Deliberative Stakeholder Dialoge multinationaler Unternehmen: Ein Ansatz zur Legitimation politischer Verantwortung [1 ed.] 9783896446152, 9783896736154

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie Stakeholder Dialoge in der Praxis strukturiert und implementi

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Deliberative Stakeholder Dialoge multinationaler Unternehmen: Ein Ansatz zur Legitimation politischer Verantwortung [1 ed.]
 9783896446152, 9783896736154

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Deliberative Stakeholder Dialoge multinationaler Unternehmen

SCHRIFTENREIHE MANAGEMENT & ETHIK herausgegeben von Prof. Dr. Dirk Ulrich Gilbert

Band 1

Iris Hofmann

Deliberative Stakeholder Dialoge multinationaler Unternehmen Ein Ansatz zur Legitimation politischer Verantwortung

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dissertation der Universität Erlangen-Nürnberg 2011 – D29

ISBN 978-3-89673-615-4 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2012 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. +49 7045 93 00 93 Fax +49 7045 93 00 94 [email protected] www.verlagwp.de Druck und Bindung: Esser Druck GmbH, Bretten

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

VORWORT DES HERAUSGEBERS

5

Vorwort des Herausgebers Die vorliegende Dissertation meiner langjährigen Mitarbeiterin Iris Hofmann behandelt ein hochaktuelles und relevantes Problem aus dem Forschungsgebiet der internationalen Unternehmensethik. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung zeigt sich, dass multinationale Unternehmen (MNU) verstärkt auch politische Verantwortung übernehmen, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern. Frau Hofmann sieht es gleichwohl als problematisch an, dass MNU zunehmend staatliche Aufgaben übernehmen, denn MNU sind nicht demokratisch legitimiert. An diesem Punkt setzt die vorliegende Dissertation an und untersucht, wie diese politische Verantwortungsübernahme von MNU legitimiert werden kann. Als einen möglichen Weg zur Lösung des Problems schlägt Frau Hofmann sog. deliberative Stakeholder Dialoge vor. In der Literatur gibt es zwar schon zahlreiche Erkenntnisse zur Ausgestaltung von Stakeholder Dialogen. Diese sind aus Sicht von Frau Hofmann aber meistens zu stark theoretischer Natur. Die vorliegende Dissertation liefert an dieser Stelle einen wesentlichen Erkenntnisfortschritt, indem ein konzeptioneller Ansatz zur konkreten Ausgestaltung von Stakeholder Dialogen entwickelt wird, der auf der Unternehmensebene zum einen, aber auch auf institutioneller Ebene zum anderen, in sog. Multi-Stakeholder Initiativen, zur praktischen Anwendung kommen kann. Der entwickelte Ansatz basiert auf den Erkenntnissen der deliberativen Demokratie, die in jüngster Zeit vermehrt Anwendung in der Literatur zur Unternehmensethik bzw. Corporate Social Responsibility finden. Anhand des United Nations Global Compact und dem Forest Stewardship Council werden zudem zwei Multi-Stakeholder Initiativen beispielhaft und mit großer Fachkenntnis diskutiert. Die vorliegende Arbeit behandelt nicht nur ein hochaktuelles und theoretisch sehr anspruchsvolles Thema aus dem Forschungsgebiet der internationalen Unternehmensethik, sondern sie liefert darüber hinaus auch vielfältige Ideen zur operativen Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in MNU. Ich wünsche der Arbeit deshalb eine gute Aufnahme in der Wissenschaft sowie der Praxis. Ich freue mich sehr darüber, mit diesem verdienstvollen Werk eine neue wissenschaftliche „Schriftenreihe Management & Ethik“ in Kooperation mit dem Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner zu eröffnen, deren Herausgabe ich übernommen habe. Erlangen, im November 2011

Dirk Ulrich Gilbert

6

VORWORT DER VERFASSERIN

Vorwort der Verfasserin Diese Arbeit wurde als Dissertation am Institut für Wirtschaftswissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg verfasst. An der Fertigstellung waren zahlreiche Personen beteiligt, denen ich hier meinen Dank aussprechen möchte. Zuerst möchte mich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Dirk Ulrich Gilbert herzlich für die Betreuung und Unterstützung dieser Arbeit bedanken. Er hat mich in vielen konstruktiven Gesprächen immer wieder auf den richtigen Weg gebracht. Zudem habe ich von ihm nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell wertvolle Ratschläge erhalten, die diese Arbeit bereichert haben. Daneben möchte ich mich bei Prof. Jürgen Kähler PhD bedanken, der das Zweitgutachten übernommen hat und sich auf das Abenteuer konzeptionelle Arbeit eingelassen hat. Ein weiterer Dank geht an PD Dr. Petra Bendel, die mir mit politikwissenschaftlichem Rat zur Seite gestanden hat. Herzlicher Dank gilt auch meinen beiden Kollegen und Freunden Nina Tissera und Ingo Schedel, die die Arbeit nicht nur Korrektur gelesen haben, sondern auch über Inhalt und Struktur mit mir diskutiert und wertvolle Impulse zur Verbesserung gegeben haben. Einen großen Anteil am Gelingen dieser Arbeit haben auch meine engsten Freunde, Dr. Tilman Rügheimer und Juliane Renk, die mit mir durch Dick und Dünn gegangen sind und mich immer unterstützt haben. Weiterhin möchte ich mich bei meiner Leidensgenossin Nicole Dickebohm bedanken, mit der ich jegliches Dissertationsproblem teilen konnte und die immer ein offenes Ohr für mich hatte. Daneben gilt mein Dank auch allen Freunden und Kollegen, die Anteil an dieser Arbeit genommen haben, insbesondere Liane Albert, Kate Hughes, Dr. Helen Rogers, Marianne Lohmaier, Michael Müller, Christian Graf und Nikolas Pinkwart. Ein großer Dank geht auch an meine Familie, insbesondere meine Eltern Ulrike und Walter Hofmann, die dieses Projekt von Anfang an unterstützt haben und immer zu mir gehalten haben. Zum Gelingen dieser Arbeit haben außerdem kritische Diskussionen mit Prof. Dr. Andreas Georg Scherer, Prof. Dr. Guido Palazzo, Prof. Dr. Andreas Rasche sowie Dr. Dorothea Baur beigetragen. Erlangen, im November 2011

Iris Hofmann

INHALTSVERZEICHNIS

7

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... 13 Tabellenverzeichnis............................................................................................... 14 Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................ 15 I. Theoretische Grundlagen ............................................................................... 19 1. Einleitung ................................................................................................... 19 1.1 Problemstellung und Zielsetzung ....................................................... 19 1.2 Wissenschaftstheoretische Fundierung .............................................. 25 1.3 Gang der Untersuchung ...................................................................... 28 2. Politische Verantwortung multinationaler Unternehmen .................... 33 2.1 Definition und Abgrenzung multinationaler Unternehmen ............... 33 2.2 Globale Rahmenbedingungen ............................................................ 35 2.2.1

Machtverschiebung zwischen Nationalstaaten und multinationalen Unternehmen ................................................ 35

2.2.2

Regulierung multinationaler Unternehmen ............................ 37

2.3 Politische Verantwortung und politische Konfliktsituationen ........... 40 2.3.1

2.3.2

2.3.3

Definition politischer Verantwortung .................................... 40 2.3.1.1

Überblick ................................................................ 40

2.3.1.2

Unternehmensebene ............................................... 43

2.3.1.3

Institutionelle Ebene .............................................. 45

Entstehung politischer Konfliktsituationen: Beispiele ........... 47 2.3.2.1

Selbstzensur von Google in China ......................... 48

2.3.2.2

Deepwater Horizon Umweltkatastrophe von BP ... 50

Unternehmerische Risiken politischer Konfliktsituationen ... 52

2.4 Forschungsansätze zur politischen Verantwortung ............................ 54

8

INHALTSVERZEICHNIS

3. Zur Legitimität unternehmerischer Handlungen.................................. 57 3.1 Theoretische Grundlagen .................................................................... 57 3.1.1

Begriffliche Abgrenzung ........................................................ 57

3.1.2

Verhältnis zwischen Legalität und Legitimität ...................... 58

3.2 Zusammenhang zwischen Stakeholdern und der Legitimität von Unternehmen....................................................................................... 60 3.3 Formen von Legitimität ...................................................................... 62 3.3.1

Überblick ................................................................................ 62

3.3.2

Kategorisierung nach Suchman .............................................. 66 3.3.2.1

Pragmatische und kognitive Legitimität ................ 66

3.3.2.2

Moralische Legitimität ........................................... 67

3.4 Ansätze zur Erreichung unternehmerischer Legitimität ..................... 68 3.4.1

Ökonomischer Ansatz ............................................................ 70

3.4.2

Strategischer Ansatz ............................................................... 71

3.4.3

Neoinstitutioneller Ansatz ...................................................... 73

3.5 Notwendigkeit eines kommunikationsorientierten Ansatzes ............. 76 4. Stakeholder Dialoge im Rahmen des Stakeholder Managements ....... 79 4.1 Entwicklung der Stakeholder Theorie ................................................ 79 4.1.1

Ursprung und Status Quo der Stakeholder Theorie ............... 79

4.1.2

Forschungsbereiche der Stakeholder Theorie ........................ 82

4.1.3

Verhältnis zwischen Stakeholder Theorie und Stakeholder Management ....................................................... 87

4.2 Überblick zum Prozess des Stakeholder Managements ..................... 89 4.3 Stakeholder Dialoge als Maßnahme des Stakeholder Managements ...................................................................................... 95 4.3.1

Kommunikation als Voraussetzung für Stakeholder Dialoge.................................................................................... 95

4.3.2

Ansätze zur Klassifikation von Stakeholder Dialogen........... 98 4.3.2.1

Zielsetzungen ......................................................... 98

4.3.2.2

Akteure ................................................................... 99

INHALTSVERZEICHNIS

4.3.3

9

4.3.3.3

Formen ................................................................. 100

4.3.3.4

Ebenen .................................................................. 101

Forschung zu Stakeholder Dialogen .................................... 102 4.3.3.1

Begründung von Stakeholder Dialogen ............... 103

4.3.3.2

Gestaltung von Stakeholder Dialogen ................. 105

4.4 Fazit und Notwendigkeit eines deliberativen Ansatzes .................... 109 II. Grundlagen und Ansätze zur deliberativen Demokratie .......................... 113 5. Überblick zur deliberativen Demokratie .............................................. 113 5.1 Einordnung in den moralphilosophischen Kontext .......................... 113 5.2 Einordnung in den politikwissenschaftlichen Kontext..................... 118 5.3 Kategorisierung von Forschungsansätzen ........................................ 122 6. Klassische Ansätze zur deliberativen Demokratie .............................. 127 6.1 Überblick zum Forschungsstand ...................................................... 127 6.2 Diskursethik und kommunikative Handlung als Fundamente der deliberativen Demokratie ................................................................. 129 6.3 Konzeption der deliberativen Demokratie ....................................... 133 6.3.1

Grundverständnis der deliberativen Demokratie ................. 133

6.3.2

Anspruchsgrundlagen und Formen des praktischen Diskurses .............................................................................. 134

6.3.3

Prinzipien und Regeln der Kommunikation ......................... 139

6.3.4

Konsens und Legitimität ...................................................... 144

6.3.5

Institutionalisierung deliberativer Prozesse ......................... 146

6.4 Kritische Analyse der Ansätze ......................................................... 150

10

INHALTSVERZEICHNIS

7. Erweiterte Ansätze zur deliberativen Demokratie .............................. 153 7.1 Konzeptionelle Forschung ................................................................ 153 7.1.1

Überblick .............................................................................. 153

7.1.2

Grundverständnis der deliberativen Demokratie ................. 156

7.1.3

Prinzipien und Regeln der Kommunikation ......................... 157

7.1.4

7.1.3.1

Einflussfaktoren auf die Kommunikationsfähigkeit .................................... 158

7.1.3.2

Bedeutung von Prozess- und Inhaltsprinzipien ... 159

7.1.3.3

Flexibilisierung der Kommunikation ................... 162

Konsens und Legitimität ...................................................... 165

7.2 Empirische Forschung ...................................................................... 168 7.2.1

Quantitativ empirische Forschung ....................................... 168

7.2.2

Qualitativ empirische Forschung ......................................... 170 7.2.2.1

Überblick .............................................................. 170

7.2.2.2

Institutionalisierung deliberativer Foren in der Praxis .................................................................... 171

7.2.2.3

Kriterien erfolgreicher Deliberation .................... 180

7.3 Kritische Analyse der Ansätze ......................................................... 182 III. Entwicklung eines deliberativen Ansatzes zur Legitimation politischer Verantwortung multinationaler Unternehmen.......................................... 187 8. Deliberative Stakeholder Dialoge multinationaler Unternehmen ..... 187 8.1 Konzeptioneller Ansatz für deliberative Stakeholder Dialoge ......... 187 8.2 Deliberative Stakeholder Dialoge auf Unternehmensebene............. 199 8.2.1

8.2.2

Analyse der Anspruchsgrundlage......................................... 199 8.2.1.1

Pragmatischer Anspruch ...................................... 202

8.2.1.2

Ethisch-politischer Anspruch ............................... 203

8.2.1.3

Moralischer Anspruch .......................................... 204

Analyse der Anspruchsgruppen ........................................... 207 8.2.2.1

Identifikation ........................................................ 207

INHALTSVERZEICHNIS

8.2.3

8.2.4

8.2.5

8.2.6

11

8.2.2.2

Zugang.................................................................. 208

8.2.2.3

Repräsentation ...................................................... 208

Institutionelle Rahmenbedingungen ..................................... 209 8.2.3.1

Unternehmenskultur ............................................. 210

8.2.3.2

Strukturelle Kriterien ........................................... 213

8.2.3.3

Personelle Kriterien.............................................. 224

Prinzipien und Regeln der Kommunikation ......................... 231 8.2.4.1

Bedeutung von Prozessprinzipien ........................ 232

8.2.4.2

Bedeutung von Inhaltsprinzipien ......................... 236

8.2.4.3

Formen der Kommunikation ................................ 237

Ergebnisse der Dialoge ......................................................... 238 8.2.5.1

Konsensorientierung ............................................ 238

8.2.5.2

Grad der Legitimität ............................................. 240

Fallbeispiele .......................................................................... 241 8.2.6.1

Selbstzensur von Google in China ....................... 242

8.2.6.2

Deepwater Horizon Umweltkatastrophe bei BP ......................................................................... 246

8.3 Deliberative Stakeholder Dialoge auf institutioneller Ebene: Dargestellt am Beispiel des United Nations Global Compact und des Forest Stewardship Council ....................................................... 251 8.3.1

8.3.2

8.3.3

Analyse der Anspruchsgrundlage......................................... 253 8.3.1.1

Pragmatischer und ethisch-politischer Anspruch .............................................................. 253

8.3.1.2

Moralischer Anspruch .......................................... 254

Analyse der Anspruchsgruppen ........................................... 256 8.3.2.1

Mitgliederstruktur ................................................ 257

8.3.2.2

Zugang.................................................................. 258

8.3.2.3

Repräsentation ...................................................... 261

Institutionelle Rahmenbedingungen ..................................... 262 8.3.3.1

Organisationskultur .............................................. 262

8.3.3.2

Strukturelle Kriterien ........................................... 264

12

INHALTSVERZEICHNIS

8.3.3.3 8.3.4

8.3.5

Personelle Kriterien.............................................. 276

Prinzipien und Regeln der Kommunikation ......................... 280 8.3.4.1

Bedeutung von Prozessprinzipien ........................ 280

8.3.4.2

Bedeutung von Inhaltsprinzipien ......................... 289

8.3.4.2

Formen der Kommunikation ................................ 291

Ergebnisse der Dialoge ......................................................... 292 8.3.5.1

Konsensorientierung ............................................ 292

8.3.5.2

Grad der Legitimität ............................................. 293

9. Limitationen und Implikationen für die zukünftige Forschung ........ 299 9.1 Limitationen des entwickelten Konzepts.......................................... 299 9.2 Implikationen für die zukünftige Forschung .................................... 306 10. Schlussbetrachtung ................................................................................. 309 Anhang ................................................................................................................. 311 Literaturverzeichnis............................................................................................ 333

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

13

Abbildungsverzeichnis Seite Abb. 1:

Aufbau der Arbeit ................................................................................... 29

Abb. 2:

Politische Verantwortung von MNU ...................................................... 43

Abb. 3:

Prozess des Stakeholder Managements .................................................. 90

Abb. 4:

Formen der Kommunikation .................................................................. 97

Abb. 5:

Richtlinien der idealen Sprechsituation nach Habermas ...................... 142

Abb. 6:

Richtlinien der idealen Sprechsituation II nach Habermas .................. 143

Abb. 7:

Konzeptioneller Ansatz für deliberative Stakeholder Dialoge ............. 190

Abb. 8:

Ebenenmodell nach Schein ................................................................... 212

Abb. 9:

Moralentwicklungsstufen nach Kohlberg ............................................. 225

Abb. 10: Regelung für Beschwerden beim FSC.................................................. 264 Abb. 11: Prinzipien des UNGC ........................................................................... 325 Abb. 12: Prinzipien des FSC ............................................................................... 326 Abb. 13: Stimmenverteilung in der Vollversammlung des FSC ......................... 327

14

TABELLENVERZEICHNIS

Tabellenverzeichnis Seite Tab. 1:

Überblick zu ausgewählten Formen von Legitimität ............................. 65

Tab. 2:

Ausgewählte Ansätze zur Erreichung von Legitimität ........................... 70

Tab. 3:

Kategorisierung von Stakeholder Ansprüchen ....................................... 93

Tab. 4:

Ausgewählte moralphilosophische Ansätze im Vergleich ................... 114

Tab. 5:

Vergleich der Demokratiemodelle........................................................ 119

Tab. 6:

Vergleich der klassischen und erweiterten Deliberation ...................... 125

Tab. 7:

Abgrenzung von Ansprüchen ............................................................... 136

Tab. 8:

Vergleich ausgewählter deliberativer Foren ......................................... 173

Tab. 9:

Abgrenzung von Ansprüchen II ........................................................... 201

Tab. 10: Überblick zu Stakeholder Dialogen in 10 MNU in Deutschland (ausgewählt nach dem Good Company Ranking 2009) ....................... 311 Tab. 11: Ausgewählte Forschungsansätze zur Gestaltung von Stakeholder Dialogen auf der Unternehmensebene .................................................. 315 Tab. 12: Ausgewählte Forschungsansätze zur Gestaltung von Stakeholder Dialogen auf der institutionellen Ebene .............................................. 318 Tab. 13: Überblick zu ausgewählten qualitativ empirischen Forschungsarbeiten ............................................................................... 321 Tab. 14: Vergleichende Darstellung UNGC und FSC ........................................ 328

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis AA1000

AccountAbility1000

Abb.

Abbildung

AG

Aktiengesellschaft

AktG

Aktiengesetz

Bzw.

Beziehungsweise

CC

Corporate Citizenship

CDM

Clean Development Mechanism

CEO

Chief Executive Officer

CFP

Corporate Financial Performance

COC

Chain of Custody

COOL

Climate OptiOns for the Long Term

COP

Communication on Progress

CR

Corporate Responsibility

CSP

Corporate Social Performance

CSR

Corporate Social Responsibility

DGCN

Deutsches Global Compact Netzwerk

DQI

Discourse Measurement Quality Index

Et al.

Et alii (Latein für: und andere)

Etc.

Et cetera (Latein für: und so weiter)

EU

Europäische Union

FLA

Fair Labor Association

FSA

Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.

FSC

Forest Stewardship Council

GCR

Good Company Ranking

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GRI

Global Reporting Initiative

GTZ

Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit

15

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

16

Hg.

Herausgeber

ICCA

International Council of Chemical Associations

ILO

International Labour Organization

ISCT

Integrative Social Contracts Theory

ISO

International Organization for Standardization

Jg.

Jahrgang

K.A.

Keine Angabe

Kap.

Kapitel

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KLD

Kinder, Lydenberg, Domini (and Company)

Mio.

Millionen

MitbestG

Mitbestimmungsgesetz

MNU

Multinationale(s) Unternehmen

Mrd.

Milliarden

NGO

Non-Governmental Organisation

Nr.

Nummer

O. A.

Ohne Autor

O. Jg.

Ohne Jahrgang

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development

OHCHR

Office of the High Commissioner for Human Rights

O. Nr.

Ohne Nummer

PEFC

Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes

Pers.

Personen

SA 8000

Social Accountability 8000

SAI

Social Accountability International

SE

Societas Europaea

SRI

Stanford Research Institute

Tab.

Tabelle

U.a.

Unter anderem

UN

United Nations

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

UNDP

United Nations Development Programme

UNEP

United Nations Environmental Programme

UNGC

United Nations Global Compact

UNIDO

United Nations Industrial Development Organization

UNIFEM

United Nations Development Fund for Women

UNODC

United Nations Office on Drugs and Crime

USA

United States of America

VCI

Verband der chemischen Industrie

V.a.

Vor allem

Vgl.

Vergleiche

WBCSD

World Business Council for Sustainable Development

WTO

World Trade Organization

WWF

World Wide Fund for Nature

Z.B.

Zum Beispiel

17

19

I.

Theoretische Grundlagen

1.

Einleitung

1.1

Problemstellung und Zielsetzung

„Global corporations have not only a license to operate in this arena [the global space] but also a civic duty to contribute to sustaining the world’s well-being in cooperation with governments and civil society.“ Klaus Schwab, Präsident des Weltwirtschaftsforums in Davos (Schwab 2008, S. 114) Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet die Beobachtung, dass multinationale Unternehmen (MNU) ihren Verantwortungsbereich stetig ausgedehnt haben (Kobrin 2009, S. 349; Rondinelli 2002, S. 391; Ruggie 2004, S. 499, 502; Scherer & Palazzo 2007, S. 1109). Vor allem seit Anfang der 90er Jahre haben MNU im Zuge der Globalisierung vermehrt Tätigkeiten ins Ausland (vor allem in Entwicklungsund Schwellenländer) verlagert und weltweit Materialien oder Dienstleistungen eingekauft (Ruggie 2004, S. 502). Dabei stehen in jüngster Zeit weniger die ökonomischen Implikationen dieser Verlagerung (z.B. Gewinnmaximierung) im Vordergrund als die Forderung nach einer sozialen und ökologischen Verantwortung von MNU (De Bettingies & Lépineux 2009, S. 154). Begründet liegt diese Forderung vor allem darin, dass Unternehmen zunehmend in der Kritik stehen, Kostenaspekte in den Vordergrund zu stellen und von geringeren sozialen oder umweltpolitischen Standards (z.B. in Bezug auf Produktions- und Arbeitsbedingungen) insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern zu profitieren (Gugler & Shi 2009, S. 8; Scherer & Smid 2000, S. 652). Zudem hat sich auch das Bewusstsein der Öffentlichkeit für diese Themen verändert und damit einhergehend werden größere Erwartungen an MNU gestellt (Scherer & Palazzo 2007, S. 1096). Die Unternehmenspraxis hat auf diese veränderten Erwartungen reagiert und versucht, die soziale Verantwortung (Corporate Social Responsibility) in Form von Leitlinien und Maßnahmen in die Unternehmenstätigkeit zu integrieren (De Bettingies & Lépineux 2009, S. 154). Auch in der akademischen Forschung hat sich ein Forschungsfeld entwickelt, das sich mit der Corporate Social Responsibility (CSR) beschäftigt (Lockett, Moon & Visser 2006). Dabei werden unter anderem die Gründe, der Umfang und Inhalt dieser sozialen Verantwortung sowie Möglichkeiten der Implementierung untersucht (Carroll 1991; Crane & Matten 2010, S. 51– 55, 184ff.). In jüngster Zeit wird insbesondere die politische Dimension dieser

20

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Verantwortung in den Vordergrund gerückt (Matten & Crane 2005a; Scherer & Palazzo 2007). Das heißt, es wird diskutiert, inwiefern MNU auch eine politische Verantwortung übernehmen (sollten). In der Forschung ist allerdings nicht abschließend geklärt, was politische Verantwortung bedeutet. So interpretieren Crane & Matten (2010, S. 76–79) politische Verantwortung als Übernahme staatlicher bzw. öffentlicher Aufgaben durch unternehmerische Akteure. Dies äußert sich auf der unternehmerischen Ebene, wo MNU unter anderem für die Bereitstellung von Bildungs-, Gesundheits- oder Sicherheitsleistungen Sorge tragen. Des Weiteren betrifft es auch die Frage, wie MNU zum Beispiel mit Menschen- und Arbeitnehmerrechten oder Umweltschutz in Heimat- und Gastländern umgehen (Matten & Crane 2005a, S. 171). Im Unterschied dazu sehen Scherer & Palazzo (2007, S. 1098) politische Verantwortung vor allem auf der institutionellen Ebene, wo MNU in globale Governance-Prozesse (Multi-Stakeholder Netzwerke) eingebunden werden und mit anderen staatlichen und nicht staatlichen Akteuren globale Regelungen für die Wirtschaftstätigkeit initiieren. In der vorliegenden Arbeit werden beide Dimensionen betrachtet. Vor dem Hintergrund der Übernahme politischer Verantwortung durch MNU muss die These, dass der Staat die einzige Quelle öffentlich politischer und legaler Autorität ist, relativiert werden (Cutler 2001, S. 138; Hall & Biersteker 2007, S. 3). Diese These wird in der Politikwissenschaft als liberales Paradigma bezeichnet und proklamiert eine Trennung zwischen staatlicher (öffentlicher) Gewalt und privater (wirtschaftlicher) Macht (Kobrin 2009, S. 353). Angesichts einer verstärkten globalen Einflussnahme von MNU verliert das liberale Paradigma jedoch an Bedeutung. In diesem Kontext muss die Frage nach der Legitimität politischer Verantwortung neu gestellt werden, da aus dem liberalen Verständnis der Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft (Ökonomie) eine politische Verantwortung von MNU nicht begründet werden kann. Deshalb ist es notwendig, nach einer neuen Legitimitätsbasis zu suchen und die Frage der Rechenschaftspflicht zu klären. Denn bisher ist unklar, wie MNU global zur Rechenschaft gezogen werden können und wem gegenüber, wenn nicht dem Nationalstaat und damit der nationalen Gesetzgebung, diese Rechenschaftspflicht besteht (Detomasi 2007, S. 323; Koenig-Archibugi 2004, S. 236). Die Rechenschaftspflicht für politische Verantwortung begründet sich insbesondere dadurch, dass Nationalstaaten als politische Akteure durch demokratische Wahlen legitimiert sind bzw. von der Öffentlichkeit demokratisch kontrolliert werden (westliches Verständnis), für MNU dies allerdings nicht zutreffend ist (Detomasi 2007, S. 324; Moriarty 2005, S. 465; Palazzo & Scherer 2006, S. 72; Scherer & Palazzo 2007, S. 1112; Scherer, Palazzo & Baumann 2006, S. 508). Wenn allerdings der Anspruch gilt, dass Nationalstaaten demokratisch legitimiert sind, ist die Frage zu stellen, ob auch MNU demokratisch legitim handeln sollten, wenn es um die Ausübung politischer Verantwortung geht

EINLEITUNG

21

(Moriarty 2005, S. 465). Jedoch ist diese Legitimität anders als bei Regierungen nicht aufgrund eines politischen Mandats normativ zu legitimieren. Der Begriff der normativen Legitimität bezieht sich auf das Recht einer Institution, Regelungen aufzustellen (Buchanan & Keohane 2006, S. 405). Für MNU muss notwendigerweise eine andere Form der Legitimation gewählt werden. Daher wird der normative Legitimitätsbegriff durch einen soziologischen Legitimitätsbegriff ersetzt. Dieser definiert Legitimität in Anlehnung an Suchman (1995, S. 574) als Beurteilung unternehmerischen Handelns durch gesellschaftliche Akteure. Diese Beurteilung wird auf Basis vorherrschender Werte- und Normensysteme vorgenommen und spiegelt wider, inwieweit Aktivitäten eines Unternehmens als konvergent mit diesem Werte- und Normengefüge wahrgenommen werden. Dabei kann diese Wahrnehmung auf drei verschiedene Weisen stattfinden: kognitiv, pragmatisch und moralisch. Moralische Legitimität, die die Richtigkeit einer Handlung bemisst, kann dabei als die stabilste Form der Legitimität interpretiert werden1. Dies wird auch dadurch bedingt, dass insbesondere in Situationen der Unsicherheit gesellschaftliche Akzeptanz für Unternehmen erreicht werden kann. Zudem basiert sie weder auf Selbstinteresse und Manipulation (pragmatisch) noch wird eine Situation als gegeben angenommen (kognitiv) (vgl. dazu u.a. Basu & Palazzo 2008, S. 126; Suchman 1995, S. 574–575, 579). In der vorliegenden Arbeit wird in Anlehnung an Habermas (1996, S. 158ff., 170) argumentiert, dass politische Entscheidungen2 eine moralische Dimension besitzen, da sie ein öffentliches Interesse berühren und die Frage stellen, wie wir unser Leben im Interesse aller gestalten können (Habermas 1996, S. 161–162). Vor diesem Hintergrund wird eine moralische Beurteilung über politische Verantwortungsübernahme notwendig. Diese Beurteilung, ob etwas als moralisch richtig angesehen wird, so die weiterführende Argumentation von Habermas, kann nur kommunikativ in einem Dialog, mit allen von der politischen Entscheidung Betroffenen, vorgenommen werden (Gilbert & Rasche 2007, S. 191; Habermas 1996, S. 4, 1998, S. 3–4). Dem Begriff der Moralität ist demnach in dieser Arbeit ein relationales Verständnis inhärent, was die Annahme, dass Moral nur im Dialog entwickelt und definiert werden kann, nochmals verstärkt (vgl. hier u.a. PainterMorland 2007). Einen theoretischen Anknüpfungspunkt für Dialoge mit Betroffenen liefert zunächst die Stakeholder Theorie. Bisher wurde diese Theorie genutzt, um eine soziale Verantwortung von Unternehmen konzeptionell zu begründen. Dabei gilt sie 1

2

Es sei darauf hingewiesen, dass Suchman (1995, S. 584) die drei Formen der Legitimität nicht in einer hierarchischen Ordnung sieht und somit moralischer Legitimität keinen höheren Wert zuspricht. Habermas (1996) versteht unter politischen Entscheidungen gesetzgebende Entscheidungen des Staates und beschäftigt sich mit der Frage, wie die Legitimität dieser Gesetzgebungskompetenz erhöht werden kann.

22

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

als einer der meist genutzten und vielversprechendsten Ansätze in der Literatur (Egels-Zandén & Sandberg 2010, S. 35). Die Stakeholder Theorie beschreibt zunächst, welche Anspruchsgruppen vom unternehmerischen Handeln betroffen sind oder dieses beeinflussen (Freeman 1984, S. 46). Des Weiteren liefert sie auch eine Erklärung, warum Unternehmen Stakeholder Interessen für ihr Handeln berücksichtigen sollten. Darüber hinaus hat die Stakeholder Theorie durch den Aspekt des Stakeholder Managements auch einen anwendungsorientierten Charakter. Das Stakeholder Management beschäftigt sich insbesondere mit der Gestaltung der Beziehungen und der Kommunikation zu Stakeholdern (Stakeholder Dialoge), was in der vorliegenden Arbeit im Vordergrund steht (Donaldson & Preston 1995, S. 67; Elms & Phillips 2009, S. 406). Im Kontext einer sich ausdehnenden globalen Tätigkeit von Unternehmen erweitert sich allerdings der Kreis von betroffenen Anspruchsgruppen. Das heißt, MNU werden mit einer Vielzahl von Ansprüchen konfrontiert, was zur Folge hat, dass auch bisher nicht als Stakeholder wahrgenommene Interessensgruppen zu potentiellen Stakeholdern werden können. Außerdem wird MNU von Seiten der Öffentlichkeit vermehrt eine erweiterte Verantwortung für Zulieferer und deren Vertragspartner oder für lokale Gemeinschaften zugeschrieben. Das hängt vor allem damit zusammen, dass Stakeholder Gruppen wie Kunden, Medien oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in den Heimatländern der MNU für soziale und ökologische Produktionsbedingungen sensibel geworden sind und diese zunehmend thematisieren (Kletz & Pesqueux 2006, S. 109ff.; Sparkes 2006, S. 64). In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass Stakeholder nicht zwingend moralische Zielsetzungen verfolgen, wenn sie soziale oder politische Verantwortung an MNU herantragen. Vielmehr können auch hier instrumentelle Gründe wie Macht ausschlaggebend sein (vgl. hierzu Fassin 2009, S. 507–509). Da in dieser Arbeit das Handeln von MNU betrachtet wird, ist die Frage nach der Motivation der Stakeholder allerdings zu vernachlässigen. Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist, dass für Stakeholder nicht immer das tatsächliche Unternehmenshandeln maßgebend ist, sondern wie die soziale oder politische Verantwortungsübernahme vor dem Hintergrund ihres eigenen Wertesystems wahrgenommen und letztendlich bewertet wird (Suchman 1995, S. 574; Waddock, Bodwell & Graves 2002, S. 135). Dies hat gleichzeitig Auswirkungen für die Legitimität des unternehmerischen Handelns. So könnten MNU im Falle eines moralisch falschen Verhaltens den Zugang zu Ressourcen, das Vertrauen von Stakeholdern und damit letztendlich ihre Existenzberechtigung verlieren (Aguilera et al. 2007, S. 845; Painter-Morland 2007, S. 529–530; Schepers 2010, S. 280; Suchman 1995, S. 574; Zinkin 2004). Zwar ist diese Verbindung der Stakeholder Theorie zur Legitimität in der Literatur anerkannt, jedoch wird der Legitimitätsbegriff laut Phillips (2003, S. 25) häufig

EINLEITUNG

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unpräzise verwendet. Zudem wird vor allem versucht, die Frage nach der Legitimität der Stakeholder Ansprüche zu beantworten. Die Erreichung moralischer Legitimität für unternehmerisches Handeln wird dabei kaum betrachtet (Elms & Phillips 2009, S. 406; Freeman et al. 2010, S. 209–211; Maak & Ulrich 2007, S. 172; Mitchell, Agle & Wood 1997, S. 854; Ozanne, Corus & Saatcioglu 2009, S. 30–31; Phillips 1997, S. 52; Roloff 2002, S. 80; Werhane & Freeman 1999, S. 8). Auch ein Blick in die Literatur im Bereich CSR zeigt, dass insbesondere der moralische Aspekt der Legitimität bisher ungenügend wiedergegeben und analysiert wird (Palazzo & Scherer 2006, S. 75, Scherer & Palazzo 2007, S. 1096–1097). Dennoch bieten die Stakeholder Theorie und insbesondere der Stakeholder Dialog für MNU einen geeigneten Rahmen, um moralische Legitimität zu erreichen. Die Durchführung von Stakeholder Dialogen im Sinne der Kommunikation mit Stakeholder Gruppen ist in der Unternehmenspraxis weit verbreitet. Bisher stehen dabei jedoch meist ökonomische Zielsetzungen im Vordergrund, zum Beispiel wenn Kunden bei der Verbesserung und Entwicklung von Produkten um ihre Meinung gebeten werden (Crane & Livesey 2003, S. 48). Ein gleichberechtigter Stakeholder Dialog, in dem verschiedenste Anspruchsgruppen zusammenkommen und diskutieren, wird selten durchgeführt. Gerade in Bezug auf die Übernahme politischer Verantwortung gilt es für MNU, moralische Legitimität zu erreichen und dazu in einen gleichberechtigten Dialog mit allen Betroffenen zu treten. Vor diesem Hintergrund kann die folgende Forschungsfrage für diese Arbeit formuliert werden: Wie können Stakeholder Dialoge in der Praxis strukturiert und implementiert werden, damit sie eine moralisch legitime Basis für die politische Verantwortungsübernahme von MNU schaffen bzw. erhalten? Ein Blick in die Literatur zu Stakeholder Dialogen zeigt, dass sich die konzeptionelle Forschung zum einen mit der theoretischen Begründung, zum anderen mit der Gestaltung von Stakeholder Dialogen beschäftigt. Es fällt jedoch auf, dass insbesondere im Forschungsbereich der Stakeholder Theorie wenig zur Gestaltung von Stakeholder Dialogen ausgesagt wird und eine systematische Aufbereitung der Erkenntnisse fehlt (O'Riordan & Fairbrass 2008, S. 749–750). In dieser Hinsicht werden andere Theorien in die Diskussion eingebracht, um Implikationen für die Gestaltung abzuleiten. Dabei wird vor allem die Theorie der Diskursethik bzw. der deliberativen Demokratie angewendet (Gilbert & Behnam 2009; Gilbert & Rasche 2007; Kuhn & Deetz 2008; Maak 2007; Rasche & Esser 2006; Reynolds & Yuthas 2008; Roloff 2008; Scherer & Palazzo 2007; Unerman & Bennett 2004; Zakhem 2008). Die deliberative Demokratie erfährt seit geraumer Zeit in der politischen Wissenschaft große Popularität und scheint geeignet, die moralische Legitimität einer Entscheidung zu erhöhen, indem bestimmte Prozessregelungen für den (morali-

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

schen) Diskurs3 aufgestellt werden. Zwar wurde sie ursprünglich entwickelt, um die Legitimität staatlicher Akteure zu erhöhen. In jüngster Zeit wird aber insbesondere ihre Anwendung für weitere (nicht staatliche) soziale oder institutionelle Akteure diskutiert (Cohen 1998, S. 186, 220). Zudem liefert die deliberative Demokratie einen Ansatz zur Erreichung moralischer Legitimität, gerade wenn diese Legitimität nicht von einer demokratisch gewählten legitimen Autorität wie dem Staat abgeleitet werden kann (Risse 2004, S. 310). Außerdem bietet sie die Möglichkeit, im Fall konfligierender moralischer Normen (z.B. unterschiedliche Normen im Heimat- und Gastland) die aus moralischer Sicht richtige Handlungsweise im Diskurs mit allen Betroffenen zu formulieren und letztlich zu legitimieren. Damit liefert die deliberative Demokratie als Kommunikationstheorie auch einen Ansatz, wie Stakeholder in die Entscheidungsfindung eingebunden werden können. Die Forschungsarbeiten in diesem Bereich adressieren dabei zum einen die Einbindung von Stakeholdern auf der Unternehmensebene und zum anderen auf der institutionellen Ebene. In Bezug auf die Unternehmensebene wird analysiert, wie Stakeholder Dialoge nach diskursethischen Prinzipien in Unternehmen gestaltet werden sollten. Auf der institutionellen Ebene werden Multi-Stakeholder Initiativen untersucht. Dabei wird entweder kritisch evaluiert, inwiefern Entscheidungsstrukturen und -prozesse nach deliberativem Vorbild gestaltet sind oder ob Vorgaben und Regelungen die Umsetzung deliberativer Kriterien bei den Unternehmen einfordern. Dabei fällt sowohl auf der Unternehmensebene als auch auf der institutionellen Ebene auf, dass vor allem eine Bewertung vor dem Hintergrund der klassischen Theorie nach Habermas vorgenommen wird und damit Handlungsempfehlungen hinsichtlich der Erfüllung der idealtypischen Prinzipien und Regeln der Kommunikation gegeben werden. Das Problem ist hierbei, dass die Aussagen eher unpräzise in Bezug auf eine tatsächliche Umsetzbarkeit bleiben. Zudem fehlen klare Handlungsanweisungen für MNU, obwohl anerkannt wird, dass ein praktisches Konzept zur Implementierung deliberativer Ideen für MNU notwendig ist (Scherer & Palazzo 2007, S. 1114; Scherer, Palazzo & Baumann 2006, S. 523). Dieser Gedanke wird in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen und es werden neben den klassischen Ansätzen, erweiterte Ansätze (konzeptionell und empirisch) zur deliberativen Demokratie aus der Politikwissenschaft herangezogen, da sich diese explizit mit der praktischen Machbarkeit und der Frage der Implementierung von Deliberation in der Praxis auseinandersetzen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, auf Basis der deliberativen Demokratie einen konzeptionellen Ansatz zur Legitimation politi-

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Mit Diskurs ist eine bestimmte Form der Kommunikation gemeint, die darauf abzielt, Meinungen von Teilnehmern zu koordinieren und ein gemeinsames Verständnis bei den Teilnehmern zu schaffen (Dryzek 2000, S. 121).

EINLEITUNG

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scher Verantwortung von MNU zu entwickeln. Ferner soll gezeigt werden, wie deliberative Stakeholder Dialoge in der Praxis durchgeführt werden sollten, um moralische Legitimität zu erreichen. In dieser Hinsicht wird die praktische Anwendung sowohl auf die Unternehmensebene als auch auf die institutionelle Ebene fokussiert. Auf der Unternehmensebene kann gezeigt werden, wie deliberative Stakeholder Dialoge umgesetzt werden können, aber auch welche Schwierigkeiten sich dabei ergeben. Auf der institutionellen Ebene kann hingegen untersucht werden, ob und inwiefern Multi-Stakeholder Netzwerke bereits auf deliberative Entscheidungsprozesse zurückgreifen. Ferner können Handlungsanweisungen für die Weiterentwicklung der deliberativen Qualität bei diesen Initiativen gegeben werden. Die institutionelle Ebene ist dabei von Interesse, da sich MNU in diesen Initiativen an der Gestaltung von Governance-Prozessen beteiligen und somit politische Verantwortung übernehmen. In dieser Hinsicht müssen auch die Entscheidungsprozesse auf institutioneller Ebene moralisch legitimiert werden. Exemplarisch werden in der vorliegenden Arbeit die Multi-Stakeholder Initiativen United Nations Global Compact und Forest Stewardship Council untersucht.

1.2

Wissenschaftstheoretische Fundierung

Die vorliegende Arbeit ist im Bereich der Sozialwissenschaften, explizit in der Betriebswirtschaftslehre, zu verorten. Dabei wird die Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Wissenschaft klassifiziert (Hofmann 2004; Sachs & Hauser 2002, S. 27; Ulrich 1982). Diese hat zum Ziel: „[…] mit Hilfe von Erkenntnissen der Grundlagenwissenschaften Regeln, Modelle und Verfahren (= Gestaltungsempfehlungen) für das Handeln der unternehmerischen Praxis zu entwickeln.“ (Hofmann 2004, S. 288) Damit ist die anwendungsorientierte Wissenschaft von der Grundlagenforschung zu unterscheiden und kann zwischen dieser und der Unternehmenspraxis verortet werden (Ulrich 1982, S. 3). Die wesentlichen Kriterien, die Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Wissenschaft unterscheiden, werden im Folgenden kurz skizziert und auf diese Arbeit angewendet. Problemstellung und Zielsetzung. Die Grundlagenforschung beschäftigt sich mit der Geltung von Theorien und Hypothesen. Mit Hilfe von empirischen Untersuchungen (Positivismus) sollen diese entweder falsifiziert oder verifiziert werden. Das heißt, das Ziel der Grundlagenforschung ist es, bestehende Wirklichkeiten zu untersuchen und zu erklären. Im Gegensatz dazu ist das Erkenntnisobjekt der angewandten Wissenschaft in der Praxis zu finden. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

ein in der Unternehmenspraxis zu beobachtendes Phänomen, die Übernahme politischer Verantwortung durch MNU. Dabei geht es in der angewandten Wissenschaft nicht um die empirische Untersuchung dieses Phänomens, sondern um die konzeptionelle Formulierung von Regeln und Modellen für die unternehmerische Praxis sowie um die Ableitung von Handlungsempfehlungen. Damit soll eine neue Wirklichkeit geschaffen bzw. konstruiert werden (Hofmann 2004, S. 289–291; Sachs & Hauser 2002, S. 27; Ulrich 1982, S. 3–4). Diese Arbeit entwickelt einen konzeptionellen Ansatz, der auf theoretischen und empirischen Erkenntnissen beruht. Es wird allerdings keine eigene empirische Untersuchung durchgeführt. Vielmehr wird auf Ergebnisse empirischer Studien zurückgegriffen sowie insbesondere in Kapitel 8 die Analyse am Beispiel von Unternehmen und MultiStakeholder Initiativen durchgeführt. Ziel ist es, auf Basis der Theorie der deliberativen Demokratie Regeln abzuleiten, wie Stakeholder Dialoge strukturiert und implementiert werden können, um moralische Legitimität für politische Verantwortung zu erreichen. Weiterhin werden Handlungsempfehlungen für die Umsetzung auf unternehmerischer und institutioneller Ebene gegeben. Interdisziplinarität. Ulrich (1982, S. 4) vertritt die Auffassung, dass die Kategorisierung in Forschungsdisziplinen künstlich erschaffen ist und die Realität des handelnden Menschen nicht einer bestimmten Disziplin folgt, sondern interdisziplinär ist. Die vorliegende Arbeit hat interdisziplinäre Bedeutung, da Erkenntnisse aus mehreren Forschungsdisziplinen herangezogen werden: Betriebswirtschaftslehre, im Speziellen Unternehmensethik (politische Verantwortung von MNU), politische Wissenschaft, insbesondere politische Theorie (deliberative Demokratie) sowie Soziologie (Legitimität). Die Übertragung und Anwendung von Erkenntnissen aus der Politikwissenschaft (deliberative Demokratie) kann dazu beitragen, Regeln für die Strukturierung und Implementierung von Stakeholder Dialogen abzuleiten, um Legitimität für politische Verantwortungsübernahme von MNU zu erreichen. Nutzen. Während die Wahrheit wissenschaftlicher Aussagen als Maßstab für die Erfolgsträchtigkeit der Grundlagenforschung dient, gilt für die angewandte Wissenschaft der praktische Nutzen als Erfolgskriterium (Ulrich 1982, S. 4). Der praktische Nutzen bzw. Beitrag dieser Arbeit liegt darin, dass nicht nur ein konzeptioneller Ansatz zur Legitimation von politischer Verantwortung von MNU entwickelt wird, sondern auch gezeigt wird, wie dieser in der Praxis umgesetzt werden kann. Wertebezug. Da anwendungsorientierte Wissenschaft abhängig vom Menschen ist, der sie durchführt, ist es nicht möglich, vollkommen rationale und wertfreie Aussagen zu tätigen. Auf Basis der zugrunde liegenden Nutzenkriterien werden daher immer Werturteile gefällt (Ulrich 1982, S. 4). Dieser Arbeit ist ein bestimm-

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tes wertendes Verständnis von der Realität inhärent. Denn die Arbeit geht davon aus, dass Unternehmen kollektive bzw. moralische Akteure sind und ihnen daher nicht nur eine ökonomische Verantwortung in der Gesellschaft obliegt, sondern auch eine soziale sowie politische Verantwortung (Enderle 1993, S. 207ff.; Wieland 2001). Zudem wird ein normatives Konzept entwickelt, das erläutert, wie Stakeholder Dialoge auf Basis der deliberativen Demokratie durchgeführt werden sollten, um moralische Legitimität für politische Verantwortung zu erreichen. Der von Ulrich angesprochene Wertebezug, berührt auch die Frage der so genannten Inkommensurabilität. Nach Kuhn (1963) argumentieren Wissenschaftler oder wissenschaftliche Arbeiten immer aus einer bestimmten Theorie heraus, die auf einem bestimmten Paradigma basiert. Paradigmen kennzeichnen dabei: „[…] universally recognized scientific achievements that for a time provide model problems and solutions to a community of practitioners.“ (Kuhn 1963, S. x) Die den Theorien zugrunde liegenden Paradigmen kennzeichnen demnach Grundannahmen und Standards, wie z.B. vollkommene oder beschränkte Rationalität, die nur für eine bestimmte Denkschule maßgebend sind und sich daher von anderen Denkschulen differenzieren. Die gleichzeitige Anwendung von Theorien, die auf unterschiedlichen Paradigmen fußen wird damit ausgeschlossen, da die Grundannahmen als nicht miteinander vereinbar (inkommensurabel) gelten und gegenseitig konkurrieren (Kuhn 1963, S. 147; Scherer & Palazzo 2007, S. 1098; Scherer & Steinmann 1999, S. 520). In der Diskussion um die Relevanz von Unternehmensethik treffen zwei Sichtweisen aufeinander: Auf der einen Seite steht die instrumentelle Perspektive, die Unternehmen als ökonomische Akteure sieht, mit dem Zweck der Gewinnmaximierung. Eine soziale Verantwortung von Unternehmen wird verneint. Auf der anderen Seite steht die moralische Sichtweise, die erklärt, dass Unternehmen neben ihrer ökonomischen Funktion auch eine soziale Verantwortung zu erfüllen haben. Während beispielsweise der Shareholder Value Ansatz auf dem Paradigma der Gewinnmaximierung basiert, begründet die Stakeholder Theorie auch eine soziale Verantwortung gegenüber anderen Anspruchsgruppen als den Shareholdern (vgl. hierzu u.a. Windsor 2004, S. 734–735). Diese Sichtweisen lassen sich allerdings nicht vereinen, sie sind inkommensurabel. Ein anderes Beispiel stammt aus der Politikwissenschaft, wo liberales und deliberatives Paradigma in Konkurrenz zueinander stehen. Würde diese Arbeit liberalen Grundannahmen folgen, so könnte damit nicht analysiert werden, wie MNU moralische Legitimität für politische Verantwortung erreichen können. Denn im liberalen Paradigma ist der Staat der einzige Akteur, der politische Aufgaben wahrnehmen kann und Unternehmen sind auf ökonomische Tätigkeiten beschränkt (Scherer & Butz 2009, S. 741–742; Scherer & Palazzo 2007, S. 1106). Im Gegensatz

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

dazu kann der deliberative Ansatz auf nicht staatliche Akteure übertragen werden und zeigt, wie MNU moralische Legitimität erreichen können, wenn eine formal legitime Autorität fehlt.

1.3

Gang der Untersuchung

Nach der Erläuterung der Problemstellung und wissenschaftstheoretischen Fundierung in Kapitel 1 der Arbeit, soll nun im Folgenden der Gang der Untersuchung skizziert werden. Der Aufbau der Arbeit ist zudem in Abb. 1 veranschaulicht. In Kapitel 2 wird zunächst die Thematik der politischen Verantwortung von MNU aufgegriffen. Dazu wird als Erstes der Terminus der multinationalen Unternehmung näher bestimmt, bevor auf die globalen Rahmenbedingungen und das Machtverhältnis zwischen Nationalstaat und MNU eingegangen wird. Anschließend wird der zentrale Begriff der Arbeit, die politische Verantwortung von MNU, definiert. Dafür ist es notwendig, eine Unterscheidung zwischen der Unternehmensebene und der institutionellen Ebene zu treffen, um die Bedeutungsvielfalt des Terminus darzustellen. In diesem Zusammenhang wird auch das Entstehen politischer Konfliktsituationen anhand der Beispiele Google und BP beleuchtet sowie auf die unternehmerischen Risiken politischer Konfliktsituationen eingegangen. Abschließend wird ein Überblick zur Forschung im Bereich politische Verantwortung gegeben. Ausgehend von der These, dass die politische Verantwortungsübernahme von MNU moralisch legitimiert werden muss, soll in Kapitel 3 die Legitimität unternehmerischer Handlungen näher untersucht werden. Dazu ist es zunächst notwendig, eine Begriffsbestimmung vorzunehmen und den Terminus von der Legalität abzugrenzen. Weiterhin wird ein Zusammenhang zwischen Stakeholdern, die in Kapitel 4 thematisiert werden, und der Legitimität herausgestellt. Nach einem Überblick zu verschiedenen Formen der Legitimität, wird das Konzept von Suchman vorgestellt. Seine Einteilung in pragmatische, kognitive und moralische Legitimität bildet die Grundlage für die Analyse unternehmerischer Legitimität. Damit einhergehend ist es zentral für diese Arbeit, die Frage zu beantworten, wie moralische Legitimität erreicht werden kann. In diesem Kontext werden verschiedene Ansätze präsentiert und auf die Notwendigkeit eines kommunikationsorientierten Ansatzes eingegangen. Das heißt, aus Sicht dieser Arbeit müssen MNU mit ihren Anspruchsgruppen kommunizieren, um moralische Legitimität zu erreichen.

EINLEITUNG

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I: Theoretische Grundlagen 1. Einleitung 2. Politische Verantwortung multinationaler Unternehmen

3. Zur Legitimität unternehmerischer Handlungen

4. Stakeholder Dialoge im Rahmen des Stakeholder Managements

II: Grundlagen und Ansätze zur deliberativen Demokratie 5. Überblick zur deliberativen Demokratie 6. Klassische Ansätze zur deliberativen Demokratie

7. Erweiterte Ansätze zur deliberativen Demokratie

III: Entwicklung eines deliberativen Ansatzes zur Legitimation politischer Verantwortung multinationaler Unternehmen 8. Deliberative Stakeholder Dialoge multinationaler Unternehmen 9. Limitationen und Implikationen für die zukünftige Forschung

Abb. 1:

10. Schlussbetrachtung

Aufbau der Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung.

Die Etablierung einer Kommunikationssituation zwischen MNU und Stakeholdern wird in der Forschung als Stakeholder Dialog bezeichnet, der Gegenstand von Kapitel 4 ist. Bevor Stakeholder Dialoge näher erläutert werden, wird zunächst die Entwicklung der Stakeholder Theorie skizziert. Dabei wird auf Ursprung und Status Quo, Forschungsbereiche und die Verbindung zum Stakeholder Management eingegangen. Da Stakeholder Dialoge Teil des Stakeholder Managements sind, wird der Prozess des Stakeholder Managements dargelegt und der Stakeholder Dialog dort verortet. Anschließend werden Stakeholder Dialoge im Detail dargestellt. Kommunikation wird dabei als zentrale Voraussetzung angesehen, um von einem Stakeholder Dialog zu sprechen. Allerdings können in der unternehme-

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

rischen Praxis verschiedene Arten von Stakeholder Dialogen identifiziert werden, die sich nach Zielsetzungen, Akteuren, Formen und Ebenen unterscheiden. Daneben wird auch ein Überblick zur Forschung im Bereich Stakeholder Dialoge gegeben, der sich in Begründung und Gestaltung von Stakeholder Dialogen aufteilt. Hier zeigt sich, dass vor allem die Theorie der Diskursethik bzw. deliberativen Demokratie verwendet wird, um Implikationen für die Gestaltung von Stakeholder Dialogen abzuleiten. Dabei werden Stakeholder Dialoge auf Unternehmensebene und auf institutioneller Ebene betrachtet. Jedoch analysieren und bewerten die bisherigen Ansätze diese Stakeholder Dialoge vor dem Hintergrund der idealtypischen Konzeption nach Habermas und bleiben hinsichtlich einer tatsächlichen Umsetzbarkeit in der Praxis unpräzise. Dies wird als Ausgangspunkt aufgegriffen und erläutert, warum in dieser Arbeit ein deliberatives Verständnis von Stakeholder Dialogen zwar notwendig erscheint, aber dennoch stärker auf die Frage der Implementierung fokussieren muss. Dies stellt auch die Überleitung zum zweiten Teil der Arbeit dar, der sich mit der Theorie der deliberativen Demokratie auseinandersetzt. Der zweite Teil der Arbeit beginnt mit Kapitel 5, das einen Überblick zur deliberativen Demokratie liefert. Dabei wird zum einen eine Einordnung in den moralphilosophischen, zum anderen eine Einordnung in den politikwissenschaftlichen Kontext geleistet. Zudem wird eine Kategorisierung der Forschungsansätze vorgenommen und dabei auf den Unterschied zwischen klassischen und erweiterten Ansätzen eingegangen. In Kapitel 6 werden zunächst die klassischen Ansätze zur deliberativen Demokratie betrachtet. Als Erstes wird ein Überblick zum Forschungsstand gegeben, bevor eine inhaltliche Beschreibung der Ansätze folgt. Dabei ist es entscheidend, dass die Theorie der deliberativen Demokratie wesentlich auf den Erkenntnissen zur Diskursethik und zur kommunikativen Handlung (vgl. Habermas) aufgebaut ist. Anschließend werden die klassischen Ansätze anhand von fünf Kriterien charakterisiert: Grundverständnis der deliberativen Demokratie, Anspruchsgrundlagen und Formen des praktischen Diskurses, Prinzipien und Regeln der Kommunikation, Konsens und Legitimität sowie Institutionalisierung deliberativer Prozesse. Das Kapitel endet mit einer kritischen Analyse der Ansätze. Kapitel 7 beschreibt die erweiterten Ansätze der deliberativen Demokratie. Diese beschäftigen sich stärker mit der Frage der praktischen Umsetzung von Deliberation, weshalb ihre Einbindung in diese Arbeit notwendig ist. Dabei muss grundsätzlich zwischen konzeptioneller und empirischer Forschung unterschieden werden. Nach einem Überblick zur konzeptionellen Forschung wird analog zu Kapitel 6 auf die wesentlichen Bausteine: Grundverständnis der deliberativen Demokratie, Prinzipien und Regeln der Kommunikation sowie Konsens und Legitimität einge-

EINLEITUNG

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gangen. Anschließend wird die empirische Forschung, die sich in quantitative und qualitative Forschung unterteilt, beleuchtet. Dabei ist für die vorliegende Arbeit vor allem die Bedeutung der qualitativ empirischen Forschung hervorzuheben. Diese beschäftigt sich mit der Institutionalisierung deliberativer Prozesse und zeigt, wie Deliberation in der Praxis erfolgreich durchgeführt werden kann. Eine kritische Analyse der erweiterten Ansätze beschließt das Kapitel. Anschließend folgt der dritte Teil der Arbeit, der auch gleichzeitig den Hauptteil bildet. In Kapitel 8 werden die Erkenntnisse aus den vorangegangen Kapiteln zusammengeführt und ein deliberativer Ansatz zur Legitimation politischer Verantwortung von MNU entwickelt. Zunächst wird ein Überblick zum konzeptionellen Ansatz gegeben und der Aufbau erläutert. Der konzeptionelle Ansatz unterteilt sich in fünf Bausteine: Analyse der Anspruchsgrundlage, Analyse der Anspruchsgruppen, Institutionelle Rahmenbedingungen, Prinzipien und Regeln der Kommunikation sowie Ergebnisse der Dialoge. Diese fünf Bausteine werden im Folgenden zum einen auf die Unternehmensebene zum anderen auf die institutionelle Ebene angewendet. Auf der Unternehmensebene werden vor allem normative Aussagen getroffen und auf mögliche Schwierigkeiten bei der Implementierung hingewiesen. Zudem wird der konzeptionelle Ansatz auf die eingangs skizzierten Fallbeispiele Google und BP angewendet. Auf der institutionellen Ebene werden bestehende Multi-Stakeholder Netzwerke untersucht. Anhand der Beispiele United Nations Global Compact sowie Forest Stewardship Council kann exemplarisch analysiert werden, inwiefern Entscheidungsstrukturen und -prozesse in diesen Netzwerken deliberative Kriterien aufweisen. Darüber hinaus werden auch Handlungsempfehlungen zur Verbesserung ihrer deliberativen Qualität abgeleitet. In Kapitel 9 werden abschließend Limitationen sowie Implikationen für die zukünftige Forschung diskutiert. Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung in Kapitel 10.

33

2.

Politische Verantwortung multinationaler Unternehmen

In diesem Kapitel wird ein Überblick zur politischen Verantwortung von MNU gegeben. Dazu wird zunächst der Begriff der multinationalen Unternehmung näher bestimmt, bevor auf die globalen Rahmenbedingungen eingegangen wird, die politische Verantwortung bedingen. Zudem ist es entscheidend den Begriff der politischen Verantwortung zu definieren und die Entstehung politischer Konfliktsituationen zu beleuchten. Des Weiteren ist es notwendig, die vorliegende Arbeit in den Kontext bisheriger Forschungsansätze einzuordnen.

2.1

Definition und Abgrenzung multinationaler Unternehmen

In den letzten Jahren hat sich die Tätigkeit von Unternehmen in Folge der Globalisierung4 zunehmend ausgedehnt und Unternehmen haben sich von nationalen zu multinationalen Akteuren entwickelt und an institutioneller Macht gewonnen (Bock & Fuccillo 1975, S. 51; De Bettingies & Lépineux 2009, S. 156; Donaldson 1989, S. 31; Scherer & Butz 2009, S. 739; Vidaver-Cohen & Altman 2000, S. 145). In diesem Kontext werden in der Literatur verschiedene Begrifflichkeiten verwendet, um diese globale Tätigkeit sichtbar zu machen: internationale, multinationale oder transnationale Unternehmung. Auffällig ist dabei, dass die Forschung im Bereich Unternehmensethik diese Begriffe zumeist synonym verwendet. Im Bereich des Internationalen Managements werden hingegen vor allem multinationale und internationale Unternehmung synonym gebraucht, während der Terminus „transnational“ vor allem von Bartlett & Goshal (1988) geprägt ist und einen eigenen Ansatz im Internationalen Management darstellt. Dabei bezeichnet transnational bei den Autoren eine strategische Ausrichtung. Eine transnationale Unternehmung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie lokal flexibel (Fähigkeit zur Anpassung) 4

Globalisierung wird in dieser Arbeit nach Scherer & Smid (2000, S. 353) definiert, als „[…] process of movement toward the creation of a global economy, which enables entrepreneurs to raise money anywhere in the world, to use technology, supplies, labor, and management from different locations, and to produce and sell products or to create services anyplace.“ Allerdings muss diese wirtschaftliche Definition des Begriffes Globalisierung um eine soziale Komponente ergänzt werden. Das heißt, es geht um einen „Prozess der weltweiten Vernetzung sozialer und wirtschaftlicher Aktivitäten und Systeme […]“ (Scherer & Butz 2009, S. 735).

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

durch ihre Tochtergesellschaften agiert und gleichzeitig, eine globale Integration über die Zentrale erreichen kann (Bartlett & Goshal 1988; Kutschker & Schmid 2011, S. 297ff.). In dieser Arbeit wird der Begriff der multinationalen Unternehmung gewählt. Nach Kutschker & Schmid (2011, S. 244) gibt es trotz der Fülle an Ansätzen bisher keine allgemein gültige Definition des Begriffes „international“ bzw. „multinational“. Bartlett & Goshal (1990) sprechen beispielsweise in ihrer Definition explizit den organisatorischen Aspekt dieser Unternehmensform an und sehen MNU als Gruppe geographisch gestreuter Organisationen, die verschiedene Ziele verfolgen und in verschiedenen Ländern Zentralen und Tochtergesellschaften haben (Goshal & Bartlett 1990, S. 603)5. Im Unterschied dazu warnen Kutschker & Schmid (2011, S. 246–248) davor, den Begriff zu eng zu fassen und nur dann von einer multinationalen Unternehmung zu sprechen, wenn tatsächlich eine Auslandsgesellschaft existiert. Laut den Autoren können MNU Tochtergesellschaften haben, müssen dies aber nicht zwingend aufweisen. Auch hat Internationalität nicht nur etwas mit der Verlagerung von Vertrieb oder Produktion ins Ausland zu tun, es kann genauso Bereiche wie Forschung & Entwicklung, Service oder Beschaffung betreffen (Mattern, Lehnen & Weigang 2009, S. 421). Entscheidend ist zudem, dass nicht nur Großunternehmungen oder Aktiengesellschaften internationalisieren, sondern genauso Klein- und Mittelunternehmen (Kutschker & Schmid 2011, S. 248). Aufgrund dieser Überlegungen kommen die Autoren zu folgender allgemeinen Definition6 für MNU: „[…] alle Unternehmungen […], die in substantiellem Umfange in Auslandstätigkeiten involviert sind. Damit einher gehen regelmäßige Transaktionsbeziehungen mit Wirtschaftssubjekten im Ausland.“ (Kutschker & Schmid 2011, S. 253) Im Rahmen dieser Arbeit wird neben dem Grundverständnis, das Kutschker & Schmid (2011) in ihrer Definition liefern, auch noch der ethische7 Aspekt einer globalen Tätigkeit8 aufgenommen:

5

6

7

8

Bartlett & Goshal (1990) interpretieren die multinationale Unternehmung im Sinne eines interorganisatorischen Netzwerks. Weitere ähnliche Definitionen der multinationalen Unternehmung sind zum Beispiel bei Kreikebaum, Behnam & Gilbert (2001, S. 11) oder Kostova & Zaheer (1999, S. 65) zu finden. Die Begriffe ethisch und moralisch werden häufig synonym gebraucht. Sie sind allerdings zumindest im deutschen Sprachraum unterschiedlich definiert. Während Moral „[…] das gelebte Werte- und Normengefüge eines abgegrenzten Kulturkreises“ (Kreikebaum, Behnam & Gilbert 2001, S. 6) bezeichnet, versteht man unter Ethik die kritische Reflexion über Moral (Kreikebaum, Behnam & Gilbert 2001, S. 6). Im späteren Verlauf dieser Arbeit wird das Verständnis von Habermas verwendet, das in Kap. 6.3.2 erläutert wird. Globale Tätigkeit wird hier synonym zu multinationaler Tätigkeit verwendet.

POLITISCHE VERANTWORTUNG MULTINATIONALER UNTERNEHMEN

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„MNE activities involve operations across multiple legal jurisdictions and highly variable standards of home and host country ethics and values.“ (Windsor 2004, S. 730). Diese Interpretation wurde gewählt, da sie insbesondere das Konfliktpotenzial widerspiegelt, das durch die globale Tätigkeit von MNU entsteht. Die Forschung im Internationalen Management hat ebenfalls erkannt, dass ethische Aspekte zunehmend eine Rolle für MNU spielen und daher in Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden sollten9 (Kolk & Van Tulder 2010, S. 120; Trautnitz & Engelhard 2009, S. 763). Im folgenden Kapitel wird die globale Tätigkeit von MNU näher beleuchtet. Dabei wird insbesondere auf die Machtverschiebung zwischen Nationalstaaten und MNU sowie auf die Regulierung unternehmerischer Tätigkeit eingegangen.

2.2

Globale Rahmenbedingungen

2.2.1

Machtverschiebung zwischen Nationalstaaten und multinationalen Unternehmen

Im liberalen System des 19. und 20. Jahrhunderts gilt der Nationalstaat als einziger politischer Akteur mit Souveränität und Macht über sein Territorium. Unternehmen operieren innerhalb dieses Systems als privatwirtschaftliche Akteure und können vom Staat wirksam kontrolliert werden. Daraus ergibt sich eine strikte Trennung zwischen öffentlichem und privatem System. Dieses auch als „westfälisch“ benannte System wird angesichts der Globalisierung aufgebrochen: Es entsteht ein neues „post-westfälisches“ (Kobrin 2009, S. 353) oder „postnationales System“ (Habermas 2001; Palazzo & Scherer 2006, S. 73), in dem nationale Grenzen an Bedeutung verlieren und andere Akteure, insbesondere MNU, in den Souveränitätsbereich von Staaten vordringen (Kobrin 2009, S. 353; Santoro 2010, S. 286–287; Scherer, Palazzo & Matten 2009, S. 331). Vor dem Hintergrund der Globalisierung ist zu beobachten, dass MNU, die zumeist in entwickelten Ländern angesiedelt sind, eine Verlagerung von Tätigkeiten entlang der Wertschöpfungskette vornehmen, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Denn in vielen Fällen werden Produktionsstätten oder auch Dienstleistungen in 9

Trotz dieser Erkenntnis stellen die Autoren fest, dass in der Zeit zwischen 1990 und 2008 in der Internationalen Wirtschaftsliteratur eher wenige Artikel veröffentlicht wurden, die mit dem Thema CSR oder Nachhaltigkeit in Verbindung standen (Kolk & Van Tulder 2010, S. 120ff.). Auch Doh et al. (2010, S. 481–482) kritisieren, dass die Forschungsdisziplinen Unternehmensethik und Internationales Management untereinander nicht „kommunizieren“ und keine Verbindungen zum jeweils anderen Forschungsfeld geleistet werden.

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Entwicklungs- oder Schwellenländer verlagert, da Produktions- oder Personalkosten günstiger sind als im Heimatland oder die staatliche Regulierung entweder keine oder weniger hohe Auflagen, z.B. hinsichtlich Steuern, vorsieht (De Bettingies & Lépineux 2009, S. 157; Mattern, Lehnen & Weigang 2009, S. 421; Scherer & Butz 2009, S. 739; Scherer & Palazzo 2008b, S. 1; Scherer, Palazzo & Baumann 2006, S. 512). Häufig bedingen auch geringere soziale Standards (z.B. Arbeitsschutz oder Kinderarbeit) die Entscheidung in einem Entwicklungs- oder Schwellenland zu produzieren (Gugler & Shi 2009, S. 8; Scherer & Smid 2000, S. 652). In diesem Kontext spricht man auch von einer Abwärtsspirale („Race to the bottom“). Vor allem Entwicklungsländer kämpfen um Direktinvestitionen, in dem sie versuchen, sich gegenseitig bei Steuern oder Auflagen zu unterbieten, um damit die Markteintrittsbarrieren niedrig zu halten und Anreize für ausländische Investoren zu schaffen (Crane & Matten 2010, S. 18; Detomasi 2007, S. 322; Gugler & Shi 2009, S. 11; Kogut 1985, S. 34; Palazzo 2002b, S. 207; Scherer & Palazzo 2008a, S. 423; Scherer & Smid 2000, S. 354). Parallel zur Ausdehnung der Wertschöpfungsaktivitäten von MNU, verliert der Nationalstaat als gesetzlicher und institutioneller Rahmengeber an Bedeutung, da er auf ein bestimmtes Territorium beschränkt bleibt und globale Probleme wie Schutz der Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Korruption oder Umweltschutz nicht adressieren kann. Somit ist der Staat nicht in der Lage, eine wirksame Handlungsorientierung sowie Regulierung der globalen Tätigkeit von MNU bereitzustellen (Scherer, Palazzo & Matten 2009, S. 332; Scherer & Butz 2009, S. 744; Wettstein 2010a, S. 276). In diesem Zusammenhang werden immer wieder Bedenken laut, dass MNU, die über eine große institutionelle Macht sowie vielfach sogar über größere finanzielle Ressourcen als Staaten verfügen, diese Macht ausnutzen werden, wenn keine wirksame Regulierung, die eine Rechenschaftspflicht impliziert, geschaffen wird (Detomasi 2007, S. 323; Rondinelli 2002, S. 391; Vidaver-Cohen & Altman 2000, S. 148–149). Vor diesem Hintergrund sind zahlreiche MNU wie beispielsweise Nike10 in den Verdacht geraten, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern Umweltschutzauflagen sowie Menschen- oder Arbeitnehmerrechte zu verletzen (Crane & Matten 2010, S. 18; Scherer & Palazzo 2008a, S. 424–425; Waddock 2008, S. 87). Wie der Fall Nike zeigt, bezieht sich diese Kritik nicht unbedingt auf das Handeln des MNU selbst, sondern vielfach werden von einer kritischen Öffentlichkeit die Produktionsbedingungen in Zulieferbetrieben oder bei Vertragspartnern angemahnt (Gugler & Shi 2009, S. 8; Morsing & Schultz 2006, S. 323). Dabei werden diese Verletzungen vor dem Hintergrund westlicher Stan10

In den 90er Jahren wurde der Vorwurf erhoben, dass Nike seine Schuhe und Sportbekleidung in so genannten „Sweatshops“, bei Vertragspartnern in Südostasien produzieren lässt. Weiterführend kam der Fall vor den Supreme Court von Kalifornien und wurde auch als Fall „Kasky vs. Nike“ bekannt (vgl. dazu Mayer 2007).

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dards bewertet, müssen jedoch nicht zwingend gegen die dortige nationale Gesetzgebung verstoßen. Das wird auch dadurch bedingt, dass häufig keine oder nur sehr eingeschränkt gesetzliche Regelungen vorliegen (vgl. hierzu Gugler & Shi 2009, S. 11; Palazzo & Rasche 2010, S. 749). Das Argument ist vielmehr, dass MNU in diesen Ländern hohe Gewinne erzielen und damit implizit eine moralische Verantwortung für die Wohlfahrt der dortigen Gesellschaft hätten. Das heißt, MNU sollten ihre Macht nutzen, um Menschenrechte oder Umweltschutz zu befördern und gerade in Ländern, in denen die Regulierung schwach ausgeprägt ist, höhere Standards setzen (McIntosh et al. 2003, S. 131). In diesem Sinne resultiert die Notwendigkeit, aktiv Verantwortung für gesellschaftliche Belange zu übernehmen, häufig vor allem aus einer Situation der „Ohnmacht“ des Staates, die vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern auftritt (Crane & Matten 2010, S. 77, Matten & Crane 2005a, S. 170; Rondinelli 2002, S. 393). An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass der Fokus auf die Situation in Entwicklungs- oder Schwellenländer nicht bedeutet, dass Menschen- oder Arbeitnehmerrechte sowie Umweltschutz nicht auch in entwickelten Ländern ein wichtiges Thema sind und auch hier immer wieder Verletzungen auftreten (vgl. z.B. der Fall von BP, Kap. 2.3.2.2). Vielmehr waren Skandale in Entwicklungs- oder Schwellenländer einer der Hauptgründe über eine globale Regulierung von MNU nachzudenken und die Frage nach einer sozialen oder politischen Verantwortung zu stellen (vgl. u.a. Gugler & Shi 2009, S. 8). Die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen globalen Regulierung werden im nächsten Kapitel skizziert.

2.2.2

Regulierung multinationaler Unternehmen

Defizite nationaler Gesetzgebung Die globale Tätigkeit von MNU stellt eine Herausforderung für die nationale Gesetzgebung dar. Vor allem die Fragmentierung ihrer politischen und legalen Struktur durch eine Vielzahl von Tochtergesellschaften, macht eine Handhabe nationaler Gesetzgebung schwierig (Kobrin 2009, S. 350). Zwar können sich MNU auf der einen Seite punktuell nationaler Gesetzgebung entziehen (z.B. Steuern) (De Bettingies & Lépineux 2009, S. 157), auf der anderen Seite impliziert die Tätigkeit in einer Vielzahl von Ländern, dass MNU sich dennoch mit einer Fülle von gesetzlichen, kulturellen sowie sozialen Regelungen auseinandersetzen müssen. Je nach Kulturkreis ist es unterschiedlich, was als gutes oder angemessenes Handeln verstanden wird. Dies erhöht die Komplexität für unternehmerisches Handeln und stellt auch eine Herausforderung für die Legitimität der Unternehmenstätigkeit dar (Kobrin 2009, S. 352; Palazzo & Scherer 2006, S. 77; Trautnitz & Engelhard

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

2009, S. 763). Das Problem ist für MNU in diesem Zusammenhang zu entscheiden, welche kulturellen und sozialen Normen11 anzuwenden sind, ob die des Gastlandes (Relativismus) oder die des Heimatlandes (Universalismus) (Donaldson & Dunfee 1999, S. 16; Hamilton, Knouse & Hill 2009, S. 143; Werhane & Freeman 1999, S. 9–10; Windsor 2004, S. 729). Hinzu kommt, dass gerade in Entwicklungs- oder Schwellenländern die nationale Gesetzgebung häufig unzureichend ist bzw. der Staat nicht in der Lage ist, das ökonomische System wirksam zu regulieren und zu kontrollieren (Matten, Crane & Chapple 2003, S. 115; Scherer & Palazzo 2007, S. 1100; 1106; Thompson & Driver 2005, S. 58). Dies hängt häufig auch damit zusammen, dass aus Angst ausländische Investoren zu verlieren, keine Regulierung oder Überwachung von MNU angestrebt wird (Scherer & Smid 2000, S. 352). In diesem Fall ist es für MNU nicht möglich, durch gesetzeskonformes Verhalten moralisches Verhalten zu erreichen, da die gesetzliche Lage unzureichend ist (vgl. u.a. Hamilton, Knouse & Hill 2009, S. 145). Fehlende hard law Regulierung Angesichts einer beschränkten Reichweite von nationalen Regelungen, wird vielfach für die Etablierung global geltender (universeller) moralischer Normen argumentiert. Jedoch muss angemerkt werden, dass sich trotz einiger Initiativen bisher auf der globalen Ebene kein „hard law“12 Regime durchgesetzt hat, das ähnliche Legitimität besitzen würde wie der Nationalstaat, um verbindlich globale Gesetze zu erlassen. Deshalb wird in diesem Zusammenhang von einer globalen „Governance-Lücke“ bzw. einem „Regulierungsvakuum“ gesprochen (Detomasi 2007, S. 324; Donaldson 1989, S. 31; Logsdon & Wood 2002, S. 159; Waddock 2008, S. 87). Dies bedeutet zunächst, dass Unternehmen einen gewissen (moralischen) Freiraum13 besitzen würden, ihr Handeln selbst zu bestimmen und damit eine Governance-Funktion zu übernehmen (Kolk & Van Tulder 2010, S. 119). Dabei kann Governance allgemein folgendermaßen definiert werden: „Governance, at whatever level of social organization it may take place, refers to conducting the public’s business – to the constellation of authori11

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Nach Windsor (2004, S. 739) kann eine Norm wie folgt definiert werden: „A norm, roughly speaking, is a standard or model or pattern that should be and/or is typical for a large group. In this context, a norm defines the moral conduct and choices of individuals and enterprises engaged in foreign business (often today operating globally).“ Unter „hard law“ versteht man nach Abott & Snidal (2000, S. 421–422) gesetzlich bindende Normen, die zum einen präzise formuliert sind und zum anderen Sanktionen für die Nichtbeachtung per Gesetz durchsetzen. Im Gegensatz dazu sind „soft law“ Normen nicht gesetzlich bindend und unpräzise formuliert. Sie sehen häufig nur schwache oder keine Sanktionierung vor und werden durch nicht staatliche Akteure wie NGOs oder Unternehmen vertreten (Palazzo & Scherer 2010, S. 236). In Anlehnung an Donaldson & Dunfee (1994; 1999) ist hier vom „moral free space“ die Rede.

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tative rules, institutions, and practices by means of which any collectivity manages its affairs.“ (Ruggie 2004, S. 504) Trotz des angesprochenen Regulierungsdefizits, existieren einige gesetzliche Regelungen, die nicht nur auf das Territorium eines Landes beschränkt sind. In diesem Zusammenhang sei auf internationale Gesetze sowie multilaterale Verträge oder Vereinbarungen, zum Beispiel im Bereich Menschenrechte oder Erderwärmung (Kyoto Protokoll), verwiesen. Insbesondere in der Rechtswissenschaft wird diskutiert, inwiefern internationales Recht auf Unternehmen übertragbar ist, so dass diese zum Beispiel für Menschenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden können. Hintergrund der Diskussion ist, dass sich Gesetzestexte auf Individuen und nicht auf Unternehmen beziehen (Kobrin 2009, S. 356; Paust 2002). In Bezug auf internationale Verträge existiert ein ähnliches Problem: diese werden eigentlich von Staaten unterschrieben und sind auch von diesen umzusetzen, was nur eine bedingte Verpflichtung zur Einhaltung für Unternehmen impliziert, unter der Bedingung, dass internationale Verträge tatsächlich in nationales Recht überführt werden (Cavanagh 2004, S. 627; Kobrin 2009, S. 355, 360). In diesem Kontext ist auch auf grenzüberschreitende gesetzliche Regelungen zu verweisen, wie beispielsweise der Foreign Corrupt Practices Act (Hamilton, Knouse & Hill 2009, S. 143) oder der US Alien Tort Claim Act. Insbesondere der US Alien Tort Claim Act wurde in der jüngeren Vergangenheit häufig als Rechtsgrundlage herangezogen, um MNU wegen Verletzungen internationaler Regelungen wie Menschenrechte zu verklagen. Dabei mussten diese MNU weder ihren Sitz in den USA haben, noch musste die Rechtsverletzung in den USA geschehen sein (Banerjee 2010, S. 269; Global Policy Forum 2011; Palazzo & Rasche 2010, S. 751). Entstehung von soft law Regulierung Vor dem Hintergrund einer begrenzten hard law Regulierung ist die Entstehung so genannter „soft law“ Initiativen und Institutionen zu sehen, die globale Normen für die Wirtschaftstätigkeit entwickeln (Palazzo & Rasche 2010, S. 753; Vogel 2010, S. 69). Dabei kann eine Vielzahl von Institutionen differenziert werden, die auf der globalen Ebene teilweise konkurrierend, teilweise auch in Ergänzung zueinander bestehen. Bei diesen neuen Formen der Regulierung geht es weniger darum, den Nationalstaat als Regelgeber durch „private Governance“ zu ersetzen (Ruggie 2004, S. 503–504). Vielmehr scheint eine parallele multinationale Ordnung zu entstehen, die vor allem durch unternehmerische Akteure dominiert wird, in der aber nach wie vor staatliche Akteure beteiligt sind (Ruggie 2004, S. 503– 504). Außerdem spielen NGOs, so Vogel (2010, S. 70–71), häufig eine große Rolle bei dieser privaten Regulierung. In diesem Zusammenhang sprechen De

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Bettignies & Lépineux (2009) von einem neuen sozialen Vertrag, der auf einer Kooperation der Akteure beruht: „The current historical stage is marked by the waning of the role of government: it reveals a transition from a declining social contract wherein the State was predominantly responsible for the common good toward an emerging social contract characterized by a co-responsibility of multiple agents in this respect.“ (De Bettingies & Lépineux 2009, S. 159) Allerdings wird dieses System der Selbstregulierung, das auf Kooperation und nicht auf Hierarchie und Sanktionsmechanismen setzt, häufig als ungenügend bezeichnet, um den Staat als rechtmäßigen Regelgeber wirklich zu ersetzen (Vogel 2010, S. 69). Das heißt, diese Mechanismen werden als zu schwach eingestuft, um wirksame Regulierung bereitzustellen und erhöhen die Gefahr, dass MNU gerade dieses Regulierungsdefizit zu ihrem Vorteil ausnutzen werden (Santoro 2010, S. 287; Scherer, Palazzo & Matten 2009, S. 333–334). Dennoch ist in den letzten Jahren eine Vielzahl von multinationalen Initiativen (siehe Überblick in Kap. 2.3.1.3) entstanden.

2.3

Politische Verantwortung und politische Konfliktsituationen

Im Folgenden wird die für die Arbeit geltende Definition von politischer Verantwortung herausgearbeitet. Außerdem wird gezeigt, wie politische Konfliktsituationen entstehen und welche unternehmerischen Risiken damit verbunden sind.

2.3.1

Definition politischer Verantwortung

2.3.1.1 Überblick Während die Diskussion um eine CSR, eine soziale Verantwortung von MNU, schon seit längerem geführt wird, wird in letzter Zeit auch vermehrt die politische Dimension dieser Verantwortung (politische Verantwortung) von MNU in den Vordergrund gestellt. Hierbei ist es zunächst wichtig, die grundlegende Bedeutung der Begriffe politisch und Verantwortung herauszustellen. Verantwortung wird meist im Sinne eines Haftungsmodells (Liability Model) interpretiert. Das bedeutet, dass einer Organisation aufgrund gesetzlicher Regelungen Verantwortung für einen Schaden zugeordnet wird (Young 2004, S. 368) bzw. sich ein Unternehmen nur auf seine gesetzliche Verantwortung beruft und eine erweiterte soziale oder

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politische Verantwortung, zum Beispiel in Bezug auf Fehlverhalten bei Zulieferern, verneint (Scherer & Palazzo 2007, S. 1113). Somit ist es auch schwierig zu beantworten, so Van Tulder, Van Wijk & Kolk (2009, S. 402), ob MNU für Fehlverhalten in der Wertschöpfungskette Verantwortung tragen müssten, da gesetzlich eigentlich keine Regelung dazu besteht. Allerdings haben sich die Erwartungen an MNU bzw. die Wahrnehmung ihrer Aufgaben in der Gesellschaft verändert: Von einer negativen Pflicht, nur für ihr eigenes Handeln verantwortlich zu sein (z.B. einem verursachten Schaden), zu einer positiven Pflicht, Verantwortung für globale Probleme zu übernehmen und proaktiv nach Lösungen für diese zu suchen (Pies, Hielscher & Beckmann 2009, S. 376; Wettstein 2010a, S. 275). Das heißt, Verantwortung sollte nicht reaktiv, sondern proaktiv adressiert werden, in dem MNU in Zusammenarbeit mit ihren Stakeholdern dazu beitragen, Strukturen und Prozesse zu schaffen, bevor ein Konflikt oder Schaden entsteht. Dies spiegelt auch die Definition des Terminus politisch bei Young wider: „[…] by politics or the political I am referring to the activity in which people organize collectively to regulate or transform some aspect of their shared social conditions, along with the communicative activities in which they try to persuade one another to join such collective action or decide what direction they wish to take it.“ (Young 2004, S. 377) Insbesondere die Aspekte der Kommunikation und der kollektiven Verantwortung werden in der Definition von Young hervorgehoben (Wettstein 2010b, S. 39, 42). In der politischen Wissenschaft wird der Terminus entgegen der hier verwendeten Definition von Young häufig benutzt, um zu beschreiben, wie ein Individuum oder eine Organisation Macht bzw. Einfluss ausübt, um andere Akteure von seiner Haltung zu überzeugen. Traditionell gilt dabei der Staat als einziger politischer Akteur (Souveränität). Trotzdem kann politische Einflussnahme auch von einem Unternehmen ausgehen, das entweder alleine versucht, Druck auf bestimmte Akteure auszuüben oder sich mit Hilfe von Kooperationen engagiert, um seinen Einfluss geltend zu machen (kollektive Aktion) (Salorio, Boddewyn & Dahan 2005, S. 3031, 34). Dieses Verhalten wird klassischerweise als Lobbying bezeichnet bzw. in der akademischen Diskussion auch unter dem Begriff der „Corporate Political Action“14 behandelt (Getz 1997; Oberman 2004). Banerjee (2010, S. 265) verweist darauf, dass sich die bisherige Management- und Organisationsforschung zu stark auf Lobbying oder Korruption fokussiert und eine erweiterte politische Verantwortung von Unternehmen kaum thematisiert. Auch im Forschungsbereich Unter-

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Corporate Political Action wird von Getz (1997, S. 32–33) wie folgt definiert: „[…] any deliberate firm action intended to influence governmental policy or process“.

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

nehmensethik gilt die politische Rolle von Unternehmen laut Scherer, Palazzo & Matten (2009, S. 329) als noch ungenügend erforscht. Dennoch sind gerade in jüngster Zeit zahlreiche Forschungsarbeiten (vgl. u.a. Kobrin 2009; Matten & Crane 2005a; Scherer & Palazzo 2007) erschienen, die sich mit der politischen Verantwortung von Unternehmen auseinandersetzen (Néron 2010, S. 334). In diesem Zusammenhang ist es entscheidend zu klären, was politische Verantwortung von MNU inhaltlich bedeutet. Begrifflich wird von einigen Forschern der Terminus des Corporate Citizenship (CC) verwendet, auch um eine bessere Abgrenzung zu CSR zu gewährleisten15 (Néron 2010, S. 334). Dabei wird unter CC oder politischer Verantwortung meistens die Einnahme einer staatlichen Rolle durch MNU verstanden (Banerjee 2010; Logsdon & Wood 2002; Matten & Crane 2005a; Néron & Norman 2008; Scherer & Palazzo 2007): „Corporate citizenship describes the corporate function for governing citizenship rights for individuals.“ (Crane & Matten 2010, S. 78) „[…] we suggest acknowledging a new political role of business […]. Firms viewed in this manner sometimes assume a statelike role and become political actors […]. They are not just addressees of regulation but also authors of rules with public impact.“ (Scherer & Palazzo 2007, S. 1098) Diese zwei Definitionen zeigen, dass das Einnehmen einer staatlichen Rolle mehrere Aufgaben implizieren kann. Während Crane & Matten (2010) darin eher die Übernahme staatlicher Verwaltungsaufgaben (Allokation von Ressourcen) und das Sicherstellen von Bürgerrechten durch MNU sehen, bezeichnen Scherer & Palazzo (2007, S. 1098) sowie Scherer, Palazzo & Matten (2009, S. 329) politische Verantwortung als Form der Teilhabe von MNU an Governance-Prozessen (Selbstregulierung). Im Folgenden werden beide Dimensionen als politische Verantwortung von MNU definiert. Dabei wird in dieser Arbeit eine Unterscheidung hinsichtlich der Handlungsebene getroffen. Zum einen geht es um die Unternehmensebene, wo einzelne MNU politische Verantwortung übernehmen. Zum anderen geht es um die institutionelle Ebene, wo MNU im Verbund mit anderen nicht staatlichen und staatlichen Akteuren Governance-Prozesse initiieren (siehe dazu auch Abb. 2).

15

CC und CSR werden in der Literatur häufig nur ungenügend voneinander abgegrenzt. Dabei kann CC auch ein Teil von CSR sein und sich vor allem auf das philanthropische Engagement von Unternehmen beziehen (vgl. hier z.B. Carroll 1998, S. 5). Weiterhin wird CC häufig auch synonym zu CSR gebraucht. In beiden Fällen wird eine politische Verantwortung von Unternehmen nicht mit dem Begriff verbunden (Crane & Matten 2010, S. 75–76, Matten & Crane 2005a, S. 168).

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Politische Verantwortung von MNU Unternehmensebene:

Institutionelle Ebene:

Übernahme staatlicher Aufgaben

Selbstregulierung

- Versorgungsfunktion - (Nicht-)Unterstützungsfunktion - Vermittlerfunktion

- Beteiligung an globalen Initiativen - Beteiligung an nationalen oder branchenweiten Initiativen - Unternehmensinterne Regulierung

Abb. 2:

Politische Verantwortung von MNU Quelle: Eigene Darstellung.

2.3.1.2 Unternehmensebene Die Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Unternehmen ist laut Crane & Matten (2010, S. 76–77) kein ausschließlich akademisches Thema, sondern bereits in der Unternehmenspraxis zu beobachten. Es zeigt sich, dass MNU drei Arten von Exekutivfunktionen übernehmen (Matten & Crane 2005a, S. 174). Erstens die Erfüllung einer Versorgungsfunktion hinsichtlich sozialer Rechte16, zweitens die (Nicht-)Unterstützungsfunktion hinsichtlich ziviler Rechte sowie drittens die Vermittlerfunktion in Bezug auf politische Rechte. Dabei kann sich eine Versorgungsfunktion zum Beispiel auf den Aufbau von Schulen oder Infrastruktur (öffentliches Verkehrsnetz bzw. Bereitstellung öffentlicher Verkehrsmittel) beziehen oder auch Schulungsmaßnahmen für arbeitslose Bürger beinhalten (Crane & Matten 2010, S. 77). In diesem Sinne werden öffentliche Güter von MNU bereitgestellt und damit das Recht auf Bildung, Gesundheit oder Sicherheit erfüllt. Die Ausübung dieser Versorgungsleistungen durch MNU ist vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, z.B. in Teilen von Afrika oder in der Region AsienPazifik zu beobachten, wo zum Beispiel Öl- oder Bergbauunternehmen, Krankenhäuser und Schulen betreiben sowie Wasserversorgung und Militärdienstleistungen bereitstellen (Banerjee 2010, S. 266). 16

Es sei darauf hingewiesen, dass Crane & Matten (2010, S. 78–79) die Versorgungsfunktion, analog zur Unterstützungsfunktion, erstmalig in der dritten Auflage auch negativ in Form von „Missachtung“ interpretieren. Diese Missachtung wird hier allerdings nicht thematisiert.

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Die zweite Rolle, die so genannte Unterstützungsfunktion von MNU, kann in zweierlei Hinsicht ausgestaltet sein: Entweder fördert ein MNU proaktiv die Rechte von Bürgern und hilft zum Beispiel dabei, diese in einem Land zu verbessern oder das MNU verhält sich angesichts von Bürgerrechtsverletzungen einer Regierung neutral (Nicht-Unterstützung) (Crane & Matten 2010, S. 78, Matten & Crane 2005a, S. 174). In diesem Kontext gibt es mittlerweile zahlreiche Forschungsarbeiten, die diese Rolle von MNU kritisch beleuchten (Arnold 2010; Kobrin 2009; Santoro 2010; Wettstein 2010b). Einige Forschungsarbeiten kommen dabei zu dem Schluss, dass sich MNU auch durch stille Unterstützung oder NichtEinmischung der Mittäterschaft bei Menschenrechtsverletzungen strafbar machen können (Kobrin 2009, S. 350; Santoro 2010, S. 291)17. Auch Hsieh (2009) argumentiert, auf Basis von Rawls Theorie der Gerechtigkeit, dass MNU eine (negative) Pflicht haben, keinen Schaden zu verursachen und somit auch dazu beizutragen müssten, gerechte politische, ökonomische, legale und auch zivile Institutionen zu befördern. Im Unterschied dazu erklärt Wettstein (2010b, S. 34), dass die Verantwortung von MNU sich nicht ausschließlich darauf beschränkt, keinen Schaden zu verursachen, sondern vielmehr eine positive Pflicht für Menschenrechte einzutreten, beinhaltet. Die dritte von Crane & Matten angesprochene Funktion impliziert, dass MNU eine Vermittlerrolle einnehmen und dabei helfen, bestimmte politische Prozesse zu ermöglichen, zu vereinfachen oder auch zu blockieren. Weiterhin kann beobachtet werden, dass Bürger politische Wünsche und Erwartungen zunehmend an Unternehmen herantragen. Damit benutzen sie MNU als Plattform, um Aufmerksamkeit für ihr Anliegen bzw. Unterstützung von MNU zu bekommen, um diese Ansprüche auch vor der Regierung durchzusetzen (Crane & Matten 2010, S. 78; Crane, Matten & Moon 2008, S. 36–37; Matten & Crane 2005a, S. 172–174). Dies fällt eher in den Bereich des Lobbying und ist deshalb nicht Thema dieser Arbeit. Die Notwendigkeit für Unternehmen diese politischen Tätigkeiten auszufüllen, kann vor allem dort beobachtet werden, wo der Staat nicht mehr in der Lage dazu ist (Machtverlust), für die Einhaltung der Rechte seiner Bürger Sorge zu tragen und ein Regulierungsvakuum entstanden ist. Dabei gibt es drei mögliche Fälle dieses Staatsversagens. Erstens der Staat kann seine Verwaltungsaufgabe nicht mehr erfüllen. Dies kann zum Beispiel auf einen politischen Umbruch zurückzuführen sein. Zweitens der Staat hat bisher noch nicht diese Verwaltungsaufgabe erfüllt. Dies ist häufig in Entwicklungsländern der Fall, wo MNU zum Beispiel Arbeits17

Es gibt verschiedene Formen der Mittäterschaft, erstens MNU sind direkt an Menschenrechtsverletzungen beteiligt, zweitens sie profitieren von Menschenrechtsverletzungen eines Anderen oder drittens sie üben stillschweigende Unterstützung aus und unterlassen damit, für Menschenrechte einzutreten (McIntosh et al. 2003, S. 143).

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standards einführen, die vorher noch nicht existiert haben. Drittens die Verwaltung der Bürgerrechte ist außerhalb der Reichweite des Staates. Dies betrifft vor allem die Regulierung globaler Probleme, wie Menschenrechte oder Klimawandel (Crane & Matten 2010, S. 77; Crane, Matten & Moon 2008, S. 37–38; Matten & Crane 2005a, S. 172).

2.3.1.3 Institutionelle Ebene Neben der politischen Verantwortung auf Unternehmensebene sind MNU auch vermehrt auf institutioneller Ebene aktiv und versuchen, ihr Handeln selbst zu regulieren (Scherer & Palazzo 2007, S. 1109). Diese Art der Selbstregulierung kann verschieden ausgeprägt sein. Zum einen können sich MNU an globalen Initiativen beteiligen und an der Schaffung globaler Regelungen mitarbeiten. Zum anderen gibt es auch Entwicklungen der Selbstregulierung, die auf der nationalen oder auf der Branchenebene zu finden sind. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass es auch auf der Unternehmensebene Formen der Selbstregulierung gibt, indem Unternehmen für ihr eigenes Handeln verbindliche Regelungen (z.B. Codes of Conduct) aufstellen und sich damit selbst einen Handlungsrahmen setzen (Koenig-Archibugi 2004, S. 251–254). Diese interne Selbstregulierung wird allerdings nicht vertieft betrachtet. An dieser Stelle werden vielmehr die Selbstregulierung auf globaler und nationaler bzw. Branchenebene betrachtet, da MNU hier in Kooperation mit anderen Akteuren Regelungen für die Wirtschaftstätigkeit treffen. Globale Standards/Prinzipien Die Entstehung multinationaler Institutionen, die zum Ziel haben, global bindende Normen oder Prinzipien für die Wirtschaftstätigkeit zu formulieren, kann seit längerem beobachtet werden. Dabei werden verschiedenste Begrifflichkeiten für diese Institutionen gebraucht: „Multi-Stakeholder Netzwerke“ (Roloff 2008), „Hybride“ oder „hybride Regime18“ (Bäckstrand 2006; Kobrin 2009), „Globale öffentlich private Netzwerke“ (Global Public Policy Networks) (Benner, Reinicke & Witte 2002; Detomasi 2007) oder auch „Marktorientierte nicht staatliche Governance-Systeme“ (Non-State Market Driven Governance Systems) (Bernstein &

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Für den Begriff Regime gibt es mehrere Definitionen. Nach Windsor kennzeichnet es: „[…] a functioning and functional set of actor expectations ordering behavior“ (Windsor 2004, S. 729). In Bezug auf Multi-Stakeholder Regime scheint eher die Definition von Levy, Young & Zürn (1995, S. 274) zutreffend, die internationale Regime als „[…] social institutions consisting of agreed upon principles, norms, rules, procedures and programs that govern the interactions of actors in specific issue areas“ sehen.

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Cashore 2007)19. Diese Initiativen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass eine Reihe von Akteuren wie Unternehmen, Staaten oder NGOs auf freiwilliger Basis zusammenarbeiten (Bäckstrand 2006, S. 291). Häufig finden sich in der Literatur auch feinere Unterscheidungen für diese Initiativen. Eine gängige Unterscheidung differenziert allgemein nach Standards und Prinzipien20. Zu den Standards gehören u.a. Social Accountability 8000 (SA 8000), AccountAbility1000 (AA1000) oder der Forest Stewardship Council (FSC). Als Prinzipien gelten hingegen u.a. der United Nations Global Compact (UNGC), die Global Sullivan Prinzipien oder der Caux Roundtable. Dabei geben Standards zumeist für ein bestimmtes Produkt oder einen bestimmten Prozess (z.B. SA 8000 für Arbeitsbedingungen) spezifische Normen vor21 (McIntosh et al. 2003, S. 99; Pattberg 2006, S. 244). Sie beruhen wie Prinzipien auf freiwilliger Teilhabe, werden allerdings häufig mit Instrumenten des Monitoring und der Zertifizierung kombiniert. Das heißt, Unternehmen verpflichten sich mit ihrer Teilnahme darauf, dass die Umsetzung von Standards von den betreffenden Organisationen oder externen Dritten geprüft und zertifiziert wird. Im Gegensatz dazu geben Prinzipien einen übergeordneten Rahmen an Normen vor, der als Orientierung für die globale Wirtschaftstätigkeit dienen soll. Monitoring oder Sanktionierung sind dabei in der Regel nicht vorgesehen oder wie im Fall des UNGC nur in Form einer Berichterstattung („Communication on Progress“) (Kell 2005, S. 72; McIntosh et al. 2003, S. 99; Waddock 2008, S. 90–92). Stattdessen ist die Einhaltung der Normen abhängig von der freiwilligen Selbstverpflichtung ihrer Mitglieder (Bäckstrand 2006, S. 291–293; Detomasi 2007, S. 326–328; Koppell 2008, S. 178; Pattberg 2006, S. 242; Scherer, Palazzo & Baumann 2006, S. 506; Waddock 2008). Im engeren Sinne verfügen diese Initiativen allerdings über keine ausreichende institutionalisierte Legitimität in der Form eines politischen Mandats (vergleichbar zu nationalen Regierungen). In diesem Zusammenhang wird häufig auch vom Begriff des „demokratischen Defizits“ gesprochen, wo Staaten nur noch als ein Akteur unter vielen agieren (vgl. u.a. Bäckstrand 2006, S. 291; Chambers 2003, S. 313; Detomasi 2007, S. 326; Nanz & Steffek 2004, S. 314; Pattberg 2006, S. 242).

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Diese Begrifflichkeiten werden synonym gebraucht. Im Folgenden wird von Multi-Stakeholder Netzwerk oder Multi-Stakeholder Initiative gesprochen. Neben der Einteilung in Standards und Prinzipien findet sich zum Beispiel bei Rasche (2009b, S. 194) eine Kategorisierung nach (Rechenschafts-)Mechanismen (Politik, Bilanzierung, Auditierung, Berichterstattung) und abgedeckten Bereichen (sozial, ökologisch, ökonomisch). McIntosh (2003, S. 99–100) unterscheidet hier zwischen Prozess-, Leistungs-, Basis- und Zertifizierungsstandards. Dabei ist entscheidend, dass ein Standard nicht nur einer Kategorie zugeordnet werden kann, sondern meistens mehrere zutreffen.

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Nationale und branchenweite Regelungen Neben der globalen Ebene ist auch auf der nationalen oder Branchenebene zu beobachten, dass sich MNU zusammenschließen und gemeinsam Standards vereinbaren. Ein Beispiel auf nationaler Ebene ist die deutsche Pharmaindustrie: Unternehmen wie die Bayer AG, die Boehringer Ingelheim GmbH, die Merck KGaA oder die Pfizer Deutschland GmbH sind Mitglieder in der „Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“ (FSA). Nach dem Kodex „Fachkreise“ der FSA soll sich die Zusammenarbeit zwischen Pharmaindustrie und Ärzten sowie Apothekern und weiteren medizinischen Fachkreisen an ethischen Grundsätzen und am Wohle des Patienten orientieren (FSA 2011). Ein Beispiel, dass Branchenstandards auch zu internationalen Standards werden können, zeigt das Programm „Responsible Care“ der weltweiten chemischen Industrie (VCI 2011). Ein weiteres aktuelles Beispiel ist die Regelung von Werbung im Internet. Hier hat die EU-Kommission zwar beschlossen, dass es vorerst wirksamer ist, wenn MNU wie Google oder United Internet Selbstregulierungsmaßnahmen ergreifen, allerdings müssen bestimmte Vorgaben der EU-Kommission erfüllt werden (Hönighaus & Rungg 2010). Sollte sich herausstellen, dass die Selbstregulierung nicht funktioniert, werden in der Regel gesetzliche Regelungen erlassen. Auf nationaler Ebene nehmen MNU häufig durch Lobbying Einfluss auf diese Gesetzgebungsprozesse (Getz 1997; Oberman 2004). Dabei kann Lobbying verschiedene Formen annehmen: Zum einen können MNU mit Regierungsvertretern zusammenarbeiten, um gesetzliche Regelungen zu bestimmten Themen vorzubereiten. Zum anderen können MNU durch ihre institutionelle Macht auch versuchen, gesetzliche Regelungen zu verhindern oder einzuschränken (Bendell & Kearins 2005, S. 373, 377– 378). Diese Form der politischen Einflussnahme ist wie schon erwähnt nicht Thema dieser Arbeit.

2.3.2

Entstehung politischer Konfliktsituationen: Beispiele

Während die skizzierten Ansätze von Matten & Crane (2005a) sowie Scherer & Palazzo (2008b) eine positive Ausfüllung der politischen Rolle von MNU (Übernahme einer staatlichen Tätigkeit sowie einer Governance-Funktion) vermuten lässt, wird die Bedeutung politischer Verantwortung vor allem in Bezug auf politische Konfliktsituationen relevant. Dabei ist es zunächst wichtig abzugrenzen, was eine Konfliktsituation ist und wie sich diese als politisch manifestiert. In diesem Zusammenhang entlehnt sich diese Arbeit der Definition eines ethischen Konfliktes von Kreikebaum, Behnam & Gilbert (2001, S. 9), die diesen als „[…] den Spannungsbogen zwischen Werten, Normen oder Ansprüchen, die von mehreren Akteuren [z.B. Stakeholdern] als unvermeidbar empfunden werden“ definiert. Das heißt, in einer Konfliktsituation kollidieren verschiedenste Werte und Normen

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miteinander und dies wird auch von den beteiligten Akteuren als Konflikt wahrgenommen. Dieser Konflikt wird insbesondere dann politisch, wenn verschiedene moralische Normen in verschiedenen Kulturkreisen betroffen sind, dieser Normenkonflikt also Folge einer globalen Tätigkeit des Unternehmens ist. Neben dem kulturellen Kontext sowie der Frage der Wahrnehmung durch Stakeholder sieht Calvano (2008, S. 795) Konflikte auch durch ein Machtungleichgewicht bestimmt. In Anlehnung an Donaldson & Dunfee (1994, 1999) kann sich die Kollision zwischen Normen auch daraus ergeben, dass Normen auf der mikrosozialen Ebene (Unternehmen) nicht konsistent mit Normen auf der makrosozialen Ebene (global) sind. Das zentrale Problem liegt nun darin, zu entscheiden, wie sich Unternehmen in einem Fall von moralisch konfligierenden Normen zu verhalten haben und gleichzeitig ihre unternehmerische Legitimität aufrechterhalten können. Um die Bedeutung und Tragweite, die politische Konflikte für Unternehmen haben können, zu unterstreichen, werden nachfolgend zwei aktuelle Beispiele: Googles Selbstzensur in China sowie die Deepwater Horizon Umweltkatastrophe von BP skizziert.

2.3.2.1 Selbstzensur von Google in China Skizzierung des Falls. Das Unternehmen Google, das 1998 in den USA gegründet wurde, trat mit seiner Suchmaschine 2000 in den chinesischen Internetmarkt ein. Zunächst gab es allerdings keine eigene lokale Webpräsenz, vielmehr wurde die globale Präsenz google.com in chinesischer Sprache angezeigt, jedoch über externe Server betrieben. Ab 2002 hatte die Seite in China einige Probleme. Erstens wurde die Seite einem Filterungsprozess durch die Internet Service Providers unterzogen, was zweitens dazu geführt hat, dass der Seitenaufbau sehr langsam erfolgte bzw. teilweise gar nicht erreichbar war. Aus diesen Gründen entschied sich das Unternehmen 2006 in China die lokale Seite google.cn zu starten. Um in China eine Betriebslizenz von der Regierung zu erhalten, müssen Unternehmen die so genannte „Public Pledge on Self Discipline for the Chinese Internet Industry“ unterschreiben. Darin verpflichten sich die Unternehmen zur Selbstzensur kritischer Inhalte sowie auch zur Weitergabe von Informationen über Kunden, die kritische Einträge vornehmen, an die chinesische Regierung. Vor diesem Hintergrund hat Google eine Selbstzensur vorgenommen, indem es Begriffe aus der Suchfunktion entfernt hat, die in China traditionell blockiert werden. Hierzu gehören zum Beispiel die Stichwortsuche nach dem „Tiananmen Massaker“ oder dem „Dalai Lama“ (Brenkert 2009, S. 454; Dann & Haddow 2009, S. 221; Hamilton, Knouse & Hill 2009, S. 147). Im Januar 2010 hat Google in Folge eines Hackerangriffs auf seinen E-Mail-Dienst Gmail angekündigt, seinen Suchdienst nicht

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mehr der Zensur unterwerfen zu wollen und sich aus dem chinesischen Markt zurückziehen zu wollen. Mittlerweile ist die Webseite google.cn nicht mehr verfügbar, stattdessen erscheint die von Hong Kong aus koordinierte Seite google.com/hk, die von Google nicht zensiert wird. Dennoch bleiben die Inhalte für die chinesische Bevölkerung durch das Filtersystem der Staatsregierung zensiert. Im Unterschied zu vorher wird aber nun angezeigt, welche Suchergebnisse gesperrt sind (Lischka 2010; o. A. 2010g, 2010h; Siemons 2010). Im Juni 2010 hat Google seine Strategie angesichts eines möglichen Lizenzentzugs durch die chinesische Regierung nochmals verändert und den Rückzug entschärft. Die Seite google.cn wurde wieder in Betrieb genommen, allerdings als Suchmaschine für Musikstücke und als Übersetzungsportal. Die Umleitung nach Hong Kong erfolgt nun nicht mehr automatisch, stattdessen wurde ein Link zur Google Seite in Hongkong auf der Seite google.cn geschaltet. Der Nutzer, der diesen Link anklickt, wird zwar auf die Seite in Hongkong umgeleitet, kritische Inhalte werden allerdings von der chinesischen Web-Firewall geblockt. Jedoch wird auf diese Weise gewährleistet, dass Google seine Inhalte nicht mehr selbst zensiert (o. A. 2010f; Postinett 2010; Rungg & Berger 2010). Kritik. Die Selbstzensur von Google wurde von NGOs als Verletzung eines wichtigen Menschenrechts, dem Recht auf freie Meinungsäußerung, angemahnt. Für viele Stakeholder stellte diese Selbstzensur außerdem einen Widerspruch zum Selbstanspruch des Unternehmens „Don’t be evil“ dar (Brenkert 2009, S. 454; Hamilton, Knouse & Hill 2009, S. 147). Die Kritik, die freie Meinungsäußerung zu beschränken, betrifft nicht nur Google, sondern auch andere US-amerikanische Unternehmen, wie Microsoft, MSN oder Yahoo (Dann & Haddow 2009). Während sich die Konkurrenten in der Folge um die Diskussion zur Angemessenheit der Selbstzensur bei Google eher zurückhaltend verhalten haben, haben sie sich nach dem zunächst angekündigten Rückzug Googles nun eindeutig zur Selbstzensur bekannt (Wanner 2010a). Als Branchenprimus ist das öffentliche Interesse allerdings vor allem auf Google gerichtet. Politische Konfliktsituation. Die politische Konfliktsituation resultiert zunächst daraus, dass unterschiedliche Interpretationen des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Gastland (China) und Heimatland von Google (USA) vorherrschen. Durch seine Selbstzensur hat Google entschieden, sich den Normen des Gastlandes anzupassen. Dieses Handeln kann im Sinne des Konzepts von Matten & Crane (2005a) als Nicht-Unterstützung gewertet werden, da Google nicht dazu beigetragen hat, die Situation (Menschenrechtsverletzungen) zu verändern. Somit hat Google politische Verantwortung übernommen, allerdings ist nicht klar, ob dieses Verhalten moralisch legitim ist. Ferner kann die Frage gestellt werden, ob sich Google durch seine Selbstzensur mitschuldig an der Verletzung von Menschenrechten in China gemacht hat (Brenkert 2009, S. 455; Santoro 2010, S. 291).

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Neben der Selbstzensur von Google kann auch die Deepwater Horizon Umweltkatastrophe von BP als politische Konfliktsituation gewertet werden.

2.3.2.2 Deepwater Horizon Umweltkatastrophe von BP Skizzierung des Falls. Am 20. April 2010 gab es eine Explosion auf der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko vor der Küste der USA. Dabei trat Gas aus einem Bohrloch aus, entzündete sich und führte anschließend zum Untergang der Plattform. Durch die Explosion starben 11 Menschen und 17 wurden verletzt (Sturman 2010). Der Vorfall betraf drei Unternehmen: Erstens BP, die die Bohrlizenz besaßen, zweitens den Schweizer Ölbohrkonzern Transocean, der im Auftrag von BP die Anlage betrieben hat und drittens den US-Konzern Haliburton, der kurz vor dem Unfall mit Zementarbeiten an dem Bohrloch beauftragt war (o. A. 2010d; Theurer 2010). In Folge der Explosion war aus den Rohren unter Wasser Öl ausgetreten, täglich etwa rund 800.000 Liter (Lüdemann & Knauer 2010). Zahlreiche Maßnahmen, die Rohre zu verschließen scheiterten jedoch. Dabei hatte BP vor allem auf den Einsatz einer Chemikalie (Corexit 9500) gesetzt, dessen Wirkungen umstritten sind (o. A. 2010e). Nach zahlreichen weiteren erfolglosen Versuchen, das Bohrloch zu verschließen, wurde im Juli 2010 schließlich eine Verschlusskappe installiert, die das Austreten des Öls verhindert hat (o. A. 2010l). Bis dahin sind allerdings etwa 780 Mio. Liter Öl ausgetreten (o. A. 2010c). Als Reaktion auf diese Ölkatastrophe hatte die US-Regierung im Mai 2010 zunächst neue Tiefseeölbohrungen im Golf von Mexiko für sechs Monate verboten. Dieses Verbot wurde auf Antrag der Ölindustrie im Juni 2010 von einem USamerikanischen Bundesrichter in Louisiana wieder aufgehoben (o. A. 2010m, 2010n). Allerdings wurde im Juli 2010 ein Gesetz erlassen, dass Unternehmen neue Bohrungen nicht erlaubt, wenn bereits Verstöße begangen wurden (o. A. 2010c). Zudem hatte die US-Regierung im Dezember 2010 ein Verbot erlassen, das für die nächsten fünf Jahre Bohrungen im Golf von Mexiko vor der Küste von Florida eigentlich verbietet (Ruch 2010b). Jedoch wurden bereits im Januar 2011 die Tiefseebohrungen wieder frei gegebenen unter der Bedingung, dass die Unternehmen höhere Sicherheitsauflagen erfüllen (o. A. 2011b; Ruch 2011b). Kritik. Zwar ist nicht abschließend geklärt, wer die Verantwortung für die Ölkatastrophe trägt, allerdings steht nach wie vor das Unternehmen BP in der öffentlichen Kritik. Die Katastrophe gefährdete zunächst die Existenz von BP, da ihm vorgeworfen wurde, die Katastrophe nicht richtig handhaben zu können (o. A. 2010d). Zahlreiche Anspruchsgruppen wie die US-Regierung, Ölpestopfer (lokale Bevölkerung, Fischer, Hotelleriegewerbe), Partnerfirmen und Investoren haben

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Schadensersatzklagen gestellt (Ruch 2010b; Ruch, Werner & Muscat 2010). In diesem Zusammenhang hat sich BP mit der US-amerikanischen Regierung geeinigt, 20 Mrd. Dollar in einen Treuhandfonds zu zahlen und daraus Entschädigungszahlungen zu tätigen. Dabei wurde die Höchstgrenze für diesen Fonds allerdings bislang nicht gedeckelt (Ruch & Muscat 2010). Weitere 77 Mio. Dollar hat BP freiwillig bezahlt, um in betroffenen Bundesstaaten den Tourismus nicht zu gefährden (o. A. 2010c). Im Zuge des Unglücks hat BP im Zeitraum von der Explosion bis Anfang Juni 2010 etwa 67 Mrd. Euro an Börsenwert verloren. Außerdem sollte BP Geschäftssparten verkaufen, um dadurch zusätzliche finanzielle Mittel für die Schadensersatzforderungen zu gewinnen. Im November 2010 wurde deshalb angekündigt, dass BP die Mehrheit an der Konzerntochter Pan America Energy aus Argentinien verkauft. Daneben war das Unternehmen aufgrund seines gesunkenen Börsenwertes auch möglicher Kandidat für Übernahmen durch Konkurrenten wie beispielsweise ExxonMobil. Jedoch muss erwähnt werden, dass in Folge dieser Übernahmespekulationen der Aktienkurs und damit der Börsenwert wieder gestiegen sind (Esterhazy, Wildhagen & Henry 2010, S. 50; Kroder 2010; o. A. 2010a, 2010j; Theurer 2010). Politische Konfliktsituation. In Folge der Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon wurde eine Umweltkatastrophe ausgelöst. Diese betraf zunächst die Küste des US-Bundesstaats Louisiana, bedrohte allerdings langfristig weitere Bundesstaaten wie Florida, Mississippi sowie Alabama (o. A. 2010c). Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass der gesamte Lebensraum Meer gefährdet war und ist, da das Meer nicht an Staatsgrenzen gebunden ist (Young 2000, S. 247). In diesem Zusammenhang wird unterstellt, dass MNU die Pflicht haben, die Umwelt als öffentlich kollektives Gut zu erhalten. Weiterhin gibt es Spekulationen, dass das Unternehmen Sicherheitsmaßnahmen nicht genügend berücksichtigt hat und somit auch gegen (gesetzliche) arbeitsrechtliche Bestimmungen verstoßen haben könnte (Niederberger 2010). In diesem Kontext ist auch zu sehen, dass BP eine riskante Bohrtechnik (Long-String-Design) eingesetzt hat, bei der die Gefahr bekannt war, das Gas austreten könnte (Esterhazy, Wildhagen & Henry 2010, S. 51). Allerdings ist neben der Verantwortung von BP auch ein Versagen des US-amerikanischen Staates erkennbar, der in der Kritik steht, zum einen zu weiche Sicherheitsvorschriften für diese Tiefseebohrungen formuliert zu haben und zum anderen nicht ausreichend kontrolliert hat (Ruch, Werner & Muscat 2010). Nach Crane & Matten (2010, S. 77) hätten MNU gerade in diesem Fall des Staatsversagens, eine Verpflichtung, sich als politisch verantwortlicher Akteur zu verhalten. Dies bezieht sich nicht nur auf die Sicherstellung der Energieversorgung als öffentliches Gut, sondern auch auf das Recht der Bürger an einer sauberen Umwelt.

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2.3.3

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Unternehmerische Risiken politischer Konfliktsituationen

Politische Konfliktsituationen wie sie bei Google oder BP aber auch bei anderen MNU wie Nike (Sweatshops in Asien), Shell (Konflikt mit den Ogoni in Nigeria) oder Apple, HP und Dell (Suizidserie beim Zulieferer Foxconn) vorgekommen sind, zeigen, dass diese für MNU große unternehmerische Risiken bergen. Zunächst stellt sich die Frage nach dem Umfang der Verantwortlichkeit. Im Falle von Nike oder Apple wurde ein Verstoß gegen soziale Standards eigentlich beim Zulieferunternehmen festgestellt (Daboub & Calton 2002, S. 85; Matten & Crane 2005a, S. 172; Wanner 2010b). Somit wird die Verantwortlichkeit auf die gesamte Wertschöpfungskette ausgedehnt und betrifft nicht mehr nur das eigene unternehmerische Handeln (Daboub & Calton 2002, S. 86). Bei der Explosion der Deepwater Horizon, die von BP gemietet und betrieben wurde, ist unklar, wie die Verantwortlichkeit und damit die Haftung für den Schaden zwischen den einzelnen Vertragspartnern aufzuteilen ist (Krieger 2010). Daneben stellt sich vor allem die Kostenfrage: Kosten können durch Haftung (Schadensersatzzahlungen), Gesetzesverfahren, sinkende Marktbewertung, Boykotte der Produkte oder Imageverluste durch Medienberichterstattung entstehen. Im Fall von BP kommen zudem noch Kosten durch die Beseitigung des Schadens hinzu, täglich geschätzt 6 Mio. Dollar (Theurer 2010). Im Fall von verschiedenen involvierten Unternehmen in der Wertschöpfungskette betreffen diese Kosten letztlich das Unternehmen, das die Produkte vertreibt (z.B. Nike) und häufig nicht Zulieferer oder Vertragspartner (Johnson-Cramer, Berman & Post 2003, S. 154; Scherer & Smid 2000, S. 365). Weitere Kosten können auch entstehen, wenn in Folge eines Konflikts gesetzliche Regelungen verschärft werden (z.B. in Form von höheren Sicherheitsauflagen) (Ruch 2010a). Dies hat dann (finanzielle) Folgen für alle Unternehmen der Branche. Im Fall der Ölindustrie werden die Konkurrenten von BP (Exxon, Mobil, Chevron, ConocoPhillips und Shell), auch um weitere gesetzliche Regelungen zu verhindern, ein Gemeinschaftsunternehmen gründen und 1 Mrd. Dollar in die Entwicklung einer Rettungsvorrichtung investieren (Werner 2010a). Im Unterschied zu BP besteht bei Google das Kostenrisiko durch die Austrittsstrategie: Bei einem endgültigen Rückzug von Google aus dem chinesischen Markt würde ein Umsatzvolumen von 740 Mio. Euro verloren gehen. Durch die Konfrontation mit der chinesischen Regierung hat Google bereits Marktanteile verloren: Von 35,9 Prozent im vierten Quartal 2009 auf 21,6 Prozent im dritten Quartal 2010 (Lischka 2010; o. A. 2010f, 2010g, 2010h; Siemons 2010). Ein weiteres Beispiel zum Thema Folgekosten ist das Ölunternehmen Shell, das sich in Nigeria dem Vorwurf der „Nicht-Einmischung“ ausgesetzt sah. Trotz sozialen Engagements von Shell (Bau von Schulen und Unterstützung von Umweltschutzprogrammen; nach Matten & Crane als Versorgungsleistung zu werten)

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richtete sich die Kritik vor allem darauf, dass Shells wirtschaftliche Tätigkeit in Nigeria, ungeachtet bürgerkriegsähnlicher Zustände, der Armut der Bevölkerung sowie einer korrupten Regierung ausgeführt wurde (Banerjee 2010, S. 266; Bräuer 2009). Der Skandal und die Kritik der Öffentlichkeit kulminierte 1995 in der Hinrichtung des Stammesführers Ken-Saro Wiwa durch das nigerianische Militärregime. Dieser hatte unter anderem Ölkonzerne wie Shell beschuldigt, von Nigeria wirtschaftlich zu profitieren, das Land aber ökologisch zu ruinieren. Zwar wurde Shell gerichtlich keine Schuld bestätigt, jedoch zahlte das Unternehmen 15,5 Mio. Dollar Ausgleichzahlungen an die Hinterbliebenen von Ken-Saro Wiwa, die dem Ölkonzern nach wie vor eine Mitschuld an den Taten des Militärregimes vorwerfen (o. A. 2009c). In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass die Gefahr für MNU verklagt zu werden groß ist. Insbesondere in den USA wird häufig auf den US Alien Tort Claim Act zurückgegriffen. Derzeit läuft ein Gerichtsverfahren gegen Unternehmen wie IBM, General Motors oder Daimler, die von Opfern der Apartheid verklagt worden sind. Der Vorwurf lautet ähnlich wie bei Shell, ein Regime unterstützt zu haben, das seine Bürger unterdrückt und die Menschenrechte missachtet. Insgesamt geht es um eine Ausgleichssumme in Höhe von bis zu 400 Mio. Dollar (Banerjee 2010, S. 269; Global Policy Forum 2011; o. A. 2010b; Palazzo & Rasche 2010, S. 752; Richey 2008). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass politische Verantwortung nicht unbedingt eine proaktive Handlung darstellen muss. Vielmehr wird ein Nicht-Agieren von MNU (vgl. Shell) in der Öffentlichkeit häufig als (versäumte) politische Verantwortung wahrgenommen sowie als stillschweigende Unterstützung der Bedingungen interpretiert. Dabei geht es nicht darum, dass MNU ihre wirtschaftliche Tätigkeit aufgeben sollten, sondern vielmehr sollten sie ihre Macht nutzen, um auf Missstände hinzuweisen und dazu beitragen, diese zu verbessern (vgl. u.a. Wettstein 2010b, S. 40–41). In diesem Kontext sprechen sich Scherer & Smid (2000, S. 366) dafür aus, dass es im Interesse von MNU ist, sich selbst auf moralisches Handeln zu verpflichten, da politische Konfliktsituationen zu sinkender Produktivität und Gewinneinbußen führen können. Zwar wird die Wichtigkeit moralischer Selbstverpflichtung hier nicht verneint, jedoch geht es in dieser Arbeit vielmehr um die Frage, wie politische Verantwortung von MNU legitimiert werden kann und inwiefern Maßnahmen implementiert werden können, die politischen Konfliktsituationen vorbeugen bzw. diese regeln können. Im Folgenden wird ein Überblick zur Forschung gegeben, um zu zeigen, welche Aspekte politischer Verantwortung bereits in der Literatur diskutiert werden.

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2.4

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Forschungsansätze zur politischen Verantwortung

In der Unternehmensethik können verschiedene Ansätze zur politischen Verantwortung unterschieden werden, die jeweils einen bestimmten Fokus haben. Inhalt politischer Verantwortung Zunächst können Forschungsarbeiten abgegrenzt werden, die politische Verantwortung in Inhalt und Umfang definieren (deskriptive Ansätze). Hierzu gehören insbesondere der bereits dargestellte Ansatz von Matten & Crane (2005a), aber auch der Ansatz von Néron und Norman (2008) und Logsdon & Wood (2002). Néron & Norman (2008) gehen der Frage nach, ob für MNU ein Bürgerstatus abgeleitet werden kann und wann es angemessen ist, von einem Unternehmensbürger zu sprechen. Auch Logsdon & Wood (2002) zeigen, dass Erkenntnisse über die individuelle Bürgerschaft auf den unternehmerischen Kontext übertragen werden können. In beiden Forschungsarbeiten wird ein „spezieller“ Bürgerstatus für MNU festgestellt, der allerdings nicht in vollem Umfang den von Individuen widerspiegelt, aber eine besondere Rolle und damit bestimmte Rechte und Pflichten von MNU in der Gesellschaft impliziert (Logsdon & Wood 2002; Néron & Norman 2008). Begründung politischer Verantwortung Neben den inhaltsorientierten Forschungsarbeiten gibt es Autoren, die versuchen zu erklären, ob und warum eine politische Verantwortung von MNU besteht (normative Begründung). Hier sei auf die „Fair Share“ Theorie von Santoro (2010), die Ansätze von Arnold (2010) sowie Hsieh (2009) und Kobrin (2009) verwiesen. Santoro (2010) versteht Menschenrechte als kollektive moralische Pflichten und begründet daraus, dass nicht nur MNU, sondern auch andere Akteure gemäß einer fairen Verteilung die Pflicht haben, Menschenrechte zu bewahren. Eine ähnliche Argumentation findet sich auch bei Arnold (2010), der zeigt, dass MNU eine moralische Pflicht haben, Menschenrechte zu respektieren, für ihren Schutz sei aber der Staat verantwortlich. Im Unterscheid dazu weist Hsieh (2009) mit Hilfe von Rawls „Law of Peoples“ eine Pflicht für Unternehmen nach, keinen Schaden zu verursachen und die Entwicklung von politischer Ordnung in Form von Institutionen zu unterstützen. Weiterführend stellt Kobrin (2009) neben der Pflicht von MNU, Menschenrechte nicht zu verletzen, die Frage nach der Rechenschaft in den Vordergrund.

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Legitimität politischer Verantwortung Einige Forschungsarbeiten, wie Elms & Philipps (2009) oder Scherer & Palazzo (2007) beschäftigen sich darüber hinaus mit dem Legitimitätsaspekt politischer Verantwortung. Elms & Philipps (2009) untersuchen die Beziehung zwischen moralischer Legitimität und Verantwortung anhand privater Sicherheitsunternehmen (politische Verantwortung als Bereitstellung von Sicherheitsleistungen) und ihrer Stakeholder. Theoretische Basis sind der Neoinstitutionalismus und die Stakeholder Theorie. Im Unterschied dazu analysieren Scherer & Palazzo (2007) mit Hilfe der Theorie der deliberativen Demokratie, wie Unternehmen Legitimität für ihr politisches Handeln erreichen können. Ausgehend von der Annahme, dass Unternehmen zur Übernahme politischer Verantwortung eine legitime Basis fehlt, verfolgen Scherer & Palazzo (2007) einen kommunikationsorientierten Ansatz. Dabei gelangen die Autoren zu dem Schluss, dass Unternehmen politisch legitim handeln können, wenn sie ihre Entscheidungen zum Subjekt eines Kommunikationsprozesses mit den von der Entscheidung Betroffenen machen. Dieser Kommunikationsprozess ist nach den Richtlinien der deliberativen Demokratie zu gestalten. Werden diese erfüllt, kann das Ergebnis der Entscheidung als moralisch legitim bezeichnet werden. Regelung politischer Verantwortung Als Letztes können Forschungsarbeiten identifiziert werden, die einen Handlungsrahmen vorgeben, wie Unternehmen politische Konflikte adressieren und regeln können. Einen ersten Überblick zu bisherigen Ansätzen liefern unter anderem Hamilton, Knouse & Hill (2009, S. 143–144) sowie Daboub & Calton (2002, S. 93ff.). Zu den Ansätzen zählen die ISCT von Donaldson & Dunfee (1999), der Globale CC Ansatz von Wood et al. (2006), der Heuristik-Ansatz von Hamilton, Knouse & Hill (2009) sowie der ordnungspolitische CC Ansatz von Pies, Hielscher & Beckmann (2009). Die ersten drei Ansätze, die ISCT, der Globale CC Ansatz sowie der HeuristikAnsatz adressieren das Problem, ob MNU grundsätzlich einen universalistischen oder einen relativistischen Ansatz wählen sollten. Das heißt, ob sie in einem Gastland die Normen des Heimatlandes als maßgebend ansehen oder sich den lokalen Gegebenheiten anpassen sollten. Dies ist besonders entscheidend im Fall von konfligierenden moralischen Normen im Gast- und Heimatland (Donaldson & Dunfee 1994, 1999; Hamilton, Knouse & Hill 2009; Wood et al. 2006). Im Unterschied dazu beschäftigt sich der Ansatz von Pies, Hielscher & Beckmann (2009) mit der ordnungspolitischen Funktion von MNU. Dabei sollten MNU als instituti-

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

onelle Rahmengeber (z.B. durch die Beteiligung in Multi-Stakeholder Initiativen) fungieren und sich aktiv an der Formulierung von Regelungen beteiligen. Ihre Selbstverpflichtung kann eine Win-Win Situation genieren und die unternehmerische Wertschöpfung erhöhen (Pies, Hielscher & Beckmann 2009, S. 388ff.). Es muss beachtet werden, dass diese Kategorisierung von Ansätzen nicht immer trennscharf ist. So geben Scherer & Palazzo (2007) bzw. Palazzo & Scherer (2006) auch einen Handlungsrahmen zur Regelung politischer Verantwortung auf Basis der deliberativen Demokratie vor und Wood et al. (2006) treffen auch inhaltliche Aussagen zu politischer Verantwortung. In diesem Sinne kann auch diese Arbeit nicht ausschließlich einer Kategorie zugeordnet werden. Zwar beschäftigt sich diese Arbeit insbesondere mit der Frage der Legitimation politischer Verantwortung von MNU. Gleichzeitig stellt die deliberative Demokratie als Ansatz zur moralischen Legitimation von politischer Verantwortung auch einen Handlungsrahmen dar, mit dessen Hilfe politische Konflikte in der Praxis geregelt werden können. Im folgenden Kapitel wird zunächst der Begriff der Legitimität erklärt und gezeigt, warum moralische Legitimität vor dem Hintergrund dieser Arbeit eine entscheidende Rolle spielt.

57

3.

Zur Legitimität unternehmerischer Handlungen

Im vorliegenden Kapitel zur Legitimität unternehmerischer Handlungen wird das für diese Arbeit geltende Verständnis von Legitimität dargelegt. In diesem Zusammenhang wird insbesondere die Bedeutung moralischer Legitimität hervorgehoben und gezeigt, dass ein kommunikationsorientierter Ansatz anderen Ansätzen zur Erreichung von Legitimität überlegen ist.

3.1

Theoretische Grundlagen

3.1.1

Begriffliche Abgrenzung

Der Terminus der Legitimität gilt vor allem in der Politikwissenschaft und Soziologie als Schlüsselbegriff, wird allerdings auch verstärkt in der betriebswirtschaftlichen Forschung diskutiert. Die Unternehmensethik stellt dabei die Legitimität von Unternehmen in den Vordergrund und zeigt, dass diese zu einem kritischen Faktor geworden ist (Palazzo & Scherer 2006, S. 71–72). Dabei ist es jedoch zunächst entscheidend zu erläutern, was Legitimität bedeutet. Deshalb wird im Folgenden ein Überblick zu Definitionen der Legitimität aus der betriebswirtschaftlichen Forschung gegeben. Im Bereich des Internationalen Managements sind zum Beispiel Kostova & Zaheer (1999, S. 65) zu nennen, die die Legitimität von MNU in der Akzeptanz durch ihre Umwelt feststellen; im Bereich der Organisationstheorie sind vor allem die Definitionen von Dowling & Pfeffer (1975) und Ashforth & Gibbs (1990) anerkannt und daher beispielhaft zu nennen. Dowling & Pfeffer (1975, S. 123) definieren organisationale Legitimität als Kongruenz zwischen den sozialen Werten, die das Unternehmen verfolgt und den sozialen Normen, die in einer Gesellschaft akzeptables Verhalten bestimmen; für Ashforth & Gibbs (1990, S. 177) gilt eine Organisation als legitim, wenn sie sozial akzeptable Ziele verfolgt: Im Bereich Entrepreneurship untersuchen Zimmerman & Zeitz (2002, S. 416) Legitimität und determinieren es als Wachstumsfaktor insbesondere für junge Unternehmen. Im Detail stellt Legitimität für sie eine Beziehung dar, zwischen den Handlungen der Unternehmung und dem sozialen System, das von diesen Handlungen betroffen ist. Aus interdisziplinärer Sicht (Betriebswirtschaftslehre, Soziologie) ist zum Beispiel die Definition von Aguilera et al. (2007, S. 845) zu erwähnen, die Legitimität relational definieren. Das heißt, es wird die Frage gestellt, wie Handlungen eines

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Unternehmens von Anderen wahrgenommen werden und ob Unternehmen mit bestimmten Normen und Regeln konform gehen. Im Bereich der Politikwissenschaft sei exemplarisch auf die Definition von Legitimität nach Hurd (1999, S. 381) verwiesen. Dieser bezeichnet Legitimität als normative Überzeugung eines Individuums, dass einer bestimmten Regel oder Institution Folge geleistet werden muss. Diese Überzeugung wird durch die Wahrnehmung der Regel oder Institution durch das Individuum beeinflusst. Weitere Definitionen aus der Politikwissenschaft sind unter anderem in den Veröffentlichungen von Bäckstrand (2006), Thompson (2005) und Zürn (2004) zu finden. Alle aufgeführten Definitionen spiegeln ein bestimmtes Grundverständnis von Legitimität wider, das insbesondere von Suchman (1995) noch einmal detailliert aufgegriffen wird. Dabei liefert der Soziologe Suchman eine der bekanntesten, meist zitierten sowie umfassendsten Definitionen von Legitimität (Deephouse & Carter 2005, S. 331; Elms & Phillips 2009, S. 404; Hurd 1999, S. 387; Long & Driscoll 2008, S. 174; Palazzo & Scherer 2006, S. 72; Rasche & Esser 2006, S. 261; Zimmerman & Zeitz 2002, S. 416). Auch dieser Arbeit liegt das Verständnis von Suchman zu Grunde: „Legitimacy is a generalized perception or assumption that the actions of an entity are desirable, proper, or appropriate within some socially constructed system of norms, values, beliefs, and definitions.“ (Suchman 1995, S. 574) Suchman zeigt, dass Legitimität darauf beruht, dass Unternehmen ihren Handlungen bestimmte Werte zugrunde legen, die in der Gesellschaft anerkannt sind. Darüber hinaus muss das Verfolgen dieser Werte auch gewünscht sein und insbesondere muss es auch in diesem Sinne von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Auf diese Weise wird Legitimität zu einer sozialen Konstruktion und ist abhängig von äußerer Zustimmung (Dowling & Pfeffer 1975; Kostova & Zaheer 1999; Suchman 1995; Zimmerman & Zeitz 2002). Diese äußere Zustimmung kommt von Denjenigen, die durch das Verhalten des Unternehmens betroffen sind, den Stakeholdern oder im Allgemeinen die Gesellschaft (Dryzek 2001, S. 656; Kostova & Zaheer 1999, S. 65; Suchman 1995, S. 574, 586).

3.1.2

Verhältnis zwischen Legalität und Legitimität

Um die Bedeutung des Legitimitätskonzeptes insbesondere im Bereich unternehmerischer Tätigkeit herauszustellen, ist es zunächst entscheidend, den Begriff von der Legalität abzugrenzen. Nach der Verantwortungspyramide von Carroll (1998, S. 1) haben Unternehmen neben der ökonomischen zunächst auch eine legale Verantwortung zu erfüllen, was im Grunde nichts anderes bedeutet als das Gesetz zu

ZUR LEGITIMITÄT UNTERNEHMERISCHER HANDLUNGEN

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beachten. Dabei sehen viele Forscher das Gesetz als „kodifizierte Ethik“ einer Gesellschaft, wobei das Gesetz häufig nur die Institutionalisierung eines Minimumstandards an ethisch akzeptablem Verhalten bedeutet (Carroll 1998, S. 2; Crane & Matten 2010, S. 5; Logsdon & Yuthas 1997, S. 1221). Legitimität im Sinne von Legalität zu verstehen, bedeutet demnach: „The legitimacy criteria are met by the corporation through its ability to compete for resources in the marketplace and through conducting its operations within the legal constraints imposed by the social system within which it operates.“ (Sethi 1975, S. 60–61) Probleme dieses legalistischen Verständnisses sieht Sethi (1975, S. 61) vor allem darin, dass sich soziale Normen verändern, Gesetze allerdings auf einer Konsistenz der Werte beruhen. Außerdem stellt die Implementierung von Gesetzen einen langwierigen Prozess dar, was zu Verzögerungen führt. Auf globaler Ebene bestehen allerdings noch weitere Probleme, die die Anwendung von Gesetzen erschweren: Erstens die nationale Gesetzgebung kann wenig Einfluss auf die Regulierung von MNU nehmen und zweitens ein globaler Gesetzgeber ist nicht vorhanden (Logsdon & Wood 2002, S. 159; Palazzo & Rasche 2010, S. 753). In dieser Hinsicht können im globalen Kontext MNU aufgrund eines Gesetzes nicht für Menschenrechtsverletzungen22 oder Umweltverschmutzungen zur Rechenschaft gezogen werden (Palazzo & Rasche 2010, S. 753). Dieser Fall gewinnt zudem an Komplexität, wenn mit einbezogen wird, dass ein Unternehmen womöglich Gesetze eines bestimmten Landes befolgt, damit aber Gesetze oder bestimmte Werte im Heimatland verletzt, zum Beispiel in Bezug auf Kinderarbeit, die in einigen Entwicklungsländern durchaus erlaubt ist (vgl. hier u.a. Donaldson & Dunfee 1994, S. 233). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Konflikte, die bei der multinationalen Tätigkeit von Unternehmen auftreten und die nicht auf Grundlage eines globalen Gesetzeskatalogs gelöst werden können, mit Hilfe eines anderen Konzeptes als Legalität auf ihre Richtigkeit beurteilt werden müssen. Denn wie hier deutlich wird, können unternehmerische Tätigkeiten durchaus legal sein, müssen deswegen aber nicht gleichzeitig als richtig angesehen werden. Deshalb wird in dieser Arbeit vorgeschlagen, insbesondere für globale politische Unternehmenshandlungen die Frage nach der Legitimität dieser Handlungen zu stellen und damit Folgendes zu testen: „[…] the permissibility of corporate involvement in activities traditionally associated with political institutions (e.g., the establishment and implementation of global rules and regulations) given that corporations are not 22

Gesetze wie der US Alien Tort Claim Act stellen hier eine Ausnahme dar (vgl. Kap. 2.2.2). Dieser ist zwar ein nationales Gesetz, kann allerdings auch auf Unternehmen, die nicht in den USA ihren Sitz haben, angewendet werden (Banerjee 2010, S. 269).

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

directly accountable in the way that governments ideally are.“ (Hsieh 2009, S. 252) In diesem Kontext kommt insbesondere der Gesellschaft bzw. den Stakeholdern eine bedeutende Rolle zu, die zunehmend Menschenrechtsverletzungen oder Umweltverschmutzungen von MNU anmahnen und damit als falsch bzw. nicht legitim wahrnehmen (Crane & Matten 2010, S. 18; Scherer & Palazzo 2008a, S. 423; Waddock 2008, S. 87). Der Charakter illegitimer Handlungen bestimmt sich demnach nicht danach, ob Gesetze eingehalten werden oder nicht, sondern, wie die Gesellschaft bzw. die Stakeholder diese Handlung im Hinblick auf ihr Wertegefüge wahrnehmen und Unternehmen die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen (vgl. hierzu Logsdon & Yuthas 1997, S. 1224; Suchman 1995, S. 574). Dieser Zusammenhang zwischen Stakeholdern und der Legitimität von Unternehmen wird im nächsten Kapitel ausführlich dargelegt.

3.2

Zusammenhang zwischen Stakeholdern und der Legitimität von Unternehmen

Legitimität kann in der Theorie mehrere Aufgaben erfüllen: Zum einen kann Legitimität das langfristige Überleben und die Stabilität von Unternehmen fördern und zum anderen auch die Grundlage für weiteres Wachstum darstellen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Legitimität die Voraussetzung für den Zugang zu Ressourcen bildet (Ashforth & Gibbs 1990, S. 177; Dowling & Pfeffer 1975, S. 125; Meyer & Rowan 1977, S. 352; Zimmerman & Zeitz 2002, S. 414, 417). Es sei angemerkt, dass dieser Zusammenhang von Legitimität und Überleben eines Unternehmens sowohl im strategischen als auch im neoinstitutionellen Ansatz betont wird, die in Kapitel 3.4.2 und 3.4.3 noch einmal näher erläutert werden. In der unternehmensethischen Forschung wird dieser Zusammenhang als gegeben angenommen und auf Basis dessen die Wichtigkeit der Legitimität für Unternehmen betont (Aguilera et al. 2007, S. 845; Palazzo & Scherer 2006, S. 71; VidaverCohen & BrØnn 2008, S. 445). Der Zugang zu Ressourcen wird nach der Theorie vor allem durch Stakeholder kontrolliert, die Unternehmen mit Ressourcen unterstützen, wenn sie ihre Handlungen als legitim betrachten. Demnach wäre ein Unternehmen ohne die Akzeptanz und das Vertrauen von Seiten der Anspruchsgruppen nicht handlungsfähig und würde nicht nur von wichtigen Ressourcen (z.B. Rohstoffen) abgeschnitten sein, sondern auch seine Existenzberechtigung („license to operate“) verlieren (Aguilera et al. 2007, S. 845; Baum & Oliver 1991, S. 190; Jawahar & MacLaughlin 2001, S. 397; Kaptein & Van Tulder 2003, S. 203; Palazzo & Scherer 2006, S. 71; Suchman 1995, S. 574; Wood 1991, S. 697;

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Zinkin 2004, S. 71; Zucker 1987, S. 445). In diesem Sinne kann von einem „Mandat“ gesprochen werden, das Unternehmen von der Gesellschaft so lange erhalten, wie ihre Handlungen als richtig erachtet werden (Woodward, Edwards & Birkin 1996, S. 329). Das heißt, Legitimität stellt eine Form der sozialen Kontrolle dar (Bitektine 2011, S. 152). Dieser Sachverhalt verweist auch auf die Bedeutung des Stakeholder Managements und die Notwendigkeit, stabile Beziehungen zu den Stakeholdern aufzubauen. In diesem Zusammenhang wird auch eine Rechenschaftspflicht gegenüber den Stakeholdern gefordert. Denn diese ist als Voraussetzung anzusehen, dass Unternehmen als legitim angesehen werden. Rechenschaft in Form von Kommunikation23 der Unternehmenshandlungen an die Stakeholder bildet die Grundlage dafür, dass diese überhaupt eine Beurteilung der Handlungen des Unternehmens vornehmen können (Rasche & Esser 2006, S. 252). Vor diesem Hintergrund definieren Rasche & Esser (2006) Rechenschaft wie folgt: „[…] as the readiness or preparedness of an organization to give an explanation and a justification to relevant stakeholders for its judgements, intentions, acts, and omissions when appropriately called upon to do so.“ (Rasche & Esser 2006, S. 252) Wood et al. (2006) präzisieren diese Verpflichtung zur Rechenschaft wie folgt: „[…] accountability is the principle of acknowledging and responding to the legitimate interests of stakeholders and society by learning what information stakeholders need and want, and by communicating information about the economic, social, and environmental impacts of the organization’s performance to those who have a right to know.“ (Wood et al. 2006, S. 83) Die Kommunikation und Informationsweitergabe an die Stakeholder wird auch der Forderung nach der Transparenz von Unternehmenshandlungen gerecht (Buchanan & Keohane 2006, S. 426). Die eben genannten Definitionen von Rechenschaft deuten damit bereits auf die Verbindung des Konzepts zum Begriff der Legalität und auch der Legitimität hin („when appropriately called upon to do so“; „to those who have a right to know“). Denn häufig sind Rechenschaftspflichten von Unternehmen gesetzlich geregelt (vgl. deutsches Aktiengesetz) und schaffen auf diese Weise ein Compliance-basiertes Verhalten der Unternehmen, um gesetzlichen Sanktionen zu entgehen. Dennoch verhindern auch gesetzliche Rechenschaftspflichten nicht, dass Unternehmen sich moralisch falsch verhalten, weshalb mehr Kontrolle nicht gleichzeitig moralischeres Handeln bedeutet (Painter23

Hier spielt vor allem auch die Berichterstattung von Unternehmen (ökonomisch, ökologisch und sozial) eine große Rolle (Painter-Morland 2007, S. 531).

62

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Morland 2007, S. 516). Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, das Konzept der Rechenschaftspflicht mit dem Konzept der Legitimität zu verknüpfen.

3.3

Formen von Legitimität

Nachdem der Zusammenhang zwischen Stakeholder und unternehmerischer Legitimität dargelegt wurde, soll ein näherer Blick auf unterschiedliche Formen von Legitimität geworfen werden. Hier ist insbesondere die Kategorisierung nach Suchman (1995) von Bedeutung. Bevor diese vorgestellt wird, soll aber zunächst ein kurzer Überblick gegeben werden, welche verschiedenen Kategorisierungen in der Literatur bestehen.

3.3.1

Überblick

In der Forschungsdiskussion existieren nicht nur eine Vielzahl von Definitionen von Legitimität, sondern auch verschiedenste Möglichkeiten, dieses Konzept zu interpretieren. Dabei zeigen sich insbesondere Unterschiede zwischen politikwissenschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Forschung. In der politikwissenschaftlichen Forschung wird häufig zwischen normativer und deskriptiver Legitimität differenziert. So untersucht Zürn (2004, S. 260–261) globale GovernanceMechanismen und arbeitet heraus, dass sich normativ auf die Frage bezieht, inwieweit politische Entscheidungen überhaupt gültig sind. Deskriptiv, hier nicht vorrangig beschreibend gemeint, zeigt dagegen die soziale Akzeptanz von politischen Entscheidungen und Ordnungen. Diese Differenzierung findet sich etwas verändert auch bei Buchanan & Keohane24 (2006, S. 405), die normative Legitimität als Recht einer Institution, Regelungen zu treffen, definieren und soziologische Legitimität als Glauben daran, dass eine Institution dieses Recht besitzen würde. Ähnlich zu Zürn beschäftigt sich auch Bäckstrand (2006) mit Legitimität, insbesondere mit Fokus auf Multi-Stakeholder Netzwerke. Im Hinblick auf die Analyse, ob diese Netzwerke und insbesondere die Normen, die sie hervorbringen, Legitimität besitzen, unterscheidet Bäckstrand (2006, S. 291–292) zwischen Inputund Output-Legitimität. Die Unterteilung in Input- und Output-Legitimität ist außerdem eine andere Art der Bezeichnung für die Unterscheidung in prozessuale und inhaltliche Legitimität. Input- oder prozessuale Legitimität meint in diesem Kontext, ob der Prozess der Normenentstehung in diesen Netzwerken demokratischen Kriterien, wie der Einbindung betroffener Stakeholder, Transparenz oder 24

Allen Buchanans Forschung befindet sich an der Schnittstelle Philosophie, politische Wissenschaft und Recht (Duke University 2011).

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63

Rechenschaftspflicht unterliegt. Im Gegensatz dazu beleuchtet die Output- oder inhaltliche Legitimität die Effektivität dieses Netzwerks. Das heißt, inwieweit dieses System fähig ist, bestimmte Probleme durch seine Normen zu lösen und ein kollektives Ziel zu erreichen (vgl. dazu auch die Studie von Lövbrand, Rindfjäll & Nordqvist 2009, S. 77). Außerdem bewertet inhaltliche Legitimität, ob das Ergebnis dieses Prozesses bestimmte inhaltliche Kriterien erfüllt, z.B. Bürgerrechte respektiert (vgl. hier u.a. Coglianese 2007, S. 161; Lövbrand, Rindefjäll & Nordqvist 2009, S. 78). Neben den in der Politikwissenschaft vorherrschenden Formen von Legitimität, können auch in der betriebswirtschaftlichen Forschung (insbes. Internationales Management und Organisationstheorie) verschiedene Arten von Legitimität unterschieden werden. Kostova & Zaheer (1999, S. 72) nehmen beispielsweise eine Differenzierung in interne und externe Legitimität vor. Interne Legitimität bedeutet, dass eine Tochtergesellschaft einer MNU von den anderen Tochtergesellschaften sowie vom gesamten Konzern akzeptiert werden muss. Das heißt, hier werden Abhängigkeiten zwischen organisatorischen Einheiten deutlich. Externe Legitimität bezieht sich hingegen auf die Akzeptanz des MNU durch die Umwelt. Eine andere Einteilung liefern Zimmerman & Zeitz (2002, S. 418–421). Ihre Analyse bezieht sich dabei insbesondere auf junge Unternehmen. Dabei unterscheiden sie zwischen vier Formen der Legitimität: soziopolitisch regulierende, soziopolitisch normative und kognitive Legitimität sowie der Branche als Quelle von Legitimität. Soziopolitisch regulierende Legitimität meint, dass Unternehmen ihre (legitimen) Handlungen aus Regeln, Standards oder auch Erwartungen von anderen Institutionen oder Organisationen ableiten und diese bei Nichteinhaltung auch mit Sanktionen verbunden wären. Soziopolitisch normative Legitimität bedeutet, dass sich das Unternehmen konform zu sozialen Normen und Werten der Gesellschaft verhält. Kognitive Legitimität meint, dass sich Unternehmen implizit nach der ihnen zugedachten Rolle in der Gesellschaft verhalten, häufig handelt es sich um allgemein anerkannte Verhaltensweisen, die mittlerweile unbewusst zur Routine geworden sind. In der später folgenden Einteilung nach Suchman wird dies noch einmal etwas ausführlicher beleuchtet. Die letzte Form ist die Branche als Quelle der Legitimität. In diesem Sinne greifen Unternehmen auf Standards, Normen sowie Verhaltensweisen zurück, die innerhalb der Branche als anerkannt gelten und erhalten somit Legitimität. Weitere Einteilungen innerhalb der Organisationstheorie (v.a. neoinstitutionelle Theorie) finden sich zum Beispiel bei Ruef & Scott (1998), die eine technische und eine Management-Legitimität (in ihrer Analyse von Krankenhäusern) differenzieren oder bei Deephouse (1996), der zwischen regulatorischer und öffentlicher Legitimität unterscheidet. Einen weiterführenden Überblick zu Formen der Legitimität liefert zudem Bitektine (2011, S.

64

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

154). Die hier beschriebenen Legitimitätsformen sind in Tab. 1 nochmals zusammengefasst dargestellt. Neben diesen Klassifikationen existieren auch zahlreiche Arbeiten, die allgemein die Legitimität unternehmerischer Handlung untersuchen, ohne dies genauer zu spezifizieren bzw. auf Arbeiten anderer Autoren verweisen (vgl. hier u.a. Hsieh 2009). Auffällig ist jedoch bei diesen verschiedenen Klassifikationen, dass zwar Benennungen unterschiedlich sind, häufig jedoch dieselbe Art der Legitimität bezeichnet ist. Zudem beziehen sich viele Arbeiten, insbesondere im Bereich der Unternehmensethik (vgl. hierzu u.a. Elms & Phillips 2009; Palazzo & Scherer 2006; Rasche & Esser 2006), auf die Kategorisierung nach Suchman (1995). Im Folgenden soll seine Konzeption daher näher beschrieben werden.

65

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Tab. 1: Legitimität

Überblick zu ausgewählten Formen von Legitimität Beschreibung

Autor(en)

Politikwissenschaftliche Forschung (Auswahl) Normativ

Gültigkeit politischer Entscheidungen

Deskriptiv

Soziale Akzeptanz von politischen Entscheidungen und Ordnungen

Normativ

Recht einer Institution, Regelungen zu treffen

Soziologisch

Glaube, dass eine Institution das Recht besitzt, Regelungen zu treffen

Input/ Prozessual

Prozess der Normenentstehung entspricht demokratischen Prinzipien

Output/ Inhaltlich

Effektivität bzw. Problemlösungsfähigkeit der Organisation

Zürn 2004

Buchanan & Keohane 2004 Bäckstrand 2006; Coglianese 2007;

Betriebswirtschaftliche Forschung (Auswahl) Intern

Akzeptanz einer Tochtergesellschaft im Konzern

Extern

Akzeptanz des MNU in der Umwelt

Soziopolitisch regulierend

Ableitung von unternehmerischen Handlungen aus Regeln, Standards oder Erwartungen

Soziopolitisch normativ

Konformität eines Unternehmens mit sozialen Normen und Werten

Kognitiv

Erfüllung der zugedachten Rolle in der Gesellschaft

Branche

Ableitung unternehmerischer Handlungen von Standards und Normen innerhalb einer Branche

Technisch

Akzeptanz von technischen Maßnahmen wie Mitarbeiterqualifikation oder Qualitätssicherung

Management

Akzeptanz von organisatorischen Abläufen wie Personal Management oder Buchhaltung etc.

Regulatorisch

Akzeptanz der Unternehmung durch den Staat

Öffentlich

Akzeptanz der Unternehmung durch die Öffentlichkeit

Quelle: Eigene Darstellung.

Kostova & Zaheer 1999 Zimmermann & Zeitz 2002

Ruef & Scott 1998

Deephouse 1996

66

3.3.2

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Kategorisierung nach Suchman

Im Mittelpunkt des Ansatzes von Suchman steht seine Unterscheidung in drei Formen von Legitimität: pragmatisch, kognitiv und moralisch. Auch die vorliegende Arbeit wird sich an dieser Einteilung orientieren und sich insbesondere mit der moralischen Legitimität beschäftigen. Dabei liegt allen drei Formen die eingangs aufgestellte Definition von Legitimität als Wahrnehmung oder Annahme, dass die Handlungen eines Unternehmens in einem sozial konstruierten System von Werten, Normen und Regeln wünschenswert, richtig bzw. angemessen sind, zu Grunde (Suchman 1995, S. 577). Das heißt, bei Suchman hat Legitimität ihren Ursprung in der Beurteilung durch die Anspruchsgruppen bzw. durch die Gesellschaft. In dieser Arbeit kann demnach keine Aussage über die normative Legitimität einer Institution getroffen werden, wie sie von Buchanan & Keohane (2006) vertreten wird. Das heißt, es wird hier nicht analysiert, ob eine Institution formal das Recht hat, etwas zu tun, sondern, ob die Handlungen einer Institution als legitim wahrgenommen werden. Die erste Form bezieht sich darauf, ob ein politisches Mandat besteht, was bei Unternehmen nicht der Fall ist. Deshalb kann nur die zweite Form der Legitimität von Unternehmen angestrebt werden, die in der Politikwissenschaft als deskriptive oder soziologische Legitimität definiert wurde. Nachfolgend werden nun die drei Legitimitätskonzepte erläutert. Dabei sei erwähnt, dass Suchman (1995, S. 584) diese Formen nicht in einer hierarchischen Ordnung sieht und auch davon ausgeht, dass sich diese drei Formen in der Realität überlappen. Weiterhin gilt es, zwei Perspektiven zu beachten, zum einen die inhaltliche Definition der Legitimität, zum anderen die Frage, wie Unternehmen diese Form der Legitimität erreichen können.

3.3.2.1 Pragmatische und kognitive Legitimität Pragmatische Legitimität Pragmatische Legitimität basiert auf instrumentellen Überlegungen der Individuen. Das heißt, wenn Individuen in der Tätigkeit einer Unternehmung einen Vorteil für sich sehen, werden sie diese Tätigkeit als gut bewerten. Häufig resultiert pragmatische Legitimität aus einem direkten Austauschverhältnis (exchange legitimacy) zwischen dem Unternehmen und seinen Anspruchsgruppen (Suchman 1995, S. 578). Das heißt, das Unternehmen muss seine Stakeholder davon überzeugen, dass Entscheidungen, Produkte oder Prozesse notwendig und effizient sind. In dieser Hinsicht können Anspruchsgruppen von Unternehmen auch strategisch gemanagt werden, indem die Wahrnehmung einer Entscheidung oder eines Produktes durch beispielsweise Werbekampagnen manipuliert wird (Basu & Palazzo 2008, S. 126; Palazzo & Scherer 2006, S. 72). Allerdings kann pragmatische

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Legitimität auch daraus resultieren, dass die Unternehmung auf die Interessen der Stakeholder reagiert, diese berücksichtigt bzw. Anspruchsgruppen direkt in die Unternehmenspolitik einbindet (influence legitimacy). Dies kann bis hin zu einer Identifizierung der Anspruchsgruppen mit dem Unternehmen führen, wenn Stakeholder glauben, dass das Unternehmen ihre Werte teilt (dispositional legitimacy) (Suchman 1995, S. 578). Kognitive Legitimität Kognitive Legitimität kann im Allgemeinen zwei Ausprägungen haben. Zum einen kann sie aus der direkten und expliziten Unterstützung für die Handlungen einer Unternehmung entstehen, zum anderen kann sie auch aus der Akzeptanz für diese Handlungen hervorgehen (Suchman 1995, S. 582). Vor allem im zweiten Fall wird die Unternehmung als selbstverständlich und als Teil der Gesellschaft wahrgenommen, eine kritische Hinterfragung ihrer Tätigkeiten findet dabei nicht statt. Entscheidend ist, dass diese Akzeptanz der Unternehmung häufig unbewusst ist und nicht öffentlich gemacht wird. Das heißt, Individuen und Unternehmen haben bestimmte Grundannahmen verinnerlicht und konstruieren ein soziales System. Dieses spiegelt sich in ihren Handlungen wider. In diesem Sinne übernehmen Unternehmen (automatisch) eine bestimmte ihnen zugedachte Rolle in der Gesellschaft. Das heißt, Legitimität erwächst aus einem sozialen oder kulturellen Verständnis (Zimmerman & Zeitz 2002, S. 420). Aufgrund dieser kognitiven Verwurzelung ist es schwierig für Unternehmen, diese Form der Legitimität zu beeinflussen, da die jeweiligen Umstände bzw. die historische und kulturelle Verankerung einer Unternehmung die Wahrnehmung determinieren25 (Basu & Palazzo 2008, S. 126; Palazzo & Scherer 2006, S. 72; Suchman 1995, S. 582–583).

3.3.2.2 Moralische Legitimität Bei moralischer Legitimität geht es um die bewusste normative Beurteilung der Unternehmensaktivitäten. Dabei folgt diese Beurteilung moralischen Maßstäben, das heißt, es wird bewertet, ob diese Handlung aus der Perspektive des sozialen Wertegefüges der Anspruchsgruppen richtig oder falsch ist (Crane & Matten 2010, S. 8; Palazzo & Scherer 2006, S. 73; Suchman 1995, S. 579; Vaara & Tienari 2008, S. 988). Moralische Legitimität beinhaltet demnach die tatsächliche Zustimmung von Stakeholdern zu den Handlungen des Unternehmens (Palazzo & 25

Suchman (1995, S. 583) bewertet kognitive Legitimität aus diesen Gründen als die mächtigste Form der Legitimität, da sie aufgrund von „selbstverständlichen“ Annahmen gegeben wird. Allerdings kann sie nur schwer verändert werden. Moralische Legitimität hingegen kann bewusst verändert werden, indem sich das Unternehmen einer moralischen Bewertung von Seiten der Stakeholder unterzieht.

68

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Scherer 2006, S. 74, 78; Suchman 1995, S. 579). Im Gegensatz zur pragmatischen Legitimität spielt für diese Beurteilung ein persönlicher Vorteil keine Rolle. Das heißt, die Einhaltung der Regel oder Norm wird nicht vom Selbstinteresse oder von der Angst vor Sanktionen geleitet, sondern vielmehr von der Einsicht, dass eine Regel oder Norm richtig ist (Hurd 1999, S. 387). Suchman (1995, S. 580–581) unterscheidet vier Arten, inwiefern Stakeholder eine moralische Beurteilung vornehmen können. Erstens könnten Stakeholder den Output, das heißt zum Beispiel die Qualität der Produkte, bewerten. Zweitens könnten Unternehmen als moralisch gut bewertet werden, wenn sie im Produktionsprozess Techniken und Maßnahmen, die sozial als akzeptiert gelten, einsetzen und dies zum Beispiel durch Zertifizierung und Monitoring zeigen. Drittens kann eine moralische Beurteilung auch durch strukturelle Kriterien beeinflusst werden. Das heißt, inwieweit soziale Angelegenheiten in die Unternehmensstruktur eingebunden werden, zum Beispiel durch Schaffung einer Ethik-Abteilung. Viertens kann die moralische Beurteilung auch davon abhängen, inwieweit Führungskräfte als moralisch handelnd wahrgenommen werden.

3.4

Ansätze zur Erreichung unternehmerischer Legitimität

Nachdem Definitionen und Formen von Legitimität diskutiert wurden, ist es vor dem Hintergrund der Forschungsfrage wichtig, einen Blick darauf zu werfen, welche Strategien Unternehmen anwenden können, um Legitimität zu erreichen26. In der Literatur existieren verschiedene Ansätze: Suchman (1995) unterscheidet in seiner Publikation vor allem zwei Forschungsrichtungen, den neoinstitutionellen und den strategischen Ansatz. Sein eigenes Legitimitätskonzept entwickelt er auf Basis dieser beiden Ansätze und integriert jeweils verschiedene Komponenten daraus. In Anlehnung an Suchman werden in dieser Arbeit beide Ansätze vorgestellt sowie ein dritter, der so genannte ökonomische Ansatz hinzugefügt. Dieser wird in Kapitel 3.4.1 als Erstes vorgestellt, da er ein grundlegender Ansatz ist, wie Unternehmen Legitimität erreichen können, von Grolin (1998, S. 216) wird er deshalb auch als „classical model of corporate legitimacy“ bezeichnet. Daneben gibt

26

Der Prozess, wie Legitimität (als Eigenschaft) in Interaktion mit der Umwelt erreicht wird, wird auch als Legitimation bezeichnet (Bitektine 2011, S. 152; Kostova & Zaheer 1999, S. 67).

ZUR LEGITIMITÄT UNTERNEHMERISCHER HANDLUNGEN

69

es auch noch einen vierten Ansatz, wie Unternehmen Legitimität erhalten und stabilisieren können, die so genannte (Markt-)Austrittsstrategie27. „In a country in which it is systematically not possible for a corporation to operate without causing or contributing to unacceptable harm the direct implication of this passive negative duty would be for the corporation to withdraw its operations (i.e., abstaining from engaging in harmful activities).“ (Wettstein 2010a, S. 277) Die (Markt-)Austrittsstrategie ist in einem anderen Kontext auch bei Donaldson & Dunfee (1994, S. 262–263; 1999, S. 41–42) wiederzufinden, da Individuen grundsätzlich die Möglichkeit haben, die für die Gemeinschaft bindenden Normen zu akzeptieren (Konsens), dies beinhaltet auch dafür oder dagegen zu argumentieren, oder bei Nicht-Akzeptanz, die Gemeinschaft zu verlassen. Ein Beispiel aus der Unternehmenspraxis für diese (Markt-)Austrittsstrategie war der angekündigte Rückzug Googles aus China. Google hatte seine Tätigkeit zunächst freiwillig der Selbstzensur unterworfen und damit dazu beigetragen, dass die Meinungsfreiheit beschränkt wird. Später hatte das Unternehmen angekündigt, seine Inhalte nicht mehr zu zensieren und mit dem Marktaustritt gedroht. Letztlich wurde allerdings ein Kompromiss mit der chinesischen Regierung geschlossen und Google ist weiterhin in China tätig. Diese Austrittsstrategie wird im Folgenden nicht näher betrachtet, soll aber der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Grundsätzlich ist hier festzuhalten, dass jedem dieser Ansätze auch ein bestimmtes Verständnis von der Unternehmung als Organisation zugrunde liegt. Dies betrifft insbesondere die Rolle, die die Unternehmung in und gegenüber der Gesellschaft einnimmt sowie damit verbunden, die Art und Weise, ob und wie Legitimität sich aus dieser Rolle ableiten lässt. Daraus wird ersichtlich, dass sich jedem dieser Ansätze auch eine Form von Legitimität zuordnen lässt. Im Anschluss an die Darstellung dieser Ansätze soll darauf eingegangen werden, warum diese Ansätze vor dem Hintergrund der Legitimation politischer Verantwortung von MNU als ungenügend anzusehen sind. In Tab. 2 sind zudem alle im Folgenden beschriebenen Ansätze im Überblick dargestellt.

27

Pondy (1967) definiert drei Strategien, wie Individuen mit Konflikten innerhalb von Unternehmen umgehen können: Anpassung, strategische Beeinflussung und Austritt. Diese können auch auf institutionelle Akteure wie Unternehmen übertragen werden.

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Tab. 2:

Ausgewählte Ansätze zur Erreichung von Legitimität

Ansatz/ Kriterien

Ökonomischer Ansatz

Grundverständnis

Unternehmen haben eine ökonomische und gesetzliche Verantwortung

Erreichung Gewinnvon Legiti- steigerung für mität durch Shareholder

Art der Legitimität

Pragmatische/ Kognitive Legitimität

Neoinstitutioneller Ansatz

Kommunikationsorientierter Ansatz

Unternehmen sind in eine Umwelt eingebettet und beziehen von dieser Ressourcen

Unternehmen sind in ein soziales System eingebettet und werden von diesem beeinflusst

Unternehmen besitzen eine moralische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und den Stakeholdern

Effektives Management, Manipulation und Kontrolle der Stakeholder

Anpassung an die Erwartungen der Stakeholder

Initiierung eines gleichberechtigten Dialogs mit Stakeholdern

Pragmatische Legitimität

Pragmatische Legitimität

Moralische Legitimität

Strategischer Ansatz

Quelle: Eigene Darstellung.

3.4.1

Ökonomischer Ansatz

Grolin (1998, S. 216) bezeichnet diesen Ansatz als klassisches oder ökonomisches Modell der Legitimitätsgewinnung. Dabei wird die Verantwortung von Unternehmen rein auf die ökonomische Tätigkeit zurückgeführt. Insbesondere steht hier die Gewinnmaximierung als zentrale Aufgabe des Unternehmens im Vordergrund. Eine Forderung, die bereits in den 70er Jahren von Milton Friedman vertreten wurde: „[…] there is one and only one social responsibility of business–to use it [sic.] resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game, which is to say, engages in open and free competition without deception or fraud.“ (Friedman 1970) Dieser Aussage liegt das Verständnis zu Grunde, dass Unternehmen in der Gesellschaft primär ihren Anteilseignern (Shareholdern) verpflichtet sind. Solange sie in diesem Sinne handeln sowie die grundsätzlichen (Spiel-)Regeln befolgen (gemeint sind hier staatliche Rahmenbedingungen wie Gesetze), gilt ihr unternehmerisches

ZUR LEGITIMITÄT UNTERNEHMERISCHER HANDLUNGEN

71

Handeln als legitim. Nach der Kategorisierung in der Verantwortungspyramide von Carroll wären damit die legale und ökonomische Verantwortung eines Unternehmens erfüllt, eine soziale Verantwortung ließe sich daraus jedoch nicht ableiten (Carroll 1991, S. 40–41). Werden Unternehmen lediglich als ökonomische Einheiten in der Gesellschaft begriffen, ist ihre Legitimität also davon abhängig, inwieweit sie Gewinne erwirtschaften und Gesetze einhalten. Auf der Seite der Shareholder würde hier pragmatische Legitimität erreicht werden. Das heißt, wenn Shareholder von der Tätigkeit des Unternehmens durch Gewinne profitieren, sprechen sie dem Unternehmen ihr Vertrauen aus und nehmen seine Handlungen als legitim wahr (exchange legitimacy). Diese Wahrnehmung kann auch auf kognitiver Legitimität beruhen. Das heißt, Unternehmen werden aufgrund ihrer Wohlfahrtsfunktion für die Shareholder (durch Gewinne) als legitim eingestuft. Eine Beurteilung hinsichtlich moralischer Legitimität findet damit nicht statt, da entweder instrumentelle Gründe im Vordergrund stehen (pragmatisch) oder sich die Frage nach der Richtigkeit der Handlung nicht stellt, da Unternehmen als ökonomische Einheiten einer Gesellschaft wahrgenommen werden (kognitiv). Auch werden andere Anspruchsgruppen als die Shareholder als nicht relevant angesehen. Als klassische Beispiele für Unternehmen, die sich vorrangig dem Shareholder Value verpflichtet haben und damit als oberstes Ziel die Zufriedenstellung der Anteilseigner sehen, gelten Daimler Benz unter Jürgen Schrempp sowie General Electric unter Jack Welch (Simon 2009).

3.4.2

Strategischer Ansatz

Im strategischen Ansatz zur Legitimitätsgewinnung steht die Vorstellung von Legitimität als unternehmerische Ressource im Vordergrund. Dieser Ansatz entstammt der so genannten „Resource Dependence Theory“ (Pfeffer & Salancik 1978/2003; Vidaver-Cohen & BrØnn 2008, S. 446). Demnach sind Unternehmen in eine Umwelt eingebettet und stehen mit dieser auch in Interaktion (Kunden, Wettbewerber, Zulieferer etc.). Unternehmen sind weiterhin darauf angewiesen, dass sie Ressourcen von diesen Interessensgruppen beziehen. Im Gegensatz zum später skizzierten neoinstitutionellen Ansatz können Unternehmen diese Ressourcen beeinflussen, indem sie die Beziehungen mit diesen Anspruchsgruppen effektiv managen und somit ihr Überleben sichern: „Our position is that organizations survive to the extent that they are effective. Their effectiveness derives from the management of demands, particularly the demands of interest groups upon which the organizations depend for resources and support.“ (Pfeffer & Salancik 1978/2003, S. 2)

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Das heißt, die Akzeptanz bzw. Legitimität unternehmerischer Tätigkeit ist abhängig davon, wie effektiv das Management die Beziehungen zu den Anspruchsgruppen pflegt. Damit wird gleichzeitig deutlich, dass Legitimität als operative Ressource nicht nur beeinflusst, sondern auch durch das Management manipuliert und kontrolliert werden kann (Long & Driscoll 2008, S. 176; Suchman 1995, S. 576; Zimmerman & Zeitz 2002, S. 414): „Legitimation, according to this view, is purposive, calculated, and frequently oppositional.“ (Suchman 1995, S. 576) Wie später zu sehen sein wird, ist Legitimität in der neoinstitutionellen Forschung nicht willentlich beeinflussbar, sondern liegt in der Wahrnehmung der Konformität des Unternehmens mit sozialen Werten. Im Falle strategisch erreichter Legitimität wird diese Konformität mit sozialen Werten nicht verneint, sondern es wird betont, dass diese Konformität manipuliert werden kann (Dowling & Pfeffer 1975, S. 127; Long & Driscoll 2008, S. 176). Hier unterscheiden Dowling & Pfeffer (1975, S. 127) grundsätzlich drei Arten, wie diese Legitimitätsgewinnung stattfinden kann. Erstens ein Unternehmen kann seine Ziele, Verfahren und Produkte der Wahrnehmung der Anspruchsgruppen anpassen (dies wäre eher im Neoinstitutionalismus zu verorten). Zweitens ein Unternehmen kann durch Kommunikation versuchen, die Einschätzung, was Anspruchsgruppen als sozial legitim definieren, zu beeinflussen und somit erreichen, dass die Werte und Maßnahmen des Unternehmens als Maßstab für Legitimität gelten. Drittens kann ein Unternehmen ebenfalls durch Kommunikation versuchen, ein Bild zu vermitteln, dass es sich konform mit in der Gesellschaft anerkannten Symbolen, Werten oder Institutionen verhält. Ashforth & Gibbs (1990, S. 180) bezeichnen diese Form als „symbolisches Management“, das heißt, es scheint so, als würde das Unternehmen sozialen Werten entsprechen, es bleibt aber fraglich, ob sich dies tatsächlich so verhält. Long & Driscoll (2008, S. 178) haben in ihrer Studie untersucht, inwiefern Codes of Conduct zu Legitimität führen. Eine mögliche Erklärung wäre, dass Manager Codes of Conduct weniger als Ausdruck einer klaren sozialen Positionierung (was Suchman als moralische Legitimität bezeichnet) formulieren, sondern als Instrument sehen, um Vertrauen und Unterstützung bei den Anspruchsgruppen zu erreichen. Jedoch haben gerade diese Stakeholder wenig Einfluss darauf, welche sozialen oder kulturellen Werte die Unternehmen in ihrem Code of Conduct festschreiben (Long & Driscoll 2008, S. 176). Als Beispiel für die Legitimitätsgewinnung durch strategische Manipulation könnte der britische Konzern BP herangezogen werden. Dieser hatte sich in den letzten Jahren das Image eines „grünen“ Ölkonzerns aufgebaut und unter anderem den Konzernnamen von „British Petrol“ in „Beyond Petroleum“ umgewandelt sowie mit einer grünen Sonnenblume geworben. Die Glaubwürdigkeit dieses Selbstan-

ZUR LEGITIMITÄT UNTERNEHMERISCHER HANDLUNGEN

73

spruches wurde angesichts der Ölkatastrophe 2010 im Golf von Mexiko in Zweifel gezogen. Bereits zuvor gab es immer wieder Vorfälle, die auf eine mangelnde Sicherheitslage hindeuteten, u.a. bei einer Explosion einer Raffinerie in Texas oder einem Pipelinebruch in Alaska (Niederberger 2010; Schmitt 2010). Die Reaktion auf den Untergang der Bohrinsel Deepwater Horizon und das austretende Öl war zunächst passiv: BP verneinte, dass Öl austreten würde bzw. machte unklare Angaben über die Austrittsmengen und wies zunächst seine Verantwortung für die Katastrophe zurück (Werner, Ruch & Kroder 2010). Dies lässt darauf schließen, dass der Konzern die Wahrnehmung der Öffentlichkeit manipulieren wollte. In Folge der Ausweitung der Katastrophe und des Drucks von der US-Regierung sowie der Öffentlichkeit war BP jedoch gezwungen, diese Strategie aufzugeben. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es im strategischen Ansatz im Wesentlichen um die Schaffung pragmatischer Legitimität geht. In diesem Fall versucht das Unternehmen, die Meinungen der Stakeholder dahingehend zu beeinflussen, dass sie glauben, das Unternehmen würde richtig handeln und sie würden von diesen Tätigkeiten profitieren (instrumentell).

3.4.3

Neoinstitutioneller Ansatz

Neben der strategischen Manipulation haben Unternehmen auch die Möglichkeit, sich an ihre Umwelt und damit an die Erwartungen von Stakeholdern anzupassen, um Legitimität zu erreichen. In der Forschung wird dieses Verhalten im Bereich des Neoinstitutionalismus verortet. Der Neoinstitutionalismus beschäftigt sich mit der Analyse von Institutionen28 und kommt in verschiedenen Disziplinen zur Anwendung (Politikwissenschaft, Soziologie, Wirtschaftswissenschaft, etc.) (Powell & DiMaggio 1991). Diese Arbeit setzt sich im Besonderen mit der Forschung im Bereich Organisationstheorie auseinander. Hier wird zunächst die Forschungsfrage gestellt, warum Organisationen bzw. Organisationsstrukturen bestehen. Die Erkenntnisse aus dem neoinstitutionellen Ansatz sind für diese Arbeit bedeutend, da sich einhergehend mit der Frage nach der Existenz von Organisationen auch eine Aussage über die Erreichung von Legitimität von Organisationen ableiten lässt. Im Mittelpunkt neoinstitutioneller Ansätze steht die Vorstellung, dass Unternehmen in ein soziales System eingebettet sind und dass dieses System die Organisation beeinflusst bzw. Druck auf diese ausübt (vgl. u.a. DiMaggio & Powell 1983; Tempel & Walgenbach 2007; Zucker 1987). Erklärung für die Existenz und Stabilität von Organisationen bzw. von bestimmten Organisationsstrukturen ist daher 28

Unter dem Begriff der Institution werden neben Unternehmen auch Regierungen, Gerichte, Gesetze, Normen, Regelungen, Anreizstrukturen sowie Berufe bezeichnet (Matten & Moon 2008, S. 406; Oliver 1991, S. 147).

74

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

im Neoinstitutionalismus, dass sich Organisationen an in der Gesellschaft institutionalisierte Prozesse, Erwartungen und Werte anpassen und diese in ihre operative und strategische Tätigkeit aufnehmen. Dieses Verhalten wird daher auch als passiv eingestuft. Entscheidend ist, dass diese Anpassung unabhängig davon stattfindet, ob diese Verfahren oder Prozesse als effizient angesehen werden. Im Unterschied zu Arbeiten aus der Neuen Institutionenökonomik lässt sich die Existenz von Unternehmen also nicht aus dem Effizienzkriterium ableiten, sondern aus der Fähigkeit, gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen (Meyer & Rowan 1977, S. 340–341; Salorio, Boddewyn & Dahan 2005, S. 33; Tempel & Walgenbach 2007, S. 2–3; Zimmerman & Zeitz 2002, S. 416) „Under some conditions, these pressures lead the organization to be guided by legitimated elements, from standard operating procedures to professional certification and state requirement, which often have the effect of directing attention away from task performance. Adoption of these legitimated elements, leading to isomorphism with the institutional environment, increases the probability of survival.“ (Zucker 1987, S. 443) Das heißt, Unternehmen bestehen, weil sie sich konform mit sozialen Regeln und Gesetzen verhalten und auf diese Weise Unterstützung bzw. Legitimität aus der Gesellschaft erhalten und ihr Überleben sichern (Oliver 1991, S. 148; Zucker 1987, S. 443). Aus neoinstitutioneller Sicht ist Legitimität demnach ein Konstrukt von Grundsätzen und Werten, die in der Umwelt vorherrschen und auf deren Basis eine Bewertung der Unternehmenstätigkeit vorgenommen wird (Suchman 1995, S. 576). Das Unternehmen hat allerdings im Unterschied zum vorher diskutierten strategischen Ansatz keine Möglichkeit, diese Wahrnehmung selbst zu beeinflussen und ist daher eine Funktion seiner Umwelt. Daraus wird auch ersichtlich, warum eine Steigerung der Effizienz von Unternehmen nicht zwangsläufig zu einer positiven Beurteilung der Unternehmenstätigkeit und damit ihrer Legitimität führt (Meyer & Rowan 1977, S. 340–341; Tempel & Walgenbach 2007, S. 2–3; Zucker 1987, S. 445). Innerhalb des Neoinstitutionalismus haben sich weitere Forschungsstränge entwickelt, die jeweils zu klären versuchen, welchen institutionellen Einflüssen Organisationen unterworfen sind (vgl. DiMaggio & Powell 1983; Meyer & Rowan 1977; Zucker 1987). Insbesondere DiMaggio & Powell (1983) haben drei Mechanismen identifiziert, die erklären können, warum sich Organisationsstrukturen verändern bzw. angleichen. Im Hinblick auf das Ziel der Legitimität ist hier vor allem ein Mechanismus, Zwang durch Isomorphie, hervorzuheben, dem die Annahme zu Grunde liegt, dass durch Isomorphie, also Anpassung, Legitimität erreicht werden kann (Deephouse & Carter 2005, S. 333). Deephouse & Carter (2005, S. 346) ha-

ZUR LEGITIMITÄT UNTERNEHMERISCHER HANDLUNGEN

75

ben unter anderem in ihrer empirischen Studie29 bestätigt, dass isomorphes Verhalten einen positiv signifikanten Effekt auf öffentliche Legitimität 30 von Unternehmen hat. Im engeren Sinne bedeutet das, dass Anspruchsgruppen oder andere Organisationen (z.B. der Staat) auf Unternehmen Druck ausüben, damit diese ihre Handlungen in einer gewissen Weise verändern und damit ihren Erwartungen entsprechen (DiMaggio & Powell 1983, S. 150). Hintergrund ist, dass dieses Verhalten das Überleben von Unternehmen und insbesondere den Zugang zu Ressourcen sichert und daher dem Druck nachgeben wird (Ashforth & Gibbs 1990, S. 177; Zimmerman & Zeitz 2002, S. 417; Zucker 1987, S. 443, 445). Isomorphes Verhalten muss aber nicht bedeuten, dass Unternehmen diese Erwartungen tatsächlich verinnerlichen. Dieses Phänomen wird in der Organisationstheorie und im Speziellen der neoinstitutionellen Theorie mit dem Begriff „Entkopplung“ bezeichnet und tritt insbesondere dann auf, wenn Erwartungen der Stakeholder und Interessen des Managements nicht deckungsgleich sind. Das heißt, Unternehmen geben nach außen vor, nach bestimmten gesellschaftlichen Werten zu handeln, verändern auch ihre interne Struktur dementsprechend, ihre täglichen Arbeitsprozesse entsprechen allerdings nicht diesem Anspruch. Ähnlich wie im strategischen Ansatz geht es lediglich um eine „symbolische“ Lösung (vgl. hierzu u.a. Behnam & MacLean 2011, S. 48–49; Jamali 2010). Ein weiteres Problem könnte sein, dass Anspruchsgruppen möglicherweise unterschiedliche oder im Konflikt stehende Werte und Ansprüche vertreten. Für Unternehmen ist es dann schwierig zu entscheiden, welcher Erwartung zu folgen ist (Ashforth & Gibbs 1990, S. 177). Allgemein kann festgehalten werden, dass im neoinstitutionellen Ansatz pragmatische Legitimität erreicht wird. Das Unternehmen wird durch sein äußeres Umfeld bestimmt und passt sein Verhalten aufgrund von institutionellem Druck den gesellschaftlichen Erwartungen an. Damit wird nicht nur auf die Ansprüche der Stakeholder reagiert, sondern diese werden auch befriedigt (influence legitimacy). Ein Beispiel für diese Art der Legitimitätsgewinnung könnte das USamerikanische Unternehmen Nike und der Skandal um Sweatshops sein. In den 1990er Jahren wurde von Aktivisten aufgedeckt, dass in Produktionsstätten von Zulieferern von Nike Arbeitsbedingungen nicht den sozialen Mindeststandards entsprachen. Dies betraf zum Beispiel die Zahlung von Niedriglöhnen oder die Arbeit von Kindern in der Produktion. Zunächst wurde der Kritik an den Arbeitsbedingungen von Seiten Nike nicht begegnet (defensive Strategie). Nachdem der Druck von der öffentlichen Seite größer wurde, nahm Nike die Kritik an und führ29

30

Deephouse & Carter (2005, S. 336) haben in ihrer Studie den Geschäftsbankensektor in der Minneapolis-Saint Paul Metropolitan Area, USA, im Zeitraum von 1985 bis 1992 untersucht. Normative (moralische) Legitimität hat mehrere Dimensionen. Bei Deephouse & Carter (2005, S. 339–341) wird normative Legitimität auf Basis einer Inhaltsanalyse von Mediendaten gemessen und in der Folge als „öffentliche Legitimität“ bezeichnet.

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

te zunächst externe Audits in seinen Produktionsstätten durch (Cushman 1998; Zadek 2004, S. 128). In Folge des erhöhten Drucks der Aktivisten gründete Nike auch eine Abteilung, die sich um das Management der Arbeitsbedingungen in der Wertschöpfungskette kümmern sollte. Inzwischen hat Nike soziale Verantwortung in die Geschäftstätigkeiten integriert und versucht damit nicht reaktiv, sondern proaktiv Fragen der sozialen Verantwortung zu adressieren und als Vorbild in der Branche zu agieren (Zadek 2004, S. 129–130, 132). In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise 2006 der Vertrag mit einem Zulieferer in Pakistan gekündigt, da dieser sich nicht an soziale Mindeststandards gehalten hatte (o. A. 2006). Zadek (2004) bezeichnet diese Anpassung im Verhalten von Nike als Prozess des sozialen Lernens. Dieser Prozess wurde vermutlich durch den Druck der Öffentlichkeit und die Stakeholder bedingt.

3.5

Notwendigkeit eines kommunikationsorientierten Ansatzes

Nach der Auffassung dieser Arbeit sind die bisher skizzierten Ansätze: ökonomisch, strategisch sowie neoinstitutionell ungenügend, um politische Verantwortung von MNU zu legitimieren, da sie nur zur Erreichung pragmatischer oder kognitiver Legitimität führen. Im Fall des ökonomischen Ansatzes wird erwartet, dass Unternehmen gewinnorientiert wirtschaften und sich gesetzeskonform verhalten. Wird dies erfüllt, profitieren die Shareholder und das MNU kann pragmatische oder kognitive Legitimität erreichen. Eine weitergehende Verantwortung des MNU gegenüber Stakeholdern wird verneint. Im strategischen Ansatz geht es zwar stärker um eine Pflege der Beziehungen zu den Stakeholdern, die als wichtig für das unternehmerische Überleben angesehen werden; jedoch werden diese strategisch beeinflusst bzw. sogar manipuliert. Es geht nicht darum, Stakeholder wirklich in die Unternehmensentscheidungen einzubinden, um eine moralische Beurteilung und damit eine Bewertung über die Richtigkeit einer Handlung zu erhalten. Stattdessen geben Unternehmen ihr Verständnis von Moralität vor und manipulieren Stakeholder in ihrem Selbstinteresse, so dass diese das unternehmerische Handeln als legitim wahrnehmen (pragmatische Legitimität). Auch im neoinstitutionellen Ansatz werden Stakeholder nicht in Unternehmensentscheidungen eingebunden. Erst nach dem Konflikte entstanden sind, wird eine Anpassung des Verhaltens von Seiten des Unternehmens in Erwägung gezogen. Das heißt, das Unternehmen reagiert hier auf institutionellen Druck, der groß genug sein muss, um die Legitimität des Unternehmens zu gefährden (z.B. in Form von rückläufigen Umsatzzahlen). In diesem Sinne wird im Nachhinein pragmatische Legitimität für eine Handlung geschaffen, indem das Verhalten für die Zukunft angepasst wird.

ZUR LEGITIMITÄT UNTERNEHMERISCHER HANDLUNGEN

77

Im Hinblick auf politische Verantwortung von MNU muss stattdessen moralische Legitimität geschaffen werden. Politische Verantwortung von MNU betrifft zum einen die Übernahme staatlicher (öffentlicher) Aufgaben durch MNU. Das heißt, die Bereitstellung von Bildungs- oder Gesundheitsleistungen, aber auch die Förderung bzw. Nicht-Förderung der Menschenrechte oder des Umweltschutzes. Zum anderen zeigt sich politische Verantwortung von MNU darin, dass sie in globale Governance-Prozesse eingebunden sind (Multi-Stakeholder Netzwerke) und gemeinsam mit anderen staatlichen und nicht staatlichen Akteuren Regelungen für die globale Wirtschaftstätigkeit treffen. Politische Verantwortung wird hier vor dem Hintergrund der Theorie von Habermas (1996, S. 158ff., 170) interpretiert, der politische Entscheidungen als moralische Entscheidungen wahrnimmt, da sie ein öffentliches Interesse berühren. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, Normen für das Unternehmenshandeln kollektiv mit den betroffenen Stakeholder Gruppen zu entwickeln. Denn laut Habermas (1996; 1999) bildet sich ein Verständnis von Moralität in der Kommunikation mit allen Betroffenen. Dementsprechend kann eine moralische Legitimität für politische Verantwortung nur im Diskurs mit allen Anspruchsgruppen erreicht werden. Dieser Dialog gibt Stakeholdern die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern und gemeinsam mit Unternehmensvertretern zu entscheiden, welche moralischen Normen maßgebend sind. In diesem Zusammenhang weist auch Suchman (1995, S. 585) darauf hin, dass das Initiieren eines Dialogs zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen dabei helfen kann, eine moralische Beurteilung von Seiten der Anspruchsgruppen zu fördern, indem man sich in einem Diskurs austauscht. Ein Blick auf die Literatur zeigt, dass Dialoge mit Anspruchsgruppen ein Baustein des Stakeholder Managements sind. Jedoch gibt es in der unternehmerischen Praxis bisher keine einheitliche Form für Dialoge mit Stakeholdern. In diesem Sinne muss analysiert werden, inwieweit Stakeholder Dialoge die Möglichkeit bieten, moralische Legitimität herzustellen.

79

4.

Stakeholder Dialoge im Rahmen des Stakeholder Managements

Im Rahmen von Kapitel 4 wird zunächst die Entwicklung der Stakeholder Theorie skizziert, bevor auf den Prozess des Stakeholder Managements näher eingegangen wird. Ziel ist es, den Stakeholder Dialog als Instrument im Bereich des Stakeholder Managements zu verorten und zu zeigen, welche verschiedenen Arten des Stakeholder Dialogs in Theorie und Praxis bekannt sind. Darüber hinaus soll ein Überblick über die Forschung zu Stakeholder Dialogen gegeben werden. Hier wird deutlich werden, dass die Theorie der deliberativen Demokratie bereits auf Stakeholder Dialoge angewendet wird, die bisherige Forschung sich allerdings zu wenig mit den praktischen Implikationen beschäftigt.

4.1

Entwicklung der Stakeholder Theorie

4.1.1

Ursprung und Status Quo der Stakeholder Theorie

Die akademische Diskussion zur Rolle der Stakeholder für ein Unternehmen begann im Jahre 1963 mit der ersten Definition durch das Stanford Research Institute (SRI) (Donaldson & Preston 1995, S. 72; Mitchell, Agle & Wood 1997, S. 858; Parmar et al. 2010, S. 405). Dabei hat das SRI vor allem betont, dass die Unterstützung von Stakeholdern essentiell für das Überleben von Unternehmen ist (Freeman et al. 2010, S. 30–32). Wegweisend für die Entwicklung hin zu einer Stakeholder Theorie ist allerdings eine Diskussion im Strategischen Management, vor allem in der Literatur zur strategischen Planung31. Dabei wurden nicht nur Stakeholder Gruppen als wichtig für das Unternehmen identifiziert, sondern auch bereits auf die Bedeutung von Stakeholder Beziehungen verwiesen (Freeman et al. 2010, S. 31ff.). Eine begriffliche Präzisierung des Begriffes Stakeholder geht auf Freeman zurück, der die bis heute bekannteste und gängigste Definition liefert: „A stakeholder in an organization is (by definition) any group or individual who can affect or is affected by the achievement of the organization’s objectives.“ (Freeman 1984, S. 46)

31

Einen Überblick zur Diskussion im Rahmen der strategischen Planung geben Freeman et al. (2010, S. 31ff.).

80

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Demnach umfasst der Stakeholder Begriff alle, die von Unternehmenshandlungen betroffen sind bzw. selbst einen Einfluss auf das Unternehmen ausüben können. Während das Interesse („stake“) dieser Anspruchsgruppen am Unternehmen nicht ausschließlich in einem finanziellen Zusammenhang gesehen wird (Burchell & Cook 2008, S. 35; Freeman 1984, S. 59; Van de Kerkhof 2006, S. 280), hat die Berücksichtigung dieser Interessen auf Unternehmensseite für Freeman vor allem eine strategische Bedeutung: „The stakeholder concept provides a new way of thinking about strategic management – that is, how a corporation can and should set and implement direction.“ (Freeman 1984, S. vi) Weiterhin wird erwartet, dass eine Berücksichtigung von Stakeholder Interessen positive Auswirkungen auf das finanzielle Ergebnis eines Unternehmens hat: „Each of these groups [stakeholder groups] plays a vital role in the success of the business enterprise in today’s environment.“ (Freeman 1984, S. 25) Insbesondere die Arbeit von Freeman (1984) hat die Entwicklung zu einer Stakeholder Theorie hinreichend beeinflusst und gefördert32. Dabei gibt es allerdings bis heute keine klare Definition, was Stakeholder Theorie bedeutet. Außerdem ist nicht abschließend geklärt, ob der Stakeholder Theorie tatsächlich der Status einer Theorie zuerkannt werden soll (Freeman et al. 2010, S. 63). In der Folge wird häufig nur über Grundannahmen oder Ziele der Stakeholder Theorie gesprochen. Auch Freeman et al. (2010) sehen die Stakeholder Theorie nicht als Theorie33 im eigentlichen Sinne: „We see “stakeholder theory” as a “framework,” a set of ideas from which a number of theories can be derived. And we often use “stakeholder theory” to refer to the rather substantial body of scholarship which depends on the centrality of the stakeholder idea or framework.“ (Freeman et al. 2010, S. 63) Dabei geben Freeman et al. (2010, S. 63–64, 224) absichtlich eine generische Definition, da die Stakeholder Theorie nicht spezifisch ist, sondern verschiedenste Bereiche adressiert und auch als Management Theorie gelten kann. Im Gegensatz dazu leitet Stieb (2009) in seiner Analyse des Werkes von Freeman eine stärker inhaltliche Definition der Stakeholder Theorie ab:

32

33

Freeman (1984, S. 31–49) selbst hat in seinem Hauptwerk von 1984 die Begriffe Stakeholder Konzept, Ansatz und Modell benutzt (vgl. auch Belal 2002, S. 11). Für die Stakeholder Theorie gilt im engeren Sinne nicht die Definition einer Theorie als „[…] connected sets of testable propositions“ (Freeman et al. 2010, S. 63).

STAKEHOLDER DIALOGE IM RAHMEN DES STAKEHOLDER MANAGEMENTS

81

„Freeman defines stakeholder theory here as: Redistribute benefits to stakeholders, and Redistribute important decision-making power to stakeholders.“ (Stieb 2009, S. 405) Diese Definition fordert, dass Manager neben der Verantwortung gegenüber Shareholdern auch eine Pflicht gegenüber weiteren Anspruchsgruppen (Stakeholdern) zu erfüllen haben. Darüber hinaus sollen Stakeholder Gruppen aufgrund ihres Interesses am Unternehmen auch ein Gewicht in der unternehmerischen Entscheidungsfindung bekommen (Stieb 2009, S. 405). Damit reagiert die Stakeholder Theorie auch auf die Prämissen des so genannten Shareholder Value Ansatzes, der als Gegenbewegung zur Stakeholder Theorie verstanden werden kann. Der Shareholder Value Ansatz geht im Wesentlichen auf die Arbeiten von Rappaport (1986/1998) zurück und vertritt die Auffassung, dass Unternehmen ökonomische Einheiten sind und deshalb ihre Aufgabe in der Wertmaximierung für ihre Anteilseigner besteht (Sundaram & Inkpen 2004). Laut Rappaport (1986/1998, S. 7) sowie Sundaram & Inkpen (2004, S. 353f.) kann dieser (finanzielle) Wert eines Unternehmens nur durch effizientes Wirtschaften geschaffen werden, wovon auch andere Anspruchsgruppen (z.B. in Form von Sicherung der Arbeitsplätze) ökonomisch profitieren würden. Diese vorrangige Verantwortung wird ferner daraus begründet, dass Shareholder ein finanzielles Risiko mit ihrer Kapitaleinlage34 tragen (Boatright 1996, S. 221). Eine Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit an Stakeholder Interessen wird dagegen von Vertretern des Shareholder Value kritisch gesehen, weil sie unterstellen, dass ein Unternehmen nicht alle Stakeholder Ansprüche zugleich zufrieden stellen kann (Sundaram & Inkpen 2004, S. 354–355). Im Unterschied dazu ist es gerade die Auffassung der Stakeholder Theorie, dass die Berücksichtigung anderer Anspruchsgruppen notwendig für das Überleben eines Unternehmens ist. Das heißt, wenn sich ein Unternehmen nicht langfristig auch um die Stakeholder Interessen kümmert, kann es auch die Interessen der Shareholder nicht adäquat bedienen (Morsing & Schultz 2006, S. 324–325; Vranceanu 2005, S. 99). Zudem kann argumentiert werden, dass nicht nur Shareholder in ein Unternehmen Ressourcen bzw. Kapital investieren, sondern auch andere Gruppen wie Mitarbeiter (Human- oder Sozialkapital) oder Gemeinden (Bereitstellung von Infrastruktur, Steuervergünstigungen) (Etzioni 1998, S. 681ff.). Die Ideen der Stakeholder Theorie haben mittlerweile vor allem Eingang in die Organisationstheorie und Unternehmensethik gefunden (Laplume, Sonpar & Litz 2008, S. 1156–1158; Phillips, Freeman & Wicks 2003, S. 480), sie sind allerdings 34

Der Anspruch, der durch die Kapitaleinlage entsteht, wird in der Literatur auch als Verfügungsrecht bezeichnet (Etzioni 1998, S. 680).

82

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

auch in den Finanzwissenschaften, im Rechnungswesen sowie im Marketing vorzufinden (Parmar et al. 2010, S. 419–427). Dabei ist für diese Arbeit vor allem die Bedeutung für den Forschungsbereich der Unternehmensethik herauszustellen. Stakeholder Theorie gilt als ein Forschungsstrang innerhalb der Diskussion um CSR (Basu & Palazzo 2008, S. 122). Mit Hilfe der Stakeholder Theorie kann begründet werden, warum MNU nicht nur eine Verpflichtung gegenüber Shareholdern haben, sondern auch Interessen von Stakeholder Gruppen berücksichtigen und in unternehmerisches Handeln einbinden sollten.

4.1.2

Forschungsbereiche der Stakeholder Theorie

Als erste Autoren haben Donaldson & Preston (1995, S. 66–67) eine Analyse der Stakeholder Theorie geliefert. Sie zeigen, dass sich Stakeholder Beziehungen in einem Unternehmen aus drei verschiedenen Perspektiven analysieren sowie begründen lassen: deskriptiv, normativ und instrumentell. Daneben wird auch noch auf eine vierte Perspektive, die des Stakeholder Managements hingewiesen (Donaldson & Preston 1995, S. 66–67). Diese Kategorisierung wurde dahingehend interpretiert, dass sie zu einer Einteilung in verschiedene Forschungsbereiche der Stakeholder Theorie geführt hat (Egels-Zandén & Sandberg 2010, S. 37). So wird in der unternehmensethischen Literatur zwischen deskriptiver (Jawahar & MacLaughlin 2001; Maranville 1989), instrumenteller (Jones 1995) und normativer Forschung (Bowie 1999; Evan & Freeman 1993; Hendry 2001; Reed 1999a) unterschieden. Auch gibt es Forschungsarbeiten, die versuchen zwei Theoriestränge zu integrieren (normativ und instrumentell) (Jones & Wicks 1999). Donaldson & Preston (1995, S. 74) weisen darauf hin, dass die drei Stränge der Stakeholder Theorie nicht losgelöst voneinander zu betrachten sind. Vielmehr bildet die normative Perspektive den Kern der Theorie, der in einer kreisförmigen Darstellung von instrumenteller und deskriptiver Theorie umhüllt wird. Das heißt, auf Basis einer bestimmten moralischen Vorstellung, werden Stakeholder Beziehungen im Unternehmen gemanagt (normativ). Hier kann im Folgenden eine Aussage darüber getroffen werden, ob diese Beziehungen einen Einfluss auf andere Kenngrößen des Unternehmens haben (instrumentell) bzw. die Art dieser Beziehungen kann auch nur beschrieben und erklärt werden (deskriptiv). Zwar ist die Dreiteilung der Theorie, wie sie von Donaldson & Preston vorangetrieben wurde, sehr anerkannt, jedoch nicht ohne Kritik geblieben (Egels-Zandén & Sandberg 2010, S. 35–36; Kaler 2003). Egels-Zandén & Sandberg (2010, S. 36) kritisieren, dass die Kategorien der Autoren zu eng gefasst und nicht trennscharf sind sowie vor allem die Bedeutung des normativen Strangs als Kernaspekt hervorgehoben wird. In dieser Hinsicht kritisiert Kaler (2003, S. 72ff.), dass deskriptiv, instrumentell und normativ nur unterschiedliche Anwendungen derselben Theorie darstellen. Eine

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83

Differenzierung in drei Theorien würde sich jedoch nur ergeben, wenn sich die Inhalte unterscheiden würden. Das bedeutet, unterschiedliche Stakeholder Theorien müssten unterschiedliche Grade von Verantwortung gegenüber Stakeholdern bestimmen. Zum Beispiel, ob Stakeholdern grundsätzlich dieselbe Verantwortung entgegengebracht wird wie Shareholdern. Im nächsten Punkt werden zunächst die drei Forschungsbereiche deskriptiv, instrumentell und normativ betrachtet, bevor das Verhältnis zwischen Stakeholder Theorie und Stakeholder Management näher bestimmt werden soll. Deskriptive Forschung Deskriptive Stakeholder Theorie hat das Ziel, unternehmerisches Verhalten zu beschreiben und zu erklären (Ist-Zustand). Es wird dabei beobachtet, wie Unternehmen ihre Verantwortung in der Praxis wahrnehmen, welche Interessen und Ansprüche vorherrschen und ob diese gleichgerichtet sind oder im Wettbewerb zueinander stehen. Auch geht es darum zu zeigen, wie Stakeholder Ansprüche gemanagt werden. Dabei gilt es zu beachten, dass die Berücksichtigung von Stakeholder Ansprüchen auch gesetzlich vorgeschrieben sein kann (vgl. hier z.B. Mitbestimmung von Arbeitnehmern im deutschen Aufsichtsrat; Donaldson & Preston 1995, S. 70, 75–76). In der deskriptiven Stakeholder Theorie können konzeptionelle und empirische Arbeiten unterschieden werden. Auf konzeptioneller Seite sei exemplarisch auf die Forschung von Jawahar & MacLaughlin (2001) hinzuweisen, die ein Modell entwickelt haben, das beschreibt, welche Stakeholder wichtig für ein Unternehmen sind, zu welchem Zeitpunkt sie wichtig sind und wie Unternehmen damit umgehen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei ein Lebenszyklus Modell von Unternehmen, das aus den Phasen Gründung, Wachstum, Reife und Niedergang bzw. Wiederbelebung besteht. Zentrale These ist, dass je nach Unternehmensstadium bestimmte Stakeholder Gruppen als relevant bzw. kritisch zu erachten sind. Diese Wichtigkeit wird entscheidend danach bestimmt, inwieweit Stakeholder Gruppen Zugang zu Ressourcen, von denen Unternehmen abhängig sind, kontrollieren (vgl. hier auch die „Resource Dependence Theory“; Jawahar & MacLaughlin 2001, S. 397–401). Folglich bestimmt die Wichtigkeit der Stakeholder für das Unternehmen auch die Art des Stakeholder Managements (Jawahar & MacLaughlin 2001, S. 404–405). Was die empirische Forschung angeht, so gibt es zum Beispiel einige Studien, die in einem bestimmten länderspezifischen Kontext untersuchen, wer die Stakeholder der Unternehmen sind, welche Stakeholder als wichtig erachtet werden und wie Stakeholder gemangt werden (vgl. u.a. eine Übersicht bei Jamali 2008, S. 217–219). Außerdem sind in den Bereich der deskriptiven empirischen Stakeholder Forschung Untersuchungen einzuordnen, die versuchen herauszufin-

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

den, wie Unternehmen (Manager) Stakeholder Interessen wahrnehmen bzw. ob dem Shareholder Value ein Vorrang eingeräumt wird (Donaldson & Preston 1995, S. 75; Posner & Schmidt 1984). Donaldson & Preston (1995, S. 77) geben allerdings zu bedenken, dass aus der deskriptiven Stakeholder Theorie, das heißt der Beobachtung und Datenerhebung, ob und wie Unternehmen Stakeholder Interessen managen, keine Grundlage zur Bewertung des Stakeholder Managements gegeben werden kann („naturalistic fallacy“). Instrumentelle Forschung Forschungsarbeiten, die der instrumentellen Stakeholder Theorie zuzuordnen sind, versuchen im Unterschied zur deskriptiven Forschung eine Verbindung zwischen dem Einsatz des Stakeholder Managements und der finanziellen Leistung eines Unternehmens herzustellen (Donaldson & Preston 1995, S. 67; Egels-Zandén & Sandberg 2010, S. 39). Dabei können in der Literatur konzeptionelle sowie empirische Arbeiten zur instrumentellen Stakeholder Theorie identifiziert werden. Auf konzeptioneller Seite sei exemplarisch auf die Arbeiten von Hill & Jones (1992) sowie Jones (1995) verwiesen, die versuchen, eine theoretische Basis bzw. Erklärung für den instrumentellen Ansatz zu finden. Ausgangspunkt dieser Forschungsarbeiten sind zunächst Erkenntnisse aus der Neuen Institutionenökonomik, die das Unternehmen als „Nexus von Verträgen“ konstituieren. Im Unterschied zur klassischen Theorie werden diese Verträge auch auf Nicht-Shareholder (Stakeholder) ausgedehnt (Jones 1995, S. 408ff.). Vor diesem Hintergrund werden Manager nicht nur als Prinzipal der Shareholder, sondern als Prinzipal aller Stakeholder betrachtet (Jones 1995, S. 409–410; 423). In Bezug auf die empirische Forschungslandschaft überwiegen Arbeiten, die in ihrer empirischen Analyse ein ganzheitliches und zugleich multidimensionales Konstrukt von sozialer Leistung, das vor allem unter dem Begriff der „Corporate Social Performance“ (CSP)35 bekannt ist, verwenden und auf seine Auswirkungen hinsichtlich der „Corporate Financial Performance“ (CFP) testen (vgl. hier Stu35

Der Begriff CSP wurde von Wartick & Cochran (1985) und später vor allem von Wood (1991) geprägt und versteht sich als „a business organization’s configuration of principles of social responsibility, processes of social responsiveness, and policies, programs, and observable outcomes as they relate to the firm’s societal relationships“ (Wood 1991, S. 693). Stakeholder Management wird dabei zu den Prozessen der Corporate Social Responsiveness gezählt (Wood 1991, S. 694). Zwar wird das Konstrukt der CSP in den oben genannten empirischen Arbeiten verwendet, aufgrund der Komplexität des Konstrukts wird allerdings zur empirischen Messung meistens nur ein Bereich (entweder Prinzipien, Prozesse oder Ergebnisse) von CSP getestet. Dies hat auch zur Folge, dass die Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen (Waddock & Graves 1997, S. 304–305).

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dien von Mackey, Mackey & Barney 2007; Margolis & Walsh 2003; Orlitzky, Schmidt & Rynes 2003; Waddock & Graves 1997). Stakeholder Management gilt dabei als ein Bestandteil von CSP und wird lediglich indirekt gemessen (Wood 1991, S. 694). Die Metastudien von Margolis & Walsh (2003, S. 274) sowie Orlitzky, Schmidt & Rynes (2003, S. 415) kommen zu dem Ergebnis, dass in den Untersuchungen die Feststellung eines positiven Zusammenhangs zwischen CSP und CFP überwiegt. Jedoch gibt es auch Studien, die einen nicht signifikanten oder einen negativen Effekt unterstellen. In einer Studie von Van der Laan, Van Ees & Witteloostuijn (2008, S. 307) wird dabei eine differenziertere Aussage zum Zusammenhang getroffen. So zeigen die Autoren, dass vor allem eine schlechte soziale Leistung (z.B. die Vernachlässigung von Stakeholder Interessen) negativ auf die finanzielle Leistung wirkt. Hingegen eine gute soziale Leistung (z.B. durch die bewusste Einbindung von Stakeholder Interessen) die finanzielle Leistung nur marginal berührt. Empirische Arbeiten, die einen direkten Zusammenhang zwischen den Variablen Stakeholder Management und finanzieller Leistung (CFP) testen, sind in der Forschung seltener, was Donaldson & Preston (1995, S. 77–78) sowie Hillman & Keim (2001, S. 130) auch darauf zurückführen, dass größtenteils reliable bzw. quantifizierbare Indikatoren zum Stakeholder Management fehlen36. Somit ist auch eine Vergleichbarkeit empirischer Studien eingeschränkt, da häufig unterschiedliche Messmethoden angewendet werden (Egels-Zandén & Sandberg 2010, S. 43). Dennoch beweisen einige Studien, dass die empirische Analyse eines Zusammenhangs nicht unmöglich ist (vgl. hierzu die Arbeiten von Agle, Mitchell & Sonnenfeld 1999, Berman et al. 1999 sowie Hillman & Keim 2001). Normative Forschung Normative Stakeholder Theorie zielt darauf ab, moralische Gründe aufzuzeigen, warum Unternehmen Stakeholder Interessen berücksichtigen sollten. Dabei unterstellt die normative Stakeholder Theorie, dass Stakeholder ein legitimes Interesse am Unternehmen haben sowie ihrem Anspruch ein intrinsischer (moralischer) Wert zugesprochen werden kann. Des Weiteren sollen aus der normativen Perspektive Handlungsanleitungen gegeben werden, wie Unternehmen sich auf Basis 36

In den existierenden empirischen Analysen wird der Kinder, Lydenberg, Domini (KLD) Index als Messgröße für Stakeholder Performance verwendet (Berman et al. 1999; Hillman & Keim 2001; Van der Laan, Van Ees & Witteloostuijn 2008; Waddock & Graves 1997). KLD ist ein Forschungs- und Beratungsunternehmen, das ein Rating von Unternehmen hinsichtlich ihrer CSP herausgibt. Dabei bezieht sich das Rating auf neun Dimensionen der sozialen Leistung, zu diesen gehören u.a. Beziehungen mit der Gemeinschaft, mit den Mitarbeitern, Umwelt, Produkteigenschaften sowie Verhalten gegenüber Frauen und Minderheiten (Agle, Mitchell & Sonnenfeld 1999, S. 515; Hillman & Keim 2001, S. 130).

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

eines bestimmten Moralverständnisses gegenüber den Stakeholdern zu verhalten hätten (Crane & Matten 2010, S. 66; Donaldson & Preston 1995, S. 66–67, 72; Hendry 2001, S. 163). Forschungsarbeiten der normativen Stakeholder Theorie legen unterschiedliche theoretische Ansätze zu Grunde, um diesen moralischen Anspruch zu rechtfertigen. Donaldson & Preston (1995, S. 83) sowie Asher, Mahoney & Mahoney (2005) wählen die Theorie der Verfügungsrechte37. Bisher besitzen nur Shareholder Verfügungsrechte: Das heißt, aufgrund ihrer Kapitaleinlage und dem damit verbundenen Risiko, sind sie ermächtigt, Kontroll- und Entscheidungsrechte auszuüben. Asher, Mahoney & Mahoney (2005, S. 12–16) argumentieren, dass andere Stakeholder wie Mitarbeiter oder Zulieferer auch Investitionen in das Unternehmen tätigen, zum Beispiel in Form ihrer Arbeitskraft oder dem Kauf von Materialien und somit ebenso zum Ertrag des Unternehmens beitragen. In diesem Sinne tragen sie Risiken und müssten an Entscheidungen im Unternehmen beteiligt werden. Neben der Theorie der Verfügungsrechte werden vor allem die Theorien von Kant sowie Rawls im Hinblick auf eine normative Stakeholder Theorie diskutiert. Von besonderem Interesse sind hier die Ansätze von Evan & Freeman (1993), Bowie (1999) und Phillips (1997). Evan & Freeman (1993) sowie Bowie (1999) versuchen, die Verantwortung gegenüber den Stakeholdern mit Hilfe der Kantischen Theorie zu erklären. Dabei fordert Kant (1785/2002, S. 46–47) Menschen (hier: Stakeholder) nicht als Mittel zum Zweck, sondern selbst als Zweck zu behandeln38. Aus dieser Forderung ergibt sich, dass alle Anspruchsgruppen mit Respekt zu behandeln sind (Bowie 1999, S. 41ff.). Phillips (1997) versucht im Gegensatz dazu, die Berücksichtigung von Stakeholder Interessen aus dem „Fairness“ Gedanken, der vor allem auf Rawls zurückgeht, abzuleiten. Demnach emergieren immer dann Fairness Pflichten zwischen Vertragspartnern, wenn zum gegenseitigen Vorteil von beiden Seiten eine freiwillige Kooperation eingegangen wird (Phillips 1997, S. 57).

37

38

Die Vorstellung von Verfügungsrechten geht im Wesentlichen auf die Arbeit von Coase (1960) zurück, der Ressourcen als „bundle of rights“ bezeichnet. Während die klassische Theorie der Verfügungsrechte darunter, Eigentum als Recht auf Einkommen versteht, impliziert Eigentum in der heutigen Diskussion vor allem Kontrollrechte (Asher, Mahoney & Mahoney 2005, S. 6). Dieser Satz gilt als zweite Formulierung des kategorischen Imperativs: „Act so that you use humanity, as much in your own person as in the person of every other, always at the same time as end and never merely as means“ (Kant 1785/2002, S. 46–47; vgl. hierzu auch Bowie 1999, S. 43).

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Im Unterschied zu diesen Ansätzen, versucht Reed (1999a) normative Grundlagen der Stakeholder Theorie aus der kritischen Theorie (Habermas) zu rechtfertigen 39. Dabei ist entscheidend, dass ein Anspruch eine normative Verpflichtung für das Unternehmen darstellt. Nach dem Ansatz von Habermas können mehrere Arten von Ansprüchen unterschieden werden, die Reed mit der Stakeholder Idee kombiniert und als Ansprüche auf politische Gleichheit, ökonomische Gleichberechtigung und Authentizität reformuliert. Aus jedem dieser Ansprüche resultiert eine bestimmte Art der Verpflichtung für das Unternehmen (vgl. dazu Reed 1999a, S. 467–477). Die vorliegende Arbeit ist der normativen Stakeholder Theorie zuzuordnen, da sie auf Basis der deliberativen Demokratie einen konzeptionellen Ansatz für Stakeholder Dialoge entwickelt und damit eine Aussage trifft, wie Stakeholder Ansprüche geregelt werden sollten.

4.1.3

Verhältnis zwischen Stakeholder Theorie und Stakeholder Management

Im Forschungsbereich der Stakeholder Theorie fällt zunächst auf, dass zahlreiche Begrifflichkeiten verwendet werden. So ist häufig vom Stakeholder Ansatz oder Stakeholder Modell sowie vom Stakeholder Management die Rede. Während Donaldson & Preston (1995, S. 66) darauf hinweisen, dass diese Begriffe unterschiedlich gebraucht werden, fällt bei einer Überprüfung jüngerer Artikel in diesem Feld auf, dass zumindest die Verwendung der Termini Stakeholder Theorie, Ansatz und Modell eher undifferenziert ist. Dabei wird nicht klar, wie sich diese Begriffe von der Stakeholder Theorie abgrenzen oder ob sie synonym zu gebrauchen sind (vgl. u.a. Belal 2002; Crane & Livesey 2003; Donaldson & Preston 1995, S. 66; Lawrence 2002; Roloff 2002). Im Gegensatz dazu zeigen sich Unterschiede zwischen dem Gebrauch von Stakeholder Theorie und Stakeholder Management. Von Donaldson & Preston (1995, S. 67) wird Stakeholder Management als Teilgebiet der Stakeholder Theorie verstanden, das sich mit der konkreten Umsetzung der Ideen der Stakeholder Theorie beschäftigt. Diese Sichtweise ist auch in anderen Forschungsarbeiten zu finden, die betonen, dass die Stakeholder Theorie Implikationen für das Management von Unternehmen hat (vgl. u.a. Clarkson 1995, S. 97–98; Driscoll & Crombie 2001, S. 443; Freeman 1984, S. 48; Freeman et al. 2010, S. 224; Mitchell, Agle & Wood 1997, S. 855) und wird auch in dieser Arbeit vertreten: 39

Neben den Theorien von Kant, Rawls sowie Habermas gibt es noch einige andere Ansätze der normativen Stakeholder Forschung, die z.B. auf dem Kommunitarismus oder Feminismus beruhen. Einen Überblick gibt hier Parmar et al. (2010, S. 409–410).

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

„Stakeholder theory is concerned with the nature of the relationship between the firm and its stakeholders […]. It concerns the management of “potential conflict stemming from divergent interests” […].“ (Driscoll & Crombie 2001, S. 443) „Stakeholder theory is explicitly a managerial theory. […] Particularly in the context of the array of techniques for developing their theory of the firm, implementing it, and assessing it, speaking to and guiding the activity of managers was a core concern of all the early stakeholder theorists.“ (Freeman et al. 2010, S. 224) Damit wird der Begriff des Stakeholder Managements allerdings sehr breit definiert, da er sich auf alle Aktivitäten beziehen kann, die unternommen werden, um Stakeholder Ansprüche zu befriedigen (Johnson-Cramer, Berman & Post 2003, S. 145; Roloff 2008, S. 233). Ein Blick in die Unternehmenspraxis so Foster & Jonker (2005, S. 51) zeigt, dass der Begriff Management von vielen Unternehmen dahingehend interpretiert wird, dass sie die Beziehung zu den Stakeholdern organisieren, strukturieren und häufig auch manipulieren. Hier werden auch Parallelen zur Verwendung des Begriffes Management in der betriebswirtschaftlichen Literatur deutlich. Management bedeutet allgemein die Planung, Steuerung und Kontrolle von Unternehmenstätigkeit bzw. in diesem Fall Stakeholder Beziehungen (Hungenberg 2008). Jedoch würde aus dieser Perspektive der Aufbau einer wirklichen Beziehung im Sinne einer Berücksichtigung und Einbindung von Stakeholder Interessen nicht stattfinden. In diesem Kontext fordern einige Forscher, dass die Beziehung zu den Stakeholdern über das reine Management der Ansprüche hinausgehen soll (Noland & Phillips 2010, S. 39). Vor diesem Hintergrund führen sie eine weitere Begrifflichkeit ein, die so genannte „Stakeholder Einbindung“ (Stakeholder Engagement), die vom Stakeholder Management abzugrenzen ist bzw. dieses ersetzen soll. Die Verwendung des Begriffs Stakeholder Einbindung würde demnach die Beziehung zu den Stakeholdern stärker in den Mittelpunkt unternehmerischer Tätigkeiten rücken sowie den kontinuierlichen Dialog und den Aufbau einer langfristigen vertrauensvollen Beziehung in den Vordergrund rücken (vgl. hier u.a. Greenwood 2007; Lawrence 2002, S. 196–199; Noland & Phillips 2010; Wood et al. 2006, S. 87, 103). Im Rahmen dieser Arbeit wird die Stakeholder Einbindung unter dem Dach des Stakeholder Managements zusammengefügt und als ein Baustein gesehen. Daneben fokussiert das Stakeholder Management allerdings auf eine Reihe weiterer Aktivitäten, die im Folgenden zu einem Prozessverständnis zusammengefügt werden.

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4.2

89

Überblick zum Prozess des Stakeholder Managements

Die Forschungslandschaft im Bereich Stakeholder Management ist heterogen, was auch mit der breiten Definition des Begriffes zusammenhängt. Eine Vielzahl der Arbeiten beschäftigt sich mit der Frage, wie Stakeholder identifiziert werden können und was einen legitimen Anspruch definiert. Daneben können dem Stakeholder Management auch Arbeiten zugeordnet werden, die sich mit den Strategien oder Maßnahmen des Stakeholder Managements auseinandersetzen und adressieren, wie die Beziehung zu Stakeholdern gestaltet werden sollte. Insbesondere bei diesen Maßnahmen spielen die Kommunikation mit Stakeholdern und die Durchführung eines Stakeholder Dialogs eine große Rolle. In dieser Arbeit wird vorgeschlagen, das Stakeholder Management als Prozess zu interpretieren. Dies wird auch bereits in anderen Arbeiten angedeutet (vgl. Cennamo, Berrone & Gomez-Mejia 2009, S. 491; Clarkson 1995, S. 93). Weiterhin sind Prozessmodelle auch in anderen Disziplinen, zum Beispiel im Strategischen Management bekannt (Hungenberg 2008; Lombriser & Abplanalp 2005; Müller-Stewens & Lechner 2005). Zum Prozess des Stakeholder Managements gehören nach Auffassung dieser Arbeit vier Schritte: Erstens, die Festlegung von Zielen, die mit Hilfe des Stakeholder Managements verfolgt werden sollen. Zweitens die Identifikation und Legitimität von Stakeholder Ansprüchen, um zu entscheiden, welche Anspruchsgruppen durch das Stakeholder Management adressiert werden sollen. Drittens die Formulierung von Strategien, um festzulegen, wie mit den Stakeholder Ansprüchen grundsätzlich umgegangen werden soll. Viertens die Implementierung von Maßnahmen und damit die konkrete Umsetzung der in Punkt 3 formulierten Strategien. Entscheidend ist dabei, dass der vierte Schritt, die Implementierung auch wieder auf die Formulierung von Zielen wirkt. Denn erst nach der Implementierung kann eine Aussage getroffen werden, ob die Ziele wirklich erreicht wurden und ob entweder die Ziele oder die Maßnahmen angepasst werden müssen. Einen Überblick zum Prozess des Stakeholder Managements gibt Abb. 3.

90

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

1.

4.

Festlegung von Zielen

Implementierung von Maßnahmen

2.

3.

Abb. 3:

Identifikation und Legitimität von Stakeholder Ansprüchen

Formulierung von Strategien

Prozess des Stakeholder Managements Quelle: Eigene Darstellung.

1) Festlegung von Zielen Als erster entscheidender Schritt des Stakeholder Managements ist es wichtig, die Ziele festzulegen, die damit verfolgt werden sollen. Das Management von Stakeholder Beziehungen kann dabei grundsätzlich sowohl aus strategischen Gründen als auch aus moralischen Gründen eingesetzt werden. Strategische Gründe liegen dabei vor allem im Management von Interessen und Risiken. Das heißt, es geht darum, potentiellen Konflikten und Problemen vorzubeugen. Daneben kann es auch um die Kontrolle von Anspruchsgruppen gehen. Aus moralischer Sicht soll Stakeholder Management dazu beitragen, Vertrauen aufzubauen, Fairness zu fördern oder Legitimität zu gewinnen (Driscoll & Crombie 2001, S. 442–443; Greenwood 2007, S. 318–320; Noland & Phillips 2010, S. 40; Roloff 2002, S. 80, 83). Daneben weisen Cennamo, Berrone & Gomez-Mejia (2009, S. 494) darauf hin, dass die Bereitschaft zum Stakeholder Management vor allem auch von der Einstellung der Führungskräfte (moralisch/strategisch) abhängt. Um die genannten Ziele zu erreichen, ist es entscheidend zu wissen, wer überhaupt die Stakeholder

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sind. Dies stellt auch die Voraussetzung dar, um zu entscheiden, wie welche Stakeholder Ansprüche gemanagt werden können (Preble 2005, S. 409ff.; Roloff 2002, S. 83). 2) Identifikation und Legitimität von Stakeholder Ansprüchen Für Unternehmen ist es sehr wichtig, zu identifizieren, wer Stakeholder des Unternehmens ist, einen legitimen Anspruch an das Unternehmen hat und welchem Anspruch Priorität eingeräumt werden muss (Mitchell, Agle & Wood 1997, S. 854; Phillips 1997, S. 52; Roloff 2002, S. 83; Werhane & Freeman 1999, S. 8). Hintergrund ist, dass Unternehmen nicht alle Stakeholder Interessen zugleich berücksichtigen können. Dabei können in der Literatur Ansätze unterschieden werden, die Stakeholder identifizieren und kategorisieren und Ansätze, die zu erklären versuchen, was einen legitimen Anspruch rechtfertigt. Einen Überblick über die im Folgenden genannten Ansätze gibt Tab. 3. Bekannte Kategorisierungen betreffen zum Beispiel Einteilungen der Stakeholder Gruppen in interne und externe Stakeholder (vgl. v.a. Hosmer 1994, S. 193–194 oder Sirgy 2002, S. 145) oder primäre und sekundäre Stakeholder (Clarkson 1995, S. 106–107; Waddock, Bodwell & Graves 2002, S. 134). Im Unterschied dazu kategorisieren Savage et al. (1991) Stakeholder nach ihrem Potenzial, dem Unternehmen entweder zu schaden oder mit ihm zu kooperieren. Über die reine Kategorisierung hinaus gehen dagegen die Forschungsarbeiten von Phillips (2003, S. 26) oder Mitchell, Agle & Wood (1997). Phillips (2003, S. 489) zeigt in seinem Modell, das auch in Teilen von Ulrich (2001, S. 444) vertreten wird, dass sich der legitime Anspruch von Stakeholdern entweder aus der moralischen Verpflichtung der Unternehmung gegenüber diesen Anspruchsgruppen ergibt (normative Legitimität) oder der Anspruch begründet sich aus der Macht, die ein Stakeholder auf die Unternehmung ausüben kann (derivative Legitimität40). Der Ansatz von Mitchell, Agle & Wood (1997) gilt als der bekannteste in der Literatur. Klassifiziert werden die Stakeholder anhand von erstens, Macht, die Unternehmenstätigkeit zu beeinflussen, zweitens Legitimität41 der Verbindung zum Unternehmen (z.B. durch gesetzliche oder moralische Ansprüche) und drittens Dringlichkeit des Anspruchs. Dabei können Stakeholder ein, zwei oder alle drei Merkmale auf sich vereinen. Stakeholder, die ein Merkmal besitzen, werden in der Gruppe der latenten Stakeholder zusammengefasst. Als moderat relevant bzw. als erwartend werden solche bezeichnet, die zwei Merkmale auf sich vereinen; Stakeholder, die alle drei Merkmale erfüllen, 40

41

Manager müssen diesen Ansprüchen Aufmerksamkeit schenken, da sich ihre Legitimität aus dem Einfluss, den sie auf das Unternehmen ausüben können, ableitet. Eine normative Verpflichtung besteht allerdings nicht (Phillips 2003, S. 31). Mitchell, Agle & Wood (1997, S. 866) definieren Legitimität in Anlehnung an Suchman (1995).

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

gelten als „definitive Stakeholder“. Als „Nicht-Stakeholder“ gelten Individuen oder Vereinigungen, die weder Macht, Legitimität noch Dringlichkeit besitzen (Mitchell, Agle & Wood 1997, S. 874ff.). Trotz dieser vielfältigen Möglichkeiten, Stakeholder zu identifizieren, geben Mitchell, Agle & Wood zu bedenken, dass letztendlich die Unternehmensführung darüber entscheidet, welche Ansprüche als relevant einzustufen sind. Entscheidend ist dabei demnach, wie Manager die Ausprägungen Macht, Dringlichkeit und Legitimität wahrnehmen und wen sie damit als wichtigen Stakeholder identifizieren (Mitchell, Agle & Wood 1997, S. 871)42. Daneben weisen einige Forschungsarbeiten darauf hin, dass in der Praxis vor allem darauf geachtet wird, welche Macht Stakeholder auf das Unternehmen ausüben könnten und demnach versucht wird, genau diese Stakeholder Gruppen einzubinden (Carroll 1991, S. 43; Ulrich 2001, S. 443).

42

Diese Wahrnehmung, die vor allem auch durch die Werte sowie das Selbstinteresse der Manager (hier als moderierende Variable) geprägt ist, wurde von Agle, Mitchell & Sonnenfeld (Agle, Mitchell & Sonnenfeld 1999) empirisch getestet.

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Tab. 3: Autor(en)

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Kategorisierung von Stakeholder Ansprüchen

Kategorie

Zuordnung

Hosmer 1994 Intern

Stakeholder, die innerhalb der formalen Hierarchie der Organisation beschäftigt sind (Arbeitnehmer, Management)

Extern

Stakeholder, die außerhalb der formalen Hierarchie stehen (Zulieferer, Investoren, Kommunen, NGOs)

Intern

Interne Organisation, um externe Stakeholder zu managen

Extern

Stakeholder, die direkt das Überleben und Wachstum des Unternehmens beeinflussen; Austausch von Ressourcen mit dem Unternehmen (Zulieferer, Kunden, Mitarbeiter)

Fern

Gruppen, die Einfluss auf externe Stakeholder ausüben können (Gewerkschaften, Verbände, Umweltschutzorganisationen)

Clarkson 1995;

Primär

Stakeholder, die für das Überleben des Unternehmens entscheidend sind (Investoren, Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer)

Waddock, Bodwell & Graves 2002

Sekundär

Stakeholder, die die Unternehmenstätigkeit beeinflussen oder beeinträchtigen bzw. durch die Unternehmenstätigkeit beeinflusst oder beeinträchtigt werden; es besteht keine direkte Verbindung (z.B. durch Verträge) zum Unternehmen

Savage et al. 1991

Potenzial zum Schaden

Bestimmt sich nach der Abhängigkeit des Unternehmens von diesen Stakeholdern und nach der Relevanz der Stakeholder für bestimmte unternehmerische Entscheidungen/Prozesse

Potenzial zur Kooperation

Bestimmt sich nach der Abhängigkeit der Stakeholder vom Unternehmen

Macht

Möglichkeit zur Beeinflussung der Unternehmenstätigkeit (Unterstützung/Schaden); Verpflichtung des Unternehmens leitet sich aus der Machtposition der Stakeholder ab (Abgeleitete Legitimität)

Moralität

Moralische Verpflichtung des Unternehmens gegenüber Stakeholdern, die über rechtliche Verpflichtungen hinaus geht (Normative Legitimität des Anspruchs)

Macht

Möglichkeit zur Beeinflussung der Unternehmenstätigkeit

Legitimität

Besteht z.B. durch gesetzliche oder moralische Ansprüche

Sirgy 2002

Phillips 2003; Ulrich 2001

Mitchell, Agle & Wood 1997

Dringlichkeit Bestimmt Reaktionsgeschwindigkeit des Unternehmens Quelle: Eigene Darstellung.

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

3) Formulierung von Strategien Nachdem Anspruchsgruppen identifiziert wurden, ist es wichtig, zu entscheiden, wie Stakeholder vom Unternehmen adressiert werden sollen. Im Unterschied zur Identifikation gibt es in diesem Feld nur vereinzelt Forschungsarbeiten. Eine bekannte Kategorisierung findet sich beispielsweise bei Savage et al. (1991, S. 65– 67), die zwischen vier Ansätzen unterscheiden: „Einbindung“, „Monitoring“, „Verteidigung“ und „Zusammenarbeit“. Welche dieser Strategien angewendet wird, hängt dabei entscheidend davon ab, inwiefern Stakeholder zum einen dem Unternehmen Schaden zufügen können, zum anderen die Möglichkeit zur Kooperation haben. So sind für Savage et al. vor allem diejenigen Stakeholder in unternehmerische Prozesse einzubinden, die das Unternehmen unterstützen. In dieser Hinsicht sollten Unternehmen zum Beispiel, Mitarbeiter an unternehmerischen Entscheidungsprozessen teilhaben lassen und Entscheidungskompetenz dezentralisieren. Auch eine Einbindung von Zulieferern in Bezug auf Produktionsprozesse wird von Savage et al. (1991, S. 66) positiv beurteilt, wenn dadurch zum Beispiel Kosten gespart werden. Eine Zusammenarbeit könnte dagegen mit Gewerkschaften nötig sein, eine Verteidigungsstrategie gegenüber Konkurrenten. Die Kategorisierung von Savage et al. wird auch in anderen Forschungsarbeiten rezitiert (vgl. hierzu u.a. Carroll & Buchholtz 2003, S. 85 oder Roloff 2002, S. 79–80). Im Unterschied dazu unterscheiden Banks & Vera (2007, S. 3) zwischen „ex ante“ und „ex post“ Strategien. Ex ante bezeichnet die Identifizierung und Analyse von Stakeholdern (vgl. Punkt 2) und damit verbunden die Zuteilung von Ressourcen, um potenzielle Stakeholder zu finden. Bei ex post geht es dagegen darum, eine bestehende Beziehung zu den Stakeholdern zum Beispiel proaktiv oder reaktiv zu managen. Hier wird deutlich, dass diese Forschungsarbeiten wenig konkrete Aussagen machen und nur eingeschränkt Handlungsempfehlungen geben, welche Strategien tatsächlich angewendet werden können. 4) Implementierung von Maßnahmen Was die Implementierung der Maßnahmen angeht, so ist diese grundsätzlich davon abhängig, welche Strategie das Unternehmen wählt. Das heißt, es können hier keine verallgemeinernden Aussagen getroffen werden, lediglich Möglichkeiten aufgezeigt werden, welche Maßnahmen implementiert werden können. Eine gängige Kategorisierung bezieht sich auf den Grad der Einbindung von Stakeholdern und unterscheidet Maßnahmen der ein- und der zweiseitigen Kommunikation (vgl. dazu Crane & Livesey 2003). Gemeint sind hier zum Beispiel die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten sowie die Durchführung von Umfragen oder auch Dialogen (vgl. auch Stakeholder Engagement). Da allerdings im nächsten Kapitel noch einmal auf unterschiedliche Arten der Kommunikation eingegangen

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wird, wird dies an dieser Stelle nicht thematisiert. Eine weitere Unterscheidung von Maßnahmen findet sich bei Johnson-Cramer, Post & Berman (2003), die nach Prozess und Inhalt kategorisieren. Zudem unterschieden sie in Managementmaßnahmen, die einzelne Stakeholder Beziehungen betreffen und solche die übergeordnet sind (Johnson-Cramer, Berman & Post 2003, S. 147–148). Dabei ist hier vor allem der Prozess entscheidend, da er die Frage betrifft, wie Unternehmen Stakeholder managen. Der Inhalt hingegen bezieht sich auf Prinzipien des Managements wie Fairness. Dies gehört im Rahmen dieser Arbeit eher in den Punkt der Festlegung von Zielen. In prozessualer Hinsicht geht es um die Etablierung von Kommunikationskanälen und die Schaffung von Dialogstrukturen (siehe Kap. 4.3) sowie übergeordnet zum Beispiel um die Repräsentation von Stakeholdern in der Unternehmensführung (Johnson-Cramer, Berman & Post 2003, S. 149–151).

4.3

Stakeholder Dialoge als Maßnahme des Stakeholder Managements

In diesem Kapitel wird zunächst beleuchtet, welche Kommunikationsformen in Theorie und Praxis als Stakeholder Dialog bezeichnet werden. Anschließend werden verschiedene Ansätze zur Einteilung von Stakeholder Dialogen vorgestellt. Des Weiteren wird ein Überblick zur Forschung im Bereich Stakeholder Dialoge gegeben.

4.3.1

Kommunikation als Voraussetzung für Stakeholder Dialoge

Die genaue Bedeutung des Begriffs Stakeholder Dialog43 ist sowohl in der Literatur als auch in der Unternehmenspraxis noch unklar (Crane & Livesey 2003, S. 46; Pedersen 2006, S. 140). Aus der Stakeholder Theorie kann bisher eine inhaltliche Präzisierung nicht geleistet werden, was zu einem uneinheitlichen Gebrauch des Terminus führt. Allgemein kann jedoch angenommen werden, dass ein Stakeholder Dialog eine Kommunikationssituation zwischen Unternehmen und Stakeholdern herstellt. Dabei kann Kommunikation unterschiedlich interpretiert werden und sich auf die bloße Informationsweitergabe oder eine gemeinsame Verständigung beziehen (vgl. dazu Greenwood 2007, S. 317; Johnson-Cramer, Berman & Post 2003, S. 149; Roloff 2008, S. 233). Das heißt, es muss zwischen verschiedenen Kommuni43

Eine Übersicht über verschiedene Bedeutungen des Wortes „Dialog“ findet sich unter anderem bei Burchell & Cook (2008, S. 36–37).

96

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

kationsgraden unterschieden werden. Während Crane & Livesey (2003, S. 43f.) eine Einteilung in einseitige und zweiseitige Kommunikation liefern, unterscheiden Hund et al. (2001, S. 1) Ad hoc Kommunikation, einseitige Kommunikation, zweiseitige Kommunikation, Stakeholder Einbindung und teilnehmende, interaktive Entscheidungsfindung44. Dimensionen sind dabei der Grad des Informationsaustausches und der Grad der Stakeholder Einbindung (vgl. Abb. 4). Während Ad hoc Kommunikation vor allem im Konfliktfall notwendig wird, sind bisher vor allem Maßnahmen der einseitigen Kommunikation in Unternehmen weit verbreitet (Crane & Livesey 2003, S. 47; Hund et al. 2001, S. 1). Diese beziehen sich auf die Bereitstellung von Presseinformationen, Nachhaltigkeits- oder Jahresberichten, die dazu dienen, Stakeholder zu informieren und unternehmerische Tätigkeit transparent zu machen. Einseitige Kommunikation basiert dabei auf einem frühen Modell der Kommunikation, wonach Stakeholder lediglich Empfänger von Informationen sind (Crane & Livesey 2003, S. 43). Damit wird allerdings keine kommunikative Situation im Sinne des Wortes Dialog angestrebt, sondern nur eine Weitergabe von Informationen. Denn diese Maßnahmen sind nicht darauf ausgelegt, ein Feedback zur Unternehmenstätigkeit von Seiten der Stakeholder zu erhalten. Allerdings könnten diese Maßnahmen durchaus dazu genutzt werden, einen Dialog mit den Stakeholdern anzustoßen, wenn zum Beispiel Stakeholder an der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten beteiligt werden und auf diese Weise nicht nur Transparenz, sondern auch Rechenschaft geschaffen wird (Hess 2007, S. 454ff.; Hund et al. 2001, S. 1; Morsing & Schultz 2006, S. 325ff.). Eine entsprechende Analyse nehmen hier beispielsweise Reynolds & Yuthas (2008) vor, indem sie untersuchen, inwiefern bei der Implementierung von verschiedenen Nachhaltigkeitsstandards Stakeholder Interessen berücksichtigt werden bzw. auch eine tatsächliche Kommunikation mit ihnen stattfindet (Reynolds & Yuthas 2008)45. Dies würde dann zu einer zweiseitigen Kommunikation führen. Das heißt, Maßnahmen, die die Meinung von Stakeholdern berücksichtigen und eine stärkere Einbindung dieser in unternehmerische Tätigkeiten vorsehen. Dazu können Fragebögen, webbasierte Foren, Interviews oder Dialoge gehören (vgl. weiterführend Kap. 4.3.2.3) (Hess 2007, S. 456).

44

45

Diese Formen der Kommunikation wurden von Hund et al. (2001) im Rahmen einer Fallstudie zur Zementindustrie unterschieden. Auf Basis eines Auftrags des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) sollten Hund et al. eine Road Map für langfristige Nachhaltigkeit in dieser Branche entwickeln. Gegenstand dabei waren auch die Beziehungen zu den Stakeholdern (Hund et al. 2002, S. 217–218). Theoretische Basis ihrer Analyse ist der kommunikationsorientierte Ansatz der Diskursethik von Habermas.

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High Information Exchange Greater Sharing of Information Leading to Knowledge

Participatory/ Interactive Decision Making Stakeholder Engagement Two-way Communication

One-way Communication Ad hoc Communication

Better Understanding of Stakeholders and Their Issues

High Stakeholder Involvement

Abb. 4:

Formen der Kommunikation

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hund et. al. (2001, S. 1).

Hund et. al (2001, S. 1) unterscheiden grundsätzlich die so genannte Stakeholder Einbindung sowie die teilnehmende, interaktive Entscheidungsfindung als Formen des zweiseitigen Dialogs. Bei Ersterem werden die Dialoge eher als Konsultation von Stakeholdern gesehen. Zwar werden Informationen ausgetauscht und Feedback von den Stakeholdern eingeholt, die Entscheidungsfindung bleibt allerdings in der Hierarchie der Unternehmung verhaftet bzw. häufig wird auch zu bereits bestehenden Entscheidungen Feedback eingeholt. Das heißt, Stakeholder Dialoge in diesem Sinne führen nicht zu mehr Mitbestimmung der Stakeholder (Hess 2007, S. 456; Hund et al. 2001, S. 1). So trifft beispielsweise die Deutsche Telekom AG die Aussage „Die Veranstaltung [gemeint ist der Corporate Responsibility Day 2009] lieferte uns wertvolle Anregungen, die wir bereits nutzen, um unsere CRPerformance zu verbessern.“ (Deutsche Telekom 2010b) Morsing & Schultz (2006, S. 325ff.) bezeichnen diese Form daher als „Antwortstrategie“, da der Kommunikationsfluss asymmetrisch von Stakeholdern zum Un-

98

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

ternehmen verläuft, aber nicht umgekehrt. In der Literatur wird dieser Stakeholder Dialog häufig als „instrumentell“ (Crane & Livesey 2003, S. 47–48) oder „strategisch“ (Maak & Ulrich 2007, S. 175ff.; Roloff 2002, S. 90) bezeichnet. Im engeren Sinne entspricht diese Form einem Unternehmensmonolog, da Kommunikation zu, nicht mit den Stakeholdern stattfindet. Unternehmen können auf diese Weise erheben, ob unternehmerisches Handeln von Stakeholdern akzeptiert wird und diese Wahrnehmung auch beeinflussen. Im Gegensatz dazu würde die zweite Form des Stakeholder Dialogs, als teilnehmende, interaktive Entscheidungsfindung (Hund et al. 2001, S. 1) oder „kommunikativ-dialogischer StakeholderAnsatz“ (Roloff 2002, S. 90) bezeichnet, auf eine echte gegenseitige Kommunikation abzielen und Unternehmensvertreter sowie Stakeholder würden gemeinsam und gleichberechtigt an einer Lösung arbeiten. Dieser proaktive Ansatz wird vor allem für komplexe Problemlösungen bzw. zur Konfliktvermeidung als vorteilhaft gesehen (Crane & Livesey 2003, S. 47–48; Van Tulder, Van Wijk & Kolk 2009, S. 402). Damit würden die Stakeholder tatsächlich Einfluss auf unternehmerisches Handeln nehmen können (Hund et al. 2001, S. 1; Maak & Ulrich 2007, S. 175ff.; Morsing & Schultz 2006, S. 328f.).

4.3.2

Ansätze zur Klassifikation von Stakeholder Dialogen

In der Literatur werden Stakeholder Dialoge nach verschiedenen Kriterien klassifiziert. So unterscheidet beispielsweise Stückelberger (2009, S. 333–335) Stakeholder Dialoge nach Ziel, Akteur oder Ebene. Weiterhin ist anzumerken, dass in der Praxis zu beobachten ist, dass Stakeholder Dialoge zu einem bestimmten Thema (problemorientiert) geführt werden (Lawrence 2002). Auch ist die Form des Stakeholder Dialogs entscheidend. In dieser Arbeit wird daher im Folgenden eine Unterscheidung nach Zielsetzungen, Akteuren, Formen und Ebenen vorgenommen. Dabei sind diese vier Kriterien nicht immer vollständig voneinander zu trennen und können sich überlappen. So stellt beispielsweise die Einbindung von Mitarbeitern in den deutschen Aufsichtsrat einen Dialog mit dem Akteur Mitarbeiter dar, der auf intraorganisatorischer Ebene stattfindet und im Unternehmen institutionalisiert ist.

4.3.2.1 Zielsetzungen Die Theorie erklärt, dass Unternehmen die Unterstützung ihrer Stakeholder benötigen, um handlungsfähig zu bleiben („license to operate“) (Aguilera et al. 2007, S. 845; Lawrence 2002, S. 192; Zinkin 2004). Weiterhin identifiziert die Forschung folgende Ziele, die mit der Einbindung von Stakeholder Interessen in un-

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ternehmerische Prozesse verfolgt werden: den Wandel besser zu managen, Information und Wissen zu generieren oder Expertise zu erhalten, Innovationen voranzutreiben (z.B. Produktentwicklung), die finanzielle Lage positiv zu beeinflussen, eine unternehmerische Identität mit Hilfe der Beziehungspflege zu Stakeholdern zu formen sowie insbesondere Vertrauen und Kooperation aufzubauen und zu stärken, um Risiken zu minimieren (Basu & Palazzo 2008, S. 123; Kaptein & Van Tulder 2003, S. 208; Maak & Ulrich 2007, S. 177–178; Rondinelli & London 2002, S. 201, 210–213). Ein Überblick zehn deutscher MNU, ausgewählt nach dem Good Company Ranking 2009, zeigt, dass vor allem folgende Argumente von Unternehmen vorgebracht werden: Stakeholder Erwartungen kennenzulernen und zu verstehen, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden, Transparenz zu schaffen sowie Vertrauen und Akzeptanz bei den Stakeholder Gruppen zu generieren (vgl. Tab. 10 im Anhang).

4.3.2.2 Akteure In Bezug auf die Akteure ist festzustellen, dass Stakeholder Dialoge grundsätzlich mit einer spezifischen Anspruchsgruppe geführt werden können oder mit mehreren Anspruchsgruppen gleichzeitig (Multi-Stakeholder Dialog). Außerdem zeigt sich, dass die Auswahl der Stakeholder eng mit den zu diskutierenden Themen verbunden ist. Mögliche Themen betreffen die Bereiche Wirtschaft, Soziales oder Umwelt (vgl. hierzu u.a. PLEON KothesKlewes 2004, S. 21). Der Fokus von Stakeholder Dialogen liegt häufig auf einer speziellen oder kritischen Stakeholder Gruppe wie Kunden, Investoren oder NGOs (PLEON KothesKlewes 2004; Spitzeck 2009, S. 158; Wood et al. 2006, S. 102). Insbesondere im Bereich des Marketing werden Kunden in einen Dialog über das Produkt oder Maßnahmen zur Produktverbesserungen eingebunden (Crane & Livesey 2003, S. 48). So weist die Deutsche Telekom AG darauf hin, dass Kundenwünsche bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen berücksichtigt werden (Deutsche Telekom 2009a). In der Automobilindustrie spielt dagegen die Einbindung von Lieferanten innerhalb der Beschaffung eine zentrale Rolle. Ziel ist es, das Thema Nachhaltigkeit auch in den Lieferantenbeziehungen zu verankern (vgl. hierzu BMW Group 2008, S. 14–15; Volkswagen AG 2010b, S. 15). Daneben sind insbesondere für produzierende Unternehmen Anwohner eine wichtige Stakeholder Gruppe. Sie sollen zum Beispiel über den Bau neuer Produktionsstandorte informiert werden. Dies betrifft im Energiesektor den Bau von Kraftwerken, im Kommunikationssektor zum Beispiel den Ausbau des Mobilfunknetzwerkes (vgl. Tab. 10 im Anhang:

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BASF SE 2011b; Deutsche Telekom AG 2010a; E.ON AG 2011d; RWE AG 2010a). Darüber hinaus haben vor allem Mitarbeiter eine zentrale Bedeutung für Unternehmen. So zeigt die internationale Studie von Habisch et al. (2010)46, dass sowohl in Deutschland als auch in den USA vor allem Stakeholder Dialoge mit Mitarbeitern geführt werden. In Deutschland werden hier insbesondere Fragen der Arbeitsplatzsicherheit diskutiert. Daneben führen MNU auch verstärkt Multi-Stakeholder Dialoge durch. So hat beispielsweise die BMW Group 2009 einen Stakeholder Roundtable mit Verkehrsexperten, NGOs (z.B. Greenpeace), Umweltpolitikern, Analysten von großen Investmentfonds sowie Wissenschaftlern zum Thema nachhaltige Mobilität veranstaltet (BMW Group 2010). Auch die Deutsche Telekom AG führt unter dem Namen Corporate Responsibility Day 2009 Gespräche mit Wissenschaftlern, Politikern, Wirtschaftsverbänden, NGOs, Kirchen sowie Lieferanten und Investoren. Themen sind dabei unter anderem die Vernetzung der Lebens- und Arbeitswelt oder die CO2 Reduktion (Deutsche Telekom 2009a). Als Beispiel für MultiStakeholder Dialoge gilt daneben das Unternehmen Puma, das mit den so genannten „Banzer Gesprächen“ den Stakeholder Dialog zum Bestandteil seines CSRVerständnisses gemacht hat. Einmal pro Jahr treffen sich Vertreter des Unternehmens mit Lieferanten, Gewerkschaften und NGOs in Kloster Banz, um über das CSR-Engagement von Puma zu diskutieren, aber auch kritisch zu reflektieren. Neben diesen Akteuren nehmen auch Repräsentanten des Deutschen Netzwerks für Wirtschaftsethik, die die Diskussion moderieren sowie Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)47 teil (Hengstmann & Seidel 2005; Wickel 2007).

4.3.3.3 Formen Die Ausgestaltung der Stakeholder Dialoge ist in der Praxis sehr unterschiedlich. Der Überblick der zehn deutschen MNU zeigt, dass Stakeholder Dialoge in Form von Befragungen, Einzelgesprächen, Gesprächsforen, Blogs, Informationsangeboten, Roadshows, Feedback-Formularen, Mitarbeit in Gremien, Lobbying, Beantwortung von Verbraucheranfragen oder Runden Tischen stattfinden (vgl. Tab. 10 im Anhang). Die Studie von Habisch et al. (2010) weist zudem darauf hin, dass bei deutschen Unternehmen Konferenzen, Foren und Umfragen den größten An46

47

In der Studie von Habisch et al. (2010) wurden 50 deutsche Unternehmen anhand ihrer Veröffentlichung von Informationen zu Stakeholder Dialogen in Nachhaltigkeitsberichten im Jahr 2007 untersucht. 27 davon bilden das Sample. Jedoch muss angemerkt werden, dass unklar bleibt, wonach die Größe der Unternehmen bemessen wird. Die GTZ hat u.a. auch die Aufgabe der Koordination des Deutschen Global Compact Netzwerks (GTZ 2011).

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teil ausmachen. Auch US-amerikanische Unternehmen führen vor allem Konferenzen und Fragebogen gestützte Umfragen durch. Dabei handelt es sich jedoch um nicht institutionalisierte Formen des Dialogs. Eine Institutionalisierung von Stakeholder Ansprüchen ist vor allem im Bereich der Mitarbeiter zu sehen. So ist in Deutschland die Teilhabe von Mitarbeitern an der Corporate Governance48 gesetzlich geregelt: Bei bestimmten Unternehmensformen (z.B. AG, KGaA, GmbH) wird den Arbeitnehmern ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt. Im Falle der Aktiengesellschaft betrifft diese Mitbestimmung insbesondere die Besetzung des Aufsichtsrates. Der Aufsichtsrat wird in Deutschland, in Abhängigkeit von der Anzahl der Mitarbeiter (i.d.R. mehr als 2.000), paritätisch aus Vertretern der Anteilseigner sowie aus Vertretern der Arbeitnehmer (inklusive Gewerkschaftsangehörigen) besetzt. Im Gegensatz zu Deutschland ist im angloamerikanischen Raum diese duale Struktur der Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat nicht vorhanden, hier gibt es einen so genannten Verwaltungsrat (Board of Directors), in dem das Management der Unternehmung sowie Anteilseigner vertreten sind (Driver & Thompson 2002, S. 124–125; o. A. 2007a, MitbestG §1, 6, 7; Witt 2003, S. 79, 86). Eine Beteiligung von Mitarbeitern an der Unternehmensführung ist zunächst nicht vorgesehen. Streng genommen handelt es sich auch beim deutschen Aufsichtsrat nicht um ein Organ, das unternehmerische Entscheidungen trifft, sondern um ein Kontrollorgan, das die Aufgabe hat, den Vorstand zu überwachen (o. A. 2007a, AktG § 111).

4.3.3.4 Ebenen Hinsichtlich der Ebenen kann eine Einteilung in intraorganisatorisch und interorganisatorisch erfolgen. Intraorganisatorisch bezieht sich dabei auf Stakeholder Dialoge zwischen internen Stakeholdern, während interorganisatorisch Stakeholder Dialoge zwischen dem Unternehmen und externen Stakeholdern bezeichnet. Innerhalb der Kategorisierung intra- und interorganisatorisch gibt es die Möglichkeit auf lokaler, nationaler, regionaler oder globaler Ebene Stakeholder Dialoge zu führen. Intraorganisatorische Ebene. Die intraorganisatorische Ebene betrifft den Dialog zwischen Mitarbeitern oder zwischen Führungskräften bzw. zwischen Mitarbeitern und Führungskräften. Dies kann zum Beispiel auf lokaler Ebene an einem bestimmten Standort stattfinden. Auf der nationalen Ebene können beispielsweise für das deutsche System die Dialoge im Vorstand bzw. im Aufsichtsrat herange48

„Corporate Governance bezeichnet die Strukturen und Prozesse der Leitung und Überwachung von Unternehmen.“ (Talaulicar 2010, S. 29).

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zogen werden. Stakeholder Dialoge mit Mitarbeitern können aber auch auf eine bestimmte Region (z.B. Europa) ausgedehnt werden. Daneben können auch auf globaler Ebene Stakeholder Dialoge geführt werden (vgl. z.B. eine globale Mitarbeiterbefragung der BASF SE 2009b). Interorganisatorische Ebene. Auf der interorganisatorischen Ebene führen Unternehmen (gemeint sind Vertreter des Unternehmens) Dialoge mit externen Stakeholdern (dies können Individuen oder Organisationen sein). Dabei kann dieser Dialog vom Unternehmen selbst initiiert sein oder das Unternehmen nimmt als Stakeholder an Gesprächen oder Initiativen teil. Auch hier kann dieser Dialog auf der lokalen, nationalen, regionalen oder globalen Ebene verhaftet sein. Auf der lokalen Ebene führen Unternehmen beispielsweise Dialoge mit Anwohnern oder Kommunen der Produktionsstandorte (vgl. Tab. 10 im Anhang: BASF SE 2011b; Deutsche Telekom AG 2010a; E.ON AG 2011d; RWE AG 2010a). Auf nationaler Ebene könnte vor allem das Lobbying eine Rolle spielen, aber auch die Teilhabe von Unternehmen an nationalen Initiativen. So nehmen einige der in Tab. 10 gelisteten Unternehmen bei econsense, Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft e.V., teil (Econsense 2011). Als Beispiel für einen regionalen Stakeholder Dialog kann das Dialogforum Gesundheit von T-Systems in Österreich herangezogen werden (T-Systems Österreich 2009). Auf globaler Ebene zeigt sich die Beteiligung von MNU an Multi-Stakeholder Netzwerken. Eine Auswertung der zehn deutschen MNU zeigt, dass neun von zehn Unternehmen (Ausnahme: adidas Group) am UNGC teilnehmen (vgl. Tab. 10 im Anhang). Daneben sind auch Mitgliedschaften beim WBCSD, der Fair Labor Association (FLA) oder der GRI zu beobachten. Nachdem mögliche Ansätze zur Kategorisierung von Stakeholder Dialogen vorgestellt wurden, wird im Folgenden ein Überblick zur Forschung im Bereich Stakeholder Dialoge gegeben.

4.3.3

Forschung zu Stakeholder Dialogen

Die Forschung zu Stakeholder Dialogen wird in der vorliegenden Arbeit in zwei Bereiche unterteilt: zum einen Begründung, zum anderen Gestaltung von Stakeholder Dialogen. Dabei gilt es allerdings zu bedenken, dass sich diese Bereiche nicht gegenseitig ausschließen. Vielmehr liefern zahlreiche Forschungsarbeiten sowohl eine Begründung als auch Aussagen zur Gestaltung von Stakeholder Dialogen und sind somit in beiden Bereichen zu verorten (vgl. hier z.B. Gilbert & Rasche 2007; Unerman & Bennett 2004). Dies erscheint nicht als Widerspruch, da die Art der Begründung (moralisch/strategisch) auch Implikationen für die Gestaltung von Stakeholder Dialogen hat.

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4.3.3.1 Begründung von Stakeholder Dialogen In Bezug auf die Frage, warum Stakeholder in Unternehmensentscheidungen (Stakeholder Dialoge) eingebunden werden sollten, können verschiedene Argumente vorgebracht werden. Dabei zeigt sich eine Unterscheidung zwischen instrumentellen und normativen Überlegungen, die bereits in Kap. 4.1.2 thematisiert wurde. Das heißt, die vorliegenden Arbeiten können der instrumentellen oder normativen Stakeholder Theorie zugeordnet werden. Jedoch gilt es zu beachten, dass die aufgeführten Forschungsarbeiten keine strikte Trennung von strategischen und moralischen Gründen befürworten, sondern zeigen, dass diese häufig kombiniert auftreten. In der Literatur können nach Noland & Phillips (2010, S. 41)49 grundsätzlich zwei Denkschulen unterschieden werden, die so genannten „ethischen Strategen“ (vgl. Maak 2007; McVea & Freeman 2005; Noland & Phillips 2010; Phillips, Freeman & Wicks 2003) und die „Habermasianer“ (vgl. Foster & Jonker 2005; Gilbert & Rasche 2007; Kuhn & Deetz 2008; Palazzo & Scherer 2006; Rasche & Esser 2006; Reed 1999a; Reynolds & Yuthas 2008; Roloff 2008; Rusche 2000; Unerman & Bennett 2004; Zakhem 2008). Eine ähnliche Einteilung ist auch bei Van Huijstee & Glasbergen (2008, S. 300) zu finden. Die ethischen Strategen vertreten die Meinung, dass die Einbindung von Stakeholdern in die Unternehmensentscheidung Teil der Strategie eines Unternehmens sein sollte. Das heißt, ein Unternehmen kann nur seine Strategie bestimmen, indem es mit Stakeholdern in Interaktion tritt und diese in die Entscheidungsfindung eingebunden werden. Begründet liegt diese Einbindung im Aufbau des Unternehmens, das als Netzwerk von Stakeholder Beziehungen beschrieben werden kann. Zudem verfügen die Stakeholder über Informationen, die wichtig für das Unternehmen und die Entwicklung seiner Strategie sind. Außerdem besteht bei einer Nichteinbindung von Stakeholdern die Gefahr, die Existenzberechtigung zu verlieren. Um dieses Risiko zu minimieren, müssen Stakeholder Beziehungen aufgebaut werden. Dabei liegt hier auch die Annahme zu Grunde, dass sich moralische und strategische Überlegungen nicht ausschließen, sondern dass moralische Reflexion auch eine Beurteilung der Ziele beinhaltet. Somit sind auch Gewinnorientierung und Moral nicht als gegensätzlich zu betrachten. Vielmehr schafft Gewinnorientierung Wert für alle Stakeholder (vgl. u.a. McVea & Freeman 2005, S. 61–62, 66; Noland & Phillips 2010, S. 41, 46–48; Phillips, Freeman & Wicks 2003, S. 491; Van Huijstee & Glasbergen 2008, S. 300):

49

Streng genommen beziehen sich die Autoren auf den Bereich der Stakeholder Einbindung, was die Teilhabe von Stakeholdern an Unternehmensentscheidungen impliziert (Noland & Phillips 2010).

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

„From an entrepreneurial perspective, the value creation ability of the firm is embedded, within the network of hundreds of idiosyncratic stakeholder relationships […].“ (McVea & Freeman 2005, S. 62) Die zweite Schule, die Habermasianer, argumentiert, dass die Einbindung von Stakeholdern aus moralischer Sicht notwendig ist, um einerseits Stakeholder Ansprüche zu verstehen und zu adressieren und andererseits Unternehmensentscheidungen zu legitimieren (Unerman & Bennett 2004, S. 685, 687–688)50. Laut Noland & Phillips (2010, S. 44) würden die Habermasianer damit allerdings eine Trennung zwischen strategischen und moralischen Unternehmensentscheidungen vornehmen: „These thinkers rely heavily on the work of the German philosopher Jürgen Habermas and his conceptions of discourse ethics and deliberative democracy to justify the distinction between strategic and moral engagement and to establish the necessary procedural guidelines for participating in moral engagement with stakeholders.“ (Noland & Phillips 2010, S. 41) Jedoch ist diese Sichtweise kritisch zu sehen, da Habermas zwar in der Diskursethik strategische und moralische bzw. kommunikative Handlungen trennt (vgl. Kap. 6.2), allerdings in der Theorie der deliberativen Demokratie relativiert, dass Kommunikation mehrere Aspekte gleichzeitig haben kann (Habermas 1996, S. 167–168). Zudem gibt es Autoren wie Maak (2007, S. 330), die zeigen, dass ein Stakeholder Dialog auf Basis von Habermas Ideen wirtschaftlichen Zielen dienen kann. Damit kann dieser Ansatz wie bei Noland & Phillips (2010, S. 41) eigentlich nicht den „ethischen Strategen“ zugerechnet werden. Zudem werden die Habermasianer dahingehend interpretiert, dass sie ökonomische Zielsetzungen moralischen unterordnen (Noland & Phillips 2010, S. 45). In dieser Hinsicht zeigen allerdings Gilbert & Rasche (2007, S. 191), dass moralische Überlegungen Voraussetzungen für die Erreichung ökonomischer Ziele sind. Darüber hinaus analysieren die Forschungsarbeiten auf Basis der Theorie der Diskursethik bzw. der deliberativen Demokratie nach Habermas (1990, 1998) nicht nur wie die Einbindung der Stakeholder theoretisch begründet werden kann, sondern auch wie Kommunikation mit Stakeholdern in der Praxis stattfinden kann. Dies wird im nächsten Kapitel eingehender betrachtet.

50

An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass auch aus Rawls Theorie der „Gerechtigkeit als Fairness“ abgeleitet werden kann, dass Stakeholder aus moralischen Gründen in Unternehmensentscheidungen eingebunden werden sollten (Phillips 1997, S. 53, 63–64).

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4.3.3.2 Gestaltung von Stakeholder Dialogen Die Gestaltung von Stakeholder Dialogen wird hier anhand der Unternehmensund institutionellen Ebene (Multi-Stakeholder Netzwerke) betrachtet. Dies erscheint sinnvoll, da diese Einteilung in der späteren Analyse (Teil III, Kap. 8) wieder aufgegriffen wird. Stakeholder Dialoge auf Unternehmensebene Eine systematische Aufbereitung der Erkenntnisse zur Gestaltung von Stakeholder Dialogen auf Unternehmensebene ist zunächst schwierig. Ein Blick in die Literatur zeigt, dass das Thema zwar häufig adressiert wird, jedoch in vielen Fällen gerade nicht im Forschungsbereich der Stakeholder Theorie zu finden ist. Zudem wird in vielen Arbeiten nicht direkt der Begriff des Stakeholder Dialogs verwendet, sondern zum Beispiel von Stakeholder Einbindung (Stakeholder Engagement) gesprochen. O’Riordan & Fairbrass (2008, S. 749–750) führen das Fehlen von Forschungsarbeiten im Bereich CSR und Stakeholder Theorie darauf zurück, dass bisherige Management Modelle nicht in der Lage sind, die Beziehung zwischen Unternehmen und Stakeholdern adäquat zu adressieren. Zudem haben auch Methoden aus der Kommunikationsanalyse bisher kaum Eingang in die Forschung gefunden. Vor diesem Hintergrund werden von einigen Forschungsarbeiten eigene Modelle oder Konzepte für Stakeholder Dialoge entwickelt. Hier sind zum Beispiel die Ansätze von O’Riordan & Fairbrass (2008) sowie Pedersen (2006) exemplarisch zu nennen. In jüngster Zeit ist zudem eine Reihe von Forschungsarbeiten erschienen, die die Theorie der Diskursethik bzw. deliberativen Demokratie anwendet (Gilbert & Behnam 2009; Kuhn & Deetz 2008; Maak 2007; Reed 1999a51; Scherer & Palazzo 2007; Unerman & Bennett 2004; Zakhem 2008). Im Hinblick auf die oben genannte Kritik, verfolgt die Mehrheit dieser Forschungsarbeiten das Ziel, ein verändertes CSR- bzw. Stakeholder Management Konzept auf Basis der Diskursethik bzw. deliberativen Demokratie zu entwickeln. Dabei werden auch Implikationen für die Gestaltung von Kommunikationsprozessen mit Stakeholdern (Stakeholder Dialoge) auf der Unternehmensebene abgeleitet. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass sich die Ideen der Einbindung von Stakeholdern in die Entscheidungsfindung von Unternehmen auch in Forschungsarbeiten, die eine „Demokratisierung“ des Unternehmens und unternehmerischer Strukturen fordern, wiederfinden. Diese Arbeiten beziehen sich allerdings nicht auf die Theorie von Habermas (vgl. u.a. Driver & Thompson 2002; Matten & Crane 51

Die Forschungsarbeit von Reed (1999a, S. 470ff.) wird im Folgenden nicht eingehender betrachtet, da er aus Habermas Theorie vor allem die Art der Verantwortung des Managements gegenüber Stakeholdern definiert und erläutert. Dabei wird zwar eine Einbindung von Stakeholdern in Entscheidungsprozesse angesprochen, diese steht allerdings nicht im Vordergrund.

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

2005b). Da in dieser Arbeit ein deliberativer Ansatz gewählt wird, werden im Folgenden die Arbeiten kurz dargestellt, die explizit einen Bezug zur Theorie von Habermas herstellen. Die Forschungsarbeiten treffen zunächst die Aussage, dass ein diskursethisches Verständnis von CSR und Stakeholder Management nur erreicht werden kann, wenn alle Stakeholder in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden und ihnen ein Mitspracherecht gegeben wird (Kuhn & Deetz 2008, S. 186; Maak & Ulrich 2007, S. 177). Dabei werden anhand der idealen Sprechsituation von Habermas Regeln abgeleitet, die für den Stakeholder Dialog gelten sollen. Thematisiert werden dabei unter anderem Reziprozität, Gleichheit, keine Ausübung von Zwang, Begründungsorientierung, Aufrichtigkeit oder freier Zugang (vgl. hierzu Kuhn & Deetz 2008, S. 188–189; Maak & Ulrich 2007, S. 184–185; Scherer & Palazzo 2007, S. 1104). In diesem Zusammenhang haben beispielsweise Unerman & Bennett (2004) praktisch getestet, inwiefern ein vom Unternehmen Shell geschaffenes Webforum tatsächlich die Regeln der idealen Sprechsituation erfüllt. Als Ergebnis der Stakeholder Dialoge sollte nach der Theorie von Habermas ein Konsens angestrebt werden. Jedoch wird auch anerkannt, dass andere Ergebnisse wie Kompromiss oder Dissens möglich sind (Gilbert & Behnam 2009, S. 229– 230; Scherer & Palazzo 2007, S. 1107). Darüber hinaus zeigt beispielsweise Zakhem (2008, S. 403), dass Kommunikation auch zu einem zentralen Baustein in der Unternehmenskultur und -struktur werden muss und dass auch die Mitarbeiter hinsichtlich kommunikativer Fähigkeiten geschult werden müssen. Einige dieser Arbeiten weisen zudem darauf hin, dass sich Unternehmen auch auf der institutionellen Ebene an Diskursen (in Multi-Stakeholder Netzwerken) beteiligen sollten (Gilbert & Behnam 2009, S. 225; Scherer & Palazzo 2007, S. 1110–1111). Ein zusammenfassender Überblick zu den genannten Forschungsarbeiten findet sich in Tab. 11 im Anhang. Stakeholder Dialoge auf institutioneller Ebene Analog zur Unternehmensebene fällt im Hinblick auf die institutionelle Ebene auf, dass vor allem die Theorie der Diskursethik bzw. deliberativen Demokratie Anwendung findet, um Multi-Stakeholder Initiativen zu untersuchen (Gilbert & Rasche 2007; Rasche & Esser 2006; Reynolds & Yuthas 2008; Roloff 2008). Zwar werden auch Erkenntnisse des organisationalen Lernens (Hielscher, Pies & Beckmann 2009) oder der institutionellen Theorie (Egels-Zandén & Kallifatides 2009; Janney, Dess & Forlani 2009) auf Multi-Stakeholder Netzwerke übertragen, allerdings wählt die Mehrheit der Arbeiten einen diskursethischen bzw. deliberativen Ansatz.

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Grundsätzlich kann dabei in der Literatur zwischen zwei Forschungsfragen unterschieden werden. Zum einen wird getestet, ob und inwieweit eine bestimmte internationale Organisation bzw. Multi-Stakeholder Initiative diskursethische bzw. deliberative Kriterien in ihren Entscheidungsstrukturen und -prozessen berücksichtigt. Zum anderen wird kritisch hinterfragt, inwiefern die Vorgaben von MultiStakeholder Initiativen die Umsetzung deliberativer Kriterien bei den teilnehmenden Stakeholdern (insbes. Unternehmen) unterstützen bzw. einfordern. Teilweise werden auch beide Forschungsfragen gleichzeitig adressiert. In der späteren Analyse wird es jedoch um die Entscheidungsstrukturen und -prozesse in MultiStakeholder Initiativen gehen (vgl. Kap. 8.3). An dieser Stelle wird ein Überblick über die deliberativen Forschungsarbeiten, die sowohl in der Unternehmensethik als auch in der Politikwissenschaft zu finden sind, gegeben. Dies begründet sich daraus, dass auch in dieser Arbeit ein deliberativer Ansatz verfolgt wird. Zum ersten Forschungsbereich, der die Umsetzung diskursethischer bzw. deliberativer Kriterien in den Entscheidungsstrukturen und -prozessen bei MultiStakeholder Initiativen berücksichtigt, gehören auf Seite der Unternehmensethik vor allem die Untersuchungen von Gilbert & Rasche (2007) sowie Roloff (2008). Gilbert & Rasche (2007, S. 202–203)52 liefern eine kritische Evaluation des Standards SA 8000 aus der Sicht der deliberativen Demokratie und stellen dabei insbesondere die Faktoren Begründung der Normen, Organisation des Stakeholder Dialogs und Ausübung von Zwang in den Vordergrund. Im Unterschied dazu wird bei Roloff (2008) kein spezifisches Netzwerk untersucht, sondern ausgehend von einem Lebenszyklusmodell von Netzwerken gezeigt, inwiefern deliberative Elemente in den einzelnen Phasen eine Rolle spielen. Auch in der politikwissenschaftlichen Literatur werden Multi-Stakeholder Netzwerke vor dem Hintergrund der Erfüllung deliberativer Kriterien analysiert. So versuchen beispielsweise Nanz & Steffek (2004, S. 326) für die World Trade Organization (WTO) abzuleiten, inwiefern sie die Prinzipien der deliberativen Demokratie erfüllen müsste, um Legitimität zu erreichen. Hierzu identifizieren sie Transparenz über den Entstehungsprozess der Regeln sowie Einbindung von Stakeholder Interessen, insbesondere auch die Teilnahme von Randgruppen als entscheidende Kriterien. Im Unterschied zu Nanz & Steffek führen Klintman (2009) und Van de Kerkhof (2006) deliberative Untersuchungen im nationalen Kontext durch. Zwar wird in dieser Arbeit die globale Ebene untersucht, die nationalen Analysen sind dennoch beispielhaft für deliberative Untersuchungen heranzuziehen. So untersucht Klintman (2009), inwiefern in Schweden verwendete Zertifikate und Labels Charakteristika deliberativer Demokratie aufweisen. Dabei wird für 52

In der Forschungsarbeit von Gilbert & Rasche (2007, S. 203) wird auch die Implementierung von SA 8000 betrachtet, jedoch stehen die Entscheidungsprozesse des Standards im Vordergrund.

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

jeden Fall ein anderes Kriterium analysiert: für die Zertifizierung von Waldflächen53 das Bestehen von Machtbeziehungen, für Lebensmittellabels die Konsensorientierung und für Stromlabels die Breite der Problemdefinition (Klintman 2009, S. 46–53). Parallel zur Analyse von Klintman, zeigt Van de Kerkhof (2006), inwiefern der dänische Stakeholder Dialog Climate OptiOns for the Long Term (COOL)54 deliberative Elemente in seiner Struktur berücksichtigt. Als Kriterien werden dabei die Zusammensetzung der Gruppe, die Gestaltung des Dialogs, die Kommunikationsregeln, der Input wissenschaftlicher Information und die Methoden der Dialogführung herangezogen (Van de Kerkhof 2006, S. 285–286). Zum zweiten Forschungsbereich, der die Vorgaben der Initiativen vor dem Hintergrund der Diskursethik bzw. deliberativen Demokratie kritisch evaluiert, gehören die Arbeiten von Rasche & Esser (2006) sowie Reynolds & Yuthas (2008) 55. Rasche & Esser (2006, S. 262–264) analysieren die Vorgaben des Standards AA1000 auf Basis der Diskursethik von Habermas. Dabei wird keine vollständige Analyse geliefert, sondern betrachtet, welche Aussagen der Standard zur Einbindung der Stakeholder (Diskursprinzip) liefert und inwiefern eine Konsensorientierung (Universalisierungsprinzip) gefordert wird. Bei Reynolds & Yuthas (2008, S. 54–62) findet sich eine kritische Analyse der Regelungen, die Standards der unternehmerischen Berichterstattung (u.a. GRI, ISO 14001, SA 8000) vorgeben, auf Basis der Diskursethik. Dabei untersuchen sie zunächst, welche Berichtstandards welche Geltungsansprüche (z.B. Angemessenheit und Verständlichkeit, Wahrheit, Aufrichtigkeit) erfüllen. Als Zweites analysieren sie den diskursiven Prozess. Das heißt, inwiefern die Berichtstandards die Erfüllung der Prinzipien der idealen Sprechsituation von Unternehmen einfordern. Untersucht werden Allgemeingültigkeit, Perspektivenwechsel, volle Teilhabe, Transparenz und Machtneutralität. Ein zusammenfassender Überblick mit Verweis auf die Ergebnisse der jeweiligen Forschungsarbeiten findet sich in Tab. 12 im Anhang.

53 54

55

Hier wird der FSC Schweden untersucht (Klintman 2009, S. 47–48). COOL stellt einen Multi-Stakeholder Prozess auf nationaler Ebene dar (Van de Kerkhof 2006, S. 284). Auch bei Hemmati (Hemmati 2002, S. 96ff.) findet sich eine deskriptive Analyse von MultiStakeholder Netzwerken, die sich in prozedurale und strukturelle Kriterien unterteilt. Die Analyse stützt sich auf Literaturquellen sowie Interviews. Unklar bleibt jedoch, wie sich die Kriterien aus der Literatur ableiten. Sie zeigen allerdings eine gewisse Nähe zur deliberativen Demokratie, da Aspekte wie Organisation der Kommunikation, Moderation oder Macht angesprochen werden.

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4.4

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Fazit und Notwendigkeit eines deliberativen Ansatzes

Aufgrund der vorangegangen Ausführungen wird in dieser Arbeit ein Stakeholder Dialog als gleichberechtigter Dialog zwischen einem MNU und seinen internen und externen Anspruchsgruppen definiert (interorganisatorischer MultiStakeholder Dialog). Gleichberechtigt bedeutet dabei, dass Stakeholder an der unternehmerischen Entscheidungsfindung beteiligt werden und nicht nur beratende Aufgaben wahrnehmen. Weiterhin hat jeder Stakeholder die gleiche Möglichkeit, seine Meinung zu vertreten. Diese Art des Stakeholder Dialogs ist dann notwendig, wenn Entscheidungen über die politische Verantwortung von MNU zu treffen sind. Im Unterschied zur Unternehmensebene ist diese Art der Stakeholder Dialoge bereits auf institutioneller Ebene zu finden, wo Unternehmen als Stakeholder an Multi-Stakeholder Netzwerken teilnehmen und gleichberechtigt neben anderen Akteuren wie NGOs Entscheidungen treffen. Wie gezeigt wurde, lässt sich die Einbindung der Anspruchsgruppen in unternehmerische Entscheidungsprozesse zum einen aus dem Ansatz der ethischen Strategen, zum anderen auch aus dem Ansatz der Habermasianer begründen. Dabei wird der Vorteil einer Einbindung der Stakeholder darin gesehen, dass das Ergebnis eher akzeptiert wird und als gerecht empfunden wird: „As the perceived justice of outcomes is substantially determined by the perceived fairness of the process used in distribution, it follows that greater participation in decision making leads to an increase in the perceived fairness of the outcomes.“ (Phillips, Freeman & Wicks 2003, S. 487) Dieser Zusammenhang lässt sich nicht nur theoretisch begründen, sondern wurde auch empirisch nachgewiesen. Im Bereich der Unternehmensethik haben beispielsweise Van Tulder, Van Wijk & Kons (2009, S. 408) in einer empirischen Untersuchung herausgefunden, dass Codes of Conduct, die in einem interaktiven Prozess mit Stakeholdern formuliert werden, die Compliance mit diesen erhöhen. Weitere empirische Untersuchungen kommen vor allem aus dem Bereich der Organisationsforschung56 (vgl. hier u.a. Brockner 2002; Konovsky 2000) sowie der Sozialpsychologie (Verhaltensforschung) (Lind & Tyler 1998).

56

Weitere Untersuchungen innerhalb der Betriebswirtschaftslehre finden sich auch im Bereich Veränderungs- oder Personalmanagement (Konovsky 2000, S. 498).

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Untersuchungsgegenstand ist die prozedurale Gerechtigkeit57, das heißt, inwiefern ein als gerecht wahrgenommener Entscheidungsprozess die Akzeptanz des Ergebnisses erhöht. Brockner und andere empirische Studien bestätigen, dass die Vorteilhaftigkeit des Ergebnisses für den Einzelnen eine geringere Rolle spielt, wenn die prozedurale Gerechtigkeit hoch ist. Das heißt, die Unterstützung für eine Entscheidung ist höher, wenn die prozedurale Gerechtigkeit auch als hoch wahrgenommen wird (Brockner 2002, S. 61–63). Für den Kontext dieser Arbeit kann daraus abgeleitet werden, dass die moralische Legitimität der Übernahme politischer Verantwortung erreicht bzw. erhöht werden kann, wenn die betroffenen Anspruchsgruppen auch in die tatsächliche Entscheidungsfindung mit einbezogen werden und somit prozedurale Gerechtigkeit hergestellt wird. Diese These wird auch durch die Tatsache gestützt, dass die Akzeptanz und das Vertrauen von Anspruchsgruppen für unternehmerische Entscheidungen wichtig für das Überleben und die Handlungsfähigkeit von Unternehmen sind (Aguilera et al. 2007, S. 845; Palazzo & Scherer 2006, S. 71; Suchman 1995, S. 574; Zinkin 2004; Zucker 1987, S. 445). In dieser Arbeit wird argumentiert, einen deliberativen Ansatz zur Einbindung von Anspruchsgruppen zu verwenden. Dieser ist dem Ansatz der ethischen Strategen überlegen, da erstens moralische Legitimität erreicht werden kann und zweitens abgeleitet werden kann, wie Kommunikation im Stakeholder Dialog gestaltet werden sollte. Zwar werden in der Denkschule der ethischen Strategen keine Aussagen zur Legitimität getroffen, jedoch kann angenommen werden, dass es darum geht, pragmatische Legitimität zu erreichen: Stakeholder werden eingebunden, da sie von der Strategie betroffen sind und daher sollen ihre Ansprüche auch berücksichtigt werden (vgl. influence legitimacy bei Suchman 1995, S. 578). Allerdings müssen auch die bisherigen Forschungsarbeiten auf Basis der Diskursethik bzw. deliberativen Demokratie erweitert werden. Zwar stellen sie einen Ansatzpunkt für die Ausgestaltung von Stakeholder Dialogen auf der Unternehmensebene bzw. die Bewertung von Multi-Stakeholder Initiativen auf der institutionellen Ebene dar. Jedoch sind diese Analysen häufig verkürzt, da erstens nur punktuell Faktoren der Theorie herausgegriffen und getestet werden. Insbesondere im Kontext von Multi-Stakeholder Initiativen bleibt es häufig unklar, wie die Kriterienauswahl zustande kommt. Zweitens verwenden diese Arbeiten als theoretische Grundlage vor allem den klassischen Ansatz nach Habermas (v.a. die Theorie der 57

Der Begriff der prozeduralen Gerechtigkeit ist vom Terminus der Verteilungsgerechtigkeit (Ergebnisperspektive) abzugrenzen (Brockner & Wiesenfeld 1996, S. 189; Konovsky 2000, S. 502ff). Prozedurale Gerechtigkeit kann dabei verschiedene Kriterien betreffen, z.B. inwieweit Individuen an der Entscheidungsfindung beteiligt waren und ihre Meinung äußern konnten, wie der gegenseitige Umgang miteinander wahrgenommen wurde oder ob die Entscheidung auf Basis richtiger Informationen getroffen wurde (Brockner & Wiesenfeld 1996, S. 189; Luo 2008, S. 28).

STAKEHOLDER DIALOGE IM RAHMEN DES STAKEHOLDER MANAGEMENTS

111

Diskursethik) und zeichnen einen idealtypischen Prozess der Entscheidungsfindung, bleiben aber in Fragen der tatsächlichen Umsetzbarkeit unpräzise. Insbesondere im unternehmerischen Kontext müssten auch Fragen gestellt werden, wie mit Macht (vom Unternehmen) umgegangen wird oder inwiefern wirtschaftliche und moralische Zielsetzungen tatsächlich verknüpft werden können bzw. müssen (vgl. u.a. Greenwood 2007, S. 318; Noland & Phillips 2010, S. 43; Trautnitz & Engelhard 2009, S. 786–787; Unerman & Bennett 2004, S. 687). Darüber hinaus werden in der vorliegenden Arbeit stärker die Charakteristika der multinationalen Unternehmung hervorgehoben, insbesondere der Aspekt, dass MNU in verschiedenen Kulturräumen tätig sind, was auch in einem Stakeholder Dialog Berücksichtigung finden muss. Im Zuge dieser Arbeit wird es daher nicht nur darum gehen, zu erklären, wie deliberative Demokratie dazu beitragen kann, politische Verantwortung mit Hilfe von Stakeholder Dialogen zu legitimieren. Der Fokus liegt auch auf der Frage, wie Stakeholder Dialoge auf Basis der deliberativen Demokratie in der Praxis strukturiert und implementiert werden können. Die deliberative Demokratie nach Habermas bildet dabei lediglich einen Ausgangspunkt für die Analyse. Vor dem Hintergrund einer praktischen Durchführbarkeit, werden insbesondere die erweiterten Ansätze zur deliberativen Demokratie vorgestellt und auch ein stärkerer Fokus auf empirische Ergebnisse gelegt. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse kann in der späteren Analyse zum einen eine Aussage getroffen werden, wie die Implementierung deliberativer Prozesse in der Praxis erfolgen kann. Zum anderen kann gezeigt werden, wo die Schwierigkeiten bei der Umsetzung liegen und wie diesen begegnet werden könnte (Ableitung von Handlungsempfehlungen). Im zweiten Teil der Arbeit werden zunächst die klassischen und erweiterten Ansätze zur deliberativen Demokratie dargestellt, um sie in Kapitel 8 zu einem konzeptionellen Ansatz zusammenzufügen.

113

II.

Grundlagen und Ansätze zur deliberativen Demokratie

5.

Überblick zur deliberativen Demokratie

In diesem Kapitel wird die Theorie der deliberativen Demokratie in den Kontext der Forschung eingeordnet. Dabei wird insbesondere gezeigt, warum die deliberative Demokratie sowohl im Bereich der Moralphilosophie als auch im Bereich der Politikwissenschaft im Vergleich zu anderen Ansätzen vorteilhaft ist, um die politische Verantwortung von MNU zu analysieren. Daneben gibt das Kapitel auch einen Überblick zu den Forschungsansätzen der deliberativen Demokratie.

5.1

Einordnung in den moralphilosophischen Kontext

Ethik wird allgemein als methodische oder kritische Reflexion über Moral (bzw. Moralphilosophie) verstanden (Kreikebaum, Behnam & Gilbert 2001, S. 6; Steinmann & Löhr 1991, S. 5–6). Jedoch gibt es nicht nur eine Form der Ethik: Je nach dem, welche ethische Theorie gewählt wird, ergibt sich ein unterschiedliches Verständnis darüber, was als (moralisch) richtige oder falsche Handlung verstanden wird und wie Normen und Werte überhaupt begründet werden, um als legitim zu gelten (vgl. u.a. Crane & Matten 2010, S. 92; Küpper 2006, S. 95). Damit erheben ethische Theorien den Anspruch, eine normative Orientierung zu bieten und auf der Basis einer bestimmten Moralphilosophie zu erklären, was als das richtige (Unternehmens-)Handeln anzusehen ist (Gilbert & Behnam 2009, S. 215; Scherer & Palazzo 2007, S. 1101; Steinmann & Löhr 1991, S. 5–6). Grundsätzlich wird in der Unternehmensethik, entlehnt aus der Philosophie, zwischen zwei Ansätzen unterschieden, der Teleologie und der Deontologie (Boatright 2003, S. 31). Gebräuchlich sind auch die Begriffe „konsequentialistische“ und „nicht-konsequentialistische“ Ethik (Crane & Matten 2010, S. 97–98)58. Einen Überblick zu ausgewählten moralphilosophischen Ansätzen innerhalb der Teleologie und Deontologie gibt Tab. 4. 58

Teleologische Theorien können auch deontologische Elemente enthalten bzw. deontologische Theorien auch teleologische Elemente. Entscheidend ist, welche Kriterien überwiegen.

114

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Tab. 4: Ansatz/ Kriterien

Ausgewählte moralphilosophische Ansätze im Vergleich Utilitarismus

Pflichtenethik

Ethik der Gerechtigkeit

Diskursethik

Autoren

Bentham/Mill

Kant

Rawls

Habermas

Grundverständnis

Handlung wird als richtig angesehen, wenn sie für die Mehrheit der Menschen zu einem guten Ergebnis führt

Handlung wird als richtig angesehen, wenn die Handlung selbst als gut angesehen wird (z.B. dadurch dass sie universelles Gesetz werden kann)

Handlung wird als richtig angesehen, wenn sie die Gerechtigkeit fördert

Handlung wird als richtig angesehen, wenn alle von der Handlung Betroffenen in einen Diskurs eingebunden werden und einen Konsens erzielen

Maßstab/ Regel(n)

Größtes Glückprinzip

Kategorischer Imperativ

Gerechtigkeit als Fairness

Diskursregeln/ Ideale Sprechsituation

Typus

Teleologie

Deontologie

Deontologie

Teleologie/ Deontologie

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Crane & Matten (2010, S. 91).

Zu den teleologischen Theorien59 gehören vor allem die Forschungsarbeiten von Bentham (1996) und Mill (1993). Beide können dem Utilitarismus zugeordnet werden und beruhen vereinfacht auf dem Grundverständnis, dass eine Handlung dann als richtig angesehen wird, wenn diese Handlung für die Mehrheit der Menschen zu einem guten Ergebnis führt. Dies wird auch als „Größtes Glückprinzip“ angesehen: Maßstab für die Richtigkeit einer Handlung sind ihre Folgen und nicht die Handlung selbst. Auf den unternehmerischen Kontext übertragen, würde beispielsweise eine Kosten-/Nutzen-Analyse aufdecken, ob die Mehrheit der Stakeholder von einer bestimmten Handlung profitiert (Boatright 2003, S. 31–32, 34ff.; Crane & Matten 2010, S. 101–104; Mill 1993, S. 7). Im Gegensatz dazu stehen die so genannten deontologischen Theorien, die die Richtigkeit einer Handlung daran bemessen, ob die Handlung an sich als gut bzw. moralisch wertvoll einzustufen ist. Zu diesen Theorien gehören vor allem die Pflichtethik von Kant (1785/2002) 59

Zu den teleologischen Theorien wird neben dem Utilitarismus auch der so genannte egoistische Ansatz gezählt (vgl. Crane & Matten 2010, S. 98; Kreikebaum, Behnam & Gilbert 2001, S. 17). Diese Denkrichtung wird allerdings an dieser Stelle vernachlässigt.

ÜBERBLICK ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

115

sowie die Ethik der Gerechtigkeit („Gerechtigkeit als Fairness“) von Rawls (1971/1999, 2001/2003). Beiden gemeinsam ist die Orientierung an universellen moralischen Grundsätzen (z.B. der Goldenen Regel bzw. ihre Reformulierung im kategorischen Imperativ), um zu entscheiden, ob eine Handlung als richtig angesehen wird (vgl. Boatright 2003, S. 33; Crane & Matten 2010, S. 104–116; Donaldson & Dunfee 1999, S. 17; Kreikebaum, Behnam & Gilbert 2001, S. 17; Ulrich 2001, S. 72–73). Im Fall von Rawls würde eine Handlung als richtig gelten, wenn sie die Gerechtigkeit befördert. Gerechtigkeit wird zum Beispiel darüber bestimmt, ob alle betroffenen Personen die gleichen Grundrechte besitzen und soziale und ökonomische Ungleichheiten alle zu gleichen Teilen betreffen (Verteilungsgerechtigkeit). Grundannahme ist dabei, dass die Prinzipien der Gerechtigkeit Ergebnis einer sozialen Kooperation (Vertrag) zwischen den Akteuren sind60 (Rawls 1971/1999, S. 10, 52, 2001/2003, S. 42–43, 50). Daneben gibt es auch Theorien, die an der Schnittstelle von Teleologie und Deontologie stehen61. Hier ist insbesondere auf die Theorie der Diskursethik zu verweisen (Ulrich 2001, S. 86–87). Mit der Diskursethik rückt laut Ulrich (2001, S. 78–79) das Ziel einer vernünftigen Verständigung in das Zentrum der Betrachtung. Sie stellt weiterhin die Ethik dar, die dem Menschen am Nächsten kommt, da über Sprache eine Verständigung stattfinden kann und sich mit Hilfe dieser das Verständnis von Moralität im Austausch mit Anderen praktisch formen lässt. Damit ersetzt die Diskursethik das Gedankenexperiment bei Kant durch einen Prozess der moralischen Argumentation (Diskurs) (Habermas 1990, S. 197). Ziel der Diskursethik ist es, Normen auf ihre Geltung hin zu überprüfen, indem alle von den Normen Betroffenen in einen Diskurs eintreten und nach bestimmten Regeln darüber diskutieren, um am Ende einen Konsens über die geltenden Normen zu erzielen. Diese Orientierung am Prozess stellt ein deontologisches Element dar, da Regeln getroffen werden, wie Teilnehmer diskutieren sollen. Allerdings werden innerhalb dieses Prozesses auch die Folgen einer Norm erörtert, die von allen akzeptiert werden müssen. Dies stellt ein teleologisches Element dar. Jedoch überwiegen deontologische Elemente, da sich die Legitimität einer Entscheidung danach bemisst, inwiefern der Entscheidungsprozess legitim ist und zum Beispiel auf vernünftiger Verständigung beruht (Ulrich 2001, S. 86–87).

60

61

Rawls (1971/1999, S. 10–11) geht von einem angenommenen (hypothetischen) (Natur-)zustand bzw. Sozialvertrag aus, indem rationale Individuen über die Prinzipien entscheiden, die ihre Gemeinschaft regeln sollen. Wichtig ist, dass in dieser Situation alle Individuen gleich sind und weder ihre Position in der Gesellschaft, noch ihren sozialen Status kennen und damit unter einem „Schleier der Unwissenheit“ entscheiden. Diese Gleichheit impliziert ferner, dass es nicht möglich ist, Prinzipien zu wählen, die ein Individuum bevor- oder benachteiligen. Somit gelten die gefundenen Prinzipen als gerecht und sind das Ergebnis einer fairen Vereinbarung zwischen rationalen Individuen. Fisher & Lovell (2009, S. 125–128) zählen die Diskursethik zu den teleologischen Theorien.

116

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Auf Basis der moralphilosophischen Grundlagen haben sich verschiedene unternehmensethische Ansätze herausgebildet, die jeweils ein bestimmtes ethisches Verständnis zugrunde legen. In zahlreichen Forschungsarbeiten (v.a. USamerikanischen) wird ein konsequentialistisches bzw. utilitaristisches Verständnis als Basis gewählt (vgl. hier v.a. Publikationen zum Zusammenhang zwischen CSP und CFP im Rahmen der instrumentellen Stakeholder Theorie) (Donaldson & Dunfee 1999, S. 12–13; Kreikebaum, Behnam & Gilbert 2001, S. 16; Palazzo 2002a, S. 201). Nach diesen Ansätzen wäre die Übernahme politischer Verantwortung durch MNU als moralisch richtig anzusehen, wenn diese den größten Nutzen (z.B. in finanzieller Hinsicht) für das Unternehmen und seine Stakeholder erreichen würde. Daneben sind im angloamerikanischen Raum auch Forschungsarbeiten populär, die sich auf die Erkenntnisse von Kant (vgl. hier u.a. Bowie 1999; Evan & Freeman 1993) stützen. Auf die politische Verantwortungsübernahme von MNU übertragen, könnte der kategorische Imperativ einen Maßstab bieten, wie sich MNU verhalten müssten, um moralisch richtig zu handeln. Wie bereits festgestellt wurde, sind MNU in einer Vielzahl von Kulturräumen tätig, ihre Handlungen betreffen nicht nur sie selbst, sondern unterschiedliche Stakeholder Gruppen, mit denen sie auch in Interaktion stehen. Vor diesem Hintergrund wird es für MNU schwierig, nach dem kategorischen Imperativ zu entscheiden, ob ihr Handeln gleichzeitig ein universelles Gesetz darstellt und ob dadurch Menschen niemals als Mittel, sondern nur als Zweck behandelt werden (Kant 1785/2002, S. 37, 46–47). Auch vertragstheoretische Konzeptionen wie die von Rawls werden insbesondere in der angloamerikanischen Forschung häufig herangezogen (vgl. hier u.a. Donaldson & Dunfee 1994; Hsieh 2009; Phillips 1997). Im deutschsprachigen Raum gibt es ebenfalls Ansätze zur Unternehmensethik, deren Grundlage ein vertragstheoretisches Verständnis bildet (vgl. u.a. Wieland 1999). Ausgangspunkt der Überlegungen bildet das Konstrukt des Sozialvertrags: Individuen schließen Verträge, die Ausdruck ihres Willens zur Kooperation sind (Wieland 1999, S. 57ff.). Mit dieser Idee der Kooperation und des Vertrages wird das neoklassische Paradigma verworfen, wonach die einzige Aufgabe von Unternehmen die Gewinnmaximierung sei und daher nur eine Verantwortung gegenüber den Shareholdern gerechtfertigt ist. Aus der Perspektive der Vertragstheorie werden auch andere Anspruchsgruppen (interne und externe Stakeholder) für das Unternehmen bedeutend, da sie in Form ihrer Kooperationsleistung Wert für das Unternehmen haben (Boatright 1996, S. 219–224). Das heißt, mit Hilfe der Vertragstheorie kann das Beziehungsgeflecht Unternehmen und Stakeholder analysiert werden. Jedoch kann dies hier nur als Ausgangspunkt der Überlegungen dienen und begründen, dass Unternehmen eine (moralische) Verantwortung haben. Die Frage der Legitimation politischer Verantwortung kann nicht aus der Vertragstheorie beantwortet werden.

ÜBERBLICK ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

117

Im europäischen bzw. deutschsprachigen Raum wird vor allem die Theorie der Diskursethik bzw. die deliberative Demokratie von Habermas aufgegriffen. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass es auch eine US-amerikanische Forschung zu Habermas (insbesondere deliberative Demokratie) gibt (vgl. dazu Rosenberg 2007, S. 4). Auf der Basis der Diskursethik werden kommunikations- und dialogorientierte Ansätze zur Unternehmensethik entwickelt (vgl. hier u.a. Steinmann & Löhr 1991 oder Ulrich 200162). Diese Arbeiten stellen den Entscheidungsprozess in den Vordergrund. Das heißt, ob eine Entscheidung als richtig oder falsch einzustufen ist, wird maßgeblich durch die Qualität des Entscheidungsprozesses bestimmt. Im Rahmen dieser Arbeit wird der dialogorientiere Ansatz als den anderen Ansätzen überlegen angesehen, da MNU mit Hilfe eines diskursiven Entscheidungsprozesses praktisch testen könnten, ob betroffene Stakeholder die Übernahme politischer Verantwortung als moralisch legitim wahrnehmen. Die hier dargestellte diskursethische Perspektive wird in Kapitel 6 innerhalb der Theorie der deliberativen Demokratie angewendet. Diese stellt insofern eine theoretische Weiterentwicklung zur Diskursethik dar, da mit Hilfe der deliberativen Demokratie reale politische Probleme und Fragen der Legitimität adressiert werden können. Dies wird insbesondere dadurch begünstigt, dass die Theorie demokratische und deliberative Elemente verknüpft.

62

Der Ansatz von Steinmann/Löhr wird häufig auch als „Republikanische Ethik“ (Kreikebaum, Behnam & Gilbert 2001, S. 39ff.) oder als „Republikanische Dialogethik“ (Küpper 2006, S. 112ff.) bezeichnet. Der Ansatz von Ulrich (2001) ist als „Integrative Wirtschaftsethik“ bekannt.

118

5.2

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Einordnung in den politikwissenschaftlichen Kontext

Analog zur Einordnung in den moralphilosophischen Kontext muss auch eine Verortung im Bereich der Politikwissenschaft stattfinden. Dabei wird die Diskussion um den Nutzen der deliberativen Demokratie in der Politikwissenschaft vor allem vor dem Hintergrund einer „Krise“ der repräsentativen Demokratie geführt. Diese Krise äußert sich vor allem durch den Vertrauensverlust in Parteien und Politiker sowie auch durch den Rückgang der Wahlbeteiligung (Grönlund, Strandberg & Himmelroos 2009, S. 188). In diesem Zusammenhang sind insbesondere stärker teilhabende Demokratieformen, wie die deliberative Demokratie, gefragt. Dabei ist der Begriff „deliberative Demokratie“63, als Bezeichnung einer Staatstheorie, die deliberative und demokratische Elemente zu einer Theorie zusammenfügt, im Wesentlichen erst im 20. Jahrhundert so vorzufinden. Deliberative Ideen können allerdings bereits zu Zeiten Aristoteles nachgewiesen werden (Gutmann & Thompson 2004, S. 8–9; Mouffe 2000, S. 1). Deliberativ bezieht sich nach heutiger Auffassung auf eine bestimmte Art des Argumentierens, die von Vernunft und Neutralität geleitet wird (Wright & Street 2007, S. 851). Der Begriff Demokratie ist hingegen weiter definiert. Zum einen wird er laut Bächtiger & Tschentscher (2007, S. 100) „[…] relativ inhaltsoffen für jede Art von Volkssouveränität eingesetzt“, zum anderen bezeichnet er „[…] eine Staats- und Regierungsform und als solche ein Rechtskonzept, das durch die Verfassung verbindlich konkretisiert wird.“ Im Terminus deliberative Demokratie bedeutet demokratisch, dass alle die von der Entscheidung betroffen sind, an der Entscheidungsfindung beteiligt werden sollen (Wright & Street 2007, S. 851). In diesem Zusammenhang wird der deliberativen Demokratie zugetraut, nicht nur zu größerer Teilhabe zu führen, sondern auch eine bessere Politik zu produzieren, indem nicht nur individuelle Meinungen und Präferenzen zu einer politischen Meinung der Bevölkerung im Akt des Wählens aggregiert werden. Stattdessen sollen die Bürger ihre Präferenzen kritisch reflektieren, in eine öffentliche Diskussion eintreten und ein kollektives Verständnis erarbeiten, das einen moralischen Konsens darstellt (Grönlund, Strandberg & Himmelroos 2009, S. 188; Mouffe 2000, S. 2; Wright & Street 2007, S. 851). Somit bezieht sich Deliberation auf den Prozess des Austausches von Argumenten zwischen Individuen und trifft gleichzeitig die Aussage, dass nicht der Wille der Bürger (liberales Demokratieverständnis), sondern die Form des Willensbildungsprozesses als Quelle der Legitimität (gemeint

63

Der Verwendung des zusammengesetzten Terminus „Deliberative Demokratie“ geht auf eine Schrift von Joseph Bessette aus dem Jahr 1980 zurück (Bohman 1998, S. 400).

119

ÜBERBLICK ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

sind legitime Gesetze) angesehen wird (Manin, Stein & Mansbridge 1987, S. 351– 352). Diese Aussage soll verdeutlicht werden, indem nun eine Abgrenzung der deliberativen Demokratie zu anderen Demokratietheorien vorgenommen wird (siehe dazu auch Tab. 5). In der Moderne positioniert sich das deliberative Demokratieverständnis zwischen dem liberalen und republikanischen Demokratiemodell, wobei die deliberative Demokratie vor allem Kritik an der liberalen Konzeption des Staates übt (Bohman 1998, S. 400).

Tab. 5: DemokratieModell/ Kriterien Ziel

Vergleich der Demokratiemodelle

Liberalismus

Schutz des Bürgers vor willkürlichen Eingriffen des Staates Präferenzen des Bürgers aufdecken

Republikanismus

Förderung des Allgemeinwohls

Deliberative Demokratie Legitimität staatlicher Entscheidungen erhöhen

Aufrechterhaltung einer nationalen Identität Selbstverwirklichung der Bürger

Menschenbild

Bürger als Souverän; Bürger besitzt individuelle Persönlichkeitsrechte (negative Rechte)

Rationale Bürger, die an der politischen WillensBeitrag zur politischen Willensbildung (positive bildung teilnehmen sollen Rechte)

Aufgabe des Staates

Staatliche und gesellschaftliche Interessen zu einem Ausgleich bringen (Markt)

Staat als Agent des Volkes, Arbeit im Interesse und zum Vorteil des Volkes

Einhaltung der Rechte des Bürgers

Rechenschaftspflicht gegenüber dem Volk

Wahl/Aggregation individueller Interessen

Öffentliche Diskurse und Interaktion zwischen Staat und Bürgern/Wahl

Politische Handlung

Bürger als Souverän;

Gesellschaftlichen Konsens schaffen Institutionalisierung von Willensbildungsprozessen, die als Quelle der Legitimität gelten Öffentliche Diskurse zwischen Staat und Bürgern

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ottmann (2006, S. 317).

120

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Liberalismus Das liberale Demokratiemodell hat seinen Ursprung im 16. Jahrhundert und geht zurück auf die Ideen von Hobbes und Locke (Held 2006, S. 58–59). Ziel. Vor dem Hintergrund absolutistischer Herrschaft vertreten liberale Denker ein Freiheitsideal. Ziel ist es, den Bürger vor willkürlichen Eingriffen des Staates zu schützen, indem ihm individuelle Persönlichkeitsrechte (negative Rechte) zuerkannt werden (Habermas 1999, S. 240–241; Thomassen 2010, S. 117). Menschenbild. Der Bürger gilt als Souverän und ist somit Ursprung aller Staatsmacht. Er wird in der Ausübung seiner privaten Handlungen, das betrifft religiöse, politische und wirtschaftliche Handlungen, als frei angesehen. (Habermas 1999, S. 240–241). Aufgabe des Staates. Die Macht des Staates konzentriert sich auf den öffentlichen Bereich, der private Bereich wird durch die Gesellschaft, Kirche und Wirtschaft repräsentiert, die autonom vom Staat handeln. Nach Habermas (1999, S. 239) agiert der liberale Staat im Interesse der Bürger und hat die Aufgabe, staatliche und gesellschaftliche Interessen zu einem Ausgleich zu bringen. In diesem Sinne funktioniert Demokratie im Liberalismus wie ein Markt (Ottmann 2006, S. 318) Weiterhin soll der Staat für die Einhaltung der Rechte des Bürgers (Leben, Eigentum, Freiheit) Sorge tragen (Held 2006, S. 58–59; Moon, Crane & Matten 2005, S. 435). Politische Handlung. Durch den politischen Vorgang des Wählens hat der Bürger im Liberalismus die Möglichkeit, seinen politischen Präferenzen Ausdruck zu verleihen und sein Vertrauen in die Regierung zu bestätigen oder zu entziehen. Demnach wird hier der Willen aller Bürger zu einem politischen Willen „aggregiert“ (Habermas 1999, S. 241). Deshalb spricht man auch von einer „aggregativen Demokratie“, in der es vorrangig um die Maximierung des Selbstinteresses des Einzelnen geht (Thomassen 2010, S. 117). Laut Habermas (1999, S. 243) wird durch diese Präferenzbekundung der Vorgang des Wählens auf eine rein strategische Handlung verkürzt und dient dazu, Machtpositionen zu erhalten oder abzusichern. Auch bleibt die Teilhabe des Bürgers am politischen Prozess im liberalen Modell nur auf den Vorgang des Wählens beschränkt. Republikanismus Das republikanische Modell vertritt im Unterschied zum Liberalismus das Bild einer aktiven Bürgerschaft und Selbstregierung. Populär wurde das Modell vor allem in der Renaissance (z.B. Rousseau), obwohl Vorläufer dieser Ideen bereits in der griechischen Polis, aber auch in den Städte-Republiken im Italien des späten 11. Jahrhunderts zu finden sind (Held 2006, S. 29, 32).

ÜBERBLICK ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

121

Ziel. Politik wird im Republikanismus als Mittel zur Selbstverwirklichung der Bürger gesehen mit dem übergeordneten Ziel, das Allgemeinwohl zu fördern und Wohlstand für alle zu erreichen (Habermas 1999, S. 242; Held 2006, S. 43; Ottmann 2006, S. 318; Parkinson 2006, S. 3; Thomassen 2010, S. 117): „Moreover, freedom is marked by the ability to participate in the public sphere, by the subordination of egoistic concerns to the public good, and by the subsequent opportunity this creates for the expansion of welfare, individual and collective.“ (Held 2006, S. 43) Menschenbild. Im Mittelpunkt des republikanischen Modells steht der Bürger bzw. die Gemeinschaft, die als Souverän gilt. Der Bürger soll aktiv an der politischen Willensbildung teilnehmen und ist nicht nur auf rein private Tätigkeiten beschränkt, sondern sein Beitrag zur politischen Willensbildung wird als wertvoll betrachtet (positives Recht) (Habermas 1999, S. 241–242; Held 2006, S. 43). Aufgabe des Staates. Staatliche Amtsträger gelten als „Agenten“ des Volkes, sie arbeiten im Interesse und zum Vorteil des Volkes und sind diesem gegenüber rechenschaftspflichtig (Held 2006, S. 32–33, 38; Ottmann 2006, S. 317–318). Politische Handlung. Wie im liberalen Modell, werden auch hier politische Amtsträger durch Wahlen bestimmt. Im Unterschied zum liberalen Demokratiemodell wird jedoch die Interaktion mit dem Staat und eine Kommunikation der Bürger untereinander gewünscht. Zwar basiert laut Habermas das republikanische Modell auf einer öffentlichen Kommunikation, jedoch geht es darum, eine bestimmte kollektive Identität zu bewahren. Das heißt, es ist schon vorher bekannt, worin diese kollektive Identität besteht und diese wird nicht erst durch den Austausch und die politische Teilhabe der Bürger geformt (Habermas 1999, S. 243– 244; Held 2006, S. 45; Thomassen 2010, S. 117–118). Auf die Problemstellung dieser Arbeit bezogen werden beide Demokratiemodelle als ungeeignet angesehen. Nach dem liberalen Demokratiemodell liegt alle politische Macht beim Staat. Politik bedeutet vor allem Zugang zu Machtpositionen. Dem Akt des Wählens liegt ein strategisches Kalkül zu Grunde mit dem Ziel, diese Machtpositionen zu erhalten oder zu sichern (Habermas 1999, S. 243). In diesem Modell sind Unternehmen in ihren Tätigkeiten auf den privatwirtschaftlichen Bereich beschränkt. Als einziger öffentlicher Akteur erlässt der Staat Gesetze, an die sich Unternehmen halten müssen (Scherer & Butz 2009, S. 741–742; Scherer & Palazzo 2007, S. 1106). Vor diesem Hintergrund ließe sich im liberalen Modell weder politische Verantwortung von MNU erklären, noch legitimieren. Deshalb stellen die realwirtschaftlichen Gegebenheiten, die Globalisierung sowie die damit verbundene verminderte Einflussmöglichkeit des Staates eine Herausforderung an das bisher funktionierende liberale System dar (Cohen 1999; Fung & Wright

122

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

2003; Matten & Crane 2005a; Scherer & Palazzo 2007). Auch das republikanische Modell ist in seiner Konzeption der Situation nicht angemessen. Zwar werden die Wichtigkeit aktiver politischer Teilhabe und die Durchführung politischer Willensbildungsprozesse betont. Ziel dieser Willensbildungsprozesse (Wahl) ist jedoch zum einen, das Allgemeinwohl zu bewahren und zum anderen, politische Positionen zu besetzen und zu legitimieren. In diesem Sinne geht es nicht darum, im Diskurs ein Verständnis darüber zu entwickeln, was als moralisch richtig angesehen wird und wie Politik tatsächlich ausgeführt werden sollte. Der Diskurs dient lediglich dazu, politische Autorität zu legitimieren (Habermas 1999, S. 243–244; Trautnitz & Engelhard 2009, S. 783–784). In dieser Arbeit wird ein deliberatives Verständnis zu Grunde gelegt, da es den aktuellen Gegebenheiten, der Komplexität der Situation sowie auch der Heterogenität von Interessen gerechter wird als andere Demokratieformen (vgl. u.a. Warren 2007, S. 275). Die deliberative Demokratie bietet den Vorteil, dass sie nicht nur auf staatliche Akteure, sondern auch auf MNU angewendet werden kann. Insbesondere vor dem Hintergrund fehlender globaler Staatsautorität ermöglicht es die deliberative Demokratie, mit Hilfe eines deliberativen Entscheidungsprozesses die Legitimität von Entscheidungen unternehmerischer Akteure zu erhöhen und damit politische Verantwortung von MNU zu legitimieren (vgl. u.a. Nanz & Steffek 2004; Risse 2004). Die Übertragbarkeit auf unternehmerische Akteure wird in Kapitel 6.4 noch einmal ausführlich betrachtet. Im Folgenden soll ein Überblick zu den Forschungsarbeiten gegeben werden.

5.3

Kategorisierung von Forschungsansätzen

Vor allem in der letzten Dekade ist die Diskussion und Auseinandersetzung mit dem Thema deliberative Demokratie stark gewachsen (Bächtiger & Tschentscher 2007, S. 99; Chambers 2003, S. 307; Mouffe 2000, S. 1). Die Folge ist, dass jegliche Art der Kommunikation als Deliberation bezeichnet wird und nicht mehr ausschließlich im Sinne von Habermas das rationale Abwägen von Argumenten. Somit wird der Begriff der Deliberation verwässert (Bächtiger et al. 2010, S. 33). Bis heute gibt es eine Vielzahl konzeptioneller Forschungsarbeiten zur deliberativen Demokratie sowie auch seit einiger Zeit vermehrt empirische Forschung, wobei hier vor allem die qualitative Forschung in Form von Fallstudienanalysen (Beobachtungen oder Befragungen von Teilnehmern an deliberativen Foren) überwiegt. Allerdings wird trotz zahlreicher Ansätze bemängelt, dass eine systematische Aufbereitung des Wissens zur praktischen Umsetzung von deliberativer Demokratie fehlt (Rosenberg 2007, S. 2–3). Im Hinblick auf die konzeptionellen For-

ÜBERBLICK ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

123

schungsarbeiten muss festgehalten werden, dass derzeit eine eineindeutige Kategorisierung bzw. Strukturierung dieser Publikationen fehlt und somit auch kein gemeinsamer Konsens besteht, wie deliberative Demokratie definiert werden kann bzw. welche Aspekte unter deliberativer Demokratie subsumiert werden können (Mendelberg 2002, S. 153): „There is no settled and commonly accepted account of the central features of a deliberative democracy among political scientists and theorists.“ (Freeman 2000, S. 373) Unternimmt man den Versuch einer Einteilung deliberativer Theorien, so fällt eine Kategorisierung entlang einer Zeitlinie schwer, da die Arbeiten mehr oder weniger im selben Zeitraum entstehen (vgl. Benhabib 1996; Cohen 1997a; Dryzek 2000; Estlund 1997; Gutmann & Thompson 1996; Habermas 1996; Young 2000). Dennoch gibt es Versuche, eine Kategorisierung vorzunehmen. So befürwortet Rosenberg (2007, S. 4–14) eine geographische Einteilung und differenziert zwischen deliberativer Demokratie im angloamerikanischen Raum (Benhabib, Cohen, Gutmann & Thompson, Rawls) sowie im europäischen Raum (hier v.a. Habermas). Zu Grunde gelegt wird ein unterschiedliches Verständnis von Individualität, politischen Beziehungen sowie politischer Kommunikation. Im US-amerikanischen Raum sind deliberative Ansätze vor allem am Wert des Individuums orientiert. Das heißt, es geht um die Betonung individueller Rechte wie Autonomie und Gleichheit (entspricht dem liberalen Vorbild nach Rawls 1971/1999). Im europäischen Raum herrscht die Meinung vor, dass Werte (wie Autonomie und Gleichheit) kulturrelativ sind und nicht in jedem Individuum gleich vorherrschen, demnach also sozial konstruiert sind. Diese Differenzierung hat insbesondere Folgen für das Verständnis von Politik: Im angloamerikanischen Raum hat Politik die Funktion eines „Mittels“, Individuen können dadurch ihre Meinung ausdrücken oder Informationen gewinnen. Im europäischen Raum ermöglicht Politik hingegen die soziale Interaktion mit anderen Individuen und hat zudem die Aufgabe, die kommunikativen Fähigkeiten der Bürger zu schulen. Das hat auch Folgen für die Institutionalisierung von Deliberation. Rosenberg stellt für den angloamerikanischen Raum fest, dass Deliberation theoretisch überall möglich ist, eine Institutionalisierung allerdings vor allem notwendig, um negative externe Einflüsse zu beseitigen und die Individuen davor zu schützen. Das heißt, es soll ein Raum des Diskutierens geschaffen werden, in dem Individuen ihre Autonomie frei entfalten können. Im europäischen Raum ist die Bedingung der Beseitigung negativer externer Einflüsse nicht hinreichend, hier müssen die Bedingungen für Deliberation erst geschaffen werden und vor allem regeln, wie Individuen miteinander diskutieren. Das bedeutet, Institutionen ermöglichen Deliberation und fungieren moderierend (Rosenberg 2007, S. 4–14).

124

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Im Unterschied zu Rosenberg nehmen Smith & Brassett (2008, S. 74) eine inhaltliche Einteilung vor und unterscheiden in eine liberale, kosmopolitische sowie kritische Sichtweise der deliberativen Demokratie. Insbesondere die Bezeichnungen kosmopolitisch und kritisch bleiben jedoch unklar. Weiterhin ist anzumerken, dass die Autoren diese Ansätze im Hinblick auf ihre Funktion für die globale Governance interpretieren, es dabei allerdings schwierig ist, klare Unterschiede zu erkennen. Zur liberalen Sichtweise zählen Smith & Brassett (2008, S. 74–76) die Arbeiten von Rawls und Cohen, da beide die Bedeutung der öffentlichen Vernunft sowie die Gleichheit und Freiheit der Diskursteilnehmer explizit herausstellen. Deliberation findet hier in einem eng definierten politischen Kreis entweder in regionalen, internationalen oder globalen Institutionen statt und wird von Repräsentanten durchgeführt. Dagegen würde ein kosmopolitischer Ansatz zu dem vor allem Held, Bohman und Habermas64 gezählt werden, stärker das demokratische Element der Deliberation in den Vordergrund rücken. Außerdem wird die Bedeutung institutioneller Rahmenbedingungen für die Deliberation betont sowie der politische Kreis der Anwendung über die Staatsgrenzen hinaus für andere Akteure wie NGOs geöffnet. Allerdings bleibt Habermas gegenüber globalen Institutionen und ihrem Beitrag zur Demokratie skeptisch (Smith & Brassett 2008, S. 79–80). Einen kritischen Ansatz zur deliberativen Demokratie vertritt für die Autoren insbesondere Dryzek. Der Unterschied zu den kosmopolitischen Ansätzen ist, dass es weniger um die Ausgestaltung von deliberativen Institutionen geht, sondern der Ort dieser Diskurse in den Vordergrund gerückt wird. Dabei wird eine Governance ohne Regierung sowie die Rolle von NGOs und anderen zivilen Institutionen betont, die für eine globale Ordnung sorgen und gemeinsam Problemlösungen erarbeiten sollen (Dryzek 2000, S. 115ff; Smith & Brassett 2008, S. 84–86). Eine differenzierte Kategorisierung ist bei Bächtiger et al. (2010) sowie bei Mansbridge et al. (2010) zu finden, die in Typ I (klassische) und Typ II (erweiterte) Ansätze zur deliberativen Demokratie differenzieren und damit nach dem zugrunde liegenden Verständnis von Deliberation unterscheiden. Typ I bezeichnet den prozessorientierten Ansatz (idealtypisch) wie er von Habermas vertreten wird, Typ II hingegen Ansätze, die eine erweiterte Form von Deliberation befürworten und gleichzeitig auch einen stärkeren Fokus auf die empirische Erforschung der Deliberation legen. Hierzu zählen unter anderem die Ansätze von Gutmann & Thompson, Young oder auch Dryzek. Auch bei Elstub (2010) ist eine solche Kategorisierung erkennbar. Er nimmt dabei eine Unterteilung in eine erste und eine zweite Generation der deliberativen Demokratie vor. Zur ersten Generation gehören Habermas und Rawls, die die Theorie normativ begründen, zur zweiten Gene64

Die Einteilung bezieht sich vor allem auf die jüngeren Arbeiten von Habermas wie „The Postnational Constellation“ (2001) und „The Divided West“ (2006) (Smith & Brassett 2008, S. 92).

ÜBERBLICK ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

125

ration etwa Forscher wie Gutmann & Thompson, die stärker institutionelle Aspekte und Fragen der praktischen Machbarkeit in den Vordergrund rücken. Zur dritten Generation werden die Ansätze gezählt, die die Institutionalisierung anhand von praktischen Beispielen weiter konkretisieren (im Falle dieser Arbeit würden dazu die empirischen Ansätze gehören). In dieser Arbeit wird in Anlehnung an die Kategorisierung von Bächtiger et al. (2010) und Mansbridge et al. (2010) eine Unterscheidung in klassische und erweiterte Ansätze vorgenommen. Dabei werden geographische Unterschiede nicht berücksichtigt, da zu den klassischen Ansätzen nicht nur Habermas, sondern auch Cohen und Benhabib gezählt werden. Bei den erweiterten Ansätzen geht es darum, sich stärker mit den Fragen der Institutionalisierung und praktischen Durchführbarkeit zu beschäftigen (vgl. hierzu auch Tab. 6).

Tab. 6:

Vergleich der klassischen und erweiterten Deliberation

Art der Deliberation/ Kriterien

Klassische Deliberation (Typ I)

Erweiterte Deliberation (Typ II)

Fokus

Deliberativer Prozess

Institutionalisierung deliberativer Prozesse, Ergebnisse der Deliberation, praktische Machbarkeit

Kommunikation

Ideale Sprechsituation: Rationale Begründungen, Macht des besseren Arguments

Reale Sprechsituation: Alle möglichen Formen der Kommunikation (Rhetorik, Erzählung etc.) Verhandlung

Ergebnis

Vertreter

-

Konsens Mehrheitsentscheidung Dissens

Habermas, Cohen, Benhabib

-

Konsens Mehrheitsentscheidung Kompromiss Dissens

Gutmann & Thompson, Young, Dryzek u.a.

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bächtiger et al. (2010, S. 36).

127

6.

Klassische Ansätze zur deliberativen Demokratie

In Kapitel 6 werden die klassischen Ansätze zur deliberativen Demokratie aus der politischen Theorie skizziert. Dabei gilt es zu beachten, dass die Theorie von staatlichen Akteuren handelt und nicht für unternehmerische Akteure konzipiert ist. Bevor allerdings geklärt werden kann, ob und inwiefern die deliberative Demokratie auf MNU übertragen werden kann (vgl. Kapitel 6.4), muss zunächst ein Grundverständnis über die Bausteine der Theorie geschaffen werden.

6.1

Überblick zum Forschungsstand

Die Theorie der deliberativen Demokratie geht vor allem auf Habermas (1996, 1999) zurück, der die Idee der deliberativen Demokratie wiederbelebt hat: „More than any other theorist, Jürgen Habermas is responsible for reviving the idea of deliberation in our time, and giving it a more thoroughly democratic foundation.“ (Gutmann & Thompson 2004, S. 9) Entwickelt als Staats- bzw. Rechtstheorie ist das Ziel deliberativer Demokratie in Habermas Werk, die Legitimität politischer Autorität bzw. der Rechtsprechung zu erhöhen, indem die Öffentlichkeit (in Form der Deliberation) am politischen Prozess teilnimmt (Bächtiger & Tschentscher 2007, S. 100; Habermas 1999, S. vii). Dabei stellt Habermas in seinen Schriften, Prinzipien und Bedingungen auf, wie dieser ideale deliberative Diskurs umgesetzt werden kann (Freeman 2000, S. 385). Eine Entscheidung wird dann als legitim betrachtet, wenn sie durch einen Argumentationsprozess entstanden ist, der den Vorgaben eines fairen Prozesses der deliberativen Demokratie entspricht, die Qualität des Ergebnisses wird dabei nicht betrachtet (Bohman 1998, S. 404; Peter 2007, S. 335). Neben Habermas wird häufig auch Rawls zu den Vertretern der deliberativen Demokratie gezählt. Jedoch ist die Bedeutung seiner Schriften für die Theorie der deliberativen Demokratie umstritten. Während einige Überblicksartikel zur deliberativen Demokratie immer wieder Rawls Forschung (v.a. Ausführungen über die öffentliche Vernunft) als wichtigen Baustein der deliberativen Demokratie hervorheben (vgl. u.a. Bohman 1998; Freeman 2000; Mouffe 2000, S. 3), zweifeln andere an der Bedeutung seiner Arbeit für dieses Forschungsfeld (vgl. Benhabib 1994, S. 37; Chambers 2003, S. 308). Dabei ist zu bemerken, dass die Arbeiten von Rawls eigentlich in einen liberalen Kontext einzuordnen sind. Allerdings wird in

128

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

jüngeren Schriften die Idee der Deliberation aufgenommen, jedoch ohne explizit einen Dialogcharakter zu betonen (Dryzek 2000, S. 21). Vielmehr bewegt sich die Arbeit von Rawls um den so genannten Begriff der öffentlichen Vernunft, die die Deliberation der Bürger leiten soll (Rawls 1997, S. 772). Auch wenn Rawls teilweise deliberative Gedanken entwickelt hat, werden seine Schriften im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet. Denn im Kontext eines liberalen Verständnisses, ist, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, eine politische Verantwortungsübernahme von MNU nicht möglich, da MNU als private, rein ökonomische Akteure aufgefasst werden. In dieser Arbeit wird neben Habermas vor allem der Ansatz von Cohen als klassischer Ansatz betrachtet. Einige Autoren sehen Cohen zwar eher in der Denktradition von Rawls verhaftet, da er unter anderem Vernunft in Anlehnung an Rawls definiert (vgl. u.a. Mouffe 2000, S. 3), jedoch weisen andere Autoren auf große Ähnlichkeiten zwischen Habermas Idealvorstellung des deliberativen Diskurses und dem Ansatz von Cohen hin (Freeman 2000, S. 391; Mansbridge 2007, S. 253). Cohens Theorie der deliberativen Demokratie ist im Wesentlichen an den Erkenntnissen von Habermas angelehnt, legt allerdings den Fokus stärker auf die Erfüllung demokratischer Prinzipien wie Freiheit und Gleichheit und beschäftigt sich insbesondere mit der Frage der Institutionalisierung der deliberativen Demokratie (Cohen 1997a, S. 72, 1997b, S. 412–413, 2002, S. 394–395, 406). Häufig werden neben Cohen auch die Forschungsarbeiten von Benhabib (1996) dem Habermas’schen Ansatz zugeordnet (Mouffe 2000, S. 3). Sie werden hier zwar betrachtet, stehen aber nicht im Vordergrund. Die Werke von Habermas und Cohen können auch als prozessorientierte Ansätze bezeichnet werden. Zwar weist diese Benennung auf die Wichtigkeit des Prozesses und seiner Ausgestaltung hin, dennoch wird diese Perspektive nicht mit dem Begriff der „reinen“ oder „idealen Prozeduralisten“ gleichgesetzt, wie sie in der Literatur vorherrschend ist (vgl. hier Bohman 1998, S. 402, 404; Gutmann & Thompson 2004, S. 95–96; Peter 2007, S. 335). Dabei steht im reinen Prozeduralismus nach Peter (2007, S. 335–336) ausschließlich der faire Ablauf des Prozesses im Vordergrund. Bei Habermas oder Cohen geht es dagegen auch um die rationale Begründung der Entscheidungen und darum, dass jeder Teilnehmer aus den gleichen Gründen einer Entscheidung zustimmen kann (Konsens). Weiterhin gilt für den reinen oder idealen Prozeduralismus, dass materiale (inhaltliche) Rechte nicht als Bestandteil der Deliberation begriffen werden (Freeman 2000, S. 390– 391; Gutmann & Thompson 2004, S. 95). Zwar streben Cohen (1997b, S. 412– 413) und Habermas (1996, S. 110) nicht die Integration dieser Rechte in den Prozess an, allerdings erkennen sie, dass materiale Rechte in Form von Einhaltung der Menschenrechte wie Gleichheit und Freiheit zwingende Voraussetzung sind, damit Deliberation überhaupt stattfinden kann (Freeman 2000, S. 391). Das heißt,

KLASSISCHE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

129

bei diesen Ansätzen werden zwar inhaltliche Normen thematisiert, jedoch steht der Prozess der Entscheidungsfindung im Vordergrund.

6.2

Diskursethik und kommunikative Handlung als Fundamente der deliberativen Demokratie

Die Theorie der deliberativen Demokratie nach Habermas ist wesentlich beeinflusst durch die Erkenntnisse aus der Theorie der Diskursethik. Diese fokussiert im Unterschied zur deliberativen Demokratie nicht auf institutionelle Akteure, sondern auf Individuen (Gilbert & Rasche 2007, S. 190). Sie entstammt der so genannten kritischen Theorie oder Frankfurter Schule (Reed 1999a, S. 455; Rehg 1994, S. 21), die neben Habermas vor allem mit dem Werk von Apel verbunden ist (Ulrich 2001, S. 78). Dabei gehören beide Autoren zur zweiten Generation der Frankfurter Schule. Als Vorgänger und erste Generation gelten vor allem Horkheimer und Adorno (Thomassen 2010, S. 16). Die kritische Theorie kann als Denkhaltung erklärt werden, die versucht, die Gesellschaft von gewissen Zwängen zu befreien und den Status Quo nicht zu akzeptieren, sondern kritisch zu hinterfragen. Dabei wird vor allem auch die Notwendigkeit einer aktiven Teilnahme und Mitgestaltung der Bürger betont, um eine Unterdrückung zu verhindern (Dryzek 2000, S. 20–21). Diese Gedanken spiegeln sich auch in der Diskursethik wider, deren Stärke laut Apel (2007) ist, dass sie davon ausgeht, dass Individuen Mitglieder einer Kommunikationsgemeinschaft sind. In dieser Kommunikationsgemeinschaft besitzen sie gleiche Rechte, gleichzeitig aber auch die Pflicht, Probleme, die die Gemeinschaft betreffen, auch gemeinsam (in einem Argumentationsprozess) zu lösen (Apel 2007, S. 51–52). Diese Arbeit bezieht sich auf die Konzeption nach Habermas, der seine Theorie der Diskursethik auf Basis der Erkenntnisse zur Verwendung von Sprache und der Theorie der kommunikativen Handlung65 entwickelt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie Individuen (moralische) Normen für ihr soziales Zusammenleben generieren können. Dabei geht es Habermas weder um eine letztendgültige Rechtfertigung (Wahrheit) noch um eine inhaltliche Vorgabe dieser Normen, sondern um einen Prozess, wie moralische Normen auf ihre Geltung geprüft werden können (Gilbert & Rasche 2007, S. 193; Reed 1999a, S. 458). 65

Die Theorie der Diskursethik erweitert die Theorie der kommunikativen Handlung, die Habermas in den 1970er Jahren entwickelt hat. Diese Theorie beschäftigt sich zunächst mit Sprache und Rationalität. In der Diskursethik, die Anfang der 1980er Jahre entstanden ist, wird hingegen stärker die Frage adressiert, wie Individuen handeln sollten. Außerdem wird der Aspekt der Moralität in den Vordergrund gerückt (Thomassen 2010, S. 58 ff., 84–85).

130

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

„Discourse ethics does not set up substantive orientations. Instead, it establishes a procedure based on presuppositions and designed to guarantee the impartiality of the process of judging.“ (Habermas 1990, S. 122) Dabei liegt seinen Ausführungen die These zugrunde, dass normative Geltung nicht in einem Gedankenexperiment oder im individuellen Monolog (siehe Kant) erreicht werden kann. Die Grundannahme der Diskursethik ist, dass moralische Normen, die für eine bestimmte Gemeinschaft gültig sind, nur über kommunikative Handlung gewonnen werden können (Smith 2004, S. 318). Ausdruck dieser kommunikativen Handlung ist die Durchführung eines Argumentationsprozesses, der alle Beteiligten in einen Diskurs einbindet mit dem Ziel, ein rationales, gemeinsames Verständnis (Konsens) zu finden, dem alle zustimmen können (Beschorner 2006, S. 127; Gilbert & Rasche 2007, S. 190; Habermas 1990, S. 58; Reynolds & Yuthas 2008, S. 53, 56; Smith 2004, S. 318–319; Stansbury 2009, S. 37). Dabei bezeichnet ein Diskurs: „[…] a shared set of assumptions and capabilities embedded in language that enables its adherents to assemble bits of sensory information that come their way into coherent wholes. Because discourses are social as well as personal, they act as sources of order by co-ordinating the behaviour of the individuals who subscribe to them.“ (Dryzek 2000, S. 121) Das heißt ferner, dadurch dass Individuen Sprache besitzen, können sie ihre Lebenswelt regeln und sind in der Lage, rationale Entscheidungen zu treffen (Habermas 1984, S. 10, 1996, S. 3–4). Ulrich (2001, S. 78) bezeichnet in diesem Zusammenhang den Menschen als „Sprachtier“, der nur mittels sprachlicher Begriffe denken und vernünftig entscheiden kann. In diesem Zusammenhang stellt Reed (1999a, S. 457) ein dialektisches Verhältnis zwischen Sprache und Lebenswelt her. Denn nicht nur die Sprache reproduziert die Lebenswelt, auch die Lebenswelt versorgt die Individuen mit den nötigen Elementen, um überhaupt darüber zu kommunizieren. Bei Habermas wird dies im Konzept der „kommunikativen Rationalität“ 66 ausgedrückt: „Rather, what makes communicative reason possible is the linguistic medium through which interactions are woven together and forms of life are structured. This rationality is inscribed in the linguistic telos of mutual understanding and forms an ensemble of conditions that both enable and limit. Whoever makes use of a natural language in order to come to an understanding with an addressee about something in the world is required 66

Habermas definiert und versteht Vernunft als kommunikative Rationalität. Seine Argumentation ist, dass Vernunft nur in der praktischen Lebenswelt mit Hilfe von Kommunikation zwischen den Individuen und nicht auf Basis religiöser Werte oder durch den Staat gefunden werden kann (Habermas 1996, S. 3; Thomassen 2010, S. 59, 72–74).

KLASSISCHE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

131

to take a performative attitude and commit herself to certain presuppositions.“ (Habermas 1996, S. 3–4) Konkret heißt das: Ein Individuum erhebt in einer Sprechsituation einen Anspruch, eine bestimmte Norm für gültig zu erklären und die anderen Individuen stimmen dem zu oder lehnen dies ab. Wer in diese Sprechsituation eintritt, hat sich so Habermas schon vorher bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, die zum Beispiel vorgeben, dass sich ein „Pro“ oder „Contra“ zu einer Norm einzig von der so genannten „Macht des besseren Arguments“ leiten lassen soll67. Das heißt, dass die Teilnehmenden nicht mit festen Präferenzen in die Kommunikationssituation eintreten, sondern bereit sind, sich von einem stärkeren Argument überzeugen zu lassen. Damit sind sie nicht nur in der Lage, eine andere Perspektive einzunehmen, sondern auch ihre Meinung zu verändern. Um dies zu gewährleisten, müssen sie erstens die Interessen des jeweils Anderen verstehen und anerkennen, zweitens ihre Interessen mit seinen koordinieren, um drittens ein kollektives Verständnis auf Basis der Vernunft zu erzielen (Habermas 1998, S. 3, 367– 369; Ulrich 2001, S. 79). Für den idealen Diskurs gibt es noch weitere Voraussetzungen, die im nächsten Kapitel ausführlich beschrieben werden. Entscheidend in Habermas Theorie der kommunikativen Handlung ist zudem, dass im Wesentlichen drei verschiedene Sprechakte unterschieden werden können, die jeweils einen spezifischen Geltungsanspruch hervorbringen: Erstens konstative Sprechhandlungen, in denen es um die Beurteilung der Wahrheit des Anspruchs geht, zweitens regulative Sprechhandlungen, in denen es um die Beurteilung der normativen Richtigkeit eines Anspruchs geht und drittens ausdrückende Sprechhandlungen, die die Aufrichtigkeit Desjenigen beurteilen, der einen Anspruch vorbringt. Unabhängig von der Art des Anspruchs, müssen sie alle klar und verständlich artikuliert werden (Habermas 1998, S. 3, 144)68. Habermas (1998, S. 3) bezeichnet die verschiedenen Geltungsansprüche als universell, das heißt, sie sind jeder kommunikativen Handlung inhärent, allerdings wird meistens nur ein Anspruch explizit von einem Sprecher geltend gemacht (vgl. zu Sprechakten auch Alexy 1978, S. 142; Habermas 1990, S. 58, 1996, S. 5, 1998, S. 3, 144, 367; Reed 1999a, S. 456; Smith 2004, S. 318). Die Geltung kann in einer bestimmten Art des Diskurses, je nach vorgebrachtem Anspruch, getestet werden. Während die norma67

68

Diese Voraussetzungen bezeichnet Habermas (2005, S. 385) auch als „intuitives Wissen“. Das heißt, Individuen wüssten intuitiv, wie richtig kommuniziert und argumentiert wird: „The idealizing presuppositions of inclusiveness, equal communicative rights, sincerity and freedom of repression and manipulation are part of the intuitive knowledge of how to argue. Far from being an imposition of philosophical ideas from the outside, they form an intrinsic dimension of this practice“ (Habermas 2005, S. 385). Er erkennt jedoch an, dass die Anwendung in der Praxis häufig nicht der idealtypischen Theorie entspricht (Habermas 2005, S. 385). In der Theorie der kommunikativen Handlung werden noch zwei weitere Geltungsansprüche, Angemessenheit und Verständlichkeit, diskutiert (Habermas 1984, S. 19–23).

132

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

tive Richtigkeit im praktischen Diskurs überprüft werden kann, gilt dies nicht für die Ansprüche auf Wahrheit und auf Wahrhaftigkeit. Wahrheit kann nur in einem theoretischen Diskurs überprüft werden und die Wahrhaftigkeit einer Person lässt sich nur anhand ihrer Handlungen feststellen (vgl. hierzu Gilbert 1998, S. 132– 134; Habermas 1984, S. 19, 23; Reed 1999a, S. 457–458). Allgemein sei erwähnt, dass für Habermas die Fähigkeit von Individuen, sich der Kommunikation zu bedienen und auf einem bestimmten Niveau miteinander zu argumentieren auch gleichzeitig auf den Grad an Moralität hinweist, den ein Individuum besitzt. Demnach wird ein dialektisches Verhältnis zwischen Moralität und Kommunikation hergestellt. Das bedeutet, je höher der angewendete Kommunikationsstil der Individuen ist, desto höher ist auch ihre moralische Entwicklung (French & Allbright 1998, S. 177, 181). Voraussetzung für die Teilnahme an einem moralischen Diskurs ist somit, dass Individuen über die Kompetenz zur rationalen Kommunikation verfügen müssen (Habermas 1990, S. 89; Weinshall 2003, S. 28). Allerdings wird darauf hingewiesen, dass die moralische Entwicklung als Lernprozess zu verstehen ist (Habermas 1990, S. 123–125). In diesem Sinne könnten Individuen erlernen, rational zu kommunizieren und sich zum Beispiel nicht strategisch zu verhalten. Grundsätzlich unterscheidet Habermas die kommunikative Handlung von der strategischen Handlung. Kern der strategischen Handlung ist, dass das Selbstinteresse eines Akteurs die Entscheidung lenkt, indem die anderen beteiligten Akteure in ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst bzw. sogar manipuliert werden (Habermas 1984, S. 333, 1996, S. 159–160). Allgemein sind strategische Handlungen instrumentell zu sehen, darauf ausgerichtet, erfolgreich zu handeln, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das allerdings nicht primär einen Konsens darstellen muss. In diesem Sinne besteht strategische Kommunikation aus einem Wettbewerb der Interessen, an dessen Ende sich ein dominierendes Interesse durchsetzen wird (French & Allbright 1998, S. 181; Reed 1999a, S. 456; Smith 2004, S. 319). Wie noch gezeigt wird, kann die Anwendung dieser Form der Handlung bzw. des Diskurses für ein bestimmtes Problem angemessen sein. Moralische Ansprüche müssen jedoch in Form der kommunikativen Handlung geregelt werden (Habermas 1996, S. 158–159).

KLASSISCHE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

6.3

Konzeption der deliberativen Demokratie

6.3.1

Grundverständnis der deliberativen Demokratie

133

In der Theorie der deliberativen Demokratie werden die Erkenntnisse aus der Diskursethik und der Theorie der kommunikativen Handlung auf die Politik übertragen (Thomassen 2010, S. 112). Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der legitimen Ausübung staatlicher Macht. Im Unterschied zur Diskursethik geht es nicht darum, die Legitimität moralischer Normen für das Zusammenleben von Individuen festzustellen, sondern die Legitimität staatlicher Akteure in Bezug auf die Rechtsetzung zu erhöhen (Bächtiger & Tschentscher 2007, S. 100; Cohen 1997a, S. 67, 1997b, S. 407; Habermas 1996, 1999, 2006a). Legitimität kann laut Habermas (2005, S. 386) nur mit Hilfe eines demokratischen Prozesses erreicht und nicht inhaltlich abgeleitet werden. So wird deliberative Demokratie folgendermaßen definiert: „The deliberative paradigm offers as its main empirical point of reference a democratic process, which is supposed to generate legitimacy through a procedure of opinion and will formation that grants (a) publicity and transparency for the deliberative process, (b) inclusion and equal opportunity for participation, and (c) a justified presumption for reasonable outcomes […].“ (Habermas 2006a, S. 413) Die Legitimität staatlicher Autorität erwächst folglich daraus, dass die Öffentlichkeit kollektiv in die Entscheidungen eingebunden wird. Das heißt, die Macht des Staates kann legitimiert werden, wenn seine Bürger über die Normen (Gesetze) und Bedingungen in einem öffentlichen Argumentationsprozess beraten und der Austausch ihrer Argumente auf vernünftigen69 Gründen beruht (Cohen 1997a, S. 72, 1997b, S. 407, 2002, S. 404). Hier wird zudem auf die Theorie der kommunikativen Handlung von Habermas zurückgegriffen: Bürger tauschen gegenseitig Argumente mit Hilfe von Sprache aus (Habermas 2006a, S. 413). Ziel ist es, bei den Individuen eine Meinung zu generieren, die auf Basis von vernünftigen Argumenten ein Für oder Wider begründet (Habermas 2006a, S. 416). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Cohen im Unterschied zu Habermas einen anderen Begriff von Vernunft verwendet. Für Habermas entsteht Vernunft durch kommunikative Handlung und wird als kommunikative Rationalität bezeichnet (vgl. Kap. 6.2) (Habermas 1984, S. 10), Cohen hingegen definiert Vernunft in Anlehnung an

69

Ein vernünftiges Argument vorbringen, bedeutet nach Cohen (1998, S. 195–197), so zu argumentieren, dass alle dieses Argument akzeptieren können. Das heißt, ein Individuum muss Gründe hervorbringen, die nicht das Wohl der Anderen einschränken.

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

134

Rawls als relative Autonomie politischer Vernunft70 (Cohen 2002, S. 387; Habermas 2005, S. 385; Mouffe 2000, S. 4). Diese Autonomie politischer Vernunft bezieht sich darauf, dass nicht eine bestimmte philosophische Ausrichtung beeinflusst, was ein Individuum als vernünftig erachtet, sondern dass politische Vernunft einen gemeinsamen Bezugsrahmen bildet. Ferner ist Vernunft allen gleich gegeben und Individuen werden nicht durch soziale Umstände, religiöse oder moralische Werte geprägt (Cohen 1998, S. 192, 194; Rawls 1997, S. 799–800). Im Sinne dieses Verständnis von Rawls wird Vernunft einzig durch die übergeordneten Prinzipien der Freiheit und Gleichheit begrenzt. Das heißt, was gegen die Freiheit und Gleichheit von Bürgern gerichtet ist, kann nicht als vernünftig gelten (Cohen 2002, S. 398). Sowohl die Teilnahme als auch der Diskurs selbst orientieren sich an den Prinzipen der Freiheit und Gleichheit und verweisen damit auf den demokratischen Charakter der Deliberation (Cohen 1998, S. 192, 194, 206). Zudem betont Cohen (1997a, S. 79), dass deliberative Demokratie die Autonomie des Individuums respektieren muss. Auch Habermas (1996, S. 170) hebt das „demokratische Element“ der deliberativen Demokratie hervor und sieht einen „Primat der Demokratie vor der Philosophie“71: „The exercise of public authority is oriented and legitimated by the laws citizens give themselves in a discursively structured opinion- and willformation. If we first view this practice as problem-solving process, then it owes its legitimating force to a democratic procedure intended to guarantee a rational treatment of political questions.“ (Habermas 1996, S. 170) Vor dem Hintergrund dieses Anspruchs wird die Theorie der deliberativen Demokratie in der Forschung als ein pragmatischer Ansatz bewertet, der im Gegensatz zur Diskursethik als in der Praxis umsetzbar erscheint (Gilbert & Behnam 2009; Scherer & Palazzo 2007). Dies hängt auch damit zusammen, dass Habermas in der deliberativen Demokratie verschiedene Anspruchsgrundlagen und Formen praktischer Diskurse unterscheidet, die im nächsten Kapitel dargestellt werden.

6.3.2

Anspruchsgrundlagen und Formen des praktischen Diskurses

Gesetzgebende (politische) Prozesse bestehen nach Habermas aus verschiedenen Arten der Argumentation. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist dabei, eine Unterscheidung in drei verschiedene Formen praktischer Vernunft, die als pragmatisch, ethisch-politisch und moralisch bezeichnet werden und mit denen jeweils ein 70

71

Bei Mouffe (2000, S. 3) wird Cohen aufgrund dieser Nähe zu Rawls nicht zur Denkschule von Habermas gezählt. Der „Primat der Demokratie vor der Philosophie“ geht auf Rorty (1991) zurück (Scherer & Palazzo 2007, S. 1098).

KLASSISCHE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

135

bestimmter (Geltungs-)Anspruch (Effizienz, das Gute, Richtigkeit) hervorgebracht wird72 (Habermas 1996, S. 157–162, 287). Da diese Ansprüche einem bestimmten Gebrauch der Vernunft entsprechen, wird im Folgenden auch von pragmatischen, ethisch-politischen oder moralischen Ansprüchen gesprochen. Stehen Ansprüche in Konflikt zueinander, müssen diese auf ihre Geltung überprüft werden. Geltung impliziert, dass ein Anspruch begründet werden muss. Da es sich allerdings um unterschiedliche Ansprüche handelt, bestehen auch unterschiedliche Regelungen, in welcher Form diese begründet werden müssen. Dabei gilt, dass die Begründung nur im praktischen Diskurs erfolgen kann. Analog zu den Ansprüchen unterscheidet Habermas drei Formen des praktischen Diskurses: den pragmatischen, den ethisch-politischen und den moralischen Diskurs. Ein moralischer Diskurs, der den Regeln der deliberativen Demokratie folgt, muss nur angestrebt werden, wenn (konfligierende) moralische Ansprüche auf ihre Geltung geprüft werden müssen. Bei pragmatischen und ethisch-politischen Ansprüchen gelten hingegen weniger strenge Regelungen (Gerhards 1997, S. 19; Gilbert & Rasche 2007, S. 195–197; Reed 1999a, S. 459–462). Im Folgenden werden die verschiedenen Anspruchsgrundlagen und Diskursarten näher erläutert. Eine Abgrenzung der drei Anspruchsgrundlagen findet sich außerdem in Tab. 7. Pragmatischer Anspruch und Diskurs „Pragmatic questions pose themselves from the perspective of an actor seeking suitable means for realizing goals and preferences that are already given.“ (Habermas 1996, S. 159) Pragmatische Ansprüche betreffen die rationale Auswahl bzw. Entscheidung über geeignete Mittel, Techniken oder Strategien, mit dem Ziel, ein bestimmtes (vorher bereits definiertes) Ergebnis zu erreichen. Dieses Ergebnis misst sich vor allem am Kriterium der Effizienz (Geltungsanspruch), das heißt, wie effizient waren die eingesetzten Mittel. Die Entscheidungsfindung wird dabei wesentlich durch das Selbstinteresse und die Präferenz eines Akteurs dominiert. Dieser Akteur kann Rat bei anderen Akteuren suchen, diese also in den Entscheidungsprozess einbeziehen, die eigentliche Entscheidung wird aber von ihm getroffen. Demnach wird kein Diskurs im Sinne einer kommunikativen Handlung angestrebt. Auch eine kritische Reflektion der getroffenen Entscheidung findet nicht statt (Gilbert & Behnam 2009, S. 224; Gilbert & Rasche 2007, S. 195; Habermas 1996, S. 159–160; Reed 1999a, S. 459; Thomassen 2010, S. 94; Zakhem 2008, S. 398).

72

Mit der Theorie der kommunikativen Handlung überschneidet sich hier nur der Geltungsanspruch der Richtigkeit (regulative Sprechhandlungen). In der deliberativen Demokratie werden auch die Geltungsansprüche Effizienz und das Gute diskutiert.

136

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Tab. 7: Art des Anspruchs/ Kriterien

Abgrenzung von Ansprüchen

Pragmatischer Anspruch

Ethisch-politischer Anspruch

Moralischer Anspruch

Geltungsanspruch

Effizienz

Das „Gute“

Richtigkeit

Umfang

Nicht universell

Nicht universell

Universell

Inhalt

Rationale Auswahl bzw. Entscheidung über geeignete Mittel, Techniken oder Strategien

Kritische Beurteilung der Frage, wie eine Gemeinschaft leben möchte

Kritische Beurteilung der Frage, wie wir unser Zusammenleben im gleichen Interesse aller regeln können

Diskurs

Pragmatischer Diskurs:

Ethisch-politischer Diskurs:

Moralischer Diskurs:

Strategische Handlung

Kommunikative Handlung

Kommunikative Handlung

Dominanz eines Akteurs; andere Akteure werden nur konsultiert

Gemeinsame Entwicklung des Selbstverständnisses mit dem Ziel, einen Konsens zu erreichen

Überprüfung der moralischen Richtigkeit eines Anspruchs mit dem Ziel, einen Konsens zu erreichen

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Reed (1999a, S. 462).

Ethisch-politischer Anspruch und Diskurs „Ethical-political questions pose themselves from the perspective of members who, in the face of important life issues, want to gain clarity about their shared form of life and about the ideals they feel should shape their common life.“ (Habermas 1996, S. 160) Bei einem ethisch-politischen Anspruch geht es um eine kritische Beurteilung der Frage „Wie will ich bzw. wie wollen wir leben?“. Das heißt, ethisch-politische Ansprüche berühren das Selbstverständnis bzw. die Identität einer Gemeinschaft, die gemeinsam ihre Werte und Ziele des Zusammenlebens definiert73. Dabei hängt

73

Habermas kehrt die Begriffe „ethisch-politisch“ und „moralisch“ um (vgl. dazu auch Kap. 2.1 und 5.1). Das heißt, ethisch bezieht sich auf die Werte und Normen einer bestimmten Kultur, während

KLASSISCHE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

137

dieses Selbstverständnis auch entscheidend von den gemachten Erfahrungen und der Geschichte ab. Der zugrunde liegende Geltungsanspruch ist hier nicht Effizienz, sondern das „Gute“. Das heißt, was in einer bestimmten Gemeinschaft als „gut“ angesehen wird. Damit wird gleichzeitig eine bestimmte Wertorientierung ausgedrückt. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass diese Werte von Kultur zu Kultur unterschiedlich sein können und daher nur innerhalb der definierten Gemeinschaft gelten. In diesem Sinne wird nur relative, nicht universelle Geltung erreicht (Gilbert & Behnam 2009, S. 224; Gilbert & Rasche 2007, S. 196; Habermas 1996, S. 160–161, 181–182; Reed 1999a, S. 460; Rehg 1994, S. 98; Zakhem 2008, S. 398). Im Unterschied zum pragmatischen Diskurs wird im ethischpolitischen Diskurs nicht hierarchisch entschieden, sondern die Beteiligten versuchen mit Hilfe kommunikativer Handlung ihr Selbstverständnis gemeinsam zu entwickeln. Dabei ist es das Ziel, einen Konsens zwischen den Beteiligten zu erreichen (Habermas 1996, S. 182). Moralischer Anspruch und Diskurs „In moral questions, the teleological point of view from which we handle problems through goal-oriented cooperation gives way entirely to the normative point of view from which we examine how we can regulate our common life in the equal interest of all.“ (Habermas 1996, S. 161) Habermas unterscheidet in der Theorie der deliberativen Demokratie zwischen ethisch-politischen und moralischen Ansprüchen. Moralische Ansprüche gründen sich auf der Richtigkeit eines Interesses, einer Norm oder Entscheidung. Die Frage nach dem Richtigen stellt gleichzeitig einen universellen moralischen Anspruch dar. Das heißt, diese Norm oder Entscheidung muss nach der Theorie in jedem beliebigen Kontext anwendbar sein und über verschiedene Kulturkreise hinweg Geltung besitzen (Finlayson 2005, S. 94; Gilbert & Behnam 2009, S. 196): „What we hold to be true has to be defendable on the basis of good reasons not merely in a different context but in all possible contexts, that is, at any time and against anybody.“ (Habermas 1998, S. 367) Während ethisch-politische Ansprüche nur für eine bestimmte Gemeinschaft Geltung besitzen, müssen einem moralischen Anspruch alle Individuen zustimmen können (Konsens). Im moralischen Diskurs wird der moralische Anspruch auf Basis vernünftiger Gründe entweder bestätigt oder verworfen und damit die (moralische) Richtigkeit einer Norm getestet (Stansbury 2009, S. 38). Dabei wird auch in

moralisch die kritische Reflexion über Normen und Werte, die für alle gültig sein sollen, impliziert. Im Folgenden wird seinem Verständnis gefolgt.

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GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Betracht gezogen, dass die kommunizierenden Individuen unterschiedliche Interessen und Werte vertreten, es aber möglich ist, zu einem für alle akzeptablen Ergebnis (Konsens) zu gelangen (Reed 1999a, S. 456; Smith 2004, S. 318–319). Der moralische Diskurs unterliegt dabei bestimmten von Habermas definierten Regeln (Gilbert & Behnam 2009, S. 224; Gilbert & Rasche 2007, S. 196; Habermas 1996, S. 161–162; Reed 1999a, S. 461; Rehg 1994, S. 95, 97; Zakhem 2008, S. 399). Verhandlung Neben diesen drei Diskursarten gibt es noch eine vierte Möglichkeit, wie konfligierende Normen adressiert werden können. Als Voraussetzung gilt hier, dass bestehende Machtungleichgewichte nicht überwunden werden können und daher kein deliberativer Diskurs initiiert werden kann. In diesem Fall muss auf eine andere Art des Diskurses zurückgegriffen werden, die so genannte Verhandlung (Bargaining) (Bächtiger & Tschentscher 2007, S. 100; Holzinger 2001, S. 419): „Bargaining processes are tailored for situations in which social power relations cannot be neutralized in the way rational discourses presuppose. The compromises achieved by such bargaining contain a negotiated agreement (Vereinbarung) that balances conflicting interests.“ (Habermas 1996, S. 166) Diese Form des Verhandelns ist laut Habermas legitim, gerade bei erfolgsorientierten Parteien, die ein unterschiedliches Interesse und unterschiedliche hierarchische Ebenen vertreten. Bedingung ist allerdings, dass kein „universelles Interesse“ betroffen ist, das die Erreichung eines Konsens notwendig machen würde. Trotzdem haben die Teilnehmer ein Interesse zu kooperieren. In diesem Sinne ist es auch möglich, durch dieses Aushandeln einen Kompromiss zu erzielen, der jedem Interesse genügen kann (Habermas 1996, S. 165–167). Die Differenzierung unterschiedlicher Ansprüche und Diskursarten wird als entscheidender Vorteil der Theorie der deliberativen Demokratie begriffen (Dryzek 2000, S. 24–25; Gilbert & Behnam 2009, S. 223). Laut Dryzek (2000, S. 24–25) wird es im Unterschied zu früheren Schriften aus der Diskursethik möglich, nicht nur moralische Ansprüche bzw. Konflikte im praktischen Diskurs zu regeln, sondern auch pragmatische oder ethisch-politische zu adressieren. Dabei sind die verschiedenen Diskurse nach Habermas nicht losgelöst voneinander zu betrachten, sondern bilden ein Netzwerk an Diskursen, die alle Bestandteil rationaler politischer Willensbildung sind (Habermas 1996, S. 167–168).

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6.3.3

139

Prinzipien und Regeln der Kommunikation

Die Theorie der deliberativen Demokratie formuliert in Anlehnung an die Diskursethik bestimmte Prinzipien und Regeln der Kommunikation, die den „idealen deliberativen Prozess“ 74 kennzeichnen (Cohen 1997a, S. 67, 72). Nur wenn diese Regelungen eingehalten werden, ist es möglich, einen Konsens zu erreichen (Smith 2004, S. 319). Trotz der Formulierung idealtypischer Prinzipien und Regeln der Kommunikation steht bei Cohen und Habermas der reale Diskurs im Vordergrund (Cohen 1997a, S. 72, 2002, S. 406; Habermas 1990, S. 68, 1998, S. 368). Dabei wird anerkannt, dass reale Diskurse diese Prinzipien und Regeln nicht vollkommen erreichen können, es jedoch das Ziel sein sollte, sich ihnen soweit als möglich anzunähern. Dementsprechend ist die Formulierung idealtypischer Prinzipien und Regeln als „regulative Idee“ zu verstehen, mit dem Ziel, Schwächen bestehender Regelungen zu identifizieren und kritisch zu beurteilen (Benhabib 1996, S. 75; Dahlberg 2005, S. 127; Habermas 1996, S. 326; Mouffe 2000, S. 6). Im Folgenden werden diese idealtypischen Prinzipien und Regeln, das Diskursprinzip (D), das Universalisierungsprinzip (U) sowie die ideale Sprechsituation näher beschrieben. Die Einhaltung dieser Prinzipien gilt nur für moralische Normen, die den Geltungsanspruch der Richtigkeit erheben. Diskursprinzip (D) Wenn es darum geht, die Richtigkeit einer Norm zu überprüfen, kann dies nur im praktischen Diskurs getestet werden (Cohen 1997a, S. 72, 2002, S. 394–395, 406; Gilbert & Behnam 2009, S. 216; Habermas 1984, S. 19; Rehg 1994, S. 31): „(D) Only those norms can claim validity that could meet with the acceptance of all concerned in practical discourse.“ (Habermas 1999, S. 41) Mit dem Diskursprinzip wird auf eine formale Prozedur verwiesen, deren Bestandteil allerdings keine inhaltlichen Vorgaben sind (Habermas 1990, S. 103). Vielmehr bestimmt sich die Geltung der Entscheidung danach, dass alle Betroffenen der Norm im praktischen Diskurs zustimmen (Habermas 1999, S. 41). Habermas unterscheidet, wie oben bereits erwähnt, zwischen drei Arten von praktischen Diskursen, pragmatisch, ethisch-politisch und moralisch, die für die jeweilige Form des Anspruchs ein spezifisches Diskursdesign vorgeben (Habermas 1996, S. 158–162). Weiterhin gilt zu beachten, dass der praktische Diskurs auch ein so genannter „Stellvertreter Diskurs“ sein kann. Insbesondere bei morali74

Im Folgenden bezeichnet ein deliberativer Diskurs oder Prozess einen moralischen Diskurs, der nach den Regeln der deliberativen Demokratie geführt wird.

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schen Diskursen muss aus praktischen Gründen ein Stellvertreter Diskurs durchgeführt werden, da es sich um ein universelles Interesse handelt und nicht nur eine Gemeinschaft, sondern theoretisch jeder betroffen ist. Für diesen Diskurs werden Repräsentanten gewählt, die für bestimmte Gruppen am Diskurs teilnehmen und ihre Argumente vertreten. Dabei ist entscheidend, dass auch Minderheiten in den Diskurs eingebunden werden (Habermas 1996, S. 183). Es gilt allerdings zu beachten, dass das Diskursprinzip nur die Form des Diskurses regelt, es spezifiziert nicht, wie Normen auf ihre Geltung getestet werden können. Deshalb wird es durch das Universalisierungsprinzip (U) ergänzt (Habermas 1999, S. 42). Universalisierungsprinzip (U) „(U) A norm is valid when the foreseeable consequences and side effects of its general observance for the interests and value-orientations of each individual could be jointly accepted by all concerned without coercion.“ (Habermas 1999, S. 42) Das Universalisierungsprinzip zeigt auf, wie Normen auf ihre Richtigkeit in einem neutralen Verfahren getestet werden können (Gilbert & Rasche 2007, S. 193; Rehg 1994, S. 38). Dabei hängt die universelle Geltung einer Norm davon ab, ob alle Auswirkungen, die sich aus dieser Norm ergeben würden, erstens in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden und zweitens auch als akzeptabel eingestuft werden. Wenn diesen Auswirkungen alle Betroffenen zustimmen können, ergibt sich die Akzeptanz dieser Norm oder anders ausgedrückt der Konsens über diese Norm, der auch die Förderung des Allgemeinwohls implizieren soll (Alexy 1978, S. 172; Cohen 1997a, S. 69, 75, 1997b, S. 420f.; Gilbert & Rasche 2007, S. 194). Voraussetzung für die Realisierung dieses Konsens ist allerdings, dass weitere Bedingungen, manifestiert in der idealen Sprechsituation, erfüllt werden (Stansbury 2009, S. 38).

Richtlinien der idealen Sprechsituation Die Richtlinien der idealen Sprechsituation spezifizieren das Universalisierungsprinzip „U“. Habermas (1990, S. 87–89) hat hier in Anlehnung an Alexy75 (1978, S. 169) Regeln formuliert, die eine Unterteilung in drei verschiedene Ebenen vorsehen (vgl. dazu Abb. 5).

75

Alexy (1978, S. 169, 239–240) setzt sich mit der idealen Sprechsituation von Habermas auseinander und liefert eine detaillierte Auflistung der Regelungen entlang von drei Dimensionen, wobei Alexy betont, dass bei Habermas insbesondere die dritte Ebene originär als „ideale Sprechsituation“ gilt.

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Die erste Ebene beschäftigt sich mit Regelungen, die das sprachliche Niveau und die Verständlichkeit des Sprechenden betreffen und versucht Missverständnisse der Aussagen zu verhindern, indem eine gewisse Konsistenz im sprachlichen Ausdruck gewährleistet werden soll (Alexy 1978, S. 236–237). Alexy (1978, S. 234) gibt an, dass die Regeln auf der ersten Ebene, für jede Art der Kommunikation, nicht nur für Diskurse gelten. Die Regeln der zweiten Ebene sind vor allem in praktischen Diskursen von Bedeutung, wo es darum geht, eine Norm auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (Alexy 1978, S. 238). Auf der dritten Ebene hingegen steht der Ablauf des Prozesses im Vordergrund, dazu gehört der „Eintritt in den Diskurs“ (vgl. 3.1), die „Freiheit des Diskutierens“ (vgl. 3.2) sowie das Verbot, jegliche Art von Zwang auf die Teilnehmer auszuüben (vgl. 3.3) (Alexy 1978, S. 169). Diese sehr ausführlich dargelegten Regeln der idealen Sprechsituation, die in den Schriften zur Diskursethik formuliert wurden, sind von Habermas (1999) für die deliberative Demokratie noch einmal zusammengefasst worden. Wie die in Abb. 6 genannten Regeln widerspiegeln, kann jeder am Diskurs teilnehmen (i). Ferner sollen die Teilnehmer ihre Argumente aufrichtig vorbringen können und die gleiche Chance haben zu sprechen (ii und iii). Dabei sollen die Teilnehmer keinen Zwang ausüben (iv), was impliziert, dass sie sich mit Respekt und Fairness behandeln (Cohen 1997a, S. 74–75). Allerdings haben sie die Möglichkeit, die Argumente der Anderen kritisch zu hinterfragen (Benhabib 1996, S. 70).

142

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1. Logical-semantic Level: (1.1) No speaker may contradict himself. (1.2) Every speaker who applies predicate F to object A must be prepared to apply F to all other objects resembling A in all relevant aspects. (1.3) Different speakers may not use the same expression with different meanings.

2. Dialectical Level of Procedures: (2.1) Every speaker may assert only what he really believes. (2.2) A person who disputes a proposition or norm not under discussion must provide a

reason for wanting to do so.

3. Rhetorical Level of Processes: (3.1) Every subject with the competence to speak and act is allowed to take part in a discourse. (3.2) a. Everyone is allowed to question any assertion whatever. b. Everyone is allowed to introduce any assertion whatever into the discourse. c. Everyone is allowed to express his attitudes, desires, and needs. (3.3) No speaker may be prevented, by internal or external coercion, from exercising his rights as laid down in (3.1) and (3.2).

Abb. 5:

Richtlinien der idealen Sprechsituation nach Habermas

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Habermas (1990, S. 87–89).

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(i)

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that nobody who could make a relevant contribution may be excluded;

(ii) that all participants are granted an equal opportunity to make contributions; (iii) that the participants must mean what they say; and (iv) that communication must be freed from external and internal coercion so that the “yes” or

“no” stances that participants adopt on criticizable validity claims are motivated solely by the rational force of the better reasons.

Abb. 6:

Richtlinien der idealen Sprechsituation II nach Habermas Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Habermas (1999, S. 44).

Der Austausch von Argumenten soll sich an der Vernunft der Teilnehmer orientieren und bezieht sich dabei auf einen gemeinsamen Bezugsrahmen von Werten76 (Cohen 1997a, S. 72–75; Habermas 1998, S. 367). Das heißt, die Individuen teilen eine bestimmte Auffassung über ihre Lebenswelt, ihre Werte etc. (Cohen 1997a, S. 72). Entscheidend ist weiterhin, dass sich die Beteiligten an der „Macht des besseren Arguments“ orientieren und nicht mit festen und unveränderbaren Präferenzen in den Diskurs eintreten (iv) (Cohen 1997a, S. 74; Habermas 1996, S. 182, 1999, S. 44). Eine Tatsache, die Benhabib (1996, S. 71) bezweifelt, da Individuen häufig eine Meinung haben, allerdings nicht zwingend eine Präferenz; diese wird erst im Zuge der Deliberation gebildet. Dies impliziert auch, dass sie die Argumente der anderen Teilnehmer verstehen sowie ihre Perspektive einnehmen können („Moral point of view“) (Habermas 1996, S. 182). Dennoch soll keine Angleichung von Werten oder Präferenzen stattfinden, Deliberation befürwortet gerade den Austausch verschiedenster Interessen. Zwar müssen die Teilnehmer bereit sein, ihre Meinungen zu ändern, allerdings nur unter der Prämisse, dass aus vernünftigen Gründen ein anderes Argument besser war (Habermas 1998, S. 367). Dies bedeutet gleichzeitig, dass Individuen eine grundsätzliche Fähigkeit zur Deliberation besitzen müssen (Cohen 1997a, S. 72–75; Habermas 1996, S. 182). Dabei gibt Habermas allerdings zu bedenken, dass Individuen unterschiedlich sind und nicht alle über die gleichen Informationen und das gleiche Wissen verfügen 76

Ein gemeinsamer Bezugsrahmen an Werten meint, dass die Teilnehmer sich darauf verständigt haben, ihr Zusammenleben mit Hilfe der Deliberation zu regeln und davon überzeugt sind, dass Deliberation die Grundlage legitimer Entscheidungen ist (Cohen 1997a, S. 72). Das heißt, Teilnehmer eines Diskurses stimmen im Vorhinein bestimmten Voraussetzungen der Diskussion zu, die demokratische Werte implizieren (z.B. Gleichheit oder Öffentlichkeit) (vgl. hierzu auch Habermas 1998, S. 367).

144

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(Habermas 1996, S. 325). Gerade in dieser Hinsicht könnte Deliberation, wie die Empirie zeigt, dazu beitragen, Lernen sowie die Problemlösungsfähigkeit einer Gruppe zu fördern (Habermas 2006a, S. 414). Außerdem werden die Teilnehmer zu einer kritischen Reflexion angehalten und können Konflikte eher wahrnehmen. Dies hängt auch damit zusammen, dass eine Vielzahl von Informationen ausgetauscht und bewertet wird (Benhabib 1996, S. 71). Benhabib (1996, S. 70) weist ferner darauf hin, dass alle Diskursteilnehmer das Recht haben, die Prozessregeln des Diskurses zu hinterfragen. Dies impliziert auch die Art und Weise, wie diese Regeln während des Deliberierens umgesetzt werden.

6.3.4

Konsens und Legitimität

Konsens Das Ziel der deliberativen Demokratie ist es, einen Konsens zwischen den Teilnehmern zu erlangen (Cohen 1997a, S. 75). Jedoch erkennen sowohl Habermas als auch Cohen, dass dies in der Praxis sehr schwierig zu erreichen ist. Das heißt, dass sowohl die Einhaltung idealtypischer Prinzipien und Regeln der Kommunikation wie auch die Erreichung eines Konsens zwischen allen Beteiligten in der Praxis kaum möglich sind. Deshalb werden auch die Möglichkeiten der Mehrheitsentscheidung sowie des Dissens thematisiert. Im Folgenden werden alle drei Formen beschrieben. Konsens. Erstens, der idealtypischen Konzeption folgend, wird am Ende eines deliberativen Prozesses ein Konsens zwischen allen Beteiligten erreicht. Das heißt, alle von der Norm bzw. der Entscheidung Betroffenen stimmen dem Ergebnis uneingeschränkt zu und sind in der Folge an diese Norm bzw. Entscheidung gebunden (Cohen 1997a, S. 75; Habermas 1996, S. 161–162). Mehrheitsentscheidung. Zweitens, es findet ein deliberativer Prozess statt, bei dem kein Konsens zustande kommt. Das heißt, trotz der Beachtung der idealtypischen Prinzipien und Regeln der Kommunikation ist es nicht möglich, Gründe für eine Norm bzw. Entscheidung zu finden, der alle zustimmen können. In diesem Fall muss auf die „Mehrheitsregel“ zurückgegriffen werden. Hier wird die Meinung der Mehrheit als vernünftig angenommen und nach dieser entschieden. Allerdings repräsentiert es nur eine Annäherung an das Ideal der deliberativen Demokratie, da nicht alle am Diskurs Beteiligten (Minderheit) diese Meinung tatsächlich teilen (Cohen 1997a, S. 75, 1998, S. 218; Cohen & Sabel 1997, S. 320– 321; Habermas 1996, S. 179, 306). Dies ist nach Habermas Konzeption durchaus möglich, solange die Bedingung erfüllt wird, dass theoretisch jede Norm bzw. Entscheidung immer wieder Gegenstand von Deliberation werden kann und somit auch eine Minderheit zur Mehrheit werden kann (Habermas 1996, S. 179, 306).

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Damit wird auch deutlich, dass Deliberation kein einmaliges Ereignis ist, sondern dass sie im Idealfall kontinuierlich fortgesetzt werden sollte (Cohen 1997a, S. 72; Habermas 1996, S. 179f.). Dissens. Neben diesen zwei Möglichkeiten erkennt Habermas (1996, S. 25) auch an, dass es Situationen geben kann, in denen keine Entscheidung gefällt werden kann. In diesem Fall stimmen die Teilnehmer überein, dass sie nicht übereinstimmen („agree to disagree“). Vor allem in Diskursen, in denen die soziale Komplexität hoch ist und dementsprechend eine große Vielzahl unterschiedlicher Interessen aufeinander trifft, steigt die Wahrscheinlichkeit des Dissens. Im Dissens kann aber auch eine Chance gesehen werden, einen neuen Argumentationsprozess anzustoßen und beispielsweise neue Informationen aufzudecken, die vorher noch nicht bekannt waren (Gilbert & Behnam 2009, S. 230). Legitimität Die klassischen Ansätze der deliberativen Demokratie gehen von einem übergeordneten Legitimitätsbegriff aus. Dieser wird zumindest explizit nicht darauf bezogen, wann eine Norm oder Entscheidung als legitim gilt. Hier benutzt Habermas den Begriff der „Geltung“ (Habermas 1996, S. 158). Vielmehr wird im Allgemeinen erläutert, wie die Legitimität staatlicher Handlungen erreicht werden kann: „[…] then it owes its legitimating force to a democratic procedure intended to guarantee a rational treatment of political questions.“ (Habermas 1996, S. 170) „According to the deliberative model of democracy, it is a necessary condition for attaining legitimacy […] that what is considered in the common interest of all results from processes of collective deliberation conducted rationally and fairly among free and equal individuals.“ (Benhabib 1996, S. 69) Das heißt, Legitimität der staatlichen Autorität ist erstens davon abhängig, dass die Bürger kollektiv darüber entscheiden können (Gutmann & Thompson 2004, S. 9; Habermas 2006a, S. 413). Das heißt, die Quelle legitimer Normen und damit legitimer Rechtsstaatlichkeit wird in einem demokratischen Prozess der politischen Willensbildung gesehen (Habermas 1996, S. 170). Dieser demokratische Prozess muss zweitens den Regeln der deliberativen Demokratie folgen (z.B. Argumentation auf Basis von vernünftigen Gründen, Fairness etc.), um ein legitimes Ergebnis zu erreichen (Benhabib 1996, S. 69; Cohen & Sabel 1997, S. 320).

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146

6.3.5

Institutionalisierung deliberativer Prozesse

Die klassischen Ansätze treffen auch Aussagen zur Institutionalisierung deliberativer Prozesse und beleuchten zum einen die Funktionen, die Institutionen erfüllen sollten, zum anderen entwerfen sie ein duales Modell von formaler und informaler Deliberation. Funktion von Institutionen Nach Habermas bedarf der Rechtsstaat politischer Institutionen. Diese erfüllen jedoch nur eine vor- bzw. nachgeordnete Rolle, in dem sie Diskurse unter den Bürgern ermöglichen und den demokratischen Rahmen dafür bilden (Habermas 1996, S. 110). Das heißt, Institutionen übernehmen eine moderierende Funktion. Habermas (1996, S. 110) bezeichnet dies auch als demokratisches Prinzip, das einer moralischen Beurteilung vorausgeht und die Institutionalisierung von Rechten (vor allem der Gleichheit und Freiheit) sowie die Beseitigung von Ungleichheiten beinhaltet (Alexy 1978, S. 159; Habermas 2006a, S. 412): „On the premise that rational political opinion- and will-formation is at all possible, the principle of democracy only tells us how this can be institutionalized, namely, through a system of rights that secures for each person an equal participation in a process of legislation whose communicative presuppositions are guaranteed to begin with.“ (Habermas 1996, S. 110) Auch Cohen hat ein ähnliches Verständnis von Institutionen, die nicht nur bestehen, um die Ergebnisse der Deliberation zu implementieren (Cohen 1997a, S. 79). Vielmehr geben sie einen Bezugsrahmen, innerhalb dessen der Austausch von Argumenten stattfinden kann77. Konkret heißt das, dass es die Aufgabe dieser Institutionen ist, bestimmte Bedingungen festzulegen, damit Bürger einen Diskurs führen können (Cohen & Sabel 1997, S. 320). Cohen spezifiziert diese Bedingungen, noch weiter als Habermas und unterscheidet, das Prinzip der Eingebundenheit, das Prinzip des Allgemeinwohls und das Prinzip der Teilhabe. Eingebundenheit bedeutet dabei in erster Linie, dass kein Teilnehmer vom Diskurs ausgeschlossen werden darf und dass jeder die gleichen Rechte teilt. Weiterhin ist damit gemeint, dass obwohl alle unterschiedliche Interessen und Werte haben, sie die Möglichkeit haben, aufgrund von vernünftigen Gründen, die anderen Interessen und Werte zu verstehen und zu akzeptieren. Inhärent in der deliberativen Konzeption ist nach Cohen auch, dass sie das Allgemeinwohl befördert, und dass kein Teilnehmer schlechter gestellt wird als vor dem deliberativen Prozess. Das Prinzip der Teilha-

77

Dieser gemeinsame Bezugsrahmen kann auch vor dem Hintergrund der Forschung zu CSR helfen, einen Prozess des „Sensemaking“ anzustoßen (vgl. hierzu auch Basu & Palazzo 2008).

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be spezifiziert gleiche Rechte für alle Teilnehmer und umfasst Wahl- und Versammlungsrecht, das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Stimmengleichwertigkeit (Cohen 1997b, S. 419ff.; Freeman 2000, S. 395). Die erfolgreiche Umsetzung dieser Bedingungen in Form von Institutionen wird als zwingende Voraussetzung angesehen, damit Deliberation überhaupt stattfinden kann (Cohen 1997b, S. 412). In diesem Zusammenhang betont Benhabib (1996, S. 69), dass gerade die Ausgestaltung dieser Institutionen entscheidend dafür ist, dass kollektive Entscheidungen im Sinne der Deliberation möglich sind. Zusammenfassend haben Institutionen eine Vermittlerrolle einzunehmen und primär dafür Sorge zu tragen, dass die Einhaltung universeller Menschenrechte wie Freiheit und Gleichheit garantiert wird und auf diese Weise eine Annäherung an die ideale Sprechsituation erreicht werden kann (Alexy 1978, S. 159; Reed 1999b, S. 26). Damit wird erst der Grundstein gelegt, dass ein deliberativer Diskurs über potenzielle Gesetze überhaupt stattfinden kann: „The institutions themselves must provide the framework for the formation of the will; they determine whether there is equality, whether deliberation is free and reasoned, whether there is autonomy, and so on.“ (Cohen 1997a, S. 79–80) Einzige Bedingung ist, dass diese Institutionen deliberativ legitimiert sind, das heißt, sie müssen auf der Basis eines legitimen Gesetzes geschaffen werden (Dryzek 2000, S. 25; Habermas 1996, S. 110–111; Reed 1999a, S. 463, 1999b, S. 26). Formale und informale Prozesse Der deliberative Prozess unterliegt zwei Voraussetzungen, zum einen muss er in der Öffentlichkeit stattfinden, zum anderen muss die Öffentlichkeit auch aktiv daran teilnehmen (Habermas 1999, S. vii, 2006a, S. 416, 418). Die Öffentlichkeit definiert Habermas dabei wie folgt: „Imagine the public sphere as an intermediary system of communication between formally organized and informal face-to-face deliberations in arenas at both the top and the bottom of the political system.“ (Habermas 2006a, S. 415) Anhand dieser Aussage lässt sich zeigen, dass Habermas die Öffentlichkeit in eine formale und informale Sphäre teilt, was auch als zweistufiges Modell („two track“) bezeichnet wird (Cohen 2002, S. 399). Das heißt, Deliberation kann auch außerhalb der institutionellen Ebene (informal) erfolgen. Kennzeichen dieser informalen Deliberation sind Diskurse, die eher unorganisiert und auch spontan in-

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mitten der Öffentlichkeit (zwischen Bürgern) stattfinden. Dort identifizierte relevante Themen sollen auf die Agenda institutioneller Politik gesetzt werden sowie allgemein die kollektive Entscheidungsfindung auf der institutionellen (formalen) Ebene (Gesetzgebung) positiv beeinflussen. Damit wird kommunikative Macht der Bürger, die sich in der Deliberation ausdrückt, in das politische System transferiert (Cohen 2002, S. 400–401, 409; Habermas 1996, S. 298–299). Sowohl die informale als auch die formale öffentliche Sphäre sind geprägt von einer Vielzahl unterschiedlicher Interessen, die von den Teilnehmern kritisch reflektiert werden und am Ende in einer öffentlichen Meinung kulminieren (Habermas 2006a, S. 416, 418). Dies bezeichnet Habermas auch als „kommunikatives Netzwerk“ (Habermas 1996, S. 299). An dieser Stelle muss jedoch erwähnt werden, dass Habermas zwar Diskurse außerhalb der institutionellen Ebene in der Öffentlichkeit befürwortet, die Umsetzung deliberativer Ideen (Entscheidungskompetenz) allerdings nur innerhalb gesetzlich demokratischer Institutionen vorsieht. Eine Übertragung deliberativer Entscheidungsprozesse in die privatwirtschaftliche Sphäre (Unternehmen) wird daher verneint (Gutmann & Thompson 2004, S. 32). Habermas (2001, S. 66–67) steht den Entwicklungen der Globalisierung und dem damit verbundenen Machtgewinn von Unternehmen kritisch gegenüber. In diesem Zusammenhang hat er auch erkannt, dass neue Regime entstehen, die im Wettbewerb zum Nationalstaat versuchen, eine Governance-Aufgabe zu übernehmen (Habermas 1997, S. 37, 2001, S. 66–67). Angesichts eines drohenden Machtverlusts des Nationalstaates stellt sich für Habermas die Frage, wie dieser seine kollektive Identität und Stabilität erhalten kann. Insbesondere besteht die Gefahr, dass MNU sowie andere multinationale Organisationen die demokratische Selbstbestimmung des Staates untergraben können. Gerade vor dem Hintergrund dieser als „postnationalen Konstellation“ bezeichneten Situation, zeigt sich für Habermas die Notwendigkeit, dass sich Bürger an der Regierung beteiligen. Denn nach Habermas könnten globale Institutionen diese Aufgabe nicht in dem Maße erfüllen wie Regierungen. Sie verfügen erstens nicht über die notwendige Legitimität und haben zweitens keine Gemeinschaft ihrer Bürger definiert, die über sich selbst regieren könnte. Weiterhin fehlt ihnen eine kollektive Identität im Sinne einer Gemeinschaft (Weltbürger), die gleiche Werte und Normen teilt. Deshalb wäre es idealtypisch die Aufgabe der Politik, diese ökonomischen Institutionen zu kontrollieren. Jedoch sollten sie zumindest stärker mit demokratischen Entscheidungsprozessen auf der staatlichen Ebene verknüpft werden (Habermas 2001, S. 67–81, 105–111). Im Unterschied zu Habermas sieht Cohen deliberative Demokratie nicht nur in der staatlichen Sphäre verortet, für ihn sind auch andere Formen „deliberativer Vereinigungen“ möglich, um Konflikte zu lösen (Cohen 1998, S. 186). Dies wird beispielsweise dann notwendig, wenn der Staat nicht dazu in der Lage ist. Möglich ist, dass der Staat keine wirksame Kontrollfunktion zur Verfügung stellen kann,

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z.B. bei der Überwachung von Arbeitsplatzrichtlinien. Auch liegt die Expertise häufig nicht auf der staatlichen Ebene, zum Beispiel im Fall von Produkt- oder Prozessstandards für bestimmte Branchen. Zudem gibt es Konflikte, die nicht nur von staatlicher Seite gelöst werden können, sondern eine Kooperation mehrerer (privater) Akteure nötig machen (kooperative Governance), zum Beispiel bei der Bekämpfung von Armut oder der Bereitstellung sozialer Dienstleistungen (Cohen 1997b, S. 428–429). In einer weiteren Publikation gestalten Cohen & Sabel in diesem Zusammenhang einen neuen Typus der Demokratie, die als „direkte deliberative Polyarchie“ bezeichnet wird. Ähnlich zu der von Habermas konzipierten informalen öffentlichen Sphäre, wird Problemlösungskompetenz an die Bürger abgegeben, die in so genannten öffentlichen Foren deliberieren. Im Unterschied zu Habermas soll dies aber nicht nur ein reines Gesprächsforum darstellen, dessen Input dann in die Entscheidungsfindung auf formaler Ebene einfließt. Vielmehr sollen in diesen Foren die von einer Angelegenheit betroffenen Bürger selbst und direkt Entscheidungen treffen können. Dies erscheint für Cohen & Sabel insofern sinnvoll, als dass diese Foren vor allem für die Lösung von lokal spezifischen Problemen angedacht sind, was häufig von übergeordneter Stelle nicht geleistet werden kann. Außerdem werden sie als Plattform für soziales Lernen angesehen (Cohen 2002, S. 411; Cohen & Sabel 1997, S. 323–325, 332). Im Sinne des deliberativen Vorbilds sollen in diesen Foren auch Alternativen diskutiert und abgewägt werden. Dabei ist es für Cohen & Sabel entscheidend, sich an Erfahrungswerten zu orientieren und damit an Problemlösungen, die bei anderen Foren bereits funktioniert haben: „These considerations lead us to our conception of directly-deliberative polyarchy intuitively, a system with both substantial local problemsolving, and continuous discussion among local units about current best practice and better ways of ascertaining it.“ (Cohen & Sabel 1997, S. 326) Cohen weist allerdings darauf hin, dass diese Form der Deliberation in der Praxis nur funktionieren kann, wenn ein Prinzip der Rechenschaft installiert wird. Gemeint ist damit effektive Überwachung sowie unabhängige Kontrolle78. Jedoch sieht er, im Unterschied zu Habermas, das Potenzial dafür genauso bei privaten Unternehmen wie auch bei öffentlichen Institutionen, solange diese im demokratischen Rahmen operieren (Cohen 2002, S. 412; Cohen & Sabel 1997, S. 314, 327). In diesem Sinne bewertet Freeman (2000, S. 390–391) Cohen als Denker, der nicht nur hypothetisch einen deliberativen Prozess zeichnet, sondern der Bedingungen und Prinzipien als Anleitung gibt, wie ein erfolgreicher deliberativer Prozess innerhalb und außerhalb eines institutionellen Rahmens stattfinden kann. 78

Um unabhängige Kontrolle zu gewährleisten, schlägt Cohen (2002, S. 412–413) vor, Amtspersonen einzusetzen, die durch freie und faire Wahlen bestimmt werden.

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6.4

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Kritische Analyse der Ansätze

Abschließend werden die klassischen Ansätze einer kritischen Analyse unterzogen. Dabei bezieht sich die hier vorgebrachte Kritik im Wesentlichen auf die Theorie der deliberativen Demokratie wie sie von Habermas entwickelt wurde. Viele der angeführten Kritikpunkte können aber auch auf Cohen bzw. Benhabib übertragen werden, da beide in weiten Teilen dem Idealbild der deliberativen Demokratie nach Habermas entsprechen. Im Folgenden wird die Konzeption der Theorie exemplarisch anhand der Kriterien Teilnehmer, Elitismus, Macht und Öffentlichkeit kritisch evaluiert. Da sich diese Arbeit mit der politischen Verantwortung von MNU beschäftigt, wird zudem die Frage gestellt, inwiefern die Theorie auf unternehmerische Akteure übertragen werden kann. Konzeption der Theorie Zahlreiche Forscher, unter ihnen Dryzek (2000, S. 24) sowie Bächtiger & Tschentscher (2007, S. 101) betonen, dass Habermas Annahmen in der Theorie der deliberativen Demokratie realen politischen Gegebenheiten nicht gerecht werden. Teilnehmer. Der erste Kritikpunkt bezieht sich auf die Einbindung aller Betroffenen in einen Diskurs. Es ist nicht möglich, genau zu wissen, welche Individuen oder Gruppen von einer Norm oder Entscheidung betroffen sind oder werden (Dryzek 2001; Gould 1996, S. 176; Young 2000, S. 23). Zweitens könne nicht gewährleistet werden, dass die Teilnehmer im Diskurs wirklich ihre Meinung und Präferenz repräsentieren. Es besteht die Möglichkeit, dass sie strategisch oder aus reinem Selbstinteresse handeln und auf diese Weise den Diskurs manipulieren (Fearon 1998, S. 47; Johnson 1998, S. 174). Elitismus. Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf den Vorwurf des Elitismus. Deliberation führe demnach dazu, dass Minderheiten unterrepräsentiert bleiben und vor allem eine gut ausgebildete Mehrheit an der Deliberation teilnimmt (Sanders 1997, S. 348–349). Insbesondere Young (2000, S. 38–39, 146–147) geht davon aus, dass die Fähigkeit zu rationaler Kommunikation vor allem bei einer sozial privilegierten Schicht, das heißt, gebildeten weißen Männern, liegt (Dryzek 2000, S. 67). Das bedeutet, dass bestimmte Gruppen entweder nicht am Diskurs teilnehmen oder im Diskurs benachteiligt werden, da sie nicht das geforderte Kommunikationsniveau aufweisen. Somit orientiert sich der Diskurs nicht wie von Habermas gefordert, am Prinzip der Gleichheit, sondern spiegelt gerade soziale Unterschiede wider. Dagegen spricht allerdings, dass der Diskurs offen für alle Betroffenen ist. Zudem müssen Unterschiede bei den Teilnehmern nicht unbedingt

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als negativ gewertet werden, stattdessen sollten sie proaktiv im Diskurs angesprochen und akzeptiert werden. Es darf also nicht das Ziel des Diskurses sein, diese Unterschiede zu neutralisieren und Interessen vollkommen gleich auszurichten (Gould 1996, S. 172–173; Young 1996, S. 126–128). In diesem Zusammenhang gibt auch Dahlberg (2005, S. 112) zu bedenken, dass es nicht das Anliegen von Habermas ist, Unterschiede zu verneinen und Deliberation auch nicht in einer homogenen Gruppe stattfinden soll. Stattdessen bietet die öffentliche Sphäre gerade Raum für alle Formen kritischer Kommunikation zwischen Individuen, Gruppen, Verbänden, sozialen Bewegungen, Medien und anderen zivilen Organisationen. Macht. In dieser Hinsicht ist drittens auch die Form der Diskurse zu diskutieren. Insbesondere der Faktor Macht spielt in sozialen Beziehungen eine große Rolle und ist der Politik inhärent. So ist es schwierig vorstellbar, dass sich Individuen nur durch die Macht des besseren Arguments leiten lassen und nicht die Macht einer Person ihre Überzeugung von einem Argument beeinflusst. Ein gleichberechtigter deliberativer Diskurs ist in der Praxis deshalb schwierig durchzuführen. In der Realität würde es daher nicht darum gehen, Macht im politischen Diskurs zu neutralisieren, sondern einen Weg zu finden, Macht mit demokratischen Werten zu vereinbaren (Mouffe 2000, S. 13). Laut Dahlberg (2005, S. 123) ist die Vorstellung vom machtfreien Diskurs auch im Sinne des „regulativen Ideals“ zu sehen. Das heißt, ein Idealbild dient als Referenz, um die Realität zum einen zu kritisieren und zum anderen auch Wege zur Verbesserung aufzuzeigen. Öffentlichkeit. Ein vierter Kritikpunkt beschäftigt sich mit der Konzeption der öffentlichen Sphäre, in der die Deliberation stattfinden soll. Habermas entwirft hier eine Dualität der Öffentlichkeit: Zum einen kann Deliberation informal und unorganisiert stattfinden, zum anderen ist Deliberation Bestandteil kollektiver Entscheidungsfindung im formalen Politikprozess (Cohen 2002, S. 399–400; Habermas 1996, S. 299). Das würde bedeuten, dass die Bürger informal deliberieren, ohne bindende Entscheidungen zu treffen, eine legitime Entscheidung hingegen formal von Politikvertretern getroffen wird (vgl. hierzu Cohen 2002, S. 399–400). Jedoch postuliert gerade Habermas, dass alle von der Entscheidung Betroffenen am Prozess der Entscheidungsfindung teilnehmen sollen. Eine Trennung der öffentlichen Sphäre macht vor dem Hintergrund dieses Arguments wenig Sinn, wenn die Legitimität des Staates einerseits durch die stärkere Einbindung seiner Bürger erhöht werden soll, andererseits die Bürger gerade außerhalb der staatlichen Grenzen diskutieren und deliberieren sollen (vgl. hierzu auch Dryzek 2000, S. 22).

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GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Übertragbarkeit auf MNU Als Letztes muss die Frage der Übertragbarkeit deliberativer Entscheidungsprozesse auf MNU diskutiert werden. Im Blickpunkt der Theorie der deliberativen Demokratie nach Habermas stehen nicht unternehmerische, sondern staatliche Akteure. Denn deliberative Demokratie ist als Staatstheorie konzipiert und hat in erster Linie die Legitimation der politischen Autorität des Staates (im Speziellen durch Gesetze) im Fokus (Habermas 1996, S. 170, 287, 1997, S. 39). Grundsätzlich wird die Aussage getroffen, dass der Nationalstaat seine Legitimität erhöhen kann, indem er die Bürger am politischen Willensbildungsprozess teilhaben lässt. Diese Teilhabe findet über einen so genannten rationalen Diskurs statt, der bestimmten Regeln zu folgen hat. Kritisch ist hier vor allem die Anwendung im Bereich der Unternehmensethik zu sehen. Dabei geht es in erster Linie darum, dass Habermas seine Theorie unter der Prämisse formuliert, dass der Staat die Rolle des Gesetzgebers einnimmt. In der unternehmensethischen Forschung wird hingegen festgestellt, dass vor allem andere Akteure wie MNU und Multi-Stakeholder Netzwerke politische Funktionen übernommen haben und als Quasi-Gesetzgeber auftreten (Scherer & Palazzo 2007). Die Übertragbarkeit der deliberativen Demokratie wird hier vor allem anhand von drei Faktoren begründet. Erstens bietet die deliberative Demokratie einen Ansatz, legitime Entscheidungen zu erreichen, gerade wenn ein legitimer Gesetzgeber wie der Nationalstaat keine Regelungen bereitstellen kann (vgl. z.B. Gilbert & Behnam 2009; Risse 2004; Roloff 2008; Scherer & Palazzo 2007). In diesem Kontext spricht sich auch Cohen (1997b, S. 428–429) dafür aus, dass diese Institutionen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, außerstaatlich Konflikte zu regeln, indem sie auf deliberative Entscheidungsprozesse zurückgreifen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Staat nicht dazu in der Lage ist. Zweitens ist die deliberative Demokratie nicht auf individuelle Akteure und ihre Konfliktregelung fokussiert, sondern beschäftigt sich mit institutionellen Akteuren und kann somit nicht nur auf Staaten, sondern auch auf andere Institutionen angewendet werden (Gilbert & Behnam 2009, S. 225). Drittens ist die deliberative Demokratie geeignet, um politische Probleme im betriebswirtschaftlichen Kontext (politische Verantwortung von MNU) zu adressieren, da sie sich nicht nur an philosophischen Idealen orientiert, sondern vor allem demokratische Entscheidungen in den Vordergrund rückt. Damit erfüllt die Theorie den Primat der Demokratie vor der Philosophie (Habermas 1996, S. 170; Scherer & Palazzo 2007, S. 1098).

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7.

Erweiterte Ansätze zur deliberativen Demokratie

Neben den klassischen Ansätzen zur deliberativen Demokratie gibt es in der politikwissenschaftlichen Forschung zahlreiche Ansätze, die Erweiterungen der Theorie der deliberativen Demokratie diskutieren. Kennzeichen dieser Forschungsarbeiten ist im Wesentlichen eine Öffnung der Deliberation, die bei Bächtiger et al. (2010, S. 42) als „[…] series of interdependent departures from the narrow type I model of rational discourse“ bezeichnet wird. Dabei beschäftigen sich die erweiterten Ansätze insbesondere mit der praktischen Anwendung der Theorie und stützen sich dabei auch auf empirische Ergebnisse. Im Folgenden werden daher die konzeptionelle und die empirische Forschung näher vorgestellt.

7.1

Konzeptionelle Forschung

7.1.1

Überblick

Im Bereich der konzeptionellen Forschung können im Wesentlichen zwei Forschungsstränge unterschieden werden. Auf der einen Seite gibt es Ansätze, die versuchen, ökonomische und deliberative Elemente zu verbinden, auf der anderen Seite finden sich Ansätze, die auf den erkenntnistheoretischen Wert der deliberativen Demokratie fokussieren. Die Einordnung dieser Ansätze in einen größeren Kontext erscheint sinnvoll, um die von ihnen vorgebrachten Argumente besser nachzuvollziehen. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass auch Anknüpfungspunkte zwischen ökonomisch und erkenntnistheoretisch ausgerichteten Ansätzen vorhanden sind (vgl. Kap. 7.1.3). Die erste Form der Ansätze ist in einen erweiterten Diskussionsstrang im Rahmen der Politikwissenschaft einzubetten, der grundsätzlich der Frage nachgeht, ob Politik ökonomisch oder kommunikativ zu gestalten ist (einen Überblick zur Debatte geben Holzinger 2001, S. 415–419 und in Teilen Risse 2000). Dabei stützen sich diese Ansätze zunächst auf Erkenntnisse aus der so genannten „Social Choice Theory“. Die Social Choice Theory ist eine ökonomische Theorie, die sich mit der Entscheidungsfindung von Gruppen beschäftigt und im Bereich der „Rational Choice Theory“79 zu verorten ist (Dryzek & List 2003, S. 2). Dabei steht nicht die Frage im Vordergrund, wie Gruppen tatsächlich Entscheidungen treffen, sondern 79

Die Rational Choice Theory unterliegt der Annahme, dass sich Individuen strategisch verhalten, um ihr Ziel zu erreichen (Dryzek 2000, S. 33).

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GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

vielmehr wie Informationen über Interessen oder Präferenzen von Individuen zu einer Gruppenentscheidung aggregiert werden können bzw. sollten. Praktisches Beispiel ist, wie in einem Wahlvorgang die Aggregation individueller Präferenzen zu einem kollektiven Ergebnis führt (Dryzek & List 2003, S. 2–3). Dabei wird unterstellt, dass Individuen Nutzenmaximierer sind und instrumentell handeln, ihre Präferenzen sind vorgegeben und es ist nicht das Ziel, diese in einem politischen Prozess zu ändern (Dryzek & List 2003, S. 3; Holzinger 2001, S. 417). Erkenntnisse, die Politik in der Verbindung deliberativer und aggregativer Elemente denken, sind u.a. in den Forschungsarbeiten von Dryzek & List (2003), Elster (1997), Knight & Johnson (1994) sowie Mansbridge et al. (2010)80 zu finden. Dabei verfolgen diese Ansätze jedoch unterschiedliche Ziele. Zum einen gibt es Ansätze, die Ineffizienzen der Social Choice Theory mit Hilfe der deliberativen Demokratie adressieren und zum anderen Ansätze die Ineffizienzen der deliberativen Demokratie mit der Social Choice Theory beheben möchten. Zu ersteren zählen zum Beispiel Dryzek (2000, S. 34) sowie Knight & Johnson (1994, S. 278– 282). Ihr Argument ist, dass aggregativ erzeugte Wahlergebnisse der Gefahr der (strategischen) Manipulation unterliegen, instabil sind und keine legitimen Ergebnisse erreichen. Vor diesem Hintergrund könnte das deliberative Element einer gemeinsamen Verständigung helfen. Deliberation gibt den Teilnehmern die Möglichkeit, Präferenzen kritisch zu reflektieren, sich über Konflikte klar zu werden, diese proaktiv anzusprechen und durch den gemeinsamen Austausch auch regeln zu können. In diesem Sinne würde die Möglichkeit der Manipulation reduziert werden. Dabei geht es laut Knight & Johnson (1994, S. 283) nicht darum, Präferenzen grundsätzlich anzunähern, sondern eine gemeinsame Sichtweise auf das Problem zu entwickeln. Auf diese Weise würde Manipulation eher verhindert werden und mehr Stabilität im politischen System geschaffen werden. Auch Dryzek & List (2003, S. 27–28) unterstützen das Argument, dass die Gefahr der Manipulation reduziert werden kann, da Individuen mit Hilfe der Deliberation Präferenzen offenlegen oder verschiedene Alternativen der Entscheidungsfindung abwägen und sich auf eine Alternative einigen können. Mansbridge et al. (2010, S. 64, 85) gehören hingegen zu den zweiten Ansätzen und weisen darauf hin, dass Mechanismen wie Wahl oder Verhandlung in die deliberative Demokratie integriert werden müssen, unter der Voraussetzung, dass sie deliberativ legitimiert sind. Die Wahl wird als vorteilhaft angesehen, da es in einer Gesellschaft nicht möglich ist, dass sich jeder in die Politik einbringt und von allen Anderen gehört wird. Durch die Wahl könnte der Bürger zumindest an der endgültigen Entschei80

An dieser Publikation hat unter anderem auch Estlund mitgewirkt, der hier in den Bereich der Erkenntnistheorie eingeordnet wird. In der Publikation sind in Ansätzen auch erkenntnistheoretische Ideen zu finden, im Vordergrund steht aber eine Verknüpfung aggregativer und deliberativer Elemente (Mansbridge et al. 2010, S. 64).

ERWEITERTE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

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dung teilhaben. Auch Elster (1997, S. 25–26) argumentiert, dass Politik beide Formen der Entscheidungsfindung, deliberativ und aggregativ braucht und sich diese in der politischen Praxis häufig vermischen. Dies impliziert auch ein Nebeneinander von Argumentation und Verhandlung (Holzinger 2001, S. 417). Vor allem das Element der Verhandlung wird im Verlauf der Arbeit noch eingehender betrachtet. Die zweite Form der Ansätze versucht, den erkenntnistheoretischen Wert der deliberativen Demokratie in den Vordergrund zu rücken. Zu diesen Ansätzen gehören insbesondere die Forschungsarbeiten von Estlund (2008) und Young (2000) (vgl. hierzu auch Peter 2007, S. 337ff.). In dieser Arbeit wird zudem die Forschung von Gutmann & Thompson (2000) zu diesem Feld gezählt. Zwar kategorisieren sich die Autoren nicht explizit in diese Forschungsrichtung ein, sie erklären aber, dass Deliberation einen erkenntnistheoretischen Wert hat (Gutmann & Thompson 2004, S. 102). Die Idee der Erkenntnistheorie oder Epistemologie81 kommt ursprünglich aus der Philosophie und beschäftigt sich allgemein mit dem Wissen und damit verbunden der Frage, was Wissen ist und ob Menschen überhaupt etwas wissen können (Baumann 2006, S. 1). An dieser Stelle wird allerdings die Anwendung in der Politikwissenschaft betrachtet. So existieren hier Ansätze der so genannten epistemischen Demokratie, die demokratische Prozesse als wissensbildende Prozesse wahrnehmen. Diese Wissensbildung kann nun auf verschiedene Weisen interpretiert werden82. So geht beispielsweise Estlund (2008, S. 98–102) vom Anspruch der Richtigkeit eines Ergebnisses aus. Um sicherzustellen, dass ein deliberativer Prozess, dass richtige Ergebnis befördert, müssen prozessunabhängige Standards integriert werden. Dabei geht es um Bedingungen, die erfüllt werden müssen, damit Deliberation zu einem besseren und gerechteren Ergebnis führt und sich auch von willkürlichen Entscheidungen unterscheidet (Peter 2007, S. 337–338). Allerdings wird anerkannt, dass es schwierig ist, in der Realität Richtigkeit festzustellen. Deshalb muss vor allem der Prozess fairen Bedingungen genügen, da nur unter diesen Bedingungen gewährleistet werden kann, dass Deliberation überhaupt das richtige Ergebnis findet (Peter 2007, S. 339). Gutmann &

81

82

Fragen der Erkenntnis wurden schon in der Antike (Platon, Aristoteles) gestellt, der Begriff der Erkenntnistheorie kam allerdings erst im 19. Jahrhundert auf. Neben der Philosophie beschäftigen sich auch die Psychologie, Biologie und Neurowissenschaften mit Erkenntnis (Baumann 2006, S. 1–3). Neben Estlund und Young können auch die frühen Schriften von Cohen (1986, S. 34) der epistemischen Demokratie zugerechnet werden. Denn Cohen vertritt die Auffassung, dass die Meinung der Mehrheit in der öffentlichen Deliberation als Annäherung an den Willen der Allgemeinheit aufgefasst werden kann (Peter 2007, S. 337). Auch die Theorie von Habermas wird bei Baumann (2006, S. 175) erkenntnistheoretisch interpretiert, da sie eine bestimmte Konzeption von Wahrheit beinhaltet: Die Vorstellung, dass Wahrheit nur im Diskurs gefunden werden kann und dort rational von allen akzeptiert wird. Allerdings erläutert Habermas, dass Wahrheit nur im theoretischen Diskurs, nicht im praktischen Diskurs bestätigt werden kann (Gilbert 1998, S. 132–134; Habermas 1984, S. 19, 23).

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GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Thompson (2004, S. 94–95) verfolgen einen ähnlichen Ansatz und plädieren für die Integration von inhaltlichen Prinzipien in den Diskurs. Damit entfernen auch sie sich von der Idealvorstellung, dass nur Bedingungen, die den Prozess leiten, entscheidend sind für die Erreichung von legitimen Entscheidungen. Im Unterschied dazu verweist Young (1997, S. 401) stärker auf die Rolle von (sozialen) Unterschieden in der Deliberation, die beachtet werden müssen und den Kontext des Diskurses beeinflussen. Weiterhin sieht Young die Stärke der Deliberation im Wissensbildungsprozess, der dadurch bedingt wird, dass Teilnehmer aus unterschiedlichen sozialen und kulturellen Kontexten stammen. Sie bringen situatives Wissen in den deliberativen Prozess ein, was dazu führt, dass die Teilnehmer ihre Perspektive und ihr Wissen erweitern können. Nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass das beste Ergebnis zustande kommt (Peter 2007, S. 345; Young 1997, S. 401). Im Rahmen dieser Arbeit wird insbesondere auf die Erkenntnisse von Gutmann & Thompson sowie Young eingegangen.

7.1.2

Grundverständnis der deliberativen Demokratie

Unabhängig von ihrer theoretischen Fundierung (Social Choice Theory oder Erkenntnistheorie) wird ersichtlich, dass die erweiterten Ansätze zur deliberativen Demokratie ihren Ausgangspunkt in den klassischen Ansätzen haben: „[…] we can define deliberative democracy as a form of government in which free and equal citizens (and their representatives), justify decisions in a process in which they give one another reasons that are mutually acceptable and generally accessible, with the aim of reaching conclusions that are binding in the present on all citizens but open to challenge in the future.“ (Gutmann & Thompson 2004, S. 7) „We view deliberation as an idealized process consisting of fair procedures within which political actors engage in reasoned argument for the purpose of resolving political conflict.“ (Knight & Johnson 1994, S. 285) Trotz dieser Kohärenz setzen die erweiterten Ansätze andere Schwerpunkte der Betrachtung. So betonen sie stärker als die klassischen Ansätze zur deliberativen Demokratie das Element der Konfliktsensibilisierung. Das heißt, deliberative Demokratie wird nicht nur genutzt, um die Legitimität staatlicher Autorität zu erhöhen, es geht vor allem darum, moralische bzw. politische Konflikte aufzudecken, zu adressieren und letztendlich auch zu regeln83 (Gutmann & Thompson 2004, S. 10; Knight & Johnson 1994, S. 285; Mansbridge et al. 2010, S. 69). Weiterhin 83

Auch in den klassischen Ansätzen wird dieser Aspekt u.a. von Benhabib (1996, S. 71) angesprochen, es geht allerdings mehr um die Wahrnehmung von Konflikten.

ERWEITERTE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

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werden die Bedeutung sozialer Unterschiede stärker hervorgehoben und auch andere Argumentationsstile wie Verhandlung in den Vordergrund gerückt (Mansbridge et al. 2010, S. 69; Young 1996). In diesem Sinne wird anerkannt, dass nicht für jedes Problem (vgl. Kap. 6.3.2) ein deliberativer Entscheidungsprozess angestrebt werden muss, sondern dass auch andere Formen der Entscheidungsfindung legitim sind. Allerdings unter der Prämisse, dass ihr Gebrauch in einem deliberativen Prozess autorisiert wurde (Gutmann & Thompson 2004, S. 3). Daneben sehen auch die erweiterten Ansätze deliberative Demokratie als kontinuierlichen Prozess, der die Möglichkeit einräumt, bestehende Entscheidungen kritisch zu reflektieren und noch einmal neu zu diskutieren (Gutmann & Thompson 2004, S. 6). Darüber hinaus wird die deliberative Demokratie stärker für Entscheidungsprozesse außerhalb der staatlichen Ebene geöffnet. Das heißt, dass deliberative Entscheidungsprozesse gerade dort, wo eine legitime Autorität wie der Nationalstaat fehlt, dazu beitragen können, Handlungen zu koordinieren und eine wirksame Governance bereitzustellen (Dryzek 2000, S. 121–122). „Deliberation and communication, in contrast, can cope with fluid boundaries, and the production of outcomes across boundaries. For we can now look for democracy in the character of political interaction that generates public opinion, without worrying about whether or not it is confined to particular territorial entities.“ (Dryzek 2000, S. 129) Damit nehmen die erweiterten Ansätze auch explizit reale Gegebenheiten in die Konzeption der Theorie auf. Allgemein kann daher festgehalten werden, dass es das Ziel der erweiterten Ansätze ist, ein Konzept der deliberativen Demokratie zu entwickeln, dass als Standard für Deliberation in der Praxis dienen kann (vgl. hier u.a. Mansbridge et al. 2010, S. 64).

7.1.3

Prinzipien und Regeln der Kommunikation

Im Folgenden wird auf Faktoren eingegangen, die für die Kommunikation im deliberativen Diskurs der erweiterten Ansätze bestimmend sind. Dabei gilt es zu bedenken, dass die erweiterten Ansätze grundsätzlich konform gehen mit dem von Habermas und Cohen entwickelten Prozessverständnis und im Wesentlichen die Grundprinzipien der idealen Sprechsituation befürworten. Trotzdem werden in einigen Bereichen auch Unterschiede deutlich und Anpassungen gefordert. Diese werden anhand der Einflussfaktoren auf die Kommunikationsfähigkeit, der Bedeutung von Prozess- und Inhaltsprinzipien sowie der Flexibilisierung von Kommunikation beschrieben.

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7.1.3.1 Einflussfaktoren auf die Kommunikationsfähigkeit Die Theorie der deliberativen Demokratie erhebt den Anspruch, einen Diskurs durchzuführen, der machtfrei ist und alle gleichberechtigt beteiligt. Insbesondere in der Forschungsarbeit von Young (1996) wird darauf hingewiesen, dass dies für praktische Diskurse relativiert werden muss. Denn, selbst wenn ökonomische und politische Macht tatsächlich im Diskurs außen vorgelassen werden könnten, würden kulturelle und soziale Unterschiede der Teilnehmer nach wie vor bestehen. Diese Unterschiede beeinflussen, wie die Teilnehmer von den Anderen wahrgenommen werden und führen dazu, dass vor allem der Status einer Person ihre Überzeugungskraft bestimmt und nicht die „Macht des besseren Arguments“ (Schaal & Ritzi 2009, S. 14). Neben Young (1996) weisen auch andere Autoren wie Dahlgren (2005) oder Gould (1996) auf die Bedeutung kultureller und sozialer Unterschiede hin. Insbesondere Dahlgren (2005, S. 157–158), zeigt, dass Individuen kulturell geprägt sind und als „soziale Agenten“ in einem bestimmten Werteund Denkverhalten verhaftet sind, welches ihre Lebensweise widerspiegelt und ihnen eine Identität verleiht. In diesem Zusammenhang bilden für Young (1996, S. 126–128; 2000, S. 109, 117–118) Teilnehmer, die durch ein bestimmtes soziales oder kulturelles Merkmal geprägt sind, eine Interessengemeinschaft. Im Diskurs vertreten sie eine gemeinsame Perspektive und positionieren sich auf diese Weise gegenüber Anderen. Dabei gibt Young zu bedenken, dass es nicht das Ziel der Deliberation sein kann, diese Unterschiede zu überwinden und eine Anpassung bzw. Angleichung der Werte und Meinungen zu generieren. Stattdessen plädiert sie dafür, diese Unterschiede als Ressource für den Diskurs zu nutzen. Denn jede dieser Gruppen besitzt ein jeweils „situatives Wissen“ über Vorgänge, Beziehungen, Institutionen etc. Gerade dieser Pluralismus gilt als Voraussetzung, um im Diskurs die eigene Perspektive zu erweitern, von Anderen zu lernen und letztendlich ein gemeinsames Verständnis zu schaffen: „Especially in the absence of such ideal conditions, acquiring the social knowledge needed to formulate the best solutions to conflict and collective problems requires learning from the social perspectives of people positioned differently in structures of power, resource allocation, or normative hegemony.“ (Young 1997, S. 401) „Speaking across differences in a context of public accountability often reduces mutual ignorance about one another’s situations, or misunderstanding of one another’s values, intentions, and perceptions, and gives everyone the enlarged thought necessary to come to more reasonable and fairer solutions to problems.“ (Young 2000, S. 118)

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Damit soll auch gewährleistet werden, dass eine richtige Entscheidung getroffen wird (Zusammenhang zur Erkenntnistheorie) (Peter 2007, S. 344–345). Jedoch ist dieses gegenseitige Verstehen und Lernen nicht gleichzusetzen damit, dass man sich zwingend mit dem Anderen identifiziert. Denn es ist nicht das Ziel, im Diskurs eine gemeinsame Identität84 zu schaffen, sondern eine kritische Haltung zu seiner eigenen Position anzustreben (Dryzek 2008, S. 483; Young 1996, S. 122– 127, 1997, S. 389ff.).

7.1.3.2 Bedeutung von Prozess- und Inhaltsprinzipien Neben den Einflussfaktoren sind vor allem Unterschiede in Bezug auf die Bedeutung von Prozess- und Inhaltsprinzipien festzustellen. Dabei ist vor allem die Forderung, Inhaltsprinzipien in die Theorie der deliberativen Demokratie zu integrieren, die von Gutmann & Thompson (2004, S. 95–96) vorgebracht wird, bedeutend. Für die Autoren ist es entscheidend, nicht nur Prinzipien, die als Voraussetzung für Deliberation zu erfüllen sind, zu formulieren. Vielmehr ist es das Ziel, auch Prinzipien zu definieren, die während des Prozesses sowie im Nachhinein anzuwenden sind, denn Legitimität hängt nicht nur vom Prozess, sondern auch vom Inhalt des Ergebnisses ab. Im Folgenden werden allerdings zunächst die allgemeinen Prozessprinzipien näher erläutert, bevor auf die Inhaltsprinzipien eingegangen wird. Prozessprinzipien Die erweiterten Ansätze unterscheiden grundsätzlich zwischen drei Prozessprinzipien, Reziprozität, Öffentlichkeit und Rechenschaft. Dabei weisen Gutmann & Thompson (1996, S. 52) vor allem dem Prinzip der Reziprozität85 zentrale Bedeutung zu: „Reciprocity holds that citizens owe one another justifications for the mutually binding laws and public policies they collectively enact.“ (Gutmann & Thompson 2004, S. 98) Das Prinzip der Reziprozität hat die Aufgabe, im deliberativen Prozess regulierend auf die öffentliche Willensbildung zu wirken, indem die Individuen gegenseitig

84

85

Laut Habermas (2006b, S. 76) kann eine gemeinsame Identität nur innerhalb des Nationalstaates geschaffen werden. Reziprozität wird als leitendes Prinzip für den Prozess der Deliberation verstanden und spezifiziert Bedingungen und Inhalte eines gerechten Prozesses (Gutmann & Thompson 2000, S. 167). Auch Rawls (1997) ist Befürworter des Prinzips der Reziprozität und sieht es als wichtiges Element der konstitutionellen bzw. der deliberativen Demokratie.

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Gründe für ihre Argumente vorbringen müssen. Dabei gilt, dass die Bürger ihre Argumente in der Art und Weise vorbringen, dass es von den anderen Teilnehmern verstanden werden kann86. Die Verpflichtung sich voreinander zu rechtfertigen, garantiert auch, dass die Teilnehmer Respekt gegenüber den Meinungen der Anderen zeigen und sich als freie und gleiche Mitglieder einer Gemeinschaft anerkennen. Am Ende werden sich im gegenseitigen Austausch die Argumente durchsetzen, die die Bedingung erfüllen, dass sie theoretisch jeder akzeptieren kann. Diese Art und Weise des Austausches kann laut Gutmann & Thompson nur erfolgreich funktionieren, wenn die Teilnehmer der Deliberation gut informiert sind, über ähnliche Fähigkeiten verfügen sowie gewillt sind, ihre Perspektive zu erweitern. Wird dies erfüllt, können die Teilnehmer voneinander lernen, Missverständnisse im Diskurs beseitigen, ihr Wissen erweitern sowie eine neue Perspektive gemeinsam erarbeiten (Gutmann & Thompson 1996, S. 55–57, 2000, S. 168, 2004, S. 4, 11–12, 99–100, 141–142). Das zweite wichtige Prinzip bezieht sich auf die Öffentlichkeit. Damit ist zum einen gemeint, dass der Prozess des Meinungsaustausches öffentlich stattfindet, zum anderen sollte aber auch der Zugang zu den für die Deliberation notwendigen Informationen für alle öffentlich sein (Gutmann & Thompson 1996, S. 95). Insbesondere die Frage des Zugangs wird in den erweiterten Ansätzen stark diskutiert, die sich für einen freien und gleichen Zugang zum deliberativen Diskurs einsetzen. Freiheit bezieht sich in diesem Sinne auf die Ausübung von bestimmten Freiheiten wie Meinungsfreiheit. Gleichheit bezieht sich darauf, dass jeder an der Deliberation teilnehmen kann und die gleichen Rechte hat. Dies impliziert die Möglichkeit, zu sprechen, aber auch die Verpflichtung, zuzuhören (Estlund 2008, S. 175; Knight & Johnson 1994, S. 285–286; Ryfe 2005). Als drittes wichtiges Prinzip gilt in der deliberativen Demokratie die Pflicht zur Rechenschaft (vgl. hierzu auch Ryfe 2005, S. 57). Dies meint, dass eine Entscheidung gegenüber allen, die davon betroffen sind, gerechtfertigt werden muss. Dieses Prinzip ist vor allem dann von entscheidender Bedeutung, wenn Repräsentanten oder andere Politiker an Stelle „aller“ Bürger Entscheidungen treffen. Diese Vertreter müssen verpflichtend für ihre Entscheidungen Rechenschaft gegenüber den Bürgern ablegen. Das Prinzip der Repräsentation wird zwar von den erweiterten Ansätzen als notwendig wahrgenommen, da es praktisch nicht umsetzbar ist, dass alle Betroffenen zusammen kommen, um zu beraten (Estlund 2008, S. 175; Gutmann & Thompson 1996, S. 131). Jedoch sehen Gutmann & Thompson (1996, S. 128) auch mögliche Probleme, da häufig nicht klar ist, für wen Vertreter spre86

Das Prinzip der Reziprozität bezieht sich zwar bei Gutmann & Thompson auf Gegenseitigkeit, wird aber hinsichtlich der Begründung von Argumenten formuliert. In der Soziologie bezieht sich Reziprozität rein auf Gegenseitigkeit (Gilbert 2003, S. 248–249).

ERWEITERTE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

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chen und in Folge gegenüber wem sie verantwortlich sind. Estlund gibt in dieser Hinsicht auch zu bedenken, dass häufig Interessen gar nicht vertreten werden, wenn sie von vorneherein als nicht ernsthaft oder schädlich wahrgenommen werden. In diesem Fall müssten Teilnehmer in einer Art Rollenspiel auch diese Meinungen vorstellen, selbst wenn sie nicht ihrer eigenen Meinung entsprechen (Estlund 2008, S. 176). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Reziprozität, Öffentlichkeit und Rechenschaft die Prinzipien bilden, die die Bedingungen der Deliberation regeln (Gutmann & Thompson 2000, S. 167). Inhaltsprinzipien Aus dem Prinzip der Reziprozität leiten sich nach Gutmann & Thompson (2000, S. 170; 2004, S. 98-102, 137) materiale Prinzipien der Deliberation ab, da, so die Argumentation, Normen nicht als gegenseitig gerechtfertigt angesehen werden können, wenn sie individuelle Persönlichkeitsrechte verletzen. Deshalb muss sich der deliberative Prozess an drei materialen Prinzipien orientieren: grundlegende Freiheit, Grundrechte und Gleichberechtigung87. Grundlegende Freiheit soll dabei den Schutz der individuellen Persönlichkeitsrechte garantieren, die sich zum Beispiel in der Freiheit der Meinungsäußerung, der Religionsfreiheit oder im gleichen Stand vor dem Gesetz ausdrücken. Schutz der Grundrechte bezieht sich auf die Bereitstellung von Gütern, die ein „normales“ Leben ermöglichen und beinhaltet Gesundheit, Bildung, Sicherheit, Arbeit oder Einkommen. Gleichberechtigung bezieht sich zum Beispiel darauf, dass soziale Ressourcen gleich verteilt werden und keine Diskriminierung stattfindet. Dies könnte zum Beispiel bei der Frage der Besetzung einer bestimmten Stelle der Fall sein (Gutmann & Thompson 2000, S. 170f.). Die Erfüllung inhaltlicher Kriterien ist laut den Autoren notwendig, um einen legitimen politischen Konsens zu erreichen (Gutmann & Thompson 1996, S. 17; Kohn 2000, S. 417): „Deliberative outcomes, then, would have to respect basic liberty and opportunity as an ongoing condition of their own legitimacy.“ (Gutmann & Thompson 1996, S. 17) Die hier vorgestellten Prinzipien gelten nicht als absolut und endgültig. Das heißt, dem Ansatz der deliberativen Demokratie wohnt die Möglichkeit inne, diese Prinzipien anzupassen und zu verändern. Denn die leitenden Prinzipien für das Zu87

Im Englischen steht hier für Grundrechte der Begriff „basic opportunity“, für Gleichberechtigung der Begriff „fair opportunity“. Gemeint ist im ersten Fall die Möglichkeit bestimmte Rechte wie Bildung, Gesundheit etc. für sich in Anspruch zu nehmen, im zweiten Fall der Schutz vor Diskriminierung (Gutmann & Thompson 2004, S. 137).

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GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

sammenleben unterliegen einem Wandel und dieser kann in der deliberativen Demokratie abgebildet werden (Gutmann & Thompson 2000, S. 171–176). Dies wird als Stärke der deliberativen Demokratie angesehen, die von Gutmann & Thompson (2000, S. 162–163) als „second-order“ Theorie bezeichnet wird. Im Gegensatz dazu werden Theorien wie Utilitarismus, Liberalismus oder Kommunitarismus als „first-order“ Theorien klassifiziert. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie moralische Konflikte auf Basis ihrer vorgegebenen Prinzipien zu lösen versuchen und somit das Ergebnis entweder als liberal, utilitaristisch oder kommunitaristisch gilt. Damit wird der Rahmen der Entscheidungsfindung eingeschränkt, da beispielsweise eine liberale Denkhaltung per se eine Entscheidung, die sich an Prinzipien des Utilitarismus orientiert, ausschließt bzw. nicht diskutiert. Im Gegensatz dazu ist es gerade der Ansatz der deliberativen Demokratie konfligierende Meinungen und Werte (liberal, utilitaristisch etc.) zu diskutieren und eine Entscheidung zu erzielen, die sich in einer bestimmten Situation als die für alle Betroffenen moralisch Richtige erweist. Diese Entscheidung kann folglich einen liberalen, utilitaristischen oder kommunitaristischen Charakter aufweisen bzw. der Diskurs kann auch zu dem Ergebnis kommen, dass es für diesen moralischen Konflikt keine Lösung gibt. Neben den Prinzipien gelten auch die Entscheidungen bzw. Normen, die im deliberativen Prozess entstehen, als jederzeit revidier- und veränderbar. Der Prozess der Deliberation wird als dynamisch verstanden und sieht vor, dass ein kontinuierlicher Dialog über die Validität der Entscheidungen bzw. Normen geführt werden muss (Gutmann & Thompson 2000, S. 161–176, 2004, S. 6, 13ff.). In diesem Sinne wird auch die Orientierung der deliberativen Demokratie am Gemeinwohl von einigen Autoren kritisch gesehen. Denn Deliberation kann nicht das Allgemeinwohl zum Ziel haben, da sich erst im deliberativen Prozess herausstellt, was als für alle akzeptabel gilt. Somit ist das Ergebnis, eine Form bzw. Interpretation des Allgemeinwohls (Knight & Johnson 1994, S. 286).

7.1.3.3 Flexibilisierung der Kommunikation Die Aussagen zur Flexibilisierung der Kommunikation werden anhand der Formen und der Regeln Kommunikation getroffen. Formen der Kommunikation Vor dem Hintergrund der in Kap. 7.1.3.1 skizzierten kulturellen und sozialen Unterschiede der Individuen argumentiert Young (1996, S. 129ff.), dass idealtypische Deliberation basierend auf rationaler Argumentation zwischen den Teilnehmern nur eingeschränkt funktioniert. Dabei muss insbesondere die Forderung nach einem rationalen Diskurs in der Praxis relativiert werden, da viele Teilnehmer nur

ERWEITERTE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

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ungenügend die Voraussetzungen der rationalen Kommunikation erfüllen. Die Fähigkeit zur rationalen Kommunikation ist laut Young (2000, S. 38–39) insbesondere bei sozial privilegierten Teilnehmern zu finden. Damit wären weniger privilegierte Teilnehmer vom Diskurs ausgeschlossen (Schaal & Ritzi 2009, S. 14). Deshalb schlägt Young vor, den rationalen Diskurs durch andere Formen der Kommunikation wie Begrüßung, Rhetorik und Erzählung zu ergänzen88. Begrüßung ist notwendig, da sich die Teilnehmer eines Diskurses nicht kennen und bevor Deliberation gestartet werden kann, erst einmal Respekt und Vertrauen aufgebaut werden muss. Dazu bedarf es einer Einführung. Weiterhin wichtig ist auch die Rhetorik als Redeform. Auch wenn die klassischen Ansätze, insbesondere Habermas, diese Form des Argumentierens vom rational deliberativen Diskurs abgrenzen und als „strategisch“ deklarieren, ist der Einsatz der Rhetorik für Young (1996, S. 130), Dryzek (2000, S. 52ff.) sowie Gutmann & Thompson (1996, S. 135) möglich. Ziel ist es hier, die eigene Position vor dem Publikum zu adressieren, deutlich zu machen und gleichzeitig eine Beziehung zu diesem aufzubauen. Insbesondere eher unterrepräsentierte Meinungen (z.B. von Minderheiten) haben auf diese Weise die Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Als drittes Element sieht Young die Erzählung, die dazu beitragen soll, verschiedene soziale Positionen nachzuvollziehen, andere Perspektiven einzunehmen (Rollenspiel) und Verständnis für die Anderen hervorzurufen. Ein wesentlicher Vorteil der Erzählung ist zudem, dass auch Individuen ihre Meinung kundtun können, die aufgrund von sozialen Unterschieden (z.B. Bildung) nicht in der Lage sind, rational zu argumentieren. Auf diese Weise würde auch dem Elitismus vorgebeugt werden (Dahlberg 2005, S. 118–119; Young 1996, S. 131–132). Die Erzählung gilt als relationale Form der Deliberation, da auf gemeinsame Werte und Erfahrungen hingewiesen wird (Ryfe 2002, S. 360). Allerdings weist Dryzek (2000, S. 167; 2001, S. 660) darauf hin, dass diese weicheren Kommunikationsformen nicht strategisch verwendet werden dürfen, sondern sich dem machtfreien Diskurs unterwerfen müssen und der kritischen Reflexion dienen sollen.

88

Aufgrund dieser Unterschiede zum idealen Diskursdesign wird Young auch als „difference democrat“ (Dahlberg 2005, S. 112; Janssen & Kies 2005, S. 332) bezeichnet; sie selbst sieht sich allerdings als „communicative democrat“ (Dryzek 2000, S. 53; Young 1996).

164

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Regeln der Kommunikation Eine Flexibilisierung der Kommunikation wird nicht nur bei den Formen der Kommunikation, sondern auch bei der Formulierung der Kommunikationsregeln gefordert. In Anlehnung an Meiklejohn (1960/1965), der das so genannte „Town Meeting“ untersucht hat, spricht sich Estlund (2008) dafür aus, dass es sinnvoll ist, Restriktionen (Nicht-Regelungen) einzuführen, um in der Praxis effektiv zu deliberieren. Das heißt, Regelungen, die ein „nicht“ enthalten, müssen ebenfalls aufgestellt werden, um Gleichheit im Diskurs zu garantieren, wie es das Idealbild vorsieht. So zum Beispiel: „Jeder darf nicht länger als … sprechen“, „Die Aussagen dürfen nicht zu weit vom zu diskutierenden Thema wegführen“ oder „Der Moderator darf nicht angegriffen werden“ (Estlund 2008, S. 186). Daneben weisen Mansbridge et al. (2010, S. 82) darauf hin, dass auch Macht eine gewisse Rolle im deliberativen Diskurs spielen muss. Denn Machtausübung kann sogar Deliberation fördern und dafür sorgen, dass Prinzipien wie Gleichheit eingehalten werden. Insbesondere Moderatoren müssten in der Praxis dafür Sorge tragen, dass die Teilnehmer frei deliberieren können und keine Bevorzugung herrscht. Dazu müssten sie auch eine gewisse (institutionelle) Macht besitzen. Eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelungen ist, dass durch die Abweichung von den idealen Bedingungen der Wert des Prozesses sowie der Wert (Richtigkeit), den die Entscheidung generiert, gesteigert werden können (Estlund 2008, S. 195–198, 203). Zwar zeigt Estlund, dass diese Abweichungen vom Ideal in der politischen Praxis notwendig sind, jedoch nur in einem kleinen begrenzten Kreis (informale politische Sphäre) funktionieren und nicht auf die formale politische Sphäre, die zum Beispiel die ganze Gesellschaft betrifft, ausgedehnt werden könnten (Estlund 2008, S. 186–187). Auch hier dienen die Regelungen als regulatives Ideal, mit dessen Hilfe Abweichungen in der Praxis sichtbar gemacht und bewertet werden können (Estlund 2008, S. 159, 174–175, 199).

ERWEITERTE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

7.1.4

165

Konsens und Legitimität

Konsens In Bezug auf die von Habermas und Cohen betonte Konsensorientierung der deliberativen Demokratie, gibt es bei den erweiterten Ansätzen eine stärkere Orientierung am Prinzip der Machbarkeit. So spricht sich Dryzek dafür aus, dass ein wirklicher Konsens nur im Idealbild der Deliberation funktioniert. Dabei versteht er unter einem Konsens: „Reasoned agreement via deliberation is often characterized as consensus, which in turn is defined as agreement not just on a collective choice, but also on the exact normative grounds for the choice.“ (Dryzek 2000, S. 47) Auch Knight & Johnson (1994, S. 283, 286) sowie Mansbridge et al. (2010, S. 69) zweifeln daran, dass Deliberation wirklich Konsens hervorruft. Vielmehr argumentieren sie, dass Deliberation vor allem Konflikte sichtbar macht. Falls diese Konflikte zunächst nicht überwindbar sind und es zu Uneinigkeit kommt, kann eine kontinuierliche Deliberation dazu beitragen, dass die Teilnehmer sich besser verstehen und an einer Kooperation arbeiten (Gutmann & Thompson 1996, S. 43, 2004, S. 6). Daneben kann es auch notwendig sein, Deliberation durch Mechanismen wie Mehrheitsentscheidung, Wahl oder Verhandlung zu ergänzen (Mansbridge et al. 2010, S. 75): „As mentioned above, consensus, as even some deliberative theorists recognize, is an elusive goal. This means that deliberative theorists cannot make unanimity a requirement of collective choice and that, consequently, they must acknowledge that voting, and its attendant ambiguity, is inevitable.“ (Knight & Johnson 1994, S. 284) „Deliberation that has clarified and structured conflict well appropriately ends with majority rule or other non-deliberative democratic methods such as negotiation among cooperative antagonists.“ (Mansbridge et al. 2010, S. 69) Insbesondere die Verhandlung wird von Autoren wie Bächtiger & Tschentscher (2007, S. 107), Dryzek (2000, S. 170; 2008, S. 484), Holzinger (2001, S. 420), Mansbridge et al. (2010, S. 66, 69) sowie Ulbert & Risse (2005, S. 352) favorisiert. In diesem Kontext weisen Ulbert & Risse (2005, S. 352) darauf hin, dass Deliberation und Verhandlung in der Realität häufig kombiniert auftreten und nur in der Theorie abgegrenzt werden. Darüber hinaus treffen beispielsweise Mansbridge et al. (2010, S. 70–72) eine feinere Unterscheidung zwischen vier Arten der kommunikativen Zustimmung, die sich zwischen dem Kontinuum Konsens und Dissens ergeben können, dennoch

166

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

aber als mögliche Ergebnisse der deliberativen Demokratie gewertet werden können. Erstens, Konvergenz auf eine bestimmte Handlungsoption, die am besten für alle ist. Konvergenz wird dann erreicht, wenn alle eine bestimmte Vorstellung über das „Beste“ teilen (entspricht dem Konsens). Zweitens, unvollkommene theoretische Zustimmung, das heißt, es kann sich auf eine Handlungsoption geeinigt werden, jedoch gründet sich die Zustimmung nicht in einer Konvergenz oder Vereinbarkeit der Meinungen, stattdessen haben die Teilnehmer unterschiedliche Gründe für ihre Zustimmung89 (entspricht einem Kompromiss). Diese unvollkommene theoretische Zustimmung bezeichnet Dryzek (2001, S. 661) auch als „machbare Vereinbarungen“: „Allowance for workable agreements […] in which different participants accept a course of action for different reasons – so long as these reasons have sustained deliberative scrutiny – could quite easily be inserted into the theory of deliberative democracy […].“ (Dryzek 2000, S. 48) In diesem Sinne wird das Kriterium der gegenseitigen Rechtfertigung und Überzeugung nicht erfüllt und Konfliktlinien bleiben bestehen. Drittens, integrative Verhandlungen, die sich explizit mit unterschiedlichen Interessen beschäftigen sollen. Was sich zunächst als Konflikt zwischen Interessen manifestiert, kann mit Hilfe der Deliberation gelöst werden. Jedoch wird auch hier die Zustimmung zu einer Handlungsoption nicht aus denselben Gründen gegeben. Viertens, vollkommene kooperative Verhandlungen, bei denen konfligierende Interessen mit Hilfe von Deliberation gelöst werden sollen. Zwar wird am Ende ein Ergebnis erreicht, das im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit als fair wahrgenommen wird, jedoch erfordert es, dass die Teilnehmer einen Teil ihrer Interessen aufgeben (Mansbridge et al. 2010, S. 70–72). Legitimität Analog zu den klassischen Ansätzen der deliberativen Demokratie wird das Ziel anerkannt, legitime Entscheidungen zu erreichen. Dabei wird Legitimität vor dem Hintergrund der jeweils zugrunde gelegten Theorie interpretiert. So haben sowohl Young als auch Estlund ein erkenntnistheoretisches Verständnis von Legitimität. Dabei sieht Young beispielsweise in der Vielfalt der Meinungen eine Voraussetzung für legitime Entscheidungen, während Estlund betont, dass Legitimität nur erreicht werden kann, wenn die Entscheidung nicht nur durch ei-

89

Idealtypisch impliziert ein Konsens, dass alle Teilnehmer aus denselben Gründen einer bestimmten Handlungsoption oder Entscheidung zustimmen (Cohen 1997a, S. 75; Habermas 1996, S. 166).

ERWEITERTE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

167

nen fairen Prozess entstanden ist, sondern auch in erkenntnistheoretischer Hinsicht als gut bewertet wird: „On a deliberative understanding of democratic practice […] It is also a means of collective problem-solving which depends for its legitimacy and wisdom on the expression and criticism of the diverse opinions of all the members of the society.“ (Young 2000, S. 6) „Democratic legitimacy requires that the procedure is procedurally fair and can be held, in terms acceptable to all reasonable citizens, to be epistemically the best among those that are better than random.“ (Estlund 1997, S. 174) Die Ansätze aus dem Bereich der Social Choice Theory interpretieren Legitimität hingegen vor dem Hintergrund ökonomischer Erfordernisse (z.B. Verfolgung eines Selbst-Interesses): „We argue, by contrast, in a further expansion of the deliberative ideal, that any ideal of the political, of legitimate democracy, and of deliberative democracy must include self-interest and conflicts among interests in order to recognize and celebrate in the ideal itself the diversity of free and equal human beings.“ (Mansbridge et al. 2010, S. 69) Dryzek (2001, S. 661) im Unterschied dazu, deutet an, dass zwischen verschiedenen Graden der Legitimität unterschieden werden muss. Das heißt, machbare Vereinbarungen werden an der Legitimität eines idealtypischen Prozesses gemessen und gelten als mehr oder weniger legitim, je nachdem inwiefern sie dem Ideal entsprechen: „Such agreements will vary in their degree of resonance with the prevailing constellation of discourses. More resonance means more discursive legitimacy.“ (Dryzek 2001, S. 661) Hier wird deutlich, dass die idealtypische Deliberation als regulative Idee verwendet werden kann, um tatsächlich erzielte Ergebnisse nach ihrem Grad der Legitimität zu beurteilen. Auch mit Hilfe der empirischen Forschung, die im nächsten Kapitel betrachtet wird, lässt sich zeigen, inwiefern Diskurse in der Praxis vom Ideal der Deliberation abweichen.

168

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

7.2

Empirische Forschung

Die empirische Forschung zur deliberativen Demokratie ist in der akademischen Diskussion unterrepräsentiert und wird von vielen Autoren als wenig systematisch aufbereitet bezeichnet (Bohman 1998, S. 419–420; Button & Mattson 1999, S. 610; Mendelberg 2002, S. 152; Schaal & Ritzi 2009, S. 6; Steenbergen et al. 2003, S. 21–22). Trotzdem ist die Forschung in diesem Bereich in der letzten Zeit stark gewachsen und die deliberative Demokratie damit auf dem Weg zu einer empirisch getesteten Theorie (Bächtiger et al. 2010, S. 32; Chambers 2003, S. 307; Thompson 2008, S. 498). Dabei wird die Wichtigkeit empirischer Forschung herausgestellt: „In general, studies that detail the empirical course of deliberative processes in particular historical settings are also normatively useful for diagnosing the conditions that are conducive to successful deliberation. By pointing out the ways in which institutional norms and designs are effective in their goals or are ineffective due to unintended consequences, they deepen philosophical discussions of feasible deliberation.“ (Bohman 1998, S. 420) In der empirischen Forschung können quantitative und qualitative Studien unterschieden werden, wobei ein Übergewicht qualitativer Forschung festzustellen ist.

7.2.1

Quantitativ empirische Forschung

In der Literatur sind bisher wenig quantitative empirische Untersuchungen zur Deliberation zu finden (Schaal & Ritzi 2009, S. 6; Steiner et al. 2004, S. 52). Steiner et al. (2004, S. 43) stellen fest, dass einige Studien lediglich darauf beschränkt sind, Hypothesen zu formulieren, diese aber nicht testen. Ein Grund dafür könnte sein, dass es bisher kaum Messgrößen gibt, mit deren Hilfe Deliberation direkt messbar gemacht werden kann (Delli Carpini, Cook & Jacobs 2004, S. 323). Dennoch existieren quantitative Studien, die versuchen, die Qualität von deliberativen Diskursen zu messen. Eine der ersten Studien stammt von Gerhards (1997) 90, der die Diskursqualität in zwei deutschen Zeitungen getestet hat. Diskursqualität bedeutet nach Steiner et al. (2004, S. 56), inwieweit die idealtypischen Prinzipien wie sie von Habermas formuliert sind, erfüllt werden. In diesem Zusammenhang 90

Gerhards (1997, S. 12, 19–21) hat eine Inhaltsanalyse der öffentlichen Diskussion über Abtreibung in Deutschland von 1970 bis 1994 anhand der Berichterstattung in den Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung durchgeführt. Ausgewählte Kriterien sind „wechselseitiger Respekt der Kommunikationspartner“, „Begründungen von Aussagen und Bezugnahme der Akteure aufeinander“ sowie „das Rationalitätsniveau des Diskurses“.

ERWEITERTE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

169

haben Steenbergen et al. (2003) den so genannten „Discourse Measurement Quality Index“ (DQI) entwickelt. Auf Basis der Theorie von Habermas werden die folgenden Kategorien bzw. Indikatoren untersucht und geben Aufschluss auf die Qualität des Diskurses: Teilnahme, Grad der Begründung von Argumenten, Inhalt der Begründung, Respekt für Adressaten einer bestimmten Politik, Respekt für die Bedürfnisse der Anderen, Respekt für Gegenargumente sowie konstruktive Politik (inwiefern ein Konsens erreicht wird) (Bächtiger & Tschentscher 2007, S. 105; Steenbergen et al. 2003, S. 27–30). Das Kriterium der „Wahrhaftigkeit“ einer Position, inwiefern eine Person strategisch oder kommunikativ argumentiert, wurde im DQI nicht berücksichtigt. Denn, wie bereits in Habermas Theorie erläutert, können die Motive, die hinter einem Sprechakt stehen, nicht gemessen werden (Bächtiger & Tschentscher 2007, S. 103, 106). Bächtiger & Tschentscher (2007, S. 107–114) haben den DQI91 auf 52 öffentliche und nicht-öffentliche Parlamentsdebatten in der Schweiz, den USA, Deutschland sowie Großbritannien angewendet. Dabei haben sie getestet, inwiefern, verschiedene Kontextfaktoren des dortigen politischen Systems (Vorliegen eines Konsenssystems, Vetomacht, Grad der Parteidisziplin, Zweitkammern, Nicht-Öffentlichkeit und Grad der Themenpolarisierung) zu mehr oder weniger Deliberation beitragen. Ergebnisse sind zum Beispiel, dass in öffentlichen Debatten die Begründungsrationalität und Gemeinwohlorientierung höher sind, jedoch der Respekt gegenüber anderen Positionen in nicht-öffentlichen Debatten stärker ausgeprägt ist. Die zugrunde liegende These ist hier, dass in einer öffentlichen Debatte bestimmte radikale Ansichten nicht vorgebracht werden können, allerdings in nicht-öffentlichen Debatten der Druck der Öffentlichkeit kleiner ist und so die Chance größer, dass Verständnis für die Argumente der Anderen aufgebracht wird (Bächtiger & Tschentscher 2007, S. 110, 113). Einen ähnlichen Ansatz wie Steenbergen et al. (2003) verfolgen Nanz & Steffek (2005), die nicht die Qualität der Deliberation als Ganzes, sondern nur die demokratische Qualität empirisch überprüfen möchten. Untersuchungsobjekt sollen internationale Organisationen wie die UN oder die WTO sein. Die demokratische Qualität wird über vier Indikatoren gemessen: Zugang zur Deliberation, Transparenz und Zugang zu Informationen, Eingehen auf Stakeholder Interessen und Eingebundenheit aller Betroffenen (Nanz & Steffek 2005, S. 372–373). Allgemein kann festgestellt werden, dass sich mit quantitativ empirischen Studien vor allem der Grad der Qualität eines Diskurses bestimmen lässt, das heißt von deliberativ im Sinne von Habermas bis nicht deliberativ (Steiner et al. 2004, S. 74).

91

Bei ihrer Kriterienauswahl stimmen Bächtiger & Tschentscher (2007, S. 112) nicht eins zu eins mit dem DQI überein. So werden in ihrer Analyse die Kriterien: Begründungsrationalität, Gemeinwohlorientierung, Respekt gegenüber Positionen/Gegenargumenten, Zustimmung zu Gegenargumenten und konstruktive Politik getestet.

170

7.2.2

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Qualitativ empirische Forschung

7.2.2.1 Überblick Aufgrund der Restriktionen quantitativ empirischer Forschung, werden Erkenntnisse zu Deliberation in dieser Arbeit anhand von qualitativen Fallstudien aufbereitet. Diese bestehen im Wesentlichen aus Beobachtungen sowie Befragungen und Interviews von Individuen, die an deliberativen Entscheidungsprozessen teilgenommen haben (Button & Mattson 1999, S. 611; Delli Carpini, Cook & Jacobs 2004, S. 328). Daneben existieren auch noch Erkenntnisse, die auf experimenteller Forschung beruhen (Delli Carpini, Cook & Jacobs 2004, S. 332ff.). Einen Überblick zu Arbeiten der qualitativ empirischen Forschung geben zum Beispiel Schaal & Ritzi (2009) oder Steiner et al. (2004, S. 44–51). Im Kontext dieser Arbeit sind vor allem die Forschungsarbeiten von Baiocchi (2003), Button & Mattson (1999), Fishkin & Luskin (2005), Fung (2003b), Fung & Wright (2001), Goodin & Dryzek (2006), Huitema, Van de Kerkhof & Pesch (2007), Petts (2001) oder Smith & Wales (2000) hervorzuheben (vgl. hierzu einen Überblick zu qualitativ empirischen Forschungsarbeiten in Tab. 13 im Anhang). Ziel ist dabei, die Institutionalisierung von Deliberation in der Praxis zu beleuchten und daraus Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen für die Theorie der deliberativen Demokratie zu gewinnen. Es ist jedoch anzumerken, dass einige dieser Arbeiten wie beispielsweise Fishkin & Luskin (2005) oder Huitema, Van de Kerkhof & Pesch (2007) auch auf quantitative Analysemethoden zurückgreifen. Sie werden dennoch in dieser Arbeit der qualitativen Forschung zugeordnet, da sie spezifische Fallbeispiele näher untersuchen und keine großzahligen empirischen Untersuchungen durchführen. Die Erkenntnisse dieser Forschungsarbeiten liefern im Wesentlichen ein Bild von den Problemen der Deliberation und zeigen gleichzeitig, wie Deliberation in der Praxis mit Anpassungen funktionieren kann. Jedoch ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass empirisch nicht verallgemeinert werden kann, ob die normativen Prinzipien der Theorie erfüllt werden ohne einen Induktionsschluss zu begehen. Dies hängt erstens damit zusammen, dass diese Aussage vom Kontext abhängt, zweitens häufig nur Teilaspekte der deliberativen Theorie getestet werden und drittens zumeist Kleingruppen analysiert werden, die Rückschlüsse auf die breitere Bevölkerung schwierig machen. Hinzukommt, dass die Forschungsdesigns häufig sehr unterschiedlich aufgebaut sind, was die Vergleichbarkeit der Studien untereinander einschränkt (Chambers 2003, S. 318; Mendelberg 2002, S. 152; Schaal & Ritzi 2009, S. 6, 9). Dies erklärt auch, dass es verschiedenste Resultate gibt, ob Deliberation in der Praxis funktioniert (Chambers 2003, S. 318ff.; Ryfe 2005, S. 49; Thompson 2008, S. 498ff.). Deshalb schlägt beispielsweise Thompson (2008, S. 500) vor, dass es sinnvoll wäre, zu untersuchen, unter wel-

ERWEITERTE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

171

chen Bedingungen Deliberation funktioniert und nicht primär die Frage zu stellen, ob sie erfolgreich ist. Im Folgenden werden deshalb nicht nur Beispiele der Institutionalisierung deliberativer Prozesse in der Praxis dargestellt, sondern auch Kriterien identifiziert, die den Erfolg von Deliberation in der Praxis bedingen sollen.

7.2.2.2 Institutionalisierung deliberativer Foren in der Praxis Die Teilnahme von Bürgern an politischen Entscheidungen wird in der Praxis über deliberative Foren erreicht (Delli Carpini, Cook & Jacobs 2004, S. 315; HartzKarp & Briand 2009, S. 127). Deliberative Foren sind häufig auch unter dem Namen der „Minipublics“92 (Fung 2003b; Goodin & Dryzek 2006) bekannt und bezeichnen eine kleine Gruppe von Personen, die über eine bestimmte Angelegenheit bzw. ein spezifisches Problem berät. Dabei sollte die Gruppe klein genug sein, um Deliberation zu ermöglichen sowie trotzdem repräsentativ im Sinne der Forderung demokratischer Entscheidungsfindung (Fung & Wright 2001, S. 17). Häufig werden Minipublics bei kommunalen Angelegenheiten, die z.B. Straßenbau oder Schulen betreffen, eingesetzt. Sie werden aber auch vor Wahlen durchgeführt, um die öffentliche Meinung über Kandidaten oder politische Inhalte zu erfahren (Fung 2003b, S. 341–346). Übergeordnetes Ziel eines Minipublics ist es, die Legitimität und Rechenschaft der öffentlichen Politik gegenüber den Bürgern zu erhöhen, indem die Bürger an der Politikgestaltung teilnehmen und auch die Möglichkeit haben, diese mit Hilfe eigener Vorschläge zu verändern. Weiterhin geht es darum, ein Lernforum zu etablieren, indem Bürger Meinungen, aber auch Kritik formulieren und austauschen können. Außerdem können durch die öffentliche Diskussion Informationen aufgedeckt werden, die vorher nicht bekannt waren. Dies hat auch zur Folge, dass Bürger ihr Wissen über ein bestimmtes politisches Problem vergrößern, eine erweiterte Perspektive gewinnen und somit eine qualifiziertere Entscheidungsempfehlung treffen können. Im Wesentlichen soll dadurch ein Beitrag zur politischen Erziehung geleistet werden, der auch außerhalb des Minipublics positiv auf die politische Teilhabe von Bürgern wirken sollte (Button & Mattson 1999, S. 620; Delli Carpini, Cook & Jacobs 2004, S. 320; Fung 2003b, S. 349–351; Roberts 1997, S. 128). Außerdem kann das Minipublic dazu dienen, die Interessen der Bürger aufzudecken und tatsächliche politische Ziele darauf abzustellen. Im besten Fall wird durch das Minipublic eine längerfristige Beziehung zur formalen Politiksphäre entwickelt, die in einer Partnerschaft münden kann (Button & Mattson 1999, S. 612; Fung 2003b, S. 340ff.; Goodin 2008, S. 28ff.). 92

Eine der ersten Definitionen eines Minipublics geht auf den Demokratietheoretiker Robert Dahl (1989, S. 340) zurück.

172

GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Minipublics nehmen in der politischen Praxis verschiedene Ausprägungen wie „Citizen‘s Jury“93 oder „Deliberative Poll“ an (Fishkin & Luskin 2005; Fung 2003b; Goodin & Dryzek 2006; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007). Fung (2003b, S. 363) unterscheidet in seiner Analyse acht Kriterien (u.a. Ziel, Auswahl der Teilnehmer, Thema der Deliberation, Art der Deliberation, Häufigkeit, Entscheidungskompetenz etc.), anhand derer sich die strukturelle Ausgestaltung von Minipublics analysieren lässt. Dagegen differenzieren Huitema, Van de Kerkhof & Pesch (2007, S. 292) vier Kriterien (Auswahl der Teilnehmer, Entscheidungsregeln, Informationsfluss und Gleichheit). In Bezug auf Fung (2003b, S. 363) und Huitema, Van de Kerkhof & Pesch (2007, S. 292) werden hier das Ziel, die Auswahl der Teilnehmer, die Entscheidungskompetenz sowie allgemein die Kommunikation in diesen Minipublics betrachtet. Dabei werden in Anlehnung an Fung (2003b) vier Minipublics dargestellt: Die Citizen’s Jury als Modell für ein beratendes Gremium, das Deliberative Poll als meinungsbildendes Forum sowie das Chicago Community Policing und das Participatory Budgeting als zwei unterschiedliche Beispiele für lokale Entscheidungsgremien (Fung 2003b, S. 340– 342)94. Tab. 8 bietet ergänzend einen zusammenfassenden Überblick zu den Minipublics. Neben den Minipublics wird im Rahmen der Institutionalisierung auch auf die Möglichkeit eingegangen, Online-Foren durchzuführen.

93

94

Im Deutschen kommt am ehesten der Begriff des „Schöffengerichtes“ einer Übersetzung nahe, wobei dieses nur in der Legislative bekannt ist. Im Folgenden wird von Bürger-Jury gesprochen. Neben den hier beschriebenen Minipublics gibt es noch eine Vielzahl weiterer Formen, unter anderem die so genannten „Citizen Summits“ und „Consensus Conferences“ (Dryzek & Tucker 2008, S. 865; Fung 2003b, S. 356; Goodin 2008, S. 16–17).

173

ERWEITERTE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Tab. 8:

Vergleich ausgewählter deliberativer Foren

Citizen’s Jury

Deliberative Poll

Ziel

Bewertung von Politikvorschlägen durch die Bürger

Allgemeine Meinung der Öffentlichkeit zu politischen Themen erfragen

Öffentliche Sicherheitsprobleme transparent machen

Beteiligung der Bürger an Entscheidungen über das lokale Budget

Auswahl der Teilnehmer

Zufällige, repräsentative Auswahl:

Zufällige, repräsentative Auswahl:

Offen für alle Bürger

Offen für alle Bürger

12-24 Pers.

250-500 Pers.

Keine;

Keine;

Beratungsgremium: Handlungsempfehlungen an die Politik

Information und Meinungsbildung der Bürger

Bürger haben Entscheidungskompetenz

Bürger haben Entscheidungskompetenz

Informationsaustausch

Kleingruppendiskussionen

Kleingruppendiskussionen:

Mehrstufiger Prozess:

Befragung von Experten

Befragung von Experten

1. Erste öffentli-

Einsatz von Moderatoren

Einsatz von Moderatoren

1. Gedankenaustausch 2. Informationssammlung und -analyse 3. Ableitung von Strategien

Art des Minipublics/ Kriterien

Entscheidungskompetenz

Kommunikation

Chicago Community Policing

Berichterstattung Überwachung an höhere Instanz durch zentrale Stellen

Begleitendes Training der Polizei

Bei Bedarf eingesetztes Forum

Participatory Budgeting

che regionale Versammlung 2. Intermediäre Treffen/ thematische Treffen 3. Zweite öffentliche regionale Versammlung 4. Rat über das Städtische Budget

Kontinuierliches Forum

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Fung (2003b, S. 363–364).

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Citizen’s Jury Ziel. Diese Idee des deliberativen Forums wurde in den 70er Jahren in den USA entwickelt. Die Bürger-Jury hat als Vorbild die in den USA bekannte „Jury“ bei Gerichtsprozessen. Sie wurde zum Beispiel 1990 in den USA eingesetzt, um über die Oregon Gesundheitsreform zu beraten sowie 1993 zur Diskussion über den nationalen Gesundheitsplan. Ziel ist es, diese Pläne von einer repräsentativen Gruppe von Bürgern bewerten zu lassen, um daraus Handlungsempfehlungen für die Umsetzung zu gewinnen (Button & Mattson 1999, S. 617; Fung 2003b, S. 357–358; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 293). Auswahl der Teilnehmer. Die Teilnehmer dieses Gremiums werden zufällig ausgewählt (nach demographischen Kriterien wie Alter, Bildung, Geschlecht etc.), ihre Anzahl kann zwischen 12 und 24 Personen variieren. Außerdem sollen sie repräsentativ für die Bevölkerung stehen sowie eine Pluralität an Interessen vertreten95. Allerdings waren die Bürger im Fall der Oregon Gesundheitsreform nicht repräsentativ, überproportional waren Akademiker sowie Bürger mit hohem sozialem Status vertreten. Auch war die Mehrheit der Bürger selbst im Gesundheitswesen tätig (Fung 2003b, S. 357; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 294– 295). Eine durchgeführte Bürger-Jury in den Niederlanden zum Thema Wassermanagement zeigt ähnliche Ergebnisse. Hier waren vor allem Männer überrepräsentiert und kaum Bürger mit Migrationshintergrund vertreten (Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 299). Entscheidungskompetenz. Im Wesentlichen ist es die Aufgabe der Bürger-Jury, eine Handlungsempfehlung an die Politik abzugeben. Deshalb ist sie in der Funktion eines Beratungsgremiums zu sehen und diskutiert entweder über Lösungen zu einem bestimmten politischen Problem oder macht Vorschläge zur Tagesordnung für die formale Politik (Smith & Wales 2000, S. 55). Kommunikation. Die Teilnehmer sollen zunächst Informationen einholen und austauschen sowie Experten oder Betroffene interviewen, um auf dieser Basis eine qualifizierte Handlungsempfehlung, meist in Form eines Berichts, abzugeben. Zu beachten ist, dass während des Diskussionsprozesses jeder Teilnehmer die gleiche Stimme hat. Den Teilnehmern dieses Forums steht außerdem ein Moderator zur Seite, der dafür Sorge trägt, dass der Prozess der Entscheidungsfindung unter fairen Bedingungen abläuft. Es werden allerdings nur vage Aussagen darüber getroffen, wie diese Entscheidungsfindung konkret abläuft. In der Praxis werden häufig zu Beginn der Bürger-Jury eher allgemeine Kommunikationsregeln aufgestellt, die 95

Diese zufällige Stichprobe ist nicht mit einer statistischen Repräsentation wie im Falle von Wahlen vergleichbar. Gemeint ist eine Repräsentation einer Vielzahl von Interessen, ein „Mikrokosmos“ oder Querschnitt durch die Bevölkerung (Goodin 2008, S. 11–13; Goodin & Dryzek 2006, S. 221; Grönlund, Strandberg & Himmelroos 2009, S. 189; Petts 2001, S. 213).

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beispielsweise festsetzen, dass die Argumente der anderen Teilnehmer gehört und respektiert werden (Goodin & Dryzek 2006, S. 223; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 293–297; Smith & Wales 2000, S. 55ff.). Ein Vergleich der Bürger (durch Befragungen) vor und nach der Durchführung einer Bürger-Jury zum Wassermanagement in den Niederlanden ergab, dass die Bürger nachher größeres Wissen über Wasserqualität hatten und somit ein Lerneffekt eingetreten ist. Außerdem wurde festgestellt, dass es zu einer Konvergenz der Meinung innerhalb der Gruppe gekommen ist und sich Teilnehmer verstärkt der Meinung der Mehrheit angeschlossen haben (Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 302, 304). Deliberative Poll Ziel. Deliberative Polling ist eine Form der (Meinungs-)Umfrage, die meistens dann angewendet wird, wenn die allgemeine Meinung der Öffentlichkeit hinsichtlich Themen wie Wirtschafts- oder Energiepolitik erhoben werden soll (Fishkin & Luskin 2005, S. 287; Fung 2003b, S. 354–355; Schaal & Ritzi 2009, S. 11). Auswahl der Teilnehmer. Bei dieser deliberativen Umfrage werden etwa zwischen 250 und 500 Bürger zufällig ausgewählt und zu einem Forum eingeladen. Sie sollen ein repräsentatives Sample der Bevölkerung darstellen. Allerdings besteht für die Bürger auch die Möglichkeit, die Einladung abzulehnen (Freiwilligkeit) (Fishkin & Luskin 2005, S. 287–288; Schaal & Ritzi 2009, S. 10). Entscheidungskompetenz. Diese Form der Deliberation kann zur Information und Meinungsbildung der Bürger beitragen oder Argumente bzw. Rechtfertigungen für oder gegen eine aktuelle Politik aufdecken. Weiterhin fungiert die Umfrage als Informationsquelle für Politiker, um Präferenzen und Werte der Bevölkerung kennenzulernen (Fung 2003b, S. 354; Schaal & Ritzi 2009, S. 6). Dabei ist es nicht das Ziel, konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik abzuleiten oder die Kontrolle der Öffentlichkeit über die formale Politik zu erhöhen (Fung 2003b, S. 354–355). Kommunikation. Die Teilnehmer der Umfrage erhalten zunächst von einem Organisationskomitee Materialien mit Informationen und Argumenten zur vorliegenden politischen Angelegenheit. Die Bürger kommen meist an einem Wochenende zusammen, um zu diskutieren. Dafür arbeiten sie zunächst in Kleingruppen (ca. 15 Bürger), bereiten Informationen auf und formulieren Fragen, die sie im Plenum an die eingeladenen Experten richten. Auch hier stehen Moderatoren zur Seite, die darauf achten, dass alle Argumente gehört werden. Am Ende der Umfrage werden die Ergebnisse veröffentlicht (Fishkin & Luskin 2005, S. 288). Um den Erfolg der Deliberation (z.B. Informationsvorsprung der Teilnehmer; Veränderung der Präferenzbildung) messbar zu machen, werden erstens die Teilnehmer vor und nach der

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Deliberation befragt sowie zweitens so genannte Kontrollgruppen gebildet, die nicht an der Deliberation teilnehmen (Fishkin & Luskin 2005, S. 287ff.; Goodin 2008, S. 17; Goodin & Dryzek 2006, S. 223–224; Schaal & Ritzi 2009, S. 11, 19). In diesem Zusammenhang konnten Luskin, Fishkin & Jowell (2002, S. 466ff.)96 für das Deliberative Poll über Kriminalität, 1994 in Manchester durchgeführt, nachweisen, dass sich die Präferenzen der Teilnehmer, zumindest zu einigen Themen (z.B. bei Bestrafung) nach der Umfrage verändert haben. Es wird vermutet, dass die Präferenzveränderung unter anderem durch einen Lerneffekt eingetreten ist. Dieser wird auch dadurch bedingt, dass die Teilnehmer mehr Informationen über das zu diskutierende Thema gewonnen haben. Chicago Community Policing Ziel. Das „Chicago Community Policing“97 stellt eine langfristige Partnerschaft zwischen einer staatlichen Stelle (Polizei) und den Bürgern dar. Die Polizei setzt hier auf das Wissen und die Erfahrung von Bürgern, um öffentliche Sicherheitsprobleme transparent zu machen und gemeinsam Strategien für deren Lösung zu entwickeln sowie Feedback für bereits durchgesetzte Maßnahmen zu geben (Erfolgskontrolle). Ein ähnliches System wird in Chicago in Bezug auf lokale Schulen genutzt (Fung 2003a, S. 111–112). Auswahl der Teilnehmer. Das Chicago Community Policing ist offen für alle Bürger (Freiwilligkeit) und damit nicht zwingend ein repräsentativer Querschnitt durch die Bevölkerung (Goodin 2008, S. 15). Es zeigt sich jedoch, dass gerade Bürger aus ärmeren Nachbarschaften stärker vertreten sind als gut Verdienende (Fung 2003a, S. 129). Entscheidungskompetenz. Das Chicago Community Policing ist kein Beratungsgremium, sondern die Bürger werden aktiv in die Entscheidungsfindung und Problemlösung eingebunden. Deshalb wird es auch als Form der „MikroGovernance“ bezeichnet (Goodin 2008, S. 15; Fung 2003a, S. 112). Kommunikation. Die Stadt Chicago ist in 280 Nachbarschaftsräte aufgeteilt; in jedem Distrikt werden ein Mal pro Monat Treffen abgehalten. In Kleingruppen diskutieren hier Vertreter der Polizei und der Bürger. Die Funktionsweise basiert zunächst auf einem Gedankenaustausch, um die relevanten Angelegenheiten zu identifizieren. Danach werden Informationen gesammelt, um eine Problemanalyse 96

97

Die Autoren haben das 1994 in Manchester durchgeführte Deliberative Poll über Kriminalität entwickelt. Dazu gehörte auch die Festlegung der Stichprobe, die einer geschichteten Zufallsstichprobe entsprach (Luskin, Fishkin & Jowell 2002). Im Deutschen kann der Begriff am ehesten mit „gemeinwesenorientierte Polizeiarbeit“ übersetzt werden.

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durchzuführen und Strategien abzuleiten. Das gesamte Programm wird von einem Training der Polizei begleitet, von den Teilnehmern dokumentiert und Ergebnisse regelmäßig an eine höhere Instanz berichtet. Da die Treffen kontinuierlich durchgeführt werden, haben die Bürger die Möglichkeit, Entscheidungen und ihre Implementierung zu überwachen. Weiterhin gibt es auch eine zentralisierte Evaluation der Ergebnisse, die auch für Externe zugänglich ist (Fung 2003a, S. 111–124; 2003b, S. 357–360; Goodin 2008, S. 15). Participatory Budgeting Ziel. Ein weiteres Beispiel für die Umsetzung deliberativer Demokratie in der Praxis ist das so genannte „Participatory Budgeting“ (zu Deutsch etwa der Bürgerhaushalt) oder „Porto Alegre Experiment“ in Brasilien. Hier werden Bürger an den Entscheidungen über das lokale Budget und die Prioritäten städtischer Investitionstätigkeit beteiligt (Baiocchi 2003, S. 48; Goodin 2008, S. 14). Ziel ist es, spezifisches Wissen zu generieren und aufzudecken, wo und wie das Budget erfolgreich bzw. nicht erfolgreich eingesetzt wird (Baiocchi 2003, S. 46, 48, 50). Auswahl der Teilnehmer. Das Participatory Budgeting findet jährlich statt und ist offen für alle Bürger. In den Jahren 1999 und 2000 haben 14.000 Bürger teilgenommen, insbesondere Minderheiten waren dabei überrepräsentiert, während gut situierte Bürger weniger vertreten waren. Die Bürger nehmen als Individuen in den Versammlungen teil, agieren aber auch als Vertreter einer bestimmten Nachbarschaft oder Organisation (Baiocchi 2003, S. 48, 52; Fung 2003b, S. 360–361). Entscheidungskompetenz. Beim Participatory Budgeting wird Entscheidungskompetenz direkt an die lokale Ebene abgegeben. Zentrale Stellen überwachen allerdings den Prozess und unterstützen die Bürger, respektieren aber ihre Entscheidungsbefugnis. Damit nimmt das Bürger-Forum auch eine Vermittlerfunktion zwischen den Interessen der offiziellen Stellen und den regionalen Bedürfnissen ein und trägt somit dazu bei, die Legitimität der getroffenen Entscheidungen zu erhöhen (Baiocchi 2003, S. 46, 50). Kommunikation. Das Forum hat einen mehrstufigen Entscheidungsprozess. Zunächst finden öffentliche regionale Versammlungen statt, die offen für alle Bürger sind. Diese Versammlungen finden einmal im Jahr in sechzehn Distrikten der Stadt Porto Alegre statt. Hier wird kritisch über Projekte und das Budget des letzten Jahres diskutiert. Außerdem werden Vertreter gewählt, die anschließend in so genannten intermediären Treffen über Bedürfnisse und Prioritäten der einzelnen Regionen diskutieren. Parallel dazu finden thematische Treffen statt, die Projekte besprechen, die die Stadt als Ganzes betreffen. Auf einer zweiten regionalen Versammlung werden regionale Prioritäten abgestimmt sowie Repräsentanten ge-

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GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

wählt, die anschließend im Rat über das städtische Budget vertreten sind. Dieser Rat ist ein kleineres Forum, indem Vertreter der Distrikte und aus den thematischen Treffen anwesend sind und darüber entscheiden, wie die Prioritäten der Bürger mit den Ressourcen der Stadt vereinbart werden können. Der Rat entscheidet außerdem über Regelungen die den gesamten Entscheidungsprozess betreffen und nimmt, wenn notwendig, Anpassungen vor. Durch diesen Entscheidungsprozess haben die Bürger die Möglichkeit, kontinuierlich die Implementierung ihrer Entscheidungen zu überprüfen und diese zu revidieren (Baiocchi 2003, S. 47–50; Fung 2003b, S. 360–361). Befragungen der Teilnehmer zeigen, dass sie durch diesen Entscheidungsprozess Beziehungen zueinander entwickeln sowie ein Prozess des kollektiven Lernens angestoßen wird (Baiocchi 2003, S. 57). Durchführung von Online-Foren Im Hinblick auf die Organisation eines deliberativen Forums, wird immer wieder auf die Schwierigkeit hingewiesen, einen öffentlichen persönlichen Diskurs in der Praxis durchzuführen. In diesem Zusammenhang wird auf die Möglichkeiten des Internets verwiesen, eine Vielzahl von Menschen zu verbinden und damit die persönliche Kommunikation zu ergänzen oder ganz abzulösen (Delli Carpini, Cook & Jacobs 2004, S. 334–335; Grönlund, Strandberg & Himmelroos 2009, S. 189; Wright & Street 2007, S. 851). Neben der konzeptionellen Forschung existiert vor allem ein wachsender Forschungsbereich, der quantitativ empirisch zu erheben versucht, inwiefern Online-Foren dazu geeignet sind, eine öffentliche Sphäre, wie sie von Habermas gedacht wurde, zu schaffen (vgl. dazu einen Überblick zur empirischen Forschung bei Janssen & Kies 200598). Dennoch herrscht in der politikwissenschaftlichen Forschung bisher keine einheitliche Meinung vor, ob das Internet besser deliberative Prinzipien erfüllt als der persönliche Dialog (Dahlgren 2005, S. 154; Janssen & Kies 2005, S. 331; Wright & Street 2007, S. 851–852). Grönlund, Strandberg & Himmelroos (2009) haben in einem Quasi-Experiment sowohl eine persönliche Deliberation als auch eine Online-Deliberation (zeitversetzt) durchgeführt mit dem Ziel, sie miteinander zu vergleichen. Gegenstand der Deliberation war die Frage, ob in Finnland ein neues (sechstes) Atomkraftwerk gebaut werden sollte. In Bezug auf die Online-Variante wurde nicht auf textbasierte Kommunikation gesetzt, stattdessen wurden die Teilnehmergruppen mit Hilfe von Webkameras gefilmt sowie auch der Ton aufgenommen und in Echtzeit über98

Die bei Janssen & Kies (2005, S. 331) aufgelisteten empirischen Untersuchungen führen zumeist eine Diskrepanzanalyse durch. Das heißt, es werden Kriterien der idealen öffentlichen Sphäre aus der Theorie abgeleitet und getestet, inwieweit Online Diskussionen diesen Kriterien nahekommen. Janssen & Kies argumentieren, dass quantitative Studien durch qualitative ergänzt werden müssen, aufgrund von Schwierigkeiten der Operationalisierung und Vergleichbarkeit zwischen quantitativen Studien.

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tragen, so dass eine Livediskussion entstanden ist. Zudem wurde jede Gruppe durch einen Moderator betreut. Dabei zeigen die Autoren, dass sich die persönliche und die Online-Deliberation im Ergebnis wenig unterscheiden, in beiden Fällen hat sich ein Lerneffekt eingestellt und die Teilnehmer haben ihr Wissen vergrößert (Grönlund, Strandberg & Himmelroos 2009, S. 197). Trotzdem weisen Grönlund, Strandberg & Himmelroos (2009) darauf hin, dass die Online-Kommunikation Probleme mit sich bringen kann: Erstens Überlastung des Servers, zweitens eingeschränkte Möglichkeiten der Nutzung von Breitband bei den Teilnehmern sowie drittens häufig ungenügende Computerfähigkeiten unter den Teilnehmern (Grönlund, Strandberg & Himmelroos 2009, S. 197). Neben diesen eher technischen Problemen, erläutern Wright & Street (2007, S. 852–856), dass die Internetkommunikation zu mehr Fragmentierung in der Öffentlichkeit führen kann sowie auch die Veröffentlichung extremer oder aggressiver politischer Positionen fördern kann und damit der Beitrag von Online-Foren zur Demokratisierung als gering eingeschätzt wird. Jedoch, so die Auffassung der Autoren, hängt die demokratisierende Wirkung dieser Online-Foren entscheidend von ihrem Aufbau und ihrer Struktur ab. In diesem Zusammenhang wird die Idee, nicht ausschließlich textbasiert, sondern vor allem auch sprachbasiert zu arbeiten, diskutiert. Als Vorteile gelten erstens, dass es der persönlichen Kommunikation näher ist und so zu einem gegenseitigen Verständnis unter den Teilnehmern beitragen kann. Zweitens, können auch Individuen teilnehmen, die Probleme im schriftlichen Ausdruck haben. Im Unterschied dazu könnte auch angeführt werden, dass gerade bei einer nur textbasierten Kommunikation Macht- oder Statusaspekte einer Person in den Hintergrund rücken und somit die Durchführung eines gleichberechtigten Dialogs wahrscheinlich wird. Darüber hinaus wird wie im persönlichen Dialog der Einsatz von Moderatoren99 als entscheidendes Kriterium betrachtet, um die Qualität der Deliberation (Respekt etc.) sicherzustellen (Janssen & Kies 2005, S. 321; Sunstein 2002, S. 185; Wilhelm 2000, S. 143; Wright & Street 2007, S. 856–857). Weitere entscheidende Faktoren in Bezug auf den OnlineDialog sind, inwiefern es Teilnehmern möglich ist, Themen selbst zu bestimmen und ob der Zugang für alle offen ist. Wright & Street (2007, S. 856, 865) haben dazu ein Experiment durchgeführt und das Problem fehlender technischer Möglichkeiten umgangen: Diejenigen, die keinen Zugang zum Internet hatten, bekamen diesen kostenlos. Somit konnten diese Gruppen in den Dialog eingebunden werden. Zum Ausgleich dieses Vorteils, bekamen Diejenigen mit Computer und 99

In einer empirischen Analyse der Online-Foren Usenet, AOL’s Washington Connection sowie General Discussion Futurum haben die Autoren herausgefunden, dass insbesondere die Moderation einen entscheidenden Einfluss auf die Diskussion haben kann. Der Einsatz von Moderatoren fördert gegenseitigen Respekt und stellt sicher, dass nur thematisch relevante Beiträge veröffentlicht werden (Wright & Street 2007, S. 863).

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Internetzugang eine Einmalzahlung von 500 US-Dollar. Trotzdem müssen die Teilnehmer auch über die nötigen Fähigkeiten verfügen, um in Online-Foren aktiv zu sein. Dabei spielen auch der kulturelle und soziale Kontext eine große Rolle (Janssen & Kies 2005, S. 322, 329). Als Vorteile der Online-Deliberation gelten, dass relativ kostengünstig ein öffentlicher Raum für den Austausch geschaffen werden kann (im Sinne der öffentlichen Sphäre von Habermas), in dem Teilnehmer schnell und flexibel zusammentreten können. Zudem kann Deliberation auch über einen längeren Zeitraum hinweg stattfinden. Darüber hinaus wird dem Internet zugetraut, den von der Deliberation angestrebten machtfreien Dialog erreichen zu können, da jeder mit jedem kommunizieren kann und Hierarchien zunächst ausgeblendet werden (Dahlgren 2005, S. 148, 155; Delli Carpini, Cook & Jacobs 2004, S. 335; Wright & Street 2007, S. 856).

7.2.2.3 Kriterien erfolgreicher Deliberation Auf Basis der empirischen Analysen können im Folgenden Kriterien abgeleitet werden, die den Erfolg von Deliberation in der Praxis bedingen sollen. Dies betrifft die Übertragung von Entscheidungskompetenz, die Auswahl der Teilnehmer, die Zusammensetzung der Gruppe und den Einsatz von Moderatoren. Übertragung von Entscheidungskompetenz. Als eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg deliberativer Prozesse in der Praxis wird die Übertragung von Entscheidungskompetenz angesehen (Fung & Wright 2001, S. 17, 21). Das heißt, das deliberative Forum wird ermächtigt, bindende Entscheidungen zu treffen (Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 308), ist aber auch mit der Umsetzung der Entscheidungen betraut und muss rechenschaftspflichtig sein. Zentrale Stellen sind den Foren übergeordnet, unterstützen diese mit Ressourcen und nehmen nur dann Entscheidungen vor, wenn dies im deliberativen Forum nicht geleistet werden kann (Prinzip der Subsidiarität) (Fung & Wright 2001, S. 21). In der politischen Praxis ist die Übertragung von Entscheidungskompetenz häufig nicht gegeben, da viele deliberative Foren lediglich als Beratungsgremien institutionalisiert werden. Damit ist eine höhere politische Ebene nicht an die Weisungen dieses Gremiums gebunden und muss Vorschläge eines deliberativen Forums nicht zwingend in die formale Politik einbinden (Goodin 2008, S. 15–16, 20ff.; Goodin & Dryzek 2006, S. 223). Auswahl der Teilnehmer. Ein zweiter wichtiger Faktor ist die Frage der Auswahl der Teilnehmer. Kritisiert wird zum Beispiel, dass bei einem völlig offenen Forum, nur Diejenigen teilnehmen werden, die über entsprechende Ressourcen (Bildung, Geld, Zeit) verfügen (Fung 2003b, S. 342). Hier würde sich ein bestimmtes

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Bildungsniveau widerspiegeln und daher nicht repräsentativ für die Bevölkerung stehen. Deshalb ist eine weitere Voraussetzung für erfolgreiche Deliberation, dass ein breites Spektrum von Interessen repräsentiert wird und auch weniger gut situierte Bevölkerungsschichten sowie Minderheiten an der Deliberation teilnehmen können (Prinzip der Eingebundenheit) (Fung & Wright 2001, S. 26; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 308; Petts 2001, S. 213; Ryfe 2002, S. 365; Sunstein 2002, S. 192; Weeks 2000, S. 361). Zudem wird vorgeschlagen, das deliberative Forum nicht nur punktuell, sondern kontinuierlich einzusetzen und zum Beispiel die Teilnehmer rotieren zu lassen (Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 308). Zusammensetzung der Gruppe. Empirische Untersuchungen zeigen weiterhin, dass die Zusammensetzung der Gruppe als entscheidendes Kriterium dafür gilt, wie deliberative Diskurse ablaufen und inwiefern sich Präferenzen bilden (Schaal & Ritzi 2009, S. 14). So wird nachgewiesen, dass Deliberation in Kleingruppen häufig dazu führt, dass die Meinung der Mehrheit unterstützt wird und es zu einer Polarisierung innerhalb der Gruppe kommt. Dies kann zum Beispiel auf normativen Druck zurückgehen, in der Öffentlichkeit die stärkste (beliebteste) Meinung zu vertreten (Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 304–305; Mendelberg 2002, S. 159; Sunstein 2002, S. 176). In diesem Kontext könnte die bewusste Einbindung von Konfliktlinien („cross-cutting cleavages“) eine Lösungsmöglichkeit bieten: Das könnte zum einen bedeuten, dass bewusst Themen auf die Agenda gesetzt werden, die Konflikte beinhalten. Zum anderen, dass Teilnehmer aus verschiedenen Interessensgruppen miteinander diskutieren sollten. Dies trägt dazu bei, dass die Teilnehmer ihre Perspektive erweitern und verhindert, dass sich die Interessensgruppen als homogene Einheit gegeneinander positionieren (Mansbridge 2003, S. 189–190). Damit kann gewährleistet werden, dass nicht im Vorhinein eine Gruppe die Mehrheit in der Diskussion stellt, sondern eine Vielzahl an Meinungen in der Diskussionsgruppe präsent ist. Empirische Studien bestätigen zudem, dass Deliberation dann erfolgreicher ist, wenn Teilnehmer mit unterschiedlichen Interessen diskutieren und kein gleichgerichtetes Interesse verfolgen. In diesem Sinne wirkt die Heterogenität der Teilnehmer positiv auf die Fähigkeit, rational zu deliberieren, da mehr Argumente offen gelegt werden (Schaal & Ritzi 2009, S. 13–14; Sunstein 2002, S. 192). Einsatz von Moderatoren. Eine letzte wichtige Voraussetzung bei der Durchführung deliberativer Prozesse in der politischen Praxis ist die Einsetzung von Moderatoren. Dies wurde auch bereits in der konzeptionellen Forschung deutlich. Diese speziell geschulten Experten können den Teilnehmern des deliberativen Diskurses dabei helfen, die Bedingungen einer idealen Sprechsituation zumindest annähernd

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zu erfüllen. Die Moderatoren leiten die Argumentation und sorgen dafür, dass die Teilnehmer ihre Argumente frei vorbringen können. Auch könnten sie eine Art Kontrollfunktion übernehmen, indem sie prüfen, ob wirklich ein legitimes Interesse vorliegt und ob im Falle der Einsetzung von Repräsentanten diese das Interesse ihrer jeweiligen Gruppe tatsächlich vertreten (Innes & Booher 2003, S. 37–38). Fung & Wright (2001, S. 18, 20) erachten Moderatoren für notwendig, um den Prozess für die Bürger zu vereinfachen, indem sie beispielsweise unterschiedliche Wissensstände ausgleichen oder versuchen Synergien zwischen unterschiedlichen Meinungen zu finden.

7.3

Kritische Analyse der Ansätze

Trotz des stärkeren Fokus auf die praktische Machbarkeit und dem Einbezug empirischer Erkenntnisse werden auch die erweiterten Ansätze einer kritischen Analyse unterzogen. Dies bezieht sich zum einen auf die konzeptionelle Forschung, wobei hier die Erweiterungen mit der Social Choice Theory und der Erkenntnistheorie beleuchtet werden. Zum anderen wird die empirische Forschung kritisch hinterfragt. Konzeptionelle Forschung Erweiterung mit der Social Choice Theory. In Bezug auf die Verbindung Social Choice Theory und deliberative Demokratie muss angemerkt werden, dass einige Autoren diese Kombination als unvereinbar ansehen, da eine analytische und eine normative Theorie zusammengebracht werden. Dies wird auch dadurch bedingt, dass sie auf unterschiedlichen Zielsetzungen beruhen. Während die deliberative Demokratie das Ziel verfolgt, die Legitimität gesellschaftlicher Normen zu begründen (moralisch), ist die Social Choice Theory im ökonomischen Handeln verhaftet und verfolgt das Ziel, Präferenzen in eine übergeordnete Meinung zu aggregieren (instrumentell) (vgl. hierzu u.a. Holzinger 2001, S. 416f.). Habermas (1990, S. 58) hatte ursprünglich auch eine Trennung zwischen strategischer und kommunikativer Rationalität in der Theorie der Diskursethik betont. In der deliberativen Demokratie wurden strategische Handlungen (Verhandlung) zwar als für bestimmte Situationen legitim angesehen, sie wurden allerdings nicht mit moralischen Diskursen verknüpft (vgl. Kap. 6.3.2). Da das Verhalten von Akteuren immer mehrdimensional ist, erscheint die gleichzeitige Betrachtung von ökonomischen und moralischen Motiven in der Praxis dennoch als sinnvoll. Im Unterschied dazu kritisieren Knight & Johnson (1994, S. 282–283), dass jüngste Versuche, Social Choice Theory und deliberative Demokratie zusammenzubrin-

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gen, auf falschen Interpretationen beruhen. Das betrifft zum Beispiel die Annahme, dass deliberative Demokratie Präferenzen verändern würde100. Vielmehr hat deliberative Demokratie laut den Autoren das Ziel, Konflikte aufzudecken und zu reduzieren, indem Teilnehmer herausfinden können, worüber sie uneinig sind. Weiterhin geht es darum, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Damit würde auch der Gefahr der Manipulation und der Instabilität von Wahlergebnissen vorgebeugt werden. Erweiterung mit der Erkenntnistheorie. Kritik an einer erkenntnistheoretischen Ausrichtung der deliberativen Demokratie äußern zum Beispiel Bohman (1998) oder Peter (2007). Einer der Hauptkritikpunkte ist dabei, dass die Richtigkeit einer Entscheidung schwer festzustellen ist und entscheidend vom Kontext abhängig ist. Vor diesem Hintergrund können laut Peter (2007, S. 345–347) immer nur Thesen über die Richtigkeit getroffen werden, die eigentliche Richtigkeit aber nicht endgültig bestätigt werden. Außerdem plädiert sie dafür, dass Standards der prozeduralen Fairness ausreichend sind, um ein gerechtes Ergebnis zu erzielen. Denn, so ihr Argument, die Regelungen des deliberativen Prozesses würden es verhindern, dass eine Entscheidung akzeptiert werden kann, die beispielsweise diskriminierend ist. Dem würden rational nicht alle zustimmen können, zumal die deliberative Demokratie an sich bestimmt, dass alle gleich zu behandeln sind. Im Unterschied dazu kritisiert Bohman (1998, S. 403–405) insbesondere an Estlund, dass unklar bleibt, welche prozessunabhängigen Standards angewendet werden sollten. Auch bei Gutmann & Thompson wird trotz der Betonung materialer Rechte keine Aussage darüber getroffen, worin ein richtiges Ergebnis besteht. Zudem kann bei Gutmann & Thompson kritisiert werden, dass sie nicht erläutern, wie sie die Inhaltsprinzipien abgeleitet haben und warum genau die genannten drei eine Rolle spielen. Dagegen betonen Schaal & Ritzi (2009, S. 5) die Bedeutung von Forschern wie Estlund, da gerade die Qualität der getroffenen Entscheidung in den Vordergrund der Betrachtung rückt und die Einhaltung von Prozessprinzipien wie Gleichheit dieser Qualität untergeordnet wird. Allgemein kann ausgesagt werden, dass es für die Praxis schwierig ist, sich an inhaltlichen Normen zu orientieren. Zum einen würde dadurch eine universalistische Vorgehensweise gewählt werden, die kulturelle Unterschiede nicht berücksichtigt. Zum anderen müsste dafür klar bestimmt werden, was eine inhaltlich richtige von einer inhaltlich falschen Entscheidung unterscheidet.

100

Laut der Theorie der deliberativen Demokratie geht es darum, nicht an Präferenzen festzuhalten, für andere Argumente offen zu sein und sich von der Macht des besseren Arguments leiten zu lassen. Damit kann davon ausgegangen werden, dass erst im Diskurs eine (kollektive) Präferenz geschaffen werden soll.

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GRUNDLAGEN UND ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

Empirische Forschung Als Kritik an der empirischen Forschung zur deliberativen Demokratie wird von Thompson (2008, S. 498–499) hervorgebracht, dass empirische Untersuchungen zur deliberativen Demokratie wenig mit der normativen Theorie zusammenhängen. Ein Kritikpunkt ist dabei, dass Deliberation nach dem Idealbild in der Theorie nicht existiert, somit eigentlich nicht getestet werden kann, ob Deliberation zu den in der Theorie genannten Effekten führt (Mutz 2008, S. 529). So besteht in der Theorie ein großer Unterschied zwischen Konsens und Kompromiss, empirisch gesehen können die beiden nur schwer abgegrenzt werden. Denn ein Konsens würde bedeuten, dass die Teilnehmer auch ihre Perspektive verändert haben und alle aus denselben Gründen von einer Entscheidung überzeugt sind. Bei einem Kompromiss hingegen würden sich die Teilnehmer aus unterschiedlichen Gründen auf eine Handlungsoption einigen (vgl. dazu auch Kap. 7.1.4). In einer empirischen Untersuchung kann jedoch nicht überprüft werden, aus welchen Gründen eine Entscheidung akzeptiert wird (Habermas 1996, S. 166; Thompson 2008, S. 508). Weitere Kritikpunkte beziehen sich darauf, dass häufig nur einzelne Elemente aus der Theorie herausgegriffen und getestet werden oder zu vereinfachende Aussagen getroffen werden. Grundproblem empirischer Überprüfung ist vor allem, dass die Theorie keine klare und eindeutige Definition von Deliberation liefert (Schaal & Ritzi 2009, S. 19). Daraus wird ersichtlich, dass empirische Untersuchungen, je nach zugrunde gelegtem Verständnis von Deliberation, zu unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf den Erfolg der Deliberation kommen müssen. Ein weiteres Problem ist, dass der Begriff der Deliberation in empirischen Untersuchungen häufig zu weit gefasst wird (Mutz 2008, S. 522; Thompson 2008, S. 499–502). Dies führt dazu, dass viele Fallstudien vor allem „Gespräche“ untersuchen, nicht aber originär Deliberation (Steiner et al. 2004, S. 46–47). Weiterhin gilt Deliberation in Kleingruppen als nicht repräsentativ für die Öffentlichkeit, weshalb keine verallgemeinernden Aussagen aus den Fallstudien gezogen werden können (vgl. u.a. Goodin & Dryzek 2006, S. 233). Das heißt, während einige Analysen zu dem Schluss kommen, dass durch deliberative Entscheidungsprozesse Bürger politisch engagierter agieren, besser informiert werden und ein Lernprozess angestoßen wird (Grönlund, Strandberg & Himmelroos 2009, S. 194ff.; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 306; Petts 2001, S. 216), zeigen andere, dass Deliberation in der Praxis große Schwächen aufweist. So argumentieren Fung & Wright (2001, S. 37), dass die Gefahr besteht, dass Bürger nicht dauerhaft deliberieren wollen, da es sehr zeitaufwendig ist. Auch die Motivation könnte in Folge der Komplexität deliberativer Entscheidungsprozesse zurückgehen. Button & Mattson (1999, S. 622, 624, 631) machen hingegen deutlich, dass Befragungen von Teilnehmern an deliberativen Foren zeigen, dass Bürger nicht überzeugt sind,

ERWEITERTE ANSÄTZE ZUR DELIBERATIVEN DEMOKRATIE

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dass Deliberation tatsächlich einen Beitrag zur öffentlichen Politik leistet. Auch verfallen Bürger häufig in die Rolle eines passiven „Schülers“, da einige Bürger ihre Ausbildung als nicht ausreichend empfinden, um auf gleicher Ebene mit Politikern und Experten zu deliberieren. Trotz vielfältiger Kritik wird die empirische Forschung als entscheidend für die Weiterentwicklung der Theorie der deliberativen Demokratie angesehen. Der größte Vorteil liegt laut Thompson (2008, S. 509) darin, dass sie Bedingungen aufzeigen kann, wie Deliberation erfolgreich in der Praxis umgesetzt werden kann. Im dritten Teil der Arbeit werden nun anschließend die Erkenntnisse aus den klassischen und erweiterten Ansätzen zu einem konzeptionellen Ansatz zusammengefügt.

187

III. Entwicklung eines deliberativen Ansatzes zur Legitimation politischer Verantwortung multinationaler Unternehmen 8.

Deliberative Stakeholder Dialoge multinationaler Unternehmen

8.1

Konzeptioneller Ansatz für deliberative Stakeholder Dialoge

Auf Basis der skizzierten theoretischen Grundlagen zu politischer Verantwortung, unternehmerischer Legitimität, Stakeholder Dialogen sowie deliberativer Demokratie wird im Folgenden ein konzeptioneller Ansatz für deliberative Stakeholder Dialoge entwickelt. Dieser konzeptionelle Ansatz leistet einen Beitrag zur theoretischen Fundierung von Stakeholder Dialogen, da er auf Erkenntnissen der deliberativen Demokratie (normativ) aufgebaut ist. Darüber hinaus wird nicht nur theoretisch erläutert, wie Stakeholder Dialoge auf Basis der deliberativen Demokratie gestaltet sein sollten (vgl. Kap. 4.3.3.2). Vielmehr werden auch konkrete Handlungsanweisungen gegeben, wie MNU Stakeholder Dialoge implementieren können. Damit wird in dieser Arbeit ein stärkerer Fokus auf die tatsächliche Umsetzbarkeit deliberativer Stakeholder Dialoge in der Unternehmenspraxis gelegt. Dies erscheint insbesondere deshalb notwendig, da bisher vor allem theoretische Implikationen für die Umsetzung geliefert wurden. Dabei wurde zwar darauf hingewiesen, was zur Umsetzung notwendig ist, es wird allerdings wenig erläutert, wie das in der Praxis funktionieren kann. Deshalb wird sich dieser Ansatz stärker mit der Implementierung deliberativer Entscheidungsprozesse auf der Unternehmensebene (insbesondere in MNU) auseinandersetzen (vgl. hierzu auch Scherer & Palazzo 2007, S. 1114; Scherer, Palazzo & Baumann 2006, S. 523). Dabei wird insbesondere versucht, ein realistisches Bild von der Umsetzbarkeit zu zeichnen und auch auf Schwierigkeiten hinzuweisen, die sich im Rahmen der Implementierung deliberativer Entscheidungsprozeduren ergeben können. Im Unterschied zur Unternehmensebene zeigen einige Forschungsarbeiten, dass auf der institutionellen Ebene bereits deliberative Entscheidungsprozesse in Multi-

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Stakeholder Netzwerken durchgeführt werden (vgl. u.a. Roloff 2008, S. 242; Scherer & Palazzo 2007, S. 1110). Dabei spielen MNU in diesen Netzwerken häufig eine zentrale Rolle und übernehmen politische Verantwortung, indem sie zusammen mit staatlichen und nicht staatlichen Anspruchsgruppen GovernanceProzesse initiieren und gestalten (Bäckstrand 2006, S. 291; Scherer & Palazzo 2007, S. 1109). In diesem Sinne ist es notwendig, dass die Governance-Prozesse in Multi-Stakeholder Initiativen auch moralisch legitimiert werden. Deshalb wird in der vorliegenden Arbeit untersucht, inwiefern die Entscheidungsfindung in Multi-Stakeholder Netzwerken nach deliberativen Kriterien gestaltet ist und diese in der Lage sind, moralisch legitime Entscheidungen zu generieren. Damit knüpft die vorliegende Arbeit an die in Kap. 4.3.3.2 skizzierte Forschung an, wird aber im Unterschied zu bisherigen Ansätzen eine möglichst vollständige Analyse von zwei ausgewählten Multi-Stakeholder Initiativen liefern. Darüber hinaus wird auch stärker auf Handlungsanweisungen für die Weiterentwicklung der deliberativen Qualität von Multi-Stakeholder Netzwerken eingegangen. Bevor der konzeptionelle Ansatz vorgestellt wird, ist es zunächst entscheidend, die Wahl des Begriffes „deliberativer Stakeholder Dialog“ näher zu erläutern. Ein Blick auf die bisherigen Forschungsarbeiten in diesem Bereich zeigt, dass kein einheitlicher Begriff für Stakeholder Dialoge, die nach den Regeln der deliberativen Demokratie gestaltet werden sollen, verwendet wird. Während einige Arbeiten einen „diskursethischen Ansatz“ oder einen „auf diskursethischen Prinzipien beruhenden Stakeholderdialog“ (Maak & Ulrich 2007, S. 184; Rasche & Esser 2006; Zakhem 2008) entwickeln, verwenden zahlreiche Autoren wie Gilbert & Rasche (2007), Noland & Phillips (2010), Reynolds & Yuthas (2008) oder Scherer & Palazzo (2007) die Terminologie von Habermas und sprechen von moralischer Stakeholder Einbindung oder moralischen Diskursen (mit Stakeholdern). Dies erscheint insofern logisch, da Habermas von moralischen Ansprüchen ausgeht und diese von pragmatischen und ethisch-politischen Ansprüchen unterscheidet. In dieser Arbeit wird ebenfalls der moralische Anspruch als Ausgangspunkt für die Übernahme politischer Verantwortung verstanden. Es wird gezeigt, welche Art der politischen Verantwortung einen moralischen Anspruch adressiert und wie diese in einem deliberativen Stakeholder Dialog moralisch legitimiert werden kann. Dabei besteht der Unterschied zum moralischen Diskurs darin, dass im deliberativen Stakeholder Dialog, eine Aussage darüber getroffen wird, wie die konkrete Ausgestaltung und Implementierung nach deliberativen Regeln in der Praxis funktionieren kann.

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Freiwilligkeit deliberativer Stakeholder Dialoge Entscheidend für die Durchführung deliberativer Entscheidungsprozesse in der Praxis muss das Prinzip der Freiwilligkeit sein. Denn es gibt keine Instanz, die Unternehmen dazu zwingen kann, Stakeholder im Rahmen deliberativer Dialoge einzubinden oder an Multi-Stakeholder Initiativen teilzunehmen (vgl. u.a. Trautnitz & Engelhard 2009, S. 793). Allerdings lehren jüngste Unternehmensskandale wie bei BP oder Google, dass eine Nicht-Berücksichtigung von Stakeholder Interessen große Risiken finanzieller Art sowie im Hinblick auf Reputation und Legitimität nach sich ziehen können. Das hängt vor allem damit zusammen, dass MNU zunehmend im Blickfeld einer kritischen Öffentlichkeit stehen. Insbesondere NGOs überwachen unternehmerisches Handeln und machen vermehrt auf moralisches Fehlverhalten von MNU aufmerksam (vgl. dazu Crane & Matten 2010, S. 443). In diesem Sinne liegt es an der Führung des MNU, ob potenzielle politische Konflikte und die Frage nach einer politischen Verantwortung proaktiv adressiert werden, indem entweder auf der Unternehmensebene deliberative Stakeholder Dialoge durchgeführt werden oder sich das Unternehmen auf der institutionellen Ebene an Stakeholder Dialogen beteiligt. Dabei ist es wahrscheinlich, dass Führungskräfte sich vor allem aufgrund instrumenteller Überlegungen dazu entscheiden werden, deliberative Stakeholder Dialoge entweder selbst zu initiieren oder sich an Multi-Stakeholder Initiativen auf der institutionellen Ebene zu beteiligen, um finanzielle Einbußen oder einen Imageschaden zu verhindern und vor allem ihre Existenzberechtigung („license to operate“) nicht zu verlieren (vgl. hierzu Trautnitz & Engelhard 2009, S. 793). Die Beteiligung an Multi-Stakeholder Initiativen könnte zudem auf institutionellen Druck zurückzuführen sein, wenn beispielsweise Konkurrenzunternehmen dort vertreten sind. Neben instrumentellen oder institutionellen Überlegungen bieten deliberative Stakeholder Dialoge die Möglichkeit, eine mit den Stakeholdern abgestimmte Verhaltensweise zu finden, insbesondere, da auf globaler Ebene gesetzliche Regelungen fehlen und somit eine Situation der Unsicherheit vorherrscht. Daher muss es das Ziel von MNU sein, die Übernahme politischer Verantwortung moralisch zu legitimieren, um eine sichere und stabile Handlungsgrundlage zu erreichen. Dabei kann mit Hilfe des hier entwickelten Ansatzes nicht nur gezeigt werden, wie MNU politische Verantwortung legitimieren können. Ferner ist es auch möglich zu erläutern, wie Stakeholder Dialoge in MNU und Multi-Stakeholder Initiativen gestaltet und implementiert werden sollten, damit sie zu moralisch legitimen Entscheidungen führen. Vor diesem Hintergrund unterteilt sich der konzeptionelle Ansatz in zwei Kategorien:

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1. Voraussetzungen für deliberative Stakeholder Dialoge und 2. Durchführung von deliberativen Stakeholder Dialogen Innerhalb dieser zwei Kategorien können fünf Bausteine unterschieden werden: Analyse der Anspruchsgrundlage, Analyse der Anspruchsgruppen, Institutionelle Rahmenbedingungen, Prinzipien und Regeln der Kommunikation sowie Ergebnisse der Dialoge. Diese Bausteine spiegeln die Kernaspekte der deliberativen Demokratie wider und basieren auf den Erkenntnissen der klassischen und erweiterten Ansätze der deliberativen Demokratie. Einen Überblick zu den Bausteinen gibt im Folgenden Abb. 7.

Analyse der Anspruchsgrundlage (Kap. 8.2.1 und 8.3.1) Pragmatisch Voraussetzungen für deliberative Stakeholder Dialoge

Moralisch

Ethisch-politisch

Analyse der Anspruchsgruppen (Kap. 8.2.2 und 8.3.2) Identifikation/ Zugang Repräsentation Mitgliederstruktur

Institutionelle Rahmenbedingungen (Kap. 8.2.3 und 8.3.3) Unternehmens-/Organisationskultur Prinzipien und Regeln der Kommunikation (Kap. 8.2.4 und 8.3.4)

Bedeutung von Prozessprinzipien

Grad der Legitimität

Personelle Kriterien

Konsensorientierung

Bedeutung von Inhaltsprinzipien

Durchführung von deliberativen Stakeholder Dialogen

Strukturelle Kriterien

Ergebnisse der Dialoge (Kap. 8.2.5 und 8.3.5)

Formen der Kommunikation

Abb. 7:

Konzeptioneller Ansatz für deliberative Stakeholder Dialoge Quelle: Eigene Darstellung.

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Jeder der fünf Bausteine setzt sich aus verschiedenen Kriterien zusammen. Dabei ist darauf zu verweisen, dass einige Kriterien der deliberativen Demokratie nicht nur in einem Baustein verortet werden können, sondern eine Einordnung in mehrere Bausteine möglich ist. Aus analytischen Gründen wird allerdings eine eindeutige Zuordnung vorgenommen. Die Erkenntnisse werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht nur konzeptionell erläutert, sondern gleichzeitig praktisch appliziert. Das heißt, es werden Implikationen für MNU (Kap. 8.2) und für MultiStakeholder Netzwerke (Kap. 8.3) diskutiert. Im Folgenden werden die fünf Bausteine und die ihnen zugeordneten Kriterien dargestellt und erläutert. Voraussetzungen für deliberative Stakeholder Dialoge Analyse der Anspruchsgrundlage (Kap. 8.2.1 und 8.3.1) Als erste Voraussetzung ist es zunächst notwendig, sich über die Anspruchsgrundlage klar zu werden, um die Frage zu beantworten, ob überhaupt ein deliberativer Stakeholder Dialog angestoßen werden muss. Die Theorie der deliberativen Demokratie nach Habermas (1996, S. 159–162) unterscheidet drei verschiedene Arten von Anspruchsgrundlagen: Pragmatisch Ethisch-politisch und Moralisch Ein deliberativer Diskurs muss nur durchgeführt werden, wenn ein moralischer Anspruch (öffentliches Interesse) besteht. Dabei können grundsätzlich verschiedene Normen angewendet werden (Normenkonflikt), um den moralischen Anspruch zu erfüllen (vgl. u.a Dahlberg 2005, S. 125). Es ist allerdings unklar, welche Normen das Handeln bestimmen sollen. Deshalb muss ein deliberativer Diskurs angestoßen werden, um die moralischen Normen auf ihre Geltung bzw. Legitimität101 zu testen. Wie aus der konzeptionellen Forschung hervorgeht, ist im Vorhinein eines deliberativen Diskurses nicht immer zwingend klar definiert, worin dieser moralische Normenkonflikt besteht. Vielmehr handelt es sich um ein Problembewusstsein, das sich bildet. Die Teilnehmer des Diskurses formulieren erst im deliberativen Prozess, was genau den Normenkonflikt auszeichnet und wie sie diesen 101

Im Folgenden wird nicht mehr im Sinne von Habermas (1996, S. 157–162) von der Geltung eines Anspruchs, sondern von der Legitimität gesprochen. Theoretisch sind die Begriffe nicht vollkommen gleichzusetzen, da Geltung universell ist und Legitimität im Sinne von Suchman (1995, S. 574) sozial konstruiert werden kann. Für die praktische Anwendung ist dieser Unterschied allerdings zu vernachlässigen.

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wahrnehmen. Denn der deliberative Prozess dient dazu, ihre Positionen aufzudecken und zu formen. Auf dieser Basis können mögliche Lösungsoptionen erarbeitet werden (Van de Kerkhof 2006, S. 282–283). In der empirischen Forschung zeigt sich hingegen, dass deliberative Foren dann gebildet werden, wenn ein politisches Problem bzw. ein politischer Konflikt identifiziert wurde („problemspezifischer Dialog“) und die Fragen nach der Handhabung und Legitimität geklärt werden müssen (Knight & Johnson 1994, S. 286). Das heißt, das Problem wurde schon vorher definiert und mit Hilfe des deliberativen Stakeholder Dialogs wird nun nach einer Lösung gesucht. Dabei rekurriert diese Arbeit nicht auf einen reaktiven Fall der Konfliktregelung, sondern sieht in einem nach den Regeln der deliberativen Demokratie gestalteten Stakeholder Dialog die Möglichkeit, proaktiv potentiellen Konfliktsituationen zu begegnen, den Konflikt bzw. das Problem klar zu artikulieren und die Vorgehens- oder Verhaltensweise mit allen davon Betroffenen abzustimmen. In Anlehnung an die Differenzierung der Anspruchsgrundlagen nach Habermas wird in dieser Arbeit eine Kategorisierung politischer Verantwortungsübernahme vorgenommen. Politische Verantwortungsübernahme hat, wie in Kapitel 2.3.1 gezeigt wurde, in der Praxis viele Facetten und kann sich auf verschiedene Tätigkeiten wie die Bereitstellung von Versorgungsleistungen oder die Ausübung von Governance-Funktionen beziehen. Diese Vielfalt muss auch in einem konzeptionellen Ansatz widergespiegelt werden. Das heißt, dass eine bestimmte Art der politischen Verantwortung einen pragmatischen, ethisch-politischen oder moralischen Anspruch adressieren kann. Dabei ist die Kategorisierung nicht vollkommen trennscharf, so dass sich ein zunächst ethisch-politischer Anspruch zu einem moralischen Anspruch wandeln kann. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich werden, dass die verschiedenen Anspruchsgrundlagen von Habermas mit der Konzeption von Legitimität wie sie Suchman (1995) definiert hat, kombiniert werden können. Für moralische Ansprüche gilt es demnach moralische Legitimität102 zu erreichen, was nur mit Hilfe eines deliberativen Stakeholder Dialogs gelingen kann. Analyse der Anspruchsgruppen (Kap. 8.2.2 und 8.3.2) Als zweite wichtige Voraussetzung gilt es die Anspruchsgruppen zu analysieren. Das heißt, es muss die Frage geklärt werden, wer am deliberativen Stakeholder Dialog teilnehmen soll. Denn nach der Theorie der deliberativen Demokratie können moralische Ansprüche nur auf ihre Legitimität überprüft werden, wenn alle 102

Besitzt ein Anspruch moralische Legitimität, so ist er auch in pragmatischer und kognitiver Hinsicht als legitim zu bewerten.

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Teilnehmer tatsächlich in einen praktischen Diskurs eintreten (vgl. Diskursprinzip D nach Habermas 1999, S. 41). In diesem Zusammenhang werden drei Kriterien für die Diskussion ausgewählt: Identifikation bzw. Mitgliederstruktur Zugang und Repräsentation Die Identifikation von Anspruchsgruppen ist auch im Bereich des Stakeholder Managements ein zentrales Thema. Während hier verschiedene Ansätze zur Identifikation von Stakeholdern bekannt sind, die versuchen zu erläutern, wann ein Anspruch an das Unternehmen besteht bzw. gerechtfertigt werden kann (vgl. u.a. den Ansatz von Mitchell, Agle & Wood 1997), unterscheidet die deliberative Demokratie nicht nach Kriterien wie Macht oder Dringlichkeit, sondern orientiert sich einzig am Kriterium der Betroffenheit. Dabei gibt es keine Rangordnung von Betroffenheit, das heißt, alle Teilnehmer werden als gleich betroffen angesehen (Bohman 1997, S. 334, 333; Freeman 1984, S. 46; Habermas 1999, S. 41). In Bezug auf Multi-Stakeholder Initiativen wird das Kriterium der Identifikation zur Mitgliederstruktur umformuliert, da in diesem Fall analysiert werden kann, welche Stakeholder tatsächlich teilnehmen. Neben der Identifikation bzw. Mitgliederstruktur ist auch der Zugang zum Dialog zu betrachten. Dies erscheint sinnvoll, da sowohl die klassischen als auch die erweiterten Ansätze betonen, dass kein Teilnehmer vom Dialog ausgeschlossen werden darf (vgl. Cohen 1997b, S. 419–420; Habermas 1999, S. 44; Knight & Johnson 1994, S. 285). Zudem wird argumentiert, dass die Identifikation der Anspruchsgruppen auch immer die Frage beinhalten muss, ob die Stakeholder tatsächlich in der Lage sind, teilzunehmen bzw. inwiefern MNU oder MultiStakeholder Initiativen den Zugang beschränken (können). Deswegen wird dieses Kriterium nicht wie in den klassischen103 und erweiterten Ansätzen im Bereich der Prinzipien und Regeln der deliberativen Demokratie diskutiert. In einem dritten Punkt wird die Idee der Repräsentation bzw. des Stellvertreter Dialogs aufgegriffen. Dieser Aspekt wird als bedeutend angesehen, da insbesondere vor dem Hintergrund geographisch gestreuter Strukturen von MNU und MultiStakeholder Netzwerken (Stakeholder befinden sich in einer Vielzahl von Ländern) die Frage gestellt werden muss, ob die Organisation eines deliberativen Stakeholder Dialogs in der Praxis tatsächlich machbar ist. In dieser Hinsicht weisen 103

Im Unterschied zu Habermas (1999, S. 41), der die Frage des Zugangs in den Regeln der idealen Sprechsituation adressiert (vgl. Kap. 6.3.3), erfolgt die Beschreibung des Zugangs bei Cohen (1997b, S. 419–420) bei den Bedingungen, die Institutionen erfüllen müssen, um einen Diskurs zu ermöglichen (vgl. Kap. 6.3.5).

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sowohl die klassischen als auch die erweiterten Ansätze der deliberativen Demokratie darauf hin, dass ein Stellvertreter Dialog notwendig ist, um in der Praxis deliberative Diskurse durchführen zu können (Habermas 1996, S. 183; Young 2000, S. 121). Auch dieser Aspekt wird im Bereich der Analyse der Anspruchsgruppen eingeordnet, und nicht bei Prinzipien und Regeln der Kommunikation wie in Kapitel 6 und 7. Grund hierfür ist, dass die Frage der Repräsentation eng mit der Teilnehmerstruktur zusammenhängt und im Vorfeld eines deliberativen Stakeholder Dialogs geklärt werden muss, ob Stakeholder selbst oder durch Vertreter teilnehmen. Institutionelle Rahmenbedingungen (Kap. 8.2.3 und 8.3.3) Nach der Analyse der Anspruchsgrundlage und Anspruchsgruppen wird erläutert, wie deliberative Stakeholder Dialoge institutionalisiert werden können. Bereits die klassischen Ansätze der deliberativen Demokratie haben darauf hingewiesen, dass Institutionen zwei Funktionen erfüllen. Zum einen schaffen sie die Voraussetzung dafür, dass Deliberation überhaupt stattfinden kann, zum anderen bilden sie den demokratischen Rahmen für den Ablauf von deliberativen Stakeholder Dialogen (Cohen & Sabel 1997, S. 320; Habermas 1996, S. 110). In diesem Sinne wird die Institutionalisierung gleichzeitig als Voraussetzung und als Rahmen für die Durchführung von deliberativen Stakeholder Dialogen wahrgenommen. Die institutionellen Rahmenbedingungen werden anhand der drei Charakteristika: Unternehmens- bzw. Organisationskultur Strukturelle Kriterien und Personelle Kriterien analysiert. Diese übergeordnete Einteilung nach Kultur, Struktur und Personal wird hier gewählt, da sie in unterschiedlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre angewendet wird, um eine Organisation zu charakterisieren (vgl. u.a. Holtbrügge & Welge 2010, S. 227, 309; Kreikebaum, Gilbert & Reinhardt 2002, S. 101–103, 109–110; Maon, Lindgreen & Swaen 2009, S. 73, 78–83). Dabei werden in der vorliegenden Arbeit strukturelle und personelle Kriterien nochmals unterteilt. Die strukturellen Kriterien gliedern sich in Übertragung von Entscheidungskompetenz, Ort der Entscheidungsfindung sowie Organisation der Deliberation. Die Auswahl dieser drei Merkmale geht auf die Erkenntnisse aus der qualitativ empirischen Forschung der deliberativen Demokratie zurück (vgl. Kap. 7.2.2.2 und 7.2.2.3). Hier wurde gezeigt, dass die Übertragung von Entscheidungskompetenz ein maßgebliches Kriterium für die erfolgreiche Umsetzung von Deliberation

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bildet. Im Kontext unternehmerischer Entscheidungen heißt das, Stakeholder sollen nicht nur beratend bei unternehmerischen Entscheidungen mitwirken, sondern Entscheidungskompetenz muss an sie delegiert werden (vgl. hierzu Fung & Wright 2001, S. 17, 21). In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Frage nach dem Ort der Entscheidungsfindung zu stellen. Während in der politikwissenschaftlichen Praxis bestimmte Gremien geschaffen wurden, um Deliberation zu verwirklichen (vgl. dazu die Ausführungen zu den Minipublics in Kap. 7.2.2.2), muss untersucht werden, ob die Stakeholder Einbindung in Unternehmen auch in Form eines speziellen Gremiums verankert werden sollte. In Bezug auf MultiStakeholder Netzwerke werden die Kriterien Übertragung von Entscheidungskompetenz und Ort der Entscheidungsfindung unter dem Aspekt der GovernanceStruktur zusammengefasst. Anhand der Governance-Struktur kann zum einen gezeigt werden, inwieweit Entscheidungskompetenz von der globalen auf die lokale Ebene delegiert wird, zum anderen, inwieweit Stakeholder dieser Netzwerke in den Gremien vertreten sind und tatsächlich Entscheidungskompetenz besitzen. Zudem ist die Organisation der Deliberation zu betrachten. Dabei spielen erstens die Form des Diskurses, zweitens die Zusammensetzung der Gruppe sowie drittens die Einbindung internetbasierter Medien eine Rolle. Diese drei Kriterien leiten sich ebenfalls aus der qualitativ empirischen Forschung zur Deliberation ab und werden als essentiell für die Durchführung von deliberativen Stakeholder Dialogen betrachtet. Mit der Form des Diskurses müssen Organisationen zunächst eine grundsätzliche Entscheidung hinsichtlich der Gruppengröße (z.B. Diskussion in Kleingruppen) treffen (vgl. dazu u.a. Fung 2003a, S. 111–124, 2003b, S. 357– 360; Goodin 2008, S. 15; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 294–295). Eng verbunden mit der Gruppengröße ist auch die Gruppenzusammensetzung. Die empirische Forschung hat herausgefunden, dass insbesondere eine heterogene Gruppenzusammensetzung den Erfolg von Deliberation in der Praxis bedingt (Schaal & Ritzi 2009, S. 13–14; Sunstein 2002, S. 192). Daneben wird in der politikwissenschaftlichen Forschung in jüngster Zeit verstärkt diskutiert, inwiefern internetbasierte Medien den persönlichen Dialog ergänzen bzw. ersetzen können. Dabei scheint das Internet geeignet, um einen Stakeholder Dialog in Echtzeit nach den Regeln der deliberativen Demokratie (z.B. in Bezug auf Machtfreiheit) durchzuführen. Damit einhergehend ist zu beobachten, dass im unternehmerischen Kontext soziale Medien an Bedeutung gewinnen, um mit Stakeholdern in Kontakt zu treten (Delli Carpini, Cook & Jacobs 2004, S. 334–335; Grönlund, Strandberg & Himmelroos 2009, S. 189; Kroker & Engeser 2010; Wright & Street 2007, S. 851). Aus diesem Grund wird untersucht, inwiefern soziale Medien für die Gestaltung und Implementierung eines deliberativen Stakeholder Dialogs genutzt werden können bzw. in Bezug auf Multi-Stakeholder Netzwerke bereits genutzt werden.

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Im Bereich der personellen Kriterien werden drei ausgewählte Kriterien, die Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmer, das Training der (internen und externen) Stakeholder sowie der Einsatz von Moderatoren und Experten betrachtet. Die Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmer wird als zentral angesehen, da Habermas moralische Entwicklung als Lernprozess versteht (Habermas 1990, S. 123–125, 2006a, S. 414). Das heißt, es muss untersucht werden, ob und wie Stakeholder diese Kommunikationsfähigkeit erlernen können und inwiefern MNU bzw. Multi-Stakeholder Netzwerke interne und externe Stakeholder dahingehend schulen und ein Lernforum bereitstellen können. In Bezug auf interne Stakeholder ist ferner festzustellen, dass ihre Fähigkeit zur Deliberation wesentlich durch systemische sowie (inter-)personale Faktoren im Unternehmen beeinflusst werden kann (Maclagan 1996). Darüber hinaus hat die empirische Forschung zur Deliberation festgestellt, dass Moderatoren und Experten eine zentrale Rolle im deliberativen Stakeholder Dialog einnehmen und auf die Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmer positiv einwirken können. Denn sie leiten und überwachen den Entscheidungsprozess und helfen den Teilnehmern somit dabei, die Prinzipien und Regeln der Deliberation einzuhalten (Fung & Wright 2001, S. 18, 20). Aus diesem Grund stellen sie ebenfalls ein wichtiges institutionelles Bindeglied dar. Durchführung deliberativer Stakeholder Dialoge Prinzipien und Regeln der Kommunikation (Kap. 8.2.4 und 8.3.4) Bei der Durchführung deliberativer Stakeholder Dialoge geht es zunächst um die Frage, wie Kommunikation stattfinden soll. Dazu werden Prinzipien und Regeln der Kommunikation festgelegt. In diesem Sinne ist es das Ziel, eine reale Sprechsituation für die Teilnehmer zu schaffen. Das heißt, die Teilnehmer müssen sich auf Prinzipien und Regeln einigen, die ihren praktischen Diskurs leiten sollen. Dies impliziert, dass die Prinzipien und Regeln nicht von „oben“ gesetzt werden, sondern dass die Teilnehmer ihre Prinzipien und Regeln frei wählen können. In Anlehnung an die Aussagen zur Flexibilisierung der Kommunikation in Kap. 7.1.3.3 soll demnach nicht vorgegeben werden, welche Prinzipien und Regeln zu erfüllen sind, sondern je nach Kontext haben die Teilnehmer die Möglichkeit, bestimmten Prinzipien und Regeln Priorität einzuräumen, diese gegebenenfalls umzuformulieren bzw. an ihren Kontext anzupassen oder eine unterschiedliche Gewichtung dieser vorzunehmen (vgl. hierzu auch Estlund 2008, S. 186). In diesem Punkt zeigt sich auch der Primat der Demokratie vor der Philosophie (Habermas 1996, S. 170). Denn es müssen nicht alle in der Theorie geltenden (philosophischen) Prinzipien und Regeln gleichzeitig und vollkommen erfüllt werden. Wichtiger ist vielmehr, dass MNU bzw. Multi-Stakeholder Netzwerke die Möglichkeit einräumen, demokratisch zu entscheiden, welche Prinzipien und Regeln maßge-

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bend sein sollen. Dabei dient die Theorie als regulatives Ideal, das heißt, reale Sprechsituationen sollen sich soweit als möglich an den Idealtypus annähern und dienen gleichzeitig als Referenz, um festgelegte Prinzipien und Regeln immer wieder kritisch zu reflektieren (Benhabib 1996, S. 75; Dahlberg 2005, S. 127; Habermas 1996, S. 326; Mouffe 2000, S. 6). Innerhalb der Prinzipien und Regeln der Kommunikation muss über die folgenden Kriterien entschieden werden: Bedeutung von Prozessprinzipien Bedeutung von Inhaltsprinzipien und Formen der Kommunikation Die Prozessprinzipien sind in den klassischen Ansätzen insbesondere bei Habermas vor allem mit den Regeln der idealen Sprechsituation verbunden, während die erweiterten Ansätze die Kriterien der Reziprozität, Öffentlichkeit und Rechenschaft diskutieren (Gutmann & Thompson 2000, S. 167; Habermas 1999, S. 44). Angesichts einer Analyse im unternehmerischen Kontext wird an dieser Stelle im Wesentlichen der Vorgehensweise der erweiterten Ansätze gefolgt. Dies erscheint sinnvoll, da unter dem Kriterium der Reziprozität mehrere Punkte der idealen Sprechsituation vereint werden (vgl. dazu Gutmann & Thompson 1996, S. 52, 2004, S. 98). Darüber hinaus wird die Macht als weiteres Kriterium hinzugefügt. Insbesondere Habermas (1999, S. 44) argumentiert, dass Diskursteilnehmer keinen Zwang aufeinander ausüben dürfen und sie sich einzig von der „Macht des besseren Arguments“ leiten lassen sollen. Hingegen zeigen die erweiterten Ansätze, dass insbesondere die Macht von Akteuren Diskurse bestimmen kann (Young 1997, S. 398–399). Deswegen muss untersucht werden, inwiefern Stakeholder Macht ausüben und ob Machtneutralität in der Praxis überhaupt gewährleistet werden kann. Weiterhin wird an dieser Stelle der von den erweiterten Ansätzen gemachte Vorschlag nach der Integration von Inhaltsprinzipien diskutiert. Dabei gilt es bei MNU die grundsätzliche Frage zu stellen, ob eine Orientierung an Inhaltsprinzipien sinnvoll erscheint, während Multi-Stakeholder Netzwerke bereits auf der Vorgabe inhaltlicher Prinzipien beruhen (Gutmann & Thompson 2000, S. 170). Zuletzt wird untersucht, welche Formen der Kommunikation in der Praxis realisierbar sind. Hintergrund ist, dass die erweiterten Ansätze bezweifeln, dass Stakeholder rational deliberieren können und deshalb andere Kommunikationsformen wie Rhetorik befürworten (vgl. Kap. 7.1.3.3) (Young 1996, S. 130, 2000, S. 38–39).

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Ergebnisse der Dialoge (Kap. 8.2.5 und 8.3.5) Im letzten Punkt des konzeptionellen Ansatzes werden die möglichen Ergebnisse des deliberativen Stakeholder Dialogs betrachtet. Dazu werden in Anlehnung an Kap. 6.3.4 sowie 7.1.4 die Kriterien: Konsensorientierung und Grad der Legitimität analysiert. Dabei wird deutlich, dass das übergeordnete Ziel der deliberativen Demokratie, einen Konsens zu erreichen in der Praxis relativiert werden muss. In dieser Hinsicht haben sowohl die klassischen als auch die erweiterten Ansätze bereits auf die Möglichkeit der Mehrheitsentscheidung hingewiesen (Cohen 1997a, S. 75; Habermas 1996, S. 179, 306; Mansbridge et al. 2010, S. 69). Dabei gilt, dass Mehrheitsentscheidungen legitim sind, wenn die Bedingung erfüllt wird, dass jede Entscheidung wieder Gegenstand von Deliberation werden kann und somit auch die Minderheit einmal die Mehrheit stellen kann (Habermas 1996, S. 179, 306). Neben der Mehrheitsentscheidung wird insbesondere die Idee eines Kompromisses, der durch Verhandlung erzielt werden kann, aufgegriffen (Mansbridge et al. 2010, S. 66, 75). In Bezug auf den Grad der Legitimität müssen die bisherigen Aussagen der deliberativen Demokratie zu Legitimität erweitert und mit den Erkenntnissen von Suchman (1995), insbesondere im Bereich der moralischen Legitimität, verknüpft werden. Vor diesem Hintergrund können im Rahmen dieser Arbeit verschiedene Grade moralischer Legitimität (absolut und relativ) unterschieden werden (vgl. dazu u.a. Dryzek 2001, S. 661). Das heißt, es geht vor allem darum, eine Aussage zu treffen, welche Arten von Entscheidungen noch als moralisch legitim im Sinne der deliberativen Demokratie gelten können. Im Kontext von MNU können an dieser Stelle nur normative Aussagen getroffen werden, während Multi-Stakeholder Netzwerke dahingehend analysiert werden können, inwiefern sie tatsächlich Konsens hervorrufen und zu legitimen Ergebnissen führen.

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8.2

199

Deliberative Stakeholder Dialoge auf Unternehmensebene

Im Rahmen dieses Kapitels werden auf Basis des entwickelten konzeptionellen Ansatzes zur deliberativen Demokratie Handlungsanweisungen für die Umsetzung in MNU abgeleitet. Im Unterschied zu Multi-Stakeholder Initiativen, die schon teilweise auf deliberative Entscheidungsstrukturen und -prozesse zurückgreifen, gibt es auf Unternehmensebene kaum Erfahrungen mit deliberativen Stakeholder Dialogen104.

8.2.1

Analyse der Anspruchsgrundlage

In einem ersten Schritt gilt es festzulegen, welche Anspruchsgrundlage vorliegt und zu prüfen, ob ein moralischer Anspruch an MNU gerichtet wird (vgl. hierzu auch Kap. 8.1). Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Anspruch von Stakeholdern bzw. der internationalen Öffentlichkeit gestellt wird und vom MNU adressiert werden muss. Habermas (1996, S. 159–161) hatte die Unterscheidung der Anspruchsgrundlagen ursprünglich ausgehend von der Anzahl der Betroffenen definiert. Das heißt, bei einem pragmatischen Anspruch geht es um einen Akteur, bei einem ethisch-politischen Anspruch um eine bestimmte Gemeinschaft und bei einem moralischen Anspruch um theoretisch alle Individuen. Diese Unterscheidung in pragmatische, ethisch-politische und moralische Ansprüche soll hier herangezogen und auf politische Verantwortung von MNU übertragen werden. Eine differenzierte Betrachtung politischer Verantwortung von MNU scheint deshalb notwendig, da politische Verantwortung verschiedenste Ausprägungen annehmen kann und sich in der Praxis ein sehr heterogenes Bild davon zeigt, welche Handlungen von MNU als politische Verantwortung zu betrachten sind. Politische Verantwortung wurde in Kapitel 2.3.1 nach zwei Ebenen unterteilt: Zum einen als Übernahme staatlicher Tätigkeit durch MNU auf der Unternehmensebene, zum anderen als Ausdruck der Selbstregulierung (Beteiligung an GovernanceProzessen) von MNU auf der institutionellen Ebene. Bei der Übernahme staatlicher Tätigkeiten werden zwei Ausprägungen betrachtet. Erstens, die Erfüllung staatlicher Aufgaben im Sinne der Bereitstellung öffentlicher Güter wie Bildungs-, Gesundheits- oder Sicherheitsleistungen (Versorgungsfunktion). Zweitens, die 104

Als eine Ausnahme könnte der von Puma jährlich durchgeführte Stakeholder Dialog „Banzer Gespräche“ angeführt werden, der sich nach Angaben des Unternehmens am Vorbild der Deliberation nach Habermas orientiert. Stakeholder diskutieren und beraten mit Puma Vertretern über die künftige CSRStrategie. Der Dialog findet jährlich mit wechselnden Gesprächsgruppen statt (Hengstmann & Seidel 2005, S. 8, 14).

200

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

(Nicht-)Unterstützungsfunktion von MNU, das heißt, die Frage, wie mit Menschen- und Arbeitnehmerrechten oder Umweltschutz auf der lokalen Ebene (Gastländer) bzw. auf der globalen Ebene umgegangen wird. Im engeren Sinne ist damit gemeint, ob MNU diese Rechte fördern oder sich neutral verhalten und damit zum Beispiel Menschenrechtsverletzungen anderer Akteure dulden sollten (vgl. dazu Crane & Matten 2010, S. 77–79). Die politische Verantwortung im Sinne der Selbstregulierung betrifft die Teilnahme von MNU an globalen Multi-Stakeholder Initiativen, um gemeinsam mit anderen staatlichen und nicht staatlichen Akteuren an der Schaffung von globalen Regelungen für die Wirtschaftstätigkeit zu arbeiten (siehe Kap. 8.3) (Scherer & Palazzo 2007, S. 1109). Dabei gilt es zu beachten, dass ein Problem grundsätzlich aus verschiedenen Perspektiven analysiert werden kann. In Folge der Übernahme politischer Verantwortung kann ein pragmatischer, ethisch-politischer oder moralischer Anspruch an das MNU gestellt werden. Dabei sind diese Ansprüche nicht immer vollkommen trennscharf (Gilbert & Rasche 2007, S. 196; Reed 1999a, S. 463; Rehg 1994, S. 93) und abhängig von der Wahrnehmung der Stakeholder. Zudem können sich die Ansprüche im Laufe der Zeit wandeln, das heißt, ein ethisch-politischer Anspruch (betrifft eine bestimmte Gemeinschaft) kann zu einem moralischen Anspruch werden, wenn die internationale Öffentlichkeit ein Interesse bekundet. Je nach dem welcher Anspruch letztendlich an das MNU gerichtet wird, können in Anlehnung an Habermas unterschiedliche Dialogformen angewendet werden, um diesen zu legitimieren (Habermas 1996, S. 159–162; Maak & Ulrich 2007, S. 189). Ein deliberativer Stakeholder Dialog ist demnach nur im Falle eines moralischen Anspruchs durchzuführen (Schaal & Ritzi 2009, S. 22). Dabei fällt zudem auf, dass in der Unternehmenspraxis moralische Handlungen immer auch strategische bzw. ökonomische Überlegungen beinhalten (Gilbert 1998, S. 156–157; Gould 1996, S. 173)105. Im Unterschied dazu hatte Habermas strategische und moralische (und damit kommunikative) Handlungen voneinander getrennt, obwohl er die Verhandlung als für bestimmte Situationen angemessen betrachtet hat (Habermas 1984, S. 333). Im Folgenden werden die drei Anspruchsgrundlagen näher erläutert und in Anlehnung an die Kategorisierung praktischer Diskurse bei Reed (1999a, S. 462) nach

105

Die Idee, verschiedene Problem- und Handlungsebenen zu unterscheiden, ist in der Literatur schon mehrfach angewendet worden: So unterscheidet bereits Ulrich (1992, S. 188ff.) drei Rationalisierungsmuster: die tayloristische Rationalisierung, geprägt von Kostendruck und Effizienzgedanken, die systemische Rationalisierung als Ausdruck von Innovationsdruck und Effektivität sowie die kommunikative Rationalisierung, in der das Unternehmen einen Legitimationsdruck erfährt und eine dialogische Lösung anstrebt (Gilbert 1998, S. 156ff.; Ulrich 1992, S. 188ff., 1993, S. 437ff.).

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201

Geltungsanspruch, Umfang106 und Form des Diskurses unterschieden. Außerdem kommen im Rahmen dieser Arbeit die Kriterien der politischen Verantwortung und Legitimität hinzu, da je nach Art der politischen Verantwortung ein unterschiedlicher Diskurs zur Legitimation notwendig ist (vgl. dazu Tab. 9).

Tab. 9: Art des Anspruchs/ Kriterien

Abgrenzung von Ansprüchen II

Pragmatischer Anspruch

Ethisch-politischer Anspruch

Moralischer Anspruch

Geltungsanspruch

Effizienz

Angemessenheit

Richtigkeit

Umfang

Relativ: Lokale Gemeinschaft

Relativ: Lokale Gemeinschaft

Universell: Globale Gemeinschaft

Art der politischen Verantwortung

Versorgungsleistung:

(Nicht-) Unterstützung:

(Nicht-) Unterstützung:

Bereitstellung öffentlicher Güter: z.B. Bildungs-, Gesundheits- oder Sicherheitsleistungen

Umgang mit Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz auf der lokalen Ebene (Gastländer)

Umgang mit Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz auf der globalen Ebene

Pragmatischer Stakeholder Dialog:

Ethisch-politischer Stakeholder Dialog:

Deliberativer Stakeholder Dialog:

Hierarchie des Unternehmens, Konsultation der Stakeholder

Gleichberechtige Kommunikation mit den Stakeholdern

Gleichberechtigte Kommunikation mit den Stakeholdern in Anlehnung an die Regeln der idealen Sprechsituation

Pragmatische Legitimität

Pragmatische/ Kognitive Legitimität

Moralische Legitimität

Form des Diskurses

Legitimität

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Reed (1999a, S. 462).

106

Reed spricht hier von Art und Umfang des Geltungsanspruchs.

202

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

8.2.1.1 Pragmatischer Anspruch Geltungsanspruch. Bei pragmatischen Ansprüchen geht es im Sinne der Theorie nach Habermas (1996, S. 159–160) darum, ein Ergebnis zu erzielen, das als effizient (im Sinne der eingesetzten Mittel) bewertet werden kann. Dabei sollte das MNU sowohl seine Ziele und Präferenzen als auch die der Stakeholder berücksichtigen und idealerweise zu einem Ausgleich bringen. Umfang. Ein pragmatischer Anspruch ist nur für eine bestimmte Gemeinschaft bzw. bestimmte Gruppe von lokalen Stakeholdern gültig, zum Beispiel Mitarbeiter einer Produktionsstätte. Art der politischen Verantwortung. Ein pragmatischer Anspruch wird an MNU gestellt, wenn sie öffentliche Güter bereitstellen. Dies betrifft zum Beispiel den Bau von Schulen oder Krankenhäusern, die Übernahme von Sicherheitsdienstleistungen oder die Versorgung mit Strom oder Trinkwasser. Das heißt MNU übernehmen im Sinne des Konzeptes von Matten & Crane (2005a, S. 174) eine Versorgungsfunktion, die der Staat (z.B. in Entwicklungsländern) aus bestimmten Gründen nicht erfüllen kann. Dabei ist diese Versorgungsfunktion eng an die ökonomische Funktion des MNU gebunden. Beispiel für diese Form der politischen Tätigkeit ist die Bildungsinitiative Generation21 der Siemens AG. Laut Homepage sieht sich das Unternehmen als „Corporate Citizen“ in der Pflicht, dort wo staatliche Schulsysteme nicht oder nicht ausreichend funktionieren, Bildungsleistungen ergänzend zur Verfügung zu stellen (Siemens 2011). Auch der US-amerikanische Medienkonzern Disney investiert in das Bildungsgeschäft: In China möchte Disney bis 2015 seine bisher 11 privaten Sprachschulen für Englisch auf 148 erweitern (Garrahan & Saperstein 2010). Form des Diskurses. Im Kontext pragmatischer Ansprüche bedarf es nicht der Durchführung eines deliberativen Stakeholder Dialogs. Stattdessen ist es ausreichend, einen pragmatischen Dialog zu initiieren. Dabei kennzeichnet diese Form des Dialogs, dass die betroffenen Stakeholder zwar gehört und konsultiert werden, die Entscheidung jedoch letztlich in der Hierarchie des MNU getroffen wird (Habermas 1996, S. 159–160). Dabei gilt, dass auch das MNU seine Entscheidung rational begründen muss. Allerdings würden auf diese Weise vor allem Projekte unterstützt und Leistungen angeboten werden, die insbesondere der Präferenz bzw. dem Selbstinteresse des Unternehmens entsprechen und von denen erwartet wird, dass sie positiv auf den Gewinn wirken (Gilbert & Rasche 2007, S. 196; Habermas 1996, S. 159–160). So geht beispielsweise Disney davon aus, dass es mit seinen Schulen einen Umsatz von etwa 100 Millionen Dollar in den nächsten fünf Jahren erzielen kann (Garrahan & Saperstein 2010).

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203

Legitimität. In Folge des pragmatischen Stakeholder Dialogs kann die getroffene Entscheidung nur als pragmatisch legitim im Sinne von Suchman (1995, S. 578) gelten. Das bedeutet, das MNU erreicht Legitimität, indem Stakeholder von der politischen Verantwortungsübernahme profitieren, zum Beispiel dadurch dass eine Schule gebaut wird oder eine Trinkwasserversorgung gewährleistet wird. Durch die Bereitstellung öffentlicher Güter, die von staatlicher Seite nicht geleistet werden können, entsteht zudem ein Austauschverhältnis zwischen dem MNU und seinen Stakeholdern (exchange legitimacy).

8.2.1.2 Ethisch-politischer Anspruch Geltungsanspruch. Im Unterschied zum pragmatischen Anspruch geht es bei einem ethisch-politischen Anspruch um die Frage, was für eine bestimmte Gemeinschaft als „gutes“ Handeln empfunden wird (Gilbert & Behnam 2009; Habermas 1996, S. 160). Hierbei ist zu beachten, dass die Definition dessen, was als „gut“ empfunden wird, von Kultur zu Kultur unterschiedlich ist (Reed 1999a, S. 458). Im unternehmerischen Kontext scheint es zunächst schwierig, das Gute zu definieren, da MNU zwischen verschiedenen Wertvorstellungen von Heimat- und Gastländern abwägen müssen. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoller, vom Anspruch der Angemessenheit zu sprechen. Umfang. Ein ethisch-politischer Anspruch ist analog zu einem pragmatischen Anspruch nur für eine bestimmte Gemeinschaft (z.B. Stakeholder im Gastland oder Zulieferer des MNU) gültig. Politische Verantwortung. Auf die politische Verantwortung von MNU übertragen betrifft ein ethisch-politischer Anspruch zum Beispiel die Formulierung eines Verhaltenskodex für eine Produktionsstätte oder für eine bestimmte Stakeholder Gruppe (z.B. Lieferanten). So hat beispielsweise adidas so genannte Arbeitsplatzstandards definiert, die für Lieferanten und Subunternehmer gelten. Diese beziehen sich unter anderem auf grundlegende Arbeitsbedingungen, Sicherheitsregeln oder Umweltauflagen (adidas Group 2009b). Die Notwendigkeit, Regelungen zu treffen resultiert häufig daraus, dass konfligierende Normen im Heimat- und Gastland des MNU bestehen. In diesem Fall gilt es zu entscheiden, welche Regelungen für die Gemeinschaft im Gastland anzuwenden sind. Problem hierbei ist, dass sich dieser zunächst ethisch-politische Anspruch häufig in einen moralischen Anspruch wandelt, wenn auch andere Stakeholder Gruppen als die des Gastlandes betroffen sind oder die internationale Öffentlichkeit einen Anspruch an das MNU stellt. In der Folge haben Unternehmen wie adidas Arbeitsplatzstandards formuliert, die für alle ihre Zulieferer und Geschäftspartner unabhängig vom Ort gelten sollen (adidas Group 2009b).

204

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

Form des Diskurses. Hier wird der Ansatz vertreten, dass MNU nur herausfinden können, wie sie sich angemessen verhalten sollen, wenn sie mit den von der Handlung Betroffenen in einen Dialog treten. Dabei bietet der ethisch-politische Stakeholder Dialog die Möglichkeit, bestimmte auf die lokale Gemeinschaft beschränkte Probleme zu lösen, in dem Normen für das Zusammenleben formuliert und validiert werden. Auf das Beispiel der Formulierung eines Verhaltenskodex für eine bestimmte Stakeholder Gruppe übertragen, heißt das, dass alle betroffenen Stakeholder (Zulieferer, Subunternehmer) gleichberechtigt an der Entscheidung über die Regelungen (z.B. Arbeitsplatzstandards) beteiligt werden, damit diese als legitim gelten können (Habermas 1996, S. 182). Legitimität. Mit Hilfe eines ethisch-politischen Stakeholder Dialogs kann im Sinne von Suchman entweder pragmatische oder kognitive Legitimität erreicht werden. Im Fall von pragmatischer Legitimität würde diese nicht darauf beruhen, dass Stakeholder vom politischen Handeln des MNU profitieren, sondern dass sie in den Entscheidungsprozess eingebunden und ihre Interessen berücksichtigt werden (influence legitimacy). Weiterhin könnte ein ethisch-politischer Stakeholder Dialog auch dazu beitragen, Stakeholdern zu zeigen, dass das Unternehmen ihre Wertvorstellung teilt, was positiv auf die Identifizierung mit dem Unternehmen wirkt (dispositional legitimacy) (Suchman 1995, S. 578). Kognitive Legitimität könnte dann erzielt werden, wenn sich das MNU in einem ethisch-politischen Stakeholder Dialog konform mit Standards, Normen und Werten der Gemeinschaft verhält und dies in der Entscheidungsfindung auch zum Ausdruck kommt (Suchman 1995, S. 589).

8.2.1.3 Moralischer Anspruch Geltungsanspruch. Bei einem moralischen Anspruch geht es um die Frage, wie die politische Verantwortung von MNU im Sinne aller Anspruchsgruppen geregelt werden kann. Dabei muss sichergestellt werden, dass eine Entscheidung getroffen wird, die alle Betroffenen als richtig ansehen (Habermas 1996, S. 161–162). Umfang. Ein moralischer Anspruch liegt nach Habermas (1996, S. 162) dann vor, wenn Normen nicht nur für eine bestimmte Gemeinschaft gültig sein sollen, sondern diese universell, das heißt global anwendbar sein müssen. In diesem Kontext wird angenommen, dass theoretisch alle vom unternehmerischen Handeln betroffen sind. Politische Verantwortung. Politische Verantwortung im Sinne eines moralischen Anspruchs betrifft zum Beispiel Menschenrechts- oder Arbeitnehmerrechtsverletzungen von MNU in Entwicklungs- oder Schwellenländern (Funktion der Nichtunterstützung nach Crane & Matten 2010, S. 78). Zunächst entsteht der Eindruck,

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205

dass ein ethisch-politischer Anspruch adressiert wird, da MNU eine Entscheidung darüber treffen, wie sie in einem bestimmten Land mit Menschen- oder Arbeitnehmerrechten umgehen. Jedoch wird diese Entscheidung zu einem moralischen Anspruch, wenn nicht nur die Stakeholder des Gastlandes betroffen sind, sondern auf globaler Ebene ein öffentliches Interesse besteht. Das heißt, insbesondere Menschenrechts- oder Arbeitnehmerrechtsverletzungen von MNU werden häufig in der internationalen Öffentlichkeit thematisiert und diskutiert. Damit wird deutlich, dass die politische Verantwortung globale Auswirkungen hat und nicht nur die Stakeholder eines Landes betroffen sind und einen Anspruch stellen. Dies bezieht sich häufig nicht nur auf die unternehmerische Tätigkeit des MNU, sondern auch auf das Verhalten von Zulieferern und anderen Vertragspartnern (Crane & Matten 2010, S. 18, Matten & Crane 2005a, S. 171; Morsing & Schultz 2006, S. 323; Scherer & Palazzo 2008a, S. 424–425; Waddock 2008, S. 87). Zu nennen sind hier beispielsweise der Fall von Kinderarbeit in Zulieferbetrieben von Nike (Mayer 2007), die Beschränkung der Meinungsfreiheit durch Google in China (Brenkert 2009), oder IBM, Daimler und Shell, die 2003 in den USA nach dem US Alien Tort Claim Act von Opfern der Apartheid verklagt worden sind, obwohl die Verletzungen in Afrika begangen wurden. Der Vorwurf lautete, ein Regime unterstützt zu haben, dass seine Bürger unterdrückt und die Menschenrechte missachtet (Dann & Haddow 2009; Palazzo & Rasche 2010, S. 751–752; Richey 2008). Eine andere Form der Verletzung von Menschenrechten wird dem US-amerikanischen Konzern Pfizer vorgeworfen: 1996 wurden in Nigeria hunderte Fälle von Hirnhautentzündung bekannt. Pfizer schickte daraufhin Ärzte nach Nigeria und behandelte etwa 200 Kinder mit dem Antibiotikum Trovan, das bis zu diesem Zeitpunkt nur unzureichend getestet war. In der Folge starben zahlreiche Kinder, andere erlitten Lähmungen oder Hirnschäden. Der Einsatz des Medikaments, so die Kläger, erfolgte ohne staatliche Genehmigung und ebenso ohne Einwilligung der Eltern (Ruch 2010c). Im ersten Fall, der Unterstützung des Apartheid Regimes geht es um die Frage, ob sich die Unternehmen der Mittäterschaft schuldig gemacht haben (Kobrin 2009, S. 350; Santoro 2010, S. 291). Im zweiten Fall dagegen, muss geklärt werden, ob das Unternehmen selbst Menschenrechte verletzt hat. In beiden Fällen haben die MNU durch ihr Handeln politische Verantwortung übernommen. So hätten IBM, Daimler und Shell laut der öffentlichen Meinung die Pflicht gehabt, zur Verbesserung der Menschenrechte beizutragen. Im Unterschied dazu hat Pfizer zwar zunächst einen pragmatischen Anspruch im Sinne einer Versorgungsleistung erfüllt, jedoch durch die Schädigung der Gesundheit der Kinder ebenfalls ein öffentliches Interesse an seinem Handeln begründet. Form des Diskurses. Wird ein moralischer Anspruch an MNU gestellt, muss ein deliberativer Stakeholder Dialog initiiert werden. Mit Hilfe des deliberativen Stakeholder Dialogs ist es möglich, die Übernahme politischer Verantwortung bzw.

206

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

die potentielle politische Konfliktsituation zu analysieren und moralische Normen auf ihre Legitimität zu überprüfen. Das heißt allerdings, dass dieser Dialog durchgeführt werden sollte, bevor eine Konfliktsituation entsteht bzw. sich verschärft. Der Dialog soll den Regeln der deliberativen Demokratie soweit wie möglich folgen und hat das Ziel, einen Konsens zwischen den Teilnehmern zu erreichen, um damit eine moralisch legitime Handlungsgrundlage für Unternehmen zu erreichen. Im Fall von Pfizer hätte ein deliberativer Stakeholder Dialog dazu beitragen können, nicht nur die eigenen moralischen Normen aus dem Heimatland, sondern auch die der Stakeholder aus dem Gastland kritisch zu prüfen, über Risiken zu informieren und gemeinsam zu entscheiden, ob das Medikament dennoch eingesetzt werden soll. Die Theorie der deliberativen Demokratie betont jedoch, dass eine einmal getroffene Entscheidung nicht das für immer gültige Votum darstellt. Vielmehr muss die Entscheidung kontinuierlich überprüft werden und gegebenenfalls, falls sich die Situation verändert, auch wieder Gegenstand eines deliberativen Stakeholder Dialogs werden (Cohen 1997a, S. 69–75; Gutmann & Thompson 2000, S. 171–173, 2004, S. 6; Habermas 1996, S. 161–162, 306, 316, 322). Das bedeutet auch, dass der deliberative Stakeholder Dialog nicht einmalig durchgeführt wird, sondern dauerhafter Bestandteil unternehmerischer Entscheidungsfindung im Hinblick auf politische Verantwortung werden sollte. So hätte sich Pfizer immer wieder mit den betroffenen Stakeholdern abstimmen sollen, um seine Handlungen transparent zu machen und die Vorgehensweise moralisch zu legitimieren. Legitimität. Mit Hilfe des deliberativen Stakeholder Dialogs kann eine moralisch legitime Entscheidung erreicht werden. Denn die von der Entscheidung Betroffenen werden in einen deliberativen Diskurs eingebunden und an der Entscheidungsfindung beteiligt. In diesem Sinne haben Stakeholder die Möglichkeit, die politische Verantwortungsübernahme kritisch zu beurteilen, sich darüber zu beraten und durch ihre Zustimmung oder Ablehnung deutlich zu machen, was sie als moralisch richtiges bzw. falsches Verhalten des MNU wahrnehmen (vgl. hierzu Suchman 1995, S. 579, 585). Für den moralischen Anspruch gilt ferner, dass geprüft werden muss, ob nicht aus Gesetzen bereits legale Verpflichtungen abzuleiten sind. Denn die deliberative Demokratie bietet gerade dann einen Ansatz, eine legitime Entscheidungsgrundlage zu liefern, wenn keine oder nur uneindeutige Vorgaben durch formale Institutionen wie den Gesetzgeber geliefert werden (Dryzek 2008, S. 479, 481).

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8.2.2

207

Analyse der Anspruchsgruppen

Nachdem geprüft wurde, welcher Anspruch an das MNU besteht und ein moralischer Anspruch festgestellt wurde, ist es für das MNU entscheidend, zu analysieren, wer die betroffenen Anspruchsgruppen sind. Dazu werden im Folgenden die Kriterien Identifikation, Zugang und Repräsentation näher untersucht. Eine Begrünung für die Auswahl dieser Kriterien findet sich in Kap. 8.1.

8.2.2.1 Identifikation Nach der Stakeholder Theorie hat jeder, der vom Unternehmenshandeln betroffen ist oder dieses beeinflusst, einen Anspruch an das Unternehmen (Freeman 1984, S. 46). Dieses allgemeine Prinzip wird häufig eingegrenzt, indem Kriterien wie Macht, Legitimität und Dringlichkeit angelegt werden, um Stakeholder zu identifizieren (vgl. hierzu den Ansatz von Mitchell, Agle & Wood 1997). Aus der Perspektive der deliberativen Demokratie ergibt sich ebenfalls die Forderung, alle in einen Stakeholder Dialog einzubinden, die davon betroffen sind bzw. in der Zukunft vom Handeln des MNU betroffen sein könnten (Habermas 1999, S. 41; Noland & Phillips 2010, S. 43). Das Problem dabei ist allerdings zu entscheiden, wer in Zukunft davon betroffen sein könnte: „Der vollständige Personenkreis, der als Stakeholder eines Unternehmens gilt, ist demnach in der Regel erst dann festzustellen, wenn nicht nur die geplanten, sondern auch die ungeplanten Wirkungen des unternehmerischen Handelns bekannt sind.“ (Roloff 2002, S. 83) Das heißt, ex ante wäre es für das MNU aufgrund unvollkommener Informationen nicht eindeutig feststellbar, welche Personen oder Gruppen tatsächlich einen Anspruch haben (Roloff 2002, S. 83–84). Zudem existieren in der deliberativen Demokratie keine Kriterien, die Stakeholder in eine Rangfolge einteilen. Vielmehr gilt das Prinzip der Gleichheit. Das heißt, es gibt keine höherwertigen Ansprüche an das MNU, alle die betroffen sind, gelten als gleichermaßen betroffen (Bohman 1997, S. 324, 333). Aus den unvollkommenen Informationen resultiert zudem, dass nicht ausschließlich Führungskräfte entscheiden können, wer am deliberativen Stakeholder Dialog teilnehmen darf, so wie dies in der Stakeholder Theorie vertreten wird (vgl. hier u.a. Mitchell, Agle & Wood 1997, S. 871). Deshalb ist es notwendig, dass nicht nur auf Unternehmensseite Stakeholder identifiziert und zum Dialog eingeladen werden, sondern dass sich auch betroffene Stakeholder beim Unternehmen melden können. Dies würde dem Ausschluss von wichtigen Interessensgruppen vorbeugen und gewährleisten, dass nicht nur in einem vorher festgelegten geschlossenen Kreis deliberiert wird (Parkinson 2006, S. 149).

208

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

8.2.2.2 Zugang Wenn nicht nur das MNU eine Auswahl trifft, heißt das, dass der Zugang zu einem deliberativen Stakeholder Dialog öffentlich gemacht werden muss. Damit würden Möglichkeiten der zufälligen oder auch bewussten Auswahl der Teilnehmer ausgeschlossen. Jedoch zeigen gerade zahlreiche empirische Studien aus der politischen Wissenschaft, dass vor allem gut ausgebildete und gut verdienende Bürger an der Deliberation teilnehmen, insbesondere wenn das deliberative Forum offen für alle ist (Fung 2003b, S. 342). Im unternehmerischen Kontext könnte das bedeuten, dass vor allem Stakeholder mit großer institutioneller Macht (Investoren, Aktionäre, Regierung) im Entscheidungsprozess vertreten sind und Minderheiten eher unterrepräsentiert. Dies hängt auch häufig damit zusammen, dass in der Praxis der Zugang für Teilnehmer aus Schwellen- oder Entwicklungsländern (z.B. Zulieferbetriebe) beschränkt sein kann. Gründe hierfür sind zum Beispiel die Höhe der Reisekosten, fehlende technische Möglichkeiten (Internet, Videokonferenz) oder auch unterschiedliche Sprachen (Noland & Phillips 2010, S. 44). Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen, wie sichergestellt werden kann, dass eine Vielzahl von Interessen präsent ist und nicht nur mächtige Stakeholder, sondern auch Minderheiten eingebunden werden (vgl. hierzu Parkinson 2006, S. 149; Young 2000, S. 121f.). In diesem Kontext ist die Idee der Repräsentation und die Durchführung eines so genannten Stellvertreter Dialogs zu betrachten.

8.2.2.3 Repräsentation Die Theorie der deliberativen Demokratie sieht grundsätzlich vor, mit Hilfe eines Stellvertreter Dialogs, einen deliberativen Stakeholder Dialog real durchzuführen (Habermas 1996, S. 183; Young 2000, S. 121). Dieser Stellvertreter Dialog kann erstens sicherstellen, dass alle Ansprüche vertreten sind und zweitens wird dem Problem vorgebeugt, einen persönlichen Dialog mit Tausenden von Menschen zu organisieren. Zudem zeigt die Empirie, dass Deliberation in der Praxis meistens in Kleingruppen durchgeführt wird bzw. wenn eine große Anzahl von Menschen zusammenkommt, sie zunächst in Diskussionsgruppen aufgeteilt werden. Das heißt, die Teilnehmer sprechen nicht gleichzeitig mit allen anderen Teilnehmern, sondern gruppieren sich in Untereinheiten. Häufig wählen diese Kleingruppen wiederum Vertreter, die ihre Interessen auf einer höheren Entscheidungsebene repräsentieren (vgl. hierzu das Modell des Participatory Budgeting bei Baiocchi 2003, S. 47–50; Fung 2003b, S. 360–361). Bei einem Stellvertreter Dialog werden für alle Anspruchsgruppen Vertreter in den Dialog geschickt. Dabei gilt dieses Vertretungsprinzip streng genommen nur für organisationale Anspruchsgruppen, die eine größere Gruppe von Individuen reprä-

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sentieren. Die gewählten Vertreter sollten die Interessen wahrhaftig repräsentieren, nicht an vorgefertigten Präferenzen und Meinungen festhalten und müssen gegenüber ihren Gruppen rechenschaftspflichtig107 sein (Gutmann & Thompson 2004, S. 30; Parkinson 2006, S. 149, 153; Young 2000, S. 133). Dabei gilt es zu bedenken, dass geeignete Vertreter in den Dialog entsendet werden, die über ausreichende Kommunikationsfähigkeiten verfügen (Cohen 1997a, S. 72–73; Estlund 2008, S. 175–176; Habermas 1996, S. 183). Allerdings wird argumentiert, dass die Auswahl der Repräsentanten bei der jeweiligen Stakeholder Gruppe oder dem Votum der Diskussionsgruppe liegt und nicht vom MNU entschieden werden kann. Damit müssen die Stakeholder Gruppen selbst sicherstellen, dass geeignete Vertreter gesendet werden. Auch in Bezug auf die Einbindung von Minderheiten kann die Idee der Stellvertretung herangezogen werden. Hier könnten grundsätzlich zwei Möglichkeiten diskutiert werden. Erstens werden Minderheiten häufig organisatorisch von NGOs oder ähnlichen Institutionen vertreten (vgl. hierzu u.a. Crane & Matten 2010, S. 440, 443). Das heißt, es müssten gezielt NGOs zum Dialog eingeladen werden, die für eine bestimmte betroffene Minderheit sprechen. Zweitens könnte auch in einer Art Rollenspiel die Vertretung dieser Perspektive durch einen anderen Stakeholder übernommen werden (Estlund 2008, S. 176). Allerdings wird hier auch ein Zielkonflikt innerhalb der Theorie deutlich, da durch die gezielte Einladung von NGOs eine bewusste Auswahl von Stakeholder stattfindet. Dies erscheint jedoch notwendig, wenn Minderheiten ansonsten nicht teilnehmen könnten.

8.2.3

Institutionelle Rahmenbedingungen

Wenn sich Unternehmen politisch verhalten und in diesem Bereich Verantwortung ausüben, ändert sich nicht nur das organisatorische Leitbild, mit dem sich das Unternehmen identifiziert, sondern dies hat in der Regel auch Auswirkungen auf die Führung des gesamten Unternehmens. Dies betrifft insbesondere die Definition von organisatorischen Strukturen und Prozessen im Unternehmen (Salorio, Boddewyn & Dahan 2005, S. 40). Das heißt, MNU sollten für deliberative Prozesse geöffnet werden und Deliberation in die Unternehmenskultur, -struktur sowie Personalführung (zur Begründung dieser Dreiteilung siehe Kap. 8.1) integrieren. An dieser Stelle ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es nicht die Absicht der vorliegenden Arbeit ist, unternehmerisches Handeln vollständig deliberativen Ent107

Die Rechenschaftspflicht wird bei den Prinzipien und Regeln der Kommunikation noch einmal eingehender betrachtet.

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

scheidungsprozessen unterzuordnen, zumal nicht jedes unternehmerische Problem in einem deliberativen Diskurs gelöst werden muss. Bei einer Vielzahl von unternehmerischen Tätigkeiten stehen nach wie vor ökonomische Interessen im Vordergrund, die in der Hierarchie des Unternehmens mit Hilfe von pragmatischen Diskursen entschieden werden müssen. In der vorliegenden Arbeit stehen allerdings Entscheidungen, die die politische Verantwortung betreffen im Fokus.

8.2.3.1 Unternehmenskultur Als übergeordnete Voraussetzung für die Durchführung von Deliberation in der Unternehmenspraxis ist es entscheidend, der Kommunikation (intern wie extern) in der Unternehmenskultur108 einen zentralen Wert einzuräumen. Nach Schein (2010, S. 23–33) unterteilt sich Unternehmenskultur in drei Ebenen (vgl. dazu auch Abb. 8). Auf der ersten Ebene befinden sich sichtbare Artefakte bzw. Zeichen der Kultur (z.B. Sprache, Verhaltenskodizes oder Rituale), auf der zweiten Ebene Glaubensgrundsätze und Werte (Ideologie oder Philosophie eines Unternehmens), die teilweise nach außen sichtbar sind. Für beide Ebenen gilt, dass Artefakte sowie Glaubensgrundsätze und Werte vom Betrachter interpretiert werden müssen. Auf der dritten Ebene stehen die grundlegenden Annahmen, die unbewusst und nicht nach außen sichtbar sind und z.B. implizite Annahmen oder Verhaltensweisen einer Gemeinschaft betreffen. Im Kontext dieser Arbeit bedeutet das, dass Deliberation nicht nur äußerlich in Artefakten verankert, sondern auch als handlungsleitende Norm integriert werden sollte (Schein 2010, S. 23–33). Allerdings ist es grundsätzlich leichter, Artefakte zu verändern als bestehende Wertesysteme und Denkmuster der Individuen (Schein 2010, S. 28, 33). Weiterhin heißt Deliberation auch, dass die Unternehmenskultur eine gewisse Flexibilität aufweisen muss und nicht ausschließlich an inhaltlichen Werten und Normen festhalten sollte. Denn nach der deliberativen Demokratie bilden sich Werte und Normen in Kommunikationsprozessen heraus und sollen nicht als für immer gegeben angesehen werden. In diesem Sinne ist es entscheidend, die Unternehmenskultur nicht als starr zu betrachten, sondern diese kritisch zu hinterfragen und mit den betroffenen Mitarbeitern und Führungskräften darüber zu diskutieren. Dabei muss beachtet werden, dass die Unternehmenskultur immer auch von der jeweiligen Landeskultur beeinflusst wird (Sinclair 1993, S. 74). So sind beispielsweise asiatische Länder kollektivistisch geprägt und haben einen starken 108

Schein (2010, S. 18) definiert Unternehmenskultur als „[…] a pattern of shared basic assumptions learned by a group as it solved its problems of external adaptation and internal integration, which has worked well enough to be considered valid and, therefore, to be taught to new members as the correct way to perceive, think, and feel in relation to these problems“.

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211

Sinn für die Gemeinschaft. Dennoch ist dort stärker das Prinzip der Machtausübung verwurzelt. Das heißt, Individuen haben großen Respekt für Autorität und erkennen die Macht von Vorgesetzten an. Dagegen wird in den USA oder Europa die Verantwortung beim einzelnen Individuum gesehen und die Machtausübung ist weniger stark ausgeprägt (Hofstede 1997, S. 27–28, 2007, S. 417). Diese kulturellen Unterschiede haben auch Implikationen für das Management. So finden sich in asiatischen Ländern vor allem hierarchische Strukturen in Unternehmen, was die Entwicklung einer Dialogkultur einschränkt. In Europa werden hingegen Stakeholder stärker in die Unternehmensführung eingebunden (vgl. u.a. Crane & Matten 2010, S. 26–30). Insbesondere vor dem Hintergrund unterschiedlicher Kultur- und Wertevorstellungen in MNU ist es wichtig, die Unternehmenskultur so zu gestalten, dass sich Führungskräfte und Mitarbeiter aus unterschiedlichen Regionen damit identifizieren können und diese auch eine Basis für die tägliche Arbeit bildet. In diesem Sinne sollte auch überlegt werden, inwiefern regionale oder kulturelle Spezifika der einzelnen Standorte bzw. Tochtergesellschaften berücksichtigt werden (vgl. hierzu Sinclair 1993, S. 66–68). In diesem Kontext wird auch deutlich, dass der Führungsstil der Unternehmensleitung maßgeblich die Unternehmenskultur beeinflusst (vgl. hierzu auch Mattern, Lehnen & Weigang 2009, S. 428–429; Schein 2010, S. 3). Das heißt, das Verhalten der Führungskräfte (partizipativer oder autoritärer Führungsstil109), aber auch das Vorhandensein von Anreizsystemen schaffen eine bestimmte Unternehmenskultur und legen fest, inwieweit Kommunikation zwischen den Organisationsmitgliedern gefördert wird und sich Mitarbeiter ethisch verhalten können (vgl. Kap. 8.2.3.3) (vgl. hierzu auch Hoffman, Driscoll & Painter-Morland 2001, S. 42; Schein 2010, S. 3; Sinclair 1993, S. 66). Daneben gibt auch die Struktur der Unternehmung Aufschluss darüber, welche Unternehmenskultur vorherrscht und zeigt, ob der Kommunikation ein zentraler Wert eingeräumt wird110.

109 110

Der Führungsstil wird wiederum durch die jeweilige Landeskultur beeinflusst. Grundsätzlich spiegelt die vorhandene Struktur eines Unternehmens auch die Unternehmenskultur wider (Bea & Haas 2009, S. 502). Somit könnte eine Veränderung der Struktur, eine Veränderung der Unternehmenskultur bewirken.

212

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

1. Ebene: Artefakte

Produkte und Technologien, Kleidung, Sprache, (geschriebene) Verhaltenskodizes und Rituale

Nach außen sichtbar, müssen interpretiert werden

2. Ebene: Glaubensgrundsätze und Werte

Ideologie, Philosophie, Leitlinien des Unternehmens, die richtiges und falsches Verhalten determinieren

Teilweise nach außen sichtbar, müssen interpretiert werden

3. Ebene: Grundlegende Annahmen

Implizite Annahmen, akzeptierte Verhaltensweisen einer Gesellschaft, Denkmuster und -strukturen, Umgang mit Menschen

Abb. 8:

Nach außen nicht sichtbar, unbewusst, als gegeben akzeptiert

Ebenenmodell nach Schein

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schein (2010, S. 24).

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8.2.3.2 Strukturelle Kriterien Damit deliberative Stakeholder Dialoge in der Praxis ermöglicht werden können, ist es entscheidend zu untersuchen, ob und in welchem Ausmaß in der Struktur eines MNU Kommunikation und Deliberation verankert werden können. Dazu werden an dieser Stelle die Übertragung von Entscheidungskompetenz, der Ort der Entscheidungsfindung sowie die Organisation der Deliberation diskutiert. Die Gründe für die Auswahl dieser drei Kriterien wurden bereits in Kap. 8.1 dargelegt. Übertragung von Entscheidungskompetenz Die Übertragung von Entscheidungskompetenz wird in der empirischen Forschung als ein wesentliches Kriterium für den Erfolg deliberativer Entscheidungsprozesse in der Praxis angesehen (Fung & Wright 2001, S. 17, 21; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 308). Die empirische Forschung zur deliberativen Demokratie zeigt, dass in der politischen Praxis Entscheidungskompetenz an lokale Bürger-Foren abgegeben wird. Dabei agieren diese Foren nicht vollständig isoliert, sondern sind mit übergeordneten Entscheidungsinstanzen verbunden und gegenüber diesen auch rechenschaftspflichtig. Auch können übergeordnete Instanzen angerufen werden, wenn Informationen und Ressourcen benötigt werden. Zudem muss die Entscheidungsfindung unter Umständen auf eine höhere Ebene übertragen werden, wenn das Bürger-Forum keine Entscheidung treffen kann. Dies entspricht dem Prinzip der Subsidiarität111 (vgl. hierzu u.a. Fung & Wright 2001, S. 22). Für die Entscheidungsfindung von MNU stellt sich hier ein generelles Problem. Die politische Wissenschaft analysiert Bürger-Foren, die auf lokaler Ebene institutionalisiert sind, MNU sind allerdings auf globaler Ebene tätig und zeichnen sich durch eine geographisch weitgestreute Struktur (z.B. Vielzahl von Tochtergesellschaften in unterschiedlichen Ländern) aus. Damit steigen die Komplexität und die Dynamik der Entscheidungsfindung (Mattern, Lehnen & Weigang 2009, S. 423). Zudem betrifft die Ausübung politischer Verantwortung zunehmend auch das unternehmerische Handeln von Vertragspartnern und Zulieferern. In dieser Hinsicht ist die Frage zu stellen, ob Entscheidungen, die die politische Verantwortung von MNU betreffen, zentral oder dezentral (im Sinne der Delegation von Entscheidungskompetenz an Tochtergesellschaften) getroffen werden sollten. Mit der Frage der Zentralisierung versus Dezentralisierung beschäftigt sich auch die Internationale Management Literatur. Dabei zeigt die Forschung, dass MNU vor allem 111

Im Bereich der Unternehmensethik wird nicht von Subsidiarität, sondern von Ethical Displacement gesprochen (vgl. u.a. Enderle 1996b, S. 47).

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in den 60er und 70er Jahren auf zentrale Strukturen und Hierarchie gesetzt haben. Seit den 80er Jahren wird diese zentrale Führung zunehmend in Frage gestellt und eine stärkere Dezentralisierung von MNU befürwortet (vgl. hierzu z.B. Birkinshaw & Morrison 1995; Goshal & Bartlett 1990; Rugman & Verbeke 2001, S. 238). In jüngster werden zwar die Vorteile einer Dezentralisierung wie das Ausnutzen von Synergien und lokalem Wissen betont. Jedoch wird auch gezeigt, dass in bestimmten Bereichen zentrale Steuerungsmechanismen notwendig sind, um die Kontrolle über Tochtergesellschaften nicht zu verlieren (Heinecke 2011, S. 43–44). Aus Sicht dieser Arbeit wird argumentiert, dass die Frage, wie politische Verantwortung ausgeübt und legitimiert werden sollte, sowohl zentral auf der Makroebene als auch dezentral auf der Mikroebene entschieden werden muss. Das heißt, es gibt einen zweistufigen Prozess. An dieser Stelle bezieht sich die vorliegende Arbeit auch auf die Erkenntnisse der Theorie der ISCT112 nach Donaldson & Dunfee (1994), die die Differenzierung in Makro- und Mikroebene maßgeblich geprägt hat. Auf zentraler Ebene (Muttergesellschaft) werden Rahmenentscheidungen getroffen und darüber entschieden, wie politische Verantwortung grundsätzlich moralisch legitim ausgeübt werden kann113. Die Theorie der ISCT weist in diesem Kontext darauf hin, dass auf der Makroebene die Grundregeln für das ethische Verhalten auf der Mikroebene festgelegt werden. Diese Grundregeln definieren Donaldson & Dunfee (1994, S. 254, 264–265) als universell geltende Hypernormen114. Dabei gilt, dass Normen, die auf der Mikroebene formuliert werden, in Einklang mit Hypernormen stehen müssen und diese nicht verletzen dürfen. In der vorliegenden Arbeit wird im Unterschied dazu argumentiert, dass die Normen, die das Handeln auf der Makroebene bestimmen, nicht von oben vorgegeben werden können, sondern das Ergebnis eines deliberativen Stakeholder Dialogs sein müssen. In diesen deliberativen Stakeholder Dialog müssen auch Tochtergesellschaften und Vertragspartner/Zulieferer eingebunden werden. Denn es ist für MNU notwendig, auf das lokale Wissen von Tochtergesellschaften und Vertragspartnern/Zulieferern zurückzugreifen. Insbesondere gestaltet es sich als komplex herauszufinden, welche moralischen Normen zum Beispiel in Bezug auf Menschen112

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Es muss darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der ISCT um eine Vertragstheorie handelt, die unter anderem auf der Theorie der Gerechtigkeit von Rawls basiert (Donaldson & Dunfee 1999, S. 14, 213ff.). Das heißt, die ISCT beruht auf anderen Annahmen als die Theorie der deliberativen Demokratie. In der ISCT bezieht sich die Makroebene auf die gesamtgesellschaftliche Ebene, die Mikroebene auf das Unternehmen. Im Unterschied dazu werden in dieser Arbeit die Gesamtunternehmung im Heimatland als Makroebene und die Tochtergesellschaften in Gastländern als Mikroebene verstanden. In der ISCT wird zwischen drei Formen von Hypernormen, strukturell, prozedural und inhaltlich unterschieden (Donaldson & Dunfee 1999, S. 51–53). Im Rahmen dieser Arbeit wird dieser Unterschied nicht thematisiert.

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rechte in welchem Land vorherrschend sind (Young 1997, S. 401). Deswegen müssen lokale Stakeholder Gruppen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte der Tochtergesellschaften und Vertragspartner/Zulieferer in die Entscheidungsfindung in der Zentrale eingebunden werden (vgl. u.a. Mattern, Lehnen & Weigang 2009, S. 426; Palazzo & Scherer 2010, S. 244). Dennoch sollte Tochtergesellschaften ein gewisser Handlungsspielraum (moral free space) in Bezug auf ethisch-politische Ansprüche eingeräumt werden. Das heißt, dass sie in der betreffenden Gemeinschaft dezentral Entscheidungen treffen können und angepasste Regeln finden sollten, die sowohl mit den Gesetzen als auch mit den moralischen Werten in dem betreffenden Land einhergehen (Donaldson & Dunfee 1994, S. 260–262, 1999, S. 247). In diesem Fall würden dann Entscheidungen nur von der Muttergesellschaft getroffen werden, wenn auf der Ebene der Tochtergesellschaften keine Entscheidungsfindung möglich ist (Subsidiarität). Eine zentrale Entscheidung erscheint auch dann notwendig, wenn sich zentrale und lokale Anforderungen im Grundsatz widersprechen und nicht in Einklang gebracht werden können. Im Fall der ISCT heißt das, dass Normen auf der Mikroebene nicht konsistent mit Hypernormen sind (Donaldson & Dunfee 1994, S. 265, 1999, S. 248). Im unternehmerischen Kontext könnte das bedeuten, dass auf der Makroebene (im Heimatland) Kinderarbeit verboten wird, aber auf der Mikroebene (im Gastland) Kinderarbeit gesetzlich erlaubt ist und in dem betreffenden Land auch zum Wohlstand von Familien beiträgt (Donaldson & Dunfee 1994, S. 233). Das heißt, es wird argumentiert in diesem Fall die Entscheidung auf zentraler Ebene zu treffen, um eine Handlungsgrundlage zu schaffen und Unsicherheiten zu vermeiden (Donaldson & Dunfee 1999, S. 248). Dabei ist der Vorteil einer deliberativen Vorgehensweise, dass hier nicht nach der Hypernorm „Verbot der Kinderarbeit“ entschieden werden muss. Stattdessen können im deliberativen Stakeholder Dialog auch Anpassungen diskutiert und entschieden werden. Ein mögliches Ergebnis könnte hier sein, dass die Beschäftigung von Kindern in der Produktionsstätte am Nachmittag unter der Prämisse erlaubt wird, dass eine Schule gebaut wird, wo die Kinder am Vormittag Unterricht erhalten. Ort der Entscheidungsfindung Neben der Übertragung von Entscheidungskompetenz muss im Bereich der strukturellen Kriterien auch die Frage gestellt werden, inwieweit die Entscheidungen über die politische Verantwortung von MNU in einem bestimmten Gremium verankert werden können und sollten. Hintergrund ist, dass aus der empirischen Forschung zur deliberativen Demokratie hervorgeht, dass bestimmte institutionelle Strukturen bzw. zum Teil auch spezielle Gremien geschaffen werden, in denen Bürger deliberieren können (vgl. Kap. 7.2.2.2). Im Kontext unternehmerischer

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Entscheidungsfindung werden an dieser Stelle bestehende Ansätze, die Vorschläge zur Institutionalisierung von Stakeholder Ansprüchen machen, kritisch geprüft und eine Einschätzung hinsichtlich ihrer praktischen Machbarkeit gegeben. Allgemein erfordert die Durchführung eines deliberativen Stakeholder Dialogs die Einbindung von internen und externen Stakeholdern in unternehmerische Entscheidungsprozesse. Als interne Stakeholder gelten neben Führungskräften, Mitarbeiter und Shareholder (Driver & Thompson 2002, S. 124). Was die Einbindung von Mitarbeitern angeht, so sind, wie bereits an anderer Stelle gezeigt wurde, Arbeitnehmer in deutschen Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH) durch die gesetzlich geregelte Mitbestimmung (abhängig von der Anzahl der Mitarbeiter) an Entscheidungen des Kontrollgremiums (bei der AG: Aufsichtsrat) beteiligt. Im angloamerikanischen System ist die Beteiligung von Mitarbeitern im Verwaltungsrat (Board of Directors) nicht vorgesehen. Es existiert allerdings ein so genannter Sozial- oder Arbeitsrat (Social or Works Council). Was die Einbindung von Shareholdern betrifft, so wird in beiden Systemen Shareholdern (Hauptversammlung bzw. Shareholder Meeting) ein Mitspracherecht bei bestimmten Entscheidungen eingeräumt. Allerdings ist weder im deutschen noch im angloamerikanischen System eine institutionalisierte Einbindung externer Anspruchsgruppen vorgesehen115 (Driver & Thompson 2002, S. 124–125; o. A. 2007a, MitbestG §1, 6, 7). Im Zusammenhang mit einer Institutionalisierung von Stakeholder Ansprüchen werden bereits verschiedene Vorschläge in der Forschung diskutiert. Zum Beispiel besteht die Möglichkeit, einen so genannten „Unternehmenssenat“ (Corporate Senate) (Driver & Thompson 2002, S. 125) oder ein „beratendes Stakeholder Gremium“ (Stakeholder Advisory Board) (Ulrich 2001, S. 453) zu bilden. Im Unternehmenssenat würden nach Driver & Thompson (2002, S. 124–125) nur externe Vertreter der Stakeholder teilnehmen, das Gremium selbst könnte entweder als Beratungs- oder Entscheidungsgremium konstruiert werden. Im Unterschied zum Unternehmenssenat besteht das beratende Stakeholder Gremium aus internen und externen Stakeholdern und soll ein „regelmässiges [sic.] Gesprächsforum“ (Ulrich 2001, S. 453) darstellen. In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag eine „Stakeholder Kommission“ (nach dem Vorbild der Ethikkommission im Unternehmen) zu bilden, in der ebenfalls interne und externe Stakeholder vertreten sind. In dieser Kommission würden allerdings keine festen Vertreter sitzen, sondern sich je nach Problem ein bestimmter Kreis an internen und externen Stakeholdern formieren. Im Unterschied zum beratenden Stakeholder Gremium hätten die Stakeholder auch Entscheidungskompetenz (vgl. hierzu Gilbert 1998, S. 246–248). Evan & 115

Für das deutsche System gilt einschränkend, dass Gewerkschaften über die Arbeitnehmervertreter im Kontrollgremium eingebunden werden (o. A. 2007a, MitbestG § 7).

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Freeman (1993, S. 83) gehen noch einen Schritt weiter und schlagen die Bildung eines so genannten „Stakeholder Verwaltungsrats“ (Stakeholder Board of Directors) vor. Hier wären ständige Vertreter von fünf Stakeholder Gruppen (Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer, Anteilseigner und lokale Gemeinschaft) sowie ein Vertreter des Unternehmens präsent. Das Gremium hätte die Aufgabe sicherzustellen, dass die Interessen der Stakeholder in der Unternehmenspolitik Berücksichtigung finden. Im Unterschied dazu sieht Hess (2007, S. 459) eher die Möglichkeit, dass künftig Stakeholder direkt im Verwaltungsrat (Board of Directors) vertreten sind, um ihnen damit Entscheidungskompetenz zu übertragen. Die anderen vorgeschlagenen Gremien, Unternehmenssenat, beratendes Stakeholder Gremium, Stakeholder Kommission oder Stakeholder Verwaltungsrat ergänzen die bisherige Unternehmensstruktur um eine weitere Komponente. In Bezug auf das deutsche System würde neben Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat ein viertes Gremium hinzukommen. Was das angloamerikanische System betrifft, würde das Gremium neben Verwaltungsrat, Hauptversammlung und Sozial- oder Arbeitsrat stehen (Driver & Thompson 2002, S. 125). Bei einer Bewertung dieser Gremien vor dem Hintergrund der deliberativen Demokratie muss zwischen der Auffassung der klassischen und erweiterten Ansätze unterschieden werden. Dabei nehmen Institutionen für die klassischen Ansätze die Rolle des Rahmengebers und Moderators ein (Habermas 1996, S. 110; Reed 1999b, S. 26). Ihre Aufgabe besteht darin, Bedingungen festzulegen, wie Deliberation unter den Teilnehmern stattfinden kann. In den erweiterten Ansätzen (in Anlehnung an die Ergebnisse der empirischen Forschung) stehen hingegen die tatsächliche Institutionalisierung der Diskurse und die Ausgestaltung dieser Institutionen im Vordergrund. Dabei sollen Institutionen nicht nur den Rahmen vorgeben, sondern es geht darum, eigenständige Gremien mit Entscheidungskompetenz zu schaffen (vgl. hierzu Goodin & Dryzek 2006, S. 223). Daraus lässt sich ableiten, dass die klassischen Ansätze das Vorhandensein von Institutionen grundsätzlich als positiv bewerten, die erweiterten Ansätze hingegen eine differenzierte Beurteilung hinsichtlich der Ausgestaltung dieser Institutionen vornehmen. Im Falle des Modells des Unternehmenssenats ist aus deliberativer Perspektive anzumerken, dass hier nur externe Stakeholder eingebunden werden, deliberative Demokratie aber argumentiert, dass interne wie externe Stakeholder gemeinsam diskutieren und nicht getrennt in Gremien vertreten werden sollten. Das beratende Stakeholder Gremium ist vor dem Hintergrund der erweiterten Ansätze kritisch zu sehen. Positiv ist zwar, dass die Vertretung interner und externer Stakeholder nicht in getrennten Gremien stattfindet wie beim Unternehmenssenat. Allerdings müsste das beratende Stakeholder Gremium im Sinne der deliberativen Ausgestaltung von Unternehmensstrukturen zu einem Ort des gleichberechtigten Stakeholder Dialogs werden. Das heißt, dass auch Entscheidungskompetenz dort verortet werden müss-

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te und nicht nur Beratungsleistungen erbracht würden. Daher ist die Idee der Stakeholder Kommission aus deliberativer Perspektive zunächst positiv zu bewerten, da sie ein echtes Entscheidungsgremium darstellt. Weiterer Vorteil der Stakeholder Kommission ist, dass sie keinen festen Kreis an Stakeholdern definiert wie dies im Stakeholder Verwaltungsrat der Fall ist. Denn dort werden fünf Stakeholder Gruppen vertreten, wobei jedoch nicht erläutert wird, warum gerade diese Gruppen als wichtig angesehen werden. In der Stakeholder Kommission ist es dagegen je nach Situation möglich, flexibel auf Gegebenheiten zu reagieren und die Stakeholder einzubinden, die betroffen sind (rotierendes Prinzip) (vgl. dazu auch Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 308). Diese Zahl kann je nach Situation variieren. Jedoch ist bisher nicht vorgesehen, die Stakeholder Kommission in der Unternehmensstruktur zu verankern, sondern sie stellt eher ein loses und ortsunabhängiges Gremium dar. Dies bietet zwar auf der einen Seite Flexibilität, da sie zentral und dezentral eingesetzt werden kann (Gilbert 1998, S. 247). Allerdings sollte ihre Entscheidungskompetenz (z.B. in der Satzung) verankert und auch in der Unternehmensstruktur fest institutionalisiert werden, da sonst die Gefahr besteht, dass außerhalb des Unternehmens deliberiert wird, aber innerhalb des Unternehmens die eigentlichen Entscheidungen getroffen werden. Dennoch könnte es Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer solchen Kommission in der Praxis geben. Denn Voraussetzung wäre, dass für den Fall von deutschen MNU der Vorstand dieses Gremium dazu ermächtigt, in einem bestimmten Bereich (politische Verantwortungsübernahme) bindende Entscheidungen zu treffen. Dabei ist stark zu bezweifeln, dass die Unternehmensführung tatsächlich Entscheidungskompetenz delegieren würde, zumal dies nicht rechtlich vorgeschrieben ist. Damit ist auch die Idee, Stakeholder direkt in den Verwaltungsrat bzw. in den Vorstand einzubinden, zumindest für Deutschland nicht praktikabel. In diesem Punkt spiegelt sich auch wider, dass die Umsetzung deliberativer Ideen eng mit dem jeweiligen Verständnis von sozialer Verantwortung im betreffenden Kulturkreis verbunden ist. So haben US-amerikanische Unternehmen ein Compliance-orientiertes Verständnis von sozialer Verantwortung. Das heißt, in den USA gibt es zahlreiche Gesetze, wie z.B. die Federal Sentencing Guidelines, nach denen Unternehmen für Fehlverhalten strafrechtlich verklagt werden können. Dabei wird ihnen allerdings die Möglichkeit eingeräumt, im Falle von Gerichtsverfahren die Strafen zu mildern, wenn sie die Implementierung von Ethikmaßnahmen vorweisen können. Aus diesem Grund verfügen US-amerikanische Unternehmen über Verhaltenskodizes, Ethikkommissionen oder Ethikoffiziere. Das könnte darauf schließen lassen, dass US-amerikanische Unternehmen auch eher bereit wären, ein weiteres Gremium zu etablieren. Aufgrund der stärkeren Orientierung und Wertschätzung der Shareholder in den USA, würde es sich aber ver-

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mutlich um ein Stakeholder Beratungsgremium handeln (Matten & Moon 2008, S. 407–408; Palazzo 2002a, S. 196). Im Unterschied dazu ist soziale Verantwortung in Deutschland stärker durch Freiwilligkeit geprägt (Palazzo 2002a, S. 196). Zwar haben auch deutsche Unternehmen inzwischen Ethikmaßnahmen nach US-amerikanischem Vorbild implementiert. Dennoch wird es traditionellerweise als Aufgabe des Staates betrachtet, soziale Verantwortung zu übernehmen und zum Beispiel Mitarbeiterrechte gesetzlich zu verankern (Crane & Matten 2010, S. 26). In diesem Sinne scheint es schwierig, in Deutschland ein Gremium für deliberative Stakeholder Dialoge zu schaffen, da keine gesetzlichen Regelungen dafür bestehen. Trotz angesprochener Schwierigkeiten könnte die Einrichtung eines eigenen Entscheidungsgremiums (z.B. eine Stakeholder Kommission) Vorteile mit sich bringen, da es zumindest eine Möglichkeit bietet, um gleichberechtigt mit internen und externen Stakeholdern zu deliberieren. Die Notwendigkeit zur Institutionalisierung kann auch daraus gerechtfertigt werden, dass zumindest deutsche Unternehmen bisher keine institutionalisierten Stakeholder Dialoge durchführen, sondern diese eher in Eigenregie organisieren (vgl. Ergebnisse der Befragung von PLEON KothesKlewes 2004, S. 16). Mit der Institutionalisierung könnte gewährleistet werden, dass MNU nicht immer von Neuem Stakeholder Dialoge organisieren müssen, sondern auf bestehende Strukturen zurückgreifen können, was auch Kontinuität und Planungssicherheit schafft (vgl. dazu Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 308). Zudem könnten auch andere Stellen im Unternehmen entlastet werden, da ein Ort für Deliberation fest verankert wird. Darüber hinaus könnte eine Institutionalisierung zur Glaubwürdigkeit des Unternehmens beitragen, da es Zustimmung zur Einbindung der Stakeholder signalisiert. Weiterhin sollte die Institutionalisierung nicht nur für die zentrale Ebene gelten, sondern ebenso auf Tochtergesellschaften übertragen werden, indem lokale und/oder nationale Gremien gebildet werden. Jedoch könnte der Eindruck entstehen, dass mit der Institutionalisierung in der Struktur des Unternehmens ein abgegrenzter Raum für Deliberation geschaffen wird und Deliberation wie ein Projekt gemanagt werden kann. Stattdessen ist es erforderlich, dass sich das Gesamtunternehmen für Deliberation öffnet und auch Mitarbeiter und Führungskräfte darin eingebunden werden (vgl. dazu auch Ausführungen zur Unternehmenskultur in Kap. 8.2.3.1). Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein Gremium entscheidet und die mit der Durchsetzung betrauten Organisationsmitglieder diese Entscheidungen nicht nachvollziehen können. Das bedeutet, grundsätzlich sollte eine Unternehmenskultur geschaffen werden, die auf dialogischer Kommunikation basiert. Die Institutionalisierung mit Hilfe eines Gremiums

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ist dabei nur eine Möglichkeit, diese dialogische Kommunikation nach innen und außen sichtbar umzusetzen (Deliberation als regulative Idee). Organisation der Deliberation Im Rahmen einer Institutionalisierung muss darüber hinaus auch die Frage gestellt werden, wie Diskurse organisiert werden können. Dazu werden im Folgenden die Form der Diskurse, die Zusammensetzung der Gruppe sowie die Einbindung internetbasierter Medien betrachtet. Die Auswahl dieser drei Kriterien wurde in Kap. 8.1 begründet. Form des Diskurses. Aus der empirischen Forschung zur deliberativen Demokratie geht hervor, dass entweder nur eine kleine repräsentative Gruppe (z.B. 12-24 Teilnehmer) deliberiert oder eine größere Anzahl von Teilnehmern auf Kleingruppen aufgeteilt wird (vgl. dazu u.a. Fung 2003a, S. 111–124; 2003b, S. 357–360; Goodin 2008, S. 15; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 294–295). Die eben dargestellten Gremien lassen darauf schließen, dass nur eine kleine Anzahl von Personen im MNU deliberieren kann und jeweils ein Vertreter der jeweiligen Stakeholder Gruppe und des Unternehmens (Mitarbeiter und Führungsebene) präsent ist. In Anlehnung an das Vorbild des Participatory Budgeting wird deshalb vorgeschlagen, den Deliberationsprozess mehrstufig zu gestalten (vgl. hierzu Baiocchi 2003, S. 47–50; Fung 2003b, S. 360–361). Das heißt, dass zunächst verschiedene Gruppen von Stakeholder Vertretern in Diskussionen treten und Vorschläge für die Vorgehensweise des MNU auf der Makroebene (global) erarbeiten. Auf diese Weise kann annähernd garantiert werden, dass eine Vielzahl von Interessen in den Entscheidungsprozess eingebunden wird. In der Praxis könnte man sich vorstellen, dass auf Ebene der Tochtergesellschaften deliberative Stakeholder Dialoge mit den jeweils lokalen Stakeholder Gruppen geführt werden. Auf diese Weise könnten auch Spezifika der jeweiligen Länder aufgedeckt werden und dieses Wissen eingebracht werden. Die lokalen Stakeholder Gruppen wählen dann ihrerseits Vertreter, die ihre erarbeiteten Vorschläge zum Beispiel auf nationaler Ebene vertreten. Auch in diesem Gremium könnten Vorschläge sortiert und diskutiert werden und dann wiederum Vertreter gewählt werden, die auf zentraler Ebene des MNU diese Vorschläge (z.B. in einer Stakeholder Kommission) vertreten. Auf zentraler Ebene würden die Vorschläge der einzelnen Gruppen abgewägt und diskutiert werden und letztendlich über die richtige Entscheidung bzw. Handlungsoption beraten werden. Somit könnte der deliberative Entscheidungsprozess aus einem zwei-, drei- oder mehrstufigen Dialog bestehen, abhängig von der Größe des MNU und der Anzahl der Tochtergesellschaften.

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Zusammensetzung der Gruppe. Nachdem die Form der Diskurse erläutert wurde, ist es notwendig zu klären, wie sich die Diskussionsgruppen zusammensetzen sollten. Damit in den Gruppen eine Präferenzbildung vermieden werden kann, wird argumentiert, dass zur Diskussion Kleingruppen aus den verschiedensten Interessengruppen gebildet werden und diese nicht homogen nur aus einer Stakeholder Gruppe wie Kunden oder Zulieferern gebildet werden (Einbindung von Konfliktlinien) (Mansbridge 2003, S. 189–190). Dies würde auch gewährleisten, dass in einer Kleingruppe verschiedenste Interessen präsent sind und sich nicht bereits vorab, eine Mehrheitsmeinung bildet. In diesem Zusammenhang weisen auch Schaal & Ritzi (2009, S. 13) darauf hin, dass die Heterogenität einer Gruppe eher bedingt, dass sich durch den Austausch Präferenzen ändern. Somit kann auch ein Bias verhindert werden. Stattdessen würden sehr homogene Gruppen vor allem zu einer Polarisierung der Meinung führen116. Zudem könnte durch eine heterogene Gruppenaufteilung das von Young (1996, S. 122–127) angesprochene „situative Wissen“ zum Beispiel in Bezug auf lokale Gegebenheiten genutzt werden. Dabei gilt allerdings als Voraussetzung, dass MNU auch verschiedene Stakeholder Gruppen zum Diskurs einladen und zum Beispiel Experten mit unterschiedlichen Meinungen im Diskurs vertreten sein müssen. Einbindung internetbasierter Medien. Weiterhin muss im Rahmen der Organisation eine Entscheidung getroffen werden, inwieweit die Deliberation durch Medien, insbesondere mit Hilfe des Internets, unterstützt wird. Der Vollständigkeit halber bleibt zu erwähnen, dass auch Telefon- oder Videokonferenzen sowie Fernsehübertragungen Möglichkeiten bieten, den persönlichen Dialog zu erweitern. Jedoch gewinnt in letzter Zeit vor allem das Internet stark an Bedeutung. So geht aus der empirischen Forschung im Bereich der politischen Wissenschaft hervor, dass vermehrt deliberative Diskurse durch internetgestützte Medien (Foren) entweder durchgeführt oder zumindest durch diese ergänzt werden (Grönlund, Strandberg & Himmelroos 2009; Wright & Street 2007). Aus Unternehmenssicht könnte in diesem Kontext die Nutzung von sozialen Medien117 und die Einrichtung von Online-Foren über soziale Netzwerke interessant sein. Insbesondere soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter werden, wie aus verschiedenen Studien hervorgeht, bereits von zahlreichen Unternehmen genutzt, um interaktiv mit Anspruchsgruppen zu kommunizieren. Laut einer Umfrage der Wirtschaftswoche 2010 sind bereits 80 Prozent der DAX-30 Unternehmen in Deutschland in sozialen 116

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Auch andere Forschungsarbeiten, die nicht aus der deliberativen Demokratie stammen, beschäftigen sich mit der Frage, wie die Zusammensetzung der Gruppe auf das Ergebnis der Diskussion wirkt (vgl. hierzu Hemmati 2002, S. 76–77). Unter dem Begriff „soziale Medien“ versteht man „[…] alle Mediendienstleistungen auf Webseiten, die Interaktion und aktive Inhaltserstellung durch die Nutzer ermöglichen“ (Nicolai & Vinke 2009, S. 4).

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Netzwerken aktiv. 70 Prozent berichten über den Nachrichtendienst Twitter und 60 Prozent haben eine Fanseite über Facebook geschaltet (Kroker & Engeser 2010). Ähnliche Ergebnisse liefert eine Studie der Universität Oldenburg mit dem Internetunternehmen Construktiv. Demnach sind 60 Prozent der 100 größten Marken nach Werbeausgaben in Deutschland in sozialen Medien aktiv. An erster Stelle steht dabei Twitter, das von 39 Prozent der untersuchten Unternehmen genutzt wird, gefolgt von YouTube (37 Prozent) und Facebook (28 Prozent). Im Vergleich dazu, werden von US-amerikanischen Unternehmen stärker soziale Netzwerke wie Facebook und Unternehmensblogs verwendet. In Deutschland sind die Branchen Telekommunikation, Elektro, Unterhaltungselektronik und Automobilbau in sozialen Medien am häufigsten vertreten (Nicolai & Vinke 2009, S. 4–6; Schmidt 2009). Motive für dieses Engagement sind vor allem Produktmarketing, Produktverbesserung, Kundenakquise, Wissensmanagement und Personalwerbung. Die Initiierung eines (gleichberechtigten) Stakeholder Dialogs steht bisher jedoch nicht im Vordergrund des Engagements der Unternehmen118 (Hillenbrand 2010; Kroker & Engeser 2010; Mattern, Lehnen & Weigang 2009, S. 427; Rungg 2010). Allgemein verändern Online-Foren und soziale Netzwerke die Anforderungen an die Kommunikation (Verhalten, Geschwindigkeit) zwischen dem Unternehmen und seinen Anspruchsgruppen. Auch muss qualifiziertes Personal eingestellt bzw. Personal geschult werden, um Inhalte sozialer Netzwerke zu managen, insbesondere da häufig Kritik am Unternehmen geäußert wird. Zudem werden unternehmerische Prozesse verändert, wenn Produktideen oder -verbesserungen vom Kunden über soziale Medien vorgebracht werden können (vgl. hier u.a. Rungg 2010). Im Hinblick auf diese Arbeit, bleibt es zu analysieren, inwieweit internetgestützte Kommunikation dazu beitragen kann, einen deliberativen Stakeholder Dialog durchzuführen. Ein großer Vorteil der internetgestützten Kommunikation ist, dass auf kostengünstige Art die Einbindung aller Betroffenen erreicht werden kann. Im Gegensatz zum persönlichen Dialog muss nicht mehr eine große Anzahl von Stakeholdern an einem Ort zusammenkommen (Grönlund, Strandberg & Himmelroos 2009, S. 189). Voraussetzung ist lediglich ein funktionierender Internetzugang (Farrar 2008, S. 22). Außerdem findet der Zugriff auf soziale Netzwerke zunehmend auch mobil über Handy oder Laptop statt (Kroker & Engeser 2010). Die Einbindung in diese Netzwerke bietet die Möglichkeit für Unternehmen, einen „Echtzeit-Dialog“ zu führen und auch dynamisch auf Stakeholder Meinungen zu reagieren.

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Eine Umfrage von PLEON KothesKlewes (2004, S. 17) unter 65 deutschen Unternehmen bestätigt, dass nur 1,8 Prozent der Unternehmen einen Online-Dialog initiieren.

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Wenn es darum geht, einen deliberativen Stakeholder Dialog zu organisieren, könnten internetbasierte Medien zwei Funktionen übernehmen. Erstens könnten Gruppen, die nicht physisch präsent sein können, durch eine Echtzeit-Übertragung am Dialog teilnehmen. Dies gilt sowohl für Stakeholder auf lokaler Ebene (Tochtergesellschaften) als auch auf zentraler Ebene (Muttergesellschaft). Zweitens könnten internetbasiere Medien dazu genutzt werden, den deliberativen Stakeholder Dialog mit Hilfe von Livestream zu übertragen. Damit könnte auch eine Möglichkeit der Kontrolle geschaffen werden, zum Beispiel, ob die Vertreter der lokalen Ebene die Meinungen der Tochter- oder Landesgesellschaft auf zentraler Ebene tatsächlich wiedergeben (Rechenschaftspflicht). Falls hier Unstimmigkeiten bestehen, könnte das Internet auch die Möglichkeit bieten, Feedback zu geben, noch einmal Rücksprache zu halten oder auch ein Veto einzulegen. In diesem Zusammenhang ist allerdings die Frage zu stellen, ob der Stakeholder Dialog öffentlich über die Homepage oder soziale Medien übertragen wird oder ob nur die vertretenen Stakeholder Zugang zur Diskussion haben und zum Beispiel erst nach Beendigung des Dialogs ein Video bereitgestellt werden sollte (siehe dazu auch Kap. 8.2.4). In Bezug auf die Nutzung sozialer Netzwerke muss jedoch beachtet werden, dass diese Medien von Anspruchsgruppen häufig auch gebraucht werden, um Druck auf MNU auszuüben (Farrar 2008, S. 22). In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel der Fall von Nestlés Kitkat zu sehen. Im März 2010 hat Greenpeace eine Kampagne gegen die Verwendung von Palmöl im Schokoriegel Kitkat gestartet. Nestlé wurde vorgeworfen, durch die Verwendung von Palmöl zur Abholzung des indonesischen Regenwaldes beizutragen und damit den Lebensraum der OrangUtans zu bedrohen. Die Kampagne gegen Nestlé wurde hauptsächlich über soziale Medien wie Facebook, Twitter und YouTube geführt. Auf Facebook wurde auf der Nestlé Fanseite zum Boykott der Produkte aufgerufen. Nestlé reagierte mit scharfer Kritik an den Kommentatoren. Ein Dialog mit Greenpeace sowie Konsumenten wurde allerdings nicht angestrebt (Hillenbrand 2010; Kroker & Engeser 2010). Dieser Fall zeigt zwar die Risiken der Online-Kommunikation, macht aber gleichzeitig deutlich, dass soziale Medien eine Chance bieten, Ansprüche und Meinungen von Stakeholdern kennenzulernen und mit ihnen in einen Dialog zu treten, um Konflikten vorzubeugen.

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8.2.3.3 Personelle Kriterien Neben der Ausgestaltung von Strukturen hängt die Umsetzbarkeit von Deliberation maßgeblich von den betreffenden Personen und ihrem Verhalten ab. Im Bereich der personellen Kriterien werden daher die Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmer, das Training von internen und externen Stakeholdern sowie der Einsatz von Moderatoren und Experten untersucht. In Kapitel 8.1 wurde die Auswahl dieser Kriterien bereits begründet. Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmer Eine entscheidende Voraussetzung, um Deliberation in der Praxis zu ermöglichen, ist die Kommunikationsfähigkeit von Individuen. Damit ist die Fähigkeit gemeint, Argumente vorzubringen und diese rational zu begründen. Nach Habermas (1990) bedeutet die Fähigkeit zur Kommunikation auch gleichzeitig Moralität, das heißt, im Kommunikationsstil zeigt sich die moralische Entwicklung eines Individuums. Diese moralische Entwicklung stellt gleichzeitig einen Lernprozess dar, das heißt Individuen lernen mit Hilfe von Deliberation, wie sie moralische Konflikte lösen können (Habermas 1990, S. 123–125, 2006a, S. 414). Habermas (1990, S. 123–125) rekurriert hier auf das Modell der Moralentwicklung wie es der Psychologe Kohlberg119 (1995) formuliert hat. Dieses Konzept wird im Folgenden vorgestellt, um eine Aussage zu treffen, wie die Fähigkeit zur Moralität geschult werden kann. Das Konzept von Kohlberg kategorisiert die moralische Entwicklung von Individuen in sechs Stufen. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie ein Individuum bestimmt, was das richtige Verhalten ist. Kohlbergs Modell wurde bereits empirisch überprüft und gilt als grundlegendes Modell im Bereich der Moralentwicklung (vgl. hierzu Logsdon & Yuthas 1997, S. 1214). Hervorzuheben bleibt außerdem, dass Kohlberg den Anspruch erhebt, Entwicklungsstufen identifiziert zu haben, die universell, das heißt in jedem Kulturkreis gültig sind. Weiterhin gilt für die Moralentwicklungsstufen, dass diese hierarchisch angeordnet sind und eine lineare Entwicklung von einer Stufe zur nächsten Stufe kennzeichnen (Kohlberg & Hersh 1977, S. 54). Die Entwicklungsstufen werden anhand von drei Ebenen aufgespannt, die präkonventionelle, die konventionelle sowie die postkonventionelle Ebene (siehe Abb. 9) (Kohlberg 1995, S. 126–127).

119

Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Arbeit von Kohlberg im Wesentlichen auf Arbeiten von Piaget zur kognitiven Entwicklung von Individuen stützt und versucht, diese zu erweitern (vgl. Kohlberg 1995, S. 21ff.).

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I. Präkonventionelle Ebene Stufe 1. Individuen haben einen Sinn für Gehorsam und Strafe und befolgen Regelungen, weil sie ansonsten Sanktionen befürchten müssen. Dabei wird das Ausüben von Strafe als schlecht, das Vermeiden von Strafe hingegen als gut betrachtet. Stufe 2. Individuen handeln ausschließlich in ihrem eigenen Interesse. Das heißt, eine Handlung wird als gut oder schlecht eingestuft, je nach dem ob sie für das Selbstinteresse förderlich oder hinderlich ist (instrumentelle Überlegungen). Dabei werden die Interessen Anderer nur berücksichtigt, wenn sie gleichzeitig das Eigeninteresse steigern. (Hier gilt: „Wie du mir, so ich dir“) II. Konventionelle Ebene

Stufe 3. Individuen orientieren ihr Verhalten daran, was in einer bestimmten Gemeinschaft als gut oder schlecht angesehen wird und versuchen, dem Verhalten der Mehrheit zu folgen und erhoffen sich davon Anerkennung. In diesem Sinne wird Nett-Sein mit Gut-Sein gleichgesetzt. Stufe 4. Individuen halten sich an Gesetze und die soziale Ordnung. Es gilt, dass ein guter Bürger ist, wer seine Pflicht in der Gesellschaft erfüllt und zur Erhaltung der sozialen Ordnung beiträgt. Hier herrscht ein ausgeprägter Sinn für Autorität. III. Postkonventionelle Ebene

Stufe 5. Individuen handeln richtig, wenn sie individuelle Rechte beachten und sich an in der Gesellschaft herrschende Standards (Gesetze) halten. Diese Standards werden innerhalb der Gesellschaft vereinbart und auch kritisch überprüft (Konsensorientierung). Wenn es keine Gesetze für eine bestimmte Handlung gibt, gilt das Prinzip der freien Übereinkunft sowie die Möglichkeit, Verträge abzuschließen (legalistische Sozialvertragsorientierung). Stufe 6. Individuen entscheiden selbstständig, was richtig und was falsch ist. Grundlage der Entscheidungsfindung ist ein selbst gewählter Kriterienkatalog und nicht ein vorgegebener Katalog an Normen oder Werten (z.B. Zehn Gebote). Diese selbst gewählten moralischen Kriterien sind nicht konkretisiert und basieren im Wesentlichen auf universellen moralischen Prinzipien wie Gerechtigkeit, Achtung der Menschenwürde und Achtung individueller Persönlichkeitsrechte. Diese universellmoralischen Prinzipien stehen laut Kohlberg auch über nationalen Gesetzen und können angewendet werden, um diese Gesetze auf ihre Richtigkeit kritisch zu überprüfen.

Abb. 9:

Moralentwicklungsstufen nach Kohlberg

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kohlberg (1995, S. 51–53) und Kohlberg & Hersh (1977, S. 54–55).

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Diese Ebenen entsprechen zum einen einer bestimmten Altersgruppe sowie auch einer bestimmten Denkhaltung, die häufig typisch für die betreffende Altersgruppe ist. Dabei sind Kinder bis zum 9. Lebensjahr sowie einige Jugendliche der präkonventionellen Ebene zuzuordnen, die meisten Jugendlichen und Erwachsenen der konventionellen Ebene. Die postkonventionelle Ebene hingegen wird nur von wenigen Erwachsenen über 20 Jahren erreicht und bezieht sich auf eine bestimmte Reife in der Art des Denkens. Kurz zusammengefasst, ist auf der präkonventionellen Ebene noch kein eigenes moralisches Bewusstsein vorhanden, während auf der konventionellen Ebene ein moralisches Bewusstsein existiert, das im Wesentlichen durch in der Gesellschaft vorherrschende Gesetze und Normen geprägt ist. Im Unterschied dazu verfügen Individuen, die die postkonventionelle Ebene erreichen über ein kritisches Moralbewusstsein. Das bedeutet, sie kennen und verstehen soziale Normen und Gesetze, halten sich auch an diese, nehmen aber auch gleichzeitig eine kritische Haltung gegenüber diesen ein. Das heißt, sollte es zu Konflikten mit dem tradierten Wertesystem kommen, orientieren sie ihr Handeln in erster Linie an universell geltenden moralischen Prinzipien120 (Kohlberg 1995, S. 126–127). Diesen drei Ebenen werden jeweils zwei Stufen der Moralentwicklung zugeordnet (Kohlberg 1995, S. 51–53; Kohlberg & Hersh 1977, S. 54–55). Im Rahmen dieser Arbeit ist nun vor allem zu fragen, welche Bedeutung das Modell von Kohlberg für MNU und seine Stakeholder hat. In den klassischen Ansätzen der deliberativen Demokratie wird gezeigt, dass die Durchführung von deliberativen Stakeholder Dialogen nur unter der Voraussetzung funktioniert, dass Individuen die Fähigkeit zur rationalen Kommunikation und moralischen Urteilsfähigkeit besitzen (Cohen 1997a, S. 72–75; Habermas 1990, S. 89, 1996, S. 182). Das impliziert, dass sie diese Fähigkeit unter Umständen erst erlernen müssen. Auch die Forschungsarbeiten aus den erweiterten Ansätzen bezweifeln, dass Stakeholder die Fähigkeit zur rationalen Kommunikation tatsächlich besitzen (Young 1996, S. 129ff.). Damit ist anzunehmen, dass Stakeholder eines Unternehmens in der Regel nicht auf der postkonventionellen Ebene (Stufe 5 und 6) einzuordnen sind. In diesem Sinne erscheint es notwendig, Stakeholder für deliberative Stakeholder Dialoge zu schulen sowie durch Training deliberative Fähigkeiten zu entwickeln. In dieser Hinsicht können MNU ein Lernforum bereitstellen. Insbesondere, wenn die Stakeholder bisher noch nicht an deliberativen Entscheidungsprozessen teilgenommen haben, ist es wichtig, sie darüber zu informieren, was Deliberation bedeutet und welche Regeln ihr zu Grunde liegen. Zudem ist es entscheidend, dass alle mit denselben Informationen im Vorfeld versorgt werden. Ein gleicher 120

Bei Habermas (1996, S. 161–162) gibt es keine universell moralischen Prinzipien, die als Maßstab für das Handeln angelegt werden. Stattdessen sollen alle Betroffenen mit Hilfe des Diskurses kritisch reflektieren und entschieden, was sie als richtig oder falsch ansehen.

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Wissensstand kann aufgrund der Unterschiedlichkeit der Teilnehmer nicht erreicht werden, aber es kann dafür gesorgt werden, dass ein gleicher Informationsstand hergestellt wird (vgl. hierzu Habermas 1996, S. 325). MNU können hier interne und externe Stakeholder hinsichtlich deliberativer Kommunikation und moralischer Kompetenz schulen. Aufgrund der Einbindung interner Stakeholder in die Struktur des Unternehmens, haben Unternehmen hier grundsätzlich mehr Einflussmöglichkeiten als bei externen Stakeholdern. Training interner Stakeholder Die Entwicklung der moralischen Kompetenz bei internen Stakeholdern wird im Wesentlichen durch systemische und (inter-)personale Faktoren beeinflusst (Maclagan 1996). Die Ausführungen gelten dabei zunächst für alle Unternehmen. Es werden allerdings in diesem Rahmen auch Implikationen für MNU diskutiert. Systemische Faktoren. Auf der Ebene der systemischen Faktoren bedingen beispielsweise die Unternehmenskultur, der Führungsstil des Top-Managements sowie das (Nicht-)Vorhandensein formaler Ethikleitlinien, inwieweit Mitarbeiter die Fähigkeit zur kritischen moralischen Reflektion entwickeln bzw. ausüben können (vgl. Ashkanasy, Windsor & Treviño 2006; Graham 1995; Logsdon & Yuthas 1997; Maclagan 1996; Reidenbach & Robin 1991). So wirkt beispielsweise die Unternehmenskultur förderlich für ethische Reflektion, wenn ethische Fragen von den Mitarbeitern diskutiert werden können. Dies hängt auch entscheidend davon ab, welche Stellung das Top-Management gegenüber ethischen Fragestellungen einnimmt, das heißt, welchen Führungsstil es prägt. In diesem Sinne werden Mitarbeiter das Verhalten nachahmen, das Führungskräfte vorgeben, je nach dem, ob ethisches Verhalten als positiv oder negativ bewertet wird („Follower“-Verhalten) (Graham 1995, S. 47; Maclagan 1996, S. 648; Reidenbach & Robin 1991, S. 273). Dabei zeigen Graham (1995, S. 48, 50) und Maclagan (1996, S. 648), dass insbesondere ein partizipativer Führungsstil die moralische Urteilsfähigkeit von Mitarbeitern befördert, indem diese an der Entscheidungsfindung im Unternehmen beteiligt werden und auch ein moralischer Diskurs zwischen Führungskräften und Mitarbeitern über moralisch richtiges und falsches Verhalten angestrebt wird. An dieser Stelle muss allerdings beachtet werden, dass das Führungsverhalten bei Tochtergesellschaften aufgrund verschiedener Standorte unterschiedlich ausgeprägt sein kann und somit auch ethisches Verhalten (im Sinne der Definition von Habermas) vor dem Hintergrund der Landeskultur anders bewertet wird. Daher sollten sich MNU generell die Frage stellen, ob das Unternehmen an allen Standorten gleich geführt werden sollte (universalistisch) oder ob Unterschiede (relativistisch) zugelassen werden und zum Beispiel Subkulturen etabliert werden (vgl. hierzu auch Kap. 8.2.3.1).

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In Bezug auf formale ethische Leitlinien in Unternehmen (z.B. in Form eines Code of Conduct) wird deren Vorhandensein grundsätzlich begrüßt, da eine Zustimmung des Unternehmens zu ethischen Werten festgestellt wird und sie die Mitarbeiter für ethische Fragen sensibilisieren können. Allerdings würde das reine Vorhandensein laut Maclagan (1996, S. 652) nicht zwangsläufig die moralische Reflektion von Mitarbeitern befördern, da dadurch im Sinne einer ComplianceFunktion genau vorgeben wird, was erlaubt und was nicht erlaubt ist. Das heißt, moralisches Verhalten wird zwar erleichtert, die kritische Reflektion über Handlungen, vor allem in Konfliktfällen, wird aber nicht gefördert. Hier könnten zum Beispiel Trainings und Schulungen für die Mitarbeiter sinnvoller sein, wenn diese beinhalten, dass über moralische Probleme diskutiert wird und auch Konfliktsituationen durchgespielt werden (Logsdon & Yuthas 1997, S. 1223). In diesem Sinne könnte auch erreicht werden, dass sich die Mitarbeiter nicht nur konform mit Normen verhalten (Stufe 4 nach Kohlberg), sondern diese Normen auch kritisch reflektieren und sich somit entlang der Stufe 5 und 6 von Kohlberg entwickeln. Dies wäre auch im Sinne der deliberativen Demokratie, um eine Diskursfähigkeit zu erreichen. (Inter-)personale Faktoren. Neben den systemischen Faktoren ist laut Maclagan (1996, S. 649ff.) auch die Bedeutung der (inter-)personalen Faktoren zu betonen. Es gilt dabei zu bedenken, dass vor allem die Interaktion der Individuen in einem Unternehmen einen großen Einfluss darauf hat, welchen Grad der moralischen Urteilsfähigkeit diese aufweisen. So gibt es Individuen innerhalb der Organisationsstruktur, die durch ihre Autorität oder Macht beeinflussen, wie sich moralische Denkstrukturen bei anderen Individuen ausbilden. Daneben sind auch Charakteristika des Individuums selbst ausschlaggebend für die moralische Urteilsfähigkeit. So zeigen Ashkanasy, Windsor & Treviño (2006) in ihrer empirischen Untersuchung121, dass autonom handelnde Manager dazu tendieren, sich immer moralisch zu verhalten, auch wenn in der Unternehmung kein ausgeprägtes Bewusstsein für moralische Handlungen vorherrscht. Die Autoren beziehen sich hier auf eine Einteilung aus der Studie von Windsor & Ashkanasy (1995, S. 712), die in ihrem Fall Typen von Rechnungsprüfern, als entweder „autonom“, „anpassend“ oder „pragmatisch“ handelnd klassifizieren. Autonom repräsentiert dabei den höchsten Grad der moralischen Fähigkeit. Das heißt, diese Individuen haben einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und beurteilen Situationen nach diesem Wertesystem und damit unabhängig von externen Einflussfak121

Die Autoren führten einen so genannten Defining Issues Test durch. Auf Basis eines Fragebogens wurden 215 MBA Studierende einer australischen Universität auf ihre moralische Entwicklung geprüft. Die Studierenden hatten alle mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und waren in Managementpositionen (höheres und unteres Management) beschäftigt (vgl. Ashkanasy, Windsor & Treviño 2006, S. 457).

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toren (in der Studie handelt es sich um die Macht des Klienten). Im Gegensatz dazu repräsentiert pragmatisch die niedrigste Neigung zur moralischen Fähigkeit, was ihre Beeinflussbarkeit durch externe Faktoren erhöht. Im Fall der oben diskutierten autonomen Manager würde das bedeuten, dass sie moralisch handeln, ohne dass dies vom Unternehmen gefordert wäre. Dies entspricht im Sinne von Kohlberg der Stufe 6 der Moralentwicklung. Im unternehmerischen Kontext ist es schwierig herauszufinden, welche Individuen diese moralische Fähigkeit tatsächlich besitzen. Hier könnten unter Umständen Tests und Interviews helfen, diese moralische Fähigkeit aufzudecken. Aus der Diskussion der systemischen und (inter-)personalen Faktoren wird deutlich, dass die Fähigkeiten zu Kommunikation und moralischem Urteilen entscheidend von der vorherrschenden Unternehmenskultur, dem Führungsstil und den damit verbundenen Rahmenbedingungen abhängen. Daneben spielen auch persönliche Charakteristika eine große Rolle. Während die systemischen Faktoren von Unternehmen beeinflusst und so gestaltet werden können, dass sie Raum für Deliberation bieten, sind persönliche Merkmale und Charakterzüge schwer durch Strukturen veränderbar. Das heißt auch, dass es für interne Stakeholder nicht zwangsläufig um ein bewusstes Training von Kommunikationsfähigkeiten geht, sondern dass MNU die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, dass Mitarbeiter und Führungsebene miteinander kommunizieren können. Die beschriebenen Untersuchungen beziehen sich im Wesentlichen auf die interne Dimension, das heißt die Mitarbeiter von Organisationen. Bei der Durchführung von deliberativen Diskursen sind neben internen Anspruchsgruppen allerdings auch externe Stakeholder beteiligt. Training externer Stakeholder Was das Training externer Stakeholder anbetrifft, so ist es für MNU schwieriger, dafür Sorge zu tragen. Eine Möglichkeit wäre im Vorfeld des deliberativen Stakeholder Dialogs, ein Treffen für alle Teilnehmer (intern und extern) anzubieten, indem die Regeln und Prinzipien der Kommunikation erläutert werden und Kommunikationssituationen (zum Beispiel in Form von Rollenspielen) geübt werden können. Auf diese Weise könnte erreicht werden, dass alle Stakeholder gleichermaßen darüber informiert werden, was Deliberation bedeutet und wie sie durchgeführt wird. Die Unterschiede hinsichtlich der Fähigkeiten zu Deliberation würden jedoch bestehen bleiben. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass MNU häufig ethische Trainings für externe Stakeholder anbieten und zum Beispiel auch Zulieferer dahingehend schulen, wie ethisches Verhalten im Unternehmen verstanden wird. Neben der Anwendung der

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Arbeitsplatzrichtlinien, bietet zum Beispiel adidas Schulungen für seine Zulieferbetriebe an und fördert dabei auch, dass diese Betriebe ein aktives Stakeholder Management, das heißt, Kommunikation und Austausch mit ihren jeweiligen Stakeholdern betreiben (adidas Group 2011a). In diesem Sinne könnten Trainings auf die Schulung deliberativer Fähigkeiten erweitert werden. Einsatz von Moderatoren und Experten Moderatoren. Neben dem Training der internen und externen Stakeholder ist vor allem der Einsatz von Moderatoren entscheidend, um Deliberation zu ermöglichen. Der Moderator hat dabei die Aufgabe, die Diskussion zu leiten und darauf zu achten, dass die Kommunikationsregeln eingehalten werden sowie eine Gleichbehandlung unter den Teilnehmern stattfindet. Insbesondere muss eine strategische Manipulation von Interessen verhindert werden. Soweit als möglich, sollte der Diskurs frei von Zwang und Machtausübung sein. Das bedeutet insbesondere für die Diskussion, dass nur argumentativ versucht werden darf, andere zu überzeugen (Cohen 1997b, S. 419; Habermas 1996, S. 110, 2006a, S. 413; Innes & Booher 2003, S. 37; Van de Kerkhof 2006, S. 285; Young 2000, S. 23, 63). Eine besondere Herausforderung stellt sich, wenn Stakeholder aus verschiedenen Kulturen am deliberativen Stakeholder Dialog teilnehmen (Susskind et al. 2003, S. 254). Dabei gilt es, sensibel mit diesen kulturellen Unterschieden umzugehen, da diese Konfliktpotenzial mit sich bringen könnten, wenn beispielsweise Umgangsformen, Argumentationsstile oder die Sprache verschieden sind. Susskind et al. (2003, S. 254) schlagen vor, dass gerade in dieser Hinsicht Moderatoren eine wichtige Aufgabe übernehmen sollten, indem sie eine gemeinsame Basis der Kommunikation definieren und klar die Terminologie der Argumentation erklären (insbesondere auch um sprachliche Barrieren zu umgehen). Darüber hinaus kann es auch hilfreich sein, wenn die Moderatoren selbst aus verschiedenen Kulturkreisen stammen. Zudem benötigen eventuell bestimmte Gruppen zusätzlich Berater, um sprachlichen Missverständnissen vorzubeugen. Experten. Die Informationsbasis spielt eine zentrale Rolle bei der Entscheidung. Das heißt, Teilnehmern muss die Möglichkeit gegeben werden, dass sie nicht nur im Diskurs Informationen und Argumente austauschen, sondern dass sie auch Experten befragen dürfen (Interviews). Dies trägt dazu bei, dass sich das Wissen über die zu entscheidende Angelegenheit vergrößert und beugt zudem einer vorher festgelegten Präferenzbildung vor (Estlund 2008, S. 192–195; Fung & Wright 2001, S. 18, 20; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 393–394; Parkinson 2006, S. 150). Dabei ist zu beachten, dass Teilnehmer häufig selbst Experten darstellen, wenn sie über ein bestimmtes Wissen, zum Beispiel im Bereich Arbeitsrechte oder lokale Strukturen verfügen. In dieser Hinsicht wären sie gleichzeitig

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231

Teilnehmer des Dialogs, würden aber auch eine strategische Position übernehmen, da sie andere mit Wissen und Informationen versorgen. Zusammenfassend sollte mit Hilfe der Deliberation ein kontinuierlicher Veränderungsprozess im Unternehmen angestoßen werden, der die Philosophie, die Strukturen, die operative Arbeitsweise sowie die Individuen umfasst und somit zu einem integralen Bestandteil der Unternehmung wird (vgl. hierzu u.a. Palazzo & Scherer 2010, S. 242).

8.2.4

Prinzipien und Regeln der Kommunikation

Nachdem ein institutioneller Rahmen für Deliberation geschaffen wurde, ist es als Nächstes entscheidend, Prinzipien und Regeln der Kommunikation für den deliberativen Stakeholder Dialog zu wählen und kritisch zu bewerten (vgl. dazu auch Kap. 8.1). Wie aus der empirischen Forschung zur deliberativen Demokratie hervorgeht, scheint es in der Praxis nicht möglich, alle Prinzipien und Regeln der deliberativen Demokratie insbesondere die ideale Sprechsituation, wie sie von Habermas oder Cohen vertreten wird, gleichermaßen umzusetzen. Das heißt, zwischen einigen Prinzipien entstehen Konflikte, wenn sie in die Praxis übertragen werden, zum Beispiel das Verhältnis zwischen Teilhabe (alle Betroffenen) und tatsächlicher Deliberation (Kleingruppen) (Thompson 2008, S. 511–513). Das heißt, dass in der Praxis Abwägungen getroffen werden müssen, welche Prinzipien zu verfolgen sind. In diesem Sinne wird eine gewisse Flexibilität bei der Auswahl der Prinzipien und Regeln der Kommunikation eingeräumt. Wichtig ist, dass die Teilnehmer zu Beginn des deliberativen Stakeholder Dialogs demokratisch entscheiden können, welche Kommunikationsregeln ihren Diskurs leiten sollen („Primat der Demokratie vor der Philosophie“). In der Praxis könnte zum Beispiel eine veränderte Formulierung, eine andere Gewichtung der Prinzipien oder eine Art Prioritätenliste für die Anwendung der Prinzipien und Regeln der Kommunikation das Ergebnis dieser Entscheidung sein (vgl. hierzu auch Estlund 2008, S. 186). Das heißt, dass sich je nach Kontext und Akteuren die Prinzipien und Regeln der Kommunikation unterscheiden und nicht idealtypisch vorgegeben werden können. Damit ergibt sich jedoch auch ein sehr subjektives Bild, was Deliberation bedeutet. Je nachdem in welchem Ausmaß die jeweiligen Kommunikationsregeln von den Teilnehmern schließlich angewendet werden, wird am Ende eine „graduelle Mehr- oder Mindererfüllung der Diskursivität“ erreicht (Bächtiger & Tschentscher 2007, S. 103). Jedoch gilt als Prämisse, dass sich die Teilnehmer soweit als möglich dem Idealtypus der Deliberation annähern sollten („regulatives Ideal“), auch wenn eine

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vollkommene Umsetzung in der Praxis unwahrscheinlich ist (Bächtiger & Tschentscher 2007, S. 101). Dabei zeigt sich außerdem, dass diese Regeln nicht auf Dauer festgelegt sind, sondern kontinuierlich überprüft und durch das Votum der Teilnehmer auch während des deliberativen Diskurses verändert werden können (Gutmann & Thompson 2000, S. 171–173, 2004, S. 6).

8.2.4.1 Bedeutung von Prozessprinzipien Im Folgenden werden die maßgeblichen Prozessprinzipien anhand von vier Kriterien untersucht: Reziprozität, Macht, Öffentlichkeit und Rechenschaft (für eine Begründung siehe Kapitel 8.1). Dabei ist entscheidend, dass die Einhaltung dieser Prinzipien nicht vollkommen gewährleistet werden kann. Vielmehr wirken auch hier institutionelle Rahmenbedingungen darauf ein, inwieweit Stakeholder in der Lage sind, bestimmte Prinzipien wie Reziprozität zu erfüllen. Reziprozität. Reziprozität bedeutet nach der Definition der erweiterten Ansätze, dass die Stakeholder verständlich Argumente vorbringen und eine Begründung für ihr Argument geben. Dies impliziert, dass die Stakeholder Respekt gegenüber den Meinungen der Anderen haben und sich als freie und gleiche Mitglieder einer Gemeinschaft anerkennen (vgl. hierzu Gutmann & Thompson 1996, S. 55–57, 2000, S. 168, 2004, S. 99–100, 141–142). In dieser Arbeit wird vorausgesetzt, dass Stakeholder in Bezug auf rationale Kommunikation und den Umgang miteinander (Respekt) geschult worden sind und diese Prinzipien im Rahmen eines deliberativen Stakeholder Dialogs auch anwenden können (vgl. Kap. 8.2.3.3). Letztendlich obliegt es den Moderatoren darauf zu achten, dass Stakeholder rational argumentieren und sich mit Respekt begegnen. Was die grundsätzliche Rechtfertigung durch das Vorbringen von Argumenten betrifft, so könnte es sein, dass Stakeholder eher rational argumentieren, wenn sie ein Argument unter der Aufsicht der Öffentlichkeit vorbringen müssen (vgl. hierzu Fearon 1998, S. 53–54122). Das könnte bedeuten, dass der Dialog auf Video aufgezeichnet oder mit Livestream im Internet übertragen wird und Argumente dort festgehalten werden. Umgekehrt könnte das allerdings auch dazu führen, dass gerade durch die Kontrolle der Öffentlichkeit Stakeholder dazu tendieren, die stärkste (beliebteste) Meinung zu vertreten, um (sozialen) Druck zu ver-

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Hintergrund der Argumentation von Fearon (1998, S. 53–54) ist, dass Individuen in der Öffentlichkeit nicht dazu neigen, ihr Selbstinteresse zu verfolgen. Denn sie wollen nicht von den anderen Individuen als egoistisch eingestuft werden. Dadurch dass sie die Meinung der Anderen in Betracht ziehen, würde die Idee der Öffentlichkeit gefördert werden. In diesem Sinne würden die Individuen allerdings nicht von sich aus moralisch handeln, sondern weil der Prozess so gestaltet ist.

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hindern (Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 304–305; Mendelberg 2002, S. 159; Sunstein 2002, S. 176). Macht. Neben der Reziprozität ist eine zentrale Forderung der deliberativen Demokratie, dass jede Stimme bzw. Meinung im deliberativen Diskurs gleiches Gewicht hat und Macht als Entscheidungsfaktor neutralisiert werden kann. Die Teilnehmer sollen sich im Diskurs einzig von der Macht des besseren Arguments leiten lassen (Habermas 1999, S. 44). Dennoch weisen Forschungsarbeiten im Bereich der erweiterten Ansätze darauf hin, dass die Macht von Personen den Entscheidungsprozess beeinflussen kann (Young 1997, S. 398–399). Das heißt, es muss untersucht werden, welche Machtposition Stakeholder einnehmen und inwiefern sie diese ausüben können. Die Macht eines Stakeholder könnte durch die unterschiedliche Ausstattung mit Ressourcen (z.B. finanziell), kulturelle Werte oder sozialen Status determiniert werden und so auf seine Glaubwürdigkeit wirken (vgl. hierzu Schaal & Ritzi 2009, S. 14). In der Theorie der deliberativen Demokratie wird hingegen argumentiert, dass gerade die Unterschiede zwischen den Gruppen auch situatives Wissen in den Dialog einbringen könnten (Young 1997, S. 401). Somit können Stakeholder voneinander lernen und ihre Perspektive erweitern. Im unternehmerischen Kontext besteht jedoch die Gefahr, dass die Interessen von Unternehmensvertretern (v.a. Führungskräfte) dominierend sind, insbesondere wenn der Dialog vom Unternehmen selbst initiiert wird. Dabei geht es nicht immer um eine bewusste Machtausübung auf andere Stakeholder, sondern diese kann auch von institutionellen Faktoren abhängen. In Bezug auf das Verhältnis von Mutter- und Tochtergesellschaften in MNU könnte dies bedeuten, dass die Zentrale den Dialog bestimmt, wenn z.B. Beherrschungsverträge vorliegen. Zudem könnte es sein, dass sich externe Stakeholder (z.B. Zulieferer) von der Position des Unternehmens überzeugen lassen, um Aufträge nicht zu verlieren. Dies gilt genauso auch für interne Stakeholder (z.B. Mitarbeiter), da sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Unternehmen stehen. In der Praxis kann nicht abschließend geklärt werden, wie mit der Unterschiedlichkeit von Stakeholdern und einer möglichen Machtausübung umgegangen werden soll, da es davon abhängt, welche Stakeholder aufeinander treffen und wie sie diese Differenzen wahrnehmen. In dieser Hinsicht wäre es die Aufgabe von Moderatoren die Diskussion zu überwachen und dafür Sorge zu tragen, dass Macht nicht ausgeübt wird. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, dass nur institutionalisierte Meinungen im Dialog vertreten werden und zum Beispiel Minderheiten durch NGOs repräsentiert werden. Auf diese Weise würde eine relative Gleichheit der Teilnehmer erreicht werden, da nicht einzelne Individuen institutionalisierten Interessen bzw. dem Unternehmen gegenüberstehen. Jedoch besteht bei der Ein-

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bindung ausschließlich institutionalisierter Interessen wie NGOs und Gewerkschaften auch eine Gefahr. Denn MNU gebrauchen NGOs häufig als Mediatoren, da diese über eine große institutionelle Macht verfügen und somit auch das Image des Unternehmens beeinflussen können. So könnte zum Beispiel in einem Konflikt mit einer lokalen Gemeinschaft nicht die lokale Bevölkerung selbst als legitime Stakeholder Gruppe adressiert werden, sondern NGOs. In diesem Zusammenhang wird auch der Vorwurf laut, NGOs würden sich für unternehmerische Zwecke instrumentalisieren lassen und dienen nicht mehr als Sprachrohr für Stakeholder (Calvano 2008, S. 797). Öffentlichkeit. Die Theorie der deliberativen Demokratie fordert weiterhin, dass ein deliberativer Entscheidungsprozess öffentlich stattfindet (Gutmann & Thompson 1996, S. 95; Habermas 1999, S. vii, 2006a, S. 416, 418). Zudem wird in den erweiterten Ansätzen das Prinzip der Öffentlichkeit um das Kriterium des öffentlichen Zugangs von Informationen erweitert (Gutmann & Thompson 1996, S. 95). Vor dem Hintergrund unternehmerischer Akteure muss das Prinzip der Öffentlichkeit allerdings reformuliert werden. Das heißt es geht nicht darum, dass die Öffentlichkeit am deliberativen Stakeholder Dialog physisch teilnimmt. Vielmehr ist es entscheidend, dass der Entscheidungsprozess und die Ergebnisse öffentlich gemacht werden und auch offen für eine kritische Überprüfung sind. Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass ein schriftlicher Bericht, eine Videoaufzeichnung oder ein Livestream im Internet für die Öffentlichkeit bereitgestellt wird. Vorbild könnten hier die Hauptversammlungen in Deutschland sein, die bereits im Internet für die Aktionäre per Livestream übertragen werden. Auch die Stimmenabgabe im Internet ist möglich (o. A. 2007b). In Bezug auf die deliberativen Stakeholder Dialoge würde ein Livestream auch der öffentlichen Zugänglichkeit von Informationen Rechnung tragen. Allerdings stellt sich die Frage, ob zum Beispiel ein Livestream beinhaltet, dass die Öffentlichkeit auch während des Dialogs eingebunden wird oder ob sie nur als „Zuschauer“ fungiert. Eine tatsächliche Einbindung über das Internet würde ein zwei Ebenen Modell im Sinne von Habermas (1996, S. 298–299) schaffen. Das heißt, Entscheidungen, die auf der formalen Ebene des Unternehmens getroffen werden, sollen durch Interaktion mit der Öffentlichkeit (informale Diskurse im Internet) ergänzt werden. Dies beinhaltet, dass Meinungen aufgenommen und diskutiert werden können. Was den Zugang zu Informationen angeht, so sollten alle Teilnehmer auf den gleichen Stand gebracht werden, in dem zum Beispiel vor dem Dialog eine Informationsmappe verschickt wird (vgl. hierzu auch Susskind et al. 2003, S. 253). Auch soziale Medien könnten hier vermehrt genutzt werden, um zum einen Informationen zu verbreiten und zum anderen über Dialogaktivitäten zu berichten. Dies be-

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stätigen auch empirische Untersuchungen. So zeigt eine Analyse123 von Unternehmen, die auf Twitter über finanzielle Ergebnisse berichten, dass einige dieser Unternehmen Twitter nutzen, um gezielt Feedback über die Berichte zu erhalten (vgl. hierzu Heaps 2009, S. 18–20). Diese Maßnahmen sind im Kontext der unternehmerischen Berichterstattung („Corporate Social Reporting“) zu sehen. Allerdings gibt es bisher keine gesetzliche Verpflichtung für MNU über soziale Verantwortung zu berichten (Hess 2007, S. 455–456). In den letzten Jahren ist aber die Bereitschaft, Sozial- oder Umweltberichte anzufertigen gestiegen. Problem ist, dass diese Berichte häufig nicht vergleichbar sind, da es keinen verbindlichen Standard gibt, der die Form und Art der Berichterstattung regelt. Die GRI erhebt den Anspruch, einen solchen Standard bereitzustellen. Die Beteiligung für MNU ist allerdings freiwillig. Auch die GRI fordert dabei, dass Stakeholder in die Berichterstattung eingebunden werden und dass darüber berichtet wird, wie MNU auf Stakeholder Interessen eingegangen sind (Hess 2008, S. 447, 455–456). Laut Habisch et al. (2010) wird jedoch aufgrund fehlender Bestimmungen eher wenig über Stakeholder Dialoge in diesen Berichten veröffentlicht. Rechenschaft. Das Prinzip der Rechenschaft wird hier in personaler und institutioneller Hinsicht interpretiert. Zum einen betrifft es die Frage, ob Repräsentanten im Stakeholder Dialog rechenschaftspflichtig sind. Zum anderen geht es um den Einsatz von Kontrollmechanismen, um Rechenschaftspflicht zu gewährleisten (Cohen 2002, S. 412; Gutmann & Thompson 2000, S. 169). Was die Rechenschaftspflicht von Personen angeht, so müsste sichergestellt werden, dass Stakeholder Vertreter rechenschaftspflichtig gegenüber ihren Stakeholder Gruppen sind. Auch hier könnten schriftliche Protokolle, Videoaufzeichnungen oder Livestream den Zwang zur Rechenschaft erhöhen, da Argumente für die Öffentlichkeit festgehalten werden. In Bezug auf die Pflicht zur Rechenschaft als Kontrolle ist festzustellen, dass eine unabhängige Prüfung der Sozial- oder Nachhaltigkeitsberichte nicht vorgeschrieben ist. MNU haben aber die Möglichkeit, die Berichte durch die GRI selbst oder durch unabhängige Dritte prüfen zu lassen. Bei Prüfung durch unabhängige Dritte erhält der Bericht hinter dem Berichtsniveau A, B, C dann ein „+“ (GRI 2011). Jedoch ist durch diese Freiwilligkeit der Prüfung die Rechenschaftspflicht im Unternehmen nur eingeschränkt institutionalisiert. Als Vorbild könnte hier möglicherweise das Unternehmen adidas dienen, das auf seiner Homepage einen Bereich „Berichte über Stakeholder Dialoge“ eingerichtet hat. Allerdings handelt es sich hierbei um Dialoge, die mit einer bestimmten Stakeholder Gruppe (z.B. Lieferanten oder Mitarbeiter) geführt werden und ein spezi-

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In der Studie von Heaps (2009) wurden 44 öffentliche Unternehmen untersucht, die Twitter für ihre Investor Relations verwenden. Die Unternehmen wurden u.a. nach der Fortune 500 Liste ausgesucht.

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fisches Problem ansprechen (z.B. Kommunikationssituation zwischen Managern und Mitarbeitern oder Umweltstrategieentwicklung von adidas und Lieferanten) (adidas Group 2005, 2009a, 2009c). Die Berichte sind allerdings eher formlos gestaltet. Hier zeigen sich die fehlenden Vorgaben, die Freiwilligkeit dieser Maßnahmen und die fehlende Überprüfungspflicht. Das heißt, die Berichte spiegeln meistens die subjektive Meinung des MNU wider (Hess 2007, S. 455–456) und erfüllen nur eingeschränkt eine Rechenschaftsfunktion. Trotz dieser Schwierigkeiten wird in dem Anfertigen eines Berichts die Möglichkeit gesehen, Entscheidungsprozesse transparent zu machen und Diejenigen, die nicht beteiligt waren, haben die Gelegenheit, Feedback oder Kritik zu geben. Ähnlich wie MNU heute schon Nachhaltigkeits- oder Sozialberichte veröffentlichen, könnte in diesem Sinne ein Bericht über die deliberativen Stakeholder Dialoge folgen oder auch in einen bestehenden Nachhaltigkeitsbericht integriert werden. Ohne Prüfung durch unabhängige Dritte ist allerdings die Gefahr groß, dass ein zu positives Bild gezeichnet wird. In diesem Kontext könnte es auch eine Möglichkeit sein, unabhängige Dritte als Beobachter zum deliberativen Stakeholder Dialog zuzulassen. Diese Beobachter könnten einen „neutralen“ Bericht schreiben und veröffentlichen.

8.2.4.2 Bedeutung von Inhaltsprinzipien Neben den Prozessprinzipien muss auch die Bedeutung von Inhaltsprinzipien geprüft werden. Dabei ist festzustellen, dass die von Gutmann & Thompson (2000, S. 170; 2004, S. 98–102, 137) vorgeschlagene Integration materialer Rechte in den Prozess der deliberativen Entscheidungsfindung in der Praxis relativiert werden muss. Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass nicht nur der Prozess der Deliberation nach bestimmten Regeln ablaufen sollte, sondern dass auch der Inhalt der Diskussion sich an gewissen (universellen) Standards wie Einhaltung der Menschenrechte, Verbot von Kinderarbeit, Beachtung des Arbeitsschutzes oder Einhaltung von Umweltschutzzielen orientieren sollte (vgl. Kap. 8.2.3.2, Ausführungen zu Hypernormen). Allerdings kann eine zu starke Orientierung an Inhaltsprinzipien auch dazu führen, dass die Notwendigkeit, einen deliberativen Stakeholder Dialog durchzuführen, gegenstandslos wird. Das heißt, wenn sich ein MNU am Grundsatz des Verbots der Kinderarbeit oder der Einhaltung von Umweltschutzzielen, die im Heimatland gelten, orientiert, wird es unter Umständen unmöglich in Ländern wie Bangladesch oder Indien zu produzieren. Gerade in dieser Hinsicht bietet der deliberative Stakeholder Dialog die Möglichkeit, mit allen davon Betroffenen in einen Diskurs zu treten und eine angepasste Vorgehensweise zu finden. Dabei können auch unterschiedliche Wertvorstellungen aus dem Hei-

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mat- und dem Gastland artikuliert und darüber beraten werden, wie diese zu einem Ausgleich gebracht werden können. Dies wird auch als Stärke deliberativer Stakeholder Dialoge gesehen, da nicht auf Basis von vorgefertigten kulturellen Werten geurteilt wird und sie damit unabhängig von diesen durchgeführt werden können. Allerdings muss erwähnt werden, dass eine grundsätzliche Zustimmung zur Demokratie vorliegen muss. Dies ist dadurch begründet, dass moralisch legitime Ergebnisse dadurch erzielt werden, dass der Entscheidungsprozess demokratischen Prinzipien entspricht. Zusammenfassend wird in der vorliegenden Arbeit ein Primat des Prozesses vor dem Inhalt gesehen. Das bedeutet, dass möglichst versucht werden sollte, sich an Prinzipien wie der Wahrung der Menschenrechte zu orientieren, dass es aber gerade im Konfliktfall nicht den einen besten Weg der Lösung gibt. Hier ist es gerade die Chance, mit Hilfe eines deliberativen Stakeholder Dialoges herauszufinden, welches Votum die davon Betroffenen abgeben.

8.2.4.3 Formen der Kommunikation Bereits in den erweiterten Ansätzen der deliberativen Demokratie wurde festgestellt, dass die Mehrheit der Individuen nicht ad hoc rational kommunizieren kann. Deshalb diskutieren diese Forschungsarbeiten eine größere Offenheit der Kommunikation und sprechen sich dafür aus, andere Formen der Kommunikation wie Begrüßung, Erzählung und Rhetorik zuzulassen (Elstub 2010, S. 297; Parkinson 2006, S. 150; Young 2000, S. 59ff.). Gerade diese Offenheit in der Kommunikation soll bedingen, dass nicht nur gut ausgebildete Stakeholder an der Deliberation teilnehmen und ihre Argumente vorbringen, sondern dass dadurch auch Minderheiten die Möglichkeit bekommen, ihre Meinung zu vertreten (Schaal & Ritzi 2009, S. 14). Auf die Unternehmenspraxis übertragen, scheint es schwierig, Kommunikation überhaupt zu definieren und festzulegen, wann etwas als rationales Argument und wann als erzählerisches Element oder Form der Rhetorik gilt. Deswegen wird vorgeschlagen, im Sinne der deliberativen Demokratie, sich soweit als möglich einer rationalen Kommunikation anzunähern und zu versuchen, Emotionen aus den Diskussionen auszublenden. Denn unter Umständen könnten andere Kommunikationsformen wie Rhetorik oder Erzählung wieder zu emotionalen Reaktionen führen und bedingen, dass nicht das bessere Argument entscheidend ist.

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8.2.5

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

Ergebnisse der Dialoge

Nachdem die Prinzipien und Regeln der Kommunikation diskutiert wurden, gilt es als Letztes die Ergebnisse der Dialoge kritisch zu beleuchten. Dazu werden die Konsensorientierung und der Grad der Legitimität untersucht (siehe dazu auch Ausführungen in Kap. 8.1). Der deliberative Stakeholder Dialog sollte idealerweise einen kontinuierlichen Prozess darstellen und nicht als einmaliges oder punktuelles Instrument von MNU genutzt werden (Cohen 1997a, S. 72; Habermas 1996, S. 179f.). Vielmehr bietet er die Möglichkeit, die politische Verantwortungsübernahme von MNU durch das Stakeholder Votum zu begleiten. Das heißt aber auch, dass das Ergebnis eines deliberativen Stakeholder Dialogs nicht für immer gültig ist, sondern als veränderbar angesehen werden sollte. In diesem Kontext ist es wichtig, die im deliberativen Stakeholder Dialog getroffene Entscheidung und ihre Folgen zu beobachten und kontinuierlich zu überprüfen. Außerdem sollte eine Art Feedback bzw. Monitoring-Funktion installiert werden. Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass ein Gremium aus Stakeholder Vertretern eingesetzt wird, um die Implementierung der Entscheidung zu überwachen. Falls im Rahmen dieses Monitoring gezeigt wird, dass die Entscheidung nicht oder nicht mehr angemessen ist oder sollten neue Informationen vorhanden sein, gibt der deliberative Stakeholder Dialog Raum, Entscheidungen nochmals zu diskutieren (Cohen 1997a, S. 72; Gutmann & Thompson 2000, S. 171–173, 2004, S. 6; Habermas 1996, S. 306).

8.2.5.1 Konsensorientierung Was das grundsätzliche Votum des deliberativen Stakeholder Dialogs angeht, so ist die Erreichung eines Konsens in der Praxis nur ein Idealbild, an das sich deliberative Stakeholder Dialoge soweit als möglich annähern sollten. Deswegen sollte nicht zwingend vorgeschrieben werden, dass ein Konsens erreicht werden muss (Susskind et al. 2003, S. 244), auch wenn er als übergeordnetes Leitprinzip gelten sollte. Denn in der Praxis ist es häufig unmöglich, sich auf eine Norm bzw. Entscheidung zu einigen, die allen gerecht wird. In diesem Fall wird die Mehrheitsentscheidung in der deliberativen Demokratie als Möglichkeit angesehen, dennoch moralisch legitime Entscheidungen zu treffen (Cohen 1997a, S. 75, 1998, S. 218; Cohen & Sabel 1997, S. 320–321; Habermas 1996, S. 179, 306). Dabei könnte jedoch die Gefahr bestehen, dass Minderheiten benachteiligt werden bzw. das Unternehmen gezielt die Stakeholder einlädt, die seine Meinung vertreten und somit eine Situation, in der eine Minderheit entsteht, bedingt. Die Kontinuität des deliberativen Prozesses sollte allerdings dafür Sorge tragen, dass sich Mehrheiten auch verändern können.

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In Bezug auf das Entscheidungsverfahren sprechen sich insbesondere die erweiterten Ansätze dafür aus, dass deliberative Prozesse durch Entscheidungsprozeduren wie Wahl oder Verhandlung (Bargaining) ergänzt werden können und trotzdem legitime Entscheidungen hervorbringen (Mansbridge et al. 2010, S. 75). Dies erscheint auch im unternehmerischen Kontext als realistisch. Dabei wird hier allerdings die Wahl als Entscheidungsverfahren kritisch gesehen. Gründe liegen vor allem darin, dass die Wahl eine private Handlung darstellt und damit die Gefahr groß ist, dass Individuen strategische Interessen verfolgen und aus Selbstinteresse handeln. Dem wird entgegengewirkt, wenn die Pflicht herrscht, Argumente öffentlich und rational zu rechtfertigen bzw. öffentlich abzustimmen (vgl. hier u.a. Fearon 1998, S. 52–53). Insbesondere die Verhandlung stellt für die erweiterten Ansätze eine Möglichkeit dar, eine Art der abgeschwächten Deliberation durchzuführen und am Ende zum Beispiel einen Kompromiss zu erzielen (Mansbridge et al. 2010, S. 66, 75). Das heißt, Verhandlung und Deliberation können nebeneinander bestehen. Es sei darauf hingewiesen, dass mit der Integration der Verhandlung in die Deliberation, entgegen der klassischen Sichtweise argumentiert wird. Denn Habermas (1996, S. 165–167) sieht die Verhandlung nur als legitim an, wenn kein universelles Interesse besteht. Im Folgenden wird die Relevanz der Verhandlung aber für universelle politische Entscheidungen von MNU betont. Denn im Kontext hierarchischer Organisationsstrukturen scheint die Verhandlung als einfacher umsetzbar. Dennoch weisen Bächtiger & Tschentscher (2007) auf die Bedeutung der Deliberation hin: „Deliberation kann dabei insbesondere in der Problemlösungsphase eine wichtige Rolle spielen: sie kann beitragen, dass Akteure erfolgreich mit unterschiedlichen Situationsdefinitionen, kognitiven Problemen, Prinzipien der Konfliktlösung (z.B. ), sowie mit Fairnessund Gerechtigkeitsstandards umgehen […].“ (Bächtiger & Tschentscher 2007, S. 107) Auf MNU übertragen könnte das bedeuten, dass zunächst angestrebt werden sollte, über das Problem zu deliberieren. Sollte sich herausstellen, dass dies nicht umsetzbar ist und zu keinem Ergebnis führt, müssten die Teilnehmer, zum Beispiel auf Initiative der Moderatoren, darüber entscheiden, ob sie in Verhandlungen treten wollen, die an weniger strikte Regeln gebunden sind. Damit würden allerdings auch Machtaspekte wieder ein größeres Gewicht bekommen. Am Ende sind vielleicht nicht alle Teilnehmer aus denselben Gründen von einer Entscheidung überzeugt, können sich aber dennoch auf eine Handlungsweise einigen (Gutmann & Thompson 1996, S. 43; Mansbridge et al. 2010, S. 69). Die verschiedenen Formen der Verhandlung (vgl. Kap. 7.1.4), können hier nicht angewendet werden, da auch eine Aussage getroffen wird, aus welchen Gründen Individuen einer Handlungs-

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option zustimmen. Dies kann allerdings in der Praxis (empirisch) nicht festgestellt werden. Neben Konsens, Mehrheitsentscheidungen und Kompromiss ist auch die Möglichkeit des Dissens zu diskutieren (Habermas 1996, S. 25; Young 2000, S. 24). In diesem Fall muss überlegt werden, ob die Entscheidungsfindung nicht in die Hierarchie des MNU abgegeben werden muss. Dies begründet sich daraus, dass keine Entscheidung vorliegen zu haben, für Unternehmen eine Situation der Unsicherheit generiert und unter Umständen wiederum finanzielle Verluste (z.B. in Form von Marktanteilen oder Umsatz) bedeuten könnte. In dieser Hinsicht könnte auch die Möglichkeit bestehen, durch eine Teilhabe in Multi-Stakeholder Initiativen eine moralisch legitime Handlungsgrundlage zu erreichen. Hier haben MNU die Gelegenheit, mit anderen betroffenen Stakeholdern zu diskutieren und ihre Perspektive auf das Problem zu erweitern. Vor allem könnte auf bewährte Handlungsoptionen (Best Practice) zurückgegriffen werden, die schon bei anderen Stakeholdern erfolgreich waren.

8.2.5.2 Grad der Legitimität Die Frage nach der Legitimität einer Entscheidung kann adressiert werden, wenn deliberative Erkenntnisse mit der Konzeption von Legitimität nach Suchman kombiniert werden. Dabei definiert Suchman moralische Legitimität als Beurteilung der unternehmerischen Handlung durch die Anspruchsgruppen hinsichtlich der Vereinbarkeit mit ihrem sozialen Wertegefüge. Vor diesem Hintergrund entscheiden Stakeholder, ob Handlungen als richtig oder falsch wahrgenommen werden (vgl. dazu Suchman 1995, S. 579). In dieser Definition wird allerdings nichts darüber ausgesagt, wie die Anspruchsgruppen darüber urteilen müssen, das heißt, welche Form der Entscheidungsfindung vorliegt. Allerdings weist Suchman auch auf die Möglichkeit des Dialogs hin (Suchman 1995, S. 585). Mit Hilfe der Theorie der deliberativen Demokratie kann die Form dieses Dialoges spezifiziert werden. Außerdem können in Anlehnung an Dryzek (2001, S. 661), der davon ausgeht, dass es verschiedene Stufen von Legitimität gibt, je nachdem, inwieweit der Entscheidungsprozess deliberativen Kriterien entspricht, zwei Grade von moralischer Legitimität unterschieden werden: absolute und relative moralische Legitimität. Absolute moralische Legitimität könnte demnach nur erreicht werden, wenn alle Stakeholder im Dialog einen Konsens finden könnten (Cohen 1997a, S. 72–75; Habermas 1996, S. 110, 161–162). Entscheidungen, die auf Basis der Mehrheitsregel getroffen werden, würden demnach relative moralische Legitimität besitzen, da sich die Teilnehmer nicht auf eine Entscheidung einigen konnten, die für alle rational nachvollziehbar ist und somit die Meinung der Mehrheit akzeptiert

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wird (Cohen 1997a, S. 75, 1998, S. 218; Cohen & Sabel 1997, S. 320–321; Habermas 1996, S. 179, 306). Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern moralische Legitimität erreicht werden kann, wenn Deliberation mit Verhandlung kombiniert wird. Zwar ist der Prozess demokratischer als wenn eine reine Verhandlung durchgeführt werden würde (Primat der Demokratie vor der Philosophie), dennoch ist unklar, inwieweit dies zu moralischen Entscheidungen führen kann, da Machtaspekte eine Rolle spielen. Haben sich allerdings die Teilnehmer des deliberativen Stakeholder Dialogs im Vorhinein darauf geeinigt, dass die Verhandlung eine mögliche Kommunikationsform darstellt, falls deliberative Kriterien nicht erfüllt werden können, würde auch eine Verhandlungslösung als moralisch legitim gelten. Ähnlich wie bei der Mehrheitsentscheidung würde allerdings nur eine relative moralische Legitimität entstehen.

8.2.6

Fallbeispiele

Im Folgenden wird der entwickelte konzeptionelle Ansatz auf die in Kapitel 2.3.2 betrachteten MNU, Google und BP, angewendet. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass nicht für jedes Kriterium innerhalb der fünf Bausteine eine Anwendung auf die Fallbeispiele sinnvoll ist. Dies wird vor allem dadurch bedingt, dass sowohl Google (Selbstzensur in China) als auch BP (Ölkatastrophe am Golf von Mexiko) reaktiv gehandelt haben und weder im Vorfeld noch während der Krisen die Einbindung von Stakeholdern gesucht haben. Deswegen kann an dieser Stelle nur getestet werden, ob die Voraussetzungen für deliberative Stakeholder Dialoge (Analyse der Anspruchsgrundlage und der Anspruchsgruppen) erfüllt gewesen wären. Dies betrifft auch in Teilen die institutionellen Rahmenbedingungen, da anhand der Unternehmenskultur gezeigt werden kann, ob bei diesen Unternehmen grundsätzlich die Möglichkeit zur Deliberation gegeben wäre. Da jedoch kein deliberativer Stakeholder Dialog durchgeführt wurde, gelten in Bezug auf die strukturellen und personellen Kriterien die in Kap. 8.2.3.2 sowie 8.2.3.3 getroffenen Aussagen. Auch eine Betrachtung der Prinzipien und Regeln der Kommunikation erscheint vor diesem Hintergrund zunächst nicht zielführend. Dennoch wird an dieser Stelle die Bedeutung inhaltlicher Prinzipien untersucht, da am Beispiel Google und BP gezeigt werden kann, inwiefern eine Orientierung an inhaltlichen Prinzipien in der Praxis tatsächlich möglich wäre. Dabei wird auch gleichzeitig darauf hingewiesen, wo die Stärken eines prozessorientierten (deliberativen) Ansatzes liegen. In Bezug auf die Prozessprinzipien und die Formen der Kommunikation sind hingegen die Ausführungen in Kap. 8.2.4.1 sowie 8.2.4.3 maßgeblich. In diesem Sinne wird auch eine Betrachtung der Ergebnisse der Dialoge ausgeklammert, da sich die Aussagen nicht wesentlich von Kap. 8.2.5 unterscheiden würden.

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8.2.6.1 Selbstzensur von Google in China Analyse der Anspruchsgrundlage Google wurde vorgeworfen durch seine Tätigkeit in China die Meinungsfreiheit beschränkt zu haben, indem es seine Inhalte freiwillig einer Zensur unterworfen hat (vgl. Kap. 2.3.2.1). Dabei ist zu klären, inwieweit Google durch sein Handeln einen moralischen Anspruch adressiert hat. Zunächst muss allerdings die Frage gestellt werden, ob nicht bereits aus gesetzlichen Regelungen eine Handlungsorientierung für Google abgeleitet werden könnte: Nationales Recht China In der chinesischen Verfassung ist formal die Wahrung der Menschenrechte als Grundrecht festgeschrieben sowie damit einhergehend auch die Freiheit der Meinungsäußerung (Dann & Haddow 2009, S. 221–222). Faktisch wird diese aber von der Regierung missachtet und Verstöße von Seiten der Bevölkerung werden geahndet (Köckritz 2010; o. A. 2009a). Nationales Recht USA Die Verfassung der USA sieht vor, dass jeder Bürger der USA das Recht auf Meinungsäußerung ausüben darf und dieses Recht nicht durch den Staat beschränkt werden darf (1. Zusatz der US-amerikanischen Verfassung – Bill of Rights) (o. A. 1787). Sowohl die chinesische als auch die US-amerikanische Verfassung beziehen sich auf die Rechte von Individuen und die Rechte von Staaten. Insofern bieten sie keine Handlungsgrundlage für unternehmerische Akteure. Internationale Rechtsprechung Im Fall von MNU könnte eventuell auf internationale Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Hier wäre zum Beispiel auf die Erklärung der allgemeinen Menschenrechte durch die UN zu verweisen. Art. 19 der UN Menschenrechtscharta garantiert das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Freiheit, Informationen zu suchen und Meinungen über die Medien zu verbreiten (UN 1948). Allerdings unterzeichnen Staaten diese Erklärung, weshalb auch hier eine Geltung für Unternehmen zunächst nicht zutreffend erscheint (Brenkert 2009, S. 455). Daneben gibt es noch die so genannten „Norms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to human rights“, die vom Wirtschafts- und Sozialrat der UN herausgegeben wurden (Dann & Haddow

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2009, S. 222f.; Nowrot 2003, S. 5). Diese Normen richten sich an wirtschaftliche Akteure und gelten als Operationalisierung der Erklärung der allgemeinen Menschenrechte (Leipziger 2010, S. 155). Dennoch sind sie ebenso wie der von den Vereinten Nationen gegründete UNGC als soft law Regelungen einzustufen (Nowrot 2003, S. 22; Palazzo & Scherer 2010, S. 236). Während die Normen einen detaillierten Verhaltenskodex darstellen, den MNU befolgen können, formuliert der UNGC übergeordnete Leitprinzipien für die Wirtschaftstätigkeit (vgl. hier auch McIntosh et al. 2003, S. 99). So beinhaltet der UNGC auch zwei Prinzipien zum Umgang mit Menschenrechten: „Principle 1: Businesses should support and respect the protection of internationally proclaimed human rights; and Principle 2: make sure that they are not complicit in human rights abuses.“ (UNGC 2011k) Jedoch ist aufgrund der soft law Orientierung keine Kontrolle und Sanktionierung gegeben, was zur Folge hat, dass weder die Normen noch der UNGC eine legale Verbindlichkeit für MNU besitzen. Zudem ist Google nicht Mitglied beim UNGC. Aus diesen Erkenntnissen kann abgeleitet werden, dass für Google keine eindeutigen gesetzlichen Regelungen bestehen und somit eine Situation der Unsicherheit entsteht. Deshalb ist die Frage zu klären, ob ein moralischer Anspruch besteht, der mit Hilfe eines deliberativen Stakeholder Dialogs adressiert werden sollte. Dabei könnte argumentiert werden, dass Google zunächst einen pragmatischen Anspruch (Versorgung der chinesischen Bevölkerung mit Internetdienstleistungen) adressiert hat. Dieser hat sich allerdings in einen ethisch-politischen Anspruch an das MNU gewandelt, da Google damit auch gleichzeitig definiert hat, wie mit Menschenrechten in China umgegangen wird. Die Entscheidung, die Meinungsfreiheit mit der Zensur zu beschränken, wurde allerdings ohne die Zustimmung der Stakeholder getroffen. In Folge dessen hat das Verhalten von Google eine verstärkte Diskussion des Konflikts in der internationalen Öffentlichkeit ausgelöst, was einen moralischen Anspruch an das Unternehmen begründet. Im Falle eines moralischen Anspruchs sollte ein deliberativer Stakeholder Dialog durchgeführt werden, um über das Verhalten von Google zu beraten und mit allen von der Situation Betroffenen zu entscheiden, nach welchen Normen sich das Handeln richten sollte. Dies ist insbesondere notwendig, da im Heimat- und im Gastland unterschiedliche Interpretationen des Schutzes der Menschenrechte vorliegen und somit ein moralischer Normenkonflikt entsteht. Die (konfligierenden) moralischen Normen könnten mit Hilfe eines deliberativen Stakeholder Dialogs auf ihre Legitimität überprüft werden. Auch könnte die Durchführung eines deliberativen Stakeholder Dialogs dazu beitragen, ein legitimes Stakeholder Votum darüber zu erreichen, wie Google künftig mit Menschenrechten umgehen sollte.

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

Analyse der Anspruchsgruppen Da gezeigt wurde, dass ein moralischer Anspruch an Google vorliegt, hätten in einem nächsten Schritt die Anspruchsgruppen analysiert werden müssen. Dies betrifft zum einen die Identifikation der Anspruchsgruppen, zum anderen die Frage nach dem Zugang für Stakeholder und nach einer möglichen Repräsentation von Ansprüchen. Im Fall von Google werden die Aspekte Zugang und Repräsentation gemeinsam behandelt, da die Frage, ob Anspruchsgruppen repräsentiert werden können davon abhängt, inwiefern diese Anspruchsgruppen tatsächlich Zugang zum Stakeholder Dialog haben. Identifikation Was die Identifikation der Anspruchsgruppen angeht, so hätten beispielsweise die chinesische Bevölkerung (Kundenperspektive), das chinesische Regime (Lizenzgeber) und kritische Gruppen aus China mit Google aus den USA in einen Dialog eintreten müssen. Auch hätten internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch, die auch in China aktiv sind, eingeladen werden müssen. Zugang und Repräsentation Hinsichtlich des Zugangs ergibt sich aus praktischer Sicht die Schwierigkeit, Vertreter der Regierung und Dissidenten, zumal die Mehrheit im Gefängnis sitzt, in einen Dialog einzubinden (vgl. u.a. o. A. 2009b). Weiterhin muss angemerkt werden, dass Vertreter der chinesischen Bevölkerung vermutlich nicht teilnehmen werden, da diese Angst vor Sanktionen der Regierung haben. Auch besteht in China keine ausgeprägte Dialogkultur in Unternehmen wie in europäischen Ländern, was Unsicherheit oder Ablehnung in Bezug auf die Durchführung deliberativer Stakeholder Dialoge hervorrufen könnte (vgl. dazu auch Crane & Matten 2010, S. 26–30). In diesem Sinne schränken die kulturellen Gegebenheiten und das institutionelle Umfeld (durch den Staat geschaffen) den Zugang ein. Vor diesem Hintergrund wäre es schwierig für Google, in China einen deliberativen Stakeholder Dialog durchzuführen. Ursache dafür ist vor allem, dass Stakeholder Gruppen in China, vor allem die chinesische Regierung, demokratische Werte nicht teilen. In diesem Fall könnte beispielsweise ein Stakeholder Dialog ohne die chinesische Regierung durchgeführt werden oder der Anspruch wird in einer Art Rollenspiel durch einen anderen Akteur vertreten. Denn in der deliberativen Demokratie geht es nicht darum, alle Prinzipien gleichermaßen zu erfüllen. In dieser Hinsicht würde der Primat der Demokratie vor der Philosophie gelten.

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Das heißt, wenn Google zumindest versucht, die Stakeholder in seine Entscheidung einzubinden, hat es die Möglichkeit, ein legitimeres Ergebnis zu erzielen als wenn in der Hierarchie des Unternehmens entschieden wird, ob und wie die politische Verantwortung wahrgenommen wird (vgl. hierzu auch Elster 1997, S. 14). Institutionelle Rahmenbindungen In Bezug auf institutionelle Rahmenbedingungen kann hier nur eine Aussage hinsichtlich der Unternehmenskultur gemacht werden, da diese Auskunft darüber gibt, ob die Durchführung eines deliberativen Stakeholder Dialogs in das Selbstverständnis des Unternehmens passen würde. Unternehmenskultur Nach den Informationen auf der Homepage handelt es sich bei der Unternehmenskultur von Google um eine offene und informelle Kultur. Das heißt, es gibt flache Hierarchien und die Mitarbeiter sind dazu aufgefordert, miteinander, aber auch mit der Unternehmensführung zu kommunizieren (Google 2011). Daneben setzt das Unternehmen auf Kreativität und Innovation. Dies spiegelt sich unter anderem in Googles Firmengebäude wider, das mit viel Glas gestaltet ist und an einen Universitätscampus erinnert. Die Kreativität der Mitarbeiter wird insbesondere dadurch gefördert, dass sie 20 Prozent ihrer Arbeitszeit darauf verwenden dürfen, eigene Ideen zu entwickeln. Außerdem gibt es für die Mitarbeiter Sportmöglichkeiten auf dem Firmengelände sowie eine Kinderbetreuung. Einen weiteren zentralen Wert nimmt bei Google die Transparenz ein. Das bedeutet zum Beispiel, dass sich jeder Mitarbeiter über alle Daten und Projekte von Google informieren kann (Kehaulani Goo 2006; o. A. 2008). Diese Aussagen würden darauf schließen lassen, dass Google Wert auf Gemeinschaft und ein Zusammengehörigkeitsgefühl legt und somit auch die Kommunikation mit externen Stakeholdern in diese Unternehmensphilosophie passen würde. Auch der Anspruch der Transparenz könnte nach außen erfüllt werden, wenn Google Stakeholder in Unternehmensentscheidungen einbindet.

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

Prinzipien und Regeln der Kommunikation Da Google keinen deliberativen Stakeholder Dialog durchgeführt hat, kann in Bezug auf die Prinzipien und Regeln der Kommunikation lediglich untersucht werden, ob sich der Dialog an inhaltlichen Prinzipien hätte orientieren können. Bedeutung von Inhaltsprinzipien Auf den Fall von Google übertragen könnte das inhaltliche Prinzip des Schutzes der Menschenrechte gelten, obwohl es eigentlich auf Staaten angewendet wird. Das heißt, wäre im Vorfeld der Tätigkeit von Google in China ein deliberativer Stakeholder Dialog durchgeführt worden, der sich an Inhalten orientiert, wäre er vermutlich zu dem Ergebnis gekommen, dass Google mit der Selbstzensur die freie Meinungsäußerung einschränkt (vgl. Art. 19 der UN Menschenrechtscharta; UN 1948) und dies gegen den Schutz der Menschenrechte verstößt. Im Unterschied dazu könnte ein auf den Prozess orientierter Stakeholder Dialog auch zu dem Ergebnis kommen, dass Google die Menschenrechte verletzen kann, wenn alle Betroffenen dem zustimmen. Allerdings könnten auch Wege und Möglichkeiten aufgezeigt werden, den Schutz der Menschenrechte einzuhalten und trotzdem die ökonomische Tätigkeit in China aufrechtzuerhalten oder auch Anpassungen diskutiert werden, wann eine Abweichung vom Schutz der Menschenrechte zulässig ist.

8.2.6.2 Deepwater Horizon Umweltkatastrophe bei BP Analyse der Anspruchsgrundlage Ähnlich wie bei Google gilt es nun auch bei BP zu klären, inwieweit durch die Ölkatastrophe (vgl. Kap. 2.3.2.2) ein moralischer Anspruch an das Unternehmen besteht, der einer moralischen Legitimation bedarf. Zunächst muss allerdings geprüft werden, ob der Konzern möglicherweise gegen Gesetze verstoßen hat und strafrechtlich zu verfolgen ist (Haase 2010, S. 25; o. A. 2010k). Bisher werden zivilrechtliche Schadensersatzklagen auf Basis des Rico Acts124 sowie des so genannten Oil Pollution Acts an BP gerichtet. Der Vorwurf, der nach dem Rico Act geltend gemacht wird, lautet, dass BP und Transocean den Behörden gefälschte Dokumente vorgelegt sowie Investoren getäuscht und Regierungsbeamte bestochen haben. Sollten diese Klagen Erfolg haben, könnte dies eine Verdreifachung der Schadensersatzzahlungen für BP bedeuten. Häufig ziehen Klagen 124

Der Rico-Act heißt eigentlich „Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act“ und richtet sich gegen kriminelle und korrupte Organisationen (o. A. 2010i).

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nach dem Rico Act auch eine strafrechtliche Verfolgung nach sich (o. A. 2010i). Auf Basis des Oil Pollution Acts könnte hingegen Schadensersatz für entstandene Umweltschäden, Schäden an Besitz oder Eigentum sowie Schäden durch entgangenen Verdienst oder Gewinn gefordert werden (Sturman 2010). Über die eingereichten Klagen wurde bisher noch nicht entschieden. Nachdem noch unklar ist, ob aus gesetzlicher Perspektive ein Fehlverhalten und eine Verantwortung gerechtfertigt werden kann, ist zu klären, inwiefern ein moralischer Anspruch durch das Handeln von BP besteht. Denn BP hat laut Medienberichten strategisch ein Eigeninteresse verfolgt und bewusst Risiken einer nicht ausreichend getesteten Bohrtechnik in Kauf genommen, um seine ökonomische Tätigkeit fortzusetzen (Esterhazy, Wildhagen & Henry 2010, S. 51). Mit der Betreibung der Plattform wird zunächst ein pragmatischer Anspruch an das Unternehmen gestellt, da BP eine Versorgungsleistung (Energie) für die USamerikanische Bevölkerung übernommen hat. In Folge der Ölkatastrophe hat sich dieser Anspruch zu einem ethisch-politischen Anspruch gewandelt. Denn durch das Handeln von BP ist ein Schaden entstanden (Ölverschmutzung am Golf von Mexiko), der zunächst eine bestimmte Region (Bundesstaat Louisiana) betrifft. Damit ist BP in der Pflicht, diesen Schaden zu beheben. Diese Verantwortung besteht aus dem Haftungsmodell (Liability Model) (vgl. Kap. 2.3.1.1). In Folge der Verschmutzung des öffentlichen Guts Umwelt (Lebensraum Meer) wurde außerdem eine öffentliche und globale Debatte über den Umgang mit Ölplattformen im Meer ausgelöst. In dieser Hinsicht kann argumentiert werden, dass ein moralischer Anspruch an Ölkonzerne wie BP herangetragen wird und BP eine politische Verantwortung (den Lebensraum Meer nicht zu verschmutzen) gegenüber der globalen Gemeinschaft zu erfüllen hätte. Die politische Verantwortung, die BP übernehmen müsste, ist wie bei Google eng an die ökonomische Tätigkeit geknüpft. So stammen etwa ein Viertel der Öl- und Gasproduktion von BP aus den USA und der britische Konzern erwirtschaftet dort ein Drittel seines Umsatzes (Werner 2010b). Aus deliberativer Perspektive kann in diesem Fall nicht argumentiert werden, dass die Ölkatastrophe mit Hilfe eines deliberativen Stakeholder Dialogs zwingend zu verhindern gewesen wäre. Dennoch hätte die Möglichkeit bestanden, im Vorfeld des Einsatzes der als riskant eingestuften Bohrtechnik, einen deliberativen Stakeholder Dialog durchzuführen. Dies wäre im Sinne einer proaktiven Vorgehensweise und möglichen Konfliktprävention, zu sehen. Auf diese Weise hätten Risiken besprochen sowie die Verantwortung und mögliche Folgen für die (globale) Umwelt diskutiert werden können (vgl. hierzu auch Haase 2010, S. 25). Im deliberativen Stakeholder Dialog hätten die konfligierenden Normen artikuliert und dann abgewägt werden müssen, ob die wirtschaftlichen Interessen (pragmatischer Anspruch) oder die umweltpolitischen (moralischer Anspruch) höher zu gewichten

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

sind. Darüber hinaus wäre insbesondere bei der Handhabung der Ölkatastrophe eine Konfliktlösung mit Hilfe eines deliberativen Stakeholder Dialogs notwendig gewesen, um die moralische Legitimität von BP zu sichern. Mit Hilfe der Einbindung aller Betroffenen in die Entscheidungsprozesse des Unternehmens hätten zunächst relevante Informationen sowohl auf Unternehmens- als auch auf Stakeholder Seite aufgedeckt werden können. Zudem hätte BP die Möglichkeit gehabt, den Ansprüchen der Stakeholder proaktiv zu begegnen und den Konflikt besser zu regeln. Außerdem hätten unter Umständen Schadensersatzklagen verhindert oder gemindert werden können (vgl. hierzu Haase 2010, S. 25). Analyse der Anspruchsgruppen Da auch in Bezug auf BP festgestellt wurde, dass ein moralischer Anspruch besteht, muss im Folgenden die Frage beantwortet werden, wer die betroffenen Stakeholder sind und inwiefern diese Zugang zu einem Stakeholder Dialog haben bzw. es möglich ist, dass Ansprüche von Vertretern vorgebracht werden. Identifikation Laut seiner Homepage hat BP generell folgende Gruppen als Stakeholder identifiziert: Lokale Gemeinschaft, unabhängige Berater, Kunden, Mitarbeiter, Shareholder, Zulieferer, Regierungen und Branchenverbände sowie NGOs und andere zivile Organisationen (BP 2011a). Insbesondere in Folge der Umweltkatastrophe werden auch bisherige Nicht-Stakeholder zu Stakeholdern des Unternehmens. Dies betrifft etwa Fischer, Hoteliers oder Anwohner, die auch in einen deliberativen Stakeholder Dialog hätten eingebunden werden müssen (Ruch, Werner & Muscat 2010). Zudem ist durch den Eingriff in den Lebensraum Meer auch die internationale Öffentlichkeit betroffen. Zugang Angesichts unvollkommener Information kann BP schwierig überblicken, welche Gruppen durch die Umweltkatastrophe und mögliche Folgen tatsächlich betroffen sind und einen Anspruch an das Unternehmen haben. Da es für BP praktisch nicht umsetzbar ist, alle betroffenen Stakeholder Gruppen zu identifizieren, müsste der Stakeholder Dialog demnach grundsätzlich für alle Betroffenen offen sein.

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Repräsentation Da es sich um eine Vielzahl von betroffenen Gruppen handelt, müsste allerdings dafür Sorge getragen werden, dass Repräsentanten in den Dialog geschickt werden, die Gruppen wie Hoteliers, Fischer etc. vertreten. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die einzelnen Stakeholder zu Gruppen organisieren können und dementsprechend Vertreter auswählen. Ein weiteres Problem in Bezug auf BP stellt die Vertretung der Ansprüche der Umwelt bzw. des Meeres dar, die nicht als Person auftreten können (vgl. hierzu u.a. Crane & Matten 2010, S. 444; Driver & Thompson 2002, S. 125). In diesem Fall ist zu klären, ob die US-amerikanische Regierung diesen Anspruch vertritt oder unter Umständen eine NGO wie Greenpeace bestimmt wird. Das heißt, die Möglichkeit, einen deliberativen Stakeholder Dialog durchzuführen, hängt wesentlich davon ab, ob es gelingt, einen Stellvertreter Dialog zu organisieren. Institutionelle Rahmenbindungen Analog zu Google soll im Folgenden gezeigt werden, ob die Unternehmenskultur offen für deliberative Stakeholder Dialoge wäre. Unternehmenskultur BP bezeichnet sich selbst auf seiner Homepage als „fortschrittlich, verantwortungsbewusst, innovativ und leistungsorientiert“ (BP 2011b). Insbesondere im Bereich „verantwortlich“ thematisiert BP die Sicherheit interner und externer Stakeholder und den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt. Auch Mitarbeiter sehen das Unternehmen (vor der Katastrophe) als sozial verantwortlichen und umweltfreundlichen Akteur, der Wert auf Sicherheit am Arbeitsplatz legt (Jungclaussen 2010). Sichtbar wird dieser Anspruch in sozial- und umweltpolitischen Maßnahmen, zu denen unter anderem auch der Dialog mit Stakeholdern gehört (BP 2011a). Aufgrund dieser Aussagen kann davon ausgegangen werden, dass BP bereits Erfahrung mit Stakeholder Dialogen hat. Damit wäre es auch möglich gewesen, im Vorfeld der Ölbohrungen auf der Deepwater Horizon sowie während der Ölkatastrophe Stakeholder in Unternehmensentscheidungen einzubinden.

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Prinzipien und Regeln der Kommunikation Hinsichtlich der Prinzipien und Regeln der Kommunikation soll abschließend geklärt werden, ob Inhaltsprinzipien für einen deliberativen Stakeholder Dialog bei BP maßgebend sein können. Bedeutung von Inhaltsprinzipien Im Vorfeld der Ölbohrungen am Golf von Mexiko könnte als inhaltliches Prinzip der Umweltschutz herangezogen werden. Das heißt, es geht um die grundsätzliche Frage, wie BP mit der Umwelt und möglichen Umweltverschmutzungen umgeht, die in Folge seiner wirtschaftlichen Tätigkeit entstehen könnten. In diesem Fall bietet der deliberative Stakeholder Dialog die Möglichkeit, gemeinsam mit den betroffenen Stakeholdern zu diskutieren und zu entscheiden, wie BP seine Verantwortung gegenüber der Umwelt wahrnehmen kann. Dabei besteht die Möglichkeit, den Umweltschutz oder die wirtschaftliche Tätigkeit höher zu gewichten. Daneben könnte ein deliberativer Stakeholder Dialog auch aufzuzeigen, wie BP die Umwelt schützen und gleichzeitig eine ökonomische Versorgungsfunktion (Energie) übernehmen kann. In jedem Fall ist die Einbindung der betroffenen Stakeholder in den Entscheidungsprozess essentiell, um die moralische Legitimität zu erhalten. Nach der Ölkatastrophe ist eine Orientierung an Prinzipien wie dem Umweltschutz nicht möglich, da bereits eine Umweltverschmutzung stattgefunden hat. An dieser Stelle hätte der deliberative Stakeholder Dialog Möglichkeit geboten, proaktiv BP’s Verantwortung zu adressieren und mit Stakeholdern nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen.

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8.3

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Deliberative Stakeholder Dialoge auf institutioneller Ebene: Dargestellt am Beispiel des United Nations Global Compact und des Forest Stewardship Council

In jüngster Zeit sind auf globaler Ebene eine Reihe von Multi-Stakeholder Netzwerken entstanden. Die wichtigsten dieser Initiativen sind auch unter dem Begriff der „Globalen Acht“ bekannt. Zu ihnen gehören u.a. der UNGC, SA 8000, AA1000, die ISO 14000 Serie sowie die GRI (McIntosh 200, S. 98–99). MNU sind häufig die zentrale Anspruchsgruppe in diesen Initiativen und arbeiten gemeinsam mit wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Stakeholdern an der Formulierung und Implementierung von globalen Normen für die Wirtschaftstätigkeit. Damit beteiligen sich MNU an Governance-Prozessen und nehmen eine politische Verantwortung wahr. Analog zur Übernahme politischer Verantwortung auf der Unternehmensebene ist es auch auf der institutionellen Ebene notwendig, diese moralisch zu legitimieren. Dabei kann eine Aussage über die moralische Legitimität nur getroffen werden, wenn untersucht wird, ob die Entscheidungsstrukturen und -prozesse in diesen Multi-Stakeholder Netzwerken nach deliberativem Vorbild gestaltet sind125: „Thus, it becomes a question of designing appropriate global governance institutions and of transforming existing institutions into discourse arenas that ultimately decide whether the legitimacy of global governance can be increased through deliberation.“ (Risse 2004, S. 313) Im Rahmen dieser Arbeit werden für die Analyse und Bewertung deliberativer Stakeholder Dialoge auf institutioneller Ebene zwei Initiativen herausgegriffen. Zum einen der UNGC beispielhaft für eine prinzipienorientierte Initiative und zum anderen der FSC als Beispiel für einen Standard. Dabei gilt es zu beachten, dass der FSC bisher nicht zu den globalen Acht gezählt wird. Die Idee, einen UNGC zu gründen, wurde erstmals 1999 in einer Rede des ehemaligen UN Generalsekretärs Kofi Annan auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos aufgegriffen. Ein Jahr später (2000) wurde die Initiative gestartet. Der UNGC formuliert globale Leitlinien in den Bereichen Menschen- und Arbeitnehmerrechte, Umwelt sowie Korruption (Kell 2005, S. 69; UNGC 2011k). Es wird eine Vielzahl von wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Akteuren eingebunden, wobei

125

An dieser Stelle wird nicht betrachtet, inwiefern die Vorgaben und Regeln dieser Initiativen die Umsetzung deliberativer Kriterien bei ihren Stakeholdern einfordern (vgl. dazu Kap. 4.3.3.2).

252

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

MNU als zentrale Anspruchsgruppe wahrgenommen werden. Im Unterschied dazu ist der 1993 gegründete FSC nur auf ein Politikfeld spezialisiert. Der FSC ist eine nicht staatliche Initiative zum verantwortungsvollen Management der Wälder und der Ressource Holz mit dem Ziel, zum Erhalt der Biodiversität beizutragen. Er stellt damit eine fallspezifische Initiative dar, da nur ein bestimmtes Politikfeld (verantwortungsvoller Umgang mit dem Wald) mit Hilfe globaler Regelungen adressiert werden soll. Hierzu bindet der FSC eine Vielzahl an wirtschaftlichen sowie nicht wirtschaftlichen Akteuren ein (Gulbrandsen 2004, S. 84; Pattberg 2006, S. 246; Schepers 2010, S. 283). Beide Initiativen wurden für die Analyse ausgewählt, da sie erstens in der Literatur als die am weitesten entwickelten politischen Institutionen auf institutioneller Ebene verstanden werden, die MNU mit anderen Anspruchsgruppen zusammenbringen und damit die Entwicklung nachhaltiger Unternehmenstätigkeit fördern (Gilbert 2010, S. 340; Gilbert & Behnam 2009, S. 225; Scherer & Palazzo 2007, S. 1110). Zudem weisen einige Forschungsarbeiten auf bereits institutionalisierte deliberative Entscheidungsstrukturen in diesen Initiativen hin (Roloff 2008; Scherer & Palazzo 2007). Zweitens beruhen diese Initiativen auf verschiedenen Mechanismen: Während der UNGC als prinzipienorientierte Initiative nicht auf die Überprüfung der Einhaltung der Normen setzt, sondern auf freiwillige Compliance, stellt der FSC einen Standard dar, der Zertifizierung durch unabhängige Dritte beinhaltet. In dieser Hinsicht werden idealtypisch zwei Typen von Initiativen analysiert. Der in dieser Arbeit entwickelte konzeptionelle Ansatz für deliberative Stakeholder Dialoge dient dabei als Analyseraster. Damit kann aufgezeigt werden, ob und inwieweit der UNGC sowie der FSC Deliberation umsetzen und welche Kriterien aus der Theorie bereits erfüllt werden bzw. welche vor dem Hintergrund der deliberativen Demokratie kritisch zu bewerten sind. Die vorliegende Untersuchung steht somit in der Tradition der in Kap. 4.3.3.2 skizzierten Ansätze. Jedoch werden hier nicht nur einzelne Kriterien der deliberativen Demokratie abgeprüft, sondern versucht, eine ganzheitliche Analyse auf Basis des konzeptionellen Ansatzes durchzuführen. Dazu wurden Informationen und Materialien von den Homepages beider Initiativen sowie wissenschaftliche Forschungsarbeiten zu den Initiativen ausgewertet. Ferner werden im Rahmen der Analyse auch Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung der deliberativen Qualität des UNGC und FSC gegeben.

DELIBERATIVE STAKEHOLDER DIALOGE MULTINATIONALER UNTERNEHMEN

8.3.1

253

Analyse der Anspruchsgrundlage

8.3.1.1 Pragmatischer und ethisch-politischer Anspruch Auch in Bezug auf Multi-Stakeholder Initiativen gilt es zunächst die Anspruchsgrundlage zu identifizieren. Zu unterscheiden wäre nach der Theorie der deliberativen Demokratie ein pragmatischer, ethisch-politischer sowie moralischer Anspruch (siehe hierzu auch Kap. 8.1). Dabei kann allerdings ein pragmatischer Anspruch ausgeschlossen werden, da von Multi-Stakeholder Initiativen keine Versorgungsleistungen erbracht werden. Des Weiteren beruhen diese Initiativen auf einem kommunikativen Ansatz, da sie nicht die Legitimität des Nationalstaates besitzen, um hierarchische Entscheidungen zu treffen. Auch verfolgen MultiStakeholder Initiativen nicht vordergründig das Ziel eine effiziente, sondern eine gemeinschaftliche, für alle akzeptable Lösung zu finden126 (vgl. hierzu u.a. Hemmati 2002, S. 23–24; Roloff 2008, S. 237–238; Susskind et al. 2003, S. 236). Im Unterschied dazu existieren in der Praxis durchaus Multi-Stakeholder Initiativen, die einen ethisch-politischen Anspruch erheben. Hierzu könnte beispielsweise das Responsible Care Programm der chemischen Industrie gezählt werden127. Zwar ist dieses Programm global ausgerichtet, allerdings gilt es ausschließlich für eine bestimmte Gruppe von Stakeholdern (Unternehmen der chemischen Industrie), weshalb ein ethisch-politischer Anspruch unterstellt wird. Mitglieder sind dabei die jeweiligen Landesverbände der chemischen Industrie, die die Unternehmen repräsentieren. Andere Stakeholder Gruppen sind nicht in der Initiative vertreten (ICCA 2011). Inhaltlich verpflichten sich die Unternehmen unter anderem darauf, eine nachhaltige Entwicklung zu fördern, nachhaltige Verantwortung innerhalb der Wertschöpfungskette zu übernehmen sowie Stakeholder Erwartungen zum Thema chemische Industrie zu adressieren (ICCA 2006, S. 5). Damit erhebt das Responsible Care Programm den Anspruch zu definieren, was als angemessenes Verhalten in der Branche anzusehen ist. In dieser Arbeit stehen allerdings Multi-Stakeholder Initiativen im Fokus, die nicht nur für eine bestimmte Gemeinschaft Regelungen treffen, sondern auf globaler Ebene eine Vielzahl von staatlichen und nicht staatlichen Akteuren wie MNU einbinden und daher einen moralischen Anspruch adressieren.

126

127

Es sei angemerkt, dass Habermas (2001, S. 70–71, 105) bezweifelt, dass multinationale Institutionen eine Gemeinschaft darstellen, da hier nicht gleiche Werte und Normen geteilt werden wie dies in einem Nationalstaat typischerweise der Fall ist. Der Begriff Multi-Stakeholder Initiative ist für das Responsible Care Programm nicht vollkommen passend, da nur eine Stakeholder Gruppe vertreten ist. Der Terminus „Multi“ jedoch aussagt, dass eine Vielzahl von Stakeholder Gruppen eingebunden wird (vgl. hierzu Hemmati 2002, S. 19).

254

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

8.3.1.2 Moralischer Anspruch Geltungsanspruch. Das Ziel von Multi-Stakeholder Initiativen ist es, Normen für die Wirtschaftstätigkeit von global handelnden Akteuren aufzustellen. Dabei wird der Anspruch erhoben, dass diese Normen als moralisch richtig gelten. Umfang. Multi-Stakeholder Netzwerke entwickeln und formulieren universelle Normen und Regelungen, die überall auf der Welt gleichermaßen anwendbar sein sollen. Dabei sind diese Regelungen nicht nur für unternehmerische Akteure maßgebend, sondern gelten auch für nicht wirtschaftliche Stakeholder Gruppen als Orientierung. Politische Verantwortung. Die politische Verantwortung kann einen spezifischen Bereich betreffen, wie die globale Regelung von Arbeitsbedingungen bei SA 8000 oder der nachhaltige Umgang mit der Ressource Holz beim FSC (Umweltorientierung). Es können aber auch wie im Fall des UNGC mehrere Bereiche wie Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz oder Korruption gleichzeitig adressiert werden (FSC 2011a; SAI 2011; UNGC 2011k). Form des Diskurses. Auch Multi-Stakeholder Netzwerke müssen, wenn sie einen moralischen Anspruch erheben, deliberative Stakeholder Dialoge durchführen, um über die Prinzipien, die sie vertreten, ihre Anpassung, aber auch über ihre Implementierung zu entscheiden. Denn nur mit Hilfe eines deliberativen Stakeholder Dialogs, der alle Stakeholder einbindet, können die Legitimität der Normen und letztlich auch die Legitimität der Institution selbst bestätigt werden. In diesem Sinne gilt es vor allem die Frage zu stellen, wie die Führungsstruktur dieser Netzwerke aufgebaut ist und zu untersuchen, welche Entscheidungsbefugnisse Stakeholder innerhalb der Initiative inne haben (siehe Kap. 8.3.3). Legitimität. Ziel ist es, mit Hilfe des deliberativen Stakeholder Dialogs moralische Legitimität zu erreichen. Aus der Perspektive der deliberativen Demokratie nach Habermas besitzt ein moralischer Anspruch nicht einfach von sich aus moralische Legitimität, sondern diese ist abhängig von einer demokratischen Autorität. Nachdem Multi-Stakeholder Initiativen nicht die Legitimität von Staaten besitzen, ist ihre Legitimität an die Qualität des demokratischen Entscheidungsprozesses gebunden, indem die Richtigkeit von Normen bestätigt oder verworfen werden kann (Windsor 2004, S. 790). Das heißt, Multi-Stakeholder Initiativen können nur moralische Legitimität erreichen, indem sie Stakeholder gleichberechtigt an ihren Entscheidungsprozessen beteiligen (Schepers 2010, S. 281; Suchman 1995, S. 585). Im Folgenden wird nun gezeigt, dass der UNGC sowie der FSC einen moralischen Anspruch erheben. Dabei wird auch darauf eingegangen, ob nicht bereits aus ge-

DELIBERATIVE STAKEHOLDER DIALOGE MULTINATIONALER UNTERNEHMEN

255

setzlichen Regelungen ähnliche Verpflichtungen bestehen, die die Existenz der jeweiligen Multi-Stakeholder Initiative obsolet werden lassen. United Nations Global Compact Der UNGC definiert den Umgang mit Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten, Umweltschutz und Korruption (vgl. Prinzipien des UNGC in Abb. 11 im Anhang). Zwar haben auch Staaten internationale Regelungen zu diesen Bereichen in nationales Recht überführt, jedoch ist noch nicht abschließend geklärt, inwiefern diese für nicht staatliche Akteure wie MNU Gültigkeit besitzen, da Gesetzestexte häufig in Bezug auf staatliche Akteure oder Individuen formuliert sind. Es gibt allerdings Ausnahmen, wie der US Alien Tort Claim Act bestätigt (vgl. hierzu Kobrin 2009, S. 356; Paust 2002, S. 803–804). Auch in Deutschland finden sich viele Regelungen des UNGC im deutschen Recht wieder (einen Überblick zu den gesetzlichen Entsprechungen des UNGC im deutschen Recht gibt das Deutsche Global Compact Netzwerk) (DCGN 2010b). Allerdings kann nationales Recht nicht global angewendet werden. Daher ist es schwierig, MNU dazu zu verpflichten, die Bestimmungen des Heimatlandes auch in Gastländern einzuhalten, insbesondere wenn dort weniger hohe oder keine rechtlichen Standards gelten (vgl. hierzu Ausführungen in Kapitel 2.2.2). Zudem wäre vor dem Hintergrund multipler nationaler Rechtsprechung ein einheitlicher globaler Standard für MNU von Vorteil. Dies könnte zum einen Unsicherheit vermeiden und Stabilität in der wirtschaftlichen Tätigkeit gewährleisten. Ein weiterer Punkt ist, dass die Rechtsprechung vor allem mit Verboten arbeitet, der UNGC jedoch die Möglichkeit hat, das proaktive Engagement von Unternehmen zu fordern, zum Beispiel im Bereich Menschenrechte (DGCN 2010b; UNGC 2011k). Im Kontext dieses Regulierungsdefizits adressiert der UNGC einen moralischen Anspruch, da er versucht, Orientierung und Maßstab für das wirtschaftliche Handeln auf globaler Ebene zu schaffen. Forest Stewardship Council In Bezug auf den Umgang mit dem Lebensraum Wald und der Ressource Holz haben zwar auch Staaten Prinzipien und Leitlinien zum Schutz des Lebensraums Wald formuliert. Jedoch konnte auf gesamtstaatlicher Ebene bisher keine Einigung auf bindende Standards oder ein verpflichtendes Instrument zur Zertifizierung von Holz erzielt werden. Daneben fehlen auch multilaterale Vorgaben zum Handel mit nachhaltig erzeugten Holzprodukten. Im Kontext dieses Regulierungsdefizits haben nicht staatliche Initiativen wie der FSC diese Aufgabe übernommen. Dabei haben seit Einführung des FSC einige Staaten ihre Gesetze teilweise den Vorschriften des FSC angepasst (Dingwerth & Pattberg 2007, S. 142;

256

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

Gulbrandsen 2004, S. 76, 83; Pattberg 2005, S. 179; Scherer & Palazzo 2007, S. 1110). Vor diesem Hintergrund adressiert der FSC einen moralischen Anspruch, da er definiert, wie mit dem Wald und der Ressource Holz bei der Produktion sowie im Handel weltweit umzugehen ist (vgl. Prinzipien des FSC in Abb. 12 im Anhang). Während die Umwelt als Gesamtes als öffentliches Gut zu betrachten ist, wird der Wald als unvollkommenes öffentliches Gut angesehen, da er öffentliche Funktionen hat, wie saubere Luft durch die Umwandlung von CO2 in Sauerstoff, aber auch private Funktionen erfüllt durch die Verarbeitung und den Verkauf von Holz (Schepers 2010, S. 281). Dennoch überwiegt ein öffentliches Interesse am nachhaltigen Wirtschaften mit den Wäldern, da sie für alle die Lebensgrundlage bilden (Sauerstoff) (Gulbrandsen 2004, S. 81). Insofern bietet die private Zertifizierung von Waldflächen die Möglichkeit, diese Lebensgrundlage zu erhalten und schafft globale Regelungen, insbesondere da staatliche Akteure bisher keine wirksame Regulierung bereitstellen konnten. Dabei bleibt zu erwähnen, dass der FSC in Konkurrenz zu weiteren Initiativen wie dem „Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes“ (PEFC) sowie der ISO 14001 Zertifizierung (Umweltmanagementsystem) steht, die beide ebenfalls nicht staatliche Initiativen darstellen. Daneben gibt es noch zwei privatwirtschaftliche Initiativen (die „Sustainable Forestry Initiative“ und den „PanEuropean Forest Certification Council“) (Pattberg 2006, S. 247). Obwohl das PEFC die größte Initiative zur Zertifizierung des Waldes ist, wird laut Schepers (2010, S. 280, 284) vor allem dem FSC zugetraut, zur Verbesserung des nachhaltigen Wirtschaftens in Bezug auf den Wald beizutragen. Diese Einschätzung wird allerdings von anderen Autoren wie Gulbrandsen (2004, S. 91–94) nicht geteilt und kritisiert, dass beim FSC vor allem ökologische und soziale Interessen dominieren und wirtschaftliche Interessen zu wenig berücksichtigt werden. Zudem würde der FSC hohe Kosten verursachen und keine ausreichende Legitimität besitzen. Dies wird im Folgenden kritisch zu überprüfen sein.

8.3.2

Analyse der Anspruchsgruppen

Nachdem für den UNGC und den FSC ein moralischer Anspruch festgestellt wurde, gilt es im Folgenden, die Anspruchsgruppen zu analysieren. In Anlehnung an die Stakeholder Theorie und die Theorie der deliberativen Demokratie determiniert die Betroffenheit einen Anspruch an eine Organisation. Weiterhin fordert die deliberative Demokratie eine gleichmäßige Einbindung aller Anspruchsgruppen (Bohman 1997, S. 324, 333; Freeman 1984, S. 46; Habermas 1999, S. 41). Im Allgemeinen wird vermutet, dass Multi-Stakeholder Netzwerke den Anspruch,

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dass alle eingebunden werden, die betroffen sind, erfüllen, da Vertreter von nicht staatlichen wie staatlichen Organisationen freiwillig teilnehmen können und in den Prozess der Normenentwicklung eingebunden werden (Detomasi 2007, S. 328; Gulbrandsen 2004, S. 83). In diesem Sinne gilt es bei Multi-Stakeholder Initiativen die Mitgliederstruktur zu analysieren, um zu erkennen, ob tatsächlich eine gleichberechtigte Teilnahme vorliegt. Weiterhin ist analog zur Unternehmensebene zu klären, ob der Zugang zum Netzwerk unbeschränkt erfolgen kann und inwieweit Stakeholder Ansprüche durch Vertreter repräsentiert werden (vgl. zur Auswahl der drei Kriterien Kap. 8.1). In Bezug auf Repräsentation könnte auch untersucht werden, ob Minderheiten im Netzwerk vertreten sind. Dadurch dass beide Initiativen in der Regel offen für alle Teilnehmer sind, wird die Einbindung von Minderheiten zu einer Frage nach dem Zugang zur jeweiligen Initiative.

8.3.2.1 Mitgliederstruktur United Nations Global Compact Der UNGC hat derzeit über 8.800 Mitglieder aus über 130 Ländern (Stand: April 2011) (UNGC 2010e, 2011i). Was die Mitgliederstruktur angeht, so ist auffällig, dass MNU die zentrale Anspruchsgruppe bilden und vermehrt aus Europa und Entwicklungsländern stammen. Auch die lokalen Netzwerke finden sich vor allem in Europa sowie in Nicht-OECD Ländern. Insbesondere Unternehmen aus Nordamerika sind zögerlich mit einer Mitgliedschaft, da sie rechtliche Konsequenzen fürchten. Eine potenzielle Teilnahme am UNGC würde bedeuten, dass sie auf die Einhaltung der Prinzipien verklagt werden können (Bremer 2008, S. 234; Rasche 2009a, S. 530; Whelan 2010, S. 318; Williams 2004, S. 757). Außerdem ist es das Ziel des UNGC, eine Vielzahl und Diversität von Interessen einzubinden, das heißt nicht nur UN Organisationen und Unternehmen, sondern auch NGOs, Arbeitnehmerorganisationen, staatliche bzw. öffentliche Organisationen, Universitäten und auch Städte (UNGC 2009b). Ein weiterer Vorteil des UNGC ist, dass durch die Bildung der lokalen Netzwerke auch lokale Stakeholder eingebunden werden, die nicht auf der globalen Ebene vertreten sind (Whelan 2010, S. 317– 318). Deliberative Bewertung. Allgemein kann ausgesagt werden, dass durch die generelle Offenheit des UNGC versucht wird, wirtschaftliche und nicht wirtschaftliche sowie staatliche und nicht staatliche Interessen einzubinden und aus deliberativer Sicht eine Pluralität der Interessen hergestellt wird. Dennoch sind bisher vor allem unternehmerische Akteure vertreten. Auch aus Ländersicht gibt es ein Ungleichgewicht: Über die Hälfte der Teilnehmer stammen aus Entwicklungs- oder Schwellenländern (Rasche 2009b, S. 202). Allerdings ist die geringe Einbindung

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

US-amerikanischer Unternehmen nicht auf die Politik des UNGC zurückzuführen. Vielmehr befürchten diese Unternehmen, dass durch die Teilhabe am UNGC vermehrt rechtliche Ansprüche an sie gestellt werden könnten. Forest Stewardship Council Beim FSC ist grundsätzlich zwischen der Teilnahme am Standard und am Zertifizierungssystem zu unterscheiden. Am FSC nehmen 854 Organisationen und Individuen (Stand: Dezember 2010) aus 86 Ländern teil, wobei hier Entwicklungsund Schwellenländer ebenso vertreten sind wie entwickelte Länder. Unter den Teilnehmern sind MNU wie IKEA, Home Depot, OBI sowie Menschenrechtsaktivisten, Entwicklungshilfeverbände, Vertreter der indigenen Bevölkerungsgruppen und NGOs aus dem Bereich Umwelt (FSC 2009d, 2010a; Scherer & Palazzo 2007, S. 1110). Bei der Zertifizierung von Waldflächen ist festzustellen, dass von 1.019 bestehenden Zertifikaten 627 in Europa und Nordamerika vergeben wurden (FSC 2011t, S. 2–4). Deliberative Bewertung. Aus deliberativer Sicht ist es zunächst positiv zu bewerten, dass beim FSC Organisationen und Individuen gleichermaßen eingebunden werden. Zudem gewährleistet die Mitgliedschaft von MNU sowie NGOs und anderen zivilen Organisationen eine Pluralität von Interessen. Auch aus Ländersicht ist diese Pluralität erfüllt. Was die Zertifizierung angeht, ist allerdings ein Ungleichgewicht zwischen entwickelten und weniger entwickelten Ländern festzustellen. Gründe hierfür werden im nächsten Kapitel erläutert.

8.3.2.2 Zugang United Nations Global Compact Das zentrale Prinzip des UNGC ist, dass jeder teilnehmen kann, der dies möchte (Freiwilligkeit). Um aufgenommen zu werden, muss der Vorstand eines MNU bzw. der höchste Vertreter einer nicht wirtschaftlichen Organisation einen von ihm unterschriebenen Brief an den Generalsekretär der UN schicken bzw. online auf die Homepage des UNGC hochladen und damit bestätigen, dass sich seine Organisation auf die Einhaltung der Prinzipien verpflichtet. Die Aufnahme von neuen Mitgliedern wird vom Global Compact Büro formal geprüft (UNGC 2011a). Von der Aufnahme ausgeschlossen sind allerdings so genannte Mikrounternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern. Sie sind dazu aufgerufen, Kontakte zum jeweiligen lokalen Netzwerk zu pflegen (UNGC 2011h). Weiterhin rät der UNGC Unternehmen aus der Tabakindustrie von einer Beteiligung ab (UNGC 2011l).

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Deliberative Bewertung. Aus deliberativer Perspektive ist zunächst positiv zu bewerten, dass der Zugang für Stakeholder in der Regel nicht beschränkt wird und wenig Auflagen zu erfüllen sind, so dass auch Stakeholder aus Entwicklungs- oder Schwellenländern teilnehmen können. Allerdings ist eine Aufnahme von Mikrounternehmen nicht vorgesehen. Dies scheint unter der Voraussetzung, dass diese in der Regel nicht global tätig sind, angemessen. Die Einschränkung hinsichtlich MNU aus der Tabakindustrie widerspricht zunächst den von der deliberativen Demokratie geforderten Prinzipien der Eingebundenheit und Gleichberechtigung. Der UNGC erklärt hier, dass die Ziele der Weltgesundheitsorganisation unterstützt werden und somit die Tabakindustrie aufgefordert wird, nicht am UNGC teilzunehmen (UNGC 2011l). Damit ergibt sich ein Zielkonflikt, der mit Hilfe der deliberativen Demokratie nicht gelöst werden kann, da diese explizit die Einbindung aller betroffenen Stakeholder Gruppen fordert und gerade nicht eine Rangordnung von „guten“ und „schlechten“ Stakeholdern vornimmt. Forest Stewardship Council Stakeholder, die am FSC teilnehmen möchten, müssen sich um eine Aufnahme bewerben und nachweisen, dass sie sich auf die Prinzipien des FSC verständigt haben und diese unterstützen bzw. umsetzen. Der Verwaltungsrat des FSC entscheidet letztendlich darüber, ob eine Organisation oder ein Individuum die Mitgliedschaft bekommt. Zwar kann beim FSC eine Vielzahl von Stakeholder Gruppen aus unterschiedlichen Bereichen teilnehmen, jedoch fehlt die Einbindung des öffentlichen Sektors. Weiterhin entsteht für Anspruchsgruppen aus Entwicklungsländern ein Nachteil. Dies betrifft allerdings die Teilnahme am Zertifizierungssystem, nicht die Mitgliedschaft im Standard selbst. Da die Zertifizierung des FSC zwischen 50,000 und 150,000 US Dollar kostet und dort weniger bekannt ist, wird dadurch vor allem für Unternehmen sowie lokale Waldbesitzer aus Entwicklungsländern eine Eintrittsbarriere geschaffen, obwohl diese eigentlich eine große Stakeholder Gruppe darstellen würden. Zudem fragen westliche Handelsketten verstärkt FSC-zertifiziertes Holz nach, was den Marktzugang für Entwicklungsländer zusätzlich einschränkt, da sich die Mehrzahl zertifizierter Wälder in entwickelten Ländern befindet. Die Notwendigkeit der Zertifizierung würde aber vor allem in Entwicklungsländern bestehen, da dort Wälder häufig illegal gerodet bzw. Waldflächen nicht wie in entwickelten Ländern wieder aufgeforstet werden. In westlichen Ländern sind die Erfahrung mit Waldmanagement sowie die Akzeptanz für Standards grundsätzlich höher, was auch dadurch bedingt wird, dass sich Regelungen des FSC weitgehend mit bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen decken. In Entwicklungsländern hingegen können die FSC Standards nur sukzessive erfüllt werden, da die Waldbesitzer erst lernen müssen, die Anforderungen einzu-

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

halten. Aus diesen Gründen sind westliche Unternehmen oder Waldbesitzer eher bereit, dem FSC beizutreten und haben auch weniger Kosten bei der Implementierung (Dingwerth 2008, S. 59; Dingwerth & Pattberg 2007, S. 147, 149; FSC Deutschland 2009; Gulbrandsen 2004, S. 94; Pattberg 2005, S. 185–186; Schepers 2010, S. 287). Deliberative Bewertung. Aus der Sichtweise der deliberativen Demokratie stellt der FSC zwar eine Multi-Stakeholder Initiative dar. Dennoch wird das Prinzip der gleichen Teilhabe verletzt. Denn deliberative Demokratie fordert, dass alle betroffenen Anspruchsgruppen, die teilnehmen wollen, auch teilnehmen können ohne den Zugang zu beschränken (Knight & Johnson 1994, S. 285–286). Das Bewerbungsverfahren des FSC ist zwar einerseits nachvollziehbar, um zu gewährleisten, dass sich die Stakeholder den Prinzipien des FSC verpflichten, allerdings kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass eine willkürliche Auswahl von Seiten des Verwaltungsrats getroffen wird. Daneben widerspricht auch der Ausschluss staatlicher Anspruchsgruppen dem Prinzip der Eingebundenheit und Gleichberechtigung. In dieser Hinsicht sollte sich der FSC stärker für staatliche Anspruchsgruppen öffnen, die auch wertvolle Expertise einbringen können. Ein Einbezug von Staaten findet zum Beispiel bei Konkurrenzinitiativen wie ISO 14001 statt (Gulbrandsen 2004, S. 84). Im Hinblick auf die Zertifizierung schränken die Höhe der Zertifizierungskosten und die fehlende Information über den Standard den Zugang zum FSC für Anspruchsgruppen aus Entwicklungsländern ein. Zudem ist ein wesentlicher Punkt, dass bisher die Akzeptanz von Standards wie dem FSC in Entwicklungsländern eher gering ist, was vor allem auf kulturelle Unterschiede und wenig Erfahrung mit diesen Regelungen zurückzuführen ist. Wie im nächsten Gliederungspunkt zu sehen sein wird, hat der FSC nationale Arbeitsgruppen geschaffen, um auf diese lokalen Gegebenheiten einzugehen. In Bezug auf die Kosten hat der FSC bereits Maßnahmenprogramme implementiert, um diese zu reduzieren (z.B. Gruppenzertifizierung). So wurde 2003 ein Programm geschaffen, um speziell kleinere Waldbesitzer finanziell zu unterstützen (Karmann & Smith 2009, S. 15; o. A. 2004). Einen finanziellen Ausgleich können auch Mitglieder beantragen, um an der Vollversammlung teilzunehmen. Somit soll gewährleistet werden, dass auch benachteiligten Gruppen der Zugang ermöglicht wird (FSC 2009b, S. 4). Denn auch der FSC profitiert von der Einbindung dieser Anspruchsgruppen, da sie situatives Wissen besitzen, das ansonsten nicht zugänglich ist (Young 1997, S. 401).

DELIBERATIVE STAKEHOLDER DIALOGE MULTINATIONALER UNTERNEHMEN

261

8.3.2.3 Repräsentation In Bezug auf das Kriterium der Repräsentation muss angemerkt werden, dass dieses hier nur im Überblick dargestellt wird. Dabei werden vor allem in Kap. 8.3.3.2 teilweise noch einmal Aspekte der Repräsentation angesprochen, da dieses Prinzip vor allem in der Governance-Struktur der jeweiligen Initiative verankert ist. United Nations Global Compact Ziel des UNGC ist es, die repräsentative Qualität des Entscheidungsprozesses auf globaler Ebene zu erhöhen (Thérien & Pouliot 2006, S. 61, 65). Stakeholder Vertreter nehmen zum Beispiel am Global Compact Führungskräftegipfel teil und sitzen im Verwaltungsrat. Des Weiteren kommen Stakeholder zu den Arbeitstreffen der lokalen Netzwerke zusammen und bestimmen einen Vertreter, der das Netzwerk beim Jährlichen Forum der lokalen Netzwerke vertritt (Gilbert 2010, S. 352; UNGC 2011f). Deliberative Bewertung. Aus deliberativer Perspektive ist es positiv zu bewerten, dass Stakeholder die Möglichkeit haben, Vertreter in verschiedene Gremien auf der globalen und lokalen Ebene zu entsenden. Forest Stewardship Council Hinsichtlich der Repräsentation ist im FSC festgelegt, dass aufgenommene organisationale Stakeholder einen Vertreter bestimmen müssen, der die Organisation in der Vollversammlung des FSC vertritt. Die Vollversammlung wählt aus ihrer Mitte wiederum Vertreter, die in den Verwaltungsrat einziehen (FSC 2009b, S. 4). Des Weiteren sind Stakeholder Vertreter auf der lokalen Ebene (Arbeitstreffen) präsent. Deliberative Bewertung. Die Repräsentation ist positiv zu bewerten, da alle Stakeholder in der Vollversammlung vertreten sind und die Möglichkeit haben, an der Führung des FSC durch gewählte Vertreter im Verwaltungsrat teilzunehmen. Analog zum UNGC ist auch eine Repräsentation auf lokaler Ebene möglich.

262

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

8.3.3

Institutionelle Rahmenbedingungen

Neben der Analyse der Anspruchsgrundlage und der Anspruchsgruppen, müssen auch bei Multi-Stakeholder Initiativen die institutionellen Rahmenbedingungen näher beleuchtet werden. In diesem Kontext werden hier die Organisationskultur, die strukturellen sowie die personellen Kriterien analysiert und vor dem Hintergrund der deliberativen Demokratie bewertet (vgl. dazu Kap. 8.1).

8.3.3.1 Organisationskultur Unternehmenskultur wurde in Kap. 8.2.3.1 nach drei Ebenen aufgespannt. Auf der ersten Ebene befinden sich sichtbare Zeichen und Symbole der Kultur (Artefakte), auf der zweiten Ebene teilweise nach außen sichtbare Glaubensgrundsätze und Werte sowie auf der dritten Ebene grundlegende Annahmen, die nach außen nicht sichtbar sind (vgl. hierzu Schein 2010, S. 23–33). Wird dieses Modell auf MultiStakeholder Netzwerke angewendet, so kann davon ausgegangen werden, dass diese der Kommunikation einen zentralen Wert einräumen (2. und 3. Ebene). Grund hierfür ist, dass Multi-Stakeholder Netzwerke per Definition nicht hierarchisch geführt werden, sondern auf der Zusammenarbeit zwischen einer Vielzahl von Stakeholdern basieren (vgl. auch Susskind et al. 2003, S. 236–237). Dieser Wert der Zusammenarbeit sollte sich im Aufbau, der Arbeitsweise und den Entscheidungsprozessen der Multi-Stakeholder Netzwerke widerspiegeln. Dies wird in den folgenden Kapiteln näher analysiert und deshalb in diesem Punkt nicht betrachtet. An dieser Stelle kann hingegen nur untersucht werden, ob und inwiefern sich diese Netzwerke sichtbare bzw. geschriebene Werte geben (1. Ebene und teilweise 2. Ebene). United Nations Global Compact Die Organisationskultur des UNGC spiegelt sich vor allem im formulierten Selbstanspruch der Initiative wider: „The Global Compact is: a voluntary initiative to promote sustainable development and good corporate citizenship a set of values based on universally accepted principles a network of companies and other stakeholders a forum for learning and exchange of experiences“ (UNGC 2010a, S. 7)

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Hier wird ersichtlich, dass der UNGC auf der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Stakeholdern beruht und den Austausch von Informationen sowie gegenseitiges Lernen fördert. Der Begriff der „Deliberation“ wird an dieser Stelle allerdings nicht aufgeführt. Der Terminus wird jedoch zum Beispiel in der Berichterstattung über die Treffen des Verwaltungsrats des UNGC verwendet (UNGC 2010h, S. 21). Dennoch bleibt unklar, inwiefern Deliberation in Entscheidungsprozessen tatsächlich eine Rolle spielt. Forest Stewardship Council Der Selbstanspruch des FSC lautet: „FSC’s unique role is to bring together people, organizations and businesses of the Global South and North to develop consensus-based solutions that promote responsible stewardship of the world’s forests.“ (FSC 2011v) Damit wird deutlich, dass unterschiedliche Stakeholder zusammengebracht werden und gemeinsam an Lösungen arbeiten sollen. Da diese sich in einem Konsens ausdrücken sollen, muss notwendigerweise vorher eine Kommunikation bzw. Deliberation stattgefunden haben. Auch wenn der Begriff der Deliberation beim Selbstanspruch nicht direkt angesprochen wird, kann anhand der Regelungen für die Einreichung einer Beschwerde (vgl. Abb. 10) gesehen werden, dass die Prinzipien der Deliberation zumindest in einem Bereich schriftlich verankert sind. Jedoch kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob diese Regelungen auch für den Ablauf von Diskussionen und Entscheidungsprozessen gelten.

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

A person or organisation, who is the subject of a complaint or a appeal, should be given adequate notice about the proceedings.

A person making a decision should declare any personal interest they may have in the proceedings. A person who makes a decision should be unbiased and act in good faith. He/she therefore can not be one of the parties in the case, or have an interest in the outcome. Proceedings should be conducted so they are fair to all the parties. Each party to a proceeding is entitled to ask questions and contradict the evidence of the opposing party. A decision-maker should take into account relevant considerations and mitigating circumstances, and ignore irrelevant considerations.

Abb. 10:

Regelung für Beschwerden beim FSC

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an FSC (2009c, S. 3).

8.3.3.2 Strukturelle Kriterien Die Organisationskultur und die Wertschätzung für Kommunikation oder Deliberation sollten sich vor allem auch in der Struktur einer Organisation zeigen. Deswegen werden im Folgenden analog zu Kapitel 8.2.3.2 die drei Kriterien Übertragung von Entscheidungskompetenz, Ort der Entscheidungsfindung sowie Organisation der Deliberation herangezogen, allerdings auf den Kontext der Multi-Stakeholder Netzwerke angepasst (zur Auswahl dieser drei Kriterien vgl. Kap. 8.1). In der Theorie der deliberativen Demokratie gilt die Übertragung von Entscheidungskompetenz als entscheidender Baustein, um Deliberation im politischen Kontext durchzuführen. Das heißt, Entscheidungskompetenz wird hier an Bürger abgegeben (Fung & Wright 2001, S. 17, 21; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 308). Für Multi-Stakeholder Initiativen gilt zwar nicht, dass Staaten freiwillig Entscheidungskompetenz abgeben, allerdings haben sich dort MultiStakeholder Initiativen gebildet, wo Staaten entweder keine Regelungen treffen oder ihre Reichweite begrenzt ist. Somit wird eine dezentrale Entscheidungsfindung auf globaler Ebene institutionalisiert. In diesem Sinne muss das Kriterium der Übertragung von Entscheidungskompetenz reformuliert werden und auf die Struktur der Initiativen selbst bezogen werden. Das heißt, es muss die Frage ge-

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stellt werden, ob innerhalb der Multi-Stakeholder Initiative Entscheidungskompetenz an die lokale Ebene delegiert wird. In Bezug auf den Ort der Entscheidungsfindung muss untersucht werden, wie die Gremien der Multi-Stakeholder Netzwerke ausgestaltet sind und ob sie Raum für deliberative Stakeholder Dialoge bieten. Dabei wird vor dem Hintergrund der deliberativen Demokratie auch bewertet, ob diese Gremien beratende Funktionen einnehmen oder tatsächlich Entscheidungskompetenz besitzen. Dabei heißt Entscheidungskompetenz, dass die Stakeholder dieser Initiativen an den Entscheidungen gleichberechtigt beteiligt werden müssen. Im Folgenden werden die Punkte Übertragung von Entscheidungskompetenz und Ort der Entscheidungsfindung unter dem Aspekt der Governance-Struktur zusammengefügt. Denn die Governance-Struktur der Multi-Stakeholder Netzwerke gibt zum einen Aufschluss darüber, wie das Verhältnis zwischen globaler und lokaler Ebene gestaltet ist, zum anderen zeigt sie die Funktionsweise und Entscheidungskompetenz der Gremien. Der dritte Aspekt, die Organisation der Deliberation, wird anschließend gesondert betrachtet. Governance-Struktur United Nations Global Compact Die Governance-Struktur des UNGC besteht aus sieben organisatorischen Einheiten: dem Führungskräftegipfel (Global Compact Leaders Summit), dem Verwaltungsrat (Global Compact Board), den lokalen Netzwerken (Local Networks) und dem Jährlichen Forum der Lokalen Netzwerke (Annual Local Networks Forum), dem Global Compact Büro (Global Compact Office), dem Interdisziplinären Team (Inter-Agency Team) sowie der Spendenabteilung (Global Compact Donor Group) (UNGC 2011f). Global Compact Leaders Summit. Der Führungskräftegipfel findet alle drei Jahre statt. Vertreter der einzelnen Stakeholder Gruppen diskutieren über den UNGC und sprechen Empfehlungen für die weitere Entwicklung aus. Dabei werden die Vorstandsvorsitzenden der Unternehmen eingeladen sowie vom Global Compact Büro ausgewählte Vertreter anderer Stakeholder Gruppen wie NGOs oder Gewerkschaften (UNGC 2010c; Wynhoven & Stausberg 2010, S. 254–255). Global Compact Board. Der Verwaltungsrat des UNGC ist als Beratungsgremium konzipiert. Er besteht aus 24 Teilnehmern, die vom Generalsekretär der UN ernannt werden. Dieser ist auch gleichzeitig Vorsitzender des Verwaltungsrats. Die 24 Teilnehmer kommen aus den vier Stakeholder Gruppen Unternehmen, Arbeit, Zivilgesellschaft sowie UN. Sie treffen sich mindestens einmal im Jahr und erarbeiten strategische und politische Empfehlungen für die Initiative. Daneben

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geben sie auch spezifische Empfehlungen an das Global Compact Büro und die Stakeholder (Wynhoven & Stausberg 2010, S. 255–256). Local Networks/Annual Local Network Forum. In den lokalen Netzwerken treffen sich nationale Stakeholder Gruppen und arbeiten an der Umsetzung der Prinzipien für ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Region. Dabei verwalten sich die lokalen Netzwerke selbst und verfügen demnach auch über eine eigene Governance-Struktur. So wird beispielsweise das Deutsche Global Compact Netzwerk (DGCN) von der GTZ koordiniert und von einem Lenkungskreis geführt (DGCN 2011b). Dieser besteht aus vier gewählten Vertretern der Unternehmen, zwei aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und zwei aus beteiligten Bundesministerien. Zudem gibt es weitere Vertreter zum Beispiel aus der Wissenschaft, die ein Beratungsrecht ausüben. Dabei wurde laut Homepage bewusst ein Übergewicht unternehmerischer Vertreter gebildet, da sie die zentrale Anspruchsgruppe bilden (DGCN 2011d). Lokale Netzwerke haben auch die Möglichkeit, Mitglieder für die Wahl in den Verwaltungsrat zu nominieren und liefern Input für den Führungskräftegipfel (Gilbert 2010, S. 341; UNGC 2005, S. 7; Wynhoven & Stausberg 2010, S. 256). Auf der lokalen Ebene wird insbesondere die Frage der Implementierung der Prinzipien in der Praxis thematisiert (UNGC 2011f). Somit können die lokalen Netzwerke als Plattform genutzt werden, um über kontextspezifische Probleme bei der Implementierung der Prinzipien und notwendige Anpassungen kritisch zu diskutieren. Dafür werden national, regional oder sektoral Dialogforen organisiert. An diesen Dialogformen nehmen Vertreter der Unternehmen sowie Vertreter von nicht staatlichen und staatlichen Organisationen teil. In Deutschland finden diese Treffen zwei bis vier Mal im Jahr statt und werden als „[…] aktionsorientierte Lern- und Dialogplattform verstanden und genutzt. Es werden konkrete Erfahrungen und Instrumente zur Umsetzung der zehn Global Compact-Prinzipien sowie verwandte Fragestellungen vorgestellt und diskutiert.“ (DGCN 2011a) Ein wichtiger Vorteil dieser Zusammenarbeit in lokalen Netzwerken ist, dass auf lokaler Ebene eher das Wissen (sozial, kulturell, politisch) um die spezifische Situation im jeweiligen Land vorherrscht. Bisher gibt es etwa 90 dieser Netzwerke in allen Regionen der Welt, wobei 62 etabliert sind und 27 derzeit aufgebaut werden (Gilbert 2010, S. 342; Whelan 2010, S. 317–318). Außerdem wurde ein Jährliches Forum der lokalen Netzwerke geschaffen. Hier kommen Vertreter der lokalen Netzwerke zusammen, um sich über Erfahrungen und bewährte Handlungsoptionen (Best Practice) auszutauschen (UNGC 2011g; Wynhoven & Stausberg 2010, S. 256). Zudem werden auf dem Forum auch Empfehlungen für die Rolle der lokalen Netzwerke im UNGC erarbeitet (UNGC 2009c).

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Global Compact Office. Das Global Compact Büro ist eine UN Einheit und gehört zum Büro des Generalsekretärs. Es trägt die Verantwortung für das operative Management des UNGC und verwaltet die Initiative. Darüber hinaus fördert das Büro die strategische Entwicklung und hält den Kommunikationsfluss innerhalb des Netzwerks aufrecht. Außerdem wird im Global Compact Büro die Aufnahme neuer Mitglieder geprüft und darüber entschieden. Eine weitergehende Monitoring-Funktion der Mitglieder wird nicht angestrebt, da dies nicht dem Selbstanspruch der UN entspricht (Gilbert 2010, S. 351–352; Rasche 2009a, S. 517; Wynhoven & Stausberg 2010, S. 257, 259). Zudem steht das Global Compact Büro in enger Verbindung zum Verwaltungsrat und bearbeitet auch dessen Anfragen (UNGC 2008, S. 4). Inter-Agency Team. Daneben gibt es auch noch ein so genanntes Interdisziplinäres Team. Hier sind sechs UN Abteilungen128 vertreten, die mit ihrer Expertise die Implementierung der Prinzipien innerhalb der UN sowie bei den Mitgliedern unterstützen sollen und auch Kooperationsprojekte zwischen UN und Wirtschaft fördern (Rasche 2009a, S. 517; Wynhoven & Stausberg 2010, S. 257). Global Compact Donor Group. Als letztes Element der Governance-Struktur fungiert die Global Compact Spendenabteilung. Diese finanziert das Global Compact Büro durch Spenden von Regierungen (Wynhoven & Stausberg 2010, S. 257–258). Deliberative Bewertung. Im Folgenden werden für die Analyse aus deliberativer Perspektive nicht alle Gremien des UNGC kritisch bewertet, da einige unter ihnen lediglich Verwaltungs- oder Finanzierungsaufgaben übernehmen. Daher werden vor allem die Gremien kritisch beleuchtet, die explizit Stakeholder einbinden. Hinsichtlich des Führungskräftegipfels ist erstens in deliberativer Hinsicht zu kritisieren, dass nur Empfehlungen ausgesprochen werden und keine Entscheidungskompetenz an die Stakeholder übertragen wird. Zweitens ist kritisch zu bewerten, dass nicht alle betroffenen Stakeholder in dieses Gremium eingebunden werden. Denn die Teilnehmer des Gipfels werden bewusst ausgewählt und somit ist eine Einbindung aller Interessen nicht gewährleistet. Außerdem wird ein Machtungleichgewicht geschaffen, da vor allem Vorstandsvorsitzende von MNU an diesem Gipfel teilnehmen, auch wenn einige Vertreter von anderen Stakeholder Gruppen eingeladen werden. Da aus Gründen der Machbarkeit nicht alle teilnehmen könnten, wäre eine Möglichkeit, die Vertreter, die am Gipfel teilnehmen sol128

Die sechs Abteilungen sind: das Büro des hohen Vertreters für Menschenrechte (OHCHR), die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), das Umweltprogramm der UN (UNEP), das UN Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), das UN Entwicklungsprogramm (UNDP), die UN Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO) sowie der UN Entwicklungsfonds für Frauen (UNIFEM) (UNGC 2011f).

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len, von den Stakeholder Gruppen selbst in Form einer Wahl zu bestimmen. Weiterhin könnte aus deliberativer Sicht argumentiert werden, dass eine kontinuierliche Überprüfung und Weiterentwicklung des UNGC nur gewährleistet werden kann, wenn der Führungskräftegipfel mindestens einmal im Jahr stattfindet. Aus deliberativer Perspektive ist im Hinblick auf den Verwaltungsrat darauf hinzuweisen, dass zwar Vertreter aller teilnehmenden Stakeholder Gruppen präsent sind, der Verwaltungsrat aber nur als Beratungsgremium fungiert. Hier können keine verbindlichen Entscheidungen getroffen werden. Allgemein fehlt in der globalen Struktur im Gegensatz zur lokalen Struktur eine Art „Versammlung“ aller Stakeholder, wo zentrale Entscheidungen getroffen werden können oder über die Anpassung der Prinzipien diskutiert werden könnte. Vorbild für diese Versammlung aller Stakeholder könnte das Jährliche Forum der lokalen Netzwerke sein. Denn hier kommen Vertreter der Stakeholder aus den lokalen Netzwerken zusammen, um über die Implementierung der Prinzipien zu diskutieren. Bisher stellt das Jährliche Forum der lokalen Netzwerke129 allerdings ein Beratungsgremium dar. Um eine Vollversammlung zu bilden, müsste erstens Entscheidungskompetenz auf dieses Gremium übertragen werden, zweitens sichergestellt werden, dass eine Vielzahl von Stakeholder Interessen vertreten ist. In Bezug auf die lokalen Netzwerke ist aus deliberativer Sicht zunächst positiv zu bewerten, dass der UNGC das Prinzip der Subsidiarität erfüllt und auch Entscheidungskompetenz auf die lokale Ebene übertragen hat. Damit kann ein hoher Grad der Dezentralisierung erreicht werden (vgl. u.a. Kell 2005, S. 72; UNGC 2008, S. 3). Allerdings ist kritisch zu bemerken, dass die lokalen Netzwerke vor allem von Unternehmen genutzt werden. Deswegen ist es wichtig, dass zukünftig vermehrt auch nicht wirtschaftliche Akteure an lokalen Netzwerken teilnehmen, um die Einbindung aller Interessen in Entscheidungsprozesse zu garantieren (vgl. hierzu auch Gilbert 2010, S. 345). Weiterhin ist aus deliberativer Perspektive der Lenkungskreis des DGCN kritisch zu hinterfragen. Zum einen betrifft dies die Wahl der Vertreter in den Lenkungskreis. Die Frage, die sich hier stellt ist, ob die Vertreter auf den Arbeitstreffen von allen (betroffenen) Stakeholdern gewählt wurden (Prinzip der Repräsentation). Zum anderen schafft das Gremium bewusst eine Ungleichheit der Stimmen, da vier Unternehmensvertreter präsent sind (vgl. hierzu DGCN 2011d). Somit findet auch hier keine gleichberechtigte Einbindung aller Stakeholder Interessen statt.

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Beim Jährlichen Forum der lokalen Netzwerke kommt nur ein kleiner Teil der Stakeholder zusammen. 2009 waren es über 320 Stakeholder Vertreter, beim Treffen 2010 nur etwas über 120 (UNGC 2009c, 2010j).

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Forest Stewardship Council Zur Governance-Struktur des internationalen FSC gehören fünf Gremien: die Vollversammlung (General Assembly), der Verwaltungsrat (Board of Directors), der leitende Vorstand (Director General), das Internationale Sekretariat (International Secretary) sowie die nationalen Arbeitsgruppen (National Initiatives) (Dingwerth 2008, S. 57–58; Pattberg 2005, S. 179–181). General Assembly. Die Vollversammlung besteht aus drei Kammern (Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialkammer). Jedes Mitglied des FSC hat ein Recht an der Vollversammlung teilzunehmen und wird der entsprechenden Kammer zugeordnet. Zudem sind die Stakeholder ermächtigt, dort ein Stimmrecht (für den jeweiligen Bereich) auszuüben. Jede Kammer unterteilt sich außerdem noch einmal jeweils zur Hälfte nach Nord und Süd mit jeweils 50 Prozent Anteil am Stimmengewicht der Kammer. Dabei haben innerhalb der Kammern Organisationen ein größeres Stimmengewicht (90 Prozent) als Individuen (10 Prozent), da sie eine größere Gruppe von Stakeholder Ansprüchen repräsentieren. Die drei Kammern besitzen allerdings in der Entscheidungsfindung der Vollversammlung das gleiche Stimmengewicht (33,33 Prozent). Abb. 13 (siehe Anhang) zeigt eine Übersicht zur Stimmenverteilung der Vollversammlung. Diese ist beschlussfähig, wenn Zwei Drittel einem Vorschlag zustimmen. Die Vollversammlung ist befugt, über Änderungen an oder Ergänzungen zu den Prinzipien oder Kriterien und Statuten des FSC zu entscheiden. Das heißt, ohne das Votum der Vollversammlung können die Prinzipien und Kriterien des FSC nicht verändert werden. Die Vollversammlung kann weiterhin neue Mitglieder zulassen und wählt den Verwaltungsrat. Allerdings tritt die Vollversammlung laut FSC nur alle drei Jahre zusammen, die Letzte fand 2008 statt (Dingwerth 2008, S. 58; FSC 2009b, 2011o, 2011s, 2011u, 2011w; Pattberg 2005, S. 179–180; Schepers 2010, S. 283). Board of Directors und Director General. Der Verwaltungsrat besteht aus neun gewählten Vertretern der Vollversammlung. Dabei kommen jeweils drei aus einer Kammer (50/50 Aufteilung zwischen Nord und Süd, im Turnus von drei Jahren rotierend) (FSC 2009b, S. 9–10; Schepers 2010, S. 283). Der Verwaltungsrat führt zusammen mit dem leitenden Vorstand die Tätigkeiten des FSC. Er entscheidet zum Beispiel über das Budget und bestätigt nationale Vertreter oder Initiativen des FSC. Für den Posten des leitenden Vorstands können sich die Mitglieder des FSC aufstellen lassen (FSC 2011c; Pattberg 2005, S. 180). International Secretary. Das Internationale Sekretariat verwaltet die tägliche Arbeit des FSC und übernimmt Koordinationsaufgaben zwischen den regionalen Büros. Die Leitung übernimmt ein Geschäftsführer (Executive Director), der ernannt wird. Des Weiteren erarbeitet eine spezielle Gruppe („Standards and Policy Unit“) innerhalb des Sekretariats die internationalen Standards für die Zertifizie-

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rung. Die Stakeholder haben bei der Erstellung der Standards ein Beratungsrecht. Zudem werden häufig so genannte technische Komitees gebildet, in denen Stakeholder (z.B. Waldmanager oder -produzenten) bei der Vorbereitung der Änderungen mitarbeiten (Dingwerth 2008, S. 58; FSC 2009b, S. 12; Pattberg 2005, S. 179– 180). National Initiatives. Neben dieser internationalen Aufhängung besteht der FSC ähnlich wie der UNGC auch aus nationalen Arbeitsgruppen. Derzeit existieren 57 anerkannte nationale Arbeitsgruppen (Stand: 2009). Zudem werden auch regionale Büros (2005 waren es vier: je eins in Europa, Afrika, Lateinamerika und Asien) unterhalten, die die Kooperation zwischen den nationalen Initiativen fördern sollen. Aufgabe der nationalen Initiativen ist es ferner, die Prinzipien und Kriterien des FSC an nationale Gegebenheiten anzupassen (Bass 2002, S. 6; FSC 2009a, S. 27; Pattberg 2005, S. 180–181). Deliberative Bewertung. Die Vollversammlung des FSC ist aus der Perspektive der deliberativen Demokratie zunächst positiv zu bewerten, da sie ein Entscheidungsgremium darstellt, indem alle Stakeholder eingebunden werden. Zudem sind die Stakeholder befugt, über die Änderung der Prinzipien die letztendliche Entscheidung treffen. Es stellt sich allerdings die Frage, inwiefern eine kontinuierliche kritische Überprüfung der Prinzipien und Kriterien gewährleistet werden kann, wenn die Vollversammlung nur alle drei Jahre zusammentritt. Zwar ist vorgesehen, dass die Vollversammlung auch über bestimmte Angelegenheiten, zum Beispiel die Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsrats via Post oder E-Mail entscheiden kann (FSC 2009b, S. 4; Pattberg 2004, S. 149). Jedoch wird damit kein Dialog im Sinne der deliberativen Demokratie gewährleistet, da lediglich eine Abstimmung organisiert wird. Außerdem sollte Deliberation kein punktuelles Ereignis sein, sondern kontinuierlich stattfinden, um so die moralische Legitimität der Entscheidungen sicherzustellen. In Bezug auf den Verwaltungsrat ist festzuhalten, dass dieser ein Entscheidungsgremium darstellt und alle Stakeholder Interessen einbindet. Dies wird vor allem dadurch sichergestellt, dass der Verwaltungsrat gleichberechtigt aus je drei Stakeholdern der Kammern besetzt wird und Nord und Süd Interessen durch Rotation der Sitze zum Ausgleich gebracht werden (Pattberg 2004, S. 150). Das internationale Sekretariat, insbesondere seine Aufgabe, Regelungen zur Entwicklung und Veränderung der Standards zu treffen, ist aus deliberativer Sicht kritisch zu sehen. Dies betrifft vor allem das Beratungsrecht hinsichtlich der Änderungen von Prinzipien des FSC. Wie Detomasi (2007, S. 329) anmerkt, basieren Multi-Stakeholder Netzwerke häufig darauf, dass Entscheidungen von einem bestimmten Gremium vorformuliert werden, z.B. einem Verwaltungsrat (im Falle des FSC ist es die „Standards and Policy Unit“). Obwohl einige Stakeholder bei

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der Formulierung von Änderungen beteiligt werden, erhalten die Teilnehmer in der Vollversammlung lediglich die Möglichkeit, diese Entscheidungen kritisch zu prüfen, bevor sie ihnen zustimmen. Dies ist aber nicht im Sinne eines gleichberechtigten deliberativen Stakeholder Dialogs, um über die moralische Legitimität der Regelungen zu befinden. Vielmehr stellt es lediglich eine Option dar, seine Meinung kundzutun. Eine wirkliche Einbindung der Stakeholder und damit Diskussion der Prinzipien und möglicher Weiterentwicklungen findet nur eingeschränkt statt. Allerdings ist zu erwähnen, dass dieses Verfahren angesichts einer Revision der Prinzipien seit 2008 verändert wird (vgl. dazu die Ausführungen zur Bedeutung von Inhaltsprinzipien, Kap. 8.3.4.2) Weiterhin ist aus deliberativer Perspektive die Einrichtung von nationalen Arbeitsgruppen positiv zu sehen, da sie ein Forum für Anpassungen auf lokaler Ebene darstellen. Damit entspricht auch der FSC dem Prinzip der Subsidiarität. Organisation der Deliberation Der letzte Aspekt im Rahmen der strukturellen Kriterien betrifft die Organisation der Deliberation. Diese beleuchtet die Form des Diskurses, die Zusammensetzung der Gruppe sowie die Einbindung internetbasierter Medien (zur Begründung der Auswahl dieser drei Kriterien siehe Kap. 8.1). Bei der Form des Diskurses geht es um die Frage, ob alle Stakeholder in einem Gremium zusammenkommen, um zu deliberieren oder ob Diskurse in Kleingruppen organisiert werden (vgl. dazu u.a. Fung 2003a, S. 111–124; 2003b, S. 357–360; Goodin 2008, S. 15; Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 294–295). Eng verbunden mit der Form der Diskurse ist die Frage, wie die Gremien des Multi-Stakeholder Netzwerkes zusammengesetzt sind. Das heißt, ob eine Vielzahl von Stakeholdern diskutieren kann oder die Deliberation so aufgeteilt wird, dass nur relativ homogene Gruppen deliberieren. Im Fall der homogenen Gruppen wäre die Gefahr größer, dass sich eine Polarisierung von Meinungen ergibt (vgl. hierzu Mansbridge 2003, S. 189–190; Schaal & Ritzi 2009, S. 13). In diesem Zusammenhang soll im Folgenden auch untersucht werden, ob und inwiefern Multi-Stakeholder Initiativen auf online gestützte Dialogformen oder soziale Medien zurückgreifen und die persönliche Kommunikation damit ergänzen.

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Form des Diskurses United Nations Global Compact Auf globaler Ebene ist ein Diskurs, in dem alle Stakeholder aufeinander treffen nicht vorgesehen. Jedoch werden Stakeholder im Verwaltungsrat und Führungskräftegipfel vertreten. Der letzte Bericht über das Treffen des Verwaltungsrats lässt darauf schließen, dass die Mitglieder Vorschläge einbringen, Fragen stellen und ihre Meinungen äußern können (UNGC 2010d). Dagegen wird der Führungskräftegipfel in Form von Kleingruppendiskussionen an runden Tischen mit etwa zehn Stakeholdern organisiert (UNGC 2010f). Weiterhin kann festgestellt werden, dass in der Governance-Struktur des UNGC alle Stakeholder formal auch in lokalen Netzwerken eingebunden sind und dort an den Arbeitstreffen teilnehmen können. Zudem werden Vertreter bestellt, die das Netzwerk auf dem Jährlichen Forum der lokalen Netzwerke repräsentieren. Die Treffen auf lokaler Ebene können wie das Beispiel des DGCN zeigt aus Vorträgen, Plenumsdiskussionen oder thematischen Arbeitstreffen (Workshops) bestehen. Innerhalb der thematischen Arbeitstreffen sind auch Diskussionen in Kleingruppen vorgesehen (vgl. hierzu z.B. das Protokoll des lokalen Treffens vom 8. Juni 2010) (DGCN 2010c). Deliberative Bewertung. Auf globaler Ebene ist es schwierig, eine eindeutige Bewertung aus deliberativer Sicht abzugeben. In Bezug auf den Verwaltungsrat listet der letzte Bericht von 2010 zwar dezidiert Meinungen und Aussagen von Teilnehmern auf und zeigt auch Reaktionen sowie Zustimmung und Ablehnung zu Vorschlägen. Allerdings kann nicht nachvollzogen werden, inwiefern eine Diskussion stattgefunden hat. Im Unterschied dazu versucht der Führungskräftegipfel explizit durch die Struktur der runden Tische den Austausch und die Diskussion zwischen den Teilnehmern zu erhöhen (UNGC 2010f). Damit scheinen zumindest die Rahmenbedingungen für Deliberation gesetzt zu sein. Für die lokale Ebene ist es aus deliberativer Perspektive zunächst positiv zu bewerten, dass der UNGC eine Art zweistufige Deliberation (nach dem Vorbild des Participatory Budgeting) (Baiocchi 2003) anstrebt. So sind alle Stakeholder eines Landes bzw. einer bestimmten Region zumindest formal berechtigt, an den Arbeitstreffen des lokalen Netzwerks teilzunehmen130 (vgl. u.a. das DGCN 2011b). Die lokalen Netzwerke werden wiederum durch einen Vertreter auf der Ebene des Jährlichen Forums der lokalen Netzwerke repräsentiert, wo ihre Interessen zu einem Ausgleich gebracht werden sollen. Jedoch ist die Struktur dieser lokalen Arbeitstreffen in deliberativer Hinsicht ambivalent zu bewerten. Zwar bietet die Dis130

Die Beteiligung am UNGC muss allerdings nicht zwingend bedeuten, dass Stakeholder auch im lokalen Netzwerk engagiert sind (UNGC 2011e).

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kussion in Kleingruppen Raum für Deliberation, allerdings überwiegen dem Protokoll nach eher monologische Darstellungsformen wie Reden oder Vorträge. Forest Stewardship Council In Bezug auf die Form des Diskurses beim FSC können nur Aussagen zur Vollversammlung gemacht werden. Zunächst wird hier erreicht, dass alle Stakeholder auf globaler Ebene zusammentreffen. Dabei zeigt das Programm für die Vollversammlung 2011, dass über mehrere Tage Treffen und Sitzungen stattfinden. Dabei gilt es zwischen formellen und informellen Sitzungen zu unterscheiden (FSC 2011j). Insbesondere die informellen Sitzungen haben das Ziel, Raum für Dialog zu schaffen: „Side Meetings take place outside of the formal sessions, and are organized for the purpose of sharing experiences and increasing opportunities for dialogue among the FSC General Assembly delegates.“ (FSC 2011m) Daneben werden auch die nationalen Initiativen in die Vollversammlung eingebunden (FSC 2011j). Darüber hinaus werden aus der Vollversammlung aller Mitglieder wiederum Vertreter gewählt, die die Interessen im Verwaltungsrat repräsentieren und auf einer höheren Ebene Führungsentscheidungen treffen (FSC 2009b, S. 9–10). Deliberative Bewertung. Aus deliberativer Sicht, ist zunächst positiv zu bewerten, dass der FSC auf globaler Ebene alle Stakeholder zusammenbringt und durch die nationalen Initiativen die lokale Ebene mit einbindet. Zudem werden aus der Vollversammlung Vertreter in den Verwaltungsrat gewählt. Mit diesem System entspricht auch der FSC dem Vorbild der mehrstufigen Deliberation wie sie im Participatory Budgeting vollzogen wird (vgl. hierzu Baiocchi 2003). In Bezug auf die Gestaltung der Vollversammlung ist es schwierig, eine deliberative Bewertung zu geben. Zwar wird explizit angesprochen, dass der Dialog zwischen den Teilnehmern gefördert werden soll. Es kann allerdings nicht abgeleitet werden, inwiefern wirklich ein Diskurs zustande kommt. Zusammensetzung der Gruppe United Nations Global Compact In Bezug auf die Zusammensetzung der Gruppe können für den UNGC aufgrund fehlender Informationen nur Aussagen hinsichtlich des Führungskräftegipfels und der lokalen Treffen getroffen werden. Beim Führungskräftegipfel kommen unterschiedliche Stakeholder Vertreter an den runden Tischen zur Diskussion zusammen (UNGC 2010f).

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Für die lokalen Treffen im Rahmen des DGCN scheint es so, dass alle Teilnehmer in Podiumsdiskussionen und Arbeitstreffen (Workshops) eingebunden werden. Allerdings werden keine Diskussionsgruppen aus den Stakeholdern gebildet. Es sprechen vor allem einzelne Vertreter und das Publikum hat die Möglichkeit, mit diesen in Interaktion zu treten (vgl. hierzu Agenda des Arbeitstreffens für den 1. Dezember 2010) (DGCN 2010a). Deliberative Bewertung. Im Hinblick auf den Führungskräftegipfel ist aus deliberativer Sicht einerseits positiv zu bewerten, dass Stakeholder an runden Tischen diskutieren. Andererseits ist jedoch kritisch zu hinterfragen, ob diese Gruppen wirklich aus unterschiedlichen Interessengruppen zusammengesetzt werden, da die Mehrheit der Teilnehmer dieses Gipfels Unternehmensvertreter sind. Was die Zusammensetzung der Gruppe auf lokaler Ebene angeht, ist hier anzumerken, dass die Arbeitstreffen im Sinne einer Konferenz abgehalten werden. Das heißt, Experten tragen vor und Stakeholder haben die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Allerdings kommt damit weder ein gleichberechtigter Dialog noch eine interaktive Diskussion, wie sie die deliberative Demokratie fordert, zustande. In diesem Sinne wäre es notwendig, die Arbeitstreffen weniger starr zu strukturieren, so dass sie mehr Raum für Deliberation geben und Teilnehmer auch untereinander über Vorschläge diskutieren können (z.B. in Form von Kleingruppen). Forest Stewardship Council Was die Zusammensetzung der Gruppe betrifft, so unterliegt die Vollversammlung des FSC einer inhaltlichen Aufteilung der Stakeholder Gruppen auf die drei Kammern Ökonomie, Ökologie und Soziales. Diese diskutieren während der Vollversammlung zunächst getrennt, haben aber auch ein gemeinsames Treffen (Cross Chamber Meeting) (FSC 2011j). Die Dreiteilung der Vollversammlung wird auch im Verwaltungsrat widergespiegelt, dadurch dass von neun Mitgliedern jeweils drei aus einer Kammer stammen. Deliberative Bewertung. Die Zusammensetzung der Gruppe ist aus deliberativer Sicht zunächst zu kritisieren. Grund ist, dass die Aufteilung der Förderung des Pluralismus von Interessen widerspricht und zu homogenen Interessenvertretungen führt. Wie aus empirischen Studien bekannt ist, ist gerade eine Mischung der Stakeholder Gruppen für die Deliberation förderlich, damit nicht schon vorher Mehrheiten gebildet werden bzw. Konfliktlinien zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Interessen verschärft werden (vgl. hierzu Schaal & Ritzi 2009, S. 13–14; Sunstein 2002, S. 192). Zudem würde die Durchmischung der Kammern gewährleisten, dass die Teilnehmer auch andere Interessen kennenlernen und nicht nur in ihrem eigenen Themenfeld (ökonomisch, sozial, ökologisch)

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verhaftet bleiben. Positiv ist zwar, dass ein gemeinsames Treffen der Kammern stattfindet, jedoch vermutlich vorher in den Einzeltreffen Positionen abgestimmt wurden und sich unter Umständen Konfliktlinien gebildet haben. Für den Verwaltungsrat kann ausgesagt werden, dass aufgrund der Größe von 9 Teilnehmern eher gewährleistet ist, dass die Repräsentanten miteinander und nicht nur in ihrem Bereich diskutieren. Einbindung internetbasierter Medien United Nations Global Compact Hinsichtlich der Einbindung internetbasierter Medien setzt der UNGC vor allem auf die Informationsverbreitung mit Hilfe seiner Homepage. So können beispielsweise auf der Homepage des DGCN ausgewählte Fallbeispiele erfolgreicher Implementierung der Prinzipien angesehen werden (DGCN 2011c). Inwiefern Teilnehmer des lokalen Netzwerks erweiterten Zugang zu diesen bewährten Handlungsoptionen (Best Practice) haben, kann an dieser Stelle allerdings nicht beantwortet werden. Zudem ist der UNGC bei Facebook vertreten und stellt dort Informationen zu seiner Initiative bereit. Über die Funktion „Pinnwand“ werden Kurznachrichten on line gestellt und Stakeholder haben die Möglichkeit, dort Meinungen zu platzieren (UNGC 2011n). Daneben sind auch Videos, zum Beispiel vom Führungskräftegipfel 2010 über YouTube abrufbar (UNGC 2010b). Bei den Arbeitstreffen auf globaler und lokaler Ebene (Führungskräftegipfel sowie lokale Netzwerke) spielen allerdings internetbasierte Medien für die Organisation und den Ablauf keine Rolle. Diese Treffen werden nach wie vor im persönlichen Dialog geführt. Deliberative Bewertung. Die umfassende Bereitstellung von Materialien über die Homepage ist zwar grundsätzlich positiv zu bewerten. Allerdings wird dadurch kein Dialog zwischen den Stakeholdern im Sinne der deliberativen Demokratie geschaffen. In diesem Sinne findet auch über die Präsenz des UNGC bei Facebook oder YouTube keine gleichberechtigte Einbindung von Stakeholdern statt. Vielmehr geht es in erster Linie um die Platzierung und Weitergabe von Informationen. Die Nutzung sozialer Medien könnte hier ausgebaut werden, um einen Echtzeit-Dialog zu ermöglichen. Dafür müssten jedoch Vertreter des UNGC mit Stakeholdern in eine Diskussion treten und dynamisch auf Fragen oder Meinungen reagieren.

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Forest Stewardship Council Der FSC hat auf seiner Homepage ein Stakeholder Portal eingerichtet, wo Stakeholder die Möglichkeit haben, Informationen zu laufenden Zertifizierungen oder zu Kernthemen des Waldmanagements abzurufen. Zudem können Stakeholder online Beschwerden einreichen (FSC 2011y). Neben dem Stakeholder Portal ist der FSC auf Facebook, YouTube sowie Twitter aktiv (FSC 2011l, 2011p, 2011q). Auf Facebook werden Informationen und Links bereitgestellt, aber auch Fotos und Videos. Beispielsweise kann ein fünfminütiges Video der letzten Vollversammlung 2008 angeklickt werden. Auch über YouTube ist dieses Video abzurufen (FSC 2011l, 2011p). Zudem haben Interessierte die Möglichkeit, über Facebook Fragen an den FSC zu richten (FSC 2011p). Deliberative Bewertung. Ähnlich wie der UNGC stellt auch der FSC umfassende Materialien über seine Homepage (Stakeholder Portal) bereit. Zur Schaffung eines deliberativen Stakeholder Dialogs sind diese Maßnahmen jedoch nicht ausreichend. Die Möglichkeit zur Einreichung von Beschwerden über das Online-Portal geht zwar schon einen Schritt weiter, ist aber nicht dazu gedacht, einen Dialog zu initiieren. Auch der Einsatz sozialer Medien beim FSC genügt nicht deliberativen Kriterien, da sie vor allem zur Informationspositionierung und -weitergabe genutzt werden. In dieser Hinsicht erfüllt die Bereitstellung eines fünfminütigen Videos der Vollversammlung ebenfalls nicht den Anspruch an einen deliberativen Stakeholder Dialog. In diesem Kontext könnte der FSC ein Online-Forum einrichten, um die Vollversammlung durch internetgestützte Kommunikation zu ergänzen. Insbesondere wenn die Vollversammlung nur etwa alle drei Jahre zusammentritt, könnte zum Beispiel eine „virtuelle“ Diskussion organisiert werden. Damit würde gewährleistet werden, dass Wahlen (z.B. für den Verwaltungsrat) nicht nur per E-Mail entschieden werden, sondern auch im Vorfeld darüber deliberiert wurde (FSC 2009b, S. 4).

8.3.3.3 Personelle Kriterien Im Rahmen der Institutionellen Rahmenbedingungen müssen nachfolgend auch die personellen Kriterien betrachtet werden. Diese beziehen sich auf die Kommunikationsfähigkeit und das Training von Teilnehmern der Multi-Stakeholder Initiative. Weiterhin spielt hier die Einbindung von Moderatoren und Experten eine Rolle (vgl. zur Auswahl dieser Kriterien Kap. 8.1). Insbesondere die Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmer und Faktoren, die diese bedingen, wurden bereits in Kapitel 8.2.3.3 näher betrachtet. An dieser Stelle wird daher beleuchtet, inwiefern die Initiativen ein Lernforum für ihre Teilnehmer darstellen. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob der UNGC und der FSC dazu beitragen, Wis-

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sensprozesse bei den Stakeholdern anzustoßen. Daneben wird gezeigt, in welchen Bereichen die beiden Initiativen ein Training für ihre Stakeholder bereitstellen und inwieweit Moderatoren und Experten den Entscheidungsprozess begleiten. In Bezug auf das Training steht allerdings weniger die Schulung der Kommunikationsfähigkeit im Vordergrund, da diese in den Teilnehmerorganisationen geleistet werden muss. Lernforum United Nations Global Compact Was das Prinzip des Lernens angeht, so werden im UNGC Lernprozesse angestoßen, z.B. in Form von bewährten Handlungsoptionen (Best Practice), die auf der Homepage sowie vor allem auf den Treffen der lokalen Netzwerke des UNGC ausgetauscht werden. Die Teilnehmer sollen im Diskurs ein gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, wie die Prinzipien am besten in der Praxis umgesetzt werden können (Koenig-Archibugi 2004, S. 255). Damit wird Wissen durch die Akteure selbst generiert und kann zu Veränderungen in diesem Politikfeld führen (Kell 2005, S. 72; Pattberg 2006, S. 250; Thérien & Pouliot 2006, S. 65; Williams 2004, S. 762). Dieses Bild des Lernforums bestätigt auch eine Umfrage unter den Führungskräften der Organisationen, die im UNGC vertreten sind. Sie sehen als wichtigste Funktion der Initiative, bewährte Handlungsoptionen (Best Practice) auszutauschen (Accenture & UNGC 2010, S. 54)131. Deliberative Bewertung. Der UNGC erfüllt das grundsätzliche Prinzip des Lernens, das von der deliberativen Demokratie gefordert wird. Das heißt, es wird Wissen durch den Austausch zwischen den Teilnehmern geschaffen, die ihre Perspektiven erweitern und gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Forest Stewardship Council Was das Prinzip des Lernens angeht, so kann für den FSC ausgesagt werden, dass er ein Wissens- und Lernforum darstellt. Zum einen wird dies durch die Selbstüberprüfung des FSC (durch das Change Management Team132) erreicht, was Pattberg als intraorganisationales Lernen bezeichnet. Zum anderen wird auch interorganisationales Lernen durch den Austausch von Informationen zwischen den

131

Für die Studie wurden in einer Online-Umfrage 766 Vorstände (CEOs) von Unternehmen, die am UNGC teilnehmen, befragt. Zudem wurden Interviews mit über 100 Führungskräften weltweit geführt (Accenture & UNGC 2010, S. 3). 132 Das Change Management Team führt u.a. Befragungen der Mitglieder durch, um künftige Herausforderungen zu identifizieren (Pattberg 2005, S. 184).

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Stakeholdern geschaffen. Deshalb erscheint auch der Begriff des interorganisationalen Netzwerks angebracht (Pattberg 2005, S. 183–184). Deliberative Bewertung. Das Prinzip des Lernens wird vom FSC grundsätzlich erfüllt. Nicht nur die Stakeholder lernen voneinander, sondern der FSC basiert auch auf einer kritischen Selbstüberprüfung und verpflichtet sich damit einer kontinuierlichen Verbesserung. Training United Nations Global Compact Der UNGC stellt Trainingsmaterial zur Verfügung und schult damit die Teilnehmer in Bezug auf die Einhaltung der Prinzipien (Kell 2005, S. 72). Daneben stellen auch die lokalen Netzwerke Schulungsmaterial bereit und organisieren Trainings und Arbeitstreffen (Workshops) sowie Kooperationen, um Unternehmen dahingehend zu unterstützen, die Prinzipien in ihre tägliche Unternehmenstätigkeit zu integrieren (Gilbert 2010, S. 343; Helmchen 2010, S. 359; McKinsey & Company 2004, S. 12; UNGC 2010i; Whelan 2010, S. 322). So veranstaltet beispielsweise das DGCN Trainings für Unternehmen zu verschiedenen Themen, wie unter anderem zu Menschenrechten (DGCN 2010d). In Bezug auf das Training der Teilnehmer kann auch die Frage gestellt werden, wer operativ im Unternehmen für die Implementierung der Prinzipien des UNGC verantwortlich ist und die nötige Kompetenz besitzt. Der UNGC selbst schlägt dazu vor, zunächst ein Expertenteam aus Mitarbeitern verschiedener Abteilungen zu gründen, die Regelungen und Maßnahmen entwickeln, wie die Prinzipien umgesetzt werden können und auch andere Mitarbeiter in diese Umsetzung einbinden (DGCN 2008, S. 10). Dieses Expertenteam müsste hinsichtlich der Prinzipien geschult worden sein und sich in Bezug auf die Umsetzung auch mit dem lokalen Netzwerk abstimmen. Deliberative Bewertung. Im Hinblick auf das Training von Teilnehmern spricht die deliberative Demokratie von deliberativen Fähigkeiten, nicht von der Begleitung eines Implementierungsprozesses. Allerdings wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Schulung der Kommunikationsfähigkeit bei den Teilnehmern in den Organisationen selbst verhaftet ist und nicht Aufgabe von Multi-Stakeholder Netzwerken sein kann.

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Forest Stewardship Council Auf der globalen Ebene bietet der FSC eine Reihe von Dokumenten an, die über die Zertifizierung oder die Mitgliedschaft im Standard informieren. Des Weiteren werden Arbeitstreffen (Workshops) durchgeführt, wenn es um die Einführung und Information zu neuen Projekten geht (FSC 2010b). Auch der FSC Deutschland bietet auf seiner Homepage Informationen und Dokumente sowie Filme und ein Spiel, um Stakeholder für die Zertifizierung von Holz zu sensibilisieren (FSC Deutschland 2011a). Der FSC USA bewirbt auf seiner Homepage zudem einen (schriftlichen) Leitfaden zum Training von Architekten und Bauherren im Umgang mit FSC-zertifiziertem Holz (FSC US 2005). Deliberative Bewertung. In Anlehnung an die Aussagen zum UNGC, kann in Bezug auf das Training aus deliberativer Perspektive nur schwer eine Einschätzung erfolgen. Aus den Informationen der Homepages geht hervor, dass es beim FSC mehr um ein Training zur Zertifizierung und um eine Sensibilisierung für das Thema Waldmanagement geht als um ein Training kommunikativer Fähigkeiten. Moderatoren und Experten United Nations Global Compact In Bezug auf den Einsatz von Moderatoren und Experten können für den UNGC nur Aussagen für die lokale Ebene getroffen werden. So werden bei den Treffen des DGCN Moderatoren für die Podiumsdiskussionen und Arbeitstreffen (Workshops) eingesetzt. Daneben halten Experten, die allerdings zugleich Stakeholder der Initiative sind, Impulsvorträge zu bestimmten Themen (DGCN 2010a). Deliberative Bewertung. In Bezug auf den Einsatz von Moderatoren ist deren Einsatz zwar aus deliberativer Perspektive positiv zu bewerten. Allerdings kann keine Aussage, über ihre Funktion getroffen werden. Es bleibt daher unklar, inwieweit diese Diskussionen leiten und sicherstellen, dass ein gleichberechtigter Dialog zu Stande kommt. Bei den Experten ist positiv hervorzuheben, dass hier situatives Wissen eingebracht wird. Forest Stewardship Council Über den Einsatz von Moderatoren, zum Beispiel bei der Durchführung von Arbeitstreffen (Workshops), werden beim FSC keine Aussagen getroffen. Hinsichtlich der Rolle von Experten ist jedoch bekannt, dass für die (Neu-)Formulierung oder Änderung von Prinzipien und Standards des FSC häufig so genannte technische Komitees gebildet werden. In diesen technischen Komitees stellen Waldma-

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nager und Hersteller als Experten ihr Wissen bereit und beraten zusammen mit nicht wirtschaftlichen Akteuren (FSC 2009b, S. 16; Pattberg 2005, S. 180). Deliberative Bewertung. Beim FSC kann keine Bewertung für den Einsatz von Moderatoren aus deliberativer Perspektive vorgenommen werden, da keine Informationen vorliegen. In Bezug auf Experten ist es dagegen als positiv zu beurteilen, dass diese Wissen in den Dialog einbringen und auch andere Stakeholder davon profitieren können.

8.3.4

Prinzipien und Regeln der Kommunikation

Nachdem die Institutionellen Rahmenbedingungen analysiert wurden, werden nun die Prinzipien und Regeln der Kommunikation kritisch beleuchtet. Analog zur Unternehmensebene gilt dabei, dass die Teilnehmer der Multi-Stakeholder Initiative idealerweise die Möglichkeit haben sollten, über die Prinzipien und Regeln der Kommunikation, die ihren Dialog leiten sollen, selbst zu bestimmen. In Bezug auf die hier analysierten Multi-Stakeholder Initiativen kann nur für den FSC eine Aussage getroffen werden. Dieser legt in den Statuten fest, dass sich die Vollversammlung ihre eigenen Regeln der Entscheidungsfindung geben kann, die allerdings vom Verwaltungsrat vorgeschlagen werden (FSC 2009b). Somit wird eine gewisse Flexibilität in Bezug auf die Kommunikation gewährleistet. Für den UNGC können an dieser Stelle keine Aussagen getroffen werden. Als Nächstes werden die Prinzipien und Regeln der Kommunikation anhand der Bedeutung von Prozess- und Inhaltsprinzipien sowie der Formen der Kommunikation untersucht (zur Wahl dieser drei Kriterien vgl. Kap. 8.1).

8.3.4.1 Bedeutung von Prozessprinzipien Im Unterschied zu Stakeholder Dialogen in Unternehmen, gibt es Anzeichen dafür, dass Multi-Stakeholder Initiativen bereits auf deliberative Entscheidungsprozesse zurückgreifen. So werden diesen Initiativen von zahlreichen Forschern folgende Merkmale zugesprochen: machtfreier und gleichberechtigter Dialog, Respekt und Offenheit, Gleichheit, Reziprozität, kontinuierliches Lernen und Feedback (Dryzek 2001, S. 664; Gulbrandsen 2004, S. 83; Pattberg 2006, S. 246; Roloff 2008, S. 243–244; Scherer & Palazzo 2007, S. 1110). Analog zur Unternehmensebene wird hier anhand der vier Prinzipien: Reziprozität, Macht, Öffentlichkeit sowie Rechenschaft analysiert, inwiefern der UNGC und der FSC den in der Literatur festgestellten deliberativen Kriterien entsprechen (vgl. zur Auswahl dieser vier Prinzipien, Kap. 8.1).

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Reziprozität Im Hinblick auf Reziprozität soll untersucht werden, inwieweit die beiden MultiStakeholder Initiativen im Sinne der Theorie der deliberativen Demokratie fördern, dass Stakeholder Gründe für ihre Argumentation vorbringen, andere Argumente akzeptieren und Respekt gegenüber den Anderen zeigen (Gutmann & Thompson 1996, S. 55, 2000, S. 168, 2004, S. 4, 11–12, 141). United Nations Global Compact In Bezug auf die Reziprozität als leitendes Prinzip innerhalb des Netzwerks bzw. zwischen den Stakeholder Gruppen kann an dieser Stelle nichts ausgesagt werden, da der UNGC keine Angaben dazu macht. Deliberative Bewertung. Eine deliberative Bewertung kann an dieser Stelle nicht geleistet werden, da unklar ist, inwiefern sich der UNGC dem Prinzip der Reziprozität verschrieben hat. Forest Stewardship Council Analog zum UNGC ist auch beim FSC das Prinzip der Reziprozität nicht schriftlich festgehalten. Deshalb kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob es im Rahmen von Diskussionen berücksichtigt wird. Deliberative Bewertung. In diesem Sinne kann aus deliberativer Perspektive analog zum UNGC keine Bewertung des Prinzips der Reziprozität vorgenommen werden. Macht Das Kriterium der Macht bezieht sich auf die Frage, ob der UNGC und der FSC einen gleichberechtigten Stakeholder Dialog ermöglichen, indem Macht als Entscheidungsfaktor neutralisiert wird (Habermas 1999, S. 44). Dabei wird insbesondere beleuchtet, ob die Stakeholder untereinander als gleichwertig betrachtet werden und ob bestimmte Stakeholder Gruppen gegenüber anderen dominant sind. Zudem wird untersucht, ob die Macht von Stakeholdern bei Entscheidungsprozessen eine Rolle spielt (z.B. bei der Stimmenverteilung) (Young 1997, S. 398–399).

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United Nations Global Compact Der UNGC hat das Ziel, einen hierarchiefreien Dialog zwischen den Stakeholder Gruppen zu gewährleisten: „The

Compact is not designed as a certification instrument or a tool to regulate and sanction its participants but instead to foster a dialogue among a diverse set of actors in a nonbureaucratic way.“ (Rasche 2009a, S. 514) Er wird daher auch als System der „checks and balances“ wahrgenommen. Das heißt, Machtungleichgewichte, die nach außen bestehen, werden durch die Einbindung in die Struktur des UNGC neutralisiert und ein hierarchiefreier Dialog geführt (Thérien & Pouliot 2006, S. 65). Im Unterschied zu dieser Einschätzung hat Hemmati (2002, S. 179) in seiner Analyse (mit Hilfe von Interviews) herausgefunden, dass die Mitglieder Machtungleichgewichte, zum Beispiel zwischen MNU und NGOs oder der politischen Macht der UN und der ökonomischen Macht der MNU wahrnehmen. Laut ihrer Aussage werden diese nicht genügend angesprochen oder durch Kommunikationsmechanismen ausgeglichen. In dieser Hinsicht lässt auch die Mitgliederstruktur, von über 8.800 Teilnehmern sind über 6.100 privatwirtschaftliche Unternehmen133, darauf schließen, dass die Macht asymmetrisch bei den Unternehmen liegt (UNGC 2011i). Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass der UNGC auch explizit Prinzipien für die wirtschaftliche Tätigkeit formuliert und somit der Schwerpunkt auf Unternehmen liegt. Zudem erscheint die UN als eine dominante Gruppe, da zwei Gremien des UNGC, das Global Compact Büro und das Interdisziplinäre Team nur von UN Seite geführt werden. Deliberative Bewertung. Hinsichtlich der Dominanz von Stakeholder Gruppen beim UNGC gibt es widersprüchliche Aussagen. Auf der einen Seite wird ein „checks and balances“ System betont, auf der anderen Seite kann eine Dominanz von UN und wirtschaftlichen Interessen beobachtet werden, die sich unter Umständen auch in der Macht bei Entscheidungen ausdrückt. Aus Sicht der deliberativen Demokratie wird ein machtfreier Dialog proklamiert. Das heißt, die deliberative Demokratie hält dazu an, Macht in der Diskussion durch gegenseitigen Respekt und Gleichheit unter den Teilnehmern zu neutralisieren. Inwiefern dies beim UNGC tatsächlich gelingt, ist allerdings unklar.

133

Die Durchsuchung der Datenbank ergibt, dass der UNGC insgesamt 8.814 Teilnehmer hat, wovon 6.105 Teilnehmer aus dem Bereich Wirtschaft kommen (Stand: April 2011) (UNGC 2011i).

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Forest Stewardship Council In Bezug auf den Faktor Macht im FSC wird zunächst bei Klintman (2009, S. 48) argumentiert, dass gerade die Aufteilung des FSC in ökonomische, ökologische und soziale Division ein Ressourcen- und damit Machtgleichgewicht darstellen würde. Während die ökonomische Division über Kapital verfügt, besitzen die soziale und ökologische Division „symbolisches Kapital“, z.B. dadurch dass Gewerkschaften oder NGOs Druck ausüben können. Dem widerspricht allerdings ein Bericht von Counsell & Loraas (2002, S. 32), die in ihrer Studie im Jahr 2002 feststellten, dass vor allem ökonomische Interessen ein Übergewicht hatten. Jedoch kann nach aktuellen Informationen für die Mitgliederstruktur des FSC ausgesagt werden, dass die Mehrheit der Mitglieder in der Wirtschafts- und Umweltkammer zu finden ist (FSC 2010a)134. Zudem gilt es zu bedenken, dass die Governance-Struktur des FSC so angelegt ist, dass jede Kammer das gleiche Stimmengewicht hat, auch wenn in einer Kammer mehr Mitglieder sein sollten. Das heißt, dass in der Sozialkammer zwar deutlich weniger Mitglieder vertreten sind, sie jedoch dasselbe Stimmengewicht wie Wirtschafts- und Umweltkammer inne hat (vgl. dazu auch Abb. 13 im Anhang) (FSC 2011o). Des Weiteren soll die Governance-Struktur in der Vollversammlung formal dafür Sorge tragen, dass Interessen aus Nord und Süd gleichermaßen (jeweils 50 Prozent Stimmengewicht) repräsentiert sind (Dingwerth 2008, S. 54). Jedoch kritisiert Dingwerth (2008, S. 61) die Definition der Bereiche Nord und Süd. Sie sei nicht zielführend, da diese Kategorisierung nicht geographisch motiviert ist, sondern Hochlohnländer von Niedrigund Mittellohnländern unterscheidet. Somit gehören auch Länder wie Kroatien oder Polen dem Süden an. Zudem würde diese Teilung die Realität nicht widerspiegeln, da Hochlohnländer 50 Prozent Stimmengewicht haben, obwohl sie nur 15 Prozent der globalen Bevölkerung darstellen. Auch im Verwaltungsrat ist die Stimmen- und damit Machtgleichheit formal festgehalten, da jede Kammer drei Vertreter wählt. Zudem sollen regionale Unterschiede sowie Unterschiede im Geschlecht bei der Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrats berücksichtigt und zu einem Ausgleich gebracht werden (FSC 2009b, S. 10). Deliberative Bewertung. Aus deliberativer Perspektive ist hier positiv zu bewerten, dass versucht wird, verstärkt Minderheiten einzubinden und damit zu verhindern, dass sich eine Machtasymmetrie zwischen ärmeren und reicheren Bevölkerungsschichten in der Governance-Struktur bildet. Allerdings hat Dingwerth kritisiert, dass hier nicht die reale Situation widergespiegelt wird, da die ärmeren Süd134

Beim FSC International sind 351 Mitglieder in der Wirtschaftskammer, 343 in der Umweltkammer und 160 in der Sozialkammer vertreten (Stand: Dezember 2010) (FSC 2010a). Beim FSC Deutschland ergibt sich ein anderes Bild, hier sind 25 Mitglieder der Umweltkammer, 23 der Sozialkammer und 106 der Wirtschaftskammer zugeordnet (Stand: Oktober 2010) (FSC Deutschland 2010).

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staaten einen größeren Anteil an der Bevölkerung ausmachen, allerdings in der Vollversammlung das gleiche Stimmengewicht haben wie die reicheren Nordstaaten. In dieser Hinsicht stellt sich die Frage, ob ärmeren Bevölkerungsschichten ein größeres Stimmengewicht und damit mehr Macht gegeben werden sollte und wenn ja, ob nicht dadurch wieder eine Ungleichheit geschaffen wird. Die Theorie der deliberativen Demokratie liefert in dieser Hinsicht wenig Anhaltspunkte. Es kann allerdings zum Beispiel nach Young (2000, S. 141) argumentiert werden, dass eine größere Betroffenheit ein größeres Stimmengewicht rechtfertigen würde. Somit müssten ärmere Bevölkerungsschichten eigentlich stärker repräsentiert sein. Dabei ist jedoch kritisch zu hinterfragen, was eine bessere bzw. richtigere Aufteilung in Nord und Süd wäre. Denn es fällt auf, dass das Problem weniger mit der richtigen Definition der Regionen Nord und Süd zusammenhängt, als mit der Frage, was (Macht-)Gleichheit in deliberativer Hinsicht bedeutet. In den klassischen Ansätzen wird von der grundsätzlichen Gleichheit und Gleichwertigkeit der Teilnehmer untereinander gesprochen, die bedingt, dass jeder die gleiche Möglichkeit hat, zum Diskurs beizutragen (vgl. Habermas 1999, S. 44). Diese wird durch die Gleichwertigkeit der Stimmenanteile in den Kammern der Vollversammlung erreicht (Ausnahme bildet allerdings die Stimmenverteilung zwischen Organisationen und Individuen; vgl. dazu Abb. 13 im Anhang). Darüber hinaus wird betont, dass niemand vom Diskurs ausgeschlossen werden darf. Dies wird in den erweiterten Ansätzen unter dem Prinzip des gleichen Zugangs nochmals hervorgehoben (Knight & Johnson 1994, S. 285). Dabei ist, wie in Kap. 8.3.2.2 gezeigt wurde, der Zugang für staatliche Akteure zum Standard beschränkt. Deshalb ist das Prinzip der Gleichheit nur in Teilen erfüllt. Öffentlichkeit Das Prinzip der Öffentlichkeit fordert, dass deliberative Stakeholder Dialoge in der Öffentlichkeit stattfinden. Ähnlich wie bei MNU betrifft es auch hier die Möglichkeit der kritischen Überprüfung durch die Öffentlichkeit. Weiterhin geht es darum, ob der Zugang zu Informationen öffentlich ist (Gutmann & Thompson 1996, S. 95; Habermas 1999, S. vii, 2006a, S. 416, 418). Dies bezieht sich im Kontext der Multi-Stakeholder Initiativen auf die Frage, inwiefern sie Dokumente und Informationen für alle offenlegen. Somit hängt die Möglichkeit zur kritischen Überprüfung auch entscheidend davon ab, inwiefern Informationen veröffentlicht werden.

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United Nations Global Compact Der UNGC veröffentlicht auf seiner Homepage zahlreiche Berichte und Dokumente (auch aus vergangenen Jahren). So zum Beispiel einen Jahresbericht, der über den Fortschritt bei der Implementierung berichtet (UNGC 2010h), einen Bericht zum jüngsten Führungskräftegipfel (UNGC 2010g) sowie einen Bericht zum Treffen des Verwaltungsrats (UNGC 2010d). Daneben müssen auch die lokalen Netzwerke jährliche Berichte veröffentlichen (Gilbert 2010, S. 352). Der Jahresbericht des UNGC enthält dabei auch gemeldete Verletzungen der Prinzipien, die im Global Compact Büro eingingen (UNGC 2010h, S. 20). Es wird allerdings keine Aussage getroffen, wie diesen Beschwerden begegnet wurde. Mit dieser Form der Berichterstattung werden vor allem Informationen nach Treffen von Stakeholdern der Öffentlichkeit zugänglich. In Bezug auf die Implementierung der Prinzipien bei den Mitgliedern des UNGC setzt dieser auf „Communication on Progress“ (COP). Das heißt, Unternehmen sind selbst aufgefordert, über den Fortschritt der Implementierung der Prinzipien zu berichten und einen Fortschrittsbericht auf der Homepage des UNGC hochzuladen. Wenn sie ein Jahr nicht berichten, ist ihr Status als „nichtkommunizierend“ gekennzeichnet. Sollten sie zwei Jahre in Folge nicht berichten, werden sie von der Teilnehmerliste des UNGC genommen (UNGC 2009a; Williams 2004, S. 756, 762). Darüber hinaus hat der UNGC ein neues System der „Differenzierung“ eingeführt. Ziel ist es, die Berichterstattung stärker zu vereinheitlichen und Transparenz zu schaffen. Ähnlich zur GRI werden hierzu verschiedene Berichtsniveaus unterschieden, von „lernend“ bis „fortgeschritten“. Als „lernend“ werden insbesondere kleinere und weniger erfahrene Unternehmen eingestuft, die noch nicht die Anforderungen des UNGC erfüllen und erst an die Berichterstattung herangeführt werden müssen. Hierzu stellt der UNGC ein standardisiertes Template zur Verfügung, das diese Unternehmen bei ihrer COP unterstützen soll. Unternehmen, die einen Status als „fortgeschritten“ anstreben, müssen in ihrer COP über die Standardberichterstattung hinausgehen und erweiterte Angaben zum Fortschritt der Implementierung leisten. Generell sind jedoch alle Unternehmen angehalten, sich kontinuierlich hinsichtlich der Transparenz und Veröffentlichung zu verbessern (UNGC 2011c, 2011d, 2011j). Deliberative Bewertung. Die Berichterstattung über die Tätigkeiten des UNGC ist in deliberativer Hinsicht zunächst positiv zu bewerten, da sie zum einen umfassend stattfindet und zum anderen jeder Zugang zu diesen Informationen hat. Allerdings erfolgt die Berichterstattung erstens fast ausschließlich schriftlich und zweitens im Nachhinein zu Stakeholder Treffen. So könnte die Berichterstattung auf Videostream und soziale Medien ausgedehnt werden und auch während der Treffen übertragen werden. Bisher sind nur einige kurze Videos des Führungskräf-

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tegipfels über YouTube abrufbar (UNGC 2010b). Insbesondere die Videoaufzeichnung könnte hier sinnvoll sein, um dem Prinzip der kritischen Prüfung zu entsprechen, da Entscheidungsprozesse nachvollziehbar werden. Was die Fortschrittsberichte von Unternehmen zu ihrem Umsetzungsstatus der Prinzipien angeht, so sind diese aus deliberativer Perspektive positiv zu bewerten. Denn dadurch wird Transparenz und die Möglichkeit zur öffentlichen Prüfung geschaffen (vgl. auch Gilbert 2010, S. 344). Allerdings ist anzumerken, dass es auch auf die Form der Berichte ankommt. Das heißt, ist die Öffentlichkeit in der Lage, Maßnahmen nachzuvollziehen und zu vergleichen. Mit der Differenzierung hat der UNGC begonnen, ein einheitlicheres und transparentes System zu schaffen. Jedoch gilt die Berichterstattung nur für Unternehmen, nicht für andere Anspruchsgruppen (UNGC 2009a). Das widerspricht dem Prinzip der Gleichberechtigung. Forest Stewardship Council Der FSC informiert über Entwicklungen und Veränderungen der Prinzipien und Kriterien (in Bezug auf die Zertifizierung sowie die Verfahren zur Standardfestlegung). So kann auf der Homepage der derzeitige Stand bei der Überprüfung der Prinzipien und Kriterien nachvollzogen werden (FSC 2011f, 2011w). Der FSC hat außerdem ein institutionalisiertes Veto-System geschaffen. Stakeholder haben die Möglichkeit, sich über den FSC und seine Organe, die Zertifizierungsstelle oder zertifizierte Betriebe zu beschweren. Auf der Homepage werden alle derzeitigen Konflikte sowie ihr Status aufgelistet. Des Weiteren gibt der FSC detaillierte Regelungen, wie eine Beschwerde vorgebracht werden soll und zeigt auf, wie damit umgegangen wird (FSC 2009c, 2011e). Daneben sind auch alle entscheidenden Regelungen und Dokumente des FSC der Öffentlichkeit zugänglich (FSC Deutschland 2011b). Zudem verlangt der FSC, dass alle Zertifizierungsstandards in den Landessprachen verfügbar sind, allen Stakeholdern vorgelegt werden und über die Homepage abrufbar sind (Pattberg 2004, S. 151–152). Deliberative Bewertung. Aus deliberativer Sicht erscheint es positiv, dass Prozesse der Standardentwicklung und -veränderung im FSC der Öffentlichkeit gegenüber transparent dargelegt werden. Auch das geschaffene Veto-System, das Kontrollrechte institutionalisiert, ist positiv zu bewerten, da sich der FSC für Kritik öffnet. Zudem können Beschwerden, so wie auf der Homepage gestaltet (vgl. Beschwerdeformular FSC 2011g), nicht nur von Mitgliedern des FSC, sondern von allen Stakeholdern eingebracht werden. Dieses System erfüllt in Teilen das Prinzip der Öffentlichkeit. Denn bisher ist es für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar, wie genau Entscheidungsprozesse, insbesondere auf der Vollversammlung, vollzogen werden. Eine Videoaufzeichnung der Vollversammlungen in

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kompletter Länge (bisher fünfminütiges Video der Vollversammlung über Facebook abrufbar; vgl. FSC 2011p) würde hier nicht nur Transparenz liefern, sondern auch die Möglichkeit geben, Entscheidungsprozesse kritisch zu überprüfen. Rechenschaft Analog zur Unternehmensebene wird das Prinzip der Rechenschaft als zweidimensional betrachtet und betrifft erstens die Rechenschaftspflicht von Repräsentanten der Stakeholder Gruppen und zweitens die Institutionalisierung von Rechenschaft mit Hilfe von Kontrollmechanismen (Cohen 2002, S. 412; Gutmann & Thompson 2000, S. 169). United Nations Global Compact In Bezug auf die Rechenschaft kann im UNGC nur die Rechenschaft als Kontrolle untersucht werden, da zur Rechenschaft von Personen im UNGC keine Angaben gemacht werden. Hinsichtlich der Kontrolle der Mitglieder wird dem UNGC vorgeworfen, dass Sanktionierungsmöglichkeiten fehlen und er sich damit der Gefahr aussetzt, dass „Bluewashing“ mit dem Logo betrieben wird (Banerjee 2010, S. 268; Deva 2006, S. 147–148). Dies ist allerdings auch nicht der Selbstanspruch des UNGC, der auf Freiwilligkeit beruht und nicht als Regulierungsstandard konzipiert wurde. Außerdem fehlen dem UNGC die Ressourcen (logistisch und finanziell), um eine effektive Sanktionierung durchführen zu können. Aus diesem Grund sieht sich der UNGC auch als Ergänzung zu Standards wie SA 8000 oder der GRI (Leipziger 2010, S. 73; Rasche 2009a, S. 514, 516, 524, 526). Deliberative Bewertung. Zwar wird zur Rechenschaftspflicht von Personen im UNGC nichts Näheres ausgeführt. Jedoch stellt beispielsweise Zürn (2004, S. 260) fest, dass globale Institutionen wie die UN generell über keine ausreichende Rechenschaftspflicht ihrer Entscheidungsträger verfügen. Daneben ist auch die Rechenschaftspflicht im Sinne einer Kontrolle kritisch zu sehen. So argumentiert Cohen (2002, S. 412), dass Deliberation nur funktioniert, wenn es auch Überwachung und Kontrolle gibt. In Bezug auf den UNGC würde das bedeuten, dass dieser auf Sanktionierung setzen müsste, insbesondere was die Prüfung der Fortschrittsberichte angeht. Bisher wird lediglich, das Vorhandensein der Berichte geahndet (wenn zwei Jahre in Folge kein Bericht hochgeladen wurde, werden Unternehmen von der Teilnehmerliste genommen). In dieser Hinsicht sollte überlegt werden, ob die Inhalte auch kritisch geprüft werden sollten.

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Forest Stewardship Council Zur Rechenschaft von Stakeholdern hat der FSC in seinen Statuten festgelegt, dass der Verwaltungsrat sowohl gegenüber der Vollversammlung als auch gegenüber der öffentlichen Autorität am Standort des Hauptquartiers (Bonn) rechenschaftspflichtig ist (FSC 2009b, S. 9, 2011n). In Bezug auf die Rechenschaft als Kontrolle ist das Zertifizierungssystem des FSC zu untersuchen. Dabei besteht das System des FSC aus zwei Formen der Zertifizierung. Zum einen werden die Waldbesitzer zertifiziert, zum anderen geht es darum, die gesamte Wertschöpfungskette vom Wald bis zum Endverbraucher zu zertifizieren. Das heißt, dass auch die Verarbeitung des zertifizierten Holzes Regelungen unterliegt und nur in einer bestimmten Art und Weise im Produktionsprozess verwendet werden darf. In diesem Sinne müssen auch Verarbeitungsbetriebe sowie Händler zertifiziert sein (COC135 Zertifizierung). Dabei werden nicht nur die zertifizierten Betriebe regelmäßig unabhängigen Kontrollen unterworfen, auch die Zertifizierungsstellen selbst werden mittlerweile einer Überwachung unterzogen (FSC 2011d, 2011h, 2011i). Dies war eine Reaktion in Folge aufgedeckter Verletzungen von FSC-Standards (Pattberg 2004, S. 155). Parallel dazu haben Stakeholder die Möglichkeit, Beschwerden vorzubringen (siehe Kriterium der Öffentlichkeit). Sollte sich eine Verletzung der Prinzipien und Kriterien bestätigen, können FSC-Zertifikate auch wieder aberkannt werden (FSC 2011e). Deliberative Bewertung. Das Prinzip der Rechenschaft wird aus deliberativer Perspektive formal erfüllt, da erstens die Vertreter im Verwaltungsrat gegenüber ihren Stakeholder Gruppen in der Vollversammlung rechenschaftspflichtig sind. Zweitens wurde ein Zertifizierungssystem geschaffen, das Kontrolle und Überwachung von unabhängigen Dritten beinhaltet. Einschränkend gilt jedoch zu beachten, dass mehr Kontrolle nicht gleichzeitig zu moralischerem Verhalten führt (vgl. hierzu Painter-Morland 2007, S. 516). Hinsichtlich der Prinzipien Öffentlichkeit und Rechenschaft muss abschließend darauf hingewiesen werden, dass es in der Praxis sehr schwierig ist, im Sinne der deliberativen Demokratie eine öffentliche Sphäre zu schaffen. Denn diese kann nicht formal institutionalisiert werden (Dryzek 2001, S. 665). Insbesondere ist die Wirkungsweise von Multi-Stakeholder Initiativen entscheidend davon abhängig, inwiefern die Öffentlichkeit tatsächlich eine kritische Rolle einnimmt (vgl. u.a. Nanz & Steffek 2004, S. 320). Andere Autoren sprechen dagegen davon, dass Multi-Stakeholder Netzwerke selbst als öffentliche Sphäre im Sinne der deliberativen Demokratie wahrzunehmen sind:

135

Es handelt sich hier um die so genannte Chain of Custody Zertifizierung (FSC 2011d).

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„By fostering extended deliberation among those actors over the nature of problems and the best way to solve them, participatory arenas produce a pool of (transnationally) shared arguments which contribute to the emergence of a global public sphere.“ (Nanz & Steffek 2004, S. 322)

8.3.4.2 Bedeutung von Inhaltsprinzipien Neben den Prozessprinzipien ist auch die Bedeutung der Inhaltsprinzipien kritisch zu evaluieren. Diese gelten aus Sicht der deliberativen Demokratie als ambivalent. Während die klassische Sichtweise Werte wie Freiheit oder Gleichheit nur als Voraussetzung zur Durchführung deliberativer Entscheidungsprozesse wahrnimmt, fordern einige Forschungsarbeiten der erweiterten Ansätze eine stärker inhaltliche Orientierung der deliberativen Demokratie (Gutmann & Thompson 2004, S. 95; Habermas 1996, S. 110, 2006a, S. 412). Das heißt, dass inhaltliche Prinzipien wie Schutz der Persönlichkeitsrechte beachtet werden müssen und ein potenzielles Ergebnis diesen nicht widersprechen darf. Diese inhaltliche Orientierung ist allerdings nicht fest vorgegeben, sondern unterliegt wie der Prozess der Entscheidungsfindung einer kontinuierlichen kritischen Reflektion. Das heißt, wenn nötig, werden Anpassungen und Veränderungen vorgenommen. In Bezug auf Multi-Stakeholder Initiativen ist festzustellen, dass diese darauf beruhen, dass sie inhaltliche Prinzipien vorgeben und fordern, dass wirtschaftliche Tätigkeiten konform mit diesen Prinzipien ausgeführt werden und diese nicht verletzen. Somit kann an dieser Stelle nur untersucht werden, inwiefern diese inhaltlichen Prinzipien als festgeschrieben gelten oder von den Stakeholdern verändert werden können. Unter dem Punkt der Legitimität wird im nächsten Kapitel außerdem die Frage aufgegriffen, ob diese inhaltlichen Prinzipien durch einen deliberativen Entscheidungsprozess zustande gekommen sind. United Nations Global Compact Die zehn Prinzipien des UNGC (vgl. Abb. 11 im Anhang) stehen in der Kritik, dass sie zu vage und allgemein formuliert sind (Rasche 2009a, S. 522; Williams 2004, S. 758) und zu stark westliche Werte widerspiegeln (Kell 2005, S. 76). Allerdings wird in dieser allgemeinen Formulierung auch ein wesentlicher Vorteil des UNGC gesehen, der Raum für Anpassungen an den unternehmerischen Kontext lässt (Leipziger 2010, S. 73). Zudem ist der UNGC nicht als Code of Conduct zu sehen, vielmehr gibt er einen übergeordneten Handlungsrahmen (MakroEbene) vor (Rasche 2009a, S. 523). Die Frage nach der konkreten Umsetzung obliegt jedem Unternehmen (Mikro-Ebene) selbst. Denn in der unternehmerischen

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

Praxis ergeben sich häufig sehr spezifische Probleme, z.B. in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten oder den Schutz der Umwelt. Gerade in dieser Hinsicht ist es wichtig, einen deliberativen Stakeholder Dialog zu führen und gemeinsam zu diskutieren, welche Handlungsoptionen in einer spezifischen Situation möglich sind bzw. welche Lösungen (in Form von bewährten Handlungsoptionen) schon von anderen Stakeholdern erfolgreich implementiert worden sind (Rasche 2009a, S. 516). Auf Ebene der lokalen Netzwerke ist eine Plattform für diesen Dialog bereits geschaffen worden. Jedoch muss angemerkt werden, dass auf globaler Ebene die Prinzipien des UNGC nicht verändert werden können. Dennoch haben laut Rasche (2009b, S. 200) alle Teilnehmer des UNGC die Möglichkeit, die Prinzipien des UNGC zu kommentieren (zum Beispiel am Führungskräftegipfel). Deliberative Bewertung. Insbesondere die erweiterten Ansätze der deliberativen Demokratie weisen darauf hin, dass Prinzipien einer kontinuierlichen kritischen Überprüfung unterzogen werden müssen und nicht als gegeben angesehen werden dürfen (vgl. dazu Gutmann & Thompson 2000, S. 171–176). In dieser Hinsicht ist es kritisch zu bewerten, dass der UNGC auf globaler Ebene keine institutionalisierte Möglichkeit bietet, um über den Inhalt der Prinzipien im Sinne der deliberativen Demokratie zu diskutieren und diese Prinzipien gegebenenfalls zu verändern. Jedoch wird es als positiv angesehen, dass auf der lokalen Ebene Anpassungen der Prinzipien möglich sind und auch gewünscht werden. Forest Stewardship Council Der FSC ist im Gegensatz zum UNGC problemspezifisch und bezieht sich nur auf den Umgang mit der Ressource Holz. Er hat ebenfalls wie der UNGC zehn Leitprinzipien formuliert (vgl. Abb. 12 im Anhang), diese werden allerdings durch weitere 56 Kriterien ergänzt und somit spezifische Vorgaben zur Implementierung der Prinzipien gegeben (FSC 1996, 2011r). Dies ist allerdings auch im Charakter des FSC begründet, der einen Zertifizierungsstandard darstellt und damit detaillierte Regelungen und Auflagen für die Zertifizierung einfordern muss. Seit 2008 werden im FSC alle Prinzipien und Kriterien einer kritischen Untersuchung unterzogen. Zwar wurde eine erste Änderungsversion bereits vom Verwaltungsrat herausgegeben, jedoch hat dieser anerkannt, dass ein größerer Diskussions- und Abstimmungsbedarf mit den Mitgliedern besteht. Deshalb wurde eine Arbeitsgruppe aus sechs Stakeholdern gegründet, die einen erweiterten Entwurf zur Änderung der Prinzipien entwickeln wird. Die Arbeitsgruppe besteht aus Stakeholder Vertretern der drei Kammern (zwei aus jeder Kammer Nord und Süd)136. Dieser Arbeitsgruppe stehen wiederum zwei beratende (Stakeholder) Gremien zur Seite. Hier 136

Die Vertreter wurden durch Wahl innerhalb der Kammern ausgewählt (FSC 2011b).

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soll sichergestellt werden, dass alle Interessen mit einbezogen werden. Alle betroffenen Stakeholder können die Änderungen kommentieren, daneben sind auch andere interessierte Gruppen eingeladen, an den Beratungen teilzuhaben. Über ihren Entwurf sollte zuerst im Februar 2011 in der Vollversammlung abgestimmt werden. Diese Frist wird jetzt allerdings bis November 2011 verlängert, um den Stakeholdern die Möglichkeit einzuräumen, sich mit dem Entwurf vertraut zu machen (FSC 2011w, 2011x). Deliberative Bewertung. Im Sinne der deliberativen Demokratie findet eine kritische Überprüfung der Prinzipien statt. Weiterhin ist positiv zu bewerten, dass die Betroffenen in den Veränderungsprozess eingebunden werden und gewählte Stakeholder Vertreter diese Veränderungen entwickeln. Dabei sind sie aufgefordert, immer wieder Kontakt zu ihren Stakeholder Gruppen zu halten und sicherzustellen, dass ihre Interessen berücksichtigt werden (Prinzip der Rechenschaft). In der Praxis sieht man allerdings, dass dies ein langwieriger Prozess ist, so dauert die Überprüfung der Prinzipien bereits zwei Jahre, soll allerdings laut FSC auch dem Kriterium einer „ganzheitlichen“ Überprüfung standhalten (FSC 2011w).

8.3.4.2 Formen der Kommunikation Der letzte Punkt in Bezug auf Prinzipien und Regeln zur Kommunikation geht der Frage nach, inwiefern rationale Kommunikation als wesentlicher Kommunikationsstil in Multi-Stakeholder Netzwerken genutzt wird oder ob auch andere Formen der Kommunikation den Teilnehmern zur Verfügung stehen. Denn die Theorie, insbesondere die erweiterten Ansätze, haben darauf hingewiesen, dass auch andere Kommunikationsformen wie Begrüßung, Rhetorik oder Erzählung für Deliberation wichtig sind, da nicht alle Teilnehmer die geforderte Rationalität aufweisen (vgl. hierzu Elstub 2010, S. 297; Parkinson 2006, S. 150; Young 2000, S. 59ff.). United Nations Global Compact Bereits an anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, dass der UNGC die Treffen auf globaler und lokaler Ebene in Form einer Konferenz gestaltet. Das heißt, es werden unter anderem Vorträge, Podiums- und Kleingruppendiskussionen eingesetzt (vgl. hierzu beispielsweise DGCN 2010a; UNGC 2010d). Deliberative Bewertung. Aus deliberativer Sicht ist es schwierig zu bewerten, inwieweit auf diesen Treffen rational kommuniziert wird. Zwar lassen Vorträge zum Beispiel darauf schließen, dass Rhetorik oder Erzählung eine Rolle spielen.

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

Sie können jedoch auch eingesetzt werden, um rational Argumente vorzubringen. Forest Stewardship Council Für den FSC kann ausgesagt werden, dass die Vollversammlung auf globaler Ebene analog zum UNGC auch in Form einer Konferenz organisiert wird. Hier halten Experten Vorträge und es werden formelle sowie informelle Sitzungen organisiert, in denen Experten sprechen, aber auch Raum für den Austausch unter den Mitgliedern geschaffen werden soll (FSC 2011j, 2011m). Deliberative Bewertung. Analog zum UNGC kann auch für den FSC nicht geschlussfolgert werden, ob verschiedene Formen der Kommunikation eingesetzt werden oder ob ausschließlich rational kommuniziert wird.

8.3.5

Ergebnisse der Dialoge

Im Anschluss an die Prinzipien und Regeln der Kommunikation, sollen auch bei den Multi-Stakeholder Netzwerken die Ergebnisse der Dialoge kritisch analysiert werden. Dazu werden die Konsensorientierung sowie der Grad der Legitimität betrachtet (vgl. hierzu Kap. 8.1).

8.3.5.1 Konsensorientierung Die Theorie der deliberativen Demokratie hat nach dem klassischen Ideal als oberstes Ziel, einen Konsens zu erreichen (Cohen 1997a, S. 72–75; Habermas 1996, S. 110, 161–162). Dabei wird allerdings anerkannt, dass auch Mehrheitsentscheidungen eine Möglichkeit der Entscheidungsfindung darstellen (Cohen 1997a, S. 75, 1998, S. 218; Cohen & Sabel 1997, S. 320–321; Habermas 1996, S. 179, 306). Bei den erweiterten Ansätzen werden zudem verschiedene Formen der Entscheidungsfindung (zum Beispiel durch Verhandlung erzielt) als mit der deliberativen Demokratie vereinbar angesehen (Gutmann & Thompson 1996, S. 43; Mansbridge et al. 2010, S. 69). United Nations Global Compact Der UNGC erhebt den Selbstanspruch, dass seine Entscheidungen auf einem Konsens unter den Teilnehmern beruhen. Auch auf lokaler Ebene ist dies vorzufinden, so informiert beispielsweise der Lenkungskreis des DGCN, dass seine Entscheidungen nach dem Konsensverfahren getroffen werden (DGCN 2011d).

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Deliberative Bewertung. Aus deliberativer Perspektive ist es positiv zu bewerten, dass der UNGC einen Konsens anstrebt. Allerdings wird keine Aussage darüber getroffen, was passiert, wenn kein Konsens erreicht werden kann. Forest Stewardship Council Ähnlich wie der UNGC erhebt auch der FSC den Anspruch, ein Forum zu bieten, in dem ein Konsens erreicht werden kann (Pattberg 2005, S. 181). Dies gilt sowohl für die globale als auch für die lokale Ebene und ist in den Statuten des FSC festgelegt: „The General assembly shall strive to adopt decisions by consensus.“ (FSC 2009b, S. 3) „[…] national initiatives will seek consensus in their decisions.“ (FSC 2009b, S. 13) Insbesondere über die Veränderung von Prinzipien und Kriterien soll in der Vollversammlung durch Konsens entschieden werden (Pattberg 2004, S. 152). Bei allen anderen Entscheidungen ist die Vollversammlung beschlussfähig, wenn Zwei Drittel der Mitglieder für einen Vorschlag stimmen. Dies suggeriert auch bereits die Verteilung von Stimmengewichten auf die einzelnen Kammern in der Vollversammlung des FSC (FSC 2009b, S. 4). Deliberative Bewertung. Für den FSC ist es ebenfalls aus deliberativer Sicht positiv zu bewerten, dass dieser in erster Linie einen Konsens anstreben möchte. Daneben betont der FSC auch die Möglichkeit, Mehrheitsentscheidungen (Zwei Drittel) zu treffen und berücksichtigt damit, dass in der Praxis häufig Konsensentscheidungen nicht möglich sind.

8.3.5.2 Grad der Legitimität Der Begriff der Legitimität hat im Kontext von Multi-Stakeholder Netzwerken mehrere Dimensionen. Erstens geht es um die Frage nach der Legitimität der Prinzipien, die die Multi-Stakeholder Initiative vertritt. Das heißt, es muss geklärt werden, woher diese Prinzipien kommen und ob an ihrer Entstehung Stakeholder beteiligt waren. Dabei sei angemerkt, dass an dieser Stelle die Prinzipien bei der Gründung der Initiativen analysiert werden, nicht Normen und Prinzipien, die nach der Initiierung zum Beispiel auf lokaler Ebene formuliert wurden. Zweitens geht es um die Frage, inwiefern die Entscheidungsfindung im Netzwerk deliberativen Kriterien entspricht, das heißt, von wem (welche Stakeholder Gruppen) und wie werden maßgebliche Entscheidungen getroffen. Die Legitimität des Entschei-

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

dungsprozesses liefert auch gleichzeitig Aufschluss über die Legitimität der Organisation. Im Folgenden werden die Legitimität der Prinzipien getrennt für den UNGC und den FSC aufbereitet, während hinsichtlich der Legitimität des Entscheidungsprozesses und der Organisation eine gemeinsame Betrachtung erfolgt. Dies erscheint sinnvoll, um einen direkten Vergleich der beiden Initiativen und eine abschließende Einschätzung hinsichtlich ihrer Legitimität vornehmen zu können. Legitimität der Prinzipien United Nations Global Compact Die zehn Prinzipien des UNGC leiten sich aus vier internationalen Vereinbarungen der UN ab: der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, den Arbeitsprinzipien und Rechten der ILO, der Rio Erklärung über Umwelt und Entwicklung sowie der UN Konvention gegen Korruption (Rasche 2009b, S. 200; Thérien & Pouliot 2006, S. 55–56). Dabei muss unterschieden werden zwischen der Legitimität dieser Erklärungen sowie ihren aufgestellten Normen und der Legitimität der Prinzipien des UNGC. Prinzipien der UN. Was die internationalen Vereinbarungen der UN betrifft, so wurden drei von ihnen, die Erklärungen zu Menschenrechten, Umwelt und Korruption von der UN ausgearbeitet. Sie werden von Staaten in der Vollversammlung unterzeichnet137 und sollen anschließend ratifiziert werden. Die vierte Erklärung, zu Arbeitsrechten, wurde von der ILO herausgegeben, basiert allerdings auf der Zustimmung von Staaten, Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der Konferenz der ILO (ILO 2011a, 2011b). Deliberative Bewertung. Die formulierten Normen in diesen Erklärungen können als legitim angesehen werden, da sie von einer Institution wie der UN entwickelt worden sind und damit auf einem breiten internationalen Konsens beruhen (Hemmati 2002, S. 176; Thérien & Pouliot 2006, S. 55–56, 61; Williams 2004, S. 756). Ihre Legitimität leitet sich somit wesentlich von der Legitimität der Institution der UN ab, wonach ein normativer Begriff von Legitimität herangezogen wird. Das heißt, eine Institution besitzt das Recht, Regelungen aufzustellen (Buchanan & Keohane 2006, S. 405; Kell 2005, S. 78). Im Unterschied dazu wurde in der vorliegenden Arbeit ein soziologisches Verständnis von Legitimität nach Suchman (1995) zugrunde gelegt sowie aus deliberativer Sicht die Wichtigkeit herausgestellt, dass Diejenigen, die von den Prinzipien betroffen sind, in die For137

Die UN Konvention gegen Korruption wurde beispielsweise von einem Ad hoc Komitee ausgearbeitet, das im UN Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung angesiedelt war (UNODC 2011).

DELIBERATIVE STAKEHOLDER DIALOGE MULTINATIONALER UNTERNEHMEN

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mulierung dieser Prinzipien eingebunden werden. Es stellt sich demnach die Frage, inwiefern diese Erklärungen eine moralische Legitimität aufweisen. Die UN ist eine Organisation, in der nur Staaten bzw. ihre Regierungen Mitglieder sind (UN 2011; Williams 2004, S. 456). Ausnahme bildet die ILO, die als einzige Organisation der UN auch andere Stakeholder Gruppen (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) vereint und ihnen ein Entscheidungsrecht einräumt (ILO 2011b; Thérien & Pouliot 2006, S. 61). Das heißt, es müsste geklärt werden, inwiefern die Staaten als Betroffene bei der Ausarbeitung der Erklärungen in den Entscheidungsprozess eingebunden waren. Aufgrund der Informationen auf den Homepages bleibt es unklar, inwieweit Staaten bzw. bei der ILO zusätzlich Arbeitnehmer und Arbeitgeber tatsächlich Mitspracherecht bei der Formulierung hatten. Häufig ist von „Zustimmung“ oder „Annahme“ die Rede (vgl. ILO 2011a; UN 1948, 1997b; UNODC 2011). Allerdings erklären Mueckenberger & Jastram (2010, S. 231), dass im Fall der Arbeitsprinzipien der ILO sowie der Rio Erklärung zum Umweltschutz, ein Mitspracherecht vorlag. Allgemein gingen den Erklärungen häufig Konferenzen oder Beschlüsse der Vollversammlung der UN voraus, bei denen die Staaten vertreten waren und ihre Zustimmung gaben. Jedoch ist anzumerken, dass nicht immer alle Staaten an den Konferenzen teilnehmen138. Zusätzlich zu Vertretern der einzelnen Staaten werden häufig auch weitere Gruppen, wie NGOs oder Unternehmen eingeladen, teilzunehmen (Thérien & Pouliot 2006, S. 59; UN 1997b). Es bleibt allerdings unklar, inwieweit diese Gruppen ein Mitspracherecht bei den Konferenzen ausüben können. Zudem ist nicht bekannt, ob die Konferenzen deliberative Elemente aufweisen oder ob Machtaspekte dominieren. Aus diesen Gründen kann keine eindeutige Aussage zur moralischen Legitimität abgeleitet werden. Eine relative moralische Legitimität könnte interpretiert werden, wenn eine Mehrheit der Staaten zustimmt und somit zumindest das demokratische Element der Deliberation gewahrt wird. Prinzipien des UNGC. Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, inwieweit die Prinzipien des UNGC, die sich aus den UN Prinzipien ableiten, als moralisch legitim betrachtet werden können. Für Rasche (2009b, S. 200) gilt die Tatsache, dass sich die UNGC Prinzipien aus den Prinzipien der UN ableiten, als hinreichend für moralische Legitimität. Im Unterschied dazu kritisieren Mueckenberger & Jastram (2010, S. 231), dass trotz der Nähe zu den UN Prinzipien, neun Prinzipien von Kofi Annan selektiv ausgewählt worden sind und gerade auf Ebene des UNGC kein Multi-Stakeholder Prozess initiiert wurde. In diesem Zusammenhang weist jedoch Kell (2005, S. 59) darauf hin, dass der UNGC mit der Unterstützung und Zustimmung von MNU und weiteren nicht staatlichen Anspruchs138

Die UN hat 192 Mitgliedsstaaten; 172 haben an der UN Konferenz zu Umwelt und Entwicklung teilgenommen, auf der die Rio Erklärung verabschiedet wurde (UN 1997a, 2011).

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

gruppen gegründet wurde. Was das zehnte Prinzip angeht, so wurde dieses nach Konsultationen mit den Mitgliedern des UNGC hinzugefügt (Mueckenberger & Jastram 2010, S. 231). Allerdings wird vom UNGC der Begriff „Beratung“, nicht Mitentscheidungsrecht gebraucht (UNGC 2011m). Deliberative Bewertung. Wird eine strenge Auslegung der deliberativen Demokratie nach dem Vorbild der klassischen Ansätze unterlegt, würden zumindest neun Prinzipien als nicht moralisch legitim gelten, da sie nicht in Abstimmung mit allen davon Betroffenen (Stakeholder des UNGC) formuliert worden sind (vgl. dazu auch Michaelson 2010, S. 241). Allerdings könnte auch argumentiert werden, dass die davon Betroffenen mit den Prinzipien einverstanden waren. Aufgrund ihrer institutionellen Macht hätten sie auch einen Multi-Stakeholder Prozess einfordern können. Das heißt, die Möglichkeit zur Deliberation wurde nicht wahrgenommen. Die Theorie gibt hier zumindest Hinweis darauf, dass die Teilnehmer, wenn sie einverstanden sind, dass Deliberation nicht notwendig ist, auch durch andere Formen (hier gemeint: Wahl oder Verhandlung) legitime Ergebnisse erzielen können (Mansbridge et al. 2010, S. 75). Allerdings müsste die Frage geklärt werden, inwiefern damit auch hierarchische Entscheidungen autorisiert werden können (vgl. hierzu auch Michaelson 2010, S. 241). Was das zehnte Prinzip angeht, so lassen die vorliegenden Informationen darauf schließen, dass kein deliberativer Stakeholder Dialog stattgefunden hat, sondern dass Stakeholder Meinungen (im Sinne eines pragmatischen Diskurses) lediglich gehört wurden. Jedoch haben alle Anspruchsgruppen am Ende der Hinzufügung des zehnten Prinzips zugestimmt. Was eine abschließende Einschätzung zur Legitimität angeht, so wird in der vorliegenden Arbeit die Aussage getroffen, dass die Prinzipien als relativ moralisch legitim gelten können, da die Stakeholder des UNGC ihnen zugestimmt haben. Forest Stewardship Council In Bezug auf die Prinzipien des FSC kann festgestellt werden, dass die Richtlinien, die 1993 zum ersten Mal formuliert wurden, von einer Gruppe aus 126 Teilnehmern aus 26 Ländern erarbeitet worden sind. Unter den Teilnehmern waren individuelle sowie organisationale Stakeholder. Bei den organisationalen Stakeholdern beteiligten sich NGOs aus dem Bereich Umwelt (u.a. der WWF sowie Greenpeace), die Holzindustrie, die Forstwirtschaft, Zertifizierungsgesellschaften, Gewerkschaften sowie indigene Bevölkerungsgruppen (NABU 2011; Pattberg 2005, S. 179; Schepers 2010, S. 283). Deliberative Bewertung. Laut dem FSC wurde der Prozess der Standardfestlegung demokratisch und transparent durchgeführt: Alle betroffenen Stakeholder

DELIBERATIVE STAKEHOLDER DIALOGE MULTINATIONALER UNTERNEHMEN

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wurden eingebunden und haben einen Konsens erzielt (FSC 2011k; Pattberg 2005, S. 179). Im Unterschied zum UNGC wurden die Regelungen demnach von den Betroffenen erarbeitet. Daher kann für den FSC ausgesagt werden, dass die Prinzipien zumindest auf Basis dieser Informationen als absolut moralisch legitim gelten. Legitimität des Entscheidungsprozesses und der Organisation Als größtes Problem der Multi-Stakeholder Netzwerke wird immer wieder diskutiert, dass diese nicht die Legitimitätsbasis von Staaten (in westlichen Nationen durch Wahlen legitimiert) aufweisen und daher auch eine Sanktionierung und Regulierung von Unternehmenstätigkeit nur eingeschränkt möglich ist, auch dadurch bedingt, dass die Einhaltung der Regeln auf Freiwilligkeit beruht (Bäckstrand 2006, S. 291–293; Detomasi 2007, S. 326–328; Pattberg 2006, S. 242; Scherer, Palazzo & Baumann 2006, S. 506). Das heißt, dass diese Multi-Stakeholder Initiativen ihre Legitimität nicht durch ein Mandat erhalten, sondern durch die Gestaltung ihrer Entscheidungsprozesse: „[…] as legitimacy can no longer just be mandated or bestowed by institutional fiat. As a function of individual or collective perceptions, it must also be earned through transparency, sincerity and credibility.“ (UNGC 2008, S. 1) In diesem Sinne bestimmt die deliberative Qualität des Entscheidungsprozesses, inwiefern nicht nur die Prinzipien, sondern auch die Institution selbst als legitim wahrgenommen wird (vgl. u.a. Nanz & Steffek 2004, S. 319). Im Folgenden sollen daher beide Initiativen hinsichtlich der Legitimität ihres Entscheidungsprozesses und ihrer Organisation gegenübergestellt werden. Die vorliegende Analyse des UNGC und des FSC hat gezeigt, dass beide in unterschiedlicher Weise nicht vollkommen deliberativen Kriterien entsprechen. Eine vollständige Darstellung der Ergebnisse findet sich auch in Tab. 14 im Anhang. Allerdings wird deutlich, dass beide Initiativen darum bemüht sind, demokratische Entscheidungsstrukturen und -prozesse zu schaffen. Dabei kann nicht abschließend geklärt werden, welche Initiative als moralisch legitimer angesehen wird, da dafür eine Aussage getroffen werden müsste, wie die Prinzipien der deliberativen Demokratie untereinander zu gewichten sind. Was die generelle Einbindung von Stakeholdern angeht, so kann gesagt werden, dass sowohl der UNGC als auch der FSC Einschränkungen hinsichtlich der Stakeholder Beteiligung machen. Während der UNGC den Zugang für Mikrounternehmen und die Tabakindustrie beschränkt, werden beim FSC keine staatlichen Stakeholder eingebunden. In Bezug auf die Einbindung der Stakeholder in Entscheidungspro-

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

zesse des Netzwerks ist auf Unterschiede zwischen dem FSC und dem UNGC hinzuweisen. So stellt die Vollversammlung des FSC das zentrale Entscheidungsgremium dar, in dem alle Stakeholder eine Stimme besitzen und die Möglichkeit haben, über die Veränderung von Prinzipien abzustimmen. Zudem besteht das Leitungsgremium des FSC, der Verwaltungsrat, ebenfalls aus Repräsentanten der Stakeholder. Beim UNGC sind Stakeholder hingegen nur in beratenden Gremien (Führungskräftegipfel, Verwaltungsrat und Jährliches Forum der lokalen Netzwerke) vertreten. Ein Gremium, in dem alle Stakeholder (oder ihre Vertreter) Entscheidungskompetenz besitzen, gibt es auf globaler Ebene bisher nicht. Allerdings muss erwähnt werden, dass der FSC auch wesentlich kleiner ist als der UNGC und daher leichter Vollversammlungen organisiert werden können. Im Hinblick auf den UNGC müsste dies vermutlich in zwei Stufen (lokal und global) organisiert werden, um eine wirkliche Einbindung aller Meinungen zu gewährleisten. Des Weiteren zeigt sich bei den Prinzipien und Regeln der Kommunikation, dass sich diese häufig gegenseitig nicht befördern, sondern auch in Konflikt zueinander stehen können. Zum Beispiel stellt der FSC formal eine Stimmengleichheit durch sein System der drei Kammern in der Vollversammlung auf. Dadurch werden allerdings weitestgehend homogene Gruppen gebildet. Die Empirie zeigt allerdings, dass dies zu einer Polarisierung von Gruppenmeinungen führen kann und daher eine stärkere Pluralität von Interessen innerhalb der Gruppen notwendig ist (Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007, S. 304–305; Mansbridge 2003, S. 189– 190; Mendelberg 2002, S. 159; Sunstein 2002, S. 176). Somit werden hier zwar formal die Prinzipien der gleichen Gewichtung von Interessen und der Neutralisierung von Macht erfüllt, damit aber jedoch die Möglichkeit zur Deliberation durch die homogene Zusammensetzung der Gruppe eingeschränkt. Hier entsteht ein Zielkonflikt der sich aus den theoretischen Erkenntnissen der deliberativen Demokratie zunächst nicht lösen lässt. Aufgrund dieser unvollkommenen Umsetzung deliberativer Entscheidungsprozesse können beide Initiativen nur relative moralische Legitimität erreichen. Was die Legitimität der Organisationen angeht, so kann abgeleitet werden, dass sie ebenfalls als relativ moralisch legitim gelten. Im Unterschied zum FSC profitiert der UNGC jedoch von der normativen Legitimität der UN. Denn die UN besitzen bereits eine gewisse „globale Autorität“ und sind als Organisation anerkannt (McIntosh et al. 2003, S. 129). Der FSC ist im Unterschied dazu nicht an eine internationale Organisation geknüpft, sondern hat sich als private Multi-Stakeholder Initiative gegründet. Insofern kann keine normative Legitimität abgeleitet werden. Jedoch könnte gerade dadurch der FSC unabhängiger sein als der UNGC, da hier die Gefahr der Dominanz von UN Interessen besteht.

299

9.

Limitationen und Implikationen für die zukünftige Forschung

9.1

Limitationen des entwickelten Konzepts

Die Limitationen des entwickelten Konzepts werden anhand von drei Kriterien aufgebrochen. Erstens wird die generelle Voraussetzung für die Anwendung beleuchtet. Zweitens werden die Bausteine des entwickelten Ansatzes hinsichtlich ihrer Annahmen kritisch analysiert. Dabei können allerdings nicht alle getroffenen Annahmen beleuchtet werden, stattdessen werden exemplarisch Kritikpunkte aufgezeigt. Drittens wird die Umsetzbarkeit in der Praxis im Hinblick auf die Motivation und die Kosten hinterfragt. Voraussetzung für die Anwendung Der hier entwickelte konzeptionelle Ansatz setzt voraus, dass Stakeholder gleiche oder zumindest ähnliche Werte, insbesondere die Zustimmung zu demokratischen Werten teilen. Vor diesem Hintergrund könnte die Kritik entstehen, es wäre das Ziel dieser Arbeit, Entwicklungs- und Schwellenländern westliche Werte aufzudrängen und eine Anpassung der Kulturen herzustellen (Gugler & Shi 2009, S. 11; Kell 2005, S. 76; Michaelson 2010, S. 241). Insbesondere der asiatische Kulturkreis nimmt eine andere Gewichtung von Rechten und Werten vor und bemisst zum Beispiel der Gemeinschaft einen höheren Wert als universellen Menschenrechten, die als vom Westen aufgedrängt wahrgenommen werden (Dryzek 2008, S. 474–475). Der Grundsatzkonflikt dreht sich somit um die Unterschiedlichkeit kultureller Wertvorstellungen. In der Literatur sind zahlreiche moralphilosophische Ansätze entstanden, die versuchen, einen universellen Leitfaden zu geben, mit dessen Hilfe, unternehmerische Akteure entscheiden können, wie sie richtig handeln können (Gilbert & Behnam 2009, S. 215; Scherer & Palazzo 2007, S. 1101). Während die US-amerikanische Forschung eher vom Individualismus ausgeht und zum Beispiel verstärkt in ihren Ansätzen die Theorien von Kant bzw. später Rawls aufgreift (vgl. hierzu Bowie 1999; Phillips 1997), ist die europäische Literatur stärker im Kollektivismus verortet und hebt die Bedeutung kommunikationsorientierter Ansätze wie die deliberative Demokratie hervor (vgl. hierzu Crane & Matten 2010, S. 26; Enderle 1996a, S. 36–37; Gilbert & Behnam 2009; Scherer & Palazzo 2007). Mit der Wahl der deliberativen Demokratie soll allerdings keine, wie Enderle (1996a, S. 36) es ausdrückt, moralische Überlegenheit dieser philosophischen Perspektive zum Aus-

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

druck gebracht werden. Der entscheidende Vorteil einer deliberativen Vorgehensweise ist, dass sie auf einem demokratischen Prozess beruht, der alle von einer Entscheidung Betroffenen einbindet, gemeinsam über die Handlungsoptionen zu entscheiden. In der deliberativen Demokratie wird damit kein inhaltlicher Wert vorgegeben und als ex ante moralisch richtig oder falsch bestimmt. Die moralische Richtigkeit einer Handlung bestimmt sich erst im Diskurs der davon Betroffenen. Das heißt, hier geht es nicht darum, westliche Wertesysteme zu bestätigen, sondern Werte und Normen auf ihre moralische Geltung zu testen. Für MNU bietet sich damit die Möglichkeit, auf deliberative Entscheidungsprozesse zurückzugreifen, wenn aufgrund konfligierender moralischer Normen nicht eindeutig abgeleitet werden kann, wie sich das Unternehmen verhalten sollte. Somit kann die Durchführung eines deliberativen Stakeholder Dialogs dazu beitragen, ein moralisch legitimes Ergebnis zu erreichen. Allerdings gilt die Einschränkung, dass bei den teilnehmenden Stakeholdern eine grundsätzliche Bereitschaft vorhanden sein muss, kommunikativ zu handeln und demokratisch zu entscheiden. Somit kann der Dialog selbst auch als bestimmter Wert interpretiert werden. Das könnte weiterhin bedeuten, dass dieser Ansatz in der Realität unter Umständen relativiert werden muss. Dies betrifft zum Beispiel die Frage, ob Stakeholder aus nicht demokratisch regierten Staaten (z.B. China) überhaupt an einem Stakeholder Dialog teilnehmen würden. Allerdings zeigt beispielsweise die Mitgliederstruktur des UNGC, dass es eine wachsende Bereitschaft chinesischer Unternehmen gibt, dem UNGC beizutreten. Bisher stammen 171 Unternehmen des UNGC aus China (Stand: April 2011) (UNGC 2011b, 2011i). Neben der Einstellung zur Demokratie muss allerdings auch das grundsätzliche Verständnis von Verantwortung bei Unternehmen berücksichtigt werden. Zum Beispiel engagieren sich europäische Unternehmen im Unterschied zu USamerikanischen Unternehmen verstärkt an freiwilligen Initiativen zur Regulierung ihrer Tätigkeit. So stammen etwa 4 Prozent der teilnehmenden Unternehmen am UNGC aus den USA; von insgesamt über 6.000 am UNGC beteiligten Unternehmen sind derzeit 250 US-amerikanische Unternehmen (Stand: April 2011) (UNGC 2011i). Das hängt damit zusammen, dass US-amerikanische Unternehmen ein Compliance-basiertes Verständnis von Verantwortung in der Gesellschaft haben und somit Gerichtsprozesse befürchten, falls sie Prinzipien des UNGC nicht einhalten würden (vgl. z.B. Palazzo 2002a, S. 203; Van Tulder, Van Wijk & Kolk 2009, S. 408). Zudem herrscht in den USA ein stärkerer Fokus auf die Gruppe der Shareholder (Crane & Matten 2010, S. 29; Witt 2003, S. 63). Das könnte darauf schließen lassen, dass beispielsweise europäische Unternehmen eher bereit wären, deliberative Stakeholder Dialoge zu führen als US-amerikanische Unternehmen, obwohl diese aufgrund gesetzlicher Bestimmung mehr Erfahrung mit Ethikmaßnahmen haben.

LIMITATIONEN UND IMPLIKATIONEN FÜR DIE ZUKÜNFTIGE FORSCHUNG

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Bausteine des konzeptionellen Ansatzes Analyse der Anspruchsgrundlage. Der vorliegende konzeptionelle Ansatz nimmt eine Trennung zwischen pragmatischen, ethisch-politischen und moralischen Ansprüchen vor. Dabei werfen Noland & Phillips (2010, S. 44–45) einer deliberativen Konzeption von Stakeholder Dialogen vor, dass sie damit auch die Trennung von moralischen und strategischen Zielen (z.B. Gewinnorientierung) implizit aufrechterhält. Nach diesem Vorbild wären moralische Angelegenheiten notwendigerweise von instrumentellen, gewinnorientierten Tätigkeiten im Unternehmen zu trennen (vgl. dazu auch Freeman 1999, S. 234). Da Unternehmen aber gewinnorientierte wirtschaftliche Einheiten sind, handeln sie immer auch aus einem Selbstinteresse, das laut Noland & Phillips (2010, S. 44–45) die Existenz von moralischen Verpflichtungen nicht ausschließt. Im Gegenteil, beide Ziele strategisch bzw. instrumentell und moralisch, können miteinander verknüpft werden. Im hier entwickelten konzeptionellen Ansatz wird die Trennung in pragmatische, ethisch-politische und moralische Ansprüche nur aus analytischen vollzogen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass in der unternehmerischen Realität diese Ansprüche häufig überlappen, und moralische Ansprüche (Einhaltung der Menschenrechte/Selbstzensur) in vielen Fällen eng mit einem ökonomischen Interesse (Marktanteile in China) des MNU verbunden sind. Analyse der Anspruchsgruppen. Der entwickelte konzeptionelle Ansatz fordert im Sinne der deliberativen Demokratie, dass alle betroffenen Stakeholder in den Entscheidungsprozess eingebunden werden müssen. Dabei wird ausgesagt, dass das Prinzip der Betroffenheit in der Praxis nicht angepasst werden kann. Vor diesem Hintergrund stellt es für MNU nach wie vor eine Schwierigkeit dar, alle von einer Handlung betroffenen Anspruchsgruppen zu identifizieren. Zudem ist die Gefahr groß, dass MNU nur einzelne Stakeholder Gruppen einbinden, die sie selbst als wichtig oder mächtig einstufen. Eine Umfrage unter den Vorstandsvorsitzenden von Unternehmen, die dem UNGC angehören, zeigt, dass vor allem die Erwartungen der Kunden als essentiell für die Ausgestaltung der sozialen Verantwortung bei MNU gelten (Accenture & UNGC 2010, S. 23). Die Umfrage von PLEON KothesKlewes (2004, S. 19) unter deutschen Unternehmen hat hingegen ergeben, dass insbesondere Investoren, Umweltorganisationen und auch Politiker als kritisch wahrgenommen werden und in Dialoge eingebunden werden müssen. Im Unternehmenskontext muss außerdem darauf hingewiesen werden, dass die Durchführung von (deliberativen) Stakeholder Dialogen von der Einstellung der Führungskräfte bzw. von ihrer Wahrnehmung von Stakeholder Interessen abhängt. Diese Wahrnehmung kann allerdings von außen nur schwer beeinflusst werden. Zudem ist es wahrscheinlich, dass vor allem finanzielle Risiken Führungskräfte von der Notwendigkeit eines Stakeholder Dialogs überzeugen würden. Dies bestätigt auch die Umfrage von PLEON KothesKlewes (2004, S. 22): 66,7 Prozent der

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ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

befragten Unternehmen führen Stakeholder Dialoge, um Reputationsrisiken vorzubeugen. Auf Platz 2 folgt mit 61,4 Prozent die Einbindung von Stakeholdern, um ein gutes Verhältnis zu diesen zu schaffen. Neben dem Fall, dass Unternehmen ihre Macht bei der Auswahl der Stakeholder ausnutzen könnten, muss ergänzt werden, dass auch Stakeholder aus Machtinteresse handeln können und nicht immer einen moralischen Anspruch verfolgen (Fassin 2009, S. 507–509). Ein prominentes Beispiel ist der Fall der Versenkung der Ölplattform Brent Spar durch Shell. Nachdem Greenpeace eine Kampagne gegen Shell und die Versenkung in der Nordsee veranlasst hatte, wurde die Plattform an Land entsorgt. Einige Zeit später wurde bekannt, dass eine Entsorgung im Meer ökologisch sinnvoller gewesen wäre (Fassin 2009, S. 508). Auch im Fall von BP wurde bekannt, dass etwa 8.000 Opfer, die Ansprüche an BP stellten, gar nicht von der Ölkatastrophe betroffen sein sollen (Ruch 2011a). Ein weiteres Beispiel ist Toyota in den USA: Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, dass in Folge klemmender Gaspedale tödliche Unfälle verursacht wurden. Untersuchungen der NASA haben jedoch festgestellt, dass nicht die Elektronik im Auto, sondern die Benutzer der Autos eine Schuld traf (o. A. 2011a). Das heißt, es kommt vor, dass Stakeholder Ansprüche an Unternehmen stellen, obwohl sie gar nicht vom Unternehmenshandeln betroffen sind. Institutionelle Rahmenbedingungen. Hinsichtlich der Institutionellen Rahmenbedingungen wurde die Aussage getroffen, dass sich MNU grundsätzlich für Kommunikation und Deliberation öffnen müssen, um deliberative Stakeholder Dialoge durchzuführen. Gleichzeitig wurde vorgeschlagen, deliberative Stakeholder Dialoge im Unternehmen, zum Beispiel mit Hilfe eines Gremiums institutionell zu verankern. Damit wird die Auffassung vertreten, Deliberation könnte gemanagt werden. Allerdings ist dies im Sinne einer regulativen Idee zu verstehen. Das heißt, idealerweise sollten MNU für Dialoge mit Stakeholdern und Deliberation zugänglicher werden. Jedoch muss auch darauf hingewiesen werden, dass es in der Praxis schwierig ist, ad hoc einen Bewusstseinswandel bei Unternehmen hervorzurufen und Werte sowie grundlegende Annahmen (Stufe 2 und 3 im Modell von Schein) zu verändern, insbesondere wenn sie zuvor keine Rolle für das Handeln der Unternehmen gespielt haben (vgl. dazu Ausführungen zur Unternehmenskultur bei Palazzo 2002a, S. 195 sowie Schein 2010, S. 28, 33). Grundsätzlich erscheint es leichter, Artefakte (Stufe 1 im Modell von Schein) zu verändern und zum Beispiel durch die Institutionalisierung von Stakeholder Dialogen einen Wertewandel zu initiieren. Das heißt, mit Hilfe von Stakeholder Dialogen haben MNU die Möglichkeit, Erfahrung mit Kommunikation und Deliberation zu sammeln und letztendlich einen Lernprozess anzustoßen, der sich unter Umständen auch auf das Gesamtunternehmen überträgt, da zum Beispiel Mitarbeiter und Führungskräfte für Kommunikation und Deliberation sensibilisiert werden.

LIMITATIONEN UND IMPLIKATIONEN FÜR DIE ZUKÜNFTIGE FORSCHUNG

303

Allerdings muss in diesem Kontext auch darauf hingewiesen werden, dass es in der Forschung zur Unternehmenskultur undeindeutige Aussagen darüber gibt, ob Unternehmenskultur tatsächlich bewusst steuerbar und damit veränderbar ist (Kreikebaum, Behnam & Gilbert 2001, S. 160). Dies ist auch dadurch bedingt, dass Kultur aufgrund der weichen und unscharfen Definition schwer zu operationalisieren ist und daher wenige Aussagen empirisch gestützt werden können (Bea & Haas 2009, S. 507). In diesem Sinne kann nicht abschließend geklärt werden, ob die Institutionalisierung von Stakeholder Dialogen tatsächlich zur Integration von Deliberation in die Unternehmenskultur beitragen kann. Außerdem besteht die Gefahr der Entkopplung (vgl. hierzu u.a. Behnam & MacLean 2011, S. 48–49; Jamali 2010). Das heißt, dass zwar Strukturen verändert werden, indem ein Stakeholder Dialog institutionalisiert wird (symbolische Lösung), dass sich aber die Werte und grundlegenden Annahmen, die das tägliche Handeln des Unternehmens bestimmen, nicht verändern. Prinzipien und Regeln der Kommunikation. Ein zentraler Kritikpunkt an den Prinzipien und Regeln der Kommunikation betrifft das Kriterium der Macht, das nach Banerjee (2010, S. 266–267) in den Forschungsarbeiten zur politischen Verantwortung ungenügend analysiert wird. Insbesondere müsste nicht nur oberflächlich über Macht gesprochen werden, sondern klarer gezeigt werden, was Macht bedeutet. In der vorliegenden Arbeit wurde Macht mit der Macht bzw. Dominanz einer Person oder Organisation gleichgesetzt. Dabei wurde darauf hingewiesen, welche Charakteristika der beteiligten Akteure (Ressourcen, Status) ihre Macht determinieren und inwiefern dies Diskurse beeinflussen kann. Auch andere Autoren wie Michaelson (2010, S. 241) argumentieren, dass es in der Praxis sehr wahrscheinlich ist, dass die Macht von Akteuren den Diskurs dominiert. Das zeigen zum Beispiel die Verhandlungen über das Kyoto Protokoll, die von den USA blockiert worden sind oder auch der UNGC, dessen Initiierung vor allem auf Drängen mächtiger ökonomischer Akteure zustande gekommen ist. So bleibt die Idee eines machtfreien Diskurs nach seiner Einschätzung ein westliches Ideal. Mit dem hier gewählten Fokus auf die Macht der Akteure wurde allerdings nur eine Form von Macht untersucht, die Habermas (2006a, S. 418) als soziale bzw. ökonomische Macht definiert. Soziale Macht meint dabei nur den Status einer Person, während mit ökonomischer Macht gemeint ist, dass Akteure diesen Status benutzen, um Druck auf andere Akteure auszuüben. Im Unterschied dazu konnte für die Praxis nicht untersucht werden, inwiefern sich Diskurse einzig von der „Macht des besseren Arguments“ leiten lassen sollen. Ergebnisse der Dialoge. Im konzeptionellen Ansatz wurde unterstellt, dass MNU moralische Legitimität für politische Verantwortung erreichen können, wenn sie deliberative Stakeholder Dialoge durchführen bzw. sich an Multi-Stakeholder Ini-

304

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

tiativen beteiligen, die auf deliberative Entscheidungsprozesse setzen. Dabei kritisiert Banerjee (2010, S. 267, 270) das hier gewählte Verständnis von Legitimität und bezeichnet es als akademisches Gedankenspiel, das von der Suche nach gesellschaftlicher Legitimität ausgeht. Das heißt, vor dem Hintergrund der Annahme, dass Legitimität der Erfolgsmaßstab eines deliberativen Stakeholder Dialogs ist, bleibt es unklar, ob die Durchführung eines deliberativen Stakeholder Dialogs tatsächlich zu moralisch legitimeren Ergebnissen führen würde. In dieser Hinsicht wird kritisiert, dass Multi-Stakeholder Netzwerke wie der UNGC nicht zu einem Umdenken bei Unternehmen führen, sondern dass im Gegenteil zahlreiche Teilnehmer eher das Logo als Werbepolitik führen (Banerjee 2010, S. 268; Deva 2006, S. 147). Auch zeigt die Empirie, dass MNU, die verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen oder Umweltkatastrophen waren, dadurch nicht geschwächt, sondern eher gestärkt worden sind (z.B. durch PR Kampagnen oder Restrukturierungen in Folge von Skandalen) und ihre Existenzberechtigung nach wie vor besitzen. Damit würde vor allem die ökonomische Legitimität in der Praxis eine große Rolle spielen und nicht die Erreichung moralischer Legitimität. Anwendung in der Praxis Motivation. Kritiker eines deliberativen Ansatzes wie Banerjee (2010, S. 267) geben zu bedenken, dass es keinen Grund für Unternehmen gibt, deliberative Entscheidungsprozesse in die Unternehmensstrukturen einzubinden und eine Art externe demokratische Kontrolle durch NGOs oder weitere Stakeholder Gruppen zu institutionalisieren. Dennoch kann angeführt werden, dass ein Vorteil deliberativer Stakeholder Dialoge darin liegen könnte, dass die Gefahr opportunistischen Verhaltens gemindert werden kann. Das heißt, dadurch dass alle betroffenen Stakeholder in die Entscheidungsfindung eingebunden werden und versucht wird, eine Entscheidung zu treffen, die allen gerecht wird, kann Vertrauen geschaffen werden. In dieser Hinsicht ist es wahrscheinlich, dass MNU weniger Restriktionen, zum Beispiel in Form von Boykotten befürchten müssten, da sie die Abstimmung mit den Stakeholdern gesucht haben. Somit könnten Konflikte vermieden und das Risiko von Folgekosten (vgl. Kap. 2.3.3) eingedämmt werden (Roloff 2002, S. 92; Ulrich 1993, S. 440). Da in Multi-Stakeholder Initiativen häufig auch Konkurrenzunternehmen vertreten sind, müssen MNU auch nicht befürchten, einen Wettbewerbsnachteil zu erlangen. Dies erhöht im Gegenteil die Planungssicherheit für MNU und steigert auch die Transparenz des eigenen Verhaltens sowie das anderer Marktteilnehmer (Detomasi 2007, S. 328). Aus diesen Gründen kann die Teilnahme und Integration in ein Netzwerk sogar einen Wettbewerbsvorteil bedeuten (Schepers 2010, S. 282).

LIMITATIONEN UND IMPLIKATIONEN FÜR DIE ZUKÜNFTIGE FORSCHUNG

305

Kosten. Ein wichtiger Kritikpunkt betrifft die Frage der Kosten, die ein nach den Richtlinien der deliberativen Demokratie durchgeführter Stakeholder Dialog verursachen würde (vgl. hierzu auch Noland & Phillips 2010, S. 44). Dabei ist hier mit Kosten nicht nur der finanzielle Aufwand für die Entscheidungsfindung und -durchführung gemeint, sondern auch die zu schaffenden organisatorischen Voraussetzungen, z.B. notwendige Humanressourcen (vgl. auch Pedersen 2006, S. 155; Roloff 2002, S. 91) sowie darüber hinaus die Transaktionskosten (vgl. hier auch Coase 1937). Auch Habermas (1996, S. 325) hat bereits auf Transaktionskosten (Informations- und Entscheidungskosten) hingewiesen, die durch die Durchführung eines idealen deliberativen Prozesses entstehen können. Im Unterschied dazu sprechen sich Lind & Tyler (1998, S. 201–202) dafür aus, dass die Institutionalisierung fairer Entscheidungsprozesse für Unternehmen eine kostengünstige Möglichkeit ist, um die Zustimmung und Compliance bei Stakeholdern zu erhöhen. In einer Analyse von Husted (2003) werden Transaktionskosten untersucht, allerdings nicht im Hinblick auf faire Entscheidungsstrukturen. Jedoch können die Ergebnisse auf deliberative Stakeholder Dialoge übertragen werden. Husted teilt Transaktionskosten in die Dimensionen Koordination und Motivation ein, um die Vorteilhaftigkeit von sozialen Projekten für Unternehmen zu testen. Koordination bezeichnet mögliche Kosten, durch die Suche von geeigneten Partnern, das Schließen von Verträgen sowie implizit die Festlegung von Rechten und Pflichten. Motivation hingegen betrifft Kosten, die entstehen würden, wenn das Projekt nicht erfüllt werden kann, da z.B. die Vertragspartner ihre Pflicht nicht erfüllen würden. Dabei stehen den Unternehmen grundsätzlich drei verschiedene Ansätze zur Auswahl: sie können philanthropisch handeln, hier verstanden als Wohltätigkeitsleistungen, sie können CSR-Projekte intern planen und betreuen oder sie arbeiten mit anderen Akteure wie NGOs zusammen (Kollaboration) (vgl. hier Husted 2003, S. 485–487). Im Rahmen dieser Kategorisierung könnten deliberative Entscheidungsprozesse als kooperative Lösung angesehen werden. Damit erhöhen sich für diesen Problemlösungsprozess in Bezug auf die Koordination sowohl die Abhängigkeit von den anderen Akteuren als auch die Notwendigkeit, sich mit allen betroffenen Akteuren abzustimmen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Allerdings muss auch erwähnt werden, dass sich Kosten unter Umständen besser verteilen, da MNU nicht alleine an einer Lösung arbeiten. Dies gilt insbesondere auch für die Einbindung des Unternehmens in Multi-Stakeholder Initiativen. Durch die Teilhabe in diesen Netzwerken wird das Unternehmen in einen organisatorischen Rahmen eingebettet und kann leichter mit verschiedenen Stakeholder Gruppen in einen Dialog treten als wenn dies über die Unternehmensebene organisiert werden müsste (vgl. u.a. McIntosh et al. 2003, S. 185). Außerdem haben MNU die Möglichkeit, durch ihre Teilhabe Zugang zu relevanten Informationen zu bekommen, die mög-

306

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

licherweise über den Markt teurer zu beschaffen gewesen wären. In diesem Zusammenhang verursacht die Beteiligung an diesen Initiativen in der Regel wenig finanzielle Kosten (z.B. in Form eines Mitgliederbeitrags) (vgl. u.a. Hemmati 2002, S. 181). Bei einigen Initiativen wie dem FSC gibt es allerdings Kosten für die Zertifizierung. Auch das DGCN hat 2009 beschlossen, die Aufgaben in Zukunft geteilt aus staatlichen und privaten Mitteln mit Hilfe einer Stiftung zu finanzieren (DGCN 2011d).

9.2

Implikationen für die zukünftige Forschung

Die Implikationen für die zukünftige Forschung werden an dieser Stelle sowohl für die konzeptionelle als auch für die empirische Forschung dargelegt. Konzeptionelle Forschung Im Forschungsbereich der Stakeholder Theorie zeigt sich, dass Erkenntnisse zur Gestaltung von Stakeholder Dialogen bisher wenig systematisch aufbereitet sind. Zwar existieren bereits einige Forschungsarbeiten, die Implikationen für die Gestaltung von Stakeholder Dialogen aus der Diskursethik bzw. deliberativen Demokratie ableiten. Jedoch bleiben diese Arbeiten im Hinblick auf eine praktische Umsetzbarkeit unpräzise und geben vor allem Handlungsempfehlungen hinsichtlich einer idealtypischen Umsetzung der Theorie. Der hier entwickelte konzeptionelle Ansatz für deliberative Stakeholder Dialoge analysiert hingegen, wie gleichberechtigte Stakeholder Dialoge mit einer Vielzahl von Anspruchsgruppen auf Unternehmens- und institutioneller Ebene implementiert werden können und geht dabei auch auf Schwierigkeiten bei der Implementierung ein. Die gewonnenen Erkenntnisse sind unter Umständen auch für andere Disziplinen in der Betriebswirtschaftslehre wie Marketing oder Beschaffung relevant. Zwar werden vor allem Stakeholder Dialoge mit einer Anspruchsgruppe wie Kunden oder Zulieferern geführt, allerdings könnte die deliberative Demokratie in angepasster Form auch die Basis für eine langfristige und nachhaltige Beziehung mit diesen Anspruchsgruppen bieten. Zudem könnte es sinnvoll sein, zu betrachten, welche Theorien in diesen Disziplinen auf Stakeholder Dialoge angewendet werden und zu untersuchen, ob diese kompatibel mit der Theorie der deliberativen Demokratie sind. Im Bereich der deliberativen Demokratie wurde eine Zusammenführung der klassischen Theorie von Habermas mit erweiterten Ansätzen aus der Politikwissenschaft, die sich auf konzeptionelle und empirische Erkenntnisse stützen, erreicht. Dabei ist allerdings insbesondere die Öffnung für andere Formen der Kommunikation zu kritisieren, da die Theorie soweit ausgedehnt wird, dass letztendlich jegli-

LIMITATIONEN UND IMPLIKATIONEN FÜR DIE ZUKÜNFTIGE FORSCHUNG

307

che Form der Kommunikation unter dem Begriff deliberative Demokratie subsumiert werden kann (Steiner 2008). Deshalb ist es für die weitere konzeptionelle Forschung notwendig, einheitlich zu definieren und abzugrenzen, was unter dem Konzept deliberative Demokratie zu verstehen ist (Mutz 2008, S. 525; Thompson 2008) und einen „Kern an gemeinsamen Annahmen zu identifizieren“ (Schaal & Ritzi 2009, S. 20). Empirische Forschung Neben der konzeptionellen Forschung, wird in der vorliegenden Arbeit vor allem Potenzial bei der empirischen Forschung gesehen. In Bezug auf Stakeholder Dialoge wird vorgeschlagen, einen Blick in die Unternehmenspraxis zu werfen und zu untersuchen, wie MNU heute Stakeholder Dialoge führen. Dies könnte auf notwendige Anpassungen oder Defizite im entwickelten Konzept hinweisen. So zeigt eine Befragung von PLEON KothesKlewes (2004, S. 17), dass deutsche Unternehmen Stakeholder Dialoge mit mehreren Anspruchsgruppen durchführen (82,5 Prozent der Befragten) und auch auf Einzelgespräche (77,2 Prozent) setzen. Interessant wäre es ferner zu wissen, wie diese Stakeholder Dialoge gestaltet werden und ob Stakeholder Gruppen tatsächlich an Entscheidungsprozessen des Unternehmens beteiligt sind. Die Befragung von PLEON KothesKlewes (2004, S. 26) lässt eher darauf schließen, dass Unternehmen Stakeholder konsultieren, die Entscheidungen aber im Unternehmen getroffen werden. Hinsichtlich der empirischen Forschung zur deliberativen Demokratie wird gefordert, Beziehungen und Kausalitäten klarer zu bestimmen. Das heißt, es muss aufgedeckt werden, inwieweit bestimmte Eigenschaften der Deliberation mit bestimmten Ergebnissen verknüpft sind. Hierbei muss auch die Interaktion der einzelnen Faktoren untereinander berücksichtigt werden. Dies ist Voraussetzung dafür, Hypothesen zu formulieren und diese anschließend empirisch zu testen (Mutz 2008, S. 530–532; Schaal & Ritzi 2009, S. 21–22). Aus diesen Kausalitäten würden sich nach Mutz (2008, S. 531) Handlungsanweisungen für die politische Praxis ableiten lassen. In dieser Hinsicht kann es laut Ryfe (2002, S. 370–371) zukünftig auch hilfreich sein, stärker zu untersuchen, in welchem Kontext bestimmte deliberative Formen erfolgreich sind und warum. Weitere Untersuchungen müssten offenlegen, ob Deliberation tatsächlich zu besseren (legitimeren) Ergebnissen führt als andere Formen der Entscheidungsfindung. Bisher wurde Deliberation jedoch ausschließlich im politischen Umfeld empirisch getestet. Es fehlen empirische Studien zu Deliberation im unternehmerischen Kontext. Das hier entwickelte Konzept könnte daher als Vorbild für ein Pilotprojekt

308

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

auf unternehmerischer Ebene herangezogen werden, um qualitativ empirisch zu testen, inwieweit ein deliberativer Stakeholder Dialog durchführbar ist und tatsächlich zu größerer Legitimität für politische Verantwortungsübernahme führt. Auch könnte in diesem Zusammenhang untersucht werden, welche Prinzipien in der Praxis unter Umständen stärker zu gewichten sind. Denn die Analyse hat erstens gezeigt, dass die Prinzipien teilweise in Konflikt zueinander stehen und die Umsetzung eines Prinzips die Erfüllung eines anderen behindern kann. Zweitens wurde deutlich, dass zum Beispiel Aussagen zur Legitimität nicht getroffen werden können, wenn die Theorie eher allgemein bleibt und damit eine Bewertung in spezifischen Situationen nicht möglich ist. In diesem Sinne könnte eine Art Prioritätenliste hilfreich sein und zum Beispiel zeigen, in welchem Kontext es Sinn macht, nur bestimmte Prinzipien zu verfolgen. In dieser Hinsicht wäre auch eine empirische Untersuchung von Multi-Stakeholder Initiativen von Vorteil und könnte zeigen, inwiefern deliberative Prinzipien bei Diskussionen zwischen den Stakeholdern angewendet werden. Zwar erheben Multi-Stakeholder Initiativen wie der UNGC oder der FSC den Selbstanspruch einen Konsens zwischen den Teilnehmern zu erreichen. Allerdings wird kaum eine Aussage darüber getroffen, wie die Kommunikation in diesen Netzwerken tatsächlich funktioniert und wie Entscheidungen in den Gremien, z.B. der Vollversammlung des FSC, zustande kommen.

309

10. Schlussbetrachtung Die eingangs gestellte Forschungsfrage, wie Stakeholder Dialoge in der Praxis strukturiert und implementiert werden können, damit sie eine moralisch legitime Basis für politische Verantwortungsübernahme von MNU schaffen bzw. erhalten, wurde mit Hilfe eines konzeptionellen Ansatzes auf Basis der deliberativen Demokratie adressiert. Zwar haben bereits andere Forschungsarbeiten versucht, Stakeholder Dialoge auf Basis der deliberativen Demokratie zu entwickeln. Jedoch haben viele dieser Ansätze auf Basis der idealtypischen Theorie nach Habermas Gestaltungsempfehlungen abgeleitet und die Frage nach der tatsächlichen praktischen Umsetzbarkeit vernachlässigt. Deshalb wurde in dieser Arbeit ein erweiterter Ansatz zur deliberativen Demokratie gewählt, der nicht nur der klassischen Theorie nach Habermas folgt, sondern weitere konzeptionelle sowie empirische Erkenntnisse aus der politikwissenschaftlichen Forschung zur deliberativen Demokratie einbindet. Vor diesem Hintergrund konnte ein konzeptioneller Ansatz entwickelt werden, der zeigt, wie deliberative Stakeholder Dialoge auf unternehmerischer Ebene gestaltet werden sollten, um moralisch legitime Entscheidungen zu erzielen. Dabei bietet das Konzept auch einen Orientierungsrahmen für MNU, indem es erläutert, wann die Durchführung eines deliberativen Stakeholder Dialogs notwendig ist. Das heißt, dass es gerade nicht das Ziel dieser Arbeit war, jegliche unternehmerische Entscheidungsfindung zum Objekt deliberativer Stakeholder Dialoge zu machen, vielmehr geht es um diejenigen politischen Handlungen, die einen moralischen Anspruch erheben und damit moralisch legitimiert werden müssen. Weiterhin ist es notwendig, den theoretisch entwickelten deliberativen Stakeholder Dialog auf Gegebenheiten und Spezifika der multinationalen Unternehmung anzupassen. In diesem Zusammenhang wurde auch auf mögliche Schwierigkeiten und Herausforderungen bei der Implementierung eingegangen. Während die empirische Forschung im Bereich der Politikwissenschaft zeigt, dass Deliberation in der Praxis vor allem bei kommunalen Angelegenheiten in Städten oder bestimmten Bezirken eingesetzt wird (Fung 2003b, S. 341–346), ist die multinationale Unternehmung global tätig und nicht mit der Struktur von Städten vergleichbar. In diesem Sinne kann es nicht das Ziel sein, MNU dazu zu bewegen, alle deliberativen Kriterien gleichzeitig zu erfüllen. Vielmehr sollen sie Deliberation als Maßstab benutzen (regulatives Ideal) und einen möglichst demokratischen Prozess der Entscheidungsfindung anstreben. Neben der Ausrichtung auf MNU, kann der konzeptionelle Ansatz auch einen Bewertungsrahmen für bereits existierende deliberative Entscheidungsprozesse in

310

ENTWICKLUNG EINES DELIBERATIVEN ANSATZES

Multi-Stakeholder Initiativen darstellen. Damit ist es möglich, Multi-Stakeholder Netzwerke nicht nur kritisch zu analysieren, sondern auch Handlungsanweisungen zu geben, wie diese deliberative Kriterien besser umsetzen können. Auch hier wird deutlich, dass Multi-Stakeholder Netzwerke keine vollkommenen deliberativen Arenen sind. Insbesondere die Einbindung von Stakeholdern in Entscheidungsprozesse des Netzwerkes (vgl. UNGC) sowie die Orientierung an deliberativen Prinzipien und Regeln der Kommunikation (vgl. UNGC und FSC) könnte hier verbessert werden. Dennoch erscheinen Multi-Stakeholder Netzwerke als besser praktikabel, um politische Verantwortung moralisch zu legitimieren als wenn dies auf der Unternehmensebene umgesetzt werden würde. Denn hier wird auf globaler Ebene ein Forum bereitgestellt, in dem MNU zusammen mit anderen betroffenen Stakeholder Gruppen über Prinzipien und Standards der globalen Wirtschaftstätigkeit diskutieren können. Damit ergibt sich auch die Möglichkeit, kritische Aspekte anzusprechen, von bewährten Handlungsoptionen (Best Practice) zu lernen und gerade für politische Problemsituationen ein abgestimmtes Verhalten zu erreichen. In dieser Hinsicht können Multi-Stakeholder Initiativen für MNU auch als Quelle der Legitimität gelten, da sie in einen globalen institutionellen Entscheidungsrahmen eingebettet werden (vgl. hierzu u.a. Banerjee 2010, S. 268; Scherer & Palazzo 2007, S. 1110). Hier wird zudem deutlich, dass es nicht darum geht, MNU in die alleinige politische Verantwortung zu ziehen, vielmehr ist politische Verantwortung als kollektive Verantwortung zu sehen. Das heißt, alle betroffenen Akteure müssen in einen deliberativen Stakeholder Dialog treten und darüber entscheiden, wie moralisch richtig zu handeln ist. MNU sind aber aufgrund ihrer Größe und institutionellen Macht ein entscheidender Akteur, da sie am meisten Einfluss ausüben können. In diesem Sinne ist es jedoch nicht das Ziel, zu verhindern, dass Unternehmen ökonomisch handeln, auch nicht in Ländern, die aus westlicher Sicht als nicht demokratisch eingestuft werden (Wettstein 2010b, S. 40–42). Vielmehr geht es darum, dass MNU ihren Einfluss nutzen, um auf globale Probleme aufmerksam zu machen sowie gemeinsam mit anderen staatlichen und nicht staatlichen Akteuren an der Lösung dieser Probleme arbeiten.

311

Anhang Tab. 10:

Unternehmen (Rang GCR 2009) BASF SE (1)

Überblick zu Stakeholder Dialogen in 10 MNU in Deutschland (ausgewählt nach dem Good Company Ranking 2009) Ziele

Vertrauen schaffen, Erwartungen kennenlernen, Chancen und Risiken erkennen

Ebene(n)

National und international

Stakeholder Identifikation Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Investoren, Wissenschaftler, Vertreter von Regierung und Kommunen, Medien und Meinungsbildner sowie Kirchen und NGOs

Form des Stakeholder Dialogs Themenspezifische Dialoge

-

-

Globale Mitarbeiterbefragung Kundenbefragung Lobbying Einzelgespräche, Roadshows, Segmenttagungen (Analysten) Einrichtung von Nachbarschaftsforen (Community Advisory Panels) an Produktionsstandorten Nationale und internationale Dialogforen Internet/Blog

Mitgliedschaft im UNGC, in der GRI sowie bei econsense etc.

RWE AG (5)

Erwartungen der Stakeholder kennenlernen und aufgreifen; Lösungen entwickeln

Lokal, regional überregional

Anwohner, Kommunen, Bürgerinitiativen, Behörden, NGOs, Politiker, Medienvertreter, Analysten, Investoren und Wissenschaftler

-

RWE-Dialogforum (einmal jährlich mit wichtigsten Stakeholdern) Kraftwerksprojekte (Anwohner) Informationsangebote/ Bürgersprechstunde Besichtigungsangebote Expertengespräche

Mitgliedschaft im UNGC, in der GRI sowie der „Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft“

E.ON AG (6)

Vertrauensvolle Beziehung zu den Stakeholdern schaffen, Bedürfnisse, Erwartungen und Bedenken der HauptStakeholdergruppen kennenlernen und ver-

Lokal, regional und international

k.A.

Gruppen- und themenspezifische Stakeholder Dialoge: -

Analysten-Roadshows EnergieSpar-Tour (Kunden) Kraftwerksforen (Anwohner) Mitarbeiterbefragung/Diskussion in Blogs Feedbackformular auf Homepage E.ON im Dialog (E.ON Energie)

312

ANHANG

stehen, nachhaltige Unternehmensführung

-

Dialog mit der Jugend Stakeholder Befragung E.ON UK  Talking Energy (Internetseite und Präsenz auf YouTube)

Mitgliedschaft im UNGC, Orientierung an den Prinzipien der GRI

Bayer AG (7)

Volkswagen AG (13)

Gesellschaftliche Zustimmung erreichen, Aufbau von gegenseitigem Verständnis und Vertrauen, Herausforderungen identifizieren, Risiken vermeiden, Trends und Märkte frühzeitig erkennen und Schwerpunkte für Aktivitäten definieren, Informationsbedürfnisse der Stakeholder kennenlernen

Lokal, national und international

Stakeholdererwartungen aufdecken

Lokal, national und international

Partner, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Investoren, Vertreter öffentlicher Interessen, direkte Nachbarn, NGOs, Politik, breite Öffentlichkeit, Institutionen aus der Wissenschaft, öffentliche Verwaltung und Gesetzgebung

-

k.A.

-

-

-

Lokale Projekte Mitarbeit in Gremien und Fachworkshops Spezifische Dialoge mit einzelnen Stakeholdern (Mitarbeiter, Kunden, Analysten) Informationsprogramm Online Stakeholder Befragung

Mitgliedschaft im UNGC, Orientierung an den Prinzipien der GRI sowie des WBCSD

-

Kontinuierlicher Dialog mit den Stakeholdern Dialog mit Lieferanten Einbindung von Stakeholdern in Entscheidungsprozesse

Mitgliedschaft im UNGC sowie in der GRI etc.

Adidas Group (15)

Besseres Verständnis für gegenwärtige und aufkommende Fragen und Belange; Interessen ausgleichen und somit Leistung verbessern, Erhöhung der Transparenz, Vertrauen erreichen

Lokal, national und international

Organisationen, Gruppen, Einzelpersonen, deren Interessen mit denen des Konzerns verknüpft sind Mitarbeiter, Entscheidungsträger (z.B. Regierungen, Aktionäre), Geschäftspartner (z.B. Gewerkschaften,

-

-

-

Beantwortung von Fragen aus dem Bereich Socially Responsible Investment Einbeziehung der Konzernmitarbeiter Beantwortung von Anfragen, die von Kunden, Konzernmitarbeitern und Nicht-Regierungsorganisationen herangetragen werden Aktives Engagement und Zusammenarbeit mit verschiedenen Markenunternehmen und Vertretern von Regierungs- und NichtRegierungsorganisationen in ge-

ANHANG

Zulieferer), Beschäftige in Zulieferbetrieben, Meinungsmacher (z.B. Journalisten), Kunden (z.B. Sportprofis, Verbraucher)

Deutsche Telekom AG (20)

Linde AG (28)

Deutsche Bank AG (39)

CR-Performance besser profilieren, mehr öffentliche Wahrnehmung erzielen, Verständnis erreichen, Transparenz der Stakeholder Kommunikation, Hinweise zu Erfolgsfaktoren gelungener Dialoge

Lokal, regional und international

Vertrauen schaffen, rechtfertigen und nachhaltig stärken; Dilemmata und Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit kommunizieren

Lokal, regional und international

Anliegen der Stakeholder verstehen, Trends und Schlüsselthemen erkennen, eigene Position verständlich machen, Akzeptanz stärken

Lokal und international

313

-

meinsamen Initiativen sowie Teilnahme an Multi-Stakeholder Partnerschaften Dialog mit Studenten und Universitäten

Mitgliedschaft beim WBCSD sowie bei der FLA etc.

Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre sowie Finanzanalysten, Lieferanten und Dienstleister, NGOs und lokale Anwohner, Wirtschafts- und Fachverbände, wissenschaftliche Institutionen, Regierungen und Behörden, Medien

-

Heutige und zukünftige Mitarbeiter, Analysten und Investoren, Vertreter und Institutionen aus den Bereichen Wissenschaft und Forschung, Regierungs- und NichtRegierungsorganisationen sowie Verbände und Politik

-

Kunden, Aktionäre, Mitarbeiter, Zulieferer und NGOs, staatliche Institutionen, Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Gruppen

-

-

Corporate Responsibility Day (Multi-Stakeholder Forum) Stakeholder Dialog Day (mit fünf Stakeholder Gruppen) Runder Tisch zum Umweltschutz Stakeholder Dialog mit Kommunen Stakeholder Dialog mit Analysten (Roadshows) Stakeholder Dialog mit Kunden CR-Berichterstattung Dialogforen bei Tochtergesellschaften (z.B. T-Systems)

Mitgliedschaft im UNGC sowie in der GRI Dialog mit Kunden Dialog mit Analysten Stakeholder Befragungen

Orientierung an internationalen Standards, Mitgliedschaft im UNGC

-

-

Organisation von Teilhaberdialogen Dialogserie 2010 (MultiStakeholder) Ständiger Dialog mit NGOs und anderen privaten/öffentlichen Organisationen Teilnahme an Foren wie dem DGCN Fallabhängige Dialoge (z.B. bei Protesten)

314

ANHANG

Mitgliedschaft im UNGC, in der GRI, bei econsense sowie beim UNEP etc.

BMW AG (46)

Frühzeitige Erkennung von Risiken und Chancen, Fehler vermeiden oder korrigieren, gemeinsam Lösungen für komplexe Herausforderungen finden, nachhaltiges Wirtschaften

Lokal und international

NGOs, soziale Organisationen, Interessensgruppen, Nachbarn, multinationale Institutionen, Medien, Bildung, Forschung und Wissenschaft, Politik und Gesetzgebung, Mitarbeiter, Zulieferer, Kunden, Kapitalmarkt

-

Stakeholder Roundtable 2009 (Multi-Stakeholder) Weltweite Stakeholder Befragung 2006 Lokale Dialoge (Nachbarschaft) Mitarbeiterbefragungen Roadshow bei Nachhaltigkeitsinvestoren und -analysten

Mitgliedschaft im UNGC, bei econsense sowie Orientierung an den Prinzipien der GRI etc.

Quelle: Good Company Ranking 2009 (Kirchhoff 2009); Homepages bzw. Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen: adidas Group 2009d, 2011b, 2011c; BASF 2009a, 2011a, 2011b, 2011c, 2011d, 2011e, 2011f; Bayer 2010, 2011; BMW Group 2007, S. 16; 2008, S. 12–13, 2009, 2010; Deutsche Bank 2009, 2011; Deutsche Telekom 2009a, 2009b, 2010a, 2010b, 2010c, 2010d, 2011; E.ON 2011a, 2011b, 2011c, 2011d, 2011e; Linde 2010, 2011; RWE 2008, 2010a, 2010b, 2011a, 2011b, 2011c; T-Systems Österreich 2009; Volkswagen 2010a, 2010b, S. 12–14.

ANHANG

Tab. 11:

Kriterien/ Autor(en)

315

Ausgewählte Forschungsansätze zur Gestaltung von Stakeholder Dialogen auf der Unternehmensebene

Forschungsvorhaben

Gilbert & Legitimation von Hypernormen Behnam und Normen auf 2009 der lokalen Ebene (Unternehmen) mit Hilfe von Kommunikationsprozessen (Stakeholder Dialogen)

Theoretische Basis

Implikationen für Stakeholder Dialoge

Diskursethik nach Habermas

Unternehmensebene

Ideale Sprechsituation

Ziele:

Diskursprinzip Universalisierungsprinzip Formen praktischer Diskurse

Verschiedene Formen praktischer Diskurse im Unternehmen -

Einbindung aller Stakeholder Gemeinsames Verständnis finden Ideen austauschen Stakeholder Ansprüche spezifizieren Konfligierende Normen aufdecken Orientierung für das Handeln auf der lokalen Ebene schaffen

Ergebnis: - Konsens - Kompromiss - Dissens Institutionelle Ebene: Bildung von Multi-Stakeholder Initiativen sollte gefördert werden Kuhn & Deetz 2008

Nachhaltige und demokratische Gestaltung von CSR

Kritische Theorie Unternehmensebene: Ideale Sprechsituation nach Habermas

Ziele: - Einbindung aller Stakeholder - Allen Stakeholdern eine Stimme geben - Umwandlung organisatorischer Führung und unternehmerischer Entscheidungsprozesse Regeln für den Stakeholder Dialog: -

Reziprozität Gleichheit Kein Zwang Austausch von Informationen Transparenz Lernen

316

ANHANG

Ergebnis: Konsens Maak 2007; Maak & Ulrich 2007

Entwicklung eines ethisch reflektierten Stakeholder orientierten Managements

Diskursethik nach Habermas

Entwicklung eines Ansatzes zur Legitimation politischer Verantwortung Entwicklung eines deliberativen CSR Konzepts

Ziele: - Integre, nachhaltige Beziehungsgestaltung zu den Stakeholdern - Offene Unternehmensverfassung - Mitwirkungs- und Mitspracherechte für Stakeholder

Prüfung der Legitimität der Stakeholder Ansprüche

Scherer & Palazzo 2007

Unternehmensebene

Regeln für den Stakeholder Dialog: -

Anerkennung Verständigungsbereitschaft Einbindung Chancengleichheit Begründungsorientierung Aufrichtigkeit Reflexionsbereitschaft Zuhören Zwanglosigkeit

Diskursethik (v.a. ideale Sprechsituation) nach Habermas

Unternehmensebene:

Deliberative Demokratie nach Habermas

Regeln:

Ziel: Einbindung aller Betroffenen -

Freier Zugang Gleiche Rechte Aufrichtigkeit Keine Ausübung von Zwang

Aber: Primat der Demokratie vor der Philosophie Ergebnis: -

Konsens Dissens

Institutionelle Ebene: - Einbettung des Unternehmens in öffentliche Diskurse - Gemeinsame Problemlösung für globale Herausforderungen

ANHANG

Unerman & Bennett 2004

Entwicklung einer diskursethischen Perspektive auf CSR

Diskursethik nach Habermas:

Beitrag des Internets zur Schaffung einer idealen Sprechsituation am Beispiel von Shell’s Webforum

Ideale Sprechsituation

Diskursprinzip

317

Unternehmensebene Ziel: Einbindung aller Betroffenen Analyse des Webforums: -

Eintrittsbarriere: Zugang zum Internet und Englische Sprache Unzensiertes Forum; aber Shell filtert Relevanz der Anfragen Anonymität gewährleistet Machtfreiheit; aber Verwaltung durch Shell

Ergebnis: Webforum wurde vor allem für strategische Zwecke benutzt Zakhem 2008

Veränderung der strategischen Auffassung des Stakeholder Managements Entwicklung eines Konzepts, um moralische Ansprüche der Stakeholder zu adressieren

Theorie kommunikativer Handlung nach Habermas Diskursethik nach Habermas Formen praktischer Diskurse

Unternehmensebene: Ziele: - Einbindung aller Stakeholder - Umgestaltung organisatorischer Prozesse und Managementsysteme (an Stakeholder Ansprüche anpassen) Umsetzung: - Kommunikation und kritische Reflexion über Werte als Teil der Organisation - Training der Mitarbeiter hinsichtlich kommunikativer Fähigkeiten - Öffentliche Berichterstattung Institutionelle Ebene: Kommunikative Prinzipien müssen auch auf internationale Institutionen angewendet werden

Quelle: Eigene Darstellung.

318

ANHANG

Tab. 12:

Kriterien/ Autor(en)

Ausgewählte Forschungsansätze zur Gestaltung von Stakeholder Dialogen auf der institutionellen Ebene

Forschungsvorhaben

Diskursethische/Deliberative Kriterien

Ergebnisse

Forschungsarbeiten der Unternehmensethik Gilbert & Kritische Analyse des Standards SA 8000 und Rasche seiner Implementierung 2007 aus deliberativer Perspektive

1) Begründung der Normen 2) Organisation des Stakeholder Dialogs 3) Ausübung von Zwang

1) Ungenügende Begründung der Normen; nicht alle Stakeholder waren eingebunden 2) SA 8000 macht keine Angaben über Organisation des Stakeholder Dialogs 3) Zulieferer werden häufig von Unternehmen gezwungen, SA 8000 zu implementieren

Rasche & Esser 2006

Kritische Analyse der Vorgaben von AA1000 aus deliberativer Perspektive

1) Stakeholder Einbindung (Diskursprinzip) 2) Konsens (Universalisierungsprinzip)

1) AA1000 macht keine Angaben, wie und welche Stakeholder von Unternehmen eingebunden werden sollen 2) AA1000 macht keine Angaben zur Konsenserzielung zwischen Stakeholdern und Unternehmen

Reynolds & Yuthas 2008

Kritische Analyse der Vorgaben der Berichtstandards (u.a. GRI, ISO 14000, SA 8000) aus deliberativer Perspektive

1) Geltungsansprüche (Angemessenheit und Verständlichkeit, Wahrheit, Aufrichtigkeit) 2) Diskursiver Prozess (Allgemeingültigkeit, Perspektivenwechsel, Volle Teilhabe, Transparenz, Machtneutralität)

Nur diskursiver Prozess (Auswahl): 1) Allgemeingültigkeit: Berichtsstandards betonen die Wichtigkeit der Einbindung von Stakeholdern 2) Volle Teilhabe: Wenig Aussagen, wie Unternehmen im Rahmen der Berichterstattung Stakeholder einbinden sollen

ANHANG

319

und ihnen Mitspracherecht geben können Roloff 2008

Deskription der deliberativen Qualität von Multi-Stakeholder Netzwerken

Deliberative Elemente in den einzelnen Phasen des Lebenszyklus von MultiStakeholder Netzwerken

Auswahl: 1) Kennenlernphase: Offene und ehrliche Kommunikation (z.B. Clean Clothes Campaign) 2) Implementierung: kontinuierliche Deliberation, Feedback etc. (z.B. UNGC)

Forschungsarbeiten der Politikwissenschaft Klintman 2009

Kritische Analyse von Zertifikaten und Labels in Schweden auf Basis der deliberativen Demokratie

1) Machtbeziehungen 2) Konsensorientierung 3) Breite der Problemdefinition

1) Waldzertifizierung: ausgeglichene Machtbasis 2) Lebensmittellabels: keine eindeutige Aussage zu Konsens 3) Stromlabels: als Beispiel für enge Problemdefinition

Nanz & Steffek 2004

Kritische Analyse der WTO auf Basis der deliberativen Demokratie

1) Transparenz über den Entscheidungsprozess der Regeln 2) Einbindung von Stakeholder Interessen 3) Einbindung von Minderheiten

1) Transparenz: öffentliche Überprüfbarkeit eingeschränkt, Normveränderungsprozesse nicht öffentlich 2) Einbindung von Stakeholdern: Einfluss von nicht staatlichen Akteuren gering 3) Einbindung von Minderheiten: Nachteile für Stakeholder aus Entwicklungsländern

320

Van de Kerkhof 2006

ANHANG

Deskription der deliberativen Elemente des COOL in Dänemark

1) Zusammensetzung der Gruppe 2) Gestaltung des Dialogs 3) Kommunikationsregeln 4) Input wissenschaftlicher Information 5) Methoden der Dialogführung

Quelle: Eigene Darstellung.

Auswahl: 1) Zusammensetzung der Gruppe: Heterogen, auf Basis von Interviews 2) Gestaltung des Dialogs: Diskussion über verschiedene Meinungen (Divergenz) mit dem Ziel, möglichst einen Konsens zu erzielen (Konvergenz) 3) Kommunikationsregeln: von Teilnehmern selbst gewählt; Offenheit, Diskussion von Argumenten etc.

ANHANG

Tab. 13:

321

Überblick zu ausgewählten qualitativ empirischen Forschungsarbeiten

Kriterien/ Autor(en)

Thema/ Forschungsfrage

Baiocchi 2003

Kritische Analyse des Participatory Budgeting auf Basis der Theorie der deliberativen Demokratie

Methodik

Handlungsempfehlungen/ Ergebnisse (Auswahl)

Case Study Analyse:

Ergebnisse:

Participatory Budgeting in Brasilien

- Minderheiten werden eingebunden Kommunikationsnetzwerk in der Gesellschaft wird geschaffen - Kontext entscheidend für teilhabende Politik Handlungsempfehlung: Institutionelle Rahmenbedingungen entscheidend, um Ungleichheiten zu beseitigen und um Lerneffekte zu erreichen

Button & Mattson 1999

Verständnis über Prozesse und Ergebnisse von Deliberation in der Praxis erhöhen Auswirkungen für die Theorie der deliberativen Demokratie

Case Study Analyse:

Ergebnisse:

Deliberative Foren in den USA

- Teilnehmer stellen unterschiedliche Erwartungen an die Foren (Konflikte) - Gegenseitiges Lernen im Vordergrund; Präferenzen wurden durch den Diskurs gebildet - Passive Rolle der Bürger; nicht genügend Wissen, um an Deliberation teilzunehmen (kaum Interaktion) Handlungsempfehlungen: - Deliberation ist kein universeller Prozess (Bürger treten mit unterschiedlichen Zielen in den Diskurs ein) - Funktionsweise von Deliberation im lokalen Kontext aufdecken

322

Fishkin & Luskin 2005

ANHANG

Wirkung von Deliberation in der Praxis

Analyse deliberativer Umfragen (quantitativ)

Ergebnisse: - Teilnehmer sind repräsentativ - Deliberation bewirkt häufig eine Meinungsveränderung - Deliberation führt zu einem Informationsgewinn

Fung 2003

Einfluss der institutionellen Ausgestaltung auf die demokratische Governance

Analyse von Minipublics auf Basis deliberativer Kriterien

Ergebnisse: - Demokratische Fähigkeiten werden mittelmäßig bei Chicago Community Policing und Participatory Budgeting ausgebildet - Informationsgewinn vor allem bei Chicago Community Policing und Participatory Budgeting - Öffentliche Rechenschaft vor allem bei Participatory Budgeting hoch

Fung & Wright 2001

Konzeptionelles und empirisches Verständnis von deliberativer Demokratie erweitern Vergleich der institutionellen Gestaltung

Case Study Analyse:

Entwicklung eines Modells Fünf deliberative Foren deliberativ demokratischer Entscheidungsfindung in der Pra(weltweit) xis: Prinzipien: - Fokus auf spezifische Probleme - Einbindung normaler Bürger (Bottom-Up) - Deliberative Entwicklung von Lösungen Institutionelle Merkmale: - Dezentralisierung von Entscheidungskompetenz - Verknüpfung von Verantwortung, Ressourcenverteilung und Kommunikation

ANHANG

323

- Autorisierung durch den Staat, Verbindung zu staatlichen Stellen Voraussetzung für das Funktionieren: Machtgleichgewicht, Monitoring und Rechenschaft, Einbindung von Minderheiten Goodin & Vergleich und kritische Konzeptionell, EinbeAnalyse von Minipub- zug von empirischen Dryzek lics hinsichtlich ihres Ergebnissen 2006 Erfolges

Ergebnisse: - Minipublics vor allem als Beratungsgremium - Politik kann mit Hilfe von Minipublics testen, was von der Bevölkerung gewünscht wird - Öffentliche Rechenschaft wird erhöht

Huitema, Van de Kerkhof & Pesch 2007

Verbesserung des Verständnisses über die Funktionsweise von Bürger-Jurys

Case Study Analyse:

Ergebnisse:

Zwei Bürger-Jurys in den Niederlanden

- Teilnehmer: Mehrheit männlich und Gruppe der 20-29 Jährigen unterrepräsentiert

(Experiment/teilweise quantitativ, da standardisierter Fragebogen)

- Lerneffekte - Einbindung in die Politik steigt Handlungsempfehlungen: - Deliberative Qualität könnte erhöht werden, wenn Bürger-Jury Entscheidungskompetenz besitzt - Bürger-Jury zu einem kontinuierlichen Forum erweitern mit rotierenden Mitgliedern

324

Petts 2001

ANHANG

Kritische Bewertung des Entscheidungsprozesses bei zwei Formen von Minipublics, Handlungsempfehlungen für den optimalen Prozess

Case Study Analyse:

Ergebnisse:

Beratende Komitees und Bürger-Jurys in England

- Deliberation: Treffen haben eher den Charakter, gemanagt zu werden; zu wenig Diskussion, Fragen nicht adäquat adressiert - Dissens und Uneinigkeit werden als produktiv wahrgenommen - Unterschiedliche Ausdrucksformen (Politiker, Experten) Handlungsempfehlungen: - Agenda für Teilnehmer öffnen - Diskussionszeit erhöhen - Stärkere Einbindung der Teilnehmer in den Entscheidungsprozess

Smith & Wales 2000

Institutionalisierung von Deliberation in der Praxis am Beispiel der Bürger-Jury

Konzeptionelle Analyse von Bürger-Jurys auf Basis der deliberativen Demokratie

Ergebnisse:

Analyse der institutionellen Gestaltung

(keine eigene empirische Erhebung)

- Präferenzen werden verändert

- Förderung von Eingebundenheit (Repräsentative Auswahl)

Handlungsempfehlungen: - Moderatoren und Organisation der Bürger-Jury müssen unabhängig sein - Bürger-Jury muss in einen breiteren institutionellen Kontext eingebunden werden Quelle: Eigene Darstellung.

ANHANG

325

Human Rights Principle 1:

Businesses should support and respect the protection of internationally proclaimed human rights; and

Principle 2:

make sure that they are not complicit in human rights abuses.

Labour Principle 3:

Businesses should uphold the freedom of association and the effective recognition of the right to collective bargaining;

Principle 4:

the elimination of all forms of forced and compulsory labour;

Principle 5:

the effective abolition of child labour; and

Principle 6:

the elimination of discrimination in respect of employment and occupation.

Environment Principle 7:

Businesses should support a precautionary approach to environmental challenges;

Principle 8:

undertake initiatives to promote greater environmental responsibility; and

Principle 9:

encourage the development and diffusion of environmentally friendly technologies.

Anti-Corruption Principle 10:

Businesses should work against corruption in all its forms, including extortion and bribery.

Abb. 11:

Prinzipien des UNGC

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an UNGC (2011k).

326

ANHANG

Principle 1:

Compliance with all applicable laws and international treaties

Principle 2:

Demonstrated and uncontested, clearly defined, long-term land tenure and use rights

Principle 3:

Recognition and respect of indigenous peoples’ rights

Principle 4:

Maintenance or enhancement of long-term social and economic well-being of forest workers and local communities and respect of worker’s rights in compliance with International Labour Organisation (ILO) conventions

Principle 5:

Equitable use and sharing of benefits derived from the forest

Principle 6:

Reduction of environmental impact of logging activities and maintenance of the ecological functions and integrity of the forest

Principle 7:

Appropriate and continuously updated management plan

Principle 8:

Appropriate monitoring and assessment activities to assess the condition of the forest, management activities and their social and environmental impacts

Principle 9:

Maintenance of High Conservation Value Forests (HCVFs) defined as environmental and social values that are considered to be of outstanding significance or critical importance

Principle 10:

In addition to compliance with all of the above, plantations must contribute to reduce the pressures on and promote the restoration and conservation of natural forests.

Abb. 12:

Prinzipien des FSC

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an FSC (2011r).

ANHANG

327

FSC Membership Weighting of Votes

Economic 33.33 %

Environmental 33.33 %

Social 33.33 %

North 50%

South 50%

North 50%

South 50%

North 50%

South 50%

(16,67 of total)

(16,67 of total)

(16,67 of total)

(16,67 of total)

(16,67 of total)

(16,67 of total)

Organizations 90 % (15% of total)

Individuals 10 % (1,67% of total)

Organizations 90 % (15% of total)

Individuals 10 % (1,67% of total)

Organizations 90 % (15% of total)

Individuals 10 % (1,67% of total)

Abb. 13:

Stimmenverteilung in der Vollversammlung des FSC Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an FSC (2011o).

328

ANHANG

Tab. 14:

Vergleichende Darstellung UNGC und FSC

Initiative/ Kriterien

United Nations Global Compact

Forest Stewardship Council

Analyse der Anspruchsgrundlage

Moralisch

Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz und Korruption

Nachhaltiges Waldmanagement, Zertifizierung von Holz

Analyse der Anspruchsgruppen

Mitgliederstruktur

Mehrheit der Mitglieder sind Unternehmen

Standard: Individuen und Organisationen als Mitglieder; Entwickelte Länder und Entwicklungsländer relativ ausgeglichen

Geographischer Schwerpunkt: Europa und Entwicklungsländer

Zertifizierung: Geographischer Schwerpunkt: westliche (entwickelte) Länder Grundsätzlich für alle Stakeholder Gruppen offen; Brief des Vorstands an UN Generalsekretär

Grundsätzlich für alle Stakeholder Gruppen offen; aber: Bewerbungsverfahren

Einschränkungen für Mikrounternehmen und Tabakindustrie

Standard: Kein Zugang für staatliche Akteure Zertifizierung: Nachteile für Entwicklungsländer

Repräsentation

Stakeholder Vertreter beim Führungskräftegipfel, im Verwaltungsrat und auf der Ebene der lokalen Netzwerke

Stakeholder Vertreter in der Vollversammlung, im Verwaltungsrat und auf der Ebene der lokalen Arbeitstreffen

Organisationskultur

Kommunikatives Handeln und Zusammenarbeit der Akteure

Kommunikatives Handeln und Zusammenarbeit der Akteure

Sieben organisatorische Einheiten

Fünf organisatorische Einheiten

Kein zentrales Entscheidungsgremium, vor allem Beratungsgremien

Zentrales Entscheidungsgremium: Vollversammlung

Zugang

Institutionelle Rahmenbedingungen

Strukturelle Kriterien GovernanceStruktur

ANHANG

329

Organisation der Deliberation Form des Diskurses

Stakeholder diskutieren beim Führungskräftegipfel, im Verwaltungsrat und bei den lokalen Arbeitstreffen; teilweise in Form von Kleingruppen

Alle Stakeholder in der Vollversammlung; Vertreter der Stakeholder diskutieren im Verwaltungsrat Aufbau der Vollversammlung: formelle und informelle Sitzungen; Einbindung nationaler Initiativen

Zusammensetzung der Gruppe

Führungskräftegipfel: unterschiedliche Stakeholder Vertreter an runden Tischen

Inhaltliche Aufteilung der Stakeholder auf die drei Kammern in der Vollversammlung (ökonomisch, ökologisch und sozial), aber auch Cross Chamber Meeting

Einbindung internetbasierter Medien

Informationsbereitstellung über die Homepage (bewährte Handlungsoptionen) sowie Einbindung in Facebook und YouTube

Informationsbereitstellung über die Homepage (Stakeholder Portal) sowie Einbindung in Facebook, Twitter und YouTube

Persönliche Dialoge

Weitestgehend persönliche Dialoge

Lernforum

UNGC als Lernforum; Austausch von bewährten Handlungsoptionen

FSC als Wissens- und Lernforum

Training

Schulungsmaterial & Arbeitstreffen

Schulungsmaterial & Arbeitstreffen

Moderatoren/

Moderatoren auf lokaler Ebene

Personelle Kriterien

Experten

Impulsvorträge von Experten

Experten in technischen Komitees

330

Prinzipien und Regeln der Kommunikation

ANHANG

Bedeutung von Prozessprinzipien Reziprozität

k.A.

k.A.

Macht

Anspruch: „Hierarchiefreier Dialog“

Stimmenverteilung in der Vollversammlung verhindert Dominanz von Interessen

Aber: Ökonomische Interessen dominierend; Macht der UN

Aber: Aufteilung in Nord und Süd

Berichterstattung auf der Homepage

Berichterstattung auf der Homepage

„Communication on Progress“, „Differenzierung“

Institutionalisiertes VetoSystem

Rechenschaft

Keine Sanktionierung Keine inhaltliche Prüfung der Berichte; lediglich Vorhandensein der Berichte wird überprüft

Rechenschaftspflicht des Verwaltungsrats, Zertifizierungssystem (unabhängige Prüfung)

Bedeutung von Inhaltsprinzipien

Anpassungen auf lokaler Ebene möglich

Anpassungen auf lokaler und globaler Ebene möglich

Formen der Kommunikation

Treffen häufig im Stil von Konferenzen

Treffen häufig im Stil von Konferenzen

Konsensorientierung

Selbstanspruch: Konsens

Selbstanspruch: Konsens

Öffentlichkeit

Ergebnisse der Dialoge

Aber auch Mehrheitsentscheidungen (Zwei Drittel) in der Vollversammlung möglich

ANHANG

331

Grad der Legitimität Legitimität der Prinzipien

Ableitung aus Dokumenten Erarbeitung im Multider UN Stakeholder Prozess Prinzipien 1-9: selektive Auswahl von Kofi Annan, allerdings Zustimmung der Stakeholder Prinzip 10: Auf Basis von Stakeholder Konsultationen

Legitimität des Entscheidungsprozesses/der Organisation

= Relative moralische Legitimität

= Absolute moralische Legitimität

Relative moralische Legitimität des Entscheidungsprozesses

Relative moralische Legitimität des Entscheidungsprozesses

Normative Legitimität der UN

Quelle: Eigene Darstellung.

333

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