Vorschriften des StGB selbst, die in diesem Fall für sie sowohl Verhaltens- als auch Sanktionsnormen darstellen.192 Leitete sich der Vorrang des gesetzlichen Verfahrens vornehmlich daraus ab, dass das Verfahrensrecht Regelungen enthält, durch die der Gesetzgeber aufgrund seines Gewaltmonopols den Interessenkonflikt bereits entschieden hat, ist ein solcher Vorrang im Fall des Amtsträgers, der nicht auf die Aussagegenehmigung angewiesen ist, nicht gegeben. Ist eine Aussagegenehmigung nämlich nicht erforderlich, besteht für den Amtsträger dementsprechend auch nicht die verfahrensrecht­ liche Einschränkung, dass er sich ohne das Vorliegen einer solchen nicht im gegenständlichen Verfahren äußern darf. Anders als die Aussagegenehmigung, die sich schon auf das gegenständliche Verfahren auswirkt, mit dem der Amtsträger konfrontiert ist, weist die Verschwiegenheitspflicht, die durch die Strafvorschrift begründet wird, eine solche unmittelbare Wirkung nicht auf.193 Allein das strafrechtlich geschützte Verbot, unbefugt ein Amtsgeheimnis zu offenbaren, weist mit der Durchführung des gegenständlichen Strafverfahrens keinerlei Berührungspunkte auf und stellt für sich genommen keinen berücksichtigungsfähigen Umstand dar, denn die StPO enthält keine Vorschrift, die es verbieten würde, Informationen zu verwerten, deren Offenbarung gegebenenfalls eine Strafnorm verletzt.194 Auch sonstige privatrechtlich getroffene Absprachen, die vorsehen, dass der Beschuldigte vorab die Zustimmung des Dienstherrn einholen muss, bevor er sich im Verfahren äußert, ändern an diesem Befund nichts. Erneut sei an dieser Stelle darin erinnert, dass etwaige privatrechtliche Vereinbarungen keinen Einfluss auf das Strafverfahren haben und deswegen die Rechte, die der Beschuldigte aufgrund der Strafprozessordnung innehat, nicht einschränken können.195 Ist der beschuldigte Amtsträger in dieser Konstellation nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör beeinträchtigt, kann zudem die Annahme eines Verfahrenshindernisses unter diesem Gesichtspunkt ausgeschlossen werden. Nun ließe sich aber einwenden, dass der beschuldigte Amtsträger doch Beteiligter eines rechtsförmigen Verfahrens ist und er deswegen allein nach den Regeln über die Beweiserhebung vorgehen darf. So findet sich bei Jakobs das Beispiel, dass der Beteiligte an einem gerichtlichen Verfahren zu seiner Entlastung keine Beweismittel fälschen oder solche des Gegners zer-

191  Siehe

Kapitel 2 § 7 II. 1. Kapitel 4 § 16. 193  Siehe Kapitel 2 § 7 IV. 194  BGH Urt. v. 12.1.1956 – 3 StR 195 / 55, BGHSt 9, 59 (62). 195  Siehe Kapitel 2 § 7 II. 192  Siehe

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

stören darf.196 Diese Beispiele unterscheiden sich aber in einem entscheidenden Punkt von der zu untersuchenden Konstellation. Im angeführten Fall muss der Beschuldigte zunächst eine Straftat begehen, um die Beweise zu gewinnen beziehungsweise zu beseitigen. Ein solches Vorgehen läuft zweifelsfrei den verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Beweisgewinnung zuwider. Anders aber der Beschuldigte, der bereits über die Beweise verfügt, weil er in seiner Eigenschaft als Amtsträger von einem geheimhaltungsbedürftigen Umstand Kenntnis erlangt hat und nun seine Verschwiegenheitspflicht bricht, um sich zu verteidigen. In diesem Fall existiert gerade keine verfahrensrechtliche Einschränkung, die diesen Konflikt aufgreift und dementsprechend eine Sperrwirkung entfalten könnte.197 Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass zugunsten des beschuldigten Amtsträgers, der nicht auf eine Aussagegenehmigung angewiesen ist, ein Ausschluss des rechtfertigenden Notstandes nicht gegeben ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit das Ergebnis der Prüfung des rechtfertigenden Notstandes schon feststeht. Es wird sich im weiteren Fortgang der Untersuchung zeigen, dass viele Aspekte, die bei der Darstellung der Verschwiegenheitspflicht aufgezeigt wurden, für die Beurteilung der weiteren Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes berücksichtigt werden müssen. Insbesondere wird dem Umstand, dass der Amtsträger einen Anspruch darauf hat, von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden zu werden, eine entscheidende Rolle zukommen. b) Zwischenergebnis Die Antwort, ob ein vorrangiges Verfahren der Anwendbarkeit des § 34 StGB entgegensteht, muss für die vom Amtsträgerbegriff umfassten Personengruppen unterschiedlich ausfallen. Entscheidend ist, ob der Amtsträger auf das Vorliegen einer Aussagegenehmigung angewiesen ist und welche Rechtsschutzmöglichkeiten hieraus resultieren. Hat der Amtsträger gegen die Versagung der Aussagegenehmigung um Rechtsschutz nachgesucht und wurde die Versagung durch die Entscheidung des Gerichts bestätigt, ist eine Rechtfertigung nicht möglich. Fehlt eine gerichtliche Überprüfung der Versagung und räumt das Gericht dem Beschuldigten nicht die Möglichkeit ein, gegen diese Entscheidung vorzugehen und somit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör zu verfolgen, liegt ein Verfahrenshindernis vor. Die Frage nach einer etwaigen Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht ist in diesem Fall obsolet. Keine Anwendung findet der rechtfertigende Notstand 196  Jakobs,

AT, 13 / 40; Schumann, S.  324 f. 3. Aufl., § 34 Rn. 196.

197  MüKo-StGB / Erb,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe

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auch in der Situation, in der der Amtsträger versucht, die Erteilung der Aussagegenehmigung zu vereiteln oder nicht gewillt ist, gegen die behördliche Entscheidung gerichtlich vorzugehen. Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn der Amtsträger gar nicht auf das Bestehen einer Aussagegenehmigung angewiesen ist. Weil er von vornherein nicht in seiner verfahrensrechtlichen Stellung als Beschuldigter eingeschränkt ist und keine gesonderten Vorschriften vorhanden sind, die ein vorrangig zu beachtendes Verfahren beinhalten, fehlt es bereits an einer Kon­ kurrenzsituation, die zugunsten des Verfahrensrechts aufzulösen wäre. Die Konsequenz dessen ist, dass sich die eigentliche Frage, ob eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht wegen überwiegender Interessen des Amtsträgers gerechtfertigt ist, bei weitem nicht für alle vom Amtsträger umfassten Personengruppen stellt, sondern nur für die Gruppe der Amtsträger, für die das Erfordernis der Aussagegenehmigung nicht besteht. Es bleibt somit schlussendlich nur noch die Frage offen, ob sich der beschuldigte Amtsträger, für den diese Einschränkung nicht gilt, auf den rechtfertigenden Notstand berufen kann. 3. Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes Die Notstandshandlung ist nur gerechtfertigt, wenn sich das geschützte Erhaltungsgut in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr befindet und zur Abwehr dieser Gefahr eine Handlung begangen wird, die zum Ergebnis führt, dass bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt allerdings nur, soweit die Handlung ein angemessenes Mittel ist, um die Gefahr abzuwenden (§ 34 S. 2 StGB). a) Notstandslage Setzt die Notstandslage voraus, dass eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr besteht, erscheint es zweifelhaft, ob die Durchführung eines Strafverfahrens als Notstandslage aufgefasst werden kann. Sowohl in Bezug auf das notstandsfähige Rechtsgut als auch hinsichtlich der Gegenwärtigkeit der Gefahr können sich Einschränkungen ergeben, die gegen die Annahme einer Notstandslage sprechen. aa) Notstandsfähiges Rechtsgut Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass auf Seiten des beschuldigten Amtsträgers ein notstandsfähiges Rechtsgut bedroht wird. Jedes Rechts-

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

gut, das durch die Rechtsordnung geschützt oder zumindest anerkannt ist, kommt grundsätzlich als Erhaltungsgut in Betracht.198 Aus dem Kreis der in § 34 S. 1 StGB ausdrücklich angesprochenen Rechtsgüter kommt zumindest, abhängig von der Schwere des Tatvorwurfs, das Rechtsgut der Freiheit der Person in Betracht, das im Fall einer drohenden Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe gefährdet ist. Gleiches gilt für das durch die Geldstrafe berührte Recht auf Eigentum.199 Als notstandsfähiges Rechtsgut ist des Weiteren der Fair-Trial-Grundsatz anerkannt.200 Allerdings ist dieser Grundsatz als notstandsfähiges Rechtsgut nur einschlägig, wenn der Verlust von Verfahrensrechten droht. So konnte sich beispielsweise ein Rechtsanwalt auf den rechtfertigenden Notstand berufen, weil er nur durch die ihm überlassene Aufzeichnung eines heimlich mitgeschnittenen Telefongesprächs zwischen dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und einem der Richter die Befangenheit eben jenes Richters darlegen konnte.201 Weil die fehlende Möglichkeit, einen befangenen Richter abzulehnen, einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG) darstellt, handelte der Rechtsanwalt gerechtfertigt. Anders als im dargestellten Fall stellt sich die Frage der Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt des drohenden Verlusts von Verfahrensrechten für den beschuldigten Amtsträger aber nicht. Wie bereits aufgezeigt wurde, hat der beschuldigte Amtsträger die Möglichkeit, seine Verfahrensrechte in einem externen Verfahren durchzusetzen, wenn er auf das Erfordernis einer Aussagegenehmigung angewiesen ist.202 Wird ihm diese Möglichkeit nicht gegeben, ist ausnahmsweise vom Vorliegen eines Verfahrenshindernisses auszugehen, so dass sich die Frage der Rechtfertigung nicht stellt. Ist der Amtsträger ohnehin nicht auf die Erteilung einer Aussagegenehmigung angewiesen, unterliegt er keiner verfahrensrechtlichen Schlechterstellung. Könnte somit auf den ersten Blick ohne weiteres von einem tauglichen Rechtsgut in Bezug auf die Freiheit oder das Eigentum des Beschuldigten ausgegangen werden, findet sich aber auch die Ansicht, die den Kreis der notstandsfähigen Rechtsgüter zusätzlich anhand des normativen Merkmals der Schutzbedürftigkeit beziehungsweise der Schutzwürdigkeit bestimmen

198  Jakobs, AT, 13 / 9; Kühl, AT, § 8 Rn. 22; MüKo-StGB / Erb, 3.  Aufl., § 34 Rn. 55; Pawlik, S. 130; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 9. 199  Laue, ZStW 120 (2008), 247 (256 Fn. 26). 200  OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 11.12.1978  – 4 Ws 127 / 78, NJW  1979, 1172; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 55. 201  OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 11.12.1978 – 4 Ws 127 / 78, NJW 1979, 1172. 202  Siehe Kapitel 5 § 21 III. 2.



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will.203 An der Schutzbedürftigkeit soll es fehlen, wenn der Inhaber seine Rechtsgüter in zulässiger Weise – wie etwa im Fall der Einwilligung – preisgegeben hat. Muss er die Beeinträchtigung hingegen von Rechts wegen dulden, soll es an der Schutzwürdigkeit fehlen.204 Von einer solch gewollten Beeinträchtigung ist etwa im Fall des rechtskräftig Verurteilten auszugehen.205 Wehrt sich der Verurteilte gegen die Vollstreckung des Schuldspruchs, darf er sich, obwohl rein tatsächlich eine Gefahr für seine Rechtsgüter gegeben ist, nicht auf den Notstand berufen. Ist das Verneinen einer Notstandslage zwar in diesem Fall in der Sache zutreffend,206 kann der dargestellte Ansatz aber nicht überzeugen. Dass ein Rechtsgut nicht schutzwürdig ist, wenn der Inhaber von Gesetzes wegen verpflichtet ist, die Beeinträchtigungen zu dulden, stellt für sich genommen noch keine Begründung dar. Die Freiheit des rechtskräftig Verurteilten ist streng genommen nicht in Gänze nicht mehr schutzwürdig, sondern nur in Bezug auf die freiheitsentziehenden Maßnahmen, die sich aus der Vollstreckung des Urteils ergeben. Es kommt demnach entscheidend darauf an, die Schutzbedürftigkeit des Rechtsguts im Verhältnis zur konkreten Gefahr zu bestimmen. Diese Erwägungen fallen aber der Interessenabwägung oder der Angemessenheitsprüfung zu. Hängt die Schutzwürdigkeit des Rechtsguts maßgeblich davon ab, ob der Notstandstäter zur Duldung verpflichtet ist, wird die abstrakte Bestimmung der Notstandsfähigkeit des Rechtsguts mit Bewertungskriterien versehen, deren Prüfung das Gesetz an anderer Stelle vorsieht. Im Ergebnis, und in diesem Punkt besteht Einigkeit, kommt eine Rechtfertigung nach § 34 StGB nicht in Betracht, wenn die Beeinträchtigung gesetzlich gewollt ist.207 Führt die Durchführung eines rechtsförmigen Strafverfahrens zu einer Gefährdung eines Rechtsguts, muss die Schutzwürdigkeit, wenn sie zur Bestimmung der Notstandsfähigkeit des Rechtsguts herangezogen wird, verneint werden.

203  Heinrich, AT, Rn. 409; Maurach / Zipf, AT I, § 27 III 14; Satzger, JuS 1997, 800 (803), der aber selbst einräumt, dass das gleiche Ergebnis durch das Heranziehen der sonstigen Voraussetzungen des § 34 StGB erzielt wird; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 447; a. A. Kühl, AT, § 8 Rn. 32; LK-Zieschang, 12. Aufl., § 34 Rn. 24; Paglotke, S.  34 ff. 204  Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 450; offen gelassen Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 9. 205  Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 450. 206  Zu der aus dem Urteil folgenden Duldungspflicht siehe sogleich Kapitel 5 § 21 III. 2. b) bb). 207  Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 9.

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

bb) Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut Eine vergleichbare Diskussion findet sich auch bei der Frage, wann von einer Gefahr im Sinne des § 34 S. 1 StGB auszugehen ist. Eine maßgeblich von Paglotke begründete Ansicht will bestimmte Gefahren von vornherein aus dem Gefahrenbegriff des 34 StGB ausschließen, indem der Begriff der Gefahr um eine normative Komponente erweitert wird und somit bestimmte Umstände nicht mehr als gefahrbegründend gewertet werden können.208 Der Begriff der „Gefahr“ wird gemeinhin definiert als ein Zustand, in dem aufgrund tatsächlicher Umstände eine über das allgemeine Lebensrisiko hi­ nausgehende Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Schaden für das Erhaltungsgut eintritt oder ein bereits eingetretener Schaden intensiviert wird.209 Die Beurteilung der Gefahr muss aus einer ex-ante Perspektive erfolgen.210 Kennzeichnend für den Gefahrenbegriff ist, dass das betroffene Rechtsgut eine gewisse Nähe zum gefahrbegründenden Umstand aufweist. Das Erhaltungsgut muss sich in einer Krise befinden, allein die theoretische Möglichkeit reicht zur Annahme einer gegenwärtigen Gefahr nicht aus.211 Welchen Ursprung die Gefahr hat, ist für die Anwendbarkeit von § 34 StGB unerheblich. Erforderlich – und zugleich der Dreh- und Angelpunkt für die Annahme einer Gefahr – ist die Prognose über einen sich weiterentwickelnden Zustand. Der Begriff der „Gefahr“ ist, ohne dass es an dieser Stelle auf die einzelnen Komponenten ankommt, jedenfalls nach der überwiegenden Meinung nach rein tatsächlichen Gesichtspunkten zu bestimmen.212 Paglotke unternimmt in seiner Arbeit den Versuch, dem Merkmal der Gefahr eine normative Komponente zu verleihen, um auf diese Weise bestimmte Prozesssituationen auszuschließen. Die Notwendigkeit einer normativen Einschränkung des Gefahrenbegriffs leitet er maßgeblich daraus ab, dass bereits für die Frage, welcher Beurteilungsmaßstab für die Prognoseentscheidung anzulegen ist, im Wesentlichen rechtliche Erwägungen den Ausschlag ge-

208  Paglotke,

S.  37 ff. Beschl. v. 15.2.1963  – 4 StR 404 / 62, BGHSt 18, 271 (272); BGH Urt. v. 25.3.2003 – 1 StR 483 / 02, BGHSt 48, 255 (258); AnwK-StGB / Hauck, § 34 Rn. 3; Delonge, S. 107; Dimitratos, S. 50; Fischer, StGB, § 34 Rn. 4; Kühl, AT, § 8 Rn. 39 f.; Krey / Esser, AT, § 15 Rn. 589; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 12; SSWStGB / Rosenau, § 34 Rn. 8. 210  Heinrich, AT, Rn. 406; Jakobs, AT, 13 / 13; Kühl, AT, § 8 Rn. 43. 211  BGH Beschl. v. 15.2.1963  – 4 StR 404 / 62, BGHSt 18, 271 (272); Kühl, AT, § 15 Rn. 40; NK-Neumann, § 34 Rn. 39. 212  BGH Beschl. v. 15.2.1963  – 4 StR 404 / 62, BGHSt 18, 271; BGH Urt. v. 25.3.2003  – 1 StR 483 / 02, BGHSt 48, 255; BeckOK-StGB / Momsen / Savic, § 34 Rn. 4; Lackner / Kühl, § 34 Rn. 2; NK-Neumann, § 34 Rn. 45. 209  BGH



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ben.213 Einigkeit besteht im Grundsatz, dass ein objektiver Beurteilungsmaßstab aus der ex-ante Perspektive zugrunde zu legen ist. Umstritten ist hingegen, inwiefern der Prognoseentscheidung des Notstandstäters subjektive Elemente hinzugefügt werden können oder gar hinzugefügt werden müssen. Eine Meinung will die Gefahrenprognose aus der Perspektive eines sachkundigen Beobachters entscheiden.214 Andere wollen hingegen auf den Verkehrskreis des Handelnden abstellen.215 Ein weiterer Ansatz besteht darin, die Gefahrenprognose aufzuspalten, nämlich in die Beurteilung des Gefahren­ urteils und die Verlaufsprognose.216 Aufgrund dieser Auseinandersetzung um die Subjektivierung des Gefahrenbegriffs und die damit einhergehende Erweiterung der tatsächlichen Umstände um normative Elemente, die in der Sache allerdings heftig umstritten ist, findet Paglotke seinen Ausgangspunkt für die normative Begründung des Gefahrenbegriffs. Es bestehe seiner Ansicht nach ein Bedürfnis, den Begriff der Gefahren um eine normative Komponente zu erweitern, weil es Situation gebe, die, wie das Beispiel des rechtskräftig Verurteilten zeige, unter keinen Umständen einer Rechtfertigung zugänglich sind. Das Recht stehe Schädigungen, die dem Individualrechtsgut drohen, daher nicht indifferent gegenüber.217 Die Begründung hierfür könne aber weder in der fehlenden Feststellung eines notstandsfähigen Rechtsguts noch in der Interessenabwägung oder der Angemessenheit der Handlung liegen, sondern sei bereits im Begriff der Gefahr angelegt. Auf der Stufe der Interessenabwägung sei es nämlich nicht mehr möglich, die Prüfung allein anhand des Schutzguts und der ihm drohenden Gefahr vorzunehmen, weil die Interessenabwägung zwingend voraussetze, dass eine Wertbestimmung der kollidierenden Rechtsgüter erfolgt sei. Der Maßstab für die Bewertung, ob eine notstandsfähige Gefahr vorliegt, soll nach Ansicht Paglotkes die rechtliche Missbilligung sein.218 Von einer rechtlichen Missbilligung sei stets auszugehen, wenn ein Gefährdungserfolg vorliege. Dies sei dann der Fall, wenn die Rechtsordnung die Gefährdung des Rechts will oder dessen Beeinträchtigung zumindest in Kauf nehme.219 Eine notstandstaugliche Gefahr könne in dieser Konsequenz nur eine Gefahr darstellen, deren Erfolg in der konkreten Situation nicht im Einklang mit der

213  Paglotke,

S. 54. AT, 13 / 13; Lackner / Kühl, § 34 Rn. 2; Roxin, AT I, § 16 Rn. 16; SSWStGB / Rosenau, § 34 Rn. 9. 215  Freund, AT, § 3 Rn. 55; Schaffstein, Bruns-FS 1978, 89 (101 f.). 216  MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 65. 217  Paglotke, S. 56. 218  Paglotke, S. 57. 219  Paglotke, S. 58. 214  Jakobs,

286

5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

Rechtsordnung stehe, weil sie rechtlich nicht gewollt sei.220 Die Gefahr müsse also einen Erfolgsunwert aufweisen. Denn nur in einem solchen Fall könne durch die Gefahrenabwehr ein Erfolgswert geschaffen werden, der dazu geeignet sei, das Erfolgsunrecht der Tatbestandsverwirklichung zu kompensieren.221 Bevor auf die einzelnen Prozesssituationen eingegangen wird, sollen noch einige grundsätzliche Einwände gegen die normative Erweiterung des Gefahrenbegriffs erhoben werden. Bereits die Begründung, dass der Begriff der Gefahr eine Verrechtlichung erfahren hat, überzeugt nicht. Der Streit um den Grad der Subjektivierung legt nicht nahe, dass damit zwangsweise eine normative Aufladung des Gefahrenbegriffs verbunden ist.222 Auch der zweite Begründungsansatz vermag nicht zu überzeugen. Weshalb sich eine rechtliche Bewertung auf Ebene der Interessenabwägung oder der Angemessenheitsprüfung zwingend verbietet, erschließt sich nicht ohne weiteres. Überzeugend weist Schumann darauf hin, dass gerade im Rahmen der Interessenabwägung neben dem situativen Aspekt vor allem auch Rechtspflichten miteinbezogen werden können.223 Aufgrund dessen wird in der Regel ein Überwiegen des Einzelinteresses des Notstandstäters nicht gegeben sein.224 Gegen ein solches Verständnis des Gefahrenbegriffs spricht schlussendlich auch, dass die übrigen Voraussetzungen des § 34 StGB keine eigenständige Bedeutung mehr haben würden. Die der Interessenabwägung vorbehaltene Frage, ob die Gefahr in Anbetracht der kollidierenden Rechtsgüter hingenommen werden muss, würde leerlaufen.225 Es besteht vor diesem Hintergrund schon kein Bedürfnis mehr, den rein tatsächlichen Gefahrenbegriff um Elemente zu erweitern, die dieser bisher nicht aufweist. Eine solche Vorgehensweise würde zudem den Schwerpunkt der Betrachtung einseitig auf die Bewertung des Erhaltungsguts verengen, ohne die Wertigkeit des Eingriffsguts zu berücksichtigen. Ist die Antwort damit dem Grunde nach bereits gegeben, soll dennoch der Frage nachgegangen werden, ob das Strafverfahren nach diesen Kriterien eine notstandstaugliche Gefahr darstellt. Paglotke unterscheidet unterschiedliche Bedrohungssituationen, die den Gang des Strafverfahrens wiederge220  Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Mitsch,

AT, § 15 Rn. 79; Lenckner, S. 122. AT, § 15 Rn. 79. 222  Widersprüchlich erscheint zudem der Verweis auf Lackner, S. 20. Er behandelt dort den Gefahrenbegriff im Verkehrsstrafrecht. Dieser sei „ein durch und durch normativer Begriff“. Zuvor hatte Paglotke jedoch festgestellt, dass der Gefahrenbegriff in § 34 StGB notstandsspezifisch ausgelegt werden muss. 223  Schumann, S.  331 f. 224  Schumann, S. 332. 225  Joerden, GA 1991, 411 (413); Küpper, S.  135 f. 221  Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Mitsch,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe

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ben.226 Er trennt zwischen der Vollstreckung rechtskräftiger Urteile, prozessualen Zwangsmaßnahmen, der Verurteilung des Angeklagten und der Durchführung des Strafverfahrens selbst. Die Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteils vermöge unter keinen Umständen, eine rechtlich relevante Gefahr zu begründen. Argumentativ lasse sich dies damit begründen, dass aufgrund der Rechtskraft des Urteils die damit einhergehenden Einbußen für den Verurteilten rechtlich gewollt seien,227 das betroffene Rechtsgut in diesem Fall also nicht schutzwürdig sei.228 Eine Anwendung von § 34 StGB ist in diesem Fall nach den bisherigen Ausführungen schon allein deshalb ausgeschlossen, weil die Regeln über die Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 359 ff. StPO) vorrangig sind. Das gleiche Ergebnis soll bei der Durchführung prozessualer Zwangsmaßnahmen gegeben sein. Auch hier ergebe eine rechtliche Bewertung, dass der drohende Schaden rechtlich gewollt sei,229 das Rechtsgut nicht schutzwürdig ist oder die Verfahrensregeln vorrangig seien. Auf die Frage, ob der von der Zwangsmaßnahme Betroffene die ihm zu Last gelegte Tat begangen hat, komme es nicht an, weil die Zulässigkeit der Maßnahme lediglich einen bestimmten Verdachtsgrad voraussetzt.230 Auch in diesem Fall greifen vorrangig wahrzunehmende Rechtsschutzmöglichkeiten zugunsten des Betroffenen ein. Ist die Lösung dieser beiden Prozesssituationen konsequent und nachvollziehbar, soll nach Paglotke bei der Untersuchung, ob die drohende Verurteilung des Beschuldigten – und genau diese Konstellation ist von Interesse – eine Gefahr begründen kann, unterschieden werden, ob der Beschuldigte die Tat begangen hat oder unschuldig ist.231 Ist der Angeklagte unschuldig, soll eine Rechtfertigung in Betracht kommen, weil die Verurteilung eines Unschuldigen rechtlich nicht gewollt sei, sondern gerade dessen Vermeidung. Dies ergebe sich zwingend aus der Aufgabe des Strafverfahrens, die Wahrheit zu erforschen.232 Dieses Ergebnis ist nicht nachvollziehbar.233 Ist der Maßstab für die Beurteilung dieser Frage, ob die Gefahr rechtlich gewollt ist, muss aber auch die Verurteilung eines Unschuldigen aus dem Gefahrenbegriff ausscheiden. Das Ergebnis ist zwar nicht wünschenswert, entscheidend ist jedoch die Frage, ob das Urteil auf einem rechtlich gewollten Weg zu226  Paglotke,

S. 89 ff.; vgl. hierzu auch eingehend: Schumann, S.  329 ff. AT, § 15 Rn. 80; Paglotke, S. 91. 228  Siehe oben Kapitel 5 § 21 III. 2. a) aa). 229  Paglotke, S. 92; im Ergebnis zustimmend, aber mit anderem Begründungsansatz: Schumann, S.  333 f. 230  Paglotke, S. 92. 231  Paglotke, S. 94. 232  Paglotke, S. 95. 233  Vgl. auch Schumann, S. 335. 227  Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Mitsch,

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

stande gekommen ist. Um eine konsequente Unterscheidung zwischen einem zu Recht und zu Unrecht verurteilten Täter durchführen zu können, müsste vorausgesetzt werden, dass das Gericht stets die reine Wahrheit kennen würde. Dass die Orientierung an einem solchen Maßstab nicht praktikabel ist, liegt auf der Hand. Selbst die Frage, ob die Verurteilung auf gesetzmäßigem Weg zustande gekommen ist, kann nicht dazu geeignet sein, ein Notstandsrecht im Fall einer drohenden und in der Sache zu Unrecht drohenden Verurteilung anzunehmen. Eine solche Annahme würde erneut ignorieren, dass der Gesetzgeber dem Betroffenen ein Verfahren zur Verfügung gestellt hat, um die Entscheidung zu korrigieren. Alles andere würde bedeuten, dass der Beschuldigte das Gesetz unter einem weitgehenden Billigkeitsvorbehalt stellen könnte.234 Ein solche Konsequenz wäre jedoch mit dem Gewaltmonopol des demokratisch legitimierten Gesetzgebers nicht vereinbar. Gleiches muss für den letzten von Paglotke untersuchten Fall gelten, nämlich die Durchführung des Prozesses selber. Auch in diesem Fall ist eine Unterscheidung zwischen dem Beschuldigten, der die Straftat nicht begangen hat, und dem Beschuldigten, der die Straftat tatsächlich begangen hat, nicht möglich. Die Durchführung eines Strafverfahrens und die damit zwangsläufig verbundenen Belastungen für den Beschuldigten verwirklichen kein Unrecht.235 Es zeigt sich somit, dass eine normative Einschränkung nicht überzeugt. cc) Gegenwärtigkeit der Gefahr Bei der Durchführung des Strafverfahrens muss es sich um eine gegenwärtige Gefahr handeln, um von einer Notstandslage ausgehen zu können. Gegenwärtig ist nach allgemeiner Ansicht jede Gefahr, die alsbald in einen Schaden umschlagen kann, wenn keine Abwehrmaßnahme ergriffen wird.236 Anders als beim Notwehrrecht ist nicht entscheidend, dass der Schadenseintritt unmittelbar bevorsteht, sondern ob zur Gefahrenabwehr ein sofortiges Handeln erforderlich ist.237 Neben der Augenblicksgefahr, also einem plötzlich eingetretenen Gefahrenzustand, der zur Verhinderung des Schadenseintritts eine unmittelbare Handlung zur Gefahrenabwehr erfordert, ist insbesondere auch die sog. Dauergefahr vom Begriff der Gefahr erfasst. Eine Dauergefahr beschreibt einen Zustand, in dem über einen längeren Zeitraum eine permanente Gefährdung vorliegt und der voraussichtliche Zeitpunkt des 234  Siehe

oben Kapitel 5 § 21 III. 1. b) aa). oben Kapitel 5 § 21 III. 1. b) aa). 236  RG Urt. v. 26.4.1932  – I 1341 / 31, RGSt 66, 222 (225); Frister, AT, 17. Kap. Rn. 5; Heinrich, AT, Rn. 412; Küper, Rudolphi-FS 2004, 151 (152); Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 17. 237  Heinrich, AT, Rn. 413; NK-Neumann, § 34 Rn. 56. 235  Siehe



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe

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Schadenseintritts nicht genau bestimmbar ist, die Gefahr aber jederzeit in einen Schaden umschlagen kann.238 Der Begriff der Dauergefahr, der seinem Ursprung nach auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zurückzuführen ist, weist vornehmlich eine klarstellende Funktion auf.239 Neben dem rein zeitlichen Aspekt der Dauergefahr sollte ihr nach Ansicht des Reichsgerichts auch die Funktion zukommen, einzelne Tataspekte zu einer Dauergefahr zusammenzufassen und auf diese Weise die Gegenwärtigkeit der Gefahr zu begründen.240 Beispielhaft hierfür ist Entscheidung des Reichsgerichts zur Strafbarkeit des Angeklagten, der als Zeuge einen Meineid beging, weil er sich von Gleichgesinnten des Angeklagten bedroht fühlte.241 Der Angeklagte war Opfer einer Straftat und erstattete gegen den Täter, der zugleich Angehöriger einer Partei war, Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung. Den Inhalt seiner polizeilichen Vernehmung wiederholte er zunächst unter Eid in der Hauptverhandlung. Vor dem nächsten Verhandlungstermin wurde der Zeuge von Gleichgesinnten des Täters überfallen. Im Fortsetzungstermin war der Angeklagte wiederum als Zeuge geladen. Er wandelte seine Aussage aufgrund der gegen ihn gerichteten Drohungen dahingehend ab, dass der vermeintliche Täter nicht den entscheidenden Tritt gegen ihn geführt hat. Das Schöffengericht bejahte im Zeitpunkt der ersten Zeugenvernehmung zwar noch die Gefahr, doch wäre die Gefahr auf andere Weise abwendbar gewesen. Der Zeitraum nach der Aussage sei hingegen nicht mehr geeignet, eine gegenwärtige Gefahr für ein Rechtsgut des Angeklagten zu begründen.242 Dieser Aufspaltung der Gefahr widersprach das Reichsgericht. Es liege auch im Zeitpunkt der Tat eine gegenwärtige Gefahr im Sinne einer Gefahreneinheit vor, da eine Trennung derselben Gefahr in einen gegenwärtigen und zukünftigen Teil nicht möglich sei.243 Diese Ansicht bestätigte das Gericht in der sog. „KommunistenEntscheidung“.244 Der Angeklagte war bereits vor seiner Vernehmung als Zeuge dadurch in Gefahr geraten, indem er von Gleichgesinnten des Täters, dessen Handlung er beobachtet hatte, erkannt und bedroht wurde. In der Hauptverhandlung leistete er einen Meineid, um sich selbst zu schützen. Das Reichsgericht begründete das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr im Zeitpunkt der Vernehmung damit, dass die Bedrohungslage bereits vor der Eides238  BGH Urt. v. 5.3.1954  – 1 StR 230 / 53, BGHSt 5, 371 (373); NK-Neumann, § 34 Rn. 56; SSW-StGB / Rosenau, § 34 Rn. 12. 239  Küper, Rudolphi-FS 2004, 151 (158). 240  Küper, Rudolphi-FS 2004, 151 (159). 241  RG Urt. v. 11.1.1932 – III 911 / 31, RGSt 66, 98. 242  RG Urt. v. 11.1.1932 – III 911 / 31, RGSt 66, 98 (100). 243  RG Urt. v. 11.1.1932 – III 911 / 31, RGSt 66, 98 (100). 244  RG Urt. v. 26.4.1932 – I 1341 / 31, RGSt 66, 222.

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

leistung bestanden habe und sich immer weiter verdichtete, bis sie schließlich eine besondere Höhe im Zeitpunkt der Vernehmung erreichte.245 Eine solche Gesamtschau stößt jedoch auf durchgreifende Bedenken und hat sich in der Folge auch nicht durchsetzen können. Bereits das Erfordernis der Erforderlichkeit, dass die Gefahrabwehrhandlung im Zeitpunkt ihrer Begehung die geeignete Reaktion sein muss, lässt sich mit dem Gedanken der Einheitsgefahr nicht in Einklang bringen. Eine Gesamtschau der Gefahr würde im Übrigen gegen das ultima-ratio-Prinzip verstoßen, welches durch die Erforderlichkeit zum Ausdruck gebracht wird.246 Es bleibt daher dabei, dass der Begriff der Dauergefahr eine weitgehend klarstellende Funktion aufweist, nämlich Gefahren in zeitlicher Perspektive, die jederzeit in einen Schaden umschlagen können, zu erfassen. Bei Anwendung dieses Maßstabes kann die Durchführung eines Strafverfahrens nicht durchgängig als gegenwärtige Gefahr angesehen werden, da abhängig vom Verfahrensstadium noch gar nicht beurteilt werden kann, ob jemals ein Zustand eintritt, der geeignet ist, in einen Schaden für das Rechtsgut umzuschlagen.247 Besonders deutlich tritt die fehlende Gegenwärtigkeit der Gefahr zutage, wenn die einzelnen Verfahrensstadien betrachtet werden. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kann keine gegenwärtige Gefahr für ein Rechtsgut begründen, da zu diesem Zeitpunkt der Sachverhalt noch gar nicht erforscht ist und die Staatsanwaltschaft noch nicht beurteilen kann, ob ein hinreichender Tatverdacht gegeben ist. Auch der Abschluss des Ermittlungsverfahrens in Form der Erhebung der öffentlichen Klage ist noch nicht dazu geeignet, eine gegenwärtige Gefahr zu begründen. Dies ergibt sich aus der Funktion des Zwischenverfahrens, das als gerichtliche Kontrollinstanz dem Hauptverfahren vorgelagert ist. Allein durch die Erhebung der öffentlichen Klage wird noch kein Zustand begründet, der jederzeit in einen Schaden umschlagen kann. Selbst der Eröffnungsbeschluss ist noch nicht dazu geeignet, denn es muss bekanntlich lediglich ein hinreichender Tatverdacht bestehen, um das Hauptverfahren zu eröffnen (§ 203 StPO). Dieser ist nach der Rechtsprechung gegeben, wenn nach der Tatbewertung auf der Grundlage des Ermittlungsergebnisses eine Verurteilung wahrscheinlich ist.248 Besteht lediglich eine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit, hat sich die Gefahr aber noch nicht im ausreichenden Maß verdichtet, um die Gegenwärtigkeit annehmen zu können. Dafür spricht, dass die hinreichende 245  RG

Urt. v. 26.4.1932 – I 1341 / 31, RGSt 66, 222 (226). Rudolphi-FS 2004, 151 (161 f.). 247  Michalowski, ZStW 109 (1997), 519 (535); Vogt, S. 132; a. A. Paglotke, S. 90. 248  BGH Beschl. v. 24.8.1987  – StB 9 / 87, BGHSt 35, 39 (41); BGH Urt. v. 22.7.1970  – 3 StR 237 / 69, BGHSt 23, 304 (306); OLG Saarbrücken Beschl. v. 17.7.2008 – 1 Ws 131 / 08, NStZ-RR 2009, 88. 246  Küper,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe291

Wahrscheinlichkeit nur die Bedingung für die Eröffnung des Hauptverfahrens ist, jedoch nicht ausreicht, um den Angeklagten zu verurteilen. Erforderlich für die Verurteilung ist die persönliche Gewissheit des Richters und die hohe objektive Wahrscheinlichkeit der Umstände der Tat (§ 261 StPO).249 Grundlage für die Überzeugung darf nur das Ergebnis der Beweisaufnahme der Hauptverhandlung sein. Die aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnene Überzeugung begrenzt die Erkenntnisgrundlage, auf die sich das Urteil stützen darf.250 Von einer gegenwärtigen Gefahr kann dementsprechend erst dann ausgegangen werden, wenn die Beweisaufnahme abgeschlossen wurde. Der Abschluss der Beweisaufnahme markiert den Punkt, bis zu dem Beschuldigte die Möglichkeit hat, das Ergebnis der Beweisaufnahme mit den Mitteln des Prozessrechts zu seinen Gunsten zu verändern. Erst zu diesem Zeitpunkt steht die Beurteilungsgrundlage für die Überzeugungsbildung fest. Das Abstellen auf einen früheren Zeitpunkt begründet keine Gegenwärtigkeit der Gefahr, weil noch kein Zustand vorliegt, der jederzeit in einen Schaden umschlagen kann. Es handelt sich entgegen der Auffassung von Paglotke nicht um eine willkürliche Aufspaltung des Strafprozesses in einen „bedrohenden“ und einen „nicht-bedrohenden“ Teil.251 Diese Aufspaltung ist sogar erforderlich, weil nicht jedes Verfahrensstadium einen Zustand beschreibt, der in einen Schaden umschlagen kann. Andernfalls würde dem Begriff der Dauergefahr eine Eigenschaft zugeschrieben, die diese nicht besitzt. Eine Einheitsbetrachtung der Gefahr in dem Sinne, dass am Ende des Strafverfahrens ein Schaden eintreten kann, verbietet sich daher. Kann die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich den Tatbestand des § 353b Abs. 1 StGB erfüllen, kommt aufgrund des Strafrahmens und der damit verbundenen Einstufung als Vergehen auch der Erlass eines Strafbefehls in Betracht (§ 407 Abs. 1 S. 4 StPO). Ausgehend von den zuvor entwickelten Kriterien begründet der Erlass des Strafbefehls eine Gefahr. Wird gegen diesen nicht binnen zwei Wochen Widerspruch eingelegt, steht er einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 410 Abs. 3 StPO). Weil mit Rechtskraft des Urteils der Schaden eingetreten ist, begründet der vorangehende Zeitraum die Gegenwärtigkeit der Gefahr. Die weitere Beurteilung richtet sich sodann erneut nach den zuvor getroffenen Kriterien, ob der Vorrang eines gesetzlichen Verfahrens anzunehmen ist.252

249  MüKo-StPO / Miebach,

§ 260 Rn. 51; SK-StPO / Velten, 4. Aufl., § 261 Rn. 6. § 261 Rn. 3; Wachsmuth, S. 39.

250  SSW-StPO / Schluckebier, 251  Paglotke, 252  Siehe

S. 90. oben Kapitel 5 § 21 III. 1. b) aa).

292

5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

dd) Ergebnis zum Bestehen einer Notstandslage Die Durchführung eines Strafverfahrens kann eine Notstandslage begründen, allerdings nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen. Wird die Notstandsfähigkeit oder die Gefahr nach normativen Gesichtspunkten bestimmt, liegt jedenfalls dann keine Notstandslage vor, wenn der beschuldigte Amtsträger verpflichtet ist, die Gefahr hinzunehmen. In diesem Fall wird das bereits herausgearbeitete Ergebnis, dass aufgrund des Vorrangs gesetzlicher Verfahren ein Rückgriff auf den rechtfertigenden Notstand ausgeschlossen ist, bestätigt. Wird hingegen auf die normative Einschränkung aus guten Gründen verzichtet, kann die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens nicht unbesehen als Gefahr aufgefasst werden. Erst mit dem Abschluss der Beweisaufnahme tritt das Geschehen in einen Zustand ein, der eine Gefahr für das Rechtsgut begründen kann. Der beschuldigte Amtsträger kann sich demnach nicht bereits zu Beginn des Strafverfahrens darauf berufen, dass eine gegenwärtige Gefahr gegeben ist, sondern muss zunächst den weiteren Verlauf abwarten. Erst wenn sich nach Erarbeitung der richterlichen Beurteilungsgrundlage für die Überzeugungsbildung ergibt, dass eine Gefahr droht, ist eine Notstandslage gegeben. b) Notstandshandlung Sind die Voraussetzungen für die Annahme einer Notstandslage im Vergleich zum Notwehrrecht weiter gefasst, stellt das Gesetz an die Notstandshandlung hingegen strengere Anforderungen. Dies folgt aus dem gesteigerten Legitimationserfordernis des Notstandsrechts.253 Die Notstandshandlung ist nur gerechtfertigt, wenn sie zur Abwehr der gegenwärtigen Gefahr erforderlich ist und zugleich das Interesse am Erhalt des Rechtsguts des Notstands­ täters gegenüber dem Interesse am Erhalt des Eingriffsguts wesentlich überwiegt. Zudem muss sich die Rettungshandlung als angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr darstellen (§ 34 S. 2 StGB). Der Schwerpunkt der nachfolgenden Untersuchung wird auf der Erforderlichkeit und der Interessenabwägung liegen. Hinsichtlich beider Punkte wird auf die Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchung Bezug genommen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit werden erneut die Erkenntnisse relevant werden, die bei der Untersuchung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers erarbeitet wurden. Die Interessenabwägung wird maßgeblich davon beeinflusst, welches Gewicht das Interesse an der Verschwiegenheitspflicht aufweist. Hierfür kann die Untersuchung zur Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers fruchtbar gemacht werden. 253  Siehe

Kapitel 5 § 21 I.



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe293

aa) Geeignetheit Die Handlung muss zunächst geeignet sein, die Gefahr abzuwenden.254 Die Geeignetheit verlangt nicht, dass die Handlung mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Rettung des Rechtsguts führt.255 Aufgrund des Solidaritätsprinzips darf die Handlung aber auch nicht völlig ungeeignet sein, die Gefahr abzuwenden. Von der Geeignetheit wird daher auszugehen sein, wenn die Erfolgsaussicht, das Rechtsgut zu erhalten, im Vergleich zur Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts über­ wiegt.256 Bei Anwendung dieses Maßstabes ist die Verletzung der Verschwie­ genheitspflicht grundsätzlich ein geeignetes Mittel für den Amtsträger, um sich gegen die erhobenen Vorwürfe zu verteidigen. Es wurde bereits festgestellt, dass es dem Gericht nicht verboten wäre, die Einlassung des Beschuldigten zu verwerten. Das strafrechtliche Verbot der unbefugten Offenbarung eines Geheimnisses hat auf die verfahrensrechtliche Behandlung keinen Einfluss, weil aus der Rechtswidrigkeit der Offenbarung kein Verwertungsverbot folgt.257 bb) Erforderlichkeit Zwar wird das Merkmal der Erforderlichkeit in § 34 S. 1 StGB nicht ausdrücklich genannt, es besteht aber Einigkeit, dass es aus der Formulierung der „[…] nicht anders abwendbaren Gefahr“ abzuleiten ist.258 Durch diese Formulierung wird deutlich, dass vom Notstandstäter erwartet wird, zunächst alle in Betracht kommenden Möglichkeiten zu nutzen, um der Gefahr auf andere Weise als durch die Beeinträchtigung fremder Interessen zu begegnen. Diese Einschränkung gegenüber dem Notwehrrecht folgt aus dem Solidaritätsprinzip, das zur Begründung des Notstandes herangezogen wurde.259 Vom Betroffenen darf nicht verlangt werden, seine Rechtsgüter zur Verfügung zu stellen, wenn der Notstandstäter andere Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr ungenutzt lässt. Erst wenn feststeht, dass keine andere Möglichkeit zur Rettung des Erhaltungsguts zur Verfügung steht, darf von ihm ver254  Frister, AT, 17. Kap. Rn. 8; Jakobs, AT, 13 / 17; Kühl, AT, § 8 Rn. 80; NKNeumann, § 34 Rn. 60. 255  NK-Neumann, § 34 Rn. 60. 256  Kühl, AT, § 8 Rn. 81; NK-Neumann, § 34 Rn. 60. 257  Vgl. Kapitel  2 § 7 IV.; BGH Urt. v. 12.1.1956  – 3 StR 195 / 55, BGHSt 9, 59 (61 f.); BGH Urt. v. 28.10.1960  – 4 StR 375 / 60, BGHSt 15, 200 (202); Haffke, GA 1973, 65. 258  Kühl, AT, § 8 Rn. 75; NK-Neumann, § 34 Rn. 58; SSW-StGB / Rosenau, § 34 Rn. 13. 259  Siehe Kapitel 5 § 21 III. 1. b).

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

langt werden, den Eingriff in seine Rechtsgüter zu dulden. Die Erforderlichkeit ist dabei an die Voraussetzung geknüpft, dass es sich um das mildeste Mittel handelt.260 Die Beurteilungsperspektive ist die Gleiche wie bei der der Notstandsgefahr.261 Entscheidend sind somit die im Zeitpunkt der Abwehrhandlung gefahrbegründenden Umstände. Die Frage, ob ein milderes Mittel vorhanden ist, setzt denklogisch voraus, dass überhaupt eine andere Handlungsalternative gegeben ist.262 Die Erforderlichkeit der Handlung ist demnach nicht gegeben, wenn mehrere geeignete Mittel zur Verfügung stehen, ein anderes Mittel die Rechtsgüter des Notstandsopfers aber weniger beeinträchtigt.263 Als ein solches Mittel könnte grundsätzlich die Durchsetzung jenes Anspruchs des Amtsträgers angesehen werden, der ihm das Recht zuspricht, von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden zu werden. Es hat sich bei der Untersuchung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Amtsträgers gezeigt, dass abhängig vom jeweiligen Dienst- bzw. Anstellungsverhältnis ein solcher Anspruch gegeben sein kann.264 Steht der Amtsträger zum Beispiel in einem Anstellungsverhältnis, ergibt sich dieser Anspruch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.265 Dies trifft hauptsächlich auf die Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zu, die im Rahmen ihrer organisatorischen Eingliederung Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bei einer Behörde wahrnehmen. Eine Behandlung dieser Problematik muss nach der hier vertretenen Ansicht unter dem Prüfungspunkt der Erforderlichkeit erfolgen, weil für diese Personengruppe das Erfordernis einer Aussagegenehmigung nicht besteht und ihre Stellung als Beschuldigter daher nicht unmittelbar beeinflusst wird. Aus diesem Grund konnte auch nicht angenommen werden, dass ein vorrangig zu beachtendes Verfahren einschlägig ist, das die Anwendbarkeit des Notstandes von vorn­ herein ausschließt. Es stellt sich somit die Frage, ob die Durchsetzung des Anspruchs das mildere Mittel ist. Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil der Amtsträger im gegenständlichen Verfahren streng genommen gar nicht auf die Entbindung von seiner Verschwiegenheitspflicht angewiesen ist, denn sie schränkt 260  Heinrich, AT, Rn. 417; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 87; SSWStGB / Rosenau, § 34 Rn. 13. 261  Vgl. Kapitel  5 § 21 III. 2. a) bb); Heinrich, AT, Rn. 417; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 88; Rengier, AT, § 19 Rn. 21; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 18; SSW-StGB / Rosenau, § 34 Rn. 13. 262  MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 87; Roxin, AT I, § 16 Rn. 23. 263  Heinrich, AT, Rn. 417 f.; Kühl, AT, § 8 Rn. 86; LK-Zieschang, 12. Aufl., § 34 Rn. 50; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 32; NK-Neumann, § 34 Rn. 62; Schönke /  Schröder / Perron, § 34 Rn. 18. 264  Siehe hierzu ausführlich Kapitel 3. 265  Siehe Kapitel 3 § 12.



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe295

ihn in der Geltendmachung seiner Verfahrensrechte nicht ein. Ist das Gericht nicht gehindert, die unter Verletzung der Verschwiegenheitspflicht erfolgte Äußerung zu verwerten, wäre es für den Amtsträger allemal besser, diesen Weg einzuschlagen und nicht erst den mühsamen Versuch zu unternehmen, den Anspruch gerichtlich durchzusetzen. Die damit angestoßene Problematik weist Ähnlichkeiten zu der Frage auf, ob der Notstandstäter vor seiner Handlung den Versuch unternehmen muss, die Einwilligung des Betroffenen einzuholen. Dies wird überwiegend abgelehnt, weil es sinnlos wäre, die Rechtfertigung von einem Einwilligungsverlangen abhängig zu machen, denn selbst im Fall der Ablehnung dürfte der Eingriff erfolgen.266 Die Unbeachtlichkeit folgt daraus, dass die Legitimation des Notstandes nicht an den Willen des Betroffenen anknüpft, sondern unabhängig hiervon eine Duldungspflicht vorsieht.267 In einem solchen Fall kollidieren zwei unterschiedliche Prinzipien des Notstandsrechts, die beide bei der Bestimmung der ­Erforderlichkeit zu beachten sind. Grundsätzlich stellt das Einholen der vorherigen Einwilligung das mildere Mittel dar. Allerdings legitimiert das Solidaritätsprinzip nur solche Eingriffe, die den bestmöglichen Nutzen versprechen.268 Die Entscheidung, welches Mittel nun das mildere darstellt, richtet sich sodann danach, ob das Interesse an der Vermeidung des Risikos im Vergleich zum Verzicht auf die einschneidende Maßnahme überwiegt.269 Diese Argumentation lässt sich jedoch nicht auf die vorliegende Situation übertragen. Anders als bei der bloßen Möglichkeit, den Betroffenen vorab um seine Einwilligung zu ersuchen, unterscheidet sich die gegenständliche Situation in einem wesentlichen Punkt, nämlich, dass der Notstandstäter Inhaber eines Anspruchs ist. Zwar ist die Durchsetzung des Anspruchs ebenfalls unabhängig vom Willen des Betroffenen, jedoch ergibt sich aus dem Anspruch zugleich der zulässige Umfang der Beeinträchtigung des fremden Rechtsguts. Der Anspruch auf Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht setzt dem Notstandsrecht damit insofern Grenzen, als dass sich die Auflösung der widerstreitenden Interessen vorrangig aus dem durch den Vertrag begründeten Rechtsverhältnis ergeben muss. Damit stellt sich aber die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs zwangsläufig als das mildere Mittel dar. Wird der Anspruchsgegner im Wege der gerichtlichen Entscheidung dazu verpflichtet, den Amtsträger von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, steht damit zugleich fest, dass gar keine Rechtsgutsbeeinträchtigung vorliegt. Dies gilt selbstverständlich aber auch in umgekehrter Weise 266  LK-Zieschang, 12. Aufl., § 34 Rn. 52; Roxin, AT  I, § 16 Rn. 24; Schönke /  Schröder / Perron, § 34 Rn. 20; SSW-StGB / Rosenau, § 34 Rn. 15. 267  Pawlik, S. 238 f. 268  Lenckner, Lackner-FS 1987, 95 (109); MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 103. 269  LK-Zieschang, 12. Aufl., § 34 Rn. 52; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 20a.

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

für den Amtsträger, dessen Anspruch auf Entbindung abgewiesen wurde. Für die Bewertung der Erforderlichkeit darf dabei die Frage, welcher Weg das geringere Risiko beinhaltet, nicht miteinbezogen werden.270 Diese Erwägung kann sachgerecht erst im Rahmen der Interessenabwägung behandelt werden, weil erst nach erfolgter Abwägung festgestellt werden kann, welches Risiko der Gefahrtragung dem Notstandstäter zugemutet werden darf. Dies hat zur Konsequenz, dass sich diejenigen Amtsträger, denen ein Anspruch auf Entbindung ihrer Verschwiegenheitspflicht zusteht, darauf verweisen lassen müssen, dass die Durchsetzung dieses Anspruchs das mildere Mittel im Vergleich zum Bruch der Verschwiegenheitspflicht darstellt. Es zeigt sich somit, dass es im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob sich der Amtsträger gegen die Versagung der Aussagegenehmigung zur Wehr setzen oder seinen Anspruch auf Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durchsetzen muss. In beiden Fällen folgt aus den unterschiedlichen Rechtsverhältnissen, in ­denen der Amtsträger zu seinem Dienstherrn steht, dass der Bruch der Verschwiegenheitspflicht nicht unter Berufung auf § 34 StGB gerechtfertigt werden kann. Kann sich der Amtsträger in einem solchen Fall somit nicht auf § 34 StGB berufen, stellt sich die Frage, ob sich dieser Befund auf die Durchführung des laufenden Strafverfahrens auswirkt. Kann sich der Amtsträger nämlich nur dann straffrei äußern, wenn er seinen Anspruch durchgesetzt hat, ist damit die Frage aufgeworfen, ob das Gericht das Verfahren aussetzen oder unterbrechen muss, um dem Amtsträger die Möglichkeit hierzu zu geben. Eine solche prozessgestaltende Befugnis könnte sich auf den ersten Blick wiederum aus § 262 Abs. 2 StPO ergeben. Es wurde jedoch bereits festgestellt, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht eröffnet ist, weil sie, was sich aus § 262 Abs. 1 StPO ergibt, nur dann zum Tragen kommt, wenn das außerstrafrechtliche Rechtsverhältnis entscheidungserheblich ist für das gegenständliche Verfahren. Der durch den Bruch der Verschwiegenheitspflicht verletzte Tatbestand ist jedoch gerade nicht Gegenstand des Verfahrens.271 Im Fall des Amtsträgers, auf den die beamtenrechtlichen Vorschriften Anwendung finden, richtet sich die Beurteilung danach, ob ihm die Möglichkeit gegeben wurde, sich gegen die Versagung der Aussagegenehmigung zu wehren. Dies führte dazu, dass nur in der Konstellation ein Verfahrenshindernis angenommen werden kann, in dem es dem Amtsträger unverschuldet nicht mehr möglich war, den Verfahrensweg zu beschreiten.272 Der Übertragbarkeit dieses Ergebnisses auf den Amtsträger, auf den die beamtenrechtlichen Vorschriften nicht anwendbar sind, steht jedoch der gewichtige Einwand 270  Schönke / Schröder / Perron,

§ 34 Rn. 19. Kapitel 3 § 13. 272  Siehe Kapitel 5 § 21 III. 1. b) bb) (2). 271  Vgl.



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe297

entgegen, dass er gar nicht auf das Vorliegen der Aussagegenehmigung angewiesen ist.273 Dementsprechend können die Auswirkungen auf das Strafverfahren nicht identisch sein. Daher kann auch der Einwand, dass die Geltendmachung des Anspruchs unter Umständen nicht mehr rechtzeitig erreicht werden kann, nicht durchdringen. Liegt hingegen eine gerichtliche Entscheidung vor, darf sich der Amtsträger nur in dem Umfang äußern, die ihm die Entscheidung vorgibt. Übrig bleibt somit nur noch die Gruppe der Amtsträger, auf die weder die beamtenrechtlichen Vorschriften Anwendung finden, noch in einem sonstigen Anstellungsverhältnis zu ihrem Dienstherrn stehen. Angesprochen sind damit die Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB). Es hat sich bereits gezeigt, dass aufgrund der Unklarheit, welche Rechtsnatur das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis aufweist und wegen der Unterschiede in der jeweiligen Ausgestaltung, eine einheitliche Betrachtung nicht möglich ist.274 Das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis kann jedenfalls weder mit einem Beamtenverhältnis gleichgesetzt werden, noch entspricht es einem normalen Anstellungsverhältnis. Die Antwort auf die Frage, ob für diese Personengruppe ein milderes Mittel im Sinne eines durchsetzbaren Anspruchs zur Verfügung steht, um die Gefahr abzuwenden, muss sich an den zuvor erarbeiteten Grundsätzen orientieren. Sie sind insofern verallgemeinerungsfähig. Kann dementsprechend aus dem Rechtsverhältnis ein Anspruch des Amtsträgers abgeleitet werden, der ihn von seiner Verschwiegenheitspflicht entbindet, stellt die Durchsetzung dieses Anspruchs das mildere Mittel dar. Verdeutlicht werden soll dies an folgendem Beispiel: In einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen etwa die Mitglieder der Bundesregierung oder die Parlamentarischen Staatssekretäre. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen sehen nur vor, dass sie sich nicht ohne Aussagegenehmigung vor Gericht oder außergerichtlich äußern oder Erklärungen abgeben dürfen (§ 6 Abs. 2 BMinG). Eine gesetzliche Regelung findet sich nur für den Fall, dass der Amtsträger als Zeuge vernommen werden soll (§ 7 Abs. 1 BMinG). Wie zu entscheiden ist, wenn der Amtsträger selbst Beschuldigter eines Strafverfahrens ist, lässt das Gesetz hingegen offen. Werden die bisherigen Ergebnisse auf diesen Befund übertragen, bedeutet dies, dass kein vorrangiges Verfahren zu beachten ist, weil das Erfordernis der Aussagegenehmigung nur im Fall der Zeugenvernehmung gilt und diese Einschränkung nicht auf die Stellung als Beschuldigter übertragen werden darf. In diesem Fall wäre sodann grundsätzlich zu überlegen, ob der Bruch der Verschwiegenheitspflicht über § 34 StGB gerechtfertigt sein kann, weil gerade kein 273  Siehe 274  Siehe

Kapitel 5 § 21 III. 1. b) bb) (6). Kapitel 1 § 4 II. 3.

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

vorrangig zu beachtendes Verfahren besteht, das den Rückgriff auf den rechtfertigenden Notstand von vornherein ausschließt. Kann der beschuldigte Amtsträger aber aus diesem Rechtsverhältnis einen Anspruch ableiten, ihn von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, muss er wiederum vorrangig versuchen, diesen Anspruch durchzusetzen, weil es das mildere Mittel darstellt. cc) Interessenabwägung Zur Bestätigung der gefundenen Ergebnisse soll noch der Frage nachgegangen werden, ob die Interessenabwägung dazu führen würde, dass die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht zur Verteidigung im Strafverfahren keiner Rechtfertigung zugänglich ist. Die Interessenabwägung entscheidet durch eine umfassende Wertung der kollidierenden Rechtsgüter, ob die Schwelle zur Mindestsolidarität überschritten und somit die Duldungspflicht des Eingriffsopfers ausgelöst wird.275 Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen den gegensätzlichen Interessen ein so ausgeprägtes Wertgefälle festgestellt werden kann, dass ein wesentlich überwiegendes Interesse am Erhalt der Rechtsgüter des Notstandstäters besteht.276 Die Vorschrift gibt bereits erste Hinweise darauf, welche Faktoren in die Interessenabwägung miteinzustellen sind, nämlich die betroffenen Rechtsgüter an sich und der Grad der ihnen drohenden Gefahr. Die Abwägung darf sich dabei nicht auf die Festlegung der abstrakten Wertigkeit beschränken, sondern muss weitere situationsbedingte Faktoren mitberücksichtigen. Diese Aufzählung ist, wie sich aus der Formulierung „namentlich“ ergibt, jedoch nicht abschließend.277 Zu berücksichtigen sind etwa die Art und der Ursprung der Gefahr oder die Unersetzlichkeit des eintretenden Schadens. In die Interessenabwägung muss aber auch die Überlegung miteinbezogen werden, ob das Rechtsgut in der konkreten Situation schutzwürdig ist. Zunächst soll kurz auf die Situation eingegangen werden, in der der Amtsträger erfolglos versucht hat, seinen Entbindungsanspruch gerichtlich durchzusetzen oder ihm dieser nicht im vollen Umfang gewährt wurde. Die Antwort, wie die Interessenabwägung in diesem Fall ausfallen muss, kann nach den bisher gefundenen Ergebnissen schnell gegeben werden. Aus der gericht275  MüKo-StGB / Erb,

3. Aufl., § 34 Rn. 105. AT, § 33 IV c; Kühl, AT, § 8 Rn. 97; NK-Neumann, § 34 Rn. 67; SSW-StGB / Rosenau, § 34 Rn. 31; a. A. Gropp, AT, § 5 Rn. 250, der dem Merkmal lediglich eine Klarstellungsfunktion zusprechen will, weil nach dem Rechtfertigungsprinzip jedes höherwertige Interesse das beeinträchtigte Interesse wesentlich überwiegen müsse. 277  Heinrich, AT, Rn. 422; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 459. 276  Jescheck / Weigend,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe299

lichen Feststellung, dass der Amtsträger nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden wird, folgt für ihn eine besondere Duldungspflicht.278 Die Begründung ist insofern vergleichbar zu der des rechtskräftig Verurteilten, der sich gegen die freiheitsentziehende Maßnahme zur Wehr setzt.279 Solche „institutionalisierten Duldungspflichten“ gehen in ihrer Wirkung über die Gefahrtragungspflicht hinaus, weil sie den Betroffenen nicht nur verpflichten die Gefahr hinzunehmen, sondern auch die Beeinträchtigung selbst.280 Übrig bleibt nur noch die Konstellation, in der es an einer gerichtlichen Entscheidung fehlt und zugleich unterstellt wird, dass das Ersuchen um eine solche Entscheidung nicht bereits das mildere Mittel darstellt. Aber auch in diesem Fall fällt die Interessensabwägung im Ergebnis zu Lasten des beschuldigten Amtsträgers aus. Die im Raum stehenden Rechtsgüter sind auf Seiten des Amtsträgers entweder seine Freiheit oder das Eigentum. Auf der anderen Seite steht das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung bestimmter Informationen, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben notwendig sind. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Freiheit der Person ein erhebliches Gewicht beigemessen werden muss. Dies zeigt allein schon ein Blick auf die verfassungsrechtlich besonders geschützte Stellung dieses Rechts (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und Art. 104 Abs. 1 GG). Gleiches gilt aber auch für das öffentliche Interesse. Die Untersuchung zur Verschwiegenheitspflicht hat gezeigt, dass der Gesetzgeber dem Funktionieren der öffentlichen Verwaltung, welche ohne die Vertraulichkeit geheimhaltungsbedürftiger Informationen nicht möglich wäre, ebenfalls einen verfassungsrechtlich hohen Stellenwert beigemessen hat.281 Ein wesentliches Überwiegen des geschützten Interesses des Amtsträgers lässt sich daher nicht ohne weiteres feststellen. Im Gegenteil muss sogar davon ausgegangen werden, dass sich die Wertigkeit seines Interesses zu seinen Ungunsten verschiebt. Einzustellen in die Interessenabwägung sind auch die bereits erwähnten Gefahrtragungspflichten bzw. Gefahrduldungspflichten.282 Sie verlangen vom Inhaber einer solchen Pflicht, eine bestimmte Gefahr im gesteigerten Maß hinzunehmen. Ausdrücklich angesprochen werden diese Art von Pflichten zwar nur in § 35 Abs. 1 S. 2 StGB, also im Fall des entschuldigenden Notstandes, es ist je278  AnwK-StGB / Hauck, § 34 Rn. 13; LK-Zieschang, 12. Aufl., § 34 Rn. 67; Lugert, S. 20; Roxin, AT I § 16 Rn. 54; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 34. 279  Vgl. Kapitel 5 § 21 III. 2. a) aa); a. A. Kühl, AT; § 8 Rn. 150, der diese Fälle auf der Stufe der Angemessenheit lösen will. Im Ergebnis ergibt sich kein Unterschied. 280  Bernsmann, S. 126 ff.; Rönnau, JuS 2016, 786 (790); Schönke / Schröder / Perron, § 35 Rn. 24. 281  Siehe Kapitel 1 § 4 II. 1. b), 2. a), 3. und 4. 282  Pawlik, S. 215 ff.; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 34; a. A. Matt / Renzikowski / Engländer, § 34 Rn. 39, der diesen Aspekt bei der Frage der Angemessenheit behandelt.

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

doch allgemein anerkannt, dass sie auch in die Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 34 StGB miteinbezogen werden müssen.283 Sie ändern grundsätzlich nichts an der Wertigkeit der betroffenen Rechtsgüter, wirken sich jedoch entscheidend auf die Frage der Schutzbedürftigkeit und damit auf die Inte­ ressenabwägung aus. Zu den ausdrücklich angesprochenen Gefahrtragungspflichten zählen insbesondere solche, die sich aus einem besonderen Rechtsverhältnis ergeben (§ 35 Abs. 1 S. 2 StGB). Erforderlich für ein besonders Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift ist nicht, dass eine gesetzliche Regelung vorhanden ist, die eine Sonderpflicht begründet.284 Entscheidend ist ausschließlich die ausgeübte Tätigkeit. Sie muss eine besondere Aufopferungspflicht für den Notstandstäter begründen. Diese Pflicht resultiert ihrerseits daraus, dass es sich um eine gefährliche Tätigkeit handelt, welche die Verpflichtung einschließt, Gefahren von der Allgemeinheit abzuwenden.285 Angenommen wurde eine solche Pflicht bisher für besonders gefahrträchtige Berufe wie Polizisten, Feuerwehrleute oder Soldaten.286 Feuerwehrmänner sind etwa dazu verpflichtet, aufgrund ihres Berufes die Gefahren hinzunehmen, die sich für sie als berufstypisch darstellen. So müssen sie etwa die Gefahren, die aus der Bekämpfung von Schadenfeuern, öffentlichen Notständen und aus der Rettung von Menschen resultieren,287 im gesteigerten Maß hinnehmen. Die Notwendigkeit von Gefahrtragungspflichten liegt auf der Hand. Wäre es dem Staat nicht möglich, für bestimmte Personengruppen besondere Pflichten vorzuschreiben, die mit den Mitteln des Strafrechts durchgesetzt werden könnten, wären staatliche Institutionen in vielen Fällen handlungsunfähig.288 Würde der Staat den Inhabern einer solchen Pflicht zubilligen, in der entsprechenden Gefahrensituation sich zum eigenen Schutz darauf berufen zu dürfen, in die Rechtsgüter eines Dritten einzugreifen, würde dies gerade dem Sinn einer solchen Pflicht zuwiderlaufen.289 Bei Anwendung dieses Maßstabes obliegt dem Amtsträger eine besondere Aufopferungspflicht, die von ihm verlangt, dass er die Gefahr, die aus seiner Verschwiegenheitspflicht folgt, hinnimmt. Dies gilt jedenfalls in Bezug auf 283  Kühl, AT, § 8 Rn. 147; Meißner, S. 246 f.; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 34; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 459; SSW-StGB / Rosenau, § 34 Rn. 29. 284  Kaspar, AT, Rn. 471; NK-Neumann, § 35 Rn. 41; Pawlik, S.  215 f. 285  Hörnle, JuS 2009, 873 (879); auf den Streit, ob die Schutzfunktion gegenüber der Allgemeinheit bestehen muss oder ob eine Schutzpflicht gegenüber einer einzelnen Person ausreicht, kommt es nicht an, weil die allgemeine Amtsverschwiegenheit ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht. 286  Bosch, JURA 2015, 347 (353); Heinrich, AT, Rn. 575. 287  So zum Beispiel § 2 Abs. 1 FwG-BW. 288  Lerman, ZStW 127 (2015), 284 (286). 289  Lerman, ZStW 127 (2015), 284 (286).



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe301

die Verschwiegenheitspflicht, deren Einhaltung unabweisbar erforderlich ist, um öffentliche Aufgaben zu erfüllen. Dient die Geheimhaltung einem übergeordneten öffentlichen Interesse, geht mit diesem Interesse eine Aufopferungspflicht des Amtsträgers einher, weil von ihm gerade in Bezug auf die Verschwiegenheitspflicht eine erhöhte Gefahrtragung erwartet wird. Mit der Amtsträgereigenschaft ist die jeweilige Person zugleich ein Rechtsverhältnis eingegangen, das von ihm im besonderen Maß die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht verlangt. Damit erkennt er zugleich an, dass für ihn in bestimmten Situationen ein anderer Maßstab der Zumutbarkeit angelegt wird. Besonders deutlich wird dies im Fall des verbeamteten Amtsträgers. Die Verschwiegenheitspflicht gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) und besitzt damit Verfassungsrang.290 Sie kann dem Kernbestand des Berufsbildes des Beamten zugerechnet werden. Bereits anhand dieser Wertung zeigt sich, dass die Beachtung der Verschwiegenheitspflicht zumindest für den verbeamteten Amtsträger eine gewichtige Rolle einnehmen muss und selbst in dem Fall überwiegt, in dem er selbst Beschuldigter eines Strafverfahrens ist. Dies bringen auch die Beamtengesetze selbst zum Ausdruck, wenn sie im Fall der Versagung der Aussagegenehmigung ausdrücklich vorsehen, dass dem Beamten Schutz zu gewähren ist, soweit es die Verschwiegenheitspflicht zulässt (§ 68 Abs. 2 S. 2 BBG, § 37 Abs. 5 S. 2 BeamtStG). Doch auch für den Amtsträger, der in einem vertraglichen Dienstverhältnis und nicht in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis steht, ist die Verschwiegenheitspflicht von einigem Gewicht. Zwar folgt aus dem Schuldverhältnis, dass er im Gegensatz zum verbeamteten Amtsträger oder dem Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtliches Amtes seinem Dienstherrn als Vertragspartner grundsätzlich gleichberechtigt gegenübersteht, jedoch bedeutet dies nicht, dass das Interesse des Amtsträgers zwangsläufig höher zu bewerten ist.291 So hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass dort, wo Angestellte im Wesentlichen die gleichen Aufgaben wie Beamte wahrnehmen, auch die gleichen Pflichten gelten müssen, um das Funktionieren der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten.292 Insbesondere das Argument, dass der Notstandstäter gewusst hat, welche Pflichten für ihn daraus entspringen, dass er ein solches Rechtsverhältnis eingegangen ist, muss in der Abwägungsentscheidung besonders berücksichtigt werden. Lässt sich somit kein wesentliches Überwiegen am Erhaltungsgut feststellen, könnte diese Schwelle aber wesentlich früher erreicht sein, wenn zu290  Siehe

Kapitel 1 § 4 II. 1. b). Urt. v. 25.8.1966 – 5 AZR 525 / 65, BAGE 19, 55 (64). 292  BVerfG Beschl. v. 28.4.1970 – 1 BvR 690 / 65, BVerfGE 28, 191 (198). 291  BAG

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

gunsten des Notstandtäters von einem Defensivnotstand auszugehen ist.293 Im Defensivnotstand muss von einer deutlich geringeren Schutzwürdigkeit des Eingriffsguts ausgegangen werden, weil die Gefahr aus der Sphäre des Duldungspflichtigen stammt und gerade nicht ein unbeteiligter Dritter seine Rechtsgüter aufopfern muss.294 Gedanklicher Anknüpfungspunkt für diese Überlegung ist die Unterstellung, dass der Staat durch die Durchführung des Strafverfahrens selbst zur Gefahrentstehung beigetragen hat und deswegen seine Rechtsgüter einen geringeren Schutz verdienen. Der Defensivnotstand steht damit dem Notwehrrecht weitaus näher als dem Aggressivnotstand.295 Gesetzlich verankert, bezogen auf die Gefahren, die von Sachen ausgehen, ist der Aggressivnotstand in § 904 BGB geregelt, während § 228 BGB den Defensivnotstand regelt. So verlangt § 228 S. 1 BGB, dass der Schaden, der durch die erforderliche Handlung verursacht wird, nicht außer Verhältnis zur Gefahr steht. Hingegen gibt § 904 BGB vor, dass der Eigentümer nicht befugt ist, die Einwirkung auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung notwendig ist und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung auf dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Der Vergleich beider Vorschriften zeigt, dass sich die Person des Solidaritätspflichtigen ändert. Während im Aggressivnotstand der unbeteiligte Dritte verpflichtet ist, sich gegenüber dem Notstandstäter solidarisch zu verhalten, wird im Defensivnotstand vom Notstandstäter verlangt, dass er von seinem Notstandsrecht zurückhaltend Gebrauch macht.296 Doch auch der Defensivnotstand kann die Interessenabwägung nicht zugunsten des beschuldigten Amtsträgers beeinflussen, wenn die Gefahr weiterhin auf andere Weise abwendbar ist. Bestimmt der Solidaritätsgedanke den Umfang des Defensivnotstandes, gilt, wie beim Aggressivnotstand, das Gebot, die Interessen des Anderen soweit wie möglich zu schonen.297 Die Ausübung eines Notrechts ist deswegen ausgeschlossen, wenn es dem Notstandstäter zugemutet werden kann, staatliche Hilfe zur Beseitigung der Gefahr in Anspruch zu nehmen. Dies setzt wiederum voraus, dass sie hierfür geeignet ist. Die bisherige Untersuchung hat aber gezeigt, dass dies der Fall ist.298 Die Interessenabwägung 293  Die überwiegende Meinung ordnet den Defensivnotstand dem Anwendungsbereich des rechtfertigenden Notstandes zu, vgl. Baumann / Weber / Mitsch / Eisele /  Mitsch, AT, § 15 Rn. 99; Fischer, StGB, § 34 Rn. 2; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 19; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 30; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 461; a. A. Engländer, GA 2017, 242 (252); Renzikowski, Notstand, S. 180 ff. 294  Baumann / Weber / Mitsch / Eisele / Mitsch, AT, § 15 Rn. 99 f.; Kühl, AT, § 8 Rn. 134; Mitsch, NZWiSt 2015, 259 (261); MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 152; Pawlik, S. 308 ff.; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 30. 295  NK-Neumann, § 34 Rn. 86; Pawlik, GA 2003, 12. 296  Pawlik, GA 2003, 12 f. 297  Wilenmann, S. 425. 298  Siehe Kapitel 5 § 21 III. 2. b) aa).



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe303

bestätigt somit die zuvor gefundenen Ergebnisse, dass eine Rechtfertigung des Amtsträgers nicht in Betracht kommt. dd) Angemessenheit Die Angemessenheit der Handlung (§ 34 S. 2 StGB) ist das letzte Kriterium, an dem sich die Notstandshandlung messen lassen muss. Es ist umstritten, ob der Angemessenheitsklausel neben der Interessenabwägung überhaupt noch ein selbstständiger Regelungsbereich zukommt.299 Ein Teil der Lehre spricht der Angemessenheitsklausel jedwede Funktion ab, weil es kaum vorstellbar sei, dass eine Handlung als unangemessen angesehen werden könne, wenn bereits die Interessenabwägung ergeben habe, dass die geschützten ­Interessen des Notstandtäters wesentlich überwiegen.300 § 34 S. 2 StGB sei ein historisches Relikt der Zwecktheorie, gegen dessen Aufnahme ins Gesetz bereits während des Gesetzgebungsverfahrens durchgreifende Bedenken ­erhoben wurden.301 Nach der gegenteiligen Auffassung hat § 34 S. 2 StGB hingegen eine eigenständige Bedeutung.302 Der Angemessenheitsklausel komme die Funktion zu, übergeordnete Wertungen einzubringen, die den Solidaritätsanspruch des Notstandstäters unabhängig von der Gewichtung der kollidierenden Interessen ausschließen.303 Ergebe die Interessenabwägung, dass das Interesse am Erhalt der Rechtsgüter des Notstandtäters wesentlich überwiege, könne dieses Ergebnis durch die Angemessenheitsklausel korrigiert werden, weil bestimmte Schranken ungeeignet seien, als Abwägungsfaktoren in die Interessensabwägung miteinzufließen.304 Selbst wenn § 34 S. 2 StGB eine eigenstände Bedeutung beigemessen wird, scheitert eine entsprechende Handlung des Amtsträgers jedenfalls auf der Stufe der Angemessenheit. Ist die Handlung nur gerechtfertigt, wenn die Tat ein angemessenes Mittel ist, um die Gefahr zu beseitigen, ist dies für den Amtsträger in dieser konkreten Situation nicht der Fall. Von der Angemessenheit einer Handlung kann nicht mehr ausgegangen werden, wenn die Rechtsordnung ein rechtlich geordnetes Verfahren zur Verfügung stellt, um die Gefahr zu beseitigen.305 Ließe sich unter Umständen noch begründen, dass etwa für den nicht verbeRoxin, AT I, § 16 Rn. 91; Schönke / Schröder / Perron, § 34 Rn. 46. S. 105; Freund, AT, § 3 Rn. 72; Lenckner, S. 146 f.; Schönke / Schröder /  Perron, § 34 Rn. 46; Zieschang, AT, Rn. 274. 301  Lenckner, S. 146. 302  Gropp, AT, § 5 Rn. 263: Heinrich, AT, Rn. 427; MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 178; NK-Neumann, § 34 Rn. 117; Zieschang, JA 2007, 679 (684). 303  MüKo-StGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 178. 304  NK-Neumann, § 34 Rn. 21a. 305  BeckOK-StGB / Momsen / Savic, § 34 Rn. 19; Heinrich, AT, Rn. 427; MüKoStGB / Erb, 3. Aufl., § 34 Rn. 184; Rengier, AT, § 19 Rn. 57. 299  Vgl.

300  Haft,

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5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

amteten Amtsträger die Interessenabwägung anders ausfallen kann, muss jedoch spätestens auf der Stufe der Angemessenheit der Einwand durchgreifen, dass der Rückgriff auf ein rechtlich geordnetes Verfahren vorrangig ist. Die rechtlichen Erwägungen, die zu einem Ausschluss der Angemessenheit führen, sind identisch mit denen, die zur Begründung der Nichtanwendbarkeit des Notstandrechts angeführt wurden.306 Die Möglichkeit, den Anspruch auf Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht in einem gerichtlichen Verfahren durchzusetzen, stellt demnach das angemessene Mittel dar. c) Zwischenergebnis Nach alledem zeigt sich, dass sich die Frage der Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt des rechtfertigenden Notstandes ohnehin nur in einem sehr eingeschränkten Bereich stellt. Wurde dem verbeamteten Amtsträger nicht die Möglichkeit eröffnet, die Entbindung von seiner Verschwiegenheitspflicht durchzusetzen, ist vom Bestehen eines Verfahrenshindernisses auszugehen, weil er sich nicht ohne gleichzeitig gegen eben jene Pflicht zu verstoßen, äußern kann. Ein solch tiefgreifender Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör steht der Durchführung eines Strafverfahrens entgegen. Auf die Frage der Rechtfertigung kommt es in der Folge nicht mehr an. Dass der Amtsträger die Möglichkeit hat, diesen Anspruch durchzusetzen, führt dazu, dass eine Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht nicht in Betracht kommt. Die Begründungen hierfür sind vielseitig und bedingt durch die Unterschiede, die den verschiedenen Rechtsverhältnissen innerhalb des Amtsträgerbegriffs zugrunde liegen. Sie führen jedoch allesamt zum gleichen Ergebnis. Weil das zugrundeliegende Rechtsverhältnis, so unterschiedlich die Ausgestaltung auch ist, die Rechte und Pflichten des Amtsträgers regelt und die Geltendmachung dieser unter Zuhilfenahme rechtlich geordneter Verfahren möglich ist, kann sich der Amtsträger nicht auf den rechtfertigenden Notstand berufen.

IV. Rechtfertigende Pflichtenkollision Eine Rechtfertigung kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der rechtfertigenden Pflichtenkollision in Betracht. Eine Pflichtenkollision würde voraussetzen, dass der Täter eine ihm obliegende Pflicht verletzt, um eine andere ihm gleichfalls obliegende Pflicht erfüllen zu können, wobei die verletzte Pflicht mit Strafe bedroht ist.307 Der Amtsträger ist in der vorliegenden Konstellation aber nicht von einer Offenbarungspflicht betroffen, weshalb 306  Siehe

Kapitel 5 § 21 III. 1. b) aa). AT, § 33 V 1.

307  Jescheck / Weigend,



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe305

von einer Pflichtenkollision von vornherein nicht ausgegangen werden kann. Unterliegt er einer Offenbarungspflicht (wie etwa im Fall des § 138 StGB), liegt schon keine unbefugte Offenbarung eines Geheimnisses vor.308

V. Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte als Rechtfertigungsgrund Scheidet nach alledem eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt des rechtfertigenden Notstandes und der rechtfertigenden Pflichtenkollision aus, soll noch der Frage nachgegangen werden, ob sich eine Rechtfertigung aus der unmittelbaren Anwendung der im Raum stehenden Grundrechte beziehungsweise grundrechtsgleichen Rechte ergeben kann. Hierzu zählt insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 2 GG) und der aus dem Rechtsstaatsprinzip i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitende und in Art. 6 Abs. 1 EMRK ausdrücklich festgeschriebene Grundsatz auf ein faires Verfahren.309 Des Weiteren kann die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gegebenenfalls auch ein Verhalten darstellen, das in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fällt (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG). Während Einigkeit darüber besteht, dass Grundrechte bei der Auslegung des jeweiligen Rechtfertigungsgrundes mitberücksichtigt werden müssen,310 ist die Frage, ob unmittelbar aus ihnen eigenständige Rechtfertigungsgründe abgeleitet werden können, umstritten und nicht abschließend geklärt.311 Gegen die unmittelbare Anwendung der Grundrechte als Rechtfertigungsgrund wird vorgebracht, dass aufgrund der Unbestimmtheit der Voraussetzungen eine Anwendung problematisch erscheint.312 Dieser Einwand kann für sich genommen allerdings noch nicht überzeugen, da die Bestimmung des Schutzbereichs durch Auslegung ermittelt werden kann. Gewichtiger wiegt jedoch das Argument, dass die Bedeutung des Grundrechts für die in Rede stehende Handlung bereits bei der Auslegung des Tatbestandes oder bei der Prüfung anderer Rechtfertigungsgründe miteingeflossen ist.313 Ein eigenständiger Anwendungsbereich wäre in dieser Konsequenz aber nicht mehr gegeben und auch nicht nötig. Eine unmittelbare Anwendung als Rechtferti308  Vgl.

Kapitel 4 § 16 I. 3. c) bb). Kapitel 2 § 7 I. 2. und 3.; ferner SSW-StGB / Bosch, § 203 Rn. 42. 310  Kühl, AT, § 9 Rn. 112; LK-Rönnau, 12. Aufl., Vor § 32 Rn. 138; ReichertHammer, S. 120 f.; Schmidt, ZStW 121 (2009), 645 (646 f.); Schönke / Schröder / Eser /  Hecker, Vor § 1 Rn. 33 f.; Tiedemann, S. 37. 311  Ausdrücklich offen gelassen: OLG Hamm Beschl. v. 26.2.2015 – III-5 RVs 7 / 15, (juris); Schönke / Schröder / Lenckner / Sternberg-Lieben, Vor §§ 32 ff. Rn. 119. 312  Böse, ZStW 113 (2001), 40 (42); Laker, S. 235 f.; Tiedemann, S. 36. 313  Heinrich, AT, Rn. 510. 309  Siehe

306

5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

gungsgrund würde voraussetzen, dass dem Gehalt des Grundrechts in der sonstigen Prüfung nicht im erforderlichen Maß Rechnung getragen wird, also ein Bedürfnis für eine unmittelbare Anwendung besteht. Es hat sich jedoch gezeigt, dass ausreichend Möglichkeiten für den Amtsträger vorhanden sind, um gegen die Verschwiegenheitspflicht vorzugehen und auf diese Weise einen Ausgleich der gegenläufigen Interessen herbeizuführen. Einen Rechtfertigungsgrund unmittelbar aus den Grundrechten abzuleiten ist somit nicht erforderlich. Eine Rechtfertigung unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG oder der angesprochenen grundrechtsgleichen Rechten ableiten zu wollen, wäre aber auch in der Sache kaum möglich. So stellt sich bereits die Frage, ob der Schutzbereich der Meinungsfreiheit eröffnet ist. Anders als beispielsweise der Amtsträger, der Missstände in der öffentlichen Verwaltung offenbart, weil er die gängige Verwaltungspraxis nach seinem persönlichen Dafürhalten für falsch oder gar rechtswidrig hält,314 will der beschuldigte Amtsträger in der Regel einen auf Tatsachen gestützten Sachverhalt vortragen, um sich zu entlasten. Ist aufgrund des fließenden Übergangs zwischen reiner Tatsachenbehauptung und Werturteil dennoch davon auszugehen, dass der Schutzbereich eröffnet ist,315 kann nichtsdestotrotz schwerlich von einer Verletzung der Meinungsfreiheit ausgegangen werden. Bekanntlich wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht grenzenlos gewährt, sondern findet seine Schranke unter anderem in den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG). Darunter sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts solche Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen eine bestimmte Meinung als solche richten, sondern dem Schutz eines Rechtsguts dienen, dessen Schutz ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung erforderlich ist.316 Die einschlägigen beamten-, zivil- und strafrechtlichen Regelungen317 sind nicht auf die Verhinderung einer bestimmten Meinung gerichtet und daher allesamt als allgemeine Gesetze in Art. 5 Abs. 2 GG anzusehen. Sie dienen dem Funktionieren einer einwandfreien Verwaltung. Unter Beachtung der Wechselwirkungslehre, 314  Ausführlich zum Thema des Whistleblowings in der öffentlichen Verwaltung: Lopacki, ZBR 2016, 329 ff. 315  Vgl. Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Brockmeyer / Odendahl, Art. 5 Rn. 3. 316  BVerfG Urt. v. 15.1.1958  – 1 BvR 400 / 51, BVerfGE 7, 198 (209 f.); BVerfG Beschl. v. 26.5.1970  – 1 BvR 657 / 68, BVerfGE 28, 282 (292); BVerfG Beschl. v. 19.11.1985 – 1 BvR 934 / 82, BVerfGE 71, 162 (175 f.); BVerfG Beschl. v. 4.11.2009 – 1 BvR 2150 / 08, BVerfGE 124, 300 (321 f.). 317  Nicht überzeugend ist die Ansicht von Lopacki, der als allgemeines Gesetz auch die tarifvertraglichen Regelungen ansieht, vgl. Lopacki, ZBR 2016, 329 (333). Der qualifizierte Gesetzesvorbehalt in Art. 5 Abs. 2 GG verlangt jedoch, dass es sich um ein Gesetz im materiellen Sinn handeln muss, vgl. Maunz / Dürig / Grabenwarter, Art. 5 Rn. 131.



§ 21 Die einzelnen Rechtfertigungsgründe307

die verlangt, dass die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG ihrerseits vor dem Hintergrund der überragenden Bedeutung des Grundrechts eingeschränkt werden müssen,318 liegt auch keine unzulässige Begrenzung der Meinungsfreiheit vor. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass ein verhältnismäßiger Eingriff vorliegt. Für die beamtenrechtlichen Vorschriften zeigt sich dies bereits an den strengen Voraussetzungen, unter denen die Aussagegenehmigung nur versagt werden darf, wobei eine verfassungskonforme Auslegung ergeben hat, dass eine vollständige Versagung grundsätzlich nicht möglich ist.319 Gleiches gilt für die einschlägigen Straftatbestände, die ihrerseits einschränkend auslegt werden müssen.320 Eine Rechtfertigung ist auch ausgeschlossen, wenn es sich um grundrechtsgleiche und zugleich auf die Ausgestaltung des Verfahrens bezogene Rechte handelt. Selbstredend stellen auch sie subjektive Rechte dar, jedoch ist die Hauptwirkrichtung nicht auf die Abwehr staatlicher Eingriffe gerichtet, sondern sie sollen dem Inhaber eine bestimmte verfahrensrechtliche Stellung einräumen. Verfahrensbezogene Rechte vermitteln in erster Linie keine Abwehrrechte, sondern beinhalten Teilhabe- und Leistungsrechte.321 In dieser Konsequenz sind die einschlägigen Verfahrensrechte, unabhängig von der Frage, ob ihnen überhaupt eine Rechtfertigungswirkung zukommt, nicht geeignet, den strafbewehrten Bruch der Verschwiegenheit zu rechtfertigen. Der Schutzbereich erfasst nur das gegenständliche Verfahren, weist aber keinen Bezug zum verwirklichten Tatbestand auf. Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör oder das Recht auf ein faires Verfahren nach dem hier aufzeigten Lösungsweg verletzt ist. Entweder muss dem Amtsträger die Möglichkeit eingeräumt werden, seinen Anspruch auf Entbindung von seiner Verschwiegenheitspflicht durchzusetzen, da andernfalls vom Bestehen eines Verfahrenshindernisses ausgegangen werden muss oder er ist in seiner verfahrensrechtlichen Stellung nicht beeinträchtigt, weil er nicht auf das Vorliegen einer Aussagegenehmigung angewiesen ist. Auch eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren kann nach diesem Lösungsweg nicht festgestellt werden. Um eine Verletzung annehmen zu können, muss eine Gesamtschau des Verfahrens ergeben, dass rechtsstaatlich zwingende Erfordernisse, die an ein faires Verfahren zu stellen sind, nicht eingehalten wurden. Dies ist bei Überprüfungsmöglichkeit der Verschwiegenheitspflicht aber gerade nicht der Fall.

318  Maunz / Dürig / Grabenwarter,

Art. 5 Rn. 139 ff. Kapitel 2 § 7 III. 320  Siehe Kapitel 4 § 16 I. 3. c) dd) und ee). 321  Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Brockmeyer / Schmahl, Art. 103 Rn. 12; Stern /  Becker / Brüning, Art. 103 Rn. 99. 319  Siehe

308

5. Kap.: Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht

§ 22 Schuld Ist die Rechtfertigung des Bruchs der Verschwiegenheitspflicht ausgeschlossen, bleibt zum Schluss nur noch die Frage zu beantworten, ob sich der beschuldigte Amtsträger auf Entschuldigungsgründe berufen kann. Als tauglicher Entschuldigungsgrund kommt lediglich der entschuldigende Notstand nach § 35 Abs. 1 StGB in Betracht. Doch auch auf diese Frage ist eine Antwort schnell gegeben. Die Voraussetzungen überschneiden sich zum Teil mit denen des rechtfertigenden Notstandes, weshalb an entsprechender Stelle auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden kann. Die unterschiedliche Behandlung des rechtfertigenden und des entschuldigenden Notstandes ist das Ergebnis der Differenzierungstheorie.322 Wesentliche Unterschiede bestehen neben der Wirkung des entschuldigenden Notstands im Vergleich zum rechtfertigenden Notstand auch in Bezug auf den Kreis der notstandsfähigen Rechtsgüter und dem fehlenden Erfordernis einer Interessenabwägung in § 35 StGB. Im Gegenzug sieht § 35 Abs. 1 S. 2 StGB aber die Prüfung der Zumutbarkeit der Gefahr vor. § 35 Abs. 1 S. 1 StGB setzt voraus, dass eine gegenwärtige Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut gegeben ist. Eine gegenwärtige Gefahr ist unter den gleichen Voraussetzungen wie bei § 34 S. 1 StGB gegeben.323 Der Kreis der notstandstauglichen Rechtsgüter ist auf die in § 35 Abs. 1 S. 1 StGB genannten Rechtsgüter begrenzt.324 Als taugliches Rechtsgut kann ausschließlich auf die gefährdete Freiheit des Beschuldigten abgestellt werden. Kann von einer Gefährdung für die Freiheit des Notstandstäters ausgegangen werden, darf die Gefahr wie im Fall des rechtfertigenden Notstandes nicht auf andere Weise abwendbar sein.325 Die Ausführungen, die bereits im Rahmen der Prüfung des § 34 S. 1 StGB zum Ausschluss der Erforderlichkeit geführt haben, gelten auch für den entschuldigenden Notstand. Des Weiteren scheidet eine Entschuldigung aus, wenn dem Täter zugemutet werden kann, die Gefahr hinzunehmen (§ 35 Abs. 1 S. 2 StGB). Eine solche Zumutbarkeit kann sich aus dem Bestehen eines besonderen Rechtsverhältnisses und den daraus abzuleitenden Gefahrtragungspflichten ergeben.326 Die Erwägungen, die bereits im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes 322  Vgl.

Kapitel 5 § 21 III. AT, Rn. 565; Kaspar, AT, Rn. 461; Wessels / Beulke / Satzger, AT, Rn. 656; Zieschang, JA 2007, 679 (681). 324  Freund, AT, § 4 Rn. 42; MüKo-StGB / Müssig, 3. Aufl., § 35 Rn. 12; NKNeumann, § 35 Rn. 13. 325  MüKo-StGB / Müssig, 3. Aufl., § 35 Rn. 21. 326  Siehe Kapitel 5 § 21 III. 2. b) bb). 323  Heinrich,



§ 23 Zwischenfazit309

zum Ausschluss des überwiegenden Interesses geführt haben, führen dazu, dass eine Entschuldigung zugunsten des beschuldigten Amtsträgers nicht angenommen werden kann.

§ 23 Zwischenfazit Es bleibt somit festzuhalten, dass weder der rechtfertigende Notstand noch ein anderer Rechtfertigungs- oder ein Entschuldigungsgrund die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht im Strafverfahren rechtfertigen oder entschul­ digen kann. Während die Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrunds der Notwehr und der Wahrnehmung berechtigter Interessen eindeutig nicht gegeben sind, muss bei § 34 StGB eine differenzierte Betrachtung erfolgen, die zwar im Ergebnis zu keinem Unterschied führt, jedoch unterschiedliche Lösungswege bedingt. Der Grund hierfür liegt in den unterschiedlichen Rechtsverhältnissen, die sich auch auf die Untersuchung des rechtfertigenden Notstandes auswirken. Für die Amtsträger, die auf das Vorliegen einer Aussagegenehmigung angewiesen sind, ist das Notstandsrechts bereits ausgeschlossen, weil ein rechtlich geordnetes Verfahren zur Verfügung steht, um gegen die Versagung der Aussagegenehmigung vorzugehen. Wurde dem beschuldigten Amtsträger aber bisher noch nicht die Möglichkeit eingeräumt, sich gegen die Versagung der Aussagegenehmigung zur Wehr zu setzen, so liegt ausnahmsweise ein Verfahrenshindernis vor. In diesem Fall stellt sich die Frage der Rechtfertigung nicht mehr. Hat das Gericht dem Amtsträger aber die Möglichkeit eingeräumt, gegen die Versagung der Aussagegenehmigung vorzugehen und bleibt der Angeklagte untätig, liegt hingegen kein Verfahrenshindernis vor, weil die Gewährung hierzu ausreichend ist. Darüber hi­ naus kann die Behörde von Amts wegen aktiv werden und dem Amtsträger verbieten, sich zur Sache zu äußern. Doch auch für die Amtsträger, die grundsätzlich nicht auf eine Aussagegenehmigung angewiesen sind und die sich deswegen ohne verfahrensrechtliche Einschränkung äußern dürfen, folgt aus dem Rechtsverhältnis, in dem sie zu ihrem Dienstherrn stehen, dass sie einen Anspruch auf Entbindung von ihrer Verschwiegenheitspflicht haben. Zwar ist die Anwendung des Notstandsrechts nicht von vornherein versperrt, weil für sie gerade kein vorrangig zu beachtendes Verfahren besteht, jedoch stellt die Durchsetzung des Anspruchs das mildere Mittel dar. Doch selbst bei isolierter Betrachtung der Interessensabwägung würde sich ergeben, dass aufgrund der Gefahrtragungspflicht des Amtsträgers, die aus seiner Verschwiegenheitspflicht resultiert, grundsätzlich nicht vom einem wesentlich überwiegenden Interesse auf Seiten des Amtsträgers ausgegangen werden kann.

Zusammenfassung Die Antwort auf die Frage, ob der Bruch der Verschwiegenheitspflicht zur Verteidigung im Strafverfahren gerechtfertigt ist, fällt nach alledem eindeutig aus: Der Amtsträger darf seine Verschwiegenheitspflicht nicht verletzen, um sich zu verteidigen. Die Untersuchung war geprägt von den Unterschieden, die im Begriff des Amtsträgers angelegt sind. Weil es für die Beantwortung der Ausgangsfrage nicht nur auf die Amtsträgereigenschaft als solche ankam, sondern auch auf das jeweilige Rechtsverhältnis zwischen dem Amtsträger und seinem Dienstherrn, war es erforderlich, sich an den unterschiedlichen Personengruppen des Amtsträgerbegriffs zu orientieren. So groß die Unterschiede auch sind, gilt das Ergebnis für alle Personengruppen des Amtsträgerbegriffs gleichermaßen, wenngleich die Begründung nicht einheitlich ausfällt. Dem ernüchternden Fazit von Bohnert, mit dem die Untersuchung eingeleitet wurde, muss somit widersprochen werden, sofern es sich um die Verschwiegenheitspflicht handelt, die ausschließlich im öffentlichen Interesse besteht. Die gefundenen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: – Die Bestimmung, welche Personengruppen vom Begriff des Amtsträgers umfasst sind, fällt unterschiedlich schwer, sie ist aber notwendige Voraussetzung zur Ermittlung der rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht. Während die Feststellung bei der Personengruppe der Beamten und Richter (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB) aufgrund der staatsrechtlichen Betrachtungsweise keine Probleme aufweist, wirft insbesondere die Frage, welche Personen in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b StGB) weitaus größere Schwierigkeiten auf. Gesichert ist, dass das öffentlich-rechtliche Amtsverhältnis nicht mit dem besonderen Dienst- und Treueverhältnis des Beamten oder mit den Rechtsverhältnissen der sonstigen Amtsträger gleichgesetzt werden. Es lassen sich jedoch bestimmte Parallelen zu den beamtenrechtlichen Vorschriften ausmachen, die ein gewisses Näheverhältnis belegen. Ähnlich schwer gelagert ist die Bestimmung, welche Personen als sonstige Amtsträger aufzufassen sind (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB), wenn sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bei einer Behörde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag wahrnehmen. Der Begriff der öffentlichen Verwaltung ist weit zu verstehen. Von ihm erfasst wird auch der Bereich der Bedarfsverwaltung, weil sie notwendige Voraussetzung für die sachge-

Zusammenfassung311

mäße Erfüllung der öffentlichen Aufgabe ist. Entscheidend für die Untersuchung der Verschwiegenheitspflicht ist der Umstand, dass die Tätigkeit bei einer Behörde oder sonstigen Stelle eine organisatorische Eingliederung voraussetzt, die in der Regel mit der Begründung des Anstellungsverhältnisses einhergeht. Hingegen genügt für die Beauftragung die einmalige Aufgabenwahrnehmung. Eine organisatorische Eingliederung ist nicht erforderlich. – Die rechtlichen Grundlagen der Verschwiegenheitspflicht müssen für jeden Amtsträger gesondert festgestellt werden. Der Grund hierfür ist in der unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltung des jeweiligen Dienst-, Amtsoder Anstellungsverhältnisses zu sehen. Die Verschwiegenheitspflicht besteht nicht um ihrer selbst willen, sondern dient stets dem Schutz eines bestimmten Interesses. Es muss danach unterschieden werden, ob durch die Verschwiegenheitspflicht ein Individualinteresse oder das öffentliche Interesse geschützt werden soll. In bestimmten Fällen schützt sie sowohl das Individual- als auch das öffentliche Interesse. Der strafrechtliche Geheimnisschutz orientiert sich an dieser Unterscheidung. Kennzeichnend für die Verschwiegenheitspflicht, die im öffentlichen Interesse besteht, ist, dass der Amtsträger unmittelbar gegenüber seinem Dienstherrn zur Einhaltung verpflichtet ist. Die Verschwiegenheitspflicht, die ausschließlich im privaten Drittinteresse besteht, berührt den Amtsträger nur mittelbar, weil sich der Anspruch des Dritten auf Geheimhaltung gegen die Behörde selbst richtet. – Die Verschwiegenheitspflicht des Beamten geht mit der historischen Entwicklung des Beamtentums einher. Sie zählt zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) und besitzt damit Verfassungsrang. Sie bezieht sich auf alle dienstlichen Angelegenheiten, die dem Beamten anvertraut oder bekanntgeworden sind und ist damit umfassend ausgestaltet. Die Verschwiegenheitspflicht des Richters ist aufgrund der Verweisungen in den entsprechenden Gesetzen weitgehend identisch ausgestaltet. Eine Besonderheit stellt das Beratungsgeheimnis dar. Die Verschwiegenheitspflicht des Inhabers eines sonstigen öffentlichrechtlichen Amtes muss hingegen einzelfallbezogen festgestellt werden. Allerdings sind viele Regelungen hinsichtlich des Inhalts und Umfangs mit den beamtenrechtlichen Regelungen vergleichbar. Im Gegensatz dazu wird die Verschwiegenheitspflicht der sonstigen Amtsträger nicht gesetzlich angeordnet, sondern ist Bestandteil des privatrechtlichen Vertrages. In der Regel wird sie sich aus den einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen ergeben, weil die Rechtsprechung im Fall der Aufgabenerfüllung „bei“ einer Behörde voraussetzt, dass eine organisatorische Eingliederung erfolgt und auf Dauer angelegt ist. Sie ist im Gegensatz zur beamtenrechtlichen Verschwiegenheit nicht absolut ausgestaltet, sondern setzt ihrerseits vo­

312 Zusammenfassung

raus, dass sich die Pflicht zur Wahrung des Amtsgeheimnisses aus einer anderen Norm ergibt oder ausdrücklich angeordnet wird. Andernfalls kommt als Ausgangspunkt für die Begründung der Verschwiegenheitspflicht der jeweilige Vertrag in Betracht. Ausnahmsweise kann sich die Verschwiegenheitspflicht aus dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) ergeben. – Die Stellung des Amtsträgers als Beschuldigter eines Strafverfahrens wird entscheidend dadurch geprägt, ob er auf die Erteilung einer Aussagegenehmigung angewiesen ist. Dieses beamtenrechtliche Institut erlaubt es der Exekutive, auf das Strafverfahren in erheblicher Weise Einfluss zu nehmen. Sie berührt bereits das gegenständliche Strafverfahren unmittelbar, weil der Amtsträger in diesem Verfahren auf die Erteilung einer Aussagegenehmigung angewiesen ist. Die beamtenrechtlichen Vorschriften sind als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet und sollen der ­Exekutive die Möglichkeit eröffnen, die Vertraulichkeit besonders geheimhaltungsbedürftiger Informationen auch im Strafverfahren zu gewährleisten. Die Voraussetzungen, die für eine Versagung der Aussagegenehmigung erfüllt sein müssen, sind sehr streng. Dies zeigt schon der Befund, dass die Aussagegenehmigung für den Zeugen nur versagt werden darf, wenn die Erteilung dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes erhebliche Nachteile bereiten würde oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährdet oder erheblich erschweren würde. Noch strenger sind die Voraussetzungen im Fall des Beschuldigten. Zwar formuliert das Gesetz schlicht, dass eine Versagung nur zulässig ist, wenn dienstliche Rücksichten dies unabweislich erfordern, jedoch kann dies nur bei der Gefährdung sehr gewichtiger Allgemeingüter oder höchster Individualgüter angenommen werden. Die Aussagegenehmigung berührt grundlegende Verfahrensrechte des Beschuldigten. Namentlich wirkt sie sich auf den Anspruch auf rechtliches Gehör und das Recht auf ein faires Verfahren aus. Beide Rechte sind verfassungsrechtlich abgesichert und stellen wesentliche Eckpfeiler eines jeden staatlichen Verfahrens dar. Neben dem Grundgesetz sind diese Rechte auch in der EMRK verankert. – Das Erfordernis einer Aussagegenehmigung gilt nur für Beamte und Richter. Eine analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften auf die anderen Personengruppen des Amtsträgerbegriffs ist nicht möglich. Weder im Wege der Auslegung noch der Analogie können die beamtenrechtlichen Regelungen auf andere Personengruppen übertragen werden. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt eine eigenständige gesetzliche Regelung. Diese entscheidende Weichenstellung beeinflusst die gesamte nachfolgende Untersuchung. Etwaige privatrechtliche Vereinbarungen können keine Rechte des Beschuldigten einschränken. Die Stellung des Amtsträgers, der demnach nicht auf die Erteilung einer Aussagegenehmigung angewiesen ist,

Zusammenfassung313

unterscheidet sich nicht von der Stellung eines anderen Beschuldigten, der zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Die Aussagegenehmigung wirkt sich bereits auf das gegenständliche Strafverfahren aus, während die Verschwiegenheitspflicht, die allein durch die strafrechtlichen Sanktionsvorschriften angeordnet wird, nur einen mittelbaren Bezug aufweisen. Insofern ist die Situation vergleichbar zu der des Berufsgeheimnisträgers, der ebenfalls keiner unmittelbaren Einschränkung im Verfahrens unterliegt. – Der Amtsträger wird im Fall der Versagung der Aussagegenehmigung jedoch nicht schutzlos gestellt. Ihm gegenüber stellt die Versagung einen belastenden Verwaltungsakt dar, gegen den er sich im Verwaltungsrechtsweg zur Wehr setzen kann. Die Behörde darf aufgrund der Möglichkeit, ein „In-camera“ Verfahren durchzuführen, sich nicht verweigern, dem Gericht vollumfänglich den Sachverhalt zu offenbaren. Doch auch der Amtsträger, der nicht auf das Erfordernis einer Aussagegenehmigung angewiesen ist, hat gegebenenfalls einen Anspruch darauf, von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden zu werden. Für den Angestellten folgt dieser Anspruch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Unklar ist hingegen die Situation für den Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtes. Allerdings zeigt ein Vergleich zu den anderen beiden Personengruppen innerhalb des Amtsträgerbegriffs, dass der Anspruch auf Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht auf einen allgemeinen Rechtsgedanken zurückführen ist, nämlich die gegenseitige Verpflichtung zum Schutz fremder Rechtsgüter. – Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann sowohl strafrechtliche als auch außerstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der strafrechtliche Schutz des Geheimnisses, dessen Geheimhaltung ausschließlich im öffentlichen Interesse steht, wird vornehmlich über § 353b Abs. 1 StGB und über §§ 93 ff. StGB sichergestellt. Der wesentliche Unterschied liegt in der Begründung der Geheimhaltungsbedürftigkeit. Spezielle Verschwiegenheitspflichten werden durch gesonderte Straftatbestände geschützt (z. B. § 355 StGB). Der Tatbestand der Verletzung des Dienstgeheimnisses lässt keine Auslegung dahingehend zu, die es erlaubt, eine an sich tatbestandsmäßige Handlung ausnahmsweise nicht als solche aufzufassen, wenn sie der Verteidigung im Strafverfahren dienen soll. Das Merkmal „unbefugt“ ist entgegen der herrschenden Meinung als Tatbestandsmerkmal zu verstehen und nicht als bloßer Hinweis auf die Prüfung der Rechtswidrigkeit. Die Besonderheiten, die sich aus der Anwendung unterschiedlicher Rechtsgebiete ergeben, wirken sich auch auf den Tatbestand aus. Bei Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften ist das Merkmal „unbefugt“ verwaltungsaktsakzessorisch zu verstehen. In allen anderen Fällen muss das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ strafrechtsautonom bestimmt werden. Ihm liegt also eine gespaltene Auslegung zugrunde.

314 Zusammenfassung

– Aufgrund der Verwaltungsaktsakzessorietät des Tatbestandsmerkmals „unbefugt“ bestimmt sich die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung danach, ob ein Verwaltungsakt vorliegt oder nicht. Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ist für die Beurteilung der Strafbarkeit unerheblich. Jede Aussagegenehmigung, ob rechtswidrig oder rechtmäßig, legitimiert das Verhalten. Andernfalls würde dem Adressaten das Risiko aufgebürdet, Fehler, die durch die Behörde begangen wurden, einseitig tragen zu müssen. Ist die Versagung der Aussagegenehmigung rechtswidrig, liegt gleichwohl eine unbefugte Offenbarung vor, weil sich der Amtsträger nicht eigenmächtig über die behördliche Entscheidung hinwegsetzen darf. Einen Sonderfall stellt die behördliche Duldung des Verhaltens dar. Es liegt zwar kein Verwaltungsakt vor, jedoch kann auch die behördliche Duldung die Strafbarkeit entfallen lassen. Dies gilt aber nur für den Fall der aktiven und rechtmäßigen behördlichen Duldung. Nur ihr kommt auf der Ebene des Verwaltungsrechts eine Legitimationswirkung zu, die aufgrund der in diesem Fall anzunehmenden Verwaltungsrechtsakzessorietät auch für das Strafrecht gilt. Fälle dieser Art dürften allerdings kaum vorstellbar sein, so dass es sich um eine rein theoretische Frage handeln dürfte. – Eine erste wichtige tatbestandliche Einschränkung zugunsten des beschuldigten Amtsträgers kann über das Merkmal der konkreten Gefahr für wichtige öffentlichen Interessen erfolgen. Eine konkrete Gefahr wird in aller Regel nicht gegeben sein, wenn das Gericht die Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung ausschließt und zugleich die anwesenden Personen gesondert zur Verschwiegenheit verpflichtet. Allerdings setzt der Ausschluss der Öffentlichkeit voraus, dass eine Gefahr der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung gegeben ist oder wenn das Leben, der Leib oder die Freiheit eines Dritten gefährdet ist. – Zwar kann sich die Verschwiegenheitspflicht auch auf eine dienstliche Angelegenheit beziehen, die als Staatsgeheimnis im Sinne des § 93 StGB aufzufassen ist, jedoch sind die §§ 93 ff. StGB entweder aufgrund der Ausgangssituation tatbestandlich nicht einschlägig oder weisen keine praktische Relevanz auf. – Die Verschwiegenheitspflicht des Amtsträgers wird nicht nur durch das Strafrecht geschützt. Welche außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeit in Betracht kommt, hängt wiederum vom jeweiligen Rechtsverhältnis ab. Innerhalb der Personengruppe der Beamten und Richter (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a StGB) muss ausnahmsweise wegen der herausgehobenen verfassungsrechtlichen Stellung des Richters zwischen diesen beiden Personengruppen getrennt werden. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ist grundsätzlich dazu geeignet, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu begründen. Für die Inhaber eines sonstigen öffentlich-rechtlichen Am-

Zusammenfassung315

tes finden sich hingegen keine einheitlich geregelten außerstrafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten oder diese sind – wie z. B. im Fall des Bundesministers – gesetzlich ausgeschlossen. Liegt dem Dienstverhältnis ein privatrechtlicher Vertrag zugrunde, stellt die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht eine Pflichtverletzung dar, die gegebenenfalls die Kündigung des Dienstverhältnisses zulässt. – Weder das Notwehrrecht (§ 32 StGB) noch der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) sind geeignet, den Bruch der Verschwiegenheitspflicht zu rechtfertigen. Die Ausübung des Notwehrrechts muss bereits deshalb ausscheiden, weil es nach dem gängigen Verständnis an einem Angriff fehlt. Versuche, eine Zurechnung der Handlung gegenüber der juristischen Person zu konstruieren, sind abzulehnen, da eine solche dem Strafrecht fremd ist. Der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist in seinem Anwendungsbereich auf die Beleidigungsdelikte beschränkt. Spätestens seit der Normierung des rechtfertigenden Notstandes in § 34 StGB ist allen Versuchen, anhand der Voraussetzungen des § 193 StGB ein allgemeines Prinzip abzuleiten, der Boden entzogen. – Dem rechtfertigenden Notstand liegt der Gedanke des Solidaritätsprinzips zugrunde. Die aus dem Solidaritätsprinzip folgende Duldungspflicht wird begrenzt durch das Gewaltmonopol des Staates. Andernfalls würde dem Notstandstäter ein weitrechender Billigkeitsvorbehalt zugestanden werden, der mit dem Verständnis eines Verfassungsstaates nicht vereinbar ist. Die Berufung auf den rechtfertigenden Notstand ist in dieser Konsequenz immer dort ausgeschlossen, wo das Verfahrensrecht Regelungen bereithält, die den Interessenkonflikt aufgreifen. Dabei darf kein allzu strenger Maßstab angelegt werden, denn zum einen folgt aus dem Gewaltmonopol des Staates, dass gewisse Beeinträchtigung der eigenen Rechtsposition hinzunehmen sind, und zum anderen würde durch eine zu enge Auffassung dieses Monopol unterlaufen. Werden diese Maßstäbe nun auf die gegenständliche Frage übertragen, hat dies im Ergebnis zur Folge, dass keine Raum für die Anwendung des rechtfertigenden Notstands mehr bleibt, wenn der Amtsträger auf die Erteilung einer Aussagegenehmigung angewiesen ist. Denn in diesem Fall liegt ein gesetzlich vorrangig zu beachtendes Verfahren vor, das der Amtsträger beschreiten muss. Ausgehend von diesem Grundsatz kann wie folgt differenziert werden. Liegt eine gerichtliche Entscheidung vor, muss sich der Amtsträger an diese Entscheidung halten. Aus ihr folgt eine institutionalisierte Duldungspflicht des Amtsträgers. Konnte seitens des Amtsträgers unverschuldet noch keine gericht­ liche Entscheidung herbeigeführt werden und räumt ihm das Gericht nicht die Möglichkeit ein, dies nachzuholen, steht der weiteren Durchführung des Strafverfahrens grundsätzlich ein Verfahrenshindernis entgegen, weil

316 Zusammenfassung

der Amtsträger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wird. Die vom BGH vorgenommene Unterscheidung zwischen einem unzulässigen Eingriff in den Kernbereich der Verteidigung und einen grundsätzlich zulässigen Eingriff in den Randbereich überzeugt nicht. Auf die Frage der Rechtfertigung kommt es damit nicht mehr an. Weigert sich der Amtsträger eine Aussagegenehmigung einzuholen, ist hingegen wiederum ein Vorrang des gesetzlichen Verfahrens gegeben, weil er seinen Anspruch im Verwaltungsrechtsweg durchsetzen kann. Unterlässt er es gegen die Versagung gerichtlich vorzugehen, erwächst diese in Bestandskraft. – Kein gesetzlich vorrangig zu beachtendes Verfahren existiert hingegen für die Amtsträger, die nicht auf das Erfordernis einer Aussagegenehmigung angewiesen sind. Ihre Stellung als Beschuldigter ist nicht unmittelbar eingeschränkt, sie dürfen sich wie jeder anderer Beschuldigter äußern. Etwaige privatrechtliche Vereinbarung, wie beispielsweise die Anordnung des Arbeitgebers vorab eine Genehmigung einzuholen, sind unerheblich, weil sie gesetzliche Verfahrensrechte nicht aushebeln oder einschränken können. Für sie folgt aber der Ausschluss des Notstandsrechts aus dem Umstand, dass sie einen Anspruch haben, von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden zu werden. Die Durchsetzung dieses Anspruchs stellt grundsätzlich das mildere Mittel dar. Erneut kann sodann danach unterschieden werden, ob eine gerichtliche Entscheidung vorliegt. Ist dies der Fall, folgt aus ihr eine institutionelle Duldungspflicht. Fehlt es an einer solchen, hat dies für das gegenständliche Strafverfahren nicht zur Folge, dass von Vorliegen eines Verfahrenshindernisses auszugehen ist. Eine solche Annahme würde die Unterschiede zur Aussagegenehmigung, die unmittelbar Einfluss auf die verfahrensrechtliche Position des Beschuldigten hat, verkennen. Freilich kann dem Umstand aber auf andere Weise, etwa durch eine besonders vorsichtige Beweiswürdigung oder durch die Anwendung des Zweifelsatzes abgeholfen werden. Der beschuldigte Amtsträger kann sich aus den gleichen Erwägungen auch nicht auf Entschuldigungsgründe berufen. ­ Ist der Bruch der Verschwiegenheitspflicht durch den beschuldigten Amtsträger keiner Rechtfertigung oder Entschuldigung zugänglich, haben die Ausführungen aber gezeigt, dass die denkbaren Konstellationen, in denen diese Frage tatsächlich Bedeutung erlangen wird, äußerst begrenzt sind. Neben den hohen Anforderungen, die erfüllt sein müssen, um die Aussagegenehmigung versagen zu dürfen beziehungsweise den Amtsträger nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden zu müssen, schafft das Verfahrensrecht mit der Möglichkeit, die Öffentlichkeit auszuschließen, und die anwesenden Personen gesondert zur Verschwiegenheit zu verpflichten, eine ausreichende Möglichkeit, eine strafbare Verletzung der Verschwiegenheitspflicht zu vermeiden.

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Sachwortregister Allgemeiner Geheimnisbegriff  159 Amtsträger –– Aufgaben der öffentlichen Verwaltung  43 –– Beamter  28 –– Begriff   27 –– Behörde  38 –– Beschuldigter  104 –– Bestellung  50 –– Bestellung bei einer Behörde  53 –– Bestellung im Auftrag  54 –– Ehrenamtliche Richter  32 –– Eingriffsverwaltung  45 –– Fiskalverwaltung  48 –– Inhaber eines sonstigen öffentlichrechtliches Amtes  32 –– Kirchenbeamte  30 –– Leistungsverwaltung  46 –– Richter  30 –– Sonderkonstellationen  56 –– Sonstige Amtsträger  36 –– Sonstige Stelle  39 –– Wahlbeamter  29 –– Zeuge  91 Anspruch auf rechtliches Gehör  106 –– Einzelrechte  109 –– Mündlichkeitsprinzip  110 Aussagegenehmigung  92 –– Analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften  121 –– Angabe der Versagungsgründe  148 –– Beschuldigter  118 –– Beweiserhebungsverbot  102 –– Beweisverwertung  103 –– Dienstliche Rücksichten  128 –– Erfüllung öffentlicher Aufgaben  101 –– In-camera Verfahren  149

–– Verwaltungsrechtsweg  145 –– Verwaltungsvorschriften  99 –– Wohl des Bundes  101 –– Zeuge  92 –– zwingendes Interesse  130 Außerstrafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten  224 –– Beamte  225 –– Inhaber eines sonstigen öffentlichrechtlichen Amtes  235 –– Richter  234 –– Sonstige Amtsträger  236 Aussetzung des Strafverfahrens  155 Behördliche Duldung  191 –– Abgrenzung  193 –– aktive und passive  197 –– Rechtsgrundlagen  195 Beratungsgeheimnis  siehe Verschwiegenheitspflicht Richter Bestechlichkeit  219 Disziplinarrecht  224 –– Bindungswirkung des Strafverfahrens  232 –– Dienstvergehen  226 –– Gewichtung des Dienstvergehens  227 –– Schweres Dienstvergehen  230 –– Verschwiegenheitspflicht  227 EMRK  105 –– Anspruch auf rechtliches Gehör  111 –– Anwendungsbereich  105 –– Fair-trial-Prinzip  115 Grundrechte als Rechtfertigungsgrund  305

Sachwortregister343 Mandatsträger  siehe Amtsträger Sonderkonstellationen Mitglieder kommunaler Selbstverwaltungsorgane  siehe Amtsträger Sonderkonstellationen Notstand –– Anerkennung als Recht  254 –– Anspruch auf Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht  294 –– Anwendbarkeit des Notstandrechts  267 –– Erforderlichkeit  293 –– Exemtionstheorie  253 –– Gefahr  284 –– Gewaltmonopol des Staates  264 –– Grundprinzipien  252 –– Rechtsgut  283 –– Solidaritätspflicht des Staates  261 –– Solidaritätsprinzip  258 –– Utilitaritätsprinzip  257 –– Vorrang gesetzlicher Verfahren  263 Notwehr –– Juristische Person  245 –– Rechtsbewährungsprinzip  247 –– Zurechnung  246 Privatgeheimnis –– Rechtfertigung  140 –– Schutz  138 Recht auf ein faires Verfahren  113 Recht auf Verteidigung  112 Rechtfertigende Pflichtenkollision  304 Rechtfertigungsgründe –– Allgemeines System  242 –– Monistische Lehre  243 –– Pluralistsiche Lehre  244 –– Strafrechtswidrigkeit  241 Regress  237 Richterliche Unabhängigkeit  116 Sanktionsnorm  157 Soldaten  siehe Amtsträger Sonderkon­ stellationen

Steuergeheimnis  217 Strafrechtlicher Schutz persönlicher Daten  219 Verfahrenshindernis  272 –– Prospektive Betrachtung  273 –– Verletzung des Kernbereichs  273 Verhaltensnorm  157 Verletzung von Dienstgeheimnissen –– Abgrenzung Privatgeheimnis  163 –– Behördliche Duldung  191 –– Beratungsgeheimnis  169 –– Geheimhaltungsbedürftigkeit  167 –– Illegale Geheimnisse  168 –– normatives Merkmal  174 –– Rechtswidrige Aussagegenehmigung  184 –– Schutzzweck  165 –– Sozialadäquanz  180 –– unbefugt  170 –– Verfassungsrechtliche Legitimation  162 –– Verwaltungsakzessorietät  182 Verschwiegenheitspflicht  58 –– Allgemeine  60 –– Anspruch auf Entbindung  153 –– Beamte  61 –– Berufsgeheimnisträger  137 –– Beschäftigte eines Unternehmens  133 –– Betriebs- und Geschäftsgeheimnis  134 –– Drittgeheimnisse  88 –– Inhaber eines sonstigen öffentlichrechtlichen Amtes  77 –– Richter  74 –– Schutzrichtung  58 –– Sonstige Amtsträger  81 –– Spezielle Verschwiegenheitspflicht  86 Wahrnehmung berechtigter Interessen  248 –– Analogie  250 –– Evolutive Funktion  249