Demografischer Wandel in Deutschland: Befunde und Reaktionen [1 ed.] 9783428533541, 9783428133543

Demografische Probleme waren in Deutschland und in der Welt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, stets mehr oder we

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Demografischer Wandel in Deutschland: Befunde und Reaktionen [1 ed.]
 9783428533541, 9783428133543

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Volkswirtschaftliche Schriften Heft 559

Demografischer Wandel in Deutschland Befunde und Reaktionen

Herausgegeben von

Ullrich Heilemann

a Duncker & Humblot · Berlin

ULLRICH HEILEMANN (Hrsg.)

Demografischer Wandel in Deutschland

Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann †

Heft 559

Demografischer Wandel in Deutschland Befunde und Reaktionen

Herausgegeben von

Ullrich Heilemann

a Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 978-3-428-13354-3 (Print) ISBN 978-3-428-53354-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83354-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die demografische Entwicklung, ihre Ursachen, Voraussetzungen und Folgen zählen zu den zentralen Fragen der Gegenwart. Sie sind allerdings nicht neu und standen schon früh im Mittelpunkt staatlicher Interessen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. So gab es beispielsweise militärische Gründe – Erhaltung der Verteidigungskraft, fiskalische Gründe – Sicherung der Staatseinnahmen und bildungspolitische Gründe – „Züchtung“ kluger Köpfe. Die Demografie wurde dazu benutzt, gesellschaftliche und politische Wertvorstellungen durchzusetzen, das traditionelle Geschlechtermodell etwa, die Vormachtstellung des Bürgertums u. a. Wer weder Volks- noch Wirtschaftswissenschaft studiert hat, wird bekennen müssen, den Stand der Diskussion um die demografischen Fragen auch nicht annähernd überblicken zu können, aber er kann doch erkennen, dass hier viele Erklärungen, Einschätzungen sowie stabile und weniger stabile Maximen miteinander im Wettstreit liegen, und davon abgeleitet politische Empfehlungen. Sie reichen von der düsteren Prognose, es stehe uns bereits jetzt unabwendbar eine bevölkerungspolitische Katastrophe bevor, über die Meinung, es lasse sich alles (noch) beherrschen, bis hin zu der sedativen Behauptung, die Bevölkerungswissenschaft sei weit weniger exakt, als sie es Glauben machen wolle, und verlässlich berechenbar sei eigentlich nichts. Es werden Theorien geschaffen und verworfen. So hört man, die Alterspyramide werde zu Lasten anderer Formen des Bevölkerungsaufbaus vergötzt, wobei sie doch – erkennbar – eine Ausnahmeform des 19. Jahrhunderts sei, als die Kindersterblichkeit rapide sank. Andererseits wird gesagt, die sich abzeichnende Urnenform des Bevölkerungsaufbaus indiziere den Untergang der Population eines Gebiets und anderes mehr. Mit dem Blick auf die demografische Geschichte Deutschlands lassen sich für alle oder jedenfalls für viele Ansichten Argumente finden, zumal da die demografischen Zielsetzungen oft wechselten und sich variabel zeigten. Denken wir an die Aufnahme der über acht Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg allein in Westdeutschland, an die Aufnahme der mehr als 2,5 Millionen Gastarbeiter und an die seit Jahren geführte Debatte um gestaltete Zuwanderung einschließlich dem – bescheidenen – Erfolg der green-card-Initiativen. Es bedarf keiner Ausführungen, dass die angesprochenen Fragen in enger Beziehung zur Arbeit der Wüstenrot Stiftung, insbesondere zu deren Schwer-

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Vorwort

punkt „Planen, Bauen, Wohnen“ stehen, bei dem es ja auch darum geht, für den zu beobachtenden, schon eingetretenen oder sich ankündigenden Wandel gerüstet zu sein und ihm mit neuen Impulsen und intelligenten Anstößen zu begegnen. An entsprechenden Anregungen hat es die Tagung vom 25. Februar 2009 in Leipzig nicht fehlen lassen. Selbst wenn die Politik, aus welchen Gründen auch immer, Schwierigkeiten haben sollte, sie aufzunehmen und umzusetzen, darf sie die gegebenen Anregungen auf keinen Fall ignorieren. Recht nahe liegen die Feststellungen und Anregungen in den Tagungsbeiträgen auch bei dem Forschungsprojekt des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung (IEW) zur Raumordnungspolitik in Deutschland. Anders als bisher in der Öffentlichkeit wahrgenommen, vollzieht sich die demografische Änderung eben nicht gleichförmig und stellt vor allem in Ostdeutschland die Politik auf Landes- wie auf Gemeindeebenen vor große Probleme. Namentlich auf der Gemeindeebene wird dabei der Preis sichtbar, der bei mangelnder Integration der Zuwanderung von den Zuwanderern wie auch von weiten Teilen der heimischen Bevölkerung zu zahlen ist. Die Wüstenrot Stiftung freut es besonders, dass mit dieser Tagung und ihrer Dokumentation Herr Professor Dr. Adolf Wagner, der Gründer und erste Direktor des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Leipzig, geehrt wird, der am 25. Februar 2009 sein 70. Lebensjahr vollendet hat. Er zählt zu den wenigen Persönlichkeiten, die sich seit mehr als 30 Jahren dem Demografie-Thema widmen und auf die jetzt so drängenden Fragen nachdrücklich aufmerksam gemacht haben. Ludwigsburg, im Februar 2010

Wolfgang Bollacher

Inhaltsverzeichnis Grußworte Franz Häuser Grußwort des Rektors der Universität Leipzig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Johannes Ringel Grußwort des Dekans der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät . . . . . . . . . .

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Wolfgang Bollacher Grußwort der Wüstenrot Stiftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Beiträge Ullrich Heilemann Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Adolf Wagner Orthodoxe und heterodoxe Bevölkerungsökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Eugen Spitznagel Ist die Demografie unser Schicksal? Expansive Arbeitszeitpolitik – eine übersehene Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Gunter Steinmann Vorschläge für eine effektive und nachhaltige Bevölkerungspolitik . . . . . . . . .

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Hans Dietrich von Loeffelholz Demografischer Wandel und Migration – Erfahrungen, Perspektiven und Optionen zu ihrer Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Georg Milbradt Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

Podiumsdiskussion Notwendigkeit und Möglichkeiten der politischen Gestaltung der demografischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang Curriculum Vitae Adolf Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Schriftenverzeichnis Adolf Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verzeichnis der Autoren und Sitzungsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verzeichnis der Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Grußworte

Grußwort des Rektors der Universität Leipzig Von Franz Häuser Spectabiles, sehr verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste unseres Geburtstagskolloquiums, Sie haben gewiss den Einladungen zu der heutigen Veranstaltung entnommen, wenn Sie es nicht ohnehin schon gewusst haben, dass wir in diesem Jahr ein bedeutendes Jubiläum der Universität Leipzig begehen und auch feiern. Erlauben Sie mir daher bitte, dass ich in meinen Begrüßungsworten etwas darauf eingehe, um uns gemeinsam auch ein wenig auf die kommenden Ereignisse und Feierlichkeiten einzustimmen, bevor ich mich dem Jubilar, zu dessen Ehren das Kolloquium stattfindet, widmen werde und, als drittes Element, dem beide gleichsam verbindenden wissenschaftlichen Thema, das uns heute, hier in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, zusammengeführt hat. Wir blicken im Festjahr 2009 voller Freude und auch etwas mit Stolz auf 600 Jahre kontinuierliche wissenschaftliche Lehre und Forschung an der Alma Mater Lipsiensis zurück. Sie ist damit die zweitälteste Universität Deutschlands und erlangte schon frühzeitig eine große Bekanntheit, vor allem erwarb sie sich durch ihre führende Rolle im Zeitalter der Aufklärung im In- und Ausland einen hervorragenden Ruf, dessen sie sich auch heute noch erfreut, und den zu erhalten wir alle bestrebt sind. Derzeit bietet sie etwa 29 000 Studenten und 1 900 Wissenschaftlern in 14 Fakultäten mit mehr als 100 Studiengängen ein breites und bestens fundiertes wissenschaftliches Spektrum.1 Im Festjahr unserer Universität blicken wir freilich nicht nur auf die Geschichte zurück und auf das bisher Geleistete, sondern entsprechend dem Motto unserer Universität – „AUS TRADITION GRENZEN ÜBERSCHREITEN“ – wagen wir auch einen Blick in die Zukunft. Denn dies ist ja die Zeitachse, in der wir leben möchten und die wir selbst beeinflussen können. Dass diese Zukunft – nicht anders als in den letzten 600 Jahren – eine Vielzahl von Herausforderungen für uns bereit hält, steht außer Frage. Anregungen dazu erwarten wir auch von dem umfassenden Programm, das 1 Vgl. Jahresbericht 2006/2007 der Universität Leipzig und http://www.unileipzig.de/zahlen/.

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Franz Häuser

die Universität für das Jubiläumsjahr entworfen hat. Zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland haben wir nach Leipzig eingeladen, um in mehr als 300 Veranstaltungen, Tagungen, Projekten und Fachkonferenzen auch der Öffentlichkeit spannende und vielfältige Einblicke in die zukünftigen Perspektiven der uns anvertrauten Wissenschaften zu geben und zu gewinnen. In diesen Rahmen fügt sich das heutige Kolloquium zu dem aktuellen Thema „Demografischer Wandel in Deutschland – Befunde und Antworten“ nahezu nahtlos ein. Es widmet sich einer der zentralen künftigen Herausforderungen an unsere Gesellschaft, vor allem aus sozioökonomischer und politischer Sicht. Gestern fand ich noch in der Zeitung, die wir vor Ort alle begierig lesen, das Fazit der Raumordnungsprognose des Jahres 2025 des Bundesamtes für Bauwesen in deftiger Sprache wiedergegeben: „Deutschland vergreist, der Osten blutet aus und wird zum Altenheim der Republik.“ Zwar kommt Sachsen im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Bundesländern noch gut weg. Dennoch: nicht nur der Freistaat, auch und vielleicht auch ganz besonders die Universitäten – keineswegs nur die Universität Leipzig allein –, sind von den Folgen des demografischen Wandels betroffen. Auch darüber diskutieren wir, vor allem mit Blick auf eine Verlängerung des Hochschulpaktes aus dem Jahr 2003, über das Jahr 2010 hinaus mit dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst intensiv. Wenn ich dazu, über den vorbereiteten Text hinaus, etwas aus meiner Erfahrung sagen darf, dann überschaue ich einen Zeitraum von etwa 30 Jahren Universität und da spielte der demografische Wandel, der Rückgang der Studierendenzahlen, immer eine Rolle. Wenn die Universität zusätzliche Studierende bekommen hat, dann hieß es immer, ihr müsst eine Überlastquote tragen, die in überschaubarer Zeit wieder abschmelzen wird. Aber alsbald ist aus der Überlastquote die Normalität geworden. Man darf die Entwicklung der Studierendenzahlen in unserer Universität nicht in erster Linie mit demografischen Entwicklungen in Einklang zu bringen versuchen, beispielsweise hing der Anstieg 2003/2004 meines Erachtens primär mit der allgemeinen Ausbildungssituation in unserem Land zusammen: Wenn ich keine Lehrstelle oder einen sonstigen Ausbildungsplatz finde, dann überlege ich mir, ob ich studiere und über BAföG finanziert werde. Damit hängt wahrscheinlich auch der aktuelle Rückgang der Studierendenzahlen zusammen, denn nicht alle, die ein Studium aufnahmen, haben das mit voller Begeisterung und aus intrinsischem Antrieb getan, sondern einfach deshalb, weil sie nichts anderes hatten. Dass wir nicht überbordend vollgelaufen sind, hing auch mit den Einflüssen zusammen, die die Universität selbst unternommen hat. Als wir nämlich bei 31 000 standen und plötzlich die Qualität der Lehre ganz dramatisch gefährdet war, haben wir für die meisten Fächer einen numerus clausus eingeführt, d.h. von unserer Seite aus versucht, die Zahl der Studierenden konstant zu halten.

Grußwort des Rektors der Universität Leipzig

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Mit Interesse habe ich die Reihe renommierter Vortragender registriert, darunter auch den – wie wir ja alle wissen – ehemaligen Ministerpräsidenten Georg Milbradt. Ebenso finden sich unter den Zuhörern neben den zahlreichen allgemein am Thema Interessierten viele wegen ihres Arbeitsfeldes mit dem Thema befasste Wissenschaftler. Wir wissen, dass bereits sehr vieles zur künftigen demografischen Entwicklung gesagt ist, aber das kann keine Begründung dafür sein, sich nicht ein weiteres Mal systematisch und kritisch mit den Konsequenzen und Lösungsvorschlägen zu dieser Problematik auseinanderzusetzen, zumal sich Erkenntnisstand und politische Handlungsoptionen, schon allein angesichts der Erweiterung der Europäischen Union, in den letzten Jahren drastisch verändert haben. Erst recht ist das keine hinreichende Begründung an der Universität Leipzig, wo, wie gesagt, aus Tradition Grenzen überschritten werden. Kurz, die Universität freut sich, dass es dem Institut für Empirische Wirtschaftsforschung gelungen ist, eine Veranstaltung zu organisieren, die so fundierte und anregende Ausführungen und Diskussionen zum Thema verspricht, dass sich Teilnehmer aus dem ganzen deutschsprachigen Raum in Leipzig eingefunden haben. Ganz besonders freue ich mich über den äußeren Anlass des heutigen Kolloquiums, den 70. Geburtstag von Herrn Prof. Dr. Adolf Wagner, ehemals Prorektor unserer Universität, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und erster Direktor des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung. Auf diesem Wege und an dieser Stelle, lieber Herr Wagner, darf ich Ihnen ganz herzlich die Glückwünsche des Rektorats ausrichten und, natürlich, meine ganz persönlichen Wünsche. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich weiter guter Gesundheit – und das darf ich in diesem Fall sagen: ungebrochener wissenschaftlicher Produktivität – erfreuen mögen. Als ich Sie, lieber Herr Wagner, vor fünf Jahren in der Villa Tillmanns an der „sozialpolitischen Schallgrenze von 65 Jahren“2 verabschiedete, verband ich mit meinen damaligen Glückwünschen die Hoffnung, dass Sie auch weiterhin die wissenschaftliche Diskussion mit Ihren Beiträgen anreichern und unserer Universität Leipzig und ganz besonders der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eng verbunden bleiben. Diese Hoffnung hat sich, das kann ich heute konstatieren, voll und ganz erfüllt: den Leipziger Studierenden lehren Sie Bevölkerungs- und Innovationsökonomik, zuletzt im Sommersemester 2008, und sie haben weiterhin eindrucksvoll publiziert, obwohl Sie sich seit dem Jahr 2004 im „Projekt Ruhestand“ befinden. Ihre aktive Mitwirkung als Mitglied im Verein für Socialpolitik und als Herausgeber der Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik bestätigt, dass 2 Siehe U. Heilemann (Hrsg.): Ein empirischer Ökonom – Laudationes für Adolf Wagner anlässlich seines 65. Geburtstages. Shaker Verlag, 2005, S. 1.

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Franz Häuser

Wissenschaft, Forschen und Lehren für Sie eine Passion sind. Wie könnte es anders sein – Sie werden heute nicht nur als Zuhörer das Kolloquium beehren, sondern mit einem eigenen Beitrag das Auditorium an Ihren Erkenntnissen und Erfahrungen zur Thematik teilhaben lassen. Wir sind dafür sehr dankbar, vor allem aber gespannt, was wir von Ihnen hören können. Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich den Teilnehmern, Rednern und Organisatoren für die Durchführung der Veranstaltung viel Erfolg und ein gutes Gelingen wünschen. Ich hoffe, dass Ihnen das Kolloquium und die Universität Leipzig in bester Erinnerung bleiben werden. Wenn es ihre Zeit erlaubt, sollten sie unbedingt einen Blick auf den Neubau unseres innerstädtischen Campus, vor allem auf die repräsentativen Gebäude am Augustusplatz, werfen, deren künftige anspruchsvolle Gestalt der Rohbau doch schon sehr gut erkennen lässt. Meine Damen und Herren, dass fernab kritischer Rückschläge und Diskussionen der Neubau des akademischen Campus auch mit Leben erfüllt werden wird, dafür steht der Umzug der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in das neue Gebäude in der Grimmaischen Straße, der gegenwärtig vonstatten geht, als Beispiel. Schauen sie sich an, wie künftig die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät dort untergebracht sein wird und lassen sie sich beeindrucken von dem, was der Freistaat dort für uns erbaut. Wenn man den Rohbau sieht, ist man zuversichtlich, dass er rechtzeitig fertig gestellt wird. In dieser Woche tagte der Jubiläumsbeirat, angeführt durch den Ministerpräsidenten, und ich war sehr beeindruckt, wie viel ihm daran gelegen war, dass wir den 2. Dezember, den offiziellen Geburtstag unserer Universität, in der einen oder anderen Form in dem Neubau angemessen feiern können – und wenn das der Ministerpräsident sagt, wer wollte da widersprechen?

Grußwort des Dekans der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Von Johannes Ringel Magnifizenz, Spectabiles, lieber Herr Wagner, sehr verehrte Damen und Herren, sehr verehrte Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich begrüße Sie zum Kolloquium „Demografischer Wandel in Deutschland – Befunde und Antworten“ und heiße Sie im Namen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig recht herzlich willkommen. Ich freue mich, ebenso herzliche Glückwünsche im Namen des Dekanats und aller Angehörigen der Fakultät an Professor Wagner zu richten. Lieber Herr Wagner, ich wünsche Ihnen zum Geburtstag alles Gute, vor allem Gesundheit und weiterhin viel Freude bei Ihrem wissenschaftlichen „Ruhestandsprojekt“. Als einem meiner Vorgänger im Amt möchte ich Ihnen zugleich für Ihr selbstverständliches Engagement und Ihre wertvolle Aufbauarbeit für die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, deren Dekan Sie von 1996 bis 1999 waren, großen Dank aussprechen und hoffe auch weiterhin auf gute Zusammenarbeit. Nachdem Magnifizenz, Professor Häuser, seine Grußworte bereits an das Auditorium gerichtet, für die Universität Leipzig und das Festjahr 2009 geworben und Sie auf das Thema der Veranstaltung eingestimmt hat, bleibt mir bis auf einige Bemerkungen nicht mehr viel hinzuzufügen. Ich möchte den noch folgenden Vorträgen und Diskussionen nichts vorweg nehmen und Sie auch nicht mit vielen Zahlen belästigen, aber lassen Sie mich kurz auf einige das Thema des Kolloquiums tangierende Befunde für die deutsche Hochschullandschaft, insbesondere für die Universität Leipzig und die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, eingehen. Der demografische Wandel ist, wenn man die Zahl der Studenten als Indikator nimmt, bereits heute in den Hochschulen angekommen, man könnte auch sagen, er steht bereits in der Tür. Seit 2003 stagniert die Gesamtzahl der Studierenden in Deutschland bei mehr oder weniger knapp zwei Mio. Studenten, wenn auch zuletzt wieder Zuwächse bei den Studienanfängern

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Johannes Ringel

zu verzeichnen waren.1 Auch auf Landesebene ist diese Entwicklung zu beobachten: Im Freistaat Sachsen liegt die Zahl der Studierenden seit einigen Jahren konstant bei etwas über 100 000. Die entsprechenden Zahlen der Universität Leipzig schließen sich diesem allgemeinen Trend an, gleichwohl verlief die konkrete Entwicklung etwas prononcierter. Zunächst stieg die Zahl der Studierenden von gut 28 000 im WS 2002/03 auf knapp 31 200 im WS 2005/06, um in den folgenden zwei Jahren wieder auf 29 000 (WS 2007/08) zurückzugehen. Noch bedrückender ist die Lage – leider – an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät: hier ist die Zahl der Studierenden seit dem WS 2003/04 um rund 4% p. a. gesunken und betrug zuletzt noch rund 2 260 Studierende (WS 2008/09). Dem allgemeinen Trend stagnierender oder gar sinkender Studentenzahlen können sich derzeit nur die traditionellen „Brotfächer“ der Naturwissenschaften, wie das Medizin- oder das Ingenieursfach, (noch) entziehen. Kurz: Die langfristigen Auswirkungen des demografischen Wandels sind bereits heute zu spüren, und die aktuelle Lage lässt bereits erahnen, vor welchen großen Herausforderungen die Gesellschaft im Allgemeinen und das Bildungswesen im Besonderen momentan stehen. Inwieweit die beschriebene Entwicklung nicht nur die Folge des demografischen Wandels, sondern auch struktureller Faktoren ist, namentlich des Bologna-Prozesses oder des Hochschulpakts 2020, muss an dieser Stelle offen bleiben. Die demografischen Aussichten und die Vorgaben der Hochschulreformen jedenfalls lassen in naher Zukunft eine leicht steigende Anzahl Studienanfänger sowie weitere Umstrukturierungen, insbesondere die Flexibilisierung und Internationalisierung des Hochschulwesens, erwarten. Dabei stehen die Universitäten in der Verantwortung, gleichzeitig die Qualität der Lehre, die Leistungsfähigkeit der Forschung, den zukünftigen Bedarf an akademisch ausgebildeten Arbeitskräften und die effiziente Mittelverwendung unter einen Hut zu bringen. Die Konsequenzen, die sich aus dem demografischen Wandel für die Gesellschaft als Ganzes ergeben, sind vielfältig: die Stichworte Fachkräftemangel, umlagenfinanziertes Sozialversicherungssystem und Generationenvertrag sollen hier genügen. Genug Fragen, gelegentlich auch Antworten, tauchten dazu in der Vergangenheit wiederholt und immer öfter auf. Ich bin mir sicher, dass die heutige Veranstaltung noch mehr Licht auf die Perspektiven des demografischen Wandels aus sozioökonomischer und politischer Sicht wirft, und hoffe, dass zugleich konkrete Handlungsempfehlungen ge1

Vgl. dazu und im Folgenden die Angaben des Statistischen Bundesamtes, den Jahresbericht der Universität Leipzig 2006/07, http://www.wifa.uni-leipzig.de und http://www.uni-leipzig.de/zahlen/zahlen_und_fakten.pdf.

Grußwort des Dekans der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät

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geben und von den zahlreich anwesenden Fachkundigen kritisch evaluiert werden. In diesem Sinne wünsche ich allen Teilnehmern des Kolloquiums, dass die heutigen Vorträge und Diskussionen Sie mit nützlichen Erkenntnissen und Erfahrungen bereichern werden und ich hoffe, dass unsere Gäste in ihrem sicher ohnehin positiven Bild von der Stadt Leipzig, der Universität und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät weiter bestärkt werden.

Grußwort der Wüstenrot Stiftung Von Wolfgang Bollacher Magnifizenz, Spektabilität, Herr Professor Heilemann, sehr verehrter, lieber Herr Wagner, liebe Frau Wagner, meine Damen und Herren, diese kleine Glückwunschadresse beginne ich mit der Klage, dass ich mich benachteiligt fühle, weil das Schicksal mir erst vor elf Jahren vergönnte, Sie, lieber Herr Wagner, kennenzulernen. Damit ist eigentlich schon alles gesagt, was es mich in dieser Stunde zu sagen drängt, knapp, unpathetisch, epigrammatisch geradezu und doch mit dem sanften Glanz, den Bewunderung und Sympathie für den Jubilar hervorgerufen haben und noch hervorrufen. Wenn ich gleichwohl die 70ste Wiederkehr Ihres Geburtstags zum Anlass nehme, noch einige Worte mehr zu sagen, so deshalb, weil eine solch knappe, zudem subjektiv gefärbte und summarische Behandlung Ihrer Persönlichkeit dem Rahmen dieser Festveranstaltung, dieses Festkolloquiums zu Ihren Ehren nicht gerecht würde. Er verlangt vielmehr und angemessener Weise eine Objektivierung und Unterfütterung des Gesagten. Das gilt umso mehr, als ich nicht zur illustren Loge der Wirtschaftswissenschaftler gehöre und nur als ein den meisten von Ihnen unbekannter zwergwüchsiger Stiftungsobmann mit beschleunigtem Puls vor Sie treten kann. Wir wissen, dass der ersten Begegnung zweier erwachsener Menschen meist etwas Steifes, Vorsichtiges, Risiken Vermeidendes anhaftet. Sie findet gewissermaßen mit halb geöffnetem Visier statt und erlaubt weder eine hinreichende Musterung des Gegenübers noch gar mehr. So jedenfalls empfand ich es, als ich Sie, lieber Herr Wagner, von dem ich bis dahin nur gehört hatte, zum ersten Male sah. Sie waren 1998 von dem damaligen Vorstand der Wüstenrot Stiftung, die als gemeinnütziger Verein verfasst ist, in den Verein gebeten worden und der Bitte – glücklicherweise – gefolgt. Nun öffneten Sie – um im gewählten Bilde zu bleiben – das Visier und decouvrierten sich als ein Mann, mit dem man es gerne zu tun hatte, als „empirischer Ökonom“, wie Sie tituliert werden und als eine Persönlichkeit, die sich für weitere Weihen empfahl. Bereits 1999 wurden Sie in den fünfköpfigen Vorstand der Wüstenrot Stiftung gewählt, wo Sie manche Frucht Ihrer wissenschaftlichen Arbeit einbrachten, so Erkenntnisse zu Wachstumszyklen und Konjunkturen, zu Wachstum und Verteilung, zu Strukturwandel und Evolu-

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Wolfgang Bollacher

tion und zu Statistik und ihren Methoden. Auch haftete Ihnen, lieber Herr Wagner, etwas von dem an, was sich mit dem – man verzeihe die Metapher – Stallgeruch der alten Wüstenroter vertrug, die sich „furchtlos und treu“ zu den Ideen von Georg Kropp bekannten, dem pommerschen Sozialreformer aus Swinemünde, dem Publizist, dem Kämpfer für das Eigenheim, dem Gründer der ersten deutschen Bausparkasse Wüstenrot und nicht zuletzt dem Alkoholgegner. Vielleicht beruhte dies auf Ihrer Beschäftigung mit dem renommierten südschwedischen Ökonomen Knut Wicksell (1851– 1926), über dessen Lehren und den so genannten „Wicksell-Effekt“ Sie sich habilitiert hatten. Wicksell, 14 Jahre älter als Kropp, Vertreter der Grenznutzenschule und des Neomalthusianismus war ebenfalls sozialreformerisch ausgerichtet und Alkoholfeind. Im Übrigen erscheint es durchaus möglich, dass Kropp an Wicksells Gedankengut geleckt hatte, was die apostrophierte geistige Verwandtschaft zwischen alten Wüstenrotern und Wicksell-Forscher Wagner einmal mehr erklären könnte. Sie wurden dann in den Aufsichtsrat der Wüstenrot & Württembergischen, des großen Vorsorgekonzerns, berufen, ein barometrisches Anzeichen Ihrer Wertschätzung und eine Auszeichnung, die Sie zu Ihren vielen anderen häuften. Mit dem Aufsichtsratsmandat war das Mandat im Vorstand der gemeinnützigen Wüstenrot Stiftung allerdings nicht kompatibel, denn Organe des Vereins durften und dürfen nicht in die operativen Geschäfte des Konzerns eingreifen bzw. diese kontrollieren. So verließen Sie den Vorstand der Wüstenrot Stiftung zu dessen Leidwesen, blieben aber natürlich weiterhin Mitglied des Stiftungsvereins und injizierten als solches Frischzellen aus ökonomischer Forschung in die gemeinnützige Vereinsarbeit. In Ihrer Vita, deren Studium angeraten ist, ist alles, was ich zu Ihrem Wirken bei Wüstenrot sagte, eher beiläufig erwähnt und findet sich unter der Rubrik „Nebentätigkeit“. Das darf aber nicht dahin missverstanden werden, als hätten Sie dieses Wirken halbherzig und mit der linken Hand ausgeübt. Im Gegenteil: So haben Sie nicht nur beratende und kontrollierende Funktionen ausgeübt, sondern auch als Akteur an Forums- und Informationsveranstaltungen der Wüstenrot Stiftung mitgewirkt, zum Beispiel unter den Titeln „Ursache der demografischen Entwicklung in Deutschland und ihre Auswirkungen auf die Immobilienmärkte“ oder – zusammen mit Karl Heinrich Oppenländer – „Regionen als Wachstumsmotor“. Und Ihnen ist es entscheidend zu verdanken, dass die fruchtbare Kooperation zwischen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig und der Wüstenrot Stiftung anhält. Einen Stiftungslehrstuhl hat die Wüstenrot Stiftung acht Jahre lang finanziert, einen weiteren finanziert sie noch. Auf den bescheiden wirkenden und sich nicht vordrängenden Professor Adolf Wagner, den Jungsiebziger, heute sogar das Küken unter den Sep-

Grußwort der Wüstenrot Stiftung

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tagenarios, mag zutreffen, dass stille Wasser tief gründen. Er hat einen beeindruckenden, auch zeitgeschichtlich bemerkenswerten Bildungsgang vorzuweisen. Mit seiner Familie nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Sudetenland vertrieben hatte er als Flüchtlingskind schwierige und schwierigste Jahre zu durchleben. Zäh, zielstrebig, ehrgeizig hat er sich über viele Lehrund Lernstationen zum angesehenen, gereiften Meister und ordentlichen Professor für Volkswirtschaftslehre und Statistik emporgearbeitet und emporgedacht. Dabei war und blieb er vielseitig. Wer im Bilderbuch seiner Biografie blättert, findet Adolf Wagner nicht nur als Mikro- und Makroökonom, als fruchtbaren Verfasser anspruchsvoller wissenschaftlicher Schriften, als Gründer des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung, sondern auch als gewesenen Ministrant, als souveränen Beherrscher des Velozipeds, als überlegenen Tennisspieler, als Hundeführer, ausdauernden Wanderer, Mitglied und Präsident des Lions-Clubs, als Akkordeon- und Saxophonvirtuose, als Anhänger von Qigong und zuletzt der Stelle nach, aber nicht dem Gewicht als Vorbild gebenden pater familias. Zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen. Ich komme deshalb zum Schluss, freilich nicht ohne anzufügen, dass der mit reichen Gaben und Talenten, die er zu nutzen wusste, ausgestattete Jubilar auch vom Glück begleitet war, so z. B. von dem, eine kongeniale, ihn allzeit stützende Gattin zu gewinnen, die hier nicht vergessen werden darf und nicht vergessen wird. Die Wüstenrot Stiftung und ich gratulieren herzlich. Ich tue dies auch im ausdrücklichen Auftrag von Herrn Hans Dietmar Sauer, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Wüstenrot & Württembergische AG, der Sie bestens grüßen lässt. Unsere Wünsche gehen dahin, dass Sie uns lange erhalten bleiben mögen, stabil auf allen Feldern, dem der Gesundheit und Beweglichkeit des Körpers, des Geistes und des Gemütes und dem des freundlichen und empathischen Zugewandtseins gegenüber ihren Weggefährtinnen und Weggefährten, gleichgültig, ob sie als Geister nahe dem hohen Olymp oder in karger Niederung angesiedelt sind. In diese Wünsche schließen wir – mutatis mutandis – Ihre Gattin mit ein. Ad multos et felicissimos annos.

Beiträge

Zur Einführung Von Ullrich Heilemann Der Bochumer Sozial- und Wirtschaftshistoriker Wolfgang Köllmann leitete 1972 eine Aufsatzsammlung zur Bevölkerungsgeschichte mit den Worten ein: „Bevölkerungsfragen haben seit je Denker und Politiker beschäftigt, sind doch Volkszahl und Verteilung geschichtsmächtige Größen gesellschaftsstruktureller Gegebenheiten und Prozesse, die in Form und Richtung durch die eigenständige Dynamik des Bevölkerungsverhaltens bestimmt werden.“1 Wir können die Einschätzung leicht nachvollziehen. Denken wir an die Bibel oder an Platos Vorstellungen von der richtigen Größe des Gemeinwesens oder an die vielen anderen konkreteren, prominenten Beispiele von Ursache und Folgen demografischer Ungleichgewichte. So z. B. der Untergang der antiken Wirtschaft (und damit ihrer Kultur) als Folge des wegen des Stillstands der militärischen Expansion demografisch verursachten Zusammenbruchs der römischen Sklavenwirtschaft – jedenfalls in der Sicht Max Webers;2 die Völkerwanderungen des Altertums und in der frühen Neuzeit und ihre dramatischen politischen und wirtschaftlichen Folgen; schließlich Malthus’ demografisch begründete Prognose einer Ernährungskrise, die allerdings dank veränderter ernährungsseitiger und demografischer Reaktionen nicht eintrat, zumindest nicht in den entwickelten Ländern. Für einen Teil der Ökonomen wurden diese Fehleinschätzungen zu einem beliebten Beispiel für den letztlich triumphierenden Fortschritt – für andere stellen sie nur eine kurze Rast auf dem Weg in den Untergang dar: in der 1 W. Köllmann: Entwicklung und Stand demographischer Forschung – Einleitung zu: W. Köllmann/P. Marschalck (Hrsg.): Bevölkerungsgeschichte. (Neue Wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 54 – Geschichte.) Köln: Kiepenheuer und Witsch, 1972, S. 9. 2 Vgl. Max Weber: Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur. In: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hrsg. von Marianne Weber. Tübingen: Mohr Siebeck, 1921, S. 289–311, Wiederabdruck in: Max Weber: Soziologie – Universalgeschichtliche Analysen – Politik, mit einer Einleitung von Eduard Baumgarten, hrsg. von Johannes Winckelmann. Stuttgart, 1971, S. 1 ff. sowie ders.: Wirtschaft und Gesellschaft im Rom der Kaiserzeit. In: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hrsg. von Marianne Weber. Tübingen: Mohr Siebeck, 1921, S. 253–278, Wiederabdruck in: Max Weber: Soziologie – Universalgeschichtliche Analysen – Politik, mit einer Einleitung von Eduard Baumgarten, a. a. O., S. 27 ff.

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kulturpessimistischen Variante übrigens fast immer auch von demografischen „Fehlentwicklungen“ begleitet.3 An unseren – auch auf diesem Feld langfristig beschränkten – Prognosemöglichkeiten hat sich bis zum heutigen Tag wenig geändert: Sahen wir uns bis vor wenigen Jahren mit den Prognosen einer weltweiten Überbevölkerung konfrontiert, so sehen die aktuellen Projektionen der UN den Zenit der Weltbevölkerung in 2050 überschritten, ohne dass damit die Ernährungsprobleme gelöst wären.4 In der Tat: In kurzen wie in langen Wellen scheinen sich die beiden möglichen Problemlagen – Überbevölkerung und Bevölkerungsmangel, mit der Migration als meist nur partiellem Ausgleich – ständig abzulösen. „Gleichgewichte“, gar stationäre, und Selbstregulation haben offenbar auch auf diesem Feld nur geringe empirische Bedeutung. Entsprechend setzen wir auf die Hilfe von außen, auf die säkularen Entgrenzungstendenzen, die Trennung von gewissermaßen „Entstehung“ und „Verwendung“ der Produktionsfaktoren bzw. ihre hohe Mobilität, wie sie für Arbeit, Kapital, Wissen, technischer Fortschritt usw. aufgrund drastisch gesunkener Mobilitätskosten (Schaubild 1) schon seit langem zu beobachten sind. Auch dabei wird leicht vergessen, wie rasch sich bei uns die Verhältnisse ändern. Die regionale (Arbeitskräfte-)Mobilität/Wanderung ist heute in Europa – zumindest bis zur EU-Osterweiterung – insgesamt niedriger als vor 40 Jahren. Umgekehrt hatte die Leitlinie der deutschen Regionalpolitik der späten 1960er Jahre – „Kapital zu den Arbeitskräften“ –, wie andere regionalpolitische Maximen, nur bis zur Ölkrise Bestand. Die im Umfeld des Berichts der Süssmuth-Kommission 2001 heftig umstrittene Zuwanderungsgrenze von 100 000/200 000 Personen p. a.5 wurde bislang nur im Jahre 2002 überschritten, seitdem gingen die Werte ständig zurück und lagen 2008 gar bei –56 000 p. a. Die Ursachen dafür sind vielfältig, neben den konjunkturund wachstumsbedingten dürften die Verringerung der ökonomischen, sozialen und kulturellen Unterschiede innerhalb Europas, aber selbstverständlich auch politische Interventionen eine wesentliche Rolle gespielt haben. Demografische Probleme waren in Deutschland und in der Welt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, stets mehr oder weniger aktuell – ge3

So z. B. A. Herman: The idea of decline in Western History. New York: The Free Press, 1997. (Deutsch: Propheten des Niedergangs: der Endzeitmythos im westlichen Denken. Berlin: Propyläen, 1998). 4 Vgl. J. A. Goldstone: The new population bomb – the four megatrends that will change the world. Foreign Affairs, January/February, Vol. 89 (2010), No. 1, S. 31–43. 5 Vgl. http://www.migration-info.de/migration_und_bevoelkerung/artikel/010401. htm, Abruf: 7. Januar 2010.

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Quelle: M. Lemke/C. Schürmann/K. Spiekermann/M. Wegener: Transeuropäische Verkehrsnetze. In: Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland. Band Verkehr und Kommunikation. Heidelberg/Berlin: Spektrum Akademischer Verlag, 2001, S. 45.

Schaubild 1: Schrumpfende Entfernungen – Eisenbahnreisezeiten in Europa, 1993 und 2020

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Anzahl der Treffer Eigene Darstellung nach Angaben bei EconLit, Abruf: 7. Januar 2010.

Schaubild 2: Der Begriff „Demografie“ in Aufsatztiteln, 1969 bis 2008

genwärtig aber sind sie es ganz besonders, wie sich auch im wissenschaftlichen Interesse dokumentiert (siehe auch Schaubild 2).6 Wichtige Stichworte sind dabei die Ost-Erweiterung der EU, der brain drain nach den Vereinigten Staaten aber auch ins übrige Europa, vor allem aber der absehbare drastische Bevölkerungsrückgang in Deutschland und den meisten entwickelten Ländern und umgekehrt der Zuwanderungsdruck aus den traditionellen Abwanderungsländern. Dabei tröstet uns wenig, dass wegen der seinerzeitigen „Bevölkerungsexplosion“ und dem zurückgehenden Arbeitsplatzangebot in der Alten Welt und den sinkenden Transportkosten – die erste Runde der „neuen“ Globalisierung – eher das 19. Jahrhundert das große Zeitalter der Migration war als das 20. oder das 21. Jahrhundert. Die Geschichte der tatsächlichen oder der perzipierten demografischen Problemlagen in Deutschland und in vielen europäischen Industriestaaten ist jedenfalls außerordentlich wechselhaft. So hat etwa die aktuelle Diskus6 Es wäre interessant, dem wellenförmigen Interesse für demografische Fragen hierzulande nachzugehen. An ständigen Thematisierungen hat es in der Vergangenheit jedenfalls ebenso wenig gefehlt (vgl. z. B. A. Wagner: Strukturwandel, Arbeitslosigkeit und Verteilung. (Tübinger Volkswirtschaftliche Schriften, 22.) Tübingen: Francke, 2003) wie an wichtigen Beiträgen (vgl. die Hinweise bei W. Köllmann: Entwicklung und Stand demographischer Forschung, a. a. O.) oder auch schlicht an empirischen Faktoren bei der Analyse der deutschen „Wachstumsschwäche“ im Vergleich zu den Vereinigten Staaten, die ja etwa die Hälfte ihres Wirtschaftswachstums in den letzten 40 Jahren natürlichem Bevölkerungswachstum und Zuwanderung zu danken hatten.

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Quelle: D. Glass: The struggle for population. Oxford: The Clarendon Press, 1936, S. 20. By permission of Oxford University Press. – Es bedeuten: A: Annahme gegenüber 1927 unveränderter jährlicher Geburtenraten; B: Annahme eines Rückgangs der potentiellen Fertilitätsrate bis 1955 um 25 v. H., danach Konstanz.

Schaubild 3: Bevölkerungsprognosen des Statistischen Reichsamts 1927 für Deutschland, 1925 bis 2000

sion des Rückgangs der Bevölkerung, seiner Folgen und der möglichen politischen Gegensteuerung einen bemerkenswerten Vorläufer in den Diskussionen der 1920er und 1930er Jahre (Schaubild 3).7 Überspitzt und polemisch ließe sich zusammenfassen: Aus dem „Volk ohne Jugend“ in den 1930er Jahren (Burgdörfer8) wurde – zu bald – das „Volk ohne Raum“ und seit den 1970er Jahren wieder das „Volk ohne Jugend“ oder gar der „Raum ohne Volk“. 7 Vgl. dazu die Darstellungen der bevölkerungspolitischen Probleme und politischen Antworten in D. Glass: The struggle for population. Oxford: The Clarendon Press, 1936, wo Deutschland als Vorbild bei der Lösung dieser Fragen angesehen wird. 8 Vgl. F. Burgdörfer: Die Wanderungen über die deutschen Reichsgrenzen im letzten Jahrhundert, Allgemeines Statistisches Archiv 20, 1930, S. 161–196, S. 383– 419, S. 537–551. Teilweise wieder abgedruckt in: W. Köllmann/P. Marschalck (Hrsg.): Bevölkerungsgeschichte, a. a. O., S. 281 ff.

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I. Stand und Schwerpunkte der Diskussion Auch zur Demografie ist seit langem alles gesagt und fast alles wurde gehört! Stand und Schwerpunkt der Demografie-Diskussion hierzulande sind aber selbst bei Beschränkung auf die Beiträge mit handlungsorientierter Relevanz nur schwer und strittig zu bestimmen. Das Angebot an Forschungsergebnissen ist, wie Schaubild 2 illustriert, eindrucksvoll, selbst wenn auch hier das Angebot sich seine Nachfrage schafft. Zumindest was die empirischen Arbeiten angeht, wird das Angebot weiter zulegen, der Wandel ernährt auch hier seinen Mann oder seine Frau. Ob die Erkenntnisse und Einsichten gleichermaßen gewachsen sind, wird man zur Beantwortung den Adressaten überlassen müssen. Die grundlegenden Fakten der demografischen Entwicklung sind indessen bei uns wenig strittig, auch wenn sie sich naturgemäß mit jeder neuen Vorausschätzung der Amtlichen Statistik etwas ändern. Die Beiträge dieses Bandes nehmen auf ihre Ergebnisse mehrfach und ausführlich Bezug, so dass hier auf ihre Wiedergabe verzichtet wird (offen ist, wie mit zwischenzeitlichen Trendänderungen umzugehen wäre). Das Bild von der demografischen Situation im Jahre 2050 weist, wie jede Prognose und erst recht bei einem Prognosehorizont von 40 und mehr Jahren, Unschärfen auf – aber die diagnostizierten demografischen Entwicklungen bezüglich Bevölkerungszahl und ihrer strukturellen Merkmale, wie Durchschnittsalter oder Alterslastkoeffizienten, lassen sich nur schwer ignorieren, wenn von der Zuwanderung abgesehen wird. Das gilt leider auch für die regionale Betroffenheit – Ostdeutschland wird, nicht zuletzt aufgrund des Wanderungsverlustes von 1,5 Millionen, meist jungen, Menschen zwischen 1990 und 2009, jedenfalls deutlich stärker getroffen als Westdeutschland. Sehr viel unsicherer sind die unmittelbaren und mittelbaren Folgen dieser Entwicklung für das Wachstum Deutschlands abzuschätzen, von den wohlfahrtsökonomischen Konsequenzen ganz abgesehen. Bei den überwiegend vermuteten negativen Wirkungen des Bevölkerungsrückgangs handelt es sich allerdings um Ableitungen aus einer alten und, gemessen am Prognosehorizont, kleinen Stichprobe. Auch wenn die eigentliche demografische Entwicklung als gegeben anzusehen ist, die Folgen dürften sich angesichts veränderter Umstände und Handlungsbedingungen mit jedem Jahr ändern: Die künftigen Jungen und Alten sind andere als die von heute – man vergleiche nur die Prägungen der gegenwärtigen Generationen mit denen der vor zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren. Ähnliches gilt natürlich auch für die privat- wie für die staatsbestimmten Lebens- und Arbeitsbedingungen. Richard Easterlin, Doyen der amerikanischen Demografieforschung, wendet sich übrigens vehement gegen die mit der rückläufigen Bevölkerung bzw. ihrer Überalterung begründeten Stagnationsszenarien, namentlich auch

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im Zusammenhang mit den vermeintlichen Rentenlasten.9 Er stellt ihnen die sehr viel größeren volkswirtschaftlichen Ersparnisse aufgrund geringerer Erziehungs- und Ausbildungskosten gegenüber und die so möglichen zusätzlichen Investitionen, die z. B. zu einem Schub bei der Produktivitätsentwicklung führen könnten. Zwar sind diese Erwartungen für die Vereinigten Staaten formuliert, die sich insbesondere auch in dem in dieser Hinsicht wichtigen Fiskalbereich erheblich vom deutschen Rahmen unterscheiden, gleichwohl: Ob sich die Innovationsdynamik hierzulande in Folge der verschlechterten Altersstruktur, wie vielfach befürchtet, zurückbildet, bleibt erst noch abzuwarten. Schließlich fallen Märkte nicht nur weg, sondern es entstehen auch neue, und von der Politik ist ja eine Stärkung der „Investitionen“ in Bildung und Wissenschaft angekündigt (welche negativen Prioritätensetzungen damit verbunden sein werden, bleibt abzuwarten). Nochmals: Wir wissen über diese Beziehungen im Grunde noch wenig, und wie weit die heutigen Kenntnisse über zehn, zwanzig, dreißig Jahre tragen, ist erfahrungsgemäß ungewiss. Mit gutem Recht lässt sich auch fragen, ob sich das Sparverhalten kinderloser oder armer „Junger“ wie „Alter“ nicht ebenfalls den veränderten Bedingungen anpassen wird, wie z. T. bereits heute zu beobachten ist. Die Politik passt sich langsam und etwas gewunden den veränderten Bedingungen an, meist eher implizit als explizit. Überraschend ist dies nicht, sollen doch z. B. nach Beschluss der Ministerkonferenz für Raumordnung aus dem Jahr 2006 nur die Europäischen Metropolregionen und die sog. dynamischen Wachstumsräume außerhalb der Metropolregionen Zuwanderungsziele sein – der Rest, vor allem „ländlich geprägte oder frühindustrialisierte Räume“, weist „Stabilisierungsbedarf“, also Abwanderungs„bedarf“ auf.10 Was das – extrapoliert für die Verteilung von Arbeitnehmern und Unternehmern in Deutschland, namentlich in Ostdeutschland – bedeuten könnte, lässt sich den zahlreichen „Wachstumsatlanten“ entnehmen. Dass sich dabei in zweijährigem Rhythmus neue Bilder ergeben, sollte nicht überbewertet werden, ist dies doch eher Resultat von Marketingerfordernissen als von neuen Einsichten. Als besonders dringlich werden in der Öffentlichkeit die demografisch bedingten Probleme bei den Finanzen der Gebietskörperschaften gesehen. Entsprechende Simulationsrechnungen deuten in der Tat auf signifikante, wenn auch nicht dramatische Probleme bei den Staatsfinanzen hin, vor al9 Siehe R. A. Easterlin: Growth triumphant – the twenty-first century in historical perspective. Ann Arbor: University of Michigan Press, 1998, S. 1131 ff. 10 Vgl. z. B. Ministerkonferenz für Raumordnung: Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland, hrsg. von der Geschäftsstelle der Ministerkonferenz für Raumordnung im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Berlin, 2006.

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lem beim Bund. In der Tat: „Kinder sind für den Staat teurer als Alte“ – aber eben nicht für alle Gebietskörperschaften gleichermaßen.11 Dabei ist mit erheblichen Verschiebungen bei den einzelnen Ausgabekategorien zu rechnen, wobei deren Bewältigung im politischen Prozess noch offen ist. Wie stets bei Rechnungen mit einem langen Prognosehorizont sind leider auch etliche große Fragezeichen zu machen. Die Annahme, dass die Arbeitslosenquote 2010 bei 4 v. H. liegen werde, hat sich durch die Finanzund Wirtschaftskrise 2007 ff. als hinfällig erwiesen. Im Gegenteil: Die Krise wird die Staatsausgaben schon wegen der gestiegenen Staatsschulden erheblich belasten. Vieles spricht jedenfalls aus heutiger Sicht dafür, dass die Mittelfristentwicklung der deutschen Wirtschaft für etliche Jahre um ½ bis 1 v. H. gedrückter verläuft, als sonst zu erwarten gewesen wäre,12 wobei die bisherige Erwartung eines mittelfristigen Wirtschaftswachstums von 2,5 v. H. in der genannten Simulationsrechnung weit über den meisten aktuellen Mittel- und Langfrist-Prognosen liegt. Nicht zu reden von der mittlerweile heroischen Annahme, dass die Hilfen für den Aufbau Ost ab 2019 keinerlei Nachfolgeregelung finden. Kritischer ist allerdings der Einwand, dass die zugrunde gelegten altersbezogenen Ausgabenprofile sich nicht ebenfalls, z. B. den Budgetzwängen, anpassen werden. Im Grundsatz sehr ähnliche Aussagen lassen sich für die Tragfähigkeit der Sozialen Sicherungssysteme machen, wobei hier freilich die Entwicklung von Wachstum und vor allem Beschäftigung von Ausschlag gebenderer Bedeutung als im Fall der Finanzen der Gebietskörperschaften sind. Es wird nicht nur darauf ankommen, dass und wie rasch „Vollbeschäftigung“ – eine Arbeitslosenquote von 3, 4, . . . v. H.? – erreicht wird, sondern auch in welchem Maße die Arbeitszeiten ausgedehnt und insbesondere welches Partizipationsniveau bei den älteren Arbeitnehmern erreicht werden kann.13 Akzentuiert werden diese Wirkungen, wie bereits angesprochen, dadurch, dass sich der Bevölkerungsrückgang und damit auch Wachstum, Staatseinnahmen und -ausgaben regional z. T. sehr unterschiedlich verteilen werden und zudem – ähnlich wie schon bisher in der Bundesrepublik – sich diese Verteilungsmuster ändern werden. Die politische Bewältigung dieser Probleme dürfte dies schwerlich erleichtern. 11 Vgl. dazu und dem Folgenden z. B. H. Seitz: The impact of demographic change on fiscal policy in Germany, in: I. Hamm/H. Seitz/M. Werding (eds.): Demographic change in Germany – The economic and fiscal consequences. Berlin: Springer, 2007, S. 129 ff. 12 Siehe z. B. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Im Sog der Weltrezession, Frühjahrsgutachten 2009, S. 63 ff. 13 Vgl. z. B. M. Werding: Social insurance: How to pay for pensions and health care?, in: I. Hamm/H. Seitz/M. Werding (eds.): Demographic change, a. a. O., S. 89 ff.

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II. Was fehlt? So eindrucksvoll die Ergebnisse der zahlreichen Forschungsanstrengungen sind – noch immer sind beträchtliche Lücken zu verzeichnen. So ist aus wirtschaftstheoretischer Sicht zwar festzustellen, dass z. B. in Zuwanderungsfragen der bis vor kurzem eher bescheidene Hypothesenvorrat sowohl in quantitativer und qualitativer Hinsicht als auch was die Differenziertheit der Hypothesen angeht, weit über die Unterscheidung von „push“und „pull“-Faktoren hinaus gewachsen ist.14 Nach wie vor haben wir es aber in der Regel bei demografischen Fragen mit Partialbetrachtungen des Arbeitsmarktes, des Wirtschaftswachstums und seiner Struktur, der Staatsausgaben und -einnahmen, der Integration usw. zu tun. Ihre Verbindung mit den gesamtwirtschaftlichen Bedingungen, institutionellen Regelungen usw. wird nur selten versucht, die Frage z. B. nach den Wirkungen der Zuwanderung in den Abwanderungsländern nur selten gestellt. Dass in diesem Zusammenhang Reminiszenzen an die Peuplisierungspolitiken im Alten Rom und beim Alten Fritz auftauchen, überrascht nicht. Dass die Politik in demografischen, vor allem in Zuwanderungsfragen sehr merkantilistische Wert- und Zielvorstellungen pflegt, wird indessen nicht dadurch akzeptabler, dass dies über Jahrhunderte der Fall war und offenbar in allen von Bevölkerungsrückgang bedrohten Ländern der Fall ist. Dazu passt die zunehmend kleinmütige, interventionsfreudige Perspektive nicht nur von Öffentlichkeit und Politik, sondern auch des Fachs: Das endogene Anpassungspotential der (deutschen) Volkswirtschaft an veränderte Gegebenheiten und Datensetzungen – Stichwort: der Bericht des Club of Rome aus dem Jahre 1972 und die davon ausgelöste Diskussion der Ressourcenproblematik – wird, anders als damals, bei demografischen Prozessen ignoriert, wenn man von der insgesamt defensiven Auseinandersetzung mit den fiskalischen Konsequenzen der alternden und abnehmenden Bevölkerung absieht. Aus analytischer Perspektive sind die Probleme kaum geringer. Dabei sind die begrifflichen und datentechnischen Schwierigkeiten noch die Kleineren. Mehr Mühe bereiten auch in diesem Zusammenhang die vielfältigen Wandlungen gesamtwirtschaftlicher, wirtschaftsstruktureller, sozialpolitischer und rechtlicher Gegebenheiten, insbesondere auch was die „Wanderungskomponente“ angeht. Frühere Erfahrungen und Befunde (Stichworte EU-Süd- und Osterweiterungen) verlieren rasch an Relevanz, sei es, dass sich die Verhältnisse in Deutschland – hohe Arbeitslosigkeit, unerwartete 14

Vgl. dazu z. B. T. Hatton/J. G. Williamson: Global migration and the world economy – Two centuries of policy and performance. Cambridge, MA: MIT Press, 2006, S. 71 ff.

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demografische Probleme der Neuen Bundesländer – oder in den Abwanderungsländern geändert haben, nicht zu reden von den Mobilitätskosten. Jedenfalls dürfen die bescheidenen prognostischen Möglichkeiten angesichts der großen Diskrepanz zwischen Erfahrungs- und Erwartungsraum auch in diesem Bereich nicht übersehen werden. Der Blick auf die demografische Prognose in den 1920er Jahren (Schaubild 3) muss zwar vieles gegen sich gelten lassen, gleichwohl gibt er ein anschauliches Bild von der Leistungsfähigkeit demografischer Langfristprognosen und den Antizipationsmöglichkeiten künftiger Problemlagen, an dem sich bislang wenig grundsätzlich geändert haben dürfte. III. Was die Veranstaltung leisten soll Ziel des Kolloquiums war es, das aktuelle Bild von Umfang, Struktur und Konsequenzen des Demografie-Problems in Deutschland sowie seiner Lösungs- und Reaktionsmöglichkeiten zu beleuchten. Auch wenn die Öffentlichkeit dabei in erster Linie auf die Politik blickt und diese die Problemzuschreibung offenbar gerne akzeptiert – die Lösungsmöglichkeiten im Privaten Sektor, der Unternehmen wie der Privaten Haushalte, nicht zu reden der Familien, verdienen mindestens ebensoviel Aufmerksamkeit. Auf ausschließlich automatische Lösungen wird man dabei erfahrungsgemäß nicht setzen können: Die vielerlei Ungewissheiten raten zwar zur Zurückhaltung bei Interventionen, andererseits ist der status quo selbstverständlich auch von einer Vielzahl von Interventionen in der Vergangenheit und ihren Folgen in der Gegenwart bestimmt. Dieselben Unsicherheiten sprechen gleichwohl gegen stark interventionistische Lösungen, die vorderhand allerdings glücklicherweise nicht im Gespräch sind. Die speziellen Beiträge des vorliegenden Bandes konzentrieren sich auf die unmittelbar betroffenen Felder Familien-, Arbeitszeit- und Zuwanderungspolitik. Die für die Bewältigung der Probleme letztlich bedeutsamste Frage, die nach den Folgen bzw. Reaktionen von Wachstum und Produktivität, ist freilich – wie auch die spätere Diskussion zeigte – nach wie vor offen. IV. Zusammenfassungen Adolf Wagner („Orthodoxe und heterodoxe Bevölkerungsökonomik“) spannt in seinem einleitenden Beitrag den Bogen besonders weit, was angesichts seiner vielen, ausgedehnten Reisen in das „Demografiegebiet“ sehr willkommen ist. Er beklagt die Fokussierung der „orthodoxen“ (Bevölkerungs-)Ökonomie auf die Arbeitsmarkteffekte (wenn’s hoch kommt, die Nachfrageeffekte) der demografischen Entwicklung und die selten begründete Ignorierung zahlreicher anderer ökonomischer, sozialer und kultureller

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Beziehungen. Auch in zeitlicher und in räumlicher Hinsicht sieht er den demografischen Blick der Öffentlichkeit und des Fachs oft als unnötig verengt. Der Preis der „isolierenden Abstraktion“ ist eben manchmal sehr hoch, für Wagner offenbar zu hoch, wenn er auf ihre Erkenntnis- und Praxisgewinne der demografischen Forschung und Diskussion der letzten Jahrzehnte blickt. Dies erklärt wohl auch sein Unverständnis, dass das „Günther-Paradoxon“ aus dem Jahre 1931 in der demografischen Diskussion ein Schattendasein führt; immerhin unterstellt es ja ähnlich gerichtete Beziehungen zwischen ökonomischer Prosperität und Bevölkerungswachstum. Die wissenschaftliche Biographie von Easterlin – verkürzt: von der „Demografie-“ zur „Glücksforschung“ – mag dabei als Beleg für Wagners Kritik an den oft allzu partiellen Perspektiven der demografischen Arbeiten von Ökonomen gesehen werden. Den Rahmen hat Adolf Wagner gesetzt und der „Nachteil, als Fremde[r] in [seinem, U. H.] Vaterlande zu leben“ ist eine Befürchtung, die sich vielleicht zum ersten Mal in den von ihm zitierten Gullivers Reisen findet – aber nicht zum letzten Mal, wie wir zwar fast jeden Tag in der Zeitung lesen, aber selten in demografischen Erörterungen. Eugen Spitznagel („Ist die Demografie unser Schicksal? Expansive Arbeitszeitpolitik – eine übersehene Option“) kommt, ohne auf das, wie er es nennt, „verwinkelte Strukturgefüge“ aus demografischem Arbeitsangebot, Bildungsbeteiligung, Ausbildungsstruktur und -dauer, Familien- und Haushaltsstrukturen, traditionellen Faktoren sowie regionalen Wirtschafts- und Arbeitsplatzstrukturen einzugehen, in einer nüchternen Analyse des künftigen Arbeitskräfteangebots und alternativer Entwicklungen zu sehr bedenkenswerten Befunden: Die steigenden Erwerbsquoten bis 2050 und ein Wanderungssaldo von +100 000 p. a. führen zu einem Plus beim Erwerbstätigenpotenzial von 2,1 Mio., aber selbst bei einem Wanderungssaldo von +200 000 p. a. (wie häufig als gesellschaftlich „akzeptiert“ angenommen wird) wird das Potenzial statt um 18 Mio. noch immer um rund 8 Mio. Personen schrumpfen. Eine expansive Arbeitszeitpolitik, namentlich längere Arbeitszeiten der Teilzeitbeschäftigten, führen bei realistischen Annahmen nur zu einer Steigerung um 0,9 Mio. Vollzeitäquivalente. Dabei weist Spitznagel zu Recht darauf hin, dass dies an erhebliche Veränderungen im sozialpolitischen Rahmen und auf den Arbeitsmärkten geknüpft ist, deren Bewältigung noch längst nicht gesichert ist. Ähnlich verhalten sind die Erwartungen bezüglich der Entlastungswirkungen auch beim zweiten deus ex machina der gegenwärtigen DemografieDebatte – der Zuwanderung –, wie Hans Dietrich von Loeffelholz („Demografischer Wandel und Migration – Erfahrungen, Perspektiven und Optionen zu ihrer Steuerung“) zeigt. Sein besonderes Interesse gilt dabei der Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einwanderung, im Klartext die Förderung der Zuwanderung gut und hoch qualifi-

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zierter Arbeitskräfte sowie Selbstständiger, Unternehmer und Freiberufler, „deren Integrationsschwellen und -bedarfe zusammen mit ihren Familien in Deutschland als relativ niedrig angesehen werden.“ Bereits heute wendet der Staat dafür nicht nur beträchtliche Beträge auf, sondern überschreitet mit dem vorgesehenen „systematischen Monitoring zur Ermittlung des Bedarfs an Hochqualifizierten und Fachkräften“ traditionelle ordnungspolitische Grenzen, auch wenn dabei „alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte einbezogen“ werden. Über das Zuwanderungspotenzial und dessen mögliche Ausschöpfung können zum gegenwärtigen Zeitpunkt verständlicherweise keine Aussagen gemacht werden. Eine wichtige Funktion des (neuen) migration management dürfte wohl in erster Linie ein regulatorisches Gleichziehen mit der Praxis anderer „Zuwanderungsländer“ sein, von dem dann in praxi freilich je nach den Umständen durchaus abgewichen wird.15 Für einen gewissermaßen „natürlichen“ Weg aus dem demografischen Abschwung und seinen Folgen, wie das auch im Beitrag von Wagner anklingt, plädiert Gunter Steinmann mit seinen „Vorschläge(n) für eine nachhaltige und effektive Bevölkerungspolitik“. Sein Ausgangspunkt ist der Befund, dass eine wissenschaftliche Bestimmung eines Bevölkerungsoptimums nicht möglich ist und die Ziele einer Bevölkerungspolitik stets umstritten bleiben werden. Steinmann plädiert engagiert für das bevölkerungspolitische Ziel einer quantitativen und qualitativen demografischen Nachhaltigkeit, wobei er allerdings Niveau und Zeitpunkt offen lassen muss. Zu den „Instrumenten“ zählen für ihn nachhaltige Gesundheits-, Bildungs- und Migrationspolitiken, vor allem eine nachhaltige Familienpolitik. Ziel einer solchen ist die Erhöhung der Fruchtbarkeitsziffer auf das Reproduktionsniveau bei besserer Erziehung und Ausbildung der Kinder – sozialpolitische Gesichtspunkte sollten dabei einbezogen werden, aber nicht im Mittelpunkt stehen. Die Palette der diskutierten Instrumente ist außerordentlich breit und teilweise auch provozierend, so z. B. sein Vorschlag einer teilweisen Übertragung der Ausbildungskosten von den Eltern auf die Kinder. Darüber hinaus reichen seine Vorschläge von der Einführung des Familiensplitting über das Elterngeld, Kindergeld, eine „private Kinderrente“ bis zur Verbesserung der Kinderbetreuung. Wie schnell die Realisierung der Vorschläge Deutschland auf den anvisierten demografischen Pfad zurückführen, muss der Verfasser verständlicherweise offen lassen. Viel Zeit lassen seine Vorschläge der Politik allerdings nicht, und dass für etwa zwei Dekaden die erheblichen fiskalischen Zusatzkosten den demografischen Erträgen voraus15

Vgl. dazu T. Hatton/J. G. Williamson: Global migration, a. a. O., sowie z. B. die Beiträge zur Steuerung der Zuwanderung in den Vereinigten Staaten, den Niederlanden und in Österreich in: U. Heilemann/H. D. von Loeffelholz (Hrsg.): Arbeitsmarktsteuerung der Zuwanderung – Neuere deutsche Ansätze und internationale Erfahrungen. (RWI-Untersuchungen, 43.) Essen, 2003.

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laufen, erhöht ihre Attraktivität für die Politik angesichts der gegenwärtigen Fiskalperspektiven wohl kaum. Den grundsätzlichen, notwendigerweise sehr allgemeinen Überlegungen stellt Georg Milbradt als ehemaliger Finanzminister und Ministerpräsident des Freistaates Sachsen ein sehr konkretes Bild der demografischen Entwicklung und ihrer Folgen in Sachsen gegenüber. Das besondere dabei ist, dass in Sachsen „alles viel schneller und viel stärker [abläuft, U. H.] als im übrigen Deutschland“. Ruft bereits der Blick aus der aggregierten Perspektive große Sorgen hervor, so werden diese potenziert, wenn er sich auf einzelne Teile richtet. So z. B. in Sachsen angefangen bei der innerhalb des Landes selbst sehr unterschiedlichen regionalen demografischen Entwicklung einschließlich der Zuwanderung, über die damit verbundenen Veränderungen der Sexualproportionen, die „jungen Rentner“, bis hin zu den negativen ökonomischen Konsequenzen der Demografie für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung usw.; von dem vereinbarten Rückgang der West-Ost-Transfers – und, so ließe sich hinzufügen, dem ohnehin niedrigen gesamtwirtschaftlichen Wachstum – ganz abgesehen. Auch wenn Milbradt hier mit finaler Absicht etwas überzeichnen mag, die Anforderungen an die Akzeptanz der Bevölkerung, die Steuerung dezentraler Veränderungen, an Flexibilität, Offenheit und Lernfähigkeit sind beträchtlich: „(Was) wir hier theoretisch diskutiert haben, [ist, U. H.] bei einer ganzen Reihe von Politikern angekommen [. . .], aber [. . .] die Umsetzung (ist) gar nicht so einfach.“ Zum Gelingen des Kolloquiums haben wie stets in solchen Fällen viele beigetragen. Der Dank gilt dabei den Referenten, aber auch den Leitern der einzelnen Sitzungen: Prof. Dr. Ernst Helmstädter, Münster, Prof. Dr. Rolf Hasse, Leipzig, Prof. Dr. Fritz Helmedag, Chemnitz, Prof. Dr. Klaus Lange, Leipzig, Prof. Dr. Karl Heinrich Oppenländer, München, sowie Thilo Boss, Leiter der Wirtschaftsredaktion der LVZ, als Moderator der Abschluss-Diskussion. Die Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung besorgten engagiert und perfekt Angela Kortenhof, Thomas Köhler, Robin Schumann und Marcus Strobel, wofür auch ihnen zu danken ist. Ganz besonders zu danken ist jedoch Dipl.-Vw. Hagen Findeis, der die Vorbereitung und Durchführung des Kolloquiums leitete und die Herausgabe dieses Tagungsbandes umsichtig und kompetent betreute. Schließlich geht der Dank an die Wüstenrot-Stiftung und an ihren damaligen Vorsitzenden Dr. Wolfgang Bollacher, deren finanzielle Unterstützung die vorliegende Veröffentlichung ermöglichte.

Orthodoxe und heterodoxe Bevölkerungsökonomik Von Adolf Wagner I. Vorbemerkungen Magnifizenz, Spectabiles, sehr geehrter Herr Bollacher, lieber Ullrich, meine Damen und Herren, liebe Gäste aus Leipzig und von weit her, es ist schön, am Geburtstag freundliche Worte in dieser Fakultät zu hören, der ich nach meinem vierten C4-Ruf (und der Erstplatzierung auf einem gesperrten Lehrstuhl) ab 1996 acht Jahre lang beim Auf- und Ausbau geholfen habe, und deren weitere Entwicklung mir nicht gleichgültig sein kann. Vielen, vielen Dank! Vielen Dank für dieses Kolloquium – Ullrich Heilemann sowie allen Mitwirkenden und Teilnehmern. Mehr noch als über Persönliches am heutigen Tag freue ich mich darüber, dass die Thematik des Kolloquiums nun in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen ist. Dennoch darf man weiter werben. „Migration“ ist ein Leitgedanke verschiedener Vorträge des Tages. Ich sollte vorab eingestehen, was Ullrich Heilemann beim Entwurf des Kolloquiums sicher wusste: Auch ich bin ein Mensch mit „Migrationshintergrund“, wie man neuerdings sagt, und zwar in zweifacher Hinsicht: einmal als Binnenmigrant durch mehrere Bundesländer und ferner als ein Angehöriger des vierten bayerischen Stammes, der per ethnischer Säuberung 1946 aus dem Sudetenland nach Bayern und Sachsen vertrieben wurde. Meinem Vortrag stelle ich eine bevölkerungsökonomische These voran, die von dem schwedischen Innovationsforscher Gunnar Eliasson aus dem Jahr 1991 stammt: „A growing economy requires a steady showering with optimistic entrants, a few of which turn out ex post to be superior performers.“

II. Einleitung: Mein Zugang zur Bevölkerungsökonomik Als spät berufener Student Mitte der 1960er Jahre an der Universität München nahm ich alle Lesehinweise der Professoren sehr ernst. So kam ich rasch über die seinerzeit beherrschende Lehrbuchwelt eines Erich Schneider hinaus und zu manchem anregenden Buch, das mir geblieben

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und bis heute wichtig ist.1 Meine kapitaltheoretische Diplomarbeit bei Erich Preiser führte mich schließlich zu der lehrgeschichtlichen Monographie von Mark Blaug (1962)2. Hätte ich damals meinen wissenschaftlichen Lebensweg geahnt und bewusst anlegen wollen, so hätte ich meine Arbeiten nach einem Satz auf Seite 612 in der Erstauflage von Mark Blaug ausrichten können: „Contemporary economics still lacks a systematic demographic theory, a satisfactory theory of innovations, or a rigorous explanation of the source and nature of entrepreneurial supply.“ Bevölkerungsökonomik, Innovationsökonomik und Evolutorische Ökonomik also lautete die Richtungsangabe bei Mark Blaug, der ich schließlich unbewusst gefolgt bin. Die Impulse dazu kamen aus der empirischen Wirtschaftsforschung,3 nicht aus dem Universitätsbetrieb oder „den Journals“. Ziel war wie bei Erich Preiser und Alfred E. Ott eine in den Alltag4 kommunizierbare Nationalökonomik. Heute geht es um die Bevölkerungsökonomik. Angefangen hat mein bevölkerungsökonomisches Arbeiten mit dem ersten deutschen Gutachten über die volkswirtschaftliche Bedeutung der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer („Gastarbeitergutachten“) von 19725 und den daran anschließenden Vorträgen6 und Kommissionsmitgliedschaften7. Später folgten Projekte mit 1

So z. B. R. G. D. Allen: Mathematical Economics, 2. Aufl., London/New York 1965; M. Fisz: Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik, 5. Aufl. (1. Aufl. 1967), Berlin, 1970; R. H. Howard: Dynamic Programming and Markov Processes, Cambridge Mass., 1960 und W. Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. Ein Beitrag zur Geldtheorie, 2. Aufl. (1. Aufl. 1958), Tübingen, 1978. 2 Siehe M. Blaug: Economic Theory in Retrospect, Homewood, Ill.: Irwin, 1962 (inzwischen 5. Auflage von 1997). 3 Am Tübinger IAW (Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung) von Prof. Dr. A. E. Ott engagiert, war ich von 1968 bis 1975 wissenschaftlicher Referent, sodann freier Projektmitarbeiter und schließlich Direktor oder stellvertretender Direktor von 1987 bis 1997. Die Arbeitsverbindung mit dem IAW umfasste bei meinem Ausscheiden insgesamt 29 Jahre. 4 Dies war ich mir nach meinem ersten Berufsleben im Kreditwesen (haupt- und nebenamtlich 13 Jahre lang) schuldig. 5 Siehe S. Bullinger/P. Huber/H. Köhler/A. E. Ott/A. Wagner (Projektleiter): Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in Baden-Württemberg. Gutachten im Auftrag des Arbeits- und Sozialministeriums Baden-Württemberg, Tübingen, 1972. 6 Siehe A. Wagner: Ausländerbeschäftigung. Ein Problem der europäischen Regionalpolitik und der regionalen Wachstumspolitik, in: A. E. Ott (Hrsg.): Wirtschaftliche Probleme des Landes Baden-Württemberg, Tübingen, 1974, S. 129–153; A. Wagner: Wirtschaftswachstum ohne Gastarbeiter? Überlegungen zu einer konfliktfreien Verbindung bevölkerungs- und wirtschaftspolitischer Ziele, in: F. X. Kaufmann (Hrsg.): Bevölkerungsbewegung zwischen Quantität und Qualität. Beiträge zum Problem einer Bevölkerungspolitik in industriellen Gesellschaften, Stuttgart, 1975, S. 148–161 und A. Wagner: Langfristige Vollbeschäftigung in einer kleinen Region. Demographische und ökonomische Entwicklungsaussichten des Land-

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Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (von der Universität Marburg aus in Partnerschaft mit dem ifo Institut München).8 Bevölkerungsökonomisches Interesse war zuvor bereits beim Gutachten „Technischer Fortschritt, Freisetzung und Arbeitsmarkt“ von 19709 geweckt worden. Wichtig erscheinen mir im Rückblick Aufsätze in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik (u. a. über Günther-Paradoxon, natürliche Arbeitslosenquote nach Barro, Transfers bei Bevölkerungsrückgang)10, in Gedenk- bzw. Festschriften (für Erich Preiser, Karl-August Schäffer, Alfred E. Ott)11 sowie in Tagungsbänden12. Insgesamt sind es bisher 37 Titel oder 28% meines kreises Weilheim-Schongau, in: Festschrift zum 125-jährigen Bestehen der Kreissparkasse Schongau, Schongau, 1977, S. 29–38. 7 U. a. Gründungsmitglied des Bevölkerungsökonomischen Ausschusses im Verein für Socialpolitik sowie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft. 8 Zu den Ergebnissen siehe K. H. Oppenländer/A. Wagner (Hrsg.): Ökonomische Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung, München, 1985 und A. Wagner (Hrsg.): Fertilitätsentscheidungen und Bevölkerungsentwicklung. Beiträge zur mikroökonomischen Fertilitätstheorie und Untersuchung ihrer Relevanz unter den ordnungspolitischen Gegebenheiten der DDR, Tübingen, 1991. 9 Siehe D. Schwarz/A. Wagner: Technischer Fortschritt, Freisetzung und Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg. Eine regionale und sektorale Analyse, Tübingen, 1970. 10 Vgl. A. Wagner: Der Geburtenrückgang als Ursache von Arbeitslosigkeit? Einige Bemerkungen zum Günther-Paradoxon, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 195. Bd., Jg. 1980, S. 261–269; A. Wagner: (a) Nur Transfers zur Anpassung an den Bevölkerungsrückgang? Bericht und Diskussionsbeitrag zu Reiner Dinkel, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 200. Bd., Jg. 1985, S. 542–550, (b) Nur Verteilungsmaßnahmen zur Anpassung an den Bevölkerungsrückgang?; in: K. H. Oppenländer/A. Wagner (Hrsg.): Ökonomische Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung, München 1985, S. 349–361; A. Wagner: Neoklassische und neue Bevölkerungsökonomik. Literaturbeitrag, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 204. Bd., Jg. 1988, S. 87–93 und A. Wagner: Die „natürliche“ Arbeitslosenquote nach Barro, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 204. Bd., Jg. 1988, S. 563–565. 11 Siehe A. Wagner: Optimalität und Grenzen der Schrumpfung? Makroökonomische Aspekte eines Bevölkerungsrückgangs in entwickelten Volkswirtschaften, in: A. E. Ott/W. J. Mückl (Hrsg.): Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik. Gedenkschrift für Erich Preiser, Passau, 1981, S. 459–474; A. Wagner: Zeit- und bevölkerungsökonomische Kapazitätsgrenzen des Konsums, in: (a) G. Buttler/H. Dickmann/ E. Helten/F. Vogel (Hrsg.): Statistik zwischen Theorie und Praxis. Festschrift für Karl-August Schäffer, Göttingen, 1985, S. 290–303; (b) K. H. Oppenländer/ A. Wagner (Hrsg.): Ökonomische Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung, München, 1985, S. 129–143 und A. Wagner: Einige Bemerkungen zum Strukturwandel durch Bevölkerungsrückgang, in: T. Seitz (Hrsg.): Wirtschaftliche Dynamik und technischer Wandel, Stuttgart u. a. O., 1989, S. 85–96. 12 Vgl. A. Wagner: Demographische Ursachen langfristiger Wachstumszyklen? Fragen zur Konzeption ökonomischer Zyklustheorien, in: W. H. Schröder/R. Spree

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Gesamtwerks (vgl. Anhang in diesem Band). Im Vordergrund meines Interesses standen Formen von bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit. Der vorliegende Beitrag zielt in das Spannungsfeld alternativer Grundvorstellungen von makroökonomischer Wirtschaftstheorie und auch Bevölkerungsökonomik (III.). Dabei interessieren Vorgehensweisen zur Theoriebildung (IV.) und wissenschaftliche Funktionen „des Menschen“. Stabil und instabil evolutorische Populationen nach Konzeptionen der Bevölkerungsmathematik ergänzen die üblichen nationalökonomischen Wachstumsmodelle (V.). Zum Verständnis der „Günther-Paradoxa“ sind instabil evolutorische Populationsmodelle notwendig (VI.). „Paradox“ erschien es Ernst Günther in den 1930er Jahren, dass ein Rückgang des Arbeitskräftenachwuchses (über Nachfrageausfälle) höchstwahrscheinlich einen Anstieg der Arbeitslosigkeit (und keinen Rückgang) bewirkt. Einige Worte zur Wirtschaftsgesinnung neuerer und älterer Zeit bilden den Abschluss (VII.). III. Orthodoxe und heterodoxe Ökonomik Die Unterscheidung ist einfach und doch historisch fließend: Orthodoxe Bevölkerungsökonomik passt zum jeweiligen „main stream“. Heterodoxe Bevölkerungsökonomik passt nicht in die Mode theoretischer Konzeptionen der jeweiligen Zeit. Beim Übergang von keynesianischer zu neoklassischer Nationalökonomik wurde ehedem orthodoxe zu heterodoxer Bevölkerungs(Hrsg.): Historische Konjunkturforschung, Stuttgart, 1980, S. 339–358; A. Wagner: Verursacht der Geburtenrückgang Arbeitslosigkeit?, in: O. Hatzold (Hrsg.): Wechselwirkungen zwischen Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung, München, 1980, S. 124–129; A. Wagner: Aspects of Demographic Unemployment, in: G. Steinmann (Hrsg.): Economic Consequences of Population Change in Industrialized Countries, Berlin u. a. O., 1984, S. 295–302; A. Wagner: Bevölkerungsbedingte Arbeitslosigkeit und Wachstumszyklen. Ein Problem der Empirischen Ökonomik, in: G. Bombach/ B. Gahlen/A. E. Ott (Hrsg.): Perspektiven der Konjunkturforschung, Tübingen, 1984, S. 171–187; A. Wagner: Kybernetische Modellierung keynesianischer und klassischer bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, in: T. Fischer (Hrsg.): Betriebswirtschaftliche Systemforschung und ökonomische Kybernetik, Berlin, 1987, S. 99–116; A. Wagner: Demographisch bedingte Arbeitslosigkeit in Deutschland, in: Ifo-Schnelldienst, 47. Jg., 1994, Heft 25/26, S. 19–22; A. Wagner: Rolle der Demographie: Bevölkerungsökonomische Aspekte der makroökonomischen Entwicklung, in: RWI-Mitteilungen, Jg. 51, 2000, S. 31–44; A. Wagner: Selbststeuerung der demographischen Entwicklung? Zu den bevölkerungspolitischen Aufgaben der Bundesregierung, in: U. Heilemann/K. D. Henke (Hrsg.): Was ist zu tun? Wirtschaftspolitische Agenda für die Legislaturperiode 2002 bis 2006, RWI-Schriften, Heft 72, Berlin, 2003, S. 65–75 und A. Wagner: Ursachen der demografischen Entwicklung in Deutschland und ihre Auswirkungen auf die Immobilienmärkte, in: Wüstenrot Förder GmbH (Hrsg.): Ursachen der demografischen Entwicklung in Deutschland und ihre Auswirkungen auf die Immobilienmärkte, Ludwigsburg, 2004, S. 5–22.

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ökonomik.13 Heterodoxe Bevölkerungsökonomik erkennt man zumeist schon an der Verwendung bestimmter Variablen, etwa demografisch oder soziologisch strukturierter Bevölkerungsgrößen sowie an bestimmten wirtschaftsrelevanten Funktionen des Menschen, womit oft die Grenzen zur Soziologie, zur Politikwissenschaft und gelegentlich auch zur Rechtswissenschaft hin überschritten werden. N. Gregory Mankiw14, der bekannte amerikanische Lehrbuchautor, definiert eine Volkswirtschaft als eine „Gruppe von Menschen, die bei ihrer Lebensgestaltung zusammenwirken“. Von „Staatsvolk“ auf einem „Staatsgebiet“ würden Juristen sprechen. Ganz naheliegend ist es dabei, für Entstehung, Verteilung und Verwendung des Bruttonationaleinkommens oder Volkseinkommens auf Größe, Struktur und Veränderungen der „Gruppe von Menschen“ oder der Bevölkerung zu achten. Die Wechselwirkungen von Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung zu erfassen, ist das Arbeitsziel einer Nationalökonomik, die sich als Bevölkerungsökonomik, Demoökonomik, Demographic Economics oder Population Economics begreift. So gesehen waren die Kameralisten und Merkantilisten des 17. Jahrhunderts bereits Bevölkerungsökonomen. Von der mathematisch modellierenden Ökonomik aus muss man Gustav Feichtinger mit seinem Lexikonartikel von 1977 erwähnen.15 Verbal oder mathematisch modellierende Nationalökonomen haben jedoch oftmals per Ceteris-paribus-Klausel die Konstanz des Staatsgebietes und auch der Bevölkerung unterstellt. Ihre Veränderlichkeit konnte in Analysen keine Rolle mehr spielen. Eine Ausnahme bildet das „annahmegemäß vollbeschäftigte, homogene Arbeitskräftepotential“ (A als Teilmenge der Bevölkerung P) in wachstumstheoretischen Grundmodellen neoklassischer, angebotsorientierter Art. Darin offenbart sich nationalökonomische Orthodoxie: Nur jene Variablen in Modellzusammenhängen denken und endogenisieren sowie spezifiziert in Gleichungen zulassen, die von der Mehrheitsökonomik legitimiert sind. Auf Tagungen und in Journalen gibt es keine 13 Orthodoxe Bevölkerungsökonomik – diese nur ist karriererelevant – findet man leicht in der Ökonometrie der Europäischen Kommission. Einer meiner Tübinger Habilitanden ist daran beteiligt. Da wurde bei der Abkehr von ehedem vorherrschenden nachfrageorientierten Ansätzen das Entscheidungsmodell QUEST I mit gleicher Datengrundlage auf QUEST II in angebotsorientierter Perspektive umgearbeitet. Ein befremdlicher Höhepunkt war schließlich das Springer-Buch von K. Mc Morrow/W. Röger: The Economic and Financial Market Consequences of Global Ageing, Berlin/Heidelberg/New York, 2004. 14 Vgl. N. G. Mankiw/M. P. Taylor: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 4. Aufl., Stuttgart, 2008, S. 4. 15 Vgl. G. Feichtinger: Artikel „Bevölkerung“, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften (HdWW), 1. Bd., Stuttgart u. a. O., 1977, S. 610–631, insb. S. 621–623.

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„Basisinnovationen“. Mathematische Makroökonomik zeigt sich oft als eine quasi-theologische Disziplin, was erkenntnistheoretisch und methodologisch nicht gerechtfertigt ist. Vor bald 30 Jahren schon hat Wolfgang Stützel geklagt, „dass viel zu viele Studierende und Lehrende unseres Fachs sich darauf beschränken, zahlreiche kategorial und sprachlich bereits vorgezeichnete Einstiegsmodelle und Fragestellungen unreflektiert zu übernehmen“16. In der empirischen Wirtschaftsforschung ist das meist anders. IV. „Steinmetz- versus Maurer-Methodologie“ zur Theoriebildung? Diese anschauliche Lehrbuch-Formulierung übernehme ich von dem Ökonometriker Ludwig von Auer.17 Man geht bei der Spezifikation eines ökonometrischen Modells von (u. U. unterschiedlichen und mehrdeutigen) substanzwissenschaftlichen Vorgaben oder Anregungen der Wirtschaftstheorie aus (für Verhaltens-, Technologie-, Institutionen- und Definitionsgleichungen), wird jedoch bei unbefriedigender Erklärungskraft der Regressoren (und verfügbaren Daten) weitere potenzielle Regressoren in Betracht ziehen und die insgesamt geeignetsten auswählen. Dabei entstehen zumeist Modifikationen der wirtschaftstheoretischen Lehrbuch-Hypothesen, wie z. B. die Gleichungen der gängigen makroökonometrischen Modelle vor dem Hintergrund der theoretischen Makrogleichungen zeigen. Es gibt dafür zwei statistische Verfahren der Variablen-Selektion. Einmal bezieht man „vorwärts“ oder nach der „Maurer-Methodologie“ zusätzlich neue Variablen in das Hypothesengebilde ein, um eine Verbesserung zu erreichen. Zum anderen nimmt man „rückwärts“ gehend oder nach der „Steinmetz-Methodologie“ periphere miterklärende Größen weg. Beide Wege zur Erarbeitung eines empirisch gültigen Makromodells werden begangen. Sie garantieren jedoch nicht, dass am Ende das „beste“ Modell im Sinne einer Annäherung an das wahre Regressionsmodell steht.18 Stets entstehen jedoch nach der Maurer-Technologie vielgestaltige und unterschiedliche Ländermodelle.19 Die Deutsche Bundesbank hat jedoch bei ihrer Modellierung über viele Länder hinweg einen anderen Weg gewählt 16

Siehe A. Wagner: Makroökonomik. Volkswirtschaftliche Strukturen II, 3. Aufl., Marburg, 2009, S. 462. 17 Vgl. L. von Auer: Ökonometrie – Eine Einführung, 2. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York, 2003, S. 263. 18 Den Daten einer Stichprobe (zumal Zeitreihen) – alle je erhältlichen Daten sind trotz gelegentlich versuchter Vollerhebungen nur Teilerhebungen aus dem Leben in bestimmten Regionen und Zeiten – kann man mit noch so ausgeklügelten Prozeduren nicht die wahre (Quasi-)Theorie abringen.

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und gleiche Spezifikationen von Verhaltens-, Technologie-, Institutionenund Definitionsgleichungen nach wirtschaftstheoretischer Standardanalyse vorgegeben.20 Im Wechselspiel von Daten und Hypothesen sollte bewusst bleiben, dass in den Daten Zeitgeschichte einer bestimmten Epoche für ein bestimmtes Gebiet und die darauf lebenden Menschen („Menschengruppe“ i. S. von Mankiw) steckt. Das falsifikationistische Vorgehen der empirischen Makroökonomik gibt automatisch Raum – auch – für demografische Variablen. So ist es nicht verwunderlich, dass zuerst Vertreter der empirischen Wirtschaftsforschung (oft in unternehmerischer oder statistischer praktischer Tätigkeit) auf Fragen nach der volkswirtschaftlichen Relevanz demografischer Variablen stießen. Vieles an interessanten Forschungsergebnissen ist vergessen. So z. B. die Arbeiten von Luptacik und Schmoranz mit demografischen Strukturen und Matrixmultiplikatoren für Österreich von 1980.21 Der Übergang von Orthodoxie und Heterodoxie lässt sich leicht illustrieren. Man nehme die QUESTModelle der EU-Kommission für Politiksimulationen von Konjunkturen und Wachstum. QUEST I von 1991 stand noch ganz in der Arbeitstradition keynesianischer Modellbauweise und somit den Multiplikator-Akzelerator-Modellen sehr nahe. Ab 1996 wurde in der EU-Ökonometrie der Zusammenhang von 14 EU-Ländern (mit 14 Staatsvölkern!) und wichtigen anderen Volkswirtschaften in etwa 900 Gleichungen von nachfrageorientierter Modellierung auf angebotsorientierte Modellierung umgestellt, weil dies nach makroökonometrischer Theorie geboten erschien. Es entstand (bei gleichem Datenhintergrund) QUEST II, gleichsam „Orthodox neu“.22 Im Mehr-Länder-Modell der Deutschen Bundesbank herrscht arbeitstechnisch ebenfalls eine Theorievorgabe:23 Man generalisiert die Gleichungs-Systeme, die vorgesehen werden, nach Lehrbuch-Orthodoxie. Woher haben die Forscher ihre zu testenden Hypothesen? Aus Maurerund/oder Steinmetz-Methodologie mit einem Blick in Lehrbücher der ma19 Etwa die 4182 Gleichungen für 23 Länder des OECD-Interlink-Systems von 1988. 20 Siehe Deutsche Bundesbank: Makro-ökonometrisches Mehr-Länder-Modell, Frankfurt, 1996, S. 23–27. 21 Siehe M. Luptacik/I. Schmoranz: Demographic Changes and Economic Consequences: Demo-Economic Multiplier for Austria, in: Empirical Economics, Vol. 5, Jg. 1980, S. 55–67, erläutert in: A. Wagner: Nutzen und Grenzen realer Input-Output-Tabellen, in: Wirtschaftspolitische Blätter, 32. Jg., 1985, Heft 4, S. 325–335, S. 332–333. 22 Die neueste Variante QUEST III interessiert hier nicht. 23 Vgl. Deutsche Bundesbank, Makro-ökonometrisches Mehr-Länder-Modell, a. a. O.

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kroökonomischen Wirtschaftstheorie? Mit ein wenig Ironie und einem Augenzwinkern kann man den alten Statistiker Johann Pfanzagl zitieren,24 der bei Erörterungen von Hypothesentests sagte, es komme primär auf die „Fähigkeit des Wissenschaftlers an, richtige Hypothesen zu formulieren“. Damit führt er an eine altbekannte Kontroverse und die Frage heran, ob „Theory without measurement“ oder „Measurement without theory“ uns leiten sollen. Freuen werden sich dabei die Vertreter eines methodologischen Apriorismus.25 Die „Maurer-Methodologie“ wird die Relevanz demografischer Variablen „untermauern“, jedoch auf Theorievorgaben für die „Steinmetz-Methodologie“ angewiesen bleiben. Bei der Modellierung von Arbeitslosigkeit ist der demografische Hintergrund schließlich offenkundig. Man weiß z. B., dass bisher Arbeitsuchende wegaltern und wegsterben können – mit Nachfrage- und anderen Effekten in der Wirtschaftsgesellschaft. Empirische Ökonomen wissen, dass die Bevölkerung weder insgesamt noch nach Komponenten konstant ist. In makroökonometrischen Modellen mit bevölkerungsökonomischen Variablen (zumindest Bevölkerungszahl insgesamt und Arbeitskräftepotential) wird dies sichtbar. Als ein frühes gutes Beispiel dafür enthält das ökonometrische Makromodell des U. S. Bureau of Labor Statistics (1980)26 zur Vorhersage der Industriebeschäftigung bis 1990 u. a. das Arbeitskräftepotential und die Gesamtbevölkerung. Gleichungen und Gleichungssysteme wären nebeneinander zu stellen, um den Kontrast zwischen orthodoxer und heterodoxer Bevölkerungsökonomik auszumalen, wie er sich epochenweise darstellt. Hier begnüge ich mich mit den verwendeten Variablen, speziell mit der Rolle von Menschen und Menschenzahlen. Für eine umfassende Betrachtung von bevölkerungsökonomischer Modellierung will ich mehrere wirtschaftsrelevante „Funktionen“ eines Menschen herausstellen und vorab auf die Tatsache der quantitativ und qualitativ ungleichen und wandelbaren Zusammensetzung von wachsenden und schrumpfenden Populationen aufmerksam machen: (1) Der Mensch ist potentieller Verbraucher und Nachfrager. (2) Der Mensch ist je nach Altersstufe Nutzer staatlicher Einrichtungen (Kindergärten, Schulen, Heime, Wehr- und Zivildienst, auch Klinika). 24

Vgl. J. Pfanzagl: Allgemeine Methodenlehre der Statistik II, 5. Aufl., Berlin, 1978, S. 96. 25 Vgl. A. Wagner: Mikroökonomik. Volkswirtschaftliche Strukturen I, 5. Aufl., Marburg, 2009, S. 32. Quelle und Geltungsgrund für Erkenntnisse lägen in der menschlichen Vernunft schlechthin und im gesunden Menschenverstand im besonderen (Versuche „axiomatisch begründeter Volkswirtschaftstheorie“). 26 Vgl. United States, Bureau of Labor Statistics: Methodology for Projections of Industry Employment to 1990, Bulletin 2036, Washington, 1980.

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(3) Der Mensch ist je nach Ausbildung potentielle Arbeitskraft. (4) Der Mensch ist Wissensträger – für alle möglichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufgaben. Insbesondere verkörpert er in den Unternehmungen aufgrund langer Berufserfahrung „tacit knowledge“ (knowhow which cannot be articulated by those who possess it), ein Wissen, das nicht in der üblichen Weise gelehrt und gelernt werden kann. (5) Der Mensch ist potentieller Erfinder („Inventor“ für neue Produkte und Prozesse technologischer und nicht-technologischer Art) – teils dank jugendlicher Kreativität, teils dank Erfahrungswissens (zum Teil „tacit knowledge“) in fortgeschrittenem Alter. (6) Der Mensch ist potentieller Unternehmer (die Neigung zur unternehmerischen oder generell selbständigen Tätigkeit kann man als eine besondere Begabung ansehen) und als solcher „Innovator“ (mit unternehmerischer Erstanwendung von wissens- und erfahrungsbasierten neuen Produkten und/oder neuen Produktionsverfahren technologischer und nicht-technologischer Art, die das Unternehmensergebnis verbessern sollen). (7) Der Mensch ist Kulturträger (siehe „Kulturökonomik“). (8) Der Mensch ist potentieller Elternteil. (9) Der Mensch ist Staatsbürger sowie Träger in allen Institutionen. Orthodoxe Nationalökonomik und Bevölkerungsökonomik greifen oftmals nur die Funktion Nr. 3 (Mensch als Arbeitskraft) heraus. Viel zu wenig beachtet wird, dass sich in den Familien der Aufbau und die Erhaltung von Humanvermögen (Arbeits- und Vitalvermögen) vollzieht.27 V. Stabil und instabil evolutorische Populationen28 In den Grundformen nationalökonomischer Wachstumsmodelle werden meist nur demografische Wachstumsraten für das Arbeitskräftepotential verwendet, die Komponenten der sogenannten „natürlichen“ Wachstumsrate sein sollen (nachfrageorientiert oder angebotsorientiert).29 Selten wird er27

Vgl. H.-G. Krüsselberg: Humanvermögen. Ein Blick auf die Quelle des gesellschaftlichen Wohlstandes, Oldenburger Universitätsreden, Nr. 174, Oldenburg, 2007. Begriffsprägung durch Krüsselberg bereits 1977. Man beachte die Übereinstimmung mit Theodore W. Schultz, wonach Humanvermögen alle Attribute eines Menschen (die physischen, biologischen, psychologischen und kulturellen) umfasst sowie die sozialen und ökonomischen Werte umschließt, zu denen sich der Mensch bekennt. 28 Vgl. dazu A. Wagner, Makroökonomik, a. a. O., S. 416–425. 29 Vgl. ebenda, S. 229 und S. 245.

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gänzend bemerkt, dass es sich dabei aus Gründen der logischen Konsistenz um die Raten von stabil-evolutorischen Populationen (mit charakteristischem Altersaufbau und charakteristischen Nettoreproduktionsraten) handelt.30 Anders als z. B. beim Wachstum des Sozial- oder Nationalprodukts sind beim Wachstum einer Bevölkerung oder des menschlichen Zeitpotenzials einer Volkswirtschaft Bestände und Zuwächse ursächlich verknüpft. Man denke an die bekannten Alters- oder Bevölkerungspyramiden in Pyramiden-, Glocken-, Urnen- oder Zwiebelform, die unausgesprochen hinter den (positiven oder negativen) demografischen Wachstumsraten der Wachstumstheorien stehen. In geschlossenen, stabil-evolutorischen Bevölkerungen sind gewisse Langzeittendenzen mathematisch fassbar, die bei der Vorstellung eines langfristigen Gleichgewichtswachstums der Volkswirtschaft unausgesprochen eine wichtige Rolle spielen. Da ist zunächst einmal der Satz über starke Ergodizität, auch Satz von Lotka oder Erster Fundamentalsatz der Populationsdynamik, zu nennen:31 Wirken auf eine beliebig strukturierte Ausgangsbevölkerung langfristig (über mehrere Generationen hinweg, je nach Anfangsstruktur wenigstens 100 bis etwa 250 Jahre) konstante altersspezifische Geburten- und Sterberaten ein, so entsteht schließlich eine Bevölkerung mit einem stabilen Altersaufbau. Die Bevölkerung „vergisst“ nach und nach ihre Anfangsstruktur. Aus der Bevölkerungsstatistik kennt man die dafür typischen und erwähnten Alterspyramiden. Ein Satz über schwache Ergodizität, auch Coale-Lopez-Theorem oder Zweiter Fundamentalsatz der Populationsdynamik genannt,32 legt fest: Werden zwei beliebig strukturierte Ausgangsbevölkerungen, die Frauen unterhalb der oberen Fruchtbarkeitsgrenze enthalten sollen, denselben beliebigen altersspezifischen Geburtenund Sterberaten ausgesetzt, die insbesondere von der Zeit abhängen dürfen, so nähern sich die Altersstrukturen einander an – bis sie schließlich dieselbe Altersstruktur aufweisen, die von der Zeit abhängen wird. Ein Eulerscher Satz über stabile Bevölkerungen drückt die Erkenntnis aus, dass in einer stabilen Bevölkerung mit zwei der drei Größen – Wachstumsrate, altersspezifische Geburtenrate und altersspezifische Sterberate – jeweils die verbleibende dritte Größe festgelegt ist.33 30

Siehe ebenda, S. 424. Vgl. Formel in Fußnote 33. Vgl. G. Feichtinger: Demographische Analyse und populationsdynamische Modelle. Grundzüge der Bevölkerungsmathematik, Wien u. a. O., 1979, S. 267–268. 32 Vgl. ebenda, S. 272–273. 33 Dies ist anhand des arithmetischen Zusammenhangs von Wachstumsrate (n bzw. r), Wachstumsfaktor ( f ) und Nettoreproduktionsrate (NRR) mit Blick auf die Generationenlänge (T) und den stilisierten Altersaufbau zu erläutern: 31

NRR ffi f T ã È1 þ nêT ffi er T :

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Selbstverständlich weisen die geschlossenen, stabil-evolutorischen Populationen jeweils eine bestimmte diskrete Konsumenten-Arbeitskräftepotential-Relation (KAR)34 auf (Gesamtbevölkerung dividiert durch Arbeitskräftepotential), hinter der man früher einen Indikator für die demografisch interpretierbare Nachfrage-Angebots-Relation (NAR) einer geschlossenen Volkswirtschaft mit Vollbeschäftigungsdeutung gesehen hat. Autarkieüberlegungen (für planwirtschaftliche Kriegswirtschaften) spielten vielleicht mit in diese Überlegungen herein. Für offene Volkswirtschaften, gar weltoffene Volkswirtschaften (zumal mit Einkommen weit über einem Existenzminimum) in einer Zeit der sogenannten „Globalisierung“ ist die Einschränkung der demografischen Nachfragebetrachtung auf das Inland nicht mehr sinnvoll. Gleichwohl bestehen von einer auch demografisch mitbestimmten, nicht nur einkommensabhängigen Nachfrage aus (Konsumnachfrage und mittelbar auch Investitionsnachfrage) gewisse Verbindungslinien zu den Günther-Paradoxa. VI. Instabil evolutorische Populationen und Günther-Paradoxa Die Formaldemografie oder Bevölkerungsmathematik weiß auch mit veränderlichen Nettoreproduktions- und Wachstumsraten umzugehen (siehe pseudostabile Bevölkerungen im Anschluss an die erwähnten asymptotischen Stabilitäten). Für das Thema „Günther-Paradoxon“ genügt der Blick auf kurzfristige statistische Größenverhältnisse und Änderungen einer überschlägig zergliederten tatsächlichen Bevölkerung eines Landes. Die Bevölkerung P gliedert man gedanklich in vier Altersklassen, von denen die erste die noch nicht Erwerbstätigen (Jungen), die beiden folgenden die Erwerbstätigen und die vierte die nicht mehr Erwerbstätigen (Alten) (nach statistisch definierten Grenzen) umfasst: È1ê

PT ã P1; T þ P2; T þ P3; T þ P4; T

Man kann sich zur Gleichung (1) eine nicht-stabil wachsende oder schrumpfende Bevölkerung vorstellen, wobei z. B. P1; T zuerst einen Rückgang erfährt, der sich in der nächsten Langzeitperiode T (nun Generation) auf die älteren Teilmengen fortpflanzt (wobei nun t ã T gelten soll). Damit kommt man zum ursprünglichen Günther-Paradoxon. Mit umgekehrtem 34

Bisweilen hat man an die KAR noch andere statistische Überlegungen angeschlossen: Der reziproke Wert wurde als „demografische Erwerbsquote“ gedeutet. Hat man die KAR als eins plus Jugendquotienten plus Altenquotienten verstanden, so ergaben Jugend- und Altenquotient zusammen die sogenannte „Belastungsquote“ (der Erwerbsbevölkerung durch junge und alte Nur-Konsumenten).

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Vorzeichen (gleichsam einem „Babyboom“) und Anstieg der Jugendaltersklasse erschließt sich das inverse Günther-Paradoxon. Mit einigen wenigen Formeln kann man den hypothetischen Zusammenhang von jugendlicher Bevölkerung, Gesamtnachfrage und Arbeitslosigkeit skizzieren.35 Die Erwerbspersonenzahl E entspreche den beiden mittleren Altersklassen der Bevölkerung: È2ê

ET ã ÈP2 þ P3 ê

Für den Arbeitseinsatz gelte eine rudimentäre Produktionsfunktion oder Faktoreinsatzfunktion (3); das Produktionsniveau XT stimme mit dem Nachfrageniveau (4) überein. È3ê

AT ã u1 XT

È4ê

XT ã I a þ c 0 PT þ c XT

Der Parameter u in (3) sei ein Arbeits-Input-Koeffizient nach dem jeweiligen Stand der Technologie. Die Gesamtnachfrage (4) setzt sich aus autonomen Investitionen I a sowie aus bevölkerungsabhängiger und einkommensabhängiger Konsumnachfrage zusammen.36 Die statistische Arbeitslosenquote sei: È5ê

AQT ã ÈET  AT ê=ET

Aus (1) bis (5) folgt diese bevölkerungsabhängige Arbeitslosenquote (6):37 35 Siehe dazu A. Wagner, Der Geburtenrückgang als Ursache von Arbeitslosigkeit?, a. a. O., S. 261–269; A. Wagner, Verursacht der Geburtenrückgang Arbeitslosigkeit?, a. a. O., S. 124–129; A. Wagner, Aspects of Demographic Unemployment, a. a. O., S. 295–302; A. Wagner, Bevölkerungsbedingte Arbeitslosigkeit und Wachstumszyklen. Ein Problem der Empirischen Ökonomik, a. a. O., S. 171–187; A. Wagner: Denkansätze bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, in: WISU, 24. Jg., 1995, S. 448–453; A. Wagner: Modellierungen bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, in: WISU, 24. Jg., 1995, S. 613–619 und neuerdings von A. Wagner: Das GüntherParadoxon. Ein denkbarer Fall bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, in: WISU 12/08, 2008, S. 1699–1705. 36 „Die Nachfrage nach Konsumgütern geht infolge des Bevölkerungsrückgangs relativ und u. U. auch absolut zurück“ (A. E. Ott: Auswirkungen demographischer Entwicklungen auf die sektorale Wirtschaftsstruktur, in: Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr Baden-Württemberg (Hrsg.): Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung auf Wirtschafts- und Regionalstruktur, Stuttgart, 1980, S. 48–70, S. 58). 37 Vgl. A. Wagner, Makroökonomik, a. a. O., S. 447.

Orthodoxe und heterodoxe Bevölkerungsökonomik È6ê AQT ã 1  c0 u1 È1  c

1

1

u1 È1  cê

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 1 I a þ c0 ÈP1 þ P4 êT ÈP2 þ P3 êT

Eine bevölkerungsbedingte Steigerung der Arbeitslosenquote entsteht demnach (komparativ-statisch betrachtet) durch einen Anstieg der Erwerbsbevölkerung ÈP2 þ P3 ê und/oder einen Rückgang der Nur-Konsumenten ÈP1 þ P4 ê. Der Rückgang von P1 in (6) entspricht dem von Ernst Günther 1931 vermuteten Effekt einer Steigerung von AQ (von mir 1980 als „Günther-Paradoxon“ bezeichnet).38 Leicht vorstellbar ist ein „inverses GüntherParadoxon“: Eine bevölkerungsbedingte Senkung der Arbeitslosenquote durch „Baby-Boom“. „Paradoxerweise“ können verringerter Arbeitskräftenachwuchs via Nachfrageausfall die Arbeitslosigkeit steigern und gesteigerter Arbeitskräftenachwuchs per Nachfrageschub die Arbeitslosigkeit senken. Denkbar ist sowohl die Hypothese des Günther-Paradoxons als auch die Vermutung des inversen Günther-Paradoxons, sofern Menschenzahlen – neben dem Einkommen – die gesamtwirtschaftliche Entwicklung von der Nachfrageseite her mitbestimmen. Naheliegend war und ist dies in planwirtschaftlichen Dispositionen während Kriegs- und Krisenzeiten. Darüber hinaus gibt es selbstverständlich komplexere dynamische makroökonomische und ökonometrische Modelle, die bevölkerungsbedingte Arbeitslosigkeit zu erzeugen vermögen. Dazu habe ich an anderer Stelle geschrieben; hier erübrigt sich eine grundsätzliche Auseinandersetzung darüber.39 Für abwegig und aller methodologischen Vorgehensweise widersprechend halte ich es, wenn man demografische Variablen in makroökonometrischen Modellen nicht weiter veranschlagen möchte (ob nun – ungeachtet zeitweiliger Moden in der Wirtschaftstheorie – auf der Nachfrage- und/oder der Angebotsseite). Heterodoxe Bevölkerungsökonomik gerät damit schlicht zu einem Unterfangen, demografische Variablen in Modelle einzubeziehen. VII. Nachwort: Neue Wirtschaftsgesinnung und die Struldbrugs Mit inhomogenen Populationen hätte man es zu tun, wollte man Erkenntnissen der Evolutorischen Ökonomik für das makroökonomische Modellieren folgen. Das kann bereits beim alltäglichen Wirtschaftsverhalten der Menschen ansetzen und mit Bevölkerungsökonomik zusammen hängen. Eine große Anzahl von Menschen plant hierzulande anders als früher, da 38 Vgl. A. Wagner, Der Geburtenrückgang als Ursache von Arbeitslosigkeit?, a. a. O., S. 261–269. 39 Vgl. A. Wagner, Denkansätze bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, a. a. O., S. 448–453 und A. Wagner, Modellierungen bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, a. a. O., S. 613–619 sowie A. Wagner, Makroökonomik, a. a. O., S. 443–451.

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ein „Weiterleben nach dem Tode“ durch Nachkommen auch eine „ordentliche“ Vermögensbasis haben sollte (Haus und Hof, Betrieb), wurde 1980 mit aller Vorsicht vermutet.40 Ökonomisch erfolgreiches Handeln bestehe nun für immer mehr Leute auch darin, Lasten für eigene Lebensvorteile auf die nächstfolgende Generation abzuladen, an der man sich in keiner Weise mehr beteiligt sieht. Die „Absagen an die Zukunft“ (so ein damals sinnreicher Buchtitel des Journalisten Johannes Gross), die gebündelt in freiwilliger Kinderlosigkeit zum Ausdruck kämen, häuften sich. Soweit Lebensmöglichkeiten und ökonomische Grundlagen einer nachfolgenden Generation betroffen sind, handeln immer mehr Menschen so, als hätten sie das Geld anderer Leute von einem fernen Stern zu verschenken. Ein zunächst unmerklicher Wandel ökonomischen Verhaltens wird nach und nach die Wirtschaftsgesinnung tiefgreifend umgestalten und eine „Gegenwartspräferenz“ markant stärken.41 Desinteresse und bewusste Abkehr von Belangen nachfolgender Generationen, vermutlich verbunden mit einem Bevölkerungsrückgang, brauchen vom befragten Individuum kaum mehr beschönigt oder rationalisiert zu werden. Diese „neue Wirtschaftsgesinnung“ mit ihrer zunehmenden Gegenwartsbindung wird wohl ein Thema künftiger sozialökonomischer Untersuchungen werden. Kontrast bietet ein Blick in die sogenannte „schöne Literatur“. Etwa zur Halbzeit des Bestehens der altehrwürdigen Universität Leipzig, die 2009 ihr 600-jähriges Jubiläum feiert, entstand in London der romanhafte Bericht „Gullivers Reisen“ von Jonathan Swift.42 Als Swift die Luggnagianer besucht, begegnet er dort den Struldbrugs, einer Minderheit zufällig entstehender unsterblicher Menschen (erkennbar bei der Geburt und später an einem bestimmten Mal auf der Stirn). „Glückliche Nation, wo wenigstens jedes Kind [nach dem Zufallsprinzip, A. W.] die Möglichkeit hat, unsterblich zu sein!“.43 Die Unsterblichen beflügeln zunächst die Phantasie des Weltreisenden, der sich lebhaft ausmalt, wie er sein Leben in dieser Perspektive mit Kraft und grenzenlosem Interesse gestalten würde. Sterbliche mit Kindern und Kindeskindern bei uns kommen vielleicht den von Swift entdeck40 Vgl. A. Wagner: Wie beeinflusst der Bevölkerungsrückgang die Wirtschaftsentwicklung?, in: Der Bürger im Staat, 30. Jg., Heft 4, S. 230–236 sowie Kohlhammer-Taschenbücher Bürger im Staat, Bd. 1054, Stuttgart u. a. O., 1980, S. 43–62. 41 Unbedeutende Randerscheinungen sind dabei Formen neuer Religiosität, die Menschen wieder dazu bringen wollen, ihr „make the most of it“ auf den geldfreien Jenseitsbereich anzuwenden. 42 Nach der 1726 in London erschienenen Originalausgabe „Travels into Several Remote Nations in the World“ zitiere ich das vollständige Werk nach dem Diogenes-Taschenbuch J. Swift: Gullivers Reisen, Zürich 1993. Hermann Hesse schrieb dazu ein Vorwort. Für den Literaturhinweis danke ich Walter Krämer. 43 Siehe J. Swift, Gullivers Reisen, a. a. O., S. 344.

Orthodoxe und heterodoxe Bevölkerungsökonomik

53

ten wirklich Unsterblichen nahe. Wie stellt man sich den möglicherweise großartigen Lebensplan und eine Wirtschaftsgesinnung bei persönlicher Unsterblichkeit vor – ein „Gegenmodell“ zum Leben der freiwillig Kinderlosen? Die Begegnung mit den etwa elfhundert unsterblichen Personen beiderlei Geschlechts ernüchtert unseren Weltreisenden sehr. Sein Dolmetscher macht ihn vorab darauf aufmerksam, dass die Struldbrugs nicht mit immerwährender Blüte der Jugend, Gesundheit und Lebenskraft versehen sind. Sie erleben ewiges Leben mit allen Nachteilen des Greisenalters. „Jene Menschen handelten wie gewöhnliche Sterbliche bis zum dreißigsten Lebensjahre; hierauf würden sie jedoch allmählich melancholisch und niedergeschlagen, und diese Stimmung steige bis zum achtzigsten Jahre. . . . Gelangten sie nun zum achtzigsten Jahre, welches [damals, A. W.] als äußerster Lebenspunkt . . . angenommen wurde, so zeigten sie nicht allein die Torheiten und Schwächen anderer Greise, sondern noch eine weit größere Anzahl, welche durch die furchtbare Aussicht, niemals zu sterben, bewirkt würden. Sie wären nicht allein eigensinnig, hölzern, habgierig, mürrisch, eitel und geschwätzig, sondern auch der Freundschaft unfähig und für jede natürliche Neigung erstorben.“44 Um was „sie am allermeisten neidisch wären, sei das Lasterleben der jüngeren Generation und das Sterben der Alten.“45 Ich breche die selektiven Zitate hier ab. Man lese bei Gelegenheit selbst weiter – in Gullivers Reisen.46 44

Vgl. ebenda, S. 351. Vgl. ebenda, S. 352. 46 „Die am wenigsten Unglücklichen unter den Struldbrugs sind diejenigen, welche wieder kindlich werden und ihr Gedächtnis verlieren; diese finden mehr Mitleid und Hilfe, weil sie viele schlechte Eigenschaften, welche man bei den übrigen trifft, nicht besitzen.“ (S. 352). Wenn ein Struldbrug ein „Weib aus seiner Art heiratet“, so wird die Ehe nach dem Gesetz des Königreichs aufgelöst, sobald der jüngere Teil das achtzigste Jahr erreicht hat. Begründung des Gesetzes (Alice Schwarzer höre weg): Die zum ewigen Leben Verdammten sollten ihr Elend nicht durch die Last eines Weibes verdoppelt bekommen (Ferner: „Frauen waren aber noch furchtbarer anzusehen als die Männer“). Mit dem achtzigsten Lebensjahr werden die Struldbrugs gesetzlich für tot erklärt. Sie sind nicht mehr geschäftsfähig; sie verlieren aktives und passives Wahlrecht. Der Erbfall tritt ein; die Struldbrugs behalten nur eine kleine Summe für ihre Ernährung. Die Ärmeren werden auf Kosten des Staates verpflegt (vgl. Pensionen des Freistaates Sachsen?). Mit 70 Jahren kann man distanziert weiter lesen: „Im neunzigsten Jahre verlieren sie Zähne und Haare“ und ihnen fehlt der Geschmack, sie essen und trinken viel und ohne Vergnügen. Die Krankheiten von früher dauern ohne Veränderungen an. Beim Sprechen vergessen sie die gewöhnlichsten Benennungen der Dinge und die Namen der Personen, sogar diejenigen ihrer Freunde und nächsten Verwandten. Lesen ist kein Vergnügen mehr, „weil ihr Gedächtnis vom Anfange des Satzes bis zum Ende nicht mehr ausreicht.“ (S. 353). 45

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Adolf Wagner

Eines noch, das wissenschaftlich relevant ist: „Da die Landessprache fortwährenden Veränderungen unterworfen ist, so verstehen die Struldbrugs des einen Zeitalters nicht mehr die eines anderen.“47 Nach zweihundert Jahren komme es zu den Verständigungsschwierigkeiten – bei uns vielleicht noch früher, was gewiss nicht am Englischen im Universitätsbetrieb liegt. Die Struldbrugs erleiden „den Nachteil, als Fremde in ihrem Vaterlande zu leben.“48 Genug der halblustigen Zitate und Analogien. Wie viele der Anwesenden bin ich gerade erst siebzig geworden, keine achtzig oder neunzig, und schon gar nicht unsterblich. Das Lesen und Merken geht noch gut. Haare und Zähne sind noch vorhanden. Man muss sich auch nicht fremd in der eigenen Universität fühlen, und man erkennt gut Freunde und Kollegen.

47 48

Vgl. ebenda, S. 354. Vgl. ebenda, S. 354.

Ist die Demografie unser Schicksal? Expansive Arbeitszeitpolitik – eine übersehene Option Von Eugen Spitznagel I. Einführung Die demografische Entwicklung in Deutschland ist für die kommenden Jahrzehnte weitgehend vorgegeben: Die Bevölkerung schrumpft und altert. Aus demografischen Gründen würde das Potential an Arbeitskräften von derzeit 44,5 Mio. Erwerbspersonen bis 2050 um rund 18 Mio. Personen abnehmen. Dieser Rückgang kann durch mehr Zuwanderungen, durch eine steigende Frauenerwerbsbeteiligung und durch ein höheres Rentenalter nur zum Teil ausgeglichen werden. Deshalb bedroht die demografische Entwicklung auf lange Sicht – wie auch in anderen Ländern – fundamental das wirtschaftliche Wachstum und den Wohlstand in Deutschland. In diesem Beitrag wird dargelegt, dass es neben den oben genannten klassischen Optionen für eine Vermehrung des Arbeitskräftepotenzials auch arbeitszeitpolitische Optionen gibt, die weitere Reserven mobilisieren und negative Effekte des demografischen Wandels mildern können. Dies setzt jedoch voraus, dass im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutliche und dauerhafte Fortschritte gemacht werden. II. Demografische Entwicklung und Arbeitskräfteangebot in Deutschland Das Arbeitskräfteangebot umfasst alle Personen, die fähig und bereit sind, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Es wird durch das Erwerbspersonenpotenzial gemessen. Dessen Umfang und Veränderungen werden von vier Komponenten bestimmt: – der Demografie im engeren Sinne (d.h. von der Bevölkerungsänderung durch Geburten und Sterbefälle), – dem Erwerbsverhalten (d.h. von der Neigung der einzelnen Bevölkerungsgruppen am Erwerbsleben teilzunehmen),

56

Eugen Spitznagel

– den Außenwanderungen (d.h. von den grenzüberschreitenden Zuzügen und Fortzügen) sowie – den grenzüberschreitenden Pendlerbewegungen. Bei den einzelnen Komponenten spielen mit spezifischem Gewicht vielfältige strukturelle Einflüsse zusammen: die Verteilung der Personen nach Alter und Geschlecht, die allgemeine Bildungsbeteiligung, die Art und Dauer der Ausbildung, der Familienstand, die Haushaltsgröße, gegebenenfalls Zahl und Alter der Kinder, das Haushaltseinkommen, soziokulturelle Faktoren sowie regionale Wirtschafts- und Arbeitsplatzstrukturen. Dieses verwinkelte Strukturgefüge hat seine eigene Dynamik, die sich auf längere Sicht jedoch auch in deutlich erkennbaren und regelmäßigen Entwicklungslinien der Erwerbsbeteiligung niederschlägt, die bei der Quantifizierung des Erwerbspersonenpotentials genutzt werden.1 1. Rückblick: die Jahre 1990 bis 2008 Bis zum Jahr 2005 war die Entwicklung am Arbeitsmarkt in Deutschland in hohem Maße von einem steigenden Arbeitsangebot geprägt. Die das Angebot steigernden Einflüsse – zunehmende Erwerbsbeteiligung sowie Zuwanderungen – waren größer als die das Angebot mindernden demografischen Einflüsse (vgl. Schaubild 1). Unter den herrschenden volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen kam es über lange Jahre zu hoher offener und verdeckter Arbeitslosigkeit. Denn die Arbeitskräftenachfrage war zu schwach um das Arbeitskräfteangebot zu absorbieren. Die Expansion des Erwerbspersonenpotenzials lief im Jahr 2005 aus. Seitdem werden die negativen demografischen Einflüsse nicht mehr von den Komponenten, die das Potenzial mehren, ausgeglichen. Insbesondere ist die Verhaltenskomponente, die im Wesentlichen die gewünschte Erwerbsbeteiligung widerspiegelt, schwächer als früher. Dazu haben auch Arbeitsmarktreformen beigetragen. So ergab sich der kräftige Anstieg der Erwerbsneigung in den Jahren 1997 bis 2000 großenteils aus der Mobilisierung von Personen, die sog. geringfügige Beschäftigungen aufgenommen haben. Gesetzliche Änderungen haben die Entstehung solcher Arbeitsplätze damals begünstigt und auf der Nachfrageseite des Arbeitsmarkts Anreize gesetzt. Dagegen hat das im Zuge der Umsetzung von „Hartz-Reformen“ verstärkte „Fordern“ dazu geführt, dass Per1 Siehe J. Fuchs: Erwerbspersonenpotenzial und Stille Reserve – Konzeption und Berechnungsweise, in: G. Kleinhenz (Hrsg.): IAB-Kompendium Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 250, Nürnberg, 2002, S. 79–94.

Ist die Demografie unser Schicksal?

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+500 +400

Demographie

+300

Wanderungen

Erwerbsbeteiligung

+200 +100 0 –100 –200 –300 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie H.-U. Bach, H. Gartner, M. Hummel, S. Klinger, E. Spitznagel und G. Zika: Zwischenbericht zur IAB-Arbeitsmarktprojektion 2009 und 2010. Nürnberg, 2009.

Schaubild 1: Komponenten der Veränderung des Erwerbspersonenpotenzials 1992 bis 2009 (jährlich, in 1000 Personen)

sonen ihren Erwerbswunsch revidiert haben und aus dem Potenzial ausgeschieden sind. Auch bei den Außenwanderungen hat sich einiges geändert. Nachdem insbesondere die Zuwanderungen von Aus- und Übersiedlern aus Osteuropa Anfang der 90er Jahre das Potenzial kräftig erhöht hatten, waren die Wanderungen in jüngerer Zeit potenzialneutral. Immer stärker wurde die Potenzialentwicklung von den negativen demografischen Einflüssen geprägt, die ab dem Jahr 2006 überwiegen und seitdem das Potenzial spürbar verringern (vgl. Schaubild 1). 2. Ausblick: die Jahre bis 2050 Die Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials wird in den kommenden Dekaden maßgeblich von den demografischen Trends bestimmt. So befinden sich gegenwärtig (noch) sehr viele Menschen im erwerbsfähigen Alter, aber die nachfolgenden Jahrgänge sind zahlenmäßig schwächer. Bei unveränderter Entwicklung der Geburten- und Sterbeziffern wird es immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter geben. So lebten in Deutschland im Jahr 2006 knapp 0,7 Mio. Kinder im Babyalter. Im Jahr 2050 würden somit in Deutschland 0,7 Mio. 43jährige Menschen leben, wenn man von Sterbefällen sowie von Zu- und Fortzügen absieht. Dann gäbe es im Jahr 2050 halb so viele 43-Jährige wie heute. Hier knüpfen Vorschläge für eine nach-

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Eugen Spitznagel

haltige und effektive Bevölkerungspolitik an,2 die allerdings im Falle ihrer Umsetzung naturgemäß erst allmählich zur Entfaltung kommen würden. Auf lange Sicht wäre mit einem dramatischen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials zu rechnen, weil die Bevölkerung in Deutschland schrumpft und altert. Für sich genommen beträgt der demografische Entzugseffekt bis zum Jahr 2050 rund 18 Mio. Personen.3 Es kann allerdings damit gerechnet werden, dass zunehmend mehr Menschen nach Deutschland einwandern als abwandern. Mit Blick auf die geringen Wanderungssalden der jüngeren Vergangenheit ist diese Annahme nicht selbstverständlich. Jedoch ist der politische Wille dazu aufgrund der quantitativen und qualitativen Bedarfe vorhanden, und es bestehen hier verschiedene nachfrage- und angebotsorientierte Steuerungsoptionen.4 Über die Höhe künftiger Wanderungssalden kann jedoch spekuliert werden. Ein jahresdurchschnittlicher Saldo von 100 000 bis 200 000 wird als realistische Größenordnung eingestuft.5 Des Weiteren kann angenommen werden, dass die Erwerbsbeteiligung der Frauen weiter ansteigt – wobei sich die Entwicklung hier bei einigen Personengruppen allmählich einer Obergrenze zu nähern scheint. Bereits heute liegt die Erwerbsquote von Frauen mittlerer Altersjahrgänge über 80%. Bis zum Jahr 2050 wird hier mit einem weiteren Anstieg gerechnet.6 Schließlich ist auch mit einer höheren Erwerbsbeteiligung Älterer zu rechnen. Hier scheinen sich die Einstellungen allmählich zu wandeln. So beurteilten die Betriebe in einer Repräsentativbefragung des Jahres 2003 eine längere Lebensarbeitszeit noch weit überwiegend negativ und begründeten dies hauptsächlich mit höherem Krankenstand, geringerer Flexibilität sowie fehlender Qualifikation und Motivation der Älteren.7 Doch die Ar2 Siehe z. B. G. Steinmann: Alterung der Bevölkerung in Deutschland: Ursachen und Wirkungen; Vorschläge für eine aktive Bevölkerungspolitik und Familienpolitik, Halle, 2009 sowie G. Steinmann: Vorschläge für eine nachhaltige und effektive Bevölkerungspolitik, in diesem Band. 3 Siehe J. Fuchs/D. Söhnlein: Vorausschätzung der Erwerbsbevölkerung bis 2050. IAB-Forschungsbericht 16/2005, Nürnberg. Zur Situation und den Perspektiven in Sachsen siehe G. Milbradt: Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung, in diesem Band. 4 Siehe H. D. von Loeffelholz: Demografischer Wandel und Migration – Erfahrungen, Perspektiven und Optionen zur Steuerung, 2009, in diesem Band. 5 Siehe J. Fuchs/D. Söhnlein: Vorausschätzung der Erwerbsbevölkerung bis 2050, a. a. O. 6 Siehe ebenda. 7 Siehe E. Spitznagel/S. Wanger: Mehr Beschäftigung durch längere Arbeitszeiten? – Ein Beitrag zu der Diskussion um eine generelle Erhöhung der Arbeitszeit. IAB-Forschungsbericht 5/2004, Nürnberg.

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50,0 2005: 44,5 Mio. 45,0

Mio. Personen

40,0 36,3 Mio bei +20 000 WS 35,0 32,4 Mio bei +10 000 WS 30,0 28,1 Mio ohne Wanderungen 26,0 Mio konstante Erwerbsquoten, keine Wanderungen

25,0

20,0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050

Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie J. Fuchs und K. Dörfler: Projektion des Erwerbspersonenpotenzials bis 2050 – Annahmen und Datengrundlage. IAB-Forschungsbericht 25/2005, Nürnberg, aktualisiert.

Schaubild 2: Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland bis 2050

beitsmarktsituation der Älteren hat sich zuletzt deutlich verbessert,8 und es wurde die stufenweise Einführung der „Rente mit 67“ beschlossen, die das Erwerbspersonenpotenzial deutlich steigern wird. Auch unter großzügigen Annahmen bezüglich der künftigen Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren sowie bezüglich der Außenwanderungen werden die demografisch bedingten Entzugseffekte jedoch nicht ausgeglichen (vgl. Schaubild 2). So bringen die steigenden Erwerbsquoten bis 2050 ein Plus von 2,1 Mio., ein jährlicher Wanderungssaldo von +100 000 bringt zusätzlich 4,3 Mio. Potenzial. Selbst bei einem aus heutiger Sicht sehr hohen Wanderungssaldo von +200 000 würde das Potenzial bis 2050 um rund 8 Mio. Personen schrumpfen. Die Demografie scheint somit unser Schicksal zu sein. III. Herausforderungen am Arbeitsmarkt 1. Auf kurze und mittlere Sicht Dieser Befund wird derzeit vielerorts als ein Geschenk des Himmels begrüßt, weil dadurch Rezessionseffekte auf dem Arbeitsmarkt gedämpft wer8 Siehe A. Arlt/M. Dietz/U. Walwei: Besserung für Ältere am Arbeitsmarkt: Nicht alles ist Konjunktur. IAB-Kurzbericht, 16/2009, Nürnberg.

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Eugen Spitznagel

den und weil der Abbau der Arbeitslosigkeit erleichtert wird. Auf kurze und mittlere Sicht hilft ein schrumpfendes Angebot, denn es befinden sich immer weniger Personen auf dem Arbeitsmarkt, und die Integrationschancen der Arbeitslosen steigen. So wurde der kräftige Rückgang der Arbeitslosigkeit in den Jahren 2006 bis 2008 durch das rückläufige Erwerbspersonenpotenzial gefördert (vgl. Tabelle 1): Bei einer Zunahme der Erwerbstätigkeit um knapp 1,4 Mio. Personen, einer durchschnittlichen Steigerung der Produktivität je Stunde um 1,2% und einer Abnahme des Potenzials um rund 170 000 Personen sank die Zahl der Arbeitslosen um fast 1,6 Mio. Personen. Anders in den fast ebenso wachstumsstarken Jahren 1999 bis 2001: Bei einer Zunahme der Erwerbstätigkeit um knapp 1,3 Mio. Personen, einer durchschnittlichen Steigerung der Produktivität je Stunde um 1,9% und einem Anstieg des Potenzials um 0,5 Mio. nahm die Zahl der Arbeitslosen nur um rund 0,4 Mio. Personen ab. Allerdings spielten in beiden Zeiträumen noch andere Einflüsse eine Rolle – wie die unterschiedlichen Entwicklungen der Vollzeit/Teilzeit-Beschäftigung und der Stillen Reserve sowie die unterschiedliche Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik.9 Jedenfalls belegt schon dieser einfache Vergleich, dass die Entwicklung der Arbeitslosigkeit auf der Makro-Ebene im Allgemeinen ohne eine integrierte Analyse von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt nicht adäquat erklärt werden kann.10 In den Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 und 2010 spielt das rückläufige Erwerbspersonenpotenzial eine beträchtliche Rolle. Es nimmt weiter ab, und zwar erheblich stärker als früher.11 Der Entlastungseffekt ist mit 160 000 Personen im Verhältnis zu den krisenbedingten Arbeitsplatzverlusten beträchtlich. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte wegen der Pufferfunktion der Arbeitszeit und wegen des Hortens von Arbeitskräften in den Jahren 2009 und 2010 nur um rund 0,25 Mio. sinken. Unter der Annahme, dass sich die Wirtschaft erholt und auf den früheren Wachstumspfad zurückfindet, ist jedoch mit erneuten Beschäftigungsgewinnen zu rechnen. Bei wieder größerer weltwirtschaftlicher Dynamik könnte die deutsche Wirtschaft mittelfristig um jahresdurchschnittlich 1,8% wachsen, getrieben durch den Export und allmählich auch durch die Investitio9 Siehe E. Spitznagel/H.-U. Bach: Aufschwung am Arbeitsmarkt: Die Entwicklungsmuster wandeln sich, in: IAB-Forum, Nr. 2, Nürnberg, 2007. 10 Siehe A. Wagner: Denkansätze bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, in: A. E. Ott/A. Wagner (Hrsg.): Strukturwandel, Arbeitslosigkeit und Verteilung, Tübinger Schriften, Bd. 22, 1995, S. 195 ff. 11 Siehe J. Fuchs/M. Hummel/S. Klinger/E. Spitznagel/S. Wanger/G. Zika: Die Spuren der Krise sind noch länger sichtbar, IAB-Kurzbericht, 3/2010, Nürnberg.

Ist die Demografie unser Schicksal?

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Tabelle 1 Konjunkturaufschwung 1999 bis 2001 und 2006 bis 2008 im Vergleich Veränderung 1999–2001 %

1 000

2006–2008 %

1000

Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt

þ 6,6

þ 6,9

Arbeitsvolumen

þ 0,6

þ 3,7

Tatsächliche Arbeitszeit

 3,0

 0,1

Erwerbstätige

þ 3,7

þ1405

þ 3,8

þ1479

Selbständige und Mithelfende

þ 3,1

þ 118

þ 2,4

þ 105

Beschäftigte Arbeitnehmer

þ 3,8

þ1287

þ 4,0

þ1374

Vollzeit

 0,9

 231

þ 2,1

þ 476

Teilzeit

þ18,0

þ1518

þ 8,0

þ 898

Herkömmliche Teilzeit

þ17,0

þ 740

þ14,3

þ 784

Geringfügig Beschäftigte

þ19,1

þ 778

þ 2,0

þ 113

Zeitarbeit

þ38,6

þ 95

þ73,0

þ 324

Anteil an allen Arbeitnehmern (2000 bzw. 2007) Erwerbspersonenpotenzial

0,9

þ 1,1

2,0

þ 496

 0,4

 172

Registrierte Arbeitslose

 428

1593

Stille Reserve im engeren Sinn

 484

 228

Stille Reserve in Maßnahmen

þ 37



14

Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie E. Spitznagel und H.-U. Bach: Aufschwung am Arbeitsmarkt: Die Entwicklungsmuster wandeln sich, in: IAB-Forum, Nr. 2, Nürnberg, 2007, aktualisiert.

62

Eugen Spitznagel

nen und den privaten Verbrauch.12 Das abnehmende Arbeitsangebot dürfte den Abbau der Arbeitslosigkeit erleichtern, denn der steigende Arbeitskräftebedarf kann aus der Unterbeschäftigung gespeist werden, zumindest auf mittlere Sicht. Ein flächendeckender Arbeitskräftemangel ist nicht zu erwarten, und mögliche temporäre bzw. partielle Anspannungen können durch die generelle Dynamik und durch die zunehmende Flexibilität und Mobilität am Arbeitsmarkt überwunden werden. 2. Auf lange Sicht Auf lange Sicht können die Wirkungen des demografischen Wandels jedoch umschlagen und zum Hemmschuh der Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung werden. Denn mit immer stärker schrumpfendem Arbeitsangebot brechen immer größere Teile der volkswirtschaftlichen Wachstumsgrundlagen weg. Die traditionelle (neoklassische) Theorie hält eine einfache Lösung dieses Problems bereit: Der Potenzialeffekt wird durch Kapitalintensivierung, exogenen technischen Fortschritt und Steigerung der Arbeitsproduktivität kompensiert. Dies setzt jedoch voraus, dass die Investitionen und damit die Modernisierung des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks mitziehen. Diese Annahme ist fragwürdig, denn die Innovationsneigung einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft ist deutlich niedriger, wenn nicht gegengesteuert wird. So könnte die technologische Erneuerung langsamer verlaufen, weil die Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Neuerungen sowie die Risikoneigung und die Bereitschaft zur Unternehmensgründung abnehmen. Das schrumpfende Marktvolumen dürfte die unternehmerischen Investitionsbedingungen allgemein verschlechtern.13 In einzelnen Branchen bzw. Regionen dürften frühzeitig partielle Knappheiten am Arbeitsmarkt entstehen, insbesondere im Bereich der höher qualifizierten Tätigkeiten, weil hier mit steigender Nachfrage zu rechnen ist. Dieser Mismatch könnte auf indirektem Wege auch die Beschäftigungschancen von weniger qualifizierten Personen schmälern, soweit deren Arbeitsplätze komplementär zu den Arbeitsplätzen für qualifizierte Tätigkeiten sind. Die dadurch entstehenden Wachstumsverluste können die Entwicklung auch in anderen Branchen hemmen. 12 Siehe P. Schnur/G. Zika: Arbeitskräftebedarf bis 2025: Die Grenzen der Expansion. IAB-Kurzbericht 26/2007, Nürnberg. 13 Siehe M. Hüther: Langfristige wirtschaftliche Entwicklung und Fachkräftebedarf in Deutschland. Vortrag zum Symposium „Wirtschaftspolitische Herausforderungen des demografischen Wandels“ vom 26. und 27. Februar 2009, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin.

Ist die Demografie unser Schicksal?

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Folgt man diesen Überlegungen, dann kann auf lange Sicht (2020/2025) in Deutschland ein Nebeneinander von schwachem Wirtschaftswachstum (+1,2%), rückläufiger Beschäftigung (–0,3%), schrumpfendem Arbeitsangebot (–0,6%) und relativ hoher und persistenter Unterbeschäftigung (6%) erwartet werden,14 wenn nicht gegengesteuert wird. Hier ist zu fragen: Welche Optionen haben wir? IV. Klassische Optionen Der massive Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials ist nicht schicksalhaft. Es gibt eine Reihe von Optionen, die ihn mildern können. Sie sind hinlänglich bekannt und auf ihre quantitativen Effekte hin durchgerechnet. Im Wesentlichen wird dabei auf eine forcierte Zuwanderung, auf eine größere Erwerbsbeteiligung sowie auf ein höheres Ruhestandsalter gesetzt. Der Rückgang des Erwerbspotenzials kann dadurch etwas hinausgezögert und deutlich gemildert, aber nicht verhindert werden. 1. Wanderungen Die oben genannten Potenzialprojektionen stufen jährliche Wanderungssalden zwischen 100 000 und 200 000 Personen als realistische Größenordnung ein.15 Extreme Varianten einer dauerhaften Zuwanderung werden aus innen- bzw. gesellschaftspolitischen Gründen ausgeklammert.16 Auch moderate Entwicklungen werden sich jedoch nicht von selbst und über Nacht vollziehen. Der Blick auf die jüngere Vergangenheit zeigt, dass die Wanderungssalden der letzten Jahre – anders als vielfach erwartet – nahe bei Null lagen, das Potenzial also wenig beeinflusst haben.17 Die Wanderungspolitik ist also gut beraten, frühzeitig umzusteuern. Die internationale Migration kann Mismatch reduzieren und zur Besetzung von Arbeitsplätzen beitragen, denn Migranten wandern überwiegend in prosperierende Regionen mit geringer Arbeitslosigkeit, vielen offenen Stellen und hohen Löhnen. So bestätigen Simulationsrechnungen die Erwartung, dass 14

Siehe P. Schnur/G. Zika: Arbeitskräftebedarf bis 2025, a. a. O. Siehe J. Fuchs/D. Söhnlein: Vorausschätzung der Erwerbsbevölkerung bis 2050, a. a. O. 16 Vgl. auch U. Heilemann/H. D. von Loeffelholz/K. Sieveking: Arbeitsmarktgesteuerte Zuwanderung – Szenarien der Zuwanderung sowie rechtliche und institutionelle Aspekte ihrer Steuerung. Schriftenreihe des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Heft 68, Berlin (Duncker & Humblot) 2002. 17 Siehe H.-U. Bach/H. Gartner/M. Hummel/S. Klinger E. Spitznagel/G. Zika: Zwischenbericht zur IAB-Arbeitsmarktprojektion 2009 und 2010, a. a. O. 15

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Eugen Spitznagel

Migration bei regionalem Mismatch zu einem deutlichen Anstieg des wirtschaftlichen Wachstums und zu sozialstaatlichen Gewinnen führt, die umso größer sind, je besser die Migranten qualifiziert sind.18 Deshalb wird oft eine Steuerung der arbeitsmarktbezogenen Zuwanderung unter Humankapitalkriterien empfohlen. 2. Erwerbsbeteiligung Die steigende Erwerbsbeteiligung in Deutschland kann die negativen demografischen Effekte auf das Erwerbspersonenpotenzial mildern. Nennenswerte Steigerungen sind jedoch nur in Westdeutschland zu erwarten. Hier lag die Potenzialerwerbsquote der deutschen Frauen im erwerbsfähigen Alter erst bei rund 73%, und es werden im Rahmen von Potenzialprojektionen Zunahmen bis auf rund 82% im Jahr 2050 für möglich gehalten.19 In Ostdeutschland, wo dieser Wert schon 2005 annähernd erreicht war, dürften hier kaum mehr Spielräume bestehen. Bei den Ausländerinnen im erwerbsfähigen Alter wird – ausgehend von ihrer relativ niedrigen Quote von rund 60% – mit Zuwächsen in Höhe von 3 Prozentpunkten gerechnet. 3. Ruhestandsgrenze Die Bevölkerungszahl der 60 bis 66Jährigen wird aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er bis zum Jahr 2030 kräftig auf fast 10 Mio. Personen ansteigen. Diese Entwicklung bringt die Systeme der sozialen Sicherung – insbesondere die Renten- und Krankenversicherung – unter starken Druck, auch aufgrund der allgemein steigenden Lebenserwartung. So drohen die Ausgaben auf Dauer spürbar stärker zu wachsen als die Einnahmen. Aus fiskalischen und arbeitsmarktpolitischen Gründen sowie hinsichtlich sozialer Partizipation und intergenerativer Gleichheit wird eine Erhöhung der Alterserwerbstätigkeit für erforderlich gehalten, und es wurde die stufenweise Einführung der gesetzlichen „Rente ab 67“ beschlossen. Bis zum Jahr 2030 erhöht sich dadurch das Erwerbspersonenpotenzial um 1,2 bis 3,4 Mio. Personen, dann sinkt der Zusatzeffekt auf 1 bis 2,5 Mio. Personen (vgl. Schaubild 3). Die Spannweite dieser Schätzungen ergibt sich aus Annahmen, die das Erwerbsverhalten der Älteren betreffen, insbesondere ihre Neigung, Rentenabschläge in Kauf zu nehmen und früher als mit 18 Siehe H. Brücker: Kann Zuwanderung Mismatch auf dem Arbeitsmarkt verringern? Fachkräftekonferenz des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), 29. und 30. April 2008 (Workshop 1). 19 Siehe J. Fuchs/K. Dörfler: Projektion des Erwerbspersonenpotenzials bis 2050 – Annahmen und Datengrundlage, IAB-Forschungsbericht 25/2005, Nürnberg.

zusätzliches Potenzial in 1000 Erwerbspersonen

Ist die Demografie unser Schicksal?

65

4000 Variante 2 (stärkere Zunahme der Erwerbsquoten Älterer)

3500 3000 2500 2000 1500 1000

Variante 1 (schwächere Zunahme der Erwerbsquoten Älterer)

500 0 2010

2015

2020

2025

2030

2035

2040

2045

2050

Annahme: Jährliche Nettozuwanderung 200 000 und steigende Potenzialerwerbsquoten der Frauen. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie bei J. Fuchs: Rente mit 67: Neue Herausforderungen für die Beschäftigungspolitik. IAB-Kurzbericht 16/2006, Nürnberg.

Schaubild 3: Zusätzliches Erwerbspersonenpotenzial bei einer Rente mit 67

67 in den Ruhestand zu gehen.20 Von einer weiteren Erhöhung des Rentenalters – z. B. auf 69 Jahre – werden zusätzliche Potenzialeffekte erwartet.21 Unabhängig von diesen Neuerungen hat sich die Lage der Älteren am Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren verbessert, wobei auch die gute Konjunktur eine Rolle gespielt hat.22 V. Arbeitszeitpolitische Optionen – ein Paradigmenwechsel Im Folgenden wird dargelegt, dass die Arbeitszeitpolitik Chancen eröffnen kann, die in der Diskussion um die Möglichkeiten, den Rückgang des Arbeitskräftepotenzials zu mildern, noch zu wenig beachtet werden. Der Blick richtet sich zunächst auf die Arbeitszeitentwicklung in den vergangenen Jahren, dann auf die Perspektiven und Optionen. Die Jahresarbeitszeit der Beschäftigten ist bis Mitte der 1990er Jahre immer kürzer geworden. Dafür waren vor allem die Verkürzung der tariflichen 20

Siehe J. Fuchs: Rente mit 67: Neue Herausforderungen für die Beschäftigungspolitik. IAB-Kurzbericht 16/2006, Nürnberg. 21 Siehe Bundesbank: Demografischer Wandel und langfristige Tragfähigkeit der Staatsfinanzen in Deutschland, in: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juli, 2009. 22 Siehe A. Arlt/M. Dietz/U. Walwei: Besserung für Ältere am Arbeitsmarkt: Nicht alles ist Konjunktur. IAB-Kurzbericht, 16/2009, Nürnberg.

66

Eugen Spitznagel 35.000

70 Annahme: Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten des BIP (in Preisen von 2000) 2010/2015 + 1,8 % 2015/2020 + 1,4 % 2020/2025 + 1,2 %

30.000

50

20.000

40

15.000

30

10.000

20

5.000

10

in %

in 1.000

25.000

60

0

0 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 2023 2025 Teilzeitquoten

Teilzeitbeschäftigte

Vollzeitbeschäftigte

Eigene Berechnungen nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie bei P. Schnur und G. Zika: Arbeitskräftebedarf bis 2025: Die Grenzen der Expansion. IAB-Kurzbericht 26/2007, Nürnberg.

Schaubild 4: Projektion: Entwicklung der Vollzeitund Teilzeitbeschäftigung bis 2025

Arbeitszeiten, die Ausweitung des Urlaubsanspruchs sowie der Abbau bezahlter Überstunden maßgeblich (Wanger, 2008).23 Die kürzeren Jahresarbeitszeiten in den folgenden Jahren ergaben sich fast ausschließlich aus zunehmender Teilzeitarbeit. Diese Entwicklung wurde auch durch gesetzliche Regelungen gefördert, die unter anderem auf eine Umverteilung des Arbeitsvolumens zielten, z. B. durch das sog. Teilzeit- und Befristungsgesetz, das jedem Beschäftigten unter bestimmten Bedingungen ein Recht auf Teilzeitbeschäftigung garantiert.24 Die meisten Langfrist-Projektionen für den Arbeitsmarkt unterstellen bzw. ergeben, dass die Teilzeitbeschäftigung weiter zunimmt, wenn auch nicht mehr im bisher beobachteten Ausmaß. So enthält die jüngste Langfrist-Projektion des IAB einen Anstieg der Teilzeit-Quote bis zum Jahr 2025 auf 36% (Schaubild 4). Demnach steigt die Quote in den kommenden 15 Jahren nur noch um rund 2 Prozentpunkte an, nachdem sie in den vergangenen Jahren um rund 15 Prozentpunkte zugenommen hatte. Auf lange Sicht ist in der Arbeitszeitpolitik ein Paradigmenwechsel angezeigt, der dem demografischen Wandel Rechnung trägt. In einzelnen Wirt23 Siehe S. Wanger: Jahresarbeitszeit: Das Teilzeitphänomen, in: IAB-Forum, Nr. 2, Nürnberg, 2008, S. 28–33. 24 Siehe S. Wanger: Arbeitszeitpolitik: Teilzeitarbeit fördert Flexibilität und Produktivität. IAB-Kurzbericht, Nr. 7/2006, Nürnberg.

Ist die Demografie unser Schicksal?

67

schaftszweigen wurden die tariflichen Arbeitszeiten zwar in den letzten Jahren wieder länger, z. B. im Öffentlichen Dienst und im Baugewerbe. Aber diese Arbeitszeitverlängerungen gingen nicht mit einem Lohnausgleich einher und ergaben sich im Wesentlichen aus dem Bemühen, die Arbeitskosten zu senken. 1. Arbeitszeitpräferenzen der Vollzeitbeschäftigten Es ist allerdings fraglich, ob eine pauschale Verlängerung der tariflichen Arbeitszeiten auf breiter Front aus individueller und betriebswirtschaftlicher Perspektive sowie gesamtwirtschaftlich erstrebenswert ist. Nach Befragungen im Rahmen des Sozioökonomischen Panels (SOEP) wünschen sich die Vollzeitbeschäftigten weit überwiegend kürzere Arbeitszeiten – auch wenn damit ein Lohnverzicht einher geht.25 Schließlich sprechen arbeitsmedizinische Gründe gegen lange Arbeitszeiten. Anders ist die Situation bei den Teilzeitbeschäftigten. Ihre Präferenzen unterscheiden sich grundlegend von jenen der Vollzeitbeschäftigten: Hier gibt es in hohem Maße unfreiwillige Teilzeitarbeit, denn die meisten Teilzeitbeschäftigten wünschen sich längere Arbeitszeiten, und es ist zu fragen: Wie groß ist das hier schlummernde Potenzial? Und wie kann es mobilisiert werden? 2. Arbeitszeitpräferenzen der Teilzeitbeschäftigten Im Folgenden werden die Arbeitszeitpräferenzen von teilzeitbeschäftigten Frauen untersucht. Denn Männer sind selten teilzeitbeschäftigt, wenngleich ihr Anteil allmählich zunimmt. Dabei wird zwischen „normaler“, im Sinne von sozialversicherungspflichtiger Teilzeitbeschäftigung und Teilzeitbeschäftigung in Form sog. Mini-Jobs mit wenigen Wochenstunden unterschieden, denn die Präferenzen, die damit verbundenen Potenziale sowie die Probleme sind in quantitativer und qualitativer Hinsicht unterschiedlich. Die Arbeitszeitpräferenzen werden im Folgenden auf Basis des Sozioökonomischen Panels (SOEP) untersucht. Das SOEP ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland, die im jährlichen Rhythmus seit 1984 bei denselben Personen und Familien in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt wird. Ein Teil der Stichprobe widmet sich ausführlich der Erwerbstätigkeit dieser Personen, u. a. werden 25 Siehe E. Holst: Vollzeitbeschäftigte wollen kürzere, Teilzeitbeschäftigte längere Arbeitszeiten, DIW-Wochenbericht, Nr. 25/2009, S. 409 ff.

68

Eugen Spitznagel

sie zu ihrer Arbeitszeitsituation und zu ihren Arbeitszeitwünschen befragt. Die diesbezüglichen Fragen lauten: „46. Wenn Sie den Umfang Ihrer Arbeitszeit selbst wählen könnten und dabei berücksichtigen, dass sich ihr Verdienst entsprechend der Arbeitszeit ändern würde: Wie viele Stunden in der Woche würden Sie dann am liebsten arbeiten?“ und „50. Wie viele Wochenstunden beträgt Ihre vereinbarte Arbeitszeit ohne Überstunden?“ Die Verkürzungs-/Verlängerungsvolumina berechneten wir aus den Differenzen zwischen der gewünschten und der vereinbarten Arbeitszeit in Stunden pro Woche. Für die Auswertungen wurden die Daten des SOEP aus dem Jahr 2006 zugrunde gelegt und hochgerechnet. Untersucht wurden die Arbeitszeitpräferenzen der abhängig Beschäftigten im Alter von 20 bis 64 Jahren in West- und Ostdeutschland. Auszubildende, Selbständige und mithelfende Familienangehörige wurden bei der Analyse ausgeklammert. Die Auswertung der Befragung im Jahr 2006 ergab, dass 39% der Frauen in „normaler“ Teilzeitbeschäftigung gerne länger und 17% gerne kürzer arbeiten würden. Der Saldo dieser Anteile in Höhe von 22 Prozentpunkten zeigt, dass hier Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander liegen. Denn weniger als die Hälfte dieser Frauen sind mit ihrer Arbeitszeitsituation zufrieden. Die Arbeitszeitpräferenzen der einzelnen Beschäftigtengruppen und ihre Zufriedenheit mit der bestehenden Situation sind teilweise sehr unterschiedlich (vgl. Tabelle 2). So wollen die meisten der Frauen ohne abgeschlossene Berufsausbildung länger arbeiten. Nur 35% von diesen sind mit ihrer Arbeitszeit zufrieden. Auch von den Frauen mit betrieblicher Berufsausbildung wollen viele länger arbeiten (39%), aber immerhin 47% sind zufrieden. Dagegen sind die Wünsche der Frauen mit Hochschulabschluss sehr disparat. Hier halten sich die Verkürzungs- und Verlängerungswünsche mit jeweils etwa 30% die Waage. Bei den alleinstehenden Teilzeitbeschäftigten sind die Verlängerungswünsche deutlicher ausgeprägt als bei jenen, die in einer festen Partnerschaft leben. Von diesen würde die Hälfte gerne länger arbeiten, von jenen 38%. Leben Kinder bis 16 Jahre im Haushalt, dann scheinen diese für die Arbeitszeitpräferenzen der teilzeitbeschäftigten Frauen eine erstaunlich geringe Rolle zu spielen. Denn die Frauen mit Kindern wollen fast so häufig länger arbeiten wie jene ohne Kinder (36 bzw. 42%). Mit dem Alter nimmt die Arbeitszeitzufriedenheit zu und die Verlängerungswünsche nehmen ab. Bei den Frauen in Mini-Jobs ist das Ungleichgewicht zwischen Wunsch und Wirklichkeit noch stärker ausgeprägt. So wollen von diesen nur 10%

Ist die Demografie unser Schicksal?

69

Tabelle 2 Arbeitszeitpräferenzen der Beschäftigten

Personengruppe kürzer

gewünschte Arbeitszeit (Anteile in %) gleich länger

Saldo

Beschäftigte insgesamt

26

46

28

2

Frauen in „normaler“ Teilzeit

17

44

39

22

ohne Berufsausbildung

19

35

45

26

mit Berufsausbildung

14

47

39

25

mit Hochschulabschluss

30

42

28

2

Single

13

38

50

37

in fester Partnerschaft

17

45

38

21

ohne Kinder

13

44

42

29

mit Kinder

20

43

36

16

Alter: 20–34

14

39

47

33

Alter: 35–49

18

40

41

23

Alter: 50–64

15

54

31

16

Frauen mit Mini-Jobs

10

28

61

51

Eigene Berechnungen auf Basis des SOEP 2006.

kürzer, aber 61% länger arbeiten. Der Saldo beträgt hier also 51 Prozentpunkte. Nur 28% der Frauen mit Mini-Jobs sind mit ihrer Arbeitszeitsituation zufrieden. Hier spielen vermutlich der größere individuelle Spielraum für Verlängerungen, die berufliche Qualifikation und die Einkommenssituation dieser Personen zusammen. So sind die Mini-Jobs für viele beruflich unqualifizierte Frauen nur eine Notlösung, weil sie nichts Besseres am Arbeitsmarkt finden. 3. Potenzialeffekte längerer Arbeitszeiten von Teilzeitbeschäftigten Im Folgenden werden auf Basis der Befragungsdaten die Arbeitsvolumina quantifiziert, die sich mit den Verlängerungswünschen der teilzeitbeschäftig-

70

Eugen Spitznagel

ten Frauen verbinden. Die realisierten und die gewünschten Arbeitszeiten werden individuell verglichen und die Differenzen werden aggregiert. So ergeben sich für die einzelnen Personengruppen sowie für die Gesamtheit die durchschnittlich gewünschten Arbeitszeitverlängerungen, ausgedrückt in Wochenstunden. Mit den jeweiligen Personenzahlen werden daraus Arbeitsvolumina, und durch Division mit der Wochenarbeitszeit der Vollzeit-Beschäftigten Vollzeit-Äquivalente errechnet. Diese werden als Potenzialeffekte der Arbeitszeitverlängerungen interpretiert. Würden die Arbeitszeitwünsche der teilzeitbeschäftigten Frauen realisiert, dann wären die durchschnittlichen Arbeitszeiten der in normaler Teilzeit stehenden Personen um 7 Wochenstunden und die der Beschäftigten mit Mini-Jobs um 10 Wochenstunden länger (vgl. Tabelle 3). Dabei sind die Verlängerungs- und Verkürzungswünsche jeweils saldiert. Bei den Personen mit Verlängerungswünschen allein ergibt sich im Durchschnitt eine potenzielle Zunahme um 10 bzw. 13 Wochenstunden. Die weitere Analyse beschränkt sich auf diese Gruppe, denn sie wäre primär das Ziel von Aktivierungsmaßnahmen. Außerdem kann angenommen werden, dass die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt auf lange Sicht kaum Anreize schaffen, die Arbeitszeiten zu verkürzen. Auf Basis der Befragungsdaten ergibt sich so ein Potenzialeffekt durch längere Arbeitszeiten der teilzeitbeschäftigten Frauen in Höhe von 840 000 Vollzeit-Äquivalenten (auf Jahresbasis). 520 000 entfallen auf Personen in normaler Teilzeit, 320 000 entfallen auf Personen in Mini-Jobs. Diese Schätzmethode wurde gewählt, um die Größenordnungen von Potenzialeffekten der Arbeitszeitverlängerung zu quantifizieren und zum Gesamtpotenzial in Beziehung setzen zu können. Sie sind hier einheitlich in Vollzeit-Äquivalenten ausgedrückt, auch um ihre soziodemografischen Strukturen vergleichbar zu machen. Demnach finden sich die Potenziale großenteils bei Personen mit betrieblicher Berufsausbildung, bei Arbeitnehmerinnen, die in festen Partnerschaften leben sowie bei Personen mittlerer Altersjahrgänge. Das Potenzial ist bei Teilzeitbeschäftigten mit Kindern fast genauso groß wie im Fall „ohne Kinder“. 4. Aktivierungs- und Ausschöpfungsprobleme Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass das zusätzliche potenzielle Arbeitsangebot zu der Arbeitsnachfrage passt. So verbinden sich damit einerseits vielgestaltige individuelle Arbeitszeitpräferenzen. Das Spektrum der Wünsche reicht von eher marginalen Arbeitszeitverlängerungen bis hin zur Vollzeitbeschäftigung, und a priori kann nicht unterstellt werden, dass die Wünsche zu den Erfordernissen auf der Nachfrageseite

Ist die Demografie unser Schicksal?

71

Tabelle 3 Arbeitszeitpräferenzen der Beschäftigten Personengruppe

realisierte gewünschte Verlängerung Vollzeit-Äquivalent Arbeitszeit Arbeitszeit der längeren Arbeitszeit (1000 Personen)

Beschäftigte insgesamt

33

37

þ 4

1800

Frauen in „normaler“ Teilzeit

24

31

þ 7

520

ohne Berufsausbildung

22

31

þ 9

180

mit Berufsausbildung

25

31

þ 6

310

mit Hochschulabschluss

31

31

þ 0

30

Single

27

35

þ 8

100

in fester Partnerschaft

24

30

þ 6

420

ohne Kinder

26

33

þ 7

290

mit Kinder

22

28

þ 6

230

Alter: 20–34

26

34

þ 8

140

Alter: 35–49

23

29

þ 6

280

Alter: 50–64

25

30

þ 5

100

14

24

þ10

320

Frauen mit Mini-Jobs

Eigene Berechnungen auf Basis des SOEP 2006.

des Arbeitsmarktes passen, die vom Bedarf der Betriebe geprägt ist. Die möglichen strukturellen Unterschiede zwischen Angebot und Nachfrage hinsichtlich der Qualifikation, des Wirtschaftsbereichs, der Region und anderer Merkmale können verhindern, dass dieses Potenzial mobilisiert bzw. ausgeschöpft wird. So zeigen Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit, dass solche Strukturdiskrepanzen den Marktausgleich erschweren können. In den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs 2006/2007 herrschte zwar noch kein flächendeckender, das wirtschaftliche Wachstum nennenswert schwächender Arbeitskräftemangel, aber offene Stellen waren zunehmend schwer zu besetzen (Schaubild 5). Durch eine Bildungsoffensive auf allen Ebenen kann solchen strukturellen Diskrepanzen entgegengewirkt werden.26 In der modernen Wachstums26 Siehe Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2002/2003, erschienen im November 2002.

72

Eugen Spitznagel 19

Insgesamt

22 28

Holz, Papier, Druck und Verlagsgewerbe

24 30

Chemie, Kunststoff, Glas, Baustoffe

32 31

Metall, Metallerzeugnisse

19 30

Maschinen, Elektrotechnik, Fahrzeuge

36 28 28

Handel 20 21

Verkehr, Nachrichtenübermittlung

19

Kredit- und Versicherungsgewerbe

33 23

Wirtschaftliche Dienstleistungen

31 7

Sonstige private und öffentliche Dienstleistungen

10 8

Soziale Dienstleistungen

10 0

5

10

15

20

25

2007

30

35

40

2006

Quelle: IAB-Erhebungen des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots 2006 und 2007.

Schaubild 5: Anteil der schwer besetzbaren Stellen an allen sofort zu besetzenden Stellen 2006 und 2007 (Anteile in Prozent)

6,2

Italien

1,6

Deutschland

8,2

3,1

25- bis 64-Jährige 55- bis 64-Jährige

10

Belgien

3,7 16,6

Niederlande

4,9 19,4

Schweiz

7,0 24,8

Finnland

10,1 27,6

Dänemark

15,7 29,1

Großbritannien

17,3 35,8

Schweden*

30,1 0

5

10

15

20

25

30

Quelle: IAB-Erhebungen des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots 2006 und 2007.

Schaubild 6: Weiterbildungsbeteiligung nach Altersgruppen im europäischen Vergleich (Anteile in Prozent)

35

40

unter 3 Jahre

4,6

4,4

8,3

3–8 Jahre

19,5

21,4

19,0

bis zu 5 Stunden

insgesamt

9,3

9,2

8,3

unter 1 Jahr

1,2 1–2 Jahre

3,9 3,6

8,8

3–4 Jahre

23,3

mehr als 5 Stunden bis zu 7 Stunden

2–3 Jahre

9,5

8,8

14,9

25,0

24,6

4–5 Jahre

25,3

29,6

28,2

5–6 Jahre

23,6

30,1

28,4

6–7 Jahre

16,8

17,6

15,0

3,3

8–11 Jahre

6,3

mehr als 7 Stunden

7–8 Jahre

9,3

5,8

0,4

Schaubild 7: Betreute Kinder nach der täglichen Betreuungszeit 2007 (Anteile in Prozent)

Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes.

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

11–14 Jahre

Ist die Demografie unser Schicksal? 73

74

Eugen Spitznagel

forschung hat das Humankapital einer Gesellschaft hohe Bedeutung für den technischen Fortschritt und das wirtschaftliche Wachstum. Sie begreift den technischen Fortschritt nicht mehr als Summe, sondern als Produkt von Innovationen und Humankapital.27 Technischer Fortschritt setzt demnach voraus, dass ein großes Potenzial qualifizierter Fachkräfte vorhanden ist. Eine systematische berufliche Weiterbildung spielt dabei eine tragende Rolle. Hier besteht Nachholbedarf. So rangiert Deutschland bei der betrieblichen Weiterbildung im internationalen Vergleich auf den hinteren Plätzen (Schaubild 6). Des Weiteren steht der Realisierung von Erwerbswünschen nicht selten der Mangel an passenden Angeboten zur Betreuung und Bildung von Kindern entgegen. So werden in Deutschland (2007) weniger als 20% aller Kleinkinder (bis unter 3 Lebensjahre) in Einrichtungen betreut, davon nur knapp die Hälfte mehr als 5 Stunden täglich. Und nur 20% aller 3 bis 8jährigen Kinder befindet sich in ganztägiger Betreuung (Schaubild 7), großenteils weil es dafür an geeigneten Einrichtungen mit hinreichender Ausstattung fehlt. Die Investitionen in die frühkindliche Förderung versprechen jedoch hohe langfristige Erträge.28 VI. Fazit Die Bevölkerung in Deutschland wird aus demografischen Gründen schrumpfen und altern, und das Erwerbspersonenpotenzial wird deshalb langfristig abnehmen. Durch mehr Zuwanderung, größere Erwerbsbeteiligung und höheres Rentenalter kann dies nur zum Teil kompensiert werden. Eine expansive Arbeitszeitpolitik, die auf längere Arbeitszeiten der Teilzeitbeschäftigten setzt, kann zusätzliche Reserven mobilisieren. Denn viele teilzeitbeschäftigte Frauen möchten gerne länger arbeiten – sei es in Teilzeit mit mehr Wochenstunden, sei es in Vollzeit. Hierin liegt ein Potenzial, das insgesamt rd. 0,9 Mio. Vollzeitarbeitskräften entspricht. Doch dieses Potenzial erschließt sich nicht ohne weiteres. So ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, insbesondere sind Defizite im Bereich der qualifizierten Betreuung und Bildung von Kindern abzubauen. Mehr vertikale Mobilität und größere Flexibilität in den Betrieben, insbesondere im Hinblick auf familiengerechte Arbeitszeiten und Arbeitsorganisation sowie mehr Durchlässigkeit auf Teilarbeitsmärkten könnten dies unterstützen. Schließlich ist dem möglichen Mismatch von Arbeits27 Siehe z. B. M. Hüther: Langfristige wirtschaftliche Entwicklung und Fachkräftebedarf in Deutschland, a. a. O. 28 Siehe C. Anger/A. Plünnecke: Frühkindliche Förderung – Ein Beitrag zu mehr Wachstum und Gerechtigkeit, in: IW-Positionen Nr. 35, Köln, 2008.

Ist die Demografie unser Schicksal?

75

angebot und Arbeitsnachfrage im Hinblick auf die berufliche Qualifikation durch bildungspolitische Maßnahmen entgegenzuwirken, insbesondere auf dem Feld der Weiterbildung. So ist der langfristige Rückgang des Arbeitskräftepotenzials in Deutschland aus demografischen Gründen unausweichlich, aber im Hinblick auf das wirtschaftliche Wachstum und den Wohlstand der Bevölkerung nicht schicksalhaft.

Vorschläge für eine nachhaltige und effektive Bevölkerungspolitik Von Gunter Steinmann I. Einführung Die Einwohnerzahl Deutschlands stieg zwischen 1961 bis 2005 um 8,9 Millionen. Das Bevölkerungswachstum war das Ergebnis von Einwanderung. Die Geburten und Sterbefälle hielten sich in den 45 Jahren die Waage. Der leichte Geburtenüberschuss im Gesamtzeitraum 1961 bis 2005 von 0,1 Millionen kam jedoch nur zustande aufgrund der hohen Geburtenzahlen in den 60er Jahren. Seit 1972 überstieg die Zahl der Gestorbenen die Zahl der Geborenen. Bei unveränderter Fertilität würde Deutschland in der gleich langen Zeitspanne zwischen 2006 bis 2050 ein Geburtendefizit über 17 Millionen kumulieren! Der Schrumpfungsprozess der Bevölkerung wäre daher nur durch eine Verdoppelung des Einwandererstroms (17,3 statt 8,8 Millionen) aufzuhalten. Und selbst diese, die politische, soziale und ökonomische Aufnahmefähigkeit unseres Landes weit überfordernde Verdoppelung der Einwandererzahlen würde nicht ausreichen, um den Alterungsprozess der Bevölkerung in Deutschland zu stoppen. Die deutsche Politik kann dem Rückgang der Zahl der Geborenen nicht mehr lange tatenlos zusehen, denn demografische Prozesse sind äußerst langwierig. Ein Anstieg der Fertilität wird erst nach Jahrzehnten die Größe und Struktur der Bevölkerung signifikant verändern. Schon vor Jahrzehnten hätte ein Gegensteuern durch aktive Bevölkerungspolitik erfolgen sollen. Der Schrumpfungs- und Alterungsprozess ist heute zu weit fortgeschritten, als dass noch Korrekturen ohne Verwerfungen möglich sind. Auf keinen Fall darf die deutsche Politik am bevölkerungspolitischen Laissez-faire festhalten. Sonst werden die Probleme größer, und das Gegensteuern schwieriger und langwieriger.

78

Gunter Steinmann

1. Quantitative versus qualitative Bevölkerungspolitik1 Bevölkerungspolitik kann eng oder weit definiert werden. Bevölkerungspolitik im engen Sinne ist die politische Einflussnahme auf Fertilität, Mortalität und Migration (quantitative Bevölkerungspolitik). Zur Bevölkerungspolitik im weiten Sinne zählt neben der quantitativen Bevölkerungspolitik auch die qualitative Bevölkerungspolitik. Die qualitative Bevölkerungspolitik umfasst alle politischen Maßnahmen, die Einfluss nehmen auf die Erziehung, Bildung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen, auf die Weiterbildung der Erwachsenen, auf die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung, auf die Zusammensetzung der Einwanderer- und Auswandererströme sowie die auf soziale und ökonomische Integration der Einwanderer und ihrer Nachkommen. Der weiten Definition gebührt der Vorzug vor der engen Definition, weil quantitatives Denken ohne Berücksichtigung qualitativer Aspekte einseitig und schädlich ist und zu Fehlschlüssen verleitet. Dies gilt für den demografischen Bereich ebenso wie für andere gesellschaftliche und ökonomische Bereiche. Die Wissenschaft bietet kein Konzept zur Bestimmung eines Bevölkerungsoptimums. Daher bleiben die Ziele einer Bevölkerungspolitik umstritten. Ich plädiere für das bevölkerungspolitische Ziel einer quantitativen und qualitativen, demografischen Nachhaltigkeit. Dazu zählen (1) eine nachhaltige Familienpolitik, d.h. Anhebung der Fertilität auf Reproduktionsniveau und gute Erziehung und Bildung der Kinder, (2) eine nachhaltige Gesundheitspolitik, d.h. niedrige Mortalität und Morbidität, (3) eine nachhaltige Bildungspolitik, d.h. hoher Standard der Ausbildung und Weiterbildung, (4) nachhaltige Migrationspolitik, d.h. gute Standortattraktivität zur Rekrutierung und Integration qualifizierter Einwanderer und Bindung hochqualifizierten Einheimischer. Mein Aufsatz befasst sich mit Vorschlägen für eine nachhaltige Familienpolitik. Ich verzichte in diesem Beitrag auf Vorschläge zur Verbesserung von Mortalität und Morbidität, zur Förderung der Weiterbildung, zur Beeinflussung von Immigration und Emigration und zur Integration der Einwanderer. 2. Das Ziel einer nachhaltigen Familienpolitik Familienpolitik kann sozialpolitisch und/oder bevölkerungspolitisch begründet werden. In den meisten Industrieländern spielen beide Motive eine Rolle. In vielen Ländern stehen die bevölkerungspolitischen Anliegen im 1

Für eine ausführliche Betrachtung siehe G. Steinmann: Kindermangel in Deutschland – Bevölkerungsökonomische Analysen und familienpolitische Lösungen. Frankfurt: Peter Lang Verlag, 2007.

Vorschläge für eine nachhaltige und effektive Bevölkerungspolitik

79

Vordergrund. In anderen Ländern überwiegen die sozialpolitischen Ziele. Zur ersten Gruppe zählt z. B. Frankreich mit einer stark pronatalistisch ausgerichteten Familienpolitik. Zur zweiten Gruppe gehört z. B. die Bundesrepublik Deutschland. Die deutsche Familienpolitik war bis in die jüngste Gegenwart ausschließlich sozialpolitisch konzipiert. Jede Form von Bevölkerungspolitik wurde abgelehnt und vielfach sogar als „nationalsozialistisch“ diffamiert. Die einseitige Betonung der sozialpolitischen Belange bei Vernachlässigung der bevölkerungspolitischen Interessen ist eine Ursache für die niedrigen Fertilitätsraten bei Mittelschichtenfrauen (insbesondere Akademikerinnen) und hohen Fertilitätsraten bei Unterschichtenfrauen (insbesondere gering qualifizierte Zuwanderinnen). Diese konträre Entwicklung erzwingt ein grundsätzliches Überdenken der Ziele und Instrumente deutscher Familienpolitik. Sie muss vorrangig bevölkerungspolitische Belange akzentuieren und sozialpolitische Belange eher nachrangig berücksichtigen. Die Familienpolitik sollte sich am Ziel der „demografischen Nachhaltigkeit“ orientieren und einen Anstieg der Fruchtbarkeit auf das Reproduktionsniveau („höhere Kinderquantität“) bei besserer Erziehung und Ausbildung der Kinder („höhere Kinderqualität“) anstreben. Sozialpolitische Gesichtspunkte sollten einbezogen, aber nicht im Mittelpunkt der Familienpolitik stehen. II. Die Fertilitätsentscheidung 1. Freiwillige und unfreiwillige Kinderlosigkeit Spätestens die leichte Verfügbarkeit effektiver Antikonzeptiva hat die Paare in die Lage gesetzt, ihre Kinderzahl frei nach eigenen Wünschen zu bestimmen. Kinderlosigkeit und Kleinfamilien sind heutzutage in der Regel Ergebnisse freier Entscheidungen der Paare. Geringe Fruchtbarkeit ist in den meisten Fällen freiwillig. Die individuelle Entscheidungsfreiheit ist nur in zwei Fällen unfreiwillig, – bei ungewollter Kinderlosigkeit aus biologischen oder medizinischen Gründen und – bei ungewollter Kinderlosigkeit mangels eines geeigneten Lebenspartners. Dennoch ist unfreiwillige Kinderlosigkeit nicht selten, denn fast alle Frauen wollen ihre Kinderwünsche erst nach Abschluss ihrer Ausbildung und erfolgreichem Berufseinstieg verwirklichen. Dieses Verhalten und der hohe und wachsende Anteil der Frauen mit akademischer Ausbildung führen dazu, dass die Realisierung der Kinderwünsche bis zu einem Alter hinausgezögert wird, bei dem die Fekundität gemindert ist. Darüber hinaus

80

Gunter Steinmann

führt die Instabilität der Partnerbeziehungen dazu, dass Frauen häufig im ursprünglich geplanten, engen Zeitfenster für Schwangerschaften ohne Lebenspartner dastehen und auf gewünschte Kinder verzichten müssen. Die Familienpolitik muss Rahmenbedingungen verändern, um die freiwillige und die unfreiwilliger Kinderlosigkeit zu vermindern. 2. Die ökonomische Theorie der Fertilität Die ökonomische Theorie der Theorie analysiert die Fertilitätsentscheidung als individuelle Nutzen-Kosten Optimierung (individuelle Rationalität). Paare wägen ihren Kindernutzen und ihre Kinderkosten gegeneinander ab und bestimmen die Kinderzahl nach rationalem Kalkül. Wenn der Vergleich der individuellen Kindernutzen und Kinderkosten ungünstig ausfällt, bleiben die Paare kinderlos oder haben nur eine geringe Zahl von Kindern. Was individuell rational ist, muss bekanntlich nicht rational für die Gesellschaft sein. Der Kindernutzen für die Gesellschaft kann vom Kindernutzen für die Eltern (bzw. die Mutter) abweichen. Ebenso können die sozialen und familiären Kinderkosten auseinander fallen. In diesen Fällen besteht ein Konflikt zwischen individueller und kollektiver Rationalität. Wenn der gesellschaftliche Nettonutzen den individuellen Nettonutzen von Kindern übersteigt, werden aus Gründen individueller Rationalität weniger Kinder geboren als aus Gründen kollektiver Rationalität geboten sind. Dieser unbefriedigende Zustand kann nur überwunden werden, wenn der individuelle „Nettokindernutzen“ (Kindernutzen abzüglich Kinderkosten) mit dem kollektiven „Nettokindernutzen“ in Einklang gebracht wird. Mehrere Gründe sprechen dafür, dass die kollektive Rationalität in Deutschland eine höhere Fertilität gebietet als die individuelle Rationalität. Die geringe Fertilität gefährdet langfristig die Stabilität unserer sozialen Sicherungssysteme2 und birgt Risiken für die wirtschaftliche Prosperität3. Darüber hinaus liegt eine Politik der Geburtenförderung auch im nationalen Interesse am Zusammenhalt der Gesellschaft, der Bewahrung und Fortentwicklung der eigenen Sprache und kulturellen Identität, der Erhaltung von 2 Einwanderung löst nicht die Probleme der sozialen Sicherungssysteme. Zum einen können nur riesige Einwanderungsströme den demografischen Alterungsprozess verhindern. Sie würden die Einheimischen schon nach wenigen Jahrzehnten zur Minderheit im eigenen Land werden lassen. Zum andern bringen nur gut qualifizierte Einwanderer Nettoleistungen für unsere sozialen Sicherungssysteme. Der deutsche Sozialstaat mit relativ hohen Sozialleistungen, Steuern und Sozialbeiträgen ist jedoch für gut qualifizierte Einwanderer unattraktiv. Diese präferieren Länder mit relativ niedrigen Sozialleistungen, Steuern und Sozialbeiträgen. 3 Vgl. G. Steinmann: Kindermangel in Deutschland – Bevölkerungsökonomische Analysen und familienpolitische Lösungen, a. a. O.

Vorschläge für eine nachhaltige und effektive Bevölkerungspolitik

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internationalem Einfluss, Macht und Unabhängigkeit und anderen nationalen Zielen. III. Die Grundprinzipien der nachhaltigen Familienpolitik Die These der ökonomischen Fertilitätstheorie, dass Paare (bzw. Frauen) ihre Entscheidung über die Zahl der Kinder rational nach Abwägen ihres Kindernutzens und ihrer Kinderkosten treffen, bildet das Fundament meiner familienpolitischen Vorschläge. Diese These impliziert zwei familienpolitische Schlussfolgerungen: (1) Die Geburtenförderung wird nur wirksam, wenn sie die Kluft zwischen Kindernutzen und Kinderkosten der Eltern aufhebt. (2) Die vorrangige Zielgruppe der Familienpolitik müssen Frauen mit günstigen Einkommens- und Karrierechancen sein (Akademikerinnen), weil für sie das Verhältnis zwischen Kindernutzen und Kinderkosten besonders unvorteilhaft ist Der Bund, die Länder und die Kommunen offerieren direkt oder indirekt eine Vielzahl von Sach-, Dienst- und Geldleistungen für Familien4. Die staatlichen Familienleistungen scheinen jedoch keinen nennenswerten positiven Einfluss auf die Kinderzahl zu haben, weil sie zu schwach dosiert sind, um die vorhandenen negativen Anreize auszugleichen, und oft nicht auf die wirklichen Entscheidungsträger abgestellt sind (die potentiellen Eltern). Staatliche Leistungen und institutionelle Regelungen üben nur positive Anreize auf das Geburtenverhalten aus, wenn sie den elterlichen Kindernutzen erhöhen oder die elterlichen Kinderkosten senken. Der deutsche Gesetzgeber verteilt seine familienpolitischen Leistungen an eine Vielzahl von Leistungsempfängern (Eltern, Kinder, karitative Einrichtungen, Sportvereine, Bildungseinrichtungen usw.). Daher entfalten die vielen familienpolitischen Leistungen kaum pronatalistische Wirkungen. Eine auf bevölkerungspolitische Ziele konzipierte Familienpolitik muss sich aber an die Entscheidungsträger richten, die die Zahl und „Qualität“ der Nachkommen bestimmen, das sind die potentiellen Eltern und insbesondere die potentiellen Mütter.

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Ausgaben für Kindertagesstätten, Kindergärten, Schulen und Hochschulen, Kindergeld, Kinder- und Ausbildungsfreibeträge, Mutterschutz, Elternurlaub, beitragsfreie Mitversicherung der Kinder in der gesetzlichen Krankenkasse, Preisvergünstigungen für Kinder und Familien, Familienpässe, Zuschläge für Kinder bei Sozialhilfe und Wohngeld usw.

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IV. Die Erhöhung des elterlichen Kindernutzens 1. Zahlung von Kindergeld Kindergeld gibt den Eltern einen Einkommensnutzen. Da das Kindergeld für alle Familien gleich ist (ab 2009 jeweils 164 e für die ersten beiden Kinder, 170 e für das dritte Kind und 195 e für alle weiteren Kinder) sind die Einkommensgewinne für einkommensschwache Eltern relativ hoch und für Eltern mit mittlerem und hohem Einkommen relativ gering. Kindergeldzahlungen wirken zwar bei Geringverdienern pronatalistisch, aber geben Durchschnittsverdienern und Besserverdienern nur schwache pronatalistische Anreize. Kindergeldzahlungen an Geringverdiener sind sozial- und verteilungspolitisch notwendig und bei dieser Zielgruppe auch pronatalistisch wirksam. Dagegen haben Kindergeldzahlungen an Haushalte mit mittleren und höheren Einkommen nur Mitnahmeeffekte und richten bevölkerungspolitisch nichts aus. Für diese Zielgruppe sind die Splittingvorteile durch Familienbesteuerung höher als die Vorteile durch Kindergeldzahlungen. Kindergeldzahlungen an Eltern sind nicht unproblematisch. Wenn Eltern keine oder nur geringe Bereitschaft für eine gute Ausbildung ihrer Kinder mitbringen, besteht die Gefahr, dass sie den Kindern das Kindergeld vorenthalten und zur Befriedigung eigener Wünsche verwenden. Das Kindergeld hat in diesem Fall positive Auswirkungen auf die Zahl ihrer Kinder (höhere „Kinderquantität“), aber nicht auf die Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder (niedrigere „Kinderqualität“). Für Gruppen mit überdurchschnittlichen vielen Fällen elterlicher Kinderausbeutung sollte daher der Auszahlungsbetrag an die Eltern reduziert werden, und der einbehaltene Kindergeldbetrag zur Finanzierung zusätzlicher direkter Realtransfers an die Kinder benützt werden (z. B. für außerhäusliche Betreuung oder schulischen Förderunterricht). Die Aufteilung der Kindergeldzahlung in einen Teilbetrag an die Eltern und einen Teilbetrag zur Finanzierung zusätzlicher Realtransfers an die Kinder wirkt zwar antinatalistisch auf die Kinderquantität (Zahl der Kinder), aber pronatalistisch auf die Kinderqualität (Erziehung und Ausbildung der Kinder). 2. Familiensplitting Familiensplitting mindert die Progression bei der Einkommensbesteuerung von Familien und bringt Eltern eine fühlbare Einkommenssteuerentlastung. Familiensplitting ist das geeignete steuerpolitische Instrument zur Geburtenförderung bei Haushalten mit durchschnittlichem oder hohem Einkommen. Es ist ungeeignet für Geringverdiener. Für sie bleibt Kindergeldzahlung die bessere Alternative.

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Familiensplitting sollte das gegenwärtige Ehegattensplitting ergänzen, aber nicht ersetzen. Ich schlage ein Splittingverfahren vor, das sich eng an das französische Familiensplitting anlehnt. In Frankreich erhalten Familien mit jedem weiteren Kind einen höheren Splittingfaktor. Der Splittingfaktor erhöht sich für das erste und das zweite Kind jeweils um 0,5 Punkte und für alle weiteren Kinder sogar jeweils um 1 Punkt. Zur Ermittlung der Einkommenssteuer wird das Familieneinkommen zunächst durch den Splittingfaktor geteilt (bei einem kinderlosen Paar durch den Faktor 2, bei einem Paar mit einem Kind durch den Faktor 2,5, mit zwei Kindern durch den Faktor 3 und mit drei Kindern durch den Faktor 4 usw.), danach wird der progressive Tarif auf den reduzierten Betrag angewendet und im letzten Schritt wird die Steuerschuld durch einfache Multiplikation mit dem Splittingfaktor bestimmt, wobei der maximal mögliche Splittingvorteil noch plafoniert wird. Das französische Familiensplitting führt dazu, dass Familien mit durchschnittlichem Einkommen und zwei Kindern keine Einkommenssteuer entrichten. Der hohe Einkommensnutzen von Kindern beim Familiensplitting für Eltern mit durchschnittlichem und überdurchschnittlichem Einkommen schafft wirksame, pronatalistische Anreize für gut ausgebildete Frauen mit hohen Opportunitätskosten durch Kinder (Einkommensausfälle und Karriereeinbußen). Diese Gruppe ist in Deutschland überproportional häufig von Kinderlosigkeit betroffen. Das Familiensplitting ist das familienpolitische Instrument, um diese Zielgruppe für ihre hohen Kinderkosten zu entschädigen. Da Kinder gut ausgebildeter Mütter nach den Ergebnissen der Pisa Studie überdurchschnittlich gut in der Schule abschneiden, hat Familiensplitting auch positive Auswirkungen auf die „Kinderqualität“ (höhere Schulabschlüsse). 3. Elterngeld Wenn Mütter oder Väter Elternzeit in Anspruch nehmen, zahlt der Bund Müttern und/oder Vätern ein Elterngeld als Ersatz für den Ausfall ihres Erwerbseinkommens. Das Elterngeld wird bis zu zwölf Monaten gezahlt. Darüber hinaus sind noch zwei zusätzliche Partnermonate möglich, wenn auch der Partner mindestens zwei Monate Elternzeit nimmt. Die Bedingungen des Elterngelds sind, dass die Mutter oder der Vater – das Kind überwiegend selbst betreuen und erziehen und – keine volle Erwerbstätigkeit ausüben oder höchstens 30 Stunden pro Woche einer Teilzeitarbeit nachgehen. Das Elterngeld ersetzt 67 Prozent des bisherigen Nettoeinkommens des erziehenden Elternteiles (mindestens 300 Euro pro Monat) bis zu einem

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Höchstsatz von 1800 Euro. Es ist steuer- und abgabenfrei, aber unterliegt dem Progressionsvorbehalt. Der Wechsel vom gleich hohen Bundeserziehungsgeld für alle zum unterschiedlich hohen Bundeselterngeld unter Verzicht auf bis dahin geltende Nettoeinkommensgrenzen markiert einen entscheidenden Schritt von der sozialpolitisch zur bevölkerungspolitisch orientierten Familienpolitik. Das Bundeselterngeld wendet sich an die richtige Zielgruppe. Es fördert die gut ausgebildeten, überdurchschnittlich verdienenden, kinderarmen Frauen stärker als andere. Das alte Bundeserziehungsgeld hatte diese Frauen von der Förderung ausgeschlossen und ausschließlich erwerbstätige Frauen mit geringen bis mittleren Einkommen begünstigt. Es hatte – stärker noch als das Kindergeld – nur positive Anreize zu höheren Kinderzahlen bei den sozialschwachen und bildungsfernen Schichten und keine pronatalistische Anreize bei den gut verdienenden, kinderarmen Frauen. Folgte das Bundeserziehungsgeld (wohl unbeabsichtigt) dem Prinzip „Kinderquantität statt Kinderqualität“, steht das neue Bundeselterngeld für das Prinzip „Kinderquantität und Kinderqualität“. Die Förderung von maximal 1800 Euro pro Monat für 12 bzw. 14 Monate ist zu schwach, um die Fertilität wirksam zu erhöhen. Das Bundeselterngeld ist aber ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings ist die Einführung der beiden Partnermonate systemfremd und weder sozialpolitisch noch bevölkerungspolitisch zwingend. Sie ersetzt individuelle Freiheit durch staatliche, ideologische Bevormundung und Zwangsumerziehung. 4. Geburtenprämien Einige Kommunen zahlen Geburtenprämien an die Eltern von Neugeborenen. Geburtenprämien sind einmalige Einkommensgewinne, die beim Abwägen von Kindernutzen und Kinderkosten nicht ins Gewicht fallen. Die Zahlungen von Geburtenprämien bringen daher bevölkerungspolitisch nichts und führen lediglich zu Mitnahmeeffekten. Die Geburtenprämien sind bevölkerungspolitisch nutzlos und taugen allenfalls als Mittel für erfolgreiches Stadtmarketing. 5. Private Kinderrente In der gesetzlichen Rentenversicherung wird dem überwiegend erziehenden Elternteil (in der Regel die Mutter) eine fiktive Beitragszeit für Zeiten der Erziehung eines Kindes anerkannt. Die Mutter erhält für jedes vor 1992 geborene Kind einen Entgeltpunkt und für jedes ab 1992 geborene Kind drei Entgeltpunkte. Die durch einen Bundeszuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung finanzierten Kinderrentenzahlungen gelten als versiche-

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rungsfremde (!) Leistungen, obwohl Investitionen in Kinder doch für die künftigen Arbeitseinkommen sorgen, aus denen die Beiträge für die künftigen Versicherungsleistungen fließen. Die Berücksichtigung der Beitragszeiten in der gegenwärtigen Form setzt falsche Anreize. Sie fördert die Kinderzahl nur bei Frauen mit geringer Ausbildung und Einkommen. Dagegen bleibt sie ohne Effekte bei gut ausgebildeten und verdienenden Frauen. Sie können als Kinderlose durch Erwerbseinkommen mehr Entgeltpunkte erzielen als gleich qualifizierte Mütter, die aufgrund ihrer zeitlichen Beanspruchung für die Kinder Einkommenseinbußen erleiden. Das gegenwärtige System ist verteilungspolitisch ausgerichtet mit bevölkerungspolitisch unerwünschten Nebenwirkungen. Es verstärkt die vorhandenen Unterschiede in der Kinderzahl zwischen den Frauen mit niedrigen und hohen Bildungsabschlüssen und Einkommen. Der künftige Humankapitalstock von Deutschland hängt jedoch nicht nur von der „Kinderquantität“ sondern auch von der „Kinderqualität“ ab. Der bloße Anstieg der Kinderzahl bietet keine Gewähr für einen Zuwachs an Humankapital, wenn die Kinder schlecht erzogen, wenig gebildet und mangelhaft ausgebildet bleiben. Bevölkerungspolitische Überlegungen sprechen dafür, den Sicherungsnutzen von Kindern teilweise wieder zu reprivatisieren und eine „private Kinderrente“ wiedereinzuführen. Nach meinem Konzept einer privaten Kinderrente wird der Rentenbeitrag („Gesamtbeitrag“) des Versicherungspflichtigen in zwei Teile aufgespaltet werden, in einen „allgemeinen Rentenbeitrag“ und einen „intrafamiliären Rentenbeitrag“. Der „allgemeine Rentenbeitrag“ in die gesetzliche Rentenversicherung zur Finanzierung aller Altersrenten ermöglicht eine umlagefinanzierte, gesetzliche Rente für alle Versicherten. Die individuelle Höhe der gesetzlichen Rente wird vom Lebensarbeitseinkommen der Rentner bestimmt und ist von der Kinderzahl der Rentner unabhängig. Der „intrafamiliäre Rentenbeitrag“ wird in eine neu zu gründende, „gesetzliche Familienrentenversicherung“ einbezahlt und für eine zusätzliche, direkt aus den Beiträgen der eigenen Kinder finanzierte Altersrente ihrer Eltern verwendet. Durch den intrafamiliären Rentenbeitrag erhalten die Eltern von ihren beitragsverpflichteten Kindern eine Gegenleistung für die Geld- und Zeitaufwendungen zur Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder in der Vergangenheit („intrafamiliäre Kinderrente“). Die Berücksichtigung von Elementen einer intrafamiliären Alterssicherung führt dazu, dass kinderlos gebliebene Rentner bei der zusätzlichen Kinderrente leer ausgehen, und dass Rentner mit wenigen und schlecht ausgebildeten Kindern eine geringere Kinderrente aus der intrafamiliären Alterssicherung bekommen als Rentner mit vielen und gut ausgebildeten Kindern. Kinderlose Rentner müssen daher mit der gesetzlichen Rente aus-

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kommen und während ihres Erwerbslebens zusätzlich sparen, wenn sie die Einkommensdifferenz zu kinderreichen Rentnern mit gleicher gesetzlicher Rente und zusätzlicher, intrafamiliärer Kinderrente ausgleichen wollen. Die individuelle Kinderrente führt wieder Elemente eines familiären Alterssicherungssystems ein, das in Deutschland viele Jahrhunderte existiert hat und in den meisten Entwicklungsländern noch heute fortbesteht. Die individuelle Kinderrente verringert die Anreize gegen Kinder und trägt zur Verwirklichung vorhandener Kinderwünsche bei. Sie verändert die individuellen Kosten-Nutzen-Bedingungen und bringt die individuelle Rationalität stärker mit der kollektiven Rationalität in Einklang. Solange die Eltern erwerbstätig sind und noch keine Rente beziehen, wird der „intrafamiliäre Rentenbeitrag“ der gesetzlichen Familienversicherung zum Aufbau einer intrafamiliären kapitalgedeckten Alterssicherung angespart. Sobald die Eltern das Renteneintrittsalter überschreiten und Rentenzahlungen benötigen, fließen die Beiträge der Familienversicherung als Rente von den Kindern zu ihren Eltern. Ein Teilbetrag der Kinderrente kann für weitere Zahlungen in den intrafamiliären Alterssicherungsfonds vorgesehen werden, um das Risiko eines Ausfalls der Kinderrentenzahlungen aufgrund von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Erwerbsunfähigkeit oder Ruhestand der Kinder abzudecken. Bei dem vorgestellten Modell der privaten Kinderrente wird die Höhe der Rente sowohl durch die Kinderzahl als auch durch die intrafamiliären Rentenbeiträge determiniert. Während die „gesetzliche Rente“ der gesetzlichen Rentenversicherung nach wie vor durch das Lebensarbeitseinkommen des Rentners bestimmt wird, hängt die „intrafamiliäre Rente“ vom beitragspflichtigen Jahreseinkommen der Kinder und nicht vom Lebensarbeitseinkommen des Rentners ab. Bemessungsgrundlage der Beiträge für die intrafamiliäre Kinderrente ist das gesamte Einkommen der Kinder und nicht nur ihr Arbeitseinkommen. Arbeitgeberbeiträge werden auf die intrafamiliäre Kinderrente nicht erhoben, da sie negative Beschäftigungseffekte haben und der Idee einer intrafamiliären Absicherung widersprechen. Für eine Verknüpfung zwischen Einkommen der Kinder und Höhe der Kinderrente ihrer Eltern lassen sich zwei Gründe anführen. Zum einen die positive Beziehung zwischen dem durchschnittlichen Arbeitseinkommen und dem Niveau des Schul-, Hochschul- und Berufsabschlusses. Da die Eltern für einen höheren (Aus-)Bildungsabschluss ihrer Kinder mehr Geld- und Zeitaufwendungen zu tragen haben, sollen sie auch an den Erträgen ihrer Bildungsinvestitionen in ihre Kinder mit partizipieren. Zum zweiten erhöht die Verknüpfung zwischen Kinderrente der Eltern und Einkommen der Kinder auch das elterliche Interesse an einer besseren Ausbildung der Kinder. Unser Modell einer intrafamiliären Kinderrente schafft also Anreize für eine höhere

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Zahl von Kindern (höhere „Kinderquantität“) und setzt darüber hinaus Anreize für eine bessere (Aus-)Bildung der Kinder (höhere „Kinderqualität“). Die Abhängigkeit der intrafamiliären Kinderrente vom Einkommen der Kinder kann durch Einführung einer Untergrenze (Mindestkinderrente je Kind) gemildert werden. Mit dem Einbau einer Untergrenze wird allerdings das Konzept der intrafamiliären (Teil-)Alterssicherung aufgeweicht und mit Elementen einer interfamiliären Alterssicherung durchsetzt. Die Idee einer intrafamiliären (Teil-)Sicherung braucht nicht auf den Bereich der Alterssicherung beschränkt bleiben. Die gewünschten familienpolitischen Anreize für mehr Kinder werden verstärkt, wenn Elemente einer intrafamiliären Absicherung auf weitere Bereiche ausgedehnt werden. Es ist denkbar, Kinder vor die Wahl zu stellen, entweder für ihre aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Eltern einen Teil der Beiträge zur Krankenversicherung oder Pflegeversicherung für Rentner zu leisten oder Dienste der Kranken- und Altenpflege für sie zu übernehmen. Da kinderlose Rentner diese Leistungen nicht in Anspruch nehmen könnten, müssten sie die Leistungen selbst finanzieren. Der Nutzen von Kindern würde dadurch weiter steigen. 6. Weitere Einflussmöglichkeiten auf den Kindernutzen Weitere Möglichkeiten zur Verbesserung des Kindernutzens für die Eltern sind unter anderem Zuschläge zum Wohngeld und Arbeitslosengeld II oder zur Förderung von Wohneigentum für Familien. Diese Maßnahmen dienen sowohl sozialpolitischen als auch bevölkerungspolitischen Zielen. V. Die Senkung der elterlichen Kinderkosten 1. Kinderbetreuung Der Staat kann die Kinderkosten durch ein ausreichendes und preisgünstiges staatliches Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen reduzieren. Neben der Möglichkeit staatlicher Kinderbetreuung besteht auch die Möglichkeit einer staatlichen Subventionierung privater Kinderbetreuung. Private Kinderbetreuung kann kostengünstiger und familienpolitisch besser geeignet sein als staatliche Kinderbetreuung. Die deutsche Politik optiert bisher nahezu ausschließlich für staatliche Kinderbetreuung. Staatliche Kinderbetreuung kann pronatalistisch wirken, wenn sie drei Kriterien erfüllt: (1) Das Angebot an Kinderbetreuungsplätzen muss so groß sein, dass alle Wünsche nach Kinderbetreuung erfüllt werden können.

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(2) Die Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen müssen flexibel sein und sich an den Wünschen der Eltern orientieren. (3) Der Beitragssatz der Eltern zur Kinderbetreuung darf nicht so hoch sein, dass die Kinderbetreuung sich für viele Mütter nicht lohnt. Nur wenn alle drei Voraussetzungen vorliegen, werden Mütter (Eltern) nicht länger vor die Wahl zwischen Kind und Erwerbsarbeit gestellt. Nur unter diesen Bedingungen entstehen den Frauen (oder Männern) durch Kinder keine prohibitiv wirkende Opportunitätskosten. Die Gestaltungsmöglichkeiten privater Kinderbetreuung sind vielfältig und reichen von losen Kooperationen mit anderen Eltern über die Inanspruchnahme von Tagesmüttern bis zum überregional agierenden, privaten Betreuungsunternehmen. Auch für die privaten Kinderbetreuungseinrichtungen gilt, dass sie die Opportunitätskosten nur reduzieren, wenn sie Müttern die Ausübung ihrer Berufstätigkeit erlauben. Das private Angebot muss ebenfalls hinreichend groß, flexibel und preiswert sein. Die beiden Bedingungen eines ausreichenden und flexiblen Angebots können in einem freien Markt als erfüllt gelten. Private Kinderbetreuung kann auch kostengünstig sein. Mütter mit geringen Einkommenschancen (niedrigen Opportunitätskosten) betreuen ihre Kinder selbst und können zu geringen, zusätzlichen Kosten die Betreuung weiterer Kinder aus anderen Familien übernehmen. Betreuungsleistungen können von Arbeitskräften aus dem Niedriglohnbereich erbracht werden, weil diese nicht den starren Eingruppierungen des öffentlichen Diensts unterliegen. Darüber hinaus greifen die bürokratische Vorschriften und Auflagen bei Elternkooperationen, Tagesmüttern und ähnlichen Arrangements weniger stark als bei öffentlichen Einrichtungen der Kinderbetreuung. Die privaten Kosten der Kinderbetreuung lassen sich weiter verringern durch steuerliche Abzugsfähigkeit der Betreuungsausgaben oder durch Ausgabe von Betreuungsgutscheinen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit senkt die Opportunitätskosten besonders für Frauen mit guten Einkommenschancen. Der deutsche Gesetzgeber lässt bisher jedoch nur die steuerliche Teilabzugsfähigkeit zu. Betreuungsgutscheine verringern die Opportunitätskosten für alle Frauen. Da Betreuungsgutscheine für den Staat sehr kostspielig sind, kommt diese Lösung nur für einen begrenzten Adressatenkreis infrage, hauptsächlich für Mütter mit niedrigem Einkommen. Die Betreuungsgutscheine könnten teilweise finanziert werden durch Kürzungen des Kindergeldes (Umstellung von Geldtransfers auf Realtransfers).

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2. Ganztagsschulunterricht Die Einrichtung schulgeldfreier Ganztagsschulen und die Aufgabenbetreuung in der Schule gehören zu jeder Politik der Geburtenförderung, weil sie die Opportunitätskosten der Mütter (Eltern) essentiell verringern. In Deutschland wurde und wird viel darüber gestritten, ob die häusliche Beaufsichtigung durch Mütter und Väter oder die schulische Beaufsichtigung durch Lehrer und Erzieher nach Beendigung der Unterrichtszeiten für die Entwicklung der Grundschulkinder nützlicher sind. Diese Debatte ist überflüssig und unfruchtbar. Denn die Frage, wo das Kind besser aufgehoben ist, stellt sich erst gar nicht, wenn die Kinder nicht geboren werden. Die eigentliche Kernfrage ist die Frage, welches Schulsystem dazu beiträgt, dass Eltern sich für mehr Kinder entscheiden und der Geburtenrückgang gestoppt wird. Die Antwort ist klar und eindeutig. Die Ganztagsschule reduziert die Opportunitätskosten, wohingegen die Halbtagsschule die Opportunitätskosten in die Höhe treibt. Dieses Faktum ist nicht zuletzt eine Ursache für die geringen Geburtenziffern in Deutschland. Ganztagsschulen können unter staatlicher oder privater Trägerschaft angeboten werden. Der Besuch privater Ganztagsschulen kann durch Ausgabe von Schulgutscheinen ermöglicht werden. Der Ganztagsschulunterricht kann obligatorisch oder freiwillig sein, aber ein dem individuellen Freiheitsprinzip verpflichteter Staat wird den Eltern die freie Wahl lassen.

3. Ausbildungskosten Die Ausbildungskosten werden durch die Kosten pro Ausbildungsjahr und die Dauer der Ausbildungsgänge bestimmt. Da deutsche Schüler bisher erst nach dreizehn und mehr Jahren das Abitur abschließen, und die meisten Studenten über die Regelstudiendauer hinaus studieren, sind die Ausbildungskosten für die Erlangung eines Hochschulabschlusses in Deutschland besonders hoch. Der Staat übernimmt bisher die vollen Schul- und Hochschulkosten und fördert die Ausbildung der Kinder durch Kindergeld, Ausbildungsfreibeträge, Zuschüsse und Darlehen. Die staatlichen Hilfen reichen jedoch nicht zur Finanzierung der Ausbildungskosten aus. Der Differenzbetrag ist von den Eltern zu tragen und fällt besonders bei den Eltern ins Gewicht, deren Kinder keine Förderung durch Bafög oder andere Stipendien erhalten. Da die Menschen in der modernen Gesellschaft eine gute Ausbildung brauchen, um sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten und soziale Anerkennung zu finden, und die meisten Eltern für ihre Kinder auch eine bessere

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Ausbildung wünschen (höhere „Kinderqualität“), wachsen die, von den Eltern zu tragenden Ausbildungskosten rapide an. Rational handelnde Paare werden bei der Bestimmung der Zahl ihrer Kinder die wachsenden Ausbildungskosten für Kinder in ihr Kalkül einbeziehen. Das hat zur Folge, dass Paare sich eher für weniger, aber dafür besser ausgebildete Kinder entscheiden. In der Sprache von Gary Becker bleibt die „Kindernachfrage“ der Eltern bei steigendem Einkommen gleich oder nimmt sogar zu, aber „Kinderquantität“ wird durch „Kinderqualität“ substituiert.5 Das Ziel einer höheren Zahl von Kindern bei besserer Ausbildung (mehr „Kinderquantität“ und mehr „Kinderqualität“) ist nur erreichbar, wenn die Eltern bei den Ausbildungskosten ihrer Kinder entlastet werden. Wenn der Staat die Deckungslücke nicht finanzieren kann oder will, bleibt als Lösung nur die stärkere Heranziehung der Schüler und Studenten zur Finanzierung ihrer eigenen Ausbildungskosten. Ein möglicher Schritt in diese Richtung bietet die Begrenzung der Finanzierungspflicht der Eltern auf die Schulausbildung ihrer Kinder. In diesem Fall tragen die Eltern die finanziellen Lasten für die Ausbildung ihrer Kinder nur bis zu deren Schulabschluss. Danach müssen die Heranwachsenden ihre weitere Ausbildung selbst finanzieren, soweit nicht der Staat oder die privaten Unternehmen dafür aufkommen. Da Jugendliche über kein eigenes Einkommen verfügen, müssen sie dafür Bankkredite aufnehmen. Banken wiederum benötigen für die Ausbildungskredite Sicherheiten, die nur über staatliche Bürgschaften beschafft werden können. Die teilweise Übertragung der Studien- und Ausbildungskosten von den Eltern auf die Studenten und Auszubildenden ist ein bevölkerungspolitisches Mittel, weil sie die Kinderkosten für die Eltern verringert, und damit Hindernisse für eine größere Kinderzahl abbaut. Die (Teil-)Finanzierung von Studien- und Ausbildungskosten durch die Studenten und Auszubildenden hat den weiteren Vorteil, dass diese ihre Studien- und Ausbildungsentscheidung endlich als das wahrnehmen, was sie tatsächlich ist, nämlich als eine Investitionsentscheidung in ihr Humankapital. Die vorgeschlagene (Teil-)Belastung der Nutznießer von Studium und Ausbildung mit den dafür anfallenden Kosten erhöht die Effizienz der Ausbildung, weil die Studenten und Auszubildende die Kosten von Fehlentscheidungen nicht länger der Gesellschaft aufbürden können und selbst tragen müssen. Das schafft Anreize zu einer sorgfältigen Wahl des Studien- und Ausbildungsfachs, zur Vermeidung von Studienabbrüchen und zur Verkürzung der Studienzeiten. 5

Siehe G. Becker: A Treatise on the Family. Cambridge: Harvard University Press, 1993. Die „Kindernachfrage“ entspricht dem Produkt aus „Kinderquantität“ und „Kinderqualität“.

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4. Risikokosten Kinder beeinträchtigen die Flexibilität und Mobilität ihrer Eltern und verursachen ihnen Kosten in Form höherer Risiken und psychischer Belastungen. Das erschwert die Arbeitssuche und mindert die Aufstiegschancen. Die hohen Risikokosten erziehender Elternteile bei Arbeitslosigkeit bieten eine Erklärung für die besonders niedrigen Geburtenzahlen in Zeiten wirtschaftlicher Krisen. Die Existenz von Kindern macht die Aufhebung einer Ehe oder Lebensgemeinschaft kostspielig und riskant. Denn die Zeit- und Opportunitätskosten für die Kinder sind meist einseitig von einem Partner (in der Regel der Mutter) zu tragen. Dieser Partner wird durch die Kinder abhängiger und trägt hohe Risiken für den Fall des Scheiterns der Ehe oder Lebensgemeinschaft. Gerade in den modernen Gesellschaften mit hohen Scheidungswahrscheinlichkeiten bedarf es besonders hoher Risikofreudigkeit des erziehenden Partners, in der Regel der Mutter. Sie trägt im Fall eines Scheiterns der Partnerschaft die Zeit- und Opportunitätskosten für die Kinder weitgehend allein. Eltern stehen in „lebenslanger“ Verantwortung für ihre Kinder. Sie beanspruchen über Jahrzehnte Zeit und Geld der Eltern. Sie bürden ihnen Risiken auf und belasten sie mit Sorgen, die kinderlose Paare nicht haben: Kinder können behindert und krank werden, in Schule, Studium und Beruf versagen, arbeitslos sein, partnerschaftliche und soziale Probleme haben, missraten und kriminell, asozial und drogenabhängig werden und andere Probleme aufweisen. Alle Schwierigkeiten ihrer Kinder bereiten den Eltern Sorgen und Nöte. Kinder sind für ihre Eltern eben nicht nur Quelle lebenslanger Freude, sondern auch potentielle Bürde für unkalkulierbare, monetäre und psychische Kosten. Die Risikokosten und psychischen Kosten der Eltern sind gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten außerordentlich hoch. Der Staat kann die Risikokosten und psychischen Kosten für Kinder nur in wenigen Fällen direkt verringern. Ein Weg wäre die Entlassung von Eltern aus lebenslangen, finanziellen Verpflichtungen für ihre behinderten Kinder. Die eine oder andere weitere Möglichkeit mag noch in Frage kommen. Aber im Allgemeinen können die Risiken und psychischen Kosten von Eltern nicht auf andere Personen oder den Staat abgewälzt werden. Am besten hilft eine Wirtschaftspolitik, die für wirtschaftliches Wachstum und Prosperität sorgt und generell wirtschaftliche Risiken mindert.

Demografischer Wandel und Migration – Erfahrungen, Perspektiven und Optionen zu ihrer Steuerung Von Hans Dietrich von Loeffelholz1 I. Einführung Nach den Vorausberechnungen der amtlichen Statistik sieht sich Deutschland in den nächsten Jahrzehnten einer massiv schrumpfenden und spürbar alternden Bevölkerung gegenüber. Der demografische Wandel, der Mitte der 1970er Jahre mit niedrigen Geburtenraten seinen Anfang nahm, wird ab 2020 noch an Dynamik gewinnen und alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche erfassen. Dies gilt zumal, wenn wie in den vergangenen beiden Jahrzehnten, die Zuwanderung nach Deutschland immer weiter zurückgeht. Die absehbare Bevölkerungsentwicklung ist neben der Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union und neben dem allein schon technologisch bedingt fortschreitenden Globalisierungsprozess die wichtigste, längerfristig noch zunehmende Herausforderung für Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland. Dies gilt in besonders starkem Maße für alle ostdeutschen Länder einschließlich Berlin. Wie diese Herausforderungen bewältigt werden, entscheidet über die Zukunft der Bevölkerungs- und der Wirtschaftsentwicklung und längerfristig darüber, wie sich die Lebensverhältnisse in den ostdeutschen Ländern im Vergleich zu den westdeutschen bei aller Heterogenität unter- und zwischeneinander entwickeln werden.2 1 Dr. Hans Dietrich von Loeffelholz ist Chefökonom und leitet die wirtschaftswissenschaftliche Migrations- und Integrationsforschung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Nürnberg. Der Autor dankt Barbara Heß und Waldemar Lukas sowie Kerstin Lorek, Elmar Kuhnigk und Sebastian Köllner für ihre umsichtige Forschungsassistenz, kritischen Kommentare, weiter führenden Anmerkungen und redaktionellen Hinweise. 2 Die Heterogenität der Entwicklung gilt naturgemäß gerade auf lokaler und regionaler Ebene und zwischen Wachstumsregionen, wie in und um Dresden, Leipzig, Halle, Erfurt und Berlin, einerseits (in Anknüpfung an die Industriestrukturen Mitteldeutschlands in der Vorkriegszeit (siehe U. Heilemann/S. Wappler: Bald so wie überall? Strukturwandel der ostdeutschen Wirtschaft 1992–2006. In: J. Ragnitz: Ostdeutschland heute: Viel erreicht, viel zu tun. ifo Schnelldienst, Sonderausgabe

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Der zu ehrende Jubilar hat immer wieder auf die „Wechselwirkungen von Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung“ hingewiesen, deren „Erfassung das Arbeitsziel einer Nationalökonomik darstellt, die sich als Bevölkerungsökonomik begreift“.3 Diese Interdependenzen sollen nicht aus den Augen verloren werden, wenn im Folgenden vornehmlich demografisch und hier wiederum unter räumlichen Aspekten mit Blick auf das nationale und internationale Wanderungsgeschehen in Ostdeutschland argumentiert wird. Genauso wenig soll – wie der Jubilar mit Verweis auf „seine“ heterodoxe Bevölkerungsökonomik in Erinnerung ruft4 – vernachlässigt werden, dass der zu- oder abwandernde Mensch – sei er Ausländer oder Einheimischer – nicht nur potenzielle Arbeitskraft ist, sondern eben auch Nachfrager nach privaten und öffentlichen Gütern, potenzieller Elternteil und Staatsbürger, Wissensträger und Erfinder, Unternehmer und Investor, Arbeitgeber und Ausbilder sowie z. B. ehrenamtlich Engagierter. Diese Potenziale verringern sich besonders in Ostdeutschland, wenn die Einwohnerzahl dort nach den Vorausberechnungen der 11. koordinierten Projektionen des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 20075 von 16,6 Mio. Einwohnern6 schon bis 2020 um mehr als 7,5% auf 15,3 Mio. 20 Jahre Mauerfall. Ausgabe 18/2009, S. 30–37) und strukturschwachen Landstrichen andererseits. M. Hüther stellt deshalb fest: „Die starke regionale Differenzierung der Bevölkerungsentwicklung begründet Zweifel daran, ob die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse noch einigermaßen realistisch ein Ziel der Politik sein kann“ (M. Hüther: Berlin muss mehr als nur Gemeinplätze liefern. Handelsblatt Nr. 225 vom 20. November 2009, S. 7). Zu den längerfristigen lokalen Migrationserfahrungen und -wirkungen für Groß- und Landeshauptstädte in der alten Bundesrepublik vgl. H. D. von Loeffelholz: Auswirkungen der Migration auf die ökonomische Entwicklung von Kommunen. In: F. Gesemann/R. Roth (Hrsg.): Lokale Integrationspolitik in der Einwanderergesellschaft. Migration und Integration als Herausforderungen von Kommunen, S. 171–194. 3 Siehe A. Wagner: Orthodoxe und heterodoxe Bevölkerungsökonomik, in diesem Band, S. 39. 4 Siehe A. Wagner: Orthodoxe und heterodoxe Bevölkerungsökonomik, a. a. O., S. 38 ff. 5 Am 18. November 2009 veröffentlichte das Statistische Bundesamt die Bundesergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung bis 2060 (siehe Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 18. November 2009 in Berlin.). Erwartungsgemäß setzt sich der Trend zur Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung in Deutschland fort. Die entsprechenden Länderergebnisse sind im Februar 2010 veröffentlicht worden; im gegebenen Rahmen wurden sie wegen nur geringer Abweichungen nicht berücksichtigt. 6 Hierzu werden die Einwohner Berlins (31. Dezember 2007: 3,404 Mio.) und der Flächenländer Brandenburg (2,5478 Mio.), Mecklenburg-Vorpommern (1,6938 Mio.), Sachsen (4,2498 Mio.), Sachsen-Anhalt (2,4418 Mio.) und Thüringen (2,3111 Mio.) zusammengefasst.

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schrumpft – gegenüber lediglich 1,4% in den alten Ländern. Bis 2050 geht die Bevölkerung im östlichen Teil Deutschlands auf 12 Mio. Einwohner und damit um 4,6 Mio. Personen bzw. 27% gegenüber dem gegenwärtigen Stand zurück. In den alten Ländern beträgt der Rückgang mit 13% nur etwa halb so viel. Die Ursachen für die absehbare demografische Entwicklung sind bekannt; die anhaltenden Abwanderungen von Ostdeutschland in die alten Länder reißen zusammen mit einer weiter niedrigen Geburtenrate bei einer immer schmaleren Basis eine demografische Lücke in den neuen Ländern auf, die durch Zuwanderungen aus West-, Süd- und Norddeutschland sowie aus dem Ausland nur wenig verengt wird. Der Anteil der älteren Mitbürger steigt in den neuen Ländern spürbar schneller als in den alten, während der der jüngeren und reproduktiven in Ostdeutschland rapide sinkt. Damit verschlechtern sich die demografischen Standortbedingungen für die Entstehung, Verteilung und Verwendung der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung in Ostdeutschland. Es steht immer weniger Potenzial an Erwerbspersonen zur Erwirtschaftung des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP) zur Verfügung.7 Dieses hat heute – zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer – pro Einwohner erst 71% des westdeutschen Niveaus erreicht.8 Mit der demografischen Schrumpfung und Alterung in den ostdeutschen Ländern nehmen die Chancen für ein weiteres Aufholen im Wachstumsprozess ab – vielmehr steigen die Risiken, dass der Aufholprozess nicht nur zum Stillstand kommt, sondern dass auch noch die ohnehin geringen Gewinne der vergangenen zehn Jahre verloren gehen. Die Gefahr wächst auch dadurch, dass die materielle und immaterielle Infrastruktur, die von der öffentlichen Hand in den neuen Bundesländern, aber auch in privater Regie in den beiden zurückliegenden Dekaden modernisiert und ausgebaut wurde, unter hohem Aufwand der sich laufend reduzierenden quantitativen und qualitativen Inanspruchnahme angepasst werden muss. Deshalb sollen die zukünftige ostdeutsche Bevölkerungsentwicklung und die Bedeutung der dortigen internationalen Migration, die nach dem Paradigmenwechsel der deutschen Migrations- und Integrationspolitik zu Beginn dieser Dekade mit der Green-Card-Regelung vom August 2000 und ins7 Siehe J. Fuchs/M. Hummel/G. Zika: Demografie prägt den ostdeutschen Arbeitsmarkt. IAB-Kurzbericht 21/2009. Nürnberg: IAB, S. 2 ff. 8 Das hier angeführte BIP je Einwohner hatte unmittelbar nach der deutschen Einigung 1991 knapp 43% betragen und sich schon bis 1995 auf 67,1% des westdeutschen Niveaus erhöht (siehe J. Ragnitz: Ostdeutschland heute: Viel erreicht, viel zu tun. ifo Schnelldienst, Sonderausgabe 20 Jahre Mauerfall. Ausgabe 18/2009, S. 4.). Seitdem kam es nur noch zu einem leichten Anstieg auf die genannten 71% (2008). Zu den Gründen, wie Abschluss der Anpassung des überdimensionierten Bausektors, der Redimensionierung des öffentlichen Sektors, und zum Verlauf des damit verbunden sektoralen Strukturwandels bis 2006 siehe U. Heilemann/S. Wappler: Bald so wie überall?, a. a. O., S. 33 ff.

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besondere seit 2005 mit dem Zuwanderungsgesetz „. . . unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie nach den wirtschaftlichen und arbeitsmarktspezifischen Bedarfen ermöglicht und gestaltet wird . . .“,9 im Vordergrund des vorliegenden Beitrags stehen. Den Hintergrund bilden die vielschichtigen Profile der Migranten nach der Wagner’schen heterodoxen Demoökonomik.10 Die Gestaltung der Zuwanderung (managed migration11) auf dem Weg der Anwerbung hoch und gut qualifizierter Arbeitskräfte einschließlich viel versprechender Unternehmer und Selbständiger aus dem Ausland ist seit Beginn des Jahrzehnts wichtiges Stichwort der nationalen und internationalen Debatte über moderne Migrationsregime und deren Kontrastierung mit der jeweiligen Politik der Nationalstaaten.12 Die Staaten versuchen zunehmend – einer merkantilistischen Orientierung und „Ökonomisierung“ folgend –,13 die Migration in ihre Länder jeweils nach ihren ökonomischen Bedarfen, insbesondere nach dem zukünftigen Bedarf ihrer Arbeitsmärkte im technologischen Wandel, aber auch nach dem demografischen Bedarf zu steuern.14 Das beginnt mit der Attrahierung ausländischer Studenten und 9 § 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG) vom 30. Juli 2004. In: Deutsches Ausländerrecht, 23. Auflage 2009 (Becksche Texte in dtv). 10 Siehe A. Wagner: Regionalökonomik: Konvergierende und divergierende Regionalentwicklungen. In: Ludwigsburger Gespräch „Regionen als Motoren des Wachstums“, 24. bis 25. April 2007. Vortrag auf der Jahrestagung des Ausschusses für Evolutorische Ökonomik im Verein für Socialpolitik in Münster, 5. bis 7. Juli 2007. 11 Siehe dazu den internationalen Überblick bei W. Cornelius/T. Tsuda/P. Martin/J. Hollifield: Controlling Immigration. A Global Perspective. Second Edition, Stanford, CA: Stanford University Press, 2004. 12 Siehe Council on Foreign Relations: U. S. Immigration Policy. Independent Task Force Report No. 63, CFR: New York, 2009, S. 9. 13 Siehe U. Heilemann/H. D. von Loeffelholz (Hrsg.): Arbeitsmarktsteuerung der Zuwanderung – neuere deutsche Ansätze und internationale Erfahrungen. Untersuchungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Essen: RWI, 2003. 14 Zu der grundsätzlichen Frage- und Problemstellung der Steuerung von Migration und Integration siehe S. Luft: Staat und Migration. Zur Steuerbarkeit von Migration und Integration. Frankfurt/New York: Campus, 2009, insbes. S. 299 ff. Er verweist darauf, dass es sich bei Zuwanderungsprozessen nicht um statische, sondern um dynamische langfristige Prozesse handelt. Eine Steuerung und Begrenzung des einmal in Gang gebrachten Prozesses durch demokratische Rechtsstaaten gestalte sich als schwierig. Die Ursachen dafür seien vielfältig: Im Einzelnen nennt er divergierende Interessen und Rivalitäten verschiedener Akteure, Kompetenzkonflikte und unklare Entscheidungsstrukturen, konjunkturelle Einflüsse, humanitäre Rückführungshemmungen, mangelndes Problembewusstsein der politischen Eliten und Durchsetzungswille der Zuwanderer.

Demografischer Wandel und Migration

97

Auszubildender und reicht bis zur Reaktivierung von Ruheständlern für den globalen Arbeitsmarkt. Besonders attraktiv ist eine solche Politik, die auf diese externe demo-ökonomische Option setzt, solange, wie der Integrationsbedarf der relativ jungen Zuwanderer in die jeweiligen Gesellschaften gering ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es sich um gut qualifizierte und noch mehr um hochqualifizierte Zuwanderer und ihre Familien handelt, da bei ihnen auch eine hohe Sprachkompetenz oder die Bereitschaft zum Erwerb einer solchen vorausgesetzt werden kann. Mit Blick auf diese nationale und internationale Debatte wird im Folgenden nach den migrations- und integrationsspezifischen Perspektiven und Handlungsoptionen zur Abfederung der demografischen und – davon abhängig – wirtschaftlichen Auswirkungen der absehbaren Entwicklungen in Ostdeutschland gefragt. Wenn Zuwanderungen nach Deutschland, wie angeführt, seit Mitte dieser Dekade dem Willen des Gesetzgebers folgend nach den wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen des Landes gesteuert werden sollen, dann gilt dieser Auftrag angesichts der dargestellten Herausforderungen gerade auch und vorrangig für Ostdeutschland. Der Beitrag ist wie folgt gegliedert: Im 2. Abschnitt wird der theoretische und empirische Rahmen skizziert, in dem die folgenden Überlegungen zur Steuerung der Migration zugunsten Ostdeutschlands angestellt werden. Dabei werden zum einen die Pull-Faktoren für Migration in die neuen Bundesländer angesprochen und analysiert, inwieweit sie dazu geeignet erscheinen, als Anreize für Zuwanderung in diese Regionen zu dienen. Zum anderen wird in diesem Teil auch auf die amtlichen Bevölkerungsvorausberechnungen sowie die vorliegenden Projektionen für die Beschäftigungsentwicklung in Deutschland insgesamt sowie in den alten und neuen Ländern eingegangen, einschließlich der Wanderungsbewegungen von Ost- nach Westdeutschland und nach und von Ostdeutschland aus dem bzw. ins Ausland. Daraus wird – rein rechnerisch – der kompensatorische Zuwanderungsbedarf aus Westdeutschland und von außerhalb Deutschlands ermittelt. Im folgenden Teil (III.) werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Zuwanderung zum Zwecke der Erwerbstätigkeit genannt, um so Ansatzpunkte für die regionale Steuerung der Migration in Richtung Ostdeutschland identifizieren zu können. Im vierten Teil des Beitrags werden die national und international zunehmend diskutierten nachfrageorientierten Migrationsregime (Blaue Karte EU, Punktesystem, kriteriengesteuertes System nach dem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode) daraufhin untersucht, inwieweit sie den speziellen An- und Herausforderungen Ostdeutschlands gerecht werden könnten. Eine Zusammenfassung sowie migrations- und integrationspolitische Schlussfolgerungen beschließen den Beitrag (V.).

98

Hans Dietrich von Loeffelholz

II. Theoretischer und empirischer Rahmen Ein theoretischer Rahmen im Sinne eines umfassenden und befriedigenden Erklärungs- und Handlungsmodells für eine effiziente Migrationspolitik existiert nur in Ansätzen.15 Gemeinsam ist den existierenden Ansätzen die Annahme rationaler Entscheidungen der Akteure, welche letztlich Wanderungen auslösen. Bedeutende Unterschiede bestehen jedoch darin, wie präzise Faktoren einer Wanderungsentscheidung angegeben werden können und wie offen die Theorie für Vertiefungen ist. Die folgenden Ausführungen orientieren sich am ‚Push-Pull-Paradigma‘, das davon ausgeht, dass bei gegebenen ‚Abstoßungsfaktoren‘ der Herkunftsregionen von ausländischen Zuwanderern ‚Anziehungsfaktoren‘ in Ostdeutschland das tatsächliche Wanderungsgeschehen dorthin bestimmen. Diese Faktoren sind durch Migrations- und Integrationspolitik politisch gestaltbar und werden auch durch andere Politikbereiche wie die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die Wirtschafts- und Finanzpolitik oder durch die Bildungspolitik auf den verschiedenen Ebenen des Gemeinwesens bis hin zur Europäischen Union beeinflusst. Wenn auch das ‚Push-Pull-Paradigma‘ letztlich kein eigenständiger theoretischer Ansatz ist, sondern lediglich eine suggestive Bezeichnung,16 bildet er einen nützlichen, vor allem anschaulichen Bezugsrahmen. Innerhalb dessen können makro- und mikrotheoretische Erklärungsversuche unterschieden werden. Es besteht Konsens darüber, dass die Arbeitsmarktsituation vor Ort (Erwerbsbeteiligung, Arbeitslosigkeit), Lohn- und Einkommensperspektiven, Lebenshaltungskosten, aber auch die materielle und immaterielle Infrastruktur bis hin zur Einstellung und zum Verhalten der ansässigen Bevölkerung gegenüber Zuwandernden wichtige Pull-Faktoren bzw. Anreize darstellen, vorübergehend oder auf Dauer nach Ostdeutschland zu migrieren. Die Entwicklung der Faktoren ist auch maßgebend dafür, dass auch Einheimische davon absehen, abzuwandern. Den empirisch-quantitativen Bezugsrahmen des vorliegenden Beitrags bilden die amtlichen Vorausberechnungen des zukünftigen Bevölkerungsverlaufs in Gesamt-, West- und Ostdeutschland (vgl. Schaubilder 1 und 2).17 Auf dieser Basis ermittelt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in seinen neuesten Projektionen die für die wirtschaftlichen Perspekti15

Siehe S. Kroenert: Migrationstheorien. Online-Zugriff am 14. November 2009 unter http://www.berlin-institut.org/fileadmin/user_upload/handbuch_texte/pdf_ Kroehnert_Migrationstheorien.pdf. 16 Der Grund dafür ist, dass trotz der plausiblen Annahme existierender Pushund Pull-Faktoren letztlich offen bleibt, was diese Faktoren im Einzelnen zu gegebener Zeit im gegebenen Raum von welcher Dauer sind und wie sie durch Hypothesen eines eigentlichen Theorieansatzes gefüllt werden müssen. 17 Vgl. Fußnote 5.

Baden-Württemberg

2010

2015

Bayern 2020

Hessen 2025

NRW 2030

Schleswig-Holstein 2035

Rheinland -Pfalz 2040

Niedersachsen 2045

2050

insgesamt

Saarland

Bremen

Hamburg

Schaubild 1: Vorausberechnete Bevölkerungsentwicklung in den alten Ländern der Bundesrepublik (ohne Berlin) 2007 bis 2050, Veränderung gegenüber 2007 in Prozent

Eigene Berechnungen auf der Grundlage der 11. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (2007) des Statistischen Bundesamts, Variante nach Ländern, Variante 1-W1 („mittlere“ Bevölkerung, Untergrenze 2007). Internet-Zugriff am 29. September 2009.

–30

–25

–20

–15

–10

–5

0

5

Demografischer Wandel und Migration 99

Sachsen

2010

2015

MecklenburgVorpommern 2020

2025

Brandenburg 2030

2035

Thüringen 2040

2045

Sachsen-Anhalt 2050

insgesamt

Berlin

Schaubild 2: Vorausberechnete Bevölkerungsentwicklung in den neuen Ländern der Bundesrepublik (einschließlich Berlin) 2007 bis 2050, Veränderung gegenüber 2007 in Prozent

Eigene Berechnungen auf der Grundlage der 11. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (2007) des Statistischen Bundesamts, Variante nach Ländern, Variante 1-W1 („mittlere“ Bevölkerung, Untergrenze 2007). Internet-Zugriff am 29. September 2009.

–40

–35

–30

–25

–20

–15

–10

–5

0

100 Hans Dietrich von Loeffelholz

Demografischer Wandel und Migration

101

ven und den weiteren Aufholprozess für Ostdeutschland ausschlaggebende Entwicklung des dortigen Erwerbspersonenpotenzials18 und der effektiven Beschäftigung.19 Das Institut kommt zu dem Ergebnis, dass in den neuen Ländern die Zahl der 15- bis 64-jährigen deutschen Bevölkerung von heute etwa 10 Mio. bis zum Jahr 2050 auf ungefähr 4,5 Mio. und damit auf unter 50% des Ausgangsbestandes schrumpft.20 Die Autoren weisen darauf hin, dass der wesentliche Grund für diese stark negative Bevölkerungsentwicklung der Geburtenrückgang nach der deutschen Einigung ist, als sich die Geburtenrate wegen der großen Unsicherheit zeitweise fast halbierte. Dieser Ausfall mache sich nun am Arbeitsmarkt bemerkbar und würde dazu führen, dass aus rein demografischen Gründen – also isoliert betrachtet – das ostdeutsche Erwerbspersonenpotenzial bis 2025 um mehr als zwei Mio. Personen schrumpft und danach bis 2050 um mindestens weitere zwei Mio. Das IAB verweist zudem auf die Verstärkung des abwärtsgerichteten Bevölkerungstrends durch die Abwanderung Ostdeutscher in die westdeutschen Länder. Zwischen 1991 und 2008 summierte sich die Abwanderung im Saldo der Fort- mit den Zuzügen auf 1,1 Mio. meist jüngere, vorwiegend weibliche Personen. Schaubild 3 zeigt deutlich das Auf und Ab der Binnenwanderung in Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung in Ost und West, wie es typisch für die gesamte Geschichte der Zuwanderung von Deutschen und Ausländern in die Bundesrepublik seit Ende des 2. Weltkriegs ist (Schaubild 4).21 Nach der in der IAB-Projektion angenommenen Binnenwanderung der deutschen Bevölkerung würde Ostdeutschland bis 2025 insgesamt weiter rund 250 000 Arbeitskräfte verlieren. 18

Darunter subsumiert das IAB die Gesamtzahl von Erwerbstätigen, Arbeitslosen und Personen in der Stillen Reserve. 19 Siehe J. Fuchs/M. Hummel/G. Zika: Demografie prägt den ostdeutschen Arbeitsmarkt, a. a. O., S. 2–3. 20 Siehe J. Fuchs/D. Söhnlein: Langfristprojektionen bis 2050: Dramatischer Rückgang der Bevölkerung im Osten. IAB-Kurzbericht 18/2005. Nürnberg: IAB. Damit muss die ostdeutsche Wirtschaftsleistung insgesamt c. p. nicht in gleichem Ausmaß zurückgehen. Pro-Kopf-Einkommen können gleichwohl aufgrund von „normalen“ Produktivitätssteigerungen steigen. Den gleichwohl mit dem demografischen Wandel für die Jüngeren verbundenen erheblichen Belastungen aus der Beanspruchung der Älteren aus dem impliziten Generationenvertrag und den Kosten durch diseconomies of scale und scope kann nur durch mehr Importe bzw. durch zusätzliche Investitionen im Inland zur Beschleunigung des technischen Fortschritts entgegengewirkt werden. Zur Größenordnung der Herausforderung vgl. A. Börsch-Supan: Bevölkerungsalterung durch die Augen des Ökonomen: Die gesamtwirtschaftlichen Folgen des demografischen Wandels. In: H. Mollenkopf/H.-W. Wahl (Hrsg.): Alternsforschung am Beginn des 21. Jahrhunderts, Akademische Verlagsgesellschaft, Berlin, 2007, S. 123 ff. 21 Vgl. die Chronik der Ausländer-, Migrations- und Integrationspolitik in der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 2009 im Kontext der konjunkturellen Entwicklung im Anhang zu diesem Beitrag.

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

2005

2004

Schaubild 3: Binnenwanderungen von Ost- nach Westdeutschlanda, 1991 bis 2008

Eigene Darstellung auf der Basis der Daten des Statistischen Bundesamts. Zahlen für 2008 sind vorläufig. a) Ohne Binnenwanderung von Berlin-Ost nach Berlin-West.

0

20.000

40.000

60.000

80.000

100.000

120.000

140.000

160.000

180.000

102 Hans Dietrich von Loeffelholz

2008

2007

2006

1961

1959

1957

1955

1953

1951

1949

1947

konjunkturelle Abschwungphasen

Anwerbestopp 1973

1996

1992

1989

ausländische Zuwanderer

EUErweiterungen 2004/2007

deutsche Zuwanderer

1998

1985

1981

1979

1977

1975

1973

1971

1967

1965

1963

Schaubild 4: Saldo der Wanderungen in die und aus der Bundesrepublik Deutschland im Konjunkturablauf 1947 bis 2007, in 1000 Personen

Eigene Darstellung nach Angaben des Bundesministeriums des Innern (2008) und des Migrationsberichts 2007, S. 223 ff. Zu den Konjunkturphasen vgl. U. Heilemann: Widerwillig, Spät, Planlos – deutsche Konjunkturpolitik 2008 und 2009. In: Stichworte zu einer Konferenz der vom Institut des recherches economiques et sociales (ires), der Hans Böckler Stiftung (HBS) sowie der Friedrich Ebert Stiftung (FES) veranstalteten Tagung „Die Konjunkturprogramme in Europa und Beschäftigung: Eine erste Bilanz“ am 3. Juni 2009 in Berlin.

–400

–200

0

200

400

Mauerbau 1961

1983

600

1969

Rückkehrhilfen 1983

2000

Anwerbung 1955–1968

2002

800

1987

Asylkompromiss und Asylverfahrensgesetz 1993

2004

1.000

1994

Wiedervereinigung 1990

2006

1.200

Demografischer Wandel und Migration 103

104

Hans Dietrich von Loeffelholz

Schaubild 5 zeigt für Ostdeutschland die in den vergangenen elf Jahren (bis einschließlich 2008) erfolgte Zu- und Abwanderung von Deutschen und Ausländern22 aus dem bzw. ins Ausland. Insgesamt sind im Betrachtungszeitraum auf dem Weg über diese internationale Migration 1,1 Mio. Personen aus dem Ausland zu- und 910 000 ins Ausland weggezogen, so dass die Bevölkerung in den neuen Ländern insgesamt um 182 000 deutsche und nicht-deutsche Personen zugenommen hat. Dass es 2008 zum ersten Mal seit 1998 insgesamt mehr Fortzüge ins Ausland als Zuzüge von dort (ca. 3 000 mehr) gab, hatte teilweise meldetechnische Gründe.23 Bis zum Jahr 2007 sind seit 1998 im Saldo in jedem Jahr durchschnittlich knapp 18 000 Personen aus dem Ausland in Ostdeutschland hinzugekommen. Aufgrund der in den ersten Jahren nach dem Mauerfall sehr wenigen (verbliebenen oder zuwandernden) Ausländer interessieren die Zu- und Fortzüge von Nicht-Deutschen in den einzelnen neuen Ländern in den zurückliegenden elf Jahren (Tabelle). Insgesamt kamen nach Ostdeutschland fast 938 000 ausländische Zuwanderer aus dem Ausland und knapp 718 000 verließen die Länder wieder in Richtung Ausland. Der Saldo von 220 000 Ausländern (23% aller zugezogenen Ausländer24) setzt sich zu zwei Fünftel aus Zuwanderungen nach Berlin (90 585 Personen), zu einem knappen Fünftel nach Sachsen (41 180) und zu je einem Zehntel nach Sachsen-Anhalt (23 316), Thüringen (21 679), Brandenburg (19 914) und MecklenburgVorpommern (20 663) zusammen. Die Anzahl der Ausländer in Ostdeutschland erhöhte sich im Betrachtungszeitraum aber nur um ca. 90 000 auf 22 Aus datentechnischen Gründen werden hier nur Deutsche und Ausländer unterschieden. Von einer Differenzierung nach Personen mit und ohne Migrationshintergrund wird abgesehen. Zu den definitorischen Abgrenzungen vgl. Bundesministerium des Inneren (Hrsg.): Migrationsbericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Bundesregierung. Migrationsbericht 2007, Nürnberg: BAMF, 2007, S. 187 ff. 23 So meldet das Statistische Bundesamt in einer Pressemitteilung am 4. November 2009: „. . . die verzeichneten hohen Fortzugszahlen (für Gesamtdeutschland, d. V.) sind . . . jedoch teilweise auf die Bereinigung der Melderegister zurückzuführen: Wegen der bundesweiten Einführung der Steuer-Identifikationsnummer für jeden Bundesbürger werden seit 2008 umfangreiche Bereinigungen der Melderegister vorgenommen, die zu zahlreichen Abmeldungen von Amts wegen führen. In welchen Umfang der Rückgang der Bevölkerungszahlen auf die Bereinigungen zurückzuführen ist, kann nicht quantifiziert werden“ (Statistisches Bundesamt: Bevölkerung in Deutschland Ende März 2009 unter 82 Millionen. Pressemitteilung Nr. 417 vom 4. November 2009). 24 In der alten Bundesrepublik blieben zwischen 1998 und 2008 im Saldo der Zu- und Fortzüge mit 730 000 Ausländern nur 12,5% bzw. nur halb so viele der insgesamt zugezogenen Ausländer wie in Ostdeutschland, weil im Westen die Saisonbeschäftigungen und andere temporäre Arbeiten bzw. Beschäftigungen eine größere Rolle spielen.

1998

1999

2000

2001

2002 2003 2004 Zuzüge Fortzüge

2005

2006

2007

Schaubild 5: Zu- und Fortzüge von Deutschen und Ausländern zwischen Ostdeutschland und dem Ausland, 1998 bis 2008

Eigene Darstellung nach Angaben des Bundesministeriums des Innern (2008) und des Migrationsberichts 2007, S. 223 ff. – Zahlen für 2008 sind vorläufig.

0

20.000

40.000

60.000

80.000

100.000

120.000

140.000

2008

Demografischer Wandel und Migration 105

42 761

42 648

40 240

39 662

37 496

35 219

36 786

37 048

35 398

37 950

38 987

424 195

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

insgesamt

Zuzüge

1998

Jahr

333 610

33 289

30 278

24 028

20 626

24 332

27 125

27 817

29 122

36 172

37 476

43 345

Fortzüge

Berlin

90 585

5 698

7 672

11 370

16 422

12 454

8 094

9 679

10 540

4 068

98 291

6 513

6 708

7 128

7 537

8 229

8 776

10 464

10 079

9 377

11 937

11 543

584 5 172

Zuzüge

Saldo

78 377

6 403

5 594

6 564

6 692

7 689

6 998

7 139

6 225

6 884

9 250

8 939

Fortzüge

Brandenburg

19 914

110

1 114

564

845

540

1 778

3 325

3 854

2 493

2 687

2 604

Saldo

62 829

5 369

5 059

4 565

4 843

5 251

5 704

6 573

6 381

6 399

7 083

5 602

Zuzüge

42 166

4 273

3 489

3 113

3 855

4 708

3 355

3 825

3 341

3 498

4 483

4 226

Fortzüge

20 663

1 096

1 570

1 452

988

543

2 349

2 748

3 040

2 901

2 600

1 376

Saldo

Mecklenburg-Vorpommern

Tabelle 1 Zu- und Fortzüge von Ausländern zwischen den ostdeutschen Ländern und dem Ausland, 1998 bis 2008

106 Hans Dietrich von Loeffelholz

18 445

18 768

18 776

17 573

16 624

14 657

14 391

13 838

14 524

189 085 147 905

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

insgesamt

41 180

1 490

2 783

3 023

3 864

1 041

5 374

7 491

6 763

3 925

5 159

267

Saldo

92 538

6 351

6 209

6 277

7 273

9 104

8 707

9 438

9 704

8 834

10 838

9 803

66 222

6 193

4 981

4 781

5 829

8 062

5 098

5 581

4 787

6 343

6 412

8 155

Zuzüge Fortzüge

26 316

158

1 228

1 496

1 444

1 042

3 609

3 857

4 917

2 491

4 426

1 648

Saldo

Sachsen-Anhalt

71 016

5 505

5 363

5 032

5 044

5 934

5 758

7 127

8 119

7 470

8 689

6 975

49 337

4 522

3 907

4 201

4 079

4 884

3 983

4 468

4 799

5 606

4 496

4 392

Zuzüge Fortzüge

Thüringen

21 679

983

1 456

831

965

1 050

1 775

2 659

3 320

1 864

4 193

2 583

Saldo

67 714

59 304

54 055

51 874

65 258

58 758

60 115

60 279

73 023

78 360

88 877

9 535

15 823

18 736

24 528

16 670

22 979

29 759

32 434

17 742

24 237

7 894

Saldo

937 954 717 617 220 337

77 249

75 127

72 791

76 402

81 928

81 737

89 874

92 713

90 765

102 597

96 771

Zuzüge Fortzüge

Ostdeutschland insgesamt

Eigene Berechnungen nach Angaben des Bundesministeriums des Innern (2008) und des Migrationsberichts 2007, S. 223 ff. – Zahlen für 2008 sind vorläufig.

13 034

11 055

11 368

10 793

15 583

12 199

11 285

12 005

14 520

16 243

21 402

1999

19 820

20 087

Zuzüge Fortzüge

Sachsen

1998

Jahr

Demografischer Wandel und Migration 107

108

Hans Dietrich von Loeffelholz

knapp 800 000. Der Grund dafür ist, dass mehr als die Hälfte der ursprünglich nach Ostdeutschland zugewanderten Ausländer in den Westen weitergewandert ist oder eingebürgert wurde. Deshalb erhöhte sich der jeweilige Ausländeranteil an der Bevölkerung der ostdeutschen Länder nur um zwischen 2%-Punkte in Berlin und 1%-Punkt in den anderen Ländern; damit stieg der Anteil auf 14% in der Hauptstadt bzw. auf zwischen 2 und 3% in Sachsen und in Brandenburg.25 Nach Angaben des IAB bestand das Erwerbspersonenpotenzial in ganz Deutschland im Jahr 2005 (44,5 Mio. Personen) zu knapp 9,7% aus Ausländern;26 dies entsprach 4,3 Mio. Personen. Davon lebten aber nur etwa 500 000 (11,6%) in den ostdeutschen Ländern (einschließlich Berlin), während der Anteil des Ostens am gesamten Erwerbspersonenpotenzial mit 9,7 Mio. Personen bei 21,8% lag. 5,2% des ostdeutschen Erwerbspersonenpotenzials waren Ausländer (im Westen 10,9%). Die zukünftige Entwicklung der Zuwanderung aus dem Ausland wird unter den üblichen zentralen Projektionsannahmen der amtlichen Statistik abgeschätzt. Dabei erscheint die Basisvariante (jährlicher Nettozuzug von insgesamt 100 000 Ausländern [Personen, nicht nur potenziell Erwerbstätige] nach Deutschland insgesamt) realistisch, wenn man die vergangenen zehn Jahre mit durchschnittlich 90 000 Nettozuzügen von Ausländern nach Deutschland betrachtet. Unter der Voraussetzung, dass der Anteil an Ausländern, der davon im Osten wohnt, konstant bleibt (11,6%), wird das Erwerbspersonenpotenzial der Ausländer nach dieser Variante bis 2025 um 15 000 Personen schrumpfen. Bei ausbleibender Zuwanderung erhöht sich der Rückgang auf 40 000.27 Wollte man diesen Rückgang durch eine in 25 Damit stieg der Ausländeranteil in den neuen Ländern (außer Berlin) in den zehn Jahren zwischen 1998 und 2008 in ähnlichem Ausmaß wie in der alten Bundesrepublik zwischen 1960 und 1968. Die heutige Steigerung erscheint umso erstaunlicher, als damals nach dem Abflauen der Vertreibungs- und Flüchtlingswanderungen als Folge des II. Weltkriegs der Arbeitskräftemangel Mitte der 1950er Jahre zunahm und die Bundesregierung aktive Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland betrieb und 1955 mit Italien als erstem Land eine Anwerbevereinbarung abschloss. Ihr folgte bis 1968 eine Reihe weiterer Abkommen (z. B. 1960 mit Spanien und Griechenland sowie – auf Wunsch der türkischen Regierung als Reaktion auf die Vereinbarung mit der griechischen – 1961 mit der Türkei). Bis zum Anwerbestopp 1973 wanderten im Saldo 3,75 Mio. Ausländer zur Arbeitsaufnahme zu. 26 Siehe J. Fuchs/M. Hummel/G. Zika: Demografie prägt den ostdeutschen Arbeitsmarkt, a. a. O., S. 2. 27 Das IAB macht in seiner Projektion darauf aufmerksam, dass im Osten – anders als im Westen – ein Anstieg der Erwerbsbeteiligung kein nennenswertes Gegengewicht zum demografischen Effekt bildet. Unter den genannten Bedingungen führen die Demografie, die Binnenwanderung, die internationale Migration und die Veränderungen in der Erwerbsbeteiligung zusammen zu einem Rückgang beim ostdeutschen Erwerbspersonenpotenzial, der sich zwischen 2005 und 2025 auf beinahe

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diesem Sinne – nicht im rein demografisch-orthodoxen Sinne zum Ausgleich der allgemeinen Bevölkerungsschrumpfung in den ostdeutschen Ländern – kompensatorische Migrationssteuerung ausgleichen und zusätzlich den Anteil an Ausländern am Erwerbspersonenpotenzial in Ostdeutschland von – wie erwähnt – gegenwärtig 11,6% auf den ostdeutschen Anteil am Erwerbspersonenpotenzial insgesamt von 21,8% bringen,28 bedeutete dies rein rechnerisch eine Verdoppelung von 500 000 auf ca. 950 000 potenziell erwerbstätige Ausländer in Ostdeutschland. Dazu müsste eine Netto-Zuwanderung um jährlich 20 000 Personen im Durchschnitt der nächsten zwanzig Jahre stattfinden. Dass ein solcher Aufhol- und Anpassungsprozess an Niveaus und Strukturen der alten Bundesländer und damit eine spürbare Mobilisierung der o. g. vielschichtigen Profile der Arbeitskräfte bei einer effizienten heterodoxen Bevölkerungspolitik im gegebenen Zeitrahmen nicht unrealistisch ist, zeigen die Erfahrungen der zurückliegenden Dekade: Es kamen zwischen 1998 und 2007 im Saldo je Jahr über 20 000 Ausländer nach Ostdeutschland, über die Hälfte wanderte aber weiter in die alten Länder. Damit stellt sich die Frage, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Migrations- und Integrationspolitik bestehen und inwieweit diese so gestaltet werden könnten, dass der Anreiz zur Migration nach Ostdeutschland, und dort nicht nur vorwiegend nach Berlin, sondern auch in die dortigen Flächenländer, und zum Verbleib gesteigert wird. III. Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Migration nach Deutschland Die Migrationspolitik in Deutschland begrenzt und steuert per Aufenthaltsgesetz seit Anfang 2005 unter Aufrechterhaltung des seit 1973 geltenden Anwerbestopps für ausländische Arbeitskräfte aus Drittstaaten die Arbeitsmigration insbesondere nach den jeweiligen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen des Landes. Grundvoraussetzung der insoweit gesteuerten Erwerbsmigration nach Deutschland ist zum einen ein konkretes Vertrags- und Arbeitsplatzangebot eines konkreten Arbeitgebers, zum anderen der Mangel an vorrangig einzustellenden einheimischen oder ihnen gleichgestellten Arbeitskräften aus der EU;29 diese Zuwanderung ist also nachfragegesteuert. Das neue Gesetz will insbesondere die gut und hoch 2,3 Mio. Personen summiert. Die prognostisch nahezu sichere demografische Komponente hat dabei den weitaus größten Einfluss. 28 Damit würde auch der Ausländeranteil am Erwerbspersonenpotenzial in Ostdeutschland von z. Zt. 5,2% auf das westdeutsche Niveau von 10,9% gebracht. 29 Von diesem Erfordernis wird inzwischen in vielen Fällen hochqualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten abgesehen.

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qualifizierten Arbeitskräfte sowie Selbständige, Unternehmer und Freiberufler aus Drittstaaten ansprechen, deren Integrationsschwellen und -bedarfe zusammen mit ihren Familien in Deutschland als relativ niedrig angesehen werden. Zur Integration von Neuzuwanderern sowie für die nachholende Eingliederung von schon im Land ansässigen Migranten wurden Sprachund Orientierungskurse, Beratungen und Projekte durchgeführt, für die vom Bund allein in den Jahren 2007 und 2008 zusammen fast 300 Mio. e bzw. etwa 1000 e pro Kursteilnehmer ausgegeben wurden.30 Mit dem sog. Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007, mit dem elf asyl- und aufenthaltsrechtlich relevante EU-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt wurden, wurde neben der Erleichterung des Zuzugs von Selbständigen eine Vereinfachung des Zulassungsverfahrens für Forscher aus Drittstaaten eingeführt; es räumt diesen hoch qualifizierten Migranten u. a. neben dem Verzicht auf eine Vorrangprüfung am Arbeitsmarkt bestimmte Rechte hinsichtlich des Aufenthalts, der Hochschullehre, der Gleichbehandlung bei der Diplomanerkennung, der Arbeitsbedingungen, der sozialen Sicherheit, der Besteuerung und der Mobilität für Forschungstätigkeiten innerhalb der EU ein. Es besteht ein besonders hoher Abstand zwischen alten und neuen Ländern in Bezug auf die Zahl von Forschern jeweils pro 10 000 Erwerbstätige. Diese FuE-Intensität war in den neuen Ländern nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums Ende 2008 erst halb so hoch wie in den alten.31 Dies ist auf das Fehlen von Unternehmenszentralen mit wichtigen Funktionen wie Forschung und Entwicklung zurückzuführen.32 Der daraus resultierende starke Forschungs- und Entwicklungsbedarf in den neuen Ländern gilt sowohl für Unternehmen selbst als vorrangig auch für institutionelle und akademische Forschungseinrichtungen.33 30 Hinzu kommen noch die weit höheren Integrationsaufwendungen der öffentlichen Hände auf Länder- und Gemeindeebene, die ein Mehrfaches der genannten Beträge ausmachen dürften. Gemeinsam sind sie darauf gerichtet, die fiskalischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten der Nichtintegration von deutschen und ausländischen Zuwanderern zu reduzieren. Vgl. Näheres dazu aus der nordrhein-westfälischen Länderperspektive H. D. von Loeffelholz/D. Thränhardt: Kosten der Nicht-Integration ausländischer Zuwanderer. Gutachten im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Düsseldorf: MAGS, 1996. 31 Siehe Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Wirtschaftsdaten Neue Bundesländer. Ausgabe Mai 2009, S. 19. 32 Siehe M. Hüther: Der lange Atem des Strukturwandels. Normalisierung der Erwartungen. In: J. Ragnitz: Ostdeutschland heute: Viel erreicht, viel zu tun. ifo Schnelldienst, Sonderausgabe 20 Jahre Mauerfall. Ausgabe 18/2009 vom 30. September 2009, S. 26–29. 33 Vgl. W. Böhmer: Wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen zum Aufbau Ost. In: J. Ragnitz: Ostdeutschland heute: Viel erreicht, viel zu tun. ifo Schnelldienst, Sonderausgabe 20 Jahre Mauerfall. Ausgabe 18/2009 vom 30. September 2009, S. 16–18.

Demografischer Wandel und Migration

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Fast gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes Ende August 2007 hat das Bundeskabinett bei einer Klausurtagung in Meseberg Erleichterungen beim Zuzug von Bewerbern aus den neuen EU-Mitgliedstaaten mit Ingenieurberufen in den Fachrichtungen Maschinen-, Fahrzeugbau und Elektrotechnik sowie beim Zugang ausländischer Absolventen deutscher Hochschulen zum Arbeitsmarkt durch Verzicht auf individuelle Vorrangprüfung beschlossen. Auch wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Erstellung eines Gesamtzuwanderungskonzeptes eingesetzt. Diese hat im Sommer 2008 ein Aktionsprogramm unter dem Titel „Beitrag der Arbeitsmigration zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland“ vorgelegt. Es wurde Mitte Juli 2008 im Bundeskabinett beschlossen und sieht eine Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Hochqualifizierte vor,34 damit absehbaren Engpässen am Arbeitsmarkt vorgebeugt und angesichts der oben skizzierten demografischen Schrumpfung des Erwerbspersonenpotenzials schon jetzt Vorsorge getroffen werden kann. Dennoch genießt die Ausschöpfung des einheimischen Erwerbspersonenpotenzials Vorrang, was indes angesichts des demografischen Wandels gerade auch in den neuen Ländern immer mehr an Grenzen stößt. Die rechtliche Umsetzung des Aktionsprogramms erfolgte im Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz und in entsprechenden Verordnungen, die am 1. Januar 2009 in Kraft traten. Danach wird auf die Vorrangprüfung generell für Akademikerinnen und Akademiker aus den neuen EU-Mitgliedstaaten zum 1. Januar 2009 verzichtet; weiter wurde die Regelgrenze für das Mindesteinkommen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an Spezialisten und leitende Angestellte abgesenkt, allerdings unter Beibehaltung eines relativ zum allgemeinen ostdeutschen Einkommensniveau höheren Erfordernisses in den neuen gegenüber den alten Ländern.35 Weiter wurde der Arbeitsmarkt für Akademikerinnen und Akademiker aus Drittstaaten unter Beibehaltung der Vorrangprüfung und der Prüfung der Arbeitsbedingungen geöffnet, wobei gleichzeitig für deren Familienangehörige auf die Vorrangprüfung verzichtet wurde. Absolventinnen und Absolventen Deutscher Auslandsschulen werden durch Verzicht auf die Vorrangprüfung zu jeder berufsqualifizierenden Ausbildung und der anschließenden Beschäftigung sowie 34 Gleichzeitig wurden die Übergangsregelungen für Arbeitskräfte der neuen Beitrittsstaaten seit 2004 verlängert, d.h. die Einschränkung der (allgemeinen) Arbeitnehmerfreizügigkeit wird für die EU-8-Länder (z. B. für Arbeitskräfte aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn) bis 30. April 2011 und für Bulgarien und Rumänien bis zunächst 31. Dezember 2011 aufrecht erhalten. 35 Nach § 19 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG ist zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an Hochqualifizierte, die als Spezialisten und leitende Angestellte mit besonderer Berufserfahrung tätig werden, ein Gehalt von mindestens der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung im früheren Bundesgebiet erforderlich.

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bei Vorliegen eines akademischen Abschlusses zu jeder der Ausbildung entsprechenden Tätigkeit bevorzugt zugelassen. Schließlich wird der Aufenthaltsstatus für Bildungsinländerinnen und Bildungsinländer, also Personen, die Ausländer sind, in Deutschland aber einen Bildungsabschluss erworben haben, mit dem Ziel verbessert, sie für den Arbeitsmarkt zu gewinnen und von Sozialleistungen unabhängiger zu machen. Daneben wurde ein systematisches Monitoring zur Ermittlung des Bedarfs an Hochqualifizierten und Fachkräften eingeführt. Dabei hat die Bundesregierung alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte einbezogen. Das Bundesarbeitsministerium hat eine auf Dauer angelegte „Allianz“, bestehend aus den Sozialpartnern, Wissenschaftlern sowie Vertretern der Länder und der Bundesregierung, einberufen, die regelmäßig das kurz- und mittelfristige Arbeitskräfteangebot und die jeweilige -nachfrage nach Branchen, Qualifikationen und Regionen in Deutschland vor dem Hintergrund des demografischen Wandels analysieren wird. Weiter sollen die Rahmenbedingungen für Zuwandernde und Zugewanderte in Deutschland attraktiver gestaltet werden, indem die formale Anerkennung von ausländischen Abschlüssen erleichtert und weiter klargestellt werden soll, dass Ehegattinnen und Ehegatten von hoch qualifizierten Akademikerinnen und Akademikern vor der Einreise keine Deutschkenntnisse nachweisen müssen. Maßnahmen gegen Rassismus und Diskriminierung vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgesetzes sollen verstärkt werden. IV. Kriteriengesteuerte Migrationssysteme Knapp ein halbes Jahr nach dem Inkrafttreten des Arbeitsmigrationssteuerungsgesetzes ist auf der Basis der seit dem EU-Gipfel von Tampere 1999 und nach dem Haager Programm 2004 zunehmenden migrationspolitischen Kompetenzen der Union am 18. Juni 2009 die Richtlinie 2009/50/EG des Europäischen Rates vom 25. Mai 2009 verkündet worden. Diese legt die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung fest und formuliert gemeinsame Mindeststandards für die Aufnahme von drittstaatsangehörigen Fachkräften. Die Arbeitskräfte erhalten eine sog. Blaue Karte EU (nach der Farbe der Europafahne), wenn sie einen Arbeitsvertrag und einen Arbeitsplatz in der EU nachweisen und über eine qualifizierte Berufsausbildung verfügen; ferner muss die Höhe des in Aussicht stehenden Gehalts dem 1,5-fachen des Brutto-Durchschnittsgehalts im Aufnahmestaat entsprechen. Für Berufssparten, in denen ein besonderer Bedarf an Arbeitskräften besteht, kann diese Schwelle auf das 1,2-fache des Brutto-Durchschnittsgehalts gesenkt werden.36

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Das Ziel der Richtlinie, die Zulassung hochqualifizierter Arbeitskräfte und ihrer Familien zu erleichtern und die Gemeinschaft im sog. LissabonProzess bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, kann in Bezug auf Ostdeutschland nur erreicht werden, wenn eine Willkommenskultur für diese, auch in den klassischen Einwanderungsländern begehrten Fachkräfte geschaffen wird. Dass in den ostdeutschen Ländern eine im Vergleich zu Westdeutschland überproportional hohe Arbeitslosigkeit herrscht und die Ausländerarbeitslosigkeit in den neuen Ländern zudem – ähnlich wie in Westdeutschland – höher liegt als die der dortigen deutschen Arbeitskräfte, ist gerade ein Argument für eine stärkere Steuerung der (qualifizierten) Arbeitsmigration zugunsten Ostdeutschlands, wenn aufgrund eines qualifikatorischen mismatches hohe Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel gleichzeitig anzutreffen sind, wie Zimmermann et al. (2002) in ihrem ökonomischen Zuwanderungskonzept hervorheben.37 Die Einwanderung benötigter Fachkräfte auch nach Ostdeutschland könnte wie im Westen auch dadurch begünstigt werden, dass sich die potenziellen Zuwanderer nicht durch ein Geflecht an Verwaltungsorganisationen und Zuständigkeitsregelungen kämpfen müssen, sondern dass es eine zentrale Anlaufstelle mit einem zuständigen Ansprechpartner für sie gibt, an den sie sich bereits im Vorfeld der Migration mit allen Fragen in Bezug auf Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen, Anerkennung von Qualifikationen, Arbeitsrecht, Familienzusammenführung, Integrationsangebote etc. wenden können. Die zentrale Anlaufstelle würde dann den Kontakt zu den für die Beantwortung der Fragen örtlich zuständigen Behörden, Institutionen und Organisationen herstellen. Im Koalitionsvertrag für die neue Legislatur vom 26. Oktober 2009 ist festgelegt, dass „der Zugang von ausländischen Hochqualifizierten und Fachkräften zum deutschen Arbeitsmarkt systematisch an den Bedürfnissen des deutschen Arbeitsmarkts ausgerichtet und nach zusammenhängenden, klaren, transparenten und gewichteten Kriterien wie beispielsweise Bedarf, Qualifizierung und Integrationsfähigkeiten gestaltet werden muss. Darüber 36 Die Richtlinie berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten festzulegen, wie viele Drittstaatsangehörige zum Zwecke von hochqualifizierter Beschäftigung, z. B. auch nach Ostdeutschland, einreisen dürfen. Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Vgl. dazu auch H. D. von Loeffelholz: Die europäische Dimension: Brain Gain durch Blue Card? In: L. Meyer (Hrsg.): Brain Gain für alle? Migration als Entwicklung – Praktische und politische Handlungserfordernisse. Loccumer Protokolle 03/08, Rehburg-Loccum, 2008. 37 Siehe K. F. Zimmermann/T. Bauer/H. Bonin/R. Fahr/H. Hinte: Arbeitskräftebedarf bei hoher Arbeitslosigkeit – Ein ökonomisches Zuwanderungskonzept. Springer: Heidelberg, 2002.

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hinaus werden wir Regelungen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit . . . überprüfen und Vereinfachungen anstreben.“38 Die Festlegung der Koalition läuft auf ein Punktesystem in Deutschland hinaus. Es würde die bisher praktizierten, ausschließlich nachfrageorientierten Systeme und die damit national wie europäisch eröffneten Zugangsmöglichkeiten ergänzen, die jeweils von einem konkreten Arbeitsplatzangebot eines konkreten Unternehmens abhängig sind. Es berücksichtigte vor allem auch den oben erwähnten zunehmenden internationalen Wettbewerb um gut ausgebildete Zuwanderer. In Kanada und Australien wird es seit langem erfolgreich auch zur Steuerung nach regionalen Bedarfen praktiziert. Großbritannien sowie Tschechien haben ein Punktesystem erst jüngst eingeführt. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 10. Oktober 2008 zum Entwurf des erwähnten Arbeitsmigrationssteuerungsgesetzes gebeten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit „zusätzliche innovative Konzepte, wie beispielsweise ein Punktesystem für die Steuerung von Zuwanderung, ein Erfolg versprechendes Instrument sein könnte“.39 Dem ist die Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode nicht gefolgt.40 Ein Punktesystem als angebotsorientiertes Regime mit einem regionalen Schwerpunkt ist darauf ausgerichtet, die Zuwanderer mit ihren Fähigkeiten zu identifizieren, die im Land im ständigen sektoralen Strukturwandel benötigt werden. In Deutschland könnte durch eine Kombination mit länderspezifischen Zuwanderungsquoten dem Anspruch der seit 2005 verfolgten Migrationspolitik besser Rechnung getragen werden: unqualifizierte Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt wegen der im sektoralen Strukturwandel immer geringeren Arbeitsplätze, die schon für einheimische deutsche und nicht-deutsche Arbeitskräfte verfügbar sind, quantitativ zu begrenzen, dabei zugleich die Interessen Deutschlands gerade auch in den neuen Ländern angemessen zu berücksichtigen. Dies bedeutete auch eine regionale Auswahl von qualifizierten Zuwanderern. Objektive – an einem Punktesystem orientierte – Kriterien ermöglichen eine gezielte Steuerung der Zuwanderung in den sich laufend verändernden regionalen Arbeitsmärkten. Insoweit ist ein Punktesystem nicht als zusätzliches Einwanderungsangebot, sondern in erster Linie als ergänzendes Lenkungsinstrument auch zugunsten der neuen Länder zu verstehen. Es ist insbesondere ein trans38

Siehe Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP: Wachstum. Bildung. Zusammenhalt, 26. Oktober 2009, S. 23. 39 Siehe Bundesrat: Stellungnahme zum Entwurf des Arbeitsmigrationssteuerungsgesetzes, Drucksache 634/08 vom 10. Oktober 2008, S. 3. 40 Indes wird es aktuell von der Task Force des Council für die USA erwogen, in denen es bisher ausschließlich unterschiedliche Quotensysteme zur Gewinnung von qualifizierten Migranten gibt (siehe Council on Foreign Relations: U. S. Immigration Policy, a. a. O., S. 15).

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parentes und den modernen Anforderungen entsprechendes System, das für Zuwanderer und Unternehmen gleichermaßen eine zuverlässige Basis und berechenbare Rahmenbedingungen bietet. Schließlich dient es auch außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Interessen des Landes, wie klassische Einwanderungsländer seit Langem wissen.41 V. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Der demografische Wandel, der sich ab 2020 zunehmend beschleunigt und in den neuen Ländern doppelt so stark ausfällt wie in den alten, ist neben der Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union und neben dem allein schon technologisch fortschreitenden Globalisierungsprozess die wichtigste Herausforderung für Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland in den nächsten drei bis vier Dekaden. Wie diese Herausforderungen bewältigt werden, entscheidet über die Zukunft der Bevölkerungs- und der Wirtschaftsentwicklung gleichermaßen und außerdem darüber, wie sich die Lebensverhältnisse in den ostdeutschen Ländern auch im Vergleich zu den westdeutschen bei aller Heterogenität unter- und zwischen einander entwickeln. Der wirtschaftliche Aufholprozess der neuen Länder an die Niveaus und Standards der alten ist noch nicht abgeschlossen und wird sich noch über einen sehr langen Zeitraum hinziehen; er gerät in Gefahr, wenn die Zahl der Beschäftigten immer schneller zurückgeht und diese immer älter werden. Zusätzliche Kapitalinvestitionen und Produktivitätssteigerungen können dem Verlust an Humankapital nur begrenzt entgegenwirken. Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung und des Erwerbspersonenpotenzials in Ostdeutschland schränken nicht per se die wirtschaft- oder gesellschaftlichen sowie politischen Handlungsspielräume ein; es existieren Freiheitsgrade und eine Vielzahl von Optionen zur Abfederung etwaiger negativer Auswirkungen. Dazu gehört auch die gesteuerte Migration von Fachkräften, Hochqualifizierten sowie von Selbständigen und Unternehmern nach Ostdeutschland, die naturgemäß keinen quantitativen Ausgleich der absehbaren Bevölkerungsdefizite bieten können, aber sehr wohl namhafte qualitative Beiträge und Impulse zur Abfederung der demografischen und der damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen leisten können. Die Migrations- und Integrationspolitik hat, wie die Geschichte der Bundesrepublik seit Ende des II. Weltkriegs zeigt, erheblichen Einfluss auf die Zu- wie die Abwanderungen und auf die strukturelle Integration von Migranten. Dies betrifft auch soziale und gesellschaftliche Dimensionen, wie 41

Vgl. ebenda, S. 8.

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Kohäsion, Identität und Identifikation der Zuwanderer. Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat seit dem Paradigmenwechsel in der Ausländerpolitik im Jahr 2000 und verstärkt durch eine Vielzahl von zwischenzeitlichen Veränderungen der einschlägigen rechtlichen Rahmenbedingungen bis hin zum Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz 2009 – unter Aufrechterhaltung der Priorität für die Ausschöpfung der heimischen Möglichkeiten – den Schwerpunkt der Politik auf managed migration im wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interesse des Landes gelegt. Die migrations- und integrationspolitischen Vereinbarungen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung bis 2013 eröffnen mit der Absicht, den Zugang von ausländischen Hochqualifizierten und Fachkräften zum deutschen Arbeitsmarkt systematisch an dessen Bedürfnissen auszurichten und nach zusammenhängenden, klaren, transparenten und gewichteten Kriterien wie beispielsweise Bedarf, Qualifizierung und Integrationsfähigkeiten zu gestalten, auch die Option auf eine regionale Ausrichtung zugunsten der neuen Länder. Diese sollte auch im Interesse des weiteren zusammen Wachsens und – noch mehr – des Zusammenwachsens der alten und neuen Länder ernsthaft verfolgt werden. Unterstützend sollten andere Politikbereiche, wie die Lohn-, Arbeitsmarkt- und auch die Steuer- und Regionalpolitik, die Präferenz für Ostdeutschland verstärken – auch um die anhaltende Abwanderung aus den neuen Ländern zu verringern.

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Anhang Tabelle 2 Chronik der Ausländer-, Migrations- und Integrationspolitik in der Bundesrepublik Deutschland42 im Kontext der konjunkturellen Entwicklung 1949 bis 200943 Ausländer-, zuwanderungs- und integrationspolitische Entscheidungen

Konjunkturelle Entwicklung Veränderung der Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr in%

Jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote in%, (jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl)







12,1%

1,1%

5,6% (1 073 576)

Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr in%

1949 23. Mai Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland tritt in Kraft. Unter dem Eindruck der Erfahrungen aus der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland sieht es in Artikel 16 ein Asylrecht als individuell einklagbares Recht mit Verfassungsrang vor. Mit Artikel 116 Abs. 1 wird die Grundlage für den Zuzug der Spätaussiedler nach Deutschland geschaffen. 1955 Deutschland und Italien schließen das erste Anwerbeabkommen zur Arbeitskräfterekrutierung.

Fortsetzung nächste Seite 42 Die Chronik basiert auf dem „Zeitstrahl“ des Bundesinnenministeriums zur Zuwanderungspolitik unter http://www.zuwanderung.de/nn_1068532/DE/Zuwanderung __hat__Geschichte/Zeitstrahl/Zeitstrahl__node.html?__nnn=true und wurde bis 2009 aktualisiert. Sie bezieht sich in den allermeisten Entscheidungen auf die „alte“ Bundesrepublik bis zur Deutschen Einigung 1990, ab diesem Zeitpunkt auf Deutschland insgesamt. Gleichwohl werden einige migrationspolitische Maßnahmen der DDR zur Abfederung des auch dort zunehmenden Arbeitskräftemangels, wie die Anwerbevereinbarungen 1968, 1973, 1980 und 1988 mit Ungarn, Polen, Algerien, Kuba, Mosambik und Vietnam erwähnt. 43 Der Autor dankt Herrn stud. rer. pol. Selvi Yusuf und Herrn stud. rer. oec. Mustafa Kirtas für ihre gute Assistenz bei der Darstellung der konjunkturellen Entwicklung. Beide waren im Rahmen ihrer Hauptstudien der Politikwissenschaft bzw. Volkswirtschaftslehre im Frühjahr 2008 bzw. 2009 im BAMF als Praktikanten tätig.

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Fortsetzung Tabelle 2 Ausländer-, zuwanderungs- und integrationspolitische Entscheidungen

Konjunkturelle Entwicklung Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr in%

Veränderung der Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr in%

Jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote in%, (jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl)

2,6%

4,4% (876 287)

1,7%

1,3% (270 678)

2,4%

0,8% (180 855)

2,9%

0,8% (185 646)

2,5%

0,8% (169 070)

1956 Der EWG-Vertrag schafft die Grundlage für die Freizügigkeit der Unionsbürger.

7,7%

1960 Anwerbeabkommen mit Spanien und Griechenland

8,6% 1961

13. August Durch den Bau der Mauer wird der Zustrom von Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik unterbrochen.

4,6%

30. Oktober Anwerbeabkommen mit der Türkei werden vereinbart. 1963 Anwerbeabkommen mit Marokko

2,8% 1964

Anwerbeabkommen mit Portugal 10. September Der einmillionste Gastarbeiter, Armando Rodriguez aus Portugal, trifft auf dem Bahnhof Köln-Deutz ein. Er wurde von Repräsentanten der deutschen Arbeitgeberverbände „Willkommen“ geheißen.

6,7%

Demografischer Wandel und Migration

119

1965 Anwerbeabkommen mit Tunesien 28. April Mit dem Ausländergesetz und einer entsprechenden Durchführungsverordnung werden erstmalig zusammenfassen und einheitlich ausländerrechtliche Bestimmungen über Einreise, Aufenthalt und Aufenthaltsbeendigung geregelt und die Ausländerpolizeiverordnung vom 22. August 1938 außer Kraft gesetzt. Das Asylverfahren wird neu geregelt. Das Passgesetz gilt künftig nur noch für Deutsche.

5,4%

3,1%

0,7% (147 352)

2,0%

2,1% (459 489)

1,7%

1,5% (323 480)

1,7%

0,9% (178 579)

3,5%

0,7% (148 846)

7,1%

1,2% (273 498)

1967 Die Zahl der Fortzüge von Gastarbeitern liegt höher als die der Zuzüge.

–0,3% 1968

Anwerbeabkommen zwischen dem damaligen Jugoslawien und der Bundesrepublik Deutschland. In der DDR werden Anwerbeabkommen mit damals sozialistischen Ländern geschlossen: u. a. Ungarn, Polen, Algerien, Kuba, Mosambik, Vietnam.

5,5%

1969 Die italienischen Gastarbeiter stellen die größte Nationalitätengruppe ausländischer Arbeitnehmer.

7,5%

1970 Höhepunkt der Gastarbeiteranwerbung in Deutschland mit knapp eine Million Zuzügen. Die Schwerpunkte der Zuwanderung von Arbeitskräften sind die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen.

5,0%

1973 Anwerbeabkommen zwischen Vietnam und der DDR zur Lösung des Arbeitskräfte-Mangels in der DDR-Wirtschaft. Für maximal fünf Jahre arbeiten vietnamesische Gastarbeiter in industriellen Ballungsgebieten, wie Chemnitz, Dresden und Erfurt.

4,8%

Fortsetzung nächste Seite

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Hans Dietrich von Loeffelholz

Fortsetzung Tabelle 2 Ausländer-, zuwanderungs- und integrationspolitische Entscheidungen

Konjunkturelle Entwicklung Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr in%

Veränderung der Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr in%

Jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote in%, (jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl)

6,9%

2,6% (582 481)

2,7%

4,3% (992 948)

Mit 605 000 Arbeitnehmern stellen die türkischen Zuwanderer die größte Ausländergruppe in Deutschland. Bevorzugte Beschäftigungsgebiete für ausländische Arbeitskräfte sind Gastronomie, Baugewerbe, Metallindustrie, Autoindustrie, Bergbau. 23. November Das Bundeskabinett verfügt in der Folge der so genannten Ölkrise und der sich eintrübenden Wirtschaftslage den so genannten Anwerbestopp. Mit 2,6 Millionen Gastarbeitern ist der deutsche Arbeitsmarkt gesättigt. Der Zustrom von Gastarbeitern aus Nicht-EG-Staaten, vor allem der Türkei, soll unterbunden werden. 1974 Die Zahl der Fortzüge liegt höher als die der Zuzüge.

0,9% 1978

1. Oktober Durch die Änderung der „Allgemeinen Verwaltungsvorschriften“ zum Ausländergesetz verfestigt sich der Aufenthaltsstatus ausländischer Arbeitnehmer: unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach fünfjährigem und Aufenthaltsberechtigung nach achtjährigem Aufenthalt. 22. November Heinz Kühn, NRW-Ministerpräsident a. D., wird als erster Beauftragter der Bundesregierung für die Integration ausländischer Arbeitnehmer und ihrer Familien berufen.

3,0%

Demografischer Wandel und Migration

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1979 29. August Start eines Programms für ausländische Flüchtlinge: Die im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommenen Flüchtlinge (Kontingentflüchtlinge) werden Asylberechtigten gleichgestellt, ohne dass sie ein Asylverfahren durchlaufen müssen.

4,2%

4,2%

3,8% (876 137)

5,2%

3,8% (888 900)

5,3%

7,5% (1 833 244)

3,2%

9,1% (2 258 235)

1980 Weitere Anwerbeabkommen zwischen Vietnam und der DDR Nachdem in Westdeutschland die Asylbewerberzahlen bereits seit Mitte der 70er Jahre deutlich angestiegen waren, kommt es mit über 107 000 Antragstellern zu einer Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr mit damals etwas über 50 000. Es wird zunehmend Kritik laut am Missbrauch des Asylrechts durch so genannte Wirtschaftsflüchtlinge.

1,4%

18. Juni Sofortprogramm zur Begrenzung der Einreise „unechter“ Asylbewerber: Maßnahmen zur Beschleunigung des Asylverfahrens, Versagung der Arbeitserlaubnis im ersten Jahr nach der Einreise sowie Einführung der Sichtvermerkspflicht für die Hauptherkunftsländer von Asylbewerbern. 1982 1. August Das Asylverfahrensgesetz tritt in Kraft. Es enthält Regelungen mit dem Ziel einer Beschleunigung der Asylverfahren unter Wahrung des grundgesetzlich geschützten Asylrechts.

–0,4%

18. Dezember Mit dem Inkrafttreten der 14. Verordnung zur Änderung des Ausländergesetzes wird die Sichtvermerkspflicht für Ausländer aus Nicht-EG-Staaten eingeführt, die sich länger als drei Monate in Deutschland aufhalten wollen. 1983 1. Dezember Das Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern tritt in Kraft.

1,6%

Fortsetzung nächste Seite

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Hans Dietrich von Loeffelholz

Fortsetzung Tabelle 2 Ausländer-, zuwanderungs- und integrationspolitische Entscheidungen

Konjunkturelle Entwicklung Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr in%

Veränderung der Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr in%

Jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote in%, (jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl)

–0,1%

9,0% (2 228 004)

1,2%

8,9% (2 241 556)

2,7%

7,2% (1 883 147)

1986 1. Dezember Mit der 15. Verordnung zur Änderung des Ausländergesetzes wird der Transitsichtvermerk für Fluggäste aus bestimmten Problemstaaten auch für eine einmalige Zwischenlandung in Deutschland eingeführt.

2,3%

1988 Etwa 60 000 Vertragsarbeiter aus Vietnam und anderen sozialistischen Herkunftsländern, zum Beispiel Angola und Mosambik, kommen in die DDR. Die Zahl der Aussiedler aus Osteuropa steigt in der Bundesrepublik weiter rapide an (jetzt auf 202 645).

3,7%

1990 Neue Zuwanderergruppen prägen die Immigration nach Deutschland: Zuzug von deutschstämmigen Spätaussiedlern aus den ehemaligen Ostblockstaaten, Anstieg von Asylsuchenden und Flüchtlingen durch Kriege und gesellschaftliche Umbrüche sowie neue Formen von Arbeitsmigration: Saisonarbeitnehmer, Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen (IT-Fachkräfte und Pflegepersonal). Nach Sturz und Hinrichtung von Staatsund Parteichef Nicholae Ceaucescu lockert Rumänien seine Ausreisebestimmungen. 111 150 Rumäniendeutsche verlassen fluchtartig das Land. Die Zahl der Aussiedler steigt auf 397 073. Die größte Nationalitätengruppe stellen die Aussiedler aus Polen. 19. Juni Das Schengener Durchführungsübereinkommen wird unterzeichnet.

5,3%

Demografischer Wandel und Migration

123

1991 1. Januar Das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts tritt in Kraft. Insbesondere für die erste und die zweite Gastarbeitergeneration wird eine Möglichkeit eingeräumt, die deutsche Staatsangehörigkeit unter erleichterten Bedingungen zu erwerben.

5,1%

3,7%

7,3% (2 602 203)

3,9%

7,7% (2 978 570)

3,6%

8,9% (3 419 141)

2,7%

9,6% (3 698 057)

1,9%

11,4% (4 384 456)

1992 Bisheriger Höhepunkt der Zuwanderung nach Deutschland: 1 219 348 Zuzüge. Darunter befinden sich fast 440 000 Asylbewerber, von denen aber nur 4,25% tatsächlich asylberechtigt sind. Damit ist der historische Höchststand bei den Asylbewerberzahlen erreicht. 1. Juli Wesentliche Teile des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens treten in Kraft.

2,2%

6. Dezember Die Bundesregierung (CDU/CSU/FDP) einigt sich mit der SPD-Opposition im so genannten „Asylkompromiss“ auf eine Asylrechtsreform. 1993 30. Juni Mit der Änderung des Grundgesetzes durch Einfügung eines neuen Art. 16a Abs. 2 wird das Asylrecht eingeschränkt.

–0,8%

1994 Die Zahl der Asylbewerber geht deutlich auf ca. 112 700 zurück.

2,7% 1997

1. November Das Gesetz zur Änderung ausländerund asylverfahrensrechtlicher Vorschriften tritt in Kraft. Durch das Gesetz wird die Rechtsstellung der in Deutschland lebenden Ausländer verbessert, die Möglichkeiten von Ausweisung und Abschiebung krimineller Ausländer erleichtert und das Amt des Ausländerbeauftragten gesetzlich verankert.

1,8%

Fortsetzung nächste Seite

124

Hans Dietrich von Loeffelholz

Fortsetzung Tabelle 2 Ausländer-, zuwanderungs- und integrationspolitische Entscheidungen

Konjunkturelle Entwicklung Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr in%

Veränderung der Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr in%

Jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote in%, (jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl)

1,4%

9,6% (3 889 695)

2000 1. Januar Wesentliche Regelungen des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts treten in Kraft. Neben dem bisherigen Abstammungs- wird nun das Geburtsortsprinzip (Ius soli) eingeführt. Damit erhalten in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern unter bestimmten Bedingungen von Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit und damit bessere Integrationschancen. Für den Anspruch auf Einbürgerung wird die erforderliche Aufenthaltszeit auf acht Jahre verkürzt, ein Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse eingeführt und eine Extremistenklausel als Versagungsgrund aufgenommen. 23. Februar Bundeskanzler Schröder startet auf der CeBIT_Messe in Hannover die GreenCard-Initiative der Bundesregierung. Für 20 000 ausländische Computerspezialisten wird der Anwerbestopp außer Kraft gesetzt. Eine neue Debatte um die Zuwanderung beginnt. 12. Juli Bundesinnenminister Otto Schily setzt eine überparteiliche Kommission „Zuwanderung“ ein, die praktische Lösungsvorschläge und Empfehlungen für eine neue Ausländer- und Zuwanderungspolitik erarbeiten soll.

3,2%

Demografischer Wandel und Migration

125

2001 10. April Das VO 539/2001/EG (EU-VisaVO) tritt in Kraft und regelt die Visumpflicht an den Außengrenzen der EU, zugleich – im Zusammenwirken mit Art. 20 I SDÜ – den genehmigungsfreien Kurzaufenthalt für sichtvermerkensfreie Drittausländer. 4. Juli Der Abschlussbericht der überparteilichen Kommission „Zuwanderung“ wird an Bundesinnenminister Otto Schily übergeben.

1,2%

2,0%

9,4% (3 852 564)

1,4%

9,8% (4 061 345)

3. August Vorlage des Referentenentwurfs für ein Zuwanderungsgesetz 20. Dezember Die unionsregierten Länder bekräftigen im ersten Durchgang des Gesetzentwurfs zur Zuwanderung ihre Ablehnung. 2002 25. Februar Die Regierungskoalition macht gegenüber der CDU/CSU weitere Zugeständnisse und nimmt zahlreiche Forderungen der Union und des Bundesrates in den Entwurf des Zuwanderungsgesetzes auf. Die Union lehnt den Konsensvorschlag ab. 1. März Der Bundestag verabschiedet das Zuwanderungsgesetz mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die GRÜNEN. 22. März Der Bundesrat stimmt dem Zuwanderungsgesetz in einem umstrittenen Abstimmungsverfahren zu. Wegen eines geltend gemachten Formfehlers wird am 16. Juli das Bundesverfassungsgericht angerufen.

0,0%

18. Dezember Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass das Zuwanderungsgesetz nicht rechtmäßig erlassen worden ist und stellt damit die Nichtigkeit des Gesetzes fest. Fortsetzung nächste Seite

126

Hans Dietrich von Loeffelholz

Fortsetzung Tabelle 2 Ausländer-, zuwanderungs- und integrationspolitische Entscheidungen

Konjunkturelle Entwicklung Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr in%

Veränderung der Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr in%

Jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote in%, (jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl)

1,1%

10,5% (4 376 795)

1,6%

10,5% (4 381 281)

2003 9. Mai Der Bundestag beschließt das unverändert eingebrachte Zuwanderungsgesetz erneut.

–0,2%

20. Juli Der Bundesrat stimmt dem Zuwanderungsgesetz erneut nicht zu, die Bundesregierung ruft daraufhin den Vermittlungsausschuss an. 2004 25. Mai Einigung auf einen Kompromiss zum Zuwanderungsgesetz nach Spitzengespräch. Bundesinnenminister Otto Schily formuliert, zusammen mit UnionsVerhandlungsführer Ministerpräsident Peter Müller und Bayerns Innenminister Dr. Günther Beckstein, einen Gesetzentwurf. 1. Juli Der Deutsche Bundestag verabschiedet das Zuwanderungsgesetz. 9. Juli Annahme des Zuwanderungsgesetzes im Bundesrat. 31. Juli Verkündung des Zuwanderungsgesetzes im Bundesgesetzblatt

1,1%

Demografischer Wandel und Migration

127

2005 1. Januar Das Zuwanderungsgesetz tritt in Kraft. 18. März Gesetz zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze (BGBl. I, S. 721) tritt in Kraft. Es dient der Abstimmung des Zuwanderungsgesetzes auf zeitgleich verabschiedete Gesetze.

0,8%

1,5%

11,7% (4 860 880)

1,7%

12,0% (4 487 000)

2,3%

9,0% (3 776 425)

11. November Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/ CSU und der SPD ist eine Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes vereinbart worden. Dabei ist zu untersuchen, ob die mit dem Zuwanderungsgesetz verfolgten Ziele erreicht worden sind und ob ggf. Verbesserungsbedarf besteht. 2006 30./31. März Praktiker-Erfahrungsaustausch zur Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes im Bundesministerium des Innern 2,8% Sommer Der Evaluierungsbericht des Bundesministeriums des Innern zum Zuwanderungsgesetz wird dem Deutschen Bundestag vorgelegt. 2007 28. März Kabinettbeschluss über den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, mit dem sowohl das Aufenthaltsgesetz als auch das Freizügigkeitsgesetz/EU, das Asylverfahrensgesetz und weitere Gesetze und Verordnungen geändert werden. 14. Juni Dem Gesetzesentwurf wird vom Deutschen Bundestag und am

2,5%

6. Juli vom Bundesrat zugestimmt. 19. August. Der Bundespräsident fertigt das Gesetz aus. Fortsetzung nächste Seite

128

Hans Dietrich von Loeffelholz

Fortsetzung Tabelle 2 Ausländer-, zuwanderungs- und integrationspolitische Entscheidungen

Konjunkturelle Entwicklung Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr in%

Veränderung der Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr in%

Jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote in%, (jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl)

2,8%

7,1% (3 267 907)

0,9%

8,3% (3 423 283)

28. August Das Richtlinienumsetzungsgesetz tritt in Kraft. Es dient der Umsetzung von elf Richtlinien der Europäischen Union aus dem Bereich des Ausländer- und Asylrechts in das nationale Recht. Dazu gehört ein besonderes Zulassungsverfahren für Drittstaatsangehörige zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung. 2008 Die Zahl der Zuwanderer nach Deutschland ist im vergangenen Jahr um mehr als 20 000 Menschen auf rund 683 000 gestiegen. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Auswanderer leicht auf 635 000.

1,3%

2009 1. Januar Das Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz tritt in Kraft. Es setzt die Regelungen des am 16. Juli 2008 vom Bundeskabinett verabschiedeten „Aktionsprogramms der Bundesregierung – Beitrag der Arbeitsmigration zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland“ um. Auch die Zweite Verordnung zur Änderung der Beschäftigungsverordnung tritt in Kraft. Hervorzuheben sind die Erleichterungen für Akademiker aus Drittstaaten und deren Familienangehörige sowie die Erhöhung der Beschäftigungszeit für Saisonkräfte von vier auf sechs Monate. 5. Februar Einfachgesetzliche Regelungen zur Rücknahme von Einbürgerungen werden geschaffen. Eigene Darstellung.

–6,7% (zum 1. Quartal)

Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung1 Von Georg Milbradt Bedingt durch den Geburtenknick und die Abwanderung nach der Wende 1989/90 läuft der demografische Wandel in Sachsen und den anderen ostdeutschen Ländern schneller und ausgeprägter als im übrigen Deutschland und den meisten europäischen Staaten ab.2 Wir reden bei uns nicht über Veränderungen in 15 oder 20 Jahren, sondern schon über Gegenwartsprobleme. Wir sind also Vorreiter/Pioniere in einem unbekannten Gelände oder gar Versuchskaninchen, aus deren Fehler andere lernen können. Daher musste sich die Politik in Sachsen schon sehr früh mit den demografischen Auswirkungen und Problemen beschäftigen und andere Institutionen, deren Unterstützung man brauchte, über diese Trends informieren. So wurden zum Beispiel die Aktivitäten der Europäischen Union nicht zuletzt durch unsere Bitten ausgelöst, sich mit diesen Themen zu beschäftigen, da es sich nicht um singuläre ostdeutsche Probleme, sondern um solche von vielen europäischen Regionen handelt. Der zuständige tschechische EU-Kommissar pidla hat uns dabei sehr unterstützt. Bevor ich auf den demografischen Wandel in Sachsen eingehe, möchte ich zunächst die Entwicklung in den europäischen Ländern betrachten. In Europa hat Deutschland vor Italien den Spitzenplatz beim Anteil der über 65jährigen an der Bevölkerung und wird diesen nach den Prognosen für 2035 auch weiter behalten. Das liegt nicht etwa daran, dass die Fertilitätsrate in Deutschland aktuell so niedrig ist, wie einige vermuten, sondern, dass wir schon einen Echo-Effekt haben; denn bei uns setzte der Prozess etwa eine Generation früher ein. Das Absinken der Geburtenrate vor 40 Jahren hat heute schon ein zu einer deutlichen Verringerung von Frauen3 im gebärfähigen Alter geführt, was wiederum die heutige Zahl der Geburten 1 Der Text beruht auf einem gekürzten Mitschnitt des Vortrages. Der Vortragsstil wurde beibehalten. Aus Platzgründen wurde vom Abdruck einer Reihe von Schaubildern abgesehen. 2 Eine ähnlich starke Veränderung ist in den baltischen Staaten zu beobachten. 3 Die Rolle der Männer soll dabei nicht vernachlässigt werden. Trotzdem ist es einsichtig, bei der Erklärung der natürlichen Bevölkerungsbewegung auf Frauen im gebärfähigen Alter abzustellen.

130

Georg Milbradt

beeinflusst. Frauen, die früher nicht geboren worden sind, können heute auch keine Kinder gebären, selbst wenn es gelänge, die Zahl der Geburten pro Frau z. B. durch staatliche Familienförderung zu erhöhen.4 Die Bevölkerungszahl in Gesamtdeutschland ist seit 1990 noch gestiegen, da wir eine Zuwanderung über die nationale Grenze hatten. Die innerdeutschen Zahlen (vgl. Schaubild 1) sind nicht nur durch unterschiedliche Geburten-/Sterbeüberschüsse beeinflusst, sondern auch durch erhebliche innerdeutsche Wanderungsbewegungen, bei denen die ostdeutschen Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern große Wanderungsverluste hinnehmen mussten. Brandenburg ist ein Sonderfall, weil durch den Fall der Mauer für Westberlin und die Hauptstadtfunktion für Berlin als Ganzes die nach 1990 einsetzende Stadt-Rand-Wanderung zunächst die negative natürliche Bevölkerungsbilanz und die Abwanderung nach Westdeutschland überdeckte. Diese Berliner Wanderung ist aber nun zu einem gewissen Abschluss gekommen, so dass in Zukunft Brandenburg durch die negative natürliche Bevölkerungsbewegung genauso betroffen sein wird wie die anderen Länder im Osten. Die westdeutschen Länder, insbesondere die wirtschaftlich starken, haben das Schrumpfen der Bevölkerung, hervorgerufen durch ein Sinken der Geburten pro Frau und zum Teil auch die Alterung, zunächst durch Zuwanderung überkompensiert. Bei den ostdeutschen Ländern verschärfte die Abwanderung noch die negative natürliche Bevölkerungsbewegung. Schaubild 2 zeigt die künftige Bevölkerungsdynamik bis zum Jahr 2025. Es wird deutlich, dass in den neuen Bundesländern die Bevölkerungszahl weiter stark abnehmen wird. Die nach wie vor bestehenden wirtschaftlichen Unterschiede in den meisten ostdeutschen Teilregionen lassen keine Nettozuwanderung erwarten. Die einzige größere Ausnahme in Ostdeutschland ist aus naheliegenden Gründen der Raum Berlin und in geringerem Maße die Räume Dresden und Leipzig. In Sachsen (vgl. Schaubild 3) ist die Bevölkerungszahl seit 19885 bereits um 800 000 gesunken – im Jahre 2020 rechnen wir mit einer Einwohnerzahl von 3,8 bis 3,9 Millionen. Diese Zahlen zeigen trotzdem nur einen Teil der Problematik. Wenn man zum Beispiel das Jahr 2050 nähme, ein Jahr, das für viele noch weit entfernt ist, aber für bestimmte Sozialsysteme und für Infrastrukturmaßnahmen ein relevantes Datum ist, käme man auf 4 Vgl. z. B. G. Steinmann: Vorschläge für eine nachhaltige und effektive Bevölkerungspolitik, in diesem Band. 5 Stichtag: 31. Dezember 1988. Das Jahr ist gewählt worden, weil es noch nicht durch Wanderungsbewegungen größerer Art beeinflusst wurde. Im Jahr 1989 setzten größere Wanderungsbewegungen zunächst über Ungarn, Polen und die Tschechoslowakei, dann durch den Fall der Mauer ein.

Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung 9,5%

Baden-Württemberg

9,4 %

Bayern

8,3 % 8,1 % 7,5 % 7,2 %

Niedersachsen Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Hamburg Hessen

5,3 %

Nordrhein-Westfalen

3,9 %

Deutschland

3,2 %

Berlin

–0,5 %

Brandenburg

–1,7 %

Bremen

–2,7 %

Saarland

–3,4 %

Sachsen

–11,4 %

Thüringen

–12,3 %

Mecklenburg-Vorpommern

–12,7 %

Sachsen-Anhalt

–16,0 % –16 %

131

–12 %

–8 %

–4 %

0%

4%

8%

12 %

Quelle: Statistisches Bundesamt.

Schaubild 1: Entwicklung der Bevölkerung in den deutschen Bundesländern von 1990 bis heute, in Prozent

Quelle: Berichte des BBR, Band 29 „Raumordnungsprognose 2025/2050“

Schaubild 2: Prognose der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland 2005 bis 2025

132

Georg Milbradt

2020

Bevölkerung gesamt

3874,7 4 0 12,2

2015

4143,7

2010

4273,8

2005

4425,6

2000

4566,6

1995 1990

4775 ,9 5026,8

1988 0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

Bevölkerung in 1000

Quelle: Daten – Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (1988–2005: Bevölkerungsfortschreibung; 2010–2020: Daten aus der 4. Regionalisierten Bevölkerungsprognose für den Freistaat Sachsen, Variante 3 [Grundannahmen nach der 11. koord. Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes]); Grafik – Sächsische Staatskanzlei, Ref. 35.

Schaubild 3: Bevölkerungsentwicklung in Sachsen von 1988 bis 2020

nur noch rund 3 Millionen Einwohner. Schrumpfungsprozesse solchen Ausmaßes für ganze Regionen gab es bisher bei uns nur bei großen Katastrophen. In Deutschland war eine dieser großen Katastrophen der Dreißigjährige Krieg, als durch Krieg und Epidemien, z. B. die Pest, die Bevölkerung noch drastischer abnahm. Wie sieht nun die zukünftige Entwicklung (Schaubild 4) der ostdeutschen Länder aus? Bezogen hier auf das Jahr 2006 – nicht auf 1989/1991, weil 110 100

Sachsen Brandenburg

90

Sachsen-Anhalt Thüringen

80

Rheinland-Pfalz

70 60 2006

Indexwert (2006 = 100)

2010

2020

2030

2040

2050

Quelle: Daten: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen. Hinweis: für 2006: vorläufige Zahlen. 2010 bis 2050: Werte aus der 11. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes.

Schaubild 4: Bevölkerungsentwicklung bis 2050

Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung

133

damals die historischen Sondereffekte einer sehr hohen Abwanderung vorlagen – ist die Perspektive für Sachsen-Anhalt und Thüringen am schlechtesten. Auch Brandenburg nähert sich, nachdem der Berlin-Effekt ausgelaufen ist, dem allgemeinen Trend an. Sachsen ist nicht viel besser. Vergleicht man diese Entwicklungen mit einem westdeutschen Bundesland, das vergleichbare Größe hat und auch nicht besonders wirtschaftsstark ist, hier Rheinland-Pfalz, wird deutlich, dass es nun auch dort erstmals zu Schrumpfungsprozessen kommt. Allerdings wird, bezogen auf das Jahr 2050, mit maximal –20% gerechnet, während in den neuen Bundesländern zum Teil mehr als 30% Bevölkerungsrückgang droht, und das, nachdem wir bereits seit 1988 viel verloren haben, was hier durch das Basisjahr 2006 ausgeblendet ist. Es gibt – und das macht die Aufgabe politisch nicht gerade leichter – große Unterschiede in den einzelnen Teilregionen.6 Wir haben bisher Bevölkerungsbewegungen auf der Länderebene betrachtet, also aggregierte Größen, die die Differenzen innerhalb der Länder überdecken, z. B. Unterschiede zwischen Land und Stadt, zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen wirtschaftsstarken und wirtschaftsschwachen Teilräumen. Die lokale Bevölkerungsentwicklung wird aber gerade auch durch länderinterne Binnenwanderungen geprägt, die oft in den öffentlichen Diskussionen übersehen werden. Z. B ist es für einen Bürgermeister auf dem Lande kein großer Unterschied, ob die jungen Leute ins Ausland gehen, nach Bayern abwandern oder nur nach Dresden. Gerade die Binnenwanderung verschärft oft gerade die lokalen demografischen Probleme. Ein besonders extremer Fall ist die Stadt Hoyerswerda, die innerhalb von 17 Jahren also innerhalb einer halben Generation 41,1% der Bevölkerung verloren hat (vgl. Schaubild 5). Bis 2020 kommen noch einmal 32% Verlust hinzu (vgl. Schaubild 6). Nimmt man gar die Prognose bis 2050 sieht die Situation folgendermaßen aus: Innerhalb von 60 Jahren bzw. zwei Generationen verändert sich die Einwohnerzahl von Hoyerswerda von rund 80 000 auf 24 000. Die Perspektive für Hoyerswerda lag zu DDR-Zeiten, als es noch eine wachsende Stadt war, bei bis zu 100 000 Einwohnern. Wenn man dies mit den entsprechenden Veränderungen in Westdeutschland vergleicht, zum Beispiel mit Gelsenkirchen oder Duisburg, dann ist zwar die Richtung ähnlich, aber die Dimension ganz anders. Die im Gegensatz dazu positive Entwicklung in den Städten Dresden und Leipzig beruht nicht etwa auf unterschiedlichem Geburtenverhalten, sondern auf Zuwanderung, 6 Es werden für die Schaubilder und in der Argumentation noch die Zahlen für die Kreise vor der Kreisreform 2008 benutzt, da durch die starke Vergrößerung der Kreise infolge der Reform ein großer Teil der regionalen Unterschiede in den Durchschnitten für die neue Struktur verschwindet.

134

Georg Milbradt

–41,1

–5,1 –14,2

–18,5 –17,0

-8,4

–3,0

2,4

–13,6

–5,8

–19,0

–25,4

–4,1 –0,7

–11,7

–21,4 –12,0

1,5 –12,1

–22,3

–11,1

–22,5 –11,1 –9,3 –20,4

–11,8

–14,6 Veränderung der Einwohnerzahlen 2007 gegenüber 1990 in Prozent

–16,3

–15,2

bis unter –20 (6) –20 bis unter –15 (5) –15 bis unter –10 (9) –10 bis unter 0 (7) über 0 (2)

Sachsen gesamt –11,6 %

Quelle: Daten – Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Gebietsstand 31. Dezember 2007. Grafik – Sächsische Staatskanzlei, Ref. 35.

Schaubild 5: Bevölkerungsentwicklung in Sachsen nach alten Kreisen, 1990 bis 2007

–8,6

–32,1

–14,5

–17,7 –16,1

1,0

–10,0

–10,3

–13,2

–7,4

–16,9

–10,7

-4,1 5,0

–14,4

–18,3 –11,4

–6,1 –14,4

–14,5

–12,1

–15,6 –15,2 –14,2

–15,2 -14,2

–11,3

–16,8

–15,7 Sachsen gesamt –9,3 %

Veränderung der Einwohnerzahlen 2020 gegenüber den Ist-Zahlen 2005 in Prozent bis unter –20 (1) –20 bis unter –15 (9) –15 bis unter –10 (12) –10 bis unter 0 (5) über 0 (2)

Quelle: Daten – Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (Daten für 2020 aus der 4. Regionalisierten Bevölkerungsprognose für den Freistaat Sachsen, Variante 3 [Grundannahmen nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes]); Grafik – Sächsische Staatskanzlei, Ref. 35.

Schaubild 6: Prognose der Bevölkerungsentwicklung in Sachsen nach alten Kreisen bis 2020

Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung

135

Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen: Daten für 2020 aus der 4. Regionalisierten Bevölkerungsprognose für den Freistaat Sachsen, Variante 3 (Grundannahmen nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes).

Schaubild 7: Bevölkerungsentwicklung in Sachsen, 1955 bis 2020

insbesondere von jungen Leuten. Dieser Effekt strahlt teilweise auf den „Speckgürtel“ aus. Zwar wird es für Sachsen insgesamt in den nächsten Jahren noch zu einer Abwanderung kommen (vgl. Schaubild 7). Diese wird aber weiter abnehmen und am Rand der Prognose ganz verschwinden. Der größte Teil der Abwanderung fand durch Fortzüge um das Jahr 1990 statt. Die überraschend hohen Zuwanderungszahlen in den Jahren 1994 bis 1996 sind kaum auf Rückwanderung oder Zuwanderung aus Westdeutschland zurückzuführen, sondern im Wesentlichen auf Zuwanderung über die nationale Grenze hinweg. Dahinter verbergen sich u. a. Aussiedler und Asylbewerber, die Anfang der 90er Jahre noch im großen Stil zugewandert und nach der Wiedervereinigung nach Quoten auch auf die ostdeutschen Länder aufgeteilt wurden. Vor dem Mauerfall und nach der Grenzöffnung war die Entwicklung für Sachsen also stark von der Wanderungsbilanz gekennzeichnet. Zunehmende Bedeutung für die Entwicklung hat aber auch seit den 70er Jahren die geringere Geburtenzahl erlangt. Die Zukunft ist laut Prognose fast nur noch geprägt durch die natürliche Bevölkerungsentwicklung, also den Sterbeüberschuss. Dennoch wird gegenwärtig in Ostdeutschland meist die Abwanderung thematisiert, wenn über die Bevölkerungsentwicklung gesprochen wird. Das erschwert die politische Kommunikation, denn die großen Ab-

136

Georg Milbradt

wanderungszahlen gehören der Vergangenheit an. Die Zukunft wird durch ein hohes Geburtendefizit, verbunden mit einem hohen Sterbeüberschuss, geprägt sein, und das lässt sich, wie wir in den anderen Vorträgen gehört haben, so schnell nicht, wenn überhaupt, korrigieren. Die bittere Wahrheit ist, dass sich mindestens bis in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts der demografische Wandel in Sachsen mit politischen Maßnahmen kaum abschwächen lässt – sieht man einmal von einer forcierten Zuwanderungspolitik7 ab. Selbst wenn sich die Geburtenzahlen pro Frau verdoppelt würden, würden wir nennenswerte Effekte – eine Art Zinseszinseffekt8 – erst nach 2050 erwarten können. Die heute hoch im Kurs stehende Familienpolitik ist also selbst bei vollem Erfolg kurzfristig keine Lösung des Problems, sondern nur langfristig. Um eine Verbesserung für die nähere Zukunft zu bekommen, hätte man also schon vor Jahrzehnten mit dem Gegensteuern beginnen müssen. Jetzt ist es dafür zu spät, insbesondere in Ostdeutschland. Deshalb habe ich als Ministerpräsident zu diesem Problem oft die etwas flapsige Bemerkung gemacht: „Mit der Demografie ist es so wie mit der Ökologie, wenn man es merkt, ist es zu spät.“ (im Sinne von politischem Gegensteuern). Für die vor uns liegende, nähere Zukunft, kommt nur noch eine Anpassungsstrategie in Frage. Die allerdings durch eine Bevölkerungspolitik für die fernere Zukunft (zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts und später) ergänzt werden muss, denn alle anderen Perspektiven und politischen Steuerungsmöglichkeiten sind mit derart großen sozialen Kosten verbunden, dass sie uns erspart bleiben sollten. Auf Dauer müssen wir die natürliche Bevölkerungsentwicklung ausgleichen. Fehlende eigene Kinder zu „importieren“ ist auf Dauer und in großem Maßstab keine Alternative. Betrachten wir nun einige wichtige Implikationen: Die Einwohnerdichte sinkt bei uns im Osten besonders stark, das ist allerdings nicht in erster Linie ein Problem von Sachsen. Unsere Bevölkerungskonzentration im Jahre 2020 mit 210 Einwohnern pro Quadratkilometer (vgl. Schaubild 8) wird im7 Zuwanderung ist nach meiner Meinung keine Lösung, allenfalls eine Abmilderung der demografischen Probleme. Die zur Kompensation notwendigen Größenordnungen von Zuwanderungen qualifizierter Kräfte sind illusorisch. Eine notwendige Integration einer solchen Anzahl ist darüber hinaus kaum erreichbar, was nicht ausschließen sollte, das Machbare zu tun. Im Übrigen wird oft übersehen, dass unsere Nachbarn unter ähnlichen demografischen Problemen leiden werden und daher größere Zuwanderungspotentiale nur aus weiter entfernten Regionen zur Verfügung stehen. 8 Es müssen erst wieder mehr Kinder und damit mehr Mädchen geboren werden, damit in der nächsten Generation mehr Mütter wieder noch mehr Kinder bekommen. Nennenswerte Veränderungen sind also erst nach mehreren Generationen zu erwarten.

Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung

137

529 512

Nordrhein-Westfalen

483 508

Niederlande Sachsen

231 210

Deutschland, gesamt

231 224 204 199

Rheinland-Pfalz

199 193

Italien

2006 2020

177 179

Bayern 73 66

Mecklenburg-Vorpommern 0

100

200

300

400

500

600

Einwohner je km² Quelle: Eurostat, Statistisches Bundesamt, Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, eigene Berechnungen; Prognosedaten nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes.

Schaubild 8: Prognose der Einwohnerdichte bis 2020

mer noch leicht unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt liegen. Aber für Länder und Regionen, die schon jetzt eine stark unterdurchschnittliche Bevölkerungsdichte haben, wie zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern – dasselbe gilt für Teile von Brandenburg – ist die Situation schwieriger. In diesen Regionen sind Dichten zu erwarten, die man bisher in Deutschland nicht kannte, und die eher mit Nordskandinavien vergleichbar sind. Damit sind dann auch andere Lösungen, z. B. für Sozial- und Verkehrsinfrastruktur, erforderlich, als wir sie bisher in Deutschland gewöhnt sind. Das Geburtendefizit führt zu einer Alterung der Gesellschaft, verstärkt durch die steigende Lebenserwartung. Wir haben insbesondere in Ostdeutschland, bedingt durch die bessere medizinische Versorgung, aber auch durch die Vermeidung von Umweltbelastungen eine deutliche Zunahme der Lebenserwartung in den letzten Jahren gehabt, insbesondere bei den Männern. Die Lebenserwartung nähert sich mehr und mehr den westdeutschen Zahlen. Bricht man die Zahlen für das durchschnittliche Alter auf die Kreisebene herunter, so bekommen wir eine ähnliche Struktur wie bei den Einwohnerzahlen: Diejenigen, die noch eine positive Wanderung zu erwarten haben, z. B. Leipzig und Dresden, haben eine günstigere Situation als diejenigen,

138

Georg Milbradt Durchschnittsalter

Anteil der Bevölkerung 100 %

100

80 %

80

60 %

60

40 %

40

20 %

20 0

0% 1990

1995

2000

Alter von … bis unter … Jahre 0–15 Jahre 15–65 Jahre

2005

2010

über 65 Jahre

2015

2020 Durchschnittsalter

Quelle: Daten – Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (1990–2005: Bevölkerungsfortschreibung; 2010–2020: Daten aus der 4. Regionalisierten Bevölkerungsprognose für den Freistaat Sachsen, Variante 3 [Grundannahmen nach der 11. koord. Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes]); Grafik – Sächsische Staatskanzlei, Ref. 35.

Schaubild 9: Verhältnis der Generationen im Vergleich der Jahre 1990 bis 2020

die unter Abwanderung leiden. Das regionale Muster ist ähnlich: je weiter die Räume von den Zentren entfernt sind, desto schneller sinkt ihre Bevölkerung, desto schneller altert sie. Der Ausreißer im negativen Sinne ist wieder Hoyerswerda. Das hat natürlich Konsequenzen für den Aufbau der Bevölkerung und das Generationenverhältnis (vgl. Schaubild 9). Wir steuern bis 2020 auf ein Durchschnittsalter von 50 Jahren in Sachsen zu, von 40 Jahren im Jahr 1990 – 10 Jahre innerhalb einer Generation, das ist eine in Friedenszeiten noch nicht beobachtete Bewegung, ähnlich ist es auch in den anderen ostdeutschen Bundesländern. Die Geburtenentwicklung wird in Sachsen neben der Geburtenzahl pro Frau von der Wanderung bestimmt. Das Wanderungsverhalten junger Frauen von 18 bis 25 Jahren, also in einem Alter, in dem tendenziell die Familie gegründet wird, ist in Sachsen außerordentlich unterschiedlich. Junge Frauen (mehr noch als Männer) wandern tendenziell aus Gebieten ab, die wirtschaftlich schwach sind, und wandern dorthin, wo Bildungseinrichtungen und Arbeitsplätze sind, was natürlich mit der gewählten Altersspanne zusammenhängt – aber das gilt auch, wenn man den weiteren Lebensweg betrachtet. Sie wandern natürlich auch über die Landesgrenze und die nationale Grenze ab. Generell gilt, dass, die Zahl der Frauen im gebärfähigen Lebensalter abnimmt, gleichwohl hat es bedingt durch die Wende

Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung

139

In Tausend

In Tausend

1 200

80

1 100 70 1 000 900

60

800 50

Frauen im Alter von 15 bis unter 45 Jahren Lebendgeborene

700 600

40

500 30 400 300

20

200 10 100 0 1982 1988

0 1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

2004

2006

Quelle: Daten – Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen; Grafik – Sächsische Staatskanzlei, Ref. 35; Hinweis: Linke Skala: Frauen im Alter von 15 bis unter 45 Jahren, rechte Skala: Lebendgeborene.

Schaubild 10: Frauen im gebärfähigen Alter und Lebendgeborene, 1982 bis 2006

und ein anderes Reproduktionsverhalten, d.h. die Verschiebung von Geburten, Anfang der 1990er eine enorme Lücke, einen „Geburtenknick“ gegeben (vgl. Schaubild 10). So wurden im Jahr 1982 in Sachsen noch rund 70 000 Kinder geboren, die Geburtenzahl fiel innerhalb weniger Jahre bis 1994/95 auf fast 20 000. Danach kam es zu einer Erholung (vgl. auch Schaubild 11). Der Grund ist aber leider nicht eine deutlich höhere Reproduktionsrate über den gesamten Fruchtbarkeitszyklus einer Frau, sondern nur der nachgeholte Kinderwunsch; denn diejenigen Länder, die in den neunziger Jahren noch niedrige Geburtenzahlen hatten, haben seitdem besonders hohe Geburtenraten – das ist aber nur temporär. Leider interpretieren einige Kommunalpolitiken diese Zusammenhänge fehl und rechnen sich ihre demografischen Probleme schön oder meinen gar, Entwarnung geben zu können. Da die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter auch zukünftig weiter abnimmt, ist die weitere demografische Entwicklung damit im Wesentlichen vorgeprägt. Denn noch mehr als von den

140

Georg Milbradt Sachsen Berlin Thüringen Brandenburg

Mecklenburg-Vorpommern Hamburg Sachsen-Anhalt Bremen Deutschland Hessen Nordrhein-Westfalen Bayern Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Saarland Schleswig-Holstein Niedersachsen 0%

20 %

40 %

60 %

80 %

100 %

120 %

Veränderung der Lebendgeborenen je 1000 Einwohner 2007 gegenüber 2000 (2000 = 100 %)

Quelle: Daten – Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen; Grafik – Sächsische Staatskanzlei, Ref. 35.

Schaubild 11: Veränderung der Lebendgeborenen je 1 000 Einwohner, 2000 bis 2007

Kindern pro Frau,9 die man vielleicht durch bessere Rahmenbedingungen erhöhen kann, hängt diese natürlich von der absoluten Anzahl der Frauen ab. Diese kann kurz- und mittelfristig nicht erhöht werden, von forcierter Zuwanderung abgesehen. Eine Folge der höheren Wanderungsneigung der Frauen ist eine erhebliche Veränderung der Sexualproportionen. In einigen Gemeinden Sachsens gibt es 160 Männer auf 100 Frauen und fast nirgends ausgeglichene Verhältnisse zwischen den Geschlechtern.10 Die davon besonders stark betroffenen Regionen sind wiederum die peripheren und strukturschwachen Gebiete. Welche Konsequenzen resultieren aus den vorangegangenen Ausführungen für die öffentlichen Einrichtungen? Zum Beispiel führte die Geburten9 Die zusammengefasste Geburtenziffer für Frauen im Alter von 15 bis 45 Jahren liegt gegenwärtig bei etwa 1,35 Geburten je Frau (nach 0,75 in den Jahren 1993/94). Dies entspricht ungefähr der westdeutschen Rate. 10 Einige Politologen gehen gar so weit, darauf die höhere Neigung zum Rechtsextremismus bei jungen Männern in Ostdeutschland zurückzuführen.

Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung

141

entwicklung zu einer Halbierung der Schülerzahlen, was wieder erhebliche Folgen für das Schulnetz hatte. Da sich der Bedarf an Lehrern hauptsächlich von der Schülerzahl ableitet, führte das zu einer erheblichen Anpassungslast bei den Lehrern. Dies ist aber mit den normalen Regeln des öffentlichen Dienstes, z. B. mit dem Prinzip der Beschäftigung auf Lebenszeit im Beamtenrecht, nicht vereinbar. Sachsen hat daher – im Gegensatz zu anderen ostdeutschen Ländern – Lehrer nicht verbeamtet, um noch einen Rest an Anpassungsmöglichkeiten zu haben, da in den ostdeutschen Tarifverträgen für Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes noch Bedarfskündigungen möglich sind, zumindest theoretisch. Dies machte zur Vermeidung von Bedarfskündigungen (Zwangs-)Teilzeitbeschäftigung ohne Lohnausgleich in erheblichem Maße möglich, in der Spitze bis zu 57% Teilzeit und Gehaltsminderung bei Grundschullehrern. Dies zeigt, wie wenig die aus Westdeutschland übernommenen Systeme und Prinzipien geeignet sind, größere Veränderungen – hier ausgelöst durch die Demografie – zu bewältigen. Das gilt aber nicht nur für den öffentlichen Dienst. Wenn wir eine Chance haben wollen, die vor uns liegende demografischen Veränderungen zu bewältigen, müssen wir eine wesentlich größere Flexibilität der Systeme ermöglichen. Traditionelle Besitzstandswahrung ist damit kaum vereinbar. Die andere Seite der Medaille sind die jungen Rentner. Das Renteneintrittsalter lag im Jahr 2007 bei Frauen bei 60,6 und bei Männern bei 60,8 Jahren. Verglichen mit den vor uns liegenden demografischen Problemen wird das auf Dauer nicht zu halten sein. Die zukünftige Zahl der Erwerbsfähigen ist für die weitere wirtschaftliche Entwicklung besonders wichtig. Die Entwicklung der Erwerbspersonen in Sachsen bis 2020 ist mit minus 25% gegenüber dem Jahr 2000 stark rückläufig, wobei die Wanderungsbewegungen kaum noch eine Rolle spielen. Da aber auch Qualifikation eine immer größere Rolle spielt, wird man eher mit einem späteren Eintritt in das Berufsleben rechnen müssen, was tendenziell eine weitere Verringerung der Gruppe der Erwerbsfähigen bedeutet. Die einzige verbleibende Möglichkeit zum Erhalt einer ausreichenden Zahl von Erwerbsfähigen für die sächsische Volkswirtschaft ist also nur das Herausschieben des Renteneintrittsalters, um eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu erreichen –11 und zwar in Ostdeutschland dringender als in Westdeutschland. Bisher wird die längere Arbeitszeit zu einseitig unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung des Rentensystems gesehen. Aber das ist nur ein Aspekt. Mindestens genauso wichtig ist, auch weiterhin genügend qualifizierte Arbeitskräfte aus wirtschaftlichen Gründen verfügbar zu haben. 11 Vgl. E. Spitznagel: Ist die Demografie unser Schicksal? Verlängerte Arbeitszeiten – eine übersehene Option, in diesem Band.

142

Georg Milbradt

Das ist jedoch eine Perspektive für die Jahre 2020 ff. Da wir im Augenblick immer noch eine hohe Arbeitslosigkeit haben, insbesondere unter den Älteren, versteht die Bevölkerung eine solche Überlegung noch nicht, so dass es kaum möglich ist, hierüber einen öffentlichen Diskurs zu führen. Die Diskussion um die über zwei Jahrzehnte gestreckte Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre zeigt das mehr als deutlich. Da die politische Meinung mehr durch die Erfahrungen der Gegenwart und der Vergangenheit geprägt sind, ist es schwierig, Zukunftsvorsorge politisch durchzusetzen. Das bezieht sich aber nicht nur auf die Demografie, sondern auch auf viele andere Herausforderungen. Trotzdem müssen Wissenschaft und Politik diesen Diskurs führen. Da sich die Zahl der Lehrlinge aus Sachsen schon jetzt und die der Studenten in Kürze fast halbiert, steuern wir bei uns auf einen spürbaren Fachkräftemangel zu, was dann die Diskussion erleichtern wird, da es sich Wirtschaft und Gesellschaft immer weniger erlauben können, das Potential von qualifizierten und leistungsfähigen älteren Arbeitnehmern in einer solchen mit heute nicht vergleichbaren Situation unausgenutzt zu lassen. Um Humankapital besser und länger nutzen zu können, muss die Bevölkerung befähigt werden, lebenslang zu lernen sowie flexibler und geistig beweglicher zu werden. Trotzdem werden die ökonomischen Konsequenzen für die Beschäftigung, Innovation und das Wachstum pro Kopf eher negativ sein. Eine ältere Bevölkerung wird trotz aller Bildungsanstrengungen nicht so flexibel und innovativ sein und damit nicht so viel wie eine jüngere zum Wachstum des BIP pro Kopf beitragen. Die Beschäftigung wird zwar mehr in Richtung Vollbeschäftigung gehen, aber absolut wird das BIP sich schwächer entwickeln als in Westdeutschland, wodurch sich leider die Ost-West-Unterschiede eher wieder vergrößern werden. Demografische Echoeffekte verstärken in den nächsten Jahrzehnten diese Tendenzen. Wie andere Politikbereiche auch steht die Finanzpolitik vor großen Herausforderungen. Helmut Seitz hat für die Staatsregierung eine Modellrechnungen für den sächsischen Staatshaushalt vorgelegt.12 Die Einnahmen des Freistaates werden bis 2020 um etwa ein Fünftel zurückgehen bei einem angenommenen realen Wachstum von 1,5% (vgl. Schaubild 12). Der Bevölkerungseffekt (über den Bund-Länder-Finanzausgleich) macht etwa minus 1,6 Mrd. Euro aus, der Transfereffekt (Abschmelzen der West-OstTransfers und der EU-Hilfen) ist ebenfalls negativ. Daher muss der Freistaat bis zum Jahr 2020 trotz optimistischer Annahmen über das Wirtschaftswachstum real 20% einsparen, was nur durch eine Anpassung 12 Seine ursprünglichen Berechnungen beruhten auf dem Basisjahr 2005. Eine Aktualisierung der Zahlen ändert das Bild kaum.

Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung

143

15,1

2005 Osttransfereffekt –3,6 Wachstumseffekt

2,0

Bevölkerungseffekt –1,6 2020 –5,0

0,0

11,9 5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

Quelle: SMF, Mittelfristige Finanzplanung 2006 bis 2010 des Freistaates Sachsen. Annahme Osttransfereffekt: Abschmelzen der überproportionalen Leistungen des Bundes und der EU; im Jahr 2020 weitere überproportionale Leistungen an die ostdeutschen Länder in Höhe von ca. 100 Euro je Einwohner (im Vergleich zu den finanzschwachen Westflächenländern). Annahme Wachstumseffekt: Realwachstum des BIP (und der staatlichen Einnahmen aus Steuern) 1,5% pro Jahr.

Schaubild 12: Die realen bereinigten Einnahmen des Freistaates Sachsen im Jahr 2020: Komponenten der Einnahmenveränderung gegenüber dem Jahr 2005, in Mrd. Euro

der staatlichen Strukturen zu erreichen ist. Bei dieser dauerhaften Niveauverschiebung der Einnahmen kommt auch Ausweichen in zusätzliche Kredite nicht in Frage. Die sächsische Politik hat diese Zahlen im Gegenteil zum Anlass genommen, weitere Nettoschuldenaufnahmen generell zu vermeiden, nach Möglichkeit Schulden netto zu tilgen. Denn bei abnehmender Bevölkerung steigt die Schuldenlast pro Kopf, selbst wenn keine Schulden mehr aufgenommen werden. In einer Zeit stark sinkender Transfers ist es besonders wichtig, eine solche Entwicklung zu vermeiden. Berücksichtig man noch, dass unsere Nachbarländer im Osten um den Faktor zwei bis drei höher verschuldet sind, wird deutlich dass Ostdeutschland als Ganzes diesen Anpassungsprozess wahrscheinlich im Rahmen der bisherigen Hilfen kaum schaffen wird. Ob Sachsen ihn schafft, ist auch nicht sicher. Deshalb können wir uns bei der Suche nach Lösungen nicht an Westdeutschland orientieren, sondern müssen eine eigene Strategie entwickeln, für die uns von der Bundesebene die nötigen Freiräume gegeben werden müssen. Die Rolle der Politik wird bei der Ursachenbekämpfung häufig überschätzt. Die Hoffnung, die Politik könne diese Trends wesentlich beeinflussen, ist meist falsch. Für Ostdeutschland geht es im Wesentlichen leider nur noch um Anpassungsstrategien. Dasselbe ist auch für Westdeutschland zu befürchten, wenn die positiven Effekte der Zuwanderungen verschwin-

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Georg Milbradt

den, und selbst dann wird es noch eine gewisse Zeit dauern, bis sich diese Erkenntnis in den Köpfen der Leute festsetzt. Um die Bevölkerung und die Politik für die drängenden Demografieprobleme zu sensibilisieren, hat die sächsische Staatsregierung in zwei Demografiekongressen 2004 und 2006 wissenschaftlichen Rat eingeholt (begonnen hatte die Diskussion in Sachsen schon unter meinem Vorgänger um das Jahr 2000). 2006 wurde zusätzlich eine Expertenkommission eingerichtet, die mittlerweile einen Bericht abgeliefert hat, der umfassend die Anpassungsnotwendigkeit und -strategien für Sachsen benennt. Mittlerweile sind Förderrichtlinien, z. B. wegen dieser demografischen Erwägungen, überarbeitet worden, um keine Fehlinvestitionen und Überkapazitäten zu fördern. Die Wohnungsbauförderung ist schon seit vielen Jahren beendet worden, um im Rahmen des Stadtumbaus Abriss oder – politisch korrekt – Rückbau im Wohnungsbereich zu erreichen und so Leerstände zu vermeiden. Trotz erheblicher Anstrengungen von Bund und Ländern haben wir aber erst einen kleineren Teil dieses Problems gelöst. Darüber hinaus gibt es vielfältige Anstrengung bei der Bevölkerung eine Bewusstseinsänderung herbeizuführen, die eine offenen Diskussion über Anpassungsstrategien erst ermöglicht, z. B. einen Wettbewerb „Demografie“. Wegen der unterschiedlichen Betroffenheit in den einzelnen Räumen und Lebensbereichen gibt es kein Patentrezept für alle Gemeinden, in denen ja der Wandel direkt zu spüren ist. Die einzelnen Politikbereiche, wie z. B. Schul- und Hochschulpolitik, müssen aufeinander abgestimmt werden. Wir brauchen ganzheitliche Ansätze. Die allgemeine Skepsis gegenüber Veränderungen und fehlender Mut bewirken häufig, dass notwendige Maßnahmen nicht oder zu spät angegangen werden. Hinzu kommt, dass im politischen Wettbewerb langfristige Ziele und Effekte geringer bewertet werden als kurzfristige. Gerade deshalb ist eine Aufklärungs- und Informationspolitik besonders wichtig. Die bisherige Diskussion hat gezeigt, dass es eine Vielzahl von Handlungserfordernissen gibt, auf die die Gesellschaft und die Politik reagieren müssen. Eine zentrale Rolle spielt z. B. die Bildungspolitik, um quantitative Bevölkerungsrückgänge und die Alterungsprozesse teilweise durch Qualitätsverbesserungen zu kompensieren (mehr Betreuungsmöglichkeiten, bessere und individuellere Förderung von Kindern, lebenslanges Lernen). In Sachsen haben wir mittlerweile das höchste Angebot an Ganztagsschulen, eine nahezu 100%ige Abdeckung bei Kindergartenplätzen ab drei Jahren, eine 35%ige Abdeckung in den Krippen für die Null- bis Dreijährigen mit steigender Tendenz. Im Gesundheitswesen droht auf dem Land die Gefahr eines Ärztemangels, denn bei geringeren Bevölkerungsdichten lässt sich das heutige Ver-

Demografische Entwicklung in Sachsen als politische Herausforderung

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sorgungssystem nicht ohne Änderungen aufrechterhalten. Die Anzahl der selbstständigen Ärzte wird abnehmen, die Tendenz geht wieder zur „alten Poliklinik“ und zu einer stärkeren Kooperation der Ärzte untereinander und mit den Krankenhäusern. In der öffentlichen Sicherheit und dem Rettungswesen wird es in Zukunft immer schwieriger, z. B. flächendeckend eine freiwillige Feuerwehr zu organisieren. Darauf gibt es bis jetzt keine Antworten. In den großen Städten haben wir Berufsfeuerwehren, vermutlich geht es in diese Richtung. In einer älteren Bevölkerung steigt zwar das Sicherheitsbedürfnis, aber die tatsächliche Sicherheitsgefährdung nimmt ab, d.h. wir bräuchten weniger Polizei, die Forderungen gehen aber zur Zeit in die gegenteilige Richtung. Die Grundauslastung im öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere auch im Schulverkehr, wird in Zukunft, vor allem in ländlichen Gebieten, nicht immer mehr gegeben sein und eine Reduzierung des öffentlichen Verkehrsangebots erzwingen, was für die Älteren ein Problem darstellt, die nicht mehr Auto fahren können. Ob das Internet und die virtuelle Mobilität dies alles ausgleicht, wage ich zu bezweifeln. Auch in der übrigen Infrastruktur muss es zu größeren Anpassungen komme, insbesondere auf dem Lande. In den letzten Jahren ist es gelungen, wichtige Strukturveränderungen im Hinblick auf den demografischen Wandel zu erreichen: 1. Eine deutliche Straffung des Schulnetzes auf der Basis eines zweigliedrigen Schulsystems. Die Bildungsqualität hat dadurch nicht gelitten, wie die Spitzenplätze beim PISA-Test beweisen. 2. Eine tiefgreifende Verwaltungsreform mit weitgehender Dezentralisierung staatlicher Aufgaben auf die Kreisebene. Als Voraussetzung wurde die Zahl der Einheiten auf der Kreisebene durch Fusionen fast halbiert Das kann aber nur ein erster Anfang sein, weitere Veränderungen werden folgen. Unsere einzige Chance, die Probleme des demografischen Wandels zu bewältigen, ist, Vorreiter einer Politik der Veränderungen unserer liebgewonnenen Strukturen zu sein, um unser Gemeinwesen zukunfts- und so weit wie möglich demografiefest zu machen. Davon sind mittlerweile nicht nur viele Politiker auf der Landesebene, sondern auch viele Bürgermeister überzeugt; denn das Beklagen der Entwicklung ist zwar verständlich, aber keine Lösung. Da wir meistens nur eine rudimentäre Vorstellung von den zukünftigen Entwicklungen haben, müssen wir darauf achten, dass die Systeme und Lösungen flexibel sind, um nachkorrigieren und Feinabstimmung vornehmen zu können.

Podiumsdiskussion1

Notwendigkeit und Möglichkeiten der politischen Gestaltung der demografischen Entwicklung Thilo Boss: Nach dem, was ich von Ihnen heute gehört habe, gibt es die unterschiedlichsten Thesen und Ansätze, wie man das demografische Problem lösen kann. Herr von Loeffelholz hatte in seinem Vortrag schon angeschnitten, dass ohne Wirtschaftsprosperität, ohne Wirtschaftswachstum Zuwanderung gar nicht stattfindet. Müssen alle Prioritäten darauf gesetzt werden, dass das Wirtschaftswachstum angekurbelt wird und kann über das Wirtschaftswachstum auch das demografische Problem, wie beispielsweise in Sachsen, gelöst werden? Georg Milbradt: Ohne Wirtschaftswachstum würde der Schrumpfungsprozess der Bevölkerung noch schwerer zu bewältigen sein, deswegen ist das natürlich richtig. Wirtschaftswachstum muss man versuchen zu stabilisieren, wobei das Problem bei einer älter werdenden Bevölkerung darin besteht, dass bei einem geringeren Anteil der Erwerbsfähigen die Produktivität bezogen auf die Gesamtbevölkerung tendenziell abnimmt und es zunächst einmal darum geht, dem Rückgang, der im Grunde genommen durch Demografie erzeugt werden würde, entgegenzuwirken. Das Zweite ist, dass es natürlich in ganz Europa bezogen auf die exzellenten Berufe und die exzellenten Branchen einen Wettbewerb geben wird bzw. schon gibt. An dem müssen wir uns beteiligen und nur, wenn wir auch in den Bereichen wie Wissenschaft, Forschung und Technologie im Wettbewerb bestehen, dann gelingt es auch, eine Stabilisierung des Wirtschaftswachstums dauerhaft zu erreichen und damit die Chancen einer geregelten Zuwanderung von Menschen, die – insgesamt gesehen – diesen Prozess positiv voranbringen können, zu steigern. Hans Dietrich von Loeffelholz: Wir sind uns alle darüber einig, dass ein erhöhtes Wirtschaftswachstum manche Probleme zumindest mildern könnte 1 Protokoll der Audio-Aufzeichnung der Podiumsdiskussion mit den Herren Dr. Hans Dietrich von Loeffelholz, Prof. Dr. Georg Milbradt, Dr. Eugen Spitznagel, Prof. Dr. Gunter Steinmann und Prof. Dr. Adolf Wagner unter Leitung von Thilo Boss. Eine nachweisliche Identifizierung aller Redebeiträge aus dem Auditorium war leider nicht möglich, so dass auf ihre Personalisierung verzichtet werden musste. Es gilt das gesprochene Wort.

148

Podiumsdiskussion

und dass eine erfolgreiche Wachstumspolitik, wie auch immer diese aussähe, die demografischen Probleme ein Stück weit lösen würde. Nun stellen wir fest, dass Wachstum nicht vom Himmel fällt. Wir stellen in der Rückschau der vergangenen 30 Jahre fest, dass von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die durchschnittlichen Wachstumsraten von drei Prozent über zwei Prozent auf etwas über ein Prozent gefallen sind. Und die Frage ist nun, wie sind die Maßnahmen, über die wir heute im einzelnen gesprochen haben, zu gestalten, damit wir wieder auf einen höheren Wachstumspfad kommen, auf einen Wachstumspfad, der uns vielleicht auf die Höhe des Niveaus von anderen Ländern führt. Man muss nicht unbedingt das Beispiel der USA heranziehen. Nur: Wir müssen dazu bereit sein, das höhere Wachstum mit den dazu erforderlichen Mitteln zu wollen und da gibt es auch in der Wissenschaft erhebliche Zweifel, ob wir die Kosten, die mit einem höheren Wachstum verbunden sind, tragen wollen. Ich will jetzt nicht von Umweltkosten, sondern von Flexibilitätskosten, Mobilitätskosten und anderen Kosten reden, die die Gesellschaft bereit sein muss zu tragen, damit wir ein höheres Wachstum erreichen und die demografischen Probleme zumindest teilweise abfedern. Mit einem höheren Wachstum können wir möglicherweise auch wieder mehr Zuwanderung attrahieren, als es in den vergangenen fünf bis sieben Jahren der Fall gewesen ist. Das ist natürlich auch in erster Linie eine Frage an die Wissenschaft, nicht nur an die Politik: Wie kommen wir wieder zu einem höheren Wachstum? Gunter Steinmann: Ich muss widersprechen. Es wird hier bei der Podiumsdiskussion, Herr Milbradt, wieder einmal dem Jugendlichkeitswahn gefrönt. Ich wollte nur sagen, Produktivität und Alter, das ist ja keineswegs eine negative Beziehung. Der Zusammenhang zwischen Produktivität und Lebensalter ist keinesfalls eindeutig. Wenn man es einmal zu messen versucht, dann kann man das höchstens anhand des Einkommens. Bekanntlich ist das Einkommen am höchsten bei den etwa 50 bis 55jährigen. Also kann man sagen, dass die Gruppe, die die höchste Produktivität hat, nicht unbedingt die Jüngeren sind. Zweitens, möchte ich es einmal materiell betrachten. Die Produktivität mag von zwei Fähigkeiten abhängen, der Erfahrung und dem Querdenken, irgendetwas Neues zu probieren. Diese beiden Qualifikationen, die bei der Produktivität entscheidend sind, erfüllen die Jungen und die Älteren in unterschiedlichem Maße. Erfahrung spricht deutlich für die Älteren, Innovationskraft eher für die Jüngeren. Ich kann Ihnen ein Beispiel geben. Wenn sie die Produktivität der Professoren an der Zahl der Publikationen messen wollen, dann stellen sie fest, dass die theoretischen Physiker eigentlich alle ihre entscheidenden Publikationen vor dem dreißigsten Lebensjahr erstellt haben. Da ist offenbar die Innovationskraft das Entscheidende und ich würde sagen, ab da nimmt die Produktivität deutlich ab. Wenn sie sich dagegen die Experimentalphysiker betrachten, existiert dort

Notwendigkeit und Möglichkeiten der politischen Gestaltung

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eine gleichbleibende Publikationstätigkeit bis zur Emeritierung. Ich möchte sagen, dass die Aussage „alte Bevölkerung, niedrige Produktivität“ mit Vorsicht zu werten ist. So einfach sind die Zusammenhänge nicht. Ich wüsste nicht, wie man Produktivität unstrittig messen kann, mit der Ausnahme des Einkommens – und da wäre bekanntlich, wenn ich es am Einkommen messe, bei den 50–55jährigen die höchste Produktivität zu finden. Georg Milbradt: Ich glaube, sie haben mich missverstanden. Ich habe gesagt, dass bezogen auf die gesamte Bevölkerung die Produktivität abnimmt, nicht auf die erwerbstätige Bevölkerung. Ein Rentner hat immer eine Produktivität von null. Da nützt die ganze Argumentation nichts. Das andere habe ich nicht diskutiert. Ich habe nur gesagt, wenn der Anteil der Rentner wächst, dann sinkt die gesamtwirtschaftliche Produktivität bezogen auf die Bevölkerung. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Eugen Spitznagel: Ich sehe den Zusammenhang eher zwischen Qualifikation und Wachstum. Da kommt es meiner Meinung nach gar nicht so sehr auf „jung“ oder „alt“ an. Es geht um „qualifiziert“ oder „nicht qualifiziert“. Ich bin sehr geprägt von der kleinräumlichen Analyse und ich denke, da es insbesondere in Ostdeutschland einen brain drain gibt, wo die Qualifizierten abwandern, dass in manchen Regionen schlichtweg die Basis für Wachstum fehlt und deshalb regional angesetzt werden müsste, um zu höheren Wachstumsraten zu kommen. Frage aus dem Auditorium: Bezüglich des Wachstums könnte man sich überlegen, wie man die Kapitalintensität erhöht. Auch wenn die Bevölkerungszahl zurück geht, kann durch die Erhöhung des Kapitaleinsatzes durchaus Wachstum generiert werden, zumal viele Bereiche in der Bundesrepublik noch über Wachstumspotential verfügen. Ich möchte die einzelnen Diskutanten fragen, wie sie zum Wachstum stehen. Ich sehe aus unserem volkswirtschaftlichen Bereich selten ein klares Bekenntnis zu diesen oder jenen Wachstumsmöglichkeiten. Überlagert die ganze Skepsis bezüglich der demografischen Entwicklung nicht den Willen zum Wachstum? Adolf Wagner: Ich habe heute vieles gehört, was meine Zustimmung findet. An diesem Punkt, Herr Beerstecher, möchte ich einen kleinen Widerspruch anmelden. Wir müssen sehen, dass wir nicht in die irrige Ansicht alter Beirats-Gutachten verfallen und gegen den Bevölkerungsrückgang an investieren. Das ist etwas, was ich mit meinen neun Punkten zur wirtschaftlichen Bedeutung der Menschen heute auch ansprechen wollte, dass man den demografischen Rückgang des Faktors Arbeit keineswegs durch Kapitalintensivierung und Produktivitätssteigerung kompensieren kann. Ich habe heute aus verschiedenen Beiträgen etwas herausgehört, was ich seit langem vermutet habe, dass der Bevölkerungsrückgang, nach welcher makroökonomischen Wirtschaftstheorie auch immer, so eine Art depressive Tendenz

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Podiumsdiskussion

über eine Volkswirtschaft verbreitet. Was mir bei den Ausführungen von Herrn Milbradt besonders gefallen hat, war seine Skepsis gegenüber der Flexibilität all unserer Systeme, auch im Westen, zur Anpassung an diesen Rückgang. Man könnte noch einiges über den Schattenpreis eines Kindes sagen, der zu hoch ist. Aber ich möchte es hiermit bewenden lassen, um hier noch einen Hinweis an Herrn Helmstädter geben zu können. Herr Helmstädter hat einen ganz wichtigen Gedanken ausgesprochen, nämlich den, der in der Bevölkerungsmathematik vorhanden ist, dass langfristig nur ein Bevölkerungsniveau konstant gehalten werden kann, wenn sich ein bestimmtes Reproduktionsverhalten einstellt. Die Frage wird sein, wie, wann und ob überhaupt Sachsen auf die genannten Nettoreproduktionsraten von 1 oder nahe an die 2,1 Kinder pro Frau kommt. Auditorium: Äußerst ungern widerspricht man natürlich dem Jubilar, aber hier ist es ja so, dass das Wachstum viele Dimensionen hat. Ein Gespenst sind ja zum Beispiel die steigenden Soziallasten pro Kopf, also, dass die steigenden Kosten eines spürbaren demografischen Wandels nicht tragfähig sind. Ich denke schon, dass gegen den demografischen Wandel an investiert werden kann, was die klassische ökonomische Reaktion darstellt. Wir haben ja weiterhin ein hohes Sparaufkommen und die Investitionen in Bildung, z. B. in neue Schulen, fallen in Zukunft geringer aus, damit erschließen sich hier auch Sparpotenziale. Schließlich gilt bei den Finanzwissenschaftlern ja auch das Wort, dass die Jungen teurer als die Alten sind. Um es auf den Punkt zu bringen: ich kann mich mit den prognostizierten Wachstumsraten, die bei den Herren Spitznagel und Milbradt mit 1,5 Prozent bzw. 1,2 Prozent angegeben wurden, jedenfalls nicht abfinden. Die Implikationen der niedrigen Wachstumsraten, zum Beispiel mit Blick auf den Arbeitsmarkt, sind noch viel dramatischer als die des demografischen Rückgangs, wenn wir diese über einen langen Zeitraum haben. Wir müssen sehen, wie wir mit Hilfe des technischen Fortschrittes die Produktivität steigern können, sonst werden wir erheblich größere Probleme bekommen. Auch eine längere Lebensarbeitszeit wird bei dem prognostizierten Einkommensniveau von den Menschen gesucht und angeboten werden, da sie sonst mit den steigenden Kosten der sozialen Sicherungssysteme nicht zu recht kommen. Das würde bedeuten, dass der Lebensstandard in hohem Maße rückläufig ist und das wäre in der Tat eine Herausforderung, bei der ich mir nicht sicher bin, wie die Bundesrepublik damit fertig wird. Auditorium: Herr Milbradt hat 1,5 Prozent BIP-Wachstum in Sachsen bei einer sinkenden Bevölkerung unterstellt. Das heißt, das BIP pro Kopf nimmt um mehr als 1,5 Prozent zu. Die Schrumpfungsrate der Bevölkerung liegt in etwa bei 1,2 Prozent jährlich, was einem Pro-Kopf-Wachstum von 2,7 Prozent entspricht, deutlich mehr als wir in der Vergangenheit hatten. Daher denke ich eher, dass die 1,5 Prozent etwas zu optimistisch sind.

Notwendigkeit und Möglichkeiten der politischen Gestaltung

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Georg Milbradt: Wir reden hier nicht über Demografie im engeren Sinne, sondern die Frage ist, wie das Wachstum einer Volkswirtschaft beschleunigt werden kann. Natürlich gelänge dies mit mehr Innovationen, mit mehr Investitionen, aber die entscheidende Frage lautet, ob die Bevölkerung dazu bereit ist. Mein Eindruck bisher ist, dass Innovation, soweit es um Bildung geht, Zustimmung findet und soweit es aber um Veränderungen geht, die Bereitschaft dazu weitgehend fehlt. Und bei der Zukunftsvorsorge habe ich eher den Eindruck, dass wir dazu neigen, die Zukunft schon jetzt zu verfrühstücken. Man darf in der Politik auf der einen Seite nicht so pessimistisch sein – ich hoffe, dass ich das nicht gewesen bin, aber man darf auch nicht zu optimistisch sein und alle Probleme durch Annahme zu hoher Wachstumsraten eliminieren. Und darin sehe ich unser Problem. Zweitens, muss man annehmen, damit komme ich auf den Redebeitrag von Herrn Spitznagel zurück, dass es auch Elemente gibt, die die Wachstumsraten in Zukunft reduzieren. Es gibt zum Beispiel weniger Unternehmer. Dass jemand mit 65 Unternehmer wird, ist allein aus Risikogesichtspunkten sehr unwahrscheinlich. Wir werden bei einer solchen Bevölkerungsentwicklung, wie zum Beispiel in Sachsen, mit einem Mangel an Unternehmern konfrontiert werden. Eine Möglichkeit wäre die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Dies führt zu einem gegenläufigen Effekt, da man länger arbeitet, Risiken ausbalancieren und möglicherweise in höherem Maße an den Erfahrungen der Älteren partizipieren kann als in der gegenwärtigen Situation, wo die Älteren aus arbeitsmarktpolitischen Gründen aus dem Erwerbsleben gedrängt werden. Da diese arbeitsmarktpolitischen Gründe nun wegfallen, muss man offen sagen: eine Teillösung ist eine längere Lebensarbeitszeit. Aber im Augenblick ist die Antwort der Bevölkerung auf einen solchen Vorschlag noch negativ. Gunter Steinmann: Noch eine Bemerkung zu der Lösung via Investitionen. Wir müssen akzeptieren, dass die Investitionsneigung abnimmt und Arbeit und Kapital nicht immer substituierbar sind, sondern manchmal auch komplementär. Wir haben in Deutschland eine Netto-Investitionsquote von drei Prozent bei einer Sparquote von ungefähr zwölf Prozent. Da sieht man, dass die Mittel eigentlich vorhanden sind, aber wir investieren das Kapital im Ausland bzw. im Außenbeitrag. Die fehlenden Investitionen in Deutschland hängen möglicherweise mit dem Demografie-Problem hierzulande zusammen. Mit der Demografie kommt es zu einer Vermögensgüterpreisschmelze, was man schon jetzt an den Immobilienpreisen erkennen kann. Daher wird der Vorschlag, der Demografie mit einer Kapitalintensivierung zu begegnen, nicht funktionieren. Adolf Wagner: Herrn Heilemann kann man leicht seine eigene Einführung zum heutigen Tag entgegenhalten, wo deutlich heraus kam, welchen

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Podiumsdiskussion

Anteil die Demografie am US-Wachstum besitzt. Vor vielen Jahren wurde von Gunter Steinmann die neue Bevölkerungsökonomik angesprochen, in der ein Zusammenhang zwischen Fortschrittstempo und demografischer Wachstumsrate aufgezeigt wurde, was damals ein Trost für die Entwicklungsländer sein sollte. In der Umkehrung ist es für uns negativ. Gegen die Nachfrageseite an zu investieren, kann nicht funktionieren, wie bereits in einem von Karl Heinrich Oppenländer und mir 1985 herausgegebenen Band argumentiert wurde. Lieber Ullrich, wir müssen natürlich weiter darüber im Gespräch bleiben, aber mich hast du noch nicht überzeugt. Hans Dietrich von Loeffelholz: Ich möchte auch meine Skepsis bezüglich der höheren Investitionen zur Förderung des technischen Fortschrittes deutlich machen. Ich weiß nicht, woher die Investitionen kommen sollen, da das inländische Sparaufkommen infolge der Demografie eher tendenziell abnimmt, wenn mehr ältere Leute in der Entsparphase sind. Die Investitionen können dann nur durch den internationalen Kapitalmarkt finanziert werden, welches auch entsprechende Risiken birgt. Daher scheint mir diese Möglichkeit begrenzt zu sein, obwohl ich auch damit gut leben kann und ich es befürworten würde. Nur ist es das Mittel der ersten Wahl. Noch eine Anmerkung zu den Stichworten „Innovation und Innovationspotential“. Ich vertrete auch deshalb die Meinung, dass wir Zuwanderung brauchen, da ich in der qualifizierten Zuwanderung ein erhebliches Innovationspotential und Dynamisierungspotential der Volkswirtschaft sehe. Wenn man die Zuwanderung richtig steuert, sind diejenigen, die hierher kommen, diejenigen, die sagen, warum macht ihr das so und nicht anders? Sie sind innovativ, sie sind dynamisch und sie bringen neue Ideen mit in die Wirtschaft. Dieses Innovationspotential sollten wir nutzen. Sie brauchen sich nur die ausländischen Unternehmen anzuschauen, die bei uns in den letzten 20 Jahren sehr stark expandierten und die keineswegs mehr Nischenanbieter, sondern eben klassische Dienstleistungs- und Softwareunternehmen sind. Diese Unternehmen bergen ein erhebliches Innovationspotential, das uns zu einer spürbar höheren Wachstumsrate führen könnte. Eugen Spitznagel: Ich denke, dass man zunächst einmal bei den Perspektiven für das wirtschaftliche Wachstum sehr stark zeitlich differenzieren sollte. Wir denken jetzt in großen Zeiträumen, aber wir müssen auch sehen, dass wir im Jahr 2009 wahrscheinlich 3,5 Millionen Arbeitslose haben werden. Daneben existiert noch eine sogenannte „Stille Reserve“, also eine verdeckte Arbeitslosigkeit, deren Größenordnung je nach Berechnungsweise einschließlich der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ungefähr eine Million Menschen beträgt. Wir haben damit zurzeit noch ein großes Maß an Unterbeschäftigung, das der Integration harrt – selbst wenn man noch einen Sockel der Langzeitarbeitslosigkeit abziehen würde. Zweitens, wenn ich in

Notwendigkeit und Möglichkeiten der politischen Gestaltung

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unsere Projektion schaue, dann haben wir wahrscheinlich bis zum Jahr 2015 keine großen limitationalen Effekte von der Angebotsseite her. Deswegen ist an dieser Stelle noch die Annahme von zwei Prozent Wachstum gerechtfertigt. Danach wird es problematisch, da das Angebot zunehmend ein begrenzender Faktor des Wachstums wird. Ein letzter Punkt zur Lebensarbeitszeit. Die Rente mit 67 ist wahrscheinlich „gegessen“ und Ende des Jahres 2009 steht die Entscheidung zur Prolongierung oder Beendigung der Altersteilzeit an. Wahrscheinlich wird es zu keiner uneingeschränkten Prolongierung mehr kommen. Langfristig gesehen ist auch eine höhere Altersgrenze vorstellbar, was aber nicht unbedingt zu einer höheren Lebensarbeitszeit führen muss. Man kann sich vorstellen, dass Personen künftig Auszeiten nehmen, um sich weiterzuqualifizieren, und dann vielleicht erst mit 68 oder 69 Jahren in Rente gehen. Hier zu innovativen Lösungen bei der Lebensarbeitszeit zu kommen, könnte dazu beitragen, dass wir Unterbeschäftigung aktuell abbauen können, z. B. wenn Leute vorübergehend aus dem Erwerbsleben aussteigen, und damit auf längere Sicht unsere Potentialprobleme mengenmäßig und vielleicht auch qualifikatorisch lösen. Georg Milbradt: Ich bin bei der Frage der Zuwanderung ein wenig skeptisch. Wenn, im Idealfall, die gut ausgebildeten Leute aus fernen Ländern kommen und uns unterstützen, dann ist das ohne Frage eine Lösung. Aber was sollte die gut Qualifizierten aus dem Ausland veranlassen, zu uns zu kommen und die Renten der deutschen Rentner durch Steuern und Sozialabgaben zu bezahlen? In anderen Teilen der Welt können sie ohne diese Belastungen leben. Wir müssten dann bereit sein, nicht nur für diejenigen, die zuwandern, andere Distributionssysteme einzuführen. Und das sehe ich zurzeit nicht. Die Leute sind doch nicht nach Deutschland gekommen, weil wir sie nicht haben wollten oder weil sie durch die deutsche Ausländerpolitik abgeschreckt worden sind. Und als von der rot-grünen Bundesregierung die Blue Card eingeführt wurde, gab es keinen großen Zulauf, sondern ganz im Gegenteil, es kamen diejenigen, die in den Vereinigten Staaten nicht untergekommen sind. Trotz der Wirtschaftskrise sind die Vereinigten Staaten als Zuwanderungsland qualifizierter Ausländer noch viel attraktiver, da die materiellen Voraussetzungen andere sind. Daher habe ich Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass hochqualifizierte Leute durch Änderung der Einwanderungspolitik zu uns kommen und damit unsere Probleme lösen. Ich glaube, wir müssen die Lösung bei uns suchen. Schön ist natürlich, wenn der eine oder andere aus dem Ausland dazukommt und hilft, aber die Hoffnung, dass wir die Lösung extern finden oder zu suchen haben, teile ich nicht. Das ist jedoch auch keine Glaubensfrage. Ob wir das Problem durch Wachstum oder Zuwanderung lösen, ist egal. Im jeden Fall müssen wir noch viel selber machen und über diese Lösungsmöglichkeiten sollten wir diskutieren.

154

Podiumsdiskussion

Auditorium: Ich habe noch eine Bemerkung zu Wachstum und Produktivität. Unternehmen sind doch in einem weltweiten Konkurrenzkampf. Diesen können sie nur bestehen, indem sie immer wieder neue Innovationen hervorbringen, indem sie Forschung und Entwicklung vorantreiben usw. Wir müssen doch davon ausgehen, dass wir noch eine Marktwirtschaft haben und dass wir dort Wettbewerb haben, den die Unternehmen bestehen müssen. Mit anderen Worten, die Unternehmen werden diejenigen sein, die das Wachstum stützen und je größer der Wettbewerb ist, desto höher ist die Produktivität. Daher verstehe ich nicht die geringen Schätzungen über die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate. Mit einer Wachstumsrate von 1,2 Prozent hat man im weltweiten Konkurrenzkampf jedenfalls keine Chance, zu bestehen. Sie müssen damit voraussetzen, dass die anderen Länder höhere Wachstumsraten haben, dass die deutschen Unternehmen nicht in der Lage sind, sich zu behaupten. Das passt mir nicht zusammen. Auditorium: Vor kurzem lautete es in der Stuttgarter Zeitung: „Immer mehr Studenten – so bleibt Stuttgart jung. Der demografische Wandel trifft die Landeshauptstadt weniger.“ Was will ich damit sagen? Es gibt mehrere Untersuchungen, die zeigen, dass Universitäten ein Schlüssel für die Zuwanderung sein können, dass also Studenten, die man her holt, bleiben. Eine Untersuchung der Technischen Hochschule Zürich zeigt beispielsweise, dass etwa 15 bis 20 Prozent in der Region bleiben. Also eine Universität wie Leipzig, das darf man durchaus sagen, bietet eine der wenigen Möglichkeiten junge Leute hierher zu holen und im Land – Sachsen, Deutschland – zu halten. Daher sehe ich eine absolute Priorität in der Bevölkerungspolitik. Ich halte aber das Nachdenken darüber, wie man über eine Kapitalintensivierung ein höheres Wachstum generieren kann, auch für eine Möglichkeit, den Prozess des demografischen Wandels vielleicht etwas zu erleichtern. Man sollte dem Thema „Wachstum und Bevölkerung“ jedenfalls die gleiche publizistische Intensität zuwenden wie dem Klimawandel, von dem wir nicht einmal wissen, ob er kommt. Auditorium: Ich glaube einiges, was hier gesagt worden ist, verweist auf die heterodoxe Bevölkerungsökonomik, die Herr Wagner eingefordert hat. Einige Dinge waren in den Ausführungen bereits implizit vorhanden, wie die unternehmerische Leistung, aber ich darf sie auch auf die Arbeitseinstellung hinweisen, die nicht nur als Mittel zum Zweck gesehen werden kann. Wir brauchen insofern eine heterodoxe Arbeitsökonomik, in der Arbeitsbefriedigung einen höheren Stellenwert bekommt, ohne damit die negativen Aspekte, die aus der Drittes-Reich-Ideologie herrühren, aufzunehmen, aber im Einklang mit dem Motivationstheorem. Also ich glaube, hier könnte und sollte von der Wissenschaft angesetzt werden, um nicht so einseitig zu sein und um auf diese Weise auch mehr Aufgeschlossenheit für

Notwendigkeit und Möglichkeiten der politischen Gestaltung

155

das zu zeigen, was hier als ein Erklärungsfaktor eingebracht wurde und was sich deckt mit dieser gesamtheitlichen Sicht. Adolf Wagner: An dieser Stelle möchte ich den Hinweis von Herrn Milbradt unterstreichen, dass Unternehmungen nicht einfach so begrifflich abstrakt existieren, sondern wir benötigen Unternehmer in einem bestimmten Alter, das nicht zu hoch sein darf. Daher berührt dieses Thema unmittelbar die demografische Komponente. Herrn Enkes Freiburger Habilitationsschrift über konsumtives Verhalten verdient es dabei, gelegentlich einmal wieder gelesen zu werden. Aber unser Thema war heute unter anderem, wie wir zu höheren Nettoreproduktionsraten gelangen. Es ist ja nur eine begriffliche Verkleidung des Gesamtzustandes, wenn ich sage, dass der Schattenpreis eines Kindes zu hoch ist. Für wen ist er zu hoch? Für potentielle Paare, die sich streng rational entscheiden würden mit Blick auf das, was an Anreizen noch übrig geblieben ist. Ich dagegen baue auf die begrenzte Rationalität und darauf, dass das „Kinder kriegen“ mal wieder modern wird und die potentiellen Paare deshalb Kinder bekommen und nicht aus tiefer Einsicht volkswirtschaftlicher Erfordernisse. Herwig Birg hat das Bevölkerungsdenken aus anderer Perspektive angemahnt. Er sagte, dass unsere Gesellschaft ein Bevölkerungsbewusstsein bräuchte, das politisch vermittelt werden müsste. So wären auch die Massen der Wähler geneigt, dem Problem gesamtgesellschaftlich gesehen näher zu treten. Und dabei wird ein anderes Politikfeld berührt, die Integrationspolitik. In den nicht mehr ganz neuen soziologischen Untersuchungen von Hoffmann-Nowotny für die Schweiz wurde herausgefunden, dass sich die Bevölkerung eine Unterschicht schafft. Diese Unterschichtung der Gesellschaft birgt großen Sprengstoff. An dieser Stelle braucht man, gerade auch hier in Ostdeutschland, wieder ein Bevölkerungsbewusstsein, auch mit Blick auf den geringen Ausländeranteil, denn im Sinne der Bevölkerungspolitik hat Ostdeutschland bezüglich Zuwanderung ohne Frage „Nachholbedarf“. Thilo Boss: An dieser Stelle muss ich einen Schnitt machen, wir haben das uns gegebene Zeitlimit erreicht – es sei denn, es gibt noch eine dringende Frage. Aber ich denke, der letzte Satz war ein schönes Statement des Jubilars und wir sollten ihm das letzte Wort belassen. Der Dialog wird sicherlich beim Empfang nachher fortgesetzt, sodass der Gedankenaustausch nicht aufhört. Ich bedanke mich bei den Diskutanten auf dem Podium und im Auditorium für die anregende, offene und lebhafte Diskussion.

Anhang

Curriculum Vitae Adolf Wagner 25. Februar 1939 Geburt in Falkenau an der Eger (Sudetenland, Tschechien) Seit 1965 verheiratet mit Ursula Barbara W., geb. Schönecker; zwei Söhne (Dipl.-Ing. Alexander W., geb. 1967, Dipl.-Ing. Stefan W., geb. 1969) 1955 bis 1961 Ausbildung und Tätigkeit im Bankwesen 1955

Banklehre bei der Kreissparkasse Schongau

1958

Kaufmannsgehilfenprüfung IHK München Kreditsachbearbeiter und Direktionsassistent Kreissparkasse Schongau

1961

Prüfung für den gehobenen Sparkassendienst in München Examen der Bankakademie in Köln Ende der hauptberuflichen Tätigkeit in Schongau

1961 bis 1975 Abitur, Studium und Tätigkeit in der Wirtschaftsforschung 1961

Schulbesuch im Münchenkolleg Nebenamtlicher Fernkurslehrer der Bayerischen Verwaltungsschule

1964

Abitur am Münchenkolleg Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität München Ferienarbeit als Revisionsassistent beim Bayerischen Sparkassen- und Giroverband

1968

Examen als Diplom-Volkswirt an der Universität München Wissenschaftlicher Referent im Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen

1972

Promotion: Dr. rer. pol. an der Universität Tübingen (Prof. Dr. Alfred E. Ott)

1975

Ende der hauptberuflichen Tätigkeit im IAW Tübingen

1975 bis 2004 Tätigkeit als Hochschullehrer und Institutsleiter 1975

Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Reutlingen

1976

Habilitation für Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Universität Tübingen (Prof. Dr. Alfred E. Ott, Prof. Dr. Heinrich Strecker) Privatdozent an der Universität Tübingen

1979

Professor für Statistik an der Universität Marburg

160 1980

Curriculum Vitae Adolf Wagner Ruf auf Ordinariat für Wirtschaftstheorie an der Hochschule der Bundeswehr in Hamburg Ordinarius und Abteilungsdirektor Wirtschaftstheorie an der Universität Marburg (Heuß-Nachfolge) Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Universität Marburg 1984/85 Mitherausgeber der „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“ (ab 1983, geschäftsführend ab 1995)

1986

Ordinarius und Abteilungsdirektor Wirtschaftstheorie an der Universität Tübingen (Scheele-Nachfolge) Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen 1987/1988 und 1992/1993 Leitung des IAW Tübingen als stellvertretender Direktor 1989–1992 und 1992–1997 als Direktor (Ott-Nachfolge) Vorstandsrat und Kuratoriumsmitglied des ifo Instituts München Vorstand Friedrich-List-Stiftung Tübingen 1990–1996 Lions-Präsident Tübingen 1992–1993 Ehrenamtliche Tätigkeiten im EG-Beraterkreis sowie in der Kommission Wirtschaft 2000 des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Vorsitzender des Ausschusses Evolutorische Ökonomik im Verein für Socialpolitik 1994–1995 Editorial Board des Journal of Evolutionary Economics 1990–1997

1996

Ordinarius Empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Leipzig Direktor des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung 1997–2004 Mitglied der Wüstenrot Stiftung (1998, seit 1999 Mitglied des Vorstands) Redaktion der „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“ an der Universität Leipzig Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Leipzig 1996–1999 Beirat der Universitätsstiftung Leipzig (2000–2004) Prorektor für strukturelle Entwicklung der Universität Leipzig (ab 2000)

2004

Verabschiedung in den Ruhestand als Universitätsprofessor Übergabe des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Leipzig an Prof. Dr. Ullrich Heilemann Aufsichtsratsmitglied der W&W AG Stuttgart

Curriculum Vitae Adolf Wagner

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Seit 2004 „Projekt Ruhestand“ Übersetzungen und eigene Fachpublikationen; Mitarbeit im Ausschuss „Evolutorische Ökonomik“ des Vereins für Socialpolitik und in der Keynes-Gesellschaft Vorlesungen an der Universität Leipzig, der Technischen Universität Chemnitz und der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen 2009

Ernennung zum Ehrendoktor Dr. rer. pol. h.c. an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Chemnitz

Homepage: www.adolfwagner.eu

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner Stand: 16. November 2009 1. Bücher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Aufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3. Herausgeberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5. Rezensionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 6. Zeitungsartikel und sonstige Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

1. Bücher 1-01

Technischer Fortschritt, Freisetzung und Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg. Eine regionale und sektorale Analyse (zusammen mit D. Schwarz), IAW Tübingen, Schriftenreihe Bd. 14, Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1970.

1-02

Die räumliche Disaggregation von Input-Output-Tabellen. Ein Gutachten für das Wirtschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg (zusammen mit A. E. Ott und D. Schwarz), IAW Tübingen, Schriftenreihe Bd. 16, Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1970.

1-03

Die Wachstumszyklen in der Bundesrepublik Deutschland. Eine komparativ-dynamische Komponentenanalyse für die Jahre 1951–1970, IAW Tübingen, Schriftenreihe Bd. 21, Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1972.

1-04

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in Baden-Württemberg. Gutachten im Auftrag des Arbeits- und Sozialministeriums Baden-Württemberg (zusammen mit S. Bullinger, P. Huber, H. Köhler und A. E. Ott), Forschungsberichte des IAW Tübingen, Serie A, Nr. 2, Tübingen 1972.

1-05

Der internationale Konjunkturzusammenhang. Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft (zusammen mit H. Majer), IAW Tübingen, Schriftenreihe Bd. 26, Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1974.

1-06

Zur Ermittlung von Fördergebieten. Gutachten erstattet im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr Baden-Württemberg (zusammen mit H. Enke, H. Majer, A. E. Ott, L. Rall und R. Wiegert), Forschungsberichte des IAW Tübingen, Serie A, Nr. 6, Tübingen 1974.

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

163

1-07

Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch in Baden-Württemberg. Gutachten im Auftrag des Staatsministeriums Baden-Württemberg (zusammen mit H. Gschwendtner, H. Majer, W. J. Mückl und A. E. Ott), Forschungsberichte des IAW Tübingen, Serie A, Nr. 11, Tübingen 1975.

1-08

Der Wicksell-Effekt. Kapitaltheoretische Aspekte der Wachstumszyklen, Tübinger Wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen Bd. 26, Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1978.

1-09

Politik. Ein einführendes Studienbuch (zusammen mit P. Ackermann, K. Landfried und H.G. Wehling), Reihe „Kritische Wissenschaft“, Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1980.

1-10

Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung der für die Bundesrepublik Deutschland vorliegenden Input-Output-Tabellen. Gutachten für das Bundesministerium für Wirtschaft (zusammen mit H. Lindner, G. Petry und R. Pfeiffer), Forschungsberichte des IAW Tübingen, Serie A, Nr. 31, Tübingen 1981.

1-11

Mikroökonomik. Volkswirtschaftliche Strukturen I, Gustav Fischer Verlag, UTB Bd. 1517, Stuttgart/New York 1988 (2. Auflage 1989, 3. Auflage 1995, 4. Auflage 1997), Metropolis-Verlag (5. Auflage 2009).

1-12

Makroökonomik. Volkswirtschaftliche Strukturen II, Gustav Fischer Verlag, UTB Bd. 1536, Stuttgart/New York 1990 (2. Auflage 1998), MetropolisVerlag (3. Auflage 2009).

1-13

Regionalentwicklung in Baden-Württemberg. Einige aktuelle und methodische Probleme, Gutachten für die IHK Region Stuttgart, Tübinger Volkswirtschaftliche Schriften, Bd. 8, Tübingen 1993.

1-14

Volkswirtschaft für jedermann. Die marktwirtschaftliche Demokratie, BeckWirtschaftsberater, dtv 5822, München 1993 (2. Auflage 1994, 3. Auflage 2009); Übertragung ins Polnische 1995.

1-15

Wirtschaft verstehen – national und global. Eine moderne Volkswirtschaftslehre, Schäffer-Pöschel Verlag, Stuttgart 1997.

1-16

(Übertragung aus dem amerikanischen Englisch) N. Gregory Mankiw: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 1999 (2. Auflage 2001, 3. Auflage 2004, 4. Auflage Mankiw/Taylor 2008).

1-17

Strukturwandel, Arbeitslosigkeit und Verteilung. Tübinger Volkswirtschaftliche Schriften, Bd. 22, Tübingen 2003. 2. Aufsätze

2-01

Voraussetzungen und Verfahren zur Messung des technischen Fortschritts und der Freisetzung. Vorstudie für den Arbeitskreis Automation beim Bundesministerium für Wissenschaft (zusammen mit T. Ihlau, L. Rall und D. Schwarz), Hausdruck des IAW, Tübingen 1969.

2-02

Entwicklung der Gesamtnachfrage in Baden-Württemberg bis 1975 (zusammen mit D. Schwarz), in: Der Marktforscher, 13. Jg., 1969, Heft 7, S. 154–161.

164

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

2-03

Statistische Stichproben-Prüfungen der Wirtschaftsprüfer. Ein Bericht aus der Praxis der Sparkassenrevisoren, in: Der Deutsche Volks- und Betriebswirt, 15. Jg., 1969, S. 59–60.

2-04

Stichproben-Prüfungen in Kreditinstituten, in: Der Bankkaufmann, 19. Jg., 1970, Heft 4, S. 153–162.

2-05

Zur Messung der Arbeitsproduktivität in Baden-Württemberg mit Hilfe der amtlichen Statistik (zusammen mit D. Schwarz), in: Jahrbücher für Statistik und Landeskunde von Baden-Württemberg, 15. Jg., 1970, Heft 2, S. 72–74.

2-06

Die Handelspolitik der EWG. Eine Diskussion der Ziele und Auswirkungen der Binnen- und Außenpolitik, in: Der Bürger im Staat, 22. Jg., 1972, Heft 4, S. 213–219.

2-07

Materialien zu den Wachstumszyklen in der Bundesrepublik Deutschland (zusammen mit A. E. Ott), in: A. E. Ott (Hrsg.), Wachstumszyklen. Über die neue Form der Konjunkturschwankungen. Theoretische und empirische Beiträge, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F. Bd. 71, Berlin 1973, S. 157–181.

2-08

Konjunktursteuerung und Gruppeninteressen. Aufgaben ökonomischer Konfliktforschung, in: Der Bürger im Staat, 23. Jg., 1973, Heft 4, S. 288–292.

2-09

Ausländerbeschäftigung: Ein Problem der europäischen Regionalpolitik und der regionalen Wachstumspolitik, in A. E. Ott (Hrsg.), Wirtschaftliche Probleme des Landes Baden-Württemberg, IAW Tübingen, Schriftenreihe Bd. 23, Tübingen 1974, S. 129–153.

2-10

Malerisch aber arm: Europas Randgebiete. Wirtschaftliche und demographische Probleme der Entwicklungsregionen, in: Der Bürger im Staat, 24. Jg., 1974, Heft 3, S. 205–210.

2-11

Wirtschaftswachstum ohne Gastarbeiter? Überlegungen zu einer konfliktfreien Verbindung bevölkerungs- und wirtschaftspolitischer Ziele, in: F. X. Kaufmann (Hrsg.), Bevölkerungsbewegung zwischen Quantität und Qualität. Beiträge zum Problem einer Bevölkerungspolitik in industriellen Gesellschaften, Stuttgart 1975, S. 148–161.

2-12

Wachstumspolitik: Kondratieff-Zyklen in unserer Zeit?, in: Wirtschaftsdienst – Wirtschaftspolitische Monatsschrift, 55. Jg., Mai 1975, S. 239–243.

2-13

Lange Wellen der Konjunktur? Einige Bemerkungen zur wirtschaftstheoretischen und wirtschaftspolitischen Bedeutung langfristiger Wachstumszyklen, in: Der Bürger im Staat, 25. Jg., 1975, Heft 4, S. 297–300; Nachdruck in H. G. Wehling (Hrsg.), Konjunkturpolitik, Opladen 1976, Heft 3, S. 253–266.

2-14

Fehlerhafte Daten und ökonomische Hypothesen in komparativ-dynamischen Wachstumsanalysen, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 190. Bd., Jg. 1976, Heft 3, S. 253–266.

2-15

Beziehungen zwischen der allgemeinen Konjunkturentwicklung und der Automobilkonjunktur, in: Probleme lang- und mittelfristiger Prognosen, speziell im Automobilsektor, Schriftenreihe des Verbandes der Automobilindustrie e.V. (VDA), Nr. 20, Frankfurt 1976, S. 149–166.

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

165

2-16

Einige Bemerkungen zur Analyse des Marktes für Güter der elektronischen Datenverarbeitung, Anhang in: N. Kloten und A. E. Ott, W. Gösele und R. Pfeiffer, Der EDV-Markt in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1976, S. 238–267.

2-17

Bericht über die Diskussion zu den Referaten A. E. Ott und K. H. Oppenländer, in: G. Bombach, B. Gahlen, A. E. Ott (Hrsg.), Probleme der Wettbewerbstheorie und -politik, Schriftenreihe des wirtschaftswissenschaftlichen Seminars Ottobeuren, Bd. 5, Tübingen 1976, S. 195–197.

2-18

Langfristige Vollbeschäftigung in einer kleinen Region. Demographische und ökonomische Entwicklungsaussichten des Landkreises Weilheim-Schongau, in: Festschrift zum 125-jährigen Bestehen der Kreissparkasse Schongau, Schongau 1977, S. 29–38.

2-19

Der Geburtenrückgang als Ursache von Arbeitslosigkeit? Einige Bemerkungen zum Günther-Paradoxon, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 195. Bd., Jg. 1980, Heft 3, S. 261–269.

2-20

Randbemerkungen zu der Input-Output-Tabelle Baden-Württemberg 1972 (zusammen mit A. E. Ott), in: J. Frohn und R. Stäglin (Hrsg.), Empirische Wirtschaftsforschung. Konzeptionen, Verfahren und Ergebnisse, Festschrift für Rolf Krengel aus Anlass seines 60. Geburtstages, Berlin 1980, S. 143–152.

2-21

Demographische Ursachen langfristiger Wachstumszyklen? Fragen zur Konzeption ökonomischer Zyklustheorien, in: W. H. Schröder und R. Spree (Hrsg.), Historische Konjunkturforschung, Stuttgart 1980, S. 339–358.

2-22

Wie beeinflusst der Bevölkerungsrückgang die Wirtschaftsentwicklung?, in: Der Bürger im Staat, 30. Jg., 1980, Heft 4, S. 230–236, sowie KohlhammerTaschenbücher Bürger im Staat, Bd. 1054, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1980, S. 43–62.

2-23

Verursacht der Geburtenrückgang Arbeitslosigkeit? in: O. Hatzold (Hrsg.), Wechselwirkungen zwischen Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung, ifo-Studien zur Bevölkerungsökonomie, 1, München 1980, S. 124–129.

2-24

Optimalität und Grenzen der Schrumpfung? Makroökonomische Aspekte eines Bevölkerungsrückgangs in entwickelten Volkswirtschaften, in: A. E. Ott und W. J. Mückl (Hrsg.), Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik. Gedenkschrift für Erich Preiser, Passau 1981, S. 459–474.

2-25

Probleme der Adäquation bei Einkommenseffekt und Substitutionseffekt von Preisänderungen (zusammen mit R. Wiegert), in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 197. Bd., Jg. 1982, Heft 1, S. 21–41.

2-26

Zur Bestandserhaltung der Bevölkerung. Anmerkungen zu einem DDR-Tagungsband, in: ifo-Studien, 28. Jg., 1982, S. 143–149.

2-27

Volkswirtschaftliche Beispiele zur Bedeutung der Statistischen Adäquation: Wachstumszyklen und Realkapital, in: W. Piesch und W. Förster (Hrsg.), Angewandte Statistik und Wirtschaftsforschung heute. Ausgewählte Beiträge, Göttingen 1982, S. 235–253.

166

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

2-28

Angewandte Input-Output-Analyse in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aspekt ökonomischen Gleichgewichts, in: H. Enke, W. Köhler, H. Schulz (Hrsg.), Struktur und Dynamik der Wirtschaft. Beiträge zum 60. Geburtstag von Karl Brandt, Freiburg 1983, S. 437–446.

2-29

Wirkungen einer Sozialabgabenbemessung nach Wertschöpfungsgrößen statt nach Arbeitskosten, in: ifo-Studien, 29. Jg., 1983, S. 255–271.

2-30

Aspects of Demographic Unemployment, in: G. Steinmann (Hrsg.), Economic Consequences of Population Change in Industrialized Countries, Berlin/ Heidelberg/New York/Tokyo 1984, S. 295–302.

2-31

Bevölkerungsbedingte Arbeitslosigkeit und Wachstumszyklen. Ein Problem der Empirischen Ökonomik, in: G. Bombach, B. Gahlen, A. E. Ott (Hrsg.), Perspektiven der Konjunkturforschung, Tübingen 1984, S. 171–187.

2-32

Volkswirtschaftliche Aspekte einer Maschinensteuer: Marktmechanismus und Verteilungspolitik, in: J. Baltzer (Hrsg.), Maschinensteuer – Ausweg aus der Finanzkrise der Sozialversicherung?, Schriftenreihe Sozialpolitik und Recht, Köln/Berlin/Bonn/München 1984, S. 89–113.

2-33

Strukturbruch, Strukturwandel und Evolution in Volkswirtschaften. Zu den Methoden der Modellierung, in: B. Schiemenz und A. Wagner (Hrsg.), Angewandte Wirtschafts- und Sozialkybernetik. Neue Ansätze in Praxis und Wissenschaft, Berlin 1984, S. 333–350.

2-34

Empirische Ökonomik und Bevölkerungsentwicklung, in: H. Birg, M. Wingen, K. Zimmermann (Hrsg.), Zusammenhänge zwischen Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 1984, S. 41–66.

2-35

Zu den Erklärungen des Strukturwandels, in: Mitteilungen des IAW Tübingen, 13. Jg., 1985, Nr. 1, S. 33–50.

2-36

Wie gelangen Bevölkerungsökonomen zur empirischen Gültigkeit ihrer Realitäts-, Gruppen- und Menschenmodelle?, in: K. H. Oppenländer und A. Wagner (Hrsg.), Ökonomische Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung, ifo-Studien zur Bevölkerungsökonomie, 2, München 1985, S. 67–77.

2-37

Zeit- und bevölkerungsökonomische Kapazitätsgrenzen des Konsums, in: a) G. Buttler, H. Dickmann, E. Helten, F. Vogel (Hrsg.), Statistik zwischen Theorie und Praxis. Festschrift für Karl-August Schäffer, Göttingen 1985, S. 290–303, und b) K. H. Oppenländer und A. Wagner (Hrsg.), Ökonomische Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung, ifoStudien zur Bevölkerungsökonomie, 2, München 1985, S. 129–143.

2-38

Simulationsrechnungen zu Komponenten der bevölkerungsbedingten Arbeitslosigkeit, in: K. H. Oppenländer und A. Wagner (Hrsg.), Ökonomische Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung, ifo-Studien zur Bevölkerungsökonomie, 2, München 1985, S. 215–236.

2-39

Rentenversicherung, Staatsverschuldung und Vermögensbildung bei Bevölkerungsrückgang, in: K. H. Oppenländer und A. Wagner (Hrsg.), Ökonomische

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

167

Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung, ifoStudien zur Bevölkerungsökonomie, 2, München 1985, S. 289–311. 2-40

Produktions- und Beschäftigungseffekte von Nachfrageverschiebungen in der Bundesrepublik Deutschland (zusammen mit P. Arnold), in: K. H. Oppenländer und A. Wagner (Hrsg.), Ökonomische Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung, ifo-Studien zur Bevölkerungsökonomie, 2, München 1985, S. 237–260.

2-41

a) Nur Transfers zur Anpassung an den Bevölkerungsrückgang? Bericht und Diskussionsbeitrag zu Reiner Dinkel, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 200. Bd., Jg. 1985, Heft 5, S. 542–550, b) Nur Verteilungsmaßnahmen zur Anpassung an den Bevölkerungsrückgang?, in: K. H. Oppenländer und A. Wagner (Hrsg.), Ökonomische Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung, ifo-Studien zur Bevölkerungsökonomie, 2, München 1985, S. 349–361.

2-42

Alte Grenzen und neue Ansätze einer Erforschung des Innovations- und Investitionsverhaltens, in: K. H. Oppenländer und A. Wagner (Hrsg.), Ökonomische Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung, ifo-Studien zur Bevölkerungsökonomie, 2, München 1985, S. 163–170.

2-43

Nutzen und Grenzen realer Input-Output-Tabellen, in: Wirtschaftspolitische Blätter, 32. Jg., 1985, Heft 4, S. 325–335.

2-44

Das Vierfelderschema als Input-Output-Tabelle mit regionaler Make- und Absorptionsmatrix, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 201. Bd., Jg. 1986, Heft 6, S. 652–654.

2-45

Die ökonomischen Folgen des Bevölkerungsrückgangs, in: Mitteilungen des IAW Tübingen, 14. Jg., 1986, Nr. 3, S. 109–115.

2-46

Die „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik“ in der Zeit von 1949 bis 1985 (zusammen mit H. Lampert und A. Oberhauser), in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Generalregister der Bände 131 (1929) bis 200 (1985), 202. Bd., 1987, S. 38–40.

2-47

Kybernetische Modellierung keynesianischer und klassischer bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, in: T. Fischer (Hrsg.), Betriebswirtschaftliche Systemforschung und ökonomische Kybernetik, Berlin 1987, S. 99–116.

2-48

Das unmögliche Ende der Ökonomik. Literaturbeitrag (zusammen mit I. Größl-Gschwendtner), in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 203. Bd., Jg. 1987, Heft 3, S. 311–322.

2-49

Die Universität zwischen Inventor und Innovator, in: A. Wagner (Hrsg.), Beiträge einer traditionellen Universität zur industriellen Innovation, Tübingen 1987, S. 193–201.

2-50

Die Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, in: Der Bürger im Staat, 37. Jg. 1987, Heft 3, S. 165–168, sowie Kohlhammer-Taschenbücher Bürger im Staat, Bd. 1081, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1988, S. 103–115.

168

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

2-51

Neoklassische und neue Bevölkerungsökonomik. Literaturbeitrag, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 204. Bd., Jg. 1988, Heft 1, S. 87–93.

2-52

Kontinuierliches Wachstum oder Grenzen des Wachstums? Leistungsstand und Entwicklungsprobleme der DDR-Volkswirtschaft, in: G. Meyer und J. Schröder (Hrsg.), DDR heute, Tübingen 1988, S. 67–79.

2-53

Bericht über die Diskussion zu den Referaten K. Neusser/G. Winckler und G. Flaig, in: G. Bombach, B. Gahlen, A. E. Ott (Hrsg.), Geldtheorie und Geldpolitik, Tübingen 1988, S. 223 und 319.

2-54

Die „natürliche“ Arbeitslosenquote nach Barro, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 204. Bd., Jg. 1988, S. 563–565.

2-55

Allwissenheit für die Erneuerung des Lebens? Innovation und Hochschule, in: Der Bürger im Staat, 38. Jg., 1988, Heft 3, S. 211–215, sowie Kohlhammer-Taschenbücher Bürger im Staat, Bd. 1085, Stuttgart/Berlin/Köln 1989, S. 140–154.

2-56

Makroökonomisches Kreislauf- und/oder Marktgleichgewicht, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 206. Bd., Jg. 1989, S. 510–516.

2-57

Einige Bemerkungen zum Strukturwandel durch Bevölkerungsrückgang, in: T. Seitz (Hrsg.), Wirtschaftliche Dynamik und technischer Wandel, Stuttgart u. a. O. 1989, S. 85–96.

2-58

Der EG-Binnenmarkt 1992/93: Eine Wegmarke zum neuen Staat?, in: Mitteilungen des IAW Tübingen, 17. Jg. 1989, Nr. 3, S. 139–152.

2-59

Verteilungsprobleme in Wirtschaftstheorie und Praxis, in: K. Steigleder, D. Mieth (Hrsg.), Ethik in den Wissenschaften. Ariadnefaden im technischen Labyrinth?, Tübingen 1990, S. 107–120.

2-60

Auf dem Weg zur Wirtschaftsunion. Probleme für den Umbau der DDRWirtschaft, in: Der Bürger im Staat, 40. Jg., 1990, Heft 2, S. 97–101, sowie Kohlhammer-Taschenbücher Bürger im Staat, Bd. 1092, Stuttgart/Berlin/ Köln 1990, S. 74–87.

2-61

Evolution durch Innovation: Eine Wertung empirischer Befunde zum Forschungstransfer in Marburg und Tübingen, in: A. Wagner (Hrsg.), Forschungstransfer klassischer Universitäten, Tübingen 1990, S. 169–176.

2-62

Forschung, Forschungsförderung und Ergebnistransfer – Ermahnungen an den Zeitgeist, in: A. Wagner (Hrsg.), Forschungstransfer klassischer Universitäten, Tübingen 1990, S. 241–254, sowie Mitteilungen des IAW Tübingen, 18. Jg. 1990, Nr. 2, S. 1–10.

2-63

Herausforderungen durch die Vollendung des EG-Binnenmarktes für die ländlichen Räume in Europa, in: Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Baden-Württemberg (Hrsg.), Dokumentation über die Fachtagung Ländlicher Raum am 6. und 7. September 1989 in Bad Rappenau. Arbeitskreis IV, Stuttgart 1990, S. 19–37.

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

169

2-64

Innovation und Technologiepolitik, in: H.-G. Wehling, D. Langewiesche, u. a., Baden-Württemberg. Eine politische Landeskunde. Teil II, Stuttgart 1991, S. 178–193.

2-65

Ländliche Räume und der EG-Binnenmarkt, in: A. E. Ott (Hrsg.), Politik für die ländlichen Räume Europas. Das Beispiel Baden-Württemberg, Tübingen 1991, S. 11–40.

2-66

Herausforderungen durch die Vollendung des EG-Binnenmarktes 1992/93, in: A. E. Ott (Hrsg.), Politik für die ländlichen Räume Europas. Das Beispiel Baden-Württemberg, Tübingen 1991, S. 67–78.

2-67

Zur Effizienz privater Entscheidungen bei endogener Fertilität und überlappenden Generationen (zusammen mit U. Walz), in: A. Wagner (Hrsg.), Fertilitätsentscheidungen und Bevölkerungsentwicklung, Tübingen 1991, S. 67–80.

2-68

Economics for the Economists?, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 208. Bd., Jg. 1991, S. 657–662.

2-69

Forschungstransfer in evolutionsökonomischer Perspektive: Einige empirische Befunde, in: U. Witt (Hrsg.), Studien zur Evolutorischen Ökonomik II, Berlin, 1992, S. 277–289.

2-70

Externalitäten der Märkte, der Politik und der Erkenntnis in marktwirtschaftlichen Demokratien, in: A. Wagner (Hrsg.), Dezentrale Entscheidungsfindung bei externen Effekten, Tübingen 1993, S. 3–18.

2-71

Aus Lebenserfahrung zur Verbesserung einer stets unbefriedigenden Volkswirtschaftstheorie lernen?, in: Ethik und Sozialwissenschaften (EuS), 4. Jg. 1993, Heft 2, S. 335–336.

2-72

Gleichgewichts-Akzelerator und Wicksell-Effekt, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 212. Bd., Jg. 1993, Heft 3/4, S. 193–203.

2-73

Zukunft der Ökonomik: Konzeptionelle Sicherung der Vollbeschäftigung?, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 213. Bd., Jg. 1994, Heft 4, S. 486–489.

2-74

Arbeit für alle? in: IAW-Mitteilungen, 22. Jg. 1994, Heft 1, S. 4–14.

2-75

Demographisch bedingte Arbeitslosigkeit in Deutschland, in: ifo-Schnelldienst, 47. Jg. 1994, Heft 25/26, S. 19–22.

2-76

Die Rahmenbedingungen werden wichtiger: Vermögenslage, Bevölkerungsentwicklung und Innovationspolitik, in: Wirtschaftsdienst, 74. Jg. 1994, Heft 9, S. 439–443.

2-77

Alfred Eugen Ott 1929–1994 (zusammen mit H. Strecker), in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 213. Bd., Jg. 1994, Heft 6, S. 641–645.

2-78

Denkansätze bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, in: WISU, 24. Jg. 1995, S. 448–453.

2-79

Modellierungen bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, in: WISU, 24. Jg. 1995, S. 613–619.

170

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

2-80

Einführung, in: Ott, Alfred E., Preisbildung, technischer Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum. Ausgewählte Schriften, Göttingen 1995, S. VII– XXV.

2-81

Zum wissenschaftlichen Werk von Alfred E. Ott, in: IAW-Mitteilungen, 23. Jg. 1995, Heft 2, S. 14–19.

2-82

Evolutorische Makroökonomik: Einige Anmerkungen zum Begriff, in: A. Wagner u. H.-W. Lorenz (Hrsg.), Studien zur Evolutorischen Ökonomik III, Berlin 1995, S. 207–213.

2-83

Ordnungspolitische Voraussetzungen einer aktiven Beschäftigungspolitik, in: (a) IAW-Mitteilungen, 24. Jg. 1996, 2/96, S. 16–20, (b) ZIRP (Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz), Dokumentation des 6. ZIRP-Forums vom 14. Februar 1996, S. 8–23.

2-84

Rationalisierung versus Globalisierung. Kommentar, in: RATIO – Neues vom RKW Baden-Württemberg, 2. Jg., Nr. 5, September 1996, S. 16–17 u. 11.

2-85

Kommentar (zu Public-Private Partnership), in: K.-E. Schenk, D. Schmidtchen, M.E. Streit (Hrsg.): Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, 15. Bd., Vom Hoheitsstaat zum Konsensualstaat: Neue Formen der Kooperation zwischen Staat und Privaten, Tübingen 1996, S. 276–279.

2-86

Transformation von Wirtschaftssystemen – Methodische Aspekte der Diskussion, in: T. Slembeck u. H. Schmid (Hrsg.): Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik in Theorie und Praxis. Festschrift zum 60. Geburtstag von Alfred Meier, Bern/Stuttgart/Wien 1997, S. 313–338.

2-87

Zur Transformation von Wirtschaftssystemen, in: RWI-Mitteilungen, Jg. 48 (1997), S. 47–60.

2-88

Standortentwicklung in einer veränderlichen Wirtschaftswelt, in: Rektorat der Universität Leipzig (Hrsg.): Wissenschaftsstandort Leipzig. Die Universität und ihr Umfeld. Beiträge der Konferenz anlässlich des „Dies academicus“ am 2. Dezember 1996, Leipzig 1997, S. 103–109.

2-89

Das Nationale in der Nationalökonomik, in: M. Kessler, W. Graf Vitzthum, J. Wertheimer (Hrsg.): Nationalismus – Neokonservatismus. Sondierungen und Analysen, Stauffenburg Discussion, Bd. 6, Tübingen 1997, S. 239–251.

2-90

Angewandte Wirtschaftsforschung als Aufgabe, in: IAW-Mitteilungen, 25. Jg. 1997, Heft 3, S. 20–22.

2-91

Das Europa der Regionen – Zukunftssicherung durch Bewahrung der Identitäten?, in: R. Biskup (Hrsg.): Dimensionen Europas, Bern/Stuttgart/Wien 1998, S. 305–328.

2-92

Sozialer Friede – wirtschaftspolitische Konflikte. Bemerkungen zu Systemelementen einer marktwirtschaftlichen Demokratie, in: M. Kessler, J. Wertheimer (Hrsg.): Konfliktherd Toleranz? Analysen – Sondierungen – Klarstellungen, Stauffenburg Discussion, Bd. 13, Tübingen 2002, S. 215–226.

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

171

2-93

Der Student als Entscheidungsträger in eigener Sache, in: R. Biskup, H. Hasse (Hrsg.): Das Menschenbild in Wirtschaft und Gesellschaft, Bern/ Stuttgart/Wien 2000, S. 277–293.

2-94

Forschungstransfer, Wissenstransfer durch Unternehmenskontakte der Universitäten, in: C. Herrmann-Pillath u. M. Lehmann-Waffenschmidt (Hrsg.): Handbuch Evolutorische Ökonomik, Band II [im Druck]

2-95

Empirische Evolutorik. Empirische Wirtschaftsforschung aus evolutionsökonomischer Perspektive, in: C. Herrmann-Pillath u. M. Lehmann-Waffenschmidt (Hrsg.): Handbuch Evolutorische Ökonomik, Band II [im Druck]

2-96

Dienstleistungsland Deutschland? Quantitative und qualitative Aspekte der Entwicklung, in: Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig, KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft, PWC Deutsche Revision (Hrsg.): Rechnungslegungskonzeptionen im Widerstreit: Beiträge zu den Wirtschaftswissenschaften, Leipzig 2000, S. 273–292.

2-97

Konjunkturtheorie – Zum Wandel der Begriffe und Modelle, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Konjunkturforschung heute – Theorie, Messung, Empirie, Wiesbaden 2000, S. 46–61.

2-98

Die Tübinger Konzeption des Wirtschaftskreislaufs, Beiträge von Ernst Helmstädter und aktuelle empirische Kreislaufaspekte – Randnotizen zur Kreislauftheorie, in: ifo Studien, 45. Jg. 1999, Heft 4, S. 653–661.

2-99

Rolle der Demographie: Bevölkerungsökonomische Aspekte der makroökonomischen Entwicklung, in: RWI-Mitteilungen, Jg. 51 (2000), S. 31–44.

2-100 Heterogenität des Unternehmenssektors verursacht Konjunkturen. Zur Habilitationsschrift von Frank Schohl, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 220, Jg. 2000, Heft 3, S. 371–377. 2-101 Einige Bemerkungen zu empirisch (un-)gültigen Definitionsgleichungen in Makromodellen, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 220, Jg. 2000, Heft 6, S. 807–813. 2-102 Erich Preiser und sein Werk nach drei Jahrzehnten, in: ORDO, Bd. 52, Jg. 2001, S. 301–308. 2-103 Profilbildung der Universitäten in der Wissenschaftslandschaft Europa. Ein Beitrag zur aktuellen Diskussion, [im Druck] 2-104 Entwicklung und Perspektiven der Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen, in: (a) Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 224, Jg. 2004, Heft 5, S. 626–634. (b) 200 Jahre Wirtschafts- und Staatswissenschaften an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Leben und Werk der Professoren, Hrsg. u. bearb. von Helmut Marcon und Heinrich Strecker, Bd. II, Stuttgart 2004, S. 1480–1495. 2-105 Konjunkturtheorie im Zeichen der Globalisierung, in: WISU, 32. Jg. 2003, S. 546–556. 2-106 „Step cycles“ als Ausgangspunkte von evolutionsökonomischen Konjunkturerklärungen, [im Druck]

172

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

2-107 Selbststeuerung der demographischen Entwicklung? Zu den bevölkerungspolitischen Aufgaben der Bundesregierung, in: U. Heilemann u. K. D. Henke (Hrsg., 2003): Was ist zu tun? Wirtschaftspolitische Agenda für die Legislaturperiode 2002 bis 2006, S. 65–75. 2-108 Statistische Adäquation bei Fortentwicklung der makroökonomischen Wirtschaftstheorie, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 224, Jg. 2004, Heft 5, S. 612–625. 2-109 Ursachen der demographischen Entwicklung in Deutschland und ihre Auswirkungen auf die Immobilienmärkte, Februar 2004, Referat von A. Wagner, S. 5–22. 2-110 Konvergierende oder divergierende Regionalentwicklungen? Ein Diskussionsbeitrag der Evolutorischen Ökonomik, in: K. H. Oppenländer (Hrsg., 2007): Regionen als Wachstumsmotor. Was leisten Cluster für Innovationen? Ludwigsburger Gespräch 2007, Ludwigsburg, S. 167–190. 2-111 Regionalökonomik: Konvergierende oder divergierende Regionalentwicklungen? Ein Diskussionsbeitrag der evolutorischen Ökonomik, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig, Diskussionsbeiträge, Nr. 63 vom August 2007. 2-112 Regionalökonomik: Konvergierende oder divergierende Regionalentwicklungen?, in: Wirtschaftsdienst, 88. Jg. 2008, Heft 1, S. 46–54. 2-113 Die politischen Visionen großer Ökonomen. Gedanken zu einem Buch von Kurt W. Rothschild, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 227, Jg. 2007, Heft 2, S. 209–214. 2-114 Das Günther-Paradoxon. Ein denkbarer Fall bevölkerungsbedingter Arbeitslosigkeit, in: WISU, 37. Jg. 2008, S. 1699–1705. 2-115 Orthodoxe und heterodoxe Bevölkerungsökonomik, in diesem Band. 2-116 Makroökonomik mit ungültigen Definitionsgleichungen, in: A. Wagner (Hrsg., 2009): Empirische Wirtschaftsforschung heute, Stuttgart, S. 129–147. 2-117 Einige Bemerkungen zu F. Beckenbach u. a. „Innovation and regional growth“, Ausschuss für Evolutorische Ökonomik vom 10. bis 12. Juli 2008, im Druck. 2-118 Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg., 2007): Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2007, Berlin. Einige Bemerkungen zur Thematik dieses Berichts, 2008, im Druck. 3. Herausgeberschaft 3-01

Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik (zusammen mit A. E. Ott, H. Strecker, H. Lampert und A. Oberhauser) seit 1983, geschäftsführend seit 1995 (zusammen mit H. Strecker, W. Eichhorn, W. Franz, H. Lampert, W. Neubauer und A. Oberhauser, bzw. ab 2001 mit H. Strecker, W. Franz, G. Kleinhenz, W. Neubauer, P. Stahlecker und D. Wellisch) bis 2005 und

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

173

seither Mitherausgeber (zusammen mit P. Winker, W. Franz, W. Smolny, P. Stahlecker, J. Wagner und D. Wellisch). 3-02

Angewandte Wirtschafts- und Sozialkybernetik. Neue Ansätze in Praxis und Wissenschaft (zusammen mit B. Schiemenz), Berlin 1984.

3-03

Ökonomische Verhaltensweisen und Wirtschaftspolitik bei schrumpfender Bevölkerung (zusammen mit K. H. Oppenländer), ifo-Studien zur Bevölkerungsökonomie, 2, München 1985.

3-04

Beiträge einer traditionellen Universität zur industriellen Innovation, Tübinger wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen, Bd. 30, Tübingen 1987.

3-05

Forschungstransfer klassischer Universitäten, Tübinger wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen, Bd. 35, Tübingen 1990.

3-06

Fertilitätsentscheidungen und Bevölkerungsentwicklung. Beiträge zur mikroökonomischen Fertilitätstheorie und Untersuchung ihrer Relevanz unter den ordnungspolitischen Gegebenheiten der DDR, Tübinger Volkswirtschaftliche Schriften, Bd. 1, Tübingen 1991.

3-07

Journal of Evolutionary Economics (Mitglied des Editorial Board) 1991 bis 1997.

3-08

Tübinger Volkswirtschaftliche Schriften (zusammen mit A. E. Ott) seit 1991.

3-09

IAW-Mitteilungen 1992 bis 1997.

3-10

Dezentrale Entscheidungsfindung bei externen Effekten. Innovation, Integration und internationaler Handel, Tübinger Volkswirtschaftliche Schriften, Bd. 5, Tübingen 1993.

3-11

Studien zur Evolutorischen Ökonomik III (zusammen mit H.-W. Lorenz), Schriften des Vereins für Socialpolitik, Berlin 1995.

3-12

Empirische Wirtschaftsforschung heute. Festschrift für Ullrich Heilemann, Stuttgart 2009. 4. Gutachten

4-01

Zur Quantifizierung des „pflichtmäßigen Ermessens“ der Sparkassenprüfer. Gutachten für den Bayerischen Sparkassen- und Giroverband (Prüfungsstelle), München 1966.

4-02

Beihilfen zum Ausgleich der durch die Teilung Deutschlands verursachten wirtschaftlichen Nachteile im Zonenrandgebiet. Gutachten für die Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Tübingen-Rottenburg 1988 (gesperrt).

4-03

Die Bedeutung der neuen Außenhandelstheorie und neuer regionalökonomischer Erkenntnisse für die deutsche Zonenrandförderung. Gutachten für die Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Tübingen und Rottenburg 1989 (gesperrt).

4-04

Ländliche Räume und der EG-Binnenmarkt. Gutachten im Auftrag des Ministeriums für ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Baden-Württemberg, Tübingen 1990.

174

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

4-05

Wert- und Nutzungsänderungen des Staatsvermögens. Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie Baden-Württemberg, Tübingen 1991.

4-06

Advance study on a suitable methodology for the evaluation of the regional impact of the internal market. Study for the Commission of the European Communities, Tübingen 1994 (confidential). 5. Rezensionen

5-01

W. Vogt, Die Wachstumszyklen der Westdeutschen Wirtschaft von 1950 bis 1965 und ihre theoretische Erklärung, Tübingen 1968, in: ifo-Studien, 14. Jg., 1968, Heft 1/2, S. 136–138.

5-02

K. Berking, Arbeitspotential und Wirtschaftswachstum. Das Problem der langfristigen Vollbeschäftigung, Göttingen 1968, in: Kyklos, Vol. XXIII, Jg. 1970, Fasc. 2, S. 358–359.

5-03

H. Müller, Die Politik der deutschen Zentralbank 1948–1967. Eine Analyse der Ziele und Mittel, Tübingen 1969, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 184. Bd., Jg. 1970, S. 563–565.

5-04

P. Schönfeld, Methoden der Ökonometrie, Bd. 1, Lineare Regressionsmodelle, Berlin/Frankfurt 1969, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 188. Bd., Jg. 1973, S. 87–88.

5-05

U. Fehl, Produktionsfunktion und Produktionsperiode. Eine Auseinandersetzung mit dem Grundbegriff der temporalen Kapitaltheorie, Göttingen 1973, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 112, Jg. 1976, S. 802.

5-06

H. Meffert (Hrsg.), Marketing heute und morgen, Entwicklungstendenzen in Theorie und Praxis, Wiesbaden 1975, in: Fortschrittliche Betriebsführung und Industrial Engineering (REFA), 25. Jg., 1976, S. 392.

5-07

K. Aßmann und K.-H. Schmidt, Die Konjunkturabhängigkeit der Klein- und Mittelbetriebe, Göttingen 1975, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 193. Bd., Jg. 1978, S. 182–184.

5-08

Kwang-Uh Oh, Methoden und Ergebnisse der Langfristprognose, Meisenheim am Glan 1976, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 193. Bd., Jg. 1978, S. 285.

5-09

B. S. Frey, Moderne Politische Ökonomie. Die Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik, München – Zürich 1977, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 194. Bd., Jg. 1979, S. 413–414.

5-10

P.K. Fleissner, Das österreichische Gesundheitswesen im ökonomischen, demographischen und politischen Kontext. Ein Simulationsmodell. (Angewandte Statistik und Ökonometrie, Heft 4), Göttingen 1977, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 76–77.

5-11

G. Gröner, Der Geburtenrückgang in Baden-Württemberg, 21. Jg., Heft 1, Stuttgart 1976, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 79–81.

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

175

5-12

H.-A. Wachinger, Erklärungen und Vorausschätzungen von Wanderungen. Entscheidungs- und systemtheoretische Ansätze und Analysen, Göttingen 1979, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 92–93.

5-13

P. Bernholz, Grundlagen der Politischen Ökonomie. Dritter Band: Kapitalistische und sozialistische Marktwirtschaft, Tübingen 1979, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 177.

5-14

G. Feichtinger, Demographische Analyse und populations-dynamische Modelle. Grundzüge der Bevölkerungsmathematik, Wien/New York 1980, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 179–180.

5-15

S. N. Afriat, Demand Functions and the Slutsky Matrix, Princeton Studies in Mathematical Economics, Vol. 7, Princeton N. J. 1980, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 367.

5-16

G. Feichtinger (Hrsg.), Stationäre und schrumpfende Bevölkerungen. Demographisches Null- und Negativwachstum in Österreich, Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, Vol. 149, Berlin/Heidelberg/New York 1977, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 367–368.

5-17

G. Mehta, The Structure of the Keynesian Revolution, London 1977, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 374–375.

5-18

F. Schneider, Politisch-ökonomische Modelle. Ein theoretischer und empirischer Ansatz, Königstein 1978, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 375–376.

5-19

E. Scholing, Komponentenanalytische Untersuchungen zum internationalen Konjunkturzusammenhang zwischen den Ländern der OECD von 1955–1975, Frankfurt/Bern/Las Vegas 1978, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 376–377.

5-20

H. Seidel und F. Butschek (Hrsg.), Die Rezession 1974/75 – ein Wendepunkt der längerfristigen Wirtschaftsentwicklung? Symposium zum 50jährigen Bestand des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Stuttgart 1977, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 377–378.

5-21

W. H. Strigel (Hrsg.), Problems and Instruments of Business Cycle Analysis. A Selection of Papers Presented at the 13th CIRET Conference Proceedings, Munich 1977, Lecture Notes in Economics and Mathematical Systems, Vol. 154, Berlin/Heidelberg/New York 1978, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 383.

5-22

F. Haslinger, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, München – Wien 1978, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 196. Bd., Jg. 1981, S. 568.

176

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

5-23

S. Vajda, Mathematics of Manpower Planning, Chicester/New York/Brisbane/Toronto 1978, in: Allgemeines Statistisches Archiv, 65. Bd., Jg. 1981, S. 409.

5-24

H. Besters (Hrsg.), Bevölkerungsentwicklung und Generationsvertrag, Gespräche der List Gesellschaft e. V., N. F. Bd. 5, Baden-Baden 1980, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 197. Bd., Jg. 1982, S. 371–372.

5-25

H. Koziolek (Hrsg.), Probleme der demographischen Entwicklung bei der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR, Berlin (Ost) 1980, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 197. Bd., Jg. 1982, S. 380–382.

5-26

K. Pertz, Wachstum und Verteilung in Produktionsmodellen. Zur Relevanz der Reswitching-Debatte, in: ifo-Studien, 28. Jg. 1982, S. 153.

5-27

M. Schaffranek, Wirtschafts- und Bevölkerungsstatistik, Stuttgart/Berlin/ Köln/Mainz 1980, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 198. Bd., Jg. 1983, S. 185–186.

5-28

R. Krengel (Hrsg.), Die Weiterentwicklung der Input-Output-Rechnung in der Bundesrepublik Deutschland, Göttingen 1982, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 198. Bd., Jg. 1983, S. 277–279.

5-29

I. Esenwein-Rothe, Einführung in die Demographie. Bevölkerungsstruktur und Bevölkerungsprozess aus der Sicht der Statistik, Wiesbaden 1982, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 198. Bd., Jg. 1983, S. 570–571.

5-30

O. Anderson (Hrsg.), Qualitative und quantitative Konjunkturindikatoren, Göttingen 1983, in: Metrika, Vol. 30, Jg. 1983, S. 244.

5-31

B. Felderer, Wirtschaftliche Entwicklung bei schrumpfender Bevölkerung. Eine empirische Untersuchung, Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo 1983, in: Finanzarchiv, N. F. Bd. 41, Jg. 1983, S. 367–371.

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W. Reiß, Umwegproduktion und Positivität des Zinses. Eine neo-österreichische Analyse, Berlin 1981, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 199. Bd., Jg. 1984, S. 284–285.

5-33

D. Lüdeke, F. Fotiadis, D. Friedrich, J. Fronia, W. v. Natzmer, W. Röhling, R. Schneider, F & T-Modell, Tübingen 1981, in: Allgemeines Statistisches Archiv, 68. Bd., Jg. 1984, S. 247–248.

5-34

J. Fronia u. D. Lüdeke, Aktuelle Probleme der Wirtschaftspolitik. Ökonometrische Untersuchungen anhand des F & T-Modells. Zur Importpreisabhängigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1981, in: Allgemeines Statistisches Archiv, 68. Bd., Jg. 1984, S. 248.

5-35

R. Pfeiffer u. H. Lindner (Hrsg.), Systemtheorie und Kybernetik in Wirtschaft und Verwaltung, Berlin 1982, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Bd. 104, No. 2, Jg. 1984, S. 221.

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

177

5-36

M.J. Beckmann, W. Eichhorn und W. Krelle (Hrsg.), Mathematische Systeme in der Ökonomie. Rudolf Henn zum 60. Geburtstag, Königstein 1983, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 106. Jg. 1986, S. 223.

5-37

Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Demographische Informationen 1984, Wien 1984, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 201. Bd., Jg. 1986, Heft 2, S. 206–207.

5-38

E. Helmstädter, Wirtschaftsförderung – für „Starke“ oder „Schwache“? Grenzen rationaler Strukturpolitik, Berlin 1983, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 201. Bd., Jg. 1986, Heft 3, S. 313.

5-39

W. Schmähl (Hrsg.), Ansätze der Lebenseinkommensanalyse, Tübingen 1983, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 201. Bd., Jg. 1986, Heft 3, S. 321–322.

5-40

W. Schmähl, K.-D. Henke, H. M. Schellhaaß, Änderung der Beitragsfinanzierung in der Rentenversicherung? Ökonomische Wirkungen des „Maschinenbeitrags“, Baden-Baden 1984, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 201. Bd., Jg. 1986, Heft 3, S. 322–323.

5-41

W. Kösters, Zur theoretischen und empirischen Bestimmung der Vollbeschäftigung, Göttingen 1986, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft/Journal of Institutional and Theoretical Economics, Bd. 143, Jg. 1987, No. 4, S. 681–684.

5-42

H. Maier, Innovation oder Stagnation – Bedingungen des Wirtschaftswachstums in den sozialistischen Ländern, Köln 1987, in: Die Zeit, Nr. 45, 30. Okt. 1987, S. 42.

5-43

J. Kromphardt, Arbeitslosigkeit und Inflation, Göttingen 1987, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft/Journal of Institutional and Theoretical Economics, Vol. 145, Jg. 1989, No. 2, S. 412–414.

5-44

T. Vasko (Hrsg.), The Long-Wave Debate, Berlin/Heidelberg/New York/ London/Paris/Tokyo 1987, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 206. Bd., Jg. 1989, Heft 2, S. 169–170.

5-45

H. J. Gerster, Lange Wellen wirtschaftlicher Entwicklung, Frankfurt/Bern/ New York/Paris 1988, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 206. Bd., Jg. 1989, Heft 6, S. 621–622.

5-46

G. Winckler (Hrsg.), Lexikon der Sozialpolitik, Berlin (Ost) 1987, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 206. Bd., Jg. 1989, Heft 2, S. 176.

5-47

D. Lösch, Sozialistische Wirtschaftswissenschaft, Hamburg 1987, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 206. Bd., Jg. 1989, Heft 6, S. 624.

5-48

G. Chaloupek, J. Lamel, J. Richter (Hrsg.), Bevölkerungsrückgang und Wirtschaft. Szenarien bis 2051 für Österreich, Heidelberg 1988, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 206. Bd., Jg. 1989, S. 267–268.

178

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

5-49

J. Song, J. Yu, Population System Control, Berlin/Heidelberg/New York/ London/Paris/Tokyo 1988, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 206. Bd., Jg. 1989, Heft 4–5, S. 531–532.

5-50

G. Färber, Probleme der Finanzpolitik bei schrumpfender Bevölkerung, Frankfurt/New York 1988, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 206. Bd., Jg. 1989, Heft 6, S. 621.

5-51

H. Lübbe, Der Lebenssinn der Industriegesellschaft, Berlin u. a. O. 1990, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 209. Bd., Jg. 1992, Heft 1/2, S. 187–188.

5-52

U. Witt (Hrsg.), Studien zur Evolutorischen Ökonomik I, Berlin 1990, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 209. Bd., Jg. 1992, Heft 3/4, S. 383–384.

5-53

L. Wicke, Umweltökonomie, 3. Aufl., München 1991, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 211. Bd., Jg. 1993, Heft 1/2, S. 188–189.

5-54

S. Ahmad, Capital in Economic Theory, Neo-classical, Cambridge and Chaos, Aldershot-Brookfield (1991), in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 212. Bd., Jg. 1993, Heft 1/2, S. 166.

5-55

G. Illing, Neue Keynesianische Makroökonomie, Tübingen 1992, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 212. Bd., Jg. 1993, Heft 3/4, S. 379–381.

5-56

P. Fleissner, W. Böhme, H.-U. Brautzsch, J. Höhne, J. Siassi, K. Stark, Input-Output-Analyse. Eine Einführung in Theorie und Anwendungen, Wien/ New York 1993, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 213. Bd., Jg. 1994, Heft 1, S. 120.

5-57

H. Jagau, Marktmäßige Auslandsverschuldung von souveränen Schuldnern und ökonomische Entwicklung von Entwicklungsländern. Eine theoretische Analyse, Berlin 1992, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 213. Bd., Jg. 1994, Heft 2, S. 247–248.

5-58

U. Witt (Hrsg.), Evolution in Markets and Institutions, Heidelberg/New York 1993, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 213. Bd., Jg. 1994, Heft 3, S. 384.

5-59

D. Wachter, Bodenmarktpolitik, Bern/Stuttgart/Wien 1993, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 214. Bd., Jg. 1995, Heft 1, S. 128.

5-60

K.-D. Grüske (Hrsg.), Die Nobelpreisträger der ökonomischen Wissenschaft, Band III: 1989–1993, Düsseldorf 1994, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 214. Bd., Jg. 1995, Heft 5, S. 627–628.

5-61

E. Helmstädter, Perspektiven der Sozialen Marktwirtschaft. Ordnung und Dynamik des Wettbewerbs, Münster 1996, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 215. Bd., Jg. 1996, Heft 5, S. 640.

5-62

Ch. Thimann, Aufbau von Kapitalstock und Vermögen in Ostdeutschland. Der lange Weg zur Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, Tübingen 1996,

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

179

in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 216. Bd., Jg. 1996, Heft 2, S. 253–255. 5-63

H.-W. Sinn, Der Staat im Bankwesen. Zur Rolle der Landesbanken in Deutschland, München 1997, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 216. Bd., Jg. 1997, Heft 4/5, S. 621–622.

5-64

L. Goerke, M. Holler, Arbeitsmarktmodelle, Berlin/Heidelberg/New York 1997, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 217. Bd., Jg. 1998, Heft 1, S. 151–152.

5-65

K.-D. Grüske (Hrsg.), Die Nobelpreisträger der ökonomischen Wissenschaft. Band IV: 1994–1998, Düsseldorf 1999, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 220. Bd., Jg. 2000, Heft 5, S. 632–634.

5-66

F. v. Hayek, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Aufsätze zur Wirtschaftspolitik. Herausgegeben von Viktor Vanberg, Gesammelte Schriften in deutscher Sprache, Abteilung A: Aufsätze, Band 6, Tübingen 2001, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 222. Bd., Jg. 2002, Heft 3, S. 395–396.

5-67

W. Meyer, Grundlagen des ökonomischen Denkens, herausgegeben von Hans Albert und Günter Hesse. Tübingen (Mohr Siebeck) 2002, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 223. Bd., Jg. 2003, Heft 2, S. 255.

5-68

W. Stützel, Moderne Konzepte für Finanzmärkte, Beschäftigung und Wirtschaftsverfassung, herausgegeben von Hartmut Schmidt, Eberhard Ketzel, Stefan Prigge. Tübingen (Mohr Siebeck) 2001, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 223. Bd., Jg. 2003, Heft 3, S. 382–383.

5-69

M. Lehmann-Waffenschmidt (Hrsg.), Studien zur Evolutorischen Ökonomik VI. Ein Diskurs zu Analysemethoden der Evolutorischen Ökonomik, Berlin (Duncker & Humblot, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F. Bd. 195) 2002, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 223. Bd., Jg. 2003, Heft 4, S. 512.

5-70

H. Flassbeck, 50 einfache Dinge, die Sie über unsere Wirtschaft wissen sollten, Piper Boulevard, 6267, München 2008, in: ORDO 2009, Bd. 60, S. 599–606.

6. Zeitungsartikel und sonstige Schriften 6-01

Ökonomische Kriterien der Gebietsreform. Eine Untersuchung des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen zu dem Denkmodell der Landesregierung (zusammen mit A. E. Ott und D. Schwarz), in: Stuttgarter Zeitung Nr. 293 vom 20. Dezember 1969, S. 31 (Nachdruck in mehreren Tageszeitungen).

6-02

Bevölkerungsentwicklung: Gefährlicher Rückgang, in: Wirtschaftswoche, 41. Jg., 1987, Nr. 20, S. 138–144.

6-03

Diskussionsbeitrag zum Abschlußbericht der Kommission Forschung BadenWürttemberg: Vorzüge des Gießkannenprinzips? Selbst- oder Fremdsteue-

180

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner rung der Universitätsforschung, in: Südwest-Presse – Schwäbisches Tagblatt, 17. November 1989.

6-04

Vermögensbildung für Beschäftigte: Schwache brauchen mehr Sicherheit, in: Rheinischer Merkur Nr. 20 vom 20. Mai 1994, S. 12.

6-05

Sachverstand und unendliche Güte. Der Tübinger Wirtschaftstheoretiker Alfred E. Ott starb mit 64 Jahren, in: (a) Südwest-Presse – Schwäbisches Tagblatt, 4. Juni 1994; (b) IAW-Mitteilungen I/1994, S. 15–16; (c) Tübinger Universitäts-Zeitung Nr. 60 v. 14.07.1994, S. 16.

6-06

Umwelt – Technik – Wirtschaft: Wirtschaftstheoretische und wirtschaftspolitische Grundlagen, in: Arbeitshilfen für die Erwachsenenbildung (hrsg. von der Pädagogischen Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung in BadenWürttemberg), Nr. 28/1994, S. 9–14.

6-07

Wirtschaftswachstum sichert ökonomische Zukunft, in: Arbeitshilfen für die Erwachsenenbildung (hrsg. von der Pädagogischen Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg), Nr. 28/1994, S. 69–77.

6-08

Im Spannungsfeld von weltweiter und nationaler Wirtschaft, in: Arbeitshilfen für die Erwachsenenbildung (hrsg. von der Pädagogischen Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg), Nr. 1–2/97, S. 3–4.

6-09

Ordnungspolitische Voraussetzungen einer aktiven Beschäftigungspolitik, in: Arbeitshilfen für die Erwachsenenbildung (hrsg. von der Pädagogischen Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung in Baden-Württemberg), Nr. 1–2/97, S. 5–9.

6-10

Ökonometrie von Ein- und Mehr-Gleichungs-Modellen in E-Views. Ein vorlesungsbegleitendes Skriptum zur Lehrveranstaltung Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung (zusammen mit Marco Herrmann), 3. Fassung 1999.

6-11

Materialien zur Konjunkturforschung, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig, Diskussionsbeiträge, Nr. 11 vom Dezember 1999.

6-12

Materialien zur Wachstumsforschung, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig, Diskussionsbeiträge, Nr. 15 vom März 2000.

6-13

Konjunkturtheorie, Globalisierung und Evolutionsökonomik, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig, Diskussionsbeiträge, Nr. 29 vom August 2002.

6-14

Zur Profilbildung der Universitäten, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig, Diskussionsbeiträge, Nr. 30 vom August 2002.

6-15

Bearbeitete Lexikonstichworte (zusammen mit S. Klinger) in: R. H. Hasse, H. Schneider, K. Weigelt (Hrsg., 2002): Lexikon Soziale Marktwirtschaft. Wirtschaftspolitik von A bis Z, Verlag Ferdinand Schöningh, UTB Bd. 2325, Paderborn/München/Wien/Zürich. a) Keynesianismus (S. 282–284) b) Konjunktur (S. 284–286) c) Konjunkturpolitik (S. 286–287) d) Wirtschaftskreislauf, Volkseinkommen, Sozialprodukt (S. 465–467)

Schriftenverzeichnis Adolf Wagner

181

6-16

Der Innovator ist auch in der Wissenschaft ein Außenseiter. Elite-Programme als ordnungspolitischer Unfug: Warum Universitätsforschung nur begrenzt planbar und steuerbar ist, in: Südwest Presse – Schwäbisches Tagblatt, Audimax, 31. Januar 2007, S. 25.

6-17

Als vorlesungsbegleitende „Skripten“ an den Universitäten Tübingen und Leipzig dienten weitgehend die UTB-Bände (siehe Bücher) 1-11 und 1-12.

6-18

Skriptum für Studenten der Universität Tübingen: „Regional- und Außenwirtschaftstheorie“, Fassung vom 10. Februar 1994.

6-19

Skriptum für Studenten der Universität Leipzig (zusammen mit Marco Herrmann): „Ökonometrie von Ein- und Mehr-Gleichungs-Modellen in E-Views“, 4. Fassung, Leipzig 2000 (vgl. 6-10).

6-20

Skriptum für Studenten der TU Chemnitz und der Universität Leipzig: „Innovationsökonomik“, Juni 2007.

6-21

Skriptum für Studenten der TU Chemnitz und der Universität Leipzig: „Bevölkerungsökonomik“, Juni 2008.

6-22

Skriptum für Studenten der Universität Tübingen: „Volkswirtschaftslehre für Juristen“, Oktober 2008.

6-23

Skriptum für Studenten der TU Chemnitz: „Empirische Wirtschaftsforschung“, November 2009.

Verzeichnis der Autoren und Sitzungsleiter Thilo Boss Leipziger Verlags- u. Druckereigesellschaft Dr. Wolfgang Bollacher Wüstenrotstiftung, Ludwigsburg Prof. Dr. Rolf Hasse Universität Leipzig Prof. Dr. Ullrich Heilemann Institut für Empirische Wirtschaftsforschung, Universität Leipzig Prof. Dr. Fritz Helmedag Technische Universität Chemnitz Prof. Dr. Ernst Helmstädter Universität Münster Prof. Dr. Klaus Lange Universität Leipzig Dr. Hans Dietrich von Loeffelholz Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg Prof. Dr. Georg Milbradt Ministerpräsident a. D., Sächsischer Landtag, Dresden Prof. Dr. Karl Heinrich Oppenländer Präsident des ifo Instituts München, a. D. Dr. Eugen Spitznagel Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg Prof. Dr. Gunter Steinmann Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Prof. Dr. Adolf Wagner Universität Leipzig

Verzeichnis der Teilnehmer Prof. Dr. Ursula Altenburg Universität Leipzig Dipl.-Volksw. Hans Beerstecher Wüstenrot Stiftung Ludwigsburg Dipl.-Kffr. & Dipl.-Volksw. Carmen Biermann Universität Leipzig PD Dr. Marina Bigl Universität Leipzig Prof. Dr. Reinhold Biskup Universität Leipzig Dr. Rainer Börensen Rottenburg Beate Brachvogel Kommunale Wasserwerke Leipzig Dipl.-Volksw. Dieter Bräuninger Idstein/Frankfurt Nils Brettschneider info tv, Leipzig Prof. Dr. Dieter Ehrenberg Universität Leipzig Uwe Engelmann Universität Leipzig Prof. Dr. Frank C. Englmann Universität Stuttgart Prof. Dr. Harald Enke Mannheim Susen Ewald Universität Leipzig Dipl.-Volksw. Hagen Findeis Universität Leipzig Dr. Josef Fischer Amt für Statistik und Wahlen Stadt Leipzig

184

Verzeichnis der Teilnehmer

Dr. Georg Flascha KPMG Leipzig Prof. Dr. Karlheinz Fleischer Universität Marburg Prof. Dr. Uwe Götze Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Technische Universität Chemnitz Prof. Dr. Jürgen Gropp Universität Leipzig Dipl.-Kffr. Kristin Gruner-Ziegler Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank Leipzig Dr. Peter Gutjahr-Löser Universität Leipzig Prof. Dr. Franz Häuser Rektor der Universität Leipzig Frau Hasse Frau Helmstädter Dr. Marco Herrmann VNG Leipzig Dipl.-Volksw. Mario Hesse Universität Leipzig Prof. Dr.-Ing. Robert Holländer Universität Leipzig Dipl.-Kffr. Sissy Ißleb Universität Leipzig Dipl.-Kfm. Frank Katzenmayer Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart Dr. Sabine Klinger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nürnberg Thomas Köhler Universität Leipzig Dr. Tilo Köhler-Cronenberg Industrie- und Handelskammer zu Leipzig Angela Kortenhof Universität Leipzig Prof. Dr. Günter Krüsselberg Philipps-Universität Marburg

Verzeichnis der Teilnehmer Dipl.-Volksw. Martina Kuntze Universität Leipzig Prof. Dr. Udo Ludwig Institut für Wirtschaftsforschung Halle Prof. Dr. Christian Milow Universität Leipzig Prof. Dr. Rosemarie Nave-Herz Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Dr. Florian Nolte Genossenschaftsverband Norddeutschland e. V. Hannover Christoph Oswald Vorstandsvorsitzender Wüstenrot Holding AG Ludwigsburg Prof. Dr. Helmut Papp Universität Leipzig Frau Papp Prof. Dr. Gert Pickel Universität Leipzig Prof. Dr. Matthias Premer Hochschule Albstadt-Sigmaringen Prof. Dr. Friedrun Quaas Universität Leipzig Doz. Dr. Georg Quaas Universität Leipzig Prof. Dipl.-Ing. Johannes Ringel Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Universität Leipzig Prof. Dr. Manfred Röber Universität Leipzig Prof. Dr. Dr. h. c. Georg Sandberger Universität Tübingen Frau Sandberger Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Eberhard Schaich Universität Tübingen Frau Schaich Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher Präsidentin des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen Prof. Dr. Claus Scholl Technische Universität Chemnitz

185

186

Verzeichnis der Teilnehmer

Bernhard Schöne Leipzig Prof. Dr. Roland Schuhr Universität Leipzig Prof. Dr. Alfred Schüller Philipps-Universität Marburg Frau Schüller Dr. Andrea Schultz Amt für Statistik und Wahlen Stadt Leipzig Robin Schumann Universität Leipzig Dr. Wolf-Dietmar Speich Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen Prof. Dr. rer. nat. Heinrich Strecker Universität Tübingen Frau Dr. Strecker Dr. Christina Stecker Deutsche Rentenversicherung Bund Marcus Strobel Universität Leipzig Dr. Andreas Tewinkel Ladbergen Dr. Edgar Thamm Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland, Leipzig Prof. Dr.-Ing. Rolf Thiele Universität Leipzig Dr. Lothar Thürmer Ministerialrat Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit, Dresden Dipl.-Volksw. Jens Ulrich Fraunhofer-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Leipzig Frau Wagner Dipl.-Volksw. Stefan Wappler Universität Leipzig Prof. Dr. Gerhardt Wolff Verbundnetz Gas AG