Der Aktionär – Spielball der Wertpapieraufsicht?: Wirkung und Unwirksamkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG [1 ed.] 9783428518166, 9783428118168

Der Autor befasst sich mit der rechtspolitisch und rechtlich höchst brisanten Frage von Amtshaftung und Rechtsschutz im

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Der Aktionär – Spielball der Wertpapieraufsicht?: Wirkung und Unwirksamkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG [1 ed.]
 9783428518166, 9783428118168

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1001

Der Aktionär – Spielball der Wertpapieraufsicht? Wirkung und Unwirksamkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

Von Robert Bewilogua

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ROBERT BEWILOGUA

Der Aktionär – Spielball der Wertpapieraufsicht?

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1001

Der Aktionär – Spielball der Wertpapieraufsicht? Wirkung und Unwirksamkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

Von

Robert Bewilogua

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Technischen Universität Dresden hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11816-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Fragen des Rechtsschutzes sowie der Amtshaftung im Rahmen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG), das am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Rechtsstellung Dritter zu, insbesondere den Aktionären der Zielgesellschaft. Das Problem des Rechtsschutzes wurde anfangs allenfalls halbherzig beleuchtet. Spätestens die Entscheidungen des OLG Frankfurt/M. in den Verfahren um Wella und ProSiebenSat.1 aus dem Jahre 2003 – ZIP 2003, S. 1251 ff. und 1297 ff. bzw. ZIP 2003, S. 1392 ff. – haben aber die Bedeutung und Brisanz dieses Themas offenbart. Übergreifende Fragestellung ist letztlich die Vereinbarkeit und das (Spannungs-)Verhältnis von Anlegerschutz und Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Der Anstoß zu dieser Arbeit kam von Herrn Prof. Dr. Hartmut Bauer, der sich im Rahmen eines Kommentierungsprojekts mit den verfahrensrechtlichen Regelungen des WpÜG auseinandergesetzt hat. Ihm gilt an dieser Stelle mein besonderer Dank. Danken möchte ich des weiteren Herrn Prof. Dr. Jochen Rozek und Herrn Prof. Christoph Degenhart für die Übernahme des Zweit- bzw. Drittgutachtens. Danken möchte ich außerdem Frau Roswitha Hartmann, Frau Kirsten Hirche-Mechau, Frau Frauke Wißler, Herrn Mirko Zieschank und allen anderen, die mich tatkräftig unterstützt haben. Besonderer Dank gebührt schließlich meinen Eltern, die mir nicht nur während dieser Arbeit mit Rat und Tat zur Seite standen. Die Arbeit hat im Sommersemester 2004 an der Juristischen Fakultät der Technischen Universität Dresden als Dissertation vorgelegen. Braunschweig, Januar 2005

Robert Bewilogua

Inhaltsübersicht Einleitung ..................................................................................................................... 25 I. Problemaufriss .................................................................................................. 25 II. Gang der Untersuchung .................................................................................... 29

Erstes Kapitel: Das WpÜG – Geschichte und Inhalt

30

§ 1 Entstehungsgeschichte des WpÜG ......................................................................... 30 I. Deutsches Übernahmegesetz ............................................................................ 30 II. Leitsätze und Übernahmekodex ........................................................................ 31 III. Europäische Übernahmerichtlinie ..................................................................... 32 § 2 Das WpÜG .............................................................................................................. 34 I. Aufbau und Systematik ..................................................................................... 34 II. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) ......................... 35

Zweites Kapitel: Die Bedeutung des „öffentlichen Interesses“

37

§ 1 Die Drittbezogenheit von Amtspflichten (§ 839 BGB, Art. 34 GG)........................ 37 I. Das Tatbestandsmerkmal der Drittbezogenheit ................................................ 37 II. Bestimmung der Drittbezogenheit einer Amtspflicht ....................................... 38 § 2 Subjektiv-öffentliche Rechte ................................................................................... 42 I. Das subjektiv-öffentliche Recht ........................................................................ 42 II. Bestimmung subjektiv-öffentlicher Rechte: Die Schutznormtheorie ................ 43 III. Anwendungsvorrang des einfachen Rechts ...................................................... 45

8

Inhaltsübersicht Drittes Kapitel: WpÜG und Individualschutz

46

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage ....................................................... 47 I. Die Angebotsunterlage ..................................................................................... 47 II. Inhaltliche Anforderungen an die Angebotsunterlage ...................................... 48 III. Die Prüfpflicht der BAFin ................................................................................ 59 IV. Schutzzweck von Angebotsunterlage und Prüfpflicht ..................................... 62 § 2 Das Pflichtangebot .................................................................................................. 70 I. Kontrolle im Sinne des WpÜG ......................................................................... 70 II. Berechnung der Dreißig-Prozent-Schwelle; Problem der Zurechnung von Stimmrechten (am Beispiel des Falles Mobilcom/France Télécom) .......... 71 III. Pflichtangebotsbezogene Aufgaben der BAFin ................................................ 74 IV. Schutzzweck des Pflichtangebots und der diesbezüglichen Pflichten: Minderheitenschutz .......................................................................................... 78 § 3 Zwischenergebnis: Individualschützende, drittbezogene Pflichten der BAFin ....... 86

Viertes Kapitel: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

87

§ 1 Die Norm des § 4 Abs. 2 WpÜG ............................................................................ 87 § 2 Konsequenzen der „Interessenregelung“ ................................................................ 88 I. Keine drittbezogenen Amtspflichten i.S.v. § 839 BGB, Art. 34 GG ................ 88 II. Keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ................................................. 89 III. Keine subjektiv-öffentlichen Rechte im WpÜG ............................................... 89 IV. Zwischenergebnis: Kein Individualschutz im WpÜG .................................... 100 § 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG ................................................ 101 I. Unsicherheiten bezüglich des Regelungsgehaltes der Klarstellungsnormen ... 101 II. Interpretation des § 4 Abs. 2 WpÜG nach den anerkannten Methoden ......... 104 III. Reichweite der Klarstellung: (All-)Umfassende Zweckbestimmung – Keine Beschränkung auf „Dritte“! .................................................................. 118

Inhaltsübersicht

9

IV. Ergebnis: § 4 Abs. 2 WpÜG als umfassende und undifferenzierte Zweckbestimmung i.S.d. Schutznormlehre .................................................... 130 § 4 „Überindividueller“ Funktionsschutz im Sinne der Strukturtheorie .................... 130 I. Bekenntnis des Gesetzgebers zur Strukturtheorie ........................................... 130 II. Die Strukturtheorie: Entwicklung und Anliegen ............................................ 131 III. Bestätigung der Strukturtheorie durch die Rechtsprechung ............................ 133 § 5 Zwischenergebnis: Rein objektivrechtliche Überwachung individualschützender Normen ............................................................................. 136

Fünftes Kapitel: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

138

§ 1 Handgreifliche Widersprüchlichkeit des WpÜG ................................................... 138 § 2 Nicht weiterführende, bisherige Ansätze der Literatur zur Begründung der Verfassungswidrigkeit .................................................................................... 139 I. Keine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 2 GG) ...... 139 II. Kein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Gebot der Klarheit und Widerspruchsfreiheit der Gesetzgebung (Art. 20 Abs. 3 GG) ........................ 140 III. Kein Verstoß gegen Art. 34 GG ..................................................................... 142 IV. Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten? ............................................... 142 § 3 Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG ........................................................................................................ 144 I. Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und § 4 Abs. 2 WpÜG als generelle Rechtswegsperre ........................................................................ 144 II. Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG wegen Sperrung der Bieter-Ansprüche ...................................................................................... 145 III. Verfassungswidrigkeit wegen des generellen Drittrechtsausschlusses ........... 157 § 4 Teilnichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG? ................................................................. 180 I. Teilnichtigerklärung gemäß § 78 S. 1 BVerfGG ............................................ 180 II. Teilnichtigerklärung ohne Normreduzierung .................................................. 181 § 5 Konsequenzen der Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG .......................................... 182 I. Keine „Aufsichtshysterie“ .............................................................................. 182

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Inhaltsübersicht II. Keine Staatsgarantie für Wertpapiererwerb und Übernahmen ........................ 184

§ 6 Zwischenergebnis: Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG ........................................................................................... 185 § 7 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ................................................... 186 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 190 Sachwortverzeichnis................................................................................................... 206

Inhaltsverzeichnis Einleitung ..................................................................................................................... 25 I. Problemaufriss .................................................................................................. 25 II. Gang der Untersuchung .................................................................................... 29

Erstes Kapitel: Das WpÜG – Geschichte und Inhalt

30

§ 1 Entstehungsgeschichte des WpÜG ......................................................................... 30 I. Deutsches Übernahmegesetz ............................................................................ 30 II. Leitsätze und Übernahmekodex ........................................................................ 31 III. Europäische Übernahmerichtlinie ..................................................................... 32 § 2 Das WpÜG .............................................................................................................. 34 I. Aufbau und Systematik ..................................................................................... 34 II. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) ......................... 35

Zweites Kapitel: Die Bedeutung des „öffentlichen Interesses“

37

§ 1 Die Drittbezogenheit von Amtspflichten (§ 839 BGB, Art. 34 GG) ...................... 37 I. Das Tatbestandsmerkmal der Drittbezogenheit ................................................ 37 II. Bestimmung der Drittbezogenheit einer Amtspflicht ....................................... 38 1. Die Grundsätze der Rechtsprechung .......................................................... 38 2. Beispiele aus der (uneinheitlichen) Rechtsprechung .................................. 39 3. Kritische Literatur ohne echte Alternativen ................................................ 40 § 2 Subjektiv-öffentliche Rechte ................................................................................... 42 I. Das subjektiv-öffentliche Recht ........................................................................ 42

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Inhaltsverzeichnis II. Bestimmung subjektiv-öffentlicher Rechte: Die Schutznormtheorie ................ 43 III. Anwendungsvorrang des einfachen Rechts ...................................................... 45

Drittes Kapitel: WpÜG und Individualschutz

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§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage ....................................................... 47 I. Die Angebotsunterlage ..................................................................................... 47 II. Inhaltliche Anforderungen an die Angebotsunterlage ...................................... 48 1. Generelle Anforderungen (§ 11 Abs. 1 WpÜG) ......................................... 48 a) Maßgeblicher Verständnishorizont ...................................................... 48 b) Richtigkeit der Angaben ....................................................................... 50 c) Vollständigkeit der Angaben ................................................................ 51 2. Inhalt im Einzelnen: die Gegenleistung ...................................................... 53 a) Die Art der Gegenleistung .................................................................... 53 aa) Grundsätze der Bestimmung .......................................................... 53 bb) Erforderliche Angaben ................................................................... 54 b) Höhe der Gegenleistung ....................................................................... 55 aa) Grundsätze der Bestimmung .......................................................... 55 (1) Börsen- und Gleichpreisregel .................................................. 55 (2) Notwendigkeit einer Unternehmensbewertung ........................ 56 (3) Wertpapiere als Gegenleistung: angemessenes Umtauschverhältnis ................................................................. 58 bb) Erforderliche Angaben ................................................................... 58 III. Die Prüfpflicht der BAFin ................................................................................ 59 1. BAFin als Evidenzzentrale und Genehmigungsbehörde ............................ 59 2. Umfang der Prüfung: materielle Plausibilitätskontrolle ............................. 60 IV. Schutzzweck von Angebotsunterlage und Prüfpflicht ...................................... 62 1. Entscheidungsnot der Angebotsadressaten ohne Angebotsunterlage ......... 62 2. Das Prisoner´s Dilemma ............................................................................. 63

Inhaltsverzeichnis

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3. Milderung der Entscheidungsnot und des Prisoner´s Dilemmas ................ 64 a) Ausgleich des Informationsgefälles durch die Angebotsunterlage ....... 64 b) Flankierende Informationspflichten des Bieters ................................... 65 4. Individualschützender Charakter der Pflichten der BAFin in der Angebotsphase? .................................................................................... 66 a) Prüfpflicht individualschützend ........................................................... 66 b) Parallele zum Umwandlungsgesetz (UmwG) ....................................... 67 c) Kein genereller Drittschutz .................................................................. 68 d) Funktionsschutz durch Individualschutz .............................................. 69 § 2 Das Pflichtangebot .................................................................................................. 70 I. Kontrolle im Sinne des WpÜG ......................................................................... 70 II. Berechnung der Dreißig-Prozent-Schwelle; Problem der Zurechnung von Stimmrechten (am Beispiel des Falles Mobilcom/France Télécom) .......... 71 1. Halten der Aktien für Rechnung der France Télécom ................................ 72 2. Aktien mit einseitiger Erwerbsmöglichkeit der France Télécom ............... 73 3. Abgestimmtes (Stimmrechts-)Verhalten, § 30 Abs. 2 WpÜG .................... 74 III. Pflichtangebotsbezogene Aufgaben der BAFin ................................................ 74 1. Feststellung und Durchsetzung der Angebotspflicht .................................. 75 2. Nichtberücksichtigung von Stimmrechten (§§ 20, 36 WpÜG); Befreiung von der Angebotspflicht (§ 37 WpÜG) ..................................... 75 a) Aktien im Handelsbestand (§ 20 WpÜG) ............................................. 76 b) Nichtberücksichtigung von Stimmrechten nach § 36 WpÜG ............... 76 c) Befreiung vom Pflichtangebot nach § 37 WpÜG, § 9 WpÜG-AngVO .............................................................................. 77 IV. Schutzzweck des Pflichtangebots und der diesbezüglichen Pflichten: Minderheitenschutz .......................................................................................... 78 1. Pflichtangebot als Instrument gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzes ................................................................................. 78 a) Gefahr des Vermögensverlustes durch Kontrollwechsel ...................... 78 b) Die Macht des Großaktionärs und Treuepflichten ................................ 79

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Inhaltsverzeichnis c) Pflichtangebot als Ausfluss gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten; das WpÜG an der Schnittstelle von Kapitalmarktund Gesellschaftsrecht .......................................................................... 81 d) Parallelen im Konzern- und Umwandlungsrecht .................................. 82 aa) Minderheitenschutz im deutschen Konzernrecht ........................... 82 bb) Minderheitenschutz durch § 29 UmwG ......................................... 84 2. Drittbezogenheit der Pflichten der BAFin .................................................. 85

§ 3 Zwischenergebnis: Individualschützende, drittbezogene Pflichten der BAFin ....... 86

Viertes Kapitel: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

87

§ 1 Die Norm des § 4 Abs. 2 WpÜG ............................................................................ 87 § 2 Konsequenzen der „Interessenregelung“ ................................................................ 88 I. Keine drittbezogenen Amtspflichten i.S.v. § 839 BGB, Art. 34 GG ................ 88 II. Keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ................................................. 89 III. Keine subjektiv-öffentlichen Rechte im WpÜG ............................................... 89 1. Schutznormtheorie i.V.m. § 4 Abs. 2 WpÜG – keine subjektiv-öffentlichen Rechte im WpÜG ................................................... 89 2. Subjektiv-öffentliche Rechte trotz § 4 Abs. 2 WpÜG? .............................. 90 3. Generelle Unzulässigkeit von Rechtsbehelfen Dritter (Nicht-Adressaten) ..................................................................................... 91 4. Wirkung des § 4 Abs. 2 WpÜG auch in bipolaren Verwaltungsrechtsverhältnissen ................................................................. 93 a) Denkbare Unzulässigkeit von Adressatenklagen .................................. 93 b) Unzulässige Leistungsbegehren; Ausschluss von Ansprüchen auf Tätigwerden der BAFin .................................................................. 95 aa) Keine Geltung der Adressatentheorie ............................................ 97 bb) Verfahrensbeteiligung nicht zwingend anspruchsbegründend ....... 98 cc) Verpflichtung der Behörde allein nicht anspruchsbegründend ...... 98 dd) Keine Begründung subjektiv-öffentlicher Rechte durch Rechtsbehelfsvorschriften .................................................... 99

Inhaltsverzeichnis

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ee) Kein Rückgriff auf Grundrechte .................................................. 100 IV. Zwischenergebnis: Kein Individualschutz im WpÜG .................................... 100 § 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG ................................................ 101 I. Unsicherheiten bezüglich des Regelungsgehaltes der Klarstellungsnormen .. 101 1. „Verkappter“ Haftungsausschluss ............................................................ 101 2. Unverbindliche Zielbestimmung .............................................................. 102 3. § 4 Abs. 2 WpÜG als lex generalis ........................................................... 103 4. Gemeinsame Auffassung: Systemfremdheit der Klarstellungsnormen .... 103 II. Interpretation des § 4 Abs. 2 WpÜG nach den anerkannten Methoden ......... 104 1. Die anerkannten Auslegungsmethoden .................................................... 104 2. Eindeutiger Wortlaut des § 4 Abs. 2 WpÜG: Schutzzweckbestimmung nur für Aufsichtsnormen ........................................................................... 104 a) Der Wortlaut als Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung ............ 104 b) Eindeutiger Wortlaut des § 4 Abs. 2 WpÜG ...................................... 105 3. Entstehungsgeschichte der Klarstellungsnormen ..................................... 107 a) Das Wetterstein-Urteil ........................................................................ 107 aa) Der Zweck des KWG ................................................................... 108 bb) Selbständige Zweckbestimmung für die Bankenaufsicht ............. 110 b) Die Reaktion des Gesetzgebers: Der (damalige) § 6 Abs. 3 KWG ..... 111 4. Telos der Klarstellungsnormen: Schutzzweckbestimmung i.S.d. Schutznormlehre ............................................................................. 112 a) „In erster Linie“ Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen ............... 112 b) Klarstellungsnormen als Zweckbestimmung im Sinne der Schutznormlehre .......................................................................... 113 c) Wirkung auch für subjektiv-öffentliche Rechte ................................. 114 d) § 4 Abs. 2 WpÜG und subjektiv-öffentliche Rechte im WpÜG ........ 115 5. Zwischenfazit: Klarstellungsnormen als normative Schutzzweckbestimmung ......................................................................... 117 III. Reichweite der Klarstellung: (All-)Umfassende Zweckbestimmung – Keine Beschränkung auf „Dritte“! .................................................................. 118 1. Keine Einschränkung im Wortlaut und in den Gesetzesmaterialen .......... 118

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Inhaltsverzeichnis a) Problem: Maßgeblichkeit des objektivierten Gesetzgeberwillens ...... 118 b) Keine eindeutige Aussage der Materialien zu Gunsten einer Einschränkung .................................................................................... 119 c) Bedeutung der „Unberührt“-Formel nur für die Haftung ................... 119 aa) Inkongruenz von Drittbezogenheit und Klagebefugnis ................ 120 bb) Absolute Amtspflichten ............................................................... 121 cc) Relative Amtspflichten ................................................................. 122 dd) „Unberührt“-Formel nur deklaratorische Klarstellung der Pflicht zu rechtmäßigem Handeln .......................................... 123 ee) Verwirrende Beschränkung auf unmittelbar Betroffene ............... 124 d) Irrtum des Gesetzgebers über die Reichweite der Klarstellungsnormen .................................................................... 125 2. § 4 Abs. 2 WpÜG lex generalis? .............................................................. 125 a) Systematik als Auslegungskriterium .................................................. 125 b) Voraussetzung: Normwiderspruch ..................................................... 126 c) Kein entsprechender Normwiderspruch im WpÜG ............................ 127 d) Bestätigung durch die Systematik des WpÜG .................................... 129 IV. Ergebnis: § 4 Abs. 2 WpÜG als umfassende und undifferenzierte Zweckbestimmung i.S.d. Schutznormlehre .................................................... 130

§ 4 „Überindividueller“ Funktionsschutz im Sinne der Strukturtheorie .................... 130 I. Bekenntnis des Gesetzgebers zur Strukturtheorie ........................................... 130 II. Die Strukturtheorie: Entwicklung und Anliegen ............................................ 131 III. Bestätigung der Strukturtheorie durch die Rechtsprechung ............................ 133 § 5 Zwischenergebnis: Rein objektivrechtliche Überwachung individualschützender Normen ............................................................................. 136

Fünftes Kapitel: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

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§ 1 Handgreifliche Widersprüchlichkeit des WpÜG ................................................... 138 § 2 Nicht weiterführende, bisherige Ansätze der Literatur zur Begründung der Verfassungswidrigkeit .................................................................................... 139

Inhaltsverzeichnis

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I. Keine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 2 GG) ...... 139 II. Kein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Gebot der Klarheit und Widerspruchsfreiheit der Gesetzgebung (Art. 20 Abs. 3 GG) ................. 140 1. Gebot der Klarheit der Gesetzgebung ....................................................... 140 2. Widerspruchsfreiheit der Gesetzgebung ................................................... 141 III. Kein Verstoß gegen Art. 34 GG ..................................................................... 142 IV. Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten? ............................................... 142 § 3 Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG ........................................................................................................ 144 I. Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und § 4 Abs. 2 WpÜG als generelle Rechtswegsperre ........................................................................ 144 II. Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG wegen Sperrung der Bieter-Ansprüche ...................................................................................... 145 1. Ansprüche des Bieters als verfassungsrechtliche Notwendigkeit ............. 146 a) Anspruch auf Befreiung vom Pflichtangebot ..................................... 146 aa) Pflichtangebot als Eingriff in die Privatautonomie des Bieters .... 146 bb) Beschränkbarkeit der Privatautonomie ........................................ 147 cc) Verhältnismäßigkeit der Freiheitsbeschränkung .......................... 147 b) Beschränkung der Vertragsfreiheit durch die Pflicht zur Angebotsunterlage ....................................................................... 149 2. Verfassungskonformität nicht herstellbar ................................................. 150 a) Keine verfassungskonforme Auslegung des § 4 Abs. 2 WpÜG ......... 150 aa) Notwendigkeit verfassungskonformer Auslegung ........................ 150 bb) Grenzen der verfassungskonformen Auslegung ........................... 151 cc) § 4 Abs. 2 WpÜG nicht verfassungskonform interpretierbar ....... 152 b) Keine Norminterpretation praeter legem (teleologische Reduktion) .. 152 aa) Zulässigkeit der Auslegung praeter legem ................................... 152 bb) Grenze zur unzulässigen Auslegung contra legem ....................... 153 cc) Teleologische Reduktion als Instrument der Rechtsfortbildung .. 154 dd) § 4 Abs. 2 WpÜG nicht teleologisch reduzierbar ........................ 155

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Inhaltsverzeichnis 3. Ergebnis: § 4 Abs. 2 WpÜG verfassungswidrig wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG bezüglich Beaufsichtigter ......................................................................... 156 III. Verfassungswidrigkeit wegen des generellen Drittrechtsausschlusses ........... 157 1. Problem der Privatrechtsrelevanz des Handelns der BAFin ..................... 157 2. Möglichkeit der Rechtsverletzung i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG .................... 159 a) „Vereitelung“ des Pflichtangebots als Eingriff .................................. 159 aa) § 35 WpÜG – privatrechtliche Anspruchsnorm ........................... 159 bb) Anspruch aus § 35 WpÜG als Eigentum i.S.d. Art. 14 GG ......... 162 (1) Verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff .............................. 162 (2) Pflichtangebot als verfestigte, vermögenswerte Rechtsposition ....................................................................... 163 cc) Möglichkeit der Rechtsverletzung durch an Bieter gerichtete Befreiungsverfügung ................................................... 165 (1) Weiter Eingriffsbegriff ........................................................... 165 (2) Befreiungsverfügungen der BAFin als privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte ................................................. 166 (3) Vollzug einer Inhalts- und Schrankenbestimmung ................ 168 (4) Alternative Regelungskonzeptionen zur Vermeidung der Privatrechtsgestaltung? .................................................... 170 (a) Europarechtliche Vorgaben ............................................. 170 (b) Pflichtangebot und grundrechtliche Schutzpflicht ........... 172 dd) Ergebnis: Mögliche Rechtsverletzung durch Befreiungsverfügung der BAFin ................................................................... 172 b) Rechtsverletzung durch Vertragsvernichtung bei Untersagung von Angeboten gemäß § 15 WpÜG ................................................... 173 aa) Untersagung als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt; Nichtigkeit von Wertpapiererwerbsverträgen als Folge ............... 173 bb) Keine Vertragsvernichtung durch Untersagung der Angebotsunterlage vor Vertragsschluss ................................. 174 cc) Vertragsvernichtung bei Untersagung nach Vertragsschluss ....... 174 (1) Vertragsschluss mit Annahmeerklärung durch Wertpapierinhaber ................................................................................... 175

Inhaltsverzeichnis

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(2) Gestattung der Angebotsunterlage durch die BAFin keine Wirksamkeitsvoraussetzung ......................................... 176 (3) Ordnungsgemäße Veröffentlichung der Angebotsunterlage keine Wirksamkeitsvoraussetzung ......................................... 177 dd) Ergebnis ....................................................................................... 178 ee) Alternative Regelungskonzepte zur Vermeidung der „Vertragsvernichtung“ ........................................................... 179 § 4 Teilnichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG? ................................................................. 180 I. Teilnichtigerklärung gemäß § 78 S. 1 BVerfGG ............................................ 180 II. Teilnichtigerklärung ohne Normreduzierung .................................................. 181 § 5 Konsequenzen der Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG .......................................... 182 I. Keine „Aufsichtshysterie“ .............................................................................. 182 II. Keine Staatsgarantie für Wertpapiererwerb und Übernahmen ........................ 184 § 6 Zwischenergebnis: Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG ........................................................................................... 185 § 7 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ................................................... 186 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 190 Sachwortverzeichnis................................................................................................... 206

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl ABlEG AcP a.F. AG AktG Anm AöR Art. AsylbLG AT Aufl. BAFin BAK, BAKred BAWe BauGB BauR BayVBl. BB BBesG Bd. BFH BGB BGBl. BGH BGHZ BImSchG

BMF BKR BoK BörsG BörsO BörsZulV

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Abkürzungsverzeichnis BSG BSHG BSK BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE bzw. DAV DB DCF ders. dies. DÖV DV DVBl. DZWir EG EGV EU EuGH EUV FAZ f., ff. FinDAG Fn. FS GA GAAP GBO GewO GG GWB HGB h.M. HWiG IAS i.d.F. i.S.d. i.V.m.

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Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium für Finanzen Drucksache des Deutschen Bundestages (Wahlperiode und Nummer) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb Discounted Cash Flow derselbe dieselbe Die Öffentliche Verwaltung Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Europäische Gemeinschaft(en) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Union Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union Frankfurter Allgemeine Zeitung folgende, fortfolgende Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz) Fußnote Festschrift Goltdammer´s Archiv für Strafrecht Generally Accepted Accounting Principles Grundbuchordnung Gewerbeordnung Grundgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften International Accounting Standards in der Fassung im Sinne des in Verbindung mit

22 JA Jura JuS JW JZ Kap. KöKo KonTraG krit. KWG LG MDR MüKo MuSchG m.w.N. n.F. NJW NVwZ NZA NZG OLG OVG PostG RIW RefE RegE RG RGBl. RGZ Rili RKRK RKWG Rn. Rs. Rspr. Sch-Sch SchwbG Slg. StGB st. Rspr. StVO TKG UIG

Abkürzungsverzeichnis Juristische Arbeitsblätter Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel Kölner Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich kritisch Gesetz über das Kreditwesen Landgericht Monatsschrift des deutschen Rechts Münchener Kommentar Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Postgesetz Recht der internationalen Wirtschaft Referentenentwurf Regierungsentwurf Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinie Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar hrsg. von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern Reichsgesetz über das Kreditwesen Randnummer Rechtssache Rechtsprechung Schönke/Schröder Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz) Sammlung Strafgesetzbuch ständige Rechtsprechung Straßenverkehrs-Ordnung Telekommunikationsgesetz Umweltinformationsgesetz

Abkürzungsverzeichnis UmwG VAG VerkProspG VerkProspVO VersR VerwArch VG VGH VVDStRL VwVfG VwGO VW WM Wpg WpHG WpÜG WpÜG-AngVO

WuW ZBB ZGR ZHR ZIP ZKW ZPO ZRP ZVersWiss

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Umwandlungsgesetz Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte Zeitschrift für Versicherungsrecht Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Versicherungswirtschaft Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots (WpÜG-Angebotsverordnung) Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

Im Übrigen wird auf das Abkürzungsverzeichnis von Kirchner/Butz (Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin 2003) verwiesen.

Einleitung An der Börse ist eine halbe Wahrheit eine ganze Lüge. (André Kostolany, „Börsenaltmeister“, 1906-1999) Der Kleinaktionär ist das Kanonenfutter des Wertpapierhandels. (Helmar Nahr, deutscher Mathematiker und Unternehmer, geb. 1931) Risiko entsteht dann, wenn Anleger nicht wissen, was sie tun. (Warren Buffet, erfolgreichster US-Investor des 20. Jahrhunderts und Chef von ‚Berkshire Hathaway‘, geb. 1931)

I. Problemaufriss Mag sein, dass die Verfasser des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG1) Börsenweisheiten dieser Couleur vor Augen hatten. Jedenfalls trat am 1. Januar 2002 das WpÜG in Kraft. Deutschland hat damit erstmals einen gesetzlichen, allgemeinverbindlichen Rahmen für öffentliche Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebote. Mit der Übernahme der Großbäckerei Kamps durch den italienischen Nahrungsmittelkonzern Barilla2 und dem ÜbernahmeHickhack um die Mobilcom AG3 stellten sich auch früh prominente Testfälle ein. Hauptanliegen des Gesetzgebers war die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für faire und geordnete Verfahren bei öffentlichen Angeboten zum ___________ 1 Das WpÜG ist Teil des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen (BGBl. I 2001, S. 3822), einem Artikelgesetz, das neben dem WpÜG (Art. 1) unter anderem Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes (Art. 2) sowie in Art. 7 eine Ergänzung des Aktiengesetzes um Regeln für den Ausschluss von Minderheitsaktionären (sog. „Squeeze Out“) enthält. Darüber hinaus hat das Bundesfinanzministerium mehrere Verordnungen zum WpÜG erlassen, u.a. die WpÜG-Angebotsverordnung (folgend WpÜG-AngVO), WpÜG-Beiratsverordnung, WpÜG-Widerspruchsausschuss-Verordnung, WpÜG-Gebührenverordnung (vgl. BGBl. I 2001, S. 4259 ff.); zur im Zuge der organisatorischen Neuordnung der Aufsicht erforderlichen Textanpassung ergingen die Erste und Zweite Verordnung zur Anpassung von Bezeichnungen nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz vom 29.4.2002 (BGBl. I, S. 1495) bzw. vom 13.12.2002 (BGBl. I 2003, S. 2). 2 FAZ v. 16.4.2002, S. 13, 19. 3 FAZ v. 27.3.2002, S. 13, 24; FAZ v. 13.4.2002, S. 23; FAZ v. 3.8.2002, S. 10; FAZ v. 14.9.2002, S. 9, 12; näher dazu unten 3. Kap. § 2 II.; zu weiteren Angebotsverfahren siehe www.bafin.de (Stand: 8.5.2003).

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Einleitung

Erwerb von Wertpapieren und zur Übernahme von Unternehmen, die den Anforderungen der Globalisierung und der Finanzmärkte angemessen Rechnung tragen und dadurch den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Deutschland im internationalen Wettbewerb weiter stärken4. Herausragendes Ziel des WpÜG war dabei die Schaffung von Transparenz und die Verbesserung der Informationen für die Beteiligten eines Angebotsverfahrens, vor allem für die Adressaten eines Angebotes, den Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft (§ 3 Abs. 2 WpÜG). Um deren Informations- und Schutzbedürfnis gerecht zu werden, ihnen insbesondere eine hinreichende Grundlage für eine sachlich fundierte Entscheidung über die Annahme des Angebots zu gewährleisten, wird der Kaufwillige – der Bieter – mit umfangreichen Melde- und Mitteilungspflichten belegt und zur Erstellung einer umfassenden Angebotsunterlage, dem Kernstück eines jeden Erwerbsangebots, verpflichtet5. Weiteres zentrales Element des Übernahmegesetzes ist die Stärkung der rechtlichen Stellung von Minderheitsaktionären bei Unternehmensübernahmen6. Deren Schutzbedürfnis entsteht, weil erfolgreiche Übernahmen zu Kontrollwechseln oder zur erstmaligen Kontrollerlangung und regelmäßig auch zu einer geschäftspolitischen Neuausrichtung des Unternehmens durch den neuen Mehrheitsaktionär führen, die sich auf die Werthaltigkeit der Unternehmensanteile der Minderheitsaktionäre auswirken kann7. Dem trägt das WpÜG durch spezielle Regelungen für Übernahmeangebote (§§ 29 ff. WpÜG) Rechnung, wobei das Pflichtangebot (§ 35 WpÜG) hervorzuheben ist, das den Minderheitsaktionären ermöglicht, ihre Anteile im Falle der Änderung der Kontrollsituation zu einem angemessenen Preis zu veräußern8. Mit der Überwachung des ordnungsgemäßen Ablaufs öffentlicher Angebotsverfahren ist nunmehr die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) – bis zum 1. Mai 2002 oblag diese Aufgabe dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe)9 – betraut (§ 4 Abs.1 WpÜG). Angesichts der einleitenden Ausführungen über das Informations- und Schutzbedürfnis vor al___________ 4 Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des WpÜG in BT-Drs. 14/7034, S. 28. 5 BT-Drs. 14/7034, S. 1, 28 f., 35, 41. 6 So ausdrücklich BT-Drs. 14/7034, S. 28. 7 BT-Drs. 14/7034, S. S. 27. 8 BT-Drs. 14/7034, S. 34, 59 f. 9 Durch die Zusammenlegung des BAWe mit den Bundesaufsichtsämtern für das Kreditwesen und für das Versicherungswesen ist zum 1. Mai 2002 die BAFin entstanden (§ 1 Abs. 1 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) v. 22.4.2002 (BGBl. I S. 1310, zuletzt geändert durch Gesetz v. 23.7.2002, BGBl. I S. 2778)). Die Aufgaben und Kompetenzen der ehemaligen Bundesaufsichtsämter wurden durch § 4 FinDAG auf die BAFin übertragen. Zur BAFin Hagemeister, WM 2002, S. 1773 (1774 ff.).

Einleitung

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lem der betroffenen Wertpapierinhaber mutet es allerdings seltsam an, dass die BAFin gemäß § 4 Abs. 2 WpÜG ihre Aufgaben und Befugnisse allein im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Zweck des WpÜG sowie der Überwachungstätigkeit der BAFin soll allein die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte sein. Der Schutz der Interessen der an öffentlichen Angebotsverfahren Beteiligten, etwa der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft, sei hingegen, so die Regierungsbegründung, nur ein Rechtsreflex, also mittelbar begünstigende Folge des Schutzes der Wertpapiermärkte10. Mit der Vorschrift des § 4 Abs. 2 WpÜG intendiert der Gesetzgeber in erster Linie den Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen (§ 839 BGB, Art. 34 GG) wegen fehlerhafter Überwachungstätigkeit der BAFin11. Das Bestehen solcher Ansprüche hängt nämlich maßgeblich davon ab, ob die verletzte Amtspflicht auch dem Geschädigten gegenüber oder allein im öffentlichen Interesse besteht. Darüber hinaus steht und fällt die Möglichkeit verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes gemäß § 42 Abs. 2 VwGO mit der Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte, für deren Bestehen wiederum – zumindest nach der herrschenden Schutznormtheorie – die Schutzrichtung eines Gesetzes entscheidend ist. Die Regelungstechnik einer normativen Interessenbestimmung ist indes nicht neu. Bereits 1984 wurde als Reaktion auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Amtshaftung im Rahmen der Bankenaufsicht12 der § 6 Abs. 3 (später Abs. 4) in das KWG eingefügt13. Weil der Bundesgerichtshof geurteilt hatte, dass die dem Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen (BAK) durch das KWG übertragenen Aufgaben auch den Schutz der Einlagegläubiger eines Kreditinstitutes bezwecken und Pflichtverletzungen durchaus Amtshaftungsansprüche begründen können14, sah sich der Gesetzgeber veranlasst, ausdrücklich klarzustellen, dass das BAK seine Aufgaben allein im öffentlichen Interesse, also gerade nicht im Interesse einzelner Bankkunden wahrnimmt. Im Rahmen des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes wurden aus denselben Erwägungen schließlich das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) mit einer Klarstellungsregelung in § 4 Abs. 2 WpHG erlassen sowie der gleich lautende § 1 Abs. 4 (nun Abs. 6) in das ___________ 10 BT-Drs., S. 14/7034, S. 36, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den gleichlautenden § 4 Abs. 2 WpHG BT-Drs., S. 12/7918, S. 100. 11 Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 12; vgl. auch BT-Drs. 10/1441, S. 20 zum (damaligen) § 6 Abs. 3 KWG. 12 BGH, Urt. v. 15.2.1979 = BGHZ 74, S. 144 ff. – Wetterstein; bestätigt durch BGH, Urt. v.12.7.1979 = BGHZ 75, S. 120 ff. – Herrstatt. 13 Drittes Gesetz zur Änderung des KWG vom 20.12.1984 (BGBl. I, S. 1693); in Art. 4 dieses Gesetzes wurde außerdem der gleich lautende § 81 Abs. 1 S. 2 (später S. 3) VAG eingefügt. 14 BGHZ 74, S. 144 (146 ff.).

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Einleitung

Börsengesetz (BörsG) eingefügt15. Auch § 4 Abs. 2 WpÜG ist der Modellnorm des (damaligen) § 6 Abs. 3 KWG nachempfunden16. Im Rahmen der Neuordnung der Aufsichtsämter ist § 6 Abs. 4 KWG nunmehr, ebenso wie § 4 Abs. 2 WpHG, in § 4 Abs. 4 FinDAG aufgegangen. Seit jeher wird allerdings die Rechtmäßigkeit dieser Ausschluss- oder Klarstellungsvorschriften angezweifelt17. Gegen § 6 Abs. 4 KWG a.F. wurde etwa vorgebracht, er greife in unzulässiger Weise in die Kompetenzen der Rechtsprechung ein18, sei ein formenmissbräuchlicher Haftungsausschluss19 und verletze verfassungs- und europarechtlich begründete staatliche Schutzpflichten20. Die Rechtsprechung teilt diese Bedenken vorerst allerdings nicht21. Auch Kritik an § 4 Abs. 2 WpÜG ließ nicht lange auf sich warten. Noch während des Gesetzgebungsverfahrens wurde vor allem auf die Schwächen des Rechtsschutzsystems hingewiesen, die dadurch entstehen, dass Drittbetroffene weder widerspruchs- noch klagebefugt sind22. Insoweit wird § 4 Abs. 2 WpÜG mit Blick auf die oben kurz angedeuteten Zielsetzungen des WpÜG nicht nur als problematisch, sondern auch als systemfremd und widersprüchlich empfunden. Um seine ___________ 15

BGBl. I 1994, S. 1750 (§ 4 Abs. 2 WpHG) und S. 1760 f. (§ 1 Abs. 4 BörsG). Zur Parallelität der Ausschluss- oder Klarstellungsnormen vgl. für § 4 Abs. 2 WpÜG: Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 12; zu § 1 Abs. 4 BörsG, § 4 Abs. 2 WpHG vgl. die Empfehlung des Finanzausschusses zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz in BT-Drs. 12/7918, S. 97, 109 u. die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf d. Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes in BT-Drs. 12/6679, S. 96; vgl. zu § 4 Abs. 2 WpHG auch Dreyling in Assmann/Schneider, WpHG, § 4 Rn. 24; Geibel in Schäfer, WpHG, § 4 Rn. 24. 17 Zusammenfassend zu § 6 Abs. 4 KWG a.F. etwa OLG Köln ZIP 2001, S. 645 (646 ff.); Schenke/Ruthig, NJW 1994, S. 2324 (2325 ff.); Cremer, JuS 2001, S. 643 (648 f.); siehe auch Geibel in Schäfer, WpHG, § 4 Rn. 26 f.; Schenke, FS Lorenz, S. 473 (482 ff.); Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 11 ff.; alle m.w.N. 18 MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 251; Nüßgens, FS Gelzer, S. 293 (300). 19 MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 251. 20 Schenke/Ruthig, NJW 1994, S. 2324 (2326 f.); siehe auch Schenke, FS Lorenz, S. 473 (488 ff.) zu § 81 Abs.1 S. 2 VAG a.F. 21 § 6 Abs. 4 KWG: OLG Köln ZIP 2001, S. 645 (647 ff.); so auch die Vorinstanz – LG Bonn NJW 2000, S. 815 (819 f.); zwischenzeitlich erfolgte allerdings eine Vorlage des BGH zum EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EGV zur Klärung der Frage, ob § 6 Abs. 4 KWG europarechtlichen Vorgaben gerecht wird (BGH NJW 2002, S. 2464 ff.). Der EuGH hat nunmehr entschieden, die in Frage stehenden Richtlinien stünden einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, nach der die Aufsicht über Kreditinstitute nur im öffentlichen Interesse erfolgt (NJW 2004, S. 3479 (3480 f.)). 22 Liebscher, ZIP 2001, S. 853 (858); vgl. auch die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV e.V. vom April 2001, NZG 2001, S. 420 (421); siehe zur wachsenden praktischen Bedeutung von Fragen des Rechtsschutzes OLG Frankfurt/M. ZIP 2003, S. 1251 ff. bzw. 1392 ff. (Wella-Verfahren) und ZIP 2003, S. 1297 ff. (ProSiebenSat.1-Verfahren); dazu Seibt, ZIP 2003, S. 1865 ff. und Uechtritz/Wirth, WM 2004, S. 410 ff. 16

Einleitung

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unliebsamen Folgen, insbesondere für das Bestehen subjektiv-öffentlicher Rechte, zu begrenzen, wird zum Teil versucht, § 4 Abs. 2 WpÜG einschränkend auszulegen23. Steinmeyer/Häger meinen lapidar, man müsse die Norm „so lesen, dass sie aus anderen Normen erwachsene subjektive Rechte der ausdrücklich geschützten Personenkreise nicht ausschließt“24. Ob des klaren Wortlautes stellt sich indes die Frage nach dem tatsächlichen Interpretationsspielraum. Prekär ist zudem, ob § 4 Abs. 2 WpÜG über die Drittschutz-Problematik hinaus, namentlich im Verhältnis der BAFin zu beaufsichtigten Bietern, Wirkung entfaltet. Diese Frage, die bisher allenfalls am Rande aufgeworfen wurde und auch die übrigen Klarstellungsnormen betrifft, entsteht, weil die Schutznormtheorie auch in zweipoligen Verwaltungsrechtsverhältnissen Geltung beansprucht, der Wortlaut eine dahingehende Differenzierung jedoch nicht erkennen lässt. II. Gang der Untersuchung Damit sind im Grunde bereits die zentralen Problemfelder von § 4 Abs. 2 WpÜG angesprochen. Zum einen ist fraglich, ob das WpÜG – zumindest in Teilen – individualschützenden Charakter hat. Wem sind einzelne Regelungen zu dienen bestimmt? Dazu sollen im 3. Kapitel ausgewählte Pflichten der BAFin hinsichtlich ihres Schutzzwecks eingehend analysiert werden, wobei § 4 Abs. 2 WpÜG zunächst bewusst außer Acht gelassen wird. Zum anderen ist im 4. Kapitel zu klären, wie § 4 Abs. 2 WpÜG zu lesen ist. Darüber besteht nach wie vor keine Einigkeit. Zu untersuchen ist, welcher Regelungsgehalt § 4 Abs. 2 WpÜG zukommt, welche Konsequenzen sich daraus für Amtshaftung und subjektiv-öffentliche Rechte ergeben und nicht zuletzt, wie weit die Wirkung der Klarstellungsregelung reicht. In diesem Zusammenhang wird insbesondere zu erörtern sein, ob auch beaufsichtigte Bieter von der Norm erfasst sind. Schließlich ist zu prüfen, ob § 4 Abs. 2 WpÜG in der ermittelten Lesart verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt (5. Kapitel). Einführend erfolgt zunächst eine Darstellung der Grundsätze zur Bestimmung drittbezogener Amtspflichten bzw. subjektiv-öffentlicher Rechte (2. Kapitel). Zu Beginn (1. Kapitel) steht aber ein kurzer Blick auf den Aufbau des WpÜG und seine Entstehungsgeschichte, die, vor allem im Endstadium des Gesetzgebungsverfahrens, ganz maßgeblich von § 4 Abs. 2 WpÜG mitbestimmt wurde.

___________ 23 Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (82 ff.); Aha, AG 2002, S. 160 (161); Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 4 Rn. 17 f., Vorb vor §§ 41 ff. Rn. 13 ff.; a.A. Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 13. 24 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 4 Rn. 17.

Erstes Kapitel:

Das WpÜG – Geschichte und Inhalt § 1 Entstehungsgeschichte des WpÜG I. Deutsches Übernahmegesetz Wie bereits erwähnt, trat das WpÜG am 1. Januar 2002 in Kraft. Die Initiative ging vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) aus, das am 29. Juni 2000 unter dem Eindruck der medienwirksamen Übernahmeschlacht zwischen Mannesmann und Vodafone AirTouch1, fortschreitender Globalisierung der Finanzmärkte und nicht zuletzt der wachsenden Bedeutung der Aktie als Anlageform in Deutschland einen Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Regelung von Unternehmensübernahmen2 vorlegte. Der schließlich mit zahlreichen Änderungen versehene Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 11. Juli 20013 wurde am 15. November 2001 vom Bundestag verabschiedet4. Die nunmehr geltende Fassung des WpÜG enthält allerdings mit Blick auf die Drittschutz-Problematik gravierende Modifikationen, die maßgeblich auf den im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehenden § 4 Abs. 2 WpÜG zurückgehen5. Ersatzlos gestrichen wurde etwa § 42 i.d.F. des Regierungsentwurfs, der eine Schadensersatzpflicht bei missbräuchlicher Rechtsbehelfseinlegung regelte.

___________ 1

Dazu Riehmer/Schröder, NZG 2000, S. 820 ff.; Burgard, WM 2000, S. 611 ff. Text in NZG 2000, S. 844 ff.; dazu Land/Hasselbach, DB 2000, S. 1747 ff.; Riehmer/Schröder, NZG 2000, S. 820 ff.; Witt, NZG 2000, S. 809 ff.; zum folgenden Referentenentwurf v. 12.3.2001 siehe Thaeter/Barth, NZG 2001, S. 545 ff.; Liebscher, ZIP 2001, S. 853 ff.; Zinser, NZG 2001, S. 391 ff. 3 Abgedruckt in BT-Drs. 14/7034; dazu etwa Land, DB 2001, S. 1707 ff.; Möller/ Pötzsch, ZIP 2001, S. 1256 ff.; Stellungnahme des DAV-Handelsrechtsausschusses, ZIP 2001, S. 1736 ff.; Oechsler, NZG 2001, S. 817 ff.; Schüppen, WPg 2001, S. 958 ff. 4 Dazu etwa Zinser, NZG 2002, S. 15 ff.; Zschocke, DB 2002, S. 79 ff.; Krause, NJW 2002, S. 705 ff.; Thoma, NZG 2002, S. 105 ff. 5 Siehe auch 4. Kap. § 3 II. 4. d. 2

§ 1 Entstehungsgeschichte des WpÜG

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Der Finanzausschuss sah für diese Vorschrift keinen praktischen Anwendungsbereich, „da Dritte durch Verfügungen des BAWe“ (jetzt: der BAFin) „nicht in ihren Rechten verletzt sein können und demzufolge keinen Widerspruch oder Beschwerde einlegen können, die als missbräuchlich zu qualifizieren wäre“6. Auf denselben Erwägungen beruht die im Regierungsentwurf noch nicht vorgesehene Beschränkung der Beteiligten am Beschwerdeverfahren auf den Beschwerdeführer und die BAFin unter Ausschluss Dritter (§ 52 WpÜG).

II. Leitsätze und Übernahmekodex Ein deutsches Regelwerk für Unternehmensübernahmen war indes kein Novum. Bereits 1979 stellte die Börsensachverständigenkommission beim BMF (BSK) Leitsätze für Unternehmensübernahmen7 auf. Es handelte sich dabei um Wohlverhaltensregelungen auf freiwilliger Grundlage, die jedoch in der Praxis wegen ihrer Lückenhaftigkeit, mangels Sanktionsmechanismen, vor allem aber aufgrund ihrer Unverbindlichkeit weitgehend unbeachtet blieben8. Auch der 1995 ebenfalls von der BSK geschaffene Übernahmekodex9 erzielte nicht die erhoffte Wirkung. An den britischen City Code on Takeovers and Mergers10 angelehnt, schloss er zwar zahlreiche Lücken, die noch die Leitsätze kennzeichneten. Er enthielt etwa erstmals ein Pflichtangebot für Minderheitsaktionäre sowie ein Anerkennungsverfahren. Er regelte außerdem Pflichten der Zielgesellschaft während des Übernahmeverfahrens, die Höhe der Gegenleistung bei Pflichtangeboten sowie weitere Anforderungen an das Angebot. Die neben mangelndem Rechtsschutz und unzureichender Justitiabilität entscheidende Schwäche des Kodex war aber seine fehlende Durchschlagskraft11, war er doch ebenfalls kein allgemeinverbindliches, formelles Gesetz, sondern nur Instrument zur freiwilligen, rechtlich nicht verbindlichen Selbstregulierung. Da der Kodex der (freiwilligen) Anerkennung der Beteiligten bedurfte, war er letztlich nicht mehr als eine Empfehlung von Verhaltensnormen für die an Unternehmensübernahmen betei___________ 6

BT-Drs. 14/7477, S. 29, 53. Leitsätze für öffentliche freiwillige Kauf- und Umtauschangebote bzw. Aufforderung zur Abgabe derartiger Angebote im amtlich notierten oder im geregelten Freiverkehr gehandelten Aktien bzw. Erwerbsrechten; abgedruckt bei Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 197 ff. 8 Zinser, NZG 2001, S. 391 (392); Assmann, AG 1995, S. 563 (563). 9 In der seit 1.1.1998 geltenden Fassung abgedruckt bei Hirte, WpÜG, S. 315 ff.; dazu Assmann, AG 1995, S. 563 ff.; Thoma, ZIP 1996, S. 1725 ff. 10 In der Fassung v. 12.7.2001 abgedruckt bei Hirte, WpÜG, S. 349 f.; dazu Zinser, RIW 2001, S. 481 ff.; Baum, RIW 2003, S. 421 ff. 11 Siehe etwa Thaeter/Barth, NZG 2001, S. 545 (545); Groß, DB 1996, S. 1909 (1910); Kirchner/Ehricke, AG 1998, S. 105 (110 ff.). 7

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1. Kap.: Das WpÜG – Geschichte und Inhalt

ligten Parteien. Der Übernahmekodex fand zudem nie die erwünschte breite Akzeptanz. Bis zum 11. April 2001 erkannten ihn nur 755 von 1016 börsennotierten Gesellschaften, darunter lediglich 86 der DAX-100-Gesellschaften, an12. Vor allem ausländische Unternehmen verspürten keinen Anreiz, sich dem Übernahmekodex zu unterwerfen, was im Falle der spektakulären Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone AirTouch zu Beginn des Jahres 2000 deutlich wurde13. Im Juni 2000 schließlich kam das BMF der von der BSK schon im Februar 1999 ausgesprochenen Empfehlung14 nach, ein formelles Übernahmegesetz zu entwerfen. III. Europäische Übernahmerichtlinie Die Entstehung des WpÜG wurde maßgeblich von der Entwicklung auf europäischer Ebene beeinflusst, auf der fast 30 Jahre lang versucht wurde, einen einheitlichen Rechtsrahmen für Unternehmensübernahmen zu schaffen15. Nach dem Scheitern eines ersten EG-Richtlinienentwurfs betreffend Übernahmeangebote (sog. „Pennington-Entwurf“16) im Jahre 1974 und weiteren Entwürfen der Kommission für eine Übernahmerichtlinie mündeten die außerordentlich langwierigen und überaus kontrovers geführten Verhandlungen um den RichtlinienVorschlag von 199717 schließlich in den Gemeinsamen Standpunkt des Rates zur EG-Übernahmerichtlinie vom 19. Juni 200018, der sich allerdings umgehend mit zahlreichen Änderungsvorschlägen konfrontiert sah, die vor allem auf die Stärkung der Arbeitnehmerbelange und die Abschwächung der vorgesehenen strikten Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft bei Unternehmensübernahmen abzielten. Nach zähem Ringen und nur unter zahlreichen, gegenseitigen Zugeständnissen verständigte sich der gemeinsame Vermittlungsausschuss des Europaparlaments und des Ministerrates am 6. Juni 2001 auf ei___________ 12

BT-Drs. 14/7034, S. 27. Zehetmeier-Müller in Geibel/Süßmann, WpÜG, Einl Rn. 5; Thoma, ZIP 1996, S. 1725 (1726). 14 Standpunkte der Börsensachverständigenkommission zur zukünftigen Regelung von Unternehmensübernahmen, 1999, S. 9 f. 15 Zur Entwicklung BT-Drs. 14/7034, S. 27 f.; Pluskat, WM 2001, S. 1937 ff. m.w.N.; Neye, NZG 2002, S. 1144 (1151 f.). 16 Kommissions-Dok. XI/56/74; dazu Behrens, ZGR 1975, S. 433 ff.; Bess, AG 1976, S. 169 ff. und 206 ff. 17 Veröffentlicht im ABlEG Nr. C 378 v. 13.12.1997, S. 10 ff.; abgedruckt bei Neye, ZIP 1997, S. 2172 (2173 ff.); dazu auch Habersack/Mayer, ZIP 1997, S. 2141 ff.; Hopt, FS Zöllner, S. 253 (255 ff.). 18 ABlEG Nr. C 23 v. 24.1.2001, S. 1 ff.; auch abgedruckt bei Pötzsch/Möller, WM 2000, Beil. Nr. 2, S. 1 (32 ff.); dazu Neye, AG 2000, S. 289 ff.; Krause, NZG 2000, S. 905 ff. 13

§ 1 Entstehungsgeschichte des WpÜG

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nen Kompromiss zum Inhalt einer Übernahme-Richtlinie19, der allerdings am 4. Juli 2001 vor dem Europäischen Parlament spektakulär, mit dem denkbar knappsten Ergebnis von 273 zu 273 Stimmen bei 22 Enthaltungen scheiterte; gemäß Art. 251 Abs. 5 EGV gilt die Richtlinie bei Stimmengleichheit als nicht erlassen. Hauptgrund war neben dem für unzureichend erachteten Schutz der Arbeitnehmer insbesondere die Ablehnung des in der Richtlinie vorgesehenen Grundsatzes, dass die Leitung der Zielgesellschaft für Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmeangebote der Zustimmung der Aktionäre bedarf20. Am 2. Oktober 2002 legte die Kommission ihren neuen „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote“ vor21. Weiterhin äußerst problematisch und wegweisend für den Erfolg erwies sich die Problematik der inhomogenen Abwehrmöglichkeiten bei Übernahmen. Die Mitgliedstaaten einigten sich schließlich auf ein Optionsmodell, das es ihnen erlaubt zu entscheiden, ob sie mit Blick auf eine Öffnung der Märkte eine Neutralitätspflicht der Leitungsorgane oder eine Durchbrechungsregel bezüglich bestimmter Übernahmehindernisse anwenden wollen22. Damit war der Weg für einheitliche Regeln für grenzüberschreitende Übernahmen frei und am 20. Mai 2004 trat die EU-Übernahmerichtlinie in Kraft23. Zur Umsetzung in nationales Recht muss das WpÜG zwar in einigen Punkten angepasst werden. Hinsichtlich der hier vorliegenden Problematik materieller Ansprüche und Rechtsschutzmöglichkeiten etwa von Aktionären der Zielgesellschaft besteht allerdings kein Änderungsbedarf24. Es wird sich jedoch die Frage stellen, ob das WpÜG und insbesondere § 4 Abs. 2 WpÜG mit der Übernahmerichtlinie vereinbar sind, denn die Erwägungsgründe der Richtlinie lassen klar erkennen, dass der Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft im Vordergrund steht25. ___________ 19

Abgedruckt bei Neye, ZIP 2001, S. 1120 (1123 ff.). Dazu Wackerbarth, WM 2001, S. 1741 (1741); Neye, NZG 2002, S. 1144 (1152). 21 Abgedruckt bei Neye, NZG 2002, S. 1144 (1146 ff.). 22 Dazu Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, S. 221 (223 ff.) und 306 (310 ff.); Neye, NZG 2002, S. 1144 (1145); zu dieser Problematik Wiesner, ZIP 2002, S. 208 ff.; speziell zum Schutzinstrument der Goldenen Aktie Grundmann/Möslein, ZGR 2003, S. 317 ff. 23 Siehe ABlEG Nr. L 142 v. 30.04.2004, S. 12 ff. 24 Siehe dazu und zum Änderungsbedarf im Allgemeinen Mülbert, NZG 2004, S. 633 (633 ff.); auch Maul/Muffat-Jeandet, AG 2004, S. 221 ff. und 306 ff.; Wiesner, ZIP 2004, S. 343 (349); Seibt/Heiser, ZIP 2002, S. 2193 (2193 ff.). 25 Vgl. ABlEG Nr. L 142 v. 30.04.2004, S. 12 (12 ff.) und dort insbes. Nr. 1, 2, 9 und 25 der Gründe; siehe zum Rili-Entwurf auch schon Neye, NZG 2002, S. 1144 (1146 f.). Zur Klärung der Vereinbarkeit von § 6 Abs. 4 KWG a.F. mit europarechtlichen Vorgaben erfolgte durch den BGH eine Vorlage zum EuGH (vgl. BGH NJW 2002, S. 2464 ff.). Der EuGH hat nunmehr entschieden, die in Frage stehenden Richtlinien stünden einer solchen nationalen Vorschrift nicht entgegen (vgl. NJW 2004, S. 3479 (3480 f.)). 20

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1. Kap.: Das WpÜG – Geschichte und Inhalt

§ 2 Das WpÜG I. Aufbau und Systematik26 Das WpÜG ist auf alle öffentlichen27 Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben und zum Handel an einem organisierten Markt (vgl. § 2 Abs. 7 WpÜG) zugelassen sind, anzuwenden (§ 1 WpÜG). Es unterscheidet freiwillige (einfache) Wertpapiererwerbsangebote, freiwillige Übernahmeangebote sowie Pflichtangebote. Der Aufbau des Gesetzes folgt dieser Dreiteilung. Der Gesetzgeber bediente sich dabei der „Klammermethode“, einer klassischen Gesetzgebungsmethode, bei der nach mathematischem Vorbild das Allgemeine und Gemeinsame mehrerer Regelungen vor die Klammer gezogen und nur das jeweils Besondere einzelner Normen in der Klammer belassen wird. Basis und für alle Angebotsarten gültig (vgl. §§ 34, 39 WpÜG) sind die Regelungen des dritten Abschnitts (§§ 10 ff. WpÜG), insbesondere zum Ablauf eines Angebotsverfahrens, über Melde- und Mitteilungspflichten des Bieters (z.B. §§ 10 Abs. 1, 23 WpÜG), Mindestanforderungen bezüglich des Inhalts einer Angebotsunterlage (§ 11 WpÜG) und zur Haftung (§§ 12, 13 Abs. 2 WpÜG). Hierauf aufbauend enthält der vierte Abschnitt (§§ 29 ff. WpÜG) ergänzende Vorgaben für freiwillige Übernahmeangebote, also Angebote, die auf Kontrollerwerb, d.h. auf „das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft“ gerichtet sind (§ 29 Abs. 1, 2 WpÜG). Dort sind Vorschriften zur Zurechnung von Stimmrechten (§ 30 WpÜG), zur zu gewährenden Gegenleistung (§ 31 WpÜG), zum Verbot von Teilangeboten (§ 32 WpÜG) sowie zu Verhaltenspflichten des Vorstands und des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft während eines Übernahmeangebots (§ 33 WpÜG) enthalten. Pflichtangebote, spezielle Übernahmeangebote, die kraft Gesetzes abgegeben werden müssen, sind im fünften Abschnitt (§§ 35 ff. WpÜG) geregelt. Die Pflicht zum Angebot entsteht, sobald eine Person mittelbar oder unmittelbar die Kontrolle über eine Gesellschaft erlangt. Für Pflichtangebote gelten gemäß § 39 WpÜG neben den Vorschriften des dritten auch die des vierten Abschnitts.

___________ 26 Einführender Überblick bei Assmann, AG 2002, S. 114 (114 ff.); Geibel/Süßmann, BKR 2002, S. 52 ff.; Steinmeyer/Häger, WpÜG, Vor § 10 ff. Rn. 16; siehe auch die Nachweise in Fn. 4 in diesem Kapitel. 27 Zum Begriff „öffentlich“ BT-Drs. 17/7034, S. 33; Fleischer, ZIP 2001, S. 1653 ff.; Baum, AG 2003, S. 144 ff.

§ 2 Das WpÜG

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II. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) Der im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehende § 4 Abs. 2 WpÜG ist Teil des zweiten Abschnitts (§§ 4 ff. WpÜG), in dem die Zuständigkeit der BAFin28 geregelt ist. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 WpÜG obliegt ihr die Überwachung von Angebotsverfahren und die Durchsetzung der bei öffentlichen Angeboten und Unternehmensübernahmen geltenden Regelungen nach dem WpÜG. Sie hat im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben Missständen29 entgegenzuwirken, welche die ordnungsmäßige Durchführung des Verfahrens beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Wertpapiermarkt bewirken können (Satz 2). Zu den Aufgaben der BAFin gehören insbesondere die Entgegennahme von Angebotsunterlagen (§§ 14 Abs. 1 S. 1, 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG) sowie Mitteilungen und Meldungen, z.B. „Wasserstandsmeldungen“ gemäß § 23 Abs. 1 WpÜG, über die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots gemäß § 10 Abs. 2 WpÜG oder die Erlangung der Kontrolle (§ 35 Abs. 1 WpÜG). Die BAFin fungiert insoweit als Evidenzzentrale, d.h. als zentraler Ansprechpartner für alle am jeweiligen Angebotsverfahren beteiligten Personen und Unternehmen30. Sie ist darüber hinaus berechtigt und verpflichtet, auf die Beachtung der Vorschriften des WpÜG und die Erreichung seiner Ziele hinzuwirken und die ihr zu diesem Zweck eingeräumten Befugnisse – neben der allgemeinen Anordnungsbefugnis in § 4 Abs. 1 S. 3 WpÜG seien hier noch § 15 WpÜG (Untersagung von Angeboten), § 28 WpÜG (Untersagung von Werbung), § 40 WpÜG (Ermittlungsbefugnisse) sowie die Befreiungstatbestände in den §§ 20, 36, 37 WpÜG genannt – einzusetzen. Zur Effektuierung der aufsichtsbehördlichen Befugnisse sieht der achte Abschnitt (§§ 59 ff. WpÜG) Sanktionen vor. Hierzu zählt insbesondere ein gesetzlich angeordneter Rechtsverlust aus Aktien, die unter Verstoß gegen Bestimmungen des Pflichtangebots erworben wurden (§ 59 WpÜG). Darüber hinaus können Verstöße als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu einer Million Euro geahndet werden (§ 60 WpÜG)31. Regelungen zum Verwaltungs___________ 28

Die Organisation der BAFin ist in §§ 1 ff. FinDAG geregelt. Nach § 1 FinDAG ist die BAFin eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Doppelsitz in Bonn und Frankfurt am Main, die der Rechts- und Fachaufsicht des BMF untersteht (§ 2 FinDAG). Daneben ordnet das WpÜG die Bildung eines Beirats (§ 5 WpÜG) sowie eines Widerspruchsausschusses (§ 6 WpÜG) an. Zur BAFin Hagemeister, WM 2002, S. 1773 (1774 ff.). 29 Vgl. zum Missstandsbegriff Stögmüller in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 4 Rn. 31; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 4 Rn. 6 f.; zu § 81 Abs. 2 S. 2 VAG a.F.) Dreher, WM 1995, S. 509 (509 ff.). 30 BT-Drs. 14/7034, S. 44. 31 Mit Blick auf die im Rahmen von Kapitalmarkttransaktionen häufig bewegten Milliardenwerte sind freilich Zweifel am tatsächlichen Sanktionscharakter erlaubt. So

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1. Kap.: Das WpÜG – Geschichte und Inhalt

verfahren vor der BAFin und zu Rechtsmitteln finden sich schließlich im sechsten bzw. siebenten Abschnitt (§§ 40 ff. WpÜG). Soweit das WpÜG lückenhaft ist, finden die allgemeinen Verfahrensvorschriften, vor allem des VwVfG und der VwGO, Anwendung32.

___________ auch Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 60 Rn. 12; Zinser NZG 2002, S. 15 (22); Krause, NJW 2002, S. 705 (714); Land/Hasselbach, DB 2000, S. 1747 (1754). 32 Vgl. §§ 41 Abs. 1 S. 3, 58 WpÜG; Stögmüller in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 4 Rn. 3; Schüppen/Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 58 Rn. 2.

Zweites Kapitel:

Die Bedeutung des „öffentlichen Interesses“ § 4 Abs. 2 WpÜG bestimmt, dass die BAFin ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Der Interessenrichtung, dem Schutzzweck einer Norm kommt in zweierlei Hinsicht besondere Bedeutung zu. Zum einen ist sie im Rahmen der Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) gleichbedeutend mit der Frage, ob Pflichten einer Behörde „drittbezogen“ sind. Zum anderen hängt nach der herrschenden Schutznormtheorie das Bestehen eines subjektiv-öffentlichen Rechts von der Existenz einer individualschützenden Norm ab. Auch die Qualifizierung einer Norm als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB richtet sich im Übrigen danach, ob sie allein dem Schutz der Allgemeinheit oder zumindest auch dem Schutz Einzelner zu dienen bestimmt ist1.

§ 1 Die Drittbezogenheit von Amtspflichten

(§ 839 BGB, Art. 34 GG) I. Das Tatbestandsmerkmal der Drittbezogenheit Für Amtspflichtverletzungen durch Amtsträger der BAFin hat nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB die Bundesrepublik Deutschland als Anstellungskörperschaft einzustehen. Für den Haftungstatbestand des § 839 Abs. 1 BGB genügt jedoch nicht jeder Pflichtverstoß. Vielmehr muss eine Amtspflicht schuldhaft verletzt worden sein, die dem Amtsträger einem Dritten gegenüber obliegt. Das Erfordernis der Drittbezogenheit der Amtspflicht hat sowohl haftungsbegründende als auch haftungsbegrenzende Funktion. Nicht jeder Schaden, der von einem Amtsträger durch pflichtwidriges Handeln verursacht wird, soll dem Amtshaftungsanspruch unterstellt werden. Die „Drittbezogenheit“ als Tatbestands-

___________ 1

Siehe nur Palandt-Thomas, BGB, 62. Aufl., § 823 Rn. 141.

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2. Kap.: Die Bedeutung des „öffentlichen Interesses“

merkmal ist allerdings kein Spezifikum der Amtshaftung, sondern Wesenselement jeder Staatshaftung2.

II. Bestimmung der Drittbezogenheit einer Amtspflicht Wenn es in der Literatur heißt, die Drittbezogenheit von Amtspflichten sei „eine crux des Amtshaftungsanspruchs“, „ewiges Problem der Staatshaftung“3 oder „die Achillesferse der Amtshaftung“4, wird bereits deutlich, dass die Bestimmung des „Dritten“ im Sinne der Amtshaftung im Einzelfall außerordentliche Probleme bereiten kann.

1. Die Grundsätze der Rechtsprechung In der Rechtsprechung sind bisher lediglich die allgemeinen Anforderungen an die Drittbezogenheit geklärt, was sich in immer wiederkehrenden, gleich lautenden Formulierungen manifestiert5. Danach zählt ein Geschädigter dann zum Kreis der geschützten „Dritten“, wenn die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, die Interessen gerade dieses Geschädigten wahrzunehmen. Ob der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert sein sollen, ergebe sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der Natur des Amtsgeschäfts. Es müsse mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen. Andere Personen gehören, selbst wenn die Amtspflicht sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, nicht zu diesem Kreis. Dabei müsse derjenige, dem gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen Belangen immer als Dritter anzusehen sein. Vielmehr sei jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Es komme also auf den Schutzzweck der Amtspflicht an. Diese Formel hat der BGH nunmehr dahingehend modifiziert, dass jeweils zu prüfen sei, ob bei der betreffenden Amtshandlung in qualifizierter und zugleich ___________ 2 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 57; ausführlich zur Drittbezogenheit MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 224 ff. 3 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 57. 4 Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 130. 5 Vgl. etwa BGHZ 56, S. 40 (45 f.); 63, S. 35 (38 f.); 90, S. 310 (312); 106, S. 323 (331); 109, S. 163 (167 f.); 110, S. 1 (8 f.); 129, S. 23 (25); 134, S. 268 (276); BGH NVwZ 1991, S. 707 (708 f.).

§ 1 Die Drittbezogenheit von Amtspflichten

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individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist6.

2. Beispiele aus der (uneinheitlichen) Rechtsprechung Diese Grundsätze sind allerdings nur richtungsweisend, ihre Anwendung im Einzelfall bereitet nach wie vor Schwierigkeiten und ist durch erhebliche Unsicherheiten geprägt. So meinte der BGH in einer Entscheidung zur Amtshaftung im Rahmen von Grundbuchangelegenheiten7, neben dem Antragsteller sei jede Person „Dritter“, die im Vertrauen auf die richtige Handhabung der Grundbuchgeschäfte am Rechtsverkehr teilnimmt. Der Kreis der geschützten Dritten ist damit jedoch sehr weit gezogen und kaum abgrenzbar, denn gemäß § 12 GBO ist jedem Einsicht in das Grundbuch gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt, wobei der Begriff des berechtigten Interesses umfassender ist als der des rechtlichen Interesses. Ausreichend ist ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse. Ausgeschlossen werden sollen im Grunde lediglich die Verfolgung unbefugter Zwecke sowie bloße Neugier8. Auch im Katastrophenschutzfall9 zog der BGH den Kreis der geschützten Dritten recht weit. Er bejahte einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung zu Gunsten der Kläger, denen durch eine Überschwemmung ihrer Betriebsräume Schäden entstanden waren. Der Vorwurf an das beklagte Land lautete, es habe in der Leitstelle des Katastrophenschutzes über die Pegelstände des Hochwasser führenden Flusses nur ungenügend Informationen gesammelt, diese nicht ausgewertet und es unterlassen, die Bevölkerung frühzeitig zu alarmieren. Der BGH meinte, die Arbeit der Katastrophenschutzbehörden und die Mitwirkung öffentlicher und privater Einheiten und Einrichtungen im Katastrophenschutz diene auch dem Interesse der von den Auswirkungen einer Katastrophe möglicherweise Betroffenen. In der ähnlich gelagerten Wetterdienst-Entschei___________ 6

BGHZ 146, S. 365 (368) = BGH NVwZ 2001, 1074 f. unter Bezugnahme auf BGH 108, S. 224 (227); siehe dazu Detterbeck, JuS 2002, S. 127 (130). 7 BGHZ 124, S. 100 (108): Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Erwerb von Wohnungseigentum durch die Kläger war fehlgeschlagen, weil ein Grundbuchbeamter versäumt hatte, sich bei der Anlegung von Wohnungsgrundbüchern eine korrekte, vollständige Abgeschlossenheitsbescheinigung vorlegen zu lassen, die das Grundstück bezeichnete, auf dem die Wohnungen errichtet waren. In der Folge kam es zur Verwechslung zweier Flurstücke, die einen wirksamen Eigentumserwerb der Kläger verhinderte. 8 OLG Hamm Rpfleger 1988, S. 473 und 1986, S. 128; OLG Zweibrücken NJW 1989, S. 531; OLG Stuttgart Rpfleger 1983, S. 272; Demharter, GBO, § 12 Rn. 7 ff.; Maaß in Bauer/von Oefele, GBO, § 12 Rn. 9 ff. jeweils m.w.N. 9 BGH VersR 1994, S. 935 (937).

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2. Kap.: Die Bedeutung des „öffentlichen Interesses“

dung10 verneinte der BGH hingegen den drittschützenden Charakter der Tätigkeit des (von der Bundesrepublik betriebenen) Deutschen Wetterdienstes, da der Wetterdienst mit seiner Tätigkeit nicht in unmittelbare Beziehung zu den Insassen, den Eigentümern oder den Haltern einzelner Flugzeuge trete. Sein Beitrag beschränke sich auf die Bereitstellung von Rahmenbedingungen für eine ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit der Luftfahrt. Der Kreis derjenigen Flugzeugführer oder sonstigen Teilnehmer der Luftfahrt, die durch eine allgemeine Hagelwarnung bewogen würden oder werden sollten, ihr Verhalten entsprechend einzurichten, sei zudem für die Bediensteten des Wetterdienstes nicht überschaubar oder individualisierbar. Worin sich dieser Fall hinsichtlich der Abgrenzbarkeit der „Dritten“ vom Katastrophenschutzfall qualitativ unterscheidet, bleibt das Geheimnis des BGH. Auch dort bestand keine unmittelbare Beziehung zu den möglichen Opfern. Deren Zahl war vielmehr, wie auch im Grundbuchfall, ebenso wenig überschaubar und individualisierbar.

3. Kritische Literatur ohne echte Alternativen Bereits diese kleine Auswahl von Entscheidungen verdeutlicht das Problem der Rechtsprechung, namentlich den Mangel an klaren, einheitlich handhabbaren Abgrenzungskriterien. Der Vorwurf der Literatur11 lautet dementsprechend auch, dass bisher keine griffige Systematisierung der Drittbezogenheit von Amtspflichten gelungen sei, die hinreichend sichere Kriterien dafür biete, im konkreten Einzelfall festzustellen, ob der Betroffene geschützter „Dritter“ ist. Die Frage der Drittbezogenheit zerfließe vielmehr in Einzelfallentscheidungen; die Rechtsprechung lasse kaum verallgemeinerungsfähige Grundsätze und Strukturen erkennen. Konsequenz sei eine kaum überschaubare, in sich nicht immer konsistente Kasuistik12. Blankenagel spricht recht anschaulich von „meandrierender Rechtsprechung“13. Allerdings vermag auch die Lehre kein Patentrezept anzubieten. Ladeur14 schlägt etwa eine Bestimmung der Drittbezogenheit durch wertende Abgren___________ 10 BGH NJW 1995, S. 1828 (1829): Ein Verkehrsflugzeug war während des Landeanfluges durch Hagel schwer beschädigt worden. Der Kläger meinte, der Deutsche Wetterdienst und die Bundesanstalt für Flugsicherung hätten die Hagelwarnung schuldhaft verspätet erteilt. Bei rechtzeitiger Warnung wäre das Flugzeug ausgewichen oder in Wartestellung gegangen. 11 Dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 48; Blankenagel, DVBl. 1981, S. 15 ff.; Detterbeck, JuS 2002, S. 127 (130); Hörstel, VersR 1994, S. 546 (547 ff.). 12 MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 227. 13 Blankenagel, DVBl. 1981, S. 15 (17). 14 Ladeur, DÖV 1994, S. 665 (673 ff.).

§ 1 Die Drittbezogenheit von Amtspflichten

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zung nach Risikosphären vor. Dabei plädiert er für die Einbeziehung von Gesichtspunkten der Risikobeherrschung und -übernahme sowie der Verteilung von Nutzen und Lasten von Entscheidungen. Obwohl der Ansatz gerade im Bereich der Wirtschaftsaufsicht interessant ist, stellt er keine grundsätzliche Lösung der Abgrenzungsproblematik zur Verfügung. Zum einen differieren die Risikolagen je nach Wirtschaftsbereich, zum anderen kann nicht über die Existenz verschiedener Risikogruppen auch innerhalb eines einzelnen Bereichs hinweggesehen werden. Die Abgrenzungsschwierigkeiten werden daher lediglich verlagert, mit der Konsequenz neuer Kasuistik und wohl auch neuer Streitfragen. Auch Scholz15 vermag keine trennscharfen Abgrenzungskriterien zu liefern, wenn er vorschlägt, tatsächliche Begünstigungen von bezwecktem Individualschutz danach zu unterscheiden, ob die Begünstigung typischerweise der Sicherung eines grundrechtlich legitimierten Freiheitsbereichs dient. Eine Amtspflicht sei danach immer dann drittbezogen, wenn das begünstigte Individuum verfassungsrechtlich legitimierter Repräsentant der Allgemeinheit ist, wo sich der Schutzzweck des öffentlichen Interesses also gerade im konkreten Einzelfall aktualisiert. Genannt seien in diesem Zusammenhang noch zwei Lösungsansätze, die den Zweck eines Gesetzes ganzheitlich zu bestimmen suchen16. Die Schutztheorie17, die ihren Ursprung in der liberal konzipierten Versicherungsaufsicht hat, hebt den polizeilichen gefahrenabwehrenden Charakter der Aufsicht hervor. Die Abwehr der von einzelnen Unternehmen ausgehenden Gefahren stehe im Vordergrund. Diese sei immer auf ein konkretes Unternehmen und einen bestimmten Kreis von Dritten, d.h. auf individuell und qualifiziert betroffene Unternehmenskunden bezogen. Gesamtwirtschaftliche Gesichtspunkte sollen demgegenüber in den Hintergrund treten. Die Strukturtheorie18, gleichfalls im Rahmen der Aufsicht in der Versicherungs- und Kreditwirtschaft entwickelt, legt das Schwergewicht hingegen auf die gesamtwirtschaftlichen Ziele, namentlich die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des jeweiligen Wirtschaftszweiges im Ganzen. Die Wirtschaftsstruktur steht nach dieser Theorie derartig im Vordergrund, dass prinzipiell jeder Drittbezogenheitsgedanke ausgeschlossen wird. Beaufsichtigte Unternehmen stehen danach ebenso im Hintergrund wie der einzelne Kunde. Beide werden als austauschbare Mitglieder der Allgemeinheit betrachtet, die gleichsam nur implizit geschützt werden sollen. ___________ 15

Scholz, NJW 1972, S. 1217 (1217 f.); ders., Wirtschaftsaufsicht, S. 124 ff., 162. Vgl. dazu und zur Abgrenzungsproblematik im Rahmen der Wirtschaftsaufsicht insbes. Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 1 ff. m.w.N. 17 Dempewolf, NJW 1964, S. 252 (253); vgl. dazu Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 9 ff.; Starke, ZVersWiss 1967, S. 233 (235 ff.). 18 Starke, ZKW 1968, S. 438 (440); dazu auch Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 11 ff. 16

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2. Kap.: Die Bedeutung des „öffentlichen Interesses“

Beide Theorien verzichten auf eine einzelnormbezogene Schutzzweckanalyse, sind für die Bestimmung der Drittbezogenheit einzelner Amtspflichten also wenig hilfreich. Während die konsequente Anwendung der Schutztheorie wohl den Verzicht auf das Erfordernis der Drittbezogenheit bedeutete, leugnet die Strukturtheorie letztlich die „Auch-Rechtsprechung“ zur Amtshaftung, nach der die in Frage stehende Pflicht lediglich auch dem Schutz des Geschädigten dienen muss. Bei unbefangener Lektüre des § 4 Abs. 2 WpÜG und der verwandten Ausschlussregeln liegt indes die Vermutung nahe, der Gesetzgeber habe sich dieser Strukturtheorie angeschlossen19. Darauf wird im 4. Kapitel zurückzukommen sein. An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass auch die Literatur bisher keinen Königsweg zur treffsicheren Bestimmung der Drittbezogenheit von Amtspflichten gefunden hat. Teilweise wird sogar die Streichung dieses Tatbestandsmerkmals zu Gunsten einer umfassenden Staatshaftung gefordert20. Mangels brauchbarer Alternativen werden daher in dieser Untersuchung die Grundsätze der Rechtsprechung zugrunde gelegt.

§ 2 Subjektiv-öffentliche Rechte In der Sache ähnlich, jedoch nicht vollkommen deckungsgleich liegt das Problem der subjektiv-öffentlichen Rechte und der damit zusammenhängenden verwaltungsprozessualen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO21. Auch die Anerkennung subjektiv-öffentlicher Rechte hängt entscheidend davon ab, ob eine Norm zumindest auch den Schutz von Individualinteressen bezweckt.

I. Das subjektiv-öffentliche Recht22 Das subjektiv-öffentliche Recht ist die dem Einzelnen kraft öffentlichem Recht verliehene Rechtsmacht, vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können. Die praktische Bedeutung der subjektiv-öffentlichen Rechte liegt in der Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durch___________ 19

So auch Triantafyllou, Haftungsrechtliche Probl., S. 59 Fn. 236. Dafür plädiert etwa Hörstel, VersR 1996, S. 546 (548). 21 „Dritter“ i.S.d. Amtshaftung ist jedenfalls der gemäß § 42 Abs. 2 VwGO Klagebefugte (BGH VersR 1994, S. 856 (859); MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 225). Eingehend dazu unten 4. Kap. § 3 III. 1. c. 22 Zum Ganzen insbesondere Bachof, Reflexwirkungen, S. 287 ff.; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 116 ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 1 ff. 20

§ 2 Subjektiv-öffentliche Rechte

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setzbarkeit, denn nach Art. 19 Abs. 4 GG steht jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt ist, der Rechtsweg offen. Das Erfordernis der Rechtsverletzung hat in der VwGO Niederschlag gefunden. Eine Klage gegen ein vermeintlich rechtswidriges Verhalten der Verwaltung ist dementsprechend gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein, d.h. eine Verletzung eigener Rechte zumindest möglich erscheint23. Sie kann damit nur auf die Verletzung von Interessen gestützt werden, die rechtlich geschützt und somit zu subjektiven Rechten erstarkt sind, nicht aber auf die Beeinträchtigung bloß wirtschaftlicher, politischer oder sonstiger Interessen. Parallel dazu ist die Klage gemäß § 113 Abs. 1 VwGO auch nur begründet, wenn der Kläger in seinen Rechten verletzt ist.

II. Bestimmung subjektiv-öffentlicher Rechte: Die Schutznormtheorie Wann gewährt nun eine Norm, die bestimmte Interessen schützt, dem Begünstigten zugleich einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf diesen Schutz? Wann schützt ein Gesetz zwar die Interessen eines Bürgers, ohne ihm jedoch eigene Rechte zu verleihen? Unter welchen Voraussetzungen korrespondiert einer objektivrechtlichen Begünstigung des öffentlichen Rechts ein subjektives Recht des Begünstigten? Ausgangspunkt dieser Abgrenzungsproblematik ist, dass die Verwaltung einerseits grundsätzlich im öffentlichen Interesse tätig wird und das Verwaltungsrecht die an den öffentlichen Interessen orientierte Verwaltung regelt24. Andererseits schließen sich Individualinteressen und öffentliches Interesse nicht grundsätzlich aus. Vielmehr kann auch – das wird etwa in §§ 45 Abs. 1 StVO, 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO, 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB deutlich25 – die Berücksichtigung individueller Interessen im öffentlichen Interesse liegen. Die nicht ganz unumstrittene26, in Literatur27 und Rechtsprechung28 aber absolut ___________ 23 „Möglich“ heißt nach der herrschenden Möglichkeitstheorie „nicht eindeutig und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen“; siehe dazu Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 66 m.w.N. 24 Bachof, Reflexwirkungen, S. 287 (290); Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 8. 25 Siehe die Nachweise unter 4. Kap. § 2 III. 2. 26 Vgl. zur Kritik an der Schutznormlehre insbes. Bauer, AöR 113 (1988), S. 583 ff.; auch Wahl in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Rn. 96 m.w.N. 27 Vgl. nur Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. IV Rn. 127 ff.; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, § 42 Rn. 377 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 83 ff.; Wahl in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2 Rn. 94 ff.; Wahl/ Schütz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 45 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 86.

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2. Kap.: Die Bedeutung des „öffentlichen Interesses“

herrschende Schutznormtheorie knüpft daran an und fragt nach der Interessenrichtung der jeweiligen Norm, also danach, ob der in Frage stehende Rechtssatz nur die Interessen der Allgemeinheit schützen soll oder ob er – zumindest auch – den Individualinteressen des Klägers bzw. des Begünstigten zu dienen bestimmt ist. Maßgeblich für die Entstehung subjektiv-öffentlicher Rechte ist demnach, ob der Individualinteressenschutz gesetzlich gewollt und bezweckt ist. Eine Verletzung „eigener Rechte“ kommt nicht in Betracht, wenn es sich um eine allein objektivrechtlich wirkende Norm handelt. Eine dennoch tatsächlich erfolgende Begünstigung Einzelner ist in diesem Fall nur Nebenwirkung der Normanwendung, ein sogenannter Rechtsreflex. Der Begriff „Rechtsreflex“ umschreibt also jenen Normbereich, welcher der Verwaltung möglicherweise Pflichten auferlegt, deren Befolgung jedoch nicht vom Willen des Begünstigten abhängig sein soll29. Ob eine Norm im konkreten Fall nun Individualschutz entfaltet, ist unter Anwendung der anerkannten Auslegungsmethoden zu ermitteln30. Auszugehen ist dabei stets vom Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung). Ist diesem eindeutig ein subjektiv-öffentliches Recht zu entnehmen31, kann auf die übrigen Auslegungsmethoden verzichtet werden. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch, wenn eine Norm den Individualschutz ausdrücklich verneint32. Lässt sich dem Wortlaut keine eindeutige Aussage entnehmen, ist anhand ihrer Stellung im bereichsspezifischen Normengefüge (systematische Auslegung) und des Normzwecks (teleologische Auslegung) zu ermitteln, ob eine Vorschrift Individualinteressen schützen soll. Im Zusammenhang mit dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot33 hat das Bundesverwaltungsgericht etwa formuliert, dass allein das objektive Gebot, Belange Dritter zu berücksichtigen, nicht zur Begründung subjektiv-öffentlicher Rechte ausreicht. Erforderlich sei vielmehr, dass sich aus individualisierenden Merkmalen des die Amtspflicht begründenden Tatbestands ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit ___________ 28 Z.B. BVerfGE 27, S. 297 (307); BVerwGE 72, S. 226 (229 f); 77, S. 70 (73); 82, S. 343 (344); 92, S. 313 (317); BVerwG, NJW 1999, S. 592 (593); BFH NVwZ 1985, S. 375 (375 f.); BSG DVBl. 1991, S. 1315 (1316). 29 Siehe dazu insbesondere Bachof, Reflexwirkungen, S. 287 ff. 30 Vgl. nur Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. IV Rn. 136 ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 9. 31 Wie z.B. in § 4 Abs. 1 BSHG („Anspruch auf Sozialhilfe“); § 4 Abs. 1 UIG („Anspruch auf Informationen über die Umwelt“); §§ 1 ff. AsylbLG („Leistungsberechtigt“); § 3 BBesG („Anspruch auf Besoldung“); § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG („schädliche Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft“). 32 Wie etwa in § 2 Abs. 3 BauGB („Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; [...].“) oder in § 123 Abs. 3 BauGB („Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht nicht.“); vgl. auch § 29 Abs. 1 S. 2 VwVfG. 33 Kurzer Überblick dazu bei Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 9 m.w.N.

§ 2 Subjektiv-öffentliche Rechte

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unterscheidet34. Erst bei Hinzutreten besonderer, die Pflicht zur Rücksichtnahme qualifizierender und zugleich individualisierender Umstände, könnten objektiv-rechtliche Normen drittschützende Wirkung entfalten und subjektive Rechte begründen – hier zeigt sich die in der Rechtsprechung zur Drittbezogenheit vollzogene Annäherung an die Grundsätze zu subjektiv-öffentlichen Rechten deutlich35.

III. Anwendungsvorrang des einfachen Rechts Besondere Bedeutung wird im Zusammenhang mit § 4 Abs. 2 WpÜG dem von der Schutznormtheorie zugrunde gelegten Vorrang des einfachen Rechts zukommen. Grundrechtlich garantierte Rechtspositionen haben in der Regel eine spezielle einfachgesetzliche Ausgestaltung erfahren. Die Schutznormtheorie geht daher grundsätzlich vom Anwendungsvorrang unterverfassungsrechtlicher Normen und Ansprüche gegenüber den Grundrechten aus36. Daraus folgt zum einen, dass den Grundrechten zunächst nur bei der Auslegung des einfachen Rechts – allerdings maßgebliche – Bedeutung zukommt (norminterne Wirkung der Grundrechte). Nur, wenn einfachgesetzliche Vorgaben gänzlich fehlen oder das vom Gesetzgeber geschaffene Regelungssystem lückenhaft ist, darf zur Begründung subjektiv-öffentlicher Rechte auf die Grundrechte zurückgegriffen werden (normexterne Wirkung)37. Das heißt aber auch, dass eine eindeutig individualschutzverneinende einfachgesetzliche Norm verfassungswidrig ist, wenn grundrechtliche Vorgaben die Subjektivierung der Norm fordern38.

___________ 34

BVerwG 52, S. 122 (128 ff.). Vgl. oben 2. Kap. § 1 II. 1. 36 Wahl in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2 Rn. 97; Wahl/Schütz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 57 ff.; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. IV Rn. 123 ff., 127 f.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 11 jeweils m.w.N. 37 Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 163; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 118 ff.; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. IV Rn. 121 ff. 38 Wahl/Schütz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 58 f.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 11. 35

Drittes Kapitel:

WpÜG und Individualschutz Gegenstand der folgenden Untersuchung ist die Interessen- und Schutzrichtung von der BAFin obliegenden Pflichten, die Frage also, wem einzelne Normen des WpÜG und mithin deren Überwachung dienen und zu dienen bestimmt sind. Ist allein der Schutz der Wertpapiermärkte bezweckt oder enthält das WpÜG auch individualschützende Normen? Nach dessen Zielsetzungen, dem Informationsbedürfnis der Wertpapierinhaber gerecht zu werden und die rechtliche Stellung von Minderheitsaktionären zu stärken, liegt Letzteres eigentlich nahe, wird teilweise aber bestritten oder zumindest angezweifelt1. Auch der Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass die Vorschriften des WpÜG keinerlei Individualschutz vermitteln. Wenn es in der Gesetzesbegründung nämlich heißt, die Vorschriften des Gesetzes dienten der Sicherung des Vertrauens der Investoren in eine ordnungsgemäße Abwicklung von öffentlichen Wertpapiererwerbsund Übernahmeangeboten2, meint er das Vertrauen der gesamten Anlegerschaft im Sinne eines Kollektiv-Vertrauens, nicht aber das einzelner Anleger, die nur reflexartig geschützt sein sollen3. Zunächst soll hierbei der „dienende Charakter“ der Aufsicht unterstellt werden. Die Überwachung durch die BAFin findet nicht zum Selbstzweck statt, sondern soll der jeweils zu überwachenden Norm Geltung verschaffen4. Dient eine Norm daher individuellen Interessen, ist auch die zur Einhaltung dieser ___________ 1

Siehe etwa Steinmeyer/Häger, WpÜG, Vorb vor §§ 41 ff. Rn. 13 (siehe aber ders., § 14 Rn. 28); Zschocke, DB 2001, S. 79 (84); Tschauner in Geibel/ Süßmann, WpÜG, § 59 Rn. 79 ff.; Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (108 f.); zweifelnd auch Seibt/Heiser, ZHR 165 (2002), S. 466 (485); Aha, AG 2002, S. 160 (164); Möller, ZHR 167 (2003), S. 301 (309 f.); Ihrig, ZHR 167 (2003), S. 315 (318 ff., 328); siehe auch KöKoPohlmann, WpÜG, § 48 Rn. 72 ff. Die BAFin lehnte übrigens einen Antrag des Mobilcom-Aktionärs Schmid, die France Télécom zur Abgabe eines Pflichtangebots zu zwingen, u.a. mit der Begründung ab, das WpÜG vermittele keinen Drittschutz (FAZ v. 3.8.2002, S. 10). 2 BT-Drs. 14/7034, S. 36; dazu auch 4. Kap. § 1. 3 BT-Drs. 12/7918, S. 100 zu § 4 Abs. 2 WpHG, auf den ausdrücklich verwiesen wird (vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 36). 4 BT-Drs. 14/7034, S. 31.

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

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Vorschrift installierte Aufsicht individualschützend5. Die wohl konträre, in § 4 Abs. 2 WpÜG zum Ausdruck kommende Sicht des Gesetzgebers bleibt daher vorerst ausgeblendet und wird an späterer Stelle, im 4. Kapitel, eingehend untersucht. Aus dem Pflichtengefüge des WpÜG seien an dieser Stelle zwei Komplexe herausgegriffen und näher beleuchtet, die in beispielhafter Weise den Hintergrund des WpÜG sowie seine Schwach- und Brennpunkte verdeutlichen. Das sind zum einen die Regelungen um die Angebotsunterlage, dem zentralen Element eines öffentlichen Angebotsverfahrens. Prädestiniert ist zum anderen – das hat der Fall Mobilcom gezeigt – das Pflichtangebot und die dieses umgebenden Vorschriften.

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 WpÜG hat ein Bieter vier Wochen nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots der BAFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln. Im Falle eines Pflichtangebots ergibt sich diese Pflicht aus § 35 Abs. 2 WpÜG.

I. Die Angebotsunterlage Die Angebotsunterlage ist das Kernstück eines jeden Angebotsverfahrens. Ihre Veröffentlichung stellt das eigentliche Erwerbs- oder Übernahmeangebot dar und ist als Abgabe eines bindenden Angebotes im Sinne des § 145 BGB zu qualifizieren6. In Ausprägung des Transparenzgrundsatzes (§ 3 Abs. 2 WpÜG) soll die Angebotsunterlage insbesondere die Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft über den genauen Inhalt des Angebots sowie die mit ihm verfolgten Ziele informieren und ihnen eine hinreichende Grundlage für ihre Entscheidung über die Annahme des Angebots geben7. In dieser Informationsfunktion gleicht sie Verkaufs- (§ 1 VerkProspG) bzw. Börsenzulassungsprospekten (§ 36 Abs. 3 Nr. 2 BörsG). Diese sachliche Parallele rechtfertigt es, bei der Auslegung des ___________ 5 Vgl. BGHZ 74, S. 144 (149 f.); Bullinger, VVDStRL 22 (1965), S. 264 (289); Stober, Handbuch, § 50 I; Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 188; Kahl, Staatsaufsicht, S. 525 f. 6 Renner in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 11 Rn. 11 f.; Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2249); Liebscher, ZIP 2001, S. 853 (862); § 17 WpÜG untersagt dem Bieter, Angebote als invitatio ad offerendum auszugestalten. 7 BT-Drs. 14/7034, S. 1, 29, 41.

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

WpÜG auf die Interpretation der zum Teil wörtlich übereinstimmenden Regelungen über Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekte zurückzugreifen8.

II. Inhaltliche Anforderungen an die Angebotsunterlage Der Inhalt der Angebotsunterlage ergibt sich aus § 11 WpÜG und § 2 WpÜG-AngVO9. Während § 11 Abs. 1 WpÜG generelle Anforderungen hinsichtlich des Inhalts aufstellt, enthalten § 11 Abs. 2, 4 i.V.m. § 2 WpÜG-AngVO einen Katalog notwendiger Angaben.

1. Generelle Anforderungen (§ 11 Abs. 1 WpÜG) Gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 WpÜG muss die Angebotsunterlage die Angaben enthalten, die notwendig sind, um in Kenntnis der Sachlage entscheiden zu können. Diese Angaben müssen richtig und vollständig sein (S. 3) und sind zur Erreichung echter Transparenz nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch in einer Form abzufassen, die ihr Verständnis und ihre Auswertung erleichtert (S. 4)10. Die Merkmale der Richtigkeit und Verständlichkeit spielen dabei ineinander, denn Angaben, die nicht verständlich sind, können auch nicht richtig sein11.

a) Maßgeblicher Verständnishorizont Die Beurteilung eines Prospekts bzw. eines Angebots als unrichtig oder unvollständig hängt entscheidend davon ab, welche Anforderungen an die Kenntnisse und das Verständnis der Adressaten gestellt werden dürfen. Die Rechtsprechung stellt bei der Bestimmung des maßgeblichen Verständnishorizonts auf einen „durchschnittlichen Anleger“ ab, der den Prospekt vollständig, aufmerksam und unbefangen liest und der zwar nicht unbedingt mit der in einge___________ 8 Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2249); Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 80. Die Angebotsunterlage wird übrigens selbst auch als Prospekt bezeichnet, BT-Drs. 14/7034, S. 41. Vgl. zur Ausgestaltung der jeweiligen Prospekte § 7 VerkProspG i.V.m. §§ 2 ff. VerkProspVO und des § 36 Abs. 3 Nr. 2 BörsG i.V.m. §§ 13 ff. BörsZulV. 9 § 11 Abs. 4 WpÜG ermächtigt das BMF, weitere inhaltliche Erfordernisse in einer Rechtsverordnung zu regeln. Diese Ermächtigung kann gemäß § 11 Abs. 5 WpÜG auf die BAFin übertragen werden. 10 Vgl. auch § 7 Abs. 1 VerkProspG i.V.m. § 2 VerkProspVO; § 36 Abs. 3 Nr. 2 BörsG i.V.m. § 13 BörsZulV. 11 Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2252); Lenz/Linke, AG 2002, S. 361 (363).

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

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weihten Kreisen gebräuchlichen Schlüsselsprache vertraut sein und kein überdurchschnittliches Fachwissen aufweisen muss, der aber eine Bilanz zu lesen wissen soll12. Zu Recht kritisiert die Literatur das Erfordernis der Judikatur, der Leser müsse eine Bilanz zu lesen verstehen. Die Annahme eines solchen „Durchschnittsanlegers“ sei realitätsfern und in sich widersprüchlich. Vielmehr sei der überwiegende Teil der Bevölkerung nicht „bilanzfest“13. Verlangte man tatsächlich die Fähigkeit, eine Bilanz lesen zu können, müssten dem Durchschnittsanleger neben der Bilanzierung nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) auch andere, nach § 292a HGB zulässige, international anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze, wie etwa die US-amerikanischen Buchführungsvorschriften US-GAAP (Generally Accepted Accounting Principles) oder die ab 2005 zum europäischen Standard erhobenen International Accounting Standards (IAS)14, geläufig sein. Angemerkt sei, dass die US-GAAP bzw. die eng an diese angelehnten IAS einerseits und die Bilanzierung nach dem HGB andererseits in ihren Prämissen erheblich divergieren. Während erstere auf die Interessen des Kapitalmarktes ausgerichtet sind, stellt das HGB in erster Linie auf Gläubigerschutz und Kapitalerhaltung ab und folgt daher weitaus stärker dem Prinzip einer vorsichtigen Bilanzierung. Einen derart bewanderten „Durchschnittsanleger“ vorauszusetzen, ist nicht nur illusorisch, sondern offensichtlich auch nicht im Sinne des WpÜG, das gerade oder zumindest auch den Kleinanleger im Blick hat15. Verfehlt wäre indes auch, von einem gänzlich unkundigen Kleinaktionär oder einem der Sache fernstehenden Dritten auszugehen16. Erwarten kann man jedenfalls, dass sich der Anleger umfassend und kritisch mit den ihm in der Angebotsunterlage zur Verfügung stehenden Informationen auseinandersetzt. Er muss dann jedoch auch ohne besondere Sachkenntnis in der Lage sein, anhand dieser Informationen zutreffende Schlussfolgerungen zu ziehen und sich ein eigenes Bild über die Güte einer Aktie bzw. eines Angebotes zu machen. Das scheint auch die Rechtsprechung mittlerweile so zu sehen, wenn sie ihre Anforderungen an den ___________ 12

BGH ZIP 1982, S. 923 (924); OLG Frankfurt/M. WM 1994, S. 291 (295). Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 12 Rn. 6; Ehricke, DB 1980, S. 2429 (2432); Kunz, BB 1994, S. 738 (739) m.w.N.; Brondics/Mark, AG 1989, S. 339 (341); Schwark, BörsenG, §§ 45, 46 Rn. 12; Hamann in Schäfer, WpHG, §§ 45, 46 BörsG a.F. Rn. 83 ff. m.w.N. 14 Die Bilanzierung nach IAS ist derzeit schon zulässig. Ab 2005 müssen gemäß der EG-Verordnung Nr. 1606/2002 vom 19.7.2002 (ABl. L 243 v. 11.9.2002, S. 1 ff.) Jahresabschlüsse börsennotierter Konzerne der EU nach den IAS erstellt werden. Siehe auch Baumbach/Hopt, HGB, § 292a Rn. 2 ff. 15 BT-Drs. 14/7034, S. 27. 16 So aber wohl Ehricke, DB 1980, S. 2429 (2432). 13

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

Durchschnittsanleger zurückschraubt und meint, der Maßstab eines aufmerksamen und kundigen Prospektlesers überspanne bereits die Anforderungen17.

b) Richtigkeit der Angaben Eine Angebotsunterlage ist unrichtig, wenn sie beim eben beschriebenen Durchschnittsanleger falsche Vorstellungen über die Qualität der Offerte, etwa über den Bieter, seine wirtschaftliche und finanzielle Lage, die Angemessenheit der Gegenleistung oder die Auswirkungen einer Übernahme erzeugt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist die Veröffentlichung der Angebotsunterlage18. Die Unrichtigkeit kann sich einerseits aus Tatsachen ergeben, die nicht der Wahrheit entsprechen. Das Erfordernis der Richtigkeit bezieht sich aber darüber hinaus auf in der Angebotsunterlage enthaltene Werturteile, prognostische Angaben, z.B. die Angaben zu erwarteten Auswirkungen eines erfolgreichen Angebots auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bieters (§ 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 WpÜG)19, insbesondere aber auf den von der Unterlage erzeugten Gesamteindruck. Eine Angebotsunterlage ist daher auch dann unrichtig, wenn die gemachten Angaben ein nicht wahrheitsgetreues, nicht vollständiges oder nicht realistisches Gesamtbild ergeben. Richtigkeitsmaßstab ist dabei, ob die Angaben ausreichend durch Tatsachen gestützt und kaufmännisch vertretbar sind20. Problematisch sind in diesem Zusammenhang Absichtserklärungen, etwa im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft (§ 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 WpÜG), da sie allein vom Willen des Bieters abhängen und zukunftsbezogen sind. Sie können nicht bereits deswegen als unrichtig qualifiziert werden, weil sich der Bieter später von ihnen löst und anders verhält. Entscheidend ist allein die, freilich schwer nachweisbare, dahingehende Absicht zur Zeit der Prospekterstellung. Abweichungen können allerdings durchaus Indiz für eine entsprechende Absicht sein21. ___________ 17

So jedenfalls die Deutung des LG Frankfurt/M. WM 1998, S. 1181 (1184). Renner in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 12 Rn. 19; Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2257); a.A. allerdings Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 12 Rn. 11; Assmann, AG 2002, S. 153 (156 f.). 19 Siehe Lenz/Linke, AG 2002, S. 361 (363 f.), denen zufolge eben diese Angabe in der Praxis die meisten Schwierigkeiten bereitet. 20 Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 12 Rn. 4 f.; Renner in Haarmann/ Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 12 Rn. 18 ff.; Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2251 f.); Assmann, AG 2002, S. 153 (156); für Börsenzulassungsprospekte BGH ZIP 1982, S. 923 (924 f.); OLG Frankfurt/M. WM 1994, S. 291 (295); Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 45, 46 BörsG Rn. 27. 21 Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2252). 18

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

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c) Vollständigkeit der Angaben Ein Unterfall der Richtigkeit ist die Vollständigkeit22. Die Angebotsunterlage muss alle wesentlichen, für eine sachgerechte Entscheidung notwendigen Angaben enthalten (§ 11 Abs. 1 S. 2 WpÜG). Das WpÜG sieht in § 11 Abs. 2 S. 1 WpÜG i.V.m. § 2 WpÜG-AngVO einen Katalog von Angaben vor, die der Bieter zwingend in das Angebot aufzunehmen „hat“. Ein Problem von erheblicher praktischer Bedeutung nicht nur für die Aufsichtstätigkeit der BAFin ist, ob dieser Katalog abschließend ist oder ob im Einzelfall darüber hinaus gehende Angaben erforderlich sein können. Da Maßstab der Vollständigkeit das Gebot ist, alle entscheidungsrelevanten Angaben aufzunehmen, sprechen gute Argumente dafür, dass – wie auch bei Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekten – der Angabenkatalog nur den Regelfall abdeckt und Besonderheiten des Einzelfalls eventuell zusätzliche Angaben erfordern können23. Indes heißt es sowohl in § 13 Abs. 2 BörsZulV als auch in § 7 Abs. 2 VerkProspG, § 2 Abs. 1 S. 2 VerkProspVO ausdrücklich, der Prospekt müsse „insbesondere“ bzw. „mindestens“ bestimmte Angaben enthalten. Gemäß § 11 Abs. 2 aber „hat“ die Angebotsunterlage bestimmte Angaben zu enthalten, nach § 2 WpÜG-AngVO „hat“ der Bieter bestimmte ergänzende Angaben aufzunehmen. Anders als die entsprechenden Vorschriften zu Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekten sehen WpÜG und WpÜG-AngVO keine Mindestregelung vor. Der Wortlaut spricht daher zunächst für die Abgeschlossenheit des Regelkatalogs. Insbesondere sprechen aber die überaus harten, weder im Verkaufsprospektgesetz noch im Börsengesetz vorgesehenen Folgen einer fehlerhaften, weil unvollständigen Angebotsunterlage für einen abgeschlossenen Angabenkatalog. Im Falle der Unvollständigkeit hat die BAFin das Angebot gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG zwingend zu untersagen; es besteht insoweit kein Ermessen, sondern lediglich die Möglichkeit, die Frist bis zur Veröffentlichung der Angebotsunterlage um bis zu fünf Werktage zu verlängern (§ 14 Abs. 2 S. 3 WpÜG). Konsequenz einer Untersagungsverfügung ist zum einen, dass der Bieter innerhalb des folgenden Jahres grundsätzlich kein weiteres Angebot unterbreiten darf (§ 26 Abs. 1 WpÜG). Zum anderen ist im Falle eines Pflichtangebots die Untersagung der Angebotsunterlage gleichbedeutend mit der Nichterfüllung der Pflichten aus § 35 Abs. 2 WpÜG. Für diesen Fall ordnet § 59 WpÜG den Verlust der Rechte ___________ 22 BT-Drs. 14/7034, S. 42; Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 12 Rn. 8; Assmann, AG 2002, S. 153 (155). 23 So etwa Renner in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 12 Rn. 22; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 12 Rn. 13 f.; Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2251); Assmann, AG 2002, S. 153 (156); für Börsenzulassungsprospekte BGH ZIP 1982, S. 923 (924 f.); Hamann in Schäfer, WpHG, BörsG §§ 45, 46 a.F. Rn. 115; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 45, 46 BörsG Rn. 28.

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

aus Aktien des Bieters und ihm zuzurechnenden Personen an. Dem Bieter erwächst zudem gemäß § 38 Nr. 3 WpÜG die Pflicht zur Zahlung von Zinsen an die Aktionäre der Zielgesellschaft. Zu bedenken ist außerdem, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Angebotsunterlage ohnehin schon sehr hoch sind. Das somit beachtliche Haftungsrisiko (§ 12 WpÜG) sollte daher nicht durch weitere Unsicherheiten erhöht werden. Auch die BAFin benötigt im Übrigen einen verlässlichen Prüfungsmaßstab für die von ihr durchzuführende Kontrolle der Angebotsunterlage24. Für das hier vertretene Ergebnis spricht schließlich auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Ermächtigung des § 11 Abs. 4, 5 WpÜG zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Ausgestaltung von Angebotsunterlagen gerade für den Fall eingeführt hat, dass sich der Angabenkatalog in der Anwendungspraxis als nicht vollständig erweist und ein Bedürfnis nach weiteren zweckdienlichen Informationen entsteht25. Dem Erfordernis nach zusätzlichen Angaben kann auf diese Weise flexibel und zeitnah Rechnung getragen werden. Dem Informationsbedürfnis der Beteiligten tut das nicht notwendig Abbruch. Vielmehr können die ohnehin recht unbestimmten, einzelnen Katalogpunkte wie z.B. „Absichten“ in § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 WpÜG oder „Auswirkungen“ (Nr. 1) dem Gebot umfassender Transparenz entsprechend weit ausgelegt werden26. Anzumerken ist letztlich noch, dass für die Beurteilung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Angebotsunterlage unerheblich ist, ob die BAFin diese gemäß § 14 Abs. 2 WpÜG geprüft und gebilligt hat27. Dies ergibt sich zum einen aus der im Vergleich zum Bieter engeren Informationsbasis der Bundesanstalt. Zum anderen soll eine unzutreffende Billigung der Angebotsunterlage nicht zu Lasten der Wertpapierinhaber gehen. Es gilt vielmehr der Grundsatz, dass jeder für die Angebotsunterlage Verantwortliche jeweils seine eigene Verantwortung tragen und sich nicht hinter derjenigen des anderen verstecken können soll.

___________ 24

Dazu sogleich 3. Kap. § 1 III. BT-Drs. 14/7034, S. 42; Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2252). Die regelungstechnische Aufteilung der „ergänzenden Angaben“ wird freilich als willkürlich und der Gesetzesklarheit und –übersichtlichkeit abträglich kritisiert (Liebscher, ZIP 2001, S. 853 (863); Zinser, WM 2002, S. 15 (18); Stellungnahme des DAV zum RefE, NZG 2001, S. 420 (423)). 26 So Oechsler, NZG 2001, S. 817 (823) zu § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 WpÜG für den Fall einer geplanten Weiterveräußerung; a.A. Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2251). 27 BT-Drs. 14/7034, S. 42; Renner in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 12 Rn. 25; Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2251); Zschocke, DB 2002, S. 79 (81); Assmann, AG 2002, S. 153 (156) m.w.N. 25

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

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2. Inhalt im Einzelnen: die Gegenleistung Welche Angaben die Angebotsunterlage im Einzelnen enthalten muss, ergibt sich aus § 11 Abs. 2, 3 WpÜG i.V.m. § 2 WpÜG-AngVO. Danach sind zum einen gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 WpÜG Angaben zum „Inhalt des Angebots“, die essentialia negotii28, namentlich Angaben zur Person des Bieters, zur Zielgesellschaft, zu den gefragten Wertpapieren, zur Annahmefrist29, zu Bedingungen30 und natürlich zum Angebotspreis, in die Angebotsunterlage aufzunehmen. Welche ergänzenden Angaben enthalten sein müssen, lässt sich § 11 Abs. 2 S. 3 WpÜG i.V.m. § 2 WpÜG-AngVO entnehmen. Im Folgenden sollen die tragenden Grundsätze zur Bestimmung der Gegenleistung (§ 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 WpÜG) aufgezeigt werden. Diese kurze Darstellung dient nicht zuletzt der beispielhaften Verdeutlichung des „Prüfungsstoffs“ der BAFin31 sowie der Art der Information, die auf den „Durchschnittsanleger“ zukommt. Bezüglich der übrigen Angaben sei auf bereits vorhandene Literatur verwiesen32. Der für die Aktien der Zielgesellschaft erzielbare Preis hat für die Angebotsadressaten den höchsten Informationswert und ist regelmäßig ausschlaggebend für ihre Entscheidung über die Annahme des Angebots. Gesetzliche Vorgaben bezüglich Art und Höhe der anzubietenden Gegenleistung bestehen für Übernahme- und Pflichtangebote (§§ 31, 39 WpÜG i.V.m. §§ 3 ff. WpÜG-AngVO), nicht aber für einfache Erwerbsangebote.

a) Die Art der Gegenleistung aa) Grundsätze der Bestimmung Der Bieter hat gemäß § 31 Abs. 2 WpÜG grundsätzlich ein Wahlrecht, ob er die Wertpapiere gegen Barzahlung in Euro oder im Tausch gegen liquide, be___________ 28

Liebscher, ZIP 2001, S. 853 (862); Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2252). § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr.6 WpÜG; Die Annahmefrist beginnt mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 WpÜG und muss grundsätzlich vier bis zehn Wochen betragen (§ 16 Abs. 1 WpÜG). 30 Ausführlich zur Zulässigkeit von Bedingungen (§§ 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 5, 18 WpÜG) Busch, AG 2002, S. 145 ff. 31 Die Angaben zur Gegenleistung sind Lenz/Behnke, BKR 2003, S. 43 (44) die häufigste Fehlerquelle. 32 Renner in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 11 Rn. 17 ff.; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 11 Rn. 8 ff.; siehe auch Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2252 ff.); Krause, NJW 2002, S. 705 (708 ff.); Schüppen, WPg 2001, S. 958 (961 f.). 29

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

reits börsennotierte Aktien erwirbt. Letzterenfalls muss er Inhabern stimmberechtigter Aktien ebenfalls stimmberechtigte Aktien anbieten (§ 31 Abs. 2 S. 2 WpÜG). Zulässig sind auch alternative und kombinierte Gegenleistungen33. Eine Pflicht zur Barzahlung entsteht jedoch dann, wenn der Bieter oder ihm zurechenbare Dritte innerhalb der letzten drei Monate vor Beginn des Angebotsverfahrens insgesamt mindestens fünf Prozent (Vorerwerb, § 31 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG) oder aber während des laufenden Angebotsverfahrens insgesamt mindestens ein Prozent der Aktien oder Stimmrechte an der Zielgesellschaft gegen Barzahlung erworben haben (Parallelerwerb, § 31 Abs. 3 Nr. 2 WpÜG). Die Regelung in Nr. 1 – ersichtlich Ausdruck des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 3 Abs. 1 WpÜG) – soll insbesondere ein „Anschleichen“ des Bieters an die Zielgesellschaft unter Ausgrenzung der Minderheitsaktionäre verhindern, ihm aber dennoch Ankäufe in geringem Umfang gestatten34.

bb) Erforderliche Angaben Zur Bestimmung der Art der anzubietenden Gegenleistung, ob also der Bieter zum Barangebot verpflichtet ist, sind Art und Umfang der im Rahmen von Vorerwerben gewährten oder vereinbarten Gegenleistung anzugeben (§ 2 Nr. 7 WpÜG-AngVO). Werden Wertpapiere zum Tausch offeriert, sind zusätzlich die Angaben in die Angebotsunterlage aufzunehmen, die auch in einem Verkaufsprospekt enthalten sein müssen (§ 2 Nr. 2 WpÜG-AngVO), soweit sie nicht ohnehin von § 11 Abs. 2 WpÜG und § 2 WpÜG-AngVO gefordert sind und für das Angebot von Bedeutung sein können35. Nach § 7 VerkProspG i.V.m. §§ 3 ff. VerkProspVO sind dies beispielsweise Angaben über das Kapital des Emittenten (§ 6 VerkProspVO) sowie zu dessen Geschäftstätigkeit, zu etwaigen Abhängigkeiten von Patenten, Lizenzen oder Verträgen, zu Rechtsstreitigkeiten, ___________ 33

Zur Frage, wann eine Aktie liquide ist, schweigen WpÜG und WpÜG-AngVO allerdingS. Einen gewissen Anhaltspunkt bietet § 5 Abs. 4 WpÜG-AngVO, nach dem der Börsenkurs bei zu geringem Handel und hoher Volatilität kein Maßstab für die Angemessenheit der Gegenleistung ist (BT-Drs. 14/7034, S. 80); zum Ganzen Haarmann in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 31 Rn. 78 ff.; kritisch zur Liquiditätsfrage äußert sich die Stellungnahme des DAV zum RefE, NZG 2001, S. 420 (428). 34 BT-Drs. 14/7034, S. 55. Die in Nr. 2 vorgesehene Bagatellgrenze von einem Prozent setzt der Gleichbehandlung allerdings Grenzen. Sie soll verhindern, dass der Bieter bereits durch den Erwerb einer einzigen Aktie gegen Zahlung einer Geldleistung zu einem Barangebot verpflichtet wird (BT-Drs. 14/7477, S. 53); dazu Haarmann in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 31 Rn. 101 ff. 35 Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 11 Rn. 47. Unter engen Voraussetzungen genügt ein Hinweis, dass ein Prospekt oder ein Unternehmensbericht bereits veröffentlicht wurde, wo dieser erhältlich ist sowie die Angabe der seitdem eingetretenen Änderungen (vgl. § 2 Nr. 2 HS. 2 WpÜG-AngVO).

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

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die auf die wirtschaftliche Lage des Emittenten erheblichen Einfluss haben können, zu wichtigen Investitionen, aber auch über außergewöhnliche Ereignisse, welche die Tätigkeit des Emittenten beeinflusst haben (§ 7 VerkProspVO). Zu nennen sind des Weiteren Angaben über den jüngsten Geschäftsgang und die Geschäftsaussichten mindestens für das laufende Geschäftsjahr (§ 11 VerkProspVO)36.

b) Höhe der Gegenleistung aa) Grundsätze der Bestimmung Gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG hat der Bieter den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten. Bei der Konkretisierung des Angemessenheitserfordernisses berücksichtigt das WpÜG i.V.m. §§ 3 ff. WpÜG-AngVO37 zum einen den durchschnittlichen Börsenkurs der Zielgesellschaftsaktien und zum anderen Erwerbe dieser Aktien durch den Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Personen und deren Tochterunternehmen (§ 31 Abs. 1 S. 2 WpÜG). Folglich werden in zweifacher Hinsicht Mindestwerte festgelegt, die der vom Bieter gebotene Preis nicht unterschreiten darf. (1) Börsen- und Gleichpreisregel Maßstab für die Angemessenheit der Gegenleistung ist grundsätzlich der durchschnittliche Börsenkurs der Zielgesellschaftsaktien (sog. Börsenpreisregel)38. Gemäß §§ 5 f. WpÜG-AngVO darf die Gegenleistung den durchschnittlichen Börsenkurs innerhalb der letzten drei Monate vor Veröffentlichung der ___________ 36 Detaillierter Überblick zu den erforderlichen Angaben bei Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 11 Rn. 30 ff. 37 Die VO-Ermächtigung findet sich in § 31 Abs. 7 WpÜG. 38 Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 31 Rn. 4; Rodewald/Siems, ZIP 2002, S. 926 (926). Der Gesetzgeber ordnet damit die Maßgeblichkeit des Börsenkurses für die Bestimmung des Unternehmenswertes an. Interessant ist hierbei, dass die Praxis der ordentlichen Gerichtsbarkeit Börsenkurse noch bis 1999 für grundsätzlich unbeachtlich erachtete und den „wahren“ Wert eines Unternehmens durch gutachterliche Unternehmensbewertung zu bestimmen suchte. Erst in der „DAT/Altana“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.4.1999 wurde der Börsenkurs im Rahmen Abfindungszahlungen gemäß §§ 304 ff. AktG als gesellschaftsrechtliche Bewertungsgrundlage anerkannt (BVerfG ZIP 1999, S. 1436 (1441)). Der Bundesgerichtshof hat diesen Rechtsprechungswechsel mittlerweile bestätigt (BGH ZIP 2001, S. 734 (736)). Vgl. zum Ganzen Luttermann, ZIP 2001, S. 869 ff.; Stilz, ZGR 2001, S. 875 ff.

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

Angebotsabsicht (§ 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG) bzw. der Kontrollerlangung (§ 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG) nicht unterschreiten39. Die zweite Untergrenze ergibt sich aus § 4 WpÜG-AngVO und orientiert sich an Erwerben des Bieters im Vorfeld der Übernahme. Erwerben der Bieter oder ihm zuzurechnende Dritte innerhalb der letzten drei Monate vor der Angebotsveröffentlichung Anteile der Zielgesellschaft, muss der Angebotspreis mindestens dem Wert der höchsten gewährten oder vereinbarten Gegenleistung entsprechen (sog. Gleichpreisregel). Auch diese Regelung ist Ausfluss des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes und ermöglicht es sämtlichen Aktionären der Zielgesellschaft, an sog. Paketzuschlägen, die im Vorfeld von Übernahmen mit einzelnen Aktionären vereinbart wurden, zu partizipieren40. Um die umfassende Gleichbehandlung der Aktionäre wirklich sicherzustellen, wird der Bieter darüber hinaus verpflichtet, seine Gegenleistung nachzubessern, wenn er während des Angebotsverfahrens Aktien zu einem höheren Preis erwirbt. Gleiches gilt bei außerbörslichem Erwerb innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Angebotsverfahrens41. (2) Notwendigkeit einer Unternehmensbewertung Unter Umständen ist der Börsenkurs nur begrenzt oder überhaupt nicht aussagekräftig. Das gilt insbesondere, wenn eine Aktie illiquide ist, also nur in geringem Umfang gehandelt wird und sehr volatil ist42. Da das Abstellen auf den Börsenkurs in diesem Fall nicht sachgerecht wäre, hat zur Ermittlung einer angemessenen Gegenleistung eine Unternehmensbewertung zu erfolgen (§§ 5 Abs. 4, 6 Abs. 6 WpÜG-AngVO). Daneben steht es dem Bieter natürlich frei, sich trotz der Existenz aussagekräftiger Börsenkurse zusätzlicher Bewertungsmethoden zu bedienen, um etwa die Attraktivität seines Angebots zu untermauern. Das bietet sich z.B. an, wenn der aktuelle Börsenkurs durch im Vorfeld von

___________ 39

Sind die Aktien der Zielgesellschaft noch keine drei Monate zum Handel zugelassen, ist der Zeitraum seit der Einführung in den Handel maßgebend, § 5 Abs. 2 WpÜGAngVO. 40 BT-Drs. 14/7034, S. 79 f.; Thun in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 31 Rn. 4; Haarmann in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 31 Rn. 67 ff.; siehe zur Zulässigkeit von Paketzuschlägen Fraugott/Schaefer, NZG 2004, S. 158 ff; beachte die mögliche Ausnahme für Aktien des Handelsbestandes, § 20 Abs. 1, 2 WpÜG. 41 § 31 Abs. 4, 5 WpÜG; siehe dazu BT-Drs. 14/7034, S. 56; Haarmann in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 31 Rn. 122 ff. 42 Nach § 5 Abs. 4 WpÜG-AngVO ist das der Fall, wenn für die Aktien der Zielgesellschaft in einem Zeitraum von drei Monaten vor der Angebotsveröffentlichung an weniger als einem Drittel der Börsentage Kurse festgestellt wurden und mehrere nacheinander festgestellte Kurse um mehr als 5 % voneinander abweichen.

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

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Übernahmen übliche Marktaktivitäten dem Angebotspreis so nahe kommt, dass der vom Angebot ausgehende Verkaufsanreiz fraglich ist43. Zur Ermittlung des (oder besser: eines) Unternehmenswertes wurden im Laufe der Zeit verschiedene Bewertungsverfahren entwickelt. Der Gesetzgeber verzichtete allerdings darauf, im WpÜG die Verwendung einer bestimmten Bewertungsmethode vorzuschreiben. Die größte Bedeutung erlangten sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Praxis der Unternehmensberater die Ertragswertmethode und das Discounted-Cash-Flow-(DCF)-Verfahren44. Die Ertragswertmethode beruht auf der Kapitalisierung künftiger Gewinne. Als Gesamtwert des Unternehmens wird der Wert angenommen, der sich aus den auf einen bestimmten Stichtag abdiskontierten zu erwartenden Erträge der nächsten Jahre ergibt45. Das DCF-Verfahren ähnelt dieser Methode; abdiskontiert werden jedoch statt der Gewinne die dem Unternehmen in Zukunft potenziell entziehbaren Cash Flows, also die innerhalb einer bestimmten Abrechnungsperiode zugehenden flüssigen Mittel. Sowohl Ertragswertmethode als auch DCF-Verfahren stoßen in der praktischen Umsetzung allerdings auf Schwierigkeiten, denn sie setzen jeweils detaillierte Informationen über die Zielgesellschaft, insbesondere über mittel- und langfristige Unternehmensplanungen voraus. Eine Unternehmensbewertung bedarf daher einer sorgfältigen Analyse (due dilligence). Diese wiederum ist nur im Einvernehmen mit dem Vorstand der Zielgesellschaft möglich. Bei einer mit der Verwaltung der Zielgesellschaft koordinierten, freundlichen Übernahme mag daher eine Bewertung nach diesen Verfahren praktisch umsetzbar sein, bei unkoordinierten, feindlichen Übernahmen ist sie jedoch kaum durchführbar46. ___________ 43

Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 11 Rn. 56, 58. Zu Einzelheiten der Bewertung nach diesen Methoden sowie zu alternativen Bewertungsmethoden siehe Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 31 Rn. 34 ff.; Haarmann in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 31 Rn. 43 ff.; Großfeld, NZG 2002, S. 353 (355); Hüffer, AktG, § 305 Rn. 19 f.; aus der Rechtsprechung vgl. BVerfG ZIP 1999, S. 1436 (1441); BGH ZIP 2001, S. 734 (736) für das Spruchstellenverfahren gemäß §§ 304 f. AktG. 45 Der Kapitalisierungszinssatz ergibt sich dabei in der Regel aus dem Zinssatz einer risikofreien Alternativanlage am Kapitalmarkt (z.B. Staatanleihen), vermindert um Risikoabschläge (Inflation) und erhöht um Risikozuschläge (branchen-, größen- und rechtsformabhängige Risikoprämie). 46 Haarmann in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 31 Rn. 56; Steinmeyer/ Häger, WpÜG, § 31 Rn. 36; Hamann, ZIP 2001, S. 2249 (2253); Thoma, NZG 2002, S. 105 (108); Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV in NZG 2001, S. 420 (428). Zur Problematik der Gestattung einer due dilligence und der Auskunftserteilung durch den Vorstand einer Zielgesellschaft im Lichte der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG: Thoma, NZG 2002, S. 105 (108); Oechsler, NZG 2001, S. 817 (819 f.) jeweils m.w.N. 44

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

Allgemein ist anzumerken, dass ein Unternehmenswert keine feste Größe darstellt, den Unternehmenswert gibt es nicht. Das bedeutet freilich nicht, dass die verschiedenen Bewertungsverfahren unbrauchbar sind. Vielmehr, dessen muss man sich bewusst sein, liefern Unternehmensbewertungen unabhängig von der Methodenwahl lediglich Näherungswerte47. Gewisse Abstriche, was die Genauigkeit der Ergebnisse angeht, müssen schon allein deshalb gemacht werden, weil bei der Bewertung äußere, oft nur prognostizierbare Faktoren, wie etwa der zukünftige Marktzins oder die Inflation, eine Rolle spielen. Das Ergebnis einer Unternehmensbewertung kann daher nur eine Entscheidungshilfe sein. (3) Wertpapiere als Gegenleistung: angemessenes Umtauschverhältnis Im Falle eines Tauschangebotes ist für die Aktionäre das Umtauschverhältnis entscheidend. Für die Bestimmung des Wertes der angebotenen Aktien gelten grundsätzlich dieselben Vorschriften wie bei der Bewertung der Zielgesellschaft (§ 7 WpÜG-AngVO). Entscheidend ist, dass die Bewertung einem einheitlichen Standard folgt, weil nur dann das relative Wertverhältnis ermittelt werden kann. Maßstab für den Wert der angebotenen Aktien ist daher grundsätzlich deren Börsenkurs und nur ausnahmsweise, typischerweise im Falle der Illiquidität der Zielgesellschaftsaktien, das Ergebnis einer Unternehmensbewertung48.

bb) Erforderliche Angaben Nach § 2 Nr. 3 WpÜG-AngVO, der § 12 Abs. 2 UmwG nachgebildet ist, hat der Bieter Angaben über die zur Festsetzung der Gegenleistung angewandten Bewertungsmethoden zu machen49. Dies gilt grundsätzlich für alle Angebote und unabhängig von der Art der Gegenleistung. Die Kenntnis der Bewertungsgrundlagen ist besonders bedeutsam zur Beurteilung, ob die Gegenleistung tatsächlich in einem angemessenen Verhältnis zu den Wertpapieren der Zielgesellschaft steht und ob die Annahme des Angebots aus Sicht der Aktionäre gerechtfertigt ist50. Darzulegen ist daher, warum die Anwendung der gewählten Methode angemessen ist. Erfolgt die Bewertung anhand mehrerer Methoden, ist anzugeben, welches Umtauschverhältnis oder welcher Gegenwert sich jeweils bei Anwendung der einzelnen Methoden ergeben würde, welches Gewicht den verschiedenen Methoden beigemessen wurde und welche Gründe für die Gewich___________ 47 48 49 50

Großfeld, NZG 2002, S. 353 (354) m.w.N. BT-Drs. 14/7034, S. 80; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 11 Rn. 57. Zu den Schwierigkeiten in der Praxis Lenz/Behnke, BKR 2003, S. 43 (47). BT-Drs. 14/7034, S. 78.

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

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tung bedeutsam waren. Schließlich ist auch darüber zu informieren, welche besonderen Schwierigkeiten der Bewertung der Gegenleistung aufgetreten sind. Bei Barangeboten reicht grundsätzlich die Bezugnahme auf den durchschnittlichen Börsenkurs während des dreimonatigen Referenzzeitraumes nach §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 WpÜG-AngVO. Im Falle ausschließlich ausländischer Notierung obliegt es dem Bieter, die Grundlagen der Berechnung des Kurses so zu dokumentieren, dass eine Prüfung durch die BAFin möglich ist (§ 6 Abs. 5 WpÜG-AngVO). Zur Bestimmung der „angemessenen“ Gegenleistung gemäß § 31 sind schließlich Vorerwerbe durch den Bieter sowie ihm zurechenbare Dritte in die Angebotsunterlage aufzunehmen (§ 2 Nr. 7 WpÜG-AngVO).

III. Die Prüfpflicht der BAFin 1. BAFin als Evidenzzentrale und Genehmigungsbehörde Als für das Verfahren zuständige Behörde übernimmt die BAFin die Funktion einer Evidenzzentrale. Sie ist zentraler Ansprechpartner für die in- und ausländische Zusammenarbeit mit anderen Aufsichtsbehörden und den zuständigen Stellen51. Neben der Überwachung der zahlreichen Veröffentlichungs- und Meldepflichten, etwa aus §§ 10 Abs. 2, 14 Abs. 3, § 23 Abs. 1, 2 WpÜG, ist die Prüfung von Angebotsunterlagen nach § 14 Abs. 2 WpÜG und die damit verbundene Entscheidung über eine Untersagung (§ 15 WpÜG) Schwerpunkt der Aufsichtstätigkeit der BAFin52. Enthält ein Angebot nicht die erforderlichen Angaben oder verstoßen Angaben offensichtlich gegen Vorschriften des WpÜG oder einer aufgrund des WpÜG erlassenen Verordnung, ist es zu untersagen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 2 WpÜG). Insoweit besteht grundsätzlich kein Ermessen53. Untersagt werden muss im Übrigen auch, wenn der Bieter entweder der BAFin die Angebotsunterlage nicht rechtzeitig übermittelt oder sie nicht unverzüglich veröffentlicht (§ 15 Abs. 1 Nr. 3, 4 WpÜG). Gestattet die BAFin das Angebot oder wird es nicht innerhalb von zehn Tagen untersagt, ist es vom Bieter zu ___________ 51

BT-Drs. 14/7034, S. 44. Lenz/Linke, AG 2002, S. 361 (361); Lenz/Behnke, BKR 2003, S. 43 (43). 53 Siehe aber Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 15 Rn. 9, der sich entgegen dem klaren Wortlaut dann für ein Ermessen der BAFin ausspricht, falls das Fehlen von Angaben nicht gravierend ist. Beachte zudem die Möglichkeit der Fristverlängerung um bis zu fünf Werktage im Falle einer unvollständigen oder fehlerhaften Angebotsunterlage (§ 14 Abs. 2 S. 3 WpÜG). 52

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

veröffentlichen (§ 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG); die Annahmefrist wird dadurch in Lauf gesetzt (§ 16 Abs. 1 S. 2 WpÜG).

2. Umfang der Prüfung: materielle Plausibilitätskontrolle Fraglich ist, in welchem Umfang die Prüfung der Angebotsunterlage zu erfolgen hat. Beschränkt sich die Kontrolle auf rein formelle Aspekte54 oder besteht auch eine zumindest eingeschränkte materielle Prüfpflicht55? Die BAFin überprüft zunächst die Vollständigkeit der Angebotsunterlagen, ob also alle von § 11 WpÜG i.V.m. § 2 WpÜG-AngVO geforderten Angaben enthalten sind. Für eine Beschränkung auf eine solche rein formelle Vollständigkeitskontrolle, entsprechend der registergerichtlichen Prüfung von Jahresund Konzernabschlüssen gemäß § 329 Abs. 1 HGB56 oder der Inhaltskontrolle bei Verkaufsprospekten57, ließe sich ins Feld führen, dass die Informationsbasis der BAFin wesentlich enger ist als die des Bieters58. Eine über nur formelle Aspekte hinausgehende Prüfpflicht ergibt sich indes bereits aus dem Wortlaut der §§ 11, 15 WpÜG. § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG ermächtigt die BAFin nämlich zur Untersagung eines Angebots, wenn die in der Angebotsunterlage enthaltenen Angaben offensichtlich gegen Vorschriften des WpÜG oder einer auf das WpÜG gestützten Verordnung verstoßen. Zu diesen Vorschriften zählt auch § 11 Abs. 1 S. 2 WpÜG, der die Richtigkeit der Angaben fordert. Daher sind Angebotsunterlagen nicht nur hinsichtlich offensichtlicher Verstöße gegen gesetzliche Verbote, etwa einer unzulässigen invitatio ad offerendum (§ 17 WpÜG), unzulässiger Bedingungen (§ 18 WpÜG) oder eines Verstoßes gegen die Sperrfristenregelung in § 26 WpÜG, zu kontrollieren59. Der BAFin obliegt darüber hinaus die Überprüfung aller Angaben auf offensichtliche Fehlerhaftigkeit. Der Prüfungsumfang muss dabei freilich – der geringeren Informationsbasis Rechnung tragend – auf solche Umstände beschränkt bleiben, die „ins Auge ___________ 54

Zschocke, DB 2002, S. 79 (81); Assmann, AG 2002, S. 114 (119). Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 15 Rn. 4 f.; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 14 Rn. 24; Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 14 Rn. 18; Thaeter/Barth, NZG 2001, S. 545 (547). 56 Baumbach/Hopt, HGB, § 329 Rn. 1; Morck in Koller/Roth/Morck, HGB, § 329 Rn. 1. 57 H.M.; siehe etwa BT-Drs. 13/8933, S. 87; Groß, Kapitalmarktrecht, § 8a VerkProspG Rn. 3; Grimme/Ritz, WM 1998, S. 2091 (2092); a.A. Hamann in Schäfer, WpHG, § 8a VerkProspG Rn. 4. 58 Zschocke, DB 2002, S. 79 (81). 59 BT-Drs. 14/7034, S. 45; Lenz/Linke, AG 2002, S. 361 (363); zur Zulässigkeit von Bedingungen siehe schon Fn. 30 in diesem Kapitel. 55

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

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springen“, die der BAFin schon bekannt sind oder bezüglich derer sie bereits begründete Zweifel hegt60. Schließlich muss die Angebotsunterlage einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden. Das ergibt sich schon aus dem Erfordernis des „richtigen Gesamteindrucks“. Die Entscheidung, ob dem Wertpapierinhaber ein richtiger Gesamteindruck vermittelt wird, setzt doch voraus, sich zunächst selbst einen Eindruck zu verschaffen. Dazu sind vorhandene Angaben bezüglich ihrer Darstellung sowie ihres Aussagewertes im Einzelnen sowie im Ganzen zu würdigen. Auch insoweit beschränkt sich die Kontrolle also nicht auf rein Formelles61. Daraus folgt allerdings keine vollumfängliche Angebotsprüfung. Die BAFin kann und soll keine Bewertung der Offerte vornehmen, denn es ist nicht ihre Aufgabe, die Güte eines Angebots oder die Zweckmäßigkeit einer Übernahme zu beurteilen und den Aktionären ihre (De-)Investitionsentscheidung abzunehmen. Die Prüfung soll allein sicherstellen, dass sich die Zielgesellschaftsaktionäre ein Urteil darüber bilden können, wie sich die geplante Übernahme auf ihre rechtliche und wirtschaftliche Stellung auswirken kann. In der Praxis der Bundesanstalt erlangt die Kontrolle der Angemessenheit der Gegenleistung bei Übernahme- und Pflichtangeboten besondere Bedeutung. Neben der Berechnung des durchschnittlichen Börsenkurses richtet sich in diesem Zusammenhang besonderes Augenmerk auf mögliche Vorerwerbe des Bieters zur Festsetzung der Untergrenze des Angebotspreises62. Die BAFin kann und muss dabei von ihren Ermittlungsbefugnissen nach § 40 WpÜG Gebrauch machen63. Mittels Auskunfts- und Vorlageersuchen identifiziert sie die Vertragsparteien und kann so feststellen, ob und gegebenenfalls zu welchem Preis der Bieter oder ihm zuzurechnende Dritte im maßgeblichen Zeitraum Aktien der Zielgesellschaft erworben haben64. ___________ 60 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 15 Rn. 5; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 14 Rn. 24; Aha, AG 2002, S. 160 (164); vgl. auch Hamann in Schäfer, WpHG, § 8a VerkProspG Rn. 4, § 36 BörsG Rn. 29; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 36-39 BörsG Rn. 21. 61 Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 14 Rn. 18; Thaeter/Barth, NZG 2001, S. 545 (547); Lenz/Linke, AG 2002, S. 361 (362). 62 Aus der Praxis der BAFin Lenz/Linke, AG 2002, S. 361 (361 f.). 63 Zu den Voraussetzungen der Befugnisse nach § 40 WpÜG im Einzelnen Stogmüller in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 40 Rn. 10 f.; Süßmann in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 40 Rn. 24 f.; zu den „Ermittlungshürden“ Ransiek, DZWir 1995, S. 53 (55 ff.). 64 Fraglich ist allerdings, wie die BAFin mit dem Bieter gemeinsam handelnde Personen identifizieren soll, die dieser entgegen § 2 Nr. 1 WpÜG-AngVO nicht in der Angebotsunterlage angibt oder die erst während des Angebotsverfahrens in Aktion treten. Der City Code sieht eine Anzeigepflicht für jeden Aktionär der Zielgesellschaft vor, der mindestens ein Prozent der Aktien hält oder kontrolliert; erfasst werden sämtliche Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte während des Übernahmeverfahrens (Rule 8.3). Erfahrungsgemäß erfolgen solche Parallelerwerbe durch Dritte, die selbst kein Übernah-

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

IV. Schutzzweck von Angebotsunterlage und Prüfpflicht Sind die Pflichten rund um das Angebot dritt- bzw. individualschützend im Sinne der obigen Definition? Zweck der Angebotsunterlage ist die Schaffung umfassender Transparenz für die Beteiligten eines Angebotsverfahrens – ein zentrales Ziel des WpÜG. Die Aktionäre der Zielgesellschaft sollen über ausreichende Informationen verfügen, um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können65. Warum ist Transparenz so entscheidend? Um den Hintergrund dieser Zielsetzung zu begreifen, ist es so hilfreich wie notwendig, sich die Situation der Aktionäre bei unregulierten öffentlichen Angeboten vor Augen zu führen.

1. Entscheidungsnot der Angebotsadressaten ohne Angebotsunterlage Öffentliche Erwerbsangebote sind Angebote, Aktien innerhalb eines begrenzten Zeitraums zu einem bestimmten Preis außerbörslich zu erwerben. Das hat zunächst den Vorzug, dass der auf diese Weise erfolgende Kauf großer Mengen Aktien nicht zwangsläufig zu einem starken Kursanstieg und damit zu einer Verteuerung des Erwerbs führt, was bei sukzessivem Zukauf über die Börse unvermeidbar wäre66. Ein weiterer Vorteil des Bieters ist der Überraschungseffekt der öffentlichen Offerte und der mit ihr einhergehende enorme Zeit- und Entscheidungsdruck. Wegen der Befristung müssen sich die Aktionäre nämlich alsbald schlüssig werden, ob sie ihre Aktien an den Bieter zu den gebotenen Konditionen verkaufen. Diese Entscheidung fiele im Falle mangelnder Information, d.h. ohne eine vom Bieter zu erstellende Angebotsunterlage, auf weitgehend unsicherer Grundlage. Anders als beim Kauf eines Aktienpakets steht bei einem öffentlichen Kaufangebot dem Bieter nicht ein einzelner, gut informierter und beratener Verkäufer gegenüber, sondern eine Vielzahl von Anlegern, die oft nur wenig oder gar nicht über den Wert des Unternehmens sowie Vor- und Nachteile eines Verkaufs informiert sind. Zum zeitlichen Druck, der auf den Aktionären lastet, kommen also noch Informationsdefizite und fehlende Erfahrung am Markt. Es besteht ohnehin ein Informationsgefälle zu Lasten des ein___________ meangebot abgeben, nämlich regelmäßig im Interesse des Bieters, denn der wirtschaftliche Anreiz für einen Eigenerwerb ist gering, da der im Falle der Übernahme drohende Minderheitsstatus zumeist schon durch einen Abschlag auf den Anteilswert antizipiert ist (Oechsler, NZG 2001, S. 817 (819) m.w.N.). Meldepflichten nach dem WpHG setzen übrigens erst ab einem Stimmrechtsanteil von 5 % ein (§ 21 WpHG). 65 Vgl. nur BT-Drs. 14/7034, S. 1, 29, 41; Renner in Haarmann/Riehmer/ Schüppen, WpÜG, § 11 Rn. 9 f. 66 Assman/Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 10; Lüttmann, Kontrollwechsel, S. 21 jeweils m.w.N.; Otto, DB 1988, Beil. 12, S. 1 (4).

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

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zelnen Aktionärs, denn der Bieter hat regelmäßig einen Wissensvorsprung, weil er – zumal wenn er ein Unternehmen ist – sich Kriterien für die Konditionen des Angebots erarbeiten kann und dies natürlich im Vorfeld der Angebotsunterbreitung auch tut67. Der Aktionär läuft daher Gefahr, seine Papiere zu billig zu verkaufen (Preis- oder Konditionenrisiko). Zwar hat er die Chance, seine Papiere zu einem attraktiven, nämlich über dem aktuellen Börsenkurs liegenden Angebotspreis zu veräußern. Allerdings hat der Bieter die Konditionen einseitig und einheitlich vorgegeben, so dass keine Chance auf einen privatautonomen Interessenausgleich im Wege einer Verhandlungslösung besteht68. Werden schließlich Wertpapiere als Gegenleistung angeboten, wird es dem Aktionär ohne eine Unternehmensbewertung schlechthin nicht möglich sein zu entscheiden, ob die angebotenen Aktien einen angemessenen Wertausgleich darstellen.

2. Das Prisoner´s Dilemma69 Der auf der Befristung eines Angebots beruhende Entscheidungsdruck wird bei Übernahmeangeboten noch erheblich dadurch verstärkt, dass die Kleinaktionäre unter den für Übernahmen typischen wirtschaftlichen Zwang geraten, ein Angebot auch dann anzunehmen, wenn dessen Konditionen dem „wahren“ Wert der Anteile nicht entsprechen. Dem Zwangseffekt liegt die Angst zugrunde, sich nach geglückter Übernahme in der unerwünschten und den Wert seiner Anteile tendenziell drückenden Position eines Minderheitsaktionärs wiederzufinden und als solcher den Entscheidungen und etwaigen Schädigungshandlungen des neuen Mehrheitsgesellschafters schutzlos ausgeliefert zu sein. In diese Situation gerät der Aktionär, weil er nicht weiß, wie die anderen Anteilsinhaber das Übernahmeangebot beurteilen und deshalb befürchten muss, sie könnten es akzeptieren und so einen Kontrollwechsel herbeiführen. Theoretisch könnten sich die Kleinaktionäre zwar solidarisieren und den Übernahmeversuch abwehren oder mit dem Übernahmeinteressenten günstigere Konditionen aushandeln. Bei der ___________ 67

Liebscher, ZIP 2001, S. 853 (855); Assman/Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 15; Schwark, ZGR 1976, S. 271 (300); Otto, DB 1988, Beil. 12, S. 1 (4); Witt, NZG 2000, S. 809 (813). 68 Auch wenn der Angebotspreis mehr oder weniger deutlich über dem aktuellen Börsenkurs liegt, können die Aktionäre das Angebot durchaus für unangemessen halten, etwa dann, wenn sie annehmen, dass der Bieter Insiderinformationen über den „wahren“ Wert des Unternehmens besitzt; siehe dazu Lüttmann, Kontrollwechsel, S. 39; auch Witt, Übernahmen, S. 84 f.; Assmann/Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 15; Bess, AG 1976, S. 169 (169); Hauschka/Roth, AG 1988, S. 181 (185 f.). 69 Lüttmann, Kontrollwechsel, S. 38 ff.; Witt, Übernahmen, S. 82 ff.; ders., NZG 2000, S. 809 (811 ff.); Liebscher, ZIP 2001, S. 853 (856); Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 16 Rn. 25 f.

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

Vielzahl von Kleinaktionären und wegen der hohen Transaktionskosten ist ihr Verhalten faktisch indes nicht koordinierbar70. Weil also die einzelnen Aktionäre nicht wissen, ob die anderen das einseitige Angebot des Bieters annehmen und sie dann als Minderheit in der Gesellschaft verbleiben, akzeptieren sie das Angebot schließlich, auch wenn sie es für nicht angemessen halten. Die Aktionäre befinden sich im sogenannten Prisoner´s Dilemma, einem Phänomen aus der Spiel- und Entscheidungstheorie, das genau jene Situation beschreibt, in der aufgrund mangelnder Koordinierungsmöglichkeiten nur suboptimale Ergebnisse erzielt werden.

3. Milderung der Entscheidungsnot und des Prisoner´s Dilemmas a) Ausgleich des Informationsgefälles durch die Angebotsunterlage Mangels Koordinierungsmöglichkeiten kann man die Aktionäre aus dem Prisoner´s Dilemma zwar nicht wirklich befreien. Es kann jedoch entscheidend abgemildert werden, indem das Informationsgefälle zu Lasten der Angebotsadressaten ausgeglichen und somit deren Entscheidungsnot gelindert wird71. Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass dem Bieter die Pflicht auferlegt wird, seine Erwägungen, Bewertungen und Einschätzungen sowohl zur Zielgesellschaft als auch zur Bietergesellschaft offen zu legen. Erst solch umfassende Informationspflichten – wie nun in den Vorschriften zur Angebotsunterlage gesetzlich vorgesehen72 – ermöglichen es den Aktionären, sich über Güte und Angemessenheit des Angebots ein Bild zu machen und eine möglichst wohlinformierte Entscheidung zu treffen. Das Risiko einer unangemessenen Gegenleistung kann dadurch freilich nicht ausgeschaltet, aber doch erheblich reduziert werden, zumal die Höhe des Angebotspreises durch die Bindung an Vor-, Parallel- und Nacherwerbe des Bieters zusätzlich eine gewisse Absicherung nach unten erfährt73.

___________ 70

Assmann/Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 11; Witt, NZG 2000, S. 809 (812); Lüttmann, Kontrollwechsel, S. 41, 189; Liebscher, ZIP 2001, S. 853 (856 Fn. 23). 71 Zu Möglichkeiten des Ausgleichs insbesondere Witt, Übernahmen, S. 93 ff.; ders., NZG 2000, S. 809 (813). 72 Zusätzlich besteht die Pflicht des Vorstands und des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft, zum Angebot Stellung zu nehmen (§ 27 WpÜG); siehe dazu Harbarth, ZIP 2004, S. 3 ff. und Friedl, NZG 2004, S. 448 ff. 73 Vgl. 3. Kap. § 1 II. 2. b.

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

65

b) Flankierende Informationspflichten des Bieters Daneben kann das Koordinierungsproblem der Aktionäre dadurch wesentlich entschärft werden, dass der Bieter verpflichtet wird, die Höhe seines Stimmrechtsanteils an der Zielgesellschaft bekannt zu geben. Das betrifft neben der zur Zeit der Abgabe des Angebots schon bestehenden Beteiligung auch die Zahl der während der Laufzeit des Angebots hinzukommenden Stimmrechte. In Umsetzung dieses Gedankens wird der Bieter in § 2 Nr. 5 WpÜG-AngVO verpflichtet, Angaben über die Höhe der Anteile, die sich bereits vor Abgabe des Angebots unmittelbar oder mittelbar in seiner Hand befinden, in die Angebotsunterlage aufzunehmen. Des Weiteren hat der Bieter während der Annahmefrist kontinuierlich, zunächst wöchentlich und in der letzten Woche täglich, über die Akzeptanz seines Angebots zu berichten (sog. Wasserstandsmeldungen, § 23 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG). Der einzelne Aktionär kann sich so bereits während des Angebotsverfahrens einen Überblick über das Annahmeverhalten der übrigen Aktionäre und die Erfolgsaussichten des Übernahmeangebots verschaffen74. Schließlich hat der Bieter unverzüglich nach Ablauf der Angebotsfrist die Annahmequote zu veröffentlichen (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG). Daran knüpft die sog. „Zaunkönigsregelung“ des § 16 Abs. 2 WpÜG an, eine Regelung, die eben der besonderen Situation des Prisoner´s Dilemmas Rechnung tragen soll75. Danach haben Aktionäre der Zielgesellschaft, die ein erfolgreiches Übernahmeangebot bis zum Ablauf der Annahmefrist noch nicht angenommen haben, das Recht, dem Bieter innerhalb einer weiteren zweiwöchigen Nachfrist ihre Aktien doch noch anzudienen. Zudem ist der Bieter verpflichtet, bereits seine Entscheidung, ein Angebot abzugeben, unverzüglich (vgl. § 121 BGB) zu veröffentlichen (§ 10 WpÜG). Die § 15 WpHG nachgebildete Vorschrift soll dafür Sorge tragen, dass die Öffentlichkeit frühzeitig über marktrelevante Daten informiert wird, um so das Ausnutzen von Spezialwissen zu verhindern76. Der „Angriff“ des Bieters verliert auf diese Weise seinen Überraschungseffekt, denn die betroffenen Aktionäre können sich auf das folgende Verfahren bzw. den Übernahmeversuch einstellen, da sich an die Veröffentlichung noch die Phase der Angebotserstellung und -prüfung anschließt.

___________ 74

Dazu insbes. Witt, NZG 2000, S. 809 ff. BT-Drs. 14/7034, S. 46; Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 16 Rn. 14 ff.; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 16 Rn. 25 ff. 76 BT-Drs. 14/7034, S. 39. Gemäß § 10 Abs. 6 WpÜG geht § 10 WpÜG dem § 15 WpHG als lex specialis vor. Zu den Einzelheiten Riehmer in Haarmann/Riehmer/ Schüppen, WpÜG, § 10 Rn. 16 ff.; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 10 Rn. 5 ff. jeweils m.w.N. 75

66

3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

4. Individualschützender Charakter der Pflichten der BAFin in der Angebotsphase? Das WpÜG hält wie gezeigt zahlreiche Regelungen bereit, die geeignet sind, den Entscheidungsdruck der Aktionäre zu lindern und das Dilemma potenzieller Minderheitsaktionäre zu mildern. Inwieweit sind diese Vorschriften und deren Überwachung als individualschützend im Sinne der Schutznormlehre zu qualifizieren?

a) Prüfpflicht individualschützend Gemessen an den Vorgaben der Rechtsprechung, nach denen eine behördliche Pflicht dritt- bzw. individualschützend ist, wenn bei ihrer Wahrnehmung in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist, muss die Prüfung der Angebotsunterlage durch die BAFin sowie die damit ggf. einhergehende Untersagung als individualschützende, drittbezogene Amtspflicht qualifiziert werden77. Auch wenn der Gesamtmarkt, die Arbeitnehmer oder die Zielgesellschaft selbst ein gewisses Interesse am Inhalt des Angebotes haben mögen, ist primär die Entlastung der Angebotsadressaten – einem von der Allgemeinheit abgrenzbaren, individualisierbaren Kreis – von dem auf ihnen lastenden Entscheidungsdruck und speziell bei Übernahmeangeboten die Abmilderung des Prisoner´s Dilemmas bezweckt. Es sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es das Dilemma der zur Entscheidung berufenen Zielgesellschaftsaktionäre, nicht aber das der Allgemeinheit ist. Sowohl § 3 Abs. 1, 2 WpÜG als auch die Begründung zum Regierungsentwurf sprechen demgemäß vom Informationsbedürfnis bzw. der Gleichbehandlung der „Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft“, der „Adressaten des Angebots“, der „Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft“ oder der „Aktionäre der Zielgesellschaft“78. Die von der Rechtsprechung geforderte „qualifizierte Rücksichtnahme“ ergibt sich daraus, dass die Prüfung ein konkretes Recht der Aktionäre betrifft, denn die Gegenleistung, auf die sich das Angemessenheitserfordernis und die diesbezügliche Vollständigkeits- und Richtigkeitskontrolle insbesondere bezieht, ist ___________ 77 A.A. OLG Frankfurt/M. ZIP 2003, S. 1251 (1252 f.) und S. 1392 (1393 ff.); Uechtritz/Wirth, WM 2004, S. 410 (414); Seibt, ZIP 2003, S. 1865 (1871); zweifelnd auch Steinmeyer/Häger, WpÜG, Vorb vor §§ 41 ff. Rn. 13; Aha, AG 2002, S. 160 (164). Etwas anderes wird für die Untersagung nach § 15 Abs. 1 Nr. 3, 4 WpÜG gelten müssen, weil diese unabhängig vom Vertragsinhalt erfolgt. Zu beachten ist aber die mögliche privatrechtsgestaltende Wirkung der Untersagung, dazu Kap. 5 § 3 III. 2. b. 78 Vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 1, 29 f., 35, 41, 42, 52, 55.

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

67

Gegenstand des schuldrechtlichen Anspruchs, der dem Aktionär bei Erfolg des Angebotes erwächst. Zudem ist die geprüfte Angebotsunterlage Entscheidungsgrundlage für die Aktionäre, die sich – um in den Kategorien der Grundsätze zur culpa in contrahendo zu sprechen79 – bereits in der „Phase der Vertragsanbahnung“ befinden. Einer Billigung des Angebots durch die BAFin kommt wegen ihrer vertrauenssteigernden Wirkung dabei ganz maßgebliche Bedeutung zu80. Zu bedenken ist zudem, dass die Wirksamkeit der Wertpapiererwerbsverträge mit der der Prüfung folgenden Entscheidung der BAFin über das Angebot steht und fällt, liegt es doch in ihrer Hand, das Zustandekommen der Verträge mittels einer Untersagung und damit einhergehender Nichtigkeitsfolge (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 3 WpÜG) zu verhindern. Unter Umständen wird die BAFin dabei sogar vertragsvernichtend tätig, wenn sie nämlich die Nichtigkeitsfolge für bereits geschlossene Verträge herbeiführt. In diesem Fall ergibt sich der Drittbezug schon wegen der die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) begründenden Entziehung vertraglicher Ansprüche81.

b) Parallele zum Umwandlungsgesetz (UmwG) Eine der Entscheidungsnot der Angebotsadressaten entsprechende Situation besteht im Rahmen des UmwG. Bei der Verschmelzung zweier Rechtsträger steht der Gesellschafter vor der Frage, ob er an der neuen, umstrukturierten Gesellschaft beteiligt bleiben oder ob er gegen Barabfindung ausscheiden will (§ 29 UmwG). Um sinnvoll entscheiden zu können, benötigt er wirtschaftliche und rechtliche Gesamtinformationen über die geplante Umstrukturierung. Zur Schaffung möglichst umfassender Transparenz des Verschmelzungsvorgangs für außenstehende Aktionäre sieht das UmwG die Erstellung eines detaillierten Verschmelzungsberichts vor (§ 8 UmwG), der ebenfalls einer sachverständigen Prüfung unterzogen wird (§§ 9 ff. UmwG). Während der Verschmelzungsbericht die Informationsgrundlage für die Meinungsbildung der Aktionäre über Zweck- und Rechtmäßigkeit der Verschmelzung stellt, soll die Verschmelzungsprüfung zusätzlich durch unabhängige Sachverständige als Kontrollinstanz die Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit des Verschmelzungsver___________ 79 Palandt-Heinrichs, BGB, 62. A., § 311 Rn. 17; Medicus, Schuldrecht I, Rn. 103 ff. 80 Eben weil der Bieter insoweit von der Prüftätigkeit der BAFin unmittelbar profitiert, soll er auch an den Kosten der Beaufsichtigung (§ 47 WpÜG) beteiligt werden, BT-Drs. 14/7034, S. 64. 81 Eingehend dazu, insbes. zur Klagebefugnis der Zielgesellschaftsaktionäre unten 5. Kap. § 3 III. 2. b. Gleiches gilt im Übrigen auch für Untersagungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 3, 4 WpÜG.

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

trages und für die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses bieten. Zweck der §§ 8 ff. UmwG ist der Schutz der betroffenen Anteilsinhaber82. Die Parallele zum UmwG hat der Gesetzgeber übrigens mit § 2 Nr. 3 WpÜG-AngVO, der inhaltlich dem § 12 Abs. 2 UmwG nachgebildet ist, selbst gezogen83.

c) Kein genereller Drittschutz Aus der Qualifizierung der Prüfpflicht als dritt- oder individualschützend folgt allerdings nicht, dass – etwa im Sinne der Schutztheorie84 – sämtlichen Pflichten im Rahmen der Angebotsphase individualschützender Charakter zugeschrieben werden könnte. Vielmehr muss für jede Pflicht gesondert untersucht werden, ob und inwieweit bei ihrer Wahrnehmung in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Dementsprechend müsste die Überwachung der Meldepflichten nach § 23 WpÜG als individualschützend qualifiziert werden, dient sie doch ebenfalls der Milderung des Prisoner´s Dilemmas. Gleiches gilt für die Überwachung der Pflicht zur Stellungnahme des Vorstands der Zielgesellschaft nach § 27 WpÜG. Hinsichtlich der Veröffentlichungspflicht nach § 10 WpÜG (Entscheidung zum Angebot) und deren Überwachung muss der individualschützende Charakter indes verneint werden. Anders als die Angebotsunterlage und deren Prüfung zielt diese nämlich gerade nicht auf konkrete Vertragsverhältnisse bzw. Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen ab, sondern ist im Vorfeld angesiedelt, so dass es an einer qualifizierten Rücksichtnahme fehlt. Zweck der Regelung ist die frühzeitige Information der Öffentlichkeit über marktrelevante Daten, um das Ausnutzen von Spezialwissen zu verhindern. Zwar soll dadurch auch vermieden werden, dass Aktionäre der Zielgesellschaft ihre Papiere zu früh und zu billig veräußern, ebenso ist aber der Schutz aller anderen Anleger bezweckt, die die Aktien zu spät und zu teuer erwerben könnten, da sie von der Übernahme keine Kenntnis haben85. Die Pflicht zielt demnach nicht primär auf einen begrenzten Kreis, sondern auf den Gesamtmarkt, so dass sich im Grunde bereits die „Individualisierbarkeit“ verneinen ließe. Entsprechendes muss für ___________ 82

Vgl. zum Ganzen BGHZ 107, S. 296 (305); BGH ZIP 1990, S. 168 (168 f.); Mertens, AG 1990, S. 20 (22) jeweils noch zu §§ 340a ff. AktG; Hommelhoff, ZGR 1993, S. 452 (463, 466); Lutter, UmwG, § 8 Rn. 5 und § 9 Rn. 3 f. m.w.N.; Müller in Kallmeyer, UmwG, § 12 Rn. 3. 83 BT-Drs. 14/7034, S. 78. 84 Vgl. oben 2. Kap. § 2 II. 3. 85 BT-Drs. 14/7034, S. 39; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 10 Rn. 3; Assmann/ Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 65; Bess, AG 1976, S. 206 (206 f.).

§ 1 Der Angebotskomplex, die Angebotsunterlage

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Verfügungen zur Untersagung bestimmter Arten der Werbung nach § 28 Abs. 1 WpÜG gelten. Diffiziler ist die Beurteilung von Untersagungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 3, 4, Abs. 2 WpÜG, weil sie einerseits ebenfalls unabhängig vom Inhalt des konkreten Angebots ergehen, andererseits gerade an ein bestehendes Angebot anknüpfen und somit privatrechtsgestaltend wirken. Der Drittbezug ist hier jedenfalls insoweit zu bejahen, als eine Untersagung zur Vernichtung bestehender Verträge führt. Das Kriterium der „individualisierbaren und qualifizierten Rücksichtnahme“ erweist sich als durchaus tauglich, den Individualschutz wirksam zu begrenzen. Interpretiert man „qualifiziert“ mit dem BGH als auf ein bestimmtes, konkret betroffenes Recht oder Rechtsverhältnis bezogen86, können etwa auch die Arbeitnehmer der Zielgesellschaft aus dem Kreis geschützter Dritter ausgeschieden werden, weil auf deren Interessen – obwohl individualisierbar – nicht in qualifizierter Weise Rücksicht zu nehmen ist. Zwar besteht die Informationspflicht des Bieters auch zu ihren Gunsten, das WpÜG zielt jedoch nicht auf eine Erweiterung oder Einschränkung individual- oder kollektivrechtlicher Beteiligungsrechte ab. Arbeitnehmer sollen vielmehr nur die Informationen erhalten, um ihre nach anderen Vorschriften bestehenden Rechte wahrnehmen zu können87. Der Schutz der Arbeitnehmer richtet sich weiter ausschließlich nach bisherigem arbeitsrechtlichem Standard88. Entsprechendes wird man auch für die Zielgesellschaft annehmen müssen, da auch deren Rechtskreis weder beschränkt noch erweitert wird89.

d) Funktionsschutz durch Individualschutz Der vom Gesetzgeber in den Vordergrund gerückte Schutz der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte steht nicht isoliert neben dem beschriebenen Individualschutz. Vielmehr baut der Schutz der Wertpapiermärkte nach dem WpÜG ganz wesentlich auf dem Schutz einzelner Anleger auf. So sind unver___________ 86

Vgl. BGH NVwZ 2001, S. 1074 (1074 f.). BT-Drs. 14/7034, S. 45. 88 Grobys, NZA 2002, S. 1 (2); Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (91); Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 3 Rn. 25 m.w.N; Wackerbarth, WM 2001, S. 1741 (1744 f.); Budde/Lawall, FS Müller, S. 27 (46 ff.). 89 Budde/Lawall, FS Müller, S. 27 (28 ff.); so auch Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (89 f.), der allerdings der Zielgesellschaft aus einem eigenen Ansatz heraus die Klagebefugnis dennoch zugesteht (S. 107 f.); gegen ein schützenswertes „Eigeninteresse“ der Zielgesellschaft auch Adams, AG 1990, S. 243 (246 f.); Aha geht hingegen von einer eigenen rechtlichen Betroffenheit der Zielgesellschaft aus (AG 2002, S. 160 (161 f.). 87

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

fälschte Aktionärsentscheidungen maßgebliche Voraussetzung eines gesunden Marktes für Unternehmenskontrolle. Die Existenz eines Pflichtangebots als Instrument des Minderheitenschutzes – darauf wird sogleich noch näher einzugehen sein – ist essentiell für einen funktionsfähigen und liquiden Wertpapiermarkt, der auch des Kapitals der Kleinanleger bedarf. Der Schutz der Aktionäre einer Zielgesellschaft ist daher keineswegs nur „Reflex“, also mittelbar-begünstigende Folge, sondern maßgebliche Voraussetzung des Schutzes der Wertpapiermärkte90. Überspitzt ließe sich gar formulieren, der Funktionsschutz sei Reflex des Individualschutzes.

§ 2 Das Pflichtangebot Zweiter zentraler Regelungsgegenstand des WpÜG ist das Pflichtangebot (§§ 35 ff. WpÜG)91. Erlangt jemand unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über eine Gesellschaft, hat er dies zunächst unverzüglich anzuzeigen und anschließend allen Aktionären dieser Gesellschaft ein Übernahmeangebot zu unterbreiten (§ 35 WpÜG).

I. Kontrolle im Sinne des WpÜG Voraussetzung ist die Erlangung der Kontrolle über eine Gesellschaft. § 29 Abs. 2 WpÜG geht von einem abstrakten Kontrollbegriff aus. Maßgebend ist danach allein das Halten von mindestens dreißig Prozent der Stimmrechtsanteile. Entsprechend der gesetzgeberischen Konzeption kommt es daher weder auf die konkreten Verhältnisse in der Gesellschaft, etwa Präsenzen in den Hauptversammlungen, noch auf die tatsächliche Kontrollausübung an. Entscheidend ist allein das Bestehen der Einflussmöglichkeit92.

___________ 90 So könnte auch die Regierungsbegründung in BT-Drs. 14/7034, S. 28 verstanden werden; siehe auch Budde/Lawall, FS Müller, S. 27 (31 ff.); Assmann/ Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 14; Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 9; MeierSchatz, ZHR 149 (1985), S. 76 (80 f.); Assmann, Kapitalmarkt, in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Teil 1. Kap. § 1 Rn. 22 ff., 58 ff.; zum Funktionsschutz auch Kümpel, WM 1992, S. 381 (383 f). Siehe zum Pflichtangebot unten 3. Kap. § 2 IV. 1. a. 91 Instruktiv dazu Harbarth, ZIP 2002, S. 323 ff.; Letzel, BKR 2003, S. 293 ff. 92 Beachte aber die sogleich erörterte Ausnahmemöglichkeit in § 37 WpÜG und dazu Bernau, WM 2004, S. 809 ff.).

§ 2 Das Pflichtangebot

71

Das Pflichtangebot existierte bereits unter dem Übernahmekodex (Art. 16), der allerdings die Kontrollschwelle noch bei fünfzig Prozent sah93. Die nunmehr geltende Dreißig-Prozent-Schwelle berücksichtigt zum einen die relativ niedrigen und sinkenden Präsenzen in den Hauptversammlungen deutscher Unternehmen94. Zum anderen orientiert sie sich an Regelungen anderer europäischer Staaten95. Auch der britische City Code96 und die Übernahmegesetze Frankreichs97, Österreichs98, Italiens99 und der Schweiz100 sehen eine kontrollierende Beteiligung bei dreißig Prozent oder einem Drittel der Stimmrechte.

II. Berechnung der Dreißig-Prozent-Schwelle; Problem der Zurechnung von Stimmrechten (am Beispiel des Falles Mobilcom/France Télécom) Um zu klären, ob eine kontrollierende, ein Pflichtangebot auslösende Mehrheit besteht, müssen die von einer Person gehaltenen Stimmrechte sowie deren Verhältnis zur Gesamtzahl der Stimmrechte ermittelt werden. Ausgangspunkt der Bestimmung des Stimmrechtsanteils sind die von ihr selbst zu Eigentum erworbenen Stimmrechte, wobei gleichgültig ist, ob der Erwerb börslich, außerbörslich, rechtsgeschäftlich oder etwa durch Erbschaft erfolgte101. Hinzu kommen Stimmrechte, die dem Bieter gemäß § 30 WpÜG zugerechnet werden. Die ___________ 93 Hommelhoff/Witt in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, Vor §§ 35 bis 39 Rn. 18 ff.; Thoma, ZIP 1996, S. 1725 (1726 ff.). 94 BT-Drs. 14/7034, S. 53; Harbath, ZIP 2002, S. 321 (322 f.); Letzel, BKR 2003, S. 293 (299). Die Präsenz der Aktionäre auf deutschen Hauptversammlungen ist zuletzt auf 53 % gesunken (Erhebung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, FAZ v. 11.2.2002, S. 21; siehe auch SZ v. 30.1.2003, S. 24). 95 BT-Drs. 14/7034, S. 53. Einen diesbezüglichen Überblick bieten etwa Zinser NZG 2000, S. 573 ff. und Hommelhoff/Witt in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, Vor §§ 35 bis 39 Rn. 6 ff. Die EU-Übernahmerichtlinie sieht in Art. 5 ebenfalls eine Pflichtangebotsregelung vor, überlässt die Bestimmung der Kontrollschwelle jedoch den Mitgliedstaaten. 96 Rule 9.1 (a) City Codes; dazu Zinser, RIW 2001, S. 481 (484); Baum, RIW 2003, S. 421 (432 f.). 97 Art. 5-5-2 Règlement Général des Marchés Financiers (RCMF); siehe Klein/Stucki, RIW 2001, S. 488 (490). 98 § 22 Abs. 5 ÜbG i.V.m. 1. ÜbV. Die Schwellenregelung ist als widerlegliche Vermutung konzipiert; dazu Kalss, NZG 1999, S. 421 (423 f.). 99 Art. 105 Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria (T.U.); vgl. Hommelhoff/Witt, RIW 2001, S. 561 (567). 100 Art. 32 Abs. 1 Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den Schwellenwert in den Statuten der Zielgesellschaft auf 49 % zu erhöhen; siehe Zinser, NZG 2000, S. 573 (575). 101 Entscheidend ist die dingliche Innehabung der Aktien; dazu nur Harbarth, ZIP 2002, S. 321 (323 f.).

72

3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

Norm dient dem Umgehungsschutz und orientiert sich an § 22 WpHG a.F., der durch Art. 2 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen seinerseits angepasst wurde. Im Rahmen dieser Zurechnung können sich vielfältige Schwierigkeiten ergeben. Exemplarisch dafür ist der medienträchtige Fall der Mobilcom AG102: Nach monatelang schwelendem Streit zwischen Mobilcom-Gründer und Großaktionär Gerhard Schmid und der 28,5 Prozent an der Mobilcom AG haltenden France Télécom um Höhe und Tempo der Investitionen in den Aufbau des UMTS-Geschäfts, bot Schmid der France Télécom seinen Anteil und den seiner Ehefrau in Höhe von insgesamt 49,9 Prozent zum Kauf an. Um – so wurde gemutmaßt – das Pflichtangebot zu umgehen, wurde für die Veräußerung eine Konstruktion gewählt, nach der die Anteile der Schmids als Zwischenschritt zunächst in zwei Paketen jeweils unter der Schwelle von 30 Prozent an Banken verkauft werden sollten. Weiterhin wurde spekuliert, die France Télécom hätte mit den beteiligten Gläubigerbanken Call-Optionen vereinbart, die es ihr erlaubt hätten, nach einer bestimmten Zeit die übrigen Mobilcom-Anteile zu übernehmen. Postwendend stellte sich die Frage, ob France Télécom aufgrund dieser Gestaltung unmittelbar oder mittelbar 30 Prozent der Stimmrechte der Mobilcom ausüben kann und deshalb zur Abgabe eines Pflichtangebots verpflichtet ist. Das wäre dann der Fall gewesen, wenn die von den Banken gehaltenen Stimmrechte der France Télécom (zu den eigenen 28,5 Prozent) nach § 30 zugerechnet werden mussten103. Im Ergebnis verneinte die BAFin das Vorliegen der Voraussetzungen eines Pflichtangebots104.

1. Halten der Aktien für Rechnung der France Télécom Möglich wäre etwa gewesen, dass die Gläubigerbanken ihre Anteile „für Rechnung“ der France Télécom halten. Die Zurechnung wäre dann über § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG erfolgt. Zurechnungsgrund ist hier die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit, den formalen Rechtsinhaber hinsichtlich seiner Stimmrechtsausübung anzuweisen. Klassischer Anwendungsfall der Nr. 2 ist die Treuhand105. Die Banken halten ihre Aktien „für Rechnung“ der France Télécom, ___________ 102

Ausführlich zur Zurechnung nach § 30 WpÜG etwa Liebscher, ZIP 2002, S. 1005 ff.; Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 30 Rn. 18 ff. 103 Zum Fall der Mobilcom AG siehe etwa FAZ v. 27.3.2002, S. 13; v. 13.4.2002, S. 23; v. 8.6.2002, S. 15; v. 14.9.2002, S. 12; SZ v. 11.4.2002, S. 21. 104 FAZ v. 2.8.2002, S. 16; v. 3.8.2002, S. 10. 105 Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 30 Rn. 25 ff.; Steinmeyer/ Häger, WpÜG, § 30 Rn. 6 ff.; Süßmann in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 30 Rn. 4 ff. je-

§ 2 Das Pflichtangebot

73

wenn letztere im Innenverhältnis zu einem wesentlichen Teil die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus den Anteilen trägt, also etwa dann, wenn sie die Banken von Kurs- oder Insolvenzrisiken freistellt, ihnen Finanzierungsaufwendungen erstattet oder wenn sie Gewinne aus den Aktien beansprucht. Zusätzliche Zurechnungsvoraussetzung ist, dass der France Télécom ein Weisungsrecht hinsichtlich der Stimmrechtsausübung zusteht oder die Banken verpflichtet sind, ihre Stimmrechte in ihrem Interesse auszuüben. Das Bestehen eines Stimmrechtseinflusses folgt zwar regelmäßig bereits aus dem Halten für einen anderen, ist aber letztlich eine Frage der Einzelfallbetrachtung, insbesondere dann, wenn die wirtschaftlichen Risiken aufgeteilt sind.

2. Aktien mit einseitiger Erwerbsmöglichkeit der France Télécom Nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpÜG werden auch Stimmrechte zugerechnet, die ein Bieter durch eine Willenserklärung erwerben kann.106 „Erwerben“ ist dabei grundsätzlich eng im Sinne von „Eigentum erlangen“ zu verstehen107. Eine Zurechnung nach Nr. 5 erfolgt daher nur, wenn der Erwerb des Aktieneigentums allein vom Bieter abhängt, wenn ihm also beispielsweise ein bindendes Angebot auf Übereignung der Aktien vorliegt, das er jederzeit annehmen kann. Die Gleichstellung mit eigenen Aktien ist dann gerechtfertigt, weil er bereits eine Rechtsstellung inne hat, die ihm die Stimmrechtsausübung sichert und die nicht von Dritten beeinflusst werden kann. Gleiches gilt bei Übereignung der Aktien unter einer Bedingung, deren Eintritt der Bieter selbst herbeiführen kann, z.B. die Zahlung des Kaufpreises. Bedarf es zum Erwerb der Mitwirkung eines Dritten, kommt eine Zurechnung nicht in Betracht. Schuldrechtliche Vereinbarungen, die nur einen Lieferanspruch beinhalten oder, wie Wandelanleihen und Optionen, einen solchen erst begründen, werden daher von der Nr. 5 nicht erfasst108. Entscheidend war danach, ob France Télécom allein durch Ausübung einer Kaufoption Eigentum an den Anteilen der Banken erwerben konnte. ___________ weils m.w.N.; siehe auch Sieger/Hasselbach, WM 2004, S. 1370 (1376 f.); zur Parallelregelung in § 22 WpHG Opitz in Schäfer, WpHG, § 22 WpHG Rn. 10 ff.; Schneider in Assmann/Schneider, WpHG, § 22 Rn. 24. 106 Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 30 Rn. 47 ff.; Steinmeyer/ Häger, WpÜG, § 30 Rn. 34 ff.; Süßmann in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 30 Rn. 20 ff. jeweils m.w.N.; Sieger/Hasselbach, WM 2004, S. 1370 (1377); Opitz in Schäfer, WpHG, § 22 WpHG Rn. 60 ff. 107 Wo schuldrechtliche Geschäfte dem Eigentumserwerb gleichgestellt werden sollen, ist dies ausdrücklich angeordnet, z.B. in §§ 31 Abs. 6, 23 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 WpÜG (BT-Drs. 14/7034, S. 54). 108 Beachte aber deren Einfluss auf die Gegenleistung gemäß § 31 Abs. 6 WpÜG.

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

3. Abgestimmtes (Stimmrechts-)Verhalten, § 30 Abs. 2 WpÜG Die Stimmrechte aus den Aktien der Banken hätten schließlich gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG auch zugerechnet werden müssen, wenn sie ihr Verhalten in Bezug auf die Mobilcom AG auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise mit der France Télécom abgestimmt hätten (sog. acting in concert). Im Kern erfasst dieser Tatbestand Stimmbindungen, etwa im Rahmen von Poolverträgen, Konsortialvereinbarungen oder Joint-Venture-Agreements, aber auch nur konkludente Übereinkünfte, durch die sich Aktionäre verpflichten, ihre Stimmrechte in einem bestimmten Sinne auszuüben oder von der Ausübung Abstand zu nehmen (sog. Gentlemen´s Agreements)109. Von der Zurechnung ausgenommen sind Vereinbarungen über Stimmrechtsausübung in Einzelfällen ebenso wie spontane Koalitionen mehrerer Aktionäre bei Einzelabstimmungen110. Unter dem Aspekt des abgestimmten Verhaltens kam im Übrigen auch ein eigenes Angebot der Banken in Betracht, da sie gemeinsam fast 50 Prozent der Stimmrechte halten und der gleichzeitige Erwerb unter Absprache bezüglich der weiteren Stimmrechts- und Geschäftspolitik durchaus als Indiz für ein abgestimmtes Verhalten im Sinne des § 30 Abs. 2 WpÜG gewertet werden könnte.

III. Pflichtangebotsbezogene Aufgaben der BAFin Zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften rund um das Pflichtangebot hat die BAFin neben der form- und fristgerechten Veröffentlichung der Kontrollerlangung sowie von Angebotsunterlagen insbesondere zu überwachen, ob eine Person eine kontrollierende Mehrheit über eine Gesellschaft erlangt hat. Außerdem entscheidet sie in Einzelfällen darüber, ob trotz formaler Erlangung der Kontrolle von einem Pflichtangebot abgesehen werden kann.

___________ 109

Im Einzelnen dazu Pentz, ZIP 2003, S. 1478 ff.; Casper, ZIP 2003, S. 1469 ff. Süßmann in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 30 Rn. 26 f.; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 30 Rn. 44 ff.; Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 30 Rn. 57 ff. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7034, S. 34, 54) soll freilich ein abgestimmtes Verhalten schon bei nur gleichgerichtetem Verhalten in der Hauptversammlung vorliegen, ohne dass es hierzu eines Stimmbindungsvertrages oder einer Absprache bedürfte; siehe aber OLG Fankfurt/M. ZIP 2004, S. 1309 (1311 f.); zu diesem Problem auch Liebscher, ZIP 2002, S. 1005 (1007 f.). 110

§ 2 Das Pflichtangebot

75

1. Feststellung und Durchsetzung der Angebotspflicht Der BAFin obliegt zunächst zu ermitteln, ob die Voraussetzungen zur Abgabe eines Pflichtangebots vorliegen. Um zu überprüfen, ob jemand unmittelbar oder auch nur mittelbar die Kontrolle über eine Gesellschaft erlangt hat, kann sie – gestützt auf § 40 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 WpÜG – erforderliche Auskünfte verlangen und sich Unterlagen vorlegen lassen. Im Falle der Mobilcom bedeutete dies, zunächst die zwischen den Banken und der France Télécom bestehenden Vereinbarungen und Absprachen aufzudecken. Bei Vorliegen der Voraussetzungen hätte die BAFin die Abgabe des Pflichtangebots durch die France Télécom oder aber die Gläubigerbanken veranlassen und ggf. zwangsweise durchsetzen müssen. Eine entsprechende Verfügung könnte, was freilich nicht unumstritten ist, auf die Generalbefugnisnorm des § 4 Abs. 1 S. 3 WpÜG gestützt werden111.

2. Nichtberücksichtigung von Stimmrechten (§§ 20, 36 WpÜG); Befreiung von der Angebotspflicht (§ 37 WpÜG) Wie erwähnt, besteht die Angebotspflicht bei Erlangung der Kontrollmehrheit unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen der Zielgesellschaft und von den Umständen der Kontrollerlangung. Da dies in Einzelfällen zu nicht gewollten Ungerechtigkeiten und Härten führen kann, sieht das WpÜG Ausnahmetatbestände vor, die die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten bei der Bestimmung einer möglichen Kontrollmehrheit (§§ 20, 36 WpÜG) bzw. die Befreiung von der Angebotspflicht (§ 37 WpÜG) erlauben. Die Entscheidung darüber obliegt der BAFin112.

___________ 111 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 4 Rn. 8, § 35 Rn. 25 ff.; KöKo-von Bülow, WpÜG, § 35 Rn. 187; Pentz, ZIP 2003, S. 1478 (1478); in diesem Sinne wohl auch Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), S. 466 (484 f.). Der Gesetzgeber scheint ebenfalls von dieser Möglichkeit auszugehen, wenn er meint, der in § 59 WpÜG (zuvor § 60) angeordnete Rechtsverlust sei zur Durchsetzung der Pflichten nach § 35 WpÜG erforderlich und ergänze die daneben bestehenden Mittel des Verwaltungszwangs (BT-Drs. 14/7034, S. 68); extrem einschränkend Cahn, ZHR 167 (2003), S. 262 (265 ff.); wohl dagegen Schüppen, WPg 2001, S. 958 (973); zweifelnd auch Busch, AG 2002, S. 145 (152). 112 Ausführlich zu den Befreiungstatbeständen Holzborn/Blank, NZG 2002, S. 948 ff.; Holzborn/Friedhoff, WM 2002, S. 948 ff.; Harbarth, ZIP 2002, S. 321 (327 ff.); Bernau, WM 2004, S. 809 ff.; zur praktischen Relevanz siehe etwa NZG 2002, S. VII f.

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

a) Aktien im Handelsbestand (§ 20 WpÜG) Nach § 20 WpÜG sind Wertpapiere bei der Bestimmung der Kontrollschwelle nicht zu berücksichtigen, wenn sie zum Handelsbestand eines Unternehmens gehören, das als Bieter oder einem anderen Bieter zuzurechnender Dritter in Betracht kommt. Dadurch soll solchen Unternehmen die Weiterführung ihres Kerngeschäfts des Wertpapierhandels ermöglicht werden, um Marktirritationen zu vermeiden und die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes sicherzustellen. Diese Ausnahme rechtfertigt sich daraus, dass Investments nicht allein strategisch motiviert sein müssen, sondern auch zur kurzfristigen Erzielung von Kursgewinnen bestimmt sein können113. Legt das Unternehmen dar, dass die betreffenden Wertpapiere nur gehalten werden, um Kursschwankungen kurzfristig auszunutzen und dass nicht beabsichtigt ist, auf die Geschäftsführung der Zielgesellschaft Einfluss zu nehmen, bleiben die Wertpapiere auf Antrag unberücksichtigt. Die Klassifizierung von Wertpapieren als zum Handelsbestand gehörig ist freilich rein subjektiv und dementsprechend schwer nachzuvollziehen114. Die Entscheidung über die Nichtberücksichtigung liegt nicht im Ermessen der BAFin, allerdings besteht im Falle der Änderung der Zweckbestimmung eine Widerrufsmöglichkeit (§ 20 Abs. 4 WpÜG).

b) Nichtberücksichtigung von Stimmrechten nach § 36 WpÜG § 36 WpÜG ermöglicht die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten in einer abschließend aufgezählten Zahl von Fällen, in denen die Abgabe eines Pflichtangebots nicht sachgerecht wäre. Das gilt z.B., wenn die in Frage stehenden Aktien durch Erbgang, Erbauseinandersetzung, unentgeltliche Zuwendung unter Ehegatten oder Lebenspartnern oder durch Vermögensauseinandersetzung anlässlich der Auflösung einer Ehe oder Lebenspartnerschaft erlangt wurden (Nr. 1). Mit dieser Ausnahme soll verhindert werden, dass die Nachfolgeplanung bei Familienunternehmen durch ein Pflichtangebot gestört und die Fortführung des Unternehmens eventuell sogar wirtschaftlich unmöglich gemacht wird. Der familienrechtliche Hintergrund dieses Ausnahmetatbestandes erfordert allerdings ein familiäres Näheverhältnis115. Darüber hinaus erfasst § 36 WpÜG bloße Rechtsformwechsel (Nr. 2), durch die sich die Herrschaftsver___________ 113

Rn. 1 f. 114

BT-Drs. 14/7034, S. 48; Vogel in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 20

Siehe insbes. Holzborn/Friedhoff, WM 2002, S. 948 (949 ff.). Dazu BT-Drs. 14/7034, S. 60; Hommelhoff/Witt in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 36 Rn. 10 ff.; Harbarth, ZIP 2002, S. 321 (328 f.); Holzborn/Blank, NZG 2002, S. 948 (949). 115

§ 2 Das Pflichtangebot

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hältnisse in der Gesellschaft nicht verändern116. Gleiches gilt, falls Aktien im Rahmen konzerninterner Umstrukturierungen erlangt werden (Nr. 3), weil sich das Einflusspotenzial des betreffenden Aktionärs innerhalb des Konzerns nicht erhöht117. Auf Antrag sind die Stimmrechte deshalb in den genannten Fällen bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt zu lassen. Auch hier hat die BAFin kein Ermessen.

c) Befreiung vom Pflichtangebot nach § 37 WpÜG, § 9 WpÜG-AngVO Ergänzend zu § 36 WpÜG ermöglicht § 37 WpÜG der BAFin, Personen oder Unternehmen trotz der Erlangung einer kontrollierenden Stimmrechtsmehrheit von der Pflicht zur Abgabe eines Angebots zu befreien. Hintergrund dieser Ausnahmeregelung ist, dass § 35 WpÜG für das Entstehen der Angebotspflicht allein an das formale Erreichen der Kontrollschwelle anknüpft, das Interesse der Aktionäre in der konkreten Situation aber möglicherweise ein Pflichtangebot nicht erfordert. Die Entscheidung hängt daher ganz maßgeblich davon ab, ob eine Neubewertung der Anlage der Minderheitsaktionäre notwendig wird. § 37 WpÜG räumt der BAFin Ermessen ein, bei dessen Ausübung sie die Interessen des Antragstellers gegen die der Minderheitsaktionäre abzuwägen hat118. Um zukünftigen Änderungen der Stimmrechtsverhältnisse Rechnung zu tragen, kann von Nebenbestimmungen (§ 36 Abs. 2 VwVfG) Gebrauch gemacht werden. § 9 der auf § 37 Abs. 2 WpÜG gestützten WpÜG-AngVO enthält eine nicht abschließende Aufzählung („insbesondere“) von Konstellationen, in denen eine Befreiung in Betracht kommt. Nahe liegendstes Beispiel ist der Fall, dass ein Aktionär trotz einer dreißigprozentigen Beteiligung tatsächlich keine Kontrollmehrheit inne hat, sei es, weil ein zweiter Aktionär ein noch größeres Aktienpaket hält (§ 9 S. 2 Nr. 1 WpÜG-AngVO)119, sei es, dass die Präsenz stimmberechtigter Aktionäre auf Hauptversammlungen der betreffenden Gesellschaft re___________ 116 Erfasst sind nur Fälle außerhalb des Anwendungsbereichs des Fünften Buches des UmwG, da bei den dort geregelten Rechtsformwechseln kein Übertragungsvorgang stattfindet und die rechtliche Identität des Rechtsträgers fortbesteht (§ 190 Abs. 1 UmwG); BT-Drs. 14/7034, S. 60; siehe auch Hommelhoff/Witt in Haarmann/Riehmer/ Schüppen, WpÜG, § 36 Rn. 18. 117 Hommelhoff/Witt in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 36 Rn. 19 ff.; Holzborn/Blank, NZG 2002, S. 948 (949 f.). 118 BT-Drs. 14/7034, S. 61. 119 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 37 Rn. 26 ff.; Holzborn/Blank, NZG 2002, S. 948 (952). Der Gefahr, dass der Dritte seine Aktien später verkauft, kann die BAFin durch Nebenbestimmungen wie Bedingungen oder Widerrufsvorbehalte (§ 36 Abs. 2 VwVfG) begegnen.

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

gelmäßig überdurchschnittlich hoch ist (S. 2 Nr. 2)120. Auf wirtschaftlichen Erwägungen beruht die Befreiungsmöglichkeit nach S. 1 Nr. 3, wenn also der Bieter Aktien im Rahmen der Sanierung der Zielgesellschaft erwirbt, denn die ausnahmslose Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots stünde hier den Sanierungsbemühungen eher im Wege, was kaum im Interesse der Minderheitsaktionäre liegen dürfte121.

IV. Schutzzweck des Pflichtangebots und der diesbezüglichen Pflichten: Minderheitenschutz Welchen Zweck verfolgt die Pflichtangebotsregelung – hat die BAFin bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen?

1. Pflichtangebot als Instrument gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzes a) Gefahr des Vermögensverlustes durch Kontrollwechsel Grundanliegen des WpÜG ist die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland. Erreicht werden soll dies unter anderem durch einen verstärkten Minderheitenschutz122. Zu diesem Zweck wurde das Instrument des Pflichtangebots in das Gesetz aufgenommen, das es betroffenen Aktionären ermöglichen soll, im Falle eines Kontrollwechsels ihre Beteiligung zu einem angemessenen Preis zu veräußern und dadurch der Entwertung ihrer Anteile durch das Handeln eines neuen Mehrheitsaktionärs zu entgehen123. Dass es eines solchen Schutzes bedarf, kann im Grunde keinem Zweifel unterliegen, denn ein funktionsfähiger und liquider Wertpapiermarkt – Grundvoraussetzung für wirtschaftliches Wachstum – fußt auch und insbesondere auf der Investitionsbereitschaft der Kleinanleger, die wiederum mit der Existenz wirksamer Vermögensschutzmechanismen steht ___________ 120

(952).

Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 37 Rn. 30 ff.; Holzborn/Blank, NZG 2002, S. 948

121 BT-Drs. 14/7034, S. 81; Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 37 Rn. 28 ff.; Holzborn/Blank, NZG 2002, S. 948 (950 f.). 122 BT-Drs. 14/7034, S. 28. 123 BT-Drs. 14/7034, S. 30; Houben, WM 2000, S. 1873 (1876 ff.); Mülbert, ZIP 2001, S. 1221 (1226); Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 9; Harbarth, ZIP 2002, S. 321 (321 f.) alle m.w.N.

§ 2 Das Pflichtangebot

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und fällt124. Insofern gilt auch hier, dass der Schutz der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte ganz wesentlich auf dem Schutz des einzelnen Anlegers aufbaut. Die Furcht der Anleger, der mit dem Pflichtangebot begegnet werden soll, beruht darauf, dass es bei erstmaligem Eintritt einer Kontrollsituation oder im Falle eines Kontrollwechsels in aller Regel zu einer Neuausrichtung von Geschäftspolitik und Unternehmensstrategie kommen kann. Das leuchtet unmittelbar ein, wenn man sich mögliche Motive einer Übernahme besieht, etwa extensives Wachstum, Diversifizierung, Herbeiführung von Synergieeffekten zwischen der übernehmenden Gesellschaft und der Zielgesellschaft, Ausschaltung eines Konkurrenten, Ausnutzung fremder Liquidität und Realisierung stiller Reserven oder aber auch die Zerschlagung und Vergoldung der Zielgesellschaft (sog. asset stripping)125. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die Ertragsaussichten der Zielgesellschaft und damit auch auf das Risiko des Investments haben126. Tatsächlich führen Fusionen und Übernahmen nach einer KPMGStudie127 in der Mehrzahl zur Verschlechterung der Aktienkurse der involvierten Unternehmen. Nur 38 Prozent der Transaktionen haben danach einen bedeutsamen Wertzuwachs für die Aktionäre geschaffen. Die Gründe dafür sind vielfältig; genannt seien etwa die Überschätzung von Chancen und Synergieeffekten oder zu hohe Transaktionskosten. Hinzu kommt, dass Stimmrechte einen eigenen Wert haben, die Kontrollprämie. Dieses Mehr, welches der Bieter bereit ist zu zahlen, um die Kontrolle zu erlangen, geht nach erfolgter Übernahme freilich verloren128.

b) Die Macht des Großaktionärs und Treuepflichten Die Gefahr für die Anteile der Minderheitsaktionäre resultiert daraus, dass ein Aktionär, sobald er einen bestimmten Stimmrechtsanteil erlangt, die Möglichkeit hat, kraft seiner Stimmgewalt erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen. Ab einem gewissen Beteiligungsgrad vermag er zum einen verschiedene Maßnahmen durchzusetzen. Mit einem Anteil von 20 Prozent kann beispielsweise die Einberufung der Hauptversammlung verlangt ___________ 124

Houben, WM 2000, S. 1873 (1873); Fleischer, NZG 2002, S. 545 (548); Wenger/Kaserer/Hecker, ZBB 2001, S. 317 (321). 125 Dazu etwa Assmann/Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 10; Daum, Unkoordinierte Übernahme, S. 17 ff.; Otto, DB 1988 Beilage Nr. 12/88, S. 1 (3); Sünner, AG 1987, S. 276 (277 f.); Peltzer, ZIP 1989, S. 69 (71); Schneider/Burgard, DB 2001, S. 963 (964); Falkenhausen, FS Stiefel, S. 163 (166 ff.). 126 BT-Drs. 14/7034, S. 27; Houben, WM 2000, S. 1873 (1874 f.). 127 FAZ v. 23.5.2002, S. 25. 128 Houben, WM 2000, S. 1873 (1874) m.w.N.; Burgard, AG 1998, S. 41 (48).

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

werden (§ 122 Abs. 1, 2 AktG); 10 Prozent des Grundkapitals genügen, um die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung zu veranlassen (§ 142 Abs. 2 AktG) oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft zu erzwingen (§ 147 I AktG). Hält ein Einzelner oder eine Gruppe von Aktionären mehr als 25 Prozent der Stimmrechte (Sperrminorität), können zum anderen Beschlüsse der Gesellschaft verhindert werden, denn der Hauptversammlungsbeschluss (§ 179 Abs. 2 AktG) bedarf ebenso wie die Erhöhung bzw. Herabsetzung des Grundkapitals (§§ 182 Abs. 1, 222 Abs. 1 AktG) oder der Ausschluss von Bezugsrechten (§ 186 Abs. 3 AktG) einer Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals129. Seine Stimmkraft könnte ein Mehrheitsaktionär freilich – gezielt oder unbeabsichtigt – sowohl zum Vor- als auch zum Nachteil der Gesellschaft einsetzen, ohne dass die übrigen Aktionäre die Möglichkeit der Abwehr hätten. Der Fall der Girmes AG130 bietet dafür ein äußerst plastisches Anschauungsbeispiel. Die Gesellschaft geriet aufgrund von Umsatzeinbußen und Pensionszusagen in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Um den drohenden Konkurs abzuwenden, hatten Vorstand, Aufsichtsrat, Arbeitnehmer, Banken und andere Gläubiger ein Sanierungskonzept entwickelt. Die Sanierung scheiterte, weil sich die zur Durchsetzung des Konzepts erforderliche Dreiviertel-Mehrheit131 nicht fand. Einem Aktionär war es gelungen, durch Bündelung von Stimmrechten ein Stimmpotenzial oberhalb der Sperrminorität von 25 Prozent zu erlangen. Der damit unvermeidbare Konkurs führte schließlich zur Entwertung der Aktien. Angesichts solch gesteigerter Einflussmöglichkeiten und insbesondere der Möglichkeit, die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitaktionäre zu schädigen, hatte der BGH bereits in der Linotype-Entscheidung das Institut der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht auf das Verhältnis der Aktionäre untereinander erstreckt und Mehrheitsaktionären die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Mitaktionäre auferlegt132. In der Girmes-Entscheidung wurde diese Treuepflicht schließlich auch auf Klein- und Minderheitsaktionäre ausgedehnt. Erfasst sein sollen übrigens nicht nur gebündelte Stimmrechte, sondern auch

___________ 129

Eine instruktive Übersicht der Minderheitsrechte bietet Lehmann, AG 1983, S. 113 (117 ff.). 130 vgl. BGHZ 129, S. 136 ff. – Girmes; siehe dazu insbes. die Rezension von Schnorbus, JuS 1998, S. 877 ff. m.w.N. 131 Teil des Konzepts war eine Kapitalherabsetzung, für die gemäß §§ 229, 222 Abs. 1 AktG eine Dreiviertel-Mehrheit erforderlich ist. 132 BGHZ 103, S. 184 (193 ff.) – Linotype; bestätigt durch BGH NJW 1992, S. 3167 (3171); dazu auch Dreher, ZHR 157 (1993), S. 150 (151 ff.) m.w.N.

§ 2 Das Pflichtangebot

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Zufallsmehrheiten133. Diese weitreichende, heute allgemein anerkannte Treuepflicht bedeutet für den einzelnen Aktionär die Pflicht, den Gesellschaftszweck zu fördern, Schäden von der Gesellschaft fernzuhalten sowie gesellschaftsrechtlich vermittelte Interessen der Mitaktionäre zu berücksichtigen. Welche Rechte und Pflichten hieraus im konkreten Einzelfall resultieren, kann allerdings nicht generalisierend festgelegt werden, da dies maßgeblich von der Struktur der jeweiligen Aktiengesellschaft und der Wirkung der konkreten Maßnahme auf die Interessen der Mitaktionäre abhängt. Verletzt ein Aktionär seine tatsächlich bestehende Treuepflicht, kann er, allerdings nur unter engen Voraussetzungen, sowohl der Gesellschaft als auch den übrigen Gesellschaftern gegenüber zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet sein134.

c) Pflichtangebot als Ausfluss gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten; das WpÜG an der Schnittstelle von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht Vor dem Hintergrund der Gefahren, die den Minderheitsaktionären durch „neue“ Mehrheitsaktionäre erwachsen, kann man das Pflichtangebot mit guten Gründen als Ausfluss vormitgliedschaftlicher Treuepflichten ansehen135. Die Regelungen zum Pflichtangebot machen jedenfalls besonders deutlich, dass sich das WpÜG an der Schnittstelle von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht bewegt. Obwohl ihm ein kapitalmarktrechtlicher Ansatz zugrunde liegt, impliziert das WpÜG gesellschaftsrechtliche Elemente, die die Binnenstruktur der Aktiengesellschaft betreffen. Neben den Zustimmungserfordernissen der Hauptversammlung bei Abwehrmaßnahmen (§§ 33 Abs. 2, 16 Abs. 3, 4 WpÜG), den Pflichten des Vorstands im Falle eines Angebots (§§ 27, 33 WpÜG) ist es in besonderer Weise das Pflichtangebot, das an das direkte Verhältnis der Aktionäre untereinander anknüpft136. Während das freiwillige Übernahmeangebot funktional noch auf der kapitalmarktrechtlichen Seite steht, wird das Pflichtangebot dementsprechend rechtssystematisch schon dem binnenorganisatorischen ___________ 133 BGHZ 129, S. 136 (146 f.); Schnorbus, JuS 1998, S. 877 (879 f.); Häsemeyer, ZHR 160 (1996), S. 109 (111 ff.) jeweils m.w.N; zum Ganzen auch Schmidt K., Gesellschaftsrecht, S. 591 ff., 799 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 12 Rn. 40 ff. 134 BGHZ 129, S. 136 (158 ff., 162); Häsemeyer, ZHR 160, S. 109 (116 ff.); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 12 Rn. 54; Schnorbus, JuS 1998, S. 877 (881); Hüffer, AktG, § 53a Rn. 21; Burgard, AG 1992, S. 41 (47 ff.). 135 In diesem Sinne Berding, WM 2002, S. 1149 (1152, 1156 f.); Fleischer, NZG 2002, S. 545 (546) jeweils m.w.N. 136 Siehe dazu Steinmeyer/Häger, WpÜG, Einl. Rn. 20 f.; Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 23 ff.; KöKo-Hirte, WpÜG, Einl. Rn. 79 f.; Mülbert, ZIP 2001, S. 1221 (1222, 1227); Berding, WM 2002, S. 1149 (1150); Fleischer, NZG 2002, S. 545 (546 ff.) jeweils m.w.N.; Schneider, AG 2002, S. 125 (127); Körner, DB 2001, S. 367 (369).

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

Bereich der Aktiengesellschaft bzw. dem Aktienkonzernrecht zugerechnet137. Zu Recht, denn indem es ihnen eine Art „Austrittsrecht“ verleiht138, schützt das Pflichtangebot die Minderheitsaktionäre gerade in ihrer Stellung als Gesellschafter139. Begreift man die Angebotspflicht als Ausfluss vormitgliedschaftlicher Treuepflichten, ist dies evident, denn die Schutzwirkung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten beschränkt sich auf den mitgliedschaftlichen Bereich140.

d) Parallelen im Konzern- und Umwandlungsrecht Die Annahme, § 35 WpÜG sei eine gesellschafterschützende Norm, findet Bestätigung darin, dass das Pflichtangebot als Instrument des Minderheitenschutzes neben das deutsche Konzernrecht sowie den Minderheitenschutz des UmwG tritt141. In Ergänzung der letztgenannten Regelungsmaterien kommt dem Pflichtangebot die Funktion eines „Konzerneingangsschutzes“ zu142.

aa) Minderheitenschutz im deutschen Konzernrecht Das deutsche Aktienrecht enthält in §§ 291 ff. AktG differenzierte Regelungen, nach denen außenstehende Aktionäre vor einer Schädigung ihrer Gesellschaft bzw. ihrer vermögensrechtlichen Stellung durch ein herrschendes Unternehmen geschützt werden sollen143. Im Vertragskonzern soll dies durch Beherr___________ 137 Mülbert, ZIP 2001, S. 1221 (1222, 1227) m.w.N.; Harbarth, ZIP 2002, S. 321 (322); Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 35 Rn. 2. Der Gesetzgeber scheint das Spannungsverhältnis freilich zu ignorieren, indem er beide Vorgänge einer einheitlich Regelung unterwirft, vgl. insbes. § 35 Abs. 3 WpÜG. 138 BT-Drs. 14/7034, S. 60; Fleischer, NZG 2002, S. 545 (546) m.w.N.; Seibt/ Heiser, ZHR 165 (2001), S. 466 (477); Baums, ZIP 1989, S. 1376 (1380); Hopt, FS Rittner, S. 187 (201). 139 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 35 Rn. 22 f.; Mülbert, ZIP 2001, S. 1221 (1226); so auch schon für das Pflichtangebot nach dem Übernahmekodex: Assmann, AG 1995, S. 563 (565 f.); a.A. Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 5, der nicht den „Gesellschafter“, sondern allein den Anleger als geschützt ansieht. Näher zur privatrechtlichen Natur des Pflichtangebots (§ 35 WpÜG) 5. Kap. § 3 III. 2. a. aa. 140 MüKo-Ulmer, BGB, § 705 Rn. 188 m.w.N.; Hüffer, AktG, § 53a Rn. 21. 141 BT-Drs. 14/7034, S. 34; Kallmeyer, ZHR 161 (1997), S. 435 (437). 142 Dazu insbes. Fleischer, NZG 2002, S. 545 (547 f.) m.w.N.; Kallmeyer, ZHR 161 (1997), S. 435 (439 f.). 143 BGHZ 135, S. 374 (379); 138, S. 136 (139); Hüffer, AktG, § 304 Rn. 1, § 305 Rn. 1; zu den Einzelheiten des Konzernrechts etwa Schmidt K., Gesellschaftsrecht,

§ 2 Das Pflichtangebot

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schungs- und Gewinnabführungsverträge (§ 291 AktG) mit Ansprüchen auf Ausgleichszahlung erreicht werden, sofern der Minderheitsaktionär in der Gesellschaft verbleiben will (§ 304 AktG). Zieht er es vor auszuscheiden, soll er ein Recht auf Abfindung erhalten (§ 305 AktG). Im faktischen Konzern ist zum Schutz der Minderheiten ein grundsätzliches Verbot von nachteiligen Rechtsgeschäften bzw. die Pflicht vorgesehen, die abhängige Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis so zu stellen, als ob sie unabhängig wäre (§ 311 AktG). Das Konzernrecht stellt folglich einen ex-post-Schutzmechanismus zur Verfügung, der auf den Schutz der Minderheitsaktionäre im bereits bestehenden Konzern abzielt. Das Pflichtangebot knüpft hingegen an einen früheren Zeitpunkt, namentlich die Entstehung der Minderheitssituation an (ex-ante-Schutzmechanismus) und fungiert dementsprechend als Konzernbildungskontrolle oder -eingangsschutz. Wegen der Existenz des Konzernrechts wurden lange Zeit Zweifel an der rechtspolitischen Berechtigung eines weiteren Schutzinstrumentes in Form des Pflichtangebots erhoben. Es sei überflüssig, da der Außenseiterschutz durch das bestehende, differenzierte System konzernrechtlicher Regelungen ebenbürtig sei144. Es entspricht jedoch mittlerweile der ganz herrschenden Meinung145, dass der Minderheitenschutz durch das deutsche Gesellschafts- und Konzernrecht hinter dem Schutz durch das Pflichtangebot ökonomisch und rechtlich zurückbleibt, dies insbesondere, weil der Schutz außenstehender Aktionäre nur unter hohem Kosten- und Zeitaufwand erreicht werden kann. Rechtshistorischer Hintergrund dieser Auseinandersetzung war übrigens eine noch im Richtlinien-Vorschlag von 1997 (Art. 3) enthaltene, seit dem gemeinsamen Standpunkt vom 19. Juni 2000 aber entfallene Öffnungsklausel, die den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bot, statt des Pflichtangebots „andere geeignete und mindestens gleichwertige Vorkehrungen zum Schutz der Minderheitsaktionäre dieser Gesellschaft“ vorzusehen146. Angesichts der europarechtlichen Vorgaben sowie der bereits erfolgten gesetzgeberischen Umsetzung in § 35 WpÜG ___________ S. 948 ff., 958 ff. m.w.N.; Houben, WM 2000, S. 1873 (1875 f.); Röhricht, ZHR 162 (1998), S. 249 (253 ff.). 144 Altmeppen, ZIP 2001, S. 1073 (1082 f.); Letzel, NZG 2001, S. 260 (261); ders., BKR 2003, S. 293 (296); Kallmeyer, ZHR 161 (1997), S. 435 (436 ff., 439); dazu auch Neye, AG 2000, 289 (293) jeweils m.w.N. 145 Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 6 m.w.N.; Budde/Lawall, FS Müller, S. 27 (60 ff.); Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, S. 672 (710 ff., 729); Hopt, ZHR 161 (1997), S. 368 (387 f.) m.w.N.; Behrens, ZGR 1975, S. 433 (441 f.); Houben, WM 2000, S. 1873 (1875 f.); Habersack/Mayer, ZIP 1997, S. 1241 (1243 f.); siehe auch Wackerbarth, WM 2001, 1741 (1745 f.). 146 Siehe zu diesen Rili-Vorschlägen Fn. 17 und 18 im ersten Kapitel; zum Ganzen auch Mülbert, ZIP 2001, S. 1221 (1227).

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

ist der Streit um die Notwendigkeit eines Pflichtangebots nunmehr hinfällig geworden. Resümieren lässt sich indes, dass das Pflichtangebot in die Instrumentarien des gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutzes einzureihen ist und dass beide, Konzernrecht und Pflichtangebot, ein einheitliches Ziel verfolgen, namentlich den Schutz außenstehender Minderheitsaktionäre.

bb) Minderheitenschutz durch § 29 UmwG Eine dem Pflichtangebot in der normativen Umsetzung sowie hinsichtlich des wirtschaftlichen Hintergrundes vergleichbare Regelung findet sich in § 29 UmwG, dessen Zweck ebenfalls im Schutz der Anteilsinhaber gerade in ihrer Stellung als Gesellschafter besteht.147 Im Falle der Verschmelzung eines Rechtsträgers im Wege der Aufnahme durch einen Rechtsträger anderer Rechtsform (sog. Mischverschmelzung) haben danach diejenigen Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers, die der Verschmelzung widersprechen, das Recht, gegen eine angemessene Barabfindung aus der übernehmenden Gesellschaft auszuscheiden. Ein entsprechendes Abfindungsangebot ist zwingend in den Verschmelzungsvertrag aufzunehmen (§ 29 Abs. 1 S. 1 UmwG). Hintergrund dieser Regelung ist die Tatsache, dass jede Veränderung der Rechtsform erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Anteilsinhabers, seine Risiken und Einflussmöglichkeiten hat. So können den Gesellschaftern erhebliche Nachteile dadurch entstehen, dass beim Wechsel beispielsweise von der AG zur GmbH die Fungibilität ihrer ursprünglich gehaltenen Anteile beschränkt wird. Des Weiteren kann sich durch einen Wechsel von einer Kapital- zu einer Personengesellschaft die persönliche Haftung des Gesellschafters eröffnen, während bei einem Übergang von der OHG zur GmbH die Beschränkung der Vertretungsund Geschäftsführungsbefugnis droht. Da unter diesen Umständen eine Mitgliedschaft im übernehmenden Rechtsträger nicht ohne weiteres zumutbar ist, soll den wechselunwilligen Gesellschaftern eine Austrittsmöglichkeit eingeräumt werden. Ein solches Austrittsrecht besteht im Übrigen auch dann, wenn zwar keine Mischverschmelzung vorliegt, jedoch die Anteile am übernehmenden Rechtsträger, die an die Stelle derjenigen am übertragenden Rechtsträger treten, kraft Gesellschaftsvertrages oder Satzung Verfügungsbeschränkungen unterworfen sind (§ 29 Abs. 1 S. 2 UmwG). In den Augen des Gesetzgebers ist die Möglichkeit, die Mitgliedschaft frei verwerten zu können, wohl so bedeut___________ 147 Zum Ganzen Hoffmann-Becking, ZGR 1990, S. 482 (486 ff.); Grunewald, FS Boujong, 1996, S. 175 (176 ); dies. in Lutter, UmwG, § 29 Rn. 2 ff.; Schaub, NZG 1998, S. 626 ff.; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 13 Rn. 27, § 29 Rn. 1 ff.; Vollrath, FS Widmann, S. 117 ff.; dazu und insbes. zu Fragen der Konkurrenz von § 35 WpÜG und § 29 UmwG siehe Seibt/ Heiser, ZHR 165 (2001), S. 466 ff.

§ 2 Das Pflichtangebot

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sam, dass jeder Eingriff in die Verfügungsmacht der Anteilsinhaber, jede Einschränkung der freien Übertragbarkeit oder einer sonstigen Verfügung durch ein Recht, aus der übernehmenden Gesellschaft auszuscheiden, abgefedert werden soll.

2. Drittbezogenheit der Pflichten der BAFin Das Pflichtangebot verleiht den Minderheitsaktionären also ein gesellschaftsrechtliches „Austrittsrecht“ und ist eine Ausprägung des Abfindungsrechts als eines typischen Instrumentes des aktienrechtlichen Minderheitenschutzes148. Die diesbezüglichen Regelungen und folglich auch ihre Überwachung sind nach den Vorgaben der Rechtsprechung ohne weiteres als drittbezogen und individualschützend zu qualifizieren149. Zum einen dient das Pflichtangebot den (Vermögens-)Interessen der Minderheitsaktionäre einer Zielgesellschaft, einem erkennbar abgegrenzten Kreis Dritter. Zum anderen entscheidet die BAFin über ein konkretes (Austritts-)Recht eben dieser Aktionäre. Sie hat dementsprechend bei der Frage, ob eine Angebotspflicht überhaupt besteht, aber auch bei ihren Entscheidungen nach §§ 20, 36 f. WpÜG, jeweils die speziellen Verhältnisse der betroffenen Zielgesellschaft zu beachten. Ob etwa ein Mehrheitsaktionär gemäß § 37 WpÜG von der Angebotspflicht befreit werden kann, hat die BAFin „unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers und der Inhaber der Aktien der Zielgesellschaft“ zu entscheiden.150 Den Befreiungsentscheidungen kommt dabei ebenfalls (privat-)rechtsgestaltender Charakter zu, sofern man das Pflichtangebot als entziehbare Rechtsposition qualifiziert151. Am individualschützenden Charakter der Pflichtangebotsregelungen dürfte nach alldem kein Zweifel mehr bestehen. Loritz/Wagner hielten übrigens die Einführung eines Pflichtangebots im Rahmen eines Richtlinienumsetzungsgesetzes noch für verfassungswidrig, weil alleiniger Zweck der Pflichtangebotsregelung der Minderheitenschutz, nicht aber das Wohl der Allgemeinheit gewesen sei152. ___________ 148

So auch Hommelhoff/Kleindiek, AG 1990, S. 106 (108). A.A. OLG Frankfurt/M. ZIP 2003, S. 1297 (1298 ff.); Tschauner in Geibel/Süßmann § 59 Rn. 79 ff.; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), S. 466 (485), allerdings (auch) unter Bezugnahme auf § 4 Abs. 2 WpÜG; Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 5; zweifelnd auch Steinmeyer/ Häger, WpÜG, Vorb vor §§ 41 ff. Rn. 13. 150 Vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 61. 151 Dagegen Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 36 Rn. 10; eingehend zu dieser Frage 5. Kap. § 3 III. 2. a.; siehe auch schon 3. Kap. § 1 IV 4. a. 152 Loritz/Wagner, WM 1991, S. 709 (714 ff.); zur Verfassungsmäßigkeit der Pflichtangebotsregelung siehe Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 10 ff. 149

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3. Kap.: WpÜG und Individualschutz

§ 3 Zwischenergebnis: Individualschützende, drittbezogene Pflichten der BAFin Als Fazit der ersten Kapitel lässt sich festhalten, dass das WpÜG Regelungen bereit hält, die vor allem den Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft bezwecken. Herausragend sind dabei die Vorschriften zur Angebotsunterlage153 sowie zum Pflichtangebot154 mit ihrer jeweiligen Zielstellung, die Entscheidungsnot der Angebotsadressaten zu mildern, sie weitestgehend aus dem Prisoner´s Dilemma zu befreien bzw. potenzielle Minderheitsaktionäre vor Vermögensschäden zu bewahren. Die bisherigen Ausführungen haben jedenfalls verdeutlicht, dass der Zielgesellschaftsaktionär die „zentrale Figur“ des Übernahmeverfahrens ist155. Geht man vom grundsätzlich dienenden Charakter der Aufsicht aus und lässt § 4 Abs. 2 WpÜG außen vor, sind auch die jeweiligen Überwachungs- und Aufsichtspflichten der BAFin individual- oder drittschützend. In der Konsequenz handelt es sich etwa bei den Regelungen zur Prüfung und ggf. Untersagung von Angebotsunterlagen (§§ 14 Abs. 2 S. 1, 15 Abs. 1 Nr. 1, 2 WpÜG) sowie zur Befreiung vom Pflichtangebot (§§ 20, 36 f. WpÜG) um Schutznormen zu Gunsten der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft, so dass ihnen gegen entsprechende Verfügungen die verwaltungsprozessuale Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) zusteht. Auch einen gegen die BAFin gerichteten Anspruch auf Durchsetzung eines Pflichtangebots wird man bejahen müssen, sofern man § 4 Abs. 1 S. 3 WpÜG als einschlägige Ermächtigungsgrundlage erachtet. Zudem kann die schuldhafte Verletzung dieser Pflichten, wie etwa eine rechtswidrige Befreiung vom Pflichtangebot oder die fehlerhafte Billigung einer Angebotsunterlage, Amtshaftungsansprüche auslösen. Aus dem Gesagten kann indes nicht der generell individualschützende Charakter des WpÜG gefolgert werden. Vielmehr bedarf es nach wie vor einer einzelnormbezogenen Schutzzweckanalyse156. Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber scheinbar für einen ganzheitlichen Ansatz entschieden, indem er in § 4 Abs. 2 WpÜG eine Regelung trifft, nach der die BAFin ausschließlich im öffentlichen Interesse tätig wird. Auf den ersten Blick scheint dies die Verneinung jeglichen Individualschutzes zu bedeuten, was freilich dem eben gewonnen Ergebnis diametral entgegensteht. Ob dieser zweifelhafte Befund auch einem zweiten, eingehenderen Blick Stand hält, wird im Folgenden zu untersuchen sein. ___________ 153

Vgl. dazu 3. Kap. § 1, insbes. IV. Dazu 3. Kap. § 2, insbes. IV. 155 So Daum, Unkoordinierte Übernahme, S. 20; siehe auch Assmann/Bozenhardt, Übernahmeangebote, S. 14 f. 156 Siehe 3. Kap. § 1 IV. 4. c. 154

Viertes Kapitel:

Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

§ 1 Die Norm des § 4 Abs. 2 WpÜG § 4 Abs. 2 WpÜG lautet: „Die Bundesanstalt nimmt die ihr nach diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr.“

In der Begründung zum Regierungsentwurf wird dazu ausgeführt1: „Das Bundesaufsichtsamt“ (nun: die Bundesanstalt) „nimmt – wie auch nach § 4 Abs. 2 WpHG – seine Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr. Für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte ist das Vertrauen der Investoren in eine ordnungsgemäße Abwicklung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen von entscheidender Bedeutung. Die Vorschriften des Gesetzes dienen der Sicherung dieses Vertrauens. Aufgabe des Bundesaufsichtsamtes“ (nun: der Bundesanstalt) „ist es, die Einhaltung dieser Vorschriften zu überwachen. Unberührt bleibt die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten in Bezug auf die von Aufsichtsmaßnahmen unmittelbar betroffenen Personen und Unternehmen. Soweit ihnen gegenüber schuldhaft Amtspflichten verletzt werden, gelten die allgemeinen Grundsätze.“

Zum gleich lautenden § 4 Abs. 2 WpHG a.F., auf den verwiesen wird, heißt es zudem2: „Die Aufsichtstätigkeit des Bundesaufsichtsamtes erfolgt zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte. Der Schutz des einzelnen Anlegers ist ein bloßer Rechtsreflex.“

Obwohl im 3. Kapitel festgestellt wurde, dass einige Normen des WpÜG und – unter Zugrundelegung des „dienenden Charakters“ der Aufsicht – auch deren Überwachung gerade den Einzelnen in seiner Stellung als Aktionär der Zielgesellschaft schützen sollen, meint der Gesetzgeber, die Überwachung dieser Vorschriften, etwa die Prüfung und Untersagung von Angeboten oder die Befreiung von der Angebotspflicht, erfolge ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, ___________ 1 2

BT-Drs. 14/7034, S. 36. BT-Drs. 12/7918, S. 100.

88

4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

namentlich der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte. Der Schutz einzelner Anleger geschehe lediglich reflexartig. Wenn der Gesetzgeber also vom „Vertrauen der Investoren“ spricht, scheint er von einem „entindividualisierten“ Kollektiv-Vertrauen auszugehen und jeglichen Individualschutz auszublenden. Obgleich sich § 4 Abs. 2 WpÜG nach seinem Wortlaut nur auf „Aufgaben und Befugnisse“ der BAFin bezieht, spricht vieles dafür, dass der Gesetzgeber § 4 Abs. 2 WpÜG als eine das gesamte WpÜG umfassende Zweckbestimmung begreift3. Das ist der Begründung zwar nicht ausdrücklich zu entnehmen, ergibt sich aber daraus, dass „die Vorschriften des Gesetzes ... der Sicherung dieses Vertrauens“4, dem Kollektiv-Vertrauen, dienen sollen. Bevor nun der „wahre“ Gehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG zu untersuchen ist, sollen zunächst die Konsequenzen einer als so umfassend verstandenen Interessen- bzw. Zweckbestimmung aufgezeigt werden.

§ 2 Konsequenzen der „Interessenregelung“ Bei unbefangener Lektüre hat § 4 Abs. 2 WpÜG – wie auch seine „Vorgänger“ in VAG, WpHG, BörsG und natürlich die Modellnorm des (ursprünglichen) § 6 Abs. 3 KWG – gewichtigen Einfluss sowohl auf die Amtshaftung als auch auf die Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte, denn beide hängen ganz maßgeblich von der Interessenrichtung der jeweiligen Norm ab.

I. Keine drittbezogenen Amtspflichten i.S.v. § 839 BGB, Art. 34 GG Im Rahmen des WpÜG sind Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG etwa bei rechtswidriger Befreiung von der Angebotspflicht, Untersagung eines rechtmäßigen Angebots oder auch bei fehlerhafter Billigung einer Angebotsunterlage denkbar. Mit § 4 Abs. 2 WpÜG hat der Gesetzgeber die Frage der Amtshaftung bei Pflichtverletzungen durch die BAFin scheinbar eindeutig zu Gunsten eines umfassenden Haftungsausschlusses beantwortet, denn entscheidende Voraussetzung für das Bestehen von Amtshaf___________ 3 Dafür spricht auch, dass im Gesetzgebungsverfahren Hinzugezogene als Verfahrensbeteiligte in § 52 WpÜG (vormals § 53) gestrichen wurden, weil der Finanzausschuss „aufgrund des mangelnden Drittbezuges der Vorschriften des WpÜG keinen praktischen Anwendungsbereich für eine Drittbeteiligung am Verfahren“ sah (vgl. BTDrs. 14/7477, S. 53). Für ein so umfassendes Verständnis auch Schüppen/Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 66 Rn. 7 f., § 41 Rn. 13, § 41 Anhang Rn. 4; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), S. 466 (485); Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 32 Rn. 13. 4 Vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 36.

§ 2 Konsequenzen der „Interessenregelung“

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tungsansprüchen ist, dass die verletzte Amtspflicht zumindest auch im Interesse des Geschädigten und nicht allein im öffentlichen Interesse besteht5. Dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 WpÜG folgend, könnte das WpÜG keinerlei drittbezogene Amtspflichten begründen. Insoweit wären Amtshaftungsansprüche insbesondere der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft, anderer Anleger, der Zielgesellschaft selbst oder ihrer Arbeitnehmer ausgeschlossen. Im Rahmen des WpÜG gäbe es keine „Dritten“ im Sinne von § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG. Übereilt wäre indes, von einem generellen Haftungsausschluss zu sprechen, denn verletzbare drittbezogene Amtspflichten können sich auch aus anderen Gesetzen und Grundsätzen ergeben6.

II. Keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB Bestimmte § 4 Abs. 2 WpÜG den Schutzzweck aller Normen des WpÜG, könnten Normen wie §§ 11, 35 WpÜG nicht als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB qualifiziert werden, weil auch dies den (zumindest auch) individualschützenden Charakter der jeweiligen Norm erfordert7. Zielgesellschaftsaktionäre könnten daher z.B. Schadensersatzansprüche gegen einen Bieter, der pflichtwidrig kein Pflichtangebot abgibt oder eine fehlerhafte Angebotsunterlage veröffentlicht, nicht auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der jeweiligen den Bieter verpflichtenden Norm stützen8.

III. Keine subjektiv-öffentlichen Rechte im WpÜG 1. Schutznormtheorie i.V.m. § 4 Abs. 2 WpÜG – keine subjektiv-öffentlichen Rechte im WpÜG Die Begründung subjektiv-öffentlicher Rechte wäre auf einfachgesetzlicher Ebene ebenfalls gänzlich ausgeschlossen, denn die Schutznormtheorie fragt in gleicher Weise nach dem vom Gesetzgeber gewollten Interessenschutz9. Zwar deuten einzelne Normen, insbesondere die Befreiungsregelungen zu Gunsten des Bieters in §§ 20, 36, 37 WpÜG auf korrespondierende Ansprüche, d.h. sub___________ 5

Vgl. 2. Kap. § 1 II. 1. Darauf wird noch näher einzugehen sein (4. Kap. § 3 III. 1. c). 7 Palandt-Thomas, BGB, 62. Aufl., § 823 Rn. 141. 8 So Schüppen/Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 66 Rn. 8, § 41 Anhang Rn. 4; Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), S. 466 (485). 9 Vgl. 2. Kap. § 2 II. 6

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

jektiv-öffentliche Rechte hin. Vor allem die Existenz einer Verpflichtungsbeschwerde (§ 48 Abs. 3 S. 1 WpÜG), mit welcher derjenige gegen die Unterlassung einer beantragten Verfügung vorgehen kann, der auf deren Vornahme ein Recht zu haben glaubt, legt das Bestehen subjektiv-öffentlicher Rechte im WpÜG nahe. Auf dem Boden der Schutznormtheorie könnten allerdings wegen der klaren Vorgabe des § 4 Abs. 2 WpÜG im Rahmen des WpÜG keinerlei klagbare subjektiv-öffentliche Rechte entstehen, weil die BAFin grundsätzlich im öffentlichen Interesse, zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte tätig wird, während der Schutz einzelner Anleger bloßer Rechtsreflex sein soll.

2. Subjektiv-öffentliche Rechte trotz § 4 Abs. 2 WpÜG? Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings wiederholt entschieden, allein die Tatsache, dass im Wortlaut von „öffentlichem Interesse“, „öffentlicher Sicherheit“ oder „öffentlichen Belangen“ die Rede ist, schließe die subjektive Abwehrseite einer Norm nicht aus, wenn sich aus ihrem Zweck und ihrer systematischen Stellung im bereichsspezifischen Normengefüge ergebe, dass auch Individualinteressen geschützt werden sollen. Die Berücksichtigung von Individualinteressen stelle regelmäßig einen wesentlichen Teil der staatlichen Aufgaben zur Wahrung des Gemeinwohls dar. Öffentliche Interessen und Individualinteressen schließen sich nicht notwendigerweise aus10. Die an sich naheliegende Folgerung, § 4 Abs. 2 WpÜG stehe der Begründung subjektiv-öffentlicher Rechte nicht entgegen11, ist freilich verfrüht, denn die in Rede stehenden Urteile nehmen durchweg auf Normen Bezug, die selbst ausdrücklich darlegen, dass Individualinteressen Teil des öffentlichen Interesses sind. So heißt es etwa in § 69a Abs. 1 Nr. 3 GewO12, dass insbesondere der Schutz der Veranstaltungsteilnehmer vor Gefahren für Leben oder Gesundheit im öffentlichen Interesse liege, § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO stellt den Schutz der Wohnbevölkerung ausdrücklich heraus, obwohl § 45 StVO grundsätzlich auf die Wahrung von Interessen der Allgemeinheit gerichtet ist13. § 35 BauGB benennt schließlich in Abs. 3 schädliche Umwelteinwirkungen als eine Beeinträchtigung öffentlicher ___________ 10

BVerwGE 52, S. 122 (125 f.); 77, S. 70 (73 f.); 74, S. 234 (235 f.); BVerwG NJW 1987, S. 856 (857); BVerwG DÖV 1995, S. 909 (909 f.); BVerwG DVBl. 1990, S. 364 (365). 11 Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (86); siehe auch Schmidt R., JuS 1999, S. 1107 (1110); Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 91 alle m.w.N.; Kopp, BayVBl. 1980, S. 263 ff.; Ruthig, BayVBl. 1994, S. 393 (397 f.). 12 BVerwGE 77, S. 70 (74). 13 BVerwGE 74, S. 234 (235 f.).

§ 2 Konsequenzen der „Interessenregelung“

91

Belange14. Das WpÜG begründet in § 4 Abs. 2 WpÜG („nur im öffentlichen Interesse“) im Gegensatz dazu gerade ein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen Markt- und Individualschutz. Hinsichtlich des Rechtsschutzes im Rahmen des WpÜG ergibt sich im Einzelnen Folgendes.

3. Generelle Unzulässigkeit von Rechtsbehelfen Dritter (Nicht-Adressaten) Neben der Haftungsbegrenzung lag das besondere Augenmerk des Gesetzgebers auf dem Ausschluss sog. Drittklagen15. Ein als umfassende Zweckbestimmung verstandener § 4 Abs. 2 WpÜG bewirkte die generelle Verhinderung von Rechtsbehelfen, mit denen sich ein „Dritter“ gegen einen Verwaltungsakt wendet, der nicht an ihn gerichtet ist. Vor allem bei der prozessualen Bewältigung derartiger Konstellationen, die am häufigsten in Form von baurechtlichen Nachbarklagen, Konkurrentenklagen und Klagen gegen privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte mit Doppelwirkung auftreten, erlangt die Schutznormtheorie ihre eigentliche Bedeutung: Ein Nichtadressat (Dritter) kann einen Verwaltungsakt, der seinen Interessen zuwiderläuft, nur wegen der Verletzung solcher Normen anfechten, die jedenfalls auch seinem Schutz zu dienen bestimmt sind16. Weil die BAFin – folgt man dem Wortlaut – allein im öffentlichen Interesse tätig wird, sind solche Drittrechte schlechthin ausgeschlossen. Weder Aktionäre der Zielgesellschaft, die Zielgesellschaft selbst noch sonstige Interessengruppen könnten danach gegen Verfügungen, welche die BAFin etwa an einen Bieter richtet, z.B. die Untersagung einer Angebotsunterlage (§ 15 WpÜG), die Befreiung von der Angebotspflicht (§ 37 WpÜG) oder die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten (§§ 20, 36 WpÜG), vorgehen, denn die jeweilige Verfügung erginge nicht in deren Interesse, sondern ausschließlich zum Schutz der Wertpapiermärkte. Dahingehende Rechtsbehelfe wären mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Für Widersprüche Dritter ergibt sich dies aus der entsprechenden Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO17. Bezüglich der Anfechtungsbe___________ 14

BVerwGE 52, S. 122 (125 f.). Vgl. nur die Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses in BT-Drs. 14/7477, S. 53; Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (86 f.). 16 Vgl. etwa BVerwGE 52, S. 122 (123 ff., 128 ff.); 61, S. 256 (261 f.); 72, S. 226 (227 f.); 92, S. 313 (315 f.); OVG Koblenz NJW 1982, S. 1301 (1302); Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 90 f.; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 70 f., 83 ff.; Schmidt R., JuS 1999, S. 1107 (1110) jeweils m.w.N. 17 Die Widerspruchsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) ist zwar weder in § 41 WpÜG noch in der VwGO ausdrücklich geregelt, nach h.M. aber auch im Rahmen des § 41 WpÜG eine Zulässigkeitsvoraussetzung. Vgl. etwa Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (91 f.); Schüppen/Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 41 Rn. 12 ff.; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 41 Rn. 12. 15

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

schwerde (§ 48 Abs. 1 WpÜG) ist zunächst auf eine mit Blick auf den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ausschluss „Dritter“ bestehende Schwäche des Rechtsschutzsystems des WpÜG hinzuweisen. Gemäß § 48 Abs. 2 WpÜG steht die (Anfechtungs-)Beschwerde „den am Verfahren vor der Bundesanstalt Beteiligten zu“. Ausschlaggebend ist danach – vergleichbar zu § 63 Abs. 2 GWB – die formelle Stellung als Verfahrensbeteiligter18. Zur Beteiligtenstellung im Verwaltungsverfahren vor der BAFin äußert sich das WpÜG freilich nicht; § 52 WpÜG gilt nur für das Verfahren vor dem Beschwerdegericht. Es ist daher auf die allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts, d.h. § 13 VwVfG zurückzugreifen19. Der Gesetzgeber scheint allerdings übersehen zu haben, dass Dritte nach vielfach vertretener Ansicht allein durch Einlegung eines Widerspruchs, gleichgültig ob zulässig oder (offensichtlich) unzulässig, als Antragsteller gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG die Stellung als Verfahrensbeteiligte erlangen20. Auf diesem Wege könnten sich „Dritte“, vor allem Wertpapierinhaber, die Stellung als Verfahrensbeteiligte unabhängig von der Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte durch förmliche Einlegung eines Widerspruchs sichern, obwohl der Gesetzgeber dies doch gerade vermeiden wollte. Zur Korrektur wird vorgeschlagen, in Anlehnung an das Kartellbeschwerderecht die zu § 63 Abs. 2 GWB entwickelten, allerdings nicht unumstrittenen Grundsätze21 einschließlich der am Rechtsschutzbedürfnis ansetzenden ergänzenden Voraussetzungen (formelle und materielle Beschwer) auf das WpÜG zu übertragen22. Zum Teil wird für das zusätzliche Erfordernis einer Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO plädiert23. An der Unzulässigkeit von Anfechtungsbeschwerden Dritter ändert dieses Problem indes nichts. Sie folgt vielmehr entweder aus der entsprechenden Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO oder, falls man dies ablehnt, aus der weiteren

___________ 18

BT-Drs. 14/7034, S. 65. Möller, AG 2002, S. 170 (170); Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (98); Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 48 Rn. 13; Zehetmeyer-Müller/Grimmer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 48 Rn. 17; KöKo-Pohlmann, WpÜG, § 48 Rn. 33. 20 Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (99 f.); Jäde, BayVBl. 1989, S. 201 (203); Bonk/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 13 Rn. 13 ff., 46; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 13 Rn. 17; a.A. Möller, ZHR 167 (2003), S. 301 (308 f.). 21 Vgl. nur Schmidt K. in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 63 Rn. 20 ff., 24 ff.; Bechtold, GWB, § 63 Rn. 4 ff.; Dormann, WuW 2000, S. 245 (246 ff.). 22 In diese Richtung etwa Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 48 Rn. 12 ff., 21 ff.; Zehetmeier-Müller/Grimmer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 48 Rn. 16 ff., 20 ff.; krit. Schüppen/ Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 48 Rn. 12. 23 KöKo-Pohlmann, WpÜG, § 48 Rn. 51 ff.; siehe auch Schnorbus, ZHR 166 (2000), S. 72 (103 f.), der im Ergebnis aber einen „eigenen Ansatz“ verfolgt. 19

§ 2 Konsequenzen der „Interessenregelung“

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Sachentscheidungsvoraussetzung der erfolglosen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens24.

4. Wirkung des § 4 Abs. 2 WpÜG auch in bipolaren Verwaltungsrechtsverhältnissen In der Rechtspraxis beschränkt sich die Schutznormdiskussion ganz überwiegend auf den Bereich der Drittklagen25. Die Schutznormtheorie beansprucht aber konzeptionell ebenso in bipolaren Verwaltungsrechtsverhältnissen Geltung. Auch für Adressaten von Verwaltungsakten sowie im Rahmen gegen die Verwaltung gerichteter Leistungsbegehren, insbesondere von Verpflichtungsklagen, kommt es entscheidend darauf an, dass sich der Rechtsbehelfsführer auf eine ihn und seine Interesse schützende Norm berufen kann26. Der Begriff des „geschützten Individuums“ im Sinne der so verstandenen Schutznormtheorie ist danach nicht auf die Nichtadressaten, also „Dritte“ in mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnissen, beschränkt. Im der Schutznormtheorie zugrunde liegenden Gegensatzpaar „Individuum – Allgemeinheit“ ist vielmehr auch der jeweilige Partner eines Verwaltungsrechtsverhältnisses, im Rahmen des WpÜG etwa der beaufsichtigte Bieter, grundsätzlich nur „Individuum“ oder „Dritter“.

a) Denkbare Unzulässigkeit von Adressatenklagen Für Adressaten von Verwaltungsakten ist dies allerdings nicht unumstritten. Im Gegenteil: Die wohl noch herrschende Meinung geht davon aus, dass jeder rechtswidrige belastende, d.h. rechtsmindernde oder pflichtenmehrende Verwaltungsakt, den Adressaten desselben grundsätzlich immer in seinen Rechten verletzt (sog. Adressatentheorie)27. Die Grundrechte sollen umfassend vor jedem ___________ 24 Nach h.M. führen Mängel, die in der Sphäre des Widerspruchsführers liegen, zur Klageabweisung durch Prozessurteil. Dies gilt auch für die Einlegung des Widerspruchs durch Nichtbefugte. Vgl. dazu nur Geis in Sodan/Ziekow § 68 Rn. 37 ff. m.w.N. 25 Exemplarisch OLG Frankfurt/M. ZIP 2003, S. 1297 (1298); dazu Seibt, ZIP 2003, S. 1865 ff.); Schnorbus, ZHR 2001, S. 72 (82); Wahl in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2 Rn. 96. 26 Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 116 ff., 137, 156 f., 159; Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in Isensee/Kirchhof, HStR VI, § 152 Rn. 18, 45; Wahl in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2 Rn. 115 f.; Wahl/Schütz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 48. 27 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 206 f.; Achterberg, DVBl. 1981, S. 278 (278 f.); Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn. 456; Bettermann, FS Schima, S. 71 (89 f.); Skouris, NJW 1981, S. 2727 (2729); Schenke, DÖV 1986, S. 305 (308 f.); Ba-

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

formell und materiell mit der Verfassung nicht in Einklang stehenden Eingriff schützen; auch die Verletzung einer allein objektiv-rechtlichen Norm stelle eine subjektive Rechtsverletzung dar, wenn sie die grundrechtlich geschützte Rechtssphäre tangiert. Der Adressat eines Verwaltungsaktes könne diesen daher wegen jeder formellen und materiellen Rechtswidrigkeit erfolgreich anfechten, unabhängig davon, ob die Rechtswidrigkeit auf Normen beruht, die seinem Schutz zu dienen bestimmt sind. Die Adressatentheorie stützt ihre Annahme einer aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden lückenlosen Freiheitsgewährung auf die Elfes-Entscheidung28, in der das Bundesverfassungsgericht Art. 2 Abs. 1 GG einen umfassenden Schutz gegen rechtswidrige Hoheitsakte und die Gewährleistung der Freiheit von allen rechtswidrig belastenden Maßnahmen entnommen hat. Gerade weil sie aber den Gesetzgeber jeglichen Subjektivierungsspielraums beraubt, wird die generelle Behauptung einer Schutzrichtung zu Gunsten des Adressaten von der neueren Lehre kritisiert29. Auch verwaltungsgerichtliche Kontrolle findet keineswegs immer am Maßstab aller, sondern zum Teil auch nur solcher Normen statt, die mindestens auch dem Kläger zu dienen bestimmt sind. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eben gerade nicht alle Normen zu Gunsten des Klägers eingriffshindernd wirken30. Für die gerichtliche Ermessenskontrolle hat dies das BVerwG sehr deutlich zum Ausdruck gebracht: „[A]uch ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung bedarf der Rechtsgrundlage (...). Daran mangelt es, wenn die das Ermessen einräumende gesetzliche Regelung nicht (zumindest auch) dem Interesse der Betroffenen zu dienen bestimmt ist.“31

Eine gegen eine Ermessensentscheidung gerichtete Anfechtungsklage kann demnach nicht auf die Missachtung solcher Rechtsvorschriften gestützt werden, die nur im öffentlichen Interesse bestehen. Für die übernahmerechtliche An___________ dura, Das Verwaltungshandeln, in Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 38 Rn. 37; krit. zur Adressatentheorie Gurlit, DV 1995, S. 449 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 88. 28 BVerfGE 6, S. 32 (37 ff., 41); siehe auch BVerfGE 7, S. 198 (205); 9, S. 83 (88); 19, S. 206 (215); 19, S. 253 (257); 42, S. 20 (27 f.). 29 Wahl/Schütz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 48; Wahl in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2 Rn. 116 jeweils m.w.N. 30 BVerwGE 45, S. 197 (198 f.); 58, S. 244 (245 f.); 92, S. 32 (35); BVerwG NJW 1993, S. 2065 (2066); OVG Münster MDR 1965, S. 162 (162 f.); Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 93; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 159. 31 BVerwG NJW 1993, S. 2065 (2066). Siehe auch VGH Mannheim NJW 1980, S. 1868 (1868 1. Leitsatz); dem dortigen Urteil liegt tatsächlich allerdings eine Verpflichtungs- und keine Anfechtungssituation zugrunde (so auch die Vorinstanz VG Karlsruhe NJW 1980, S. 75 ff.); kritisch dazu Skouris, NJW 1981, S. 2727 ff.

§ 2 Konsequenzen der „Interessenregelung“

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fechtungsbeschwerde (§ 48 Abs. 1 WpÜG) bedeutete dieses strenge Verständnis der Schutznormtheorie im Ergebnis, dass sich Adressaten von Verwaltungsakten der BAFin, wenn überhaupt, nur in höchst eingeschränktem Maße gegen diese zur Wehr setzen könnten. Folgt man nicht der Adressatentheorie und fordert zudem für die (Anfechtungs-)Beschwerdebefugnis neben der formalen Beteiligtenstellung (§ 48 Abs. 2 WpÜG) zusätzlich die Geltendmachung einer (möglichen) Rechtsverletzung32, wäre die rechtswidrige Handhabung übernahmerechtlicher Normen nicht rügbar, da nach § 4 Abs. 2 WpÜG sämtliche Verfügungen, also etwa auch solche zur Sachverhaltsermittlung nach § 40 WpÜG, allein im öffentlichen Interesse ergingen.

b) Unzulässige Leistungsbegehren; Ausschluss von Ansprüchen auf Tätigwerden der BAFin Besondere Bedeutung kommt der Schutznormtheorie zu, wenn der Einzelne eine Leistung in Form eines Tuns, Duldens oder Unterlassens der Verwaltung beansprucht. Besteht die begehrte Leistung im Erlass eines Verwaltungsaktes, stehen ihm prozessual insbesondere der Verpflichtungswiderspruch (§ 68 VwGO), die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) sowie im Rahmen des WpÜG die Verpflichtungsbeschwerde (§ 48 Abs. 3), andernfalls die allgemeine Leistungsklage/-beschwerde zur Verfügung. Sachurteilsvoraussetzung ist gemäß §§ 42 Abs. 2 VwGO, 48 Abs. 3 WpÜG33 jedoch jeweils, dass der Rechtsbehelfsführer einen Anspruch, d.h. ein subjektiv-öffentliches Recht auf das begehrte Verhalten der Behörde geltend machen kann. Klagbare Ansprüche können sich aus einfachem Recht sowie Verfassungsrecht, aber auch aus Zusicherungen (oder sonstigen Zusagen, § 38 VwVfG)34 und öffentlich-rechtlichen Verträgen (§§ 54 ff. VwVfG) ergeben. Ob eine einfachgesetzliche Norm einen Anspruch vermittelt, wird von der ganz herrschenden Meinung wiederum unter Rückgriff auf die Schutznormtheorie bestimmt35. ___________ 32

So Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 48 Rn. 12 ff., 21 f., 23 ff.; Zehetmeier-Müller/ Grimmer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 48 Rn. 16 ff., 20 ff.; dazu auch unten 5. Kap. § 5 I. 33 Zur Geltung von § 42 Abs. 2 VwGO in § 48 Abs. 3 WpÜG: Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 48 Rn. 34; Schüppen/Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 48 Rn. 18. 34 Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 28 Rn. 14 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 43. 35 Wahl/Schütz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 53; Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 92; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 489 ff.; auch schon Bachof, Reflexwirkungen, S. 287 (288 ff.).

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

Der Anspruchsteller muss sich also auf eine – zumindest auch – seine Interessen schützende Norm berufen können. Im Lichte der normativen Vorgaben des § 4 Abs. 2 WpÜG bedeutete dies, dass auf der Grundlage des WpÜG Ansprüche Einzelner auf ein Tätigwerden der BAFin gänzlich ausgeschlossen wären. Weder den Aktionären der Zielgesellschaft, der Zielgesellschaft selbst noch deren Arbeitnehmern stünden gerichtlich durchsetzbare subjektiv-öffentliche Rechte zu. Minderheitsaktionäre hätten beispielsweise keinen Anspruch auf Durchsetzung eines Pflichtangebots36. Sie könnten die BAFin zwar auf bestehende Missstände hinweisen oder ihr Anregungen geben. Darauf, ob die Bundesanstalt tatsächlich tätig wird, hätten sie indes keinen Einfluss. Aber auch beaufsichtigten Bietern würde das WpÜG wegen des umfassenden Wortlautes des § 4 Abs. 2 WpÜG keine Ansprüche vermitteln. Das gilt sowohl für ein Einschreiten der BAFin auf der Grundlage der Generalklausel in § 4 Abs. 1 S. 3 WpÜG37 als auch für Gestattungs-, Nichtberücksichtigungs- und Befreiungstatbestände (z.B. §§ 10, 20, 36 f. WpÜG). Das löst natürlich zunächst eine gewisse Verwunderung aus, ist die BAFin doch etwa gemäß §§ 20, 36 WpÜG verpflichtet, auf Antrag des Bieters und bei Vorliegen der Voraussetzungen entsprechend zu entscheiden. Der Ausschluss dahingehender Ansprüche ergäbe sich indes aus dem Zusammenspiel der Schutznormtheorie und § 4 Abs. 2 WpÜG. Folgt man dem Wortlaut, bedeutete dies mithin die Verhinderung der Subjektivierung bestehender, die BAFin verpflichtender Normen. Dieses Problem ist allerdings keine Eigenheit des WpÜG. Auch andere Wirtschaftsaufsichtsgesetze enthalten Erlaubnis- oder Befreiungstatbestände, deren Subjektivierung ebenfalls die jeweiligen Klarstellungsnormen entgegenstünden, so beispielsweise das KWG in § 32 (Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften) oder in § 12 (Zustimmung im Rahmen der Beteiligungsbegrenzung), das WpHG in § 15 Abs. 1 S. 2 (Befreiung von der Ad-hoc-Publizität) und in § 23 (Nichtberücksichtigung von Stimmrechten im Rahmen der Meldepflichten nach § 21), das VAG in § 5 Abs. 1 (Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb) oder das BörsG in § 36 (Zulassung von Prospekten). Die ganz herrschende Meinung sieht dies freilich anders. Sie beschränkt die Wirkung der Ausschlussnormen vielmehr allein auf die „Dritten“ (Nichtadressaten) und geht ohne weiteres vom Bestehen der Ansprüche der jeweils Beaufsichtigten aus38. Das mangelnde Problembewusstsein ___________ 36 Dementsprechend lehnte die BAFin einen Antrag des Mobilcom-Aktionärs Schmid, die France Télécom zur Abgabe eines Pflichtangebots zu zwingen, ab (FAZ v. 3.8.2002, S. 10). 37 So auch Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 11. 38 Siehe etwa Stögmüller in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 4 Rn. 44 f.; Schüppen/Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 48 Rn. 18; KöKo-

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wird anhand einer Aussage des Finanzausschusses im Zusammenhang mit der Änderung des die Verfahrensbeteiligung regelnden § 52 WpÜG (ursprünglich § 53) deutlich. Die seinerzeit vorgeschlagene und später auch vollzogene Streichung der hinzugezogenen Personen und Personenvereinigungen aus dem Kreis der Verfahrensbeteiligten berücksichtige, „dass in Verfahren vor dem Bundesaufsichtsamt ausschließlich der Adressat einer Verfügung bzw. derjenige, der geltend macht, einen Anspruch auf den Erlass einer Verfügung zu haben, beteiligt ist.“39 Die herrschende Meinung sieht offenbar keinen Zusammenhang zwischen den Klarstellungsnormen und subjektiv-öffentlichen Rechten der Beaufsichtigten. Allein Aha weist darauf hin, dass § 48 Abs. 3 WpÜG bei wortlautgetreuem Verständnis des § 4 Abs. 2 WpÜG leer liefe40. Vom Wortlaut der Klarstellungsnormen ist diese Einschränkung offensichtlich nicht gedeckt. Fraglich ist daher, wie subjektiv-öffentliche Rechte der Beaufsichtigten trotz der Klarstellungsnormen begründet werden können.

aa) Keine Geltung der Adressatentheorie Die Adressatentheorie, soweit man ihr überhaupt folgt, hilft hier nicht weiter, da sie im Rahmen der Verpflichtungsklage nach herrschender Meinung nicht gilt41. Der Adressat eines ablehnenden Verwaltungsaktes ist also nicht etwa schon wegen der Ablehnung seines Antrages klagebefugt. Art. 2 Abs. 1 GG, ___________ Giesberts, WpÜG, § 4 Rn. 31 ff.; Süßmann in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 41 Rn. 8; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 41 Rn. 13 ff.; KöKo-Pohlmann, WpÜG, 48 Rn. § 60 ff.; Cahn, ZHR 167 (2003), S. 262 (285); Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (82 f., 112 f.); Liebscher, ZIP 2001, S. 853 (858); Harbarth, ZIP 2002, S. 321 (328); Ihrig, ZHR 167 (2003), S. 315 (318 f.); Lenz/Linke, AG 2002, S. 361 (366); Möller, ZHR 167 (2003), S. 301 (304 ff.); Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, S. 420 (421); Szagunn/Wohlschiess, KWG, § 6 Rn. 21, § 32 Rn. 17; Bähre/Schneider, KWG, § 6 Anm 4; Fischer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 32 Rn. 15; Dreyling in Assmann/Schneider, WpHG, § 4 Rn. 21; Kümpel in Assmann/Schneider, WpHG, § 15 Rn. 95; Schwark, BörsG, § 36 Rn. 26; aus der Rechtsprechung OLG Frankfurt/M. ZIP 2003, S. 1297 (1298) sowie dazu Seibt, ZIP 2003, S. 1865 ff. und Uechtritz/Wirth, WM 2004, S. 410 ff.). 39 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses in BT-Drs. 14/7477, S. 53. 40 Aha, AG 2002, S. 160 (161). 41 H.M.; BVerwG NVwZ 1992, S. 1197 (1197); VGH München BayVBl 1982, S. 151 (152); aus der Literatur Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 512; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 69; Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 92; a.A. Achterberg, DVBl. 1981, S. 278 (279); KöKo-Giesberts, WpÜG, § 41 Rn. 29; Skouris, NJW 1981, S. 2727 (2730); Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rn. 456; in diese Richtung auch Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 207 f., der allerdings fordert, dass der Anspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

verfassungsrechtliche Grundlage der Adressatentheorie, enthält keinen allgemeinen Leistungsanspruch; Freiheitsrechte sind prinzipiell nur Abwehrrechte.

bb) Verfahrensbeteiligung nicht zwingend anspruchsbegründend Auch aus der Antragsberechtigung des Bieters, z.B. in §§ 20, 26, 36 f. WpÜG, kann noch nicht zwingend auf ein dahinter stehendes materielles subjektivöffentliches Recht geschlossen werden. Die Beteiligung des Einzelnen am Verwaltungsverfahren lässt als solche keine zwingenden Rückschlüsse auf die Zweckrichtung einer Norm zu. Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) ist daher nicht allein schon deshalb zu bejahen, weil der Kläger an einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren beteiligt war. Vielmehr muss auch in der Sache eine materiellrechtliche Rechtsposition betroffen sein42. Allerdings kann eine vorgesehene Beteiligung des Bürgers am Verwaltungsverfahren im Zweifel durchaus ein Indiz dafür sein, dass dem Betroffenen von der Rechtsordnung insofern auch eine materiellrechtlich geschützte Rechtsposition im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO zuerkannt wird43. Denkbar ist aber auch eine Interpretation dahingehend, dass das Initiativrecht des Einzelnen lediglich im öffentlichen Interesse sicherstellen soll, dass die zuständige Behörde umfassend informiert ist, um zutreffende Entscheidungen sicherzustellen44.

cc) Verpflichtung der Behörde allein nicht anspruchsbegründend Ein Anspruch des Bieters ergibt sich auch nicht aus der Konzeption der §§ 20, 36 WpÜG als jeweils gebundene Behördenentscheidung. Allein aus der Verpflichtung einer Behörde, etwas zu tun, resultiert nicht zwingend ein entsprechendes subjektiv-öffentliches Recht, denn die Normen begründen zunächst nur Pflichten der Behörde, ohne sich aber über deren Schutzrichtung zu äußern. Vielmehr ist gemäß der Schutznormtheorie darüber hinaus zu fragen, in wessen ___________ 42 BVerwGE 74, S. 84 (87); 85, S. 368 (373); BVerwG NVwZ 1993, S. 890 (890); NVwZ 1992, S. 1197 (1197); BVerwG NJW 1987, S. 1154 (1155); VGH BW DVBl. 1976, S. 538 (539 f.); Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 151; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 72 m.w.N.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 73 Rn. 69; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 502; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 295. 43 BVerwGE 28, S. 268 (269 f.); OVG NRW BauR 1995, S. 685 (686 f.); Ruthig, BayVBl. 1994, S. 393 (394 f.); Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 72. 44 Vgl. BVerwG NVwZ 1993, S. 890 (890); OVG NRW BauR 1995, S. 685 (686 f.); Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 72.

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Interesse die Verwaltung tätig werden soll, ob also die jeweilige Norm der Befriedigung allein des öffentlichen Interesses oder (auch) individueller Interessen zu dienen bestimmt ist. Nur wenn eine Norm, die eine Behörde unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen zu einem bestimmten Tun verpflichtet, zumindest auch dem Interesse eines Einzelnen zugute kommt und ihrem Zweck nach eben dazu bestimmt ist, ist der Einzelne auch berechtigt, das behördliche Verhalten einzufordern45. Entsprechendes gilt für Normen, die der Verwaltung einen Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum einräumen, im WpÜG sind das beispielsweise §§ 4 Abs. 1 S. 3, 10 Abs. 1 S. 3, 26, 37 WpÜG. Nicht jede, einen Entscheidungsspielraum zubilligende Norm gewährt dem Bürger automatisch einen Anspruch auf eine entsprechende rechtsfehlerfreie Entscheidung. Auch hier ist vielmehr erforderlich, dass die Norm zumindest auch den Interessen des Bürgers dienen soll46. Allerdings besteht die Besonderheit, dass grundsätzlich kein Anspruch auf eine Entscheidung mit bestimmtem Inhalt, sondern nur auf ermessens- oder beurteilungsfehlerfreie Entscheidung besteht. Eine Ausnahme gilt nur in Fällen, in denen die Ermessensfreiheit derart schrumpft, dass allein eine Entscheidung ermessensfehlerfrei ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null)47.

dd) Keine Begründung subjektiv-öffentlicher Rechte durch Rechtsbehelfsvorschriften Schließlich geht auch der Schluss von der Existenz der Verpflichtungsbeschwerde auf subjektiv-öffentliche Rechte im WpÜG fehl48. Denn die Vorschriften über Verfahren und Rechtsmittel setzen wie auch Art. 19 Abs. 4 GG anderweitig begründete subjektive Rechte voraus, vermögen selbst aber keine Rechte zu begründen49. Existierenden Rechtsbehelfen kann allenfalls in be___________ 45 Vgl. dazu BVerfGE 83, S. 182 (194); BVerwG NJW 1997, S. 753 (753); BVerwG NVwZ 1992, S. 1197 (1197); OVG Rheinl.-Pfalz DÖV 1984, S. 389 (389 f.); Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 92; Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 8; so auch schon Bachof, Reflexwirkungen, S. 287 (294 ff.). 46 Vgl. etwa BVerfGE 27, S. 297 (307); BVerwGE 39, S. 235 (237); BVerwGE 45, S. 197 (199); 51, S. 264 (267); OVG Koblenz NJW 1982, S. 1301 (1302); Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 93; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 15 Rn. 27 f.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 15. 47 Dazu Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 24; Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 6; Di Fabio, VerwArch 86 (1995), S. 214 ff. 48 So aber Aha, AG 2002, S. 160 (161). 49 Zu Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfGE 83, S. 182 (194 f.); BVerwGE 84, S. 375 (377); OLG Köln ZIP 2001, S. 645 (647); Schenke/Ruthig, NJW 1994, S. 2324 (2326); Schenke in BoK, GG, Art. 19 IV Rn. 287; Schulze-Fielitz in Dreier, GG I, Art. 19 IV Rn. 43.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

grenztem Umfange Indizwirkung zugunsten des Bestehens subjektiv-öffentlicher Rechte zukommen50. Dies gilt freilich nur für Zweifelsfälle – der Wortlaut des § 4 Abs. 2 WpÜG ist indes „zweifelsfrei“.

ee) Kein Rückgriff auf Grundrechte Denkbar und naheliegend ist schließlich die Begründung etwaiger Ansprüche der Beaufsichtigten unmittelbar aus deren Grundrechten, insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 GG (wirtschaftliche Betätigungsfreiheit) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit). Der direkte Rückgriff auf die Verfassung ist indes durch § 4 Abs. 2 WpÜG versperrt, weil die Schutznormtheorie vom grundsätzlichen Vorrang des einfachen Rechts ausgeht und die normexterne Wirkung der Grundrechte erst und nur dann zur Geltung kommen soll, wenn es einer einfachgesetzlichen Regelung ermangelt51. Mit § 4 Abs. 2 WpÜG hat sich der Gesetzgeber jedoch (scheinbar) eindeutig und umfassend, freilich zu Ungunsten der Einräumung subjektiv-öffentlicher Rechte geäußert.

IV. Zwischenergebnis: Kein Individualschutz im WpÜG Der erste, am Wortlaut ausgerichtete Befund ist eindeutig: Begreift man § 4 Abs. 2 WpÜG als umfassende Zweckbestimmung, lassen sich zum einen auf der Grundlage des WpÜG weder drittbezogene Amtspflichten i.S.v. § 839 BGB, Art. 34 GG noch Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB begründen; zum anderen schließt § 4 Abs. 2 WpÜG in Verbindung mit der herrschenden Schutznormtheorie subjektiv-öffentliche Rechte im WpÜG in Gänze aus52. Dieses, vor allem mit Blick auf die Befreiungsregelungen zu Gunsten des Bieters (§§ 20, 36 f. WpÜG), mehr als nur fragwürdige Ergebnis ist kein Spezifikum des WpÜG. Es tritt vielmehr immer und gerade dann zutage, wenn die Schutznormlehre auf Klarstellungsregelungen wie § 4 Abs. 2 WpÜG und die übrigen, gleich lautenden Normen trifft.

___________ 50 Dazu und zu den Grenzen einer solchen „Auslegungsregel“ Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 143 ff. 51 Vgl. 2. Kap. § 2 III. 52 Für eine so umfassende Wirkung des § 4 Abs. 2 WpHG wohl Fürhoff/Wölk, WM 1997, S. 449 (458).

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG I. Unsicherheiten bezüglich des Regelungsgehaltes der Klarstellungsnormen Obwohl § 6 Abs. 4 KWG a.F., die Mutter der Ausschluss- und Klarstellungsnormen, nun fast schon zu den normativen Oldtimern zählt, besteht nach wie vor keine Einigkeit über rechtliche Qualifizierung, Reichweite sowie rechtssystematische Einordnung derartiger Regelungen. Dahingehende Unsicherheiten werden nicht zuletzt durch die erst in letzter Minute des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommenen, einschneidenden und eben durch § 4 Abs. 2 WpÜG bedingten Änderungen im Rechtsschutzsystem des WpÜG indiziert.53 Die interpretative Spannbreite in der einschlägigen Literatur reicht jedenfalls von der bloßen (rechtsunverbindlichen) Zielbestimmung über einen verkappten Haftungsausschluss bis hin zur Charakterisierung des § 4 Abs. 2 WpÜG als verdrängbare Generalnorm.

1. „Verkappter“ Haftungsausschluss Tönnies und Vespermann sehen in § 6 Abs. 3 KWG a.F. bzw. § 81 Abs. 1 Satz 2 VAG a.F. jeweils einen „verkappten“ Haftungsausschluss54. Der Gesetzgeber wollte erkennbar weder den Schutzzweck des KWG noch den des VAG ändern. Es ging ihm vielmehr ausschließlich um den Ausschluss der staatlichen Haftung für fehlerhafte Aufsichtstätigkeit. Einen ausdrücklichen Haftungsausschluss wie noch im RKWG (§ 4255) habe der Gesetzgeber aus rechtsstaatlichen ___________ 53 Zur Streichung des § 42 RegE und Änderung des § 53 RegE vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses in BT-Drs. 14/7477, S. 53; siehe auch unten 4. Kap. § 3 II. 4. d. 54 Tönnies, Staatshaftung, S. 53 ff.; Vespermann, Staatshaftung, S. 115 ff.; auch Schüppen, WPg 2001, S. 958 (972) stellt allein auf die Haftungsausschlussfunktion des § 4 Abs. 2 WpÜG ab; ebenso für § 4 Abs. 2 WpHG Geibel in Schäfer, WpHG, § 4 Rn. 24; auch Cahn, WM 1998, S. 272 (273 f.); Schneider S., BB 2001, S. 1214 (1219); Hopt, ZHR 159 (1995), S. 135 (158); für § 6 Abs. 4 KWG Fülbier in Boos/Fischer/ Schulte-Mattler, KWG, § 6 Rn. 71 f.; Bähre/Schneider, KWG, § 6 Anm. 4; für § 81 Abs. 1 S. 3 VAG Kollhosser in Prölss/Schmidt, VAG, § 81 Rn. 125; Fahr/Kaulbach, VAG, § 81 Rn. 9; zu § 1 Abs. 6 BörsG Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 1–2c Rn. 20. 55 § 42 RKWG (Reichsgesetz über das Kreditwesen i.d.F. vom 25.9.1939, RGBl I, S. 1955) lautete: „Wegen eines Schadens, der durch im Rahmen des Gesetzes von dem Reichswirtschaftsminister oder Reichsaufsichtsamt getroffene Maßnahmen entsteht, wird eine Entschädigung nicht gewährt.“ Dazu etwa Habscheid, Staatshaftung, S. 22 f., 127 ff.; Brendle, Amtshaftung, S. 440 f. m.w.N.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

Gründen gescheut und „deshalb den Umweg über das ‚nur öffentliche Interesse‘ gewählt“56.

2. Unverbindliche Zielbestimmung Brendle sieht in § 6 Abs. 3 KWG a.F. lediglich einen abstrakt-generellen Programmsatz, der die rechtspolitische Zielsetzung und den allgemeinen Schutzbereich der Bankenaufsicht umschreibt, ohne aber eine „Aussage zu der konkreten Umsetzung (der) Ordnungsziele in der einzelgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und der Ausgleichung konkreter Interessenkonflikte durch das Bundesaufsichtsamt“ zu treffen57. § 6 Abs. 3 KWG beziehe sich nicht auf den konkret-individuellen Gläubigerschutz, sondern allein auf die in § 6 Abs. 2 KWG zum Ausdruck kommende ordnungspolitische Zielsetzung der Bankenaufsicht im Sinne eines allgemeinen Gläubigerschutzes und der Funktionssicherung des Kreditapparates. Das schließe nicht aus, dass im Einzelfall innerhalb einer konkret-individuellen Aufsichtsmaßnahme die Individualinteressen etwa eines Kreditinstituts oder bestimmter Gläubiger zu berücksichtigen sind. Insofern seien drittschützende Amtspflichten auf der Grundlage des KWG trotz § 6 Abs. 3 KWG a.F. durchaus begründbar. In diesem Sinne argumentiert auch Schnorbus, wenn er bemerkt, der Gesetzgeber habe mit § 4 Abs. 2 WpÜG nur klarstellen wollen, dass die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und des Vertrauens der Investoren in die ordnungsgemäße Durchführung von öffentlichen Übernahmetransaktionen im öffentlichen Interesse liegt, ohne aber Aussagen zum Rechtsschutz Dritter für jeden Einzelfall oder gegen die Anerkennung subjektiv-öffentlicher Rechte im Übernahmeverfahren zu treffen. Ergebe sich also aus dem Zweck einer Norm und ihrer systematischen Stellung im Normengefüge, dass auch Individualinteressen geschützt sein sollen, könne ein subjektiv-öffentliches Recht nicht schon damit verneint werden, dass der Wortlaut auf das „öffentliche Interesse“ abstellt58. ___________ 56

Tönnies, Staatshaftung, S. 54; in diesem Sinne auch Vespermann, Staatshaftung, S. 117. 57 Brendle, Amtshaftung, S. 427 ff., insbes. 433 ff. 58 Schnorbus, WM 2003, S. 657 (658 ff.); ders., ZHR 166 (2002), S. 72 (83 ff.). Allerdings räumt Schnorbus selbst ein, dass die Anhaltspunkte für den Willen des Gesetzgebers, Dritten in Übernahmeverfahren keine subjektiven Rechte zu gewähren, eindeutig sind (ZHR 166 (2002), S. 72 (86 f.)). Auch Hopt, ZHR 159 (1995), S. 135 (158 ff.) meint, § 4 Abs. 2 WpHG besage nichts über die allgemeine Schutzrichtung des Gesetzes.

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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3. § 4 Abs. 2 WpÜG als lex generalis Aha weist darauf hin, dass, nähme man § 4 Abs. 2 WpÜG wörtlich, § 48 Abs. 3 WpÜG keinen Anwendungsbereich hätte. Voraussetzung der dort geregelten Verpflichtungsbeschwerde ist nämlich, dass der Beschwerdeführer geltend machen kann, ein Recht auf Vornahme der begehrten Maßnahme zu haben. Da dieses Ergebnis vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigt sein könne, schlägt Aha vor, § 48 Abs. 3 WpÜG als spezielle Vorschrift zu interpretieren, deren Voraussetzungen unabhängig vom allgemeineren § 4 Abs. 2 WpÜG zu prüfen sind. § 4 Abs. 2 WpÜG schließe danach weder die Beschwerdebefugnis des Antragstellers noch die Haftung der Aufsichtsbehörde für solche Ansprüche aus, die im Zusammenhang mit einem Verfahren nach § 48 Abs. 3 WpÜG geltend gemacht werden59.

4. Gemeinsame Auffassung: Systemfremdheit der Klarstellungsnormen Gemeinsam ist den genannten Auslegungsvorschlägen die Auffassung, die Klarstellungsnormen passten nicht ins System60. Die allein öffentlichen Interessen dienende Aufsicht stehe in offenem Widerspruch zu einzelnen, als individualschützend zu charakterisierenden Regelungen oder Regelungskomplexen des jeweiligen Aufsichtsgesetzes. Zielsetzung der genannten Interpretationsversuche ist dementsprechend auch, den dritt- oder individualschützenden Charakter der Aufsicht zu „retten“ und die Ausschlussnormen insoweit unter Hinweis auf den Gesetzgeberwillen, den Normzweck oder normsystematische Zusammenhänge reduktiv anzupassen. Steinmeyer/Häger sprechen dies in aller Deutlichkeit aus, wenn sie meinen, die Norm des § 4 Abs. 2 WpÜG sei „so zu lesen, dass sie aus anderen Normen erwachsene subjektive Rechte der ausdrücklich geschützten Personenkreise nicht ausschließt.“61 Angesichts des überaus klaren Wortlauts des § 4 Abs. 2 WpÜG und der übrigen Klarstellungsnormen drängt sich allerdings die Frage nach dem tatsächlichen Interpretationsspielraum auf. Können diese Normen überhaupt systemgerecht gelesen werden?

___________ 59

Aha, AG 2002, S. 160 (161). So ausdrücklich Tönnies, Staatshaftung, S. 61. 61 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 4 Rn. 17; in diesem Sinne auch KöKo-Giesberts, WpÜG, § 4 Rn. 76. 60

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

II. Interpretation des § 4 Abs. 2 WpÜG nach den anerkannten Methoden 1. Die anerkannten Auslegungsmethoden Auslegungskriterien zur Ermittlung des Regelungsgehalts des § 4 Abs. 2 WpÜG sind neben dem Wortlaut insbesondere systematische Zusammenhänge sowie der Zweck der Norm62. Dem Willen des historischen Gesetzgebers, vor allem subjektiven Vorstellungen am Gesetzgebungsverfahren beteiligter Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung, kommt nach der heute herrschenden objektiven Auslegungstheorie63 nur begrenzte Bedeutung zu. Vielmehr wird versucht, die jeweils aktuell „vernünftige“ Bedeutung und Funktion einer Norm zu ermitteln, wobei allein der objektivierte Wille des Gesetzgebers wie er sich aus dem Wortlaut der Norm, systematischen und teleologischen Erwägungen ergibt, maßgebend sein soll. Dennoch greift selbst das Bundesverfassungsgericht bei der Norminterpretation immer wieder auf die Entstehungsgeschichte zurück, sei es zur Bestätigung des gefundenen Ergebnisses, sei es zur Beseitigung noch bestehender Zweifel64. Auch zur Interpretation des § 4 Abs. 2 WpÜG ist ein Blick auf die Geschichte der Modellnorm des (damaligen) § 6 Abs. 3 KWG ebenso hilfreich wie unentbehrlich.

2. Eindeutiger Wortlaut des § 4 Abs. 2 WpÜG: Schutzzweckbestimmung nur für Aufsichtsnormen a) Der Wortlaut als Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung Den Ausgangspunkt aller Auslegungsbemühungen bildet der aus dem allgemeinen Sprachgebrauch oder dem Sprachgebrauch des Gesetzes zu entnehmen-

___________ 62 Vgl. zum Ganzen Larenz, Methodenlehre, S. 313 ff.; Bydlinski, Methodenlehre, S. 428 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 39 ff. 63 Siehe insbes. BVerfGE 1, S. 299 (312); 8, S. 274 (307); 45, S. 272 (288); 54, S. 277 (297 f.); 59, S. 128 (153); Röhl, Rechtslehre, S. 613 f.; Engisch, Einführung, S. 111; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. IV Rn. 138. Die Vertreter der subjektiven Auslegungstheorie interessieren sich hingegen allein für die Zweck- und Zweckmäßigkeitsvorstellungen des historischen Gesetzgebers (dazu Engisch, Einführung, S. 110 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 18 ff.). 64 Etwa BVerfGE 19, S. 248 (253); 44, S. 105 (122); 54, S. 277 (297 f.); 67, S. 157 (183 f.); 82, S. 286 (298); 89, S. 291 (303); 101, S. 106 (131); 103, S. 111 (126 f.); Röhl, Rechtslehre, S. 613 m.w.N.; Larenz, Methodenlehre, S. 318 ff.

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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de Wortsinn einer Vorschrift. In der Regel ist der Gesetzeswortlaut unklar oder nicht eindeutig, sondern lässt Raum für zahlreiche Bedeutungsvarianten. Der juristischen Auslegung erwächst dann die Aufgabe, diejenige Bedeutung auszuwählen, die den Gesetzesworten gerade in der vorliegenden Norm richtigerweise zukommt. Der Wortlaut setzt der Auslegung dabei insoweit Grenzen, als sie sich innerhalb dieses Bedeutungsspielraumes zu bewegen, sich also an dem immerhin noch möglichen Wortverständnis zu orientieren hat. Ist der Wortlaut der Norm allerdings klar und eindeutig, kommt ein Rückgriff auf andere Auslegungsmethoden regelmäßig nicht in Betracht. Norminterpretation, die sich nicht an die Grenzen des möglichen Wortsinns hält, wäre weder Auslegung noch Normanwendung, sondern schlichte Umdeutung65. Will man die Wortlautgrenzen überschreiten, so kann das nicht mehr durch Interpretation, sondern nur durch gesetzesergänzende oder -berichtigende Rechtsfortbildung geschehen (Auslegung praeter legem)66. Eine solche Korrektur kann etwa erforderlich werden, wenn ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers vorliegt67 oder wenn eine historisch kritische Betrachtung ergibt, dass das Gesetz aktualiter sprachlich zu eng oder zu weit gefasst ist68.

b) Eindeutiger Wortlaut des § 4 Abs. 2 WpÜG Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 WpÜG ist eindeutig. Seine Aussage, die BAFin nehme die ihr nach dem WpÜG zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr, enthält eine fast wünschenswert klare Äußerung des Gesetzgebers zur Interessen- bzw. Schutzrichtung der Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt. § 4 Abs. 2 WpÜG begründet ein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen öffentlichen und individuellen Interessen, das in seiner Absolutheit durch grammatikalische Auslegung nicht relativierbar ist. „Nur im öffentlichen Interesse“ heißt eben gerade nicht „auch im öffentlichen Interesse“ oder etwa „in der Regel im öffentlichen Interesse“. Ausnahmen oder Einschränkungen werden nicht einmal ansatzweise angedeutet. Der Normtext – Entsprechendes ___________ 65 BVerfGE 19, S. 242 (247); 55, S. 159 (169 f.); 69, S. 92 (104 f.); 71, S. 108 (115); 78, S. 350 (357); 87, S. 209 (224); 99, S. 341 (358); zum Wortsinn als Grenze Zippelius, Methodenlehre, S. 43 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff., 322. 66 Näher zu Zulässigkeit und Grenzen wortlautüberschreitender Norminterpretation unten Kap. 5. § 3 II. 2. b. 67 BVerfGE 2, S. 266 (281 f.); 11, S. 139 (149). 68 BVerfGE 34, S. 269 (280 ff.); 8, S. 210 (219 ff.); vgl. auch BGHZ 2, S. 176 (184 f.); 17, S. 266 (275 f.); 18, S. 44 (49); dazu auch Engisch, Einführung, S. 101 m.w.N.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

gilt für die übrigen Klarstellungsvorschriften – eröffnet insoweit keinen Interpretationsspielraum. Dementsprechend ist es auch nur ein vereinzelter, namentlich Habscheids Auslegungsvorschlag, der am Wortlaut des § 6 Abs.3 KWG a.F. ansetzt, indem er die „Wahrnehmung von Aufgaben“ dem „Tätigwerden“ gleichstellt und den Anwendungsbereich der Vorschrift so auf positive Handlungen des BAK beschränkt wissen will69. Er zieht eine Parallele zur Haftungsausschlussnorm des § 44 RKWG, der auf „getroffene Maßnahmen“ des Aufsichtsorgans abstellt70. Das Unterlassen der Amtsausübung wäre demnach von § 6 Abs. 3 KWG a.F. nicht erfasst. Entsprechendes soll für nur verzögertes Einschreiten des BAK gelten, das Habscheid als partielles Unterlassen qualifiziert, was freilich die Frage provoziert, ob nicht rechtswidriges Handeln konsequenterweise als das Unterlassen der rechtmäßigen Amtsausübung gedeutet werden müsste. Seine Argumentation übersieht zudem, dass das BAK auch bei der Ausübung des ihm gesetzlich eingeräumten Ermessens (§ 40 VwVfG), z.B. im Rahmen von Gefahrenabwehrmaßnahmen gemäß § 46 KWG oder bei der Erteilung einer Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Betreiben von Bankgeschäften (§ 32 KWG), Aufgaben und Befugnisse wahrnimmt, namentlich die Ausübung des Ermessens. Die Entscheidung, nicht oder nur verzögert einzuschreiten, darf dabei als mögliches Ergebnis einer Ermessensausübung nicht ausgeklammert werden. Es wäre im Übrigen auch nicht nachvollziehbar, warum das BAK nach der Prüfung einer Angelegenheit nur im Falle des Einschreitens im öffentlichen Interesse handeln soll, bei der Entscheidung, untätig zu bleiben, jedoch nicht71. Am Wortlaut lässt sich nach dem Gesagten nicht rütteln. Die Interessenbestimmung umfasst das gesamte Aufgabenspektrum der BAFin sowie sämtliche Pflichten, unabhängig davon, ob und wem gegenüber sie erfüllt werden. Hervorzuheben ist aber, dass sich § 4 Abs. 2 WpÜG allein auf die Wahrnehmung der „Aufgaben und Befugnisse“ bezieht, d.h. nur auf jene Vorschriften, die die BAFin verpflichten; nicht umfasst sind hingegen die überwachten Normen selbst. Dem Normtext ist keine gesetzesumfassende Schutzzweckbestimmung zu entnehmen. Der im 3. Kapitel festgestellte individualschützende Charakter einzelner Regelungen, z.B. §§ 11, 35, WpÜG bleibt somit unberührt, was für deren Qualifizierung als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB bedeut-

___________ 69

Habscheid, Staatshaftung, S. 89 ff. Habscheid, Staatshaftung, S. 89; siehe auch Fn. 55 in diesem Kapitel. 71 So auch Vespermann, Staatshaftung, S. 118.; kritisch auch Schenke, FS Lorenz, S. 473 (482 f. Fn. 40). 70

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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sam ist72. Der Gesetzgeber negiert mit § 4 Abs. 2 WpÜG und den anderen Klarstellungsregelungen vielmehr lediglich den oben noch unterstellten generell „dienenden Charakter“ der Aufsicht, was sich dahingehend zusammenfassen lässt, dass die BAFin auch individuelle Interessen nur im öffentlichen Interesse wahrnehmen soll.

3. Entstehungsgeschichte der Klarstellungsnormen Der aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 WpÜG gewonnene Befund einer sämtliche Überwachungsnormen – aber auch nur diese – umfassenden Schutzzweckbestimmung findet Bestätigung in der Entstehungsgeschichte der Klarstellungsnormen, die zum ganz überwiegenden Teil von der Modellnorm des (damaligen) § 6 Abs. 3 KWG geprägt ist. Vom Mittel einer normativen, Schutznormerwägungen antizipierenden Interessenbestimmung hat der Gesetzgeber erstmals 1984 Gebrauch gemacht, als er den damaligen § 6 Abs. 3 in das KWG eingefügte73 und so auf das Wetterstein-Urteil des BGH reagierte.

a) Das Wetterstein-Urteil74 Im Falle Wetterstein hatten Anleger Fonds-Anteile (Wertbriefe) erworben und infolge des Konkurses der emittierenden Gesellschaft einen Totalverlust ihrer Einlagen erlitten. Zwar hatte das BAK die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit untersagt, da die für derartige Bankgeschäfte erforderliche Erlaubnis nicht vorlag. Es hatte zudem auf eine weitergehende Absicherung der Einleger gedrängt, konnte aber den Verlust der Einlagen durch Vermögensverfall nicht verhindern. Bis zu diesem Zeitpunkt entsprach es einhelliger Rechtsprechung, dass die staatliche Aufsicht über private Wirtschaftseinheiten des Versicherungs-75 und ___________ 72

So Cahn, ZHR 167 (2003), S. 262 (284 f.); siehe auch Ihrig, ZHR 167 (2003), S. 315 (338 f.) mit zahlreichen Nachweisen bezüglich einzelner Normen aus dem WpÜG. 73 Vgl. Fn. 13 der Einleitung. 74 Urteil v. 15.2.1979, BGHZ 74, S. 144 ff.; bestätigt durch BGHZ 75, S. 120 (122) – Herstatt; auch BGHZ 90, S. 310 (312 f.), allerdings mit ergänzender Einschränkung insoweit, als stille Gesellschafter einer Bank nicht zu den durch die Bankenaufsicht geschützten Einlagegläubigern zählen; vgl. auch BGH ZIP 1982, S. 151 (151); BGH WM 1982, S. 1246 (1246); kritisch Starke, WM 1979, S. 1402 ff.; Püttner, JZ 1982, S. 47 ff.; Hafke, ZKW 1979, S. 626 ff. 75 BVerwGE 10, S. 122 (123 f.); 61, S. 59 (64 f.); BGH NJW 1972, S. 577 (578).

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

Bankenwesens76 nur dem allgemeinen staatlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit des jeweiligen Gewerbes dient und regelmäßig keine Amtspflichten gegenüber bestimmten Personen begründet. Speziell die Aufsicht über Kreditinstitute nach Maßgabe des KWG erfolge ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, namentlich dem Interesse der Gesamtwirtschaft an einem leistungsfähigen und gesunden Kreditwesen und diene nicht dem Schutz von Individualinteressen, etwa dem Schutz der Bankkunden. Im Wetterstein-Urteil hielt der BGH indes einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Amtspflichten durch das BAK grundsätzlich für möglich. Der Zweck der Bankenaufsicht sei nicht auf die Wahrung der Interessen der Allgemeinheit und der Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes beschränkt, sondern umfasse auch den Schutz der Gläubiger einzelner Kreditinstitute vor Verlusten. Der Einlegerschutz sei kein bloßer Reflex einer auf das Funktionieren des Kreditapparates als Ganzen und der Gewährleistung der dazu nötigen Vertrauensgrundlage gerichteten Zielsetzung, sondern selbständige Zweckbestimmung des KWG77.

aa) Der Zweck des KWG Der BGH unterzog das KWG einer ausführlichen Zweckanalyse und interpretierte das Gesetz, lege artis an grammatikalischen, teleologischen sowie historischen Erwägungen orientiert, als in Teilen (auch) individual-, nämlich einleger- bzw. sparerschützend. Er stützte seine Auffassung zuallererst auf den Wortlaut einzelner Normen des KWG, in denen er die zu schützenden Belange der Gläubiger einzelner Kreditinstitute mehr oder weniger deutlich angesprochen sah78. So schreibt etwa § 10 Abs. 1 KWG „im Interesse der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere zur Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte“ die Pflicht der Kreditinstitute zur angemessenen Eigenkapitalausstattung vor. Besteht „Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Instituts gegenüber seinen Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte“, kann das BAK gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 4 KWG die Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften zurücknehmen ___________ 76

BGHZ 58, S. 96 (98); so auch noch die Vorinstanz zu Herstatt OLG Köln NJW 1977, S. 2213 (2213); OLG Bremen NJW 1953, S. 585 (585 f.); OLG Hamburg BB 1957, S. 950 (950); BGH VersR 1960, S. 979 (980); in diesem Sinne auch schon RG JW 1931, S. 3097 (3098); vgl. dazu auch Kopf/Bäumler, NJW 1979, S. 1871 (1871 f.); Papier, JuS 1980, S. 265 (266 f.). 77 BGHZ 74, S. 144 (151). 78 BGHZ 74, S. 144 (149).

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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und gegebenenfalls einstweilige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen, § 46 Abs. 1 KWG. Zur Untermalung seiner Auffassung zog der BGH Materialen zum KWG heran, in denen die einlegerschützende Funktion der Bankenaufsicht seiner Ansicht nach explizit herausgestellt wird79. Im Wettbewerbsbericht der Bundesregierung zum Kreditgewerbe80 heißt es etwa, „Ergebnis einer umfassenden Abwägung aller sozialer, bankenaufsichtspolitischer und wettbewerblicher Aspekte“ sei die Erkenntnis, dass der Einlegerschutz verbessert werden müsse. „Einlegerschutz als Sparerschutz und Schutz von Lohn-, Gehalts-, Renten- und Pensionskontoinhabern sei im Zeichen einer zunehmenden Ausdehnung von Sparsowie Lohn-, Gehalts-, Renten- und Pensionskonten auf immer breitere Schichten der Bevölkerung eine vordringliche sozialpolitische Aufgabe. Die Verbesserung der Einlagensicherheit ist aber auch ein stabilisierender Faktor der in besonders hohem Maße vertrauensempfindlichen Kreditwirtschaft.“81 Ein zusätzliches Einlagensicherungssystem wurde als notwendig erachtet, weil „die allgemeine Bankenaufsicht [...] als Aufsicht über Kreditinstitute, die in freier unternehmerischer Verantwortung geführt werden, nicht jede Bankinsolvenz verhindern (kann), wenn auch ihre Tätigkeit wichtige Funktionen des Gläubigerschutzes miterfüllt.“82 Des Weiteren verwies der BGH auf die Begründung zum Entwurf einer Zweiten KWG-Novelle83, die „unmißverständlich“ auf Bedeutung und Zweckbestimmung der Bankenaufsicht für den Einlegerschutz hindeute84. Die Einschränkung des Grundrechts auf freie Berufswahl (Art. 12 GG) durch § 2a KWG, nach dem das Betreiben von Bankgeschäften in der Rechtsform des Einzelkaufmanns unzulässig ist, wird etwa mit dem Schutz der Kunden von Kreditinstituten gerechtfertigt85. ___________ 79

BGHZ 74, S. 144 (150 f.). Bericht der Bundesregierung über die Untersuchung der Wettbewerbsverschiebung im Kreditgewerbe und über eine Einlagensicherung vom 18. November 1968 (BTDrs. V/3500 – Wettbewerbsbericht). 81 BT-Drs. V/3500, S. IX f. (Teil V der Kurzfassung). 82 BT-Drs. V/3500 S. 145 und auch S. 139. 83 Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen vom 16.5.1975 (BT-Drs. 7/3657). 84 BGHZ 74, S. 144 (150 f.). 85 BT-Drs. 7/3657, S. 4, 10. Hintergrund des § 2a KWG ist die bei Einzelfirmen fehlende rechtliche Trennung zwischen dem den Bankgeschäften des Einzelkaufmanns gewidmeten Betriebsvermögen und seinem Privatvermögen oder anderen gewerblichen Tätigkeiten gewidmeten Vermögensteilen. Zum einen wäre das für Bankgeschäfte bestimmte Betriebsvermögen dem unmittelbaren Zugriff durch Privatgläubiger des Firmeninhabers ausgesetzt. Zum anderen unterliegt die Tätigkeit des Einzelkaufmanns außerhalb seines Bankgeschäfts nicht der Kontrolle des BAK. 80

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

In der Annahme, einzelne Normen seien individualschützend, geht das Wetterstein-Urteil noch konform mit der bis dahin geltenden Rechtsprechung, die nämlich gleichfalls – unabhängig vom Zweck der Bankenaufsicht – die Qualifizierung von Normen des KWG als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB für möglich hielt und bejahte86.

bb) Selbständige Zweckbestimmung für die Bankenaufsicht Der eigentliche Rechtsprechungswandel vollzog sich vielmehr bezüglich des Aufsichtszwecks. Während die „alte“ Judikatur den Aufsichtszweck losgelöst vom Schutzzweck einzelner überwachter Normen bestimmte87, orientierte sich der BGH am „dienenden Charakter“ der Aufsicht und folgerte: „Soweit die genannten Bestimmungen Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gläubiger darstellen [...] und die Aufsicht zu gewährleisten hat, daß diese Vorschriften des Kreditwesengesetzes befolgt werden, ist mangels einer einschränkenden Zielsetzung des Gesetzes (§ 6 Abs. 1) anzunehmen, daß die zur Einhaltung dieser Vorschriften ausgeübte Aufsicht zugleich auch dem Gläubigerschutz dient, jedenfalls soweit der einzelne Gläubiger sich nicht auf andere Weise angemessen vor Verlusten schützen kann“.88 Der BGH verstand die Bankenaufsicht letztlich als spezialgesetzlich geregelte Gefahrenabwehrfunktion des Staates und griff zur Ermittlung der Zielrichtung der speziellen (gewerbe-)polizeilichen Eingriffsnormen auf die Zwecksetzung der allgemeinen polizeilichen Generalklausel zurück, für die es bereits damals der herrschenden Auffassung entsprach, dass der Einzelne „nicht mehr nur – reflexartig – über die Allgemeinheit geschützt“ ist, sondern dort, „wo gewichtige und eines polizeilichen (ordnungsbehördlichen) Schutzes bedürftige Individualinteressen auf dem Spiel stehen, [...] die Ermächtigung der Polizei (Ordnungsbehörde) zum Tätigwerden auch dem Schutz dieser Interessen zu dienen bestimmt“ ist.89 ___________ 86 Etwa OLG Bremen NJW 1953, S. 585 (586); BGH WM 1970, S. 633 (636); 1971, S. 1330 (1332); siehe auch BGH WM 1984, S. 128 (131): der BGH verneint den Schutzgesetzcharakter des § 18 KWG im Ergebnis zwar, jedoch nicht unter Hinweis auf das „öffentliche Interesse“, sondern aus normspezifischen Schutzzweckerwägungen heraus; für die Zeit nach Erlass des § 6 Abs. 4 KWG a.F. OLG Köln WM 1986, S. 1495 (1496); OLG Hamm WM 1988, S. 191 (191). 87 Insbes. OLG Bremen NJW 1953, S. 585 (586). 88 BGHZ 74, S. 144 (149 f.). 89 BGHZ 74, S. 144 (152 f.) mit zahlreichen Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung zur Zweckbestimmung der allgemeinen polizeilichen Generalklausel.

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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In der vom BGH gebrauchten Wendung: „mangels einer einschränkenden Zielsetzung des Gesetzes“ findet sich allerdings ein deutlicher Hinweis darauf, dass er den selbst gezogenen Schluss zu Gunsten einer individualschützenden Aufsicht nicht als dogmatisch zwingend und unumstößlich, sondern nur als Konsequenz der normativen Gegebenheiten ansah. Dem Gesetzgeber wurde dementsprechend die Möglichkeit einer abweichenden Zielsetzung eröffnet.

b) Die Reaktion des Gesetzgebers: der (damalige) § 6 Abs. 3 KWG Der Gesetzgeber reagierte, indem er im Rahmen der 3. KWG-Novelle den (damaligen) § 6 Abs. 3 einfügte, nach dem das Bundesaufsichtsamt die ihm nach dem KWG und anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnehmen sollte. Er hielt die Verdeutlichung des Schutzzwecks des Gesetzes gemäß dem „hergebrachten Verständnis von der Zielrichtung der staatlichen Bankenaufsicht“ durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für „unabweisbar“, hatte doch der BGH die „jahrelang fast unbestrittene Auffassung“, die Aufsicht erfolge nur im öffentlichen Interesse, verworfen90. Die Gesetzesbegründung erweist sich freilich als zweifelhaft, denn mit dem „hergebrachten Verständnis“ rekurrierte der Gesetzgeber neben der bis zur Wetterstein-Entscheidung geltenden Rechtsprechung91 insbesondere auf den Regierungsentwurf eines Kreditwesensgesetzes von 195992, in dessen Begründung es durchaus „individualschutzfreundlich“ heißt, der Entwurf sehe sein Ziel darin, die Funktionsfähigkeit des Kreditapparates zu wahren und die Gläubiger der Kreditinstitute nach Möglichkeit vor Verlusten zu schützen. Die Bankenaufsicht solle durch vorbeugende Überwachung allgemein das Entstehen von Schäden im Kreditwesen und von Verlusten der Institutsgläubiger verhindern, also vorwiegend gefahrenabwehrend wirken.93 Auch in der Literatur zur Wirtschaftsaufsicht bestand keineswegs Einigkeit hinsichtlich des Schutzzwecks der Wirtschaftsaufsicht. Die wohl herrschende Meinung schien zwar die Linie der Rechtsprechung, die staatliche Wirtschaftsaufsicht erfolge nur im Interesse der Allgemeinheit, zu billigen94. Die Individu___________ 90 Siehe den Regierungsentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des KWG in BT-Drs. 10/1441, S. 20. 91 Vgl. Fn. 76 in diesem Kapitel. 92 Vgl. BT-Drs. 3/1114, S. 1 ff. 93 BT-Drs. 3/1114, S. 20, 25 f. 94 Palandt-Gramm, BGB, 27. Aufl., § 839 Anm 5; Glaser in Soergel/Siebert, BGB, § 839 Rn. 196; RGRK-Kreft, BGB, § 839 Anm 40; Staudinger-Schäfer, BGB, § 839 Rn. 236; Bähre/Schneider, KWG, § 6 Anm 4.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

alschutz bejahende Schutztheorie trat aber auch damals durchaus beachtlich in Erscheinung95. Der Gesetzgeber scheint außerdem die oben herausgearbeitete, im Wortlaut erkennbare Unterscheidung von überwachter und zu überwachender Norm selbst nicht nachhaltig verinnerlicht zu haben. Vielmehr nivelliert er sie, wenn es in den Begründungen zum (damaligen) § 6 Abs. 3 KWG96 und später auch zu § 4 Abs. 2 WpÜG97 und § 4 Abs. 2 WpHG heißt, der Schutzzweck des Gesetzes solle verdeutlicht werden bzw. die Vorschriften des Gesetzes dienen der Sicherung des Vertrauens der Anleger98. Das hat zwar vor dem Hintergrund der herrschenden, am objektivierten Gesetzgeberwillen orientierten Auslegungslehre im Ergebnis keinen Einfluss auf den Regelungsgehalt der Klarstellungsnormen, deutet aber zumindest darauf hin, dass der Gesetzgeber unsauber gearbeitet und die Wirkung der Klarstellungsnormen nicht hinreichend durchdacht hat. Zur Zweckbestimmung in § 1 Abs. 4 BörsG a.F., der bezeichnenderweise zeitgleich mit § 4 Abs. 2 WpHG im Rahmen des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes erging, heißt es übrigens in Übereinstimmung mit dem hier bisher gewonnenen Ergebnis, „(d)ie Börsenaufsicht bezweckt den Schutz des Vertrauens des Publikums“.99

4. Telos der Klarstellungsnormen: Schutzzweckbestimmung i.S.d. Schutznormlehre

a) „In erster Linie“ Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen Obwohl die Regierungsbegründung100 keinen ausdrücklichen Bezug zu subjektiv-öffentlichen Rechten herstellt, sind die dahingehenden Auswirkungen des § 4 Abs. 2 WpÜG wie auch der übrigen Klarstellungsnormen schwerwiegend.

___________ 95 Dempewolf, NJW 1964, S. 252 (253); Becker, ZKW 1975, S. 758 (758 f.). Die Schutztheorie wurde teilweise sogar als herrschend angesehen; so jedenfalls Starke, WM 1976, S. 366 (376); ders., WM 1979, S. 1402 (1409); siehe auch Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 9 f. Kritisch zur damaligen Rechtsprechung auch Scholz, NJW 1972, S. 1217 ff.; siehe auch Kopf/Bäumler, NJW 1979, S. 1871 (1872). 96 BT-Drs. 10/1441, S. 20. 97 BT-Drs. 14/7034, S. 36. 98 BT-Drs. 12/7918, S. 100. 99 BT-Drs. 12/7918, S. 109. 100 BT-Drs. 14/7034, S. 36.

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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Allerdings wollte der Gesetzgeber mit der Klarstellung der Zielrichtung der staatlichen Bankenaufsicht in § 6 Abs. 3 KWG „in erster Linie“ den Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen „einzelne(r) Personen, die in geschäftlichen Beziehungen zu Kreditinstituten oder sonstigen Unternehmen und Privatpersonen stehen, an die das Bundesaufsichtsamt Maßnahmen richten kann“, erreichen101. Könnten Einzelne wegen eines bestimmten Handelns oder Unterlassens des BAK Schadensersatzansprüche gegen den Staat erheben, so die Befürchtung des Gesetzgebers, bestünde „die Gefahr von zu weit gehenden Maßnahmen der die Aufsicht ausübenden Personen. Dadurch würde unter anderem die bisherige marktwirtschaftskonforme Aufsichtskonzeption gefährdet, die den Kreditinstituten einen sehr großen Spielraum für eine eigenverantwortliche wirtschaftliche Betätigung beläßt.“102 Aus dieser einseitig auf die Frage der Amtshaftung ausgerichteten Begründung, vor allem aber aus der Tatsache, dass dem „in erster Linie“ kein „in zweiter Linie“ folgt, ziehen Vespermann und Tönnies den Schluss, der Gesetzgeber wolle allein die Haftung ausschließen, ohne den Schutzzweck der Normen des KWG und des VAG zu ändern103. Er habe vielmehr „unter dem Deckmantel der Schutzzweckbestimmung“ einen Amtshaftungsausschluss herbeiführen wollen104; die den Schutzzweck der Aufsicht betreffende Aussage „erfolgt somit nur zum Schein“105.

b) Klarstellungsnormen als Zweckbestimmung im Sinne der Schutznormlehre Diese Argumentation ist zu vordergründig. Zwar war tatsächlich der Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen das vordringliche Ziel des Gesetzgebers. Dementsprechend beschäftigen sich die Materialen zum Dritten Änderungsgesetz106 primär mit der Wirkung des § 6 Abs. 3 KWG hinsichtlich der Amtshaftung bzw. mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen einen generellen Haftungsausschluss vor dem Hintergrund der Verankerung der Amtshaftung in Art. 34 GG. Bedenkt man indes, dass es eben der Amtshaftungsprozess um ___________ 101 BT-Drs. 10/1441, S. 20. Die Begründung zum gleichzeitig eingefügten § 81 Abs. 1 S. 2 VAG a.F. verweist im Wesentlichen auf diejenige zum (damaligen) § 6 Abs. 3 KWG (vgl. BT-Drs. 10/1441, S. 56). 102 BT-Drs. 10/1441, S. 20. 103 Siehe schon 4. Kap. § 3 I. 1. 104 Vespermann, Staatshaftung, S. 115 ff., 124. 105 Tönnies, Staatshaftung, S. 52 ff., 62. 106 Regierungsbegründung in BT-Drs. 10/1441, S. 20; Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drs. 10/1441, S. 58; Bericht des Finanzausschusses in BT-Drs. 10/2510, S. 1 f.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

Wetterstein war, der diese Rechtsentwicklung auslöste, ist die haftungslastige Begründung der Gesetzesänderung evident, ging es doch in diesem Urteil vorrangig um die amtshaftungsspezifische Rechtsfrage der Drittbezogenheit von Amtspflichten. Wenn Tönnies und Vespermann behaupten, der Gesetzgeber wolle den Schutzzweck der Normen nicht ändern, leugnen oder verkennen sie zumindest den dogmatischen Ansatzpunkt des gesetzgeberischen Klarstellungsbestrebens. § 6 Abs. 3 KWG war die Antwort auf die schutzzweckorientierte Herleitung der Drittbezogenheit der Pflichten des BAK durch den BGH in besagtem Urteil. Anliegen des Gesetzgebers war nicht, im Sinne des § 42 RKWG allein die Haftung formal auszuschließen. Vielmehr sollte der auf den Schutzweck einzelner Normen gestützten, vom dienenden Charakter der Aufsicht ausgehenden Argumentation des BGH die dogmatische Grundlage entzogen werden. Die rechtstechnische Umsetzung dieses Ziels erfolgte in Gestalt einer normativ-antizipierten Interessenabwägung – § 6 Abs. 3 KWG a.F. Diesen vom Gesetzgeber beschrittenen Weg hatte das Gericht durch seine Formulierung, „mangels einer einschränkenden Zielsetzung des Gesetzes (sei) anzunehmen, daß die zur Einhaltung dieser Vorschriften ausgeübte Aufsicht auch dem Gläubigerschutz dient“, selbst vorgezeichnet.107

c) Wirkung auch für subjektiv-öffentliche Rechte Die Lesart Tönnies´ und Vespermanns suggeriert zudem die Abgeschlossenheit und Vollständigkeit der Gesetzesbegründung, was zum einen vor dem Hintergrund einer fehlenden Begründungspflicht des Gesetzgebers108 nicht zu überzeugen vermag. Zum anderen macht aber die Entwicklung der Ausschlussnormen deutlich, dass der Gesetzgeber die Wirkung der Klarstellungsnormen keineswegs auf den Problemkreis der Amtshaftung beschränkt wissen wollte und will. Die Erstreckung der Klarstellungsregelungen auf die Bestimmung subjektiver Rechte wird im Rahmen des KWG zwar noch nicht deutlich, sondern klingt allenfalls an, wenn der Finanzausschuss ausführt, „(d)ie Nichtanerkennung einer Amtspflicht gegenüber dritten Personen, die nicht der Aufsicht unterliegen, bedeutet jedoch keinerlei Einschränkung der erwünschten und bewährten Funktion der Aufsichtsämter gegenüber dem einzelnen Bürger, der sich mit Bitten und Beschwerden an sie wendet.“109 Mit der Einfügung des § 1 Abs. 4 in das Börsengesetz im Rahmen des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes wird der Zusammenhang jedoch offensichtlich, denn „(m)it dieser Regelung, die ___________ 107

BGHZ 74, S. 144 (149) und die Bezugnahme darauf in BT-Drs. 10/1441, S. 20. Zur (fehlenden) Begründungspflicht des Gesetzgebers siehe Redeker/Karpenstein, NJW 2001, S. 2825 ff. 109 BT-Drs. 10/2510, S. 2. 108

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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die Aufgabe der Börsenaufsichtsbehörde als ausschließlich im öffentlichen Interesse definiert, wird ein Rechtsanspruch auf Tätigwerden der Börsenaufsichtsbehörde ausgeschlossen.“110 Den Bezug zum subjektiv-öffentlichen Recht verdeutlicht auch die in den Gesetzesbegründungen wiederholte Verwendung des Terminus „Rechtsreflex“111, einem Begriff, der von Rudolf von Jhering eben im Kontext der Problematik der Bestimmung subjektiv-öffentlicher Rechte entwickelt wurde. Ein Zitat aus seiner grundlegenden Arbeit „Geist des Römischen Rechts“ mag dies unterstreichen112: „Nicht alle Interessen bedürfen des rechtlichen Schutzes, und nicht alle sind desselben fähig. Nicht jedes Gesetz, welches ein Interesse schützt, verschafft dem Interessenten ein Recht im subjektiven Sinn, d.h. einen Rechtsanspruch auf Gewährung dieses Schutzes. Das Gesetz, welches im Interesse gewisser Fabrikationszweige Schutzzölle einführt, kommt den Fabrikanten zugute, es fördert, schützt sie in ihrem Geschäftsbetriebe, und dennoch gewährt es ihnen keine Rechte. Wie verträgt sich dies mit unserer obigen Definition (S. 339): Rechte sind rechtlich geschützte Interessen? Die Antwort lautet: Es liegt hier nur eine bloße Reflexwirkung vor, ein Verhältnis, das allerdings mit dem Recht die größte Ähnlichkeit hat, aber um so sorgfältiger von ihm geschieden werden muß.“

d) § 4 Abs. 2 WpÜG und subjektiv-öffentliche Rechte im WpÜG Besondere Bedeutung erlangte die Verknüpfung der Klarstellungsnormen mit subjektiv-öffentlichen Rechten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum WpÜG, denn § 4 Abs. 2 WpÜG war Anlass kurzfristiger, einschneidender Änderungen im Rechtsschutzsystem des WpÜG. Noch im Regierungsentwurf sah der damalige § 42 WpÜG die Pflicht zum Schadensersatz bei missbräuchlicher Einlegung von Rechtsbehelfen vor113. Vor dem Hintergrund vielfach hoher wirtschaftlicher Interessen von Bieter und Zielgesellschaft speziell im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen sollte so der Gefahr des Missbrauchs von Rechtschutzmöglichkeiten, insbesondere willkürlichen Widersprüchen und Anträgen entgegengewirkt werden. Die Vor___________ 110

Stellungnahme des Bundesrates zum RegE des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes in BT-Drs. 12/6679, S. 96. 111 So heißt es etwa in der Begründung zu § 4 Abs. 2 WpHG: „Der Schutz des einzelnen Anlegers ist ein bloßer Rechtsreflex.“ (BT-Drs. 12/7918, S. 100); beachte auch die Verweisung auf § 4 Abs. 2 WpHG in der Begründung zu § 4 Abs. 2 WpÜG (BTDrs. 14/7034, S. 36). Zu § 1 Abs. 4 BörsG wird in BT-Drs. 12/7918, S. 109 gleichfalls ausgeführt: „Der Schutz des einzelnen Anlegers ist bloße Reflexwirkung.“ 112 Vgl. dazu Bachof, Reflexwirkungen, S. 287 (288). 113 BT-Drs. 14/7034, S. 18, 63.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

schrift wurde indes gestrichen, da sie nach Auffassung des Finanzausschusses keinen praktischen Anwendungsbereich hat, „da Dritte durch Verfügungen des BAWe“ (jetzt: der BAFin) „nicht in ihren Rechten verletzt sein können und demzufolge keinen Widerspruch oder Beschwerde einlegen können, der als missbräuchlich zu qualifizieren wäre.“114 Eine tiefgreifende Änderung erfuhr zudem § 52 WpÜG (vormals § 53 RegE115), der die Beteiligten am Beschwerdeverfahren zum Regelungsgegenstand hat. Während der Regierungsentwurf neben dem BAWe und dem Beschwerdeführer noch „Personen und Personenvereinigungen, die vom Bundesaufsichtsamt hinzugezogen worden sind“, als am Beschwerdeverfahren Beteiligte ansah, verzichtet die schließlich Gesetz gewordene Regelung auf die Nennung letzterer. Der Finanzausschuss, auf dessen Empfehlung auch die Beschränkung der Beteiligten am Beschwerdeverfahren zurückgeht, meinte, „(d)ie Neufassung der Vorschrift berücksichtigt, dass in Verfahren vor dem Bundesaufsichtsamt ausschließlich der Adressat einer Verfügung bzw. derjenige, der geltend macht, einen Anspruch auf den Erlass einer Verfügung zu haben, beteiligt ist. Dementsprechend erfolgt auch keine Hinzuziehung von Personen bzw. Personenvereinigungen durch das Bundesaufsichtsamt.“116 Ausschlaggebend für die genannten Änderungen war jeweils, dass wegen § 4 Abs. 2 WpÜG „Dritten“ keine subjektiv-öffentlichen Rechte und mithin keine Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) zustehen kann. Im Widerspruch dazu, das sei hier nur angemerkt, rechtfertigt der Gesetzgeber die Einschränkung der aufschiebenden Wirkung (§ 49 WpÜG) freilich mit der zügigen Durchführung des Verfahrens, „das ansonsten durch die Einlegung von Widerspruch oder Beschwerde durch die Zielgesellschaft oder ihre Aktionäre erheblich verzögert werden könnte.“117

___________ 114

Vgl. BT-Drs. 14/7477, S. 29, 53. BT-Drs. 14/7034, S. 19, 66; die Umnummerierung ist Folge der Streichung des § 42 WpÜG-RegE. 116 BT-Drs. 14/7477, S. 32, 53. 117 BT-Drs. 14/7034, S. 65. Dazu und zu weiteren Inkonsistenzen vgl. Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (87 ff.). Für eine gewisse Verunsicherung sorgt auch die Erwähnung der „Beigeladenen“ in § 56 WpÜG, weil das WpÜG – anders als GWB und VwGO – keine Beiladung vorsieht, vor allem aber, weil es nach der vom Gesetzgeber beabsichtigten individualschutzverneinenden Konzeption des WpÜG keine beiladbaren Dritten geben kann (vgl. etwa Steinmeyer/ Häger, WpÜG, § 52 Rn. 11; Schüppen/ Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 52 Rn. 3). 115

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5. Zwischenfazit: Klarstellungsnormen als normative Schutzzweckbestimmung Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass § 4 Abs. 2 WpÜG wie auch die verwandten Klarstellungsnormen in ihrer Wirkung weder auf die Amtshaftung beschränkt sind, noch – entgegen Brendle und Schnorbus – bloße, unverbindliche Zielbestimmungen enthalten. Vielmehr kommt es dem Gesetzgeber gerade darauf an, eine Schutzzweckbestimmung mit Wirkung sowohl für subjektivöffentliche Rechte als auch für die Drittbezogenheit von Amtspflichten vorzunehmen118. Zweck der Klarstellungsvorschriften ist mithin die normative Vorwegnahme der eigentlich im Rahmen der Schutznormlehre erfolgenden Bestimmung der Interessenrichtung der Aufsichtsvorschriften, und zwar im Sinne eines ausschließlichen Schutzes der Allgemeininteressen und einer vollständigen Objektivierung der „Aufgaben und Befugnisse“ der Aufsichtsbehörden. Nahe liegend, aber verfehlt wäre, den Normzweck im gesetzgeberischen Bestreben, Drittrechtsbehelfe und Amtshaftungsansprüche auszuschließen, zu sehen. Insbesondere letztere waren zwar unstreitig Beweggrund für die Schaffung der Klarstellungsnormen. Die Erhebung zur ratio dieser Vorschriften würde indes übergehen, dass sich der Gesetzgeber zur Umsetzung seines Vorhabens erst der Definition des Schutzzwecks auf normativer Ebene bediente. Die Gleichsetzung von Motiv und Normzweck würde vielmehr die Auffassungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten über Reichweite und Wirkung der Klarstellungsnormen zum Normzweck erheben und bedeutete im Ergebnis die Missachtung des objektivierten, erkennbaren Gesetzgeberwillens zugunsten der abweichenden subjektiven Vorstellungen Einzelner. Eine derartige Norminterpretation widerspräche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts119. Der Anwendungsbereich der Klarstellungsnormen ist allerdings auf diejenigen Normen beschränkt, die Pflichten der jeweiligen Aufsichtsorgane begründen. Nicht erfasst werden die überwachten Regelungen selbst. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Normen, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte.

___________ 118 Siehe auch Schüppen/Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 41 Rn. 12 ff; Stögmüller in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 4 Rn. 44; KöKo-Giesberts, WpÜG, § 4 Rn. 26. 119 Vgl. dazu 4. Kap. § 3 II. 1.

118

4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

III. Reichweite der Klarstellung: (All-)Umfassende Zweckbestimmung – Keine Beschränkung auf „Dritte“! Problematisch ist die Reichweite der Klarstellungsnormen, denn wie oben gezeigt, erfassen sie wegen ihres weiten, undifferenzierten Wortlautes sämtliche „Aufgaben und Befugnisse“, also auch etwaige Befreiungs- und Gestattungsregelungen zu Gunsten der beaufsichtigten Bieter, Banken, Emittenten oder Versicherungsunternehmen. Die absolut herrschende Meinung sieht die Wirkung der Klarstellungsnormen allerdings auf „Dritte“, d.h. auf Nichtadressaten von Aufsichtsverfügungen beschränkt120.

1. Keine Einschränkung im Wortlaut und in den Gesetzesmaterialen Dem Wortlaut ist eine dahingehende Einengung des Wirkungsbereiches nicht zu entnehmen. Die Zweckbestimmung ist weder auf bestimmte Personenkreise oder Rechtsgüter noch auf bestimmte Pflichten oder Befugnisse beschränkt. Sie bezieht sich vielmehr pauschal auf die der Behörde nach dem jeweiligen Gesetz „zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse“. Eine Einschränkung ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialen, insbesondere nicht aus der Aussage, die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten bleibe unberührt.

a) Problem: Maßgeblichkeit des objektivierten Gesetzgeberwillens Problematisch ist bereits der Ansatz, den Gesetzesmaterialen eine Einschränkung des Wortlauts entnehmen zu wollen, denn Gegenstand der Auslegung ist der herrschenden objektiven Auslegungstheorie zufolge grundsätzlich der Gesetzestext als Träger des in ihm niedergelegten Sinnes. Anhand des Gesetzgebungsverfahrens deutlich werdenden Regelungsabsichten des Gesetzgebers kann zwar im Einzelfall erhebliches Gewicht bei der Sinnermittlung zukommen. Konkrete Vorstellungen, die etwa von Ausschüssen, dem Plenum des Bundestages oder einzelnen Mitgliedern der gesetzgebenden Körperschaften über die nähere Bedeutung oder die Reichweite einer einzelnen Bestimmung, eines Normbestandteils oder eines Begriffs sowie deren Handhabung und Wirkung geäußert werden, sind indes für die Gerichte keine bindende Auslegungsrichtlinie, denn sie werden als solche nicht Inhalt des Gesetzes, solange sie sich nicht erkennbar in der Norm niederschlagen121. ___________ 120 121

Vgl. Fn. 38 in diesem Kapitel. BVerfGE 54, S. 277 (297 f.); 53, S. 135 (147); Larenz, Methodenlehre, S. 328 f.

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b) Keine eindeutige Aussage der Materialien zu Gunsten einer Einschränkung Im Übrigen ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien kein klarer und eindeutiger Gesetzgeberwille, den Anwendungsbereich der Klarstellungsnormen einzuschränken. Die Begründungen zu den jeweiligen Normen bestätigen vielmehr das Konzept einer umfassenden Zweckbestimmung. Der (damalige) § 6 Abs. 3 KWG war gemäß der Gesetzesbegründung als eine „gesetzesübergreifende“ Regelung zur „Verdeutlichung des Schutzzwecks“ verfasst und sollte nach dem Willen des Gesetzgebers „für sämtliche dem Bundesaufsichtsamt zugewiesenen Aufgaben“ Geltung beanspruchen122. Entsprechendes gilt für § 1 Abs. 6 BörsG, der pauschal klarstellen soll, dass „(d)ie Börsenaufsicht [...] im Interesse der Funktionsfähigkeit der Börsen“ erfolgt123. Zu den Ausschlussnormen im WpHG und WpÜG heißt es ebenso schlicht: „Die Aufsichtstätigkeit erfolgt zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte.“124 Dieser Befund ist keineswegs überraschend, sondern entspricht eben dem „hergebrachten Verständnis von der Zielrichtung der staatlichen Bankaufsicht“, das der Gesetzgeber durch das Wetterstein-Urteil erschüttert sah125. Auch die Rechtsprechung zur Banken- und Versicherungsaufsicht, insbesondere das OLG Bremen, dessen Beschluss vom 13. November 1952126 maßgebender Bezugspunkt der späteren Judikatur zur Bankaufsicht werden sollte127, bestimmte die Schutzrichtung der Aufsicht umfassend ohne eine Ausnahme zu Gunsten Beaufsichtigter. Das OLG Bremen selbst formulierte in einem späteren Urteil, das KWG begründe weder gegenüber dem Kreditinstitut noch gegenüber den Kunden des Kreditinstituts eine Amtspflicht128.

c) Bedeutung der „Unberührt“-Formel nur für die Haftung Vielfach wird die behauptete Einschränkung der in allen Gesetzesbegründungen enthaltenen Passage entnommen, nach der die Pflicht zu rechtmäßigem ___________ 122

Vgl. BT-Drs. 10/1441, S. 20. BT-Drs. 12/7918, S. 109. 124 Vgl. BT-Drs. 12/7918, S. 100 sowie den Verweis in BT-Drs. 14/7034, S. 36. 125 BT-Drs. 10/1441, S. 20. 126 OLG Bremen NJW 1953, S. 585 (585 f.). 127 Siehe dazu die Nachweise in Fn. 76 in diesem Kapitel. 128 So ausdrücklich OLG Bremen WM 1956, S. 1244 (1246) unter Verweis auf OLG Bremen NJW 1953, S. 585 (585 f.); siehe zur Versicherungsaufsicht BVerwGE 10, S. 122 (123 f.). 123

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

Verhalten in Bezug auf die von Aufsichtsmaßnahmen unmittelbar betroffenen Personen und Unternehmen unberührt bleiben und bei schuldhafter Amtspflichtverletzung die allgemeinen Grundsätze gelten sollen.129 Die in Rede stehende Ausnahme berührt indes die Zweckbestimmung selbst nicht, sondern stellt nur – deklaratorisch – klar, dass die Aufsichtsbehörde auch bei der Wahrnehmung von grundsätzlich nur im öffentlichen Interesse begründeten Amtspflichten nicht vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, d.h. vom Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes130, befreit ist und dass mit den Ausschlussnormen kein genereller Haftungsausschluss für jedwedes, auch rechtswidriges Handeln oder Unterlassen der Aufsichtsbehörden bewirkt werden soll. Auf den Problemkreis der subjektiv-öffentlichen Rechte hat die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns und mithin die Unberührtheit der „Pflicht zu rechtmäßigem Handeln“ keinen Einfluss. Vielmehr ist die inhaltliche Ausstrahlung der „Unberührt“-Formel auf die Frage der Amtshaftung beschränkt. Das wird in der Gesetzesbegründung zum (damaligen) § 6 Abs. 3 KWG deutlich: „Die Haftung [...] aus fehlerhaften Entscheidungen [...] bleibt unberührt.“131

aa) Inkongruenz von Drittbezogenheit und Klagebefugnis Die hier zutage tretende Divergenz zwischen Haftung und Schutzzweckbestimmung erklärt sich daraus, dass sich Amtshaftungsansprüche auch bei der Verletzung von grundsätzlich nur im öffentlichen Interesse bestehenden Normen ergeben können. Zwischen amtshaftungsrechtlicher Drittbezogenheit und subjektiv-öffentlichen Rechten besteht dementsprechend auch keine Kongruenz. Zwar ist derjenige, der durch einen Verwaltungsakt oder dessen Ablehnung in seinen Rechten verletzt ist und der daher i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist, regelmäßig auch „Dritter“ im Sinne der Amtshaftung132. Die amtshaftungsrechtliche Drittbezogenheit geht jedoch darüber hinaus133. ___________ 129 Etwa Schüppen/Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 41 Rn. 12 Fn. 14; Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (85) m.w.N.; KöKo-Giesberts, WpÜG, § 4 Rn. 27 i.V.m. § 41 Rn. 29; KöKo-Pohlmann, WpÜG, § 48 Rn. 60, 63; Aha, AG 2002, S. 160 (161); Steinmeyer/Häger, WpÜG, Vorb §§ 41 ff. Rn. 5 ff. 130 Siehe zum Ganzen Maurer, Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 1 ff. 131 BT-Drs. 10/1441, S. 20. 132 BGH VersR 1994, S. 856 (859); MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 225; ders,.in Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 181, 191 m.w.N.; Wurm, JA 1992, S. 1 (2). 133 Papier in Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 181 ff., 191 ff.; MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 226, 241; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 59; de Witt/Burmeister, NVwZ 1992, S. 1039 (1040) jeweils m.w.N.

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bb) Absolute Amtspflichten Zum einen existieren allgemeine, gegenüber jedermann bestehende (sog. absolute134) Amtspflichten ohne echten Drittbezug, bei denen jeder geschützter „Dritter“ ist, dessen Belange nach der besonderen Natur des Amtsgeschäfts durch dieses berührt werden und in dessen Rechtskreis eingegriffen werden kann, selbst wenn die Betroffenheit nur mittelbar oder unbeabsichtigt ist135. Neben der Amtspflicht, unerlaubte Handlungen (§§ 823, 826 BGB) zu unterlassen136, ist dies insbesondere die allen Behörden obliegende allgemeine Pflicht zur gesetzmäßigen Verwaltung bzw. zu rechtmäßigem Verhalten137 und deren Konkretisierungen, etwa die für jedes staatliche Handeln geltende Pflicht zur Beachtung und Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften138 sowie der Zuständigkeitsgrenzen139. Genannt seien außerdem noch die Pflicht zur umfassenden Sachverhaltserforschung140, die Pflicht, sich im Rahmen der Gesetze zu halten141 und bei der Amtsausübung auf unbeteiligte Dritte Rücksicht zu nehmen142 oder aber die Pflicht zur Beachtung des Verhältnismäßigkeits- und Erforderlichkeitsgrundsatzes143.

___________ 134

Zu dieser Einteilung Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 59; Blankenagel, DVBl. 1981, S. 15 ff. (insbes. 19 ff.). 135 BGHZ 65, S. 182 (187); BGH NJW 1983, S. 627 (628); BGH DVBl. 1984, S. 427 (428); siehe auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 62. 136 RGZ 158, S. 83 (94); BGHZ 8, S. 83 (87); 16, S. 111 (113); 78, S. 274 (279); MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 196 ff.; Palandt-Thomas, BGB, 62. Aufl., § 839 Rn. 39. 137 BGHZ 15, S. 305 (309); 65, S. 182 (187 f.); 76, S. 16 (29 f.); 117, S. 240 (244); BGH NJW 1989, S. 99 (99); BGH NJW 1963, S. 1199 (1199); MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 191. 138 BGHZ 21, S. 359 (362). 139 Vgl. nur RGZ 140, S. 423 (428); 156, S. 220 (229 f.); 159, S. 235 (239); BGHZ 63, S. 319 (324 f.); 65, S. 182 (187); 81, S. 21 (27); 117, S. 240 (244); MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 234. 140 BGH VersR 1965, S. 684 (686); BGH NVwZ 1988, S. 283 (284); BGH NJW 1989, S. 99 (99); 1994, S. 3162 (3164). 141 RGZ 139, S. 149 (154); BGHZ 16, S. 111 (113); 69, S. 128 (138); BGH VersR 1965, S. 684 (686); für die Ermessensausübung: BGHZ 74, S. 144 (156); MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 195 m.w.N. 142 RGZ 125, S. 85 (86); 158, S. 83 (94); BGHZ 12, S. 206 (208); 16, S. 111 (113); 69, S. 128 (138); MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 212. 143 BGHZ 12, S. 206 (208); 18, S. 366 (368).

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cc) Relative Amtspflichten Zum anderen kann sich die von der Rechtsprechung zur Bejahung der Drittbezogenheit geforderte „besondere Beziehung“144 zwischen Bürger und Verwaltung auch aus einem engen, das normale Staat-Bürger-Verhältnis überschreitenden Näheverhältnis ergeben, wobei das Bestehen eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf entsprechendes Tätigwerden keine Voraussetzung ist145. Eine derartige Annäherung kann zum Beispiel stattfinden, wenn sich der Einzelne mit Anträgen, Eingaben oder auch Auskunftsersuchen an die Verwaltung wendet, aber auch durch die sonstige Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens oder schlichtes Verwaltungshandeln146. „Wo Sachentscheidungen über die Belange des einzelnen getroffen werden, besteht ihm gegenüber die Pflicht zur sachgerechten Entscheidung“, auch wenn derjenige keinen Rechtsanspruch auf Vornahme der fraglichen Amtshandlung hat147. Neben die oben genannten, allgemein geltenden absoluten Amtspflichten treten hierbei weitere, sich gerade aus der besonderen Annäherung ergebende (sog. relative) Amtspflichten. Das gilt insbesondere für die Pflicht, Eingaben und Anträge frist- und sachgerecht zu bearbeiten und zu bescheiden148, die Pflicht der angerufenen oder sonst bei Erlass einer Verfügung mitwirkenden Behörde zur vollständigen und sachgemäßen Unterrichtung der eigentlich zur Entscheidung berufenen Behörde149 oder die Pflicht zu konsequentem Verhalten150. Die Besonderheit dieser Konstellationen im Kontext des „öffentlichen Interesses“ besteht nun darin, dass im Einzelfall auch aus allein im öffentlichen Interesse begründeten Pflichten eine dem Einzelnen gegenüber obliegende Amtspflicht entstehen kann151. Wendet sich der Bürger unmittelbar an die Behörde, erwachsen dieser bereits dadurch Amtspflichten, insbesondere eben die Pflicht zur sachgerechten Bearbeitung und Bescheidung. Entsprechendes gilt für die Erteilung von Auskünften. Jeder Beamte hat die Pflicht, Auskünfte richtig, klar, unmissverständlich und vollständig, d.h. so zu erteilen, dass der Empfänger entsprechend disponieren kann. Diese Pflicht be___________ 144 Zum Erfordernis einer „besonderen Beziehung“ zwischen Geschädigtem und Amtspflicht oben 2. Kap. § 1 II. 1. 145 BGHZ 35, S. 44 (47); 71, S. 386 (390); BGH VersR 1960, S. 979 (981). 146 Blankenagel, DVBl. 1981, S. 15 (20). 147 BGH VersR 1960, S. 979 (980 f.). 148 BGHZ 15, S. 305 (309); 30, S. 19 (26); 56, S. 251 (255); BGH NVwZ 1984, S. 332 (333); WM 1994, S. 430 (431 f.); MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 214 m.w.N. 149 BGHZ 15, S. 305 (309); 65, S. 182 (187 f.); BGH NJW 1963, S. 1199 (1199). 150 BGHZ 76, S. 343 (351); 87, S. 9 (18); BGH NJW 1960, S. 2334 (2334); 1963, S. 644 (645). 151 BGHZ 15, S. 305 (309 f.); 35, S. 44 (49 f.); BGH VersR 1960, S. 979 (980); Palandt-Thomas, BGB, 62. Aufl., § 839 Rn. 40.

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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steht gegenüber jedem, auf dessen Antrag oder in dessen Interesse die Auskunft ergangen ist152. Unerheblich soll sein, ob eine Pflicht zur Auskunftserteilung besteht153 oder ob der Beamte zur Erteilung befugt ist154. Denkbar sind sogar darüber hinausgehende Aufklärungs- und Belehrungspflichten, wenn der Gesuchsteller insoweit „belehrungsbedürftig“ erscheint155.

dd) „Unberührt“-Formel nur deklaratorische Klarstellung der Pflicht zu rechtmäßigem Handeln Letztlich sind die genannten Pflichten allesamt Ausfluss des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der durch die Wahrnehmung allein öffentlicher Interessen nicht berührt wird. Unabhängig vom Schutzzweck einzelner Normen ist die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden und mithin verpflichtet, rechtmäßig zu handeln; rechtswidriges Verwaltungshandeln kann dementsprechend auch bei Handeln allein im öffentlichen Interesse Amtshaftungsansprüche auslösen. Eben dies stellt die Gesetzesbegründung deklaratorisch klar, wenn es heißt, „(u)nberührt bleibt die Pflicht zu rechtmäßigem Handeln“. Im Rahmen des WpÜG bedeutet dies, dass Amtshaftungsansprüche auch entstehen können, obwohl die BAFin nur im öffentlichen Interesse handelt. Beantragt ein Bieter etwa eine Befreiung nach §§ 20, 36 WpÜG, hätte er wegen § 4 Abs. 2 WpÜG – das hier vertretene Normverständnis unterstellt – keinen (einfachgesetzlichen) Anspruch auf eine dahingehende Verfügung156, unter Umständen aber einen Schadensersatzanspruch wegen verspäteter, sachwidriger oder unterlassener Bescheidung, also wegen der Verletzung der Pflicht zu rechtmäßigem Handeln. Angesichts der (absoluten) Amtspflicht zur Rücksichtnahme auf unbeteiligte Dritte sind sogar Amtshaftungsansprüche der Zielgesellschaftsaktionäre bei rechtswidriger Befreiung denkbar. Im Ergebnis hängt dies davon ab, wie weit man den Kreis absoluter Amtspflichten zieht. ___________ 152 BGH NJW 1980, S. 2573 (2574); 1985, S. 1338 (1338); 1991, S. 3027 (3027); BGHZ 117, S. 83 (87 ff.) mit der Einschränkung, dass die Drittbezogenheit nur bejaht werden könne, wenn die Auskunft tatsächlich zur Grundlage der Vermögensdisposition gemacht werden durfte (vgl. S. 90); MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 215. 153 BGH NJW 1980, S. 2573 (2574). 154 BGH VersR 1985, S. 492 (493). 155 BGH NJW 1985, S. 1335 (1337); BGH NVwZ 1996, S. 512 (514); siehe auch BGH NJW 1965, S. 1226 (1227). 156 Dazu, dass aus der Verfahrensbeteiligung nicht zwingend ein subjektiv-öffentliches Recht folgt, vgl. oben 4. Kap. § 2 III. 4. b. bb.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

Vor dem Hintergrund des möglichen Umfangs der Pflicht zu rechtmäßigem Handeln ist der im Ergebnis durch § 4 Abs. 2 WpÜG sowie die übrigen Klarstellungsnormen tatsächlich erreichbare Haftungsausschluss durchaus zweifelhaft. Kann ein Amtshaftungsanspruch auch bei der Aufgabenwahrnehmung im öffentlichen Interesse entstehen, vermag jedenfalls eine Interessenregelung wie § 4 Abs. 2 WpÜG weder nach Wortlaut noch nach Sinn und Zweck einen vollständigen Haftungsausschluss zu bewirken. Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen auch den rechtshistorischen Vorgaben des RKWG. Obwohl der Wortlaut des § 42 RKWG einen generellen Ausschluss der Amtshaftung nahe legte, bestand nämlich überwiegend Einigkeit darin, dass sich der Ausschluss nur auf rechtmäßige Maßnahmen der Aufsichtsbeamten beziehen sollte. Unberührt bleiben sollte indes grundsätzlich die Haftung für rechtswidriges Verwaltungshandeln157.

ee) Verwirrende Beschränkung auf unmittelbar Betroffene Fraglich ist zudem, welche Bedeutung der vom Gesetzgeber gewollten Beschränkung der Geltung der „allgemeine(n) Grundsätze“ auf „von Aufsichtsmaßnahmen unmittelbar“ Betroffene erlangt. Ganz abgesehen davon, dass sich diese Beschränkung nicht im Gesetzestext niedergeschlagen hat und dass das undifferenzierte Abstellen auf den schillernden Begriff der „Betroffenheit“158 eine Vielzahl weiterer Fragen aufwirft, bedeutete die Einschränkung einen formalen Haftungsausschluss für jedes (auch noch so) rechtswidrige Verwaltungshandeln gegenüber nur mittelbar Betroffenen. Art. 34 GG enthält indes eine institutionelle Garantie der Staatshaftung, d.h. eine Mindestgarantie für die schuldhafte Verletzung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz des Betroffenen dienen159. Zwar kann die Haftung beschränkt werden. Zulässig ist dies aber nur in Ausnahmefällen und nur dann, wenn gewichtige Gründe des Allgemeinwohls die Haftung des Staates als ungerechtfertigt erscheinen lassen. Ein genereller Haftungsausschluss, beispielsweise auch für die Verletzung absoluter Amtspflichten, wäre mit Art. 34 GG hingegen nicht vereinbar160.

___________ 157 Siehe dazu Brendle, Amtshaftung, S. 440 f.; Habscheid, Staatshaftung, S. 127 ff. jeweils m.w.N. 158 Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. IV Rn. 120; siehe auch Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (85). 159 BVerfG 61, S. 149 (199); Papier in Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 101. 160 Papier in Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 240; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 96 f.; siehe auch BVerfGE 61, S. 149 (200); BGHZ 99, S. 62 (64).

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

125

d) Irrtum des Gesetzgebers über die Reichweite der Klarstellungsnormen Eine wie auch immer geartete Einschränkung des Wirkungsbereichs der Klarstellungsnormen lässt sich also weder aus dem Wortlaut ableiten noch mit Normzweck oder Entstehungsgeschichte begründen. Es spricht vielmehr vieles dafür, dass der Gesetzgeber schlichtweg verkannt hat, dass der jeweils Beaufsichtigte – pathetisch formuliert – nicht die Allgemeinheit, sondern im amtshaftungsrechtlichen und schutznormtheoretischen Gegensatzpaar „Allgemeinheit“– „Individuum“ auch nur Individuum oder „Dritter“ ist und dass sich die von ihm gewählte Technik der gesetzlichen Zweckbestimmung damit auch auf das Verhältnis der Aufsichtsbehörde zu den Beaufsichtigten auswirkt. Dieser Irrtum über die Reichweite der Klarstellungsnormen könnte freilich wiederum eine Erklärung darin finden, dass sich die Schutznormproblematik in der Rechtspraxis auf die Fälle der Drittklagen zugespitzt hat.

2. § 4 Abs. 2 WpÜG lex generalis? Enthält die „Unberührt“-Formel keine Aussage zur Zweckbestimmung einzelner Normen, entfällt im Grunde bereits die Grundlage für Ahas Vorschlag eines Spezialitätsverhältnisses zwischen § 48 Abs. 3 WpÜG und § 4 Abs. 2 WpÜG als Generalnorm, stützt er doch seine Argumentation ganz wesentlich eben auf diese Ausnahme161. Darüber hinaus krankt sein Ansatz daran, dass er subjektiv-öffentliche Rechte letztlich aus der Existenz von Rechtsbehelfsvorschriften herleiten will, obwohl letztere die Existenz subjektiver Rechte voraussetzen162. Aber auch systematische Erwägungen führen nicht zu dem von Aha gezogenen Schluss, § 4 Abs. 2 WpÜG werde von dem spezielleren § 48 Abs. 3 WpÜG verdrängt.

a) Systematik als Auslegungskriterium Die Begründung eines Spezialitätsverhältnisses mit der Folge, dass die spezielle Norm die allgemeinere verdrängt („lex specialis derogat legi generali“), ist Ausfluss systematischer Interpretation, die das Verständnis einer Norm aus deren Stellung im Gesetz sowie aus dem Zusammenhang, in dem verschiedene Normen zueinander stehen, entnimmt. Das einzelne Gesetzeswort wird als Teil eines Kontextes verstanden und in den Sinnzusammenhang des Gesetzes ge___________ 161 162

Aha, AG 2002, S. 160 (161). Vgl. 4. Kap. § 2 III. 4. b. dd.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

stellt. Aus der Wechselbeziehung zusammenhängender Äußerungen, die gegenseitig ihre Bedeutungen erhellen, lassen sich sprachliche, logische und teleologische Kriterien für den richtigen Sinn des Gesetzes gewinnen.163

b) Voraussetzung: Normwiderspruch Die Spezialitätsregel wurde neben einer Reihe anderer Auslegungsregeln – genannt seien etwa noch die Regeln, dass die höhere Norm der niederen vorgeht („lex superior derogat legi inferior“) oder dass das später erlassene Gesetz dem älteren vorgeht (lex posterior derogat legi priori) – zur Harmonisierung von Normen und zur Vermeidung von Normwidersprüchen entwickelt164. Oft erweisen sich Widersprüche als nur scheinbare, wenn nämlich bereits eine richtige Auslegung der prima facie einander widersprechenden Normen in ihrem Zusammenhalt ergibt, dass die eine Norm der anderen vorgehen soll165. Die Figur der Spezialität beschreibt eine Konstellation, in der ein Sachverhalt unter mehrere Normen subsumierbar ist, von denen jedoch eine die andere ausschließt oder verdrängt. Die ausschließende oder verdrängende Vorschrift enthält begriffsnotwendig alle Merkmale der ausgeschlossenen oder verdrängten Norm und zusätzlich weitere, spezielle Merkmale. Bei Verwirklichung des speziellen Tatbestandes ist daher zwangsläufig auch der in Betracht kommende allgemeine Tatbestand erfüllt. Angewendet wird aber nur der spezielle Tatbestand. Dies ist im Strafrecht etwa bei qualifizierenden Abwandlungen und deren Grundtatbeständen, z.B. Körperverletzung (§ 223 StGB) und gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB), der Fall166. Im Bereich der Grundrechte stellt sich die Frage der Spezialität unter anderem beim Verhältnis einzelner Grundrechte zum Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Fällt ein Verhalten in den Schutzbereich sowohl eines speziellen Grundrechts, etwa der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) oder der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), als auch in den des Art. 2 Abs. 1 GG, bestimmt sich sein Schutz al___________ 163

Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 145 ff.; Bydlinski, Methodenlehre, S. 442 ff. Canaris, Systemdenken, S. 116 ff.; Zeidler, DÖV 1960, S. 23 (25); Röhl, Rechtslehre, S. 134, 571; Peine, Das Recht, S. 101; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen, S. 79 m.w.N.; März in Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 31 Rn. 17 (für lex posterior). 165 Engisch, Einführung, S. 209 f. 166 Gleiches gilt bei eigenständigen Abwandlungen und deren Grundtatbeständen, wie z.B. Raub (§ 249 StGB), Diebstahl (§ 242 StGB) und Nötigung (240 StGB); näher dazu Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 788 f.; siehe auch Tröndle/Fischer, StGB, Vor § 52 Rn. 18 ff.; Sch-Sch-Stree, StGB, Vor §§ 52 Rn. 110 ff., 135. 164

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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lein nach dem speziellen Grundrecht167. Ein weiteres Beispiel bietet der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), der zurücktritt, wenn eine staatliche Ungleichbehandlung an Kriterien anknüpft, die von besonderen Gleichheitsvorschriften erfasst sind; genannt seien etwa Art. 3 Abs. 2 GG, der die Gleichbehandlung der Geschlechter vorsieht, Art. 33 Abs. 1-3 GG, der staatsbürgerliche Rechte und den Zugang zum öffentlichen Dienst zum Gegenstand hat oder die Wahlgleichheit (Art. 38 GG)168. Gemeinsam ist den vorgestellten Beispielen jeweils, dass die speziellere, verdrängende Norm inhaltlich die allgemeine, verdrängte Norm und mindestens ein zusätzliches Merkmal enthält, so dass sich die Regelungsgehalte zum Teil decken. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Regelungen ergeben sich jeweils auf normativer Ebene, d.h. aus dem Regelungsgehalt einzelner Normen. Man spricht daher auch von Normwidersprüchen und Gesetzeskonkurrenz.

c) Kein entsprechender Normwiderspruch im WpÜG Weder die Aufgaben- und Befugnisnormen des WpÜG, etwa in §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 S. 3, 15, 20, 26 Abs. 2, 36 f. WpÜG, noch Rechtsbehelfsvorschriften, insbesondere § 48 WpÜG, begründen einen Normwiderspruch. Es ist allein § 4 Abs. 2 WpÜG, der eine normative Aussage zu Schutzrichtung und Zweck einzelner, die BAFin verpflichtender Normen enthält. Den genannten Vorschriften selbst ist zur Schutzrichtung nichts dem § 4 Abs. 2 WpÜG Widersprechendes zu entnehmen169. Ein durch sie vermittelter Individualschutz ergäbe sich erst aus der im Rahmen der Schutznormlehre anzustellenden Wertung, deren Vornahme jedoch durch § 4 Abs. 2 WpÜG ersetzt und gesperrt wird. Die bloße Existenz von Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelvorschriften (§§ 41, 48 ff. WpÜG) begründet keinen Normwiderspruch. Ihre Aufnahme in das WpÜG legt zwar das Bestehen subjektiver Rechte nahe, weil sie andernfalls ohne praktischen Anwendungsbereich wären. Zu bedenken ist jedoch, dass Rechtsbehelfsvorschriften selbst keine subjektiven Rechte begründen können170, sondern deren Bestehen voraussetzen. Der für die Annahme eines Normwiderspruchs erforderliche partielle normative Gleichlauf fehlt im Verhältnis materieller Normen zu Rechtsbehelfsvorschriften. Dies leuchtet auch ein, denn Rechtsbehelfsvorschriften die___________ 167 Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 7; Jarass in JarassPieroth, GG, Art. 2 Rn. 2. 168 Dürig in Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 248 ff.; Jarass in Jarass/ Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 2 f. 169 Siehe oben 4. Kap. § 2 III. 4. b. 170 Vgl. 4. Kap. § 2 III. 4. b. dd.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

nen der Durchsetzung materiellen Rechts und sind diesem insoweit nachgeschaltet. Auch die Tatsache, dass im WpÜG individualschützende, von § 4 Abs. 2 WpÜG unberührte Normen (§§ 11, 35 WpÜG) auf Aufsichtsnormen (z.B. §§ 15, 20, 36 f. WpÜG) treffen, deren Schutzrichtung gemäß § 4 Abs. 2 WpÜG rein objektiv ist, erzeugt keinen Normwiderspruch. Das wäre nur der Fall, wenn man den vom BGH im Wetterstein-Urteil gezogenen und im 3. Kapitel zunächst unterstellten Schluss vom Zweck der überwachten Vorschriften auf den Schutzzweck der Aufsichtsnormen, d.h. den „dienenden Charakter“ der Aufsicht, als rechtsdogmatisch zwingenden Automatismus ansieht, mit der Folge, dass der individualschützende Charakter der Aufsicht rechts- und denklogisch unumgänglich ist, wenn nur die beaufsichtigten Normen individualschützend sind. Es ist indes grundsätzlich denkbar, dass der Staat zwar individualschützende Vorschriften überwacht, mit der Installierung der Aufsicht aber primär andere, „eigene“ Interessen verfolgt, etwa den Erhalt der Funktionsfähigkeit oder der Struktur eines Wirtschaftszweiges. Die seinerzeitige Errichtung der Bankenaufsicht unter dem RKWG sollte beispielsweise der Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung im Kreditwesen zur Schaffung eines geordneten Kapitalmarktes als Voraussetzung für das damalige Wirtschaftsprogramm dienen171. Dementsprechend eröffnete der BGH im Wetterstein-Urteil auch die Möglichkeit einer „einschränkenden Zielsetzung“ der Aufsicht172. Eine Schematisierung des Aufsichtszwecks ist daher zu verneinen. Dem Gesetzgeber muss vielmehr die grundsätzliche Möglichkeit verbleiben, den Aufsichtszweck selbständig zu bestimmen. Fraglich ist freilich, ob angesichts der tatsächlichen heutigen rechtlichen Gegebenheiten eine rein objektive Wirtschaftsaufsicht nicht theoretisches Denkmodell bleiben muss. Zwar hat der Gesetzgeber auch bei der Gestaltung der Wirtschaftsaufsicht weite Gestaltungsspielräume. Er unterliegt allerdings auch zahlreichen Bindungen. Zum einen hat er grundrechtlich und europarechtlich173 begründeten Schutzpflichten nachzukommen. Zum anderen muss er dem unter dem Grundgesetz vollzogenen Wandel des Verständnisses von der Stellung des Einzelnen im Staat hin zur Anerkennung des Bürgers „als selbständige sittlich verantwortliche Persönlichkeit und deshalb als Träger von Rechten und Pflichten“ Rechnung tragen. Der Mensch soll nicht zum Objekt staatlichen Handelns, ___________ 171 OLG Bremen NJW 1953, S. 585 (586); zu den Zwecken der Wirtschaftsaufsicht auch Schmidt, Wirtschaftspolitik, in Achterberg/Püttner/Würtenberger, Bes. Verwaltungsrecht I, S. 64 f.; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in Schmidt-Aßmann, Bes. Verwaltungsrecht, S. 272; Ehlers, Wirtschaftsaufsicht, insbes. S. 58 ff. 172 BGHZ 74, S. 144 (149). 173 Zur EU-Übernahmerichtlinie vgl. 1. Kap. § 1 III.

§ 3 „Wahrer“ Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG

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zum bloßen Mittel oder zur vertretbaren Größe werden174. Vor dem Hintergrund der damit möglicherweise einhergehenden Subjektivierungszwänge in Verbindung mit der Weite der grundrechtlichen Freiheitsgewährung, insbesondere durch Art. 2 Abs. 1 GG, stellt sich die Frage, inwieweit effektive Wirtschaftsaufsicht ohne eine Normsubjektivierung erfordernde Grundrechtsrelevanz überhaupt möglich ist175. Ungeachtet dessen ist als Ergebnis festzuhalten, dass sich Widersprüche zwischen Aufsichtsnormen und § 4 Abs. 2 WpÜG nicht auf normativer Ebene ergeben176. Unterstellt man dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund seiner Irrung über die Reichweite der Klarstellungsnormen, dass er einzelne Aufsichtsnormen eigentlich individualschützend ausgestalten wollte, ließe sich ein Wertungswiderspruch annehmen, der nach wohl herrschender Meinung jedoch grundsätzlich hinzunehmen ist177.

d) Bestätigung durch die Systematik des WpÜG Im Übrigen ließe sich ein Spezialitätsverhältnis aus der Systematik des WpÜG heraus kaum begründen. § 4 Abs. 2 WpÜG ist Teil des Zweiten Abschnitts, der die Zuständigkeit der BAFin zur Überwachung von Angebots- und Übernahmeverfahren zum Regelungsgegenstand hat und konzeptionell für das gesamte WpÜG Geltung beansprucht. Die formellen (aufsichtsrechtlichen) Regelungen gelten grundsätzlich für alle Angebotsformen und die sie betreffenden Normen. Wahrnehmung der „nach diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse“ meint daher nicht etwa nur die Generalbefugnisnorm in § 4 Abs. 1 S. 3 WpÜG, sondern auch alle übrigen, speziellen Befugnisnormen innerhalb ___________ 174 BVerwGE 1, S. 159 (161); siehe auch BVerfGE 30, S. 1 (25); 69, S. 1 (34 f.) m.w.N.; Dürig in Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. I Rn. 28, 34 ff. 175 Nur wenn sich die Subjektivierungszwänge derart verdichten, dass eine rein objektive Aufsicht schlechthin ausgeschlossen ist, ließe sich ein Automatismus im oben beschriebenen Sinne vertreten. Das bedarf indes einer eigenen Untersuchung. 176 Der Gesetzgeber könnte einen ein Spezialitätsverhältnis rechtfertigenden Normwiderspruch „schaffen“, indem er in den Befreiungs-, Nichtberücksichtigungs- und Gestattungstatbeständen jeweils ausdrücklich einen Anspruch des Antragstellers vorsieht, wie etwa in § 4 Abs. 1 UIG. Eine solch spezielle Regelung dürfte § 57 WpÜG (Akteneinsicht) enthalten. 177 Engisch, Einführung, S. 213; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen, S. 125 m.w.N.; Jarass, VVDStRL 50 (1991), S. 238 (262); Renzikowski, GA 1992, S. 159 (174); Larenz, Methodenlehre, S. 488 f.; a.A. Canaris, Systemdenken, S. 116 ff.), der auch Wertungswidersprüche grundsätzlich durch systematische Auslegung oder gegebenenfalls Rechtsfortbildung beseitigt wissen will, zugleich aber eingesteht, dass auch diese Mittel beschränkt sind (S. 119 ff.). Siehe eingehender zum Wertungswiderspruch Peine, Das Recht, 102 ff.

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

des WpÜG, etwa §§ 15, 28, 36 f., 40 WpÜG. Auch die Wahrnehmung spezieller Befugnisse ist Missstandsaufsicht im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1, 2 WpÜG.

IV. Ergebnis: § 4 Abs. 2 WpÜG als umfassende und undifferenzierte Zweckbestimmung i.S.d. Schutznormlehre Als Ergebnis lässt sich nunmehr festhalten, dass der Gesetzgeber die sowohl im Rahmen der Amtshaftung als auch bei der Bestimmung subjektivöffentlicher Rechte relevante Problematik der Abgrenzung von öffentlichem und Individualinteresse durch eine ganzheitliche und verbindliche Schutzzweckbestimmung in Form einer normativen Interessenregelung „gelöst“ hat. Die Betrachtung teleologischer, entstehungsgeschichtlicher und systematischer Kriterien hat dabei den ersten, aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 WpÜG gewonnenen Befund einer undifferenzierten, für sämtliche Pflichten der BAFin nach dem WpÜG, nicht aber für die zu überwachenden Regelungen Geltung beanspruchenden Schutzzweckbestimmung bestätigt. Zweck der Klarstellungsnormen, das sei nochmals betont, ist nicht der Ausschluss von Drittrechten; dieser war nur gesetzgeberisches Motiv zu ihrer Schaffung. Normzweck ist, in Umsetzung des Ziels „Drittrechtsausschluss“ die Festlegung der Schutzrichtung einzelner Normen. Eine irgendwie geartete Ausnahme zu Gunsten beaufsichtigter Personen oder Unternehmen ist weder dem Wortlaut zu entnehmen, noch lässt sie sich teleologisch, systematisch oder entstehungsgeschichtlich rechtfertigen. Der Gesetzgeber ist damit weit über sein eigentliches Ziel hinausgeschossen. Ob „Heilungsmöglichkeiten“ bestehen, wird im 5. Kapitel zu untersuchen sein.

§ 4 „Überindividueller“ Funktionsschutz im Sinne der Strukturtheorie I. Bekenntnis des Gesetzgebers zur Strukturtheorie Aus all dem bisher Gesagten resultiert die Koexistenz drittschützender Normen (§§ 11, 35 WpÜG) einerseits und rein objektivrechtlicher Aufsichtsnormen (§§ 15, 20, 36 f. WpÜG) andererseits. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Konzept einer „entindividualisierten“ oder – im Sinne der oben bereits erwähnten Strukturtheorie178 – einer „überindividuellen“, rein strukturbezogenen Wirtschaftsaufsicht. Mit dem allein bezweckten Schutz der Funktionsfähigkeit der ___________ 178

2. Kap. § 1 II. 3.

§ 4 „Überindividueller“ Funktionsschutz

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Wertpapiermärkte bzw. der jeweiligen Wirtschaftszweige hat sich der Gesetzgeber zu diesem rein objektivrechtlichen Ansatz der Wirtschaftsaufsicht bekannt und die Strukturtheorie in § 6 Abs. 4 KWG a.F., § 81 Abs. 1 S. 3 VAG, § 1 Abs. 6 BörsG, § 4 Abs. 2 WpHG a.F., § 4 Abs. 4 FinDAG und in § 4 Abs. 2 WpÜG normativ verankert179.

II. Die Strukturtheorie: Entwicklung und Anliegen Diese Theorie wurde von O. E. Starke 1954 zunächst im Rahmen der Versicherungsaufsicht, der ältesten Fachaufsicht auf dem Gebiet Geld und Kredit entwickelt180, um dem damals beklagten „Pluralismus der Konzeptionen von der Versicherungsaufsicht“ und der darauf fußenden „Konzeptionslosigkeit“ Herr zu werden181. Unter der Vielzahl der Aufsichtstheorien sah etwa die Gefahrentheorie182 den Zweck der Aufsicht in der Vorbeugung der von dem betreffenden Wirtschaftszweig ausgehenden Gefahren, während die Schutztheorie183 meinte, Hauptaufsichtszweck sei der Schutz der Versicherten. Hinzu kamen verschiedene Mehrzwecktheorien184, die in unterschiedlicher Weise verschiedene Zwecke, etwa die Ordnung und Regelung des Versicherungswesens nach allgemeinvolkswirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Prinzipien sowie den Schutz der Versicherten, nebeneinander stellten und kombinierten. Dieser Konzeptionen-Wirrwarr, vor allem aber die unterschiedlichen Auffassungen darüber, ob der Schutz einzelner Versicherter oder der Versichertengemeinschaft bzw. der Schutz gegenwärtiger oder übergeordneter nachhaltiger Interessen maßgebend sein und welcher Schutzzweck im Konfliktfall überwiegen soll, ließen Starke schließlich die Strukturtheorie entwickeln. Sein vordringlichstes Anliegen war, eine klare Grundlage für die Rangfolge der Schutzzwecke zu schaffen185. Er sah den alleinigen Zweck der Versicherungsaufsicht in „der Erhaltung der Funktionsfähigkeit dieses Wirtschaftszwei___________ 179

So für das KWG Triantafyllou, Haftungsrechtliche Probleme, S. 59 Fn. 236; Starke, ZVersWiss 1986, S. 35 (37, 49 f.). 180 Starke, ZKW 1968, S. 438 (440); ders., ZVersWiss 1986, S. 35 (49); ders., WM 1976, S. 366 (376); ders., WM 1979, S. 1402 (1406); Arnold, VW 1958, S. 549 (549); Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 11 ff. 181 Starke, ZVersWiss 1986, S. 35 (49); Schmidt R., VW 1984, S. 350 (352). 182 Diese Theorie wurde schon damals kaum noch vertreten; siehe aber Peters, FS Lehmann, S. 894, 898. 183 Dempewolf, NJW 1964, S. 252 (253); Becker, ZKW 1975, S. 758 (758 f.). 184 Siehe dazu Starke, ZKW 1968, S. 438 (440); Triantafyllou, Haftungsrechtliche Probleme, S. 59 m.w.N. 185 Starke, ZVersWiss 1967, S. 233 (236).

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

ges als ganzem; ihre Aufgabe besteht im Schutz der Versichertengemeinschaft insgesamt und für die Dauer, nicht aber in der ephemeren Wahrnehmung individueller, unbeständiger Interessen.“186 Die Aufsicht sei ausschließlich unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten und im Interesse des Gemeinwohls an der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftszweiges errichtet worden. Der Schutz des Einzelnen sei nur eine konkrete Ausgestaltung, lediglich eine Komponente dieser übergeordneten gesamtwirtschaftlichen Zielsetzung und als Nebenwirkung miterfasst187. Übertragen auf die Bankenaufsicht, für die Starke die Strukturtheorie bereits im KWG von 1961 verankert sah188, folgte daraus, dass sie „weder im Interesse eines Existenzschutzes für einzelne Unternehmen [...] noch im Interesse eines totalen Verbraucherschutzes“ tätig wird189. „Zielrichtung und Zweckbestimmung der Aufsicht (ist) eine gesamtvolkswirtschaftliche, nicht eine solche des individuellen Schutzes oder gar der staatlichen Garantie beliebiger Bankgeschäfte. Notwendige Schutz- oder Korrekturmaßnahmen im Kreditwesen haben aus diesen volkswirtschaftlichen Gründen stets nur generellen, keinen individuellen Charakter.“190 Der Schutz Einzelner ist bloße „Reflexwirkung dieser überindividuellen Aufgabe“191. Die Vorzüge der Strukturtheorie sah Starke darin, dass sie zum einen sowohl der Verwaltungspraxis als auch der Rechtsprechung durch ihre scharfe und überall anwendbare Abgrenzung eine Gesamtkonzeption für eine auch in Zweifelsfällen verlässliche Rechtsanwendung zur Verfügung stellt. Der Aufsichtsbehörde werde so ermöglicht, ihr Verhalten gegenüber dem Dreiecksverhältnis Versicherter–Versicherungsunternehmen–Staat in gebotener Weise einheitlich einzurichten, ohne auf die Würdigung mehrerer, zum Teil konträrer Aufsichtszwecke verwiesen zu sein192. Zum anderen – hier findet sich übrigens die Regierungsbegründung zum (damaligen) § 6 Abs. 3 KWG193 auszugsweise wieder – gewährleistet sie die Wahrung der Fähigkeit der eigenverantwortlichen Disposi___________ 186

(50).

Starke, WM 1979, S. 1402 (1406 f.); siehe auch ders., ZVersWiss 1986, S. 35

187 Starke, ZKW 1968, S. 438 (440); ders., WM 1979, S. 1402 (1406); ders., ZVersWiss 1986, S. 35 (50). 188 Starke, ZVersWiss 1967, S. 233 (236); ders., WM 1976, S. 366 (376); ders., ZKW 1968, S. 438 (440); im (damaligen) § 6 Abs. 3 KWG sah Starke dementsprechend nur eine Bestätigung der Strukturtheorie (ZVersWiss 1986, S. 35 (50)). 189 Starke, ZVersWiss 1986, S. 35 (50). 190 Starke, WM 1979, S. 1402 (1410); in diesem Sinne auch Waldeck, NJW 1985, S. 888 (892). 191 Starke, WM 1979, S. 1402 (1408). 192 Starke, ZVersWiss 1967, S. 232 (237 f.). 193 BT-Drs. 10/1441, S. 20.

§ 4 „Überindividueller“ Funktionsschutz

133

tion der beaufsichtigten Unternehmen. Starkes Vorwurf speziell an die Schutztheorie lautete nämlich, sie verstärke die Neigung zu einer rein individualistischen Auslegung der Aufsichtsfunktion mit der Folge, dass die Aufsichtsbehörde „jede Querele als Ausdruck der Schutzbedürftigkeit ansehen“ und damit in die Rolle des Anwalts der Versicherten und des Richters gegenüber den Versicherungsunternehmen schlüpfen könnte194. Als Konsequenzen der WettersteinEntscheidung sah Starke demgemäß auch nicht nur die Gefahr einer „Aufsichtshysterie“, da sich das BAK zu „extremen Kontroll- und Reglementierungsmaßnahmen veranlaßt sehen“ würde, sondern zugleich eine Erschütterung der „Grundfesten der liberalen Bankenaufsicht“, weil „eigenverantwortliches“ Agieren und Reagieren der Kreditinstitute erschwert, wenn nicht sogar unmöglich werden würde195. Darüber hinaus werde eine vom Steuerzahler zu übernehmende „Staatsgarantie“ für Bankgeschäfte statuiert196. Mit der Strukturtheorie ließen sich übermäßige Amtshaftungsansprüche dagegen vermeiden, denn Schutzzweck der Aufsicht ist allein die Wahrung der Funktionsfähigkeit der Wirtschaftszweige. Eine Amtspflicht auch zu Gunsten Einzelner besteht danach nicht. In diese Argumentation fügt sich übrigens nahtlos ein, dass Starke die „Auch-Rechtsprechung“ zur Auslegung des § 839 BGB, nach der eine Amtspflicht zumindest auch den Schutz des Geschädigten bezwecken muss, bereits dem Grundsatz nach als zu weit gehend kritisiert197. Ob sich Starke der Problematik der vom Gesetzgeber schließlich gewählten allumfassenden Zweckbestimmung und ihrer Konsequenzen auch für die Beaufsichtigten bewusst war, ist nicht ersichtlich. Die Vermutung liegt allerdings nahe, denn sein Vorschlag für einen neuen § 6 Abs. 3 KWG lautete198: „Die Zuständigkeit des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen besteht nur gegenüber den beaufsichtigten Kreditinstituten, seine Amtspflicht wird durch Absatz 2 begrenzt.“

III. Bestätigung der Strukturtheorie durch die Rechtsprechung Während die Literatur bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Klarstellungsnormen gespalten ist199, hatte die Rechtsprechung bislang keine Bedenken ___________ 194

Starke, ZVersWiss 1967, S. 232 (236). Starke, WM 1979, S. 1402 (1420). 196 Starke, WM 1979, S. 1402 (1410, 1421). 197 Starke, WM 1979, S. 1402 (1404). 198 Vgl. Starke, WM 1979, S. 1402 (1424). 199 Für Verfassungsmäßigkeit: zu § 4 Abs. 2 WpÜG Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 13; wohl auch Stögmüller in Haarmann/Riehmer/Schüppen, 195

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4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

hinsichtlich der Vereinbarkeit mit nationalem Recht200. Allerdings erfolgte zur Klärung der Frage, ob § 6 Abs. 4 KWG a.F. europarechtlichen Vorgaben entspricht, durch den BGH eine Vorlage zum EuGH gemäß Art. 234 EGV. Nach Ansicht des EuGH stehen aber die fraglichen Richtlinien einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, nach der die Aufsicht über Kreditinstitute allein im öffentlichen Interesse erfolgt201. Grundsätzlich scheint die Judikatur den von der Strukturtheorie begründeten Ansatz des „überindividuellen“ Funktionsschutzes aber verinnerlicht zu haben. Die richterliche Umsetzung dieses Gedankens, namentlich die faktische Adoption der Ablehnung der – eigentlich unbestrittenen202 – „Auch-Rechtsprechung“ zur Amtshaftung, ist freilich äußerst fragwürdig. Das OLG Frankfurt/M. etwa, das über einen Schadensersatzanspruch wegen Kursverlusten aufgrund amtspflichtwidriger Aussetzung des Börsenhandels durch die Geschäftsführung der Börse zu entscheiden hatte, beschied die Klage negativ203. Zur Begründung führte es an, die tatsächlich bestehende Amtspflicht, ___________ WpÜG, § 4 Rn. 43 f.; Zschocke, DB 2002, S. 79 (84); zu § 4 Abs. 2 WpHG Fürhoff/ Wölk, WM 1997, S. 449 (458); wohl auch Dreyling in Assmann/Schneider, WpHG, § 4 Rn. 25; zu § 6 Abs. 4 KWG a.F. Szagunn/Wohlschiess, KWG, § 6 Rn. 14; Bähre/ Schneider, KWG, § 6 Anm 4; Wondra, Staatshaftung, S. 135 ff.; Fülbier in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 6 Rn. 73; zu § 1 Abs. 4 BörsG a.F. Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 1-2c BörsG Rn. 20; Ehlers, Wirtschaftsaufsicht, S. 59 f. Für Verfassungswidrigkeit: zu § 4 Abs. 2 WpÜG Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 4 Rn. 17; zu § 4 Abs. 2 WpHG Geibel in Schäfer, WpHG, § 4 Rn. 26; zu § 6 Abs. 4 KWG Schenke/Ruthig, NJW 1994, S. 2324 (2326 f.); Gratias, NJW 2000, S. 786 (788); zu § 81 Abs. 1 S. 3 VAG Vespermann, Staatshaftung, S. 115 f.; Kollhosser in Prölss/Schmidt, VAG, § 81 Rn. 127, der aber eine verfassungskonforme Auslegung für möglich hält. 200 Zu § 4 Abs. 2 WpÜG: OLG Frankfurt/M. ZIP 2003, S. 1297 (1299) und S. 1392 (1394 f.); OLG Frankfurt/M. NZG 2003, S. 729 (729 ff.); krit. dazu Wagner, NZG 2003, S. 718 f.; auch das BVerfG (NJW 2004, S. 3031 f.) äußert keine Bedenken in dieser Hinsicht, hält wohl aber einen Anspruch auf Rechtsschutz am Verfahren nicht beteiligter Dritter für möglich, wenn eine verfassungsrechtlich schutzwürdige Rechtsposition in Frage steht; zu § 6 Abs. 4 KWG: OLG Köln ZIP 2001, S. 645 (647 ff.); LG Bonn NJW 2000, S. 815 (819 f.); zum BörsG OLG Frankfurt/M. ZIP 2001, S. 730 (731 f.). In diesem Sinne wohl auch das BVerfG, das den Schutzgesetzcharakter von §§ 15 WpHG, 88 BörsG, allerdings ohne Nennung der §§ 4 Abs. 2 WpHG, 1 Abs. 6 BörsG verneint, weil der Einzelne nur reflexartig als Teil der Gesamtanlegerschaft geschützt sei; vgl. BVerfG ZIP 2002, S. 1986 (1987 ff.); ebenso OLG München ZIP 2002, S. 1989 (1991, 1994 f.). 201 EuGH NJW 2004, S. 3479 (3480 f.); zum Vorlagebeschluss des BGH vgl. BGH NJW 2002, S. 2464 ff. 202 Vgl. 2. Kap. § 1 II. 1. 203 OLG Frankfurt/M. ZIP 2001, S. 730 ff. Der Kläger hatte Call-Optionen auf Aktien der X-AG erworben. Auf eine ad-hoc-Mitteilung der X-AG reagierte der Handel an der D-Börse mit fallenden Kurse für diese Optionsscheine. Um drohende Kursverluste zu vermeiden, wollte der Kläger die von ihm gehaltenen Optionsscheine verkaufen, was ihm nicht oder nur verzögert möglich war, da die Geschäftsführung der D-Börse den Handel mit Optionen der X-AG gemäß § 25 Abs. 1 BörsO für etwa fünf Stunden ausge-

§ 4 „Überindividueller“ Funktionsschutz

135

den Börsenhandel nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 BörsO auszusetzen, bestehe nicht gegenüber dem Kläger als geschütztem Dritten. Die Aussetzung des Börsenterminhandels bezwecke (auch) den Schutz des Publikums und damit den Schutz der Allgemeinheit, namentlich deren Interesses an Transparenz des Börsenhandels, Information sowie an der Bildung realistischer Börsenpreise und an stabiler Kursentwicklung. „Publikum“ – so das OLG – „sind nicht nur die jeweiligen Inhaber von an der Terminbörse gehandelten Kontrakten, sondern ebenso die interessierte Öffentlichkeit und auch potenzielle Anleger, die vor einer Kaufentscheidung stehen. Demgemäß zielt der Schutz des Publikums über den Schutz des einzelnen Anlegers hinausgehend auf breite Kreise der Bevölkerung in ihrer Gesamtheit, so dass eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten einzelnen Anleger nicht besteht. Vielmehr ist der Schutz des einzelnen Anlegers bei der Aussetzung des Börsenterminhandels ein bloßer Rechtsreflex.“204 Im Ergebnis kann man dem OLG Frankfurt/M. zwar durchaus zustimmen. Orientiert man sich am Maßstab der „individualisierbaren und qualifizierten Rücksichtnahme“ in der hier vertretenen strengen Form205, gehörte der Kläger nämlich nicht zum Kreis der „Dritten“, weil die Aussetzung des Handels unabhängig von konkreten Kontrakten angeordnet wird. Zweifelhaft ist indes die Begründung des OLG, denn danach ist der Kläger nur deshalb nicht „Dritter“, weil auch andere, namentlich die interessierte Öffentlichkeit und kaufwillige Anleger, (irgendwie) in den Schutzbereich der Amtspflicht einbezogen werden. Das Gericht bleibt allerdings bei der Feststellung, der Kläger sei nicht allein geschützt, stehen und untersucht gar nicht erst, ob eine „besondere Beziehung“ zwischen Kläger und verletzter Amtspflicht besteht, die den Kläger von den übrigen Anlegern bzw. der Allgemeinheit unterscheidet und abgrenzt. Es schafft vielmehr eine abstrakte Masse „Publikum“, also die Allgemeinheit, deren Schutz ausschließlich bezweckt sein soll. Der Schutz des Klägers, nun gesichtsloser Teil des Publikums, soll davon reflexartig miterfasst oder, um mit der Strukturtheorie zu sprechen, lediglich eine Komponente der überindividuellen Zielsetzung sein.

___________ setzt hatte. Der Kläger machte geltend, durch die pflichtwidrige Aussetzung des Handels habe er seine Optionsscheine nur zu niedrigeren Kursen verkaufen können und verlangte Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung in Höhe der Kursdifferenz. 204 Vgl. OLG Frankfurt/M. ZIP 2001, S. 730 (732); in diesem Sinne argumentiert das OLG nun auch für das WpÜG (vgl. OLG Frankfurt/M. ZIP 2003, S. 1297 (1298 f.). 205 Siehe 3. Kap. § 1 IV. 4. c.

136

4. Kap.: Regelungsgehalt und Reichweite des § 4 Abs. 2 WpÜG

§ 5 Zwischenergebnis: Rein objektivrechtliche Überwachung individualschützender Normen Ergebnis des 4. Kapitels ist, dass der Gesetzgeber die Schutz- und Interessenrichtung der Pflichten und Befugnisse der BAFin nach dem WpÜG dahingehend bestimmt, dass nicht der Schutz individueller Interessen, sondern allein der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte bezweckt ist. Individualschutz findet grundsätzlich nicht statt. Er folgt insoweit dem „überindividuellen“ Ansatz der sog. Strukturtheorie206. In Umsetzung dieses Verständnisses von der staatlichen Aufsicht wurde mit § 4 Abs. 2 WpÜG und den übrigen Klarstellungsnormen Regelungen geschaffen, die in Vorgriff auf die eigentlich im Rahmen der Schutznormlehre stattfindende Wertung eine klare Abgrenzung von öffentlichem Interesse und Individualinteressen zuungunsten letzterer leisten und dabei sowohl auf die haftungsrechtliche Frage der Drittbezogenheit von Amtspflichten als auch auf die Bestimmung subjektiv-öffentlicher Rechte abzielen207. Freilich hat sich der Gesetzgeber über die Reichweite der Klarstellungsnormen geirrt. In der Annahme, allein „Dritte“ auszuschließen, ist wohl übersehen worden, dass auch Bieter bzw. die jeweils Beaufsichtigten wegen der weitreichenden Geltung der Schutznormtheorie in den Wirkbereich dieser Normen einbezogen werden208. Ob und inwieweit dieser Makel „heilbar“ ist, soll sogleich hinterfragt werden. Dass lediglich der „dienende Charakter“ der Aufsicht negiert wird, heißt zugleich, dass der Schutzzweck überwachter Normen unberührt bleibt209. Die Klarstellungsnormen stehen daher weder der Begründung von Schutzgesetzen im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB210 noch der Entstehung privater subjektiver Rechte bzw. zivilrechtlicher Ansprüche entgegen. Insofern leuchtet auch die Zuweisung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten nach dem WpÜG an die Landgerichte (§ 66 Abs. 1 WpÜG) ein211. ___________ 206

Vgl. 4. Kap. § 4. Dazu 4. Kap. § 3 II. 4. 208 Siehe 4. Kap. § 3 III. 209 Vgl. 4. Kap. § 3 II. 2. b., 3. a. 210 A.A. Seibt/Heiser, ZHR 165 (2001), S. 466 (485); Tschauner in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 59 Rn. 79 ff. 211 So auch Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 35 Rn. 28, § 66 Rn. 4 ff.; Krause, NJW 2002, S. 705 (714); a.A. Schüppen/Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 66 Rn. 7, die den praktischen Anwendungsbereich von § 66 Abs. 1 WpÜG für sehr beschränkt halten, da das WpÜG gar keine subjektiven Rechte gewähre; zum zivilrechtlichen Rechtsschutz im Übernahmerecht Verse, ZIP 2004, S. 199 ff. 207

§ 5 Zwischenergebnis

137

Schlagwortartig lassen sich die bisherigen Ausführungen dahin zusammenfassen, dass die BAFin auch individuelle Interessen nur im öffentlichen Interesse, namentlich zum Schutz der Struktur der Wertpapiermärkte, wahrnimmt.

Fünftes Kapitel

Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG § 1 Handgreifliche Widersprüchlichkeit des WpÜG Zieht man nach den bisherigen Ausführungen ein Resümee, bietet sich ein überaus widersprüchliches Bild. Zum einen enthält das WpÜG eine ganze Reihe von Regelungen, denen man den individualschützenden Charakter nicht absprechen kann. Das Pflichtangebot (§ 35 WpÜG) schützt etwa die Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft gerade in ihrer Stellung als Minderheitsaktionäre, denen durch einen Kontrollwechsel ein Vermögensverlust droht. Die Angebotsunterlage und sie flankierende Informationspflichten des Bieters sollen die Entscheidungsnot der zur Entscheidung Berufenen lindern. Der durch das WpÜG vermittelte Schutz der Wertpapiermärkte basiert somit ganz wesentlich auf dem Schutz einzelner Anleger. Zudem sticht ins Auge, dass die BAFin zum Erlass gesellschafts- und vertragsrechtlich relevanter Verfügungen befugt ist, befindet sie doch über das „Ob“ eines Pflichtangebots und damit über ein gesellschaftsrechtliches Austrittsrecht der Minderheitsaktionäre. Überdies hängt die zivilrechtliche Wirksamkeit von Wertpapiererwerbsverträgen vom Ergehen einer Untersagungsverfügung (§ 15 WpÜG) ab. Gleichwohl meint § 4 Abs. 2 WpÜG, die BAFin nehme ihre Aufgaben und Befugnisse allein im öffentlichen Interesse wahr – Angebotsunterlagen sollen allein im Interesse der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte geprüft und untersagt werden; Gleiches gilt für etwaige Befreiungen von der Angebotspflicht. Der Staat will, obwohl er weitreichende Kompetenzen an sich zieht, für etwaige Konsequenzen nicht einstehen, will weder haften – Hopt spricht insoweit von „rechtsunwirksame(r) Verwahrung“1 – noch sich für sein Tun vor den Gerichten rechtfertigen müssen. Minderheitsaktionäre vermögen sich ebenso wenig gegen Befreiungsentscheidungen zu Gunsten eines kontrollierenden Aktionärs zur Wehr setzen wie verkaufswillige Zielgesellschaftsaktionäre dies gegen eine Untersagungsverfügung der BAFin tun könnten. Darüber hinaus – und das ist der Clou – wäre ein Bieter nicht in der Lage, Befreiungs- und Gestattungsansprüche prozessual durchzusetzen, denn ___________ 1

Hopt, ZHR 159 (1995), S. 135 (159).

§ 2 Nicht weiterführende, bisherige Ansätze der Literatur

139

das WpÜG gewährt nach dem hier vertretenen Verständnis von § 4 Abs. 2 WpÜG als umfassende Zweckbestimmung keinerlei klagbare subjektivöffentliche Rechte. Unübersehbar führte der gänzliche Ausschluss subjektivöffentlicher Rechte zu einem Rückfall in längst überwunden geglaubtes Verwaltungsrechtsdenken, denn beaufsichtigte Bieter wie auch Zielgesellschaftsaktionäre, über deren Rechte die BAFin möglicherweise entscheidet, verkämen letztlich zu bloßen Objekten behördlichen Handelns, zum Spielball der Wertpapieraufsicht2. Der Gesetzgeber scheint – zumindest im Rahmen der Wirtschaftsaufsicht – die „Subjektwerdung“ des Einzelnen regelrecht verschlafen zu haben. Dafür spricht jedenfalls, dass auch für § 4 Abs. 2 WpÜG der (ursprüngliche) § 6 Abs. 3 KWG Modell stand, dessen Einführung im Grunde auf einem Aufsichts-Verständnis aus der Zeit vor In-Kraft-Treten des Grundgesetzes beruht. Das vom damaligen Gesetzgeber ins Feld geführte „hergebrachte Verständnis“ entsprang nämlich insbesondere der Prä-Wetterstein-Judikatur, deren tragender Pfeiler der Beschluss des OLG Bremen von 1952 war, der sich wiederum auf reichsgerichtliche Rechtsprechung von 1931(!) stützte3. Die Widersprüchlichkeit des WpÜG ist jedenfalls handgreiflich. Wie lässt sie sich aber dogmatisch verorten?

§ 2 Nicht weiterführende, bisherige Ansätze der Literatur zur Begründung der Verfassungswidrigkeit

I. Keine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 2 GG) Nicht weiterführend ist der Rückgriff auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG). Ein dahingehender Vorwurf wurde erhoben, als der Gesetzgeber mit der Einführung des damaligen § 6 Abs. 3 KWG auf die neue Entwicklung in der Rechtsprechung des BGH zur Bankenaufsicht reagierte. Die Legislative greife in die Kompetenzen der dritten Gewalt ein, wenn sie ein durch sorgfältige Auslegung von Normen gewonnenes Ergebnis rückgängig mache4. Dieser Auffassung ist freilich entgegenzuhalten, dass die Klarstellungs___________ 2 Dazu grundlegend BVerwGE 1, S. 159 (160 ff.); zur ‚Objektformel‘ Herdegen in Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 33 ff. 3 OLG Bremen NJW 1953, S. 585 (586) und auch BGHZ 58, S. 96 (98), jeweils mit Verweis auf ein Urt. des RG vom 19.3. 1931; siehe auch die Nachweise in Fn. 76 im vierten Kapitel. 4 MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 251; Nüßgens, FS Gelzer, S. 293 (300).

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

normen die in Art. 20 Abs. 2, 3 GG niedergelegte Kontrollfunktion der dritten Gewalt nicht berühren und dass es insbesondere keine verfassungsrechtliche Garantie einer bestehenden, aus rechtsprechender Tätigkeit entstandenen Rechtslage gibt. Es ist vielmehr gerade die originäre Aufgabe des Gesetzgebers, Recht zu schaffen und zu verändern, mithin auch die Schutzrichtung von Gesetzen festzulegen5.

II. Kein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Gebot der Klarheit und Widerspruchsfreiheit der Gesetzgebung (Art. 20 Abs. 3 GG) 1. Gebot der Klarheit der Gesetzgebung Teilweise wird die Verfassungswidrigkeit der Klarstellungsnormen mit einem Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), insbesondere das Gebot der Rechtsklarheit und -bestimmtheit begründet. Rechtsklarheit meint Überschaubarkeit der Rechtsordnung und Erkennbarkeit staatlicher Normbefehle sowie geltender Regeln für den Einzelnen6. Jede Norm muss hinreichend bestimmt und klar gefasst sein7. Im Zusammenhang mit den Klarstellungsnormen wird dem Gesetzgeber vorgehalten, seine wahre Absicht, allein die Amtshaftung auszuschließen, durch eine Schutzzweckbestimmung zu verschleiern8. Dieser Vorwurf geht schon deswegen fehl, weil der Gesetzgeber mit den fraglichen Normen tatsächlich eine Schutzzweckbestimmung vornehmen will, die über die Frage der Haftung hinaus auch für die im Rahmen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes erforderliche Klagebefugnis Wirkung erlangen soll9.

___________ 5 OLG Köln ZIP 2001, S. 645 (647); Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 13; Cremer, JuS 2001, S. 643 (649); allg. zu Bedeutung und Funktion der drei Gewalten Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 62 ff.; Herzog in Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. V Rn. 1 ff. (Rn. 78 ff. zu den Zuständigkeiten der Legislative). 6 Benda, Der soziale Rechtsstaat, in Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 17 Rn. 14; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 348 ff. 7 BVerfGE 17, S. 306 (314). 8 Tönnies, Staatshaftung, S. 53 ff.; Vespermann, Staatshaftung, S. 116 f., 124. 9 4. Kap. § 3 II. 4.; siehe auch OLG Köln ZIP 2001, S. 645 (647 f.).

§ 2 Nicht weiterführende, bisherige Ansätze der Literatur

141

2. Widerspruchsfreiheit der Gesetzgebung Dem Rechtsstaatsprinzip entspringt auch die Auffassung, die Klarstellungsnormen seien in sich widersprüchlich, da sich ihre Aussage, die Aufsichtsbehörde handele nur im öffentlichen Interesse, nicht mit dem individualschützenden Charakter der überwachten Normen vereinbaren lasse10. Ausfluss der Rechtsklarheit ist in der Tat auch die Forderung nach der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, dies allerdings nur insoweit als die Widersprüchlichkeit für den Einzelnen nicht zu einer Ungewissheit über das für ihn maßgebliche Recht führen darf11. Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend in einer Entscheidung im Zusammenhang mit der kommunalen Verpackungsteuer den Grundsatz aufgestellt, das Rechtsstaatsprinzip verpflichte alle rechtsetzenden Organe, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machten12. Unter Zugrundelegung dieser verfassungsgerichtlichen Anforderungen an die Gesetzgebung lässt sich die Verfassungswidrigkeit der Klarstellungsnormen nicht aus dem Rechtsstaatsgebot herleiten. Anknüpfungspunkt der Entscheidung war ein Normwiderspruch, den das Bundesverfassungsgericht darin sah, dass die steuerliche Lenkung durch die Verpackungsteuer dem im Abfallrecht des Bundes verwirklichten und auf eine Zusammenarbeit von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft abzielenden Kooperationskonzept zuwiderläuft13. Ein derartiger Normwiderspruch liegt, wie oben im Rahmen der Frage der Spezialität gezeigt14, im WpÜG nicht vor. Die bemängelten Widersprüchlichkeiten ergeben sich nicht aus gegenläufigen Normbefehlen, sondern aus zwischen Gesetzgeber und Rechtsanwender divergierenden Auffassungen über den Schutzzweck der Aufsicht. Man kann dem Gesetzgeber insofern sehr wohl eine verfehlte Zwecksetzung ebenso vorwerfen wie einen verfassungsrechtlich bedenklichen Rückfall in längst überwunden geglaubtes Verwaltungsrechtsdenken, schien doch der Einzelne als „Objekt staatlichen Handelns“ seit der Für___________ 10 Tönnies, Staatshaftung, S. 61 f.; Vespermann, Staatshaftung, S. 128 f. jeweils für § 81 Abs. 1 S. 2 VAG a.F.; Cahn, WM 1998, S. 272 (274); Hopt ZHR 159 (1995), S. 135 (159); siehe auch Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (82 ff.); Habscheid, Staatshaftung, S. 86 ff. 11 Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 356. 12 BVerfGE 98, S. 106 (118 f.); siehe auch 98, S. 83 (97 f.); 98, S. 265 (301); dazu Fischer, JuS 1998, S. 1096 ff.; Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen, S. 22 ff. m.w.N. 13 Im Einzelnen BVerfGE 98, S. 106 (125 ff.). 14 4. Kap. § 3 III. 2. c.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

sorgeentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts15 der Vergangenheit anzugehören. Eine dem Gebot der Rechtsklarheit abträgliche Widersprüchlichkeit im Sinne der Konfrontation des Rechtsbetroffenen mit gegensätzlichen Regelungsgehalten kann allerdings nicht attestiert werden.

III. Kein Verstoß gegen Art. 34 GG Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen Art. 34 GG vor, der den Drittbezug von Amtspflichten nicht selbst schafft, sondern dessen anderweitige Begründung voraussetzt16. Mit Blick auf die verfassungsrechtliche Verankerung der Amtshaftung bestehen zudem keine Bedenken gegen die haftungsbegrenzende Wirkung der Klarstellungsnormen, weil allein die Bestimmung des Schutzzwecks einer Norm keinen umfassenden Haftungsausschluss zu leisten vermag. Die behördliche Pflicht zu rechtmäßigem Handeln lässt sich durch eine Regelung wie § 4 Abs. 2 WpÜG – die hier vertretene Interpretation als normative Schutzzweckbestimmung zugrunde gelegt – nicht „wegregulieren“, weil diese Pflicht unabhängig von der Interessenrichtung einer Norm besteht. Somit kann auch die Verletzung nur im öffentlichen Interesse bestehender Pflichten Amtshaftungsansprüche nach sich ziehen17. Einen Verstoß gegen Art. 34 GG müsste man allerdings dann bejahen, wenn man § 4 Abs. 2 WpÜG als völligen und undifferenzierten Haftungsausschluss deutet, denn überwiegende Gründe des Allgemeinwohls, die einen generellen Haftungsausschluss rechtfertigen könnten, sind im Rahmen der Wirtschaftsaufsicht nicht ersichtlich18.

IV. Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten? Zum Teil wird in den Klarstellungsnormen und dem mit ihnen einhergehenden Ausschluss des Drittbezugs von Amtspflichten eine Verletzung grundrechtlicher, insbesondere aus Art. 14 Abs. 1 GG folgender Schutzpflichten des Staates gesehen19. Dass grundrechtliche Schutzpflichten bestehen, ist unbestritten. ___________ 15

BVerwGE 1, S. 159 ff. OLG Köln ZIP 2001, S. 645 (649); Schenke/Ruthig, NJW 1994, S. 2324 (2326); Cremer, JuS 2001, S. 643 (649); zur a.A. Habscheid, Staatshaftung, S. 127 ff.; Nüßgens, FS Gelzer, S. 293 (300); MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 251. 17 4. Kap. § 3 III. 1. c.; a.A. etwa Kollhosser in Prölss/Schmidt, VAG, § 81 Rn. 127, der eine dahingehende verfassungskonforme Auslegung für notwendig erachtet. 18 Papier in Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 190; vgl. zu Art. 34 GG schon oben 4. Kap. § 3 III. 1. c. ee. 19 Etwa Schenke/Ruthig, NJW 1994, S. 2324 (2326 f.); Gratias, NJW 2000, S. 786 (788) zu § 6 Abs. 4 KWG. 16

§ 2 Nicht weiterführende, bisherige Ansätze der Literatur

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Freiheitsgrundrechte sind nämlich nicht nur Abwehrrechte gegen staatliche Beeinträchtigungen, sondern schaffen zugleich eine objektive Werteordnung, deren Schutz dem Staat obliegt20. Zur Erfüllung dieser Schutzpflichten hat der Gesetzgeber ausreichende Vorkehrungen normativer Art zu treffen, um unter Berücksichtigung insbesondere von Art und Rang der beteiligten Interessen, des Ausmaßes der drohenden Gefahren sowie der Fähigkeit des Gefährdeten zum Selbstschutz einen wirksamen und angemessenen Schutz der Grundrechte zu gewährleisten. Aus Art. 14 GG erwächst dem Gesetzgeber so beispielsweise die Aufgabe, eine Privatrechtsordnung bereitzustellen21. Zum Schutz des dem Art. 14 GG unterstellten Anteilseigentums22 ist speziell das Gesellschaftsrecht so auszugestalten, dass Minderheitsaktionäre gegen Missbrauch wirtschaftlicher Macht geschützt und unverhältnismäßige Beeinträchtigungen durch die Leitungsorgane oder Mitgesellschafter verhindert werden23. Allerdings schreiben die Grundrechte selbst keinen bestimmten Gesetzesinhalt vor. Dementsprechend lassen sich aus den Grundrechten keine konkreten Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise eine Pflicht zur Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte, ableiten. Vielmehr steht dem Gesetzgeber bei der Umsetzung seiner Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der – neben unter Umständen bestehenden europarechtlichen Maßgaben – durch das Untermaßverbot24 begrenzt ist. In diesem Rahmen kann der Gesetzgeber frei über die notwendigen Instrumentarien befinden und insbesondere auch darüber entscheiden, ob und inwieweit er subjektive Rechte gewähren will25. Zu gewährleisten ist ein verfassungsgebotener Mindeststandard an Grundrechtssicherheit. Verletzt sind grundrechtliche Schutzpflichten daher nur dann, wenn der Staat überhaupt keine Schutzvorkehrungen trifft oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen völlig ungeeignet oder unzureichend sind, das Schutzziel zu erreichen26. ___________ 20

St. Rspr. seit BVerfGE 39, S. 1 (42 ff.); siehe auch BVerfGE 92, S. 26 (46); 93, S. 1 (16); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 88 ff. m.w.N.; eingehend zu Begründung und Funktion grundrechtlicher Schutzpflichten Isensee, Das Grundrecht, in Isensee/ Kirchhof, HStR V, § 111 Rn. 77 ff. 21 BVerfGE 24, S. 367 (389); Depenheuer in Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rn. 96; siehe auch Canaris, JuS 1989, S. 161 (164 ff.). 22 BVerfGE 14, S. 263 (276 f.); 100, S. 289 (301 f.) m.w.N. 23 BVerfG AG 2001, S. 42 (42 ff.) m.w.N.; Jung, JZ 2001, S. 1004 (1014) m.w.N. 24 Dazu BVerfGE 88, S. 203 (254 ff., 259 ff.); Isensee, Das Grundrecht, in Isensee/ Kirchhof, HStR V, § 111 Rn. 165 f.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 813 f. m.w.N. 25 BVerfG NVwZ 2001, S. 908 (908); BVerfGE 92, S. 26 (46); Isensee, Das Grundrecht, in Isensee/Kirchhof, HStR V, § 111 Rn. 153 ff.; Depenheuer in Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 14 Rn. 97. 26 BVerfG 92, S. 26 (46) m.w.N.; Isensee, Das Grundrecht, in Isensee/Kirchhof, HStR V, § 111 Rn. 162.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

Vor diesem Hintergrund begegnet § 4 Abs. 2 WpÜG keinen prinzipiellen Bedenken. Eine rein objektiv-rechtlich wirkende Aufsicht ist zulässig, solange sie geeignet ist, den Schutz der Anteilseigner wirksam zu gewährleisten. Hinzukommt, dass § 4 Abs. 2 WpÜG nach hier vertretenem Verständnis die Schutzgesetzeigenschaft einzelner Normen des WpÜG unberührt lässt und deren Durchsetzung vor den Zivilgerichten nicht entgegensteht, wobei sich die Rechtsdurchsetzung im Einzelfall allerdings schwierig gestalten kann27. An der grundsätzlichen Zulässigkeit objektiv-rechtlicher Aufsichtstätigkeit ändert dies nichts; zu überdenken wären zunächst die prozessualen Möglichkeiten des Einzelnen.

§ 3 Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG

I. Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und § 4 Abs. 2 WpÜG als generelle Rechtswegsperre Das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet, dass (materielle) Grundrechte sowie (anderweitig begründete) einfach-rechtliche Rechte im gerichtlichen Verfahren zu tatsächlicher Wirksamkeit gebracht werden können28. Der Erkenntnis Rechnung tragend, dass Rechte erst dann effektiv sind, wenn sie im Konfliktfall auch durchgesetzt werden können, räumt Art. 19 Abs. 4 GG dem Einzelnen einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle ein. Die Rechtsschutzgarantie zielt damit, wie auch die materiellen Grundrechte, primär auf den einzelnen Menschen und seine Selbstverwirklichung ab. Eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG wurde im Zusammenhang mit den Klarstellungsnormen bislang mit der Begründung ausgeschieden, er regele allein den Zugang zu gerichtlicher Kontrolle, enthalte selbst aber keine Aussage über Bestehen oder Nichtbestehen von subjektiven Rechten; Art. 19 Abs. 4 GG

___________ 27

Näher dazu 5. Kap. § 3 III. 2. a. cc. 4. a. Allg. zur Bedeutung der Rechtsschutzgarantie etwa Schmidt-Aßmann in Maunz/ Dürig, GG, Art. 19 Abs. IV Rn. 1 ff.; Huber in Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 348 ff.; siehe auch BVerfGE 10, S. 264 (267); 35, S. 263 (274); 84, S. 34 (49). 28

§ 3 Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG

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verwehre dem Gesetzgeber insbesondere nicht, den Schutzzweck einzelner Gesetze festzulegen, Ansprüche zu versagen oder zu gewähren29. Ergebnis der Untersuchung im 4. Kapitel war, dass die Tätigkeit der jeweiligen Aufsichtsbehörde durch die Klarstellungsnormen vollständig objektiviert wird mit der Folge, dass – in der Sprache der Fürsorge-Entscheidung – die Betroffenen nur „Objekte staatlichen Handelns“ sind. Im Rahmen des WpÜG werden den Beteiligten an Übernahmeverfahren keinerlei subjektiv-öffentliche Rechte gewährt. Das gilt, wie oben gezeigt, nicht etwa nur für die Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft, konkurrierende Bieter oder die Zielgesellschaft selbst, sondern auch für beaufsichtigte Personen und Bieter. Nach Maßgabe des einfachen Rechts wäre ihnen der Rechtsweg unisono versperrt; Rechtsbehelfe wären wegen § 4 Abs. 2 WpÜG generell unzulässig30. Obwohl Art. 19 Abs. 4 GG tatsächlich keine subjektiven Rechte zu begründen vermag, rückt er doch wieder ins Rampenlicht, weil nämlich – erstens – durch § 4 Abs. 2 WpÜG die Durchsetzung der grundrechtlich geforderten Befreiungs- und Gestattungsansprüche beaufsichtigter Personen und Bieter gesperrt werden und weil – zweitens – die BAFin sowohl beim Zustandekommen von Wertpapiererwerbsverträgen als auch hinsichtlich des Austrittsrechts unter Umständen (privat-)rechtsgestaltend mitwirkt und dabei möglicherweise in bereits entstandene Rechtspositionen eingreift.

II. Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG wegen Sperrung der Bieter-Ansprüche Wie oben festgestellt, führt die konsequente, auf dem Verständnis der Strukturtheorie beruhende Anwendung des § 4 Abs. 2 WpÜG auf einfachgesetzlicher Ebene zum Ausschluss jeglicher Ansprüche gegen die BAFin, also auch derjenigen des Bieters etwa auf Befreiung von der Angebotspflicht (§ 37 WpÜG) oder auf Nichtberücksichtigung von Stimmrechten (§§ 20, 36 WpÜG). Der an sich naheliegende Rückgriff auf die Grundrechte des Bieters scheidet aus, denn tragendes Element der herrschenden Schutznormtheorie ist der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts31. Folgt man nicht der Adressatentheorie, wäre sogar die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen beispielsweise gegen die Untersagung einer Angebotsunterlage zweifelhaft, denn auch diese erfolgt gemäß § 4 ___________ 29 OLG Köln ZIP 2001, S. 645 (647); Schenke/Ruthig, NJW 1994, S. 2324 (2326); dazu auch BVerfGE 83, S. 182 (194 f.); BVerwGE 84, S. 375 (377); Schulze-Fielitz in Dreier, GG, I Art. 19 IV Rn. 43 m.w.N. 30 4. Kap. § 2 III. 31 2. Kap. § 2 III.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

Abs. 2 WpÜG allein im öffentlichen Interesse. Erweisen sich nun Gestattungsbeziehungsweise Befreiungsansprüche als verfassungsrechtlich zwingend geboten, wäre § 4 Abs. 2 WpÜG wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG sowie gegen die eine Subjektivierung der Normen fordernden Grundrechte, hier insbesondere Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG, verfassungswidrig, sofern Verfassungskonformität nicht anderweitig hergestellt werden kann. Die Sperrung von Ansprüchen Beaufsichtigter ist, darauf sei nochmals hingewiesen32, kein WpÜGspezifisches Problem, sondern tritt vielmehr in all jenen Aufsichtsgesetzen auf, die eine dem § 4 Abs. 2 WpÜG vergleichbare Regelung enthalten.

1. Ansprüche des Bieters als verfassungsrechtliche Notwendigkeit a) Anspruch auf Befreiung vom Pflichtangebot Dass der Bieter einen Anspruch auf Befreiung von der Angebotspflicht beziehungsweise auf Nichtberücksichtigung von Stimmrechten haben muss, ist im Grunde unstreitig und ergibt sich daraus, dass die ihm auferlegte Pflicht zur Abgabe eines Angebotes einen Eingriff in seine Privatautonomie, speziell in seine Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) oder, falls er seine Investments berufsmäßig tätigt, in seine Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), darstellt, der nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zulässig ist.

aa) Pflichtangebot als Eingriff in die Privatautonomie des Bieters Die Privatautonomie33, ein Grundpfeiler unserer Privatrechtsordnung, bedeutet und beinhaltet, dass dem Einzelnen die Möglichkeit eingeräumt ist, seine Rechtsverhältnisse selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu regeln. In den Art. 1, 2, 9, 12 sowie 14 GG verankert, gewährleistet sie neben der Vereinigungs-, Eigentums- und Testierfreiheit vor allem die vom BGB vorausgesetzte Vertragsfreiheit, und zwar als Abschluss- sowie als Gestaltungs- und Inhaltsfreiheit. Grundsätzlich können daher die Rechtssubjekte frei nach ihrem Willen Verträge schließen, müssen dies aber nicht (Abschlussfreiheit); tun sie es, können sie eigenverantwortlich wählen, mit welchem Inhalt sie den Vertrag in welcher Weise gestalten wollen (Gestaltungs- und Inhaltsfreiheit). ___________ 32

Vgl. oben 4. Kap. § 2 III. 4. b. Dazu BVerfGE 8, S. 274 (328); 89, S. 48 (61); 95, S. 267 (303 f.); Palandt-Heinrichs, BGB, 62 Aufl., Überbl v § 104 Rn. 1; Paulus/Zenker, JuS 2001, S. 1 (1 ff.). 33

§ 3 Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG

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In dieser Freiheit wird ein nach § 35 WpÜG zum Angebot verpflichteter Aktionär beschränkt, denn er wird einem Kontrahierungszwang unterworfen, der in ebenso evidenter wie gravierender Weise in seine Vertragsabschluss- und -gestaltungsfreiheit eingreift34. Gleiches gilt im Übrigen für das Abschlussverbot, welches sich im Falle der Untersagung eines Angebots aus § 26 Abs. 1 S. 1 WpÜG ergibt. Danach ist ein erneutes Angebot des Bieters vor Ablauf eines Jahres unzulässig (Vertragsabschlussverbot).

bb) Beschränkbarkeit der Privatautonomie Die Privatautonomie existiert nicht unbeschränkt, vielmehr kann mit gutem Grund gesagt werden, dass ihre Begrenzung gerade erforderlich ist, um Privatautonomie erst für jedermann im gebotenen Umfang zu gewährleisten. Vielfach bestehen Ungleichgewichte zwischen den Vertragsparteien, die beispielsweise auf Wissens- und Informationsvorsprüngen bzw. -defiziten oder auf unterschiedlichen individuellen Voraussetzungen und Fähigkeiten beruhen. Sie bedürfen eines Ausgleichs, da sonst offenkundig die Gefahr des Missbrauchs durch diejenigen bestünde, die etwa über bessere Informationen oder Rechtskenntnisse verfügen oder die die wirtschaftliche Macht haben, anderen nachteilige Gestaltungen über ein sozialadäquates Maß hinaus aufzuzwingen. Neben der Privatautonomie des einen Vertragspartners – als Grenze derjenigen des anderen – bestehen weitere Beschränkungen, die verschiedene Zwecke verfolgen. Genannt seien etwa der umfassende Vermögensschutz zu Gunsten Minderjähriger (§§ 106 ff., 131 Abs. 2 BGB) und der Schutz des anderen schwächeren Vertragsteils, vor allem von Mietern und Arbeitnehmern durch die Begrenzung von Kündigungsmöglichkeiten etwa in §§ 573 ff. BGB beziehungsweise im Kündigungsschutzgesetz. Schließlich sei noch auf den – mit Blick auf das Pflichtangebot besonders interessanten – Schutz beteiligter Minderheiten in Personenvereinigungen hingewiesen35.

cc) Verhältnismäßigkeit der Freiheitsbeschränkung Die Beschränkbarkeit der Grundrechte wird ihrerseits durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, der sowohl für die eingreifende Verwaltung als auch für den eingreifenden oder die Verwaltung zu Eingriffen ermächtigenden Gesetzgeber gilt. Beschränkungen von Freiheiten dürfen danach nicht wei___________ 34 35

Zum Kontrahierungszwang Kilian, AcP 180 (1980), S. 47 ff. Dazu insbesondere Schmidt K., Gesellschaftsrecht, S. 470 ff.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

tergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Das Pflichtangebot muss mithin nicht nur geeignet und erforderlich sein, die gesetzten, unter verfassungsrechtlichen Aspekten zweifellos zulässigen Ziele der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte und des Schutzes der Minderheitsaktionäre zu erreichen36. Es muss zudem verhältnismäßig im engeren Sinne, d.h. angemessen, sein. Ein Aktionär darf nur insoweit zur Abgabe eines Angebots verpflichtet werden, wie es zur Erreichung des angestrebten Funktions- und Minderheitenschutzes tatsächlich notwendig ist. Insbesondere sind die ebenfalls verfassungsrechtlich unterfangenen Interessen des Verpflichteten hinreichend zu berücksichtigen. Geht von einem Mehrheitsaktionär weder Gefahr für die übrigen Aktionäre noch für den Wertpapiermarkt aus oder überwiegen die ihm entstehenden Nachteile durch das zu unterbreitende Angebot, wäre die Angebotspflicht unverhältnismäßig und der Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die rechtstechnische Umsetzung dieser „Schranken-Schranke“ kann zum einen dadurch erfolgen, dass der Gesetzgeber die Pflicht von vornherein auf bestimmte, verfassungsrechtlich zu rechtfertigende Fälle begrenzt, was freilich bei komplexen Sachverhalten wie Unternehmensübernahmen Schwierigkeiten bereitet. Möglich ist aber auch, ausgehend von einer generellen Pflicht, Normen zu schaffen, die dem jeweils Verpflichteten dann einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Befreiung von der Pflicht einräumen, wenn der Zwang zur Abgabe eines Angebots unverhältnismäßig wäre. Das WpÜG verfolgt den letztgenannten Weg, indem es in § 35 WpÜG die grundsätzliche Pflicht zum Angebot statuiert und in §§ 20, 36 WpÜG zwingende Befreiungstatbestände beziehungsweise in § 37 WpÜG Befreiungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Diese Befreiungstatbestände müssen selbstverständlich, sollen sie nicht wirkungslos bleiben, gerichtlich durchsetzbar sein. Dem Verpflichteten ist daher ein dahingehender Anspruch, also ein subjektiv-öffentliches Recht einzuräumen, das er prozessual mit der Verpflichtungsklage oder -beschwerde verfolgen kann. Obwohl es hierbei um die Gewährung eines Anspruchs geht, kommen die Grundrechte insoweit nicht in ihrer Funktion als Leistungsrechte zum Tragen; die Befreiung ist vielmehr Konsequenz des Abwehrcharakters der Grundrechte37, der ein Recht darauf vermittelt, nicht mit Nachteilen belegt zu werden, die nicht durch die verfassungsmäßige Ordnung gedeckt sind38. ___________ 36 Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Pflichtangebots Geibel in Geibel/ Süßmann, WpÜG, § 35 Rn. 10 ff.; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 35 Rn. 31 ff. 37 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 62 f.; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1 Rn. 25. 38 BVerfGE 9, S. 83 (88); 29, S. 402 (408); BVerwGE 30, S. 191 (198).

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Nun hat der Gesetzgeber zwar Befreiungstatbestände und in § 48 Abs. 3 WpÜG den entsprechenden Rechtsbehelf geschaffen. Die notwendige Subjektivierung der Tatbestände in §§ 20, 36 f. WpÜG wird jedoch durch § 4 Abs. 2 WpÜG nach dem hier vertretenen Verständnis verhindert. Auch der Bieter kann sich nicht, wie etwa von § 48 Abs. 3 WpÜG gefordert, auf eine Norm des WpÜG berufen, die auch seinen Interessen zu dienen bestimmt ist. Wegen seiner lückenlosen Regelungswirkung hinsichtlich der Frage der Subjektivierung der Aufsichtsnormen versperrt § 4 Abs. 2 WpÜG zugleich den direkten Zugriff auf die Grundrechte zur Begründung der fraglichen Ansprüche (Vorrang des einfachen Rechts). Verpflichtungsrechtsbehelfe des Bieters wären demnach generell unzulässig.

b) Beschränkung der Vertragsfreiheit durch die Pflicht zur Angebotsunterlage Entsprechendes gilt im Übrigen für die Gestattung beziehungsweise Untersagung einer Angebotsunterlage. Abgesehen davon, dass das WpÜG beispielsweise zur Höhe der Gegenleistung (§ 31 WpÜG)39, zum Verbot von Teilangeboten (§ 32 WpÜG) oder etwa zur Verwendung von Bedingungen (§ 18 WpÜG) detaillierte Regelungen enthält, die den Bieter in seiner Inhalts- und Gestaltungsfreiheit beeinträchtigen, greift auch die Vorlage- und Veröffentlichungspflicht gemäß § 14 WpÜG in die Vertragsfreiheit des Bieters ein. Ob mit der vorgesehenen Prüfung der Angebotsunterlage ein Genehmigungsvorbehalt mit Kontrollfunktion40 verbunden ist, wird zwar unterschiedlich beurteilt. Feststeht jedenfalls, dass die Angebotsunterlage zu gestatten ist, sofern die Voraussetzungen vorliegen und der Bieter darüber hinaus einen Anspruch auf Fristverlängerung (vgl. § 14 Abs. 2 S. 3 WpÜG) haben muss, falls die Angebotsunterlage behebbare Mängel aufweist. Untersagungsermächtigungen und Formvorschriften sind jeweils vertragsfreiheitskonform zu interpretieren41. Dahingehende einfachgesetzliche Ansprüche hätte der Bieter wegen § 4 Abs. 2 WpÜG freilich nicht.

___________ 39

Mülbert, ZIP 2001, S. 1221 (1225) hält die Mindestpreisregeln für teilweise europarechtswidrig; krit. auch Letzel, BKR 2003, S. 293 (303). 40 Zu dessen Voraussetzungen vgl. BVerfGE 20, S. 150 (154 ff.); Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 15 Rn. 11 nehmen (contra legem) einen Genehmigungsvorbehalt an; dazu unten 5. Kap. § 3 III. 2. b. cc. (2). 41 Dies könnte insbesondere im Rahmen der Untersagung gemäß § 15 Abs. 2 WpÜG relevant werden; siehe auch BVerfG NJW 1999, S. 1853 (1854 f.).

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

2. Verfassungskonformität nicht herstellbar Dieses Ergebnis ist natürlich absurd und ist vom Gesetzgeber so auch nicht gewollt. Es ist indes der konsequenten Anwendung der Schutznormtheorie in Verbindung mit der undifferenzierten Umsetzung des gesetzgeberischen Vorhabens, Drittrechte gänzlich auszuschließen, geschuldet. Wie zu zeigen sein wird, lässt sich dieser gesetzgeberische „Fehlgriff“ weder durch einschränkende verfassungskonforme Auslegung des § 4 Abs. 2 WpÜG noch durch Norminterpretation praeter legem, hier in Gestalt der teleologischen Reduktion, beseitigen.

a) Keine verfassungskonforme Auslegung des § 4 Abs. 2 WpÜG42 aa) Notwendigkeit verfassungskonformer Auslegung Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, eine Norm erst dann als verfassungswidrig zu qualifizieren, wenn eine nach anerkannten Grundsätzen zulässige, mit der Verfassung vereinbare Auslegung gänzlich ausscheidet, wenn also die als verfassungswidrig erkannte Auslegung die „allein mögliche“ ist43. Zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeits- oder Nichtigkeitserklärung einer Norm ist daher stets nach einer Auslegung zu suchen, die im Einklang mit der Verfassung steht und bei der die Norm sinnvoll bleibt. Hat der Gesetzgeber etwa eine weitergehende Wirkung beabsichtigt, als sie nach der Verfassung zulässig ist, kann die Regelung im Interesse der Normerhaltung „verfassungskonform“ einschränkend ausgelegt werden, so dass von der Absicht des Gesetzgebers das Maximum dessen aufrecht erhalten wird, was nach der Verfassung aufrecht erhalten werden kann44.

___________ 42

Für verfassungskonforme Auslegung, freilich nur im Rahmen des Drittschutzes KöKo-Giesberts, WpÜG, § 4 Rn. 75 f.; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 4 Rn. 17; auch Kollhosser in Prölss/Schmidt, VAG, § 81 Rn. 127, allerdings nur bzgl. der Haftungsfrage; so wohl auch Cahn, WM 1998, S. 272 (274); Schneider S., BB 2001, S. 1214 (1219). 43 BVerfGE 2, S. 266 (282); 54, S. 251 (275); 64, S. 229 (242); 86, S. 288 (320); 88, S. 145 (166); 90, S. 263 (274 f.); Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 428 ff; Stuth in Umbach/Clemens, BVerfGG, § 78 Rn. 9 f. 44 BVerfGE 8, S. 28 (33 f.); 33, S. 52 (70); 86, S. 288 (320).

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bb) Grenzen der verfassungskonformen Auslegung Allerdings sind auch der verfassungskonformen Auslegung Grenzen gezogen, insbesondere setzt sie „eine auslegungsfähige Norm“ voraus, die „nach den üblichen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen zuläßt“.45 Die verfassungskonforme Auslegung muss sich daher, will sie Auslegung bleiben, im Rahmen des Wortlautes und des Zwecks der Norm oder des Gesetzes bewegen, sich mithin am objektivierten Willen des Gesetzgebers orientieren. Dementsprechend darf „einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt, das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.“46 Freilich strapaziert das Bundesverfassungsgericht die selbst gesteckten Grenzen zum Teil derart, dass durchaus fraglich ist, ob der (objektivierte) Gesetzgeberwille nicht doch verfehlt wird47. Ihn als maßgebendes Kriterium verwerfen zu wollen, hieße allerdings, die Ausnahme zur Regel zu machen, denn das Bundesverfassungsgericht handhabt das Instrument der verfassungskonformen Auslegung durchaus sorgfältig48. Grundsätzlich sind die Grenzen – Wortlaut und Zweck der Norm – daher anzuerkennen, was vor dem Hintergrund der herrschenden objektiven Auslegungstheorie49 nur konsequent ist und sich in der bundesverfassungsgerichtlichen Praxis zur verfassungskonformen Auslegung auch widerspiegelt, in der maßgeblich auf den Wortlaut und den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers beziehungsweise des Gesetzes abgestellt wird50. Die Absicht des Normgebers, die eine andere Auslegung nahe legen soll, muss im Wortlaut der Norm einen „objektivierten“ Niederschlag gefunden haben51. Existierten diese Auslegungsgrenzen nicht, gäbe es im Übrigen kaum verfassungswidrige Gesetze, denn sie könnten zumeist, auch gegen Wortlaut und ___________ 45

So ausdrücklich BVerfGE 48, S. 40 (45) m.w.N.; siehe auch BVerfGE 101, S. 106 (131). 46 BVerfGE 54, S. 277 (299) m.w.N.; 67, S. 186 (198); 71, S. 81 (105); 86, S. 288 (320); 88, S. 203 (331 ff.); 90, S. 263 (275); 95, S. 64 (93); 99, S. 129 (143); siehe auch Bleckmann, JuS 2002, S. 942 (946) m.w.N.; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 437 ff.; Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 1284 f. 47 Vgl. etwa BVerfGE 97, S. 169 (184 f.); 98, S. 1 (15 ff.); dazu auch Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 437 m.w.Bsp. 48 BVerfGE 71, S. 81 (105 f.); 83, S. 130 (142 ff.); Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 1285. 49 Siehe 4. Kap. § 3 II. 1. 50 So BVerfGE 54, S. 277 (299); 67, S. 382 (390); 69, S. 209 (219 f.); 71, S. 81 (105); 88, S. 203 (331 f.); 90, S. 263 (275); 95, S. 64 (93); 99, S. 341 (358); 102, S. 254 (341); siehe auch Bleckmann, JuS 2002, S. 942 (946) m.w.N. 51 BVerfGE 53, S. 135 (147); 47, S. 109 (127) m.w.N.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

Zweck, durch „Auslegung“ korrigiert werden52. Das Gericht würde sich dadurch allerdings an die Stelle des Gesetzgebers setzen und unter Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) dessen Kompetenzen an sich ziehen53.

cc) § 4 Abs. 2 WpÜG nicht verfassungskonform interpretierbar Eine verfassungskonforme (einschränkende) Auslegung des § 4 Abs. 2 WpÜG in dem Sinne, dass allein Drittrechte ausgeschlossen sind, scheidet nach alledem aus. Zum einen ist eine etwaige Beschränkung auf einen Drittrechtsausschluss im Wortlaut des § 4 Abs. 2 WpÜG nicht – auch nicht andeutungsweise – erkennbar; der überaus klare Wortlaut lässt keinen Auslegungsspielraum. Zum anderen entspräche eine solche Norminterpretation nicht dem Zweck der Klarstellungsnormen, namentlich der Bestimmung des Schutzzwecks sämtlicher Aufsichtsvorschriften des jeweiligen Gesetzes im Sinne der Schutznormlehre54. Eine Begrenzung der Normwirkung auf Drittrechte würde vielmehr das dahingehende, zweifelsfrei bestehende gesetzgeberische Bestreben unter Missachtung des erkennbaren Gesetzgeberwillens zum Normzweck erheben und bedeutete letztlich schlichte (Teil-)Derogation der Klarstellungsnormen55.

b) Keine Norminterpretation praeter legem (teleologische Reduktion) aa) Zulässigkeit der Auslegung praeter legem Die Verfassung steht einer den Wortlaut überschreitenden Auslegung allerdings nicht schlechthin entgegen. Die Befugnisse der Judikative erschöpfen sich nicht in der reinen Rechtsanwendung, d.h. in der wortlautgebundenen Ausle___________ 52

Zum Wortlaut als Grenze verfassungskonformer Auslegung auch Engisch, Einführung, S. 101 f. (Fn. 50) m.w.N.; Larenz, Methodenlehre, S. 340; Hochleitner/Wolf/ Großerichter, WM 2002, S. 529 (532); in diesem Sinne auch Schenke, FS Lorenz, S. 473 (482 f.) für § 81 Abs. 1 S. 2 VAG a.F. 53 Zu den Funktionsbereichen der drei Gewalten siehe etwa Herzog in Maunz/ Dürig, GG, Art. 20 Abschn. V Rn. 66 ff. 54 Siehe dazu 4. Kap. § 3 II. 4. 55 Gleiches gilt im Grunde für die von Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. IV Rn. 137 angeführte „verfassungsunmittelbare subjektiv-rechtliche Überformung“ von Ausschlussvorschriften wie § 123 Abs. 4 BauGB. Siehe dazu auch 4. Kap. § 3 II. 1. und 5.

§ 3 Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG

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gung von Gesetzen, sondern finden ihre Fortsetzung in der Möglichkeit der Rechtsfortbildung. Der Richter ist also nicht darauf beschränkt, gesetzgeberische Weisungen in den Grenzen des möglichen Wortsinns auf den Einzelfall anzuwenden. Vielmehr kann die rechtliche oder tatsächliche Entwicklung eine Norm oder ein Normgefüge lückenhaft werden lassen. Die Gerichte sind dann nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, diese Regelungslücken rechtsfortbildend zu schließen. Die Bindung an „Gesetz und Recht“ in Art. 20 Abs. 3 GG meint keine strikte Bindung an das positive Recht, sondern die Realisierung der der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen56.

bb) Grenze zur unzulässigen Auslegung contra legem Dieser Befugnis sind freilich Grenzen gezogen. Trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung bleibt es bei der Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz. Ein Hinwegsetzen über das Gesetz (Auslegung contra legem) bleibt unter dem Grundgesetz unzulässig57. Grenzen der Rechtsfortbildung ergeben sich aus eindeutig entgegenstehendem Wortlaut und Sinn einer Vorschrift. Setzt sich der Richter in Widerspruch zu einer bestehenden Norm, schiebt dadurch den erkennbaren Willen des Gesetzgebers beiseite und ersetzt ihn durch seine eigene Interessenabwägung, ist die Grenze zur unzulässigen Auslegung contra legem überschritten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass richterliche Rechtsfortbildung auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben soll, jeweils sorgfältiger Begründung bedarf und von der eigentlichen Funktion der Rechtsfortbildung, das positive Recht an den Wandel der Normsituation, d.h. der Lebensverhältnisse und des allgemeinen Rechtsbewusstseins anzupassen, geleitet sein muss.

___________ 56 BVerfGE 34, 269 (286 ff.); 82, S. 6 (11 f.); 98, S. 49 (59 f.); siehe auch SchulzeFielitz in Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Art. 20 Rn. 92 m.w.N.; Seidl, ZGR 1988, S. 296 (303 ff.). 57 Dazu und zum Folgenden BVerfGE 96, S. 375 (394 f.); 69, S. 315 (371 f.) m.w.N.; a.A. noch BVerfGE 34, S. 269 (284 f.); Seidl, ZGR 1988, S. 296 (307 ff.); Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 93 f.; Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 42 f. jeweils m.w.N. Ein Beispiel für eine Auslegung contra legem dürfte der BGH mit seiner richtlinienkonformen „Interpretation“ des § 5 Abs. 2 HWiG in BGH ZIP 2003, S. 64 (65) geliefert haben; so auch Hochleitner/Wolf/Großerichter, WM 2002, S. 529 (531 ff.); Piekenbrock/Schulze, WM 2002, S. 521 (526 ff.).

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

cc) Teleologische Reduktion als Instrument der Rechtsfortbildung Denkbar ist, die erforderliche Einschränkung des § 4 Abs. 2 WpÜG durch teleologische Reduktion zu erreichen, etwa mit der Erwägung, der Gesetzgeber habe allein Drittrechte ausschließen wollen. Teleologische Reduktion58 ist eine bundesverfassungsgerichtlich anerkannte59, durch das maßgebende Telos einer Norm abgesicherte Form der Rechtsfortbildung, die den Wortlaut der Norm bis auf deren tragenden Zweck zurücknimmt. Sie dient der Schließung von Gesetzeslücken, Konstellationen also, in denen ein Gesetz für eine bestimmte Fallgestaltung, die innerhalb seines Regelungsbereiches liegt, keine Regel enthält. Von einer „Lücke“ wird aber auch gesprochen, wenn ein Gesetz zwar eine nach ihrem möglichen Wortsinn anwendbare Regel enthält, diese sich aber nach ihrem Sinn und Zweck als für bestimmte Fallgestaltungen unpassend erweist. Eine in diesem Sinne zu weit gefasste gesetzliche Regel muss auf den ihr nach dem Regelungszweck oder dem Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt werden und bedarf daher entgegen ihrem Wortsinn, aber gemäß der immanenten Teleologie einer Einschränkung. Da diese im Gesetzestext gerade fehlt, spricht man auch von einer „verdeckten Lücke“60. Einprägsamstes Beispiel einer teleologischen Reduktion zur Schließung einer verdeckten Lücke ist wohl § 181 BGB, der – von zwei Ausnahmen abgesehen – dem Vertreter den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit sich selbst (sog. Selbstkontrahieren) verbietet. Bezweckt ist der Schutz des Vertretenen, weil die Gefahr besteht, dass der Vertreter seine Interessen über die des Vertretenen stellt. Dieser Schutzzweck ist indes dann nicht berührt, wenn der Vertreter durch das Rechtsgeschäft dem Vertretenen ausschließlich einen rechtlichen Vorteil zuwendet. § 181 BGB würde zu dem befremdlichen Ergebnis führen, dass etwa Eltern ihren geschäftsunfähigen Kindern keine Geschenke machen könnten, ohne einen Pfleger einzuschalten. Die Vorschrift wird daher dahingehend (teleologisch) reduziert, dass sie nicht auf Rechtsgeschäfte anzuwenden ist, die dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen.61 Teleologische Reduktion kommt also immer dann zum Zuge, wenn der Zweck einer Norm im konkreten, vom Wortlaut noch erfassten Fall nicht greift. ___________ 58 Grundlegend dazu Brandenburg, Teleologische Reduktion; Larenz, Methodenlehre, S. 377 ff. 59 BVerfGE 88, S. 145 (167). 60 Zippelius, Methodenlehre, S. 61 ff.; Bydlinski, Methodenlehre, S. 480; Larenz, Methodenlehre, S. 391 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 210 ff.; zum Begriff der Lücke siehe insbes. Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff.; Engisch, Einführung, S. 175 ff. m.w.N.; kritisch allerdings Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 60 ff. 61 BGHZ 59, S. 236 (240); 94, S. 232 (235 f.); dazu auch Larenz, Methodenlehre, S. 393 f.

§ 3 Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG

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Sie bedeutet Einschränkung der Norm durch den ihr zugehörigen Normzweck. Ihr Anliegen ist, den Widerspruch zwischen Normtext und der ratio legis zu lösen; ihre Rechtfertigung liegt in dem Gebot der Gerechtigkeit, Ungleiches ungleich zu behandeln. Eine dahingehende Differenzierung kann geboten sein durch Sinn und Zweck der einzuschränkenden Norm selbst, durch den, andernfalls nicht erreichbaren, vorrangigen Zweck einer anderen Norm, durch die „Natur der Sache“ oder aber durch ein dem Gesetz immanentes, vorrangiges Prinzip62. Ziel teleologischer Reduktion ist mithin norm- bzw. gesetzesimmanente Wortlautpräzisierung zur Gewährleistung sinn- und zweckgemäßer Normausführung und zur Beseitigung normativer und prinzipieller Widersprüche im Regelungsgefüge63. Sie ist jedoch kein Mittel zu gesetzesändernder Normkorrektur. Dies stünde dem Richter nicht zu. Die Zulässigkeit teleologischer Reduktion hängt vielmehr von der Erhaltung der Bindung des Richters an das Gesetz ab. Die Grenzen liegen daher dort, wo der Richter bestehende Normierungen inhaltlich verändert oder Normen gar derogiert64.

dd) § 4 Abs. 2 WpÜG nicht teleologisch reduzierbar Abgesehen davon, dass im Falle des am 1. Januar 2002 in Kraft getreten WpÜG und dessen § 4 Abs. 2 WpÜG von einem Wandel der Normsituation keine Rede sein kann, führen auch teleologische Erwägungen nicht zur gewünschten Einschränkung der Norm. Zweck des § 4 Abs. 2 WpÜG und der übrigen Klarstellungsnormen ist, wie im 4. Kapitel herausgearbeitet, die Zweckbestimmung bezüglich der die Aufsichtsbehörden verpflichtenden Normen im Sinne der Schutznormlehre. Auf diese Weise soll die Aufsichtstätigkeit vollständig objektiviert und dadurch die verwaltungsgerichtlich geforderte Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) sowie die amtshaftungsrechtliche Drittbezogenheit begrenzt werden. Dieser Zweck greift bei beaufsichtigten Subjekten ebenso, denn die Schutznormlehre wirkt auch in bipolaren Verwaltungsrechtsverhältnissen, nach der neueren Lehre sogar in Anfechtungssituationen65. Auch sie müssen sich, um etwa klagebefugt zu sein, auf eine Norm berufen können, die ihren Interessen zu dienen bestimmt ist.

___________ 62 Larenz, Methodenlehre, S. 392; im Einzelnen Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 35 ff. 63 Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 35 ff.; auch Canaris, Die Feststellung, S. 82 ff. 64 Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 71 ff. 65 Dazu 4. Kap. § 2 III. 4. a.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

Etwas anderes könnte wiederum nur dann gelten, wenn man den Zweck des § 4 Abs. 2 WpÜG auf den Drittrechtsausschluss beschränkte, was, wie gezeigt, unter der objektiven Auslegungstheorie nicht zulässig ist. Die Anwendung des § 4 Abs. 2 WpÜG auf beaufsichtigte Bieter ist daher keineswegs zweckwidrig, wohl aber verfassungswidrig. Die zu beseitigende „Lücke“ ergibt sich nicht aus der immanenten Teleologie des WpÜG, sondern aus verfassungsrechtlichen Zwängen. Ihre Schließung muss jenseits des Spielfeldes der teleologischen Reduktion geschehen. Andernfalls würde man das Gebot verfassungskonformer Gesetzgebung zum Normzweck erheben; es gäbe dann schlechterdings keine verfassungswidrigen Normen mehr.

3. Ergebnis: § 4 Abs. 2 WpÜG verfassungswidrig wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG bezüglich Beaufsichtigter Im Ergebnis sperrt § 4 Abs. 2 WpÜG als eindeutig individualschutzverneinende Norm die gemäß Art. 19 Abs. 4 GG notwendige Eröffnung des Rechtsweges zur Durchsetzung verfassungsrechtlich, insbesondere durch Art. 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG gebotener Ansprüche der beaufsichtigten Bieter und verhindert damit zugleich die von diesen Grundrechten geforderte Subjektivierung der Befreiungs- und Gestattungstatbestände des WpÜG. § 4 Abs. 2 WpÜG ist insoweit verfassungswidrig. Der direkte Rückgriff auf die Grundrechte ist, wie mehrfach betont, versperrt. Mit der herrschenden Meinung ist von einem generellen Anwendungsvorrang unterverfassungsrechtlicher Normen und Ansprüche gegenüber den Grundrechten auszugehen66. Wegen der eindeutigen, individualschutzverneinenden Äußerung des Gesetzgebers in § 4 Abs. 2 WpÜG kommt die normexterne Wirkung der Grundrechte nicht zur Geltung; das Regelungssystem ist insoweit nicht lückenhaft. Das vom Gesetzgeber verfolgte Konzept einer rein objektiven Aufsicht scheitert danach bereits deshalb, weil es wegen der absoluten und statischen Ausgrenzung von Individualinteressen nicht geeignet oder in der Lage ist, den längst geschehenen Wandel hin zur subjektiv-rechtlich geprägten Rechtswirklichkeit nachzuvollziehen. Eine Wirtschaftsaufsicht mit „vorrechtlichen, überindividuellen Bezügen“67 muss immer dort auf ihre (rechtsstaatlichen) Grenzen

___________ 66 67

Vgl. dazu 2. Kap. § 2 III. So Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 14.

§ 3 Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG

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stoßen, wo sie grundrechtlicher Freiheitsgewährung unterfallendes Terrain betritt68.

III. Verfassungswidrigkeit wegen des generellen Drittrechtsausschlusses 1. Problem der Privatrechtsrelevanz des Handelns der BAFin Wie gezeigt, ist „Dritten“, insbesondere den Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft, der Rechtsweg gegen Verfügungen der BAFin durch § 4 Abs. 2 WpÜG generell verschlossen. Sie könnten sich etwa gegen die Untersagung einer Angebotsunterlage oder die Befreiung einer Person von der Angebotspflicht nicht zur Wehr setzen; dahingehende Rechtsbehelfe wären mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) grundsätzlich unzulässig. Problematisch ist dies u.a. deshalb, weil die BAFin im Rahmen des WpÜG unter Umständen auch (privat-)rechtsgestaltend tätig wird. Zum einen hängt nämlich die zivilrechtliche Wirksamkeit von Wertpapiererwerbsverträgen davon ab, ob die BAFin ein Angebot gemäß § 15 Abs. 1, 2 WpÜG untersagt und somit die Nichtigkeitsfolge des § 15 Abs. 3 WpÜG herbeiführt. Zum anderen entscheidet die Bundesanstalt darüber, ob ein Großaktionär ein Pflichtangebot abgeben muss oder nicht; Befreiungsverfügungen gemäß §§ 20, 36, 37 WpÜG wirken sich damit unmittelbar auf ein zwischen Groß- und Minderheitsaktionär, d.h. zwischen Privatrechtssubjekten, bestehendes Pflichtengefüge aus. Greift die BAFin durch ihre Verfügungen in bestehende Rechtspositionen ein, gebietet Art. 19 Abs. 4 GG die Eröffnung des Rechtsweges zu Gunsten der Rechtsinhaber, im Falle des WpÜG der Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft. Der eben dies verhindernde § 4 Abs. 2 WpÜG wäre dann auch insoweit verfassungswidrig. Das geschilderte Problem der Privatrechtsrelevanz behördlichen Handelns ist das Resultat der unreflektierten Übernahme des (damaligen) § 6 Abs. 3 KWG in andere Aufsichtsgesetze. Ungeachtet inhaltlicher und struktureller Unterschiede hat der Gesetzgeber die Ausschlussvorschrift aus dem KWG im Grunde unbesehen zunächst in das VAG, das WpHG, das BörsG und schließlich in das kapital-, zivil- und gesellschaftsrechtlich durchmischte WpÜG69 übernommen, obwohl der § 6 Abs. 3 KWG ursprünglich nur als „eine Ausnahmevorschrift, die ___________ 68

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und inwieweit das zu § 4 Abs. 2 WpÜG Gesagtes auch für Klarstellungsnormen in anderen Aufsichtsgesetzen – § 6 Abs. 4 KWG a.F, § 4 Abs. 2 WpHG a.F. (beide nun § 4 Abs. 4 FinDAG), § 1 Abs. 6 BörsG sowie § 81 Abs. 1 S. 3 VAG – gilt. 69 Dazu oben 3. Kap. § 1 IV. 4. a. und § 2 IV. 1. c.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

ausschließlich auf den besonderen, mit anderen Rechtsgebieten nicht vergleichbaren Gegebenheiten des Bankenaufsichtsrechts beruht“, konzipiert war70. Starke – Begründer der Strukturtheorie71 – stützte seine Kritik am Wetterstein-Urteil des BGH72 übrigens noch ganz maßgeblich darauf, dass das KWG – „entsprechend der volkswirtschaftlichen Grundbestimmung der Bankenaufsicht“ – keinerlei Zuständigkeiten des BAKred gegenüber Gläubigern (Kunden) der Kreditinstitute statuiere. Das KWG gehe vielmehr nur von einem Rechtsverhältnis zwischen der Aufsichtsbehörde und Kreditinstituten aus. „Kontakt zwischen der Aufsichtsbehörde und den Kunden der Kreditinstitute besteh(e) nicht.“ Es sei „auch allgemein anerkannt, daß ein Verstoß von Bankgeschäften gegen die (Ordnungs-)Vorschriften des KWG nicht etwa zu einer bürgerlichrechtlichen Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts i.S. von § 134 BGB führt, und daß aufsichtsmäßig unzulässige [...] Bankgeschäfte gleichwohl zivilrechtlich gültig sind.“ Das KWG betreffe „lediglich ein internes öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem BAKred und den vom KWG erfaßten Kreditinstituten, und das Gesetz greift ausdrücklich in die nach allgemeinem Bürgerlichen Recht (§ 305 BGB) bestehende Freiheit der Vertragsgestaltung zwischen Kunden und Kreditinstitut nicht ein.“ Das KWG enthalte nicht einmal „halbzwingend(e) Normen für das Vertragsrecht“. Insbesondere sei es dem BAK verwehrt, „Aufsichtsnormen mit verbindlicher bürgerlich-rechtlicher Wirkung gegenüber den Rechtsgeschäften zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden aufzustellen oder durchzusetzen“.73 Anders im WpÜG, das nicht nur inhaltliche Vorgaben für Angebotsunterlagen liefert, sondern in § 15 Abs. 3 S. 1 WpÜG ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB sowie in S. 2 eine (zivilrechtliche) Nichtigkeitsanordnung enthält. Den Verfügungen der BAFin kann daher sehr wohl zivilrechtliche Wirkung zukommen74. ___________ 70 Bericht des Finanzausschusses zur 3. KWG-Novelle in BT-Drs. 10/2510, S. 2. Symptomatisch für den undifferenzierten Einsatz der Ausschlussnormen ist die Aussage, es sei „nicht nachvollziehbar, warum dem Bundesamt für den Wertpapierhandel nicht das gleiche zustehen soll, wie dem Bundesamt für das Kreditwesen gemäß § 6 Abs. 3 KWG und dem Bundesamt für das Versicherungswesen gemäß § 81 Abs. 2 VAG (Anm: gemeint ist § 81 Abs. 1 S. 2): Das Tätigwerden ausschließlich im öffentlichen Interesse.“ (So Weisgerber/Jütten, Zw. Finanzmarktförderungsgesetz, S. 14). 71 4. Kap. § 4 II. 72 Dazu Starke, WM 1979, S. 1402 (1408). 73 Siehe zur (fehlenden) Privatrechtsrelevanz auch Szagunn/Wohlschiess, KWG, § 3 Rn. 8 m.w.N., § 32 Rn. 21; Bähre/Schneider, KWG, § 32 Anm. 8; Fülbier in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 6 Rn. 32 f. m.w.N. 74 Das Problem stellt sich in gleicher Weise im Rahmen des VAG, dessen § 81a S. 2 das BAV ermächtigt, Geschäftspläne mit Wirkung für bestehende oder noch nicht ab-

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2. Möglichkeit der Rechtsverletzung i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG Verletzbare „Rechte“ im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG sind nicht nur die Grundrechte, sondern sämtliche subjektiven Rechte, gleichgültig, ob sie im öffentlichen Recht, einschließlich dem Recht der EU oder im Privatrecht positiviert oder durch Rechtsgeschäft begründet worden sind75. Im Rahmen des WpÜG können sich mögliche Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit etwaigen Befreiungen vom Pflichtangebot sowie mit der Untersagung von Wertpapiererwerbsverträgen ergeben, sofern Verfügungen der BAFin in bestehende Rechtspositionen eingreifen76. Da sich § 4 Abs. 2 WpÜG nach Wortlaut, Sinn und Zweck allein auf „Aufgaben und Befugnisse“ der BAFin, nicht aber auf den Inhalt der zu überwachenden Normen bezieht, steht er der Begründung privater Rechtspositionen nicht entgegen77.

a) „Vereitelung“ des Pflichtangebots als Eingriff aa) § 35 WpÜG – privatrechtliche Anspruchsnorm § 35 WpÜG verpflichtet den Kontrollaktionär durch Auferlegung eines Kontrahierungszwangs und berechtigt im Gegenzug die Minderheitsaktionäre, räumt ihnen einen (privatrechtlichen) Anspruch auf Abschluss eines Wertpapiererwerbsvertrages ein. Es mag vielleicht zunächst verwundern, dass das Übernahmegesetz zivilrechtliche Ansprüche vermitteln soll, liegt ihm doch ein kapitalmarktrechtlicher Regelungsansatz zugrunde. Wie gezeigt, verbindet das WpÜG jedoch, an der Schnittstelle zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht liegend, Elemente beider Rechtsgebiete; das Pflichtangebot wird rechtssystematisch dem Aktienkonzernrecht zugerechnet78. ___________ gewickelte Versicherungsverhältnisse zu ändern oder aufzuheben; vgl. dazu Kollhosser in Prölss/Schmidt, VAG, § 81a Rn. 12; Fahr/Kaulbach, VAG, § 81a Rn. 4, die betroffene Versicherungsnehmer übrigens trotz § 81 Abs. 1 S. 3 VAG ohne weiteres für klagebefugt halten. 75 Schulze-Fielitz in Dreier, GG I, Art. 19 IV Rn. 43 m.w.N.; Krebs in Münch/Kunig, GG I, Art. 19 IV Rn. 59; Papier, Rechtsschutz, in Isensee/Kirchhof, HStR VI, § 154 Rn. 39. 76 Für ausgeschlossen halten dies etwa Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 36 Rn. 10 und Schüppen/Schweizer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 41 Rn. 25. 77 Siehe zur a.A. Stögmüller in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 41 Rn. 13, § 66 Rn. 8. 78 Siehe 3. Kap. § 2 IV. 1. c.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

Die Zuordnung des § 35 WpÜG zum Privatrecht wird bestätigt, wenn man sich die zur Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht entwickelten Kriterien besieht. Diese sind freilich seit jeher problematisch und streitbefangen. Es existieren zahlreiche Ansätze, von denen allerdings keiner eine zuverlässige, trennscharfe Abgrenzung zu leisten vermag. Die drei im Folgenden kurz vorgestellten Theorien haben in diesem Zusammenhang die größte Bedeutung erlangt79. Die Interessentheorie, nach der öffentliches Recht die dem öffentlichen Interesse, Privatrecht die dem Individualinteresse dienenden Rechtssätze sind, hat sich nie zu einer echten Abgrenzungstheorie verdichtet. Der Grund, warum dieser Ansatz kaum vertreten, seine stete Existenz vielmehr als „Ausdruck von Sentimentalität“ verstanden wird80, ist mit Blick auf die Grundaussage der Strukturtheorie aber besonders bedeutsam. Der gegen die Interessentheorie erhobene Vorwurf lautet nämlich, die von ihr zugrunde gelegte Gleichsetzung von öffentlichem Interesse und öffentlichem Recht beziehungsweise Privatrecht und privatem Interesse gehe an der Realität wie an der Normativität des heutigen Staates völlig vorbei, denn viele öffentlich-rechtliche Vorschriften verfolgen sowohl öffentliche Interessen als auch Privatinteressen81. Die Subordinationstheorie (Subjektionstheorie)82 stellt auf das Verhältnis der Beteiligten zueinander ab. Das öffentliche Recht werde durch das Verhältnis der Über- und Unterordnung, das Privatrecht durch das der Gleichordnung gekennzeichnet. Typisch für das öffentliche Recht sei deshalb der einseitig, mit Zwang verbundene Befehl, etwa durch Gesetz oder Verwaltungsakt. Für das Privatrecht hingegen sei das auf der Willensautonomie beruhende Rechtsgeschäft typisches Gestaltungsmittel. Die Zuordnungstheorie (modifizierte Subjektstheorie, Sonderechtstheorie)83 schließlich fragt nach den Zuordnungssubjekten der einzelnen Rechtssätze. Dem öffentlichen Recht gehören demnach die Rechtssätze an, die sich nur an den Staat oder einen sonstigen Träger hoheitlicher Gewalt wenden, dem Privatrecht sind dagegen die für jedermann geltenden Rechtssätze zuzurechnen, wobei auch der Staat ein „Jedermann“ sein kann. Letztlich bleibt die Qualifizierung einer Norm als öffentlich- oder privatrechtlich Interpretationsaufgabe. Die Abgrenzungstheorie konnte sich bisher jedenfalls nicht etablieren. In der Literatur besteht vielmehr überwiegend die Auf___________ 79

Zum Ganzen Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rn. 11; Maurer, Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 14 ff.; Peine, Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 41 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 22 Rn. 13 ff.; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 52 ff. alle m.w.N. 80 So jedenfalls Peine, Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 41 f. 81 Peine, Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 42; Erichsen, Jura 1982, S. 537 (538) m.w.N. 82 Siehe etwa Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 113 f.; dazu auch Erichsen, Jura 1982, S. 537 (539) m.w.N. 83 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 22 Rn. 27; auch Erichsen, Jura 1982, S. 537 (539) m.w.N.

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fassung, dass die einzelnen Theorien nur Orientierungshilfen und Anhaltspunkte bieten und im Einzelfall je nach Eignung anzuwenden sind84. Auch in der Rechtsprechung erlangten die Theorien bisher keinen tragenden Charakter85. Im Regelfall teilt eine Norm den – ebenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Gesamtcharakter des Gesetzes, in dem sie enthalten ist. Das führt freilich im Falle des WpÜG nicht weiter, da es sich zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht bewegt und ein Gesamtcharakter mithin nicht feststellbar ist. Das ist allerdings nichts Ungewöhnliches, wie das Beispiel des GWB zeigt. Für die Zuordnung des § 35 WpÜG zum Privatrecht spricht entscheidend, dass er an das Verhältnis der Gesellschafter untereinander anknüpft und Probleme des Bürger-Bürger-Verhältnisses regelmäßig von privatrechtlichen Normen geregelt werden86. Im Sinne der Sonderrechtstheorie richtet sich § 35 WpÜG an „jedermann“, namentlich an jeden kontrollierenden Aktionär sowie jeden Zielgesellschaftsaktionär. Auch die Subordinationstheorie müsste den privatrechtlichen Charakter des Pflichtangebots bejahen, denn, obwohl dem Mehrheitsaktionär ein Kontrahierungszwang auferlegt wird, fehlt doch das für eine Über-/Unterordnung erforderliche Moment hoheitlichen Zwangs. Auch die umwandlungsund konzernrechtlichen „Austrittsregelungen“ in § 29 UmwG bzw. § 305 AktG sind im Übrigen Regelungen des Privatrechts und als solche der Zivilgerichtsbarkeit zugewiesen87. § 35 WpÜG ist mithin dem Privatrecht zuzurechnen und vermittelt den Minderheitsaktionären einen gerichtlich durchsetzbaren zivilrechtlichen Anspruch auf Abschluss eines Wertpapiererwerbsvertrages88. ___________ 84 Maurer, Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 19 ff.; Peine, Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 44 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 22 Rn. 24 ff.; Manssen hält den Versuch, einen rechtswissenschaftlichen Begriff des öffentlichen oder des privaten Rechts zu gewinnen, für aussichtslos (Privatrechtsgestaltung, S. 100). 85 Siehe dazu die ausführliche Rechtsprechungsanalyse bei Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 75 ff. m.w.N. 86 BVerfGE 42, S. 20 (31); Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 124; Barbey, VersR 1985, S. 101 (107). 87 Vgl. §§ 306 UmwG, § 306 AktG; zu den dortigen Angebotszwängen 3. Kap. § 2 IV. 1. d. Dem Zivilrecht werden etwa auch Kontrahierungszwänge aufgrund des GWB (§§ 26 Abs. 2, 35 GWB) zugeordnet; dazu Gamm, Kartellrecht, § 26 Rn. 74 ff.; Scholz, U., Kontrahierungszwang, S. 101 ff. 88 An der Klagbarkeit des Pflichtangebots und der Prozessführungsbefugnis der Minderheitsaktionäre hinsichtlich eines an sie gerichteten Angebots bestehen keine Zweifel. Die Klagbarkeit privater Rechte fehlt nur ausnahmsweise, etwa im Falle unvollkommener Verbindlichkeiten (vgl. etwa §§ 656, 762 BGB und dazu Palandt-Heinrichs, BGB 62. Aufl., Einl v § 241 Rn. 10; Palandt-Sprau, BGB, 62. Aufl., § 656 Rn. 2, § 762 Rn. 5). Die Prozessführungsbefugnis steht im Zivilprozess grundsätzlich dem aus der objektiven Rechtslage Begünstigten zu (dazu etwa Hartmann in Baumbach/Lauterbach, Grdz § 50 Rn. 21 ff.; Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, § 51 Rn. 20 ff.); Siehe dazu auch Röhl, Rechtslehre, S. 373.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

bb) Anspruch aus § 35 WpÜG als Eigentum i.S.d. Art. 14 GG Die Minderheitsaktionäre erlangen durch § 35 WpÜG eine vermögenswerte Rechtsposition, namentlich einen Anspruch auf Abschluss eines Wertpapiererwerbsvertrages, die dem Schutz des Art. 14 GG unterfällt89. (1) Verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff Art. 14 GG definiert nicht ausdrücklich, was unter Eigentum zu verstehen ist. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Eigentumsgarantie, dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu erhalten und dem Einzelnen damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen90, sieht das Bundesverfassungsgericht die wesentlichen Merkmale des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums darin, dass es sich um ein subjektives, vermögenswertes Recht handelt, das dem Berechtigten von der objektiven Rechtsordnung ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet ist91. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff geht damit deutlich über das dem § 903 BGB zugrunde liegende „Eigentum“ hinaus und erfasst etwa auch schuldrechtliche Ansprüche, wenn und sobald sie dem Anspruchsinhaber als „sein Recht“ – zur eigenen Disposition – zugeordnet sind92. Geschützt werden allerdings nur konkrete subjektive Rechtspositionen, die dem Rechtssubjekt schon zustehen, also bereits entstanden sind. Rechte oder Anwartschaften, auf die kein rechtlich gesicherter Anspruch besteht, deren Entstehung also noch ungewiss ist und die deshalb wirtschaftlich betrachtet bloße Chancen, Interessen oder Verdienstmöglichkeiten darstellen, unterfallen daher nicht der Eigentumsgarantie93.

___________ 89 A.A. OLG Frankfurt/M. NZG 2003, S. 729 (731); KöKo-Giesberts, WpÜG, § 4 Rn. 80. 90 BVerfGE 68, S. 193 (222) m.w.N. 91 st. Rspr; vgl. nur BVerfGE 58, S. 300 (335 f.) – „Naßauskiesungsbeschluß“; siehe auch Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rn. 24 ff.; Depenheuer in Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14 Rn. 50 ff.; Leisner, Eigentum, S. 33 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 149 ff. m.w.N.; Rozek, Eigentumsbindung, S. 42 ff. 92 BVerfGE 42, S. 263 (293 f.); 45, S. 142 (179); 68, S. 193 (222); 70, S. 278 (285); 83, S. 201 (208 ff.); 97, S. 350 (370 f.); Papier in Maunz/ Dürig, GG, Art. 14 Rn. 201; Depenheuer in Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14 Rn. 156; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rn. 30; Leisner, Eigentum, S. 37 ff.; Rozek, Eigentumsbindung, S. 47. 93 BVerfGE 20, S. 31 (34); 28, S. 119 (141 f.); 68, S. 193 (222 f.); 78, 205, 211 f.; BGHZ 117, S. 236 (237).

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(2) Pflichtangebot als verfestigte, vermögenswerte Rechtsposition Ausgehend von diesen Vorgaben ist der Anspruch der Minderheitsaktionäre auf Abgabe eines Pflichtangebots als grundrechtlich geschützte Eigentumsposition zu qualifizieren. Die Angebotspflicht ist als subjektives Recht ausgestaltet, kraft dessen die Aktionäre ihre Anteile abgeben und im Gegenzug eine Geldleistung bzw. andere Wertpapiere fordern können. Dass es sich zunächst nur um einen Anspruch auf Abschluss eines Wertpapiererwerbsvertrages handelt, aus dem sich die genannten Ansprüche erst ergeben, ändert an dieser Beurteilung nichts. Entscheidend ist, dass die Angebotspflicht und der korrespondierende Anspruch nach der Konzeption des § 35 WpÜG zwingend mit Eintritt der Kontrollsituation entstehen. Das Erreichen der Kontrollschwelle erfüllt bereits alle rechtsbegründenden Merkmale; zur Entstehung der Verpflichtung bedarf es weder einer Genehmigung noch des Eintritts einer sonstigen Bedingung. Das Zustandekommen der Verträge hängt allein von der Entscheidung der Aktionäre ab94. Eben darin liegt der Charme eines Austrittsrechts95. Man könnte die Stellung der Aktionäre mit dem zivilrechtlichen Anwartschaftsrecht96 vergleichen, tatsächlich ist ihre Rechtsposition aber stärker, da das Zustandekommen des Vertrages nicht vom Eintritt oder Ausfall einer Bedingung, d.h. eines zukünftigen, ungewissen Ereignisses, sondern allein von ihrer Entscheidung, das Angebot anzunehmen, abhängt. Aus dem Recht auf Austritt gegen Abfindung ergibt sich zugleich der Vermögenswert dieser Rechtsposition, der sich unter Rückgriff auf die „angemessene Gegenleistung“, die der Bieter den Aktionären anzubieten hat (vgl. §§ 31 Abs. 1 S. 1, 39 WpÜG), recht „genau“ bestimmen lässt. Die Verfestigung dieser Position manifestiert sich deutlich darin, dass die Missachtung der Angebotspflicht nicht nur bußgeldbewehrt ist (§ 60 Abs. 1 Nr. 2a WpÜG), sondern auch zum Verlust der Rechte aus den dem Bieter gehörenden oder zuzurechnenden Aktien führt (§ 59 WpÜG) und insbesondere einen Zinsanspruch der Minderheitsaktionäre begründet (§ 38 WpÜG), der im Übrigen seinerseits selbst eine entziehbare vermögenswerte Rechtsposition i.S.d. Art. 14 GG darstellt. Zweifel an der Verfestigung des Anspruchs zu einer eigentumsgrundrechtlich relevanten Rechtsposition könnten sich allenfalls ergeben, weil sich das Pflichtangebot von vornherein den Befreiungstatbeständen der §§ 20, 36 f. WpÜG ausgesetzt sieht. Mit der „Theorie der gesetzlich bedingten, ursprünglichen Be___________ 94 In diesem Sinne auch BVerfGE 83, 201 (208 f.) für ein gesetzliches Vorkaufsrecht zumindest nach Eintritt des Vorkaufsfalls; Depenheuer in Mangoldt/Klein/Starck, GG I, Art. 14 Rn. 67. 95 So auch Hommelhoff/Witt in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 35 Rn. 50. 96 Dazu insbes. MüKo-Westermann, BGB, § 161 Rn. 2 ff.

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standsschwäche des Eigentums“97 könnte man etwa argumentieren, der Anspruch verfestige sich nicht zur schutzwürdigen Eigentumsposition, da er durch Verfügung der BAFin ohnehin jederzeit wieder entziehbar ist. Er sei den Minderheitsaktionären deshalb noch nicht „zur eigenen Disposition zugeordnet“. Die Vertreter dieser Ansicht stellen maßgeblich darauf ab, dass Art. 14 GG in hohem Maße auf einfachgesetzliche Ausgestaltung angewiesen ist, denn erst das einfache Recht begründet das Eigentum als Recht98. Daher soll auch die Diskussion des Bestandsschutzes auf die einfachgesetzliche Ebene verlagert werden. Von Art. 14 GG geschützte Rechtspositionen entstehen hiernach nur innerhalb der durch das gesamte Normensystem ausgeformten Rechtsordnung99. Diese Auffassung hat sich jedoch nicht durchgesetzt, denn nach heute allgemeiner Auffassung, genießen bestehende, obligatorische Rechtspositionen grundsätzlich den Schutz des Art. 14 GG100. Sie würde auch eine Abkehr vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff bedeuten und letztlich den Wirkbereich der Eigentumsgarantie zumindest erheblich verengen. Fraglich wäre nämlich, in welchem Maße überhaupt noch eigentumsgrundrechtliche Eingriffe denkbar sind. Bei Beeinträchtigungen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes müsste die konsequente Anwendung der Theorie von der Bestandsschwäche jedenfalls bereits das Vorliegen einer schutzwürdigen Eigentumsposition verneinen101. Schließlich ist noch festzuhalten, dass der eigentumsgrundrechtliche Schutz der Aktionäre nicht dadurch relativiert wird, dass eine Befreiungsverfügung zeitlich vor der Kontrollerlangung ergeht. Zulässig ist, einen Befreiungs- oder Nichtberücksichtigungsantrag gemäß §§ 20, 36 f. WpÜG i.V.m. § 8 WpÜGAngVO schon vor Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle zu stellen, sofern bereits eine gewisse zeitliche Nähe zum Kontrollerwerb besteht, dieser also voraussehbar ist102. Unproblematisch ist der Fall, dass die Befreiung erst nach Kontrollerlangung erteilt wird. Insofern besteht kein Unterschied zur Antragstellung nach Kontrollerlangung, denn die Angebotspflicht entsteht trotzdem, allenfalls ___________ 97 Engelhardt, BayVBl. 1991, S. 279 (279); Bogdandy, VerwArch 83 (1992), S. 53 (87); Scholz, Entflechtung, S. 169; vgl. dazu auch Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 227 f. m.w.N. Speziell für das WpÜG argumentiert Cahn, ZHR 167 (2003), S. 262 (287) in diesem Sinne. 98 BVerfGE 24, S. 367 (389); 58, S. 300 (335 f.). 99 Engelhardt, BayVBl. 1991, S. 279 (279). 100 Vgl. nur BVerfGE 42, S. 263 (294); 83, S. 201 (208); Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 229 m.w.N. 101 Siehe auch Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 227 ff. 102 Hommelhoff/Witt in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 36 Rn. 24, § 37 Rn. 25; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 36 Rn. 4, § 37 Rn. 7; siehe auch Fuhrmann/Oltmanns, NZG 2003, S. 17 (18); a.A. Lenz/Behnke, BKR 2003, S. 43 (50).

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könnte man ein Ruhen der Pflichten aus § 35 Abs. 1, 2 WpÜG annehmen103. Denkbar ist jedoch auch, dass die Befreiungsverfügung schon im Vorfeld der Kontrollerlangung ergeht. Die Angebotspflicht entsteht dann erst gar nicht. Wegen der Nähe zum Kontrollwechsel und angesichts des Zwecks des Pflichtangebots, der Minderheit bei einem Kontrollwechsel den Austritt zu ermöglichen, wird man die Position der Minderheitsaktionäre dennoch als bereits zu einer vermögenswerten Rechtsposition erstarkt ansehen müssen. Zumal – das Festhalten an den Stimmrechtserwerbsplänen sowie das tatsächliche Erreichen der 30%-Schwelle vorausgesetzt – das Entstehen der Angebotspflicht nicht mehr in der Hand des Bieters liegt104.

cc) Möglichkeit der Rechtsverletzung durch an Bieter gerichtete Befreiungsverfügung Stellt das Pflichtangebot eine eigentumsgrundrechtlich geschützte Rechtsposition der Minderheitsaktionäre dar, ergibt sich die Möglichkeit der Rechtsverletzung aus der Möglichkeit ihrer rechtswidrigen Entziehung durch Befreiungsverfügungen der BAFin, die als Aufsichtsbehörde natürlich „öffentliche Gewalt“ i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG105 ist. An einen Bieter gerichtete Befreiungsverfügungen führen nämlich im Ergebnis zum Verlust des Anspruchs der Aktionäre auf Abschluss eines Wertpapiererwerbsvertrages. Dies geschieht gemäß § 37 WpÜG direkt durch die Aufhebung einer bestehenden Angebotspflicht bzw. nach §§ 20, 36 WpÜG mittelbar durch die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten. Mithin kann die BAFin in ein „Recht“ der Aktionäre eingreifen. (1) Weiter Eingriffsbegriff „Eingriff“ ist grundsätzlich jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht. Neben klassischen Eingriffen, d.h. Verbote aussprechenden, den Erfolg final herbeiführenden, unmittelbar wirkenden Hoheitsakten, erfasst dieser moderne weite Eingriffsbegriff auch andere, von der öffentlichen Gewalt ausgehende Beeinträchtigungen, wie etwa Realakte oder andere nur mittelbar ___________ 103

Meyer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 36 Rn. 4 ff., § 37 Rn. 15 ff.; a.A. Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 35 Rn. 16, 36 Rn. 4; Harbarth, ZIP 2002, S. 321 (328). 104 Siehe zur ansatzweise vergleichbaren Situation des Vorkaufsrechts vor Eintritt des Vorkaufsfalls Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz, S. 518; offengelassen von BVerfGE 83, 201 (211). 105 Zur „öffentlichen Gewalt“ i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG Schmidt-Aßmann in Maunz/ Dürig, GG, Art. 19 IV GG Rn. 45 ff.

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wirkende Maßnahmen106. Obwohl sich hoheitliche Akte regelmäßig an die Grundrechtsinhaber selbst richten, können sie zugleich auch Grundrechte Dritter beeinträchtigen107. Ein Eingriff liegt dann auch im Verhältnis zu dem Dritten vor, so etwa bei begünstigenden Verwaltungsakten mit belastender Drittwirkung (sog. Verwaltungsakte mit Doppelwirkung). An den Bieter gerichtete Befreiungsverfügungen können demnach auch Eingriffe zu Lasten der Zielgesellschaftsaktionäre sein. (2) Befreiungsverfügungen der BAFin als privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte Die Befreiungsverfügungen der BAFin sind Verwaltungsakte mit privatrechtsgestaltendem Charakter108. In Abgrenzung zu nur feststellenden Verwaltungsakten zeichnet gestaltende Verwaltungsakte aus, dass sie ein konkretes Rechtsverhältnis begründen, abändern oder aufheben bzw. eine etwaige (Neu-)Gestaltung versagen109. Von gestaltenden Verwaltungsakten im weiteren Sinne spricht man insbesondere bei Verfügungen, z.B. polizeilicher Natur oder Zahlungsaufforderungen in Steuerbescheiden, die ein Ver- oder Gebot ausdrücken, das gegebenenfalls im Verwaltungsvollstreckungsverfahren durchgesetzt werden kann. Gestaltende Verwaltungsakte im engeren Sinne beschränken sich dagegen auf die Begründung, Beendigung oder Veränderung eines Rechtsverhältnisses, gleich ob öffentlich- oder privatrechtlich. Den im hiesigen Zusammenhang interessierenden privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt definiert Manssen in seiner grundlegenden Arbeit zur „Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt“ als öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden, hoheitlichen Rechtsakt, der unmittelbar die privatrechtliche Rechtsfähigkeit begründet oder aufhebt; privatrechtsgestaltend ist ein Verwaltungsakt auch dann, wenn er unmittelbar auf ein privates Rechtsgeschäft bzw. das privatrechtliche Rechte- und Pflichtensystem dergestalt abzielt, dass er eine Änderung der Privatrechtslage final herbeiführt oder eine vom Gesetz vorgesehene rechtlich notwendige Bedingung für die Umgestaltung der privatrechtlichen Rechtslage ist110. Manssen nennt drei alternative Kriterien, die einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt charakterisieren. Erstens versetzt er ein privatrechtliches Rechtsgeschäft unmittelbar in ___________ 106

BVerwGE 90, 112, 119 ff.; Dreier in Dreier, GG, Vorb. Rn. 80 ff. BVerfGE 85, S. 191 (205 f.); 13, S. 230 (232 f.). 108 So auch Ihrig, ZHR 167 (2003), S. 315 (341 f.); Wagner, NZG 2003, S. 718 (719); a.A. Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 36 Rn. 10; Schüppen/Schweizer in Haarmann/ Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 41 Rn. 25. 109 BVerwGE 59, S. 5 (7 f.); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 46 Rn. 2 ff. 110 Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 20 ff., 32. 107

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den Zustand der Wirksamkeit oder der Unwirksamkeit bzw. kann ohne ihn ein privatrechtliches Rechtsgeschäft nicht wirksam abgeschlossen werden. Zweitens: Der Hoheitsakt erkennt ein privatrechtliches Recht zu- oder ab, hebt eine privatrechtliche Pflicht auf, befreit von ihr oder führt eine entsprechende Modifizierung herbei. Schließlich handelt es sich um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt, wenn er, drittens, unmittelbar über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit privatrechtlichen Verhaltens entscheidet111. Diese Kriterien werden z.B. erfüllt von Vertrags- und Auflassungsgenehmigungen wie etwa in § 19 BauGB112, bei der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts (§§ 24 ff. BauGB)113, bei der Geschäftsplanänderung gemäß § 81a S. 2 VAG114, durch das Zustimmungserfordernis zur Kündigung des Arbeitgebers nach §§ 15, 21 SchwbG115, aber auch durch kartellrechtliche Genehmigungserfordernisse116. Keine privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakte im beschriebenen Sinne sind hingegen Akte, die konzeptionell auf den Innenbereich des Adressaten beschränkt bleiben sollen, wie beispielsweise das Kreditverbot nach § 46 KWG117 oder die Nichtgenehmigung von Geschäftsplanänderungen gemäß § 13 VAG118. Legt man die Definition Manssens zugrunde, sind Verfügungen der BAFin nach §§ 20, 36 f. WpÜG zweifelsohne als privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte zu qualifizieren, befreien sie doch den Bieter von der grundsätzlich bestehenden (privatrechtlichen) Angebotspflicht und erkennen den Minderheitsaktionären zugleich ein (privatrechtliches) Recht, namentlich den Anspruch auf Abgabe des Pflichtangebots, ab. Mit Blick auf die Problematik eingeschränkten Rechtsschutzes verneinen Steinmeyer/Häger allerdings den privatrechtsgestaltenden Charakter der Verfügungen nach §§ 20, 36 f. WpÜG119. Minderheitsaktionäre könnten das Pflichtangebot trotz Bestehens einer Nichtberücksichtigungsverfügung vor einem Zivilgericht einklagen, das nicht an die Verfügung der BAFin ___________ 111 Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 32 ff.; siehe auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 46 Rn. 5 jeweils m.w.N.; Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in Erichsen/Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rn. 21. 112 Steiner, DVBl. 1981, S. 348 (350 f.) m.w.N.; a.A. BVerwGE 54, S. 257 (262). 113 VGH Mannheim NVwZ 1992, S. 898 (898 f.); BayVGH BayVBl. 1994, S. 657 (658). 114 BVerwG VersR 1969, S. 25 (26); siehe Fn. 74 in diesem Kapitel. 115 BVerwGE 91, S. 7 (9). 116 Etwa §§ 2 ff., 17 f. GWB; eingehend dazu Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 307 ff. 117 BGH NJW 1990, S. 1356 (1357). 118 BVerwG VersR 1969, S. 25 (26); Schmidt in Prölss/Schmidt, VAG, § 13 Rn. 13. 119 Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 36 Rn. 10; so auch das OLG Frankfurt/M. ZIP 2003, S. 1297 (1298); a.A. jedoch Seibt, ZIP 2003, S. 1865 (1875 f.); siehe hierzu auch Uechtritz/Wirth, WM 2004, S. 410 (416 f.).

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gebunden wäre. Abgesehen davon, dass sich der Regelungscharakter eines Verwaltungsaktes120, zumal ohne gesetzlichen Anknüpfungspunkt, nicht qua Fiktion beseitigen lässt, begründete diese Ansicht eine gekünstelt wirkende Aufspaltung in ein kapitalmarktrechtliches und ein gesellschaftsrechtliches Pflichtangebot, die dem Ziel des WpÜG, der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte, völlig entgegenliefe. Die Aufsichtsfunktion der BAFin würde jedenfalls im Ergebnis leer laufen, wenn ihre Entscheidungen auf dem Zivilrechtswege revidiert werden könnten. (3) Vollzug einer Inhalts- und Schrankenbestimmung Im Rahmen des Art. 14 GG stellt sich das besondere Problem, bei der Qualität der Beeinträchtigung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) einerseits und Enteignungen (Art. 14 Abs. 3 GG) andererseits unterscheiden zu müssen. Gemäß der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist Wesensmerkmal einer Enteignung der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen, der auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet ist121. Entscheidendes Kennzeichen ist danach der Entzug einer Rechtsposition und der dadurch bewirkte Rechts- und Vermögensverlust; ein Güterbeschaffungsvorgang ist hingegen nicht erforderlich122. Legt man diesen Enteignungsbegriff zugrunde, könnte man in den Befreiungen durchaus eine Enteignung der Minderheitsaktionäre sehen, denn der in § 35 WpÜG verkörperte Anspruch wird durch die Befreiungsverfügung vollständig entzogen. Das wäre freilich – ganz abgesehen von den Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der ermächtigenden Vorschriften und der Frage der Entschädigung – mit dem Grundgedanken des Pflichtangebots, es nur eingreifen zu lassen, wenn es tatsächlich erforderlich ist, nicht zu vereinbaren. Näherliegender und überzeugender ist daher die Annahme eines Vollzugsaktes, mit dem gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen durch die Verwaltung konkretisiert werden. Die Abgrenzung der Enteignung vom bloßem Vollzug inhalts- und schrankenbestimmender Gesetze durch exekutivistischen Einzelakt erweist sich als äußerst problematisch, zeichnen sich doch beide durch den konkret___________ 120 Zur Bindung auch der Zivilgerichte an Verfügungen der BAFin: Ihrig, ZHR 167 (2003), S. 315 (343); Cahn, ZHR 167 (2003), S. 262 (294); siehe auch BGH NJW 1991, S. 700 (701). 121 So zuletzt BVerfGE 100, S. 226 (239 f.) m.w.N.; dazu Papier, DVBl. 2000, S. 1398 (1399); siehe auch Jarass in Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 70 ff.; Rozek, Eigentumsbindung, S. 141 ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 26 ff., 37 ff.; Wieland in Dreier, GG, Art. 14 Rn. 69 ff. jeweils m.w.N. 122 BVerfGE 83, S. 201 (211); eingehend dazu Lege, NJW 1993, S. 2565 (2566 f.).

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individuellen Entzug einer Rechtsposition aus. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien zum Enteignungsbegriff sind jedenfalls nur wenig hilfreich123. Diese Abgrenzung muss hier indes nicht abschließend behandelt werden. Sie kann vielmehr offen bleiben, denn entscheidend ist im vorliegenden Kontext allein die Möglichkeit einer Rechtsverletzung der Aktionäre. Diese liegt bei der Annahme einer Enteignung auf der Hand, denn der Anspruch wird vollständig entzogen. Geht man von einem eine Inhaltsbestimmung vollziehenden Akt aus, bedarf es allerdings näheren Hinsehens. Befugnisse des Eigentümers sowie Gegenstand und Umfang des von Art. 14 GG geleisteten Bestandsschutzes ergeben sich nämlich erst aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen, die Eigentümerstellung regelnden Gesetze124. Es steht dem Gesetzgeber daher auch grundsätzlich frei, zunächst eine vollwertige Rechtsposition zu schaffen, diese dann aber mit gewissen Einschränkungen zu versehen, im Ergebnis also eine von Beginn an nur eingeschränkte Rechtsposition einzuräumen125. Der Begünstigte erwirbt dementsprechend nur „labiles“, nämlich mit einer Entziehungsmöglichkeit belastetes Eigentum126. Einer privaten Rechtsstellung etwa, die aufgrund einer widerruflichen behördlichen Erlaubnis geschaffen worden ist, kommt daher nur insoweit Eigentumsschutz zu, als die Erlaubnis nicht nach Maßgabe des öffentlichen Rechts (rechtmäßig) widerrufen werden kann. Art. 14 GG vermag insoweit keinen besonderen, die Verwaltungsrechtsordnung überspielenden Bestandsschutz zu leisten. Die „Labilität“ des Eigentums ist allerdings relativ. Eine Rechtsposition ist nur soweit dem Bestandsschutz entzogen wie die Inhaltsbestimmung reicht. Allein die Existenz zur Entziehung ermächtigender Vorschriften führt nicht zur Versagung des grundrechtlichen Eigentumsschutzes schlechthin. Nur die rechtmäßig angewandte Inhalts- und Schrankenbestimmung aktualisiert die „Labilität“ des Eigentums und stellt keinen eigentumsgrundrechtlichen Eingriff dar. Vollzugsakte müssen daher selbst rechtmäßig sein, insbesondere muss von bestehenden Beurteilungs- und Ermessensspielräumen im Lichte von Art. 14 Abs. 1, 2 GG Gebrauch gemacht werden127. Dementsprechend ergibt sich die Möglichkeit der Rechtsverletzung aus der rechts- oder zweckwidrigen Vollziehung der Inhaltsbestimmung.

___________ 123 Rozek, Eigentumsbindung, S. 157 f. m.w.N.; Lege, Zwangskontrakt, S. 48 ff., 50; Pietzcker, JuS 1991, S. 369 (371). 124 Siehe nur BVerfGE 58, S. 300 (336). 125 BVerfGE 49, S. 382 (393). 126 Friauf, WiVerw 1989, S. 121 (142); Papier in Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 105 f.; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rn. 97 m.w.N. 127 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 946; Papier in Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 110.

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(4) Alternative Regelungskonzeptionen zur Vermeidung der Privatrechtsgestaltung? Die vorgeführte Argumentation basiert ganz wesentlich darauf, dass § 35 WpÜG den Minderheitsaktionären grundsätzlich bei Überschreiten der Kontrollschwelle einen zivilrechtlichen Anspruch vermittelt, den die BAFin durch ihre Verfügungen entzieht. Fraglich ist, ob sich dieser Mechanismus und die mit ihm einhergehende Privatrechtsgestaltung durch ein anderes Regelungskonzept umgehen ließe. Denkbar wäre etwa die Schaffung von Tatbeständen, bei deren Vorliegen die Angebotspflicht kraft Gesetzes entfällt128. Das mag im Falle der Befreiungstatbestände der §§ 20, 36 WpÜG noch machbar sein. Da die dort vorgesehene Befreiung ohnehin zwingend ist, läge eine Regelung nahe, nach der in den genannten Fällen die Angebotspflicht nicht begründet wird. Äußerst problematisch, wenn nicht sogar unmöglich, ist indes die vollständige normative Einbettung der Konstellationen, auf die § 37 WpÜG abzielt. Diese Regelung trägt gerade der Komplexität des Feldes der Unternehmensübernahmen und der Tatsache Rechnung, dass es ganz maßgeblich auf die Situation in der jeweiligen Zielgesellschaft ankommt. Eine – wie vom Gesetzgeber vorgesehene – Ermächtigung zur Entscheidung im Einzelfall ist praktisch wohl unumgänglich. Zu bedenken ist auch, dass der Gesetzgeber mit der gewählten Regelungstechnik gerade die wirksame Kontrolle durch die BAFin zu gewährleisten sucht. (a) Europarechtliche Vorgaben Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist ohnehin sehr begrenzt. Das Pflichtangebot ist nämlich fester Bestandteil der europäischen Richtlinie für Übernahmeangebote. So sehr um die Richtlinie auch gestritten wurde, das Pflichtangebot war und ist eine fixe Komponente, die nicht mehr zur Debatte steht. Es gehört faktisch zum Standard des europäischen Kapitalmarktes. Dementsprechend haben die Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie dafür zu sorgen, dass im Falle der Kontrollerlangung durch einen Aktionär „diese Person zum Schutz der Minderheitsaktionäre dieser Gesellschaft zur Abgabe eines Angebots verpflichtet ist. Dieses Angebot wird unverzüglich allen Wertpapierinhabern für alle ihre Wertpapiere zu einem im Sinne des Absatzes 4 angemessenen Preis unterbreitet.“ Ob sich bereits aus der Richtlinie selbst subjektive Rechte gegenüber der BAFin oder sogar dem kontrollierenden Aktionär ergeben können, kann hier dahingestellt bleiben129. Nach In-Kraft-Treten der ___________ 128

So der Vorschlag von Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 36 Rn. 2, § 37 Rn. 2. Ein subjektives Recht kann sich als Folge der unmittelbaren Wirkung einer Richtlinie ergeben. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann einer Richtlinie auch ohne fristgerechte Umsetzung innerstaatliche Wirkung zukommen, nämlich dann, wenn sie von ihrem Inhalt her als unbedingt und hinreichend bestimmt erscheint, um im 129

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Richtlinie ist der Gesetzgeber jedenfalls verpflichtet, in Umsetzung dieser Vorgaben zu Gunsten der Minderheitsaktionäre einen – wie auch immer – gerichtlich durchsetzbaren Anspruch in Form des Pflichtangebots zu schaffen. Das WpÜG könnte insoweit europarechtswidrig sein, denn der Einzelne hat einerseits keine Mittel gegen die BAFin, diese zur Durchsetzung des Pflichtangebots zu zwingen; dem stünde § 4 Abs. 2 WpÜG entgegen. Zum anderen hätte er nach hier vertretener Ansicht zwar einen zivilrechtlichen Anspruch gegen den kontrollierenden Aktionär auf Abschluss eines Wertpapiererwerbsvertrages, könnte diesen aber unter Umständen faktisch nicht durchsetzen. Im vor einem Landgericht anzustrengenden Zivilprozess (§ 66 Abs. 1 WpÜG ) trüge der Zielgesellschaftsaktionär nämlich die Beweislast für das Erreichen der Kontrollschwelle. Dahingehende Ermittlungsbefugnisse stehen aber allein der BAFin zu, gegen die ein Anspruch auf Ermittlung nach der Konzeption des WpÜG wiederum nicht bestünde, ermittelt sie doch gemäß § 4 Abs. 2 WpÜG gerade nicht im Interesse des Einzelnen. Zudem ist die Übermittlung schon ermittelter Tatsachen zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche in der Regel nicht gestattet, denn § 9 Abs. 1 begründet neben der Verschwiegenheitspflicht ein allgemeines Verwertungsverbot, das die Ausnutzung amtlich gewonnener Erkenntnisse zu privaten Zwecken gerade verhindern soll130. Danach ist die Verwertung nur möglich, wenn der Betroffene zustimmt oder die Verwertung nicht „unbefugt“ i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 1 WpÜG wäre. Wann letzteres der Fall ist, hat der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 S. 3 WpÜG zwar nicht abschließend geregelt. Aus der ausdrücklichen Einbeziehung der Strafverfolgungsbehörden und der für Straf- und Bußgeldsachen zuständigen Gerichte (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 WpÜG) lässt sich aber schließen, dass die Weitergabe der Tatsachen an Zivilgerichte als „unbefugt“ gewertet werden soll131. Da die Zivilgerichte ihrerseits, anders als die Verwaltungsgerichte (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO), nicht dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegen – § 55 WpÜG gilt nur für das Beschwerdegericht –, ___________ Einzelfall angewendet zu werden (vgl. nur EuGH, RS. 8/81, Slg. 1982, S. 53 Rn. 21 ff.; RS. C-91/92, Slg. 1994, S. 3325 Rn. 12 ff.). Die Direktwirkung kommt nach h.M. allerdings nur im Verhältnis Bürger-Staat in Betracht (EuGH, RS. C-91/92, Slg. 1994, S. 3325 Rn. 19 ff.). Siehe dazu auch Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 249 EGV Rn. 69 ff.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 431 ff.; Oppermann, Europarecht, Rn. 556 ff. jeweils m.w.N. Gegen die Ableitung von Rechten aus der Richtlinie spricht freilich schon Art. 4 Abs. 6 der Richtlinie, nach dem die Befugnis der Mitgliedstaaten festzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Parteien des Angebots Rechte im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren geltend machen können, unberührt bleiben soll. Siehe dazu auch die Entscheidung des EuGH zur Klärung von Fragen zur Auslegung bankenaufsichtsrechtlich relevanter Richtlinien (EuGH NJW 2004, S. 3479 (3481)). 130 BT-Drs. 14/7034, S. 38; Stögmüller in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 9 Rn. 18; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 9 Rn. 9 ff. 131 Zur „Befugtheit der Weitergabe“ Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 9 Rn. 12 ff.

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kann der Anspruch aus § 35 WpÜG im Einzelfall praktisch ein Muster ohne Wert bleiben132. Die Befreiungstatbestände (§§ 20, 36 f. WpÜG) selbst wären von den Vorgaben der Richtlinie übrigens gedeckt. Gemäß deren Art. 5 Abs. 3 obliegt es nämlich den Mitgliedstaaten, den eine Kontrollsituation begründenden Stimmrechtsanteil sowie seine rechnerische Bestimmung zu regeln. Die grundsätzliche Angebotspflicht bei Erlangung eines 30-prozentigen Stimmrechtsanteils mit einzelfallbezogener Befreiungsmöglichkeit ist eine Form der normativen Einkleidung. (b) Pflichtangebot und grundrechtliche Schutzpflicht Die Schaffung einer Pflichtangebotsregelung ließe sich darüber hinaus möglicherweise auch grundrechtlich untermauern. Art. 14 GG begründet, wie gesagt133, auch eine Schutzpflicht zugunsten des Anteilseigentums. Der Gesetzgeber hat aber bei der Erfüllung seiner Schutzpflichten einen weiten Gestaltungsspielraum, in dessen Rahmen er frei über die Instrumentarien entscheiden kann, solange der verfassungsgebotene Mindestschutz gewährleistet wird. Fraglich ist indes, welche Möglichkeiten effektiven Minderheitenschutzes dem Gesetzgeber außer dem Pflichtangebot noch verbleiben. Der wohl wirkungsvollste Alternativschutzmechanismus, die Beschränkung durch Höchststimmrechte, ist seit InKraft-Treten des KonTraG für börsennotierte Unternehmen unzulässig und somit keine Option134.

dd) Ergebnis: Mögliche Rechtsverletzung durch Befreiungsverfügung der BAFin § 35 WpÜG gibt den Zielgesellschaftsaktionären einen (zivilrechtlichen) Anspruch, der durch Verfügungen der BAFin nach §§ 20, 36, 37 WpÜG entzogen werden kann135. Im Falle der Rechtswidrigkeit der Befreiungen wären die Aktionäre in ihrem „Recht“ verletzt. Nach Art. 19 Abs. 4 GG muss ihnen mithin der Rechtsweg gegen entsprechende Verfügungen der BAFin eröffnet sein. Der ___________ 132

In diesem Sinne auch Cahn, ZHR 167 (2003), S. 262 (269). Vgl. dazu 5. Kap. § 2 IV. 134 § 134 Abs. 1 S. 2 AktG, geändert durch Art. 1 Nr. 20 KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich v. 27.4.1998, BGBl. I, S. 786); dazu auch Röth in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 33 Rn. 71; Hüffer, AktG, § 134 Rn. 4 ff. 135 So auch Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 36 Rn. 10, § 37 Rn. 51, die aber nicht die nötigen Konsequenzen ziehen. 133

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eben dies verhindernde § 4 Abs. 2 WpÜG ist auch insoweit verfassungswidrig. Schieden verfassungskonforme Auslegung und teleologische Reduktion schon im Rahmen der Bieter-Problematik aus, trifft dies auf die hier vorliegende erst recht zu.

b) Rechtsverletzung durch Vertragsvernichtung bei Untersagung von Angeboten gemäß § 15 WpÜG In Rechte der Wertpapierinhaber könnte zudem eingegriffen werden, wenn die BAFin ein Angebot untersagt, denn die in § 15 Abs. 3 WpÜG angeordnete Nichtigkeitsfolge umfasst sämtliche Rechtsgeschäfte auf Grund des untersagten Angebots (Satz 2) und somit auch eventuell schon wirksam geschlossene Wertpapiererwerbsverträge. Auch hier gilt, dass vertraglich begründete Ansprüche den Schutz des Art. 14 GG genießen136.

aa) Untersagung als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt; Nichtigkeit von Wertpapiererwerbsverträgen als Folge Wird ein Angebot nach § 15 Abs. 1 WpÜG untersagt, sind gemäß § 15 Abs. 3 S. 2 WpÜG Rechtsgeschäfte auf Grund dieses Angebots nichtig. Untersagungsverfügungen sind mithin privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte137. Die Nichtigkeitsanordnung in § 15 Abs. 3 S. 2 WpÜG umfasst dabei nicht nur die schuldrechtliche Seite des Wertpapiererwerbs oder -tauschs, sondern bezieht sich auch auf die sachenrechtliche Komponente, denn Zweck der gesetzlichen Nichtigkeitsanordnung ist zu verhindern, dass der Bieter unter Umgehung eines ordnungsgemäßen Verfahrens Wertpapiere der Zielgesellschaft rechtswirksam erwirbt. Trotz Untersagung abgeschlossene Verträge sind dementsprechend nach den bereicherungsrechtlichen Regelungen des BGB (§§ 812 ff. BGB) rückabzuwickeln138.

___________ 136 Siehe Fn. 92 in diesem Kapitel; siehe auch BVerfGE 95, S. 267 (303 f.); 89, S. 48 (61). 137 Vgl. oben 5. Kap. § 3 III. 2. a. cc. (2). 138 BT-Drs. 14/7034, S. 46; Angerer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 15 Rn. 48 f.; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 15 Rn. 10 f.; Riehmer in Haarmann/Riehmer/ Schüppen, WpÜG, § 15 Rn. 22 ff.; KöKo-Seydel, WpÜG, § 15 Rn. 69.

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bb) Keine Vertragsvernichtung durch Untersagung der Angebotsunterlage vor Vertragsschluss Regelmäßig wird und soll – entsprechend der gesetzgeberischen, in § 3 Abs. 4 WpÜG zum Ausdruck kommenden Absicht, Angebotsverfahren rasch durchzuführen – eine Untersagungsverfügung schon vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage bzw. innerhalb der Zehn-Tages-Frist des § 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG ergehen. Folge ist gemäß § 15 Abs. 3 S. 1 WpÜG ein Veröffentlichungsverbot. Es handelt sich dabei um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB139, mit der Folge, dass Verträge, die unter Missachtung dieses Verbots geschlossen werden, von Anfang an nichtig sind und deshalb von vornherein keinerlei Ansprüche begründen können. Eine Rechtsverletzung der Wertpapierinhaber kommt insoweit nicht in Betracht, weil es aufgrund der de iure angeordneten Nichtigkeit bereits an einer privaten Rechtsposition als Eingriffsgegenstand fehlt. Rechtsverletzung setzt stets das Vorhandensein eines rechtlichen Substrats voraus. Allein die Chance, Wertpapiere zu veräußern, ist kein vermögenswertes Recht, das grundrechtlichen Schutz genießt.

cc) Vertragsvernichtung bei Untersagung nach Vertragsschluss Denkbar und keineswegs unwahrscheinlich sind aber auch Konstellationen, in denen zum Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung bereits Wertpapiererwerbsverträge geschlossen worden sind140. Möglich ist dies etwa dann, wenn die Untersagungsverfügung nach Ablauf der Zehn-Tages-Frist ergeht, obwohl der Bieter die Angebotsunterlage bereits ordnungsgemäß veröffentlicht hat. Die Untersagungsmöglichkeit besteht nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 WpÜG auch noch nach der Veröffentlichung der Angebotsunterlage und insbesondere nach Ablauf der Zehn-Tages-Frist; andernfalls müsste die BAFin unter Umständen (nachträglich) als fehlerhaft erkannte Angebotsunterlagen dulden141. Verträge können zudem geschlossen werden, wenn einzelnen Wertpapierinhabern die Angebotsunterlage zugegangen ist, obwohl sie nicht oder zumindest nicht ordnungsgemäß (§ 14 Abs. 3 WpÜG) veröffentlicht wurde ___________ 139 BT-Drs. 14/7034, S. 46; Angerer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 15 Rn. 47; Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 15 Rn. 23 f.; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 15 Rn. 10. 140 Angerer in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 15 Rn. 49 f.; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 15 Rn. 11; Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 15 Rn. 24; KöKoSeydel, WpÜG, § 15 Rn. 72. 141 Riehmer in Haarmann/Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 15 Rn. 22 ff.; a.A. Oechsler, ZIP 2003, S. 1330 (1333 f.); Cahn, ZHR 167 (2003), S. 262 (274 f.).

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oder wenn der Bieter das Angebot sofort veröffentlicht oder bekannt gibt, ohne es zuvor der BAFin zur Prüfung zu übermitteln. Untersagt werden muss bzw. kann in diesen Fällen gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3, 4, Abs. 2 WpÜG. Eine vertragsvernichtende Verfügung ist schließlich denkbar, wenn die BAFin eine bereits erteilte Gestattung – Gleiches gilt, falls man nach Ablauf der Zehn-TagesFrist eine Gestattungsfiktion annimmt – gemäß §§ 48, 49 VwVfG zurücknimmt bzw. widerruft. In den aufgezeigten Konstellationen kommt die Verhinderungsfunktion des § 15 Abs. 3 S. 1 WpÜG jeweils nicht zum Tragen, denn das gesetzliche Verbot und die daraus resultierende Nichtigkeit knüpfen ausdrücklich an die Untersagung einer Angebotsunterlage bzw. an die einer Untersagung nachfolgende Veröffentlichung derselben an. Ist eine derartige Verfügung noch nicht ergangen, kommen Wertpapiererwerbsverträge zunächst wirksam zustande. § 15 Abs. 3 S. 2 WpÜG fungiert insoweit als unmittelbare Nichtigkeitsanordnung. (1) Vertragsschluss mit Annahmeerklärung durch Wertpapierinhaber Da die Angebotsunterlage die essentialia negotii enthält, also neben dem Gegenstand des Angebots auch den oder die Adressaten der Offerte sowie den Kaufpreis oder den Tauschgegenstand erkennen lässt, erfüllt sie bereits alle Voraussetzungen eines wirksamen und verbindlichen Angebots i.S.d. § 145 BGB142. Geht dem Adressaten ein solches, auf Abschluss eines Wertpapiererwerbsvertrages gerichtetes Angebot zu, sei es durch Veröffentlichung der Angebotsunterlage, sei es durch anderweitige Bekanntgabe, kann er dieses annehmen oder aber mit der Folge des Erlöschens für den jeweils Ablehnenden (§ 146 BGB) ablehnen. Mit Zugang der Annahmeerklärung innerhalb der Annahmefrist kommt der Vertrag zustande (§§ 147, 148 BGB). Kraft des damit geschlossenen Vertrages ist der Bieter berechtigt, die Übereignung der Wertpapiere zu fordern, der Wertpapierinhaber hat im Gegenzug Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Gegenleistung bzw. auf Übereignung der zum Tausch angebotenen Aktien (vgl. § 241 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus bestehen für die zivilrechtliche Wirksamkeit der Wertpapiererwerbsverträge keine weiteren Voraussetzungen. Insbesondere ist die Gestattung der Angebotsunterlage durch die BAFin keine Wirksamkeitsvoraussetzung.

___________ 142

Vgl. zum Inhalt einer Angebotsunterlage 3. Kap. § 1 II. 2.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

(2) Gestattung der Angebotsunterlage durch die BAFin keine Wirksamkeitsvoraussetzung Gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG ist die Angebotsunterlage dann zu veröffentlichen, wenn die BAFin dies gestattet hat. Entgegen teilweise vertretener Ansicht143 wird dadurch jedoch kein Genehmigungsvorbehalt im Sinne einer zivilrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzung begründet. Zwar kann die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen von behördlicher Zustimmung abhängig sein. Rechtstechnisch ist die Genehmigung dann Dispens von einem gesetzlichen Verbot, die Vornahme des Geschäfts ohne die Genehmigung grundsätzlich verboten. Genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäfte erlangen erst mit Erteilung der Genehmigung zivilrechtliche Wirksamkeit144. Beispiele145 dafür finden sich etwa im Arbeitsrecht, speziell bei der Kündigung von Schwerbehinderten oder Müttern. Die Wirksamkeit der Kündigungserklärung hängt nach § 15 SchwbG bzw. § 9 Abs. 1, 3 MuSchG ausdrücklich von der Zustimmung der zuständigen Behörde ab. Auch das GWB statuiert in § 1 ein grundsätzliches Kartellverbot – ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB146 – von dem gemäß §§ 2 ff. GWB befreit werden kann. Das WpÜG ist anders konzipiert. Das gesetzliche Verbot in § 15 Abs. 3 S. 1 WpÜG knüpft ausdrücklich an eine bereits erfolgte Untersagung der Angebotsunterlage an. Verboten ist danach nicht generell der Abschluss von Wertpapiererwerbsverträgen, sondern die Veröffentlichung bereits untersagter Angebotsunterlagen. Der Abschluss von Wertpapiererwerbsverträgen ist vielmehr auch ohne erfolgte Gestattung durch die BAFin möglich, denn solche Verträge sollen beispielsweise auch dann wirksam zustande kommen, wenn der Bieter die Angebotsunterlage nach Ablauf der Zehn-Tages-Frist (§ 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG) veröffentlicht. Eine Gestattung oder Genehmigung ist in diesem Fall nicht ergangen, eine dahingehende nachträgliche Verfügung im WpÜG nicht vorgesehen. § 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG enthält auch keine Genehmigungsfiktion dergestalt, dass die Angebotsunterlage als gestattet gilt, wenn die Zehn-Tages-Frist verstreicht, ohne dass die BAFin das Angebot untersagt hat147. Zwar ist der Bie___________ 143

Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 15 Rn. 11. Siehe nur Palandt-Heinrichs, BGB 62. Aufl., § 182 Rn. 6, § 275 Rn. 37; MüKoSchramm, BGB, Vor § 182 Rn. 22 f. 145 Dazu und zu weiteren Bsp. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 123. 146 Bechtold, GWB, § 1 Rn. 60 f.; Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 12, 320 ff. m.w.N. 147 So aber Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 14 Rn. 18; Geibel in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 14 Rn. 30; Cahn, ZHR 167 (2003), S. 262 (279); gegen die Annahme einer Fiktion auch Ihrig, ZHR 167 (2003), S. 315 (332); Schnorbus, ZHR 166 (2002), S. 72 (97). 144

§ 3 Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG

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ter auch dann verpflichtet, die Angebotsunterlage zu veröffentlichen. Die Annahme einer Fiktion setzt aber eine weitergehende gesetzliche Regelung148 in dem Sinne voraus, dass ein Sachverhalt, hier die Existenz einer Gestattungsverfügung, festgelegt wird, der in Wirklichkeit nicht besteht. Umgekehrt kann auch ein tatsächlich bestehender Sachverhalt als nicht bestehend fingiert werden. Auf diese Weise soll die Ableitung sonst nicht gegebener Rechtsfolgen ermöglicht werden. Das WpÜG selbst liefert ein Beispiel in § 48 Abs. 3 S. 2 WpÜG, nach dem die Nichtbescheidung von Anträgen in angemessener Frist der unterlassenen Bescheidung gleichgesetzt wird, um zu verhindern, dass die BAFin durch Untätigkeit die Anrufung des Gerichts unmöglich macht oder zumindest erheblich verzögert149. Mangels Gestattungsfiktion, die zur Annahme eines (Gestattungs-)Verwaltungsaktes führen würde, kann die BAFin eine Untersagungsverfügung auch nach Ablauf der Zehn-Tages-Frist noch auf § 15 WpÜG stützen und muss nicht auf die Rücknahme- und Widerrufsvorschriften der §§ 48 f. VwVfG mit ihren wesentlich engeren Voraussetzungen150 zurückgreifen. (3) Ordnungsgemäße Veröffentlichung der Angebotsunterlage keine Wirksamkeitsvoraussetzung Ist die Zustimmung der BAFin also keine Wirksamkeitsvoraussetzung, kommen die Wertpapiererwerbsverträge bereits mit der Annahmeerklärung der Wertpapierinhaber nach Zugang des Angebots voll wirksam zustande. Das gilt nicht nur für den Fall, dass der Bieter nach Ablauf der Zehn-Tages-Frist die Angebotsunterlage ordnungsgemäß veröffentlicht, sondern auch dann, wenn er sie überhaupt (irgendwie) veröffentlicht oder bekannt gibt und selbst dann, wenn er davon absieht, sie zuvor bei der BAFin zur Prüfung einzureichen. Die ordnungsgemäße Veröffentlichung der Angebotsunterlage gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 WpÜG ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung, etwa im Sinne einer Formvorschrift, deren Missachtung zur Nichtigkeit gemäß § 125 BGB führt. Das ergibt sich bereits daraus, dass Formfehler lediglich Untersagungsgründe sind und die Untersagung wegen fehlerhafter Veröffentlichung zudem im Ermessen der BAFin liegt („kann“, § 15 Abs. 2 WpÜG). ___________ 148

Vgl. etwa BVerwGE 61, S. 360 (360 ff.) zu einer Rücknahmefiktion im Rahmen des § 69 VwGO; dazu auch Kopp/Schenke, VwGO, § 69 Rn. 10 m.w.N. 149 BT-Drs. 14/7034, S. 65; dazu Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 48 Rn. 39; weitere Fiktionen sind etwa in § 162 BGB (Fiktion des Eintritts bzw. Nichteintritts einer Bedingung), § 41 Abs. 4 S. 3 VwVfG (Bekanntgabefiktion), § 1923 Abs. 2 (Fiktion der Erbfähigkeit) oder § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB (Fiktion des gemeindlichen Einvernehmens) zu finden. 150 Dazu nur Maurer, Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 28 ff., 39 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn. 57 ff., § 49 Rn. 25 ff.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

Auch wenn der Bieter ganz von der Veröffentlichung absieht, ist das Zustandekommen von Wertpapiererwerbsverträgen denkbar, wenn er nämlich das Angebot entgegen § 14 Abs. 2 S. 2 WpÜG anderweitig bekannt gibt. Auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der Verträge hat dieses (rechtswidrige) Vorgehen keinen Einfluss. Entsprechendes gilt, wenn der Bieter das Angebot der BAFin nicht zur Prüfung übermittelt. § 15 Abs. 1 Nr. 3, 4 WpÜG sehen für diese Fälle vielmehr „nur“ die Untersagung des Angebots vor, die allerdings nicht im Ermessen der BAFin liegt. Der Verstoß gegen § 14 Abs. 2 S. 2 WpÜG, nach dem die Angebotsunterlage vor der Veröffentlichung nicht bekannt gegeben werden darf, führt selbst nicht zur Nichtigkeit eventuell geschlossener Verträge. Die Vorschrift ist kein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB. Der Wortlaut – „darf nicht“ – könnte zwar als Indiz für das Vorliegen eines Verbotsgesetzes gewertet werden. Zwingend ist dies freilich nicht151. Dagegen spricht vielmehr, dass das WpÜG in unmittelbarer Nachbarschaft mit § 15 Abs. 3 S. 1 WpÜG ein „echtes“ Verbotsgesetz enthält und man dem Gesetzgeber mit einiger Vorsicht einen bewusst differenzierenden Sprachgebrauch unterstellen kann. Insbesondere regelt § 15 Abs. 1 WpÜG die Gründe für eine zur Nichtigkeit führende Untersagung abschließend. Schließlich lässt sich der Annahme eines Verbotsgesetzes entgegenhalten, dass auch die unterlassene (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 WpÜG) oder mangelhafte (§ 15 Abs. 2 WpÜG) Veröffentlichung nur Untersagungsgründe sind. Entsprechendes gilt im Übrigen auch bei etwaigen Verstößen gegen die Sperrfristregelung in § 26 WpÜG oder gegen § 17 WpÜG (Verbot der invitatio ad offerendum) und § 18 WpÜG (unzulässige Bedingungen). Diese Regelungen sind keine Verbotsgesetze, deren Missachtung bereits zur Nichtigkeit des Angebots bzw. geschlossener Verträge führt, sondern jeweils nur Untersagungsgründe. Schließlich stellt sich noch die Frage, ob dem Vertragsschluss nicht entgegensteht, dass die Annahmefrist erst mit der Veröffentlichung gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 WpÜG zu laufen beginnt (§ 16 Abs. 1 S. 2 WpÜG). Können Angebote zuvor überhaupt wirksam angenommen werden? Das ist zu bejahen. Andernfalls bedürfte es nämlich im Falle der nicht ordnungsgemäßen Veröffentlichung einer gesonderten Verfügung der BAFin, die die Frist in Gang setzt.

dd) Ergebnis Wertpapiererwerbsverträge können zum Zeitpunkt einer Untersagungsverfügung der BAFin bereits rechtlich voll wirksam zustande gekommen sein. Eine ___________ 151 BGH NJW 1992, S. 2021 (2022) m.w.N.; Jauernig in Jauernig, BGB, § 134 Rn. 10; Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 134 Rn. 6a; MüKo-Mayer-Maly/ Armbrüster, BGB, § 134 Rn. 41 jeweils m.w.N.; a.A. LG Köln MDR 1974, S. 143 (143).

§ 3 Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG

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Verfügung der BAFin führt in diesen Fällen die Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte unmittelbar herbei. Durch die „Vertragsvernichtung“ wird den Aktionären ein bestehender, grundrechtlich geschützter schuldrechtlicher Anspruch, ein „Recht“ i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG entzogen. Ihnen muss daher der Rechtsweg gegen die Untersagungsverfügungen der BAFin offen stehen. Da § 4 Abs. 2 WpÜG, wie oben gezeigt152, dahingehende Rechtsbehelfe der Wertpapierinhaber generell sperrt, ist er auch insoweit verfassungswidrig153.

ee) Alternative Regelungskonzepte zur Vermeidung der „Vertragsvernichtung“ Könnte die „rechtswegeröffnende“ Vertragsvernichtung durch die Einrichtung eines Genehmigungsvorbehaltes vermieden werden? Ja und nein, verhindert werden könnte damit allein, dass den Beteiligten bereits bestehende Ansprüche entzogen werden. An der Notwendigkeit der Eröffnung des Rechtsweges änderte sich indes nichts, denn auch, wenn der Vertragsschluss nur mit hoheitlicher Genehmigung möglich ist, muss den beteiligten Privatrechtssubjekten im Falle der Verweigerung der Genehmigung die Klagebefugnis zustehen. An die Stelle des eigentumsgrundrechtlichen Schutzes tritt lediglich die ebenfalls grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit154. Bemerkenswert ist in diesem Kontext, dass auf europäischer Ebene eine Pflicht des jeweiligen Aufsichtsorgans zur Prüfung und ggf. Untersagung der Angebote nicht vorgesehen ist. Gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten lediglich dafür zu sorgen, dass der Bieter eine Angebotsunterlage mit den notwendigen Informationen zu erstellen, rechtzeitig bekannt zu machen sowie dem Aufsichtsorgan zu übermitteln hat. In Art. 6 Abs. 2 Unterabsatz 2 heißt es zudem, dass die Angebotsunterlage in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt wird, falls sie in einem Mitgliedstaat einer vorherigen Billigung bedarf und diese erteilt wurde. Zu überlegen wäre, ob nicht normative Vorgaben zu Inhalt und Bekanntmachung von Angeboten verbunden mit wirkungsvollen Sanktionsmechanismen, insbesondere Schadensersatzregelungen, sowie einer Stärkung der Wertpapierinhaber im Prozess die Prüfung der Angebote durch die BAFin und die Untersagungsregelung in § 15 WpÜG entbehrlich machen155. ___________ 152

4. Kap. § 2 III. 3. Wegen der möglichen „Vertragsvernichtung“ durch das BAV im Rahmen einer etwaigen Geschäftsplanänderung bzw. –aufhebung gemäß § 81a S. 2 VAG (vgl. Fn. 74 in diesem Kapitel) stellt sich das Problem in gleicher Weise für § 81 Abs. 1 S. 3 VAG. 154 Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 301 f. m.w.N.; Kopp, DÖV 1980, S. 504 (510). 155 Rechtsvergleichend sei auf das schweizerische Übernahmerecht verwiesen, das zwar eine Prüfung der Angebote durch eine anerkannte Prüfstelle, aber keine ausdrück153

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

§ 4 Teilnichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG? Festgestellt wurde, dass § 4 Abs. 2 WpÜG insoweit verfassungswidrig ist, als er – erstens – Ansprüche und Rechtsbehelfe des Bieters als Beaufsichtigtem sperrt und – zweitens – die Wertpapierinhaber hindert, sich gegen sie belastende privatrechtsgestaltende Verfügungen der BAFin zur Wehr zu setzen. Es handelt sich dabei allerdings nur um einen Ausschnitt aus dem Handlungsspektrum der Bundesanstalt. Wie oben angedeutet, sind keineswegs alle Pflichten nach dem WpÜG individualschützend. Verfügungen der allgemeinen Missstandsaufsicht nach § 4 Abs. 1 S. 3 WpÜG, zur Überwachung der Mitteilungspflichten nach § 10 WpÜG oder solche nach § 28 WpÜG (Untersagung von Werbung) können durchaus nur im öffentlichen Interesse ergehen156. Es stellt sich daher die Frage, ob § 4 Abs. 2 WpÜG insgesamt nichtig ist oder ob er sich (sinnvoll) teilweise aufrechterhalten lässt?

I. Teilnichtigerklärung gemäß § 78 S. 1 BVerfGG Obwohl der Wortlaut des § 78 S. 1 BVerfGG – „erklärt es das Gesetz für nichtig“ – insoweit unpräzise ist, praktiziert das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung die Teilnichtigerklärung von Gesetzen157. Die Nichtigkeit einer oder mehrerer Bestimmungen eines Gesetzes bewirkt grundsätzlich nicht die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes, wenn nicht Kompetenzgründe zwingend zur Verwerfung des gesamten Normkomplexes führen158 oder die Verwerfung einzelner Vorschriften die übrigen sinnlos macht, dem Rechtsgedanken des § 139 BGB entsprechend also nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Verfassungswidrigkeit die Norm(en) im nicht verfassungswidrigen Teil erlassen hätte.159 Teilnichtigerklärung heißt grundsätzlich Reduzierung des Wortlautes, d.h. Nichtigerklärung bestimmter Normteile160. Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG ließe sich allein durch die Streichung des „nur“ herstellen. Von der Klarstellungsnorm bliebe dann freilich nicht mehr viel erhalten, ___________ liche Untersagungsbefugnis vorsieht. Auch das österreichische Übernahmegesetz enthält keine zwingende Untersagungsregelung; Gleiches gilt für den britischen City Code. Siehe dazu Riehmer in Haarmann/ Riehmer/Schüppen, WpÜG, § 15 Rn. 3 ff. 156 Siehe dazu schon 3. Kap. § 1 IV. 4. c. 157 Vgl. nur BVerfGE 8, S. 274 (301); 57, S. 295 (334); 65, S. 1 (3, 71); 65, S. 325 (358); Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 1262 ff.; Schlaich/ Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 372 jeweils m.w.N. 158 BVerfGE 61, S. 149 (173 f., 206); 67, S. 256 (290). 159 BVerfGE 2, S. 380 (406); 8, S. 274 (301); 57, S. 295 (334); 65, S. 325 (358); 82, S. 159 (189); 88, S. 203 (333). 160 Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 372.

§ 4 Teilnichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG?

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war ihr eigentlicher Sinn doch gerade die Statuierung einer Ausschließlichkeit zur Vereinfachung der Abgrenzung der öffentlichen und privaten Interessen. Dem reduzierten Satz: „Die Bundesanstalt nimmt die ihr nach diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse im öffentlichen Interesse wahr.“ käme allenfalls die Funktion einer Auslegungsregel für Zweifelsfälle zu. Ob der Gesetzgeber den § 4 Abs. 2 WpÜG so erlassen hätte, ist zweifelhaft. Zwar enthalten gerade neuere Gesetze vorangestellte Zweckbestimmungen161. Es handelt sich dabei jedoch jeweils um inhaltliche Direktiven zur Gesetzesinterpretation. Ein § 4 Abs. 2 WpÜG, nach dem die BAFin im öffentlichen Interesse handelt, würde inhaltlich hingegen keinen Gewinn bringen, gäbe er doch lediglich etwas Grundsätzliches wieder, nämlich dass die Verwaltung im öffentlichen Interesse tätig wird162.

II. Teilnichtigerklärung ohne Normreduzierung Das Bundesverfassungsgericht bedient sich darüber hinaus der sogenannten Teilnichtigerklärung ohne Normtextreduzierung. Es erklärt dann die Normen nicht in bestimmten Teilen des Normtextes, sondern für bestimmte Fallkonstellationen für nichtig163. § 4 Abs. 2 WpÜG müsste etwa für mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar erklärt werden, soweit er der Klagebefugnis entgegensteht, wo sie verfassungsrechtlich gefordert ist. Möglich ist, die entsprechenden Konstellationen bereits in den Tenor aufzunehmen oder aber diesbezüglich auf die Entscheidungsgründe zu verweisen. Gleichgültig, wie man den Tenor ausgestaltet, ist diese Art der Tenorierung der Rechtssicherheit und -klarheit eher abträglich. Dies gilt umso mehr, als die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft erlangt und die Entscheidungsformel im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen ist (§ 31 Abs. 2 BVerfGG)164. Die dem geltenden Recht drohende Unklarheit und Unübersichtlichkeit ist auch Ansatzpunkt grundsätzlicher Bedenken gegenüber dieser Methode. Schlaich/Korioth sprechen gar von einer sich anbahnenden „Katastrophe“ in Bezug auf die Klarheit des geltenden Rechts165. Zudem wird die Einschränkung einer Norm ohne textlichen Anknüp___________ 161

Etwa § 1 TKG, § 1 PostG, § 1 UIG, § 1 BImSchG. Siehe Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 8, § 1 Rn. 10; Bachof, Reflexwirkungen, S. 287 (290). 163 Etwa BVerfGE 62, S. 117 (118 f.); 69, S. 272 (273); 81, S. 228 (229); Stern in BoK, GG, Art. 93 Rn. 305; Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 374; Sachs, DVBl. 1979, S. 389 (390 ff.) m.w.N. 164 Dazu Rennert in Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 31 Rn. 103 f., 110 f. 165 Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 374. 162

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

fungspunkt zu Recht schon als unzulässiger Übergriff in die Kompetenz des Gesetzgebers angesehen, denn das BVerfG setzt durch seine „Auslegung“ an die Stelle der in Frage stehenden Vorschrift inhaltlich eine andere166. Es spricht daher vieles für die Gesamtnichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG.

§ 5 Konsequenzen der Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG Hält man mit der hier vertretenen Ansicht § 4 Abs. 2 WpÜG für verfassungswidrig und nichtig, drängen sich natürlich sogleich zwei Fragen auf. Führt der „wiederhergestellte“ Drittbezug der Pflichten der BAFin zu einer Behinderung von Angebotsverfahren durch übermäßigen Rechtsmittelgebrauch und aufgeblähter Verwaltung sowie zu einer Ausuferung der Amtshaftung? Beides kann verneint werden. Natürlich müssen Fragen wie die der Verfahrensbeteiligung, der Rechtsbehelfsbefugnis oder der Haftung für Aufsichtsfehler anders beurteilt werden. Eine Apokalypse der Wirtschaftsaufsicht steht indes nicht bevor.

I. Keine „Aufsichtshysterie“ Die Befürchtung, es sei nun eine Schwemme von Rechtsbehelfen gegen Maßnahmen sowie eine unüberschaubare Vielzahl von Anträgen auf Einschreiten der BAFin zu erwarten, die zur Verlangsamung der Angebots- und Übernahmeverfahren führen und die Beschleunigungsbestrebungen des Gesetzgebers167 erheblich in Frage stellen, ist naheliegend. In Reaktion auf die Wende in der Rechtsprechung zur Bankenaufsicht hatte Starke dementsprechend eine wahre „Aufsichtshysterie“ prophezeit, die die Grundfesten der liberalen Bankenaufsicht erschüttert168. Mit der hier vertretenen Ansicht wird die Zahl Klagebefugter bzw. Verfahrensbeteiligter tatsächlich erweitert, denn Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft könnten sich beispielsweise gegen Verfügungen nach §§ 20, 36, 37 WpÜG, soweit eine Person dadurch von der Pflicht zum Angebot befreit wird, oder gegen die Untersagung von Angeboten nach § 15 WpÜG, soweit bereits geschlossene Verträge vernichtet werden, zur Wehr setzen. Denkbar sind auch Ansprüche der Aktionäre gegen die BAFin auf Einschreiten gegen einen pflichtwidrig handelnden, z.B. ein Pflichtangebot unterlassenden Bieter. ___________ 166

So selbst das BVerfG in BVerfGE 2, S. 380 (405 f.); 16, S. 306 (329); Sachs, DVBl. 1979, S. 389 (391) m.w.N.; Stern in BoK, GG, Art. 93 Rn. 305. 167 § 3 Abs. 4 WpÜG; BT-Drs. 14/7034, S. 29. 168 Starke, WM 1979, S. 1402 (1420); ähnlich Püttner, JZ 1982, S. 47 (49).

§ 5 Konsequenzen der Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

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Zielgesellschaftsaktionäre müssten dementsprechend auch an etwaigen Beschwerdeverfahren beteiligt, ggf. notwendig beigeladen werden (§ 65 VwGO)169; § 52 WpÜG wäre insoweit ebenfalls verfassungswidrig, weil er ihre Beteiligung ausschließt und einer verfassungskonformen Auslegung wegen seines klaren Wortlautes nicht zugänglich ist. In vorangehenden Verwaltungsverfahren der BAFin hätte eine Hinzuziehung der Aktionäre gemäß § 13 Abs. 2 VwVfG zu erfolgen. Schließlich müsste ihnen Akteneinsicht (§ 57 WpÜG) gewährt werden170. All dies führt sicher zu einem erhöhten Aufwand der Verwaltung und der Gerichte sowie zur Extension der Verfahren zu Lasten der gesetzgeberischen Bestrebungen zur Verfahrensbeschleunigung. Abgesehen davon, dass man diesem Effekt mit strengen Fristenregelungen und ihrer ebenso strikten Handhabung durchaus wirkungsvoll entgegenwirken kann, darf nicht übersehen werden, dass dieses Ergebnis dem grundgesetzlichen Bild der Rechtsstaatlichkeit geschuldet ist. So wichtig funktionierende Wirtschaftsstrukturen für Bestehen und Fortkommen der Gesellschaft auch sind, sie können die Aufgabe rechtsstaatlicher Errungenschaften nicht rechtfertigen. Im Übrigen vermag der schon damals zur Rechtfertigung des § 6 Abs. 3 KWG171 und auch heute bezüglich § 4 Abs. 2 WpÜG172 erhobene Einwand der gesteigerten Aufsichtstätigkeit, übermäßiger Bürokratisierung der Verfahren und der Überregulierung ohnehin nicht zu überzeugen. Vielmehr löst er eine gewisse Verwunderung aus, ergibt sich doch der zu erbringende Überwachungsaufwand primär nicht aus der Zahl der Rechtsmittelberechtigten und der Höhe drohender Amtshaftungsansprüche, sondern aus dem gesetzlich festgelegten Pflichten- und Aufgabenkreis. Die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Pflicht zu rechtmäßigem Handeln, nicht die Furcht vor drohenden Rechtsmitteln, gebietet die recht- und zweckmäßige Erfüllung der Aufsichtspflichten. Es ist schon ein merkwürdiges Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, den Verwaltungsaufwand durch Rechtsmittelbeschränkungen verringern zu wollen. Es wäre aber auch weit gefehlt, nach den bisherigen Ausführungen sogleich von einer „Rechtsbehelfsschwemme“ zu sprechen, denn der Kreis Klagebefugter ist keineswegs unbegrenzt. Das von der Rechtsprechung entwickelte Kriterium der „individualisierbaren und qualifizierten Rücksichtnahme“173 bietet ein ___________ 169 Die Aktionäre wären notwendige Streitgenossen (§ 64 VwGO, § 62 ZPO), da der Beschluss ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. 170 Siehe dazu Cahn, ZHR 167 (2003), S. 262 (295 ff.). 171 BT-Drs. 10/1441, S. 20; Starke, WM 1979, S. 1402 (1420); in diesem Sinne auch Püttner, JZ 1982, S. 47 (49); Fülbier in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 6 Rn. 73. 172 Schwennicke in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 4 Rn. 13. 173 Vgl. 2. Kap. § 1 II. 1. und § 2 II.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

recht wirksames Korrektiv, durch das etwa die Zielgesellschaft, ihre Arbeitnehmer oder „normale“ Anleger aus dem Kreis geschützter und damit rechtsbehelfsbefugter Dritter ausgeschieden werden können. Auch die Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft wären danach nicht generell klagebefugt, sondern eben nur, soweit auf ihre Belange in konkreter Weise Rücksicht zu nehmen ist, was man etwa im Rahmen der §§ 4 Abs. 1 S. 3, 10, 28 WpÜG durchaus verneinen kann174. Die Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG führt nicht zur Drittbezogenheit aller Pflichten der BAFin.

II. Keine Staatsgarantie für Wertpapiererwerb und Übernahmen Neben den geschilderten Bedenken keimt die Furcht vor unübersehbaren Amtshaftungsrisiken auf. Folgt aus der Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG eine Staatsgarantie für fehlgeschlagene Übernahmen oder „schlechte“ Angebote?175 Es gilt wiederum, dass zum einen der Kreis der Ersatzberechtigten nicht unbegrenzt und nicht jede Pflicht drittschützend ist. Die Forderung der Rechtsprechung nach einer individualisierbaren und qualifizierten Rücksichtnahme leistet auch hier wirksame Beschränkung. Die Haftung wird zum anderen im Rahmen der Schadenszurechnung sowie durch das Verschuldenserfordernis begrenzt176. Ein beschränkendes Korrektiv begründet darüber hinaus die Subsidiaritätsklausel in § 839 Abs. 1 S. 2 BGB, nach der im Falle lediglich fahrlässiger Amtspflichtverletzung der Beamte nur haftet, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz erlangen kann. Zwar wird diese Bestimmung selbst vom BGH als antiquiert erachtet und tendenziell einschränkend angewandt177, beansprucht aber nach wie vor Geltung178. Insoweit können die Haftungsregelungen in §§ 12, 13 Abs. 2 WpÜG zu Gunsten der öffentlichen Hand haftungsbeschränkende Wirkung entfalten. Gemäß § 12 Abs. 1 WpÜG haften neben dem Bieter auch diejenigen, die ausdrücklich die Verantwortung für die Angebotsunterlage übernommen haben179. Vermag der Bieter seine Verpflichtungen zur Geldleistung nicht zu erfüllen, steht den Aktionären der Zielgesellschaft, die das ___________ 174

Vgl. 3. Kap. § 1 IV. 4. c. So in Reaktion auf das Wetterstein-Urteil für das KWG Starke, WM 1979, S. 1402 (1410, 1421); auch OLG Köln NJW 1977, S. 2213 (2214); Püttner, JZ 1982, S. 47 (48 f.). 176 Dazu nur MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 272 ff.; Palandt-Thomas, BGB, 62. Aufl., § 839 Rn. 52 f., 78; Schenke, FS Lorenz, S. 473 (504). 177 BGHZ 42, S. 176 (181); dazu und zu Beispielen zur Unanwendbarkeit etwa Palandt-Thomas, BGB, 62. Aufl., § 839 Rn. 54 ff.; MüKo-Papier, BGB, § 839 Rn. 296 ff. 178 BGH NJW 2002, S. 1266 (1266 f.); BGH WM 1997, S. 375 (390). 179 Vaupel, WM 2002, S. 1170 (1170 f.). 175

§ 6 Zwischenergebnis

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Kaufangebot angenommen haben, zudem nach § 13 Abs. 2 WpÜG ein Schadensersatzanspruch gegen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 WpÜG die Sicherstellung der Finanzierung bestätigt hat, zu180. Für die Annahme der grundsätzlichen Haftung der öffentlichen Hand für die Billigung rechtswidriger Angebotsunterlagen durch die BAFin spricht im Übrigen nicht nur die prinzipielle Einsicht, dass derjenige, der Funktionen und Kompetenzen an sich zieht, auch für die Folgen einstehen muss181. Sie entspräche auch den zur bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung aufgestellten Regeln, nach denen neben den Initiatoren und Gestaltern des Prospekts auch derjenige haftet, der wegen seiner herausgehobenen beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder als berufsmäßiger Sachkenner eine Garantenstellung einnimmt und durch seine erkennbare Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hin einen besonderen, zusätzlichen Vertrauenstatbestand schafft182. Zweifelsohne erhöht die Billigung der Angebotsunterlage durch die BAFin deren Vertrauenswürdigkeit, übrigens ein Grund für die Beteiligung des Bieters an den Kosten der Beaufsichtigung183.

§ 6 Zwischenergebnis: Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG Als Ergebnis des letzten Kapitels steht die Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG. Weil er die prozessuale Durchsetzung verfassungsrechtlich gebotener Ansprüche Beaufsichtigter184 ebenso sperrt wie Rechtsbehelfe von in ihren (privaten) Rechten verletzten „Dritten“185, ist § 4 Abs. 2 WpÜG mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar. Zugleich verstößt er gegen jene Grundrechte, die eine Subjektivierung von Befreiungs- und Gestattungstatbeständen fordern, d.h. vorliegend Art. 2 Abs. 1 und ggf. Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG. ___________ 180 Dazu etwa Berrar, ZBB 2002, S. 174 (181 ff.); Singhof/Weber, WM 2002, S. 1158 (1164 ff.). 181 So auch Claussen, DB 1994, S. 969 (974). 182 BGHZ 111, S. 311 (319 ff.); Zugehör, NJW 2000, S. 1601 (1607) m.w.N.; zur Haftung bei fehlerhafter Billigung von Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekten Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 36-39 BörsG, Rn. 31; Hamann in Schäfer, WpHG, §§ 45, 46 BörsG a.F. Rn. 56. 183 BT-Drs. 14/7034, S. 64. 184 Vgl. 5. Kap. § 3 II. 185 Dazu 5. Kap. § 3 III.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

Auch wenn der Wegfall von § 4 Abs. 2 WpÜG beträchtliche Konsequenzen sowohl für Fragen des Rechtsschutzes als auch für die Haftung für fehlerhafte Aufsicht hat, wäre es unangemessen, von übermäßiger Erhöhung des Verfahrensaufwandes oder der Verfahrensdauer im Sinne einer „Aufsichtshysterie“ bzw. von unüberschaubaren Haftungsrisiken des Staates („Staatsgarantie für schlechte Angebote“) zu sprechen186. Das von der Rechtsprechung entwickelte Kriterium der „individualisierbaren und qualifizierten Rücksichtnahme“187 kann durchaus eine erhebliche Begrenzung bewirken. Eine Verringerung von Bürokratie, Verwaltungsaufwand und bestehenden Haftungsrisiken kann aus rechtsstaatlichen Gründen nicht durch Installierung einer rein strukturbezogenen „objektiven“ Aufsicht erreicht werden, solange sich die Aufsichtsbehörde auf grundrechtlich geschütztem Terrain bewegt. Ansatzpunkt für Bemühungen zur Entlastung der Verwaltung müssen die Pflichten der BAFin selbst sein. Zu hinterfragen ist, ob der Kreis verletzbarer Pflichten durch eine Reduzierung der Aufsichtsdichte verengt werden kann, dies freilich nur im Lichte verfassungsund europarechtlicher Vorgaben.

§ 7 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse festhalten: 1. Das WpÜG enthält individual-(dritt-)schützende Normen. Namentlich § 11 WpÜG (Angebotsunterlage)188 und § 35 WpÜG (Pflichtangebot)189 bezwecken den Schutz der Zielgesellschaftsaktionäre in ihrer Stellung als (unter Entscheidungsdruck stehende) Adressaten eines Erwerbs- oder Übernahmeangebots bzw. als (von Vermögensverlust bedrohte) Minderheitsgesellschafter. Lässt man § 4 Abs. 2 WpÜG zunächst außer Acht und geht vom grundsätzlich „dienenden Charakter“ der Aufsicht aus, sind auch die jeweiligen Pflichten der BAFin individualschützend. Das wurde für die Angebotsprüfung und -untersagung (§§ 14 Abs. 2 S. 1, 15 Abs. 1 Nr. 1, 2 WpÜG)190 sowie für die pflichtangebotsbezogenen Pflichten (insbes. §§ 20, 36 f. WpÜG)191 nachgewiesen, kann aber auch für andere Überwachungsvorschriften gelten; es bedarf jeweils einer einzelnormspezifischen Schutzzweckanalyse. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflichten, z.B. die fehlerhafte Billigung ___________ 186 187 188 189 190 191

Siehe 5. Kap. § 5. 2.Kap. § 1 II. 1. 3. Kap. § 1. 3. Kap. § 2. 3. Kap. § 1 IV. 3. Kap. § 2 IV.

§ 7 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

187

eines Angebots oder die rechtswidrige Befreiung von der Angebotspflicht, kann daher Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB, Art. 34 GG) auslösen. Zudem sind die betreffenden Vorschriften Schutznormen i.S.d. Schutznormtheorie und begründen dementsprechend subjektiv-öffentliche Rechte, durch deren mögliche Verletzung die Anforderung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO erfüllt sind. Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft können daher insbesondere gegen eine auf die Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage gestützte Untersagung nach § 15 sowie gegen Befreiungsverfügungen nach §§ 20, 36 f. WpÜG vorgehen. Sieht man in § 4 Abs. 1 S. 3 WpÜG als Ermächtigungsgrundlage, können sie zudem einen Anspruch gegen die BAFin auf Durchsetzung von Pflichtangeboten haben192. 2. Um eben dieses Ergebnis zu vermeiden, hat sich der Gesetzgeber für die Aufnahme des § 4 Abs. 2 WpÜG in das WpÜG entschieden, der weder bloßer (verkappter) Haftungsausschluss noch unverbindliche Zielbestimmung oder bloßer Programmsatz ist, sondern Zweckbestimmung i.S.d. Schutznormlehre mit (verneinender) Wirkung für die amtshaftungsrechtliche Drittbezogenheit und subjektiv-öffentliche Rechte193. Normzweck des § 4 Abs. 2 WpÜG ist die Bestimmung des Schutzzwecks der Aufsichtsnormen, nicht der Drittrechtsausschluss, der nur Motiv zum gesetzgeberischen Tätigwerden war. Die Zweckbestimmung bezieht sich aber nur auf Aufgaben- und Befugnisnormen, nicht auf überwachte Normen (etwa §§ 11, 35 WpÜG), so dass deren Schutzgesetzcharakter i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB unberührt bleibt. Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 WpÜG ist nicht auf „Dritte“ (Nichtadressaten) beschränkt, sondern umfasst – das wird überwiegend übersehen – auch beaufsichtigte Personen, insbesondere Bieter194. Dass die Pflicht zu rechtmäßigem Handeln unberührt bleibt, ändert an diesem Ergebnis nichts. Es handelt sich dabei nur um die deklaratorische Klarstellung hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung195. § 4 Abs. 2 WpÜG schließt somit jeglichen Individualschutz aus. Er enthält – Gleiches gilt für die übrigen Klarstellungsnormen in FinDAG (§ 4 Abs. 4), BörsG (§ 1 Abs. 6), VAG (§ 81 Abs. 1 S. 3) und vormals auch in WpHG (§ 4 Abs. 2 a.F.) und KWG (§ 6 Abs. 4 a.F.) – ein normatives Bekenntnis zur sog. Strukturtheorie, die die Wirtschaftsaufsicht als „vorrechtlich, überindividuell“ und allein strukturbezogen begreift196. ___________ 192 Vgl. zur Bedeutung der Qualifizierung einer Amtspflicht als individualschützend vgl. 2. Kap. und 4. Kap. § 2. 193 Zum Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 WpÜG 4. Kap. § 3 I, II. 194 Zur Reichweite von § 4 Abs. 2 WpÜG 4. Kap. § 3 III. 195 Dazu 4. Kap. § 3 III 1. c. 196 Zur Strukturtheorie 4. Kap. § 4.

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5. Kap.: Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG

3. § 4 Abs. 2 WpÜG ist verfassungswidrig, weil er die prozessuale Durchsetzbarkeit der etwa in §§ 20, 36 f. WpÜG enthaltenen (grundrechtlich geforderten) Befreiungstatbestände zu Gunsten des Bieters verhindert197. Verstoßen wird gegen Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsschutzgarantie) i.V.m. den eine Subjektivierung der Tatbestände fordernden Grundrechten (insbes. Art. 2 Abs. 1 GG – Vertragsfreiheit). Wegen der umfassenden Geltung des § 4 Abs. 2 WpÜG kann sich auch ein beaufsichtigter Bieter nicht auf eine, seine Interessen schützende Norm des WpÜG berufen. Er wäre mithin nicht klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Der Rückgriff auf die Grundrechte ist aufgrund des von der Schutznormtheorie zugrunde gelegten Vorrangs des einfachen Rechts im Zusammenspiel mit der umfassenden Verneinung des Individualschutzes durch § 4 Abs. 2 WpÜG ausgeschlossen. Dieses gesetzgeberische „Missgeschick“ lässt sich nicht durch verfassungskonforme Auslegung oder teleologische Reduktion beseitigen. Zu klar sind Wortlaut und Normzweck. Jeder dennoch unternommene Versuch mündet in schlichter Derogation der Norm198. § 4 Abs. 2 WpÜG ist auch deshalb verfassungswidrig, weil er „Dritten“ generell den Rechtsweg gegen aufsichtsbehördliche Verfügungen versperrt, obwohl durch diese (private) Rechtspositionen entzogen werden können. Dies gilt zum einen für Befreiungen vom Pflichtangebot, weil § 35 WpÜG den Minderheitsaktionären einen privatrechtlichen (Art. 14 GG unterfallenden) Anspruch auf Abschluss eines Wertpapiererwerbsvertrages einräumt199. Zum anderen können Angebotsuntersagungen zur Vernichtung bereits geschlossener Verträge und somit zur Entziehung schon bestehender Ansprüche führen200. Verletzt wird Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG. 4. Obschon § 4 Abs. 2 WpÜG und die übrigen Klarstellungsnormen (insgesamt) nichtig sind, steht kein Zusammenbruch der Finanzdienstleistungsaufsicht bevor. Insbesondere vermag das von der Rechtsprechung entwickelte Kriterium der „individualisierbaren und qualifizierten Rücksichtnahme“201 eine wirksame Begrenzung des Individualschutzes zu leisten. So können beispielsweise die Zielgesellschaft und deren Arbeitnehmer aus dem Kreis der durch das WpÜG geschützten Individuen ausgeschieden werden202. Aus der Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Zielgesellschaftsaktionäre resultierende Effekte zu Lasten der Verfahrensbeschleunigung sind aber ___________ 197 198 199 200 201 202

5. Kap. § 3 II. 1. Vgl. 5. Kap. § 3 II. 2. Hierzu 5. Kap. § 3 III. 2. a. 5. Kap. § 3 III. 2. b. Siehe 2. Kap. § 1 II. 1., § 2 II. 3. Kap. § 1 IV. 4. c.

§ 7 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

189

nicht zu leugnen203. Sie müssen jedoch wegen der rechtsstaatlichen Einbindung jeder Verwaltungstätigkeit hingenommen werden.

___________ 203

Zu den Konsequenzen der Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG vgl. 5. Kap. § 5.

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___________

Im Text wird zum Teil abgekürzt zitiert; diese Abkürzungen sind in Verbindung mit dem Literaturverzeichnis ohne nähere Aufschlüsselung verständlich.

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Zugehör, Horst, Berufliche „Dritthaftung“ – insbesondere der Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Notare – in der deutschen Rechtsprechung, NJW 2000, S. 1601 ff.

Sachwortverzeichnis Abgestimmtes Verhalten 74 Adressatentheorie 93 ff., 145 – Geltung in bipolaren Verwaltungsverhältnissen 93 ff. – keine Geltung bei Verpflichtungsklagen 97 f. Aktien im Handelsbestand 56, 76 Aktien mit einseitiger Erwerbsmöglichkeit 73 Alternative Regelungskonzeption zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit 170 ff., 179 f. Amtshaftung 37 ff., 86, 88 f., 112 ff., 117, 120 ff., 133 ff., 142, 184 – drittbezogene Amtspflichten 37 ff., 66 ff., 78 ff., 88 f., 120 ff. – Subsidiaritätsklausel 184 Amtspflichten 37 ff., 86, 120 ff. – absolute 121 – Drittbezogenheit 37 ff., 78 ff., 120 ff. – relative 122 f. Anfechtungsbeschwerde 91 ff. Angebot, §§ 145 ff. BGB 47, 175 Angebotspflicht siehe Pflichtangebot Angebotsunterlage 34 f., 47 ff. – Angebotsverordnung 25, 51 f. – Annahmefrist 53, 59 f., 65 – Bedingungen 53, 149, 178 – Entscheidungsnot der Aktionäre 62 ff., 86 – Gegenleistung 53 ff. – Gesamteindruck 50, 60 f. – Gestattung 59 f., 96, 149, 174 ff. – Grundrechtseingriff 173 ff.

– individualschützender Charakter 62 ff., 86, 186 f. – Informationsfunktion 47 – Informationsgefälle zu Lasten der Aktionäre 62 ff. – materielle Plausibilitätskontrolle 60 f. – Prisoner´s dilemma 63 ff., 86 – Prüfpflicht der BAFin 59 ff. – Richtigkeit 48, 50 ff., 60 f. – Schutzzweck 62 ff. – Untersagung 35, 51, 59 f., 66 ff., 86, 88, 91, 149, 173 ff. – Veröffentlichung, ordnungsgemäße 177 f. – Verständnishorizont 48 ff. – Vollständigkeit 51 f., 60, 66 f. – Wirksamkeitsvoraussetzungen 175 ff. – Zehn-Tages-Frist 174 ff. Annahme von Angeboten 175 ff. Anwendungsvorrang des einfachen Rechts 45, 145, 156, 188 Arbeitnehmer der Zielgesellschaft 32 f., 66 ff., 88 f., 95 f., 182 ff. Auch-Rechtsprechung 133, 182 ff. Aufsichtshysterie 133, 182 ff. Auslegung von Gesetzen siehe Gesetzesauslegung Auslegungstheorie – objektiv 104, 118, 151, 155 f. – subjektiv 104 Austrittsrecht der Minderheitsaktionäre 81 ff., 144 f., 163

Sachwortverzeichnis

BAFin 35 f. – Ermittlungsbefugnisse 35, 61, 171 – Evidenzzentrale 35, 59 – Genehmigungsbehörde 59 f. – Pflichten 59 ff., 74 ff. BAWe 26 Befreiung von der Angebotspflicht (§§ 20, 36 f. WpÜG) 35, 75 ff., 85, 88 ff., 96, 123, 145 ff., 157, 163 ff. Befugnisse der BAFin siehe BAFin Beiratsverordnung 25 Beschwer, formelle und materielle 92 Beschwerdebefugnis 95, 103, 182 ff. Bieter – Ansprüche 89 f., 95 ff., 127 ff., 145 ff. – bipolare Verwaltungsverhältnisse 93 ff., 155 – Pflichten 26, 34, 47 ff., 65, 70 ff., 163 ff. – Sperrung von Ansprüchen 145 ff. Bipolare Verwaltungsverhältnisse 93 ff., 155 – Geltung der Schutznormtheorie 93, 155 Börsenpreisregel 55 Börsensachverständigenkommission 31 f. Börsenzulassungsprospekt 47 f., 50, 51, 185 Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (Schweiz) 71 Bußgeld 35, 163

City Code on Takeovers and Mergers 31, 61, 71, 180 Contra legem siehe Gesetzesauslegung

Dienender Charakter der Aufsicht 46 f., 86, 107, 110, 114, 128, 136, 186

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Drittbezogenheit von Amtspflichten siehe auch Amtspflicht – Grundsätze der Rechtsprechung 38 ff. – Inkongruenz von Drittbezogenheit und Klagebefugnis 120 – WpÜG 66 ff., 78 ff. Dritte 37 ff., 43 ff., 118 ff. – Amtshaftung 37 ff., 68 f., 85, 89, 118 ff. – bipolare Verwaltungsverhältnisse 93 ff. – Durchschnittsanleger 49 – Rechtsbehelfe 30 f., 91 ff., 133 ff., 157, 183 f., 187 f. – subjektiv-öffentliche Rechte 42, 43 ff., 68 f., 85, 91 ff., 115 f., 118 ff. – Zurechnung bei Vorerwerben 54, 56, 59, 61 – Zurechnung bei Stimmrechten 76 Durchschnittsanleger 48 ff.

Eigentum 143, 162 ff. – Eingriff 165 ff. – Inhalts- und Schrankenbestimmung 168 f. – verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff (Art. 14 GG) 162 – Pflichtangebot als Eigentum 162 ff. Eingriff 165 ff. – Befreiungsverfügungen als Eingriff 165 ff. – verfassungsrechtlicher Eingriffsbegriff 165 f. Enteignung 168 f. Entscheidungsnot der Aktionäre siehe Angebotsunterlage Ermittlungsbefugnisse der BAFin siehe BAFin Evidenzzentrale siehe BAFin Europarechtliche Vorgaben 28, 32 f., 83, 134, 170 ff., 179

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Sachwortverzeichnis

Europarechtswidrigkeit des WpÜG 149, 171 f. EU-Übernahmerichtlinie 32 f. France Télécom siehe Mobilcom/ France Télécom Funktionsfähigkeit der Märkte 69 f., 76, 78 f., 87 f., 102, 111, 119, 128, 130 ff., 148, 168 Funktionsschutz, überindividueller 130 ff.

Gegenleistung 53 ff, 61, 149 – Angemessenheit 55 ff., 61, 63 ff., 163 – Art und Höhe 53 ff. – Börsenpreisregel 55 – Gleichpreisregel 56 – Unternehmensbewertung 56 ff. Genehmigungsfiktion 175 ff. Genehmigungsvorbehalt 149, 176 f., 179 Gesellschaftsrechtliche Treupflichten 79 ff. Gesetzesauslegung 44, 104 ff., 125 ff., 150 ff., 181 f. – contra legem 153 – Entstehungsgeschichte 107 ff. – Methoden 44, 104 – objektive Auslegungstheorie 104, 118, 151 – praeter legem 105, 152 ff. – Teleologische Reduktion 154 ff. – Sinn und Zweck des Gesetzes 112 ff. – subjektive Auslegungstheorie 104 – Systematik des Gesetzes 125 ff. – Verfassungskonforme Auslegung 150 ff. – Wortlaut der Norm 104 ff. Gestattung der Angebotsunterlage siehe Angebotsunterlage

– keine Wirksamkeitsvoraussetzung 176 f. Gewaltenteilungsgrundsatz 139 f. Gebührenverordnung 25 Girmes AG 80 Gleichbehandlung der Aktionäre 54, 56, 66

Haftungsausschluss 28, 88 f., 101 f., 106, 112 f., 120, 124, 142, 187 – verkappter 101 f., 117 Halten von Aktien für Rechnung siehe Zurechnung von Stimmrechten Herstatt-Urteil des BGH 107, 108

Informationsgefälle zu Lasten der Aktionäre siehe Angebotsunterlage Informationspflichten des Bieters 64 f. Interessenregelung siehe Klarstellungsregelung Interessentheorie 160

Kamps/Barilla 25 Kartellrecht, Anlehnung an das 92 Klagebefugnis 42 ff., 66 ff., 86, 89 ff., 116, 120, 186 f. Klarheit der Gesetzgebung 140 ff. Klarstellungsnormen 27 ff., 86 ff., 138 ff. – eindeutiger Wortlaut 104 ff. – Entstehungsgeschichte 107 ff. – lex generalis 103, 125 ff. – normative Schutzzweckbestimmung i.S.d. Schutznormlehre 105, 107 ff., 112 ff., 130, 136, 187 – Reichweite 118 ff., 136, 187 – Rechtswegsperre 144 ff., 156 – Sinn und Zweck 112 ff., 152 ff., 187 – Systemfremdheit 28, 103 – unverbindliche Zielbestimmung 102, 117 – Verfassungswidrigkeit 138 ff.

Sachwortverzeichnis – verkappter Haftungsausschluss 101 f., 117 – Vorlage zum EuGH 28, 33, 134 – Wetterstein-Urteil des BGH 27, 107 ff., 119, 128, 133, 139, 158 – Wirkung für subjektiv-öffentliche Rechte 114 ff., 187 Kollektiv-Vertrauen 46, 87 f. Kontrahierungszwang 147, 159, 161 Kontrolle i.S.d. WpÜG 70 ff. Kontrollwechsel 26, 63, 78 ff., 163 ff. Konzerneingangsschutz 82 ff. Konzernrecht 81 ff., 159, 161 – faktischer Konzern 83 – Vertragskonzern 82 f. Kreditwesensgesetz (KWG) – § 6 KWG 27 f., 33, 101 f., 111 ff., 130 ff., 139 ff., 157 f., 183, 187 – Zweck des KWG 108 ff.

Leistungsbegehren 93 ff. Leitsätze für Unternehmensübernahmen 31 Lex generalis – lex specialis 103, 125 ff. Linotype-Urteil des BGH 80

Macht des Großaktionärs 79 ff., 143 Mannesmann/Vodafone 30, 32 Meldepflichten des Bieters 35, 59, 64 f., 68 Mehrzwecktheorien zur Wirtschaftsaufsicht 131 Minderheitenrechte 79 f. Minderheitenschutz 26, 54, 63 ff., 78 ff., 148, 170 ff., 186 – im Konzernrecht 82 ff. – im UmwG 84 f. Missstandsaufsicht 35, 129 f., 180 Mobilcom/France Télécom 25, 46, 71 ff., 96

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Nichtberücksichtigung von Stimmrechten (§§ 20, 36 WpÜG) 75 ff., 91, 96, 129, 145 ff., 164 ff. Nichtigkeit des § 4 Abs. 2 WpÜG 180 ff. – Konsequenzen 182 ff. Nichtigkeitsfolge der Untersagungsverfügung 67, 157 f., 173 ff. normative Schutzzweckbestimmung, § 4 Abs. 2 WpÜG als siehe Zweckbestimmung Norminterne/-externe Wirkung von Grundrechten 45 Normwiderspruch 126 ff., 141

Objektformel des BverfG 139 Öffentliches Interesse 37 ff., 87 f., 90 f., 111 Paketzuschläge 56 Parallelerwerb 54, 61 Pennington-Entwurf 32 Pflicht zur Stellungnahme (§ 27 WpÜG) 68 Pflichtangebot (§ 35 WpÜG) 26, 31, 34 f., 47, 51 f., 53, 70 ff., 146 ff., 186 ff. – Ausfluss gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten 81 f. – Befreiung vom Pflichtangebot 75 ff., 146 ff. – Durchsetzung 46, 96 – Eigentum i.S.v. Art. 14 GG 162 ff. – Eingriff in die Vertragsfreiheit 146 ff., 159 ff., 165 ff. – europarechtliche Vorgaben 170 ff. – grundrechtliche Schutzpflicht 172 – Individualschutz 78 ff. – Missachtung der Angebotspflicht 51 f., 163 – Pflichten der BAFin 74 ff.

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Sachwortverzeichnis

– privatrechtliche Anspruchsnorm 159 ff. – Schutzzweck 78 ff. – verfestigte, vermögenswerte Rechtsposition 163 ff. – Zurechnung von Stimmrechten 71 ff. Pflichten der BAFin siehe BAFin Plausibilitätskontrolle, materielle 60 f. Praeter legem siehe Gesetzesauslegung Prisoner´s dilemma siehe Angebotsunterlage Privatautonomie 146 ff. Privatrecht - Öffentlichen Recht, Abgrenzung 159 ff. Privatrechtsgestaltung 66, 69, 166 ff., 173 ff. Privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte 69, 91, 157 f., 166 ff., 173 ff. – Befreiungsverfügungen 166 ff. – Untersagung von Angeboten 69, 173 ff. Prospekt 47 f., 51, 54 Prospekthaftung 185 Prüfpflicht der BAFin 59 ff. – drittbezogene Amtspflicht 62 ff.

Rechtsverlust bei Verstoß gegen die Angebotspflicht 35, 75 Rechtsbehelfsvorschriften 99 f., 125 ff. – nicht anspruchsbegründend 99 f. Rechtsbehelfe Dritter 91 ff., 117, 157 ff., 182 ff. Rechtsreflex 27, 42 ff., 69 f., 87 ff., 108ff., 114 ff., 132 ff. – Abgrenzung zum subjektiven Recht 42 ff. Rechtsfortbildung 105, 152 ff. Rechtsverletzung i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG 42 f., 93 ff., 159 ff. – Befreiung vom Pflichtangebot 165 ff. – Untersagung von Angeboten 173 ff. Rechtsweggarantie 144 f.

Rechtswegsperre, § 4 Abs. 2 WpÜG als 144 ff. – Règlement Général des Marchés Financiers (RCMF) 71 Richtlinie, europäische 28, 32 f., 71, 83, 134, 170 ff., 179 – subjektive Rechte 170

Schrankenbestimmung i.S.v. Art. 14 GG 168 f. Schutzgesetze (§ 823 BGB) 37, 89, 100, 105 ff., 110, 134, 187 Schutznormtheorie 27, 43 ff., 89 ff. – Geltung in bipolaren Verwaltungsverhältnissen 93, 155 – Vorrang des einfachen Rechts 45, 100, 145 Schutzpflichten, grundrechtliche 28, 128 f., 142 ff., 172 Schutztheorie 41 f., 68, 111 f., 131 ff. Sonderrechtstheorie 161 Staatsgarantie 133, 184 ff. Stimmrechte 65, 71 ff., 78 ff., 146 ff., 165 ff. – Zurechnung 71 ff. – Nichtberücksichtigung 75 ff. Streichung des § 42 WpÜG 30 f., 101, 115 f. Strukturtheorie 41 f., 130 ff., 158, 160, 187 Subjektiv-öffentliche Rechte 27 ff., 37, 42 ff., 89 ff., 143, 148 – Abgrenzung zum Rechtsreflex 44 – Bestimmung 43 ff. – im WpÜG 89 ff., 112 ff., 148 – Pflicht der Behörde zum Handeln 98 f. Subordinationstheorie 160 f. Subsidiaritätsklausel (Amtshaftung) 184 Systemfremdheit der Klarstellungsnormen 28, 103

Sachwortverzeichnis

Teilnichtigkeit 180 ff. Teleologische Reduktion 154 ff. Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria 71 Theorie der gesetzlich bedingten, ursprünglichen Bestandsschwäche des Eigentums 163 f. Transparenzgrundsatz 26, 47 f., 52, 62 ff. Treuepflichten, gesellschaftsrechtliche 79 ff. – Schadensersatz bei Verletzung 81

Übernahmegesetz (Österreich) 71, 179 Übernahmekodex 31 f., 71 Übernahmerichtlinie 32 f., 71, 83, 170 ff., 179 Umwandlungsgesetz 58, 67 f., 77, 84 f., 161 – Minderheitenschutz 84 f. – Verschmelzungsbericht 67 f. Unberührt-Formel 118 ff. Untermaßverbot 143 Unternehmensbewertung 55 ff. Untersagung von Angeboten siehe Angebotsunterlage

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Vermögensverlust durch Kontrollwechsel 78 f. Veröffentlichung der Angebotsunterlage 177 f. Veröffentlichungspflichten 47, 59, 68, 149 Verpflichtungsbeschwerde 90, 93, 95 ff., 99 f., 103, 148 f. Verschmelzungsbericht siehe Umwandlungsgesetz Vertragsfreiheit 146 ff., 179, 188 – Abschluss- und Gestaltungsfreiheit 146 – Beschränkbarkeit 147 ff. Vertragsvernichtung 67, 69, 173 ff., 179 Verwaltungsakt – privatrechtsgestaltend 69, 166 ff., 173 ff. – mit Doppelwirkung/Dritt- 91, 166 Vollständigkeitskontrolle, formelle 60 Vollzug von Inhalts- und Schrankenbestimmungen 168 f. Vorerwerb 54, 59, 61 Vorrang des einfachen Rechts siehe Anwendungsvorrang des einfachen Rechts

Verbotsgesetz (§ 134 BGB) 158, 174, 178 Verfahrensbeteiligung 91 ff., 96 f., 182 ff. – Dritter 88, 91 ff., 96 f., 182 ff. – keine Begründung subjektiver Rechte 98 Verfassungskonforme Auslegung 150 ff. Vermögenswerte Rechtsposition 162 ff., 173 ff. – Pflichtangebot 162 ff. – Wertpapiererwerbsvertrag 173 ff. Verkaufsprospekt 51, 54 f., 60

Wasserstandsmeldung 35, 65 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) – Anwendungsbereich 34 – Aufbau 34 – Entstehungsgeschichte 30 ff. – Schnittstelle Gesellschafts-/Kapitalmarktrecht 81 f., 159 – Systematik 34, 125 ff. Wertpapiererwerbsverträge 146 f., 159 ff., 173 ff. – Abschluss 146 f., 159 ff., 175 ff. – Nichtigkeit 173

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Sachwortverzeichnis

– eigentumsrechtlich geschützte Rechtsposition 162 ff. – Vernichtung 173 ff. Wetterstein-Urteil des BGH 27, 107 ff., 111, 113 f., 119, 128, 133, 139, 158, 184 Widerspruchsausschussverordnung 25 Widerspruchsfreiheit der Gesetzgebung 141 f. Widersprüchlichkeit des WpÜG 28, 138 f. Wirtschaftsaufsicht – dienender Charakter 46 f., 86, 107, 110, 114, 128, 136 – Zweck 41 f., 111 f., 131 ff. Wortlaut (grammatikalische Auslegung) 44, 96 f., 100, 104 ff., 108 f., 151 ff., 178, 180 f. – Ausgangspunkt der Auslegung 44, 104 f.

– Grenze der Auslegung 44, 104 f., 151 ff. – § 4 Abs. 2 WpÜG eindeutig 100, 103, 105 ff.

Zaunkönigsregelung 65 Zehn-Tages-Frist siehe Angebotsunterlage Zielbestimmung, unverbindliche siehe Klarstellungsnormen Zinsanspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft 52, 163 Zurechnung von Stimmrechten 71 ff. – Halten für Rechnung 72 f. – einseitige Erwerbsmöglichkeit 73 – abgestimmtes Verhalten 74 Zweckbestimmung, § 4 Abs. 2 WpÜG als normative 88, 100, 104 ff., 110 ff., 118 ff., 130, 133, 140 ff., 155, 180 f., 187