Dekorrelative Gravimetrie: Ein innovativer Zugang für Geowissenschaften und Exploration [1. Aufl.] 9783662619070, 9783662619087

Die Entwicklung immer leistungsfähigerer absoluter wie auch relativer Gravimeter mit deutlich verbesserter Messgenauigke

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Dekorrelative Gravimetrie: Ein innovativer Zugang für Geowissenschaften und Exploration [1. Aufl.]
 9783662619070, 9783662619087

Table of contents :
Front Matter ....Pages i-xxvii
Front Matter ....Pages 1-1
Historischer Bezug (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 3-12
Geomathematisch basierte Vorleistungen gravimetrischer Forschung (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 13-26
Front Matter ....Pages 27-27
Gravitation (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 29-37
Gravimetrie (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 38-43
Front Matter ....Pages 45-45
Störpotential und seine Funktionale (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 47-59
Front Matter ....Pages 61-61
Potentiale (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 63-78
Geomathematisch-gravimetrisches Selbstverständnis (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 79-93
Wavelets als Multiskalenbausteine zur Dekorrelation von Signaturen (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 94-97
Front Matter ....Pages 99-99
Oberflächendekorrelation durch 2D-Wavelets (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 101-107
Störpotential aus Schwerestörungen: Mollifier-Lösung des Neumannschen und Stokesschen Randwertproblems (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 108-126
Störpotential aus Lotabweichungen: Mollifier-Lösung der Vening Meinesz-Differentialgleichung (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 127-142
Front Matter ....Pages 143-143
Volumendekorrelation durch 3D-Haar-Wavelets (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 145-165
Tiefendekorrelation der Dichte aus Potentialdaten mithilfe des Haar-Kernes (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 166-173
Tiefendekorrelation der Dichte aus Potentialdaten mithilfe von Kernen mit kompakten Trägern (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 174-186
Mollifier-Tiefendekorrelation durch 3D Spline-Waveletinversion (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 187-198
Front Matter ....Pages 199-199
Testgebiet Saarland und seine Datenerfassung (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 201-212
Bereinigung und Qualität der Messdaten (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 213-227
Geomathematische Oberflächendekorrelation und geologische Oberflächeninterpretation (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 228-261
Geomathematische Tiefenmodellierung und geologische Tiefeninterpretation (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 262-280
Front Matter ....Pages 281-281
Dekorrelative Monopol-basierte Gravimetrie (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 283-290
Front Matter ....Pages 291-291
Dekorrelative Dipol-basierte Magnetometrie (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 293-298
Dekorrelation und Seismik (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 299-327
Front Matter ....Pages 329-329
Dekorrelation und Poroelastizität (Willi Freeden, Mathias Bauer)....Pages 331-339
Back Matter ....Pages 340-371

Citation preview

Willi Freeden Mathias Bauer

Dekorrelative Gravimetrie Ein innovativer Zugang für Geowissenschaften und Exploration

Dekorrelative Gravimetrie

Willi Freeden · Mathias Bauer

Dekorrelative Gravimetrie Ein innovativer Zugang für Geowissenschaften und Exploration Unter Mitwirkung von Christian Blick, Erdenebaatar Byamba, Thomas Degro, Zita Hauler, Bernd Jakobs, Laura Mailänder, Thomas Neu und Helga Nutz CBM Gesellschaft für Consulting, Business und Management mbH, 66450 Bexbach, Niederbexbacher Straße 67, Deutschland

Willi Freeden Fachbereich Mathematik Technische Universität Kaiserslautern Kaiserslautern, Deutschland

Mathias Bauer CBM Gesellschaft Für Consulting, Business Und Management MbH Saarland, Deutschland

ISBN 978-3-662-61907-0 ISBN 978-3-662-61908-7  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Dekorrelative Gravimetrie: Ein innovativer Zugang in Exploration und Geowissenschaften Willi Freeden, Mathias Bauer

unter Mitwirkung von Christian Blick, Erdenebaatar Byamba, Thomas Degro, Zita Hauler, Bernd Jakobs, Laura Mail¨ander, Thomas Neu und Helga Nutz. CBM Gesellschaft f¨ ur Consulting, Business und Management mbH, 66450 Bexbach, Niederbexbacher Straße 67, Deutschland.

v

Abstrakt: Inhalt des Buches ist der geowissenschaftliche Kontext von Fragestellungen und Problemen, die in der gravitativen Exploration auftreten. Dabei geht es zun¨achst darum, eine vollst¨andige Formulierung des geowissenschaftlich notwendigen Rahmens zu liefern. Dar¨ uber hinaus wird ein Einblick in den aktuellen Stand der Forschung gegeben, indem Gravimetrie auf einfache, der Mathematik zug¨angliche und somit rechenbare (dekorrelierte) Modelle reduziert wird. Die vielf¨altigen ungel¨osten Fragen und Probleme der Gravimetrie sollen auf diese Weise in “mathematischen Appetithappen” einem breiten wissenschaftlichem Publikum und der Explorationsindustrie verf¨ ugbar gemacht werden. Neue Denkanst¨oße sollen in Gang gesetzt und innovative Wege der Verwertung aufgezeigt werden. Das Buch bedient sich essentiell der Mathematik als Schl¨ usseltechnologie f¨ ur Modellierungs- und Simulationsbelange auf der Basis der Analyse und Interpretation entsprechend dichter und genauer gravitativer Messungen und Beobachtungen. Es widmet sich der Oberfl¨achen- als auch Tiefengeologie mit Potentialdaten vornehmlich terrestrischer Herkunft. F¨ ur die Tiefengeologie sind die geomathematischen Dekorrelationsverfahren so anzulegen, dass auch Bohrlochinformation kanonisch Eingang findet. Wesentliche Charakteristik des Buches ist die Br¨ uckenfunktion, und zwar in mannigfacher Hinsicht. Zum einen f¨ uhrt das Buch in einem Kreislauf von den Potentialmessungen durch Geoingenieure, u ¨ber die Bereinigung von Daten durch Geophysiker, u ¨ber anschließende Theorie- und Modellbildung, computerm¨aßige Implementierung und numerische Rechnung und Simulationen durch Geomathematiker bis hin zur Interpretation durch Geologen, und wenn n¨otig zur¨ uck. Es spannt somit den Bogen vom Geoingenieurwesen, insbesondere Geod¨asie, u ¨ber die Geophysik zur Geomathematik und Geologie, und zur¨ uck. Zum anderen liefert das Buch wegbereitendes und bahnbrechendes innovatives mathematisches Wissen als Transfermethodologie vom “Realit¨ atsraum” gravitativer Messungen in den “Virtualraum” mathematischnumerischer Modellierungsstrukturen sowie -l¨ osungen mit neuartigen geologischen Anwendungsbereichen. Am speziellen Beispiel der Region des Saarlandes werden neue wichtige Anwendungsfelder, insbesondere f¨ ur Areale mit bergbaubedingten Hohlr¨ aumen oder dichter Bebauung in der heutigen Geoexploration er¨ offnet und einer vertieften geologischen Interpretation zugef¨ uhrt. Insbesondere verfolgt das Buch die Absicht, der Geo(ingenieur)praxis die eminente Bedeutung der Mathematik als eine Schl¨ usseltechnologie in der gravitativen Exploration zu vermitteln, ohne dass ein vertieftes Vorwissen u ¨ber den zugrunde liegenden mathematischen Apparat erforderlich ist.

vi

“Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird. Wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden.”

(Zitat von G. C. Lichtenberg (1742–1799), dem ersten deutschen Professor f¨ ur Experimentalphysik).

vii

Vorwort Im Jahre 2005 trafen sich der damalige Wirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz, Hans-Artur Bauckhage, und der Vizepr¨ asident f¨ ur Forschung und Technologie der TU Kaiserslautern, Willi Freeden, am Rande einer Veranstaltung im Landesamt f¨ ur Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz, Mainz, zu einem Gedankenaustauch u unftigen ¨ber die zuk¨ Explorationsm¨ oglichkeiten in der Tiefen Geothermie. Herr Minister Bauckhage beklagte eine Anzahl von Fehlbohrungen in der Vergangenheit und stellte die Frage: “Herr Freeden, Sie sind doch Geomathematiker. Ich weiß, dass Sie sich mit der Auswertung von Satellitendaten besch¨ aftigen. K¨ onnen Sie nicht auch mit mathematischen Mitteln zur verbesserten Kenntnis des Erdinneren gelangen? “ Ganz dem Denken eines interessierten Universit¨ atsprofessors verhaftet, lautete die kanonische Antwort: “Herr Minister, wir haben zwar keinerlei Erfahrung mit der Behandlung solcher Fragestellungen in meiner Arbeitsgruppe Geomathematik. Die wissenschaftliche Aufgabe ist aber sicherlich ¨ außerst reizvoll und eine willkommene Herausforderung. Ohne zus¨ atzliche F¨ ordermittel f¨ ur Personal wird es jedoch sehr schwierig, neue geomathematische Ideen und innovative Konzepte in numerisch ausgereifte Tools zur Verwertbarkeit f¨ ur die Explorationsindustrie zu verwandeln.“ Das Wirtschaftsministerium des Landes Rheinland-Pfalz gew¨ ahrte in der Folge eine Anschubf¨ orderung zur Etablierung eines Forscherteams innerhalb der AG Geomathematik der TU Kaiserlautern, so dass eine Forschungsplattform, das sogenannte ”Kaiserslauterer S¨ aulenmodell”(vgl. Abb. 10) zur erfolgreichen Entwicklung und Anwendung in der Tiefen Geothermie kommen konnte. Aus diesem Modell gingen in der AG Geomathematik insgesamt acht Promotionen hervor, deren Publikation teilweise in Buchform durch renommierte Verlage erfolgte. Im Jahre 2012 erfuhren dann wesentliche Teile des ”Kaiserslauterer S¨ aulenmodells” eine Forschungsf¨ orderung durch das Bundeswirtschaftsministerium Berlin im Rahmen des ¨ Verbundprojektes GEOFUND (FKZ 0325512A-D), an dem sich f¨ ur eine Laufzeit von drei Jahren unter der Leitung der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern das LIAG Hannover, das Fraunhofer ITWM Kaiserslautern, die Firma G.E.O.S., Freiberg, und die M¨ unchner R¨ uckversicherung beteiligten. Im Vordergrund der Forschungst¨ atigkeit standen explorative Verfahren in der Seismik, die Identifizierung von heißen geothermischen Gebieten als auch die seismische Spezifikation von kosteneffizienten Bohrregionen mitsamt der begleitenden Br¨ uche im tiefen Untergrund. Ende des Jahres 2014 kamen die beiden Autoren dieses Buches u ¨berein, die am Beispiel der Seismik erfolgreich begonnene Waveletdekorrelation geologischer Strukturen auch f¨ ur die Potentialmethode der Gravimetrie unter dem Dach der Firma CBM Gesellschaft f¨ ur Consulting, Business und Management mbH, Bexbach, zu erschließen und ihre Wirksamkeit an anthropogen bergbaum¨ aßig stark beeinflussten Arealen des Saarlands und Umgebung zu validieren. Von Mai 2016 bis April 2019 realisierte CBM basierend auf Vorleistungen der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern im vom utzte Potentialverfahren zur BMWi gef¨ orderten Forschungsprojekt SPE (Satellitengest¨ geothermischen Exploration, FKZ 0324061, wissenschafliche Leitung Prof. Dr. W. Freeden, CBM Firmenleitung Prof. Dr. mult. M. Bauer) ein Forschungsvorhaben mit dem Ziel, neuartige Konzepte zum Einsatz von Potentialmethoden der Gravimetrie zur Ersteinsch¨ atzung bei der Planung und Durchf¨ uhrung geothermischer Projekte zu entwickeln.

ix

Seit Mai 2019 realisieren die Firma CBM und die TU Bergakademie Freiberg (Prof. Dr. C. Gerhards) in Kooperation mit der Interstaatlichen Hochschule f¨ ur Technik Buchs NTB, Schweiz (Prof. Dr. M. Schreiner), das BMWi (D) & BFO (CH)-Verbundprojekt “SYStematische EXPLoration” SYSEXPL ( wissenschaftliche Leitung Prof. Dr. W. Freeden). Das f¨ ur eine Laufzeit von drei Jahren vorgesehene Forschungsprojekt SYSEXPL ¨ baut auf Vorleistungen der Projekte GEOFUND und SPE auf, in denen erfolgreich neuartige und effiziente Explorationsmethoden f¨ ur Seismik und Gravimetrie erforscht ¨ wurden. Die in GEOFUND und SPE aus Forschungsergebnissen der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern weiterentwickelten numerischen Methoden werden im Projekt SYSEXPL auf die Magnetometrie u ¨bertragen. Außerdem ist eine integrative Sammlung und Zusammenschau aller Dekorrelationsergebnisse aus Seismik, Gravimetrie und Magnetometrie ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Projektes (vgl. Abb. 11). Das vorliegende Buch vermittelt am Beispiel der in der AG Geomathematik, TU Kaiserslautern (2006-2016) und der im Forschungsprojekt SPE (2016-2019) gewonnenen gravimetrischen Ergebnisse das kanonische Grundverst¨ andnis und die folgerichtige Erkenntnis, dass moderne Exploration zun¨ achst ein breites Spektrum geowissenschaftlicher Disziplinen erfordert: Neben der Geomathematik in der Rolle der Schl¨ usseltechnologie, die innovative Dekorrelationsverfahren durch Multiskalenanalyse entwickelt, sind Geologie, Geophysik und Geoingenieurwissenschaften von wesentlicher Bedeutung. Geographen, Geologen, Geophysiker und Geoingenieure sind zust¨ andig f¨ ur die Datenbereitstellung und -aufbereitung sowie f¨ ur die geologische Auswertung und Interpretation der geomathematischen Modellierungen. Neben der Recherche nach vorhandenen Daten und deren Beschaffung haben sich allerdings eigene Messungen von Potentialdaten von gen¨ ugend hoher Datendichte und Genauigkeit durch die CBM als verantwortlicher Institution als unabdingbar f¨ ur eine dekorrelative Exploration erwiesen. Sie bilden zusammen mit geeigneten Verfahren der Datenbereinigung einen wichtigen Baustein zur Bereitstellung wissenschaftlich verwertbarer Datens¨ atze. In der explorativen Praxis gilt dabei standardm¨ aßig bis heute als Voraussetzung f¨ ur einen erfolgreichen Einsatz gravimetrischer Untersuchungen, dass sich die zu bestimmenden geologischen Strukturen durch deutliche Dichtekontraste von ihrer Umgebung abheben, wie etwa ein Salzstock oder ein Hotspot. Durch die Entwicklung immer leistungsf¨ ahigerer absoluter wie auch relativer Gravimeter mit deutlich verbesserter Messgenauigkeit und die Anwendbarkeit neuartiger geomathematischer Verfahren der Konstruktiven Approximation in den letzten Jahren zeigt es sich aber, dass sich k¨ unftig auch schw¨ achere Anomalien erfassen und der “Normalfall geologischer Schichtfolgen” modellieren lassen. Alles in Allem verfolgt das Buch im Spektrum der Geowissenschaften ein doppeltes Ziel: Einesteils stellt es ein wissenschaftliches Regelwerk f¨ ur das heutige Geoingenieurwesen dar, das an der Anwendung innovativer Modellierungs- und Simulationsangebote auf zukunftstr¨ achtige Datens¨ atze und -strukturen interessiert ist. Spezielle Zielgruppen sind geowissenschaftliche Einrichtungen, Ingenieurb¨ uros, Stadtwerke und lokale Energieanbieter sowie die gesamte Explorationsindustrie. Anderenteils dient das Buch der Angewandten Mathematik und Geophysik, die sich mit den diversen Fragestellungen der inversen Gravimetrie besch¨ aftigen, als Sammlung aktuellen Materials. F¨ ur beide Gruppen bietet das Projekt somit bedeutende Perspektiven und Herausforderungen, um die traditionellen wissenschaftlichen Grenzen geophysikalischer Exploration zu u ¨berschreiten.

x

Bei der Zusammenstellung und Darstellung von Ergebnissen dieses Buches wurden die Autoren wesentlich durch die Beitr¨ age der SPE-Mitarbeiter Dr. C. Blick, Dr. T. Degro, M. Sc. E. Byamba, Dipl.-Geogr. B. Jakobs, Dipl.-Geol. Z. Hauler, M. Sc. B. Kretz, Dipl.-Geophys. L. Mail¨ ander, Dipl.-Ing. T. Neu und Dr. H. Nutz unterst¨ utzt. Ohne die Zuarbeit dieser Mitautoren w¨ aren eine Datenbeschaffung durch Messung, eine Implementierung der vorgeschlagenen geomathematischen Konzepte sowie die Fertigstellung des Illustrations- und Anwendungsteils dieses Buches nicht m¨ oglich geworden. ¨ Die Forschungsvorhaben GEOFUND (FKZ 0325512A-D), SPE (FKZ 0324061) und SYSEXPL (FKZ 03EE4002A&B) wurden im Rahmen des 7. Energieforschungsprogrammes der Bundesregierung aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das Ministerium f¨ ur Wirtschaft und Energie gef¨ ordert. Die Autoren m¨ ochten sich bei den PtJ-Verantwortlichen Dr. V. Monser und Dr. K. S. Schreiber herzlich bedanken, die in vorbildlicher Weise die Forschungsprojekte begleite(te)n und stets mit Rat und Tat hilfreich zur Seite stehen. Sie tragen damit entscheidend zum Gelingen dekorrelativer Potentialmethoden in der Exploration bei. Die von CBM durchgef¨ uhrte SPE-Messkampagne wurde in dankenswerter Weise durch die Landes¨ amter der L¨ ander Saarland und Rheinland-Pfalz kompetent in fachlicher Hinsicht unterst¨ utzt. Besonderer Dank gilt T. Lehnert und M. M¨ uller (Landesamt f¨ ur Vermessung, Geoinformation und Landentwicklung Saarland, Saarbr¨ ucken) sowie Dr. G. Berg und M. Cieslack (Landesamt f¨ ur Vermessung und Geoinformation Rheinland-Pfalz, Koblenz). Bexbach, im M¨ arz 2020,

W. Freeden und M. Bauer

xi

Inhaltsverzeichnis

Teil I: Geomathematik und Gravimetrie - Einleitende Gedanken und Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 1 Historischer Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.1 Wissenschaftliche Entwicklungsetappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Mathematisch-methodischer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2 Geomathematisch basierte Vorleistungen gravimetrischer Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1 Kreislauf von Beobachtung und Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.2 Geothermie, Gravimetrie und F¨ undigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.3 Kaiserslauterer S¨aulenmodell und resultierende Projekte . . . . . . . . . . . . . 23

Teil II: Gravitation und Gravimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3 Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.1 Schwere-, Gravitations- und Zentrifugalfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.2 Gravimetrisch relevante Geometrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3.3 Erdschwerefeld im Außenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.4 Erdschwerefeld im Innenraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.5 Schl¨ usselobservablen des Gravitationsfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4 Gravimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4.1 Absolute Gravimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.2 Relative Gravimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Teil III: St¨ orpotential und Schwereanomalien . . . . . . . . . . . 47 5 St¨ orpotential und seine Funktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5.1 Normalschwere und St¨orpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5.2 Schwereanomalie, Schwerest¨orung und Lotlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 5.3 Funktionale des St¨orpotentials in sph¨arischer Nomenklatur . . . . . . . . . . 53 5.4 Bougueranomalie, Freiluftanomalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Teil IV: Geomathematisch-gravimetrische Dekorrelationsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 6 Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 6.1 Punkt- und Fl¨achenpotentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 6.2 Volumenpotentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 6.3 Gravito-magneto kombinierte Potentialrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 6.4 Newton-Haar Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

xii

7 Geomathematisch-gravimetrisches Selbstverst¨ andnis . . . . . . . . . . 79 7.1 Direkte und inverse Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 7.2 Strategien und Dilemmata mathematischer L¨ osungsmethoden . . . . . . . 83 7.3 Inverse Gravimetrie als schlecht gestelltes Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 8 Wavelets als Multiskalenbausteine zur Dekorrelation von Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 8.1 Approximationseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 8.2 Dekorrelationsverm¨ogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 8.3 Schnelle Algorithmen und Datenkompression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .97

Teil V: Oberfl¨ achendekorrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 9 Oberfl¨ achendekorrelation durch 2D-Wavelets . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 9.1 Haar-Multiskalenmodellierung von Signaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 9.2 Globale Haar-Multiskalenrekonstruktion des EGM-Potentials . . . . . . 104 10 St¨ orpotential aus Schwerest¨ orungen: Mollifier-L¨ osung des Neumannschen und Stokesschen Randwertproblems . . . . . . . . . . . . . . . . 108 10.1 Integraldarstellung der L¨osung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 10.2 Mollifier-L¨osung des Neumannschen Randwertproblems . . . . . . . . . . . 112 10.3 “Zooming-In” Demonstrationsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 11 St¨ orpotential aus Lotabweichungen: Mollifier-L¨ osung der Vening Meinesz-Differentialgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 11.1 L¨osungsdarstellung in Integralform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 11.2 Mollifier-L¨osung der Veining Meinesz-Differentialgleichung . . . . . . . . 128 11.3 Dekorrelation von Hotspots und Plumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Teil VI: Tiefendekorrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 12 Volumendekorrelation durch 3D-Haar-Wavelets . . . . . . . . . . . 145 12.1 Haar-Skalierungs- und Waveletfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 12.2 Datendekorrelation am Beispiel des Marmousi-Modells . . . . . . . . . . . . 151 12.3 Haar-Wavelet-Datenkompression am Demonstationsbeispiel des BPModells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 12.4 Datenentrauschung entsprechend der Waveletcharakteristiken des Rausch/Signalverh¨altnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 13 Tiefendekorrelation der Dichte aus Potentialdaten mithilfe des Haar-Kernes . . . . . . . . . .......................................................... . 166 13.1 Mollifier-Newton-Skalierungs- und Waveletfunktionen . . . . . . . . . . . . . 167 13.2 Inversion der Mollifier-Newton-Haar-Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 14 Tiefendekorrelation der Dichte aus Potentialdaten mithilfe von Kernen mit kompakten Tragern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 14.1 Mollifier-Dirac-Multiskalenkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 14.2 Mollifier-Newton-Potentiale und Multiskalenkontext . . . . . . . . . . . . . . 177 14.3 Mollifier-Newton -Wavelet Inversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 14.4 L¨osungseffizienz des Inversionsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 ¨

xiii

15 Mollifier-Tiefendekorrelation durch 3D Spline-Waveletinversion ..................................................................................................................187 15.1 Reproduzierende Kern-Hilbertraumstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 15.2 Gravimetrie-Spline-Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 15.3 Mollifier-Newton-Spline Inversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Teil VII: Anwendungen in der Region Saarland . . . . . . . 201 16 Testgebiet Saarland und seine Datenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . 201 16.1 Großr¨aumige Geologische Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 16.2 Geologische Datenvorabsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 16.3 Gravimetrische Datenausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 16.4 Messkampagne Burbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 16.5 Messdatenbestand im Kerngebiet Burbach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 17 Bereinigung und Qualit¨ at der Messdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 17.1 Vereinheitlichung der Schweredatens¨atze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 17.2 Korrekturmethoden bei Mauern und H¨ausern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 17.3 Spezieller Datenkorrekturbedarf im Kerngebiet Burbach . . . . . . . . . . 219 17.4 Allgemeine Beurteilung der Datensituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 18 Geomathematische Oberfl¨ achendekorrelation und geologische Oberfl¨ acheninterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 18.1 Bougueranomalien im Testgebiet Saarland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 18.2 Haar-Dekorrelation von Bougueranomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 18.3 Gravimetrisch-orientierte Korrektur der geologischen Karte . . . . . . . . 249 18.4 Vergleich von Gravimetrie und Magnetometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 19 Geomathematische Tiefenmodellierung und geologische Tiefeninterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 19.1 Mollifier-Newton-Wavelet Inversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 19.2 Mollifier-Newton-Spline Inversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

Teil VIII: Dekorrelative Gravimetrie - Zusammenfassung und Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .283 20 Dekorrelative Monopol-basierte Gravimetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 20.1 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 20.2 Innovative Ingredientien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 20.3 Exploration im gravimetrisch motivierten Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Teil IX: Dekorrelation mittels alternativer Potentialmethoden - Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 21 Dekorrelative Dipol-basierte Magnetometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 21.1 Inverse Magnetometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .293 21.2 Mollifier-Volumendekorrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 22 Dekorrelation und Seismik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 xiv

22.1 Akustisch-basierte Seismik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 22.2 Dekorrelative elastisch-basierte Seismik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

Teil X: Poroelastizit¨ at: Herausforderung f¨ ur die n¨ ahere Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 23 Dekorrelation und Poroelastizit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 23.1 Poroelastische Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 23.2 Methode der Fundamentall¨osungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 23.3 Dekorrelation mittels Mollifier-Fundamentall¨ osungen . . . . . . . . . . . . . . 339 Liste der Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

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Die Autoren:

Willi Freeden, Prof. Dr. rer. nat., Dipl.-Math. • Studium der Mathematik, Geographie und Philosophie an der RWTH Aachen, 1971 Diplom in Mathematik, 1972 Staatsexamen in Mathematik und Geographie, • 1975 Promotion in Mathematik, 1979 Habilitation in Mathematik an der RWTH Aachen, • 1979 Privatdozent an der RWTH Aachen, 1982 apl. Professor an der RWTH Aachen, • 1984 Professor in Mathematik an der RWTH Aachen, • 1981/1982 Visiting Research Professor an der Ohio State University, Columbus (Department of Geodetic Science and Surveying), • 1989 Professor f¨ ur Technomathematik, Universit¨ at Kaiserslautern, seit 1995 Leiter der Arbeitsgruppe Geomathematik, 2002-2003 Dekan des Fachbereichs Mathematik, TU Kaiserslautern, 2002-2003 Mitglied des Senats, 2002-2003 Leiter der “International School for Graduate Studies” der TU Kaiserslautern, • 2002-2006 Vizepr¨ asident f¨ ur Forschung und Technologie an der TU Kaiserslautern, • 2010 Editor des “Handbook of Geomathematics (HbGM)”, 2015 Zweite Edition des “Handbook of Geomathematics (HbGM)”, • 2014 Mitherausgeber des Springer Spektrum “Handbuch Tiefe Geothermie” (HbTG), 2018 Mitherausgeber des Springer Spektrum “Handbuch Oberfl¨ achennahe Geothermie” (HbOG), • seit 2009 Editor in Chief des Springer “GEM International Journal on Geomathematics”, seit 2017 Mitherausgeber des Springer Spektrum “Handbuch der Geod¨ asie” (HbG), 2020 Herausgeber des Springer Spektrum “Handbuch der Mathematischen Geod¨ asie” (HbMG), seit 2014 Editor in Chief der Springer Book Series “Geosystems Mathematics”, seit 2015 Editor in Chief der Birkh¨ auser Series “Lecture Notes in Geosystems Mathematics and Computing”, • Mitglied der Editorial Boards von einer Vielzahl internationaler Zeitschriften der Mathematik und der Geowissenschaften, • (Mit-)Organisator von mehr als 50 internationalen Konferenzen und Symposia, • Verfasser von mehr als 210 Beitr¨ agen in internationalen Zeitschriften und Journalen der Mathematik und der Geowissenschaften, Verfasser von 21 wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrb¨ uchern im Bereich Mathematik und Geowissenschaften, ¨ • wissenschaftlicher Leiter (PI) der BMWi-Projekte GEOFUND, SPE und SYSEXPL, • seit 2005 Mitglied der Deutschen Geod¨ atischen Kommission (DGK), Bayerische Akademie der Wissenschaften, M¨ unchen. • 2018 IPMS (Inverse Problems: Modeling & Simulation) Award, • 2020 Vening Meinesz Medal: Award of the European Geosciences Union (EGU).

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Mathias Bauer, Prof. Dr.-Ing. habil., Dr. h.c. • 1980-1985 Rohstoff-Ingenieurstudium mit Zusatz Erd¨ ol- und Erdgasgewinnung an der RWTH Aachen University, • Promotion im Bereich Sicherheitstechnik (Gas- / Staubexplosionen), • Habilitation u ¨ber das Thema “Integrierte Managementsysteme” (Entwicklung und Umsetzung Arbeitsschutzmanagementsystem), • Buchautor mehrerer Fachb¨ ucher, • Herausgeber der Buchreihe Bexbacher/Aachener Beitr¨ age f¨ ur Consulting, Business ” und Management“, • Autor von mehr als 80 wissenschaftlichen Fachbeitr¨ agen zu Arbeits- und Gesundheitsschutz, Betriebsorganisation, • Mitglied in zahlreichen Fachgremien und Aussch¨ ussen, u. a. 10 Jahre Bundesjury Jugend forscht, zuletzt als Sprecher der Jury, • 1992 Handlungsbevollm¨ achtigter, stv. Hauptabteilungsleiter f¨ ur Berufsbildung, Arbeitsund Umweltschutz, Arbeitsmedizin sowie Leiter des am freien Markt t¨ atigen ServiceCenters Arbeits- und Umweltschutz eines Energiegroßkonzerns, • 1998– 2003 zugleich Rektor der Fachhochschule f¨ ur Bergbau, Rohstoffveredelung und Arbeitswissenschaften, Saarbr¨ ucken, • 2000 Gastdozent an der Universit¨ at Aurel Vlaicu in Rum¨ anien, • 2002 Verleihung der Ehrendoktorw¨ urde der Universit¨ at Aurel Vlaicu in Rum¨ anien, • 2004-2005 Prokurist, Hauptabteilungsleiter f¨ ur Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz in einem Energiekonzern, • 2005-2008 Mitglied der Werksleitung in einem Großbetrieb im Energiebereich, • 1997-2002 zus¨ atzlich Privatdozent an der RWTH Aachen University, • seit 2003 als apl. Univ.-Professor f¨ ur das Lehr- und Forschungsgebiet Arbeits- und Gesundheitsschutz, • 2000 Gr¨ undung der Beratungsfirma CBM GmbH, • seit 2016 CBM-Gesch¨ aftsf¨ uhrer.

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Die Mitautoren:

Christian Blick, Dr. rer. nat., Dipl.-Math., M.Sc. • 2006-2011 Studium in Mathematik und Maschinenwesen an der Technischen Universit¨ at Kaiserslautern, M.Sc. Studium in Mathematical Engineering, 2009-2010 an der LTH Lund, Schweden, • 2011-2016 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universit¨ at Kaiserslautern der Arbeitsgruppe Geomathematik (Leiter: Prof. Dr. W. Freeden) und im Rahmen dieser T¨ atigkeit von 2012-2016 Mitarbeiter im BMWi-Verbundprojekt ¨ GEOFUND, • 2015 Promotion in Mathematik, • seit 2016 Angestellter der Gesellschaft f¨ ur Consulting, Business und Management mbH (CBM), Bexbach, im Rahmen der BMWi-Projekte SPE und SYSEXPL.

Erdenebaatar Byamba, M.Sc. • Geb. in Dornogobi, Mongolei, Bachelorstudium in Vermessung und Markscheidewesen an der Mongolischen Universit¨ at f¨ ur Wissenschaft und Technologie (MUST), Ulaanbaatar, Masterstudium in Rohstoffingenieurwesen/Markscheidewesen an der RWTH Aachen University, • 2009/2010 Projektingenieur bei der Firma Tengripetrochemicals GmbH, • 2013/2014 Studentische Hilfskraft in den Gesch¨ aftsfeldern Bergbau sowie Arbeitssicherheitund Gesundheitsschutz bei der CBM GmbH, • seit 2014 Projektingenieur bei der CBM GmbH,

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• 2014/2017 stellvertretender Projektleiter im Develop-Project German-Mongolian Occupational Safety Training & Education Concept (GM-OSTEC), • seit 2016 Projektingenieur im Projekt Optimierung der Wertsch¨ opfungskette f¨ ur polymineralische Erze wirtschaftsstrategischer Metalle (OptiWiM), • seit 2016 Bergbau und Vermessungsingenieur im Projekt Satellitengest¨ utzte Potentialverfahren zur geothermischen Exploration (SPE).

Thomas Degro, Dr. rer. nat. • 1977-1983 Studium der Physik und Geophysik an der Universit¨ at Kaiserslautern und TU Clausthal, • 1983-1986 Promotion an der TU Clausthal im Bereich Gravimetrie und Magnetik, • 1985-1988 Projektgeophysiker im Bereich seismische Datenverarbeitung und System Manager interaktiver seismischer Interpretationssysteme bei einer deutschen Tochter ¨ und Gasunternehmen, zweier namhafter internationaler Ol• 1988-1992 Geointerpret im Bereich Exploration und Produktion, • 1992-1996 Senior Planungsleiter f¨ ur strategische Unternehmensplanung (E&P), • 1997-2006 Teamleiter f¨ ur technische Planung von Tiefbohrungen ( well planning team ” lead“) in Norddeutschland und Angola offshore, • 2007-2017 Technischer Experte (Geophysik) und Recruiter“ (Geoscience Zentraleu” ropa), • 2018 beratender Geophysiker bei CBM Gesellschaft f¨ ur Consulting Bergbau, Management im Projekt SPE, • diverse Tagungsvortr¨ age und Ver¨ offentlichungen bei DGG, EAGE, AAPG, DGMK, JBer. Oberrhein. Ver. zu Themen aus Seismik und Gravimetrie.

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Zita Hauler, Dipl.-Geol. • Studium der Ingenieurgeologie und Geophysik an der Universit¨ at Bukarest und der Geologie/Pal¨ aontologie an der Universit¨ at Bonn, • 2000 Diplom in Geologie, • 1998-2004 stellvertretende Laborleiterin in den Bereichen Geotechnik, Hydrogeologie und Umwelt, • 2005-2008 selbst¨ andige IT-Beraterin, Implementierung geotechnischer Elemente in CAD-Programme, • 2009-2015 Projektleiterin in den Bereichen Geotechnik, Hydrogeologie und Umwelt, • seit 2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der CBM GmbH, Bexbach, im Rahmen der BMWi-Forschungsprojekte SPE und SYSEXPL.

Bernd Jakobs, Diplom-Geograf • Studium der Angewandten Physischen Geographie, Geologie und Fernerkundung an der Universit¨ at Trier, • Projektingenieur in einem Ingenieurb¨ uro in Luxemburg, ¨ • Fachbereichsleiter bei einem technischen Uberwachungsverein und Trainer und Auditor f¨ ur Qualit¨ ats,- Umwelt- und Arbeitssicherheitsmanagementsysteme, • Abteilungsleiter Umwelt- und Facilitymanagement in einem internationalen Handelskonzern, • Fachbereichsleiter Arbeits- und Gesundheitsschutz und Prokurist bei CBM GmbH.

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Laura Mail¨ ander, M.Sc. • Bachelorstudium der Geophysik und Meteorologie an der Universit¨ at zu K¨ oln, • Masterstudium der Geowissenschaften mit Schwerpunkt Geophysik an der GoetheUniversit¨ at Frankfurt am Main, • 2018 Master of Science in Geophysik, • seit 2018 Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der CBM GmbH, Bexbach, im Rahmen der BMWi-Forschungsprojekte SPE und SYSEXPL.

Thomas Neu, Dipl.-Ing. • 1979-1984 Bergbaustudium an der TU Clausthal, Studienschwerpunkt Rohstoffwirtschaft, • 1984-1995 Saarbergwerke AG, verschiedene leitende Aufgaben in Stab und Linie unter und u ¨ber Tage, zuletzt Abteilungsleiter technisch-wirtschaftliche Planung und Umweltschutzbeauftragter des Bergwerkes Warndt/Luisenthal, • bis Juli 2003 Technischer Gesch¨ aftsf¨ uhrer der SAARMontan Gesellschaft f¨ ur bergbaubezogene Dienstleistungen mbH, Saarbr¨ ucken, • bis Februar 2008 Gesch¨ aftsf¨ uhrender Gesellschafter der DRILLTHERM Gesellschaft f¨ ur Erdw¨ armeanlagen, Brunnenbau und Bohrungen mbH, Saarbr¨ ucken, sowie der FORAT HERM Eurl, St. Avold,

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• bis Februar 2010 Gesch¨ aftsf¨ uhrender Direktor der ENRO Energie SE, Essen, und Gesch¨ aftsf¨ uhrer von deren Tochtergesellschaften ENRO Geothermie GmbH, Essen, und ENRO Geothermie Entwicklung GmbH, Ludwigsfelde. • seit Januar 2012 Leitung des Fachausschusses Geothermie der GDMB e.V., ClausthalZellerfeld, • bis Mai 2013 Gesch¨ aftsf¨ uhrer der Geothermischen Kraftwerksgesellschaft Traunreut, GmbH, Traunreut, Praxispartner in den vom BMWi-gef¨ orderten Forschungsvorhaben ¨ TIGER und GEOFUND • Mit-Herausgeber der im Springer-Verlag erschienenen Handb¨ ucher f¨ ur Tiefe und f¨ ur Oberfl¨ achennahe Geothermie, • seit Juni 2013 gesch¨ aftsf¨ uhrender Gesellschafter der pro G.E.O Ingenieurgesellschaft mbH, Saarbr¨ ucken, Bergbau - Geothermie - Umwelt - Infrastruktur, • seit Mai 2016 Mitarbeiter in den vom BMWi-gef¨ orderten Forschungsvorhaben SPE und SYSEXPL der CBM GmbH, Bexbach.

Helga Nutz, Dr. rer. nat., Dipl.-Math. techn. • • • • •

Studium Technomathematik an der Technischen Universit¨ at Kaiserslautern, 1998 Diplom in Technomathematik, 2002 Promotion in Mathematik, 2002-2003 Forschungsreferentin der Technischen Universit¨ at Kaiserslautern, 2006-2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der AG Geomathematik (Leiter: Prof. Dr. W. Freeden) der Technischen Universit¨ at Kaiserslautern, ¨ • 2012-2016 Koordinatorin im BMWi-Verbundprojekt GEOFUND, • seit 2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei CBM GmbH, Bexbach, und dort stellvertretende Projektleiterin in den BMWi-Projekten SPE und SYSEXPL.

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Teil I

Geomathematik und Gravimetrie Einleitende Gedanken und Aspekte

1 Historischer Bezug Man wird der Geomathematik als Schl¨ usseltechnologie f¨ ur die explorativen Potentialverfahren nur gerecht, wenn man ihre Bedeutung kurz in der historischen geowissenschaftlichen Entwicklung und im mathematisch/physikalisch/ingenieurm¨ aßigen Kontext beleuchtet.

1.1 Wissenschaftliche Entwicklungsetappen Den ¨altesten schriftlich u ¨berlieferten Zeugnissen nach ist Mathematik im su¨ merischen Babylon und im alten Agypten aus den praktischen Aufgaben des Messens, Z¨ahlens und Rechnens zur Feldbewirtschaftung und Vorratshaltung hervorgegangen. Es standen Formeln zur Fl¨achen- und Volumenberechnung zur Verf¨ ugung. Thales aus Milet hat sich wohl zuerst in der griechischen Antike mit Naturwissenschaft befaßt. Wahrscheinlich ist Thales in der 39. Olympiade, um das Jahr 624/623 v. Chr. geboren worden und starb im Alter von 78 Jahren in der 58. Olympiade, also zwischen 548 und 544. Thales habe vermutlich ¨ von den Agyptern die Geometrie gelernt. Er hielt sich eine Zeit lang zu For¨ schungszwecken in Agypten und auch Kreta auf und lernte dort von Priestern und Astronomen auf den Gebieten der Mathematik und Astronomie. Nach Aristoteles (vgl. seine Schrift “Metaphysika”) war Thales der erste Philosoph, der die Frage nach einem Urgrund aller Dinge stellte. Aristoteles (384–322 v. Chr.) gilt als der bedeutendste Gelehrte und Wissenschaftler des antiken Griechenlands. Sein Lehrer war Platon, doch hat Aristoteles zahlreiche Disziplinen entweder selbst begr¨ undet oder maßgeblich beeinflusst, darunter Naturphilosophie. Ihre erste Bl¨ ute erlebte die mit geowissenschaftlich relevanten Fragen befasste Mathematik im unmittelbar vorr¨omischen Griechenland; so fand z. B. der Alexandriner Eratosthenes (276-195 v. Chr.), dass zur Zeit der Sommersonnenwende die Sonnenstrahlen in Syene (dem heutigen Assuan) senkrecht in einen Brunnen fielen, w¨ahrend sie in dem gen¨ ahert auf demselben Meridian liegenden Alexandria mit der Lotrichtung einen Winkel bildeten, den er mit dem Schattenstab zu 7o 12 bestimmte. Die Entfernung Syene - Alexandria sch¨atzte er aus der Kamelreisezeit von 50 Tagen und einer Tagesleistung von 100 Stadien zu 5 000 Stadien ab. Mit der L¨ ange des attischen Stadiums (= 185 m) erhalten wir einen Erdradius von 7 360 km. Dieser Wert weicht um 16 % vom Radius einer mittleren Erdkugel (6 371 km) ab. Eine weitere Bestimmung aus dem Altertum stammt von Posidonius (135-51 v. Chr.), der aus dem Meridianbogen Alexandria - Rhodos den Erdradius mit einer Abweichung von 11 % ableitet. Auch die Deklination zwischen den 3 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_1

magnetischen und Rotationspolen war bereits im Altertum bekannt. Weitere Schl¨ usseletappen geomathematischer Forschung f¨ uhren uns u ¨ber den Orient ins abendl¨andische Mittelalter und die Neuzeit. Einige wesentliche Stationen, d. h. geomathematisch-historische Meilensteine auf dem Weg zu heutigen Potentialmethoden, seien in der folgenden Liste erw¨ahnt: um 1600 G. Galilei (1564-1642): Fallgesetze, um 1600 W. Gilbert (1544-1608): Begr¨ under der Lehre des Erdmagnetismus, 1615 W. Snellius (1580-1626): Triangulationsmethoden in der Gradnetzermittlung, 1650 C. Huygens (1629-1695): Wellenausbreitung, 1676 R. Hooke (1635-1703): elastische Verformung von Festk¨ orpern proportional zur einwirkenden Belastung (linear-elastisches Verhalten), Relation zwischen Federwaagenauslenkung und Erdbeschleunigung (Hookesches Gesetz), 1687 J. Newton (1643-1727): Gravitationsgesetze, um 1690 E. Halley (1656-1742): Breitenabh¨ angigkeit der Schwerebeschleunigung, um 1715 P. Bolugner (1698-1758): Isostatischer Ausgleich der Massenverteilung der Erdkruste, 1743 A.C. Clairaut (1713-1765): Berechnung der Polabplattung der Erde, um 1780 A.M. Legendre (1752-1833), P.S. Laplace (1749-1827): Entwicklung der Kugelfunktionen, um 1820 H.C. Oerstedt (1777-1851): Einfluss elektrischer Str¨ ome auf eine magnetische Nadel (Beginn des Elektromagnetismus), um 1820 J.B. Biot (1774-1862), F. Savart (1791-1841): Erzeugung eines Magnetfeldes durch elektrische Str¨ ome (Biot-Savart Gesetz), um 1835 C.F. Gauss (1777-1855): Anf¨ ange der Potentialtheorie, Magnetfeldentwicklung nach globalen Kugelfunktionen, elektrische Str¨ ome in oberer Atmosph¨ are (als Hypothese), Hinweis auf die ellipsoidische Erdgestaltn¨ aherung und die Konzeption des Geoids, um 1860 P.v. Jolly (1809-1884): Bestimmung vertikaler Schweregradienten, 1872 J.B. Listing (1808-1882): Definition der Niveaufl¨ ache des Geoides (entsprechend der Konzeption von C.F. Gauß), um 1878 B. Stewart (1851-1935): Grundidee der Dynamotheorie in der Magnetik, um 1880 F.R. Helmert (1843-1917): Begr¨ under der mathematischen und physikalischen Theorien der modernen Geod¨ asie, 1907 A. Schuster (1851-1934): Erste quantitative Dynamotheorie, um 1910 Gravimetrische Bestimmung von Salzst¨ ocken, geomagnetische Lagerst¨ attensuche (Anf¨ ange der Theorie “inverser Probleme” (z. B. Weylsches Gesetz, 1911), 1929 O.D. Kellogg (1879-1932): Standardwerk u ¨ber klassische Potentialtheorie, ab 1970 3D Seismik (tomographische Methoden), ab 1980 Aufkommen von Waveletmethoden in Geophysik und Seismik.

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Diese unvollst¨andige, sich an der geowissenschaftlichen Explorationhistorie orientierende Liste macht bereits offensichtlich, dass geomathematisches Verst¨andnis eine Schl¨ usselstellung in der explorativen Forschung einnimmt. Es ist daher durchaus hilfreich, sich eingehender mit den methodischen M¨ oglichkeiten der Geomathematik aus heutiger Sicht zu besch¨ aftigen.

1.2 Mathematisch-methodischer Kontext Kein Zweig der Mathematik hat das allgemeine wissenschaftliche Denken mehr beeinflusst als die mathematischen Theorien, die aus der Physik wie etwa der Mechanik stammen. In der mathematischen Gemeinschaft gibt es keinen Zweifel, dass das Ergebnis dieses Einflusses auf die “Realit¨ at” das charakteristischte Merkmal unserer technischen Zivilisation ist. Allerdings wird eine Feststellung solcher Allgemeinheit, obwohl sie von den meisten Mathematikern akzeptiert wird, wohl von den Physikern in Frage gestellt. Der Grund dieser Meinungsverschiedenheit liegt in dem Fehlen einer allgemein akzeptierten Definition, was als mathematische Denkweise angezeigt ist. Im Folgenden, beeinflusst durch Gedanken in C. M¨ uller (1961) sowie W. Freeden (2009), W. Freeden (2015), W. Freeden et al. (2019) und W. Freeden, M. Schreiner (2019), machen wir zun¨achst den Versuch, die verschiedenen Tendenzen in den Denkweisen mathematischer und physikalischer Wissenschaft aufzuweisen. In einem zweiten Schritt charakterisiert dies dann auch das spezifische Zusammenspiel von Geophysik und Geomathematik (auch im Hinblick auf Gravimetrie): Aus historischer Sicht ist Geometrie (etymologisch abgeleitet vom altgriechischen γεωμετ ´ια geo- “Erde”, und μ´ ετ oν “Messung”) eine der bedeutendsten Beitr¨age zur Mathematik. Die fr¨ uhest u ange der Geome¨berlieferten Anf¨ ¨ trie stammen aus dem alten Mesopotamien und Agypten und k¨ onnen ins 2. Jahrtausend vor Christus zur¨ uck datiert werden. Fr¨ uhe Geometrie war eine Sammlung empirisch entdeckter Prinzipien, in denen Begriffe wie Abstand, Winkel, Fl¨ache und Volumen einbezogen waren. Sie fanden ihren Einsatz in Vermessung und Handwerk. Die fr¨ uhesten bekannten Texte u ¨ber Geometrie sind das ¨agyptische Rhind Papyrus (2000-1800 vor Christus), das Moscow Papyrus (grob 1890 vor Christus) und die babylonischen Tontafeln (grob 1900 vor Christus).

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Abb. 1 Euklids Elemente ist das bei weitem bekannteste mathematische Werk der klassischen Antike. Es ist das in der Welt ¨ alteste, sich bis heute stetig in Gebrauch befindliche mathematische Lehrbuch.

Im dritten Jahrhundert vor Christus wurde Geometrie durch Euklid (vgl. Abb. 1) in eine axiomatische Form gebracht. Die Besch¨ aftigung mit “Euklids Elemente” wurde zum Standard f¨ ur viele Jahrhunderte. Dieses Werk u ¨bermittelte das Erbe der Mathematik von der Antike in unsere Zeit. Allerdings ersetzten einige Jahrhunderte sp¨ater die Griechen selbst den Ausdruck “Geometrie”, der inzwischen seine urspr¨ ungliche Bedeutung als “Erdvermessung” verloren hatte, durch “Geod¨asie” als eine neue Kennzeichnung f¨ ur eine abstrakte Theorie der “Erdoberfl¨ache”, w¨ahrend Geometrie nunmehr mathematische Strenge vermittels ihrer axiomatisch-methodischen Zielrichtung reflektierte. Geometrie ist somit das fr¨ uheste Beispiel f¨ ur ein formalhaftes Vorgehen, das heute immer noch in der Mathematik Anwendung findet, n¨ amlich Axiom, Definition, Theorem und Beweis. In der Tat war “Euklids Elemente” allen geschulten Menschen der westlichen Hemissph¨ are bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bekannt, und die Inhalte werden auch heute noch im Schulfach Geometrie vermittelt. Das Verlangen nach intellektueller St¨arke, der Reichtum an Kenntnis und der hohe Standard im Denken bezeugen die große Wichtigkeit der Mathematik im klassischen Griechenland. Es sollte erw¨ahnt werden, dass islamische Gelehrte die griechischen Ideen bewahrten und sie im Mittelalter verbreiteten. Im fr¨ uhen 17. Jahrhundert wurde Geometrie auf ein solides analytisches Fundament durch Mathematiker wie Ren´e Descartes (1596-1650) und Pierre de Fermat (1607-1665) gesetzt. Seit dieser Zeit bis hin zur modernen Zeit wurde Geometrie zur nicht-euklidischen Geometrie weiter entwickelt, die unterhalb des normalen Bereiches mensch-

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licher Erfahrung liegt. W¨ahrend Geometrie sich u ¨ber die Zeit entwickelte, gibt es doch einige allgemeine Konzepte, die mehr oder weniger grundlegend sind. Diese schließen die Konzepte Punkt, Linie, Winkel, Kurve, Ebene und Fl¨ achen wie auch die fortgeschrittenen Begriffe Mannigfaltigkeit sowie Topologie, Metrik und Norm ein.

Abb. 2 Sir Isaac Newtons eigene erste Edition seiner “Philosophiae Naturalis Principia Mathematica” mit seinen handschriftlichen Korrekturen f¨ ur die 20. Edition. Das Buch wurde digitalisiert durch die Cambridge University Library. Es kann neben anderen originalen Werken von Isaac Newton in der Cambridge Digital Library besichtigt werden.

Historiker benutzen den Term “modern” (auch in den Geowissenschaften) f¨ ur die Periode seit dem Beginn der italienischen Renaissance. Geowissenschaftler nennen gew¨ohnlich Isaac Newton (1643-1727) den ersten modernen Wissenschaftler. Die besondere Betonung als systematische Studie von Gesetzen wie z. B. den Newtonschen Gravitationszugang l¨ asst “Philosophiae Naturalis Principia Mathematica” (vgl. Abb. 2) als in h¨ ochstem Maße charakteristisch f¨ ur unsere Zeit erkennen. Newtons Buch initiierte auch eine neue Disziplin der Mathematik, die Analysis, die seit ihren fr¨ uhen Anf¨ angen so eng mit der Physik und der Physikalischen Geod¨ asie (vgl. W. Freeden, F. Sans`o (2020)) in Beziehung steht, dass es schwer f¨ allt zu sagen, wo Physik endet und Mathematik beginnt. Die Geschichte des Austauschs von Ideen zwischen Mathematik und Physik ist in der Tat faszinierend. Ungl¨ ucklicherweise ist sie so verwickelt, das ihr vollst¨andiges Ausmaß immer noch untersucht werden muss. Nichtsdestoweniger gibt es eine breite Vielfalt von grundlegend verschiedenen Ideen und Konzepten sowie einen wachsenden Wandel von Aspekten, die in diesen Problemen involviert sind (vgl. W. Freeden, M. Schreiner (2019)). Folgerichtig ist daher der Schluss, dass die Etablierung und Setzung von Grundstrukturen f¨ ur Theorien, die die Gesetze der realen Welt 7

(“reality”) beschreiben, ein großer Beitrag der Mathematik f¨ ur den modernen (geo)wissenschaftlichen Fortschritt darstellt. Neben dem mathemathischen Aspekt des Wertes einer Theorie gibt es konsequenterweise eine praktische Seite, die sogar noch bedeutender ist. Wird die ¨ Theorie in Ubereinstimmung mit der Erfahrung wahrgenommen, macht sie die Ausf¨ uhrung eines Experiments unn¨otig. Dies ist selbstverst¨ andlich außerordentlich wichtig, wo Experimente nicht m¨oglich sind. • Eines der besten Beispiele f¨ ur ein Feld, in dem man keine Experimente ausf¨ uhren konnte, ist m¨oglicher Weise Astronomie. In dieser Hinsicht war es nicht verwunderlich, dass ein neuer Zugang zu Merkmalen der “realen Welt” seinen augenf¨alligen Erfolg hatte, als es offenbar wurde, Keplers empirisches Gesetz u ¨ber die Bewegung von Planeten aus Newtons allgemeinem Gesetz der Mechanik abzuleiten. Dieselbe konzeptionelle Entwicklung hat man in der heutigen Raumforschung, und auch Satellitentechnologie ist ein Bereich, in dem Experimente gew¨ohnliche Praxis darstellen. • Auch in der Exploration sind Experimente kaum ausf¨ uhrbar, und wenn sie doch z. B. durch Bohrungen angestrengt werden, so sind sie sehr kostspielig. Es ist daher unabdingbar, eine Theorie f¨ ur die zu erwartende Geologie ¨ so zu gestalten, dass die Ubereinstimmung mit der Erfahrung sich zumindest f¨ ur die wenigen, in den letzten Dekaden entwickelten Testmodelle einstellt. Dabei ist der repr¨asentative Charakter dieser Testmodelle ebenso wie das Streben nach einer mathematischen “Allheiltheorie” eine Fiktion. Hier artikuliert sich auch der Unterschied zwischen der “Reinen Mathematik”, die ihrem Anspruch nach durchaus universell optimale L¨ osungen liefert, und der “Angewandten Mathematik”, die nur unter bestimmten, spezifischen Gesichtspunkten den Anspruch an Optimalit¨ at garantieren kann (was auch f¨ ur die geomathematische Anwendung in der Exploration gilt). Nichtsdestoweniger gibt es zwei wesentliche Trends in einer wie auch immer ausgerichteten Mathematik, von denen keiner ohne den anderen existieren kann: • Der erste Trend besteht in der Entdeckung von Gesetzen innerhalb mathematischer Strukturen. • Der zweite liegt darin, diese Strukturen durch einen Prozess der Verallgemeinerung und Erweiterung so leistungs- und anwendungsf¨ ahig als m¨ oglich zu machen.

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Folglich ist z. B. Geomathematik (auch und ganz besonders im Hinblick auf Gravimetrie) eine generische Disziplin, die von einer Alternative durchdrungen ist, die wie folgt charakterisiert werden kann: • Einerseits enth¨alt der Umfang der Mathematik viele Resultate, die f¨ ur ihre Allgemeinheit wertgesch¨atzt werden. • Andererseits haben viele zu l¨osenden Probleme eine sehr spezielle Natur. Sie besch¨aftigen sich mit Fragestellungen von großer Individualit¨ at in dem Sinne, dass die soweit abgeleiteten Theorien noch nicht die Information enthalten, um Licht in die spezifischen Ingredientien der zu kl¨ arenden Vermutungen zu bringen. Eines der besten Beispiele zur Aufweisung von Unterschieden in der Akzentuierung von Mathematik, Physik und Geoingenieurwesen ist die Gravitationstheorie. In der Tat spielt Gravitationstheorie unter jedem Winkel betrachtet eine gewichtige Rolle in der Wissenschaftsgeschichte. Ohne Zweifel ist sie insbesondere gut geeignet, verschiedene Trends im Denken aufzusp¨ uren, die sich in den verschiedenen Sparten der Geowissenschaft auftun. Die geod¨atisch reflektierte Potentialbestimmung befand sich in der Zeit nach C. F. Gauss in einer gl¨ ucklichen Position, da die Newtonsche Gravitationsfeldtheorie schon einen mathematischen Status erreicht hatte, der in nat¨ urlicher Weise so erweitert worden war, um eine vollst¨andige Beschreibung zu garantieren. In der Konsequenz gewann der Potentialbegriff und damit die Potentialtheorie als wissenschaftliche Sammlung von Ideen, Konzepten und Strukturen rund um die Laplace-Gleichung neue Gesichtspunkte, und sie stieß vor zu neuen Heausforderungen, von denen die Randwertprobleme wohl die bekanntesten sind. Potentialtheorie schaffte den Nachweis der G¨ ultigkeit, dass bestimmte Werte eines Potentials auf dem Rand eines K¨orpers wie z. B. der Erde ausreichen, um das Potential u ¨ber die L¨osung eines Randwertproblems, z. B. einer harmonischen Funktion im (als leer angenommenen) Außenraum der Erde, zu bestimmen. Randwertl¨osungen waren in vielen Experimenten z. B. unter geod¨atischen Auspizien gepr¨ uft worden, allerdings konnten sie experimentell nicht in der Allgemeinheit verifiziert werden, wie dies durch einen mathematischen Duktus gelingt. Exploration mittels potentialtheoretischer Methoden ist da, wie schon erw¨ahnt, in einer ungleich schwierigeren Position, da sie anders als Randwertprobleme nicht auf ein “wohlgestelltes Problem” f¨ uhrt, so dass in der Regel weder Existenz, Eindeutigkeit noch Stabilit¨at zu vorgegebener Inputinformation gesichert sind.

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Konkretisieren wir unsere Aussagen, so ist festzuhalten, dass in einem Stadium, wo die Theorie als hinreichend aus geophysikalischer Sicht angesehen werden kann, sie ein System von grundlegenden Gesetzen, Definitionen, und Problemen konstituiert, von denen wenige bereits unter mathematischen Gesichtspunkten als gel¨ost gelten k¨onnen. Probleme in ihrer vollen Allgemeinheit werden jedoch der Mathematik in dem Sinne als Vermutungen u ¨bergeben, dass sie mathematisch bewiesen werden sollen. Sie werden somit kanonisch das Objekt einer Studie der Wohlgestelltheit, d. h. Existenz, Eindeutigkeit und Stabilit¨at. Das Ziel ist die Sicherung der Konsistenz der allgemeinen physikalischen Theorie. Alles in Allem sind die mathematischen Aspekte der Wohlgestelltheit von “Vorw¨ artsproblemen” der Potentialtheorie, die von der Ursache auf die Wirkung schließen, heute ersch¨ opfend verstanden. Randwertprobleme z. B. zur Ermittlung des ¨außeren Gravitationsfeldes der Erde aus bestimmten Potentialranddaten, sind wohl verstanden und stabil (auch numerisch) umsetzbar. V¨ollig anders allerdings sieht die Situation mit “R¨ uckw¨ artsproblemen”, d. h. inversen Problemen der Potentialtheorie aus. Diese treten bei Potentialmethoden der Exploration auf, wie z. B. inverse Gravimetrie, d. h. die Bestimmung der Dichte im Innern eines K¨orpers aus Potentialinformation, inverse Magnetometrie, d. h. die Ermittlung der Magnetisierung aus Magnetfelddaten, etc. Inverse Probleme, die also von der Wirkung auf ihre Ursache zu schließen streben, sind in der Regel schlechtgestellt in dem Sinne, dass zumindest eine der drei Eigenschaften (Existenz, Eindeuzigkeit, Stabilit¨ at) verletzt ist. F¨ ur inverse Gravimetrie und Magnetometrie wird sich herausstellen, dass sogar alle drei Eigenschaften bei terrestrischer Datenvorgabe verletzt sind. Das Vorgehen zur Resolution (“approximativen L¨ osbarkeit”) von schlechtgestellten inversen Problemen besteht in der Konstruktion einer “L¨ osung”, die physikalisch akzeptabel, hinreichend nahe in der Approximation und ausreichend stabil in der Numerik ist. Schlechtgestelltheit zwingt somit zur Unterscheidung zwischen “L¨osung” und “Resolution” (siehe z. B. W. Freeden, M.Z. Nashed (2018a), W. Freeden, M.Z. Nashed (2018d) f¨ ur mehr Einzelheiten). Das Hauptdilemma bei der Modellierung schlechtgestellter inverser Probleme besteht darin, dass je n¨aher das mathematische Modell das inverse Problem beschreibt, desto schlechter die Konditionszahl des assozierten numerischen Problems (d. h. sensitiver zu Rechenfehlern) ist. Inverse Probleme bed¨ urfen zwingend zus¨atzlicher Information u unschte L¨ osung, ¨ber die gew¨ ad¨aquater Kompromisse und/oder neuer Ausblicke zu ihrer Resolution. Konventionsgem¨aß benutzt man die Phrase “Regularisierung eines schlechtgestellten Problems”, um die verschiedenartigen Zug¨ ange zur Behebung eines Grundes oder auch mehrerer Gr¨ unde f¨ ur die Schlechtgestelltheit (Nicht-Existenz, Nicht-Eindeutigkeit, fehlende Stabilit¨at) zu kennzeichnen. Grob gesprochen zieht dies die Ersetzung des schlechtgestellten Problems durch ein System von wohlgestellten Problemen nach sich, die erfolgversprechende Antworten

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zur Schlechtgestelltheit liefern. Die Strategie zur Resolution, d. h. die Regularisierungsmethode, ist h¨ aufig in eine der folgenden Ideen involviert (vgl. z. B. W. Freeden, M.Z. Nashed (2018a), W. Freeden, M.Z. Nashed (2018d): • wechsele zu einem alternativen Verst¨andnis von “L¨ osung” (d. h. beispielsweise zu einer “Pseudol¨osung”) • modifiziere die zu invertierende Gleichung (z. B. ersetze eine singul¨ are Integralgleichung durch eine Klasse regul¨arer (“Mollifier-”)Integralgleichungen, die eine leichtere L¨osung versprechen), • wechsele die Referenzr¨aume und verfeinere die Topologien (Metriken) in¨ nerhalb dieser Referenzr¨aume (z. B. ein Ubergang von L2 -Funktionenr¨aumen bestehend aus Funktionen mit beschr¨ ankter Energie zu geeigneten Teilr¨aumen wie etwa Sobolev-R¨aumen mit Funktionen mit vorgeschriebenem “Kr¨ ummungsenergieverhalten”), um ein anderes Maß von Genauigkeit zu definieren, • spezifiziere den Typ des auftretenden Rauschens in den Daten (“starkes ” oder “schwaches” Rauschen (vgl. z. B. P.N. Eggermont et al. (2015) und die darin befindlichen Literaturstellen) und verfolge eine spezifische mathematisch/statistische Antwort. Alles in Allem haben sich die verschiedenen Facetten der Potentialtheorie in den letzten Dekaden betr¨achtlich ge¨andert. Neue Anwendungen in Geophysik und Geoingenieurwesen f¨ uhrten zu neuen Aspekten in der Potentialtheorie hin zu wohlgestellten Randwertproblemen in der Geod¨ asie, aber auch zu schlechtgestellten inversen Problemen in der Exploration und Prospektion. Dennoch bed¨ urfen z. B. inverse Gravimetrie und Magnetometrie einer speziellen “Tortur”, weil sie eben “zu schlecht gestellt” sind, um mit einer g¨angigen Regularisierungsmethode “gel¨ost” zu werden. Dies hat erhebliche Konsequenzen f¨ ur den in diesem Buch vermittelten geomathematischen Regularisierungsansatz. Die urspr¨ ungliche Idee der Mollifier-Methode in der Theorie inverser Probleme (siehe z. B. H.W. Engl et al. (1996), A.K. Louis, P. Mass (1990)) ist eine “Ersatzl¨osung”, bei der man eine zu “starke Schlechtgestelltheit” feststellt, um eine der bekannten Regularisierungsmethoden, z. B. die Berechnung einer Pseudoinversen, in Anwendung zu bringen. Eine heuristische Motivitation f¨ ur ¨ eine “Mollifikation” ist insbesondere das Argernis, dass hochfrequente Komponenten in der L¨osung spezifisch durch glatte Strukturen ged¨ ampft werden

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m¨ ussen, um u ¨berhaupt zu L¨osungsaussagen zu gelangen. Der Ansatz dieses Buches erhebt methodisch den Anspruch, durch Sammlung sogenannter Mollifier-Potentialmethoden in neue Bereiche der Geoexploration vorzudringen: Im Fall der inversen Gravimetrie f¨ uhren die von uns entwickelten Mollifikationen dazu, dass wir bei entsprechender Datendichte mittels Wavelettechniken die Trennfl¨achen geologischer Formationen mit wachsenden Skalen spezifizieren k¨onnen, ohne dass dabei intrinsisch z. B. der spezielle Gesteinstyp der jeweiligen geologischen Formation offenbar wird. F¨ ur die geologische Ansprechung der Areale zwischen den Trennfl¨ achen bedarf es entweder extrapolierender Erfahrung eines Geologen basierend auf a priori Vorkenntnis (z. B. Information aus fr¨ uherer Bohrt¨ atigkeit in benachbarten Arealen, Kenntnisse aus fr¨ uherer bergbaulicher Nutzung etc.) oder der (kostenm¨aßig kaum vertretbaren und jegliches Risiko ausschließenden) a posteriori Validierung durch das Experiment (Bohrung).

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2 Geomathematisch basierte Vorleistungen gravimetrischer Forschung

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Biosph¨are

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GeosystemMathematik

Pedosph¨are

Abb. 3 Geosystem-Mathematik als Schl¨ usseltechnologie zur Durchdringung des komplexen Systems Erde (vgl. die Darstellungen in W. Freeden (2015), W. Freeden, M. Schreiner (2019)).

Geomathematik (vgl. W. Freeden (2009), W. Freeden et al. (2019)) widmet sich den qualitativen und quantitativen Eigenschaften der aktuell vorhandenen oder m¨oglichen Strukturen unseres Erdsystems. Sie steht Pate f¨ ur den Begriff von Wissenschaftlichkeit in der Erdsystemforschung. Das System Erde besteht dabei aus einer Anzahl von Elementen, die selbst wieder ein System darstellen. Die Komplexit¨at des Gesamtsystems Erde wird bestimmt durch interagierende physikalische, biologische und chemische Prozesse, die Energie, Material und Information transformieren und transportieren. Es ist gekennzeichnet durch Interdependenzen nat¨ urlicher Prozesse mit sozialen und o uhren. ¨konomischen Prozessen, die zur gegenseitigen Beeinflussung f¨ Die Erde ist somit ein Musterbeispiel f¨ ur ein komplexes System mit interagierenden nat¨ urlichen und sozio-¨okonomischen Subsystemen. In der Konsequenz ist f¨ ur ein Verstehen ein simples Ursache - Wirkungsdenken v¨ ollig ungeeignet. 13 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_2

Erforderlich sind ein Denken in dynamischen Strukturen und das Bewusstsein multipler, unvorhergesehener, sicherlich auch manchmal unerw¨ unschter Effekte bei Eingriffen. Inh¨arente Vernetzungen m¨ ussen erkannt und genutzt werden, Selbstregulation ist zu beachten (vgl. R. Emmermann, B. Raiser (1997)).

Gr a agn vitat i e Seis tismuon Geom mol orpho o s logie/ Geolo gie Ozeanzirku gie lation Klima, Wetter, Hydrologie onik Plattentektamik yn D / k i logie echan chno ation Geom e t n llite vig ing Na Sens Sate te mo e R Ge

om

Geomathematik

n ne tio k en un ung e F gleich n l l e ione tial ezi mat Sp ifferen ransfor ie D egralt stheor Int roximation App tochastik Statistik/S Mathematische Physik Funktional analysis Invers Sign e Proble me V al-/ Nuariatio Samplin gthe me nsr ec orie rik /D hnun g ate nsy ste me

Abb. 4 Geomathematik, ihre Aufgabenbereiche und ihre Arbeitsmethoden (in modifizierter Form aus W. Freeden (2015), siehe auch W. Freeden, M. Schreiner (2019)).

2.1 Kreislauf von Beobachtung und Modellierung Alle oben geschilderten Aspekte machen eine Mathematik unabdingbar, die mehr als eine Ansammlung von Theorien und numerischen Verfahren sein muss. Geomathematik ist vielmehr nichts anderes als Organisation der Komplexit¨at des Systems Erde. Dazu geh¨oren anschauliches Denken zur Verdeutlichung abstrakter komplexer Sachverhalte, richtige Vereinfachung der komplizierten Interaktionen, ein angemessenes mathematisches Begriffssystem zur Beschreibung und Genauigkeit im Denken und Formulieren. Geomathematik wird somit zur Schl¨ usselwissenschaft des komplexen Systems Erde (vgl. Abb. 3). Wo immer es Daten und Beobachtungen gibt, z. B. bei den diversen skalaren, vektoriellen und tensoriellen Clustern von Satellitendaten oder auch terrestrischen Gravitationsfeld- und/oder Magnetfelddaten, wird es mathematisch. Statistik dient der Entrauschung, konstruktive Approximation der Komprimierung und Auswertung, spezielle Ansatzsysteme von Funktionen

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geben georelevante graphische und numerische Darstellungen, dies alles mit mathematischen Algorithmen. Aus dem oben Gesagten wird klar, dass Geomathematik als die sich den Geowissenschaften widmende Mathematik zunehmend st¨ arkere Bedeutung auch im Bereich der Exploration erlangt. Sie hat dabei die besondere Aufgabe, eine Br¨ ucke zwischen der mathematischen Theorie und der geotechnischen Anwendung zu spannen (vgl. Abb. 4). Der besondere Reiz dieser Tochter der Mathematik (vgl. auch W. Freeden (2009)) begr¨ undet sich daher im regen Gedankenaustausch zwischen der mehr an Modellbildung, theoretischer Fundierung und approximativer sowie numerischer Problembew¨ altigung interessierten Gruppe angewandter Mathematiker und zum anderen der mehr mit Messtechnik, Methodik der Datenanalyse, Implementation von Routinen und Software-Anwendung vertrauten Gruppe der Geoingenieure und -physiker. Das Spektrum moderner Geowissenschaften, welches im Fokus der Geomathematik (vgl. Abb. 5) steht, ist nicht zuletzt wegen immer st¨ arker werdender Beobachtungsdiversit¨at breit gef¨achert. Gleichzeitig vergr¨ oßert sich der “Kasten” mathematischer Werkzeuge. Dabei ist zu beachten, dass sich Geoingenieurwesen und Geophysik vornehmlich mit jenen Gebieten der Erde befassen, die f¨ ur direkte Messungen nur unzureichend oder nicht zug¨ anglich sind. Aus diesem Grunde werden oft Verfahren der Fernerkundung eingesetzt und inverse Methoden zur Auswertung unumg¨anglich. Diese laufen meist darauf hinaus, dass ein physikalisches Feld nahe der Erdoberfl¨ ache ausgemessen wird, um es dann mit mathematischen Methoden in die interessierenden Tiefen- und H¨ohenbereiche fortzusetzen (“downward and upward continuation”).

Beobachtung

reale Welt

Modellierung

Geomathematik virtuelle Welt

Abb. 5 Geomathematik als Schl¨ usseltechnologie, die die reale und virtuelle Welt u uckt (Illustration in modifizierter Form aus W. Freeden, M. Schreiner (2019)). ¨berbr¨

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Zun¨achst ist f¨ ur die heutige Zeit festzuhalten, dass der Computer und die Messtechnik zu einer explosionsartigen Ausbreitung von Mathematik im allgemeinen gef¨ uhrt haben. Die Mathematik als Querschnittwissenschaft durchzieht fast alle Bereiche unseres Lebens und unserer Gesellschaft. Als Folge steht Mathematik in enger Wechselwirkung mit (den Erd-, Natur-, Technikund Wirtschafts-)Wissenschaften bis hin zur Medizin und Teilen der Geisteswissenschaften (“Mathematisierung der Wissenschaften”). Der Einsatz des Computers bef¨ahigt heute zur Behandlung komplizierter Modelle zu realen Datens¨atzen. Modellierung, Berechnung und Visualisierung f¨ uhren zu zuverl¨assigen Simulationen von Prozessen und Produkten. Mathematik ist dabei der “Rohstoff” der Modelle und das Wesen jeder Computersimulation; sie bildet den Mittler (d. h. die Schl¨ usseltechnologie), um die Bilder der realen Welt in Modelle der virtuellen Welt umzusetzen und umgekehrt (vgl. Abb. 6).

Beobachtung (= Messung) von Ereignissen im “realen Raum”

Modellierung (= L¨ osung) auf der Basis von Daten im “virtuellen Raum”

Transfer (Br¨ uckenprozess) Abstand, Richtung, Winkel, Geschwindigkeit, Beschleunigung, ...

Potentialtheorie, Inverse Probleme, Konstruktive Approximation, Numerik, ...

Retransfer (Interpretation, Validierung) Abb. 6 Kreislauf “realer Raum” (Beobachtung) und “virtueller Raum” (Modellierung) in modifizierter Form nach W. Freeden (2018), Einleitung (Introduction) zum “Handbook of Mathematical Geodesy” (W. Freeden, M.Z. Nashed (2018), Herausgeber).

Die besondere Rolle der Mathematik als Querschnittswissenschaft wird in den letzten Jahren von Technik, Wirtschaft und Handwerk zunehmend anerkannt. Beziehungen und Bez¨ uge zu den anderen Disziplinen (insbesondere zur Informatik, Physik, Chemie, Biologie, aber auch zur physischen und ¨ anthropogepr¨agten Geographie und Okonomie) werden zusehends wichtiger, interessanter und ausbauf¨ahiger. Mit anderen Worten, die Problemfelder der Mathematik werden anschaulich, beobachtbar, visualisierbar und stammen aus verschiedenen Bereichen, wozu unzweifelhaft und selbstverst¨ andlich auch der Geobereich geh¨ort.

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2.2 Geothermie, Gravimetrie und F¨ undigkeit Die Gravimetrie, also die Bestimmung der Massenverteilung in einem Teilgebiet des Erdinnern aus Daten des Gravitationsfeldes, ist z. B. neben der Seismik und der Magnetik eine fundamentale Feldmessmethode der Prospektion und Exploration. Mithilfe von Gravimetern ermittelt man r¨ aumliche Schwerkraft¨anderungen, deren Ursache nach der Newtonschen Theorie in Dichteunterschieden im Untergrund liegt. Das zentrale Problem in der Exploration, z. B. in der explorativen Geothermie (siehe z. B. M. Bauer et al. (2014a), M. Bauer et al. (2018)), ist die Vermeidung einer Fehlbohrung. Dies f¨ uhrt kanonisch auf die Frage der F¨ undigkeit, wie viel man von einer Lagerst¨atte entnehmen kann und mit welchem Aufwand sowie zu welchem Preis. Damit z. B. geothermische Energieproduktionssysteme ¨okonomisch und effizient sind, ist es von entscheidender Wichtigkeit, ein tiefes a priori Verst¨andnis der geologischen, thermischen und mechanischen Struktur des in Frage kommenden Standortes zu haben.

9.8072467

. . . m/s2 10−9 Ozeanische Topographie, Polbewegungen 10−8 Zeitliche Variationen: Ozeane, Hydrologie 10−7 Gezeiten, Atmospherischer Druck atten 10−6 Salzstock, Sedimentbecken, Lagerst¨ 10−5 Dichtevariationen in Kruste und Mantel ucken, Subduktion 10−4 Berge, Ozeanr¨ 10−3 Abplattung und Zentrifugalbeschleunigung arische Erde 100 Sph¨

Abb. 7 Illustration der Koordinaten einer Schwerebeschleunigung (vgl. ESA-Medialab, ESA communication production SP–1314). Alle Schweremessungen werden heutzutage u uckt. Weiterer Gebrauch wird jedoch auch heute ¨blicher Weise in SI-Einheiten ausgedr¨ noch von einigen ¨ alteren traditionellen Standards gemacht. Die Einheit der Schwerebeschleunigung ist [ms−2 ], die traditionelle Einheit ist [Gal] (nach G. Galilei, 1564–1647). Es gilt: 1 ms−2 = 100 Gal = 105 mGal = 108 μGal.

Um ausschließlich den Schwereeffekt der Dichteanomalie im Untergrund zu erhalten, sind an den gemessenen Schweredaten einige Korrekturen und Reduktionen vorzunehmen.

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Bei den Korrekturen und Reduktionen finden gew¨ ohnlich folgende Bestandteile der Schwere Ber¨ ucksichtigung: • • • • • •

instrumentelle Gravimetergang-Korrektur, topographische Reduktion und Gel¨ande-Korrektur, Normalschwere-Reduktion, Gezeiten-Korrektur, Niveau-Reduktion, Bouguer-Plattenreduktion.

Bei der Auswertung gravimetrischer Messungen in der Exploration wird somit nach der Geometrie und der Dichte der unbekannten geologischen Struktur gefragt. Die zu interpretierende Schwere soll nur noch diese Massenverteilung des Untergrundes widerspiegeln. Alle anderen Einfl¨ usse sind zu berechnen und von der gemessenen Schwere abzuziehen. Die Durchf¨ uhrung dieser Rechnung nennt man Schwerereduktion oder Schwerebereinigung. Das Ergebnis wird als Schwereanomalie bezeichnet. Die geologischen Dichtevariationen (vgl. J. Sch¨ on (1983)) bieten je nach Datenlage und -art die M¨oglichkeit, den generellen tektonischen Aufbau zu verdeutlichen, indem wesentliche St¨orungen und deren Streichrichtung und Zonen sichtbar gemacht werden (vgl. Abb. 7) . Empirisch l¨ asst sich dabei in nicht-anthropogen wesentlich beeinflussten Arealen eine Korrelation zu den Geschwindigkeiten akustischer und/oder elastischer Wellen der Seismik feststellen, was Seismik zu einer exponierten Explorationstechnik bef¨ ahigt. Als bis heute g¨angige Voraussetzung f¨ ur einen erfolgreichen Einsatz gravimetrischer Untersuchungsmethoden gilt, dass die zu detektierenden geologischen Strukturen deutliche Dichtekontraste aufweisen. In Abb. 8 ist dies exemplarisch f¨ ur einen Salzstock gezeigt. Da sich die Dichte im Salzstock pr¨agnant von dessen umgebendem Gestein abhebt, zeigt sich in den gravimetrischen Signalen ein charakteristisches Isolinienbild eines Minimums im Zentrum des Salzstocks. Solche Strukturen, aber eben auch nur solche Strukturen, lassen sich bisher mit bekannten gravimetrischen Explorationsmethoden genauer charakterisieren und analysieren, so dass aus den gravimetrischen Signalen geeignete R¨ uckschl¨ usse auf den Salzstock m¨ oglich sind. Wie bereits erw¨ahnt, erhebt die in diesem Buch vorgestellte Methodik dar¨ uber hinaus den Anspruch, auch die sich weniger abhebenden geologischen Formationen z. B. außerhalb des Salzstockes in ihrer Abgrenzung zueinander detektieren zu k¨ onnen. Entscheidendes Hilfsmittel ist dabei eine Waveletdekorrelation, d. h. eine Multiskalendekomposition gravitativer Signaturen, so dass Schichtgrenzen geologischer Formationen sichtbar und damit planbar werden.

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Abb. 8 Illustration gravimetrischer Signale eines Salzstocks (modifizierte Darstellung einer Illustration nach Jacobs, Meyer (1992), mit freundlicher Erlaubnis des TeubnerVerlags).

Dieses Buch, dessen numerische Resultate weitgehend am Testbeispiel des Saarlandes gewonnen werden, verfolgt nachhaltig das Ziel zu zeigen, dass eine Verbesserung des Kosten-/Risikoverh¨altnisses bei Anwendung geeigneter geomathematischer L¨osungsverfahren unter der Voraussetzung einer angemessenen Datensituation erreichbar ist. Spezieller Ausgangspunkt f¨ ur die Einbindung der Gravimetrie als wichtiges Standbein in der Exploration ist der Anspruch, eine Verringerung des Projektrisikos mit geringem finanziellem Aufwand zu erm¨ oglichen (siehe Abb. 9). Als Entscheidungshilfe in der Exploration zur Verringerung des Erfolgsrisikos ist man n¨ amlich beispielsweise in der geothermischen Standortbestimmung gut beraten, vor der Durchf¨ uhrung von Reflexionsseismik kosteng¨ unstigere Potentialverfahren in Betracht zu ziehen. Durch die Auswertung der Messungen des Erdschwerefeldes und seiner Ableitungen l¨asst sich zum einen in geod¨atischer Hinsicht die Figur der Erde samt dem resultierenden H¨ohenmodell weiter verbessern, zum anderen lassen sich dreidimensionale geologische Untergrundmodelle erstellen. Allerdings ist nach bisheriger Erfahrung f¨ ur einen erfolgreichen Einsatz gravimetrischer Untersuchungen unabdingbar, dass sich die zu bestimmenden geologischen Strukturen durch deutliche Dichtekontraste von ihrer Umgebung abheben,

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wie etwa ein Salzstock.

Abb. 9 Geothermische Projektrisiken (blau), kumulierte Investitionskosten (gr¨ un) und Finanzierbarkeit (Veranschaulichung entsprechend einer Vorlage im “Handbuch Tiefe Geothermie”, M. Bauer, W. Freeden, H. Jacobi, T. Neu (Herausgeber), Springer Spektrum, 2014b (vgl. auch den “Technical Report” der Geothermal Energy Association (2011)).

Zusammenfassend halten wir fest: Gravimetrische Dekorrelation vermittelt Entscheidungshilfen, um z. B. in Regionen mit anthropogenen Charakteristiken geeignete nat¨ urliche St¨orungszonen und Schichten in ausreichender Tiefe zu ermitteln. Es steht zu vermuten, dass sich die dabei an den Testbeispielen aus dem Saarland entwickelten Konzepte problemlos auch auf andere, ¨ ahnlich aufgestellte Regionen, wie beispielsweise das Ruhrgebiet oder die s¨ achsische Bergbauregion, u uber hinaus sind f¨ ur die Anwendung ¨bertragen lassen. Dar¨ dieser Methoden auch Regionen interessant, f¨ ur die bisher kaum Explorationsdaten vorliegen (z. B. großfl¨achige Landpartien mit schlecht vorhandener Infrastruktur, wie z. B. Areale der Mongolei unter Ausnutzung gewisser luftgest¨ utzter Pr¨adatenkenntnisse). In diesem Fall kann mit vertretbarem finanziellem Aufwand unter Ausnutzung gewisser verf¨ ugbarer Pr¨ ainformation, z. B. beginnend mit Angaben einer geologischen Karte, eine “Ersteinsch¨ atzung” u ur Geothermie und Lagerst¨ attenermittlung erfol¨ber m¨ogliche Potentiale f¨ gen. Kurzum, Explorationsmethoden, wie sie in diesem Buch verfolgt werden, schließen ein breites Spektrum geowissenschaftlicher Disziplinen ein: Geologie, Geophysik, Geochemie, Geoingenieurwissenschaften und nat¨ urlich Geo20

mathematik. Exploration bedeutet dabei die geologische Identifizierung von kosteneffizienten Bohrregionen. Entscheidend ist die Entdeckung von geologischen Formationen, insbesondere Fehlermustern, und der begleitenden Diskontinuit¨aten im interessanten Bereich des tiefen Untergrunds. Einmal mehr sollte betont werden: Gravimetrische Untersuchungen verwen¨ den Anderungen in der Dichte, um unterirdische Eigenschaften zu beschreiben. Insbesondere k¨onnen Verwerfungslinien mit gravitativen Methoden identifiziert werden. Magnetometrische Untersuchungen basieren auf Schichtundulationen der Magnetisierung aus Daten des Erdmagnetfeldes. Magnetotellurische Daten erm¨oglichen die Bestimmung von Anomalien des Widerstandes, die mit geothermischen Strukturen in Zusammenhang stehen, einschließlich Verwerfungen, und erm¨oglichen die Absch¨atzung der geothermischen Reservoirtemperaturen in verschiedenen Tiefen. Von besonderer Bedeutung ist die Migration seismischer Daten. Aufbauend auf den Kenntnissen, die man aus der seismischen Modellierung gewonnen hat (Lage, Orientierung, Riss¨offnung), kann eine mathematische Beschreibung des Spannungsfeldes im Vorfeld der geplanten Produktion bereitgestellt werden. Angesichts der Gefahren von Fluidfl¨ ussen in einem System mit hohen Spannungen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Entwicklung der Spannung w¨ahrend des Produktionsprozesses zu verstehen. Ein weiterer Kernpunkt ist die Modellierung der aktuellen Wasserfl¨ usse im Untergrund, bei der eine große Anzahl von Faktoren ber¨ ucksichtig werden muss, wie z. B. W¨armefluss, chemischer Fluss, Entwicklung des Druckgradienten und m¨ogliche Auswirkungen auf stark unter Spannung stehende Gesteinsformationen. Dies bedeutet, dass man gekoppelte Gleichungen f¨ ur die Elastizit¨at, f¨ ur zwei-, drei- oder mehrphasige Fl¨ ussigkeiten und f¨ ur den Massenfluss in por¨osen und gekl¨ ufteten Medien l¨osen muss (siehe z. B. K. Pruess (1990) f¨ ur Str¨omungsprobleme). Alles in Allem bedeutet dies aus Sicht der Geomathematik, dass unter Verwendung der teils mangelhaften bzw. unvollst¨andigen (Mess-)Daten sowohl die notwendigen (u. a. thermischen, mechanischen, hydraulischen) Parameter als auch die auftretenden Prozesse w¨ ahrend der Explorationsphase zu modellieren und zu simulieren sind.

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Aufgrund von geologischem Vorwissen kennt man die f¨ ur Geothermieprojekte interessanten Gebiete. In Deutschland gibt es drei Regionen mit Thermalwasser in der n¨ otigen Menge und Temperatur: • norddeutsches Tiefland, • Oberrheingraben und • s¨ uddeutsches Molassebecken. Weitere Gebiete werden untersucht (vgl. auch z. B. I. Moeck et al. (2009)). Um das W¨armereservoir in der Tiefe wirtschaftlich nutzen zu k¨ onnen, muss man allerdings genaue (lokale) Informationen u ¨ber die Lage der Erdschichten haben. Mithilfe von 2D- und 3D-Modellen kann man beispielsweise die Thermalwasser-Bohrungen optimieren und dadurch erheblich Kosten sparen. Dar¨ uber hinaus k¨onnen die W¨armeausbeute und damit die Betriebsdauer der Geothermieanlagen besser abgesch¨atzt werden. Exploration bedeutet insofern nicht nur die Identifizierung von heißen geothermischen Gebieten, sondern auch von kosteneffizienten Bohrregionen. Grunds¨atzlich gibt es drei verschiedene Methoden f¨ ur die Energiegewinnung der tiefen Geothermie: • Tiefe Erdw¨armesonden, • hydrothermale Systeme, • petrothermale Systeme.

Das Konzept bei einem hydrothermalen System besteht darin, dass man das thermische Wasser, das in tiefen Reservoiren gefunden wird, zwischen zwei oder drei Bohrl¨ochern, die durch das Aquifer, d. h. einer wasserf¨ uhrenden Schicht, laufen, zirkulieren l¨asst. Diese Reservoire bestehen typischerweise aus por¨osen Schichten, die von unten durch eine heiße Schicht aus undurchl¨assigem Material gew¨armt werden. Im Gegensatz dazu verf¨ ugt ein petrothermales System (Hot-Dry-Rock System oder Enhanced Geothermal System (EGS)) zwar u uftetes Gestein, aber das notwendige ¨ber heißes, gekl¨ W¨armetr¨agermedium muss k¨ unstlich eingebracht werden. Die Por¨ osit¨ at des Gesteins kann durch hydraulische Stimulation erh¨ oht werden. Die Schl¨ usselfragen, mit der sich die Geomathematik auseinandersetzen muss, sind die Entdeckung potentieller Reservoire entlang der umliegenden Untergrundstruktur

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einschließlich Temperatur, Kapazit¨at und hydraulischen Charakteristika des Grundwasserleiters und die Entwicklung von umfassenden Modellen zur Beschreibung der Dynamik des Produktionsprozesses, insbesondere soweit die Str¨omung, Temperatur und Zusammensetzung des Fluids betroffen sind. Ereignisse in unmittelbarer Umgebung von Geothermiebohrl¨ ochern zeigen, dass ein weiteres fundamentales mathematisches Problemfeld das Verst¨ andis der inneren Spannungsbildung und -dynamik und induzierten Seismizit¨ at ist.

2.3 Kaiserslauterer S¨ aulenmodell und resultierende Projekte In der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern wurde - wie bereits im Vorwort erw¨ahnt - in den Jahren 2006-2016 ein S¨ aulenmodell zur Charakterisierung tiefer geothermischer Reservoire entwickelt (vgl. Abb. 10). Es besteht aus den folgenden vier Bereichen: • • • •

Potentialmethoden (Gravimetrie/Magnetometrie), Seismische Erkundung, Transportprozesse, Spannungsfeld und Poroelastizit¨at.

Das Kaiserslauterer Modell Gravitations-

Geomagnetische

Seismische

Geologische

Messungen aus

daten ⇓

Daten ⇓

Daten ⇓

Informationen ⇓

Bohrlöchern ⇓

T I E F E Gravitation/Geomagnetik 



Modellierung von Dichte und Magnetisierung Detektion von Hotspots/Plumes

G E O T H E R M I E

Seismische Erkundung / 

Migration und Inversion



Postprozessing



Dekorrelation von Signaturen

Transportprozesse / 

Fluidfluss



Wärmefluss



Transport chemischer Stoffe



Transport von Tracern

Spannungsfeld 

Stimulation von Brüchen



Ausbreitung von Brüchen



Erdbebenwellen



Mikroseismizität

Abb. 10 S¨ aulenmodell zur Charakterisierung tiefer geothermischer Systeme realisiert in der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern (2006-2016).

Zun¨achst ist festzuhalten, dass f¨ ur die Exploration im deutschsprachigen Raum die zweite S¨aule von besonderer Bedeutung ist. Seismik ist als Standardmethode der Exploration in solchem Maße anerkannt, dass Exploration gew¨ohnlich mit einer Seismik gleichgesetzt wird. Die Ergebnisse der AG Geomathematik legten jedoch den Schluss nahe, dass man zur Reduzierung des 23

/

F¨ undigkeitsrisikos in der Geothermie oftmals auch gut beraten ist, vor einer ausgedehnten und kostenintensiveren Seismik Gravimeter- und/oder Magnetometerdaten modellierend f¨ ur eine Dekorrelationsanalye geologischer Formationen hinzuzuziehen (im Einklang mit der ersten S¨ aule des Kaiserslauterer Modells). Um diese Beobachtung n¨aher f¨ ur die explorative Praxis zu erschließen und detailliert einer vertieften Rechtfertigung zuzuf¨ uhren, entschloss sich die Firma CBM Bexbach, Saarland, die Ideen und Konzepte der AG Geomathematik zu den Potentialmethoden (d. h. ersten S¨ aule) aufzugreifen und intensive numerische Teststudien bis hin zur Verwertbarkeit in der Explorationsszenerie zu betreiben. Wesentlicher Forschungsinhalt des Kaiserslauterer Zugangs waren neue mathematisch-physikalisch basierte Dekorrelationsmethoden mittels Splines und Wavelets. Wesentliche Literaturetappen in der Kaiserslauterer Forschung zur Entwicklung dekorrelativer Explorationsmethoden sollten hier kurz Erw¨ ahnung finden: Im Fall der Gravimetrie wurde diese Methode eingehend mathematisch-theoretisch von W. Freeden, M.Z. Nashed (2018a,b,c) ausgearbeitet und theoretisch-methodisch weiter entwickelt (siehe auch die Referenzen in den genannten Publikationen). Numerisch wurde das Verfahren in der Dissertation C. Blick (2015) der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern getestet (vgl. auch die dort zitierte Literatur). In W. Freeden, C. Blick (2013) basierend auf den Vorarbeiten von W. Freeden, M. Schreiner (2006), wurde eine neuartige Methode zum Postprocessing, zur Dekorrelation und zur Inversion von Explorationsdaten vorgeschlagen. Dekorrelative Exploration wurde in C. Blick (2015) auf die Reflexionsseismik und die akustische Tomographie ausgeweitet. C. Blick, S. Eberle (2019) legen die Grundlagen f¨ ur Dekorrelationsmethoden in elastischer Seismik.

¨ Abb. 11 Ziele der BMWi-Projekte GEOFUND, SPE und SYSEXPL.

24

Abb. 12 Vom damaligen Bundesministerium f¨ ur Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bzw. dem Bundesministerium f¨ ur Wirtschaft und Energie gef¨ orderte Forschungsprojekte basierend auf dem Kaiserslauterer S¨ aulenmodell. Die Illustration ver¨ deutlicht, dass das Projekt SYSEXPL vergleichbare Ergebnisse aus GEOFUND und SPE synoptisch einbeziehen soll, was durch den nach links weisenden, unteren Balken graphisch angedeutet wird.

Alles in Allem bilden die Konzepte der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern die grundlegende Ausgangssituation f¨ ur die Ausf¨ uhrungen dieses Buches. Es ist selbstredend, dass bei der Exploration der Erfolg oder Misserfolg eines Projekts essentiell von der Qualit¨at der verf¨ ugbaren Explorationsdaten bestimmt wird. Im Rahmen der seit 2016 bei CBM angesiedelten BMWiProjekte SPE und SYSEXPL (vgl. die Abbildungen 11 und 12) wurde/wird diesem Umstand durch eigene intensive Messt¨ atigkeit Rechnung getragen. Ein wichtiger Aspekt beim Einsatz der Gravimetrie und Magnetometrie in der Exploration ist zudem die Ber¨ ucksichtigung der Messgenauigkeit. Diese muss gew¨ahrleisten, dass die zu modellierenden Gravitations- und Magnetfeldanomalien mindestens in der Gr¨oßenordnung der Messgenauigkeit liegen. Es sollte in diesem Zusammenhang nochmals erw¨ ahnt werden, dass durch die Entwicklung immer leistungsf¨ahigerer Gravimeter k¨ unftig auch wesentlich schw¨achere Anomalien mittels entsprechender geomathematischer Dekorrelationsmethoden erfasst und somit modelliert werden k¨ onnen, so dass Gravimetrie in Zukunft zwangsl¨aufig durch die gesteigerten Mess- und Beobachtungsszenarien st¨arker in den Fokus explorativer Anwendung z. B. in der Geothermie r¨ ucken wird. Allerdings bedeutet dies auch einen u ¨ber die bisherige gravimetrische Messsituation wesentlich gesteigerten Messaufwand,

25

den es kostenm¨aßig f¨ ur die Zukunft zu reduzieren gilt. Umfangreiche numerische Studien im BMWi-Projekt SPE auf der Basis gen¨ ugend dichter und genauer CBM-Messdaten lassen den Schluss zu, dass die entwickelten Methoden und Verfahren der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern in der explorativen Praxis neue Anwendungsfelder f¨ ur die Gravimetrie er¨offnen. Voraussetzungen sind, dass • geeignete bereinigte Gravimetriedaten entsprechende Genauigkeit und Datendichte garantieren, • die mathematischen Grundz¨ uge der Dekorrelationsmethodik gravimetrischer Daten mittels sogenannter Mollifier-Wavelets von den Geologen dem Wesen nach verinnerlicht sind und somit durch Zusatzinterpretationen ein wesentliches Addendum zu heutigem Explorationswissen darstellen. ¨ Ahnliche Dekorrelationsm¨oglichkeiten wie f¨ ur die Gravimetrie sind im BMWiProjekt SYSEXPL f¨ ur die Magnetometrie zu erwarten. Ziel aller PtJ-gef¨ orderten Projekte ist eine integrative Synopsis aller Dekorrelationsmethoden der Seismik, Gravimetrie und Magnetometrie, um umfangreiche und unabh¨angige Aussagen u undigkeitsrisiko zur Detektion ¨ber das F¨ ¨ Gas, Wasser usw. zu treffen. von Ol, Zusammenfassend l¨asst sich f¨ ur dieses Buchprojekt festhalten, dass es einen Einblick in den aktuellen Stand gravimetrischer Multiskalenforschung vermittelt. Als wesentliches Resultat ergibt sich, dass die Schl¨ usseltechnologie Geomathematik in der Tat in der Lage ist, die Gravimetrie auf einfache, f¨ ur Explorationszwecke zug¨angliche und somit rechenbare Dekorrelationsmodelle zu reduzieren. Mehr noch, das Buch macht auf diese Weise ein breites Publikum mit den vielf¨altigen Fragen und Problemen der heutigen Gravimetrie vertraut und setzt Denkanst¨oße f¨ ur eine erfolgreiche Weiterentwicklung und eine ad¨aquate praxisrelevante Anwendbarkeit von Potentialmethoden in der Exploration in Gang.

26

Teil II

Gravitation und Gravimetrie

3 Gravitation Die allgegenw¨artige Gravitationskraft unseres Planeten Erde zieht uns je nach Ort unterschiedlich stark an. Diese minimalen Schwankungen sind f¨ ur Forscher einer Vielzahl von wissenschaftlichen Disziplinen hochinteressant. Die ¨ folgende Illustration (Abb. 13) liefert dabei nur eine Ubersicht der wichtigsten Anwendungsfelder.

Ozeanographie

Erd klim

a

e asi od¨ Ge

k

Gla

ysi

zio

oph

log

Ge

ie

Schwerefeld

Exploration

Abb. 13 Schwerefeld und wichtige Anwendungsfelder (einer systematischen Zusammenstellung in R. Rummel (1992), W. Freeden (1999) und R. Rummel (2002) folgend, siehe auch W. Freeden, M. Schreiner (2019)).

Die folgenden Ausf¨ uhrungen sind Inhalt eines jeden Lehrbuchs der Physikalischen Geod¨asie (siehe z. B. W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967), E. Groten (1979), B. Hofmann-Wellenhof, H. Moritz (2005), W. Torge (2003) f¨ ur ein vertieftes Studium). Unsere Ausf¨ uhrungen orientieren sich in Teilen am Beitrag C. Reigber, P. Schwintzer (2003): Die Gravitation (von lateinisch gravitas f¨ ur Schwere“) ¨ außert sich in der ” gegenseitigen Anziehung von Massen. Sie nimmt mit zunehmender Entfernung der Massen ab, besitzt aber unbegrenzte Reichweite. Im Gegensatz zu elektrischen oder magnetischen Kr¨aften l¨asst sie sich nicht abschirmen. Auf 29 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_3

der Erde bewirkt die Gravitation, dass alle K¨ orper nach “unten”, d. h. in Richtung Erdmittelpunkt fallen, sofern sie nicht durch andere Kr¨ afte daran gehindert werden. Im Sonnensystem bestimmt die Gravitation die Bahnen der Planeten, Monde, Satelliten und Kometen und im Kosmos die Bildung von Sternen und Galaxien sowie dessen Entwicklung im Großen. Gravitation wird oft mit Schwerkraft gleichgesetzt, was aber aus wissenschaftlicher Sicht unrichtig ist. Das Gewicht eines K¨ orpers wird n¨ amlich vom lokal herrschenden Schwerefeld bestimmt, welches nicht nur die Gravitationskraft umfasst (siehe Abb. 14), sondern auch auf den K¨ orper beeinflussende Tr¨agheitswirkungen (insbesondere durch die Zentrifugalkraft). Im Rahmen der klassischen Physik wird die Gravitation mit dem Newtonschen Gravitationsgesetz beschrieben, d. h. als eine instantan durch den leeren Raum wirkende Fernwirkungskraft. Ein grundlegend anderes Verst¨ andnis der Gravitation ergibt sich aus der allgemeinen Relativit¨ atstheorie nach Albert Einstein. Hierbei wirkt die Gravitation nicht in Form einer Kraft auf die K¨orper, sondern durch eine Kr¨ ummung der vierdimensionalen Raumzeit, wobei die Bahnen der K¨orper, auf die keine weiteren Kr¨ afte wirken, einer k¨ urzesten Linie (im gekr¨ ummten Raum), d. h. einer Geod¨ ate, entsprechen. Diese Annahmen (vgl. z. B. C.W. Misner et al. (1973) und die darin enthaltene Literatur) werden allerdings f¨ ur unsere Zwecke der Exploration nicht weiter verfolgt.

3.1 Schwere-, Gravitations- und Zentrifugalfeld Das Schwerefeld der Erde ist zusammengesetzt aus deren Gravitationsfeld (“Erdanziehung”) und der Zentrifugalbeschleunigung in dem Bezugssystem, das mit der Erde rotiert. Das Schwerefeld (oder die Schwere) ist ein Vektorfeld. Die Feldst¨arke des Schwerefeldes ist die Schwereintensit¨ at. Als auf die Masse bezogene Gewichtskraft eines Probek¨ orpers wird die Schwere auch Schwerebeschleunigung oder Fallbeschleunigung genannt. Mit dieser Beschleunigung setzt sich ein frei fallender K¨orper in Bewegung. Die Schwerebeschleunigung w ist eine vektorielle Gr¨ oße mit Betrag g = |w| w . Der Betrag, d. h. die Schwereintensit¨ at g(x) = |w(x)| und Richtung l = |w| an der Stelle x wird auch Ortsfaktor genannt, um zu betonen, dass damit auch das Gewicht eines K¨orpers vom Ort x abh¨ angt. Die Richtung l(x) heißt Lotrichtung in x. Die Fallbeschleunigung w(x) ist die Vektorsumme aus einem Gravitationsanteil v(x) und einem Zentrifugalanteil z(x) 30

Richtung der Lotlinie

x z

v w Massenzentrum

Abb. 14 Gravitation v, Zentrifugalbeschleunigung z, Schwerebeschleunigung w.

w(x) = v(x) + z(x).

(1)

Da die Gewichtskraft eine konservative Kraft darstellt, ist die Fallbeschleunigung als Feldst¨arke der Gradient eines Potentials w(x) = ∇W (x)

(2)

v(x) = ∇V (x).

(3)

und Hierbei ist W das Schwerepotential. Es setzt sich - analog zur Fallbeschleunigung - aus dem Gravitationspotential und dem Zentrifugalanteil zusammen: W (x) = V (x) + Z(x).

(4)

Darin ist der erste Summand das Gravitationspotential, der zweite Summand, dessen Form voraussetzt, dass der Ursprung f¨ ur den Ortsvektor zum Aufpunkt (dem Ort, f¨ ur den das Potential berechnet wird) auf der Rotationsachse liegt, das Potential der Zentrifugalbeschleunigung. Die Zentrifugalbeschleunigung z(x) wirkt sich aus, weil man sich auf der Oberfl¨ ache des K¨ orpers in einem mitrotierenden Bezugssystem befindet. Gezeitenkr¨ afte entstehen durch den Einfluss anderer Himmelsk¨orper (z. B. durch den Mond oder die Sonne). Ob diese Kr¨afte als Teil des Schwerefeldes betrachtet werden, ist eine Frage der Definition.

3.2 Gravimetrisch relevante Geometrien Wichtige gravimetrisch relevante Geometrien (vgl. Abb. 15) sind Erdellipsoid, Geoid und tats¨achliche Erdoberfl¨ache (Topographie). 31

Abb. 15 Geod¨ atisch relevante Geometrien: Erdellipsoid, Geoid, Erdoberfl¨ ache (Topographie) (Illustration gem¨ aß einer Veranschaulichung im “German Priority Research Program: Mass Transport and Mass Distribution in the System Earth, DFG-SPP 1257”).

Die Richtung der Fallbeschleunigung heißt, wie bereits erw¨ ahnt, Lotrichtung. Diese Lotrichtung weist ungef¨ahr zum Gravitationszentrum der Erde hin. Abweichungen entstehen (von Schwereanomalien abgesehen) dadurch, dass die Zentrifugalbeschleunigung bei mittleren Breiten in einem schiefen Winkel (“oblique angle”) zur Gravitationsbeschleunigung steht. Linien, die der Lotrichtung folgen, heißen Lotlinien. Sie sind die Feldlinien des Schwerefeldes. Bewegt sich ein K¨orper im Schwerefeld, so weicht die Richtung der wirksamen Beschleunigung mit zunehmender Geschwindigkeit von der Lotrichtung ab. In Deutschland betr¨agt die Fallbeschleunigung etwa 9, 81

m = 981 Gal s2

(siehe auch Abb. 7). Die Variation u ache betr¨ agt ¨ber die Erdoberfl¨ wenige Gal. Fl¨ achen, auf denen das Schwerepotential W (siehe Gleichung 4) konstant ist, ¨ heißen Aquipotentialfl¨ achen oder Niveaufl¨ achen des Schwerefeldes. Sie werden von den Lotlinien rechtwinklig durchstoßen. Das Schwerepotential der Erde wird auch Geopotential genannt. Je gr¨oßer die lokale Schwerebeschleunigung, ¨ desto geringer der Abstand zwischen den Aquipotentialfl¨ achen. Die Erde nimmt unter dem Einfluss ihres Schwerefeldes eine Form an, die ungef¨ahr einer der Niveaufl¨achen entspricht. Im Schwerefeld der Erde wird 32

seit Listing (vgl. J.B. Listing (1873)), einem Sch¨ uler von C.F. Gauss, jene Niveaufl¨ache, die der H¨ohe des Meeresspiegels folgt, als Geoid bezeichnet (vgl. Abb. 16) .

Abb. 16 GFZ-EIGEN-CG01C Geoid (2005): Die Illustration zeigt, dass das Geoid sich als “kartoffelf¨ ormige” Erdfigur darbietet.

Das Geoid ist durch die Zentrifugalbeschleunigung leicht abgeplattet. Diese Abplattung und die Abnahme der Erdbeschleunigung (Fallbeschleunigung auf der Erde) mit der H¨ohe wird von Normalschwereformeln ber¨ ucksichtigt. Zus¨atzlich gibt es Schwereanomalien, d. h. globale, regionale und lokale Unregelm¨aßigkeiten, da die Masse sowohl in der Erdkruste (Gebirge, Kontinentalplatten) als auch tiefer (im Erdmantel und -kern) inhomogen verteilt ist. Die Satellitengeod¨asie bestimmt das Geoid global mit Hilfe der Beobachtung von Satellitenbahnen oder auch mittels Gradiometer (siehe z. B. W. Freeden, H. Nutz (2011), W. Freeden et al. (2020)).

3.3 Erdschwerefeld im Außenraum Was das Erdschwerefeld außerhalb der Erde angeht, so nimmt die Schwereintensit¨at g = |w| = |∇W | in der N¨ahe der Erdoberfl¨ ache um etwa 3,1 μm s2 pro gestiegenem Meter ab. Außerhalb der Erde nimmt das Gravitationsfeld proportional zum Quadrat des Abstandes vom Erdmittelpunkt ab (vgl Abb. 17), w¨ahrend bei konstanter Position bzgl. L¨angen- und Breitengrad die Zentrifugalbeschleunigung proportional mit diesem Abstand zunimmt. Das Erdschwerefeld ist somit (wie das Schwerefeld jedes Himmelsk¨ orpers) prinzipiell unbegrenzt, wird aber mit wachsender Entfernung schnell schw¨ acher. In niedrigen Satellitenh¨ ohen von 300 bis 400 km nimmt die Erdbeschleunigung um 10 bis 15 % ab, in 5 000 km um ca. 70 %. In einer H¨ ohe von knapp 36 000 km heben sich beide Einfl¨ usse exakt auf. Folglich bewegt sich ein Satellit auf einer solchen geostation¨aren Umlaufbahn genau synchron mit der Erddrehung 33

und verharrt auf demselben L¨angengrad. Im Nahbereich der Erde kann der Einfluss anderer Himmelsk¨orper auf das Schwerefeld der Erde vernachl¨ assigt werden, da er sehr gering ist.

St¨ orpotential

500 km erste Radialableitung

zweite Radialableitung

St¨ orpotential

250 km erste Radialableitung

zweite Radialableitung

St¨ orpotential

0 km erste Radialableitung

zweite Radialableitung

Abb. 17 St¨ orpotential erzeugt mit dem EGM 2008 Modell berechnet bis zum Kugelfunktionsgrad 720. Von oben nach unten: H¨ ohen 500 km, 250 km und 0 km. Von links nach rechts : St¨ orpotential in [m2 /s2 ], die negative erste Radialableitung in [μ m/s2 ] und die zweite Radialableitung in [10−12 /s2 ] (entnommen aus W. Freeden et al. (2018)). Die Bilder zeigen die sich mit der H¨ ohe abschw¨ achende Signatur des St¨ orpotentials und seiner ersten und zweiten Ableitungen, was ihren beschr¨ ankten Einsatz in der Exploration des Erdinneren erkl¨ art.

34

3.4 Erdschwerefeld im Innenraum

x

Niveau߬ achen

x w(x)

w(x)

Sph¨ are

Geoid

Lotlinien

Abb. 18 Niveaufl¨ achen und Lotlinien f¨ ur eine homogene Kugel (links) und einem erdgleichen K¨ orper (rechts), entnommen in modifizierter Form aus W. Freeden, C. Gerhards (2013).

Wenden wir uns schließlich dem Schwerefeld im Erdinnern zu, so k¨ onnen wir Folgendes festhalten: W¨are die Erde eine nicht rotierende, homogene Kugel, so erg¨ abe sich ein linearer Anstieg der Schwerebeschleunigung von Null am Erdmittelpunkt bis zu einem Maximum an der Erdoberfl¨ache (vgl. Abb. 18). Tats¨ achlich ist die Erde in Schichten sehr unterschiedlicher Dichte aufgebaut. Daher ist der Zusammenhang zwischen der Tiefe und der Erdbeschleunigung komplizierter. Im Erdkern w¨achst die Schwerebeschleunigung mit dem Abstand vom Erdmittelpunkt zun¨ achst gleichm¨aßig an. An der Kern-Mantel-Grenze (in ca. 2 900 km vom Erdmittelpunkt), nach deren Entdeckern Emil Wiechert und Beno Gutenberg auch Wiechert-Gutenberg-Diskontinuit¨ at genannt, erreicht sie ein Maximum von knapp 10,68 sm2 . Dieser Effekt hat seine Ursache darin, dass der u ¨berwiegend metallische Erdkern mehr als doppelt so dicht wie der Erdmantel und die Erdkruste ist. Von dort bis zu ca. 4 900 km nimmt sie zun¨achst wieder langsam bis auf 9,93 sm2 ab, steigt nochmals bei 5 700 km auf ache etwa 9, 81 sm2 10,01 sm2 und sinkt dann monoton, bis sie an der Erdoberfl¨ erreicht.

35

3.5 Schl¨ usselobservablen des Gravitationsfeldes

Abb. 19 Wesentliche Messmethoden: GNSS, Laser-Entfernungsmessung, Altimetrie, Satellite-to-Satellite Tracking (SST), Satellite-Gravitational-Gradiometry (SGG) (Illustration entnommen aus G. Seeber (1984) mit freundlicher Genehmigung des Walter de Gruyter Verlags).

¨ Wir beschließen unsere Uberlegungen mit einer Liste (vgl. Abb. 19) der wichtigsten heutigen Messmethoden des Erdgravitationsfeldes und resultierenden Messgr¨oßen (vgl. das Schema in W. Freeden, M. Schreiner (2009) und die Darstellung in W. Freeden, M. Schreiner (2019)). Dabei verzichten wir auf eine n¨ahere Beschreibung der Messtechniken, die f¨ ur die Explorationsvorhaben dieses Buches von untergeordneter Bedeutung sind (eine detailierte Beschreibung findet sich z. B. in W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967), E. Groten (1979), G. Seeber (1984), W. Torge (1989), W. Torge (2003), R. Rummel (1992), R. Rummel (2002), B. Hofmann-Wellenhof, H. Moritz (2005), H. Moritz (2015)).

36

Tabelle 1 Schl¨ usselobservablen des Gravitationsfeldes und ihre Messmetho¨ den (abh¨ angig von der H¨ ohe/Tiefe) (in grober Ubersichtsdarstellung). Große H¨ ohe

GNSS (GPS, GALILEO, etc. (→ Positionen, H¨ ohen; Winkel)

Mittlere H¨ ohe

Konventionelle Satellitentechniken Laser, Doppler, etc. (→ Positionen, H¨ ohen, Winkel)

Satellitenaltimetrie (→ dynamische ozeanische Topographie, Gravitationspotential f¨ ur ozeanische Positionen) Satellite-to-Satellite Tracking (high-low SST)

Mittlere H¨ ohe

(→ Gravitationsfeld auf Satellitenpositionen) Satellite-to-Satellite Tracking (low-low SST)

Mittlere H¨ ohe

(→ Differenzen von Gradienten des Gravitationspotentials auf Satellitenpositionen) Satellite-Gravitational–Gradiometry (SGG)

Niedrige H¨ ohe

(→ Gravitationstensor auf Satellitenpositionen ) Erdoberfl¨ ache

Gravimetrie, Astrogeod¨ asie (→ Schwereintensit¨ aten, Gravitationsfeldrichtungen, Gravitationstensor)

Bohrlochtiefe

Gravimetrie (→ Schwereintensit¨ aten, Gravitationsfeldrichtungen, Gravitationstensor)

37

4 Gravimetrie Der Begriff Gravimetrie (von lateinisch gravitas, “Schwere” und -metrie von griechisch μ´ ετ oν - Messung) bezeichnet die Methoden, mit denen das Schwerefeld der Erde vermessen wird. Die Bestimmung dieses fundamentalen Potentialfeldes ist f¨ ur Geod¨asie, Geophysik und Technik gleichermaßen von Bedeutung. In der Geod¨asie sind Schwerewerte f¨ ur die H¨ohenbestimmung (genaue Reduktion des Nivellements) und die Geoidbestimmung von Bedeutung (vgl. Abb. 20). In der Geophysik und der Geoexploration sind lokale Schwerewerte f¨ ur die Erforschung des Erdinnern bedeutsam. Ellipsoid/Sph¨ aroid Geoid Mittlere Meeresoberfl¨ ache Topogaphie

Abb. 20 Geod¨ atisch relevante Geometrien.

Pr¨azise Waagen und andere technische Messmethoden gravimetrischer Daten zu ihrer Eichung werden zur Messung ben¨ otigt: Was die Messmethoden angeht, so l¨asst sich die Gravitation zum Beispiel aus der Schwingungsdauer eines Pendels oder mit einer Drehwaage bestimmen, doch ist die Genauigkeit auf einige Millionstel der Schwerkraft beschr¨ankt. Mit modernen Gravimetern, die nach dem Prinzip der Federwaage arbeiten, sind hingegen relative Messunsicherheiten in einer Gr¨oßenordnung bis zu 10−9 sm2 erreichbar, ur mit supraleitenden Gravimetern sogar bis 10−11 sm2 . Bei der heutzutage f¨ die Exploration g¨angigen relativen Gravimetriemethode wird der Betrag der Schwerebeschleunigung, d. h. die Schwereintensit¨ at, vermessen. Anhand der unterschiedlichen St¨arke der Schwerebeschleunigung an verschiedenen Orten lassen sich dann bekanntlich Aussagen u ¨ber die Verteilung der Dichte in der Erdkruste treffen (vgl. z. B. L.L. Nettleton (1976), H. Militzer, F. Weber

38 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_4

(1984), W. Torge (1989), W. Torge (2003)). Eine weitere M¨oglichkeit, relative Unterschiede der Schwere zu messen, besteht in der Verwendung von Gangunterschieden von Uhren. Nach der Relativit¨atstheorie ist die Geschwindigkeit von Uhren abh¨ angig von der Position im Gravitationsfeld. Aktuelle Atomuhren erreichen Genauigkeiten im Bereich von 10−18 sm2 , womit H¨ohen im Gravitationsfeld im Zentimeterbereich relativ zueinander bestimmbar w¨aren. Mit dem Messprinzip “freier Fall im Vakuum” l¨asst sich die Schwere auch absolut bestimmen. Mit anderen Worten, f¨ ur die gravimetrische Bestimmung des Schwerefeldes zum Zweck der Exploration kommen im Wesentlichen zwei unterschiedliche Methoden zum Einsatz, n¨amlich absolute und relative Schweremessungen, deren Wirkungsweise nunmehr ein wenig eingehender dargelegt werden sollen.

4.1 Absolute Gravimetrie Ein Absolutgravimeter bestimmt den absoluten Wert der Schwere.

x x(t1 ) x(t2 )

x(t3 )

Abb. 21 Absolute Gravimetrie: Testmasse (“Newtonscher Apfel”) im freien Fall (Illustration entnommen aus W. Freeden, M. Schreiner (2019)).

39

F¨ ur Absolutschweremessungen werden gew¨ ohnlich Gravimeter nach der Frei-Fall-Methode eingesetzt (vgl. Abb. 21). Dabei wird die Fallgeschwindigkeit eines Probek¨orpers gemessen, wobei sich das Objekt (“Testmasse”) durch eine R¨ohre im Vakuum bewegt. Mit Hilfe der zeitabh¨angigen gew¨ohnlichen Differentialgleichung 

d dt

2

x(t) = g = |w|

(5)

l¨asst sich unter bekannten Anfangsbedingungen der Wert von g berechnen (vgl. (6)): g =

(x(t3 ) − x(t1 ))(t2 − t1 ) − (x(t2 ) − x(t1 ))(t3 − t1 ) . (t3 − t1 )(t2 − t1 )(t3 − t2 )

(6)

Mit einem elektronischem Laser-Messsystem werden w¨ ahrend des Falls durchlaufende Interferenzmuster bei simultanem Messen von Laufzeit und zur¨ uckgelegtem Weg registriert und daraus der Schwerewert ermittelt. Es werden zahllose Einzelmessungen durchgef¨ uhrt, woraus die im Mittel sich ergebende Pr¨azision resultiert. In Zukunft werden Atominterferometer die Schwereintensit¨at mit einer bisher nicht gekannten Genauigkeit messen. Der experimentelle Aufwand f¨ ur die absolute Bestimmung der Schwere ist allerdings sehr hoch. Daher werden sie kaum f¨ ur Zwecke der Exploration eingesetzt, sondern dienen der Kalibrierung relativer Gravimetermessungen.

4.2 Relative Gravimetrie Ein Relativgravimeter ist eine hochempfindliche und ¨ außerst genaue Federwaage: Ein konstantes Gewicht dehnt eine Feder gem¨ aß der am Messungsort herrschenden Schwere. F¨ ur die Schwereintensit¨ atsbestimmung ist allerdings der tats¨achliche Schwerewert eines Referenzpunktes n¨ otig. Die unterschiedliche L¨angenausdehnung der Feder ist ein Maß f¨ ur die korrespondierende Schwereintensit¨atsdifferenz.

40

Das Hookesche Gesetz (R. Hooke 1676) beschreibt die elastische Verformung von Festk¨orpern unter der Voraussetzung, dass die Verformung proportional zur Belastung ist. Dieses Verhalten ist typisch sowohl f¨ ur Metalle, solange die Belastung nicht zu groß wird, als auch f¨ ur harte, spr¨ode Stoffe wie Glass und Keramik, weshalb derartige spr¨ode Stoffe auch in Relativgravimetern Verwendung finden.

Abb. 22 Verhalten einer Feder nach dem Hookeschen Gesetz: Bei einer Schraubenfeder zeigt sich das lineare Verhalten bei Belastung mit einem Gewicht. Nach Erh¨ ohung des Gewichts tritt auch entsprechend erh¨ ohte Dehnung auf.

F¨ ur unsere gravimetrischen Belange besagt das Hookesche Gesetz im Falle einer Federwaage, dass die Ausdehnung L linear von der Gewichtskraft M g abh¨angt, wobei M die Erdmasse bezeichnet. Dies l¨ asst sich als Formel folgendermaßen ausdr¨ ucken: g(x ) − g(x) =

κ (L(x ) − L(x)), M

(7)

κ als Prowobei κ die Steifigkeit der Feder beschreibt (vgl. Abb. 22) und M portionalit¨atsfaktor dient, f¨ ur den z. B. eine zus¨ atzliche absolute Gravimetermessung Information u ¨ber die explizite Gr¨oße liefert.

Mit der Relativgravimetrie (vgl. Abb. 23) werden also die Differenzen des Absolutbetrages der Schwerebeschleunigung bestimmt. Man spricht daher insbesondere in der Geod¨asie von “relativer Schweremessung”, basierend auf der Bestimmung einer physikalischen Gr¨oße, n¨amlich der Federauslenkung, die u ¨ber das Hookesche Gesetz der Physik Auswertung findet. Relativgravimetrie erm¨oglicht eine rasche Ermittlung von Schwerewerten durch Mehrfachablesung in einem Punkt bei einer hohen Messgenauigkeit, die in gleichbleibender Qualit¨at f¨ ur ein Testgebiet zum Zwecke der Exploration akzeptabel ist.

41

1

2 >  1

Abb. 23 Relative Gravimetrie (Newtonsche Ursache- und Wirkungskette): Die Federauslenkung zwischen zwei Stellen ist proportional der Differenz der Schwereintensit¨ aten an diesen Stellen (Illustration entnommen aus W. Freeden, M. Schreiner (2019)).

Schweremessungen werden mit Flugzeugen, auf der festen Erdoberfl¨ ache, auf der Meeresoberfl¨ache, auf dem Meeresboden oder (in selteneren F¨ allen) in ¨ Bohrl¨ochern durchgef¨ uhrt. Uber Satellitenmethoden ist die Untersuchung feinerer Strukturen des Erdschwerefeldes wegen der Abschw¨ achung eines Gravimetersignals mit der H¨ohe nicht m¨oglich. Klassische terrestrische Schweremessungen kommen haupts¨achlich in lokalen und regionalen Bereichen zur Anwendung. Sehr pr¨azise Geoidberechnungen oder die geophysikalische In¨ terpretation von Bodensch¨atzen, wie Mineral- oder Olvorkommen, oder auch die Feststellung von tektonischen Plattenr¨andern ist auf absehbare Zeit nur mit terrestrischen Methoden (zu denen auch bodennahe luftgest¨ utzte Methoden unter gewissen Umst¨anden zu z¨ahlen sind) durchf¨ uhrbar. Zusammenfassend gilt: Gravitation ist ein Indikator f¨ ur jegliche Form von Massenaufkommen und -¨anderungen. Bisherigen Einsatz findet die Gravimetrie als ein quantitatives Analyseverfahren von Gravitation auf der Basis der Bestimmung von Massenaufkommen und -¨anderungen (vgl. Abb. 24) • in der Geoidbestimmung und der Etablierung von H¨ ohensystemen, • in der Grundlagenforschung, z. B. bei Vulkanen, Hotspots, Plumes, Kontinentalr¨andern,

42

• in der Vorerkundung zu einer Explorationskampagne, • in Arealen, in denen eine seismische Exploration zu kostenintensiv ist, • in seismisch ungeeigneten (d. h. reflexionsarmen und/oder reflexionsverzerrenden) Gebieten wie z. B. Saarland, Sachsen, . . . , ¨ • untertage z. B. zur Uberwachung des Abbaus, • u ¨bertage z. B. zur volumenm¨aßigen Bestimmung von Kohlen- und Abraumhalden, • in der Ermittlung von Grubenwasserschwankungen in anthropogen bergbaum¨aßig stark beeinflussten Bereichen.

Abb. 24 Schwererelevante Massenaufkommen und -¨ anderungen.

Die Mathematik liefert hierbei einen erheblichen Beitrag zur L¨ osung der auftretenden Probleme, insbesondere f¨ ur alle Arten geologischer Formationsund geothermischer Energiesysteme sowie f¨ ur die zeitlich/r¨ aumliche Beschreibung von Massenbewegungen.

43

Teil III

Sto ¨rpotential und Schwereanomalien

5 St¨ orpotential und seine Funktionale Wir beginnen mit einer formelhaften Einf¨ uhrung von Begriffen, die Standard im Kontext der Physikalischen Geod¨asie sind (vgl. z. B. W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967), P.A. Meissl (1971), E. Groten (1979), R. Rummel (1992), W. Torge (2003), B. Hofmann-Wellenhof, H. Moritz (2005), H. Moritz (2015)).

5.1 Normalschwere und St¨ orpotential ¨ Die Lotlinien, die alle Aquipotentialfl¨ achen orthogonal schneiden, sind nicht gerade, sondern leicht gekr¨ ummt (vgl. Abb. 25).

ν(x) x w(x) ¨ Aquipotentialfl¨ ache Lotlinie ¨ Abb. 25 Aquipotentialfl¨ ache und Lotlinie.

Der Schwerevektor ist in jedem Punkt tangential zur Lotlinie. Folglich sind “Richtung des Schwerevektors”, “vertikal” und “Richtung der Lotlinie” synonym. Da die Niveaulinien sozusagen “horizontal”, d. h. orthogonal zu den Lotlinien sind, spielen sie im t¨aglichen Leben eine große Rolle. ¨ Aquipotentialfl¨ achen des Erdschwerepotentials W erlauben im Allgemeinen keine simple mathematische Darstellung. Dies ist der Grund, warum die Physikalische Geod¨asie f¨ ur Modellierungszwecke des Geoids, d. h. der ¨ Aquipotentialfl¨ ache in Meeresh¨ohe, eine geeignete Referenzfl¨ ache w¨ ahlt. Diese ¨ Referenzfl¨ache versteht sich als eine Aquipotentialfl¨ ache eines k¨ unstlichen Potentials U (Normalschwerepotential). Das Gradientenfeld des Normalschwerepotentials, d. h. u = ∇U , wird Normalschwere genannt. Aus Gr¨ unden der Einfachheit greift die Physikalische Geod¨asie gew¨ ohnlich auf ein Rotationsellipsoid (vgl. Abb. 20) zur¨ uck, das seit Gauss als eine “gute” Approximation f¨ ur die Eroberfl¨ache angesehen wird. Geschlossene Darstellungen von Normalschwerepotentialen U unter Ber¨ ucksichtigung der Zentrifugalkraft beginnend von G.G. Stokes (1849), F. Helmert (1884) und vielen anderen werden exten-

47 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_5

siv in der geod¨atischen Literatur betrachtet. Die Abweichungen des Schwerefeldes w vom Normalenfeld u eines solchen Ellipsoids sind klein. Die verbleibenden Anteile des Schwerefeldes werden im sogenannten St¨ orschwerefeld ∇T korrespondierend zu dem St¨ orpotential T = W −U

(8)

gesammelt. ¨ Kennen wir das Schwerefeld, so sind alle Aquipotentialfl¨ achen (einschließlich des Geoids) durch eine Gleichung der Form W (x) = const. gegeben. Nach Einf¨ uhrung von U als das Normalschwerepotential korrespondierend zu einem Rotationsellipsoid ist somit das St¨orpotential T die Differenz von Schwerepotential W und dem Normalschwerepotential U , d. h. W = U + T. Entsprechend der Konzeption entwickelt von G.G. Stokes (1849), F. Helmert (1884) und vielen anderen k¨onnen wir nach P. Pizzetti (1894, 1909) voraussetzen, dass (P1) der Mittelpunkt des Ellipsoids mit dem Schwerpunkt der Erde zusammenf¨allt, (P2) die Differenz von Erdmasse und der Masse des (ellipsoidischen) Referenzk¨ orpers gleich Null ist.

ν  (x)

ν  (x) Geoid W = const = W0

x

w(x)

u(x)

N (x) Geoidh¨ ohe

y Referenz߬ ache U = const = W0

u(y)

Abb. 26 Illustration des Schwerevektors w(x), des Normalenschwerevektors u(x), und der geoidalen H¨ ohe N (x). Der Normalenvektor des Geoids und des Referenzellipsoids aß W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967)). wird jeweils mit ν und ν  bezeichnet (gem¨

48

Ein Punkt x des Geoid kann auf einen assozierten Punkt y des Ellipsoids in Richtung der Ellipsoidnormalen projiziert werden. Der Abstand N (x) zwischen x und y wird geoidale H¨ ohe oder Geoidundulation in x genannt (vgl. Abb. 26).

5.2 Schwereanomalie, Schwerest¨ orung und Lotlinie Der Schwereanomalienvektor a(x) in einem Punkt x des Geoids ist als Differenz zwischen dem Schwerevektor w(x) und dem Normalenschwerevektor u(y) definiert, d. h. a(x) = w(x) − u(y).

(9)

Eine weitere M¨oglichkeit einer Differenzenbildung zwischen w und u in x ist der durch d(x) = w(x) − u(x). (10) gegebene Schwerest¨ orvektor d(x). In der Geod¨asie sind verschiedene grundlegende Beziehungen zwischen den Skalarfeldern |w| and |u| als auch den Vektorfeldern a and d bekannt. Im Folgenden besch¨aftigen wir uns mit den fundamentalen Relationen in heuristischer Weise (siehe auch W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967), W. Torge (2003)).

Ausgangspunkt f¨ ur unsere weitere Exkursion in die Physikalische Geod¨ asie ist die Beobachtung, dass der Schwerest¨orvektor d(x) im Punkt x des Geoids in der folgenden Form als Gradientenfeld geschrieben werden kann: d(x) = w(x) − u(x) = ∇ (W (x) − U (x)) = ∇T (x).

(11)

Nach der bekannten Taylorschen Formel der Analysis ist ∂U (y)N (x) (12) ∂ν  die Linearisierung des Normalschwerepotentials U (x), d. h. bei Abbruch der Taylorschen Formel von U in x nach dem linearen Term erhalten wir U (y) +

U (x)  U (y) +

∂U (y) N (x), ∂ν 

wobei ν  (y) = −

49

u(y) |u(y)|

(13)

(14)

die ellipsoidische Normale in y und N (x) die bereits erw¨ ahnte Geoidundulation bezeichnen (das Symbol “ ”bedeutet, dass der Unterschied von linker und rechter Seite als Ergebnis der Linearisierung als signifikant klein angenommen werden kann). Verm¨oge der Beziehung T (x) = W (x) − U (x) und mithilfe der Relationen ∂U (y), ∂ν  erhalten wir unter der getroffenen Voraussetzung (13), dass |u(y)| = −ν  (y) · u(y) = −ν  (y) · ∇U (y) = −

N (x) =

U (y) − U (x) T (x) − (W (x) − U (y)) = . |u(y)| |u(y)|

(15)

(16)

gilt. Beachten wir noch die folgende Gleichsetzungsbedingung der Konstanten an ¨ die Aquipotentialfl¨ achen U (y) = W (x) = const. = W0 ,

(17)

so gelangen wir zur sogenannten Formel von Bruns (siehe E.H. Bruns (1878)) N (x) =

T (x) . |u(y)|

(18)

Die Formel von Bruns ist bemerkenswert: Sie setzt die physikalische Gr¨ oße T (x) in Beziehung zur geometrischen Gr¨ oße N (x), und zwar f¨ ur Punkte x des Geoids. F¨ ur unsere Studien ist es hilfreich, das Vektorfeld ν(x) genauer zu betrachten: ν(x) = −

w(x) . |w(x)|

(19)

Entsprechend der Definition des Normalenvektorfeldes (19) gewinnen wir die folgende Identit¨at w(x) = ∇W (x) = − |w(x)| ν(x).

(20)

In analoger Weise erhalten wir u(x) = ∇U (x) = − |u(x)| ν  (x).

(21)

Als Lotabweichung Θ(x) im Punkt x des Geoids verstehen wir die tangentiale Winkeldifferenz zwischen den Richtungen ν(x) und ν  (x). Mit anderen

50

Worten, die Lotabweichung ist der Winkel zwischen der Lotlinie und der ellipsoidischen Normale durch denselben Punkt: Θ(x) = ν(x) − ν  (x) −



  ν(x) − ν  (x) · ν(x) ν(x).

(22)

Entsprechend dieser Konstruktion ist die Lotabweichung Θ(x) in x orthogonal zum Normalenvektorfeld ν(x), d. h. Θ(x) · ν(x) = 0. Da die Lotlinien ¨ jeweils orthogonal zur Aquipotentialfl¨ ache des Geoids als auch zum Ellipsoid sind, ist die Lotabweichung kurz gesagt ein Maß f¨ ur den Gradienten der ¨ Aquipotentialfl¨ achen (vgl. W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967), W. Freeden, M. Schreiner (2006)). Aus der Formel (20) folgt in Verbindung mit (22), dass      w(x) = −|w(x)| Θ(x) + ν  (x) + ν(x) − ν  (x) · ν(x) ν(x) . (23) gilt. Unter Benutzung der Formeln (21) und (23) erhalten wir schließlich f¨ ur den Schwerest¨orvektor d(x) im Punkt x d(x) = ∇T (x) = w(x) − u(x)









= −|w(x)| Θ(x) + ν (x) + = −|w(x)| Θ(x) +









 





(24)

ν(x) − ν (x) · ν(x) ν(x) − −|u(x)|ν (x)







ν(x) − ν  (x) · ν(x) ν(x) − (|w(x)| − |u(x)|) ν  (x).

Die Gr¨oße D(x) = |w(x)| − |u(x)|

(25)

wird Schwerest¨ orung genannt, wohingegen A(x) = |w(x)| − |u(y)|

(26)

Schwereanomalie heißt. Zerlegen wir den Gradienten ∇T (x) des St¨orpotentials T in x in den Normalenanteil (der in die Richtung von ν(x) weist) und den tangentialen Winkelteil (der durch den Fl¨achengradienten ∇∗ beschrieben wird), so gelangen wir zur Formel 1 ∗ ∂T (x) + ∇ T (x). (27) ∇T (x) = ν(x) ∂ν |x| Nach W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967)) ist der Fehler zwischen ν(x) ∂T ∂ν (x) ∂T und ν  (x) ∂ν (x) vernachl¨ a ssigbar. Folglich d¨ u rfen wir schließen, dass  d(x)  ν  (x)

∂T 1 ∗ ∇ T (x). (x) + ∂ν  |x|

(28)

gilt. Weiterhin ist das Skalarprodukt (ν(x) − ν  (x)) · ν(x) vernachl¨ assigbar. Somit erhalten wir in Verbindung mit (24) d(x)  −|w(x)| Θ(x) − D(x)ν  (x).

51

(29)

Durch Vergleich von (28) und (29) erhalten wir daher ∂T (x) = −ν  (x) · d(x), ∂ν  1 |w(x)| Θ(x) = − ∇∗ T (x). |x| D(x) = −

(30) (31)

Dies bedeutet, dass die Schwerest¨orung D(x), neben ihrer Definition als Differenz der Betr¨age von wahrem und normalem Schwerevektor, auch als Normalkomponente des Schwerest¨orvektors d(x) gedeutet werden kann. Zusatzlich werden wir zur Fl¨achengradientengleichung (31) gef¨ uhrt. Wenden wir die Formel von Bruns (18) auf die Gleichung (30) und (31) an, so erhalten wir D(x) = |w(x)| − |u(x)| = −|u(y)|

∂N (x) ∂ν 

(32)

f¨ ur die Schwerest¨orung und |w(x)| Θ(x) = −

1 1 ∇∗x T (x) = − |u(y)| ∇∗ N (x) |x| |x|

(33)

f¨ ur die Lotabweichung. Dabei ber¨ ucksichtigen wir, dass Θ(x) (ohne Verlust der Rechengenauigkeit) entweder mit |w(x)| oder mit |u(x)| multipliziert werden kann (vgl. W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967)). Wenden wir uns den Schwereanomalien A(x) zu, so folgt aus (30) durch Linearisierung, dass ∂|u(y)| ∂T (x) = D(x)  A(x) − N (x). (34) ∂ν  ∂ν  Mit Hilfe der Formel von Bruns (18) erhalten wir f¨ ur die Schwereanomalien, dass −

A(x) = −

1 ∂|u(y)| ∂T (x) + T (x). ∂ν  |u(y)| ∂ν 

(35)

ist. Fassen wir unsere Resultate (30) f¨ ur die Schwerest¨ orung D(x) und (35) f¨ ur die Schwereanomalien A(x) zusammen, so werden wir auf die sogenannten Fundamentalgleichungen der Physikalischen Geod¨ asie gef¨ uhrt:

52

∂T (x), ∂ν  ∂T ∂|u(y)| 1 A(x) = |w(x)| − |u(y)| = −  (x) + T (x). ∂ν |u(y)| ∂ν 

D(x) = |w(x)| − |u(x)| = −

(36) (37)

Die Gleichungen (36) und (37) zeigen jeweils die Beziehung zwischen dem St¨ orpotential T sowie der Schwerest¨orung D und/oder der Schwereanomalie A auf dem Geoid (siehe z. B. E. Groten (1979), W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967), P.A. Meissl (1971)). Sie werden als Randbedingungen in potentialtheoretischen Randwertproblemen der Physikalischen Geod¨ asie genutzt.

5.3 Funktionale des St¨ orpotentials in sph¨ arischer Nomenklatur Nach W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967) sind die Unterschiede der Geoidundulationen N vom Rotationsellipsoid extrem klein. Mehr noch, das Referenzellipsoid unterscheidet sich von einer Sph¨are S2R mit mittlerem Erdradius R h¨ochstens in der Ordnung der Abplattung. In der numerischen Praxis ist es daher anders als bei der Modellbildung ratsam, das Referenzellipsoid als arischer Sph¨are S2R zu behandeln, sodass die Gleichungen (32) und (33) in sph¨ Approximation gel¨ost werden. In diesem Zusammenhang sollte angemerkt werden: Selbstverst¨ andlich k¨ onnen alle Facetten einer geod¨atisch orientierten Theorie des St¨ orpotentials auch in ellipsoidischer Nomenklatur formuliert werden (vgl. E.W. Grafarend (2001), E.W. Grafarend et al. (2010), E.W. Grafarend (2020) jeweils f¨ ur den sph¨ arischen und ellipsoidischen Zugang). In der Abw¨ agung zwischen ellipsoidischem und sph¨arischem Zugang entscheiden wir uns in diesem Werk f¨ ur den letzteren. Hierf¨ ur gibt es die folgenden Gr¨ unde: • Basierend auf dem Runge-Satz (vgl. z. B. W. Freeden (1980), M.A. Augustin et al. (2018)) lassen sich selbst in einem globalen Approximationskonzept zur Gravitationsfeldbestimmung ellipsoidische Versuchsfunktionen theoretisch konsistent durch sph¨arische ersetzen. Es besteht also keine approximative Notwendigkeit selbst bei ellipsoidischen Geometrien mit ellipsoidischen Versuchsfunktionen zu arbeiten. • Theoretische Konsistenz zum ellipsoidischen Modell ist f¨ ur einen lokalen Explorationskontext eh weniger bedeutsam als numerisch-approximative ¨ sph¨arische Effizienz und Okonomie.

53

In sph¨arischer Nomenklatur bezogen auf die Sph¨ are S2R mit mittlerem Erdradius R und mit einer homogen im Innern verteilten Masse M lauten dann die Grundgr¨oßen des Normalpotentials (vgl. W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967)) wie folgt: U (y) =

γM , |y|

u(y) = ∇U (y) = −

γM y , |y|2 |y|

(38)

wobei γ die Gravitationskonstante bezeichnet. Daher erhalten wir |u(y)| = sowie

γM |y|2

(39)

∂|u(y)| γM u(y) · ∇|u(y)| = −2 3 =−  ∂ν |u(y)| |y|

(40)

1 ∂|u(y)| 2 =− . |u(y)| ∂ν  |y|

(41)

x ∂T · ∇T (x). (x) = − ∂ν  |x|

(42)

und

Mehr noch, f¨ ur x ∈ S2R , gilt −

Dies erlaubt uns die Formulierung der fundamentalen Gleichungen der Physikalischen Geod¨ asie in sph¨ arischer Nomenklatur: x · ∇T (x), |x| x 2 A(x) = − · ∇T (x) − T (x). |x| |x|

D(x) = −

(43) (44)

Weiterhin erhalten wir im vektoriellen sph¨arischen Kontext (siehe W. Freeden, M. Schreiner (2009)) f¨ ur die Differentialgleichung (31) γM Θ(x). R Mithilfe der Formel von Bruns (18) ergibt sich dann −∇∗ T (x) =

−∇∗ N (x) = R Θ(x).

(45)

(46)

Anmerkung 1. In der physikalischen Geod¨asie, einer Arbeit von F.A. Vening Meinesz folgend (siehe z. B. W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967), B. Hofmann-Wellenhof, H. Moritz (2005)), wird gew¨ ohnlich eine komponentenweise skalare Formulierung der Lotabweichungen bevorzugt. Unser Zugang hingegen liefert eine Vektorgleichung, n¨amlich (45). Damit sind wir in der Lage, einen (vektoriellen) isotropen L¨osungsweg (vgl. W. Freeden, M. Schrei-

54

ner (2009)) zu beschreiten und nicht auf die konventionelle anisotrope skalare Zerlegung des Vektorfeldes der Lotabweichungen nach F.A. Vening Meinesz (1928) zur¨ uck zu greifen. Das St¨orpotential l¨asst die folgenden geophysikalischen Interpretationen zu (vgl. R. Rummel (2002)):

Abb. 27 GFZ-EIGEN-GL04C abgeleitete Geoidundulationen (oben) und zugeh¨ origes St¨ orpotential (unten) rekonstruiert mithilfe des gegl¨ atteten Haar-Kerns (vgl. W. Freeden, M. Schreiner (2009)).

Geoidundulationen sind ein Maß f¨ ur die St¨orung vom hydrostatischen ¨ Equilibrium. Sie bilden die Abweichungen der Aquipotentialfl¨ ache in mittlerer Meeresh¨ohe vom Referenzellipsoid, Geoidundulationen zeigen keine wesentliche Korrelation zur Anordnung der Kontinente (vgl. Abb. 27). Sie scheinen von Dichtekontrasten viel tiefer innerhalb der Erde erzeugt zu werden.

55

Schwerest¨orungen D und Schwereanomalien A (vgl. Abb. 28) stellen eine Beziehung zwischen der tats¨achlichen Erde und einem Referenzsystem dar. Gem¨aß des Newtonschen Gravitationsgesetzes zerlegen sie das Ungleichgewicht von Kr¨ aften innerhalb der Erde aufgrund der irregul¨aren Dichteverteilung. Schwereanomalien und Schwerest¨orungen kennzeichnen somit die lokale Abweichung der Schwerebeschleunigung von einem theoretischen Normalwert auf einer Referenzfl¨ache, diese ist bisher meist das Referenzellipsoid. Auf der Erde k¨onnen die Schwereanomalien bis zu ±200 mGal = ±0, 2 Gal = ±0, 002 sm2 erreichen, was 0, 02 % der mittleren Schwerkraft sind. Selbstverst¨andlich bestimmen Schwerest¨orungen/Schwereanomalien nicht in eindeutiger Weise die innere Dichteverteilung der Erde. Stattdessen lassen sie sich als gefilterte Signale interpretieren, die ein gr¨ oßeres Gewicht den Dichtekontrasten nahe der Erdoberfl¨ache geben und simultan den Einfluss von tieferen Strukturen innerhalb der Erde unterdr¨ ucken.

Abb. 28 GFZ-EIGEN-GL04C abgeleitete Schwereanomalien (oben) und Schwerest¨ orungen (unten) rekonstruiert mithilfe des gegl¨ atteten Haar-Kerns (vgl. W. Freeden, M. Schreiner (2009)).

56

Mit anderen Worten, in der Theorie des Schwerefeldes spielt die Abweichung des tats¨achlich gemessenen Schwerefeldes von einem Normalschwerefeld eine signifikante Rolle. Dem Normalschwerefeld liegt gew¨ ohnlich ein sogenanntes Niveauellipsoid zugrunde. In seinen definitorischen Dimensionen ist es ein mittleres Erdellipsoid mit einer v¨ollig homogenen Massenverteilung im Innern sowie gleicher Masse und Rotationsgeschwindigkeit wie die Erde (vgl. z. B. W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967), W. Torge (2003)). Gemessene terrestrische Schwerewerte werden durch sogenannte Reduktionen (z. B. Bouguerreduktion) auf das Geoid bezogen und zur¨ uck gerechnet. Durch die Abweichung der reduzierten Schwerewerte von den korrespondierenden Normalschwerewerten werden Schwereanomalien bestimmbar. Sie erm¨ oglichen R¨ uckschl¨ usse auf die Beschaffenheit im Erdinneren, die Dichte der Erde und auch u ¨ber das eventuelle Vorkommen von Rohstoffen und dienen somit der Exploration von Lagerst¨atten, wie z. B. Erd¨ol- und Erzvorkommen, als auch der geologischen Charakterisierung von Bohrlochumgebungen.

Schwereanomalien und Schwerest¨orungen geben Aufschluss u ¨ber Unregelm¨aßigkeiten der Massenverteilung im Untergrund, die mehrere Ursachen haben k¨onnen, z. B. • unterschiedliche Gesteinsformationen in der Erdkruste, • Abweichung der Dichten von ihrem Durchschnittswert (z. B. bei Aquiferen, Rohstofflagerst¨atten), • Einlagerung von Rohstoffen (z. B. Kohlenwasserstoffe), • Massen¨anderng im Erdinnern (z. B. Grubenw¨ asser),

Die genannten Ph¨anomene bewirken kurzwellige (lokale) Anomalien, w¨ ahrend die Aspekte • ungleiche Tiefe der Erdkruste (isostatische Unregelm¨ aßigkeiten), • ver¨anderlicher Dichtekontrast zwischen Erdkruste und Erdmantel langwellige (regionale) Charakteristik besitzen. In flachen Arealen ist die Methode der Lagerst¨ attenerkundung durch Schweremessungen mit Gravimetern besonders wirtschaftlich. Im Gebirge jedoch sind die Einfl¨ usse des Gel¨andes auf die Schwerkraft schwieriger zu ber¨ ucksichtigen. Daher kommen in gebirgigen Arealen bisher meist seismische Verfahren zum Aufsp¨ uren unterirdischer Dichtevariationen zum Einsatz.

57

5.4 Bougueranomalie, Freiluftanomalie Der Messwert der Schwereintensit¨at g = |w|, der sich aus der absoluten als auch relativen Gravimetrie ergibt, ist verschiedenen Einfl¨ ussen ausgesetzt (siehe z. B. W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967), B. Hofmann-Wellenhof, H. Moritz (2005)): • Normalschwere berechnet aus Breitengrad und ellipsoidischer H¨ ohe mit global angepassten Parametern, • Gangkorrektur, d. h. Korrektur der zeitlich variablen Einfl¨ usse auf gravimetrische Messungen, vor allem Instrumentendrift und Erdgezeiten, • Breitenkorrektur, d. h. Korrektur der durch die geographische Breite verursachten Abweichung im Normalfeld, • H¨ohen- oder Freiluftreduktion, d. h. Korrektur der Abweichungen, die durch unterschiedliche H¨ohe u ¨ber dem Meeresspiegel der Messungen hervorgerufen werden, • Platten-Korrektur, d. h. Korrektur der Schwerewirkung einer (unendlich ausgedehnten) Platte bestimmter Dicke, • Topographische Reduktion, d. h. Korrektur der lokalen Massenanziehung des Gel¨andes (der Berge oder T¨aler). Sie erfolgt u ¨blicher Weise mit einem digitalen Gel¨andemodell.

Verschiedene Einfl¨ usse implizieren verschiedene Typen von Schwereanomalien, wobei die Bougueranomalie (nach dem franz¨ osischen Geod¨ aten und Astronomen P. Bouguer (1698-1757) in der Explorationspraxis die gr¨ oßte Bedeutung hat (vgl. z. B. H. Militzer, F. Weber (1984), W. Torge (1989)). Die Bougueranomalie ist um alle oben genannten Anteile der Schwereintensit¨ at reduziert. Genauer gesagt gilt:

58

Die Bougueranomalie modifiziert die gemessene Schwereintensit¨at durch ein additive Anwendung von Niveaureduktion, Plattenreduktion, topographischer Reduktion unter subtrahierender Ber¨ ucksichtigung der Normalschwere-Reduktion (f¨ ur mehr Details sei der Leser z. B. auf H. Militzer, F. Weber (1984), W. Torge (1989) verwiesen). Bougueranomalien sind somit durch Dichteinhomogenit¨ aten charakterisiert. Sie befinden sich im Untergrund unter dem Bezugsniveau der Bouguerplatte. Eine positive Bougueranomalie spiegelt einen Masse¨ uberschuss wider, eine negative Bougueranomalie bedeutet Massendefizit. Eine Trennung von regionalen und lokalen Bougueranomalien ist oftmals auch in der Exploration hilfreich, um ein genaueres mathematisches Modell des Untergrundes zu erzeugen. Jedoch sind diese Modelle nie eindeutig und m¨ ussen durch andere Untersuchungen (Bohrungen, seismische Messungen) untermauert werden (vgl. unsere Anmerkungen zu inversen Problemen). Nach L.L. Nettleton (1976) ist die Differenz der Bougueranomalien berechnet f¨ ur zwei verschiedene Dichten von topographischen Massen der Dichtedifferenz und der H¨ohe u ¨ber NN direkt proportional. Mit dieser Grundlage entwickelte er ein graphisches Verfahren (“Nettleton-Verfahren”) zur Bestimmung der “korrekten” Dichte oberfl¨achennaher Gesteine. Die Freiluftanomalie ist z. B. in der Physikalischen Geod¨ asie von Bedeutung. Sie ergibt sich, wenn in der Bougueranomalie die topographische Reduktion und die Plattenreduktion nicht angebracht werden.

59

Teil IV

Geomathematisch-gravimetrische Dekorrelationsgrundlagen

6 Potentiale In seiner Philisophiae Naturalis Principia Mathematica leitet I. Newton (1687) seine “three laws of motion” ab, die hier in einer etwas modernisierten Form zitiert werden (vgl. W. Freeden, M. Schreiner (2019): • Newton’s First Law (also known as Law of Inertia) states that an object at test tends to stay at rest and that an object of uniform motion tends to stay in uniform motion unless acted upon by net external force. The meaning of this law is the existence of reference frames (called inertial frames) where objects not acted upon by forces move in uniform motion (in particular, they may be at rest). • Newton’s Second Law states that an applied force on an object equals the rate of momentum. Using the definition of acceleration the law can be written in the iconic form that the force apart from a factor charactering (constant) mass is equal to the acceleration. • Newton’s Third Law states that, for every action, there is an equal and opposite reaction. This means that any force exerted to an object has a counterpart force that is exerted in the opposite direction back onto the first object. • In conclusion, Newton’s famous law about the mutual attraction of two masses tells us that the attractive force, called gravitation, is directed along the line connecting the two centers of the objects and is proportional to both masses as well as to the squared inverse of the distance between the two objects.

r

F2

F1 M1

M2

Abb. 29 Gravitation von zwei Massenpunkten. Zwei Massenpunkte im Abstand r ziehen sich einander mit einer Kraft an, deren Moduli dem Newtonschen Gesetz (1687) F1 = F2 = γ M1 M2 /r2 nachkommen, wobei γ die Gravitationskonstante ist.

Newtonsche Physik ist universell. Sie l¨asst sich auf einen Planeten ebenso wie auf ein fallendes Partikel (“Apfel”) anwenden. Newton wird nachgesagt, dass er zur Ableitung seiner Gravitationstheorie von der Beobachtung eines fallenden Apfels inspiriert war. Obwohl man heute oftmals glaubt, dass die Geschichte des fallenden Apfels ein Mythos ist, so schließen doch einige Kenntnisse u ¨ber Newton dies in der Tat nicht aus. So schrieb z. B. F.-M. A. Voltaire (1727) in seinem Essay on Epic Poetry: 63 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_6

“Sir Isaac Newton walking in his gardens, had the first thought of his system of gravitation, upon seeing an apple falling from a tree.”

6.1 Punkt- und Fl¨ achenpotentiale F¨ ur das Verst¨andnis der Rolle der Potentiale in unserem Kontext beginnen wir mit einigen weithin bekannten Grundlagen. Die Kurzdarstellung in diesem Abschnitt zur Vorbereitung auf die sp¨ ateren mathematischen Ausf¨ uhrungen dieses Buches ist in der Tat grundlegend; sie bereitet den methodischen Hintergrund der in diesem Buch behandelten dekorrelativen Gravimetrie (ein tiefer gehendes Studium von Potentialen findet sich in allen Lehrb¨ uchern u ¨ber Potentialtheorie, z. B. F. Neumann (1887) A. Wangerin (1921), O.D. Kellogg (1929), N.M. G¨ unter (1957), E. Martensen (1968), L.L. Helms (1969), S.G. Michlin (1975), W. Freeden, C. Gerhards (2013)). Gem¨aß der Newtonschen Gravitationstheorie gibt es verschiedene Pr¨ amanifestationen von Potentialen: Potential eines Massenpunktes: Nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz (vgl. Abb. 29) ziehen sich zwei Punkte mit dem Massen M1 , M2 gegenseitig mit einer Kraft v der Form v(x) = −γ

M1 M2 (x − y), |x − y|3

x = y.

(47) 3

M an, wobei γ die Newtonsche Gravitationskonstante (γ = 6, 6742·10−11 kg−1 ; s−2 M: Erdmasse) bezeichnet. Die Kraft ist dabei entlang der Linie gerichtet, die die Punkte x, y verbindet.

Obwohl die Massen M1 , M2 sich einander in symmetrischer Weise anziehen, ist es u ¨blich, eine als anziehende Masse und die andere als angezogene Masse zu bezeichnen. Konventionsgem¨aß wird die anziehende Masse zu Eins geetzt, und die angezogene Masse zu M : v(x) = −γ

M (x − y), |x − y|3

y ∈ R3 , x ∈ R3 \{y}.

(48)

Die Formel (48) beschreibt die Kraft ausge¨ ubt durch die Masse M auf die Einheitsmasse, die sich im Abstand |x − y| von M befindet. Offensichtlich ist die Intensit¨at (Betrag) |v(x)| der Kraft v(x) in x gegeben durch M , y ∈ R2 , x ∈ R3 \{y}. (49) |v(x)| = γ |x − y|2 64

Die skalare Function V definiert durch V (x) = γ

M , |x − y|

y ∈ R3 , x ∈ R3 \{y}

(50)

wird Gravitationspotential der Punktmasse genannt. Der Kraftvektor v(x) ist der Gradient des skalaren Potentials V (x). Mit anderen Worten gilt V (x) = ∇V (x),

x ∈ R3 \{y}.

(51)

Die zweiten Ableitungen von V lassen sich f¨ ur x ∈ R3 \{y} leicht berechnen. Es gilt:   (xi − yi )(xj − yj ) ∂2V 1 δ . (52) (x) = − − 3 i,j ∂xi ∂xj |x − y|3 |x − y|2 Somit ergibt sich mit dem Laplace-Operator Δ, d. h. dem Operator der Summe der zweiten Ableitungen x ∈ R3 \{y}.

ΔV (x) = 0,

(53)

Potential eines Massenpunktsystems: Das Potential ist die Summe der individuellen Beitr¨age V (x) = γ

N  i=1

Mi , |x − yi |

x ∈ R3 \{y1 , . . . , yN }.

(54)

Somit gilt: ΔV (x) = 0,

x ∈ R3 \{y1 , . . . , yN }.

(55)

Das Gravitationsfeld v eines Massenpunktsystems ist der Gradient des skalaren Potentials V . Mit anderen Worten gilt: v(x) = ∇V (x),

x ∈ R3 \{y1 , . . . , yN }.

(56)

Wegen des Fehlens magnetischer Monopole konstituieren sich magnetische ¨ Felder immer aus magnetischen Dipolen und deren Uberlagerungen (vgl. Abschnitt 21). Auch das Magnetfeld der Erde ¨ahnelt im Außenbereich einem Dipolfeld mit Dipolachse von Nord nach S¨ ud. Punktpotential eines Dipols. Bei der Formulierung des Newtonschen Gesetzes (71) zeigt sich, dass sich das Newtonsche Volumenpotential in Form eines Monopolfeldes darstellen l¨asst, indem man u orper ¨ber den gesamten K¨ die Dichte mit einem Monopol faltet. Im Gegensatz hierzu muss man bei der Magnetometrie zur Betrachtung von Dipolfeldern u ¨bergehen. Ein magnetischer Dipol ist die einfachste beobachtete Form, in der Magnetismus

65

auftritt (vgl. z. B. P.M. Morse, H. Feshbach (1953), C. M¨ uller (1969), W. Hauser (1971), G.E. Backus et al. (1996), R.J. Blakely (1996), J.D. Jackson (1998)). Alle komplizierteren magnetischen Strukturen lassen sich aus Dipo¨ len zusammensetzen. Uber magnetische Monopole wird zwar spekuliert, es konnten aber bisher keine entdeckt werden. Magnetische Multipole (Quadrupole und Multipole h¨oherer Ordnung) m¨ ussen beim Geomagnetfeld prinzipiell in Betracht gezogen werden, jedoch stellt sich das magnetische Fernfeld stets in einer N¨aherung als Dipolfeld dar.

Abb. 30 Darstellung zweier entgegengesetzter Punktmassen (links) und eines daraus sich ergebenden Dipols (rechts) mit Feldlinienverlauf.

Zur Veranschaulichung des Modells des Dipols gehen wir der von einer Anordnung von zwei entgegengesetzten jedoch vom Betrag her gleich großen Punktmassen (oder auch anschaulicher Punkladungen) in Form von zwei Monopolen q und −q aus (siehe Abbildung 30, links). Im Folgenden nehmen wir der Einfachheit halber an, dass der Monopol zur Punktmasse q im Ursprung liegt und der Monopol zur Punktmasse −q einen Abstand von |Δz| hat. Wenn also Δz der von −q nach q orientierte Abstandsvektor ist (siehe Abb. 31), so bezeichnet man das Dipolmoment als p = qΔz . Ein Dipol ist nun definiert indem der Abstand der beiden Punkmassen so gegen Null strebt, dass p konstant (und somit endlich) bleibt (siehe Abb. 30, rechts). Der so definierte Dipol liegt dann in einem festen Raumpunkt (also aufgrund unserer Annahme im Ursprung). Das Potential des Dipols B ergibt sich als infinitesimale Summe der beiden Monopol-Potentiale V1 zur Masse q und V2 zur Masse −q (siehe Abb. 31): B(x) = V1 (x) + V2 (x) = V1 (x) − V1 (x + Δz).

(57)

Mit anderen Worten, indem man den Abstand beider Monopole gegen Null streben l¨asst, ergibt sich ein Differential. Die Magnetisierung m ist dann definiert als m = qξdy, wobei ξ der Einheitsvektor in Richtung der Magnetisierung ist, also vom Monopol q zum Monopol −q weist. Allgemein erh¨ alt 66

Abb. 31 Zwei Monopole mit Masse q und −q, wobei q im Ursprung liegt und −q im Punkt −Δz.

man f¨ ur das Dipolpotential im Punkt x eines elementaren Dipols im Punkt y die Darstellung 1 1 m · ∇y 4π |x − y| 1 1 =−σ m · ∇x 4π |x − y| 1 m · (x − y) =−σ , m ∈ R3 , x ∈ R3 \{y}. 4π |x − y|3

B(x) = σ

(58)

Das Dipolpotential wird somit durch Differentiation eines Einfachpoles in Richtung eines Vektors m erzeugt. Das Dipolfeld b in Richtung von m ist definiert durch 1 1 m · ∇y 4π |x − y| 1 m · (x − y) = −σ ∇x 4π |x − y|3   (x − y) m 1 3 m · (x − y) − , = σ 4π |x − y|5 |x − y|3

b(x) = σ ∇x

(59)

m ∈ R3 , x ∈ R3 \{y}.

Es ist offensichtlich, dass ∇ · b(x) = ∇ · ∇B(x) = ΔB(x) = 0, d. h. das Dipolfeld b ist divergenzfrei.

67

x ∈ R3 \{y},

(60)

Endliches Dipolsummenfeld in den Richtungen von mi , i = 1, . . . , N . Das Dipolpotential f¨ ur N Punkte xi in den Richtungen mi , i = 1, . . . , N , besteht aus der Summe der indiviuellen Beitr¨age B(x) = σ

N 

mi · ∇y

i=1

1 |y=yi |x − y|

1  mi · (x − yi ) , 4π |x − yi |3

(61)

N

= −σ

mi ∈ R3 ,

x ∈ R3 \{y1 , . . . , yN }.

i=1

Es ist klar, dass N 1  1 |y=yi mi · ∇y 4π |x − y| i=1  N  1  (x − yi ) mi 3 mi · (x − yi ) . = σ − 4π |x − yi |5 |x − yi |3

b(x) = σ ∇x

(62)

i=1

Mehr noch, b ist divergenzfrei außerhalb {y1 , . . . , yn }, d. h. es gilt ∇ · b(x) = ∇ · ∇B(x) = ΔB(x) = 0,

x ∈ R3 \{y1 , . . . , yN }

(63)

(analog zur Newtonschen Gravitationskonstante kann die Proportionalit¨ atskonstante σ im theoretischen Teil gleich Eins gesetzt werden, was aber nicht f¨ ur die numerischen Anwendungen gilt). Fl¨ achenpotential der einfachen Belegung: Wir betrachten einen K¨ orper (z. B. die Erde oder ein Teilgebiet der Erde) B, dessen Berandung ∂B die u ¨blichen S¨atze der 3D-Vektoranalysis zul¨asst. B ⊂ R3 ist das Innere des K¨orpers (Innenraum). B ⊂ R3 , B = B ∪ ∂B ist der topologische Abschluss. F¨ ur die anziehenden Massen wird angenommen, dass sie eine Belegung einer geschlossenen Fl¨ ache bilden, z. B. ∂B mit der “Dicke” Null und “Dichte”  (y) dS(y), (64) V (x) = γ ∂B |x − y| wobei dS(y) das Fl¨achenelement (bez¨ uglich der Variablen y) bezeichnet. Diese Definition ist fiktiv, nichtsdestoweniger ist sie von großer theoretischer Bedeutung. Im Unendlichen verh¨alt sich das Fl¨ achenpotential der einfachen Belegung wie das Punktpotential, n¨amlich V (x) = O(|x|−1 ),

|x| → ∞.

(65)

V ist harmonisch im “Innenraum” B und im “Außenraum” B c = R3 \B, d. h. es gilt die homogene Laplace-Gleichung

68

ΔV (x) = 0,

x∈ / ∂B.

(66)

Fl¨ achenpotential der doppelten Belegung: Eine doppelte Belegung auf einer Fl¨ache ∂B l¨asst sich als zwei Einfachbelegungen separiert duch eine kleine Distanz σ verstehen. Die Fl¨achennormale ν in y ∈ ∂B schneidet die zwei Belegungen in den Punkten y + σ2 ν(y) and y − σ2 ν(y) (f¨ ur kleine Werte σ), die Fl¨achendichten gleicher Gr¨oße und mit entgegengesetztem Vorzeichen besitzen. Jedes korrespondierende Paar (y − σ2 ν(y), y + σ2 ν(y)) von Punkten definiert u ur σ → 0) ein ¨ber die Taylorsche Formel (im linearisierten Sinne f¨ Potential eines Dipols V (x) = γM ν(y) · ∇y

1 , |x − y|

x ∈ R3 \{y}

(67)

mit dem Dipolmoment M . Integrieren wir u ¨ber alle Dipole auf ∂B, so werden wir auf das Potential der doppelten Belegung gef¨ uhrt: 1 dS(y). (68) (y) ν(y) · ∇y V (x) = σ |x − y| ∂B V ist harmonisch im “Innenraum” B und im “Außenraum” B c = R3 \B, d. h. ΔV (x) = 0,

x∈ / ∂B.

(69)

Im Unendlichen verh¨alt sich das Fl¨achenpotential der doppelten Belegung wie der Betrag des Gradienten des Punktpotentials V (x) = O(|x|−2 ),

|x| → ∞.

(70)

Die doppelte Belegung muss scharf von der einfachen Belegung unterschieden werden. Gemeinsam ist beiden die Tatsache, dass sie im Unendlichen verschwinden und der Laplace Gleichung im Innenraum und Außenraum gen¨ ugen. Auf der Fl¨ache ∂B selbst sind sie jedoch von vollst¨ andig anderem Charakter, und es ist diese Differenz, die diese fiktiven Potentiale so mathematisch n¨ utzlich machen (vgl. W. Freeden, C. Gerhards (2013) f¨ ur detailliertere Studien).

69

6.2 Volumenpotentiale Wir kommen jetzt zu Volumenpotentialen u ¨ber einen Testbereich B. Newtonsches Volumenpotential: Die Punktmassen werden als stetig verteilt u ¨ber einen K¨orper B ⊂ R3 , B = B ∪ ∂B, mit der Dichte  angesehen. Die diskrete Summe (54) wird dann zu einer stetigen Summe, d. h. ein Integral u ¨ber den K¨orper B (x) dy, (71) V (x) = γ |x − y| B wobei dy das Volumenelement (bez¨ uglich der Variablen y) darstellt. Offensichtlich gilt: ΔV (x) = 0,

x ∈ R3 \B,

(72)

d. h. V ist harmonisch im Außenraum (wir beachten, dass V im gesamten Raum R3 definiert ist, und zwar als eigentliches Integral f¨ ur Punkte des Auur Punkte von B = B ∪ ∂B. ßenraums R3 \B und als uneigentliches Integral f¨ Jedoch kann ΔV (x) nicht durch Vertauschung des Laplace Operators Δ mit dem Integral f¨ ur einen Punkt x innerhalb B gewonnen werden). Im Unendlichen verh¨alt sich das Potential wie ein Punktpotential: V (x) = O(|x|−1 ),

|x| → ∞.

(73)

y

x

0

|x| 2

Abb. 32 Regularit¨ at im Unendlichen.

Die Dreiecksungleichung liefert n¨amlich f¨ ur alle x ∈ R3 mit |y| ≤ 12 |x|, y ∈ B

1 |x| ≤ ||x| − |y|| ≤ |x − y|. 2 70

(74)

Im n¨achsten Abschnitt werden wir wesentlichen Gebrauch davon machen, dass die (gen¨ ugend glatt angenommene) Dichte  und das Gravitationspotential V u ¨ber die Poissonschen Differentialgleichung (x) = −ΔV (x),

x ∈ B,

(75)

miteinander verkn¨ upft sind. Einmal mehr nehmen wir dabei jetzt und f¨ ur den gesamten Kontext an, dass der Rand ∂B die Anwendung des aus der Vektoranalysis bekannten Satzes von Gauss erlaubt. Der sogenannte NewtonKern, d. h. die (abgesehen vom Vorzeichen) Fundamentall¨ osung des LaplaceOperators Δ, ist durch die rotationssymmetrische Kernfunktion G(Δ; |x − y|) gem¨aß Gleichung (76) gegeben (siehe z. B. W. Freeden, C. Gerhards (2013) f¨ ur weitere potentialtheoretische Ausf¨ uhrungen): G(Δ; |x − y|) =

1 1 , 4π |x − y|

x, y ∈ R3 ,

x = y.

(76)

In der Konsequenz l¨asst sich eine L¨osung der Poissonschen Differentialgleichung (75) mithilfe des Newton-Kerns G(Δ; ·) als die (volumenhafte) Newtonsche Integraldarstellung G(Δ; |x − y|) (y) dy = V (x), x ∈ R3 , (77) B

schreiben. Das Integral (77) ist nach I. Newton (1642-1720) benannt, der es als erster endeckte und als Pionier f¨ ur das Werk von P.-S. Laplace (1749-1829) und C.F. Gauss (1777-1855) u ¨ber harmonische Funktionen gilt. In der Tat stellt das Integral (77) die fundamentale Gr¨ oße dar, die durch Newtons Gesetz aus dem Jahre 1687 impliziert wird. Indem wir dem Newtonschen Kontext folgen, legen wir unser Interesse auf das Studium des Gravitationsfeldes in makroskopischem Sinne (vgl. z. B. C.W. Misner et al. (1973)), so dass das Quantenverhalten der Gravitation nicht in Betracht gezogen wird. Im geod¨atisch basierten Zugang sind n¨amlich die angetroffenen Geschwindigkeiten betr¨achtlich kleiner als die Lichtgeschwindigkeit. Daher ist es f¨ ur unsere Explorationszwecke gerechtfertigt, Newtonsche Theorie zur Anwendung zu bringen. Im Sinne Newtonscher Potentialtheorie steht die Gleichung (77) in enger Relation zur (dritten) Greenschen Formel der Vektoranalysis:

71

α(x) P (x) = − G(Δ; |x − y|) ΔP (y) dy (78) B   ∂ ∂ P (y) − P (y) G(Δ; |x − y|) dS(y), G(Δ; |x − y|) + ∂ν(y) ∂ν(y) ∂B die f¨ ur alle zweimal stetig differenzierbaren Funktionen P in B gilt, wobei α(x) (vgl. Abb. 33 und 34) den Raumwinkel bez¨ uglich der Fl¨ ache ∂B im Punkt x ∈ R3 bezeichnet: ∂ α(x) = − G(Δ; |x − y|) dS(y). (79) ∂B ∂ν(y) Aus der klassischen Potentialtheorie ist bekannt, dass ⎧ 1, x ∈ B, ⎪ ⎪ ⎨ 1 α(x) = , x ∈ ∂B, ⎪ 2 ⎪ ⎩ 0, x ∈ R3 \B

(80)

gilt, falls die Randfl¨ache ∂B (vgl Abb. 33) (lokal) glatt, d. h. stetig differenzierbar ist (eine detailliertere Analysis findet der interessierte Leser in W. Freeden, C. Gerhards (2013)). Die Gleichung (78) mit unterschiedlichem Raumwinkel f¨ ur Punkte des Inne¨ ren, der Berandung und des Außeren von B ist ein weiteres Indiz, dass das Newtonsche Volumenintegral abh¨angig von der Position des Punktes einer unterschiedlichen Behandlung bedarf. Diesem Aspekt wird bei der dekorrelativen Exploration eine besondere Rolle zukommen.

72





Abb. 33 Raumwinkel bez¨ uglich der “glatten” Fl¨ ache ∂B im Punkt x ∈ R3 .



Abb. 34 Raumwinkel bez¨ uglich des W¨ urfels ∂B im Punkt x ∈ R3 .

Magnetostatisches Potential erzeugt durch die Magnetisierungsverteilung m. Die Dipoldichten seien kontinuierlich u ¨ber B ⊂ R3 verteilt. aumliche Verteilung der DiDann nennt man m : x → m(x), x ∈ B, d. h. die r¨ poldichten, die Magnetisierung. Die diskrete Summe (61) wird dann zu einer stetigen Summe, d. h. zu einem Integral u ¨ber B 73



1 dy m(y) · ∇y |x − y| G m(y) · (x − y) 1 = −σ dy. 4π G |x − y|3

B(x) = σ

1 4π

(81)

B ist das Potential der Verteilung der Magnetisierung, und das Feld B ist u ¨ber den gesamten Raum R3 definiert, d. h. im Falle einer stetigen Magnetisierung m ist das Potential B in (81) regul¨ar im Unendlichen (vgl. Abb. 32): (82) B(x) = O(|x|−2 ), |x| → ∞. Die magnetische Induktion ist das Gradientenfeld eines Potentials B der Magnetisierungsverteilung m 1 1 dy (83) m(y) · ∇y b(x) = σ ∇x 4π G |x − y| 1 m(y) · (x − y) = σ ∇x dy. 4π G |x − y|3 ¨ Das magnetische Feld b ist im Ausseren von B divergenzfrei, d. h. ∇ · b(x) = ∇ · ∇B(x) = ΔB(x) = 0,

x ∈ R3 \G.

F¨ ur alle x ∈ R3 \B l¨asst sich folgern, dass   1 1 m(y) dy = − ∇y · m(y) dy. ∇y · m(y) · ∇y |x − y| |x − y| |x − y| B B In Verbindung mit (81) und dem Satz von Gauss erhalten wir daher 1 1 B(x) = − σ ∇y · m(y) dy 4π G |x − y| 1 1 +σ m(y) · ν(y) dS(y), 4π ∂G |x − y|

(84)

(85)

(86)

¨ wobei ν das ins Außere von B gerichtete Einheitsnormalenfeld ist. Die rechte Seite von (86) setzt sich also additiv aus einem Volumenintegral Newtonscher Art und einem Fl¨achenpotential der einfachen Belegung zusammen. Als unmittelbare Konsequenz ergibt sich, dass die magnetische Induktion b = ∇B im “leeren” Raum außerhalb des magnetisierten K¨ orpers B Information u ¨ber die Divergenz der Magnetisierung und nicht u ¨ber die Magnetisierung selbst bereit stellt. Folglich ist jede divergenzfreie Magnetisierungsverteilung ein “Geist” f¨ ur das ¨außere magnetische Feld. Mehr noch, die Zerlegung (86) in ein Fl¨achen- und Volumenintegral zeigt, dass der Beitrag des Potentials B

74

u ¨ber B nur von Quellen und Senken der Magnetisierung in B mit ∇ · m = 0 und von Teilen der Fl¨ache ∂B mit Fl¨achennormalen ν nicht orthogonal zu m herr¨ uhrt.

6.3 Gravito-magneto kombinierte Potentialrelation Gew¨ohnlich werden in den Anwendungen Gravitations- und Magnetfeldinversion separat betrieben (siehe z. B. , G.E. Backus et al. (1996), R.J. Blakely (1996), D.L.Turcotte, G. Schubert (2001)), um Dichte und Magnetisierung unabh¨angig voneinander zu erhalten. Dabei zeigt die “Poissonsche Relation” (vgl. R.J. Blakely (1996)), dass f¨ ur jede Teilmenge K eines Gebietes B ⊂ R3 mit gleichf¨ormiger Magnetisierung (d. h. m(y) = m, y ∈ K) sowie gleichf¨ormiger Dichte (d. h. (y) = , y ∈ K) 1 1 1 1 B(x) = m· dy = − m · dy (87) ∇y ∇x 4π |x − y| 4π |x − y| K K 1 1 m m =− · dy = − · ∇x V (x) (y)∇x (88) 4π  K |x − y|  f¨ ur alle x ∈ R3 \ K gilt, wobei V das Newtonsche Volumenpotential ist. Mit anderen Worten, f¨ ur einen K¨orper mit gleichf¨ ormiger Dichte als auch gleichf¨ormiger Magnetisierung ist das magnetische Potential proportional zur Gravitationsfeldkomponente in Richtung der Magnetisierung. Dieser Sachverhalt l¨asst sich f¨ ur eine gravito-magneto kombinierte Inversion nutzen, bei der z. B. als wesentliches Hilfsmittel auf die Eulersche Summationsformel zum Laplace-Operator Δ zur Randbedingung der Periodizit¨ at (vgl. W. Freeden (2011), W. Freeden, M.Z. Nashed (2020)) zur¨ uckgegriffen wird. Multiskalenmethoden, wie sie in diesem Buch angestrebt werden, k¨ onnen dann zur Quantifizierung von Abweichungen von der Gleichf¨ ormigkeit und somit zum Aufzeigen gravitativer und magnetischer Anomalien verwendet werden.

6.4 Newton–Haar-Potentiale Unser Ziel ist eine Multiskalenzerlegung mittels Skalierungsfunktionen, die immer st¨arkere r¨aumliche Lokalisierung (d. h. ein “Zooming-in”) aufweisen, Kern der Fundamenum dies zu erreichen, zerlegen wir den singularen ¨ tall¨osung (Newton-Kern)

75

G(Δ; |x − y|) =

1 1 , x = y, 4π |x − y|

(89)

des (negativen) Laplace-Operators durch eine Familie von regul¨ aren MollifierKernen der Form {GHτ (Δ; |x − y|)}τ >0 . Selbstverst¨andlich existiert eine große Anzahl von Regularisierungen f¨ ur die Kernfunktion (89). Wir benutzen im Weiteren speziell eine Regularisierungstechnik, die den Newton-Kern GHτ (Δ; ·) durch eine (eindimensionale) lineare Taylorentwicklung GHτ (Δ; ·), die durch  1 1 , r≥τ (90) GHτ (Δ; r) = 4π1 r 1 2 8πτ (3 − τ 2 r ), r < τ, mit r = |x − y| gegeben ist, approximiert. Offensichtlich gen¨ ugt die Regularisierung der kanonischen Grenzrelation lim GHτ (Δ; r) = G(Δ; r)

(91)

τ →0

in punktweisem Sinn. Eine einfache Rechnung unter Verwendung von (90) und dem Radialanteil des Laplace-Operators Δ gegeben durch 1 ∂ 2 ∂ r r2 ∂r ∂r liefert −

(92)

1 ∂ 2 ∂ r GHτ (Δ; r) = Hτ (r) = r2 ∂r ∂r





d. h. −Δx GHτ (Δ; |x − y|) = Hτ (|x − y|) =

0, 3 , 4πτ 2

0, 3 , 4πτ 3

r ≥ Σ, r < τ,

(93)

|x − y| ≥ τ, |x − y| < τ,

(94)

mit dem Haar-Kern Hτ , der im Folgenden bei der Darstellung der Waveletmodellierung zun¨achst zum Einsatz kommt.

76

Abb. 35 1D-Schnittdarstellungen der Mollifier-Kerne GHτ (Δ; r) von G(Δ; r) (links) und ihre negativen Laplace-Ableitungen, d. h. Haar-Kerne Hτ (r) (rechts).

Entsprechend der Konstruktion ist der regularisierte Kern (“Mollifier-HaarKern”) (x, y) → GHτ (Δ; |x − y|), x, y ∈ R3 , gegeben durch  1 1 , |x − y| ≥ τ (95) GHτ (Δ; |x − y|) = 4π1 |x−y| 1 2 8πτ (3 − τ 2 |x − y| ), |x − y| < τ, ur jedes y ∈ R3 bei fesstetig differenzierbar f¨ ur jedes x ∈ R3 bei festem y und f¨ tem x. Dar¨ uberhinaus gilt offensichtlich die radialsymmetrische Eigenschaft GHτ (Δ; |x − y|) − G(Δ; |x − y|) = 0 f¨ ur alle x, y ∈ R3 mit |x − y| ≥ τ . Das Newton-Potential (vgl. (71) V (x) = G(Δ; |x − y|) (y) dy

(96)

(97)

B

(mit γ = 1) l¨asst sich bei stetigem  in B mittels (95) durch das “MollifierNewton–Haar-Potential” VHτ (x) = GHτ (Δ; |x − y|) (y) dy (98) B

in quadratischer Approximationsordnung ann¨ahern, d. h. es gilt sup |V (x) − VHτ (x)| = O(τ 2 )

(99)

x∈B

f¨ ur τ → 0 (siehe z. B. W. Freeden, M. Schreiner (2009)). Unter der Voraussetzung, dass die Funktion  z. B. H¨older-stetig der Ordnung σ ist, d. h. |(x) − (y)| ≤ C |x − y|σ ,

(100)

σ ∈ (0, 1], f¨ ur alle x, y ∈ B, erh¨alt man weiterhin (vgl. z. B. W. Freeden, C. Gerhards (2013)) 77

−Δx

B

G(Δ; |x − y|)(y) dy = α(x)(x), x ∈ B,

(101)

wobei α(x) bekanntlich den Raumwinkel in x bez¨ uglich des Randes ∂B bezeichnet. Die Familie {GHτ (Δ; ·)}τ >0 nennt man (skalenkontinuierliche) Newton– Haar-Skalierungsfunktion, w¨ahrend {Hτ }τ >0 (skalenkontinuierliche) HaarSkalierungsfunktion heißt. ¨ Wir fassen unsere Uberlegungen u ¨ber “Mollifier-Newton–Haar-Potentiale” wie folgt zusammen: Sei  gen¨ ugend glatt (z. B. H¨older-stetig) in der Umgebung eines Punktes x ∈ B, dann gilt G(Δ; |x − y|) (y) dy = −Δx lim GHτ (Δ; |x − y|) (y) dy −Δx τ →0 B B = lim Hτ (|x − y|) (y) dy τ →0 B

= (x).

(102)

Dies bedeutet, dass wir das Newton-Intgral durch Bildung der negativen Laplace-Ableitung (bis auf harmonische Fuktionen in B ) eindeutig f¨ ur Punkte in B invertieren k¨onnen. Mehr noch, das Newton-Integral erlaubt die Approximation durch ein Mollifier-Newton-Integral, dessen negative LaplaceAbleitung, d. h. das Mollifier-Haar-Integral, eine N¨ aherung f¨ ur die gesuchte Dichte ist.

78

7 Geomathematisch-gravimetrisches Selbstverst¨ andnis Im Geoingenieurwesen wird oftmals die Meinung vertreten, dass inverse Probleme wie etwa inverse Gravimetrie, d. h. die Bestimmung von Dichteverh¨altnissen aus Gravitationsfeldinformation, heutzutage kein Explorationsproblem mehr darstellt und man das Risiko von Falschaussagen und Fehlinterpretationen weitgehend im Griff h¨atte. Zur Verdeutlichung dieser Ansicht werden Simplifikationen in endlich-dimensionalen Funktionenr¨ aumen herangezogen, die hochfrequente Signalanteile unterdr¨ ucken und in der Tat zum Teil mit gutem Erfolg zur initialen Trenddarstellung des Gravitationspotentials der Erde angewendet werden k¨onnen. Allerdings wird selbst bei der erfolgreichen Anwendung von Methoden in endlich-dimensionalen R¨ aumen der den geophysikalischen Grundgleichungen zugrundeliegende Formelapparat weitgehend außer Acht gelassen. Bei genauerer Analyse werden wir n¨ amlich unmittelbar und zwingend auf unendlich-dimensionale Hilbertr¨ aume als Referenzr¨aume mit physikalisch basierten kontinuierlichen Grundgleichungen in Integral-/Differentialform gef¨ uhrt, die hochfrequente Signalanteile beinhalten. F¨ ur einen Mathematiker stellen sich in diesem Zusammenhang nun die folgenden eng miteinander verwandten Fragen: • Sind die spezifischen Hilbertraum-Ingredienzien, wie Abstand-, Winkelund schwacher/starker Konvergenzbegriff, ausreichende Strukturen, um L¨osungsstrategien eines inversen Problems wie etwa der Gravimetrie zu beschreiben? • Ist es denkbar, dass ein inverses Problem wie die Gravimetrie auch bereits von seiner Hilbertraum-Formulierung her zu dem Dilemma f¨ uhrt, als unl¨osbar zu gelten und daher zwingend Ersatzl¨ osungen und/oder Ersatzinformation notwendig macht? • Ist eine L¨osung - soweit unter gewissen Einschr¨ ankungen vorhanden u ainformation ist f¨ ur ¨berhaupt eindeutig und - wenn nicht - wieviel Pr¨ die Gew¨ahrleistung der Eindeutigkeit gegebenenfalls n¨ otig? • Ist ein N¨aherungsprozess zur L¨osung des inversen Problems durch eine Familie von l¨osbaren Ersatzproblemen (d. h. Regularisierungen) physikalisch relevant, vern¨ unftig modellierbar sowie stabil und numerisch effizient einer Diskretisierung zuf¨ uhrbar? Die Diskussion dieser Fragen ist ein wesentlicher Bestandteil des geomathematischen Kontexts dieses Buches, und dies weitgehend unter Zugrundele79 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_7

gung von bereits erzielten Ergebnissen (siehe W. Freeden, V. Michel (2004), W. Freeden, C. Gerhards (2013)). Sie vollzieht sich dabei streng basierend auf der intrinsischen Struktur des im gravimetrischen Modell auftretenden kontinuierlichen Zugangs, um eine wissenschaftlich nicht widerlegbare Objektivierung von Aussagen zu erm¨oglichen. Als Prinzip gilt, dass vereinfachende Schlussfolgerungen (z. B. Regularisierungen) die mathematisch/physikalische L¨osungskomplexit¨ at inverser Gravimetrie substantiell widerspiegeln m¨ ussen, ansonsten sind sie ihrem Wesen nach f¨ ur die Verwertbarkeit und Anwendung wertlos. Rekapitulieren wir kurz unsere bisherigen Ausf¨ uhrungen, so bietet sich folgendes Bild: Inverse Gravimetrie als ein besonders wichtiges Beispiel in der Theorie inverser Probleme ist ein zentraler Forschungsbereich in Geod¨ asie, Geophysik und Geoingenieurwesen. Inverse Gravimetrie stellt eine Potentialfeldmethode dar, die Variationen des Erdschwerefeldes reflektiert. Diese Variationen werden durch Dichtekontraste innerhalb der Erde verursacht. Gravimetrische Beobachtung erfolgt durch Einsatz von extrem sensitiven Akzellerometern. Es gibt im Wesentlichen zwei Typen von Gravimetern, n¨amlich relative und absolute Gravimeter. Absolute Gravimeter messen die lokale Schwere in absoluten Einheiten. Sie arbeiten mittels direkter Messung der Beschleunigung einer Masse im Vakuum. Relative Gravimetrie vergleicht den Schwerewert an einem Ort mit einem anderen. Die gebr¨ auchlichsten relativen Gravimeter basieren auf dem Prinzip der Federwaage. Durch Messung der Auslenkung der Federwaage werden u ¨ber das Hookesche Gestz in linearisierter Form Differenzen von Gravitationsfeldintensit¨aten zug¨anglich.

7.1 Direkte und inverse Probleme Wenden wir uns speziell dem inversen Gravimetrieproblem aus funktionalanalytischer Sicht zu, so werden wir unmittelbar auf die folgenden allgemeinen Bausteine der Theorie der inversen Probleme gef¨ uhrt (vgl. W. Freeden, M.Z. Nashed (2018a,b,c,d)): Ein direktes Problem ist in der folgenden Form gegeben:

Objekt

−→

Dateninformation des Objekts.

80

Das inverse Problem versteht sich als die “Inverse” des direkten Problems, das (Sub)Information des Objektes zum Objekt in Beziehung setzt. Dateninformation des Objekts

−→

Objekt.

Ein Objekt wird als der systematische Zusammenhang aller Datensubinformation, aller Objektparameter oder anderer Hilfsinformation verstanden. In spezieller Hilbertraumanwendung auf das inverse Gravimetrieproblem bedeutet dies: Die Dichte  wird als eine Funktion von beschr¨ ankter Signalenergie in B angenommen, d. h. 

 L2 (B) =

B

1/2 |(x)|2 dx R, (131)

√ 2 y x 1 − |x| · |y|

⎞ ⎠ . (132)

• (Stokes-Formel) St¨orpotential T als L¨osung der Randwertaufgabe im ¨ Außeren von S2R korrespomdierend zu Schwereanomalien A auf dem Rand 2 SR 1 T (x) = A(y)St(x, y) dS(y), |x| > R, (133) 4πR S2 R

mit dem Stokes-Kern

108 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_10

St(x, y) =

2R 5R2 x y 3R R + − 2 · − 2 |x − y| |x| |x − y| |x| |x| |y| |x|   y x |x| − R |x| · |y| + |x − y| R2 x y −3 2 · ln . |x| |x| |y| 2|x|

(134)

Numerische Realisierungen dieser Randwerprobleme haben eine lange Tradition angefangen von G.G. Stokes (1849) und F. Neumann (1887). Nichtsdestoweniger konnte die AG Geomathematik der TU Kaiserslautern einige neue Aspekte in der potentialtheoretischen Behandlung aufweisen, indem bestimmte Mollifier-Regularisierungstechniken auf die Integraldarstellungen der L¨osungen zur Anwendung kamen. F¨ ur beide Randwertprobleme, d. h. Neumann- und Stokes-Problem sind zwei L¨ osungsprozeduren erw¨ahnenswert, die selbstverst¨ andlich im Grenzwert zur selben L¨osung f¨ uhren, aber auf dem L¨osungsweg dorthin sich einmal wesentlich der Frequenzstruktur, zum anderen auschließlich der Ortsstruktur bedienen: • Das St¨orpotential wird entsprechend dem klassischen Zugang (siehe z. B. W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967)) frequenzm¨ aßig in eine Fourier Reihe nach Multipolen (d.h. Kugelfunktionen) entwickelt. Dies f¨ uhrte zu einer Reihe von bedeutenden Beitr¨agen zur Entwicklung der “Earth Gravitational Models”, wie etwa EGM1996 (vgl. F.G. Lemoine et al. (1998)), EGM2008 (vgl. N.K. Pavlis et al. (2008)). Mehr noch, geod¨ atisch relevante Funktionale lassen sich frequenzm¨aßig in u ¨bersichtlicher Weise durch das sogenannte Meissl-Schema miteinander vergleichen (siehe R. Rummel, M. van Gelderen (1992), R. Rummel (1997)). • Integraldarstellungen, wie etwa (131) und (133), verhalfen in den letzten beiden Dekaden zu Spline- und Waveletdarstellungen mittels ortslokalisierender Kernfunktionen (vgl. die fr¨ uhen Ans¨ atze in W. Freeden (1981), W. Freeden (1990a), W. Freeden et al. (1996) f¨ ur splinebasierte und W. Freeden, M. Schreiner (1995), W. Freeden, U. Windheuser (1996), W. Freeden, U. Windheuser (1997), W. Freeden, M. Schreiner (1997), W. Freeden et al. (1998) f¨ ur waveletbasierte Darstellungen). Meissl-Schemata mittels Splines und Wavelets finden sich in W. Freeden, F. Schneider (1998a), W. Freeden (1990a), H. Nutz (2002), W. Freeden, H. Nutz (2018), W. Freeden, U. Windheuser (1997). Es bleibt also zum Verst¨andins der Schl¨ usselideen dieses Buches festzuhalten:

109

• Der Weg u ¨ber die nicht-ortlokalisierenden, ideal frequenzlokalisierenden Kugelfunktionen ist seit P.S. de Laplace (1785), A.M. Legendre (1785), C.F. Gauss (1838) Standard in der Geod¨ asie, insbesondere f¨ ur globale Untersuchungen. • Der Zugang dieses Buches, der lokale Bed¨ urfnisse der Exploration reflektiert, widmet sich dem nicht-frequenzlokalisierenden, ideal ortslokalisierenden Zugang mittels lokal-kompakter Kerne mit fester (im Falle von Splines) und variabler Tr¨ agerweite (im Falle von Wavelets). Dabei k¨onnen aber durchaus frequenzbasierte TrendModellierungen als ber¨ ucksichtigungsf¨ahige Pr¨ ainformation in einem (die Messdaten modifizierenden) Initialschritt Anwendung finden. Anmerkung 3. B. Hofmann-Wellenhof, H. Moritz (2005) merken an, dass bis heute mehr Datensysteme von Schwereanomalien A(x) = |w(x)| − |u(y)| als von Schwerest¨orungen D(x) = |w(x)| − |u(x)| verf¨ ugbar sind. Durch moderne GNSS-Technologie werden jedoch Punkte x auf dem Geoid statt Punkten y auf dem Referenzellipsoid bestimmt. Dies ist der Grund, warum D in Zukunft mehr Bedeutung als A erlangen wird. Aus diesem Grund arbeiten wir im Weiteren mit D. Selbstverst¨andlich lassen sich alle Resultate unseres Multiskalenzugangs auch in analoger Weise auf A u ¨bertragen (vgl. K. Wolf (2009)). Die Schl¨ usselideen und approximativen Konzepte sind in T. Fehlinger (2009), K. Wolf (2009), W. Freeden, C. Gerhards (2013) auf der Basis von W. Freeden, M. Schreiner (2006) n¨aher untersucht. Um die Ortslokalisation effizient zu garantieren, beachten wir zun¨ achst, dass    1 x y  x·y 2  ,  |x| − |y|  = 2 − 2 |x| |y| gilt. Daher folgt, dass f¨ ur x = y     x y y x =N , N R ,R |x| |y| |x| |y| ⎞ ⎛ √ √ 2 2 ⎠. =  − ln ⎝1 +  y y x x 1 − |x| · |y| 1 − |x| · |y|

(135)

(136)

gilt. Folglich erhalten wir (formal) f¨ ur Punkte x ∈ S2R ein uneigentliches In2 orungen D ermittelt. tegral, das St¨orpotential T auf SR aus Schwerest¨       x y 1 y x = N , dS(y). (137) D R T R |x| 4πR S2 |y| |x| |y| R

110

Die resultierende Neumann-Formel (137) ist entsprechend dem konventionellen Zugang der Physikalischen Geod¨asie (siehe auch W.A. Heiskanen, H. Moritz (1967), W. Freeden, K. Wolf (2009)) unter den Pizzetti-Voraussetzungen (P1) und (P2) g¨ ultig. Man sieht unmittelbar, dass N (Rξ, Rη) = N (ξ, η) = N (ξ · η) mit den Einheitsvektoren ξ =

x |x|

and η =

y |y|

(138)

gilt.

Der “sph¨arische Newton-Kern” 1 1 1 1 1 = , =√ =√ 2 2 |ξ − η| 2 − 2ξ · η 2 1−ξ ·η ξ − 2ξ · η + η

ξ, η ∈ S2 , 1−ξ ·η > 0,

(139) f¨ uhrt uns mit t = ξ · η auf eine 1D-Funktion S : [−1, 1) → R gegeben durch (vgl. W. Freeden, M. Schreiner (2006)) √ 2 S(t) = √ , t ∈ [−1, 1), (140) 1−t d. h.

1 1 S(ξ · η) = , 2 |ξ − η|

ξ, η ∈ S2 , 1 − ξ · η > 0.

(141)

In der Nomenklatur (140) erhalten wir folgende simplifizierte Darstellung des Neumann-Kerns N (ξ · η) = S(ξ · η) − ln (1 + S(ξ · η)) ,

1 − ξ · η > 0.

(142)

Eine ¨aquivalente Formulierung der Neumann-Formel als uneigentliches Integral u ¨ber die Einheitssph¨are S2 ⊂ R3 lautet dann R T (Rξ) = D(Rη)N (ξ · η) dS(η). (143) 4π S2 Selbstverst¨andlich k¨onnen wir die Stokes-Formel analog behandeln (siehe z. B. W. Freeden (1979)): R T (Rξ) = St(ξ · η) A(Rη) dS(η), ξ ∈ S2 , (144) 4π S2 wobei der Stokes-Kern auf S2 durch

111

1 St(ξ · η) = 1 + S(ξ · η) − 5ξ · η − 6 S(ξ · η)   1 1 + −3ξ · η ln (S(ξ · η))2 S(ξ · η)

(145)

gegeben ist.

10.2 Mollifier-L¨ osung des Neumannschen Randwertproblems Im Folgenden besch¨aftigen wir uns mit der Multiskalenmodellierung des St¨orpotentials T aus Schwerest¨orungen D durch Regularisierung (Mollifikation) des Neumann-Kerns N (vgl. (142)). Approximationen h¨ oherer Ordnung finden sich in den Dissertationen T. Fehlinger (2009) und K. Wolf (2009). Unser erstes Ziel ist es, eine (Taylor-)Regularisierung durch Linearisierung des (um einen Faktor modifizierten) Newton-Kerns auf S2 vorzunehmen. √ 2 S(t) = √ , t ∈ [−1, 1). (146) 1−t Anmerkung 4. Es sollte nochmals erw¨ahnt werden, dass die Hilfsfunktion t → S(t) mit t = ξ · η, ξ, η ∈ S2 in der Nomenklatur des Newton-Kerns auf S2 wie folgt charakterisiert ist, die sich in W. Freeden, M. Schreiner (2006), W. Freeden, C. Gerhards (2013) auch wegen S(−1) = 1 als darstellungstechnisch g¨ unstig erwiesen hat: S(ξ · η) = 8π G(Δ; |ξ − η|), ξ · η ∈ [−1, 1).. Die erste Ableitung der Funktion S auf [−1, 1) lautet wie folgt: S  (t) = √

1 3

2(1 − t) 2

,

t ∈ [−1, 1).

(147) 2

τ Daher erhalten wir als (Taylor-)linearisierte Entwicklung um 1 − 2R 2, τ ∈ (0, 2R],      τ2 τ2 τ2  S(t) = S 1 − ) +.... (148) + S 1 − t − (1 − 2R2 2R2 2R2

Mit anderen Worten, der Kern S wird durch die Entwicklung Sτ gegeben durch ⎧   τ2 ⎨ R 3 − 2R2 (1 − t) , 0 ≤ 1 − t ≤ 2R 2 2, τ τ √ (149) Sτ (t) = 2 2 τ ⎩√ , < 1 − t ≤ 2. 2 2R 1−t

112

ersetzt. Der Entwicklungspunkt 1 − τ 2 /(2R2 ), τ ∈ (0, 2R], wurde in Konsistenz mit der Nomenklatur gew¨ahlt, die im Ausgangsbeitrag W. Freeden, M. Schreiner (2006) und den subsequenten Publikationenen T. Fehlinger et al. (2008) und K. Wolf (2009), W. Freeden, K. Wolf (2009) Verwendung fand. Eine graphische Veranschaulichung des Kernes S(t) und eine τ -skalenabh¨ angige Abbildung Sτ (t) findet sich in Abb. 39. 

6 W 

6 W 

  

6 W 

 

6 W 

  









Abb. 39 Newton-Kern S(t) (schwarze durchgezogene Linie) und seine Taylorlinearisierte Regularisierung Sτ (t), f¨ ur τ = 12 , 1, 2 (gestrichelte Linien).

Entsprechend der Konstruktion ist Sτ stetig differenzierbar auf dem Intervall [−1, 1], und es gilt: ⎧ 3 τ2 ⎨ 2R3 , 0 ≤ 1 − t ≤ 2R 2, τ  (150) (Sτ ) (t) = 1 τ2 , < 1 − t ≤ 2. ⎩√ 3 2R2 2(1−t) 2

Mehr noch, die Funktionen S und Sτ sind monoton steigend auf dem Intervall [−1, 1), so dass S(t) ≥ Sτ (t) ≥ S(−1) = Sτ (−1) = 1 auf [−1, 1) gilt. Betrachten wir die Differenz der Kerne S und Sτ , so folgt ⎧ √   ⎨ √ 2 − R 3 − 2R2 (1 − t) , 0 < 1 − t ≤ τ 2 , 2 τ τ 2R2 1−t (151) S(t) − Sτ (t) = τ2 ⎩0, < 1 − t ≤ 2. 2R2

Elementare Manipulationen der eindimensionalen Analysis liefern dann

1

−1

|S(t) − Sτ (t)| dt = O(τ ).

Dies f¨ uhrt uns zur Grenzrelation

113

(152)

     lim sup  S(ξ · η)F (η) dS(η) − Sτ (ξ · η)F (η) dS(η) = 0 τ →0+ 2 2 2 ξ∈S

S

(153)

S

f¨ ur alle auf der Einheitssph¨are S2 stetigen Funktionen. In ¨ahnlicher Weise erhalten wir Relationen, die zur Behandlung sowohl des Neumann- als auch des Stokes-Problems hilfreich sind:

1

|ln (1 + S(t)) − ln (1 + Sτ (t))| dt = 0,    1    1 1 1 1   lim − ln + + ln  dt = 0, τ →0+ −1  S(t) (S(t))2 Sτ (t) (Sτ (t))2  1  (S(t))2 − (Sτ (t))2 1 − t2 dt = 0. lim lim

τ →0+ −1

τ →0+ −1

(154) (155) (156)

Numerische Aspekte der hier pr¨asentierten Taylor-Regularisierungstechniken k¨ onnen auf verschiedene Probleme in der Physikalischen Geod¨ asie angewandt werden, unter anderem in den Vening Meinesz-Darstellungen der Ermittlung des St¨orpotentials aus Lotabweichungen (z. B. W. Freeden, M. Schreiner (2006, 2009), und des Neumannschen Mollifier-Kerns , W. Freeden, K. Wolf (2009), W. Freeden, C. Blick (2013), W. Freeden, C. Gerhards (2013) und die darin enthaltenen Literaturstellen). Die Regularisierungstechniken bef¨ahigen uns, Multiskalenl¨ osungen des St¨ orpotentials aus Schwerest¨orungen/Schwereanomalien und Lotabweichungen zu gewinnen (wir beschr¨anken uns jedoch im Folgenden auf den Neumann-Fall, der mit skalaren Schwerest¨orungen befasst ist, und den Vening Meinesz-Fall, in dem vektorielle Lotabweichungen involviert sind). Anmerkung 5. Taylor-Regularisierungen h¨oherer Ordnung werden n¨ otig (vgl. die Dissertationen T. Fehlinger et al. (2008), K. Wolf (2009)), wenn Gravitationsobservablen, die durch zweite Ableitungen charakterisiert sind, ins Spiel kommen. Ein Beispiel ist Gravitationsgradiometrie (vgl. W. Freeden, H. Nutz (2011), W. Freeden et al. (2020) und die in diesen Werken befindliche Literatur), die allerdings hier nicht diskutiert wird. Wir wissen bereits, dass das Neumannsche Problem der Bestimmung des St¨ orpotentials aus Schwerest¨orungen durch das uneigentliche Integral (siehe (143)) R T (Rξ) = N (ξ · η) D(Rη) dS(η), ξ ∈ S2 , (157) 4π S2 mit dem Neumann-Kern (142) beschrieben werden kann.

114

Unser Ansinnen ist es nun, Regularisierungen (Mollifikationen) des St¨ orpotentials T vorzunehmen, indem wir im Neumann-Kern N die TaylorLinearisierungen Sτ : [−1, 1] → R, τ ∈ (0, 2R] (vgl. 149) des Newton-Kerns S ber¨ ucksichtigen. Als Resultat erhalten wir den Neumannschen MollifierKern als Regularisierungsstruktur: Nτ (ξ · η)  τ2 Sτ (ξ · η) − ln (1 + Sτ (ξ · η)) , 0 ≤ 1 − ξ · η ≤ 2R 2, = 2 τ < 1 − ξ · η ≤ 2, S(ξ · η) − ln(1 + S(ξ · η)), 2R2  ⎧  2 R ⎪ 3 − 2R (1 − ξ · η) ⎪ ⎪ τ  τ2   ⎪ 2 ⎨ τ2 (1 − ξ · η) , 0 ≤ 1 − ξ · η ≤ 2R 3 − 2R − ln 1 + R 2 2, τ τ =   ⎪ ⎪ √ √ ⎪ ⎪ √ 2 − ln 1 + √ 2 τ2 ⎩ < 1 − ξ · η ≤ 2. , 2R2 1−ξ·η

(158)

1−ξ·η

Hierdurch erhalten wir unmittelbar die gew¨ unschte Mollifikation des St¨ orpotentials T zu gegebenen Schwerest¨orungen D: R Tτ (Rξ) = D(Rη)Nτ (ξ · η) dS(η) 4π η∈S2 R D(Rη)N (ξ · η) dS(η) = η∈S2 4π τ2 1−ξ·η>

R + 4π



(159)

2R2

η∈S2 2 1−ξ·η≤ τ 2 2R

D(Rη)Nτ (ξ · η) dS(η).

Die Integraldarstellung (159) ist bemerkenswert, da die Integranden von T und Tτ sich nur innerhalb einer sph¨arischen Kappe   τ2 (160) Γ τ 2 (ξ) = η ∈ S2 : 1 − ξ · η ≤ 2R2 2R2 unterscheiden. Mehr noch, es gilt die Grenzrelation lim sup |T (Rξ) − Tτ (Rξ)| = 0.

τ →0 ξ∈S2

(161)

Zur numerischen Anwendung gehen wir zu skalendiskreten Approximationen der L¨osung des Neumannschen Randwertproblems u ¨ber. Zu diesem Zweck w¨ahlen wir eine monoton fallende Folge {τj }j∈N0 , so dass

115

lim τj = 0,

j→∞

τ0 = 2R.

(162)

gilt. Ein besonders wichtiges Beispiel einer Folge, die wir in unseren numerischen Implementierungen benutzen, ist die dyadische Folge gegeben durch τj = 21−j R, j ∈ N0 .

(163)

2τj+1 = τj , j ∈ N0 ,

(164)

Es ist leicht zu sehen, dass

die Relation zwischen zwei konsekutiven Elementen der dyadischen Folge beschreibt. Korrespondierend zur Folge {τj }j∈N0 existiert eine Folge {Nτj }j∈N0 von diskreten Versionen des Neumannschen Mollifier-Kerns (158), die Neumannsche Mollifier-Skalierungsfunktion genannt wird. (Abb. 40 (links) zeigt eine graphische Illustration des Neumannschen Mollifier-Kerns f¨ ur verschiedene Skalen j). Die Neumannschen Mollifier-Wavelets, die die Folge {(W N )τj }j∈N0 bilden, verstehen sich jeweils als Differenz zweier konsekutiven Neumannschen Mollifier-Skalierungsfunktionen (W N )τj = Nτj+1 − Nτj ,

j ∈ N0 .

(165)

Die Neumannschen Mollifier-Wavelets sind in Abb. 40 (rechts) illustriert. Diese Wavelets besitzen die numerisch vorteilhafte Eigenschaft der Ortslokalisation, d. h. η → (W N )τj (ξ · η), η ∈ S2 , verschwindet außerhalb der Kappe Γ τ 2 (ξ). 2R2

116

 

:1W :1W :1W

1W 1



-



 

      









Abb. 40 Illustration des Neumann-Kerns N (links, durchgezogene schwarze Linie) und seiner Neumannschen Mollifier-Skalierungsfunktionen NτJ , J = 0, 1, 2, τJ = 21−J R and R = 1 (links, gestrichelte Linien). Die korrespondierenden Neumannschen Mollifierur die Skalen J = 0, 1, 2, sind auf der rechten Seite illusWaveletfunktionen (W N )τJ (t) f¨ triert.

Sei nun J ∈ N0 eine beliebige Skala. Wir betrachten die Neumannsche Mollifier-Skalierungsfunktion NτJ zur Skala J und die zugeh¨ origen Neumannschen Mollifier-Waveletfunktionen (W N )τj , j = 0, . . . , J, gegeben durch (165). Dann liefert eine leichte Rechnung NτJ = Nτ0 +

J−1 

(W N )τj .

(166)

j=0

Wir geben eine n¨ahere Untersuchung der Rolle der Tr¨ ager der Neumannschen Mollifier-Wavelets im oben geschilderten Multiskalenprozess (166):

117

(a) scale j = 0

(d) j = 2

(h) j = 5

(b) j = 1

(e) j = 3

(i) j = 6

(c) j = 2

(f) j = 4

(j) j = 7

(k) j = 8

(g) j = 5

(l) j = 9

Abb. 41 Visualisierung der lokalen Tr¨ ager Γτ 2 /(2R2 ) (ξ) der Neumannsche Mollifierj

ur Skalen j = 0, . . . , 9 in einem “Zooming-In”-Prozess zum Wavelets η → (W N )τj (ξ · η) f¨ Hotspot der Galapagos Inseln (vgl. die Darstellung der Dissertation K. Wolf (2009) der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern).

Wir beginnen mit dem globalen Tr¨ager des Skalierungskerns Nτ0 = N2R . Wir addieren mehr und mehr Waveletkerne (W N )τj , j = 0, . . . , J − 1, um den ahnt, ist es von besonderer Skalierungskern NτJ zu gewinnen. Wie bereits erw¨ Bedeutung, dass die Funktionen η → (W N )τj (ξ · η), f¨ ur ein festes ξ ∈ S2 lokale sph¨arische Kappen besitzen. Abb. 41 illustriert die numerisch relevanten Tr¨ager f¨ ur die verschiedenen Skalen j (mehr Details finden sich in den Dissertationen T. Fehlinger (2009), K. Wolf (2009)). F¨ ur ein besseres Verst¨ andnis sind die Bereiche außerhalb der Kappen nicht farbig markiert. Entsprechend unserer Konstruktion lokalisieren die Tr¨ ager der Wavelets (W N )τj mehr und mehr mit ansteigenden Skalen j. Folglich beginnen die Integraldarstellungen des St¨orpotentials T mit einer globalen Trendapproximation zur Skala j = 0 (selbstverst¨andlich erfordert dies globales Datenmaterial, aber die Daten k¨onnen eine geringe Datendichte aufweisen, da sie ja nur f¨ ur eine Trendapproximation dienen). Schritt f¨ ur Schritt wird dann eine 118

Verfeinerung mit wachsender Skala mittels Einsatz von Wavelets vorgenommen. Die st¨arkere r¨aumliche Lokalisierung liefert dann eine bessere r¨ aumliche Aufl¨osung des St¨orpotentials T . Dabei erweist sich die verminderte Gr¨ oße der Tr¨ager als zunehmend vorteilhafter f¨ ur die Durchzuf¨ uhrenden Integrationen, da die Kappen immer schmaler werden. In der Konsequenz bef¨ ahigt uns der eingeschlagene numerische Weg zum Einsatz heterogen verteilter Daten, d. h. immer dichterer lokaler Datens¨atze bei sich steigernder Lokalisation der Tr¨ager. Alles in Allem sind wir wegen der r¨aumlichen Lokalisierungseigenschaft der Neumannschen Mollifier-Skalierungs- und Waveletfunktionen in der Lage, eine Multiskalenapproximation des St¨orpotentials T aus Schwerest¨ orungen D so zu garantieren, dass u ¨ber die Bandstruktur der Waveletfilterungen Detailinformation zur Dekorrelation des St¨orpotentials geliefert wird. Die tiefpassgefilterte Version des St¨orpotentials T zur Skala j ist gegeben durch (vgl. (159)) R Tτj (Rξ) = Nτj (ξ · η) D(Rη) dS(η), ξ ∈ S2 , (167) 4π S2 w¨ahrend die bandpassgefilterte Version des St¨ orpotentials T zur Skala j auf das Integral R (W N )τj (ξ · η) D(Rη) dS(η), ξ ∈ S2 . (W T )τj (Rξ) = 4π Γ 2 2 (ξ) τ /(2R ) j

(168) f¨ uhrt. Insgesamt hat der Mollifier-Multiskalenprozess folgende Strutur: Sei TτJ0 die (Trend-)Version des St¨orpotentials T zur Skala J0 gegeben durch (167). Seien (W T )τj , j = 0, 1, . . . , die sukzessiven Detailinformationen (W T )τj , j = 0, 1, . . . , gegeben durch (168). Dann gilt die folgende Rekonstruktionsformel:  ⎞ ⎛   J−1     ⎠ ⎝ lim sup T (Rξ) − TτJ0 (Rξ) + (W T )τJ +j (Rξ)  = 0. 0 J→∞ ξ∈S2   j=0

(169)

Die hier abgeleitete Multiskalenprozedur (Waveletrekonstruktion l¨ asst sich durch folgendes Schema verdeutlichen:

119

(W T )τJ

0

TτJ0

 −→ + −→

(W T )τJ

0 +1

TτJ0 +1

 −→ + −→ TτJ0 +2 . . . .

Damit haben wir einen Algorithmus in Baumstruktur (“tree algorithm”) zur Bestimmung des St¨orpotential aus lokal verf¨ ugbaren Schwerest¨ orungen. Um eine voll diskretisierte L¨osung des Neumannschen Randwerproblems zu erhalten, ist n¨aherungsweise Integration notwendig (siehe z. B. W. Freeden, M. Gutting (2018), W. Freeden et al. (2018) und die darin enthaltenen Literaturlisten f¨ ur mehr Details u arischen Integra¨ber N¨aherungsformeln der sph¨ tion). Die voll diskretisierte Multiskalenapproximation lautet dann

Tτj (Rξ) 

Nj     R  Nj N N wk Nτj ξ · ηk j D Rηk j , ξ ∈ S2 , 4π

(170)

k=1

und Nj     R  Nj N N ξ ∈ S2 , wk (W N )τj ξ · ηk j D Rηk j (W T )τj (Rξ)  4π

(171)

k=1

N

N

wobei ηk j die Nj die Integrationsknoten und wk j die Integrationsgewichte sind (in unseren Beispielen benutzen wir gleichverteilte Datensysteme im Sinne Weyl’s zur sph¨arischen Integration (vgl. z. B. W. Freeden et al. (2018), die von einfacher Struktur sind, allerdings zu Lasten eines schnellen Konvergenzverhaltens). W¨ahrend die Trendapproximation in (170) u ¨ber den gesamten Bereich S2 berechnet wird, ist die Summation in (171) jeweils nur u ager ¨ber die lokalen Tr¨ der Mollifier-Wavelets zu erstrecken (das Symbol  meint, dass der Fehler zwischen rechter und linker Seite als vernachl¨assigbar klein angesehen wird).

120

10.3 “Zooming-In” Demonstrationsbeipiele

Ein erstes Beispiel, das der Dissertation K. Wolf (2009) entstammt, wird in Abb. 42 gezeigt. Es zeigt die Approximation des St¨ orpotentials in Baumstruktur mithilfe der Neumannschen Mollifier-Multiskalenmethode global korrespondierend zu diskreten EGM-Schwerest¨orungen. Erwartungsgem¨aß wird offensichtlich, das f¨ ur h¨ ohere Skalen markante Detailstrukturen des St¨orpotentials auf gewisse geophysikalisch relevante Areale beschr¨ankt sind und sich außerhalb dieser Areale das St¨ orpotential kaum noch ¨andert. Es zeigt sich aber auch, dass trotz der inzwischen enorm hohen spektralen Aufl¨osung das zugrunde gelegte globale “EGM-Frequenz-Kugelfunktionsmodell” nur eingeschr¨ankt verwertbare Information f¨ ur die geophysikalisch relevanten Areale der Erde liefert und dort der lokalen Multiskalenverbesserung unter Verwendung zus¨atzlicher Daten entsprechender Dichte bedarf.

121

(a) Tτ1

+

→ 

(d) (W T )τ1

(g) Tτ4

+

(j) (W T )τ4



(b) Tτ2

+



(e) (W T )τ2

→ 

(h) Tτ5

...

+

+

→ 

(f) (W T )τ3

→ 

(k) (W T )τ5

(c) Tτ3

(i) Tτ6

+

(l) (W T )τ6

Abb. 42 Illustration einer (globalen) Multiskalenapproximation des St¨ orpotentials T 2 ] aus Schwerest¨ o rungen D, d. h. tiefpassgefilterte Versionen T in [ m τj und Detailins2 formation (bandpassgefilterte Versionen) (W T )τj f¨ ur Skalen j = 1, . . . , 6, mithilfe von Neumannschen Skalierungsfunktionen und Wavelets brechnet auf der Basis von 4 000 000 Datenpunkten verteilt u are S2R . ¨ber die Sph¨

Die Abbildungen 43 - 45 zeigen eine EGM-basierte Approximation des St¨ orpotentials T in tiefpass- und bandpassgefilterte Anteile f¨ ur ein lokal orientiertes “Zooming-In” auf dem Weg zum Hotspot der Galapagos Inseln.

122

(a) Tiefpassgefiltertes Mollifier-St¨ orpotential Tτ4 berechnet aus 490 000 Datenpunkten verteilt u ¨ber S2R . ]

(b) Details (W T )τ4 zur Skala 4 aus 281 428 Datenpunkten verteilt u ¨ber die schwarz begrenzte Region.

(c) Details (W T )τ5 zur Skala 5 aus 226 800 Datenpunkten verteilt u ¨ber die grau begrenzte Region. 2

Abb. 43 Tiefpassgefilterte Mollifier-Version Tτ4 des St¨ orpotentials T in [ m ] und kors2 ur die Skalen j = 4, 5 der respondierende bandpassgefilterte Mollifier-Versionen (W T )τj f¨ magenta begrenzten Region.

123

(a) Tiefpassgefiltertes Mollifier-St¨ orpotential Tτ6 der maganta begrenzten Region berechnet durch die Summe von Tτ4 , (W T )τ4 und (W T )τ5 in dieser Region.

(b) Details (W T )τ6 zur Skala 6 aus 71 253 Datenpunkten verteilt u ¨ber die schwarz begrenzte Region in (a).

(c) Details (W T )τ7 zur Skala 7 aus 63 190 Datenpunkten verteilt u ¨ber die grau begrenzte Region in (a). 2

orpotentials T in [ m ] und korAbb. 44 Tiefpassgefilterte Mollifier-Version Tτ6 des St¨ s2 respondierende bandpassgefilterte Mollifier-Versionen (W T )τj f¨ ur die Skalen j = 6, 7 der ¨ magenta begrenzten Region. Beide Datenmengen w¨ urden zu einer globalen Uberdeckung mit ca. 4 000 000 Punkten korrespondieren.

124

(a) Tiefpassgefiltertes Mollifier-St¨ orpotential Tτ8 der maganta begrenzten Region berechnet durch die Summe von Tτ6 , (W T )τ6 und (W T )τ7 in dieser Region.

(b) Details (W T )τ8 zur Skala 8 aus 90 951 Datenpunkten verteilt u ¨ber die grau begrenzte Region in (a).

(c) Details (W T )τ8 zur Skala 8 aus 85 491 Datenpunkten verteilt u ¨ber die magenta begrenzte Region in (a). 2

orpotentials T in [ m ] und korAbb. 45 Tiefpassgefilterte Mollifier-Version Tτ9 des St¨ s2 ur die Skalen j = 8, 9 der respondierende bandpassgefilterte Mollifier-Versionen (W T )τj f¨ ¨ magenta begrenzten Region (beide Datenmengen w¨ urden zu einer globalen Uberdeckung mit etwa 49 000 000 Punkten korrespondieren).

125

Abb. 45 liefert ein weiteres Indiz einer Hotspotannahme f¨ ur die Galapagos Inseln: In der Tat ist es Konsensus, dass zwischen den Galapagos Inseln und dem Festland nie eine Verbindung bestand, weshalb man bei ihnen von einem ozeanischen Ursprung ausgeht. Sie wachsen immer noch vom Meeresboden aus großer Tiefe zur Meeresoberfl¨ache. Galapagos w¨achst somit geologisch auf der unterseeischen Bruchzone zweier Kontinentalplatten, der von Cocos im Norden und der von Nazca im S¨ uden. Die alten erloschenen Vulkane liegen im Osten und die noch aktiven bzw. die noch entstehenden im Westen. Dies erkl¨art die Theorie der lokalen heißen W¨armezonen (im engl. Hotspots). Es steigt immer wieder heißes Magma aus dem Erdmantel auf und sammelt sich in ortsfesten Magmakammern an. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Nazca-Platte, auf der die Galapagos Inseln liegen, seit Millionen Jahren mit einer Geschwindigkeit von mehreren cm/Jahr auf die kontinentale Platte von S¨ udamerika zudriftet. Dabei wandert sie u ¨ber den Galapagos-Hotspot hinweg. Letztendlich, nach dem Durchlaufen verschiedener Erosionsstadien, bewegen sich die Vulkane zusammen mit der Platte allm¨ahlich wieder in tiefere Bereiche.

126

11 St¨ orpotential aus Lotabweichungen: Mollifier-L¨ osung der Vening Meinesz-Differentialgleichung Wir widmen uns nun den Lotabweichungen Θ (vgl. W. Freeden, M. Schreiner (2006), W. Freeden, C. Gerhards (2013)). Wiederum nehmen wir an, dass das St¨ orpotential T den Pizzetti-Voraussetzungen (P1) und (P2) gen¨ ugt. Wir betrachten die Differentialgleichung ∇∗ξ T (Rξ) = −

γM Θ(Rξ), R

(172)

wobei T (R·) das St¨orpotential darstellt und Θ(R·) die Lotabweichungen bezeichnen. Anmerkung 6. Im Gegensatz zu F.A. Vening Meinesz (1928), der die skalaren Komponentengleichungen der vektoriellen Differentialgleichung (172) in sph¨arischer Nomenklatur einer anisotropen L¨osung unterzog, streben wir hier eine vektorielle isotrope L¨osung der Differentialgleichung (172) an.

11.1 L¨ osungsdarstellung in Integralform In der Tat l¨asst sich bekanntlich unter Pizzetti-Bedingungen (siehe W. Freeden et al. (1998), W. Freeden, M. Schreiner (2006)) die Differentialgleichung (172) in eindeutiger Weise mithilfe der Fundamentall¨ osung des winkelabh¨angigen Anteils des Laplace-Operators, d. h. des Beltrami-Operators Δ∗ = ∇∗ · ∇∗ mit der Integraldarstellung aus W. Freeden (1980) 1 1 ln(1 − ξ · η) + (1 − ln(2)) 4π 4π

G (Δ∗ ; ξ · η) = l¨ osen:

γM T (Rξ) = R

S2

Θ(Rη) · ∇∗η G (Δ∗ ; ξ · η) dω(η).

(173)

(174)

Eine leichte Rechnung liefert ∇∗η G (Δ∗ ; ξ · η) = −

1 ξ − (ξ · η)η , 4π 1 − ξ · η

ξ = η.

(175)

Wir setzen γM ∗ ∗ g (Δ∗ ; ξ, η) = − 4π R R ∇η G (Δ ; ξ · η) =

γM ξ−(ξ·η)η . R2 1−ξ·η

Dann l¨asst sich das Integral (174) in der Form

127 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_11

(176)

T (Rξ) =

R 4π

S2

Θ(Rη) · g (Δ∗ ; ξ, η) dω(η)

(177)

schreiben. Wiederum sind wir mit einer Darstellung des St¨ orpotentials T als ein uneigentliches Integral u are S2 konfrontiert. ¨ber die Einheitssph¨ Unser Zugang liefert also alle Darstellungen des St¨ orpotentials als uneigentliche Integrale u at des Newton¨ber S2 . Entweder sind wir mit der Singularit¨ at der Kerns S auf S2 (siehe (140)) oder mit der logarithmischen Singularit¨ Fundamentall¨osung des Beltrami-Operators G(Δ∗ ; ·, ·) auf S2 (siehe (173)) konfrontiert. In der Tat sind beide Singularit¨aten eng miteinander verkn¨ upft (vgl. W. Freeden, C. Gerhards (2013)) durch die Identit¨ aten S(ξ · η) =



2 e−2πG(Δ



;ξ·η)+ 12

,

1 − ξ · η = 0,

(178)

und G(Δ∗ ; ξ · η) = −

1 1 ln(S(ξ · η)) − (1 − 2 ln(2)), 2π 4π

1 − ξ · η = 0.

(179)

Als Konsequenz profitieren wir von der bemerkenswerten Situation, dass eine Taylor-Regularisierung des Newton-Kerns auf S2 zugleich auch die Regularisierung der Singularit¨at der Fundamentall¨osung des Beltrami-Operators impliziert, und umgekehrt.

11.2 Mollifier-L¨ osung der Vening Meinesz-Differentialgleichung Wir wissen bereits von (177), dass die L¨osung der Fl¨ achendifferentialgleichung (vgl. (45)) γM Θ(Rξ), ξ ∈ S2 , (180) R die das St¨orpotential T in Beziehung zu vorgeschriebenen Lotabweichungen Θ unter Pizetti-Bedingungen in Beziehung setzt, durch R g (Δ∗ ; ξ, η) · Θ(Rη) dS(η) (181) T (Rξ) = 4π S2 ∇∗ξ T (Rξ) = −

gegeben ist, wobei der Vektorkern g (Δ∗ ; ξ, η) , 1 − ξ · η > 0, wie folgt lautet (vgl. (176)):

128

2 1 γM (ξ − (ξ · η)η) 2 R2 1 − ξ · η 1 γM =− (S(ξ · η))2 (ξ − (ξ · η)η). 2 R2

g (Δ∗ ; ξ, η) = −

(182)

W. Freeden, M. Schreiner (2009) zeigen zudem     ∗ ∗  ∇ξ Sτ (ξ · η) F (η) dS(η) − ∇ξ S(ξ · η) F (η) dS(η) = 0 lim sup  τ →0+ 2 2 2 S

ξ∈S

S

(183) f¨ ur alle auf S2 stetig differenzierbaren Funktionen F . F¨ uhren wir Gτ (Δ∗ ; ·) durch (vgl. (179)) Gτ (Δ∗ ; t) = −

1 1 ln(Sτ (t)) − (1 − 2 ln(2)), −1 ≤ t ≤ 1 2π 4π

(184)

als Regularisierung der Fundamentall¨osung G(Δ∗ ; ·) zum Beltrami-Operator ein, so gelangen wir zu den Integralrelationen     ∗ ∗  G(Δ ; ξ · η)F (η) dS(η) − Gτ (Δ ; ξ · η)F (η) dS(η) = 0 lim sup  τ →0+ ξ∈S2

S2

S2

(185) und

    ∗ ∗ ∗ ∗  lim sup  ∇ξ Gτ (Δ ; ξ · η)F (η) dS(η) − ∇ξ G(Δ ; ξ · η)F (η) dS(η) = 0. (186) τ →0+ ξ∈S2 2 2 S

S

Mollifier-St¨ orpotential berechnet aus Lotabweichungen. Analog zum Neumann-Problem liegen die numerischen Schwierigkeiten darin, dass das auftretende Integral in (181) uneigentlich ist. Diese Kalamit¨ at k¨ onnen wir durch Ersetzung des sph¨arischen Newton-Kerns S(ξ · η) durch den MollifierNewton-Kern Sτ (ξ · η) bew¨altigen. Dies f¨ uhrt uns auf die regularisierte Mollifier-Darstellung Tτ des St¨orpotentials T berechnet aus vektoriellen Lotabweichungen Θ in einer Multiskalenprozedur (“Zooming-In” ) ¨ ahnlich dem Zugang, in dem Schwerest¨orungen als Inputdaten involviert waren. Genauer gesagt wird der Kern g(Δ∗ ; ·, ·) mithilfe von (149) durch den Mollifier-Kern

129





gτ Δ∗ ; ξ, η = −

=

γM 2

(Sτ (ξ · η))2 (ξ − (ξ · η)η),

⎧2R  2 4 ⎪ − γM2 9R − 12R (1 − ξ · η) ⎪ τ2 τ4 ⎪  ⎨ 2R 6 ⎪ ⎪ ⎪ ⎩

(1 − ξ · η)2 (ξ − (ξ · η)η), + 4R τ6

γM − 2R 2

2 1−ξ·η (ξ − (ξ · η)η),

(187)

0 ≤ 1−ξ·η ≤ τ2 2R2

τ2 , 2R2

< 1 − ξ · η ≤ 2,

f¨ ur τ ∈ (0, 2R] ersetzt. Dies f¨ uhrt auf die folgende Mollifier-Darstellung des St¨ orpotentials: R Tτ (Rξ) = gτ (Δ∗ ; ξ, η) · Θ(Rη) dS(η), (188) 4π S2 ¨ uhrt uns eine leichte Uberlegung mit Γτ (Δ∗ ; ·, ·) gegeben durch (187). Weiterhin f¨ auf die Grenzrelation lim sup |T (Rξ) − Tτ (Rξ)| = 0.

τ →0 ξ∈S2

(189)

Durch Restriktion von {gτ (Δ∗ ; ·, ·)}τ ∈(0,2R] auf die Folge {gτj (Δ∗ ; ·, ·)}j∈N0 korrespondierend zu einer Folge von Skalierungsparametern {τj }j∈N0 mit τj ∈ (0, 2R] and limj→∞ τj = 0 erhalten wir in kanonischer Weise vektorielle Mollifier-Skalierungsfunktionen, so dass eine skalendiskrete Methode zur L¨osung der vektoriellen Differentialgleichung (180) formuliert werden kann. Die vektorielle Mollifier-Skalierungsfunktion gτj+1 (Δ∗ ; ·, ·) zur Skala j + 1 konstituiert sich aus der Summe der vektoriellen Skalierungsfunktion gτj (Δ∗ ; ·, ·) und den korrespondierenden Mollifier-Wavelets wg τj (Δ∗ ; ·, ·), die wie folgt gegeben sind: (wg)τj (Δ∗ ; ξ, η) = gτj+1 (Δ∗ ; ξ, η) − gτj (Δ∗ ; ξ, η) .

(190)

11.3 Dekorrelation von Hotspots und Plumes Wir hatten bereits Galapagos als einen Hotspot kennengelernt. Wir wenden uns nun zwei weiteren Beispielen zu, n¨amlich Hawaii und Island. Zuvor verlieren wir jedoch noch einige verdeutlichendere Worte zu den Begriffen “Hotspot/Plume” an sich. Hotspots/Plumes. Wegen des unterschiedlichen Temperaturniveaus im Vergleich zur Umgebungstemperatur, spielt die Lage von Hotspots/Plumes eine besondere Rolle in geothermischer Hinsicht, z. B. hinsichtlich der Erwartung von Wasser mit hoher Temperatur in moderater Tiefe.

130

Heutzutage ist das Konzept der Mantelplumes in der geowissenschaftlichen Gemeinschaft weitestgehend akzeptiert. Unter Mantelplumes versteht man ungef¨ahr zylindrische Aufstr¨omungen von heißem Material aus dem Erdmantel mit einem ungef¨ahren Durchmesser von 100 − 200 km. Sie entstehen durch das Emporstr¨omen von ungew¨ohnlich heißem Fels aus dem Erdmantel. Da die K¨opfe der Mantelplumes teilweise schmelzen, wenn sie in die N¨ ahe der Erdoberfl¨ache kommen, vermutet man, dass sie der Grund f¨ ur vulkanische Zentren sind, die man als Hotspots bezeichnet. Hotspots wurden zuerst von J.T. Wilson (1963) als langzeitige Quellen f¨ ur Vulkanismus beschrieben. Gem¨ aß W.J. Morgan (1971) entstehen charakteristische Anzeichen f¨ ur Hotspots an der Oberfl¨ache in der Folge des Aufsteigens und Schmelzens von heißen Plumes aus tieferen Schichten des Erdmantels. Es treten auch Spezialf¨ alle auf, wie Inselketten vulkanischen Ursprungs, deren Alter mit zunehmender Entfernung vom Plume zunimmt, wie dies beispielsweise bei Hawaii der Fall ist. Diese sind das Ergebnis von Schmelzvorg¨angen zur Druckentlastung die nahe der tiefsten Regionen der Lithosph¨are stattfinden und Magma erzeugen, welches aufgrund der Plattenbewegung relativ zum Plume an die Oberfl¨ ache steigt. Der Begriff “Hotspot” hat eine weitgefasste Bedeutung. Oft wird er in Zusammenhang mit langlebigen vulkanischen Zentren verwendet, die nicht Teil des globalen Netzes aus R¨ ucken und Inselb¨ ogen sind, wie beispielsweise Hawaii, das hierf¨ ur als klassisches Beispiel dient. Anomalien in der Dicke der Erdkruste an Ozeanr¨ ucken werden ebenfalls als Hotspots angesehen, wie beispielsweise Island. Die Multiskalenrekonstruktion und -zerlegung, die von W. Freeden (1999); W. Freeden, M. Schreiner (2006); W. Freeden, K. Wolf (2009); W. Freeden, C. Gerhards (2013) vorgeschlagen wird und die zur Modellierung von Schwereanomalien und/oder Lotabweichungen, verursacht durch Hotspots/Plumes, eingesetzt werden kann, besitzt zwei Merkmale: Erstens werden terrestrische Schwereanomalien und/oder Lotabweichungen als Inputdaten f¨ ur die Gravitation verwendet. Zweitens sind wesentliche Werkzeuge f¨ ur die Signalgewinnung Haarwavelets mit lokalem Tr¨ager bzw. deren gegl¨ attete Versionen (siehe z. B. W. Freeden et al. (1998)). Selbstverst¨ andlich h¨ angt die Gr¨ oße des lokalen Tr¨agers von der Skala des Mollifier-Wavelets ab, d. h. mit ansteigender Skala nimmt der Durchmesser proportional ab. Dies ist der Grund, warum das Waveletkonzept einen “Zooming-in”-Prozess f¨ ur lokale (hochfrequente) Ph¨anomene erm¨oglicht. In der Tat stellt sich heraus, dass der Einsatz von Mollifiern f¨ ur (gegl¨ attete) Haarwavelets eine leistungsf¨ahige Approximationstechnik f¨ ur die Untersuchung von beispielsweise lokalen, feinstrukturierten Signaturen darstellt. F¨ ur Demonstrationsbeispiele folgen wir wesentlich der in der Monographie W. Freeden, C. Gerhards (2013) entwickelten Theorie zur Modellierung von Oberfl¨achengravitationsanomalien, die durch Hotspots/Mantelplumes aufgrund ihrer horizontalen und vertikalen r¨aumlichen Ausdehnung innerhalb

131

der Erde verursacht werden. Die beigef¨ ugten Bilder zeigen, dass die vorgestellte Multiskalenzerlegung eine skalen- und raumabh¨angige Mollifier-Charakterisierung geophysikalisch begr¨ undeter Ph¨anomene erm¨oglicht. Die Waveletkoeffizienten k¨ onnen als r¨aumliches Maß f¨ ur gewisse Frequenzb¨ander, die im Signal enthalten sind, interpretiert werden. Dadurch bietet die Mollifier-Wavelettheorie einen physikalisch begr¨ undeten Ansatz f¨ ur die Detektierung und Dekorrelation von Merkmalen der Hotspots/Plumes (vgl. die Dissertationen T. Fehlinger (2009); K. Wolf (2009), auf deren Illustrationen wir hier zur¨ uckgreifen. Entsprechende Berechnungen in der Geomagnetik finden sich in der Dissertation C. Gerhards (2011) der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern). Ein kritischer Punkt bei der numerischen Berechnung mit Mollifier-Wavelets ist, dass heutzutage nur terrestrische Gravitationsdaten mit begrenzter r¨ aumlicher Ausdehnung verf¨ ugbar sind. Dadurch entstehen numerische Instabilit¨ aten (Oszillationen) an den Grenzen der betrachteten Testgebiete. Infolgedessen ist die Verkn¨ upfung von global vorhandenen Satellitendaten (z. B. SST- und SGG-Daten) und/oder global verf¨ ugbarer EGM-Pr¨ ainformation mit lokal gegebenen terrestrischen Daten sowohl zur Verbesserung der Genauigkeit innerhalb des Modellierungsprozesses als auch zur Vermeidung k¨ unstlicher Ph¨anomene, wie das Gibbsche Ph¨anomen an R¨ andern, eine sinnvolle Herausforderung f¨ ur die numerische Arbeit. Hawaii: J.R.R. Ritter, U.R. Christensen (2007) f¨ uhren in ihren Untersuchungen an, dass ein station¨arer Mantelplume, der sich unter den Hawaii-Inseln befindet, die Hawaii-Emperor Inselkette erzeugt hat, als die ozeanische Lithosph¨are stetig dar¨ uber hinweg gezogen ist. Die Hawaii-Emperor Inselkette besteht aus ca. 100 vulkanischen Inseln, Atolls und unterseeischen Erhebungen, die sich von den aktiven vulkanischen Inseln von Hawaii bis zu den 75 − 80 M a alten Emperor-Erhebungen nahe des Aleutengraben erstrecken.

132

Mit fortschreitender s¨ ud-¨ostlicher Richtung entlang der Inselkette nimmt das geologische Alter ab. Der interessante Bereich ist der relativ junge s¨ ud¨ ostliche Teil der Kette, der am Hawaiir¨ ucken liegt, einem 1 200 km breiten anomalen R¨ uckengebiet des Ozeanbodens, das sich von den Hawaii-Inseln bis zum Midway-Atoll erstreckt. Hier erscheinen ausgepr¨ agte Schwereanomalien und Geoidanomalien, die ihr Maximum bei den j¨ ungsten Inseln finden, was mit der Topologie u ¨bereinstimmt, und die beide in nordwestlicher Richtung abnehmen (vgl. Abb. 49). Der fortlaufende Abfall bez¨ uglich des geologischen Alters ist vermutlich eine Folge der stetigen Bewegung der darunterliegenden Platte (vgl. W.J. Morgan (1971), J.T. Wilson (1963)).

Abb. 46 Illustration der Lotabweichungen Θ in der Region Hawaii (vgl. die Dissertaion T. Fehlinger (2009), AG Geomathematik, TU Kaiserslautern).

133

+

+ Mollifier-Bandpassfilterung (wΘ)τ6

Mollifier-Tiefpassfilterung Θτ6

+

+ Mollifier-Bandpassfilterung (wΘ)τ7

+

Mollifier-Bandpassfilterung (wΘ)τ8

+ Mollifier-Bandpassfilterung (wΘ)τ9

+

Mollifier-Bandpassfilterung (wΘ)τ10

= Mollifier-Tiefpassfilterung Θτ12

Mollifier-Bandpassfilterung (wΘ)τ11

Abb. 47 Mollifier-Approximation der vektorwertigen Lotabweichungen Θ in [ms−2 ] der Region Hawaii (vgl. Abb. 46). Eine grobe Mollifier-Tiefpassfilterung der Skala 6 wird subsequent durch Mollifier-Bandpassfilterungen der Skalen j = 6, ..., 11 verbessert. Die letzte Illustration zeigt die Mollifier-Tiefpassfilterung der Skala j = 12.

134

+

+ Tτ6

+

(W T )τ6

+ (W T )τ8

(W T )τ7

+

+ (W T )τ10

(W T )τ9

+

= Tτ12

(W T )τ11

Abb. 48 Mollifier-Rekonstruktion des St¨ orpotentials T in [m2 s−2 ] aus Lotabweichungen Θ f¨ ur das Areal des Hawaii-Plumes unter Benutzung der MollifierSkalierungsfunktion gτ . Eine grobe Mollifier-Tiefpassfilterung Tτ6 zur Skala j = 6 wird duch Mollifier-Bandpassfilterungen (W T )τj der Skalen j = 6, ..., 11 verbessert. Die letzorpotentials T zur Skala te Illustration zeigt die Mollifier-Tiefpassfilterung Tτ12 des St¨ j = 12.

135

^K 3ODWWHQEHZHJXQJ

3OXPH

YLVNRVH6WU|PXQJ

Abb. 49 Resultate der seismischen Tomographie von Hawaii in der Interpretation von J.R.R. Ritter, U.R. Christensen (2007) (Illustration entsprechend der Modifikation von T. Fehlinger (2009)).

Mithilfe der seismischen Tomographie konnten verschiedene Merkmale der Hawaiischen Mantelplumes ermittelt werden (f¨ ur mehr Information sei der Leser auf J.R.R. Ritter, U.R. Christensen (2007) und die darin enthaltenen Referenzen verwiesen). Zun¨achst existiert eine “Low Velocity Zone” (LVZ) unterhalb der Lithosph¨are, die in einer Tiefe von ca. 130 − 140 km unterhalb des Zentrums der Hawaii-Inseln beginnt (vgl. Abb. 49). Bisher wurden Plumes als Anomalien mit niedriger seismischer Geschwindigkeit im oberen Mantel und der Transitionszone angesehen, wobei diese Erkenntnisse aus seismischer Tomographie gewonnen wurden, welche eine relativ neue Errungenschaft ist. Da Plumes im Verh¨altnis zu ihrem Durchmesser relativ schmal sind, k¨ onnen sie in globalen Tomographiemodellen oft schwer entdeckt werden. Daher gibt ¨ es trotz neuer Erkenntnisse keine allgemeing¨ ultige Ubereinkunft hinsichtlich fundamentaler, die Mantelplumes betreffender Fragen, wie die Tiefe ihres Ursprungs, ihre Morphology, ihre Lebensdauer, und sogar die Frage nach ihrer Existenz wird kontrovers diskutiert. Die Ursache hierf¨ ur liegt in der Interpretation der geophysikalischen und geochemischen Beobachtungen, die durch unterschiedliche Plumemodelle und sogar durch Modelle, die keine Plumes einschließen (z. B. G. Foulger et al. (2005)), interpretiert werden k¨ onnen. Durch unsere ortslokalisierende Multiskalenmethode, bei der wir gravitative 136

Bestandteile, genauer das St¨orpotential, z. B. aus Lotabweichungen erhalten, erg¨anzen wir die Diskussion um eine neue Komponente bei der Spezifizierung wesentlicher Merkmale der Plumes. Aus der bandpassgefilterten Detailapproximation k¨onnen wir z. B. schlussfolgern, dass der Hawaiiplume eine schr¨ age Schichtstruktur hat. Wie man in den unteren Skalen, die gr¨ oßere Tiefen reflektieren, erkennen kann, befindet sich das st¨arkste Signal im Ozean in westlicher Richtung von Hawaii aus. Mit zunehmender Skala, d. h. geringeren Tiefen, bewegt es sich weiter in ¨ostlicher Richtung hin zum “Big Island” von Hawaii.

Island: Der Plume unterhalb von Island ist ein typisches Beispiel eines r¨ uckenzentrierten Mantelplumes.

Abb. 50 Illustration der Lotabweichungen in der Region Island (siehe auch W. Freeden, C. Gerhards (2013)).

137

Eine Interaktion zwischen dem Nordatlantischem R¨ ucken und dem Mantelplume, die seit dem Abbrechen vom Kontinent im sp¨ aten Pal¨ aoz¨ an und fr¨ uhen Eoz¨an zur Schmelzproduktion und Krustenerzeugung f¨ uhrt, ist vermutlich der Grund f¨ ur die Existenz von Island. Allerdings gibt es keine u ¨bereinstimmende Meinung u ¨ber die Lage des Plumes seit dem Rifting in ¨ostlicher Richtung. Es wird immer noch kontrovers diskutiert, ob er sich vor 62 − 64 M a unterhalb von Zentral- oder Ostgr¨ onland befand (siehe G. Schubert (2001) und die darin enthaltenen Referenzen). Island selbst stellt die Spitze einer nahezu kreisf¨ormigen Erh¨ ohung der Topografie dar, deren Maximum etwa 2, 8 km u ¨ber dem umgebenden Meeresboden im S¨ uden des Gletschers “Vatnaj¨okull” ist. Unterhalb des Gletschers befinden sich einige aktive Vulkane, von denen man annimmt, dass sie einen Mantelplume im Sinne der bereits aufgef¨ uhrten Definition darstellen. Die umgebende Ozeankruste besteht aus drei verschiedenen Arten und ist dreimal so dick wie durchschnittliche ozeanische Kruste. Seismische Tomographie erbringt den Nachweis der Existenz eines Mantelplumes unter Island, indem sie Zonen mit niedriger Geschwindigkeit (“low velocity zones”) im oberen Mantel und in der Transitionszone aufzeigt, aber auch Hinweise f¨ ur die Existenz von Anomalien im tieferen Mantel gibt. Die Anomalien mit niedriger Geschwindigkeit wurden in Tiefen entdeckt, die sich von mindestens 400 km bis ungef¨ahr 150 km erstrecken. Oberhalb von 150 km wurden unklare seismische Geschwindigkeitsstrukturen gefunden, bei denen Gebiete mit niedrigen Geschwindigkeiten von solchen mit hohen Geschwindigkeiten u ¨berdeckt werden. Einen tieferen Einblick in die Theorie der Island-Plumes findet der interessierte Leser in J.R.R. Ritter, U.R. Christensen (2007) und den darin enthaltenen Referenzen.

138

(W T )τ10

(W T )τ11

(W T )τ12

(W T )τ13

(W T )τ14

(W T )τ15

Abb. 51 Mollifier-bandpassgefilterte Details W T τj des St¨ orpotentials T in [m2 s−2 ] aus Lotabweichungen Θ in der Region Island f¨ ur Skalen j = 10, . . . , 15.

139

(W T )τ14

(W T )τ15 2

Abb. 52 Mollifier-bandpassgefilterte Details des St¨ orpotentials in [ m ] in der Region s2 Island f¨ ur Skalen j = 14 (links), j = 15 (rechts) einschließlich des Mittelatlantischen R¨ uckens (grau).

Mithilfe der Multiskalenrekonstruktion kann abgeleitet werden, dass sich die tieferen Teile der Mantelplumes im n¨ordlichen Teil von Island befinden (vgl. tiefere Skalen in Abb. 51), w¨ahrend oberfl¨achennahere Anteile sich weiter s¨ udlich finden (vgl. h¨ohere Skalen in Abb. 51). Bemerkenswerterweise teilen sich die Plumes ab Skala 13 in zwei Abschnitte.

'ƌƵŶĚŐĞƐƚĞŝŶ      ±    ± 

%HUHLFKHPLWKRKHU7HPSHUDWXU %HUHLFKHPLWQLHGULJHU7HPSHUDWXU

Abb. 53 Karte geothermischer Energieanlagen in Island (Modifizierte Illustration einer Kartendarstellung der “International Energy Agency” aus dem Jahr 2012). Das Bild zeigt im Vergleich zu Abb. 52, dass f¨ ur Hochenthalpie-Bereiche wie Island terrestrisches gravitatives Datenmaterial (d. h. Oberfl¨ achenmessdaten) v¨ ollig ausreichend ist, um z. B. einen ad¨ aquaten Standort f¨ ur eine Geothermieanlage zu spezifieren (vgl. M. Bauer et al. (2015) f¨ ur mehr Einzelheiten).

140

W¨ahrend sich die Nordamerikanische Platte westlich bewegt und die Eurasische Platte ¨ostlich, wird in der Tat eine neue Kruste an beiden Seiten des mittelatlantischen R¨ uckens erzeugt. Im Falle von Island, das auf dem mittelatlantischen R¨ ucken liegt, sieht man die neovulkanischen Gebiete leicht in Abb. 52. In der Konsequenz hat sich auf Island die Stromerzeugung aus geothermischen Energieanlagen rasch entwickelt (siehe L.S. Georgsson, I.B. Friedleifsson (2009); K. Saemundsson (2009)). Aufgrund der geologischen Situation (siehe Abb. 53) ist Island ein einzigartiges Land im Hinblick auf die Verwendung von geothermischer Energie, wobei mehr als 50 % des Prim¨ arenergieverbrauchs von geothermischen Energieanlagen gedeckt wird. Alles in allem k¨onnen wir mithilfe der auf lokalkompakte 2D-MollifierWavelets gest¨ utzten Multiskalentechnik, die durch W. Freeden, M. Schreiner (2006) f¨ ur die Gravitationsfeldbestimmung und durch W. Freeden, C. Gerhards (2013) f¨ ur die Geomagnetik eingef¨ uhrt wurde, interpretierbare Ergebnisse f¨ ur Hotspots/Mantelplumes erzielen. Insbesondere f¨ ur Island kommen wir unter Zuhilfenahme geologischer Vorabinformation zu der Erkenntnis (siehe Abb. 52), dass sich dieses Land in drei Gebiete mit charakteristischem Alter des Basaltgesteins unterteilt: (1) Terti¨arer Flutbasalt f¨ ullt den gr¨ oßten Teil des nordwestlichen Gebietes. Die entstandene Lava muss von beachtlicher Dicke sein, vermutlich mehr als 3 km. (2) Quart¨ arer Flutbasalt befindet sich im S¨ udwesten und im S¨ udosten. (3) Diese Gesteine werden von den neovulkanischen Gebieten mit aktivem Rifting durchschnitten. Tats¨ achlich u ¨berdeckt dieses Gebiet mehr als ein Drittel von Island. Allerdings sollte erw¨ ahnt werden, dass unsere Multiskalenmethode bessere Ergebnisse zum Spezifizieren der Hotspots/Mantelplumes im Hinblick auf ihre horizontale als auf ihre vertikale Lage liefert.

Anmerkung 7. Eine m¨ogliche Hilfe zur Ermittlung der vertikalen Lage (Tiefenbestimmung) ist das k¨ unstliche Einbringen von vergrabenen St¨ orungen (wie Monopolen, Dipolen), um das Verhalten von Anomalien in bekannter Tiefe in der Multiskalenzerlegung zu analysieren. Erste Versuche in dieser Richtung wurden in der Dissertation T. Fehlinger (2009) durchgef¨ uhrt. Es zeigte sich, dass eine detailliertere Untersuchung der Tiefenstrukturen allein aus Oberfl¨acheninformation vergrabener Monopole nur erste, allerdings wichtige Hinweise vermitteln kann (vgl. auch M.J. Fengler et al. (2004), T. Fehlinger et al. (2008), T. Fehlinger et al. (2009)). Die Dissertation C. Blick (2015) hat diese Technik dann in der Tiefenmodellierung f¨ ur Gravimetrie und akustischer Seismik untersucht. Tats¨ achlich erm¨oglicht ein solches Vorgehen mit vergrabenen Massenpunkten bei repr¨ asentativen Testbeispielen ein vielversprechendes Absch¨ atzen der Tiefen141

lage von geologischen Formationen u ¨ber die a priori Kenntnis der Tiefe der k¨ unstlich vergrabenen St¨orung. W. Freeden, C. Gerhards (2013), C. Gerhards (2014) haben mit “vergrabenen Dipolen” in der Geomagnetik experimentiert.

142

Teil VI

Tiefendekorrelation

12 Volumendekorrelation durch 3D-Haar-Wavelets Der Haar-Kern ist der wohl einfachste Repr¨asentant eines Kerns mit lokalem Tr¨ager, der durch einen Parameter τ > 0 bestimmt wird. Er wurde in die mathematische Literatur durch A. Haar (1910) im eindimensionalen Euklidischen Raum eingef¨ uhrt. In unserer sph¨arisch-symmetrischen 3D-Nomenklatur lautet er  1 , |x − y| ≤ τ, Hτ (|x − y|) = Bτ (0) (191) 0, |x − y| > τ, x, y ∈ R3 , wobei

4

Bτ (0) = πτ 3 3

(192)

das Volumen der Kugel Bτ (0) ⊂ R3 um den Nullpunkt mit dem Radius τ bezeichnet. Sei  eine stetige Funktion auf einem “Testbereich” B ⊂ R3 . Dann konstituiert die Famile {IHτ }τ >0 von “Haar-Integralen” IHτ :  → IHτ () gegeben durch IHτ ()(x) = Hτ (x) = Hτ (|x − y|) (y) dy = |x−y|≤τ Hτ (|x − y|) (y) dy R3

y∈B

(193) eine approximative Identit¨ at von  im punktweisen Sinne und gleichm¨ aßig bez¨ uglich jedes Kompaktums in B. In der Tat gilt n¨ amlich f¨ ur x ∈ B (194) Hτ (x) − (x) = |x−y|≤τ Hτ (|x − y|) ((y) − (x)) dy. y∈B

Daher folgt f¨ ur jedes x ∈ B wegen der Positivit¨ at des Haar-Kerns auf seinem Tr¨ager (195) |Hτ (x) − (x)| ≤ |x−y|≤τ Hτ (|x − y|) dy sup |(y) − (x)|. 

y∈B





|x−y|≤τ y∈B

=1

Wegen der Stetigkeit von  in B existiert dann zu jedem τ > 0 ein hinreichend kleines μ = μ(τ ), so dass |x − y| ≤ μ die Ungleichung |(y) − (x)| ≤ τ impliziert. Dies bedeutet, dass Hτ (x) mit τ → 0 gegen (x) strebt. Mehr noch, es gilt f¨ ur stetiges  in B die Grenzrelation lim sup |IHτ ()(x) − α(x)(x)| = 0,

τ →0

x∈B

145 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_12

(196)

was den Namen approximierende Identit¨ at rechtfertigt. Dabei ist α(x) der Raumwinkel bez¨ uglich der Fl¨ache ∂B im Punkt x ∈ R3 (vgl. die Abbildungen 33 und 34).

12.1 Haar-Skalierungs- und Waveletfunktionen Formal ist eine approximierende Haar-Identit¨at {IHτ }τ ≥0 so konstruiert, dass die Kerne {Hτ }τ ≥0 gegen das Dirac-Funktion(al) δ konvergieren: lim Hτ (x) − (x) = lim |x−y|≤τ (Hτ (|x − y|) − δ(|x − y|) (y) dy = 0. (197) τ →0

τ →0

y∈B

F¨ ur gegen Null strebende Parameter τ > 0 erfahren die “skalenkontinuierlichen” Haar-Skalierungsfunktionen {Hτ }τ ≥0 eine immer st¨arkere “Ortslokalisierung” bei gleichzeitigem Anwachsen der Funktionsmaxima (vgl. Abb. 54).

−18 −2

−16 −14

−1.5

−12 −10

−1

−8 −6

−0.5

−4 −2

0 −1

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

0 −1

1

3

(a) Hτ1 (|x|), x ∈ R

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

(b) Hτ2 (|x|), x ∈ R

0.8

1

0.8

1

3

−1000 −120

−900 −800

−100

−700 −80

−600 −500

−60

−400 −40

−300 −200

−20

−100 0 −1

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

(c) Hτ3 (|x|), x ∈ R

0.8

0 −1

1

3

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

(d) Hτ4 (|x|), x ∈ R

3

Abb. 54 Haar-Skalierungsfunktionen Hτj (|x|), x ∈ R3 , mit τj = 2−j f¨ ur j = 1, 2, 3, 4.

F¨ ur eine positive, monoton fallende Folge {τj }j∈N0 von (diskreten) Skalierungsparametern τj mit 146

lim τj = 0

(198)

j→∞

heißt {Hτj }j∈N0 die Familie der Haar-Skalierungsfunktionen. Die Familie der Haar-Waveletfunktionen {(W H)τj }j∈N0 ist gegeben durch (W H)τj = Hτj+1 − Hτj ,

j ∈ N0 .

(199)

Die Skalierungsfunktion Hτj+1 zur Skala j + 1 ergibt sich somit additiv aus der Skalierungsfunktion Hτj zur Skala j und der korrespondierenden Waveletfunktion (W H)τj zur Skala j Hτj+1 = Hτj + (W H)τj .

−14

−120

−12

−100

−10

(200)

−80

−8 −60 −6 −40 −4 −20

−2

0

0 2 −1

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

20 −1

1

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

(b) (W H)τ2 (|x|), x ∈ R3

(a) (W H)τ1 (|x|), x ∈ R3 −1000

−7000 −6000

−800

−5000 −600

−4000

−400

−3000 −2000

−200

−1000 0

200 −1

0

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1000 −1

1

3

−0.8

−0.6

−0.4

−0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

3

(c) (W H)τ3 (|x|), x ∈ R

(d) (W H)τ4 (|x|), x ∈ R

Abb. 55 Haar-Waveletfunktionen (W H)τj (|x|), x ∈ R3 , mit τj = 2−j f¨ ur j = 1, 2, 3, 4.

Die Abbildungen 54 und 55 liefern sektionelle Plots der Haar-Skalierungsfunktion und der Haar-Waveletfunktion f¨ ur verschiedene dyadische Skalenwerte (sph¨ arische Analoga zu den Haar-Kernen und eingehende Untersuchungen finden sich z. B. in J. Cui et al. (1992); W. Freeden et al. (1998); W. Freeden, J.C. Mason (1990)). Die explizite Darstellung der Haar-Waveletfunktionen folgt unmittelbar aus der Skalierungsgleichung (199)

147

⎧ 1 1 ⎪ − , |x − y| ≤ τj+1 , ⎪ ⎨ Bτj+1 (0) Bτj (0) 1 (W H)τj (|x − y|) = − B (0) , τj+1 < |x − y| ≤ τj , τj ⎪ ⎪ ⎩ 0, |x − y| > τj .

(201)

Diese Formel ist der Schl¨ ussel f¨ ur die angestrebten Dekorrelationsverfahren. Es erm¨oglicht uns, die Bandpassfilterung mit einem Haar-Wavelet (202) (W )HτJ = |x−y|≤τ (W H)τJ (|x − y|) (y) dy J

y∈B

als Differenz zweier aufeinanderfolgender Tiefpassfilterungen (H (|x − y|) (y) dy − (HτJ (|x − y|) (y) dy (203) τJ+1 |x−y|≤τ |x−y|≤τ J+1 y∈B

J

y∈B

auszudr¨ ucken. Damit k¨onnen wir die “Detailinformation” kontrollieren, die zwar im Tiefpassfilter HτJ+1 (|x − y|) (y) dy, (204) HτJ+1 (x) = |x−y|≤τ J+1 y∈B

aber nicht im Tiefpassfilter HτJ (x) =

|x−y|≤τJ y∈B

HτJ (|x − y|) (y) dy

(205)

enthalten ist. Setzen wir unsere Skalierungsgleichung fort, so gehorchen die skalendiskreten Haar-Wavelets der Gleichung (W H)τj , j = 0, ..., J, der Relation HτJ = Hτ0 +

J−1 

(W H)τj .

(206)

j=0

Dies f¨ uhrt uns auf die Darstellung HτJ (x) = IHτJ ()(x) = +

Hτ0 (|x − y|)(y) B J−1  j=1

und die resultierende Grenzrelation

148

B

dy

(W H)τj (|x − y|) (y) dy

lim sup |IHτJ ()(x) − α(x)(x)| = 0.

J→∞

(207)

x∈B

Von besonderem Interesse f¨ ur die Praxis ist, dass sowohl die HaarSkalierungsfunktionen Hτj als auch die Haar-Waveletfunktionen (W H)τj ortslokalisierend sind (d. h. im mathematischen Jargon lokale Tr¨ager besitzen), die mit wachsenden Skalen(indizes) j kleiner werden. Dies erm¨oglicht eine ¨okonomische und effiziente Numerik. Eine wesentliche Schwierigkeit f¨ ur praktische Zwecke besteht darin, dass weder der Haar-Skalierungskern noch die Haar-Waveletfunktion stetige Funktionen im dreidimensionalen Euklidischen Raum R3 sind. Um Stetigkeit zu garantieren, gehen wir zum gegl¨atteten Haar-Kern (vgl. z. B. W. Freeden et al. (1998)) u ¨ber.

Gegl¨ atteter Haar-Kern. Unsere Betrachtungen zum gegl¨ atteten HaarKern (auch de la Vall´ee-Poussin-Kern genannt) sind durch G.I. Eskin (1981); H.-J. Schaffeld (1988) motiviert. Der gegl¨attete Haar-Kern V Pτ , τ > 0, ist durch  2 1 (1 − τr 2 ), r ≤ τ, V Pτ (r) = V P Cτ 0, r > τ, gegeben. F¨ ur r = |x − y|, x, y ∈ R3 , erhalten wir  |x−y|2 1 V Pτ (|x − y|) = V P (1 − τ 2 ), |x − y| ≤ τ, Cτ 0, |x − y| > τ,

(208)

(209)

wobei die Normierungskonstante CτV P =

8π 3 τ 15

so gew¨ahlt ist, dass V Pτ (|x − y|) dy = 4π R3

(210)

τ

V Pτ (r) r2 dr = 1.

(211)

0

ist. Selbstverst¨andlich bleiben alle methodologischen Konzeptionen, die f¨ ur den Haarschen Fall entwickelt wurden, g¨ ultig. Insbesondere gilt, dass die Famiat lie {V Pτj }j∈N0 der gegl¨atteten Haar-Kerne eine approximierende Identit¨

149

(entsprechend dem Haar-Kern) generiert. Die gegl¨atteten Haar-Waveletfunktionen korrespondierend zu (201) lauten ⎧ 2 |x−y|2 ⎪ − |x−y| , |x − y| ≤ τj+1 , ⎪ 2 2 ⎪ τ τ j j+1 8π 3 ⎨ |x−y| 2 2 τ (W V P )τj (|x − y|) = − 1, τj+1 < |x − y| ≤ τj , (212) τj2 15 ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ 0, |x − y| > τj . Abb. 56 liefert eine graphische Illustration der Skalierungsfunktion V Pτj f¨ ur verschiedene Werte τj . Die entsprechenden Tiefpass- und Bandpassfilter sind durch V PτJ (x) = |x−y|≤τ V PτJ (|x − y|) (y) dy J

(213)

y∈B



und (W )V PτJ =

|x−y|≤τJ y∈B

(W V P )τJ (|x − y|) (y) dy

gegeben.

150

(214)

V Pτj (|x|), τj = 0.9

V Pτj (|x|), τj = 0.7

V Pτj (|x|), τj = 0.5

V Pτj (|x|), τj = 0.3

V Pτj (|x|), τj = 0.1

V Pτj (|x|), τj = 0.05

Abb. 56 Gegl¨ atteter Haar-Kern V Pτj (|x|), x ∈ R3 , f¨ ur verschiedene Werte τj .

12.2 Datendekorrelation am Beispiel des Marmousi-Modells Unsere numerischen Einstiegstests zur Dekorrelation einer Dichtesignatur basieren auf wohlbekannten 2D-Datens¨atzen, die wir in kanonischer Weise (in atze verRichtung der x2 -Achse) als in den R3 erweitert als Referenzdatens¨ stehen.

151

Das (urspr¨ ungliche 2D-) Marmousi-Modell ist ein synthetischer Geschwindigkeitsdatensatz, der oftmals im seismischen Datenprozessing als geologische Referenz dient. Es wurde 1988 durch die “Geophysics Group in the Institut Francais du Petrole” erzeugt und basiert auf einem Profil durch den “North Quenguela Trough im Cuanza Basin in Angola” (siehe Abb. 57).

Abb. 57 Marmousi-Modell: Synthetischer Datensatz in [ m s ].

Das Modell ist diskret in einem Gitter von 384 × 122 Samplepunkten eines Abstands von 24 m verf¨ ugbar. Somit misst es 9 192 m in der L¨ ange (x1 Richtung) und 2 904 m in der Tiefe (x3 -Richtung). F¨ ur mehr Information u ¨ber das Marmousi-Modell sei auf R. Versteeg (1994) verwiesen. Die geologische Interpretation des Marmousi-Modells liefert Abb. 58 gem¨ aß G.S. Martin, K.J. Marfurt, S. Larse (2002). Auff¨allig sind die Verwerfungen in der Schichtung verursacht durch einen unterliegenden Plume.

Abb. 58 Lithologie und Modellbesonderheiten einschließlich der geologischen Formationsgrenzen.

152

Trotz der Tatsache, dass das (urspr¨ ungliche) Marmousi-Modell ein Geschwindigkeitsmodell darstellt, ist geologisch f¨ ur dekorrelative Validierungszwecke die Annahme als Dichteverteilung gerechtfertigt. F¨ ur den Test der Dekorrelationsf¨ahigkeit des 3D-Marmousi-Modells akzeptieren wir insbesondere den Nachteil, dass es in der x2 -Richtung konstant ist, und zwar zugunsten der Tatsache, dass wir eine vollst¨ andige Interpretation des Marmousi-Modells haben (vgl. Abb. 58). Dekorrelation von Marmousi-Dichtedaten. F¨ ur unsere Testimplementierungen basierend auf dem Kontext approximierender Identit¨ aten w¨ ahlen wir das Marmousi-Modell (vgl. S. M¨ohringer (2014)), auch wegen des geringeren Rechenaufwands aufgrund der geringen Anzahl von Datenpunkten. Zur numerischen Integration der auftretenden Tiefpass- und Bandpassintegrale greifen wir auf Kubaturformeln, die sich aus Eulerschen Summationsformeln (vgl. W. Freeden (1982), W. Freeden, M. Gutting (2018)) rekrutieren, zur¨ uck. Die Skalierungsparameter τj werden dabei an die Ausdehnung des Testgebietes angepasst. Unser Testbereich besitzt eine horizontale Ausdehnung von etwa 10 km und ist etwas weniger als 3 km tief mit einem Abstand der Gitterpunkte von 24 m in beiden Richtungen. Dies gibt Veranlassung, als Skalierungsparameter τj = 480 · 2−j m zu w¨ahlen. Leider stellen sich dann erwartungsgem¨aß am Rand Oszillationsprobleme (d. h. Gibbsche Ph¨ anomene) ein, da die Dichtedaten außerhalb des Testgebietes mit Null fortgesetzt werden. Es muss daher entsprechend der Gr¨oße des Tr¨ agers der Skalierungsfunktion ein Randstreifen abgeschnitten werden. Unsere Multiskalenapproximation nimmt ihren Ausgang von der Tiefpassfilterung des Marmousi-Modells zur Skala j = 0, die uns eine Trendapproximatin liefert (vgl. Abb. 59(a) f¨ ur den Haar-Kern und 60(a) f¨ ur den gegl¨ atteten Haar-Kern). Durch Addieren der Detailinformation zur Skala j, die aus der Faltung des Marmousi-Modells mit den Waveletfunktionen (W H)τj und (W V P )τj resultiert, erhalten wir die Tiefpassfilterung der n¨ achst h¨ oheren Skala j + 1. F¨ ur die numerische Integration stehen 46 848 Knotenpunkte zur Verf¨ ugung. Der lokale Tr¨ager ist ein wesentlicher Vorteil zu einer effizienten numerischen Approximation, da f¨ ur einen kleinen Parameter τj , die Berechankt ist. Dies nung der Faltung auf eine Kugel im R3 mit Radius τj beschr¨ reduziert die Rechenzeit in drastischer Weise. Multiskalenapproximation des Marmousi-Modells unter Verwendung des Haar-Kerns. Abb. 59 zeigt die Tiefpassfilterungen (links) und die Bandpassfilterungen (rechts) des Marmousi-Modells.

153

0

0 4000

200

600

200

400

400

400 3500

600

600

800

200

800 3000

1000

0

1000

1200

1200 2500

1400

−200

1400

1600

−400

1600 2000

1800 0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

1800

8000

−600 0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

(a) Tiefpassfilterung Hτ0

(b) Bandpassfilterung (W )Hτ0

(c) Tiefpassfilterung Htau1

(d) Bandpassfilterung (W )Hτ1

(e) Tiefpassfilterung H τ2

(f) Bandpassfilterung (W )Hτ2

(g) Tiefpassfilterung Hτ3

(h) Bandpassfilterung (W )Hτ3

154

(i) Tiefpassfilterung Hτ4

(j) Bandpassfilterung (W )Hτ4

(k) Tiefpassfilterung Hτ5 Abb. 59 Multiskalenapproximation des Marmousi-Modells durch Faltung mit dem Haar-Kern und dem Haar-Wavelet.

Multiskalenapproximation des Marmousi-Modells unter Verwendung des gegl¨ atteten Haar-Kerns. Abb. 60 zeigt die Tiefpassfilterungen (links) und die Bandpassfilterungen (rechts) des Marmousi-Modells.

155

0

0

4000

200

500

200

400

400

400

3500

600

300

600

800

200

800

3000

1000

100

1000

1200

0

1200

2500

1400

−100

1400

1600

−200

1600 2000

1800

−300

1800

−400 0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

(b) Bandpassfilterung (W )V Pτ0

(a) Tiefpassfilterung V Pτ0

(c) Tiefpassfilterung V Pτ1

(d) Bandpassfilterung (W )V Pτ1

(e) Tiefpassfilterung V Pτ2

(f) Bandpassfilterung (W )V Pτ2

(g) Tiefpassfilterung V Pτ3

(h) Bandpassfilterung (W )V Pτ3

156

(i) Tiefpassfilterung V Pτ4

(j) Bandpassfilterung (W )V Pτ4

(g) Tiefpassfilterung V Pτ5 Abb. 60 Multiskalenapproximation des Marmousi-Modells durch Faltung mit dem gegl¨ atteten Haar-Kern und dem zugeh¨ origen Wavelet.

In beiden F¨allen werden die Detailstrukturen des Marmousi-Modells mit wachsenden Skalen in klarer und interpretierbarer Weise separiert. Beide Multiskalenvarianten liefern f¨ ur h¨ohere Skalenwerte deutliche Abgrenzungen der geologischen Formationen. Die Multiskalenmethodik basierend auf HaarTyp-Kernfunktionen bef¨ahigt also zur Dekorrelation geologisch relevanter Information.

12.3 Haar-Wavelet-Datenkompression am Demonstationsbeispiel des BP-Modells Zur weiteren Validierung und Anwendung der vorgeschlagenen Dekorrelationstechnik greifen wir auf ein weiteres, in der explorativen Praxis gebr¨auchliches Testmodell zur¨ uck: In einem Forschungsworkshop, der von der EAGE und der SEG mitgesponsort wurde, wurde die “2004 BP-Velocity Benchmark” in einem Blindtest verwendet, um ein Geschwindigkeitsmodell und auch das zugeh¨ orige Dichtemodell ordnungsgem¨aß zu validieren und zu testen (siehe Abb. 61).

157

g Abb. 61 BP-Dichtemodell in [ cm 3 ].

Das BP-Modell ist ungef¨ahr 67 km lang (in x1 -Richtung) und 12 km tief (in x3 -Richtung). Es ist somit viel gr¨oßer hinsichtlich der Dimensionierung als das Marmousi-Modell. Die Gitterweite in x1 -Richtung betr¨ agt 12, 5 m und in ugbar sind. Das x3 -Richtung 6, 25 m, so dass 5 395 × 1 911 Gitterpunkte verf¨ Modell l¨asst sich in markante Teile zerlegen, wobei sich jeder Teil auf eine spezifische Herausforderung f¨ ur Geschwindigkeitssch¨ atzmethoden fokussiert. Die Dichteverteilung des BP-Modells ist in Abb. 61 dargestellt. F¨ ur Fragen zur Konstruktion und des Design des Modells sei der Leser auf F. Billette, S. Brandsberg-Dahl (2005) verwiesen. Da heutzutage die Aquirierung von Daten immer effizienter wird und Datensysteme stetig in Umfang und Gr¨oße wachsen, sind ad¨ aquate Techniken von Interesse, die diesen Ph¨anomenen entgegenwirken. Kompressionsmethoden reduzieren die Speicheranforderungen und beschleunigen die operationelle Arbeit. Allerdings geht dies selbstredend zu Lasten der Genauigkeit. Es ist also wichtig, eine akzeptable Balance von Verlust an Information einerseits und Qualit¨at nach der Kompression andererseits zu gew¨ ahrleisten. Wie wir bereits wissen, besitzen Wavelets ortslokalisierende Eigenschaften. Wir k¨onnen uns dies zunutze machen, um eine quantifizierbare Datenkompression durchzuf¨ uhren. Dazu greifen wir auf Vorleistungen der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern (vgl. z. B. M. Bayer et al. (1998), S. M¨ ohringer (2014)) zur¨ uck. Innerhalb einer Multiskalenapproximation glatter Dichteareale beipielsweise liefert eine komprimierte Dateninformation weiterhin eine gute Qualit¨at, w¨ahrend hohe Datenvariation kaum Kompression erlaubt.

158

Das Standardvorgehen einer Datenkompression besteht in der Vorgabe eines absoluten Wertes, d. h. einer Thresholdgr¨ oße ϑ(B), unterhalb derer alle Werte einer Funktion F : B → R zu Null gesetzt werden, d. h. F : B → R wird durch die “komprimierte” Funktion Fkomp : B → R gegeben durch  0, ϑ(B) > |F (x)|, x ∈ B, (215) Fkomp (x) = F (x), ϑ(B) ≤ |F (x)|, x ∈ B, ersetzt. Die Gr¨oße ϑ(B) stellt somit einen Indikator f¨ ur den Unterschied zwischen originaler und komprimierter Datengr¨ oße dar.

Abb. 62 Detailinformation speziell f¨ ur die Haar-Waveletfilterung (W )Hτ5 des BPModells.

Anmerkung 8. Bez¨ uglich Datenkompression mithilfe von Wavelets ist zu vermerken, dass M. Bayer et al. (1998) eine solche Technik f¨ ur das globale Oberfl¨achenmodell EGM96 des Gravitationsfeldes angewendet haben. Unsere Dokumentation ist der Dissertation S. M¨ ohringer (2014) der AG Geomathematik der TU Kaiserslautern entnommen, die sich mit der Datenkompression f¨ ur das BP-Dichtemodell besch¨aftigt. Sie beschr¨ ankt sich auf die Detailinformation der Haar-Waveletfilterung zur Skala 5 (siehe Abb. 62). F¨ ur Kompressionszwecke werden 10 309 845 Datenpunkte in Betracht gezogen. Threshold-Angaben und Kompressionsraten sind in der Tabelle 2 aufgef¨ uhrt. Illustrationen der Kompression finden sich in den folgenden Abbildungen 63– 71.

159

Tabelle 2 Threshold-Werte ϑ(B) und Kompressionsraten in Anwendung auf die Signatur Abb. 62: Threshold ϑ(B) Kompressionsrate in [%] 1, 0 · 10−4 1, 0 · 10−3 3, 0 · 10−3 5, 0 · 10−3 1, 0 · 10−2 1, 5 · 10−2 2, 5 · 10−2 0, 5 · 10−2 1, 0 · 10−1

14, 4 20, 9 32, 7 41, 3 56, 0 65, 4 76, 8 88, 4 96, 4

Abb. 63 Signatur nach Kompression mit Threshold ϑ(B) = 1 · 10−4 (links) und Fehlerbild (rechts).

Abb. 64 Signatur nach Kompression mit Threshold ϑ(B) = 1 · 10−3 (links) und Fehlerbild (rechts).

Abb. 65 Signatur nach Kompression mit Threshold ϑ(B) = 3 · 10−3 (links) und Fehlerbild (rechts).

160

Abb. 66 Signatur nach Kompression mit Threshold ϑ(B) = 5 · 10−3 (links) and error (rechts).

Abb. 67 Signatur nach Kompression mit Threshold ϑ(B) = 1 · 10−2 (links) und Fehlerbild (rechts).

Abb. 68 Signatur nach Kompression mit Threshold ϑ(B) = 1, 5 · 10−2 (links) und Fehlerbild (rechts).

Abb. 69 Signatur nach Kompression mit Threshold ϑ(B) = 2, 5 · 10−2 (links) und Fehlerbild (rechts).

161

Abb. 70 Signatur nach Kompression mit Threshold ϑ(B) = 5 · 10−2 (links) und Fehlerbild (rechts).

Abb. 71 Signatur nach Kompression mit Threshold ϑ(B) = 1 · 10−1 (links) und Fehlerbild (rechts).

Die Illustrationen zeigen, dass ein gewisses Aufkommen an Datenreduktion zu ¨ keiner wesentlichen Anderung der Dateninformation f¨ uhrt. Erwartungsgem¨ aß bedeutet die Vergr¨oßerung der Thresholdgr¨oße ϑ(B) ein mehr an Informationsverlust der Dateninformation. Extreme Beispiele sind die Abbildungen 70 and 71 mit einem jeweiligem Verlust von 88, 4 % und 96, 4 %. Die grau unterlegte Fl¨ache in den folgenden Histogrammen (Abb. 72) veranschaulicht das Aufkommen an Waveletkoeffizienten (W )Hτ5 (x), x ∈ B, die unterhalb der gew¨ahlten Thresholdgr¨oße ϑ(B) zu Null gesetzt sind.

162

ϑ(B) = 3 · 10−3

ϑ(B) = 1 · 10−2

ϑ(B) = 5 · 10−2

ϑ(B) = 2, 5 · 10−2

Abb. 72 Histogramme zur Kompression der errechneten Waveletkoeffizienten ur verschiedene Thresholdvorgaben ϑ(B) und das BP-Testareal (W )Hτ5 (x), x ∈ B, f¨ B.

12.4 Datenentrauschung entsprechend der Waveletcharakteristiken des Rausch-/Signalverh¨ altnisses Bis jetzt sind wir davon ausgegangen, dass die gemessenen Daten in einer Pr¨aphase bereinigt wurden und die Daten, die in die Berechnung einfließen, frei von Fehlern sind. Nichtsdestoweniger k¨onnen wir auch von verrauschten Daten ˜ =  + ε˜ (216) ausgehen, wobei ε˜ das Rauschen and  die Dichte bezeichnen. Rauschen kann in der Tat wichtige Dateninformation beeinflussen. Aus diesem Grund ist Rauschen zu eliminieren. R. Rummel (1997) liefert hierzu eine umfassende frequenzbasierte Konzeption, die auf die Globalgeod¨ asie abzielt. Unser lokaler “signal-to-noise thresholding”-Zugang basiert auf dem Kontext in W. Freeden, C. Blick (2013), der selbst wiederum eine kanonische Weiterentwicklung der Ans¨atze in W. Freeden, T. Maier (2002), W. Freeden, T. Maier (2003) und W. Freeden, V. Michel (2004) darstellt. Er vollzieht sich in ausschließlich ortslokalisierender Form mittels Kernen mit variablen lokal-kompakten Tr¨agern in Abh¨angigkeit von Skala und Position. Es ist kanonisch, die Rauschcharakteristiken eines Signals (Funktion) mittels sogenannter Rauschkerne der Form D : (x, y) → D(|x − y|) zu kontrollieren. Dies f¨ uhrt uns auf Ausdr¨ ucke, die st¨orende Fehler im Dichtesignal durch eine 163

skalen- und positionsabh¨ angige Waveletkovarianz in Beziehung setzt, d. h. wir gehen von der Gr¨oße D(|y − z|)(W H)τj (|x − y|)(W H)τj (|z − y|) dy dz, x ∈ B, Covjx (D) = B B

(217)

aus. Geophysikalisch relevante Entrauschungskerne sind zum Beispiel D(|x − y|) =

σ2 exp(−C|x − y|) exp(−C)

(218)

(Gauss Markov model) oder D(|x − y|) = σ 2 Kτj (|x − y|) (model of small correlation range) f¨ ur eine N (0, σ 2 )-Gauss-Verteilung, wobei Kτj den (gegl¨atteten) Haar-Kern bezeichnet und C > 0 eine geeignete positive Konstante ist. Um das Multiskalenverh¨altnis von Signal und Rauschen miteinander zu vergleichen (“multiscale signal-to-noise ratio”), f¨ uhren wir als Gegenst¨ uck zur Kovarianz die skalen- und positionsabh¨ angige Waveletvarianz ) = ˜(y)˜ (z)(W H)τj (|x − y|)(W H)τj (|z − y|) dy dz, x ∈ B Varjx (˜ B B

(219)

ein. Signal und Rauschen agieren auf der skalen- und positionsabh¨ angigen Resolutionsmenge Nres , wobei zwei verschiedene F¨alle zu unterscheiden sind:

(i) Signal dominiert Rauschen: Varjx (˜ ) ≥ Covjx (D),

(j, x) ∈ Nres ,

(220)

(j, x) ∈ / Nres .

(221)

(ii) Rauschen dominiert Signal: Varjx (˜ ) < Covjx (D),

F¨ ur die Praxisanwendung hat die Berechnung der auftretenden Integrale mit Hilfe von Kubaturformeln zu erfolgen:

164

T(W H)τ (˜ )(x) = j

B

∼ =

˜(y)(W H)τj (|x − y|) dy

Nj 

(222)

  N N an j (W H)τj |x − yn j |

n=1

mit

N

N

N

an j = wn j ˜(yn j ), N

(223)

N

wobei yn j die Integrationsknoten und wn j die zugeh¨ origen Integrationsgewichte der Kubaturformel sind. Wegen der Lokalisierungseigenschaft sind die Waveletfunktionen in der Lage, unerw¨ unschten Rauschbeitr¨agen positionsangepasst mit einer entsprechnend w¨ ahlbaren Rate zu begegnen. In der Konsequenz erhalten wir eine Waveletsch¨atzung der Gestalt T(W H)τ

j

Nj      N N j j (˜ )(x) = δ Var Nj (˜ ), Cov Nj (D) an j (W H)τj |x − yn j | , n=1

yn

yn

(224) wobei der Threshold-Sch¨ atzer   ), Covj Nj (D) δ Varj Nj (˜ yn

mit

(225)

yn

   1, Varjx (˜ ) ≥ Covjx (D), j j δ Var Nj (˜ ), Cov Nj (D) = ) < Covjx (D), 0, Varjx (˜ yn yn

(226)

(hard threshold) oder 



δ Varj Nj (˜ ), Covj Nj (D) = yn

yn

  ⎧ ⎨ max 0, 1 − Covjx (D) , j



Varx ( ) ˜

0,

Varjx (˜ ) = 0, Varjx (˜ ) = 0, (227)

(soft threshold) genutzt werden kann. Selbstverst¨andlich ist die Technik des “multiscale signal-to-noise thresholding” auch auf Gravitationsdaten und approximative Identit¨ aten im Sinne von (253) in gleicher Weise anwendbar. In diesem Falle haben wir die skalenund positionsabh¨angige Waveletkovarianz (217) und Waveletvarianz (219) bez¨ uglich der Dichte analog durch die skalen- und positionsabh¨ angige Waveletkovarianz und Waveletvarianz z. B. des Newton-Potentials zu substituieren.

165

13 Tiefendekorrelation der Dichte aus Potentialdaten mithilfe des Haar-Kernes Die Behandlung inverser Probleme mit Wavelets ist ein Forschungsfeld mit großer Aktivit¨at. Genannt seien hier fr¨ uhe Arbeiten von V. Dicken, P. Maass (1996), D.L. Donoho (1995), W. Freeden, F. Schneider (1998), A.K. Louis, P. Mass (1990), A. Rieder (1997) und X.G. Xia, M.Z. Nashed (1994). Die Regularisierung inverser Probleme mittels Mollifier-Techniken steht jedoch erst am Anfang. W. Freeden, C. Blick (2013), W. Freeden, C. Gerhards (2013), W. Freeden, M.Z. Nashed (2018a,b,c,d), C. Blick et al. (2015) zeigen jedoch, dass auf diese Weise “eminent schlecht gestellte inverse” Probleme behandelt werden k¨onnen. In der Regel hat man Daten einer gest¨ orten Funktion gegeben und m¨ochte daraus eine Funktion bestimmen, die u ¨ber eine Fredholmsche Integralgleichung erster Art gegeben ist (wie etwa die Gleichung der inversen Gravimetrie). Unter Zuhilfenahme einer Waveletentwicklung k¨onnen die Waveletkoeffizienten nach Diskretisierung, z. B. durch die L¨osung eines linearen Gleichungssystems, ermittelt werden. Der Vorteil des Einsatzes von Mollifier-Wavelets liegt dabei vor allem in ihrer Eigenschaft der Ortslokalisierung. In der Konsequenz kann eine geologische Untersuchung lokal unter bloßem Zugriff auf nur lokales Datenmaterial durchgef¨ uhrt werden. Dies bedeutet aber, dass wir uns bei entsprechender Datenvorgabe prinzipiell auf geologisch signifikante Bereiche (wie etwa Gas- und Erd¨ ollager, Aquifere, bestimmte Bohrpfadumgebungen etc.) bei einem Mollifier-Multiskalenzugang beschr¨anken k¨onnen, ohne eine globale “geologische Kampagne” anstrengen zu m¨ ussen. Konkret auf die Belange der inversen Gravimetrie dieses Buches u ¨bertragen finden skalenabh¨angige “Mollifikationen” des Newton-Kerns f¨ ur die lokalen Untersuchungen im Innern eines Testbereiches Anwendung (vgl. W. Freeden, C. Blick (2013), W. Freeden, C. Gerhards (2013)), die in bemerkenswerter Weise die Konstruktion von Wavelets mit lokalen Tr¨ agern simultan f¨ ur die Potential- und Dichtemodellierung zulassen. Konkreter gesagt, die (negative) Laplace-Ableitung der Mollifikationen des Newton-Kerns f¨ uhrt unmittelbar auf (die bereits oben behandelten) Volumenvarianten von Haar-Wavelets (vgl. W. Freeden, M.Z. Nashed (2018c,d, 2020) f¨ ur eine tiefere mathematische Darstellung).

166 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_13

13.1 Mollifier-Newton-Skalierungs- und Waveletfunktionen Um die Multiskalenzerlegung mittels Mollifier-Newton-Skalierungsfunktionen, die ein “Zooming-in” erm¨oglichen, zu erl¨autern, ersetzten wir den NewtonKern aus Kapitel 6.4, d. h. den singul¨aren Kern G(Δ; |x − y|) der Fundamentall¨osung des (negativen) Laplace-Operators G(Δ; |x − y|) =

1 1 , 4π |x − y|

x = y,

(228)

aren Kernen (Mollifiern): durch eine Familie {GHτ (Δ; |x − y|)}τ >0 von regul¨  1 1 , |x − y| ≥ τ GHτ (Δ; |x − y|) = 4π1 |x−y| 1 (229) 2 8πτ (3 − τ 2 |x − y| ), |x − y| < τ. Das Newton-Potential (64) V (x) = B

G(Δ; |x − y|)(y) dy

(230)

l¨asst sich dann bekanntlich bei stetigem  in B durch das τ -Mollifier-NewtonPotential VHτ (x) = GHτ (Δ; |x − y|)(y) dy (231) B

in quadratischer Approximationsordnung ann¨ ahern, und wir erhalten durch ¨ Anwendung des negativen Laplace-Operators einen Ubergang zum HaarKonzept  0, |x − y| ≥ τ, (232) −Δx GHτ (Δ; |x − y|) = Hτ (|x − y|) = 3 , |x − y| < τ, 4πτ 3 wobei Hτ wie u ¨blich den Haar-Kern darstellt, den wir bereits bei der Waveletdekorrelation der Dichte am Marmousi- und BP-Beispiel kennengelernt haben. Zur Einf¨ uhrung einer skalendiskreten Waveletstruktur folgen wir den Zug¨angen analog zu W. Freeden, C. Blick (2013); W. Freeden, C. Gerhards (2013)): Wir betrachten f¨ ur eine positive, monoton fallende Folge {τj }j∈N von Skalenparametern mit limj→∞ τj = 0 (z. B. der dyadischen Folge τj = 2−j , j ∈ N) die Folge von Regularisierungen, d. h. Mollifier-Newton-Skalierungsfunktionen ur den Kern G(Δ; ·) gegeben durch {GHτj (Δ; ·)}, j ∈ N, f¨ 167

⎧1 1 |x − y| > τj , ⎨ 4π |x−y| ,   2 GHτj (Δ; |x − y|) = |x−y| 1 ⎩ 8πτ 3 − τ2 , |x − y| ≤ τj . j

(233)

j

Korrespondierend zur Familie {GHτj (Δ; ·)}j∈N der Mollifier-Newton-Skalierungsfunktionen ist die Familie von Mollifier-Newton-Waveletfunktionen {(W G)Hτj (Δ; ·)}j∈N ist u ¨ber die Differenzengleichung (W G)Hτj (Δ; |x − y|) = GHτj+1 (Δ; |x − y|) − GHτj (Δ; |x − y|),

j ∈ N, (234)

x, y ∈ R3 , definiert. Offensichtlich gilt mit der u ur J0 ≤ J − 1 die ¨blichen Argumentationsweise f¨ Gleichung GHτJ (Δ; |x − y|)(y) dy (235) VHτJ (x) = B

+

0

J−1 

j=J0 B

(W G)Hτj (Δ; |x − y|) (y) dy

mit lim sup |V (x) − VHτj (x)| = 0.

J→∞

(236)

x∈B

Es sollte darauf hingewiesen werden, dass jedes Folgenmitglied von {(W G)Hτj (Δ; ·){j∈N einen lokalen Tr¨ager hat, d. h. bei der Auswertung des Integrals kann man sich auf einen bestimmten Bereich, einen kugelf¨ ormigen Tr¨ ager, beschranken. Dies macht die Berechnung aus numerischer Sicht effizient und ¨ ¨okonomisch. Unserer Konstruktion nach erzeugen wir jeweils mithilfe der Mollifier-NewtonSkalierungs- und Waveletfunktionen GHτj (Δ; ·) und (W G)Hτj (Δ; ·) tiefpassbzw. bandpassgefilterte Mollifier-Versionen VHτj und (W V )Hτj gegeben durch VHτj (x) =

B

GHτj (Δ; |x − y|) (y) dy

(237)

(W G)Hτj (Δ; |x − y|) (y) dy

(238)



und (W V )Hτj (x) =

B

¨ zum Newton-Potential V. Uber die negative Laplace-Ableitung erhalten wir dann simultan tiefpass- bzw. bandpassgefilterte Haar-Versionen der Dichte  der Form

168

Hτj (x) = −Δx VHτj (x) = −Δx GHτj (Δ; |x − y|) (y) dy B = Hτj (|x − y|) (y) dy

(239)

B

und



(W )Hτj (x) = Hτj+1 (x) − Hτj (x) = −

B

Δx (W G)Hτj (Δ; |x − y|) (y) dy.

(240) Illustration der Haar-Skalierungs- und Waveletfunktionen sowie der MollifierNewton-Skalierungs- und -Waveletfunktionen findet sich in den Abbildungen 73 - 76.

Abb. 73 Haar-Skalierungsfunktionen Hτ (rechts) resultierend durch die (negative) Laplace-Ableitung aus den Mollifier-Newton-Skalierungsfunktionen GHτ (links) f¨ ur nicht-dyadische Skalen.

Abb. 74 Haar-Waveletfunktionen (W H)τj (rechts) resultierend durch die (negative) ur dyadiLaplace-Ableitung aus Mollifier-Newton-Waveletfunktionen (W G)τj (links) f¨ sche Skalen.

169

(a) GHτ1 (Δ; |x|)

(b) GHτ2 (Δ; |x|)

(c) GHτ3 (Δ; |x|)

(d) GHτ4 (Δ; |x|)

Abb. 75 Mollifier-Newton-Skalierungsfunktionen GHτj (Δ; |x|), x ∈ R3 , mit τj = 2−j f¨ ur j = 1, 2, 3, 4.

(a) (W G)Hτ1 (Δ; |x|)

(b) (W G)Hτ2 (Δ; |x|)

(c) (W G)Hτ3 (Δ; |x|)

(d)(W G)Hτ4 (Δ; |x|)

Abb. 76 Mollifier-Newton-Waveletfunktionen (W G)Hτ1 (Δ; |x|), x ∈ R3 , mit τj = 2−j f¨ ur j = 1, 2, 3, 4.

170

13.2 Inversion der Mollifier-Newton-Potentiale Zur Erl¨auterung der Grundidee der inversen Multiskalenzerlegung der Dichte aus Gravitationsdaten (vgl. W. Freeden, C. Gerhards (2013)) gehen wir zur¨ uck auf die Gleichung (239). Grundidee der Mollifierinversion. F¨ ur ausreichend große Skalen(indizes) J kann die Regulariserung VHτJ als Approximation des Newton-Potentials V mit vernachl¨assigbarem Fehler verstanden werden, d. h. GHτJ (Δ; |x − y|) (y) dy, x ∈ R3 . (241) V (x)  VHτJ (x) = B

Eine n¨aherungsweise Integrationsformel u uhrt dann zu ¨ber B f¨ V (x) 

NJ 

GHτJ (Δ; |x − yiNJ |) wiNJ (yiNJ ),

x ∈ R3 ,

(242)

i=1 N N utzstellen wobei wi J ∈ R, yi J ∈ B, i = 1, . . . , NJ , die bekannten Gewichte und St¨ sind. Wir nehmen an, dass die Koeffizienten J aN = wiNJ (yiNJ ), i

i = 1, . . . , NJ ,

(243)

beim Inversionsprozess der Dichtemodellierung unbekannt sind. Sie m¨ ussen also durch L¨osung eines linearen Gleichungssystems der Art J V (xM k )=

NJ 

NJ NJ J GHτJ (Δ; |xM k − yi |) ai ,

k = 1, . . . , MJ ,

(244)

i=1 M J utzstellen xM ∈ aus den bekannten Gravitationswerten V (xk J ) an den St¨ k NJ B, k = 1, . . . , MJ , bestimmt werden. Da die Integrationsgewichte wi bekannt N sind, erh¨alt man die Dichtewerte (yi J ) sofort aus (243), so dass die Dichte  aus

(x)  HτJ (x) =

NJ 

HτJ (|x − yiNJ |)wiNJ (yiNJ ),

x ∈ B,

(245)

i=1

bestimmt werden kann. Die dekorrelierende Wirkung der Haar-Kerne und ihrer Wavelets ist von besonderem Vorteil bei der L¨osung des Geichungssystems z. B durch kleinste Quadrate-Methoden oder auch durch variationelle Regulariserungsverfahren (vgl. z. B. M. Grasmair, M. Haltmeier, O. Scherzer. (2010); G. Nolet (2008) und die hierin enthaltenen Literaturlisten). Mit der L¨ osung des Glei171

chungssystems ist zugleich auch die L¨osung des Gravimetrieproblems der Bestimmung von (lokaler) Dichteinformation aus (lokalen) Potentialdaten gew¨ahrleistet. Mehr noch, sofern wir dieselbe Kubaturformel (242) benutzen, ergibt sich unmittelbar f¨ ur j = J0 , . . . , J − 1 VHτj (x) =

NJ 

J GHτj (Δ; |x − yiNJ |) aN i

(246)

J (W G)Hτj (Δ; |x − yiNJ |) aN i ,

(247)

i=1

und (W V )Hτj (x) =

NJ  i=1

sowie Hτj (x) =

NJ 

J (−Δx GHτj (Δ; |x − yiNJ |)) aN i    i=1

(248)

N =Hτj (|x−yi J |)

und (W )Hτj (x) =

NJ 

J (−Δx (W G)Hτj (Δ; |x − yiNJ |) aN i .   i=1 

(249)

N =(W H)τj (|x−yi J |)

Dies bef¨ahigt uns zu einer Dekorrelationsanalyse der Dichte  aus gegebenen Potentialdaten. Abb. 77 zeigt die Zerlegung des BP-Dichtemodells basierend auf den Skalen j = 1 bis j = 7, wobei der Skalenparameter τj auf die Gr¨ oßendimensionen des BP-Modells angepasst ist (vgl. die Dissertation S. M¨ ohringer (2014) der AG Geomathematik, TU Kaiserslautern, f¨ ur die genauere Spezifikation der numerisch relevanten Parameter). Die Detailinformation durch Bandpassfilterung in Abb. 77 zu den Skalen j = 2, 3, 4 zeigt deutlich alle pr¨agnanten Schichtabgrenzungen der geologischen Formationen, und diese werden umso feiner je h¨ oher der Skalenindex gew¨ ahlt ist.

172

Abb. 77 Mollifier-Multiskalenzerlegung des BP-Dichtemodells zu den dyadischen Skalen von j = 1 bis j = 7, Tiefpassfilterung Hτj der Dichte (links), Bandpassfilterung g (W )Hτj der Dichte (rechts) in [ cm 3 ].

173

14 Tiefendekorrelation der Dichte aus Potentialdaten mithilfe von Kernen mit kompakten Tragern ¨ Im Folgenden besch¨aftigen wir uns mit einer allgemeinen Klasse von Mollifiern, aus denen jeweils ebenso wie beim Haar-Kern die Erzeugung einer bestimmten “Mollifier-Basisfamilie” durch zwei charakteristische Operationen, n¨ amlich durch Dilatation und Translation, hervorgeht. In der Konsequenz wird ein abgeschlossenes System, d. h. eine “approximierende Identit¨ at”, aus einem einzelnen radialabh¨angigen Mollifier-Kern mittels Dilatation und Translation gewonnen, und dieses so erhaltene Basissystem (in der mathematischen Nomenklatur h¨aufig “Frame” genannt) liefert n¨ utzliche Basiselemente zur Multiskalenmodellierung und Dekorrelation von Signalsignaturen.

14.1 Mollifier-Dirac-Multiskalenkontext Eine Folge {Kτ }τ >0 von 1D-Funktionen r → Kτ (r), r ≥ 0,

(250)

wird eine Mollifier-Dirac-Skalierungsfunktion genannt, falls sie den folgenden Bedingungen gen¨ ugt: (i) Kτ (r) = 0, r > τ, (ii) Kτ (r) ≥ 0, r ≥ 0, (iii) Kτ |(0,τ ] ist beliebig oft differenzierbar, (iii) {Kτ }τ >0 besitzt die “Lokalisierungseigenschaft” ∞ Kτ (r) dr = 0 lim τ →0 δ

(251)

f¨ ur jedes δ > 0, (iv) {Kτ }τ >0 besitzt die Eigenschaft τ 4π Kτ (r) r2 dr = 1.

(252)

0

Sei  eine stetige Funktion in B. Dann bildet die Famile {IKτ }τ >0 von Operatoren IKτ :  → IKτ () gegeben durch

174 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_14

IKτ ()(x) = Kτ (x) =



=

R3

Kτ (|x − y|) (y) dy

|x−y|≤τ y∈B

(253)

Kτ (|x − y|) (y) dy

eine approximierende Identit¨ at von  im bekannten Sinne, d. h. f¨ ur jedes x ∈ B ist f¨ ur das Integral (254) Kτ (x) − α(x)(x) = |x−y|≤τ Kτ (|x − y|) ((y) − (x)) dy y∈B

die Grenzrelation (die den Namen approximierende Identit¨ at rechtfertigt!) lim |IKτ ()(x) − α(x)(x)| = 0,

τ →0

(255)

erf¨ ullt. Dabei bezeichnet α(x) wie u uglich ∂B im ¨blich den Raumwinkel bez¨ Punkt x ∈ R3 . Formal ist eine approximierende Identit¨at {IKτ }τ ≥0 in B so konstruiert (vgl. z. B. E. Wienholz, H. Kalf, T. Kriecherbauer (2009)), dass die Kerne {Kτ }τ ≥0 gegen das Dirac-Funktion(al) konvergieren: lim Kτ (x)−(x) = lim |x−y|≤τ (Kτ (|x−y|)−δ(|x−y|)) (y) dy = 0, x ∈ B. τ →0

τ →0

y∈B

(256) Dies ist der Grund, warum f¨ ur fallende “Skalen” τ die skalenkontinuierliarkere chen “Mollifier-Dirac-Skalierungsfunktionen” {Kτ }τ ≥0 eine immer st¨ “Raumlokalisierung” aufweisen. Es ist nicht schwierig zu verifizieren, dass f¨ ur eine positive, monoton fallende Folge {τj }j∈N0 von Skalierungsparametern mit lim τj = 0

(257)

j→∞

das Integral

(W K)τj =

τj

(W K)τ τj+1

wie folgt berechnet werden kann:

175

1 dτ τ

(258)



τj

1 dτ τ τj+1   τj d 1 = Kτ (|x − y|) dτ −τ dτ τ τj+1  τj  d =− Kτ (|x − y|) dτ τj+1 dτ

(W K)τj (|x − y|) =

(W K)τ (|x − y|)

(259)

= Kτj+1 (|x − y|) − Kτj (|x − y|). Somit gilt f¨ ur die Mollifier-Dirac-Skalierungsfunktion {Kτj }j∈N0 und die skalendiskrete Mollifier-Dirac-Waveletfunktion {(W K)τj }j∈N0 die sogenannte skalendiskrete Skalierungsgleichung (W K)τj = Kτj+1 − Kτj ,

j ∈ N0 .

(260)

Aus (260) folgt daher der Sachverhalt: Die Skalierungsfunktion KτJ+1 zur Skala J + 1 ergibt sich additiv aus der Skalierungsfunktion KτJ zur Skala J und der korrespondierenden Waveletfunktion (W K)τJ zur Skala J KτJ+1 = KτJ + (W K)τJ .

(261)

Dies ist der Schl¨ ussel f¨ ur die angestrebten Dekorrelationsverfahren. Es erm¨ oglicht uns, die Filterung mit einem Wavelet (W K)τJ (|x − y|) (y) dy (262) |x−y|≤τ J

y∈B

als Differenz zweier aufeinanderfolgender Filterungen (KτJ+1 (|x − y|) (y) dy − |x−y|≤τ (KτJ (|x − y|) (y) dy (263) |x−y|≤τ J+1 y∈B

J

y∈B

auszudr¨ ucken. Damit k¨onnen wir die “Detailinformation” kontrollieren, die zwar im Integral (KτJ+1 (|x − y|) (y) dy, (264) |x−y|≤τ J+1 y∈B

aber nicht im Integral |x−y|≤τJ y∈B

(KτJ (|x − y|) (y) dy

176

(265)

enthalten ist. Setzen wir unsere Skalierungsgleichung fort, so gehorchen die skalendiskreten Wavelets (W K)τj , j = 0, ..., J − 1, der Relation KτJ = Kτ0 +

J−1 

(W K)τj .

(266)

j=0

Dies f¨ uhrt uns auf folgende Resultate: F¨ ur stetiges  in B und Punkte x ∈ B gelten die Skalierungsgleichung KτJ0 (|x − y|)(y) dy (267) IKτJ ()(x) = +

B J−1 



j=J0 B

(W K)τj (|x − y|) (y) dy

und die resultierende Grenzrelation lim IKτJ ()(x) = (x).

J→∞

(268)

Von besonderem Interesse f¨ ur die Praxis ist, dass die Skalierungsfunktionen ager besitKτj ortsbegrenzt sind (d. h. im mathematischen Jargon lokale Tr¨ zen), die mit wachsenden Skalen schrumpfen. Simultan vergr¨ oßern sich die Maxima der Funktionen Kτj .

14.2 Mollifier-Newton-Potentiale und Multiskalenkontext Im Weiteren verfolgen wir die Idee, eine Mollifier-Regularisierung der Fundamentall¨osung des (negativen) Laplace-Operators aus dem Kontext approximierender Idendit¨aten abzuleiten. Gesucht ist also zu einer gegebenen skalendiskreten Mollifier-Dirac-Skalierungsfunktion {Kτj }j∈N0 eine Familie von Kernen GKτj (Δ; |x − y|) mit der Eigenschaft −Δx GKτj (Δ; |x − y|) = Kτj (|x − y|), x, y ∈ R3 .

177

(269)

Da die auftretenden Kerne radialabh¨angig (r = |x − y|, x, y ∈ R3 ) sind, k¨onnen wir die Gleichung (269) mit Hilfe der Radialdarstellung des LaplaceOperators in 3D-Nomenklatur ausdr¨ ucken: 1 ∂ 2 ∂ (270) r GKτj (Δ; r) = Kτj (r). r2 ∂r ∂r F¨ ur eine approximierende Identit¨at {Kτ }τ >0 l¨ asst sich daher formal gem¨ aß der Integrationsformel   1 2 K (r) dr dr (271) − r τj r2 −

ein Kern GKτj (Δ; r) gewinnen. Wir beschr¨anken uns hier auf die wohl einfachsten Beispiele vom Haarschen Typ: • Haar-Kern:

 Kτ (r) = 

mit GKτ (Δ; r) =

1 Bτj (0) ,

r < τ,

0,

r ≥ τ,

1 1 2 8πτ (3 − τ 2 r ), 1 1 4π r ,

r τ,

(274)

so dass (vgl. Gleichung (211))

Kτ (|x − y|) dy = 4π

τ

Kτ (r) r2 dr = 1

(275)

0

gilt. Es ist nicht schwierig zu sehen, dass 1 4 1 r , r → − r2 + 6 202

r > 0,

(276)

die Gleichung   1 d 2 d r2 1 2 1 4 − 2 r = 1 − − r + r , r dr dr 6 202 2 erf¨ ullt. Daher folgt, dass

178

r ≥ 0,  > 0

(277)

 GKτj (Δ; |x − y|) =

1 CKτ

0,

 1  1 4 , |x − y| ≤ τ, − 6 |x − y|2 + 20τ 2 |x − y| (278) |x − y| > τ,

der Differentialgleichung −Δx GKτj (Δ; |x − y|) = Kτj (|x − y|)

(279)

gen¨ ugt. Anmerkung 9. Neben den genannten Beispielen gibt es eine Vielzahl weiterer interessanter Beispiele (vgl. z. B. G.I. Eskin (1981)), wie etwa die “DiracFolge”  2   exp r2τ−τ 2 , r < τ, (280) Kτ (r) = CKτ 0, r ≥ τ. Der Vorteil dieser aus der Theorie der Schwarz-Distributionen bekannten Funktion (280) ist ihre u ¨berall beliebig hohe Differenzierbarkeit. Allerdings ist die Konstante CKτ durch n¨aherungsweise Integration zu ermitteln. Mollifier-Volumenpotentiale. F¨ ur eine gew¨ ahlte approximierende Identit¨at {Kτ }τ >0 lassen sich die Mollifier-Newton-Skalierungs- und Waveletfunktionen v¨ollig analog zum Dirac-Fall des Mollifiers behandeln. Daher geben wir nur einen kurzen Abriss: Wir betrachten f¨ ur eine positive, monoton fallende Folge {τj }j∈N von Skalenparametern mit limj→∞ τj = 0 (z. B. die dyadische Folge τj = C · 2−j , j ∈ N mit einer geeigneten Konstanten C, die in Anpassung an die gr¨ oßenm¨ aßige Ausdehnung des Testgebietes B gew¨ahlt wird) die Folge von Mollifier-NewtonSkalierungsfunktionen {GKτj (Δ; ·)}, j ∈ N, f¨ ur den Kern G(Δ; ·) mit der beschriebenen Eigenschaft −Δx GKτj (Δ; |x − y|) = Kτj (|x − y|), x, y ∈ R3 .

(281)

Die Familie von Mollifier-Newton-Waveletfunktionen {(W G)Kτj )(Δ; ·)}j∈N ist u ¨ber die (skalendiskrete) Differenzengleichung ((W G)Kτj (Δ; |x−y|) = GKτj+1 (Δ; |x−y|)−GKτj (Δ; |x−y|), x, y ∈ R3 , definiert.

179

j ∈ N, (282)

Sei  eine stetige Funktion in B. F¨ ur die Mollifier-Newton-Potentiale“ ” GKτj (Δ; |x − y|) (y) dy (283) VKτj (x) = B



und (W V )Kτj (x) =

B

(W G)Kτj (Δ; |x − y|) (y) dy

gilt dann f¨ ur J0 ≤ J − 1 GKτJ (Δ; |x − y|) (y) dy VKτJ (x) = 0

B

+

J−1 

(284)

(285)



j=J0 B

(W G)Kτj (Δ; |x − y|) (y) dy

mit lim sup |V (x) − VKτJ (x)| = 0.

J→∞

(286)

x∈B

Es sollte darauf hingewiesen werden, dass jede Waveletfunktion der Familie {(W G)Kτj (Δ; ·)}j∈N einen lokalen Tr¨ager hat, und dies die Numerik der Dekorrelation effizient und ¨okonomisch macht. Selbstverst¨ andlich werden jeweils mithilfe der Mollifier-Newton-Skalierungs- und Waveletfunktionen GKτj (Δ; ·) und (W G)Kτj (Δ; ·) tiefpass- bzw. bandpassgefilterte Mollifier-Versionen VKτj und (W V )Kτj zum Newton-Potential V erzeugt. ¨ Uber die negative Laplace-Ableitung erhalten wir dann simultan tiefpassbzw. bandpassgefilterte Versionen der Dichte  der Form (287) Kτj (x) = − Δx GKτj (Δ; |x − y|) (y) dy B = Kτj (|x − y|) (y) dy B

und (W )Kτj (x) = Kτj+1 (x) − Hτj (x) = − Δx (W G)Kτj (Δ; |x − y|) (y) dy. B

180

(288)

14.3 Mollifier-Newton-Wavelet-Inversion Wir widmen unsere Aufmerksamkeit zuerst der schon vom Haarschen Fall bekannten Grundidee: F¨ ur ausreichend große Skalen J kann das MollifierNewton-Potential VKτJ als Approximation des Newtonpotentials V mit vernachl¨assigbarem Fehler verstanden werden, d. h. es gilt: GKτJ (Δ; |x − y|) (y) dy, x ∈ R3 . (289) V (x)  VKτJ (x) = B

Eine Kubaturformel u ¨ber B liefert dann V (x) 

NJ 

  GKτJ Δ; |x − yiNJ | wiNJ (yiNJ ),

(290)

i=1 N N utzstellen sind. wobei wi J , yi J , i = 1, . . . , NJ , die bekannten Gewichte und St¨ Da die Koeffizienten   NJ NJ J aN = w  y (291) , i = 1, . . . , NJ , i i i

unbekannt sind, m¨ ussen sie durch L¨osung eines linearen Gleichungssystems der Art NJ      NJ NJ J J GKτJ Δ; |xM = V xM k k − yi | ai ,

k = 1, . . . , MJ ,

(292)

i=1

  J J aus den bekannten Gravitationswerten V xM an den Stellen xM ∈ B, k k NJ k = 1, . . . , MJ , bestimmt werden. Da  die Integrationsgewichte wi bekannt sind, erh¨alt man die Dichtewerte  yiNJ sofort aus (291), so dass die Dichte  aus

(x)  KτJ (x) =

NJ 

  Kτj |x − yiNJ | wiNJ (yiNJ ),

x ∈ B,

(293)

i=1

bestimmt werden kann. Mit der L¨osung des Gleichungssystems ist zugleich auch die L¨ osung des Gravimetrieproblems der Bestimmung diskreter Dichteinformation aus diskreten Potentialdaten gew¨ahrleistet:

181

Kτj (x) =

  J (−Δx GKτj Δ; |x − yiNJ | ) aN i   i=1   

NJ 

(294)

N =Kτj |x−yi J |

und (W )Kτj (x) =

  J (−Δx (W G)Kτj Δ; |x − yiNJ | aN i .   i=1   

NJ 

(295)

N =(W K)τj |x−yi J |

Dies erm¨oglicht eine Mollifier-Dekorrelationsanalyse der Dichte  aus gegebenen Potentialdaten. Allerdings sind wir mit mehreren Problemen bei dem geschilderten MollifierInversionsprozess konfrontiert: • Um die Kubaturformel (290) zur Anwendung zu bringen, ist ein bestimmN tes Aufkommen von Knoten yi J , i = 1, . . . , NJ , angezeigt. Da Gesamtanur zahl NJ der Knoten und die Anzahl MJ der gegebenen Potentialwerte f¨ die Numerik in angemessenem Verh¨altnis stehen sollten, mangelt es oftmals an anwendungsf¨ahigem Datenmaterial. • Die fehlende Eindeutigkeit der inversen Gravimetie bedingt, dass eine Inversion mit ausschließlich terrestrischem und/oder externem Datenmaterial (insbesondere f¨ ur tiefere Lagen) nicht zielf¨ uhrend ist. Pr¨ ainformation ist dringend geboten, um einen “gewissen a priori Zwang zur Eindeutigkeit” zu garantieren. • Auch wenn Anzahl der Daten und Pr¨ainformation gesichert sind, so ist der kritische Punkt des geschilderten Inversionsprozess dennoch die L¨ osung des linearen Gleichungssystems (292). Da der Kern GKτJ (Δ; | · − · |) keinen lokalen Tr¨ager besitzt, ist eine ¨okonomische Numerik kaum umsetzbar. Stabilit¨atsprobleme des aufgezeigten L¨osungsweges sind somit unvermeidlich. Die L¨osung des linearen Gleichungssystems (292) ist allerdings umso stabiler und realistischer, je mehr interne Dateninformation vorliegt. Ein hohes Aufkommen an interner Dateninformation ist in der Praxis jedoch oftmals eine Wunschvorstellung. Dieser Sachverhalt beschreibt die Krux, mit der sich inverse Gravimetrie konfrontiert sieht.

14.4 L¨ osungseffizienz des Inversionsprozesses Trotz der soeben aufgelisteten Probleme im geschilderten Mollifier-Inversionsprozess gibt es einige Auswege zu ihrer Vermeidung und/oder Ab182

schw¨achung, die Gegenstand der folgenden Untersuchungen sind: Summationsmethode unter Benutzung von Gauss-Funktionen. Aufgrund bereits geleisteter Vorarbeit verschiedener Gruppen in der Numerik wird hier der Vorschlag aufgenommen, den Newton-Kern durch eine lineare Kombination von Gauss-Funktionen wie folgt zu ersetzen: G(Δ; |x − y|) =

M  2 1 1 ∼ Φ(|x − y|) = ωm e−αm |x−y| , = 4π |x − y|

|x − y| ∈ [δ, 1].

m=1

(296) Dies kann wegen der Radialabh¨angigkeit mittels 1D-Techniken durchgef¨ uhrt werden. M  2 1 ∼ ωm e−αm r , r ∈ [δ, 1]. (297) G(Δ; r) = = Φ(r) = 4πr m=1

Die Kalamit¨at liegt allerdings in der Ermittlung der Koeffizienten αm , ωm , m = 1, . . . , M, und der Wahl der Summenobergrenze M . Verschiedene Vorschl¨age sind in der neueren Literatur zu finden: • W. Hackbusch (2005) nutzt einen Remez-Algorithmus zur Ausbeutung spezifischer Eigenschaften eines bestimmten Fehlerfunktionals. • In W. Hackbusch (2010) wird die Approximation durch eine Newton-TypOptimierungsmethode angestrebt. • Schnelle Multipolmethoden (siehe z. B. G. Beylkin, L. Monz´ on (2005), G. Beylkin, L. Monz´ on (2010), H. Cheng et al. (1999), L. Greengard, V. Rokhlin (1997), K. Hesse (2003), M. Gutting (2007), M. Gutting (2012), M. Gutting (2015)) liefern numerische Hilfsmittel von großer Bedeutung. • Unser bisheriger Zugang basiert auf der Forderung, dass f¨ ur eine hinreichend große Skala J 1 ∂ 2 ∂ r GKτJ (Δ; r) r2 ∂r ∂r ∂ 1 ∂ ∼ = − 2 r2 G(Δ; r) r ∂r ∂r ∂ 1 ∂ ∼ = − 2 r2 Φ(r). r ∂r ∂r M 2 ∂  1 ∂ ωm e−αm r , = − 2 r2 r ∂r ∂r

KτJ (r) = −

m=1

=

Ψ (r)

183

(298)

ist, wobei mittels elementarer Rechnung KτJ (r) ∼ = Ψ (r) =

M 

  2 2 2 ωm 6αm − 4αm r e−αm r

(299)

m=1

folgt. Das lineare Gleichungssystem (292) wird nun durch NJ      M NJ J J Φ |xM − y | aN V xk J = i i , k

k = 1, . . . , MJ ,

(300)

i=1

  J J ersetzt, wobei die Gravitationswerte V xM ∈ B, an den Stellen xM k k NJ k = 1, . . . , MJ , gegeben sind. Da  die Integrationsgewichte wi bekannt sind, erh¨alt man die Dichtewerte  yiNJ sofort aus (300), so dass die Dichte  aus NJ      (301) (x) ∼ Ψ |x − yiNJ | wiNJ  yiNJ , x ∈ B, =    i=1 N =ai J

folgt. Dies impliziert eine nicht-harmonische Dichten¨ aherung Kτj (|y − x|) (y) dy Kτj (x) =

(302)

B

∼ = ∼ =



B

Kτj (|y − x|)

Nj

 k=1

NJ      Ψ |y − yiNJ | wiNJ  yiNJ dy i=1

NJ       N N  N Kτj |yk j − x| wk j Ψ |yi j − yiNJ | wiNJ  yiNJ i=1







Nj =ai

Nj

f¨ ur j = J0 , . . . , J − 1 mit den Gewichten wi f¨ ur eine Kubaturformel zur Skala j.

N

und Knoten yi j , i = 1, . . . , Nj ,

L¨ osung durch Vorinformation. Um den Schwierigkeiten der Eindeutigkeit der L¨osung und der Vollbesetztheit der Koeffizientenmatrix des linearen Gleichungssystems (293) zu begegnen, k¨onnen wir annehmen, dass aus interner (in Kombination mit externer) Vorinformation dem Potential V ein bekanntes tiefpassgefiltertes Potential VKτJ mit J0 < J assoziert werden kann. 0

Dann k¨onnen wir die Gleichung (289) durch folgenden Ansatz ersetzen: 184

V (x) − VKτJ (x)

(303)

0

 VKτJ (x) − VKτJ (x) 0   = GKτJ (Δ; |x − y|) − GKτJ (Δ; |x − y|) (y) dy, 0

B

x ∈ R3 .

Dabei hat der in (303) im Integral auftretende Differenzenkern einen lokalen Tr¨ager, d. h. es gilt f¨ ur alle x ∈ R3 mit |x − y| ≥ τJ0 die Gleichung GKτJ (Δ; |x − y|) − GKτJ (Δ; |x − y|) = 0. 0

(304)

Eine geeignete Kubaturformel u ¨ber B liefert V (x) − VKτJ (x)

(305)

0



NJ         GKτJ Δ; |x − yiNJ | − GKτJ Δ; |x − yiNJ | wiNJ  yiNJ , 0

i=1

utzstellen sind. wobei wiNJ , yiNJ , i = 1, . . . , NJ , die bekannten Gewichte und St¨ Die Koeffizienten   NJ NJ J , i = 1, . . . , NJ , aN = w  y (306) i i i ergeben sich dann unter Verwendung der bekannten Werte     MJ J J V xM − V x , xM ∈ R3 , k = 1, . . . , MJ , K τJ k k k 0

(307)

aus dem linearen Gleichungssystem MJ J V (xM k ) − VKτJ (xk )

(308)

0

=

NJ       NJ MJ NJ J J GKτJ Δ; |xM Δ; |x − y | − G − y | aN K τJ i i i , k k 0

i=1

k = 1, . . . , MJ , das numerisch vorteilhaft die Eigenschaft (304) zul¨ asst. ¨ Dies f¨ uhrt uns auf den Sachverhalt, dass die Effizienz und Okonomie des Gleichungssystems (308) wesentlich von der Verteilung und Dichte der DaJ J tenpunkte xM ur die verf¨ ugbaren Potentialwerte V (xM k , k = 1, . . . , MJ , f¨ k ), k = 1, . . . , MJ , abh¨angt: J • Sind Potentialwerte f¨ ur Datenpunkte xM k , k = 1, . . . , MJ , in “gleichverteil¨ ugbar, so ist die Okonomie aufgrund der Eigenschaft ter” Dichte u ¨ber B verf¨ (304) um so h¨oher, je mehr Vorinformation verf¨ ugbar ist, d. h. je gr¨ oßer

185

J0 mit J0 < J gew¨ahlt werden kann. J • F¨ ur ausschließlich terrestrische Potentialwerte (d. h. xM k , k = 1, . . . , MJ , sind Punkte des Schnittes von Erdoberfl¨ache mit dem Rand ∂B) bedeutet der Tr¨ager von (304) allerdings auch eine Einschr¨ ankung. Ist man n¨ amlich an Exploration in gr¨oßeren Tiefen interessiert, so hat man den Tr¨ ager anzupassen, d. h. J0 ist angemessen klein zu w¨ ahlen, was die numerische ¨ Okonomie selbstverst¨andlich beeintr¨achtigt.

186

15 Mollifier-Tiefendekorrelation durch 3D Spline-Waveletinversion In der gravimetrischen Praxis sind oft Splinemethoden zur Ermittlung von Interpolations- und Smoothingl¨osungen sowie zur Vervollst¨ andigung von Datenmaterial durch Bestapproximationen hilfreich. Wir widmen uns nun dieser Aufgabe, in dem wir uns methodisch an W. Freeden (1981a), W. Freeden (1987), W. Freeden, M.Z. Nashed (2018c) und W. Freeden, M.Z. Nashed (2020) orientieren. Dazu gehen wir zun¨achst von homogenem Datenmaterial, d. h. diskreten Potentialwerten aus. Es wird sich aber zeigen, dass die Einbeziehung heterogener Datentypen als Inputmaterial gleichermaßen m¨ oglich ist.

15.1 Reproduzierende Kern-Hilbertraumstruktur Der Schl¨ ussel f¨ ur die Anwendung von Spline-Methoden in der Gravimetrie liegt in der reproduzierenden Hilbertraum-Kernstruktur eines geeigneten Referenzraumes. Diesen besonderen Aspekt wollen wir zun¨ achst n¨ aher beleuchten. Referenzraum. Als Referenzraum H betrachten wir den Raum aller NewtonPotentiale 1 1 V (x) = (y) dy (309) 4π |x − y| B    =G(Δ;|x−y|)

f¨ ur quadrat-integrable Funktionen , d. h.  ist eine Funktion der Klasse L2 (B). Zur Einf¨ uhrung eines inneren Produktes in H, das Winkel und Abstand zwischen Newton-Potentialen in H definiert, greifen wir formal auf die Beziehung 1 1 V (y) dy (310) V (x) = −Δx B 4π |x − y|    =G(Δ;|x−y|)

= −Δx

B B



G(Δ; |x − y|) G(Δ; |y − z|) dy (z) dz   =KH (x,z)

zur¨ uck (vgl. W. Freeden, C. Gerhards (2013)). Das innere Produkt (·, ·)H ist nun f¨ ur Newton-Potentiale V1 , V2 ∈ H der Form G(Δ; | · −y|) 1 (y) dy (311) V1 = B

187 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_15

V2 =

B

G(Δ; | · −y|) 2 (y) dy

(312)

durch (313) (V1 , V2 )H   = G(Δ; | · −y|)1 (y) dy, G(Δ; | · −y|)2 (y) dy) B B H    −Δx G(Δ; |x − y|)1 (y) dy = −Δx G(Δ; |x − y|)2 (y) dy dx B B B = 1 (x) 2 (x) dx B

= (1 , 2 )L2 (B) vorgezeichnet. Mit anderen Worten, das innere Produkt wird vom Hilbertraum der Dichtefunktionen 1 , 2 ∈ L2 (B) auf den Hilbertraum Newtonscher Volumenpotentiale V1 , V2 ∈ H ”hochgezogen”: (V1 , V2 )H = (1 , 2 )L2 (B) . Wir betrachten den Kern (x, z) → KH (x, z) = G(Δ; |x − y|) G(Δ; |y − z|) dy, B

(314)

x, z ∈ R3 .

(315)

ur jedes x ∈ R3 ist F¨ ur jedes z ∈ R3 ist KH (·, z) ein Element aus H, und f¨ 3 ur jedes x ∈ R und jedes V ∈ H k¨ onnen wir daKH (x, ·) ein Element aus H. F¨ ¨ zeigt her das Skalarprodukt (KH (x, ·), V )H bilden. Eine formale Uberlegung   G(Δ; |x − y|) G(Δ; |y − ·|) dy, G(Δ; | · −y|)(y) dy) (KH (x, ·), V )H = B B H   = −Δz G(Δ; |x − y|) G(Δ; |y − z|) dy B B   × −Δz G(Δ; |z − y|)(y) dy dz B = G(Δ; |x − z|) (z) dz B

= V (x). Folglich besitzt der Kern (315) die reproduzierende Eigenschaft (KH (x, ·), V )H = V (x),

188

x ∈ R3 ,

(316)

die f¨ ur eine effiziente und numerische Anwendung innerhalb der Splinetheorie von großer Bedeutung ist. Eigenschaften der reproduzierenden Kern-Hilbertraumstruktur. Da die reproduzierende Kern-Hilbertraumstruktur (RKHS) eine zentrale Rolle f¨ ur den Mollifier-Spline-Zugang spielt, sollen hier einige vorbereitende Aspekte aufgelistet werden (f¨ ur detailliertere funktionalanalytische Studien verweisen wir den Leser z. B. auf N. Aronszajn (1950), P.J. Davis (1963), E. Hille (1972), S. Saitoh (1988)): • KH (x, y) = KH (y, x) f¨ ur alle x, y ∈ R3 . • |KH (x, y)| ≤



 KH (x, x) KH (y, y) f¨ ur alle x, y ∈ R3 .

• Der reproduzierende Kern KH (x, y) ist in R3 × R3 nicht-negativ, d. h. die Matrix k = (KH (xi , xj )1≤i,j≤N (317) aquivalenter ist nicht-negativ f¨ ur alle Punkte xi ∈ R3 , i = 1, . . . , N (oder, in ¨ Formulierung, es gilt: uT k u =

N 

ui KH (xi , xj ) uj ≥ 0

(318)

i,j=1

f¨ ur alle u = (u1 , . . . , uN )T ∈ RN ). • Jedes beschr¨ankte lineare Funktional L auf H l¨ asst sich mithilfe des reproduzierenden Kerns in der Form: L(V ) = (V, L)H

(319)

L = LKH (·, ·)

(320)

mit darstellen. • H ist ein Raum stetiger Funktionen, und es gilt: |V (x) − V (y)| = | (V, KH (x, ·) − KH (y, ·))H |

(321)

≤ V H KH (x, ·) − KH (y, ·) H

und

KH (x, ·) − KH (y, ·) 2 = KH (x, x) − 2KH (x, y) + KH (y, y) = 2(KH (x, x) − KH (x, y))

189

(322)

f¨ ur alle x, y ∈ R3 . • F¨ ur jedes Teilgebiet G in R3 ist der Raum L2 (G) aller quadrat-integrablen Funktionen kein reproduzierender Kern-Hilbertraum. In der Tat, ist das Punktfunktional nicht wohldefiniert (der “Wert” einer L2 -Funktion in einem Punkt hat keine Bedeutung, da die Funktion auf einem L2 -Maß Null ¨aquivalent ¨anderbar ist). • (Starke Konvergenz) Aus der Ungleichung |V (x) − Vn (x)| = | (V − Vn , KH (x, ·))H | ≤



KH (x, x) V − Vn H (323)

folgt, dass in H punktweise Konvergenz gleichm¨ aßige Konvergenz auf kompakten Punktmengen impliziert.

15.2 Gravimetrie-Spline-Kontext In unserem Gravimetrie-Kontext verhilft uns die reproduzierende KernHilbertraumstruktur (RKHS) letztendlich zu Splineverfahren, die die Dichte aus Potentialdaten mittels Interpolation/Smoothing gew¨ ahren. Wir nehmen dazu an, dass das Geopotential V ∈ H in diskreten Werten γi = V (xi ), xi ∈ R3 , i = 1, . . . , N,

(324)

korrespondierend zu einem Punktsystem XN = {x1 , . . . , xN } ⊂ R3 bekannt ist (damit lassen wir terrestrische, ¨außere ebenso wie innere Punktvorgaben des Potentials zu). Interpolation. Unser Ziel (vgl. W. Freeden, M.Z. Nashed (2020)) ist es eine V geeignete (d. h. glatte im Sinne von nicht-oszillierende) Approximation SN des Potentials V unter Interpolationsbedingungen V SN (xi ) = V (xi ) = γi ,

i = 1, . . . , N

(325)

zu finden. Bekanntlich l¨asst sich in H ein Wert V (x) in einem Punkt x ∈ R3 mit einem Punktfunktional (326) Fx : V → Fx (V ) = V (x), V ∈ H. identifizieren, f¨ ur das stets die Beschr¨anktheitsbedingung

190

|Fx (V )| = |V (x)| ≤



KH (x, x) V H

(327)

gilt. Die beobachteten Werte γi = V (xi ), xi ∈ R3 , i = 1, . . . , N , in den Punkangigen System ten von XN nehmen wir nun als zu einem linear unabh¨ Fx1 , . . . , FxN von (beschr¨ankten) Punktfunktionalen assoziiert an (bereits jetzt merken wir an, dass das System linear unabh¨ angiger Punktfunktionale selbstredend durch jedes andere linear unabh¨ angige System von beschr¨ankten Beobachtungsfunktionalen im R3 , wie etwa Schwereanomalien, Schwerest¨orungen, Normalableitungen etc., aber nicht durch schiefachsige Ableitungen in B ersetzt werden kann). V ∈ H als diejeniUnser Ziel ist es, eine Minimum-Norm-Interpolierende SN ge Linarkombination der Funktionen Fxi KH (·, ·) = KH (xi , ·), i = 1 . . . , N, zu finden, die in exakter Weise der Projektion des Geopotentials V auf den N dimensionalen linearen Teilraum aufgespannt von dem System Fxi KH (·, ·), i = 1, . . . , N , entspricht (siehe z. B. W. Freeden (1981a)).

Im Folgenden skizzieren wir f¨ ur Punktfunktionale den Weg zur expliziten V ∈ H: Darstellung von SN Der Raum aller Linearkombinationen N 

ai Fxi KH (·, ·),

ai ∈ R,

(328)

i=1

wird als Splineraum SH (Fx1 , . . . , FxN ) in H bez¨ uglich Fx1 , . . . , FxN bezeichnet. SH (Fx1 , . . . , FxN ) ist ein N -dimensionaler Teilraum von H. Jedes S des asst sich demzufolge in N -dimensionalen Spline-Raumes SH (Fx1 , . . . , FxN ) l¨ der Form N N   ai Fxi (KH (x, ·)) = ai KH (x, xi ) (329) S(x) = i=1

i=1

darstellen. Mehr noch, es gibt einen und nur einen Spline S ∈ SH (Fx1 , . . . , FxN ), der die Interpolationseigenschaft S(xi ) = V (xi ) = γi , i = 1, . . . , N , besitzt. Nach den Ausf¨ uhrungen u amlich ¨ber reproduzierende Kernfunktionen ist n¨ die Koeffizientenmatrix des linearen Gleichungssystems N 

ai KH (xl , xi ) = γl ,

l = 1, . . . , N,

(330)

i=1

regul¨ar. Den eindeutig bestimmten interpolierenden Spline bezeichnen wir V . Wir wollen nun noch zeigen, dass S V die gew¨ mit SN unschte MinimumN Norm Eigenschaft besitzt und damit die “glatteste” Interpolierende in H ist. Dazu benutzen wir die sogenannte H-Splineformel:

191

Sei S eine Splinefunktion der Klasse SH (Fx1 , . . . , FxN ) der Form (329). Dann gilt f¨ ur jedes P ∈ H (S, P )H =

N 

ai Fxi (P ) =

i=1

N 

ai P (xi ).

(331)

i=1

Mithilfe der Splineformel (331) k¨onnen wir leicht f¨ ur den interpolierenden V die folgenden Minimumeigenschaften garantieren: Spline SN • (Erste Minimumeigenschaft) F¨ ur jedes P ∈ H mit P (xi ) = V (xi ) = γi , i = 1, . . . , N, gilt V 2 V

H + SN − P 2H . (332)

P 2H = SN • (Zweite Minimumeigenschaft) F¨ ur jedes S ∈ SH (Fx1 , . . . , FxN ) und f¨ ur jedes P ∈ H mit P (xi ) = V (xi ) = γi , i = 1, . . . , N , gilt V V 2

S − P 2H = SN − P 2H + S − SN

H .

(333)

Aus der Eigenschaft (332) folgt unmittelbar die Minimum-Eigenschaft des V: interpolierenden Splines SN Das Minimum-Norm-Interpolationsproblem zur Ermittlung der FunkV , die der Variationsbedingung tion SN V

SN

H =

min

P ∈H, P (xi )=V (xi )=γi ,i=1,...,N

P H

(334)

V existiert, ist eindeutig gen¨ ugt, ist wohlgestellt, d. h. die L¨osung SN und h¨angt stetig von den Daten γ1 , . . . , γN ab. Die eindeutig bestimmV ist in expliziter Form gegeben durch te L¨osung SN

V SN (x) =

N 

aN i Fxi [KH (x, ·)],

x ∈ R3 ,

(335)

i=1 N osung des linearen Syswobei sich die Koeffizienten aN 1 , . . . , aN als L¨ tems N 

aN i Fxi Fxj [KH (·, ·)] =

i=1

N 

aN i KH (xi , xj ) = γj ,

j = 1, . . . , N,

i=1

(336) ergeben. Die Minimum-Norm-Interpolation ist so angelegt, dass der interpolierende Spline minimale H-(Oszillations-)Energie unter allen Interpolierenden 192

besitzt. Diese Interpretation ist reflektiert durch eindimensionale kubische Splineinterpolation, wo der interpolierende Spline in der Tat minimale ”Kr¨ ummungsenergie”(im linearisierten Sinne) zeigt (vgl. z. B. T.N.E. Greville (1969)). In der Tat ist der kritische Punkt eines Spline-Interpolationszugangs, wie er hier vorgestellt wurde, die ad¨aquate L¨osung des Gleichungssystems. Jeder Koeffizient muss wegen der “Volumenintegralnatur” des reproduzierenden Kerns (315) durch ad¨aquate numerische Integration (abgesehen von bestimmten Gebieten B, vgl. W. Freeden, M.Z. Nashed (2018c)) ermittelt werden und die Koeffizientenmatrix {KH (xk , xi )}k,i=1,...,N ist vollbesetzt. Numerische Instabilit¨at resultiert aus der wachsenden “Korrelation” zwischen den “konstituierenden Kernfunktionen” des Interpolationsprozesses. Dies kann man sehr leicht durch die Betrachtung des Korrelationskoeffizienten corr einsehen (vgl. W. Freeden, F. Sans` o (2020)):

corr =

(KH (xk , ·), KH (xi , ·))H KH (xk , xi ) . =

KH (xk , ·) H KH (xi , ·) H KH (xk , xk )KH (xi , xi )

(337)

Es folgt, dass corr gegen 1 strebt, falls xk und xi “enger und enger aufeinander zur¨ ucken”. Um Splinebasen zu implementieren, die derartige Korellationsph¨anomene reduzieren oder sogar vermeiden, werden wir kanonisch zur Idee der Konstruktion eines Waveletschemas gef¨ uhrt. Die numerischen Schwierigkeiten veranlassten W. Freeden, M.Z. Nashed (2018c) entweder den reproduzierenden Kern KH (·, ·) durch Gausssche Glockenfunktionen (vgl. (296)) oder durch Spline-Wavelet-Mollifier (unter Einbindung von Vorinformation) zu ersetzen. Smoothing. Im Falle fehlerbehafteter Daten kann Interpolation durch eine Spline-Smoothing-Technik ersetzt werden. Dazu wird der interpolierende Spline durch einen H-Spline ersetzt, der die Daten gl¨ attet. Als Resultat stellt sich heraus, dass der gl¨attende (“smoothing”) Spline ein Funktional minimiert, das die Anpassung einer approximierenden Funktion kontrolliert, und zwar unter statistisch orientierten Voraussetzungen. Das Problem der Anpassung einer glatten Funktion an eine gegebene Datenmenge (x1 , γ1 ), . . . , (xN , γN ) wird gew¨ohnlich durch die Ermittlung eines Potentials P ∈ H so realisiert, dass das Funktional  N   Fxk P − γk 2 + δ P 2H σβ,δ (P ) = βk

(338)

k=1

in H minimiert wird, wobei β = (β1 , . . . , βN )T ∈ RN vorgegebene positive Gewichte sind und δ ≥ 0 ein beliebiger Parameter ist. Wenn m¨ oglich sollten die

193

Werte βk , k = 1, . . . , N, an die Standardabweichungen der gemessenen Datenwerte γk , k = 1, . . . , N, angepasst werden (mehr Details zum Smoothing von Potentialen findet sich z. B. in W. Freeden (1981a)). Der Parameter δ liefert ein Maß f¨ ur die Glattheit. Ein kleiner Wert von δ assoziiert Vertrauen in die gemessenen Werte, w¨ahrend ein großer Wert von δ das Gegenteil bewirkt. W¨ahlen wir formal δ = 0, so f¨ uhrt Smoothing zu Spline-Interpolation. Spline-Smoothing f¨ ur Punktfunktionale: Seien δ, β1 , . . . , βN gegebene positive Konstanten und (xk , γk ), k = 1, . . . , N, vorgegebene Datenpunkte. Dann existiert ein eindeutig bestimmter Spline S ∈ SH (Fx1 , . . . , FxN ), so dass die Ungleichung σβ,δ (S) ≤ σβ,δ (P )

(339)

f¨ ur alle P ∈ H gilt (mit Gleichheit dann und nur dann, falls P = S ist). S ist eindeutig bestimmt durch das lineare Gleichungssystem Fxk S + δ βk2 ak = γk ,

k = 1, . . . , N.

(340)

¨ Der Beweis dieser Uberlegungen findet sich z. B. in W. Freeden (1981a). Offensichtlich verbessert sich die Kondition des Gleichungssystems wegen der Diagonaldominanz mit wachsendem Parameter δ. Unsere Ausf¨ uhrungen u ¨ber Spline-Interpolation/Smoothing implizieren, dass simultan mit der Spline-N¨aherung S f¨ ur das Potential V S(x) =

=

N  i=1 N  i=1

ai Fxi KH (x, ·)

(341)

ai

G

G(Δ; |x − y|) G(Δ; |y − xi |) dy,

x ∈ B,

auch die resultierende (harmonische) N¨aherung S f¨ ur die Dichte  in B\{x1 , . . . xN } in der folgenden Form angegeben werden kann: (x) ∼ = S (x) = −Δx S(x) = − =−

N  i=1 N 

ai Δx Fxi KH (x, ·)

(342)

ai G(Δ; |x − xi |).

i=1

Der Einfachheit halber haben wir bisher unter Fxi , i = 1, . . . , N , Punktfunktionale verstanden. Alle Argumente bleiben aber auch f¨ ur lineare beschr¨ ankte 194

Funktionale auf H g¨ ultig, die beobachtbare gravitative Observablen (wie z. B. terrestrische Schwerest¨orungen, Schwereanomalien, Normalableitungen auf ugbaren ∂B) charakterisieren, wobei γi , i = 1, . . . , N , die durch Messung verf¨ Datenwerte bezeichnen (siehe auch W. Freeden (1981a)). Zur Durchf¨ uhrung einer Smoothing-Prozedur f¨ ur beobachtbare gravitative Observablen greifen wir dabei auf das Funktional (338) zur¨ uck, das den “Trade-Off” zwischen Vertrauen in die Potentialdaten und Glattheit des approximierenden Spline beschreibt: Ausgangspunkt ist die Annahme f¨ ur das Potential V ∈ H, dass wir als ein Resultat von Beobachtung und Messung mit einer Menge von reellen Zahlen Ai (V ) = αi , i = 1, . . . , p; Lj (V ) = λj , j = 1, . . . , q, korrespondierend zu einem System von (p+q) beschrankten Funktionalen (“Observablen”) A1 , . . . , Ap ; L1 , . . . , Lq auf H konfrontiert sind. Dem Vorschlag von W. Freeden, B. Witte (1982) folgend gilt unser Interesse einer Approximation des Potentials V ∈ H durch einen Spline S, der “glatt” in der H-Norm ist und den folgenden Eigenschaften gen¨ ugt: Ai (S) ist “nahe” an Ai (V ) = αi , Li (S) ist gleich zu Li (V ) = λi ,

i = 1, . . . , p, i = 1, . . . , q.

Spline-Smoothing f¨ ur beschr¨ ankte lineare Funktionale auf H: ankter linearer FunkA1 , . . . , Ap und L1 , . . . , Lq seien Systeme beschr¨ tionale auf H. Sei V ein (unbekanntes) Potential der Klasse H, f¨ ur das fehlerbehaftete Werte αk , k = 1, . . . , p, f¨ ur Ak (V ), k = 1, . . . , p, und exakte Werte λk , k = 1, . . . , q, f¨ ur Lk (V ), k = 1, . . . , q, bekannt seien. δ, β1 , . . . , βp seien geeignet gegebene positive Konstanten. Dann sind die Koeffizienten a ∈ Rp , a = (a1 , . . . , ap )T , l ∈ Rq , l = (l1 , . . . , lq )T , der Splinefunktion S ∈ H der Form S(x) =

p 

ai Ai KH (·, x) +

i=1

q 

lj Lj KH (·, x),

(343)

j=1

durch die Gleichungen Ai S + δ βi2 ai = αi , Lj S = λj , eindeutig bestimmt.

195

i = 1, . . . , p,

(344)

j = 1, . . . , q

(345)

Der durch die Gleichungen (344) und (345) eindeutig bestimmte Spline S ∈ H stellt die einzige L¨osung in H dar, die der Ungleichung σβ,δ (S) =

2 p   Ai (S) − αi i=1

≤ σβ,δ (P ) =

βi

+ δ(S, S)H

2 p   Ai (P ) − αi βi

i=1

(346)

+ δ(P, P )H

f¨ ur alle P ∈ H mit Lj (P ) = λj , j = 1, . . . , q,

(347)

gen¨ ugt. F¨ ur z. B. schiefachsige Ableitungen oder Radialableitungen h¨ oherer Ordanktheit nung Li , i = 1, . . . , N, in Punkten xi ∈ ∂B ist allerdings die Beschr¨ der Funktionale auf H nicht allgemein gesichert. Nach dem Runge–WalshKonzept ist dann jedoch die Beschr¨anktheit dieser Funktionale Li , i = 1, . . . , N, f¨ ur jedes Gebiet im Inneren von B mit positivem Randabstand zu B garantiert (f¨ ur n¨ahere Details sei der Leser auf W. Freeden (1980), W. Freeden (1987), M.A. Augustin et al. (2018) und die Ausf¨ uhrungen in der Dissertation S. M¨ohringer (2014) verwiesen).

15.3 Mollifier-Newton-Spline Inversion F¨ ur hinreichend große J kann der Reprokern G(Δ; |x − y|) G(Δ; |y − z|) dy KH (x, z) =

(348)

B

durch den Mollifier-Kern



τJ KH (x, z) =

G(Δ; |x − y|) GKτJ (Δ; |y − z|) dy

(349)

GKτJ (Δ; |x − y|) GKτJ (Δ; |y − z|) dy

(350)

B



bzw. τJ ,τJ (x, z) KH

= B

ersetzt werden. W¨ahrend die rechten Seiten von (348) und (349) f¨ ur x, z ∈ B uneigentliche Integrale im R3 darstellen, ist die Mollifier-Approximation (350) ein regul¨ares Integral.

196

Ein das Potential V ∈ H approximierendes Spline-Potential S ∈ H bez¨ uglich Li , i = 1, . . . , N, der Form V (x) ∼ = S(x) =

N 

ai Li KH (·, x)

(351)

i=1

kann durch die Mollifier-Splines V (x) ∼ = S(x)  S τJ (x) =

N 

τJ ai Li KH (·, x),

i=1

=

N 

(352)

ai

B

i=1

G(Δ; |x − y|) Li GKτJ (Δ; |y − ·|) dy,

x∈B

bzw. V (x) ∼ = S(x)  S τJ ,τJ (x) =

=

N  i=1 N 

(353)

τJ ,τJ ai Li KH (·, x),

ai

i=1

B

GKτJ (Δ; |x − y|) Li GKτJ (Δ; |y − ·|) dy,

x∈B

ersetzt werden. Durch die negative Laplace-Ableitung (vgl. Gleichung (232)) sind wir in der Lage, korrespondierend Mollifier-Dichtefunktionen in der (harmonischen) Darstellung (x) ∼ = τJ (x) = −

N 

ai Li GKτJ (Δ; |x − ·|),

x ∈ B,

(354)

i=1

bzw. in der (nicht-harmonischen) Darstellung τ ,τ (x) ∼ = SJ J (x) = −

N  i=1

ai

B

KτJ (|x − y|) Li GKτJ (Δ; |y − ·|) dy,

x ∈ B,

(355) zu gewinnen. Selbstverst¨andlich k¨onnen wir dann in der u ¨blichen Vorgehensweise auch zu Skalen j < J u ¨bergehen. Im Gegensatz zu S kann S τJ ,τJ auch f¨ ur auf H nicht-beschr¨ ankte lineare oherer Funktionale Li zum Einsatz kommen, wie etwa Radialableitungen h¨ Ordnung, schiefachsige Ableitungen oder auch negativen Laplace-Ableitungen onnen xi ∈ ∂B (d. h. terund zwar in allen Punkten xi ∈ R3 . Insbesondere k¨

197

restrische gravimetrische Daten) und sogar xi ∈ B (d. h. gravimetrische Bohrlochdaten) als Ableitungsfunktionale Eingang finden. Das f¨ uhrt uns formal auf folgende kombinierte Interpolation/Smoothing Mollifier-N¨ aherung: A1 , . . . , Ap seien Funktionale, die den “Observablentyp Gravitationsfeldanomalie” in terrestrischen Punkten y1 , . . . , yp repr¨ asentieren. L1 , . . . , Lq seien Funktionale, welche die negative Laplace-Ableitung in Punkten x1 , . . . , xq des Innern B repr¨asentieren. Sei V ein (unbekanntes) Potential, f¨ ur das Messwerte αk , k = 1, . . . , p, f¨ ur Ak (V ) = A(yk ), k = 1, . . . , p, und exakte Werte k = (xk ), k = 1, . . . , q, f¨ ur Lk (V ) = −ΔV (xk ) = (xk ), k = 1, . . . , q, bekannt seien. δ, β1 , . . . , βp seien geeignet gegebene (statistisch motivierte) positive Konstanten. Dann liefern die Koeffizienten aτJ ,τJ ∈ Rp , aτJ ,τJ = (aτ1J ,τJ , . . . , aτpJ ,τJ )T , lτJ ,τJ ∈ Rq , lτJ ,τJ = (l1τJ ,τJ , . . . , lqτJ ,τJ )T , der Splinefunktion S τJ ,τJ ∈ H der Form S τJ ,τJ (x) =

p 

τJ ,τJ aτi J ,τJ Ai KH (·, x) +

i=1

q 

τJ ,τJ ljτJ ,τJ Lj KH (·, x),

j=1

(356) als L¨osungen der linearen Gleichungen Ai S τJ ,τJ + δ βi2 aτi J ,τJ = αi , Lj S τJ ,τJ = j ,

i = 1, . . . , p,

(357)

j = 1, . . . , q,

(358)

eine kombinierte Interpolation/Smoothing-N¨ aherung zu fehlerbehafteten terrestrischen Gravitationsanomalien A1 (V ), . . . , Ap (V ) und exakt bekannten Dichtewerten L1 (V ), . . . , Lq (V ) im Innern B.

198

Teil VII

Anwendungen in der Region Saarland

16 Testgebiet Saarland und seine Datenerfassung Die in diesem Buch dargestellten mathematischen Dekorrelationsmethoden wurden auf das (Umgebungs-)Gebiet des Saarlandes und lokal auf ein Kerngebiet bei Saarbr¨ ucken (Burbach) angewendet.

16.1 Großr¨ aumige Geologische Situation Politische Entstehung des Saarlandes. Das Saarland liegt im S¨ udwesten Deutschlands, an der franz¨osischen Grenze. Der Kohlebergbau und die Eisenindustrie waren die bedeutendsten Wirtschaftszweige. Die Entstehung des Saarlandes und seine wechselhafte politische Geschichte beruhen auf den geologischen Verh¨altnissen seines Untergrundes (H. Schneider (1991)). Zwischen 1920 und 1957 wechselte die Zugeh¨ origkeit des wirtschaftlich interessanten Saarlandes zwischen Frankreich und Deutschland. Als Teil der Pariser Vertr¨age beschlossen der deutsche Bundeskanzler K. Adenauer und der damalige franz¨osische Ministerpr¨asident P. Mend`es France im Oktober 1954 das sogenannte Saarstatut, das vorsah, das Saarland bis zu einem Friedensvertrag der Leitung eines Kommissars der Westeurop¨ aischen Union zu unterstellen. Nachdem die Bev¨olkerung 1955 in einer Volksabstimmung das Saarstatut abgelehnt hatte, wurde das Saarland gem¨ aß dem deutschfranz¨osischen Saarabkommen 1957 als Bundesland in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert. Die vollst¨andige R¨ uckgliederung, die kleine Wie” dervereinigung“, erfolgte erst am 06. Juli 1959, als auch der wirtschaftliche Anschluss an Deutschland stattfand und die D-Mark den Franc abl¨ oste (vgl. auch https://www.saar-nostalgie.de/Geschichte.htm, https://de.wikipedia.org/wiki/Abkommen zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Franz%C3%B6sischen Republik %C3 %BCber das Statut der Saar, Zugriff am 07.03.2020). Die wichtigste geologische Einheit des Saarlandes ist das Karbon wegen seiner Kohlef¨ uhrung (H. Schneider (1991)). Im ann¨ahernd zentral gelegenen Saarkohlenwald (Saarbr¨ ucker Hauptsattel) bilden Oberkarbon-Ablagerungen eine Kohlelagerst¨atte, deren Kohlefl¨oze bis Tiefen von ca. 1 700 m bergbaulich gef¨ordert wurden. Diese Fl¨oze bildeten die Grundlage f¨ ur den Aufstieg des Saarlandes zu einem bedeutenden Industriestandort im 19. und 20. Jahrhundert. Im Juni 2012 wurde eine u ¨ber 250-j¨ahrige Bergbauepoche beendet, die das Saargebiet und das Leben der Menschen nachhaltig gepr¨ agt hat (vgl. https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/dossiers/ende des bergbaus an der sa ar/250 jahre bergbau an der saar100.html, https://www.saar-nostalgie.de/ Saargruben.htm, https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/dossiers/60 jahre

201 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_16

saarland/60jahre saarland vision saarstatut100.html, Zugriff am 07.03.2020). Geologische Einheiten des Saarlandes. F¨ ur das Saarland sind verschiedene geologische Einheiten charakteristisch. Die gr¨ oßte Fl¨ ache nimmt das Saar-Nahe Becken ein, in dem der oben erw¨ahnte Saarbr¨ ucker Hauptsattel im S¨ udwesten zutage tritt. N¨ordlich von diesem lagern in der Prims Mulde und der Nahe Mulde konkordant Rotliegendsedimente des Saar-Nahe Beckens, die sich bis zum s¨ udlichen Rand des Rheinischen Schiefergebirges, der vom Hunsr¨ uck gebildet wird, erstrecken (H. Schneider (1991)). Der Karbonsattel wird vom Westen bis S¨ udosten vom Buntsandstein umgeben, der auch den Merziger Graben bzw. die Muldenstruktur der Saargem¨ und-Pf¨ alzer Mulde ausf¨ ullt und nach Osten weiter in den Pf¨ alzer Wald u ¨bergeht. Im Westen bzw. S¨ udwesten der Buntsandstein-Verbreitung schließen sich die Muschelkalk-Ablagerungen an. Das Rotliegende setzt sich nach Nordosten weiter fort, das schließlich am Rheingraben und am Mainzer Becken ihre tektonisch bedingten Grenzen findet (H. Schneider (1991)). Vulkanite und Subvulkanite eines ausgepr¨agten Vulkanismus der Permokarbonzeit finden sich in der Prims und Nahe Mulde. Das bedeutendste Vorkommen ist im Bereich Nohfelden. Geologische Entwicklung. Die geologische Entwicklung des Saarlandes geht auf die variszische Orogenese zur¨ uck, die vom Devon bis ins unterste Perm durch die Kollision der Großkontinente Laurussia im Norden und Gondwana im S¨ uden mit den dazwischen liegenden Terranes und Terrankomplexen (Avalonia, Armorika, Norika) verursacht wurde (M. Meschede (2015)). Nach der Gliederung von F. Kossmat (1927) und sp¨ ater erg¨ anzt in zahlreichen Arbeiten (z. B. R.D. Dallmeyer et al. (1995), W. Franke (2000)) ist im Bereich des Saarlandes der variszisch deformierte Untergrund haupts¨ achlich durch die Mitteldeutsche Kristallinzone in S¨ udosten, die als tektonisches Strukturelement am Nordwest-Rand des Saxothuringikums gesehen wird, und das Rhenoherzynikum in Nordwesten bestimmt. Die schmale hochmetamorphe Zone am s¨ udlichen Rand des Rhenoherzynikums wird als N¨ ordliche Phyllitzone definiert. Diese ist im Saarland in der Scholle von D¨ uppenweiler aufgeschlossen (W. K¨ ustner (2000), R. Walter (1995)). Am Nordrand des Saarlandes, im Hunsr¨ uck, sind die Einheiten des Rhenoherzynikums mit niedrig-metamorphen, devonischen Serien von Ton-, Siltsteinen und quarzitischen Sandsteinen vorzufinden (H. Stollhofen (2007), D. Arndt (2012)). Gegen Ende der variszischen Orogenese (Vis´e/Namur) bildeten sich meistens entlang der ¨alteren tektonischen Strukturen zahlreiche intramontane Molassebecken. Unter diesen ist das Saar-Nahe Becken eines der gr¨ oßten, das sich als Halbgraben entlang der synsediment¨ar aktiven, S¨ udwest-Nordost streichenden listrischen und nach S¨ uden einfallender Hunsr¨ uck-S¨ udrand-St¨ orung entwickelte (H. Stollhofen (2007)). Diese St¨orungszone trennt auch die zwei

202

geotektonischen Großeinheiten, die Mitteldeutsche Kristallinzone und das ¨ Rhenoherzynikum. Uber die Art dieser St¨orung, die die Entwicklung des Saar-Nahe Beckens stark beeinflusste, werden unterschiedliche Meinungen vertreten (H.J. Anderle (1987), A. Henk (1993b), R.J. Korsch, A. Sch¨ afer (1991), R.J. Korsch, A. Sch¨afer (1995), A. Aretz (2016)). W¨ahrend der Orogenese f¨ uhrten die synsediment¨ ar aktiven L¨ angs- und Querst¨orungen zur Bildung von Gr¨aben und Horsten und parallel zur Beckenl¨angsachse zu Antiklinal- und Synklinalstrukturen (A. Henk (1993), H. Stollhofen (2007)). Auf dem Gebiet des Saarlandes sind es der Saarbr¨ ucker Hauptsattel und seine Fortsetzung nach S¨ udwesten das LothringenAntiklinorium, nordwestlich hiervon die Prims-Mulde und die Nahe-Mulde sowie s¨ ud¨ostlich die Saargem¨ under Mulde (Zweibr¨ ucken-Mulde) (R.J. Korsch, A. Sch¨afer (1995)). Die Strukturentwicklung und F¨ ullung des Saar-Nahe Beckens ist eng mit einer Riftphase verbunden, die in eine Pr¨a-, Syn- und Postphase unterteilt wird (A. Henk (1993), A. Aretz (2016)). W¨ahrend der Pr¨ a-Riftphase erfolgte die Sedimentation transgressiv u ¨ber dem kristallinen Untergrund, der in der Bohrung Saar 1 in 5 662 m Tiefe als Albitgranit angetroffen wurde, von Flachwasserkalken des Mittel- und Oberdevons. Dar¨ uber folgen unterkarbonische Alaunschiefer. Die Syn-Riftphase, die permokarbone Beckenentwicklung, beginnt mit einem Basiskonglomerat. Dieses wird von fluviatildeltaischen Sedimenten (Sandsteine, Konglomerate, Tonsteine) des Westfal und Stefan mit eingeschalteten Kohlefl¨ozen u aomagnetische ¨berlagert (M. Hertle (2003)). Pal¨ Untersuchungen deuten daraufhin, dass sich das Saar-Nahe Becken im West¨ fal unmittelbar n¨ordlich des Aquators im tropischen Klimabereich befand (A. Sch¨afer, R. Stamm (1989)). Das feuchtwarme, tropische Klima in Zeiten verz¨ogerter bzw. fehlender Absenkung des Beckenbodens beg¨ unstigte die Bildung von Torfmooren, aus denen sp¨ater die Steinkohlenfl¨ oze entstanden (M. Hertle (2003)). F¨ ur die Kohlebildung war dabei nicht nur die besondere Sumpfvegetation von Bedeutung, sondern auch eine außerordentlich geringe Sedimentationrate (A. Sch¨afer (1986)). Die maximale Kohlef¨ uhrung im Saar-Nahe Becken haben die Schichten des Westfal. In den SulzbachSchichten (Westfal C) betr¨agt der Kohleanteil im Mittel 10 % (H. Falke, G. Kneuper (1972)). Im Stefan und Unterrotliegenden reduzierte sich die Anzahl und M¨achtigkeit der Kohlehorizonte erheblich. Die produktive Folge der Kohle ist ca. 4 000 m m¨achtig und enth¨alt rund 130 m Kohlenm¨ achtigkeit das sind 3, 7 % der gesamten Schichtenm¨achtigkeit des Gebirges. Davon sind nur ca. 95 abbauw¨ urdige Fl¨oze mit 45 m Kohle, deren M¨ achtigkeit lokal um einige Meter schwankt (vgl. Werkzeitung der Saarbergwerke Aktiengesellschaft (1962)). Am Ende des Stefans riss infolge der anhaltenden Einengungen im Bereich der Saarbr¨ ucker Haupt¨ uberschiebung der S¨ udostfl¨ ugel des Saarbr¨ ucker Hauptsattels. Dabei wurde der Nordwestfl¨ ugel u udostfl¨ ugel ¨ber den S¨ geschoben (H. Engel (1985)). Damit kam es zu einer Absenkung im Bereich

203

der Saargem¨ under Mulde und der Heraushebung des Saarbr¨ ucker Hauptsattels. Das Rotliegende repr¨asentiert die vulkanitische Syn-rift Phase (290−286 M a) und die Post-rift Phase (thermische Subsidenz) des Saar-Nahe Beckens und erreichte M¨achtigkeiten bis 3, 5 km (A. Henk (1993b)). Das Ende der SynRiftphase an der Wende Unter-/Oberrotliegendes wird durch einen intensiven Magmatismus gekennzeichnet. Es bildeten sich großfl¨ achig basaltische und andesitische Laven und es intrudierten zahlreiche rhyolithisch-dazitischen und andesitischen Magmen (A. Henk (1993)). Die permokarbone Ablagerung weist die gr¨oßte M¨achtigkeit an der Hunsr¨ uck-S¨ udrand-St¨ orung auf. In der darauffolgenden Post-Riftphase mit thermischer Subsidenz wurden vor allem im Bereich der Pf¨alzer- und der Zweibr¨ ucken-Mulde feinklastische Rotliegend Sedimente akkumuliert (A. Henk (1993b), A. Aretz (2016)). Das Rotliegende des Saar-Nahe Beckens wird diskordant vom Buntsandstein u ¨berlagert, wobei lokal bis zu 1, 9 km des Saar-Beckens der RotliegendFormation wieder erodiert wurden (A. Henk (1992)). Die Trias im Saarland (Buntsandstein und Muschelkalk) geh¨ort zur großen Verbreitung des germanischen Fazies Mitteleuropas (H. Schneider (1991)). Trias Ablagerungen kommen in Lothringen, zungenf¨ormig im Merziger Graben, Saargem¨ und-Zweibr¨ ucker Mulde und im S¨ udwesten des Saarbr¨ ucker Hauptsattels im Warndt vor. W¨ahrend die Saargem¨ under Mulde eine breite Zone mit deutlicher Absenkungstendenz sowohl im Buntsandstein (mind. 800 m M¨ achtigkeit) als auch im Muschelkalk aufweist, stellt der Merziger Graben ein nach der Trias eingebrochener Teil des Rheinischen Schiefergebirges dar (https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Deutschland/Saarland). Jura und Kreideablagerungen finden sich weiter westlich im Pariser Becken. Es wird vermutet, dass das Jurameer das Saarland ber¨ uhrt haben k¨ onnte, w¨ahrend Kreideablagerungen auszuschließen sind (H. Schneider (1991)), da in der Kreidezeit das Saarland Abtragungsgebiet war. Auch im folgenden Terti¨ar herrschte im Saarland Abtragung. In der alpidischen Orogenese wurden die mesozoischen Gesteinsschichten an den zahlreichen alt angelegten St¨orungen wieder aktiviert. Im Quart¨ar entwickelte sich das jetzige Gew¨assernetz. Ausgehend von einer im Oligo - Mioz¨an entstandenen Verebnungsfl¨ache schnitten sich vor allem in usse und B¨ache in den festen Untergrund ein. den Eiszeiten im Pleistoz¨an Fl¨ Hierbei bildeten sich an den gr¨oßeren Fließgew¨ assern (Saar, Prims, Blies) Terrassen mit Sand- und Kiesablagerungen (vgl. https://www.ensheimsaar.de). Schließlich wurde mit der Bildung von Lehmen und Hangschuttmassen die heutige Morphologie erreicht (vgl. https://www.ensheim-saar.de).

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16.2 Geologische Datenvorabsituation Gew¨ohnlich geht man f¨ ur ein Gebiet wie das Saarland von einem in europ¨aischen L¨andern u ¨blichen Vorliegen eines terrestrischen “Flickenteppiches” nicht fl¨achenhaft kontinuierlich gegebener Daten, heterogener Datentypen, unterschiedlicher Datendichte und Genauigkeit aus. Insgesamt war die vorgefundene Datensituation im Gebiet Saarland in der Tat bei weitem inhomogener als vermutet hinsichtlich Verteilung und Dichte, Erfassungsdatum und Genauigkeit. Damit geologisch relevante Strukturen f¨ ur eine dekorrelative Exploration extrahiert werden k¨ onnen, m¨ ussen neben ¨ dem selbstverst¨andlichen Ubersichtseindruck anhand geologischer Karten die gesammelten und selbst gemessenen Daten sorgf¨ altig gepr¨ uft und homogenisiert werden. Diese Vorleistungen bedeuteten wegen der Inhomogenit¨ at im Saarland einen nicht zu untersch¨atzenden Aufwand. Allgemein sollte als Pr¨amisse gelten: Die Qualit¨ at des Gesamtergebnisses der Datenanalyse h¨angt ganz wesentlich davon ab, wie gut und vollst¨ andig die verf¨ ugbare Vorinformation ist. Aus diesem Grund ist zun¨ achst eine sorgf¨ altige Zusammenstellung aller Daten mit dem Ziel einer m¨ oglichst detaillierten Darstellung der Geologie des vorgesehenen Gebietes angebracht. Da die Vermutung auf ein großes verwertbares Datenaufkommen f¨ ur das Saarland nach sorgf¨altiger und aufw¨andiger Recherche sich leider als nicht zutreffend herausgestellt hatte, wurden letztendlich auch umfangreiche eigene gravimetrische Messungen n¨otig. Folgender Anspruch an eine gravimetrische Datenerfassung ist unabdingbar: Als ad¨aquate Antwort auf eine f¨ ur Explorationszwecke unvorteilhafte Datensituation sind in einem Multiskalenzugang geeignete geomathematische Konzepte des kombinierten “Downward Calculation” und “Horizontal Zooming-In Evaluation” zu entwickeln und testen, um lokal adaptiv geologisch relevante Oberfl¨ achen- und Tiefenstrukturen anhand von Potentialsignaturen signifikant identifizieren zu k¨onnen. Die Verl¨asslichkeit eines gravimetrisch basierten Multiskalenverfahrens sollte gegebenenfalls unter Ber¨ ucksichtigung bereits verf¨ ugbarer Seismik-Informationen oder geologischer Vorinformation weiter gesteigert werden, so dass durch Synopsis ein Erfolgsrisiko auch unter Beachtung neuester Erkenntnisse aus alternativen Explorationsquellen weitest m¨ oglich reduzierbar ist. Im Einzelnen wurden folgende Maßnahmen einer Bestandsaufnahme durchgef¨ uhrt: F¨ ur die Darstellung der geologischen Ergebnisse erfolgte zun¨ achst eine Zusammenstellung von Oberfl¨achen-Vorinformation anhand der geologischen Karten 1:25 000 und 1:50 000 des Saarlandes einschließlich ihrer 205

Erl¨auterungen sowie verschiedener Dissertationen und Ver¨ offentlichungen. Auf der Basis vorhandener geologischer Karten und Profile wurden f¨ ur das Saarland weiterhin die Informationen u orungszonen zusammengefasst ¨ber St¨ ¨ und in der geologischen Karte unter Verwendung der GUK200 (Geologische ¨ Ubersichtskarte der BGR) dargestellt (siehe Abb.78). Außerdem wurden, wie bereits erw¨ahnt, Dissertationen und Publikationen (A. Henk (1993a), H. Schneider (1991), H. Engel (1985), J. Schimazek (1964), etc.) hierzu ausgewertet. Die in Abb. 78 dargestellte Tektonik zeigt u. a. wie stark insbesondere das Oberkarbon, das auf der Nordwestflanke des Saarbr¨ ucker Hauptsattels aufgeschlossen ist, durch zahlreiche St¨orungen in Schollen zerlegt wird (J. Schimazek (1964)). Gerade die St¨orungen im s¨ ud¨ ostlichen Bereich des Saarbr¨ ucker Hauptsattels sind wegen der dort erwarteten hohen Temperaturen von großem geothermischen Interesse.

¨ Abb. 78 Geologische Karte mit Tektonik, modifiziert; Datenquelle: GUK200 – CC 6302 c Trier, CC 6310 Frankfurt/Main-West, CC 7102 Saarbr¨ ucken, CC 7110 Mannheim,  BGR, Hannover, 2017.

206

16.3 Gravimetrische Datenausgangslage Nach sorgf¨altiger Datenrecherche standen f¨ ur eine weitere Untersuchung mittels Dekorrelation zun¨achst 6 977 Datenpunkte zur Verf¨ ugung (siehe Tabelle 3), die in Abb. 79 nach ihrer Herkunft farbig markiert sind. Diese Daten wurden im Rahmen fr¨ uherer Projekte gemessen und uns vom Landesamt f¨ ur Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz (LVermGeo RLP), Koblenz, vom Landesamt f¨ ur Vermessung, Geoinformation und Landentwicklung (LVGL), Saarbr¨ ucken und vom Leibniz-Institut f¨ ur Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover, zur Verf¨ ugung gestellt. Die in der Tabelle gelisteten BGI-Daten stammen vom Bureau Gravimetrique International (BGI), Frankreich, und wurden vom LIAG u ¨ber das Fachinformationssystem Geophysik (FIS GP) bereitgestellt. Da die Messpunktdichte der vorhandenen Daten f¨ ur die tiefe geothermische Exploration dennoch bei weitem nicht ausreichte, wurden erg¨anzende Schweremessungen unabdingbar.

Tabelle 3 Datenbestand nach Recherche Datenursprung LVermGeo RLP LVGL Saarland FIS-GP • LIAG • BGI Insgesamt

Datenpunkte 1 314 1 131 4 532

6 977

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Abb. 79 Lage der gravimetrischen Datenpunkte vom LVGL, LVermGeo RLP, LIAG (FIS-GP) nach der Recherche im August 2017. Datengrundlage: Datenquelle: Schwe” remessungen, Fachinformationssystem Geophysik bzw. Anomalien des erdmagnetischen c Totalfeldes  Leibniz-Institut f¨ ur Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover, 2017“, c LVGL V 2302 B – SPE“. Urheber: Landesamt f¨ Geobasisdaten,  ur Vermessung, Geo” information und Landentwicklung Saarland, * Quelle: Landesamt f¨ ur Vermessung und c GeoBasis-DE / BKG Geobasisinformation Rheinland-Pfalz (2017), Kartengrundlage:  (2017).

16.4 Messkampagne Burbach Von Februar 2018 bis September 2018 fand im Kerngebiet Burbach (Saarbr¨ ucken) eine Messkampagne der CBM statt. Ziel der Durchf¨ uhrung der Messkampagne im Untersuchungsgebiet war zum einen die Erfassung der Schweredaten in einem engen Raster, welche eine Inversion in die Tiefe erm¨oglicht, und zum anderen die Ermittlung des Aufwandes der terrestrischen Gravimetrie. Diese Art der Messungen erfordert eine hohe Sorgfalt, insbesondere bei der H¨ohenbestimmung der Rasterpunkte, da deren Genauigkeit auf die weiteren

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Berechnungen großen Einfluss hat. Was die messtechnische Perspektive an¨ geht, ist dabei eine Okonomisierung des Messaufwandes unter Gew¨ ahrleistung der Genauigkeit eine Herausforderung f¨ ur die Zukunft. Die CBM-eigene Messkampagne bestand insgesamt aus vier Teilen, deren Abfolge in Abb. 80 dargestellt ist.

Abb. 80 Methodischer Ablauf der Messkampagne.

Zur Vorbereitung der Messung wurde ein Messkonzept entwickelt und eine ¨ Schulung zur Schweremessung absolviert. Zur Uberpr¨ ufung der Messger¨ ate wurden diese vor Beginn der Messkampagne geeicht. Das optimale Messpunktraster wurde unter der Ber¨ ucksichtigung der Topographie und Bewaldung auf 50 m festgelegt.

209

Abb. 81 Kartenausschnitt mit Punkten: GNSS Festpunkte (rot), Polygonpunkte (lila), Rasterpunkte in 50 m Abstand (blau).

Die Absteckung der Rasterpunkte erfolgte u ¨berwiegend in bewaldetem Gebiet und wurde mittels traditioneller Tachymetrie durchgef¨ uhrt. Auf diese Weise konnte die Einhaltung des Rasters gew¨ahrleistet werden (siehe Abb. 81). Zur Bestimmung der Schwerewerte wurden zwei Relativgravimeter der Firma Scintrex Limited eingesetzt, der CG-6 AutogravT M des LVGL (siehe Abb. at Bonn. 82) und tempor¨ar der CG-5 AutogravT M der Universit¨

Abb. 82 Relativgravimeter CG-6 im Einsatz.

Die Ungenauigkeit (einfache Standardabweichung) in der Bestimmung der Absolutschwere der Neumessungen betr¨agt ca. 27 μGal. Dieser Wert ergibt sich als Summe der folgenden Komponenten: Genauigkeit des Anschlusspunktes im saarl¨andischen Schwerenetz (10 μGal), Messgenauigkeit von CG-5 und CG-6 (ohne Wiederholungsmessungen: 7 μGal), Unsicherheit in der Freiluftreduktion von Sensorh¨ohe auf die Erdoberfl¨ ache (10 μGal). Ger¨ ateh¨ ohe

210

und Nordung wurden mittels Maßband und Kompass ermittelt. Zu Beginn der Messkampagne wurde durch das Landesvermessungsamt BadenW¨ urttemberg an mehreren markanten Messpunkten sichergestellt, dass die neuen Messungen mit den Vorhandenen des LVGL voll kompatibel erfasst und prozessiert werden.

¨ Abb. 83 Ubersichtskarte aller Datenpunkte, die zur Dekorrelation zur Verf¨ ugung standen. Der vergr¨ oßerte rote Kasten zeigt den Kartenausschnitt der von CBM 2018 durchgef¨ uhrten Messung; Datengrundlage: Datenquelle: Schweremessungen, Fachinforma” c Leibniztionssystem Geophysik bzw. Anomalien des erdmagnetischen Totalfeldes  c LVGL Institut f¨ ur Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover, 2017“, Geobasisdaten,  ” V 2302 B – SPE“ · Urheber: Landesamt f¨ ur Vermessung, Geoinformation und Landentwicklung Saarland, * Quelle: Landesamt f¨ ur Vermessung und Geobasisinformation c GeoBasis-DE / BKG (2019). Rheinland-Pfalz (12/2019), Kartengrundlage: 

W¨ahrend der Messkampagne wurden zus¨atzliche Punkte aus dem LIAGDatenbestand angefahren und weitere ausgesuchte Verbindungslinien vom Messgebiet in die bereits vermessenen umgebenden Gebiete gelegt, um so ¨ einen nahtlosen Ubergang zwischen den einzelnen Messkampagnen zu gew¨ ahrleisten und m¨ogliche Oszillationen an den Messgebiets¨ uberg¨ angen zu minimieren. Eine lokale k¨ unstliche hochfrequente Isolinienscharung w¨ urde sich negativ auf die Qualit¨at der Modellinversionen auswirken. In dieser Messkampagne wurden 1 502 Datenpunkte aufgenommen. Gem¨ aß der gemachten Erfahrungen hat man sich f¨ ur die Zukunft der Herausforde¨ rung zu stellen, eine gesteigerte Okonomisierung der gravimetrischen Messkampagne, insbesondere der implizit zur Positionierung der Gravimeter not211

wendigen tachymetrischen und Global Navigation Satellite System (GNSS) basierten Absteckungsmethoden, anzustreben.

16.5 Messdatenbestand im Kerngebiet Burbach Insgesamt standen f¨ ur die gravimetrischen Untersuchugen nach Abschluss der Datenaufnahme 11 916 Datenpunkte zur Verf¨ ugung, die nach Datenursprung in der Karte in Abb. 83 farbig markiert sind (siehe auch Tabelle 4).

Tabelle 4 Auflistung der genutzten Datenpunkte entsprechend des Datenursprungs. Datenpunkte Datenursprung LVermGeo RLP 4 681 LVGL Saarland 1 201 4 532 FIS-GP • LIAG • BGI CBM/LVGL (2018) 1 502 Insgesamt

11 916

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17 Bereinigung und Qualit¨ at der Messdaten Der gesamte Zeitraum der Datenerfassung liegt bei mehr als 80 Jahren, wobei die ¨altesten Datenpunkte aus dem Jahr 1934 stammen. Im Laufe dieser Zeit wurden unterschiedliche Referenzellipsoide verwendet und die Reduktionsterme weiterentwickelt und verfeinert. Die einzelnen Datens¨ atze unterschiedlicher Zeitr¨aume sind zwar in sich konsistent, jedoch in der Gesamtheit gegeneinander geshiftet. Eine gemeinsame Darstellung ist aus diesem Grund nur durch eine Weiterbearbeitung der Daten m¨ oglich. F¨ ur eine aussagef¨ ahige geomathematische Multiskalenmodellierung und Inversion wurden die zur Verf¨ ugung stehenden Schweredatens¨atze des LVGL, LVermGeo RLP sowie FIS GP (LIAG, BGI) homogenisiert (siehe Abschnitt 17.1). Dazu wurde auf die gemessenen Ursprungsdaten zur¨ uckgegriffen und als Bezugssystem das Niveauellipsoid des Geod¨atischen Referenzsystem von 1980 verwendet. Des Weiteren wurden Reduktionsterme genutzt, die f¨ ur die homogene Schwerekarte der Bundesrepublik Deutschland verwendbar sind, die das LIAG 2011 (siehe P. Skiba (2011)) angegeben hat. Innerhalb des Kerngebietes Burbach befindet sich unter anderem ein Siedlungsgebiet und der Alsbachschacht. Bekannte Hohlr¨ aume, wie z. B. Sch¨ achte, Kavernen etc. k¨ onnen entweder durch Berechnung des Effektes einfacher Modellk¨orper (Quader, Zylinder, Kugel, etc.) oder durch 3D-Modellierung als “geologische Reduktion“ direkt an den gemessenen Schwerewerten angebracht werden. Alternativ ist es m¨oglich, den St¨ ork¨ orper durch Einbringen eines St¨ork¨orpermodells in der Modellierungsphase zu ber¨ ucksichtigen. Die beste Vorgehensweise, um Messdaten vor anthropogenen Schwereeffekten zu sch¨ utzen, ist jedoch die Distanzierung zu solchen St¨ ork¨ orpern. Aus diesem Grund wurden in Abschnitt 17.2 Modellrechnungen von bekannten St¨ormassen, mit dem Prinzip der n¨aherungsweisen Berechnung geeigneter massegleicher K¨ orper vorgenommen, um deren Schwereeffekte abzusch¨ atzen und Abstandsempfehlungen zu formulieren.

17.1 Vereinheitlichung der Schweredatens¨ atze Zur Berechnung der Bougueranomalie auf Normalnull (NN) wurden auf alle 11 916 Messwerte aus Tabelle 4 folgende Korrekturen angewandt (Details siehe P. Skiba (2011)): • Korrektur von Gang und Tide, • Normalschwere basierend auf dem Referenzellipsoid passend zum geod¨ atischen Referenzsystem (GRS80),

213 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_17

• Niveaureduktion bis zum Term 2. Ordnung f¨ ur die Messh¨ ohe u ¨ber NN (P. Skiba (2011) nach W. Torge (2003)), • Atmosph¨arische Reduktion bis zum Term 2. Ordnung f¨ ur die Messh¨ ohe u ¨ber NN (P. Skiba (2011) nach H.-G. Wenzel (1985)), • Bouguerplattenreduktion mit sph¨arisch approximierter Korrektur (nach H. Militzer, F. Weber (1984)) bis zur 2. Hayford-Zone (d. h. bis zu einem einheitlichen Reduktionsradius von 166, 7 km um die Messstation), • Gel¨andekorrektur unter Verwendung eines digitalen sph¨ arischen Erdmodells und einer Berechnung der Gel¨andewirkung bis zur 2. Hayford-Zone mithilfe digitaler Gel¨andemodelle, wie dem DGM25 und dem SRTMModell. Als Berechnungsalgorithmus diente das Verfahren von R. Forsberg (1984) (siehe P. Skiba (2011)). Zus¨atzlich musste bei der Verwendung von Schwerewerten, die an amtlich ohe) ermittelt wurden, ¨ortlichen Messpunkten (z. B. H¨ohenbolzen in 1 m H¨ in der Regel eine Bezugsh¨ohenkorrektur auf die Erdoberfl¨ ache (EOF) durchgef¨ uhrt werden. Dazu wurde die H¨ohendifferenz zwischen Messpunkt und EOF mit dem Vertikalgradienten (0, 3086 mGal/m) multipliziert und auf den gemessenen Schwerewert addiert (Freiluftkorrektur). Um ein harmonisiertes Prozessing der vorhandenen und neuen Schweredaten aus unterschiedlichen Jahrg¨angen sicherzustellen, wurden an insgesamt 10 Testpunkten die Ergebnisse des Berechnungstools mit den Resultaten des LIAG und des LVermGeo RLP f¨ ur alle Komponenten der Bougueranomalienformel einzeln verglichen. Die Unterschiede waren kleiner als 2 μGal, sodass (bis auf die Berechnung der topographischen Reduktion) alle anderen Reduktionsbeitr¨age mit ausreichender Genauigkeit berechnet werden konnten und auch eine Umrechnung zwischen den Daten verschiedener Messkampagnen m¨ oglich war. Die aufwendige Gel¨andekorrektur (topographische Reduktion) wurde in Kooperation mit dem LIAG durchgef¨ uhrt. Das LIAG verwendet ein FusionsModell aus den beiden Gel¨andemodellen DGM25 (Rasterweite 25 m × 25 m) und SRTM (horizontale Aufl¨osung rd. 90 m), wobei dem nationalen Mooßere Priorit¨ at eindell DGM25 aufgrund seiner h¨oheren Genauigkeit eine gr¨ ger¨aumt wird. Das SRTM-Modell kommt lediglich dort zum Einsatz, wo das ¨ DGM25 nicht definiert ist (vgl. P. Skiba (2011)). Eine Uberpr¨ ufung ergab, dass anthropogene Effekte in der Topographie, wie die Abraumhalden aus dem Kohlebergbau, in den digitalen H¨ohenmodellen enthalten sind. Im Rahmen der Fehlersuche und Qualit¨atskontrolle f¨ ur die homogene Schwerekarte wurde P. Skiba (2011) folgend innerhalb Deutschlands eine H¨ ohenabweichung zwischen Messpunkt und DGM25 von mehr als 5 m als Aus214

schlusskriterium festgelegt, um unsichere Werte aus dem Datensatz zu filtern. Auf dieser Grundlage mussten 1 232 von 11 916 Datenpunkten als zweifelhaft eingestuft werden. Da es sich beim Kerngebiet um eine lokale Auswertung handelt, wurde die Abweichungsschranke von 5 m in der regionalen Deutschlandkarte als zu grob angesehen und auf 1 m heruntergesetzt. Dabei ergaben sich 4 476 Punkte, die f¨ ur die geomathematische Multiskalenmodellierung und Inversion nicht empfohlen werden. Dar¨ uber hinaus sind 88 Messpunkte des LVGL und 526 Messpunkte des LVermGeo RLP aufgrund der fehlen¨ den Kenntnisse zur Uberpr¨ ufung der Ausschlusskriterien f¨ ur die Verwendung in der Multiskalenmodellierung und der Inversion als ungeeignet eingestuft worden.

17.2 Korrekturmethoden bei Mauern und H¨ ausern Es wird zun¨achst der anthropogene Effekt einer Mauer betrachtet, die u ¨ber eine rechteckige S¨aule in 2D angen¨ahert wird. Das dazugeh¨ orige Modell ist in Abb. 84 dargestellt. Diese Mauer besitzt eine H¨ ohe von 2 m, eine Breite von 0, 5 m und eine unendliche L¨ange. Das gravimetrische Profil verl¨ auft senkrecht zur Mauer, wobei deren Mittelpunkt den Nullpunkt des Profils festlegt. Der Dichtekontrast zwischen der Mauer aus Beton und der umgebenden Luft betr¨agt im Modell 2, 5 g/cm3 . Der Schwereeffekt dieses Modells und der folgenden Modelle wird durch die n¨aherungsweise Berechnung geeigneter massegleicher K¨ orper abgesch¨ atzt. Die hier vorgestellte Modellmauer wird durch eine rechteckige S¨ aule mit unendlicher L¨ange angen¨ahert. Die Schwerewirkung ist in Abb. 85 dargestellt, wobei der maximale Schwereeffekt direkt an der Mauer gemessen wird und ca. 35 μGal betr¨ agt. Weitere Details bez¨ uglich der Berechnung u aule in 2D ¨ber eine rechteckige S¨ k¨ onnen in W.M. Telford et al (1990) oder auch unter http://www.bgu.ac.il/geol/classes/geophysics/Front/Lec08.pdf (letzter Zugriff am 27.11.2019) nachgelesen werden.

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Abb. 84 Modell einer unendlich langen Mauer mit einer H¨ ohe von 2 m und eine Breite von 0,5 m in Anlehnung an http: //www. bgu.ac.il/geol/classes/geophysics /Front/Lec08.pdf (Zugriff am 27.11.2019). Die Messpunkte liegen senkrecht zur Mauer auf einem Profil, in dessen Nullpunkt der Mittelpunkt der Mauer liegt.

Die messtechnische Nachweisgrenze des CG-6 Gravimeters wird im Benutzerhandbuch mit 5 μGal angegeben. Hinsichtlich des Abstands zum St¨ ork¨ orper f¨ ur die Messkampagne im Gel¨ande wurde die Grenze des Schwereeinflusses auf einen Wert von 2 μGal festgelegt (siehe rot-gestrichelte Linie in Abb. 85). In einer Entfernung von ca. 4 m zum Rand der Mauer f¨ allt die Schwere beim Modell unter diese Grenze und nach Verlegung der Station um 5 m von der Mauer entfernt sogar auf einen St¨oreffekt von ca. 1 μGal.

Abb. 85 Schwereeffekt (blaue Linie) der Modellmauer von Abb. 84, berechnet an mehreren Messstationen (blaue Punkte) entlang des Profils. Die Grenze von 2 μGal ist in rot (gestrichelt) eingezeichnet.

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Ein ¨aquivalenter Schwereverlauf ergibt sich bei einem Graben mit analoger Geometrie, wenn das Umgebungsgestein eine Dichte von 2, 5 g/cm3 hat. Auch eine Reihenhauszeile kann u aule ¨ber eine unendlich lange rechteckige S¨ im 2D-Fall angen¨ahert werden. Dazu muss jedoch eine mittlere Dichte der S¨ aule bestimmt werden. Hierf¨ ur wird ein Beispielhaus betrachtet, das keinen Keller und keine Fenster besitzt und keine Innenw¨ ande und Zwischendecken hat (siehe Abb. 86). F¨ ur das Modell gilt: Es gibt insgesamt zwei Decken mit jeweils einer M¨achtigkeit von 0, 4 m und einer Fl¨ ache von 10 m × 10 m. Das Modelhaus besitzt zwei Außenw¨ande, mit einer H¨ ohe von 5, 24 m und einer Dicke von 0, 4 m. Unter der Annahme, dass der Beton eine Dichte von ur das Modellhaus einen Wert 2, 5 g/cm3 hat, erh¨alt man als mittlere Dichte f¨ 3 von 0, 5067 g/cm .

Abb. 86 Geometrie der Decken und Außenw¨ ande des Modellhauses aus Beton.

¨ Abb. 87 Modell der 3D-Modellierung: Uber eine Fl¨ ache von 100 m × 100 m liegen alle 1 m×1 m Messstationen (rote Punkte) um das Modellhaus mit 10 m×10 m×6 m (L¨ ange x Breite x H¨ ohe) (grauer W¨ urfel) und einer Dichte von 0, 5067 g/cm3 . Programm: IGMAS+ (Interactive Geophysical Modelling Assistant) des Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ.

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F¨ ur eine H¨auserreihe im 2D-Fall ergibt sich f¨ ur den Schwereeffekt entlang eines senkrecht dazu verlaufenden Messprofils der in Abb. 88 dargestellte Schwereverlauf. Auch in diesem Fall liegt der gr¨ oßte St¨ oreffekt mit ca. −30 μGal direkt an der Hauswand und f¨allt dann mit zunehmendem Abstand ab. Bei Profilmeter 25 m bzw. in 20 m Abstand zur Hauswand, f¨ allt der Schwerewert unter die Grenze von 2 μGal. In dieser Entfernung ist eine gravimetrische Messung ohne die Anwendung einer “geologischen Reduktion” sinnvoll. 3D-Vergleichsrechnungen mit IGMAS+ (Abb. 88, gr¨ un), mit dem Modell eines Hauses (10 m × 10 m × 6 m) mit der mittleren Dichte von 0, 5067 g/cm3 (Abb.87), sowie 3D-Kalkulationen seitens des LVermGeo RLP (durchgef¨ uhrt mit dem Programm ”Quader”, L. Timmen (2011), durch das Landesamt f¨ ur Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz (12/2019)), siehe Abb. 88, orange, ergeben einen Mindestabstand von 10 m von der Hauswand f¨ ur freistehende Einzelh¨auser mit gleichen Wand- und Deckenst¨arken.

Abb. 88 Schwereeffekt der H¨ auserzeile nach Aufbau der Hausgeometrie aus Abb. 87 berechnet an mehreren Messstationen in 2D (blaue Punkte), 3D-modelliert mit IGMAS+ (gr¨ une Vierecke) und kalkuliert vom LVermGeo RLP in 3D (orangene Dreiecke) (Datenquelle: Landesamt f¨ ur Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz (12/2019) mit dem Programm ”Quader”, L. Timmen (2011)) entlang des Profils, welches senkrecht zur H¨ auserreihe verl¨ auft. Der Mittelpunkt des Hauses liegt auf dem Nullpunkt des Profils. Die Grenze von 2 μGal ist in rot (gestrichelt) eingezeichnet.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Messungen in ausreichendem Abstand (siehe Tabelle 5) von kurzr¨aumigen meist anthropogenen K¨orpern durchgef¨ uhrt werden sollten, um lokale St¨ oreffekte zu vermeiden. Ist diese Vorgehensweise nicht m¨oglich, k¨onnen bekannte Hohlr¨ aume entweder durch Berechnung des Effektes einfacher Modellk¨ orper oder durch 3DModellierung als “geologische Reduktion” (T. Degro (1983)) direkt an den gemessenen Schwerewerten angebracht werden.

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Tabelle 5 Empfohlener Abstand zu anthropogenen K¨ orpern f¨ ur gravimetrische Messungen in bebauten Gebieten. Anthropogener K¨ orper Empfohlener Abstand Mauer (2 m hoch, 0, 5 m breit) ca. 5 m bzw. Graben mit gleicher Geometrie H¨ auserreihe (ohne Keller) ca. 15 − 20 m ca. 10 m Freistehendes Einzelhaus (ohne Keller)

17.3 Spezieller Datenkorrekturbedarf im Kerngebiet Burbach Neben den durch die Bebauung n¨otigen Korrekturen, die in Abschnitt 17.2 beschrieben wurden, m¨ ussen im Kerngebiet Burbach weitere durch Bergbau und andere anthropogene Einfl¨ usse bedingte St¨ ormassen beschrieben werden, um den Einfluss auf die Messungen absch¨atzen zu k¨ onnen. Im Folgenden werden K¨orper mithilfe des Prinzips der n¨aherungsweisen Berechnung geeigneter massegleicher K¨ orper abgesch¨atzt. Detaillierte Informationen bez¨ uglich der Berechnung unterschiedlicher K¨orper sind unter anderem in W.M. Telford et al (1990) nachzulesen. Alsbachschacht. Im Bereich des Kerngebiets Burbach liegt der Alsbachschacht. Dieser zylindrische Schacht wird durch eine senkrecht stehende, quadratische, lange S¨aule angen¨ahert. Um die Massengleichheit zu erf¨ ullen, m¨ ussen die Querschnittsfl¨ache, die L¨ange und die Dichte der beiden K¨ orper identisch sein. Als Annahme f¨ ur die Modellbetrachtung wird der offene Alsbachschacht analysiert. Er besitzt eine L¨ange von 889 m und eine Querschnittsfl¨ ache von ache 44, 18 m2 . Es wird davon ausgegangen, dass der Schacht an der Oberfl¨ mit einem 1 m dicken Betonstopfen verschlossen ist. Des Weiteren werden folgende Annahmen bzgl. der vorliegenden Dichtedifferenz getroffen: • Die Dichtedifferenz von Hohlraum und Nebengestein betr¨ agt −2, 55 g/cm3 . • Die Dichte von Nebengestein und Beton kann als gleich angenommen werden. Die Schwereberechnung erfolgt im Modell des Alsbachschachtes auf einem 20 m × 20 m großen Raster entsprechend der Gleichung eines vertikalen rechteckigen Prismas von A. Setiawan (2002) (nach P. Dehlinger (1978)). Die daraus resultierenden Schwerewerte sind in Abb. 89 als 3D-Drahtmodell aufgetragen.

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Abb. 89 Berechnung des St¨ oreffektes eines nicht verf¨ ullten Schachts am Beispiel Alsbachschacht mit einem Betonstopfen mithilfe des Modells eines langen Prismas. Der St¨ oreffekt erreicht max. −751 μGal und betr¨ agt in einer Entfernung von 300 m zur Schachtmitte > −2 μGal.

Die Form der St¨oranomalie zeigt im Bereich des Schachts fast singul¨ aren Charakter und erreicht u ¨ber der Schachtmitte ihr maximales Tief von −751 μGal. In einer Entfernung von 300 m zur Schachtmitte ist der St¨ oreffekt auf −2 μGal abgeklungen. Aus dieser Modellrechnung l¨asst sich schlussfolgern, dass der Schwereeffekt des nicht verf¨ ullten Alsbachschachts erst in einer Entfernung von u ¨ber 300 m vernachl¨assigt werden kann (siehe Tabelle 6). Liegt der Messpunkt innerhalb dieses Radius, muss eine entsprechende Reduktion vorgenommen werden. Im Zuge des Bergbauendes im Saarland wurden Sch¨ achte ganz oder zumindest teilweise verf¨ ullt. Die Verf¨ ullung des Alsbachschachts, der sich im Kerngebiet Burbach befindet, erfolgte im November 2005. Dazu wurde ein Betonstopfen bis in 74, 95 m unter Gel¨andeoberkante gegossen (Abb. 90).

Abb. 90 Abbildung und Angabe der Geometrie, sowie der Verf¨ ullungsst¨ ande des Alsbachschachts vor (orange) und nach (blau) der Verf¨ ullung im November 2005.

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Abb. 91 zeigt den St¨oreffekt f¨ ur das Modell des teilweise mit Beton verf¨ ullten Alsbachschachtes aus Abb. 90.

Abb. 91 Berechnung des St¨ oreffektes eines teilweise mit Beton verf¨ ullten Schachts am Beispiel Alsbachschacht. Der St¨ oreffekt erreicht max. −9, 2 μGal und betr¨ agt in einer Entfernung von 250 m zur Schachtmitte −2 μGal.

Es zeigt sich, dass der gr¨oßere Betonstopfen den fast singul¨ aren, Spike-artigen Schwereeffekt u ¨ber dem Schacht deutlich d¨ampft, sodass dessen Maximum nun bei −9, 2 μGal liegt. Der Ausdehnungsbereich dieses Effekts ist mit einem Radius von 250 m jedoch kaum gesunken. Somit zeigt sich, dass der bestimmte Korrekturradius von 300 m um einen Schacht gut gew¨ ahlt ist und dass zur Reduktion der Messwerte im Gebiet Saarland der Zustand des Schachtes w¨ahrend der Messung eine entscheidende Rolle spielt. Im Saarland liegen insgesamt 119 Messpunkte innerhalb des Radius von 300 m um den Alsbachschacht. Aufgrund der weiten Distanzen zwischen Stationen und Alsbachschacht der Datens¨atze des LVermGeo RLP (Abstand zum Schacht > 26 km) und des BGI (Abstand zum Schacht > 3 km) wurden diese in der Reduktion nicht betrachtet. Des Weiteren konnte 51 Messungen kein genaues Datum zugeordnet werden, deren Distanzen zum Schacht jedoch gr¨ oßer als 549 m waren. Die Reduktion des Alsbachschachts erfolgte letztendlich an insgesamt 4 333 Datenpunkten, unter denen sich die 119 Messungen innerhalb des Radius von 300 m um den Alsbachschacht befanden. Den gr¨ oßten Schwereeffekt mit −8, 67 μGal besaß der n¨achstgelegene Messpunkt im Abstand von 24, 4 m. Weitere Sch¨ achte. Im Saarland existieren ca. 2 500 Sch¨ achte, deren Koordinaten, Geometrien, Verf¨ ullungsst¨ande und Verf¨ ullungszeitraum (zum Abgleich mit dem Zeitpunkt der n¨achstgelegenen Gravimetriemessungen) nicht in einem vertretbaren Zeitrahmen herausgesucht und gesammelt werden k¨onnen. Aus diesem Grund wurden die Distanzen der Messpunkte zu den bekanntesten und gr¨oßten Sch¨achten u uft. Ein besonderes Augenmerk ¨berpr¨ 221

wurde dabei auf das Kerngebiet Burbach (Abb. 79) gelegt, innerhalb dessen alle vorhandenen Sch¨achte ausfindig gemacht und im Schachtumkreis von 300 m nach Stationspositionen gesucht wurde. Ein Messpunkt befindet sich in einem Abstand von ungef¨ahr 331 m zum Richardschacht I und zum Richardschacht II. Es muss davon ausgegangen werden, dass der kritische Radius von 300 m erweitert werden muss, wenn zwei Sch¨ achte dicht beieinanderliegen. Ein anderer Messpunkt befindet sich in ca. 50 m Entfernung vom Josefaschacht. Zum Zeitpunkt der Daten¨ ubergabe war nicht bekannt, in welchem Zustand sich die drei Sch¨achte zum Messzeitpunkt befunden haben. Beide wurden somit als zweifelhafte Punkte eingestuft und eine Empfehlung ausgesprochen, diese nicht in die Multiskalenmodellierung und die Inversion einzubinden. Strecke unter Ausbesserungswerk Burbach. Berechnet werden soll der Verlauf der Strecke im Untergrund unter dem ehemaligen EisenbahnAusbesserungswerk (E.A.W.) Burbach, der an der Erdoberfl¨ ache durch das gravimetrische Profil geschnitten wird. Dabei handelt es sich um einen horizontal gelegenen Versorgungsgang (z. B. f¨ ur den Transport, die Wetterf¨ uhrung, usw.) unter Tage, der nicht direkt mit der Oberfl¨ ache verbunden ist. Es wurde zun¨achst der anthropogene Effekt einer bogenf¨ ormigen Strecke berechnet. Das daraus resultierende schematische 2D-Modell dieser Strecke ist in Abb. 92 zu sehen, wobei die gebogene Strecke (rot) durch eine rechteckige S¨aule (blau) mit gleicher Querschnittsfl¨ ache 36 m2 (3 m H¨ ohe und 12 m Breite) angen¨ahert wird. Die Strecke befindet sich dabei in einer Tiefe zwischen 327 m u. N N und 330 m u. N N und ihr Mittelpunkt bildet den Nullpunkt des Profils der Gravimetermessung. Der Dichtekontrast zwischen geologischem Oberbau und Streckeninnerem wird im Kerngebiet auf 2, 55 g/cm3 gesch¨atzt und in das Modell u ¨bernommen.

Abb. 92 Schematisches 2D-Modell einer bogenf¨ ormigen Strecke (3 m H¨ ohe, 12 m Breite), angen¨ ahert durch eine rechteckige S¨ aule mit unendlicher L¨ ange (in Anlehnung an http://www.cas.usf.edu/∼cconnor/pot fields lectures/Lecture4 gravity.pdf (Zugriff am 20.09.2018)), in einer Tiefe zwischen 327 m u. N N und 330 m u. N N .

Die so auf dem Profil berechneten Schwerewerte einer rechteckigen S¨ aule in 2D (siehe dazu 222

http://www.bgu.ac.il/geol/classes/geophysics/Front/Lec08.pdf (letzter Zugriff am 27.11.2019)) sind in Abb. 93 dargestellt. Der maximale Schwereeffekt betr¨ agt hierbei ca. −2, 25 μGal und liegt im Bereich des Profilnullpunktes. Das Abklingverhalten ist nach außen sehr langsam, wobei die Schwere in einem Abstand von 100 m noch ungef¨ahr −2, 175 μGal betr¨agt.

Abb. 93 Schwereeffekt der Modellstrecke, angen¨ ahert durch eine rechteckige S¨ aule mit oreffekt erreicht max. einer Fl¨ ache von 36 m2 entlang des Profils x aufgetragen. Der St¨ −2, 25 μGal.

Mit dieser Modellrechnung l¨asst sich zeigen, dass der maximale Schwerewert an der Grenze der Messgenauigkeit des CG-6 Gravimeters liegt und somit keine Notwendigkeit besteht, diesen Effekt aus den Messwerten des Gebietes Saarland zu reduzieren (siehe Tabelle 6). Auswirkung des Abbaus von Kohlefl¨ ozen. Als n¨ achstes wurde eine Modellrechnung zur Untersuchung des anthropogenen St¨ oreffekts aufgrund des Abbaus eines Kohlefl¨ozes mittels Strebtechnik durchgef¨ uhrt. Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei um Maximalberechnungen handelt, denn im Normalfall bricht relativ kurz nach dem Kohlenabbau das Gebirge nach und konsolidiert sich nach rund f¨ unf Jahren (H. Kratzsch (2004)). In diesem Zeitraum treten dadurch u ¨ber Tage Senkungen auf. F¨ ur das Modell wurde der Abbaubereich im Kohlefl¨ oz in der N¨ ahe des Alsbachschachts mit einer L¨ange von 1 150 m und einer Breite von 750 m betrachtet. Die Hohlraumdecke befindet sich 320 m u. N N und somit in einer Tiefe von 525 m unter Gel¨andeoberkante. Das Modell des Abbaugebiets besitzt eine Breite von 750 m und eine M¨achtigkeit von 2, 2 m. Die Dichtedifferenz zwischen dem Kohlefl¨oz und dem Hohlraum wird mit 1, 3 g/cm3 abgesch¨ atzt. An der Erdoberfl¨ache verl¨auft senkrecht zur Abbaul¨ ange ein 10 km langes Gravimetrieprofil. Die 2D-N¨aherung wird zum einen durch die bereits im vorherigen Modell verwendete Ann¨aherung einer rechteckige S¨ aule mit unend223

licher L¨ange und zum anderen durch die N¨aherung einer d¨ unnen Platte mit endlicher Breite und unendlicher L¨ange, dem finite thin slab, durchgef¨ uhrt (siehe dazu auch http://www.cas.usf.edu/∼cconnor/pot fields lectures/Lecture4 gravity.pdf, Zugriff am 20.09.2018). Eine 3D-Berechnung mithilfe eines Quaders wurde vom Landesamt f¨ ur Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz ((12/2019)) mit dem Programm ”Quader”, L. Timmen (2011), f¨ ur eine Fl¨ ozteufe von 320 m durchgef¨ uhrt. F¨ ur eine Tiefe von 525 m wurde eine grobe Absch¨ atzung f¨ ur den maximalen Schwereeffekt des 3D-Quaders vorgenommen. Die Ergebnisse dieser drei Verfahren sind in Abb. 32 dargestellt. Darin zeigt sich, dass im 2D-Fall die Maximalwerte mit ca. −50 μGal und ca. −45 μGal h¨oher liegen als im gesch¨atzten 3D-Fall mit ca. −40 μGal. Weitere Untersuchungen f¨ ur eine Tiefe von 320 m unter Gel¨ ande haben ergeben, dass der Schwereeffekt eines 3D-K¨orpers schneller abf¨allt als im 2D-Fall. Diese Modellrechnung zeigt durch das st¨arkere Abklingverhalten im 3D-Fall, dass hier von einer 3D-Struktur ausgegangen werden muss, die entsprechend aufwendig zu korrigieren ist. Des Weiteren muss angemerkt werden, dass ein Schwerewert von ca. −40 μGal zwar gravimetrisch nachweisbar ist, jedoch aufgrund der r¨aumlichen Ausdehnung des Abbaugebiets im Fl¨ oz an der Nachweisgrenze liegt (siehe Tabelle 4).

Abb. 94 Berechnung des St¨ oreffekts eines abgebauten Kohlefl¨ ozes im 2D-Fall mithilfe der N¨ aherungen durch eine vertikale S¨ aule (blau) und eine d¨ unne Platte (orange/gelb), sowie ein gesch¨ atzter Wert im 3D-Fall (rot) mithilfe der N¨ aherung durch einen Quader, dessen Fl¨ ozteufe in 320 m unter Messniveau liegt (Datenquelle f¨ ur letztgenannte N¨ aherung: Landesamt f¨ ur Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz (12/2019) mit dem Programm ”Quader”, L. Timmen (2011)). Der Hohlraum im Fl¨ oz ist 750 m breit, 2, 2 m m¨ achtig und liegt in einer Tiefe von 525 m unter Gel¨ andeoberkante. oreffekt Der Dichtekontrast zwischen Kohlefl¨ oz und Hohlraum betr¨ agt 1, 3 g/cm3 . Der St¨ erreicht bei einer vertikalen S¨ aule max. –53 μGal und bei einer d¨ unnen Platte max. −46 μGal am Profilpunkt x = 0 m. Der gesch¨ atzte St¨ oreffekt im 3D-Fall liegt an diesem Punkt bei einem Wert von max. −38 μGal.

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Außerdem sind im Kerngebiet zwei weitere Komponenten zu ber¨ ucksichtigen: Das Bergwerk Luisenthal hat den entstandenen Hohlraum hinter dem Streb sofort mittels Blasversatz teilweise verf¨ ullt. Hierf¨ ur wurde das taube, in der u ¨bert¨agigen Aufbereitung abgeschiedene Nebengestein des Kohleabbaus wieder unter Tage verbracht und mittels Druckluft in den Hohlraum eingeblasen. Bei hoher Versatzg¨ ute k¨onnen damit die u agigen Absenkungen ¨bert¨ halbiert werden (H. Kratzsch (2004)). Das Nebengestein besteht aus Sandstein, tonigem Sandstein und Tonstein mit einer Dichte von 2, 3 - 2, 7 g/cm3 . Ber¨ ucksichtigt man hilfsweise die Reduzierung der Absenkung f¨ ur den Dichteunterschied zwischen urspr¨ unglichem Kohlefl¨oz und verf¨ ulltem Hohlraum, ergibt sich n¨aherungsweise keine Differenz und damit keine Anomalie. Dieser Effekt wird durch die zweite Komponente verst¨ arkt: Der Abbau des Kohlefl¨ozes erfolgte vor u ¨ber 20 Jahren, so dass von einer Konsolidierung des Gebirges auszugehen ist. Die Oberfl¨ache ist abgesunken und Hohlr¨ aume wurden (zus¨atzlich) verf¨ ullt. Der Effekt des Fl¨ozabbaus liegt deshalb vermutlich unter der messtechnischen Nachweisgrenze des CG-6 Gravimeters (ca. 5 μGal).

Beurteilung des speziellen Datenkorrekturbedarfs. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Messungen in der N¨ ahe von Sch¨ achten entsprechend ihres Abstandes korrigiert werden sollten, wenn kein ausreichender Abstand eingehalten werden kann. Andere in Abschnitt 17.3 beschriebene St¨ oreinfl¨ usse k¨onnen wiederum vernachl¨assigt werden (siehe Tabelle 6).

Tabelle 6 Empfohlener Abstand zum Alsbachschacht und zu anderen St¨ oreinfl¨ ussen Empfohlener Abstand Anthropogener K¨ orper Alsbachschacht ca. 300 m Strecke unter Ausbesserungswerk Burbach Abbau vom Kohlefl¨ oz

17.4 Allgemeine Beurteilung der Datensituation Zur Auswertung mittels geomathematischer Multiskalenmethoden wurden zwei implementationsf¨ahige Datens¨atze erstellt, die jeweils alle zur Verf¨ ugung stehenden Messpunkte enthielten. Die Massenreduktion wurde f¨ ur einen Daur den anderen Datensatz mit der Standarddichte von 2, 67 g/cm3 und f¨ tensatz mit der mittleren Gesteinsdichte von 2, 52 g/cm3 (basierend auf der Dichtebestimmung nach dem Nettletonverfahren und den Ergebnissen der Bohrungen im Untersuchungsgebiet sowie der Tiefbohrung Saar 1) durchgef¨ uhrt.

225

Innerhalb dieser Datens¨atze wurden folgende Datenpunkte als zweifelhaft eingestuft: • 4 476 Punkte aufgrund einer H¨ohenabweichung von mehr als 1 m zum DGM25 (davon weichen 1 232 Datenpunkte mehr als 5 m vom DGM25 ab), • 614 Punkte (88 des LVGL Saarland und 526 des LVermGeo RLP) aufgrund ¨ fehlender Kenntnisse zur Uberpr¨ ufung der Ausschlusskriterien. Die GIS-basierten Daten wurden in Eingangs- und Ausgangsdaten bzw. Ergebnisse strukturiert und diese wiederum in Geologie, Tektonik und Gravimetrie unterteilt. F¨ ur das Erfassen der Metadaten mit ArcGIS wurde der standardm¨aßige Metadaten-Style “Elementbeschreibung” verwendet, in dem Informationen zur Bezeichnung, Art der Messung, Zeitpunkt und Geometrie angegeben werden. Zur graphischen Darstellung und zum Durchf¨ uhren von Transformationen der bereits vorhandenen Daten waren die von ArcGIS bereitgestellten Algorithmen (z. B. Interpolationen, Verschneidung, etc.) vorerst ausreichend. Die Strukturierung des GIS sowie das Einpflegen und Auswerten von vorhandenen Daten wurde im Untersuchungsgebiet kontinuierlich aktualisiert. F¨ ur das Kerngebiet Burbach aus Abb. 83 ist somit eine schematische 3DDarstellung vorhanden (siehe Abb. 95), um die aus dem Steinkohlenbergbau bekannten geologischen und tektonischen Gegebenheiten mittels der entwickelten geomathematischen Methoden zu verifizieren. Alles in Allem bleibt jedoch trotz der unerwartet schwierigen Datenausgangslage im Saarland festzuhalten: Indem man bereits verf¨ ugbares Datenmaterial gegebenenfalls durch selbst gemessene Daten erg¨ anzt, kann ein alle gravitativen Informationen integrativ verwertendes Verfahren zur Anwendung kommen, das kosteng¨ unstiger im Vergleich zur bisher u ¨blichen Vorgehensweise arbeitet und qualit¨atsverfeinerter wesentliche Entscheidungsdaten zur Exploration von Lagerst¨atten oder Aquiferen zur Verf¨ ugung stellt. Zugleich kann dabei auf kosten- und ¨offentlichkeitskritische neue seismische Untersuchungen verzichtet werden. Zudem sind Aussagen u oglich, die ¨ber Areale m¨ bislang aufgrund ihrer Untergrundgestaltung als weniger zug¨ anglich galten.

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Abb. 95 3D-Darstellung der gr¨ oßeren St¨ orungen im Kerngebiet; Kartengrundlage: GK25 Tektonik auf http://geoportal.saarland.de, modifiziert).

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18 Geomathematische Oberfl¨ achendekorrelation und geologische Oberfl¨ acheninterpretation Zur Charakterisierung geologischer Verh¨altnisse z. B. in der Umgebung einer geplanten Geothermieanlage ist es kanonisch, f¨ ur eine Ersteinsch¨ atzung die zug¨angliche Oberfl¨acheninformation (zum Beispiel die geologische Karte) zu sondieren. Im Folgenden soll nun gezeigt werden, dass mittels der neuen Dekorrelationsmethoden bei entsprechend vorhandenen terrestrischen Gravimeterdaten geeigneter Genauigkeit und Dichte dem Anwender dar¨ uber hinaus sogar die M¨oglichkeit er¨offnet wird, die Inhalte einer geologischen Karte zu u ufen und gegebenenfalls sogar einer Verbesserung zuzuf¨ uhren. ¨berpr¨

18.1 Bougueranomalien im Testgebiet Saarland

Abb. 96 Bougueranomalien-Karte f¨ ur das Saarland modifizert nach G. Kneuper (1962).

Bei der Auswertung der letztendlich im Gebiet des Saarlandes zur Verf¨ ugung stehenden Gravimeterdaten wurde eine Analyse der Bougueranomalien durchgef¨ uhrt. Es zeigte sich, dass die tektonischen und geologischen Großstruktu228 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_18

ren im Saarland einer unmittelbaren Interpretation zug¨ anglich waren. Ausgangspunkt der Analysen ist die Bougueranomalienkarte f¨ ur das Saarland nach G. Kneuper (1962) mit einem Abstand der Isolinien von 1 mGal, siehe Abb. 96.

Abb. 97 Bougueranomalien-Karte f¨ ur das Saarland, erstellt unter Verwendung der Daten von LIAG, 2017; Datenquelle: Schweremessungen, Fachinformationssystem Geophy” c Leibniz-Institut f¨ sik bzw. Anomalien des erdmagnetischen Totalfeldes,  ur Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover, 2017“.

Umfangreiche Literatur (K. Ernstson, W. Alt (2013), H. Militzer, F. Weber (1984), L.L. Nettleton (1976), I. Rappsilber (2003), Schulz (2000) etc.) im Hinblick auf Anwendung von Bougueranomalien zur Entwicklung von Modellen des Untergrundes (insbesondere zu Lagerst¨ attenmodellen der Erd¨ ol- und Erdgasexploration, aber auch der Geothermie) wurde f¨ ur eine vergleichende Zusammenschau beschafft und vergleichend auf ihre Grundlagen, Anwendbarkeit und N¨ utzlichkeit untersucht. Die groben tektonischen und geologischen Strukturen wurden zun¨ achst einer Trendanalyse mithilfe von Gravimeterdaten aus Satellitenmessungen unterzogen.

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CGI-Daten wurden von den Satelliten CryoSat-2, Envisat und Jason-1 bereitgestellt. Sie wurden aus globalen 1-Minuten-Gittern im ASCII-XYZ-Format f¨ ur den Raum Saarland und die angrenzenden Gebiete vom Internetportal http://topex.ucsd.edu/cgi-bin/get data.cgi extrahiert (siehe Abb. 98). Sie liegen in einem Raster von 1 200 m × 1 200 m vor.

Abb. 98 Bougueranomalien-Karte f¨ ur das Saarland und die angrenzenden Gebiete unter Verwendung von CGI-Daten, unterlegt mit Geologie.

Bei den ICGEM-Daten (vgl. F. Barthelmes (2013) und http://icgem.gfzpotsdam.de/calcgrid) kamen berechnete Bougueranomalien bezogen auf das Globalmodell EGM2008 f¨ ur das Gebiet des Saarlandes zur Anwendung (siehe Abb. 99). Diese Werte befinden sich in einem Raster von ca. 150 m × 220 m.

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Abb. 99 Bougueranomalien-Karte f¨ ur das Saarland unter Verwendung von ICGEMDaten (Modell: EGM2008), unterlegt mit Geologie.

Die Bougueranomalien aus den Satellitendaten sind, wie Abb. 98 und Abb. 99 zeigen, sehr stark von der Datendichte und vor allem von der Datengenauigkeit abh¨angig, welches sich in der Isolinienf¨ uhrung in den zwei Bougueranomalien-Karten widerspiegelt. Großstrukturen und Tektonik, wie die Hunsr¨ uck-S¨ udrand-St¨orung sowie die Saarbr¨ ucker Haupt¨ uberschiebung bzw. der Saarbr¨ ucker Hauptsattel, lassen sich jedoch in Form von positiven und negativen l¨anglichen Anomalien erkennen. In einem weiteren Schritt wurden f¨ ur das Saarland die bei LIAG vorhandenen Bougueranomalienwerte mit der Bougueranomalien-Karte aus G. Kneuper (1962) verglichen (siehe Abb. 96 und Abb. 97). Dazu wurden die verf¨ ugbaren Daten der Bougueranomalien als Isolinien mit einer Abstandsweite von 0, 5 mGal dargestellt. Es zeigt sich erwartungsgem¨ aß ein ¨ ahnlicher Verlauf bei den Isolinien. Insbesondere der positive “Isolinienr¨ ucken” im Bereich der Hunsr¨ uck-S¨ udrand-St¨orung und die negative Anomalie zwischen Riegelsberg und nord¨ostlich von Ottweiler kommen deutlich hervor. Die Wertedifferenzen der Isolinien in den beiden Karten deuten auf die Verwendung von unterschiedlich hohen Reduktionsdichten bei der Berechnung der Massenreduktionen f¨ ur die Bestimmung der zugeh¨origen Bougueranomalie hin.

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Die ausgepr¨agten positiven und negativen Anomalien in Bezug auf die Tektonik k¨onnen in Abb. 100 besser verfolgt werden, in der die Bougueranomalien mit allen verf¨ ugbaren Daten (Stand Dezember 2018), siehe Tabelle 4, dargestellt wurden. Entlang der Hunsr¨ uck-S¨ udrand St¨ orung tritt eine positive Anomalie von langer Ausdehnung (elliptisch ausgewiesener Bereich 1) auf. Daneben befindet sich im Nordwesten der Merziger Graben mit negativer Anomalie. Eine deutliche negative Anomalie erstreckt sich in den Karbonschichten von der Saar nach Nordosten bis ann¨ ahernd der Saarlandgrenze (elliptischer Bereich 2) entsprechend den Abbildungen 96 und 97 zwischen Riegelsberg und nord¨ostlich von Ottweiler. Ebenso mit positiver Anomalie ist die Saarbr¨ ucker Haupt¨ uberschiebung zu verzeichnen (elliptischer Bereich 3). Mehrere kleinere negative Anomalien unterstreichen den St¨ orungsbereich in der Saargem¨ under Mulde (elliptischer Bereich 4).

Abb. 100 Bougueranomalien-Karte f¨ ur das Saarland und angrenzende Gebiete unter Verwendung aller verf¨ ugbaren Daten (2018), unterlegt mit der Tektonik. Datenquelle: ” Schweremessungen, Fachinformationssystem Geophysik bzw. Anomalien des erdmagnec Leibniz-Institut f¨ tischen Totalfeldes  ur Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover, c LVGL V 2302 B – SPE“ · Urheber: Landesamt f¨ 2017“, Geobasisdaten,  ur Vermes” sung, Geoinformation und Landentwicklung Saarland, * Quelle: Landesamt f¨ ur Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz (2018).

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Des Weiteren erfolgte im Kerngebiet Burbach die Auswertung aller verf¨ ugbaren Daten (Stand Dezember 2018) anhand von Bougueranomalien, nachdem die notwendigen Korrekturen und Reduktionen an den gemessenen Schweredaten durchgef¨ uhrt wurden (siehe Abb. 101). Die Bougueranomalien wurden auf das Niveau 0, 00 m N N reduziert und zuerst mit einer Dichte uberstellung mit der Topographie von 2, 67 g/cm3 berechnet. Bei einer Gegen¨ zeigte sich, dass die Bougueranomalie bei einer Dichte von 2, 67 g/cm3 im Norden des Kerngebiets (mit gr¨oßeren H¨ohenunterschieden) mit der Morphologie invers korreliert. Die Maxima und Minima der Bougueranomalie entsprechen den Tiefen und H¨ohen der Morphologie.

Abb. 101 Karte der Bougueranomalien (rechts) und Topographie (links) f¨ ur das Kerngebiet.

Das bereits erw¨ahnte Verfahren von Nettleton (siehe L.L. Nettleton (1976)) erm¨oglicht es, aus Schweremessungen die optimale Dichte graphisch abzusch¨atzen. Diesem Verfahren liegt zugrunde, dass sich die Morphologie im Schwerebild abzeichnet, wenn die zur Bouguerreduktion verwendete Dichte falsch gew¨ahlt wurde. Bei richtiger Wahl der Reduktionsdichte besteht nach dem Verfahren nach Nettleton keine Korrelation zwischen Bougueranomalie und Reduktionsh¨ohe.

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Abb. 102 Dichtebestimmung nach dem Nettleton-Verfahren im Bereich des Kerngebiets.

Um die richtige Dichte zu ermitteln, wurden mehrere Reduktionen mit unuhrt und dann als terschiedlicher Dichte zwischen 2, 00–2, 80 g/cm3 durchgef¨ Kurven mit der vorhandenen Topographie graphisch dargestellt. ¨ F¨ ur eine bessere graphische Ubersicht wurden in Abb. 102 die Bougueranomalien nur mit der Standarddichte von 2,67 g/cm3 (schwarze Kurve), zwei extremen Dichten als Minimum 2,00 g/cm3 (gelbe Kurve) und als Maximum 2, 80 g/cm3 (blaue Kurve) sowie das Ergebnis mit 2, 517 g/cm3 (rote Kurve) gegen¨ uber der Topographie (gr¨ une Kurve) verglichen. Das Verfahren wurde hier auf eine Fl¨ache und nicht nur auf ein Profil angewandt. Man sieht die deutliche Korrelation zwischen der Bougueranomalie und Topographie bei der Dichte von 2, 00 g/cm3 . Sowohl die Amplitude als auch die Minima und Maxima korrelieren in diesem Fall sehr gut miteinander. Bei der Dichte von 2, 80 g/cm3 zeigen die Bougueranomalien eine sehr gute inverse Korrelation. Minima der Topographie korrelieren mit Maxima der Bougueranomalie. Eine a ¨hnliche inverse Korrelation ist auch bei 2, 67 g/cm3 festzustellen, allerdings mit insgesamt deutlich flacherem Verlauf. Die rote Kurve mit der Dichte 2, 517 g/cm3 folgt der Topographie am schlechtesten und wird nach dem Nettleton Verfahren aus diesem Grund als die optimale Dichte angenommen (gerundet auf 2, 52 g/cm3 ).

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Abb. 103 Lage der Tiefbohrungen unterlegt mit Geologie und Tektonik, in denen Dichten bestimmt wurden (K. Weber (1966)). Kartengrundlage: GK25 Lithologie und GK25 Tektonik auf http://geoportal.saarland.de, modifiziert.

Des Weiteren wurden die Dichten aus den naheliegenden Bohrungen (Saarbr¨ ucken Nord, Krugh¨ utte 2, Teufelspforte) einbezogen und mit der in der Bohrung Saar 1 bestimmten Dichte verglichen (siehe Abb. 103). In der zusammengefassten Darstellung der gesteinsphysikalischen Daten von Abb. 64 in W. Zimmerle (1976) kann bis in einer Tiefe von 1 000 m eine mittlere Dichte von ca. 2, 55 g/cm3 abgelesen werden. Dieser Wert liegt nah an der ermittelten Dichte von 2, 52 g/cm3 nach dem Nettleton-Verfahren. Deutliche Unterschiede bei den Bougueranomalien mit einer Dichte von 2, 67 g/cm3 bzw. 2, 52 g/cm3 sind nur im Wertebereich festzustellen: Die Bougueranomalie liegt bei einer zugrunde gelegten Dichte von 2, 52 g/cm3 im Bereich zwischen −20, 7 mGal und −19, 1 mGal und ist etwas h¨ oher als bei 2, 67 g/cm3 mit −22, 1 mGal und −20, 5 mGal. In der Abb. 104 wurde die Bougueranomalie im Hinblick auf die Geologie und Tektonik fl¨ achenhaft mit ArcGIS dargestellt. Es zeigt sich eine deutliche positive Anomalie im Osten. In diesem Bereich l¨asst sich in der geologischen Karte eine Auff¨ ullung erken-

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nen. Drei weitere negative Anomalien sind nordwestlich des Ostsprunges im Oberrotliegend bzw. in der Wadern-Formation zu verzeichnen.

Abb. 104 Karte der Bougueranomalien (rechts) und Geologie (links) f¨ ur das Kerngebiet; Kartengrundlage: GK25 Lithologie und GK25 Tektonik auf http://geoportal.saarland.de.

Abb. 105 Bougueranomalien (rechts) mit Lage des Kohleabbaus mittels Strebtechnik c in den Fl¨ ozen und Bebauung (links) im Bereich des Kerngebiets; Kartengrundlage:  GeoBasis-DE / BKG (2018).

236

In Bezug auf die Abbaufl¨achen in den Fl¨ozen kann gefolgert werden, dass unmittelbar nach Strebdurchgang zwar eine Anomalie analog der Abb. 94 h¨atte gemessen werden k¨onnen, aber bedingt durch Blasversatz und insbesondere durch den Zeitfaktor und die damit eingetretene Absenkung (d. h. weitere Verf¨ ullung und Kompaktierung) sind heute keine eindeutigen Anomalien mehr festzustellen, die u ¨ber dem Bereich der in Abb. 105 dargestellten Abbaufl¨achen in den Fl¨ozen h¨atten auftreten m¨ ussen.

18.2 Haar-Dekorrelation von Bougueranomalien Im Folgenden wird mittels des Haarschen Multiskalenverfahrens eine Oberfl¨ achenstudie der Bougueranomalien und Geoidundulationen im Testbereich durchgef¨ uhrt. Genauer gesagt wurde zun¨achst mit der in Kapitel 9 beschriebenen HaarDekorrelationsmethode der Datensatz der Bougueranomalien im Großraum Saarland/Rheinland-Pfalz in verschiedene Tief-/Bandpassanteile zerlegt (vgl. Abb. 106).

Haar-Dekorrelation zur Detektion von St¨ orungszonen: • Gegeben: Punktesystem von Messpunkten (St¨ utzpunkten) mit zugeh¨origen vorgegebenen Gravitationsdaten (Bougueranomalien). • Gesucht: St¨orungszonen im Messgebiet, • Gesucht: Dekorrelation der Messdaten Skalierungsfunktionen und -Wavelets.

237

mittels

Haar-

Abb. 106 Bougueranomalien im Großraum Saarland/Rheinland-Pfalz (basierend auf 10 086 Datenpunkten).

Die entsprechende Zerlegung der Bougueranomalie aus Abb. 106 ist in Abb. 107 dargestellt. Dabei dient der schwarze Balken in der linken unteren Ecke als Maßstab und zeigt eine Distanz von 100 km, der sich darunter befindende rote Balken zeigt den Radius des verwendeten “Filterh¨ utchens” zum “H¨ utchenbreiteparameter” τj (vgl. Abb. 73 und Abb. 74), d. h. ausgehend von einem beliebigen Punkt im Bild werden zu dessen Berechnung alle Messwerte hinzugezogen, die zu diesem Punkt einen geringeren Abstand als die L¨ange des roten Balkens haben. In Abb. 107 k¨onnen bei Skala j = 5 grobe geologische Strukturen erkannt werden: Das Mainzer Becken und die Pf¨alzer Mulde mit positiven Anomalien, sowie der Oberrheingraben mit negativer Anomalie (vgl. den Beitrag G. Berg et al. (2019)). Das Rheinische Schiefergebirge und das Saar-Nahe Becken stellen hier mit leicht positiven und negativen Anomalien ein zusammenh¨angendes Bild dar. Beginnend mit der Skala j = 7 k¨onnen die bei Skala j = 5 sich bereits andeutenden geologischen Strukturen besser abgegrenzt werden, weitere SW-NEstreichenden Strukturen werden sichtbar: Der Hunsr¨ uckschiefer mit einer negativen Anomalie, gefolgt nach SE von positiven Anomalien am Hunsr¨ uckrand mit Deutung auf die hier liegende tiefe St¨orung, die Hunsr¨ uck-S¨ udrandSt¨ orung. Weiter s¨ ud¨ostlich formt sich das Saar-Nahe Becken mit negativen

238

Anomalien. Die negative Anomalie im Saarland deutet auf die Saarbr¨ ucker Haupt¨ uberschiebung (auch S¨ udliche Rand¨ uberschiebung genannt), die das Saarkarbon von der Saargem¨ under Mulde trennt. Die Pf¨ alzer Mulde wird vom Oberrheingraben im Osten durch eine markante positive Anomalie hervorgehoben. Das Mainzer Becken ist in eine großr¨aumige positive Anomalie eingebettet, dagegen der Oberrheingraben in eine SSW-NNE orientierte negative Anomalie (siehe auch G. Berg et al. (2019)). Die Trierer Bucht ist besser von der Wittlicher Senke zusammen mit der Mosel Synklinale abgegrenzt, wobei die leicht positive Anomalie noch eine gr¨oßere, l¨ anglichere Form annimmt als die Senke. Bei Skala j = 9 haben sich aus den bei Skala j = 7 gebildeten großen Anomalien mehrere kleinere gebildet, die immer mehr auf St¨ orungen hindeuten. Am deutlichsten ist dies bei der Hunsr¨ uck-S¨ udrand-St¨ orung und ihrer Fortsetzung nach SW, der Metzer St¨orung, zu sehen. Das Gleiche ist an der St¨ orung zwischen Pf¨alzer Mulde und Oberrheingraben sowie zwischen Mainzer Becken und Oberrheingraben zu beobachten. Im Mainzer Becken ist die positive Anomalie kreisf¨ormiger Auspr¨agung kleiner geworden und hat eine lokale Bedeutung (siehe G. Berg et al. (2019)). Im S¨ uden hiervon bildete sich eine weitere negative Anomalie, die den Alzey-Niersteiner Horst zu formen beginnt. Die Anomalien bei Skala j = 10 zeichnen immer mehr die St¨ orungen nach. Außerdem wird das Bild durch die vielen Anomalien komplexer aber gleichzeitig auch feiner, so dass immer mehr geologische Strukturen erkennbar sind. Sie werden bei dieser Skala j = 10 noch deutlicher als bei j = 9. Die SW-NE-streichenden Strukturen parallel zu den St¨ orungen sind im s¨ udlichen Bereich des Rheinischen Schiefergebirges von l¨ anglichen, positiven Anomalien charakterisiert: die metamorphe Zone mit Phylliten im Osten und Z¨ uscher Sattel im Westen des Hunsr¨ ucks. Der Taunusquarzit n¨ ordlich der Phyllitzone wird mit einer negativen Anomalie hervorgehoben. Weitere kleinere Anomalien im Saar-Nahe Becken sind dem Nahe-Becken, dem Saarbr¨ ucker Hauptsattel, der Saargem¨ under Mulde und der Saarbr¨ ucker Haupt¨ uberschiebung zuzuordnen. Die großen St¨orungen sind bei Skala j = 12 anhand der Anomalien udrand-St¨ orung mit ihrer Fortsetzung eindeutig zu identifizieren: Hunsr¨ uck-S¨ nach SW, der Metzer St¨orung, die St¨orung zwischen Oberrheingraben und Mainzer Becken, zwischen der Pf¨alzer Mulde und Mainzer Becken sowie entlang des Alzey-Niersteiner Horsts. Die lokalen, deutlich positiven Anomalien im Mainzer Becken k¨onnen mit permischen und terti¨ aren Magmatiten unterhalb einer d¨ unnen Sedimentdecke zusammenh¨ angen (siehe G. Berg et al. (2019)). Insgesamt kann man mit wachsender Skala immer mehr geologische Strukturen erkennen, von groben geologischen Einheiten hin zu detaillierter Strukturgeologie.

239

Tiefpassfilterung, j = 3

Bandpassfilterung, j = 3

Tiefpassfilterung, j = 4

Bandpassfilterung, j = 4

Tiefpassfilterung, j = 5

Bandpassfilterung, j = 5

Tiefpassfilterung, j = 6

Bandpassfilterung, j = 6

Tiefpassfilterung, j = 7

Bandpassfilterung, j = 7

Abb. 107 Zerlegung der Bougueranomalien im Großraum Saarland/Rheinland-Pfalz auf Basis der Daten in Abb. 106 (schwarzer Balken: 100 km, roter Balken: Filterbreite).

240

Tiefpassfilterung, j = 8

Bandpassfilterung, j = 8

Tiefpassfilterung, j = 9

Bandpassfilterung, j = 9

Tiefpassfilterung, j = 10

Bandpassfilterung, j = 10

Tiefpassfilterung, j = 11

Bandpassfilterung, j = 11

Tiefpassfilterung, j = 12

Bandpassfilterung, j = 12

Abb. 107 Zerlegung der Bougueranomalien im Großraum Saarland/Rheinland-Pfalz auf Basis der Daten in Abb. 106 (schwarzer Balken: 100 km, roter Balken: Filterbreite).

241

Ein Waveletverfahren vom selben Typ wurde lokal auf das weitaus dichtere Datensystem der Bougueranomalien im Kerngebiet Burbach angewandt (siehe Abb. 108 und 109). Deutlich zeigt sich, dass auch im Bereich Burbach mit steigender Skala immer mehr geologische Strukturen zu erkennen sind, von groben geologischen Einheiten hin zur detaillierten Strukturgeologie. Diese k¨onnen beginnend mit der Skala j = 8 geologisch interpretiert werden. Hier deuten sich einige geologische Strukuren an, wie der Saar-Sprung und der Ost-Sprung. Bei den folgenden, h¨oheren Skalen ist eine Verfeinerung der Abbildungen durch zahlreiche Anomalien zu beobachten, die auf mehr geologische Einheiten und Strukturen hindeuten. Bei Skala j = 11 sind der Ost-Sprung, der Saar-Sprung und die St¨orung unter der Auff¨ ullung im Osten gut feststellbar. Diese sind bei Skala j = 12 noch besser abzugrenzen. Hinzu kommen bei Skala j = 13 die konglomeratischen Schichten des Oberrotliegenden, die den negativen Anomalien eindeutig zugeordnet werden k¨onnen. Weitere St¨orungen im Norden, die quart¨ aren Saarterrassen und Lehme sowie die Auff¨ ullungen im S¨ uden sind zu erkennen. Auch bei Skala j = 14 k¨onnen weitere geologischen Einheiten identifiziert werden, die aber der vorhandenen groben geologischen Karte (GK25 im Maßstab 1 : 25 000, Abb. 112) aufgrund des gr¨oßeren Maßstabs nicht gegen¨ ubergestellt werden k¨onnen. Besonders im s¨ udlichen Bereich der Saarterrassenablagerungen alternieren positive mit negativen Anomalien und korrelieren invers mit der Topographie. Dies liegt an der Berechnung der Bougueranomalien, indem f¨ ur die topographischen Reduktion das DGM25 genutzt wurde und dieses nicht fein genug aufgel¨ost zu sein scheint. Mit zunehmender Skala wird die Anzahl der zur Berechnung der Filterung in jedem Punkt hinzugezogenen Messpunkte aufgrund der festen Datendichte immer geringer. Dies f¨ uhrt dazu, dass die Bandpassfilterung ab Skala j = 15 interpretierbare Informationen zugunsten der den Daten inh¨arenten Rauschanteilen verliert. Dies erm¨ oglicht das Entrauschen der Messdaten, indem diese durch die Tiefpassfilterung zur Skala j = 15 ersetzt werden (vgl. Abb. 109).

242

Abb. 108 Bougueranomalien im Kerngebiet Burbach.

243

Tiefpassfilterung, j = 7

Bandpassfilterung, j = 7

Tiefpassfilterung, j = 8

Bandpassfilterung, j = 8

Tiefpassfilterung, j = 9

Bandpassfilterung, j = 9

Abb. 109 Zerlegung der Bougueranomalien im Kerngebiet Burbach auf Basis der Daten in Abb. 108 (schwarzer Balken: 1 km, roter Balken: Filterbreite).

244

Tiefpassfilterung, j = 10

Bandpassfilterung, j = 10

Tiefpassfilterung, j = 11

Bandpassfilterung, j = 11

Tiefpassfilterung, j = 12

Bandpassfilterung,j = 12

Abb. 109 Zerlegung der Bougueranomalien im Kerngebiet Burbach auf Basis der Daten in Abb. 108 (schwarzer Balken: 1 km, roter Balken: Filterbreite).

245

Tiefpassfilterung, j = 13

Bandpassfilterung,j = 13

Tiefpassfilterung, j = 14

Bandpassfilterung, j = 14

Tiefpassfilterung, j = 15

Bandpassfilterung, j = 15

Abb. 109 Zerlegung der Bougueranomalien im Kerngebiet Burbach auf Basis der Daten in Abb. 108 (schwarzer Balken: 1 km, roter Balken: Filterbreite).

Erg¨anzend zur Waveletdekorrelation der Bougueranomalien wurde auch eine entsprechende Zerlegung des Geoids durchgef¨ uhrt. Erwartungsgem¨ aß spie246

geln sich keine pr¨agnanten geologischen Formationen in den Detailstrukturen der Dekorrelation des Geoids. Geoidundulationen stellen ein Maß f¨ ur Perturbationen der Erde vom hydrostatischen Equilibrium dar. Sie bilden die Abweichungen des Geoids vom Referenzellipsoid und scheinen durch Dichtekontraste innerhalb des Erdinnern erzeugt zu werden. ¨ Ahnliches best¨atigte sich bei der Untersuchung des Quasigeoids im angrenzenden Gebiet Rheinland-Pfalz (siehe Abb. 110 (Quasigeoid) und Abb. 111 (Zerlegung des Quasigeoids)). F¨ ur das Saarland lagen keine qualitativ vergleichbaren Quasigeoid-Daten zur Auswertung vor. Zwar lassen die Skalen j = 7, 8, 9 der Multiskalenmodellierung des Quasigeoids (vgl. auch G. Berg et al. (2019)) das Rheinische Schiefergebirge, das Saar-Nahe Becken und das Mainzer Becken erkennen, jedoch werden deren Grenzen nicht so deutlich hervorgehoben wie bei der Zerlegung der Bougueranomalie. Dies wird durch die Definition und Charakterisierung des Quasigeoids verursacht. Das Quasigeoid stellt ein Modell bez¨ uglich H¨ohenbezugsfl¨ achen dar. Dessen Berechnung liegen zwar Gravitationsdaten zugrunde, diese werden aber im Hinblick auf einen m¨oglichst genauen H¨ohenbezug verarbeitet. Im Gegensatz dazu hat das Processing von Schweremessungen zur Bougueranomalie das Ziel, DichteInhomogenit¨aten aufzuzeigen.

Abb. 110 Das Quasigeoid GCG2016 in Rheinland-Pfalz. Die Daten wurden vom LVermGeo RLP zur Verf¨ ugung gestellt.

247

Tiefpassfilterung, j = 3

Bandpassfilterung, j = 3

Tiefpassfilterung, j = 4

Bandpassfilterung, j = 4

Tiefpassfilterung, j = 5

Bandpassfilterung, j = 5

Tiefpassfilterung, j = 6

Bandpassfilterung, j = 6

Tiefpassfilterung, j = 7

Bandpassfilterung, j = 7

Abb. 111 Zerlegung des Quasigeoids in Rheinland-Pfalz auf Basis der Daten in Abb. 110 (schwarzer Balken: 100 km, roter Balken: Filterbreite).

248

Tiefpassfilterung, j = 8

Bandpassfilterung, j = 8

Tiefpassfilterung, j = 9

Bandpassfilterung, j = 9

Tiefpassfilterung, j=10

Bandpassfilterung, j=10

Tiefpassfilterung, j = 11

Bandpassfilterung, j = 11

Tiefpassfilterung, j = 12

Bandpassfilterung, j = 12

Abb. 111 Zerlegung des Quasigeoids in Rheinland-Pfalz auf Basis der Daten in Abb.110 (schwarzer Balken: 100 km, roter Balken: Filterbreite).

18.3 Gravimetrisch-orientierte Korrektur der geologischen Karte Basierend auf den Ergebnissen des vorherigen Abschnitts stellt sich die Frage, welche geologischen Erkenntnisse aus der Dekorrelation der Bougueranomalie an der Oberfl¨ache gezogen werden k¨onnen. Die gute Korrelation zwischen bandpassgefilterter Bougueranomalie und der Geologie erlaubt den Schluss, 249

dass die gravimetrischen Dekorrelationsmethoden zur Korrektur geologischer Karten oder sogar deren Erstellung hinzugezogen werden k¨ onnen. Wir fassen zun¨achst den Gesteinsaufbau im Untersuchungsgebiet zusammen (siehe Abb. 112, weitere Ausf¨ uhrungen finden sich auch in G. Berg et al. (2019)). Die ¨altesten Gesteine mit gr¨oßerer Verbreitung kommen im Hunsr¨ uck als s¨ udwestlicher Teil des Rheinischen Schiefergebirges mit SW¨ NE streichenden S¨atteln und Mulden und deckenartigen Uberschiebungen vor (siehe https://www.mineralienatlas.de). Sie bestehen u ¨berwiegend aus unterdevonischen Tonschiefern und Quarziten sowie Ton-/Siltsteinen und kleinr¨aumig intrudierten magmatischen Gesteinen wie Spilite und Diabase (siehe Landesamt f¨ ur Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz (2005) und https://www.mineralienatlas.de). Der Hunsr¨ uck bildet an seinem S¨ udrand die metamorphe Zone, die sog. N¨ordliche Phyllitzone, die einen starken, u ¨berwiegend monoklinalen Schuppenbau mit steil stehender Schichtung und Schieferung darstellt (M. Winkelmann (2000)). Im S¨ udosten folgt das Saar-Nahe Becken mit einer bis zu 6, 5 km m¨ achtigen Abfolge aus permokarbonem Sedimentgestein (Ton-, Schluff- und Sandstein), Vulkaniten (Rhyolith, Dazit, Andesit) und Tuffen des Rotliegenden. In weiten Bereichen werden diese von mesozoischen und terti¨ aren Einheiten diskordant u ¨berlagert (A. Henk (1993)). Das Becken erstreckt sich von Nordosten nach S¨ udwesten als Sattelzone im S¨ uden und als Muldenzug im Norden (https://www.mineralienatlas.de). Im Pf¨alzer Sattel und vor allem im Saarbr¨ ucker Hauptsattel sind Oberkarbonschichten (Sand-, Tonsteine und Konglomerate mit eingelagerten Kohlefl¨ozen) aufgeschlossen. Im Nordwesten schließen sich die Nahe Mulde und die Prims Mulde an. In den m¨ achtigen Rotliegendsedimenten sind teilweise sehr große Vulkanitk¨ orper eingeschaltet (Nohfelden, Donnesberg). Die Begrenzung des Saar-Nahe Beckens im Nordwesten stellt die Hunsr¨ uck-S¨ udrand-St¨orung dar. Im S¨ udosten wird der ¨ Ubergang zur Pf¨alzer Mulde durch die Saarbr¨ ucker Haupt¨ uberschiebung gekennzeichnet (sieh https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/SammlungenGrundlagen/GG geol Info/Karten/Deutschland/GUEK200/Texte/Saarbrue cken.html). Als “pull-apart”-Becken mit einer linksh¨andigen Seitenverschiebung von mehreren Kilometern L¨ange ist die Wittlicher Senke zwischen zwei Randverwerfungen mit Fanglomeraten, Sand- und Tonsteinen (¨ ortlich mit Ignimbriten) des Oberrotliegenden (der Nahe-Gruppe) erhalten geblieben (siehe Landesamt f¨ ur Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz (2005) und https://www.bgr.bund.de/EN/ Themen/Sammlungen-Grundlagen/ GG geol Info/Karten/Deutschland/GUEK200/Texte/Trier.html). Im Nordwesten des Untersuchungsgebietes kommen mesozoische Sedimente der Trier-Bitburger Bucht vor, die keilf¨ormig ins Rheinische Schiefergebir-

250

ge einschneiden. Umgeben von unterdevonischen Gesteinen und im Zentrum bedeckt von Lias (Unterer Jura) stehen Triasschichten (Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper) schalenf¨ormig an der Oberfl¨ ache an. Terti¨ are Kiese, Sande und Tone sind am Ostrand der Senke stellenweise vorzufinden (siehe https://www.bgr.bund.de/EN/ Themen/Sammlungen-Grundlagen/GG geol Info/Karten/Deutschland/GUEK200/ Texte/Trier.html).

Abb. 112 Oberfl¨ achengeologie des zur Band-/Tiefpassfilterung untersuchten Gebietes; c BGR Hannover, 2014, modifiziert. Kartengrundlage: GK1000, 

251

Diese mesozoischen Sedimente sind im Westen bis in den S¨ uden des Untersuchungsgebietes zu verfolgen: im Merziger Graben, im s¨ udwestlich vom Saar-Nahe Becken anschließenden Lothringer Becken, in der Pf¨ alzer Mulde. Allerdings nehmen im S¨ uden, in der Pf¨alzer Mulde, sandig-konglomeratische Buntsandsteine eine große Fl¨ache ein, die im S¨ udwesten vom Muschelkalk u ur Geologie und Bergbau Rheinland¨berlagert werden (siehe Landesamt f¨ Pfalz (2005) und https://www.mineralienatlas.de). Im S¨ udosten der Pf¨ alzer Mulde treten in kleineren Arealen an den Verwerfungen Granodiorite und ein altpal¨aozoischer Orthogneis zutage. Im Terti¨ar und Quart¨ar bildete sich in SSW-NNE-Richtung der Oberrheingraben mit einer 4 000 m m¨achtigen Sedimentf¨ ullung aus Mergel- und Kalksteinen sowie Kiesen und Sanden (siehe https://www.mineralienatlas.de). Am nordwestlichen Ende des Oberrheingrabens befindet sich das Mainzer Becken, in dem aufgrund einer geringeren Absenkung weniger m¨ achtige Sedimente abgelagert wurden. Haupts¨achlich sind sie aus dem Terti¨ ar: Mioz¨ ane kalkige Sedimente liegen u ¨ber oligoz¨anen schluffig-mergeligen Schichten. Der vorterti¨are Untergrund besteht u ¨berwiegend aus Rotliegend-Gesteinen des Saar-Nahe Beckens (siehe Landesamt f¨ ur Geologie und Bergbau RheinlandPfalz (2005)). Die ermittelte Geologie aus der Multiskalendekorrelation wurde mit der Karte 1:200 000 f¨ ur das Gebiet Saarland und Rheinland-Pfalz verglichen und stimmen u ¨berein, so dass keine Korrekturen durch die Multiskalendekorrelation notwendig sind (siehe Abb. 112). Im Kerngebiet Burbach wurde die Dekorrelation der Bougueranomalien an dichter gemessenen Schweredaten durchgef¨ uhrt. Das Kerngebiet befindet sich im Hinblick auf die Geologie im Saarbr¨ ucker Hauptsattel, der Teil des SaarNahe Beckens ist (siehe Abb. 112 und Abb. 113).

252

Abb. 113 Oberfl¨ achengeologie des zur Band-/Tiefpassfilterung untersuchten Kerngebiets, Quelle: Ausschnitt aus GK25 Lithologie und GK25 Tektonik auf http://geoportal.saarland.de.

Die am meisten aufgeschlossenen Schichten (siehe Abb. 113) geh¨ oren dem Oberkarbon und zwar dem Westfal D an. Diese bauen sich aus einer Wechselfolge von Konglomeraten, Sandsteinen und Tonsteinen auf. Zwischengelagert sind unregelm¨aßig unterschiedlich m¨achtige Kohlefl¨ oze (siehe B.F. Klinkhammer, H.P. Konzan (1975)). Die ¨altesten Gesteine kommen im S¨ uden vor und sind die Geisheck und Luisenthal Schichten mit geringer Kohlef¨ uhrung. Meistens bestehen sie aus Konglomeraten und Sandsteinen. Dar¨ uber folgen die Heiligenwald Schichten (unterteilt vom Fl¨oz Beust in Untere und Obere Heiligenwald Schichten), die fast die ganze Nordh¨alfte des Kerngebiets umfassen. Die Oberen Heiligenwald Schichten enthalten abbauw¨ urdige Kohlefl¨oze in dichter Aufeinanderfolge. Die Sulzbacher Formation mit zahlreichen Fl¨ozen und wenigen grobklastischen Einlagerungen sowie die ¨alteren Rothell und St. Ingberter Schichten stehen an der Oberfl¨ache in diesem Kerngebiet nicht an. Diskordant liegen ¨ ortlich u ¨ber dem Oberkarbon Oberrotliegende Schichten der Wadern-Formation mit stark ger¨ollf¨ uhrenden Sandsteinen und Konglomeraten (siehe B.F. Klinkhammer, H.P. Konzan (1975)). In Bezug auf die Tektonik ist das generelle SW-NE Streichen und Einfallen nach Nordwesten der Oberkarbonschichten im Nordwesten des Untersuchungsgebietes verbreitet. Zahlreiche L¨angs-, Quer- und Diagonalst¨ orungen 253

durchqueren das Gebiet. Durch die tektonische Zerst¨ uckelung, Spezialfaltung und das Abtauchen der Achse des Saarbr¨ ucker Hauptsattels nach SW verzeichnet man das Kerngebiet mit unregelm¨ aßigem Schichtstreichen und dementsprechend mit verschiedenen Einfallsrichtungen (B.F. Klinkhammer, H.P. Konzan (1975)). Die gr¨oßeren St¨orungen im Gebiet sind der Saar Sprung, der Ost Sprung und der J¨agersfreuder Hauptsprung. Die geologische Karte 1:25 000 von 1973 wurde im Anhang in den Erl¨ auterungen aus B.F. Klinkhammer, H.P. Konzan (1975) zur geologischen Karte des Saarlandes Blatt Nr. 6707 Saarbr¨ ucken im Bereich Burbach ver¨ andert. ¨ Diese Anderungen wurden auch in unsere geologische Karte eingebracht (siehe Abb. 114). Es sind in diesem Bereich statt Buntsandsteine Rotliegende Formationen, im Norden in Kreuznacher Fazies und im S¨ uden in Waderner Fazies. Die j¨ ungsten Horizonte mit diluvialen Ablagerungen des Horizontes C der Saarterrasse, Lehme und Hangschutt finden sich im s¨ udlichen Bereich sowie alluvialen Talf¨ ullungen entlang der B¨ache. Die schraffierten Bereiche stellen rezente Auff¨ ullungen dar. Die anhand der Multiskalendekorrelation erstellte geologische Karte zeigt im Bereich der gr¨oßeren St¨orungen wie Saar-Sprung und Ost-Sprung wenig Abweichung. Die mit schwarz dargestellten St¨ orungen wurden aus der vorhandenen geologischen Karte u ¨bernommen. Die an die Multiskalendekorrelation angepassten St¨orungen sind in brauner Farbe dargestellt. Entsprechend der Multiskalendekorrelation wurde westlich von AW Burbach der Bereich des Rotliegenden eingezeichnet. Die vorkommende Schicht im Westen von dieser (gr¨ un) geh¨ort vermutlich den Heiligenwald Formationen an. Die Schichtgrenzen, der sich im Norden befindlichen Rotliegenden Formationen, entsprechen ausgenommen des ¨ostlichen Bereichs, der sich weiter nach S¨ uden erstreckt, grob der Karte aus 1973. Das Quart¨ar, besonders die SaarterrassenAblagerungen kommen weiter nach Norden bis zum AW Burbach vor. Unterhalb der Auff¨ ullung im S¨ udosten ist die Talaue von Burbach deutlich abzugrenzen. Der Versatz des Saarsprunges nach Norden, sowie die nords¨ udverlaufende St¨orung sind hier auch zu erkennen. Das Kerngebiet unter dem AW Burbach ist durch eine sehr kleinteilige Bruchtektonik gekennzeichnet, die das Auswerten deutlich erschwert. Umlaufendes Streichen oder entgegengesetztes Einfallen machen eine Nachverfolgung teilweise unm¨oglich. So kann der aus der geologischen Karte bekannte und aus der Auswertung der eigenen Gravimetriemessungen an der Oberfl¨ ache nachzuvollziehende Ostsprung nicht in die Tiefe verfolgt werden, da er wegen eines nur wenige hundert Meter im Nordwesten verlaufenden, entgegengesetzt

254

einfallenden Sprungs und der durch weitere St¨ orungen gebildeten Grabenstrukturen nachtr¨aglich u ¨berpr¨agt wurde und dadurch nicht mehr sichtbar ist.

Abb. 114 Oberfl¨ achengeologie im Kerngebiet Burbach, Ausschnitt aus GK25 Lithologie und GK25 Tektonik auf http://geoportal.saarland.de, modifiziert nach dem Anhang in B.F. Klinkhammer, H.P. Konzan (1975) (links), korrigiert mithilfe der Multiskalendekorrelation (rechts).

Der Saar-Sprung ist mit einer Sprungh¨ohe von maximal 700 m (vgl. H. Schneider (1991)) eines der bedeutenden tektonischen Ereignisse der Region. Im Ludwigsstollen zwischen den Gruben Camphausen und Luisenthal wurde er auf einer L¨ange von rund 70 m querschl¨agig durch¨ ortert (nach B.F. Klinkhammer, H.P. Konzan (1975)). Sein Ausbiss an der Tagesoberfl¨ ache ist aus der geologischen Karte bekannt und kann ebenfalls aus der Auswertung der eigenen Gravimetriemessungen an der Oberfl¨ache nachvollzogen werden. Sowohl die geologische Karte als auch das eingesehene Risswerk der Grube Luisenthal liefern Informationen zu seinem Einfallen. Die Darstellung des Saar-Sprungs im Untersuchungsgebiet basiert auf der Interpretation von punktuellen Aufschl¨ ussen aus der Landesaufnahme an der Oberfl¨ ache und den untert¨ agigen Streckenauffahrungen. Sein Verlauf k¨onnte heute Basis f¨ ur eine Bohrpfadplanung zur Errichtung eines geothermischen Heizkraftwerks sein, wenn es gelingt, die punktuellen Aufschl¨ usse durch die Auswertung der Gravimetrie-

255

messungen zu verdeutlichen.

18.4 Vergleich von Gravimetrie und Magnetometrie Um einen Vergleich von gravimetrischen und magnetometrischen Daten durchzuf¨ uhren, wird nun eine Dekorrelation der Anomalien des erdmagnetischen Totalfeldes durchgef¨ uhrt und der Dekorrelation der Gravitationsanomalien gegen¨ ubergestellt (siehe Abb. 117). Die Daten der Anomalien des erdmagnetischen Totalfeldes (in [nT ]) wurden vom LIAG in einem 100 m Gitter zur Verf¨ ugung gestellt. Es handelt sich dabei um luftgest¨ utzte (“airborne data”) und interpolierte Werte, die sich auf das geomagnetische Referenzfeld DGRF 1980, Epoche 1980.0, in einer H¨ ohe von 1 000 m beziehen. Die Dekorrelation der Anomalien des erdmagnetischen Totalfeldes befindet sich noch in der Forschungsphase und Kriterien f¨ ur einen Vergleich stellen eine große Herausforderung f¨ ur die Zukunft dar. Eine erste Gegen¨ uberstellung der Gravitationsanomalien (siehe Abb. 116) und Anomalien des erdmagnetischen Totalfeldes (siehe Abb. 115) im Großraum Saarland/Rheinland-Pfalz verspricht in der Tat erfolgreiche Vergleichs- und/oder Erg¨ anzungsm¨ oglichkeiten hinsichtlich der geologischen Interpretation.

256

Abb. 115 Magnetfeldanomalien im Großraum Saarland/Rheinland-Pfalz auf der Basis von 1 795 246 Datenpunkten.

Abb. 116 Gemessene Werte der Gravitationsanomalien im Großraum Saarland/ Rheinland-Pfalz f¨ ur 11 899 Standorte.

257

Magnetfeldanomalien, j = 4.

Gravitationsanomalien, j = 4.

Magnetfeldanomalien, j = 5.

Gravitationsanomalien, j = 5.

Magnetfeldanomalien, j = 6.

Gravitationsanomalien, j = 6.

Abb. 117 Vergleich der Magnetfeldanomalien und der Gravitationsanomalien im Großraum Saarland/Rheinland-Pfalz.

258

Magnetfeldanomalien, j = 7.

Gravitationsanomalien, j = 7.

Magnetfeldanomalien, j = 8.

Gravitationsanomalien, j = 8.

Magnetfeldanomalien, j = 9.

Gravitationsanomalien, j = 9.

Abb. 117 s.o. Vergleich der Magnetfeldanomalien und der Gravitationsanomalien im Großraum Saarland/Rheinland-Pfalz.

259

Magnetfeldanomalien, j = 10.

Gravitationsanomalien, j = 10.

Magnetfeldanomalien, j = 11.

Gravitationsanomalien, j = 11.

Magnetfeldanomalien, j = 12.

Gravitationsanomalien, j = 12.

Abb. 117 s.o. Vergleich der Magnetfeldanomalien und der Gravitationsanomalien im Großraum Saarland/Rheinland-Pfalz.

¨ Bei der Skala j = 5 der Bandpassfilterung besteht eine Ahnlichkeit der zwei Dekorrelationen in der s¨ ud¨ostlichen H¨alfte der Abbildungen. Dagegen ist in der nordwestlichen H¨alfte der Abbildung der Magnetfeldanomalien das leicht positive Band markant, die der geotektonischen Großeinheit, der N¨ ordlichen

260

Phyllitzone (G. Gabriel et al. (2011)) zugeordnet werden kann. In der Gravitationsanomalienkarte kommt es bei dieser Skala nicht so zur Geltung. Hier, wie bereits beschrieben, stellen das Rheinische Schiefergebirge und das SaarNahe Becken mit leicht positiven und negativen Anomalien ein mehr oder weniger zusammenh¨angendes Bild dar. Die Form der Magnetfeldanomalien bei der Skala j = 7 ¨ anderte sich im Vergleich zu Skala j = 5. Aus gr¨oßeren und l¨anglichen Formen bildeten sich mehrere, kleinere Anomalien. Eine direkte Korrelation mit den Gravitationsanomalien ist nicht eindeutig gegeben. Im S¨ udosten ragen die Anomalien entlang der St¨orung im Bereich der Pf¨alzer Mulde und an der westlichen Randverwerfung des Oberrheingrabens durch ihre Intensit¨ aten heraus. Die positive Magnetfeldanomalie deutet auf die hier vorhandenen Granodiorite und den Orthogneis mit granitischer Zusammensetzung. Im Nordosten vom Saarland ist der Vulkanitbereich Nohfelden-Baumholder mit einer schwach positiven ¨ Anomalie angedeutet. Ahnlich ist es bei den folgenden Skalen, es bilden sich mehrere kleine Anomalien. Die Skala j = 10 erlaubt die Charakterisierung folgender Zusammenh¨ange: Neben kleineren Anomalien im Bereich Nohfelden sind im Osten des Pf¨alzer Waldes deutlich gr¨oßere Anomalien feststellbar. Die ausgepr¨agteste Gemeinsamkeit der Gravitationsanomalien mit der Magnetik spiegelt sich in der Hunsr¨ uck-S¨ udrand-St¨orung wider. Diese zeichnet sich als SW-NE trendige magnetische Bandstruktur mit u ¨berlagerten, kurzwelligen Anomalien geringer Amplitude aus, wobei sie in der Bandpassfilterung der Gravitationsanomalien als sch¨arferes, diskontinuierliches SW-NE-Lineament auff¨allt. Die Skalen j = 11 und j = 12 der Magnetfeldanomalien deuten durch kleinere Anomalien auf Magmatite (z. B. Nohfelden) hin, w¨ ahrend die linearen Gravitationsanomalien den Verlauf von St¨orungen wie z. B. der Hunsr¨ uckS¨ udrand St¨orung zeigen. Wobei die westliche Randverwerfung des Oberrheingrabens und den Alzey-Niersteiner Horst auch bei den Magnetfeldanomalien mit den l¨anglichen, leicht negativen Anomalien zu erkennen sind. F¨ ur das betrachtete Gebiet kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die beiden Multiskalenapproximationen basierend auf Gravimetrie und Magnetometrie bei kleinen Skalen der Bandpassfilterung korrelieren und sich bei h¨oheren Skalen erg¨anzen.

261

19 Geomathematische Tiefenmodellierung und geologische Tiefeninterpretation Nach der Oberfl¨achenmodellierung und -interpretation gravimetrischer Messungen gehen wir zur Tiefenmodellierung u ¨ber. Ziel der gravimetrischen Tiefenexploration ist die Erstellung eines m¨oglichst wirklichkeitsgetreuen dreidimensionalem geologischen Untergrundmodells als Entscheidungsbasis f¨ ur die Exploration aus Gravitationsfeldinformation. Das dieser Aufgabe zugrunde liegende makroskopisch-physikalische Prinzip ist bekanntlich das Newtonsche Gravitationsgesetz, welches die Bestimmung des Gravitationspotentials bzw. seiner Funktionale aus einer bekannten Dichteverteilung in einem Testgebiet beschreibt. Unsere Berechnung von 3D-Dichtemodellen in Testgebieten des Erdinnern st¨ utzt sich auf das Konzept der Mollifier-Newton-Dirac-Volumendekorrelation der Dichte aus Potentialdaten, das im Kapitel 14 n¨ aher erl¨ autert wurde. Dabei ist es hilfreich, sich die folgenden zwei Aspekte bei der Verwendung gravimetrischer Information zur Modellierung des Untergrundes in Erinnerung zu rufen: 1) Aufgrund der dem Newtonschen Gesetz zugrunde liegenden Integralgleichung folgt, dass man aus gravimetrischer Information gew¨ ohnlich keine scharfen Konturen des Gravitationspotentials im Untersuchungsgebiet erh¨alt. Waveletdekorrelation er¨offnet jedoch die M¨ oglichkeit, das Signal geeignet in verschiedene Signaturb¨ander zu zerlegen und auf diese Weise ¨ durch Bandspezifikation die Glattheit aufzurauhen“ und Uberg¨ ange zu ” dokumentieren. 2) Wie bereits bekannt l¨asst eine geeignete Umverteilung der Masse das daraus resultierende Potential unver¨andert. Dieses Eindeutigkeitsproblem erzwingt f¨ ur den gravimetrischen Praxisbezug ein gewisses Aufkommen an Vorinformation aus dem Untersuchungsgebiet. Es sollte nochmals festgehalten werden, dass eine vollst¨andige Rekonstruktion der Dichte nur aus terrestrischen gravimetrischen Messungen (selbst in Kombination mit Satellitendaten) wegen der unvermeidbar auftretenden “Geister” in der Regel unm¨oglich ist. Seismische Information, In-Bohrloch-Messungen oder ¨ahnliche Zusatzinformation z. B. u ¨ber die Geologie des Untersuchungsgebietes — soweit vorhanden – sollten aus diesem Grund immer umfassend in die Modellierung einfließen. Zur L¨osung des inversen Gravimetrieproblems nutzen wir im Folgenden zwei methodisch unterschiedliche Ans¨atze, die sich somit intrinsisch gegenseitig

262 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_19

validieren k¨onnen: • Mollifier-Newton-Wavelet Inversion (vgl. Kapitel 14.3), • Mollifier-Newton-Spline Inversion (vgl. Kapitel 15.3).

19.1 Mollifier-Newton-Wavelet Inversion Unser Interesse gilt hier einem diskreten Inversionsverfahren (ausgehend von C. Blick (2015)), das in der Lage ist, aus Gravitationsdaten ein Untergrundmodell zu erstellen und dabei bereits bekannte Informationen u ¨ber das Explorationsgebiet, die z. B. aus andersgearteten geologischen Voruntersuchungen ermittelt wurden, einbezieht. Diese Zusatzinformation soll die Unabw¨agbarkeiten durch die mathematisch bedingte Situation der Schlechtgestelltheit des Gravimetrieproblems reduzieren bzw. u ¨berwinden. Mit anderen Worten, die bereits bekannten Informationen im Testgebiet dienen der Beseitigung von Problemen hinsichtlich Eindeutigkeit und Stabilit¨ at im Prozess der Inversion, um mit dem dann errechneten Resultat m¨ oglichst nahe an der tats¨achlich vorhandenen geologischen Struktur heranzukommen. Die angewendete Methodik ist im Wesentlichen ein diskretes nichtlineares Minimierungsproblem. Die Mollifier-Newton-Waveletfunktionen mit ihren kugelf¨ormigen Tr¨agern werden dabei Ingredientien eines nichtlinearen Gleichungssystems genutzt, um aus den oberfl¨achlich verf¨ ugbaren Gravitationsanomalien in Datenpunkten xi , i = 1, . . . , m, xi ∈ G ein Dichtemodell in Knoten yk , k = 1, . . . , n, yk ∈ B lokal im Innern zu erzeugen. Dabei bezeichnet F den Teil des Randes ∂B, der gleichzeitig ein Teil der Erdoberfl¨ ache ist. Weiter ist der Tr¨agerradius der Mollifier-Newton-Wavelets, d. h. die “Kugelbreite” der Bandpassfilterfunktionen, an die gew¨ unschte Tiefe anzupassen. Die diskrete Mollifier-Newton-Wavelet-Methodik wird in der folgenden Form verstanden: Wir betrachten den diskreten Ausdruck, der durch die bereits erl¨ auterten kontinuierlichen Mollifier-Newton-Waveletzug¨ange in Kombination mit dem Smoothing-Gedanken (vgl. W. Freeden, B. Witte (1982), W. Freeden et al. (1998)) und der numerischen Integrationstechnik der Gleichverteilung (vgl. J. Cui, W. Freeden (1997), W. Freeden et al. (2018)) motiviert ist:

263

  2  M  N         ∇ GτJ (Δ; |xi − yk |) − GτJ0 (Δ; |xi − yk |) (yk ) − |∇V (xi )|     i=1 k=1 2 N   2 2 + β |(yk ) − ˜(yk )|  . (359)  k=1

Dabei steht (˜ (y1 ), . . . , ˜(yN ))T f¨ ur die bekannte Dichte-Vorabinformation des unbekannten Vektors ((y1 ), . . . , (yN ))T in den Knoten yk und |∇V (xi )|, i = 1, . . . , M, charakterisiert die Gravitations(anomalienfeld)intensit¨ aten an der Oberfl¨ache F in den Messpunkten xi . Der Parameter β dient wie u ¨blich zur Glattheitskontrolle, d. h. je gr¨oßer die Wahl von β ausf¨ allt, desto st¨ arker ist der Einfluss der Vorabinformation (˜ (y1 ), . . . , ˜(yN ))T auf die zu errechnende unbekannte Dichte ((y1 ), . . . , (yN ))T . Der Ausdruck (359) kann als Quadrat des (N + M )-dimensionalen Vektor R((y1 ), . . . , (yN )) interpretiert werden, der wie folgt gegeben ist: R((y1 ), . . . , (yN ))

(360)

⎞ ⎛     N   ∇ GτJ (Δ; |x1 − yk |) − GτJ0 (Δ; |x1 − yk |) (yk ) − |∇V (x1 )| ⎟ ⎜  ⎟ ⎜ k=1 ⎟ ⎜ .. ⎟ ⎜ . ⎟ ⎜  ⎟ ⎜ N   ⎟ ⎜   = ⎜ ∇ GτJ (Δ; |xM − yk |) − GτJ0 (Δ; |xM − yk |) (yk ) − |∇V (xM )| ⎟ ⎟ ⎜ k=1 ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ) −  ˜ (y )| β |(y 1 1 ⎟ ⎜ .. ⎟ ⎜ ⎠ ⎝ . β |(yN ) − ˜(yN )| (361) Die unbekannten Koeffizienten ((y1 ), . . . , (yN ))T werden nun so bestimmt, dass sie den Ausdruck |R(1 , . . . , N )|2 mit

264

R(1 , . . . , N )

(362)

⎞ ⎛     N    − |∇V (x ∇ G (Δ; |x − y |) − G (Δ; |x − y |)  )| τJ 1 τJ0 1 1 k k k ⎟ ⎜  ⎟ ⎜ k=1 ⎟ ⎜ .. ⎟ ⎜ . ⎟ ⎜  ⎟ ⎜ N   ⎟ ⎜    = ⎜ ∇ GτJ (Δ; |xM − yk |) − GτJ0 (Δ; |xM − yk |) k  − |∇V (xM )| ⎟ ⎟ ⎜ k=1 ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ −  ˜ (y )| β | 1 1 ⎟ ⎜ .. ⎟ ⎜ ⎠ ⎝ . β |N − ˜(yN )| (363) in der Menge aller N -Tupel (1 , . . . , N )T minimieren. Es sollte nochmals betont werden, dass das Resultat der Minimierungsl¨ osung durch den Parameter β eine Gl¨attung (“Smoothing”) erf¨ahrt. Dies ist f¨ ur die Verwendung realer Messwerte auch unvermeidlich, da diese aufgrund des Messvorgangs und der Messger¨ate als verrauscht, d. h. mit Fehlern behaftet anzunehmen sind, was zu kompensieren ist. Das volumenhafte Mollifier-Newton-Wavelet x → GτJ (Δ; |x − yk |) − GτJ0 (Δ; |x − yk |), x ∈ B, besitzt bekanntlich einen kugelf¨ormigen Tr¨ager, dessen Breite durch den Skalenindex J0 bestimmt wird und somit, wie bereits erl¨autert, entscheidenden Einfluss auf die gew¨ unschte Explorationstiefe nimmt. In Anpassung an die Datenvorgabe sollte der Skalenindex J > J0 so groß als m¨oglich gew¨ahlt werden. F¨ ur das nichtlineare Minimierungsproblem |R(1 , . . . , N )|2 → M in.

(364)

finden sich in der numerischen Literatur eine Reihe von L¨ osern, auf die hier nicht n¨aher eingegangen wird. Inversionsproblem: • Gegeben: Punktesystem von Gravitationsintensit¨ aten in M terrestrischen Messpunkten xi , i = 1, . . . , M, sowie gewisse diskrete Dichte-Vorinformation. • Gesucht: Dichtewerte in den N inneren Punkten yk , k = 1, . . . , N, des Explorationsgebietes B. • Methode: L¨osung des diskreten nichtlinearen Optimierungsproblems (364).

265

Bei der praktischen Ausf¨ uhrung wurde die Inversion zun¨ achst am Dichtedatensatz Traunreut durchgef¨ uhrt. Dies geschah aus Validierungszwecken zur Best¨atigung der oben skizzierten Methodik. Das Gravitationspotential Traunreut und die assoziierten Schwereintensit¨ aten wurden dabei in einem a priori Schritt numerisch modelliert. Abb. 118, Abb. 119 und Abb. 120 zeigen das Inversionsergebnis mit und ohne Benutzung von Vorabinformationen, sowie die Ausgangsdichte in drei Tiefen.

Abb. 118 Berechnetes Untergrundmodell des Testdatensatzes in einer Tiefe von 200 m (links oben ohne Benutzung von Vorinformation, rechts oben unter Benutzung von Vorinformationen) und die zu reproduzierende Dichte zum Vergleich (unten).

266

Abb. 119 Berechnetes Untergrundmodell des Testdatensatzes Traunreut in einer Tiefe von 600 m (links oben ohne Benutzung von Vorinformation, rechts oben unter Benutzung von Vorinformationen) und die zu reproduzierende Dichte zum Vergleich (unten)

Abb. 120 Berechnetes Untergrundmodell des Testdatensatzes Traunreut in einer Tiefe von 1 800 m (links oben ohne Benutzung von Vorinformation, rechts oben unter Benutzung von Vorinformationen) und die zu reproduzierende Dichte zum Vergleich (unten)

Die Illustrationen best¨atigen, dass die Inversion unter Zuhilfenahme von Vorinformationen, in diesem Fall eine 3D-gegl¨attete Version des Realmodells, in den f¨ ur die Exploration interessanten Lagen deutlich bessere Resultate liefert 267

als die Inversion ohne Vorinformation. Speziell l¨ asst sich dies in den geologischen Formationen f¨ ur die gezeigten Tiefen von 600 m und 1 800 m erkennen. So wurde in 600 m Tiefe ohne Vorinformation bereits die grobe Dichteverteilung erfolgreich berechnet, doch lassen sich nun auch feinere Strukturen erkennen. In 1 800 m Tiefe wurde der grobe Dichteverlauf ebenfalls verbessert und die Konturen der feineren Dichtestrukturen beginnen sich abzuzeichnen. Auch nahe der Oberfl¨ache liefert das Verfahren gute Ergebnisse, wobei unserer Erfahrung nach die Inversion ohne Vorinformation ein etwas sch¨ arferes Ergebnis liefert, wie in Abb. 118 f¨ ur eine Tiefe von 200 m zu sehen ist. Um noch bessere Ergebnisse zu erzielen gilt grunds¨ atzlich: Je gr¨ oßer die Genauigkeit und Vielfalt der Vorinformation ist, desto pr¨ aziser wird das Inversionsergebnis. Horizontale und vertikale Ermittlung von Schichteinfall und Schichtm¨ achtigkeiten durch Einbringen ku ¨ nstlicher Sto ¨rungen. Nach der Berechnung der 3D-Dichtemodelle ist eine Validierung der errechneten Tiefenlagen im Modell hilfreich. Die Einbringung von Monopolen in der Gravitation ist ein essenzielles Werkzeug zur Ermittlung von Tiefenpositionen. Dazu berechnet man ein Untergrundmodell mittels des in Abschnitt Newton-WaveletMethodik beschriebenen Inversionsverfahrens aus den gegebenen Gravitationspotentialdaten wie in Abb. 119, Abb. 120 und Abb. 121 am Beispiel des Testmodells Traunreut zu sehen ist. Um zu verifizieren, dass die berechneten geologischen Strukturen ihrer korrekten Tiefe zugeordnet werden k¨onnen, wird das den Berechnungen zugrunde liegende Potential k¨ unstlich mit einem Monopol (d. h. einer vergrabenen Punktmasse mit einer bekannten Tiefenlage) u ¨berlagert ( Superposition mit” tels eines Monopols“). Dabei kann die Intensit¨ at des Monopols durch einen bestimmten Gewichtsfaktor kontrolliert werden (vgl. die Ausf¨ uhrungen in T. Fehlinger (2009), W. Freeden, C. Gerhards (2013), C. Blick (2015)). Um detektierbar hinsichtlich der Tiefenlage zu sein, sollte die Intensit¨ at des Monopols umso gr¨oßer gew¨ahlt sein, je tiefer er sich befindet. Durch Inversion des superponierten Gravitationspotentials mit analogem L¨ osungsmechanismus l¨ asst sich dann u ufen, ob das Monopol nach Inversion an seiner bekann¨berpr¨ ten Position auffindbar ist. Es zeigt sich, dass das Monopol im Inversionsergebnis nicht mehr als Punkt auftritt, sondern wegen der gew¨ ahlten Wavelets mit kugelf¨ormigen Tr¨agern radial diffundiert. Hier gilt, dass mit zunehmender Tiefe ein Monopol gleicher Intensit¨at immer st¨ arker verwischt und dessen Maximalausschlag immer kleiner wird. Seine urspr¨ ungliche Lage l¨ asst sich jedoch u ¨ber die Position des Maximums bestimmen. Weicht dieses Maximum von der bekannten Lage ab, so kann das aus den unver¨ anderten Gravitationsdaten berechnete Untergrundmodell entsprechend korrigiert werden. In Abb. 121, Abb. 122 und Abb. 123 ist das Ergebnis der Inversion mit modifizierten Potentialdaten gezeigt. Die eingef¨ ugten Monopole liegen jeweils im

268

Zentrum der Schichten mit Tiefe 200 m, 600 m und 1 800 m. Die Berechnungen zeigen, dass die Schichten jeweils ihrer korrekten Tiefe zugeordnet wurden und das Verfahren f¨ ur dieses spezielle Beispiel somit auf eine Tiefenkorrektur verzichten kann.

Abb. 121 Inversionsergebnis nach Einbringung eines Monopols in einer Tiefe von 200 m.

Abb. 122 Inversionsergebnis nach Einbringung eines Monopols in einer Tiefe von 600 m.

Abb. 123 Inversionsergebnis nach Einbringung eines Monopols in einer Tiefe von 1 800 m

Tiefendetektion geologischer Formationen im Kerngebiet Burbach. Das entwickelte und in Abschnitt Newton-Wavelet-Methodik beschriebene Inversionsverfahren wurde schließlich auf das geologisch anspruchsvolle Kerngebiet Burbach angewandt. Ein Anfangsdichtemodell f¨ ur den Iterationsprozess wurde hierzu aus allen uns zur Verf¨ ugung stehenden Informationen u ¨ber die Geologie des Untersuchungsgebiets gewonnen. Dieses beinhaltet Informatio-

269

nen aus dem saarl¨andischen Bergbau, sowie aus Bohrungen, die im naheliegenden Bereich niedergebracht wurden.

Abb. 124 Inversionsergebnis im Kerngebiet Burbach zu den gemessenen Daten aus Abb. 108.

270

Abb. 124 zeigt drei Schnitte des resultierenden Inversionsergebnis. Die verschiedenen geologischen Schichten k¨onnen anhand ihrer Dichteunterschiede unterschieden werden, wobei Schichten mit hohem Dichtekontrast direkt aus Abb. 124 herausgelesen werden k¨onnen. So l¨ asst sich die Lage des SaarSprungs hier bereits gut erkennen. Mittels der von uns entwickelten Filterverfahren l¨asst sich das Inversionsergebnis wie in Kapitel 8 Methodische Komponenten einer Waveletdekorrelation beschrieben unter Verwendung von Haartyp-Wavelets mit kugelf¨ormigen Tr¨agern f¨ ur Interpretationszwecke weiter aufschl¨ usseln, so dass die exakte Lage der Schichtgrenzen im errechneten Model ersichtlich wird (siehe Abb. 125). Dabei ist die Grenze zwischen zwei Schichten im Allgemeinen dort gegeben, wo sich ein Vorzeichenwechsel vollzieht. Zur besseren Interpretierbarkeit sind daher in diesen Abbildungen der Bereich nahe Null in Weiß gezeichnet. In allen drei Profilen der Abb. 125 sind der Sicherheitspfeiler des Ausbesserungswerks Burbach und die tiefer liegenden Rothell-Schichten aufgrund des h¨oheren Dichtekontrastes deutlich abzugrenzen. Des Weiteren ist der Verlauf des Saar-Sprunges in den Profilen W-E und S-N zu erkennen. In den anderen geologischen Schichten liegen die Dichten der Gesteinsformationen nahe beieinander, sodass die Grenze dazwischen nicht so deutlich ist; beispielweise liegt die Grenze Geisheck/Sulzbacher Schichten zwischen dem gelblichen Gr¨ un und Hellgr¨ un. Im unteren Bild der Abb. 125, die eine Tiefe von ca. 1 000 m darstellt, ist der kreisf¨ormige Umriss des Sicherheitspfeilers des AW Burbach sichtbar, weil in diesem Bereich die Kohlefl¨oze nicht abgebaut sind und damit die gleiche Schicht eine andere Dichte hat. Auff¨allig sind hier die St. Ingberter Schichten, die in den Rothell-Schichten vorzukommen scheinen. Dies ist bedingt durch die Sattelform in diesem Bereich. Offensichtlich sind die geologischen Schichten besser in die Tiefe abzugrenzen, je gr¨oßer der Dichteunterschied zwischen ihnen ist. Es hat sich im Laufe der Numerik herausgestellt, dass wir dem Anspruch, das entwickelte Inversionsverfahren auf einem gut ausgestatteten B¨ urorechner betreiben zu wollen, gerecht werden konnten, wie in den Abb. 124 und Abb. 125 zu sehen ist. Es sollte allerdings auch erw¨ahnt werden, dass die im Projekt eingesetzten B¨ urorechner f¨ ur ein hochaufl¨ osendes Reservoirmodell sowie f¨ ur Tiefen jenseits der 2 km-Marke zu niedrig dimensioniert sind, speziell in Hinsicht auf den ben¨otigten Arbeitsspeicher. Alles in Allem hat die hier vorgestellte diskrete Variante der MollifierNewton-Wavelet Inversion gezeigt, dass inverse Gravimetrie, also die Bestimmung der Massendichteverteilung der Erde aus Daten des Gravitationspotentials oder verwandter Gr¨oßen, eine neue und innovative Numerik in der Ex-

271

ploration liefert. Die diskutierten 3D-Wavelet-Dekorrelationen liefern in der Tat f¨ ur die zuk¨ unftige Exploration eine wertvolle und kosteng¨ unstige Alternative, falls gewisse Vorinformation u ¨ber die Dichteverteilung im Testgebiet sinnvoll zum Einsatz kommen kann.

Abb. 125 Schichtgrenzenanalyse des Inversionsergebnisses aus Abb. 124 und Lage des Schnitts in der geologischen Karte.

272

19.2 Mollifier-Newton-Spline Inversion Wir rekapitulieren einige Prinzipien der Splintheorie: Die Grundidee der Spline-Verfahren basiert auf der Erkenntnis, dass der Funktionenraum aller Potentiale ein unendlich-dimensionaler Hilbertraum mit besonderer Struktur, genauer gesagt Reprokernstruktur ist. Hochfrequente Anteile von Potentialen werden also in diesem Hilbertraum mitverarbeitet und erlauben wegen der reproduzierenden Struktur eine parallel simultane methodische Behandlung wie niederfrequente Potentialanteile. Die Reproeigenschaft erm¨ oglicht Variationsmethoden des Potentials mittels Splines als Linearkombinationen der Reprokerne in Messpunkten. Die Einf¨ uhrung von Splines, die sich aus dem Reprokern dieses Hilbertraumes aller Potentiale ableiten lassen (vgl. Kapitel 15.3), f¨ uhrt dann auf eine L¨osung eines linearen Gleichungssystems, dessen Koeffizientenmatrix approximationstheoretisch zwar eine vorteilhafte Struktur als Gram-Matrix besitzt, aber numerisch mit Problemen schlechter werdender Kondition mit steigender Datenanzahl konfrontiert ist. Eine Spline-L¨osung gew¨ahrleistet, dass die Approximation die beste Interpolations/Smoothing-L¨osung innerhalb der Kr¨ ummungsnorm des Referenzraumes ist, also die geringste Kr¨ ummung unter allen m¨ oglichen interpolierenden L¨osungen, besitzt. Damit ist sichergestellt, dass die L¨ osung m¨ oglichst wenig zwischen den Datenpunkten oszilliert. Es gilt festzuhalten, dass die hier beschriebene Reprokern-Methode mittels Newton-Splines sowohl f¨ ur die Behandlung des klassischen geod¨ atischen Gravimetrieproblems aus Daten im Außenraum und auf der Erdoberfl¨ ache als auch kombinativ zus¨atzlich mit Daten im Innenraum der Erde einsetzbar ist. F¨ ur ausschließlich aus dem Außenraum und/oder von der Erdoberfl¨ ache stammende Daten ergibt sich eine harmonische Spline-L¨ osung, die keinerlei Information der “anharmonischen Geister” enth¨ alt. In jedem Fall beinhaltet der Spline allerdings nieder- als auch hochfrequente Potentialsignaturen. Newton-Spline-Approximation des Potentials. Die Grundidee der Newton-Spline-Methode basierend auf der Reprokernstruktur ist wie folgt charakterisierbar: Die durch Anwendung des Newton-Potentialoperators auf dem oglicht es, aufgrund der ReNewtonkern erzeugte Kernfunktion KH (x, y) erm¨ prokerneigenschaft eine Spline-Interpolation durchzuf¨ uhren.

273

Spline-Problem: • Gegeben: Punktesystem (xi , V (xi ))i=1,. . . ,N zu N Messpunkten (St¨ utzpunkten) xi mit zugeh¨origen gemessenen Potentialdaten V (xi ). • Gesucht: Approximative L¨osung (Spline) S V des Potentials V mit S V (xi ) = V (xi ) N  ai KH (x, xi ). S V (x) = i=1

Der Algorithmus zur L¨osung dieses Spline-Problems ist von einfacher Struktur. Problematisch ist allerdings die Berechnung der Kernfunktion KH . Die numerische Berechnung der Kernfunktion bedarf einer numerischen Integration u at der Koeffizienten¨ber B. Ein Vorteil stellt die Symmetrie und Positivit¨ matrix KH (xi , xj ) dar. Ein Nachteil ist die Verschlechterung der Kondition mit wachsender Datenanzahl, so dass Stabilisierungsverfahren n¨ otig sind, da sonst bei verbesserter Messdichte eine L¨osung mit numerischen Artefakten resultiert. Algorithmus fu ¨ r die Approximation des Potentials • L¨osung des linearen Gleichungssystems: m 

ai KH (xi , xj ) = V (xj ), j = 1, . . . , N,

i=1

• Berechnung der approximativen L¨osung des Potentials: S V (x) =

N 

ai KH (x, xi )

i=1

Die Behandlung von verrauschten Daten ist, wie bereits erw¨ ahnt, bei der Spline-Approximation problemlos durchf¨ uhrbar, da Datenfehler durch die Kombination von Interpolation mit Smoothing leicht korrigiert werden. Spline-Approximation der Dichte. Unter Verwendung der aus Potentialdaten berechneten Koeffizienten ai und des Newton-Kerns G(Δ; ·) kann direkt die Berechnung der approximativen L¨osung S f¨ ur die Dichteverteilung  erfolgen:

274

(x) ≈ −

N 

ai G(Δ; |x − xi |).

(365)

i=1

Algorithmus fu ¨ r die Approximation der Dichte • L¨osung des linearen Gleichungssystems: N 

ai KH (xi , xj ) = V (xj ), j = 1, . . . , N

i=1

• Ermittlung der approximativen L¨osung des Dichte: (x) ≈ −

N 

ai KH (x, xi )

i=1

Alles in Allem gilt: Die Newton-Spline-Methode liefert eine numerisch einfache L¨osung des inversen Problems, d. h. der Ermittlung der Dichte aus dem Potential, wobei die Berechnung f¨ ur beliebige Teilgebiete (Explorationsgebiete) unabh¨angig von der Tiefe durchgef¨ uhrt werden kann. Eine einmalige Berechnung der Koeffizienten erm¨oglicht durch “Mollifikation” des Reprokerns eine Multiresolution (ohne weitere Integration). Im Falle von verrauschten Daten ist eine Kombination von Smoothing und Interpolation m¨ oglich. Die Methode erm¨oglicht es, Daten, die auf unterschiedlichen H¨ ohen gemessen wurden, zu kombinieren, indem anstelle des Reprokernes ein entsprechend angepasster Kern verwendet wird. Die Messpunkte k¨ onnen insbesondere beliebig verteilt sein. Folgende Datentypen k¨onnen erfasst und heterogen eingebunden werden: • Testgebiet: Schwereintensit¨at, Schwereanomalien, Potentialwerte, schiefachsige Ableitungen des Gravitationspotentials, • Erdoberfl¨ ache: Schwereanomalien, Schwerest¨ orungen, Lotabweichungen, Potentialwerte, • Erd¨ außere: (Satellite-to-Satellite-Tracking (SST)) Gradient oder Differenz von Gradienten der Gravitation, (Satellite-Gravitational-Gradiometry (SGG)) Tensor der zweiten Ableitungen des Gravitationspotentials. Mollifier-Newton-Spline-Wavelet-Methodik. Ein weiterer Vorteil der ¨ Spline-Methode ist die M¨oglichkeit des Ubergangs zur Mollifier-Dekorrelation durch Multiresolution des rekonstruierenden Newtonkerns G(Δ; ·). Auf diese Weise k¨onnen skalenabh¨angige grobe und feine Strukturen im Datensatz sichtbar gemacht werden.

275

Ausgangspunkt der Dekorrelation mit Mollifier-Newton-Spline-Wavelets ist die approximative Darstellung der Dichte mithilfe des Newtonkerns in der Form N  ai G(Δ; |x − xi |). (366) (x) ≈ i=1

wobei die Koeffizienten ai den linearen Gleichungen N 

ai KH (xi , xj ) = V (xj ), j = 1, . . . , N

(367)

i=1

gen¨ ugen. Wie bereits eingehend beschrieben, basiert die Regularisierung der Operatorgleichung auf einer Mollifikation, d. h. der Ersetzung des singul¨ aren Newtonkerns durch einen physikalisch “nahen” regul¨aren Kern. Die Gl¨ attung h¨ angt von einem Skalierungsparameter ab, so dass die Mollifikation bei unterschiedlicher Skalierung verschiedene gegl¨attete Ansichten (Filterungen) der Funktion an dieser Stelle wiedergibt. Um zu einem Dekorrelationsalgorithmus zu gelangen, bildet man Differenzen der gegl¨atteten Newtonkerne GτJ (Δ; ·) − GτJ0 (Δ; ·), J > J0 , und kann auf diese Weise Detailstrukturen in Bandform im Signal herausfiltern (vgl. die Notation aus Abschnitt 14.1): J (x) − J0 (x) ≈

N 

ai (GKτJ (Δ; |x − xi |) − GKτJ (Δ; |x − xi |). 0

i=1

(368)

wobei die Koeffizienten ai nunmehr den linearen Gleichungen (vgl. (350)) N 

τJ ,τJ0 (xi , xj )) = VKτJ (xj )−VKτJ

τJ ,τJ ai (KH (xi , xj )−KH 0

0

i=1

(xj ), j = 1, . . . , N, (369)

gen¨ ugen. VKτJ wird als Vorabinformation angesehen, w¨ ahrend VKτJ f¨ ur ausreichend 0 große J dem Potential V entspricht. Numerische Ergebnisse zu Newton-Splines und Mollifier-NewtonSplines. Eine erste numerische Anwendung erfolgte auf den Testdatensatz des bereits bekannten BP-Modells (siehe Abb. 126).

276

Abb. 126 3D-BP-Modell (Dichtemodell).

Aus der Dichteverteilung des BP-Modells ergibt sich das in Abb. 127 dargestellte Potential.

Abb. 127 Potentialmodell zum 3D-BP-Dichtemodell aus Abb. 126

BP-Testbeispiel 1: Terrestrische Potentialdaten an 100 gleichm¨ aßig verteilten Messpunkten. Dieses Beispiel simuliert die reale Situation auf der Basis gravimetrischer Messungen. Im Testbeispiel wurde von der (idealisierten) Situation von gleichm¨aßig verteilten Messdaten ausgegangen. Diese 277

Annahme ist nicht von methodischer Relevanz, das Verfahren l¨ asst sich problemlos auf beliebige verteilte Messpunkte (“scattered data distribution”) anwenden. Abb. 128 zeigt links das mithilfe der Spline-Approximation berechnete N¨aherungspotential und rechts den Fehler zum Potential in Abb. 127. Der Fehler ist erwartungsgem¨aß in der N¨ahe der Messpunkte sehr klein und nimmt mit zunehmendem Abstand zu. Die Rekonstruktion ist trotz der relativ geringen Anzahl von Messpunkten recht genau.

Abb. 128 Rekonstruktion des Potentials aus Abb. 127 (in einem Teilbereich) f¨ ur 100 gleichm¨ aßig verteilte Messwerte an der Oberfl¨ ache.

BP-Testbeispiel 2: Potentialdaten in einem simulierten Bohrpfad mit 50 Messwerten. Dieses Beispiel simuliert eine Messsituation unter Einbindung von In-Bohrloch-Daten. Abb. 129 zeigt links die mithilfe der NewtonSpline-Approximation berechnete N¨aherung des Potentials und rechts den Fehler. Erwartungsgem¨aß erh¨alt man im Bereich des simulierten Bohrloches bei der Rekonstruktion des Potentials einen sehr kleinen Fehler. Die Rekonstruktion ist trotz der relativ geringen Anzahl von Messpunkten recht genau.

Abb. 129 Rekonstruktion des Potentials aus Abb. 127 (in einem Teilbereich) f¨ ur 50 gleichm¨ aßig verteilte Messwerte in einem simulierten Bohrpfad.

278

Um weitere Erfahrungen zur Anwendbarkeit des Verfahrens f¨ ur die geothermische Exploration zu sammeln, wurde das Newton-Spline-Verfahren auf Realdaten des Geothermieprojekt Traunreut angewandt. Numerische Ergebnisse zu Realdaten im bayerischen Molassebecken (Traunreut). Aus dem Geschwindigkeitsmodell von Traunreut im Untergrund (siehe Abb. 130) wurden Potentialdaten rekonstruiert und daraus eine Multiresolution der Dichte berechnet (siehe Abb. 131). Der Testdatensatz ¨ Traunreut stand uns bereits im BMWi-Projekt GEOFUND zur Verf¨ ugung. Das Ergebnis der Mollifier-Newton-Spline-Multiskalenzerlegung ist f¨ ur die Skalen 3 und 4 bei Verwendung von 899 Messpunkten in Abb. 131 dargestellt. F¨ ur eine Interpretation des Ergebnisses ist die hier erzielte Genauigkeit voraussichtlich ausreichend.

Abb. 130 Dichteverteilung von Traunreut im Untergrund f¨ ur einen vertikalen Schnitt.

279

Abb. 131 Mollifier-Multiresolution der Dichte in der Tiefe basierend auf 899 terrestrischen Messpunkten (links die reale Dichte in 500 m Tiefe, in der Mitte ihre MollifierApproximation zur Skala 3 und rechts die Mollifier-Approximation zur Skala 4).

280

Teil VIII

Dekorrelative Gravimetrie Zusammenfassung und Innovationen

20 Dekorrelative Monopol-basierte Gravimetrie ¨ Unser Ziel in diesem Kapitel ist es, einen Uberblick u usselideen ¨ber die Schl¨ und -konzepte der im Buch behandelten dekorrelativen Gravimetrie zu geben. Wir erw¨ahnen zun¨achst die wesentlichen Aspekte und danach die innovativen Ingredientien.

20.1 Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse Entsprechend dem Newtonschen Kontext kommen folgende skalaren Gr¨ oßen f¨ ur die Gravimetrie ins Spiel: V :

Gravitationspotential oder seine Funktionale,

:

Dichte des Materials.

¨ Fassen wir unsere bisherigen Uberlegungen zusammen, so kommen wir zu folgenden Schlussfolgerungen: Die Entwicklung immer leistungsf¨ ahigerer absoluter wie auch relativer Gravimeter mit deutlich verbesserter Messgenauigkeit erm¨oglicht es, dass sich k¨ unftig nicht nur pr¨agnante Schwerest¨ orungen/Schwereanomalien (wie z. B. die eines Salzstocks), sondern auch schw¨ achere Signaturen erfassen und modellieren lassen. Mehr noch, die rasante Entwicklung der Computer f¨ uhrt zu neuartigen Methoden der Datendekomposition und Mollifier-Waveletdekorrelation. Zuk¨ unftige dekorrelative Gravimetrie ist somit eine neue Explorationstechnik, die als kanonische Innovation aus der Verbindung neuartiger Mess- und Modellierungstechniken resultiert. In der Regel ist das gravimetrische Potential sehr glatt (siehe z. B. K. ¨ Ernstson, W. Alt (2013) f¨ ur einen Uberblick u ¨ber die geophysikalisch gebr¨auchlichen Methoden), so dass das Potential selbst f¨ ur Explorationsaussagen kaum dienlich ist. Dies ist der Grund, warum bis heute, z. B. in der Geothermieszene, Gravimetrie nur in Verbindung mit scharf auftretenden geologischen Formationsgrenzen als anwendbar gilt. Unser Anspruch ist jedoch, dass sich k¨ unftig auch schw¨achere Anomalien erfassen und die geologische Struktur eines Areals interpretierbar durch Gravimetrie modellieren lassen.

283 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_20

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Abb. 132 Schematische Darstellung der Mollifier-Multiskalenapproximation: Gravitationspotential (links) korrespondierend zur Dichte (rechts).

284

Dekorrelative Gravimetrie dient der Reduzierung des F¨ undigkeitsrisikos von ¨ Aquiferen sowie zur Detektion von Gas- und Ollagerst¨ atten, auch im Vergleich und durch Zusammenschau alternativer, aber strukturell ¨ ahnlich gelagerter Verfahren wie etwa Magnetometrie und Seismik. Ziel des vorliegenden Buches ist insbesondere die Vermittlung des Grundverst¨ andnisses, dass “Zooming-In”-Potentialmethoden wie etwa dekorrelative Gravimetrie mittels Potentialwavelets neue wichtige Anwendungsfelder in der heutigen Geoexploration er¨offnen, insbesondere f¨ ur Gebiete mit bergbaubedingten Hohlr¨ aumen oder sehr dichter Bebauung wie etwa Saarland oder Sachsen, die den Einsatz von reflexionsseismischen Messungen erschweren oder sogar unm¨ oglich machen. Dekorrelative Gravimetrie gew¨ahrt zudem eine Ersteinsch¨ atzung m¨ oglicher Perspektiven in Regionen, u ¨ber die wenig sonstige Daten zur Verf¨ ugung stehen. Auch in unserem Zugang (vgl. Abb. 132, oben links) ist die Folge der skalendiskreten Multiskalenrekonstruktionen {VHτj } des Newton-Potentials V kaum hilfreich. Wenn wir jedoch bandpassgefilterte “Mollifikationen” VHτj − VHτj−1 des Newton-Potentials V betrachten, werden strukturelle Informationen der Dichtedaten sichtbar (vgl. Abb. 132, unten links). Der Grund ist, dass die Waveletzerlegung VHτj − VHτj−1 u ¨ber die Poisson-Gleichung −ΔV (x) = (x) diskret die Dichtezerlegung Hτj − Hτj−1 (zumindest f¨ ur h¨ ohere Skalen j) simuliert, so dass der Zusammenhang zwischen Potentialund Dichtefunktion bereits f¨ ur h¨ohere Skalen auf der Potentialseite erkennbar wird. Die Schl¨ usselidee der Mollifier-Multiresolutionsmethode ist jedoch, dass die entsprechenden Newton-Potentialwavelets, die die Bandpasszerlegung des Potentials erzeugen (siehe Abb. 132, links), u ¨ber die Anwendung des negativen Laplace-Operators auf Waveletzerlegungen in der Dichteebene transformiert werden (siehe Abb. 132, rechts). Tats¨achlich zeigen die Dichteverteilung sowie ihre Dekorrelation in Dichteverteilungsb¨ander (siehe Abb. 132, unten rechts) scharfe Dichte¨ uberg¨ange von einer geologischen Formation zur anderen, die sich bei Modellierung in h¨oheren Skalen verst¨arken. Als Konsequenz k¨ onnen k¨ unftig auch schw¨achere Anomalien besser erfasst und modelliert werden. Beachtenswert ist, dass die Inversion von gravitativ basierten lokalen Potentialb¨andern resultierend aus nur lokalem Datenmaterial auf geologisch basierte lokale Dichteb¨ander mittels Wavelets geophysikalisch realit¨ atsnah durch Anwendung der Poissongleichung (vgl. W. Freeden, M.Z. Nashed (2018c,d, 2020)) gelingt. Die Poissonsche Differentialgleichung setzt Potentialwerte punktweise u ¨ber die negative Laplace-Ableitung zur Dichte in Beziehung setzt. Dies bedeutet zugleich, dass Rechnungen auf der Potentialebene simultan auch Ergebnisse auf der Dichteebene liefern.

285

Das Resultat der inversen Gravimetrie ist also, geologische Information in Formationsb¨andern aufzuzeigen, deren gegenseitige Abgrenzungen zueinander mit wachsender Skala immer sch¨arfere Zeichnungen erfahren (vgl. Abb. 132, unten rechts) und somit auch f¨ ur die Detektion von in der Exploration so außerordentlich wichtigen Formations¨ uberg¨angen und -diskontinuit¨ aten verantwortlich zeichnen. Kurzum, innerhalb einer Mollifier-Multiskalenzerlegung oder eines Dekorrelationsprozesses sind wir in der Lage, Detailinformationen, die hilfreich bei der Interpretation sind, herauszufiltern. Die Dekorrelationsmethode liefert simultan Resultate f¨ ur Potential- und Dichtefunktion. Gem¨aß der klassischen Anwendung in der Physikalischen Geod¨ asie versteht sich inverse Gravimetrie als das Problem der Bestimmung der im NewtonIntegral auftretenden Dichtefunktion  in B aus Information des Gravitationspotentials V auf dem Teil des Randes ∂B, der zur Erdoberfl¨ ache geh¨ ort. Aber auch Daten des Gravitationspotentials aus dem Außenraum, z. B. Messungen mit Flugobjekten (Drohnen, Flugzeugen, Satelliten, etc.) in bestimmter Flugh¨ohe, werden zuweilen von der Physikalischen Geod¨ asie in Betracht gezogen. Mathematisch verletzt das so geod¨atisch verstandene inverse Gravimetrieproblem (unter der kanonischen Voraussetzung der Quadratintegrabilit¨at von  u aß der ¨ber B) alle drei Kriterien der Wohlgestelltheit gem¨ in der Mathematik g¨angigen Hadamardschen Klassifikation (J. Hadamard (1902), J. Hadamard (1923)), d. h. Eindeutigkeit, Existenz und Stabilit¨ at der L¨osung sind durch ausschließlich terrestrische und externe Datenvorgabe nicht gew¨ahrleistet (zur weiteren mathematischen Charakterisierung von Details und L¨osungsvorschl¨agen vergleiche auch die Beitr¨ age von W. Freeden, V. Michel (2004), W. Freeden, C. Gerhards (2013), W. Freeden, M.Z. Nashed (2018c) W. Freeden, M.Z. Nashed (2018d) W. Freeden, M.Z. Nashed (2020)). Bei terrestrischen und externen Datensystemen ist man somit unumg¨ anglich damit konfrontiert, dass der sogenannte “anharmonische” Anteil der Dichte nicht aus terrestrischen und externen Potentialdaten bestimmbar ist und als “Geist” geeigneter, nicht intrinsischer Zusatzinformation bedarf. Im Falle von ausschließlich internen Potentialdaten ist die Inversion jedoch modulo einer harmonischen Funktion u oglich. In¨ber die Poissongleichung m¨ terne Dateninformationen (In-Bohrlochdaten) sind somit aufgrund potentialtheoretischer Gesetzm¨aßigkeiten u ¨ber die Poissonsche Differentialgleichung des Newtonzugangs behandelbar und f¨ uhren u ¨ber die Anwendung des negativen Laplace-Operators unmittelbar zu verl¨asslichen Dichteinformationen. Aus explorativer Sicht bedeutet dies, dass eine kombinativ auf externen, terrestrischen und zus¨atzlichen internen Datensystemen basierende Approximation der realen L¨ osung immer n¨aherkommt, je mehr interne Information zur

286

Anwendung kommen kann. Weiterf¨ uhrende mathematische Literatur zur inversen Gravimetrie als eine der klassischen Explorationsmethoden in Geophysik und Geod¨ asie findet sich z. B. in G. Anger (1981), H. Militzer, F. Weber (1984), R.J. Blakely (1996), V. Michel (1999), W. Freeden (1999), V. Michel (2002), W. Freeden, V. Michel (2005), L.L. Nettleton (1976), D.P. Zidarov (1990) (und den darin enthaltenen Literaturlisten). Innovative Mollifier-Methoden zur Unterst¨ utzung und Verbesserung der klassischen Auswerteverfahren unter Einbeziehung interner Inputinformation - soweit vorhanden - finden sich z. B. in C. Blick (2015), W. Freeden, C. Gerhards (2013), W. Freeden, H. Nutz (2015), C. Blick et al. (2018), W. Freeden, M.Z. Nashed (2018c), W. Freeden, M.Z. Nashed (2018d), W. Freeden, M.Z. Nashed (2020), W. Freeden et al. (2019). Zu thematisieren ist weiterhin die “Observablen-basierte Gravimetrie”. Bei dieser Variante kommen realit¨atsnah an Stelle der Potentialwerte V (x) in Punkten x ∈ ∂B (oder allgemeiner auch in Punkten x ∈ R3 \B) andere geod¨atische Messwerte (d. h. Funktionale von V wie zum Beispiel punktuale Werte von Schwerest¨orungen, Schwereanomalien, Gradiometeranomalien zum Einsatz. Das methodische Vorgehen ist in diesem Fall jedoch weitgehend analog (siehe z. B. E. Kotevska (2011), W. Freeden, C. Gerhards (2013), S. M¨ohringer (2014), W. Freeden, M.Z. Nashed (2018c), W. Freeden, M.Z. Nashed (2018d), W. Freeden et al. (2019), W. Freeden, M.Z. Nashed (2020)).

20.2 Innovative Ingredientien In diesem Buch wurde die gravimetrische Potentialmethode im Hinblick auf ihre Wirksamkeit in der Exploration erforscht. Satellitendaten eignen sich dabei im Sinne eines “Satellite-Only”-Modells als Trendapproximation. Zudem eignen sich Satellitenmodelle ebenso wie EGM-Modelle als Pr¨ a-Information ¨ z. B. zur Vermeidung st¨orender Randeffekte und zum “Uberrechnen” von einem Messareal in ein benachbartes. Als perspektivisch vorteilhaft erweist sich die Tatsache, dass die Messgenauigkeit terrestrischer absoluter wie auch relativer Gravimeter in Zukunft deutlich verbessert wird, so dass zuk¨ unftig auch schw¨achere Variationen im gemessenen Signal, allerdings nur bei entsprechender Datendichte, erfasst werden k¨onnen. Die neuartige, physikalisch motivierte Multiskalenmodellierung wurde zum einen (vgl. die Tiefenverfahren im Kapitel 13 dieses Buches) als vertikale (“downward calculation”) und zum anderen als horizontale (“terrestrial surface refinement”) “Zooming-In” -Approximationsmethodik (vgl. die Oberfl¨ achenverfahren im Kapitel 9 ) realisiert. Die Tiefen-Multiskalendekorrelation erfolgt dabei simultan f¨ ur Potential und Dichte und liefert u ¨ber die Dekorre-

287

lationsf¨ahigkeit von Wavelets geologische Formationstrennfl¨ achen. Es wurden zwei alternative Verfahren zur tiefenm¨ aßigen Multiskalendekorrelation entwickelt und getestet, n¨amlich Mollifier-Spline- und Waveletverfahren unter Umsetzung des numerisch vorteilhaften Prinzips der Ortslokalisation. Die beiden Verfahren sind voneinander unabh¨ angig und k¨ onnen auf diese Weise durch gegenseitige Validierung zu einer Risikoreduzierung beim alleinigen Einsatz von Gravimetrie in der Exploration beitragen. Tiefenlagen geologischer Formationen k¨onnen zudem durch den spezifischen Einsatz von k¨ unstlich eingebrachten gravitativen St¨orungen (z. B. Massenpunkten von vorbestimmter Tiefe) ermittelt werden und wurden bereits im bayerischen Molassebecken (im BMWi-Projekt SPE) getestet. Artverwandte Multiskalenverfahren existieren bereits f¨ ur die akustische Seismik (BMWi-Projekt ¨ GEOFUND). Das BMWi-Forschungsprojekt SYSEXPL befasst sich mit Magnetometrie (vgl. Abb. 11). Perspektivisches Ziel f¨ ur die n¨ ahere Zukunft ist eine Risikoreduzierung durch eine synoptische Auswertung aller Ergebnisse. Folgende Vorteile der dekorrelativen Gravimetrie lassen sich f¨ ur die heutige Exploration auflisten: • Durch den Einsatz von gravitativen Satellitendaten kann ein EGM-Modell oder “Satellite-Only”-Modell als Trend eingebunden werden. • Gravimetrische (absolute und relative) Messmethoden sind auf dem Vormarsch (unter Realisierung bisher nicht gekannter Messgenauigkeiten). • Multiskalenmodellierung kann als vertikale (downward calculation) und horizontale (terrestrial surface refinement) “Zooming-In” -Approximationsmethodik realisiert werden. • Multiskalenmodellierung hinsichtlich der Oberfl¨ ache (terrestrial surface refinement) bef¨ahigt zur Verbesserung geologischen Kartenmaterials. Sie enth¨alt wertvolle Pr¨a-Information f¨ ur die Tiefendetektion. • Multiskalenmodellierung hinsichtlich der Tiefe (downward calculation) erfolgt numerisch effizient simultan mit Mollifier-Verfahren f¨ ur Potential und Dichte. • Multiskalendekorrelation hinsichtlich der Tiefe (downward calculation) liefert geologische Formationstrennfl¨achen. • Zwei alternative Verfahren zur tiefenm¨aßigen Multiskalendekorrelation (Risikoreduzierung des Einsatzes von Gravimetrie) sind verf¨ ugbar.

288

• Tiefendetektion geologischer Formationen durch k¨ unstliche gravitative St¨orungen (z. B. Massenpunkte) ist eine neue Komponente numerischer Exploration. • Artverwandte Multiskalenverfahren f¨ ur Seismik und Magnetometrie dienen der zus¨atzlichen Risikoreduzierung durch Synopsis aller Verfahren. Abschließend bleibt einmal mehr festzustellen, dass die Gravimetrie als Explorationsmethodik nicht nur in anthropogen (z. B. bergbaum¨ aßig) wesentlich beeinflussten Gebieten wie Saarland, Sachsen etc., sondern auch als Alternative zur Seismik einen vergleichbar hohen Stellenwert hat. Die vorgeschlagenen Multiresolutionsmethoden liefern unserem Kenntnisstand nach zum ersten Mal eine 3D-Separation der lokal-geologischen Merkmale. Zudem lassen sich bei fortschreitender Dekorrelation des gravimetrischen Signals aus ausreichend dichten und genauen Datensystemen geologische Formationsgrenzen immer st¨arker heraus pr¨aparieren. In wissenschaftlich-konzeptioneller Hinsicht bietet dekorrelative Exploration in der Tat eine neue, nicht zu untersch¨atzende Komponente zuk¨ unftiger ¨ geoexplorativer Anwendung. Allerdings sollte eine weitere Okonomisierung hinsichtlich der Kosten und des Aufwandes gravimetrischer (und hier insbesondere GNSS-gest¨ utzter tachymetrischer) Messmethoden angestrebt werden, um als unabdingbar vorteilhafter als Seismik zu gelten. Schließlich sollte die Sozialvertr¨aglichkeit der Gravimetrie im Vergleich zur Reflexionsseismik ¨ positiv f¨ ur Investoren, Amter und vor allem f¨ ur die betroffene Bev¨ olkerung vermerkt werden.

20.3 Exploration im gravimetrisch motivierten Ausblick Vom Standpunkt der Mathematik sollte angemerkt werden, dass der Gravimetrie ¨ahnliche Dekorrelationsmethoden basierend auf Mollifier-Regularisierungen auch f¨ ur allgemeinere Integralgleichungen der Form G(L; x, y) F (y) dy (370) Q(x) = B

abgeleitet werden k¨onnen, wobei G(L; ·, ·) die “Fundamentall¨ osung” zum Operator −L ist, d. h. die folgende Differentialgleichung erf¨ ullt: −Lx G(L; x, y) = δ(x, y),

x ∈ B.

(371)



Beachten wir F (x) =

δ(x, y) F (y) dy, B

289

x ∈ B.

(372)

so liefert dieser Kontext (unter bestimmten Bedingungen an F ) die Differentialgleichung (373) F (x) = −Lx Q(x), x ∈ B. In Abh¨angigkeit von der Wahl des Operators L werden wir auf folgende Explorationszweige gef¨ uhrt: (i) Gravitationsmodellierung (L Laplace-Operator), (ii) Geomagnetfeldmodellierung (L (Pr¨a-)Maxwell-Operatoren), (iii) Akustische Seismik (L Helmholtz-Operator), (iv) Elastische Seismik (L Cauchy-Navier-Operator). Die geomathematische Behandlung von Tomographie und Streuproblemen mit L als zeitabh¨angigem akustischen oder elastischen Wellenoperator in einem konsistenten Kontext, der weitere tiefer liegende Information u ¨ber erdwissenschaftliche Subsysteme liefert, ist eine große Herausforderung f¨ ur die zuk¨ unftige Forschung. In den abschließenden Kapiteln besch¨aftigen wir uns mit den verschiedenen Facetten dekorrelativer Potentialmethoden in der Exploration. Wir beginnen mit der Kurzbeschreibung in der Magnetometrie und gehen dann zur akustischen und elastischen Seismik u ¨ber. Zur graphischen Verdeutlichung werden alle wesentlichen Ergebnisse und Konzepte am Beispiel des MarmousiModells illustriert.

290

Teil IX

Dekorrelation mittels alternativer Potentialmethoden - Perspektiven

21 Dekorrelative Dipol-basierte Magnetometrie

Abb. 133 Prinzip der Gravimetrie (links) bzw. der Geomagnetik (rechts) (unter freundlicher Erlaubnis des Teubner-Verlages entnommen aus F. Jacobs, H. Meyer (1992)).

Im bereits behandelten Dipolkontext (vgl. Abschnitt 6.2) kommen folgende Gr¨oßen f¨ ur eine magnetometrische Auswertung ins Spiel: b:

Magnetfeld,

B:

Magnetfeldpotential oder seine Funktionale,

m:

Magnetisiering des den Untergrund ausmachenden Materials.

21.1 Inverse Magnetometrie Es ist festzuhalten, dass die Magnetometrie als inverses Problem der Ermittlung der Magnetisierung m aus dem Magnetfeldpotential B u ¨ber die Fredholmsche Integralgleichung 1 1 · m(y) dy. (374) ∇y B(x) = 4π B |x − y| a¨hnlich große Schwierigkeiten wie der Gravitationsfall u ¨ber die Newton-Integralgleichung zeigt. Das Messprinzip der Magnetometrie (als Gegenbeispiel zur Gravimetrie) ist in Abb. 133 veranschaulicht. Ein Magnetometer ist eine sensorische Einrichtung 293 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_21

zur Messung magnetischer Flussdichten. Magnetische Flussdichten werden in der Einheit Tesla [T ] gemessen, und u ¨bliche Messbereiche von Magnetometern bewegen sich in einem Gr¨oßenbereich von circa 10−15 T bis 10 T . Der breite Gr¨oßenbereich wird durch unterschiedliche Messverfahren mittels Magnetometern m¨oglich. Die g¨angigen Messmethoden liefern skalare und vektorielle Funktionale des Erdmagnetfeldes. Durch Differenzschaltung von zwei entgegengesetzten und r¨aumlich getrennten Magnetometern (d. h. Gradiometern) k¨onnen (tensorielle) Gradienten des Erdmagnetfeld gemessen werden. Inverse Magnetometrie als ein besonders wichtiges Beispiel der Theorie inverser Probleme stellt ein zentrales Forschungsobjekt in der Geophysik und Geoexploration dar. Es ist wie Gravimetrie eine Potentialfeldtechnik, die Variationen des Erdmagnetfeldes reflektiert. F¨ ur unseren Zugang gehen wir von der kanonischen Situation aus, dass in einem a priori Bereinigungsschritt alle Vorkehrungen hinsichtlich der Messdaten getroffen wurden, um die zu untersuchenden magnetischen Variationen als ausschließlich durch Kontraste der Magnetisierung innerhalb des Testgebietes verursacht anzusehen. Eine Reihe von Inversionstechniken sind bekannt (vgl. R.J. Blakely (1996), W. Freeden, C. Gerhards (2013), W. Menke (1984) und die darin aufgef¨ uhrte Literatur). Zumeist wird das uneigentliche Dipolintegral u ¨ber den Testbereich B durch eine geeignete (endliche) Summe ersetzt und die unbekannte Magnetisierung diskret durch L¨osung von Datentyp-abh¨ angigen linearen Gleichungssystemen ermittelt. Unser Zugang hier bedient sich der Mollifier-Methodik. Er ist dem der dekorrelativen Gravimetrie sehr ¨ahnlich: Das magnetostatische Volumenintegral (374) u ¨ber B korrespondierend zu einer vektoriellen Magnetisierungsverteilung m erf¨ ullt die Laplace-Gleichung im Außenraum B c = R3 \B (B = B ∪ ∂B, ∂B Randfl¨ ache von B) . Diese Eigenschaft ist eine unmittelbare Folge der Harmonizit¨ at des Newton-Kerns. Das Ziel der inversen Magnetometrie ist die Bestimmung der Magnetisierungsverteilung m innerhalb eines Teilgebietes B der Erde. Gew¨ ohnlich geht man dabei von einem Vektorfeld von beschr¨ankter Signalenergie in B aus, d. h. 

m l2 (B) =

1/2 |m(x)| dx < ∞. 2

B

(375)

Unter dieser mathematischen Voraussetzung k¨onnen das magnetische Potential 1 1 · m(y) dy, x ∈ R3 ∇y (376) B(x) = 4π B |x − y| und das magnetische Feld (oder die magnetische Induktion)

294

b(x) = −

1 ∇x 4π

G

∇y

1 · m(y) dy, |x − y|

x ∈ R3

(377)

u ¨berall in R3 berechnet werden, so dass das direkte Magnetometrieproblem −→

m  = Magnetisierung

B 

(378)

= magnetisches Potential

mithilfe von approximativer Integration realisiert werden kann. Soweit der Punkt x sich im Außenraum B c = R3 \B befindet, erh¨ alt man B(x) u ¨ber ein eigentliches Integral. Liegt der Punkt x jedoch im Innenraum B oder auf dem Rand ∂B, ist man mit einem uneigentlichen Integral konfrontiert. Daher kann man anolog zum Gravimetrieproblem davon ausgehen, dass inverse Magnetometrie −→

B  = magnetisches Potential

m 

(379)

= Magnetisierungsverteilung

ebenfalls ein spezifisches Verhalten abh¨angig von der Position der Inputdaten zeigt. In der einfachsten Operatorformulierung l¨asst sich die Integralgleichung (376) in der Form A(m) = B, (380) angeben, wobei sich der Operator A in diesem Fall als Volumenintegral u ¨ber B ⊂ R3 A(m)(x) = ∇y G(Δ; |x − y|) · m(y) dy = B(x), x ∈ R3 , (381) B

schreiben l¨asst. Eine Untersuchung der Schlechtgestelltheit im Sinne Hadamards ¨ahnelt der der inversen Gravimetrie. Sie findet sich in S. Leweke et al. (2018).

21.2 Mollifier-Volumendekorrelation Die inverse Behandlung von (381) l¨asst sich weitgehend analog zum Gravimetriefall durchf¨ uhren. Die Ersetzung von G(Δ; |x − y|) durch eine Folge {GHτj (Δ; ·}j∈N0 mit  GHτj (Δ; |x − y|) =

1 1 4π |x−y| , 1 1 2 8πτj (3 − τj 2 |x − y| ),

295

|x − y| ≥ τj , |x − y| < τj ,

(382)

erm¨oglicht eine Multiskalenapproximation mittels ∇y GHτj (Δ; |x − y|) · m(y) dy, BHτj (x) =

x ∈ R3 .

(383)

|x − y| ≥ τ, |x − y| < τ,

(384)

B

Zur Erinnerung erw¨ahnen wir  −Δx GHτ (Δ; |x − y|) = Hτ (|x − y|) =

0, 3 , 4πτ 3

mit dem Haar-Kern Hτ , der bei der Darstellung der Waveletmodellierung in einfacher Weise handbar ist.

Dipol =0.25 =0.5 =1

2 1 0 -1 -2 -1

-0.5

0

0.5

1

Abb. 134 Profillinie der ersten Komponente des Dipols (schwarz) und dessen Regularisierungen f¨ ur Parameterwerte τ = 1; 0, 5 und 0, 25.

Aus Gleichung (383) k¨onnen wir durch Diskretisierung des Integrals nach dem im Gravimetriefall beschriebenen Inversionsvorgang zu einem linearen Gleichungssystem mit bekannter rechter Seite gelangen, dessen L¨ osung die Magnetisierung auf einem diskreten Punktystem in B liefert. Die Kenntnis der diskreten Magnetisierungswerte in B f¨ uhrt uns dann in kanonischer Weise z. B. zu einer vektoriellen Haar-Dekorrelation mHτj u ¨ber diskrete Versionen der Integrale Hτj (|x − y|) m(y) dy = |x−y|≤τ Hτj (|x − y|) m(y) dy. (385) mHτj (x) = j

B

y∈B

296

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M

P  P  M

M



M

Abb. 135 Schematische Darstellung der Multiskalenapproximation: Magnetisches Potential (links) korrespondierend zu den kartesischen Komponentenfunktionen der Magnetisierung (rechts).

297

Das Verhalten des magnetischen skalaren Potentials in Relation zur vektoriellen Magnetisierung ist ¨ahnlich dem des Gravitationspotentials in Relation zur Dichte. F¨ ur die schematische Veranschaulichung der Multiskalenapproximation (vgl. Abb. 135) greifen wir wiederum auf das Marmousi-Modell zur¨ uck: F¨ ur die Dipol-Waveletzerlegung m¨ ussen wir den Datensatz vorbereiten. Wir ben¨otigen f¨ ur unsere Testrechnungen eine vektorielle Magnetisierung m. Dazu w¨ ahlen wir m = (1, 1, 1)T und ordnen m die Einheit [Am−1 ] zu, wohlwissend dass Magnetisierung und Dichte in keinem direkten physikalischen Zusammenhang stehen. Dennoch liefert uns diese Herangehensweise ein strukturell interessantes Testmodell, das zur Kontrolle der Multiskalenmethodik herangezogen werden kann. Des Weiteren existiert eine vollst¨ andige Interpretation des Marmousi-Modells und es erm¨oglicht uns einen direkten Vergleich mit bisher entwickelten Multiskalenverfahren, wie etwa dem Multiskalenverfahren bezogen auf den Newtonkontext. Dies ist der Grund, warum wir m f¨ ur eine geeignete Magnetisierung halten. Es zeigt sich, dass das Dipolpotential weniger glatt im Vergleich zum NewtonPotential ist. Dies l¨asst selbst auf der Potentialebene Dekorrelationsaussagen bereits bei geringeren Skalenstufen sowohl in der Tiefpassfilterung als auch in der Bandpassfilterung zu. Hingegen k¨onnen strukturelle Informationen aus dem Gravitationspotential nur in dessen Bandpassfilterung abgelesen werden. Hinzu kommt, dass die Magnetisierung u ¨ber ihre skalaren Komponentenfunktionen (vgl. Abb. 135, rechts) einen 3D-Auswertemodus erm¨ oglicht. Diese liefert bedingt durch den Haar-Dekorrelationsansatz und die Wahl der Magnetisierung dieselben Strukturen wie die entsprechende Haar-Dekorrelation der Dichte u ¨ber den Newton-Ansatz.

298

22 Dekorrelation und Seismik ¨ Wir besch¨aftigen uns zun¨achst mit einem kurzen Uberblick u ¨ber akustischbasierte seismische Verfahren und stellen uns dann die Frage, ob Dekorrelationsmethoden in der Seismik entwickelbar und anwendungsf¨ ahig sind.

22.1 Akustisch-basierte Seismik Zun¨achst geben wir einen kurzen Abriss u ¨ber u ¨bliche akustische Datengewinnungsverfahren. Es sollte bemerkt werden, dass die realistischere elastischbasierte Datenerzeugung in methodischer Hinsicht der akustischen sehr ¨ ahnlich ist (vgl. auch G. Nolet (2008)). Wegen des geringeren technischen Aufwands und des besseren Verst¨andnisses des zugrunde liegenden mathematischen Formelapparates beginnen wir jedoch zun¨ achst mit dem akustischen Fall. Seismische Aufzeichnung. Bei der seismischen Aufzeichnung wird eine Energiequelle (Vibroseis, Luftgewehr etc.) an der Oberfl¨ ache plaziert. W¨ahrend die Energiequelle einen Impuls erzeugt, zeichnen eine Anzahl von Empf¨angern (Geophone, Hydrophone), die entlang einer oder mehrerer meist paralleler Linien plaziert sind, diese Impulse auf, nachdem sie durch das Erdinnere gewandert sind, an Stellen mit Impedanz¨ anderungen (starken ¨ Anderungen bei Dichte oder Geschwindigkeit) reflektiert wurden und wieder zur¨ uck zur Oberfl¨ache migriert sind (vgl. Abb. 136). Die Messanordnung wandert dann in Richtung der seismischen Datenerfassung und der Vorgang wird wiederholt, so dass jeder Punkt im Untergrund aus f¨ ur die weitere Datenanalyse ben¨otigten Einfallswinkeln dargestellt wird.

299 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_22

Abb. 136 Seismische Erkundung: Illustration des Messprinzips (unter freundlicher Erlaubnis des Teubner-Verlages entnommen aus F. Jacobs, H. Meyer (1992)).

Andere Strategien zur Gewinnung seismischer Daten sind z. B. in B.L. Biondi (2006), J. Claerbout (2009), O. Yilmaz (1987) dargestellt. Basierend auf vorgegebenen Parametern wie Wellenausbreitungsgeschwindigkeit oder Dichte des Untergrundes wird ein Bild der geologischen Struktur (z. B. mithilfe einer Methode der seismischen Migration) erstellt. Durch Migration der seismischen Daten werden somit die zeitlichen Amplituden im Seismogramm in die entsprechenden “wahren” Positionen in der Tiefe umgewandelt, so dass die Gestalt, die Position in der Tiefe und der Reflexionskoeffizient rekonstruiert werden k¨onnen (genauere Details k¨onnen z. B. J. Claerbout (2009), O. Yilmaz (1987), K. Ernstson (2014) und den darin enthaltenen Referenzen entnommen werden). Alle Migrationsmethoden verwenden ein n¨aherungsweises Geschwindigkeitsmodell, das durch eine “Migrationsgeschwindigkeitsanalyse” (z. B. Tomographie, Auswertung mittels Wellengleichung etc.) im Berechnungsprozess gewonnen wird (mehr Details liefern beispielsweise B.L. Biondi (2006) und die darin enthaltenen Referenzen). Dar¨ uber hinaus k¨ onnen Migrationsmethoden rekursiv angewandt werden, um das gegebene Geschwindigkeitsfeld zu verfeinern. Dabei wird die Migration mit einem Geschwindigkeitsfeld, das eine kleine St¨orung im Vergleich zum Ausgangszustand in einem lokalen Bereich hat, wiederholt. Am Ende wird das Geschwindigkeitsmodell mit dem “besten” Reflektorbild als endg¨ ultiges Modell ausgew¨ahlt (vgl. Abb. 137). Die bekannten Migrationsmethoden basieren im Wesentlichen auf der Approximation der akustischen Wellengleichung oder, allgemeiner, der elastodynamischen Wellengleichungen und k¨onnen grob in die folgenden Gruppen unterteilt werden:

300

     

 

    

   

Abb. 137 Zusammenhang zwischen seismischem Experiment und Migration (vgl. M. Ilyasov (2011)).

• Strahlenbasierte Verfahren, die normalerweise die hochfrequente asymptotische L¨osung modellieren (siehe N. Bleistein et al. (2000)), im Sinne von “Gaussian-Beam-Migration” (z. B. M.M. Popov (1982), N.M. Semtchenok et al. (2009)) oder Kirchhoff-Migration auf Grundlage der L¨ osung der Eikonalgleichung (z. B. S. Buske (1994), P. Podvin, I. Lecomte (1991), J. Vidale (1988)), • Tiefenfortsetzung, die normalerweise auf der Einweg-Wellengleichung basiert und das Wellenfeld schrittweise f¨ ur zunehmende Tiefenniveaus ermittelt (siehe z. B. J. Claerbout (2009) F. Deng, G.A. McMechan (2007), X.-B. Xie, R.S. Wu (2006)), • Reverse Time Migration (RTM), die auf der vollen Wellengleichung basiert, wobei das aufgenommene Seismogramm r¨ uckw¨ arts in der Zeit bis zum Startzeitpunkt verfolgt wird (siehe E. Baysal et al. (1983), R.P. Bording, C.L. Liner (1994), M.M. Haney et al. (2005), W.W. Symes (2007)).

301

Die Algorithmen zur numerische Umsetzung der zuvor genannten Methoden k¨onnen nach O. Yilmaz (1987) in drei große Klassen eingeteilt werden: • Algorithmen, die auf der Integrall¨osung der akustischen und/oder elastischen Wellengleichung basieren (N. Bleistein (1987), G. Nolet (2008), N.M. Semtchenok et al. (2009), W.W. Symes (2003), X.-B. Xie, R.S. Wu (2006) etc.), • Algorithmen, die auf Finite-Differenzen-L¨ osungen basieren (E. Baysal et al. (1984), X. Du, J.C. Bancroft (2004), X. Jia, T. Hu (2006), R. Renaut, J. Fr¨ohlich (1996) etc.), • Algorithmen, die auf Frequenz-Wellenzahl-Implementierungen basieren (M. Bollh¨ofer et al. (2008), E. Bonomi, E. Pieroni (1998), H. Takenaka et al. (1999) etc.). Um eine h¨ohere Genauigkeit und Aufl¨osung im resultierenden Bild zu erzielen, k¨onnen moderne Migrationsverfahren eine beliebige Anzahl von Strategien kombinieren. Es resultieren insofern Algorithmen, die beispielsweise eine erste N¨aherung durch Finite-Elemente-Approximation der Wellengleichung berechnen (R.S. Wu, X.B. Xie, X.Y. Wu (2006)) und erg¨ anzend die Tiefenfortsetzung basierend auf Frequenz-Wellenzahl Implementierung durchf¨ uhren. Modellierung der akustischen Wellenausbreitung. Wir beginnen unse¨ re Uberlegungen mit der Darstellung eines einfachen physikalisch relevanten Modells der Wellenausbreitung in einem Medium (siehe z. B. K. Aki, G.R. Paul (1980), J. Achenbach (1973), E. Skudrzyk (1972)). Unser Verst¨ andnis beruht auf einem Standardansatz zur akustischen Wellengleichung in der Physik, wobei wir ein kompressibles, nicht-viskoses (d. h. d¨ ampfungsfreies) Medium ohne Scherspannung und im Gleichgewicht (d. h. keine inneren Kr¨afte) voraussetzen. Die Wellen, die durch eine Quelle erzeugt werden, wandern nach unten in das Medium. Gew¨ohnlich nimmt man an, dass es in der Welle keine Energieverluste aufgrund der Ausbreitung durch das Material gibt. Wie bereits erw¨ahnt setzen wir voraus, dass es keine Scherspannung gibt, so dass die Welle durch St¨orungen im Volumen ohne Wirkung von Kr¨ aften durch das Medium wandern kann. Infolgedessen ist die Physik, die hinter der Wanderung der akustischen Welle steht, einfach zu erfassen: Nachdem es zu einer Druck¨anderung kommt, ¨andert sich das Volumen und die Energie wird in der Auslenkung gespeichert. Die Auslenkung selbst f¨ uhrt wiederum zu einer weiteren Druck¨anderung in der Nachbarschaft des Volumens. Dieser Vorgang f¨ uhrt zu einer sich ausbreitenden Welle.

302

Zum Zweck der Modellierung beschreiben wir die diesem Prozess zugrunde liegenden physikalischen Gesetze. Es zeigt sich, dass dabei die folgenden Gr¨oßen ins Spiel kommen: P:

Druck¨anderung am Material,

u:

Verschiebungsvektor,

:

Dichte des Materials,

κ:

Kompressionsmodul des Materials.

Das Hookesche Gesetz f¨ ur ein akustisches Medium sagt aus, dass der Druck (bei kleinen Auslenkungen) proportional zur Dehnung ist. Es setzt somit die Druck¨anderung P mit der Volumen¨anderung V gem¨ aß der Gleichung P =C

dV , V

(386)

in Zusammenhang, wobei nach Konvention die Konstante C als negativ angenommen wird, da eine Vergr¨oßerung des Volumens zu weniger Partikeln pro Volumeneinheit f¨ uhrt. Dies wird durch eine negative Richtung wiedergegeben, w¨ahrend eine Stauchung des Volumens zu einer positiven Druck¨ anderung f¨ uhrt. In der Akustik (siehe z. B. J. Achenbach (1973), E. Skudrzyk (1972)) nennt man die positive Konstante −C den Kompressionsmodul κ. Folglich ergibt sich aus dem Hookeschen Gesetz P = −κ

dV . V

(387)

Unser Ziel ist es, die Volumen¨anderung in Relation zur Auslenkung zu setzen. Genauer gesagt weichen das Volumen dV = dx = dx1 dx2 dx3 vor der Auslenkung und das Volumen dV  = dx = dx1 dx2 dx3 nach der Auslenkung um einen Verschiebungsvektor δu = (δu1 , δu2 , δu3 )T voneinander ab, so dass dxi = dxi + δui ,

i = 1, 2, 3,

(388)

gilt. Daraus ergibt sich formal dx − dx dx1 dx2 dx3 − (dx1 + δu1 )(dx2 + δu2 )(dx3 + δu3 ) = dx dx1 dx2 dx3   δu1 δu2 δu3 + + + Rest =− dx1 dx2 dx3 = −∇ · u

+

(389)

Rest,

wobei der Restterm Rest aus Ausdr¨ ucken h¨oherer Ordnung besteht, die bei kleinen Auslenkungen vernachl¨assigt werden. Schließlich erhalten wir aus

303

(387), dass P und die Divergenz der Auslenkung ∇ · u zueinander proportional sind: P = −κ∇ · u. (390) Allerdings gilt (390) nur f¨ ur quellenfreies Material. Ist das Material nicht quellfrei, so muss ein zus¨atzlicher Quellterm S addiert werden, so dass man P = −κ∇ · u + S

(391)

erh¨alt. Man beachte, dass der Druck direkt vom zus¨ atzlichen Term S abh¨ angt, da mehr Schall in direkter Weise mehr Druck erzeugt. Das Newtonsche Gesetz setzt Masse und Beschleunigung in Relation zu den Kr¨aften, die auf das Medium wirken, so dass die Kr¨ afte aus dem Produkt aus Masse und Beschleunigung bestimmt werden k¨ onnen. In der Sprache der akustischen Wellen bedeutet dies, dass die Kraft, die auf ein infinitesimales Volumen in Richtung dxi , i = 1, 2, 3, wirkt, komponentenweise als Differenz zwischen dem Druck an der Stelle x und x + δxi ei dargestellt werden kann, d. h. P (x + δxi ei , t) − P (x, t) = −(x) δxi ai , i = 1, 2, 3, (392) wobei e1 , e2 , e3 das kanonische Orthonormalsystem im dreidimensionalen Euklidischen Raum R3 ist und die Beschleunigung a = (a1 , a2 , a3 )T die zweite zeitliche Ableitung des Feldes der Auslenkungen u ist. Somit kann (392) in der Form P (x + δxi ei , t) − P (x, t) ∂2 = −(x) 2 ui (x, t), δxi ∂t

i = 1, 2, 3,

(393)

dargestellt werden. Indem man zum Grenzwert u alt man in Vek¨bergeht, erh¨ torformulierung ∂2 (394) ∇x P (x, t) = −(x) 2 u(x, t). ∂t Unter der mathematischen Voraussetzung, dass alle Gr¨ oßen gen¨ ugend oft differenzierbar sind, k¨onnen wir die zweite zeitliche Ableitung auf (391) anwenden, so dass sich nach Einsetzung von (394) die folgende Identit¨ at   1 ∂2 ∂2 ∇ P (x, t) = κ(x) ∇ · P (x, t) + 2 S(x, t) (395) x x 2 ∂t (x) ∂t ergibt. Somit erhalten wir schließlich die klassische Divergenzformel einer akustischen Wellengleichung   1 ∂2 ∂2 ∇ P (x, t) − κ(x) ∇ · P (x, t) = S(x, t). (396) x x ∂t2 (x) ∂t2 Anwendung der Produktregel ergibt

304



 1 1 1 ∇x P (x, t) = (Δx P (x, t)) − ∇x · (∇x (x, t)) · (∇x P (x, t)) (x) (x) (x)2 (397) Nimmt man an, dass das Material homogen kompressibel ist, so gilt κ(x) = const. = 1. Geht man von der Annahme aus, dass die Dichte hinreichend glatt und der Gradient vernachl¨assigbar klein sind, so kann man die akustische Wellengleichung in der divergenztermfreien Form mit dem Laplace-Operator Δ wie folgt darstellen: ∂2 κ(x) ∂2 Δx P (x, t) = 2 S(x, t). P (x, t) − (398) 2 ∂t (x) ∂t  Das r¨aumlich ver¨anderliche akustische Profil c = κ/ nennt man die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Mediums. Mit dieser Gr¨ oße ergibt sich schließlich das mathematische Modell einer akustischen Welle durch   1 ∂2 1 ∂2 − Δ S(x, t). (399) P (x, t) = x c2 (x) ∂t2 c2 (x) ∂t2 Abb. 138 zeigt ein Migrationsergebnis des Marmousi-Modells, das den Untersuchungen der Dissertationen M. Ilyasov (2011) und C. Blick (2015), AG Geomathematik, TU Kaiserslautern, als Testmodell zugrunde lag.

Abb. 138 Migrationsergebnis des Marmousi-Modells (entsprechend M. Ilyasov (2011)).

Das Wellenquellfeld aus dem Marmousimodell ist in Abb. 139 zu sehen, konkreter gesagt werden Snapshots des Durchgangs der Welle nach 0,6, 1,1, 1,6 und 2,1 Sekunden graphisch veranschaulicht.

305

Wellenausbreitung nach 0, 6 Sekunden

Wellenausbreitung nach 1, 1 Sekunden

Wellenausbreitung nach 1, 6 Sekunden

Wellenausbreitung nach 2, 1 Sekunden

Wellenausbreitung nach 2, 6 Sekunden Abb. 139 Wellenausbreitung im Marmousi-Geschwindigkeitsmodell nach 0, 6, 1, 1, 1, 6, 2, 1 und 2, 6 Sekunden (vgl. M. Ilyasov (2011)).

306

Born-Approximation (in der divergenztermfreien Formulierung). Mit P (x, t), x ∈ R3 , t ≥ 0, wird im Folgenden der Schalldruck bezeichnet. Er erf¨ ullt nach (399) die Wellengleichung 1 ∂2 1 ∂2 P (x, t) − Δ P (x, t) = S(x, t). x c2 (x) ∂t2 c2 (x) ∂t2

(400)

Wir beschr¨anken uns auf die Betrachtung einer bestimmten Zeitfrequenz. Um dies zu gew¨ahrleisten, f¨ uhrt man eine Fouriertransformation von P (x, t) und 1 ∂2 S(x, t) bez¨ uglich der Zeit t durch und erh¨ alt c2 (x) ∂t2 1 U (x)(= U (x, ω)) = √ P (x, t) exp(−iωt) dt, 2π R 1 ∂2 1 W (x)(= W (x, ω)) = − √ S(x, t) exp(−iωt) dt. 2 2π R c (x) ∂t2

(401)

(402)

Die Fouriertransformation wandelt eine Differentiation in der Zeit in eine ∂2 2 Multiplikation mit dem Faktor iω in der Frequenz um, d. h. ∂t 2 wird zu −ω transformiert und wir erhalten ω2

U (x) + Δx U (x) = W (x).

(403)

Δx U (x) + k 2 (x)U (x) = W (x)

(404)

c2 (x) Daher gilt mit der Wellenzahl k(x) =

ω c0 ω = = k0 N (x) c(x) c0 c(x)

(405)

c0 . c(x)

(406)

und dem Refraktionsindex N (x) =

Gleichung (405) beschreibt das r¨aumlich varierende akustische Profil mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit c im Medium, wobei c0 eine geeignete konstante Referenzgeschwindigkeit und k0 = cω0 ist (siehe B.L. Biondi (2006), H.W. Engl et al. (1996), R. Snieder (2002)). Mit anderen Worten, das mathematische Modell f¨ ur die Dichte einer Schallwelle ausgehend von der Wellengleichung (siehe z. B. A. Tarantola (1984), O. Yilmaz (1987) und die darin enthaltenen Referenzen) ist gegeben durch   (407) AU (x) = Δ + k02 N 2 (x) U (x) = W (x), x ∈ R3 . Folgt man dem u ¨blichen Ansatz (siehe z. B. H.W. Engl et al. (1996), R. Snieder (2002), B.L. Biondi (2006)), so setzt man

307

N 2 (x) = 1 + L(x)

(408)

an, wobei L die St¨orungen in der Geschwindigkeit charakterisiert, und erh¨ alt k 2 (x) = k02 (x)(1 + L(x)).

(409)

Der Operator A kann zerlegt werden in einen Operator A(0) , der sich auf ein geeignetes Referenzmedium mit konstanter Ausbreitungsgeschwindigkeit c0 bezieht, f¨ ur das die zugeh¨orige partielle Differentialgleichung die Helmholtzgleichung mit Konstante k0 ist, d. h., A(0) = Δ + k02 ,

(410)

sowie in einen Anteil A(1) , der kleine St¨orungen im Medium ber¨ ucksichtigt A(1) = k02 L(x),

(411)

A = A(0) + A(1)

(412)

so dass sich in Superposition

ergibt. Das Gebiet B, in dem L(x) = 0 gilt, stellt den Streubereich dar, so dass man annehmen kann, dass die unbekannte Funktion n kompakten Tr¨ ager hat. Das einfallende Wellenfeld (d. h. die sogenannte Inzidenzwelle) Ui beschreibt die Wellenausbreitung ohne Streuung. Das gestreute Wellenfeld Us ergibt sich als die Differenz zwischen dem wirklich beobachteten und dem einfallenden Wellenfeld Us = U − Ui . (413) Das inverse Problem besteht in der Identifizierung der Funktion L mit kompaktem Tr¨ager unter Kenntnis des einfallenden Wellenfeldes Ui und den Messungen des gestreuten Wellenfeldes Us . Zusammengefasst gesagt sind wir vor die Aufgabe gestellt, das Problem A0 Ui = W, A0 Us = −A1 U

(414) (415)

zu l¨osen. Da die Fundamentall¨osung der Helmholtzgleichung zum Operator Δ + k02 (hier kurz Helmholtz-Kern genannt) bekanntlich durch G(Δ + k02 ; |x − y|) =

1 eik0 |x−y| , 4π |x − y|

x = y,

(416)

gegeben ist (vergleiche z. B. C. M¨ uller (1998)), k¨ onnen wir Us in der Form Us (x) = −k02 G(Δ + k02 ; |x − y|)L(y)U (y) dy (417) B

308

darstellen, wobei von nun an zur Abk¨ urzung F (y) = −k02 L(y) U (y),

y ∈ B,

(418)

gesetzt sei. Eine direkte Berechnung von L aus (417) ist nur dann m¨ oglich, wenn Ui und Us im kompakten Tr¨ager B = supp(L) verf¨ ugbar sind, wenn oglich ist. Allerdings kann also eine Helmholtzsche Differentiation von Us m¨ ager B von L geUs normalerweise nur in einer gewissen Entfernung vom Tr¨ messen werden. Das Problem der Bestimmung von L in Gleichung (417) ist nichtlinear, obwohl die zugeh¨orige Gleichung linear ist. Allerdings ist es in vielen Anwendungen sinnvoll anzunehmen, dass die gestreute Welle viel kleiner als die einfallende Welle ist. Diese Beobachtung f¨ uhrt zur sogenannten BornApproximation mit F (y) = −k02 L(y) Ui (y),

y ∈ B,

(419)

(siehe z. B. R. Snieder (2002)). Andere Approximationen der Wellengleichung (400) sind bekannt (vgl. z. B. D.L. Marks (2006) und die dort aufgef¨ uhrte Literatur). F¨ ur die RytovApproximation setzt man F (y) = −k02 L(y)Ui (y)eH(x) ,

y ∈ B,

(420)

mit einer bestimmten Phasenfunktion H. Die hybride Born-Rytov-Approximation benutzt m  H(x) , m ∈ N0 , F (y) = −k02 L(y)Ui (y) 1 + m Man beachte, dass

m  H(x) = eH(x) lim 1 + m→∞ m

y ∈ B.

(421)

(422)

gilt. Dekorrelation von Wellenfeldpotentialen und Geschwindigkeitsst¨ orungen. Um in Analogie zum Gravimetriefall eine Multiskalenzerlegung mittels Skalierungsfunktion zu erhalten, muss man den singul¨ aren aren Kernen Helmholtz-Kern G(Δ + k02 ; |x − y|) durch eine Familie von regul¨ der Form {GHτj (Δ + k02 ; |x − y|)}j∈N ersetzen. Wie im Falle der Gravimetrie beschr¨anken wir uns auf eine Familie von Kernen {GHτj (Δ+k02 ; |x−y|)}j∈N0 , die z. B. u ¨ber eine lineare Taylorentwicklung durch

309

GHτj (Δ + k02 ; |x − y|) ⎧ ik |x−y| 0 ⎪ ⎨ e4π|x−y| , |x − y| > τj ,   = 2 ik0 |x−y| ⎪ 3 − |x−y| , |x − y| ≤ τj , ⎩ e 8πτj τ2

(423)

j

gegeben sind, wobei {τj }j∈N eine positive, monoton fallende Nullfolge ist (z. B., τj = 2−j , j ∈ N). Eine einfache Rechnung unter Verwendung von (423) liefert (Δx + k02 )GHτj (Δ + k02 ; |x − y|)

(424)

= Hτj (|x − y|) ⎧ ⎨0,  |x − y| > τj ,  = eik0 |x−y| 2 2 ⎩3 4π|x−y|τ 3 ik0 τj − ik0 |x − y| − |x − y| , |x − y| ≤ τj . j

Dar¨ uber hinaus erhalten wir unter der Voraussetzung, dass F in B stetig ist, die Grenzrelation     lim sup Us (x) − GHτj (Δ + k02 ; |x − y|)F (y) dy  = 0. (425) j→∞

x∈B

B

Wir befassen uns nun mit der Einf¨ uhrung einer Wavelettransformation, die beim Postprozessing von Integralausdr¨ ucken (425), wie sie bei der geothermischen Exploration vorkommen, verwendet werden kann. Ausgangspunkt f¨ ur die Multiskalenapproximation von Us ist die kanonische Annahme, dass ausreichend genaue Information zum Integranden F aus den Migrationsmethoden verf¨ ugbar ist. Unser Ziel ist die Zerlegung des Signals Us in seine einzelnen Komponenten durch eine Mollifier-Multiskalenmethode, die auf (425) aufbaut. Dazu fassen wir die Faltung (Us )Hτj (x) = GHτj (Δ + k02 ; |x − y|) F (y) dy (426) B

als Tiefpassfilter zur Skala j relativ zur Position x mit Skalierungsfunktionen GHτj (Δ + k02 ; ·) auf (vgl. W. Freeden, C. Gerhards (2013); W. Freeden, V. Michel (2004)). Aus (425) folgt, dass der Tiefpassfilter (Us )Hτj (x) f¨ ur jede Position x und mit steigender Skala j gleichm¨ aßig gegen den Wert des gesuchten Signals Us konvergiert. Die f¨ ur die Multiskalenanalyse ben¨ otigten Differenzenwavelets zum Skalenparameter j ergeben sich zu (siehe Abb. 140) (W G)Hτj (Δ + k02 ; |x − y|) = GHτj+1 (Δ + k02 ; |x − y|) − GHτj (Δ + k02 ; |x − y|), (427) j ∈ N. Die explizite Darstellung lautet 310

(W G)Hτj (Δ + k02 ; |x − y|)

(428)

⎧ 0, ⎪ ⎪   ⎪ ⎪ ik0 |x−y| ⎨ eik0 |x−y| |x−y|2 3 − − e4π|x−y| , 8πτj τj2 =     ⎪ ⎪ ⎪ eik0 |x−y| |x−y|2 |x−y|2 eik0 |x−y| ⎪ ⎩ 8πτ 3 − − 3 − , 8πτj τ2 τ2 j+1 j+1

j

Abb. 140 Waveletfunktion (W G)Hτj f¨ ur k0 = 5 und τj =

8 2j

|x − y| > τj , τj+1 < |x − y| ≤ τj , |x − y| ≤ τj+1 .

, j = 1, . . . , 4.

Das Faltungsintegral (W G)Hτj (Δ + k02 ; |x − y|) F (y) dy

(429)

B

gibt die Differenz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Tiefpassfiltern an, d. h. es stellt einen Bandpassfilter zur Skala j und zur Position x dar. Der Bandpassfilter schließt alle Detailinformationen ein, die in der Faltung (Us )Hτj+1 , aber nicht in (Us )Hτj enthalten sind. Im Einklang mit unserer Konstruktion erhalten wir deswegen f¨ ur jedes J ∈ N (Us )HτJ = (Us )HτJ + 0

J−1 

B

n=J0

(W G)Hτn (Δ + k02 ; | · −y|) F (y) dy.

(430)

Die Formel (430) zeigt wiederum den Fortschritt im “Zooming-in-Prozess” in der Feinstruktur, der mit steigender Skala J erzielt wird. Somit beschreibt die ¨ Identit¨at (430) den Beitrag zur Verbesserung der Genauigkeit beim Ubergang von Stufe J0 zur Stufe J. In der Tat folgt f¨ ur jede Position x und f¨ ur jede Skala J0 , dass Us (x) = (Us )HτJ (x) + 0

∞  n=J0

B

(W G)Hτn (Δ + k02 ; |x − y|) F (y) dy,

311

(431)

d. h. das Signal Us besteht aus einem (groben) Tiefpassanteil und einer unendlichen Anzahl aufeinanderfolgender Bandpassanteile. Die Ergebnisse (vgl. Abb. 141) sind recht ¨ahnlich der Gravimetrie: Die Tiefpassfilterungen des Marmousi-Modells sind sehr “glatt”, so dass die entsprechenden Approximationen (Us )Hτj zur Skala j keine wesentliche strukturelle Information f¨ ur Explorationszwecke liefern. Zus¨atzlich werden die Ergebnisse in Abb. 141 u unschte ¨berlagert durch unerw¨ Rauschph¨anomene aufgrund einer fehlerhaften Migration, die inh¨ arent auftritt. Durch Waveletfilterung von Migrationsresultaten sind wir jedoch in der Lage, geologische Trends in gewissen Skalen sichtbar zu machen, weil die Wavelet(mollifier)differenzen als gewisse Diskretisierungen der Differentialgleichung (415) transparent werden. Die Bandpassfilterungen, d. h. die Detailinformation FHτj +1 − FHτj , wobei FHτj =

B

Hτj (|x − y|) F (y) dy,

(432)

zeigen eine starke τj -abh¨angige Zergliederung in geologisch reflektierte Merkmale. Dar¨ uber hinaus sind wir auch in der Lage, durch Eliminieren h¨ oherer Bandpassanteile in der Rekonstruktion (431) unerw¨ unschtes Rauschen zu d¨ampfen.

312

7LHISDVV¿OWHU 6NDODM

6NDODM

8 V

6NDODM

6NDODM

8 V

8 V M

M

) M

6NDODM

6NDODM

)

)

M

M

6NDODM

6NDODM

M

2SHUDWRU

%DQGSDVV¿OWHU 6NDODM

6NDODM

8 V

8 V

8 V

M

) M

M

) M

) M

M

2SHUDWRU ) )

8 V  8 V M

M

M

8 V

)

 8 V M

M

M

) M

M

Abb. 141 Schematische Darstellung der Multiskalenapproximation: Gestreutes Wellenfeld (links) korrespondierend zur Born-Approximation (rechts).

313

22.2 Dekorrelative elastisch-basierte Seismik Die Multiskalenmethoden in Gravimetrie und akustischer Seismik (vgl. die Abbildungen 132 und 141) haben gezeigt, dass Mollifierversionen des Potentials glatt sind, so dass nur grobe Strukturen f¨ ur Explorationszwecke abgeleitet werden k¨onnen (siehe z. B. Abb. 132, oben links). Wenn wir jedoch in der Multiskalenzerlegung zu Bandpassfilterungen des Potentials u ¨bergehen, werden strukturelle Informationen (z. B. des Marmousi-Modells) sichtbar (siehe Abb. 132, unten links). Der Grund liegt darin, dass die Multiskalenzerlegung ¨ahnlich wie eine finite Differenzenapproximation des Operators (in der Gravimetrie der Laplace-Operator, in der akustischen Seismik der HelmholtzOperator) wirkt und somit diskret die assoziierte Differentialgleichung simuliert. Der Zusammenhang zwischen Potential und Kontrast(Dichte-)funktion kann bereits f¨ ur h¨ohere Skalen im bandpassgefilterten Potential festgestellt werden. Die Schl¨ usselidee der Methode (vgl. W. Freeden, C. Blick (2013)) ist, dass die Mollifier-Wavelets, die die Potentialzerlegung erzeugen (siehe Abb. 132, links) u ur die ¨ber die Anwendung des assoziierten Operators auf Wavelets f¨ Kontrastsignatur-Dekorrelation u uhrt werden k¨ onnen (siehe Abb. 132, ¨berf¨ rechts). Tats¨achlich zeigen die Kontrastsignatur-Verteilung sowie ihre Dekorrelation in Kontrastsignaturb¨andern (siehe Abb. 132, unten rechts) scharf die Kontrastsignatur¨ uberg¨ange von einer geologischen Formation zur anderen, was von entscheidender Signifikanz in der Geoexploration ist. Die genannte Waveletkonstruktion ist aufgrund ihrer geophysikalischen N¨ ahe und Relevanz besonders leistungsf¨ahig. Genauer gesagt, die Mollifier-Regularisierung bildet einen Kompromiss, der die zugrunde liegende Physik (gem¨aß der zugrunde liegenden Differentialcharakterisierung) widerspiegelt, w¨ahrend sie zudem eine angemessene Multiskalenzerlegung von geologischen Signaturen liefert. Die zur Erstellung des Schemas verwendeten Wavelets stellen wegen der radial-invarianten Operatoren in Gravimetrie und akustischer Seismik radiale Basisfunktionen mit lokalem Tr¨ ager dar, d. h. sie h¨ angen nur vom gegenseitigen Abstand zweier Punkte des Untersuchungsgebiets ab. Dies bedeutet, dass mit den oben beschriebenen Modellen keine spezifisch richtungsm¨aßig reflektierten Informationen modelliert werden k¨ onnen. C. Blick, S. Eberle (2019) widmen sich einem Verfahren, mit dem auch bestimmte Richtungscharakteristika eines Dichtefeldes untersucht werden k¨onnen. Um eine solche Dekorrelationstechnik abzuleiten, wird mathematisch ¨ der Ubergang von der akustischen zur elastischen Seismik, d. h. die Ersetzung der Helmholtz-Gleichung durch die Cauchy-Navier-Elastizit¨ atsgleichung vollzogen. Auf diese Weise verl¨asst man einerseits den klassisch motivierten Helmholtzansatz, andererseits kann man aufgrund der tensoriellen Natur der Fundamentall¨osung des Cauchy-Navier-Operators spezifische Richtungs314

merkmale durch Filterung mit einem elastisch-reflektierten Integral erfassen. Es gibt eine Reihe von Lehrb¨ uchern und Abhandlungen u ¨ber lineare Elastizit¨atstheorie, die Erw¨ahnung finden sollten. Zu nennen sind z. B. M.A. Biot (1935), M.A. Biot (1941), M.A. Biot (1955), A. Lurje (1963), M. Lagally, W. Franz (1964), V.D. Kupradze (1979), M.E. Gurtin (1971), S.G. Michlin (1975), L.D. Landau et al. (1986), M. Lai, E. Krempl, D. Ruben (2010). Unsere Ausf¨ uhrungen folgen dem Kontext von W. Freeden, M. Schreiner (2009): Gem¨aß den Eulerschen Bewegungsgleichungen l¨ aßt sich ein 3D-Verschiebungsfeld u : B × R → R3 , u = (u1 , u2 , u3 )T , in folgender Weise linearisieren (x, t)

∂2u (x, t) = f (x, t) + ∇x · σ(x, t), ∂t2

(433)

wobei (x, t), f (x, t) = (f1 (x, t), f2 (x, t), f3 (x, t))T , jeweils zeit- und ortsabh¨angige Skalar- und Vektorfelder bezeichnen und σ(x, t) durch σ(x, t) = (σi,j (x, t))i,j=1,2,3

(434)

mit σi,j (x, t) =

3  3  k=1 l=1

Ξi,j,k,l (x, t)

1 2



∂uk (x, t) ∂ul (x, t) + , ∂xl ∂xk

 (435)

i, j ∈ {1, 2, 3} gegeben ist. Der auftretende Tensor Ξ vom Rang 4 wird der Elastizit¨ atstensor genannt, bei dem von folgenden Symmetrien (vgl. M.E. Gurtin (1971)) ausgegangen wird: Ξi,j,k,l = Ξk,l,i,j = Ξi,j,l,k .

(436)

Der Tensor σ vom Rang 2 wird Spannungstensor genannt. Im idealisierten Fall eines isotropen Mediums gilt Ξi,j,k,l (x, t) = λ(x, t)δij δkl + μ(x, t)(δik δjl + δil δjk ),

(437)

wobei λ and μ die sogenannten Lam´e-Parameter bezeichnen. Unter der Voraussetzung eines isotropen Mediums erhalten wir   σ(x, t) = λ(x, t)(∇x · u(x, t))i + μ(x, t) ∇x ⊗ u(x, t) + (∇x ⊗ u(x, t))T , (438) wobei das Symbol “⊗” das Tensorprodukt kennzeichnet und i der Einheitstensor ist.

315

In der Konsequenz lassen sich die Eulerschen Gleichungen (433) wie folgt umschreiben (der Beweis findet sich in W. Freeden, M. Schreiner (2009)). (x)

∂ 2 u(x, t) = f (x, t) + (λ(x, t) + μ(x, t))∇x (∇x · u(x, t)) ∂t2 + (∇x · u(x, t))∇x λ(x, t) + μ(x, t)Δx u(x, t)

(439)

+ (∇x ⊗ u(x, t) + (∇x ⊗ u(x, t))T )∇x μ(x, t). Falls die Lam´e-Parameter λ and μ reelle Konstanten und damit nicht abh¨ angig von der r¨aumlichen Variablen x sind, sind wir mit einem homogenen Medium konfrontiert. Damit gelangen wir zu einer simplifizierten Version der Form der Gleichung (439) (x)

∂2 u(x, t) = f (x, t) + (λ + μ)∇x (∇x · u(x, t)) + μΔx u(x, t). ∂t2

(440)

Behandeln wir speziell Equilibriumprobleme eines isotropen und homogenen elastischen K¨orpers, so reduziert sich die Gleichung (440) zu μΔx u(x) + (λ + μ) ∇x (∇x · u(x)) = −f (x), x ∈ B.

(441)

Diese Gleichung nennt man Cauchy-Navier-Gleichung. Unter Zuhilfenahme des Matrixdifferentialoperators ♦ = (♦i,j )i,j=1,2,3 mit ♦i,j = δi,j μΔx + (λ + μ)

∂2 , ∂xi ∂xj

(442)

(443)

kann die Cauchy-Navier-Gleichung in Kurzform als ♦u − f = 0

(444)

geschrieben werden. Die homogene Cauchy-Navier-Gleichung (d. h. f = 0) spielt in der Elastizit¨atstheorie dieselbe Rolle wie die Laplace-Gleichung in der Theorie harmonischer Funktionen, und formal reduziert sie sich f¨ ur μ = 1 und λ = −1 zur Laplace-Gleichung. Mehr noch, es l¨aßt sich zeigen (vgl. z. B. W. Freeden, M. Schreiner (2009)), dass u : B → R3 mit ♦x u(x) = 0 , x ∈ B, den folgenden Differentialgleichungen gen¨ ugt: Δ(∇ · u) = 0, Δ(∇ ⊗ u) = 0,

(445) (446)

Δ(Δu) = 0.

(447)

316

Mit anderen Worten, ein Verschiebungsfeld u, das der homogenen CauchyNavier-Gleichung gen¨ ugt, ist biharmonisch, und seine Divergenz und Rotation ist harmonisch. Dies zeigt den engen Zusammenhang zwischen linearer Elastizit¨at und Potentialtheorie. Den Ausf¨ uhrungen der Monographie von V.D. Kupradze (1979) folgend ist nun ein elastostatischer Zustand eines Mediums bez¨ uglich f als ein Paar [u, σ] definiert, das unter kanonischen Differentiationsvoraussetzungen die Bedingungen (i)

3  ∂ σi,j (x) − fi (x) = 0, ∂xj

j=1

ii)

σi,j (x) = λ δi,j ∇x · u(x) + μ

(448) 

 ∂ ∂ ui (x) + uj (x) , ∂xj ∂xi

(449)

erf¨ ullt. Die Relation (448) heißt die Gleichung des elastostatischen Zustands. Ein elastostatischer Zustand gibt an, dass die ¨außeren Kr¨ afte, sowie die Verschiebungen u und Spannungen σ im betrachteten Zeitintervall nicht ver¨ andert werden. V.D. Kupradze (1979) (vgl. auch W. Freeden, R. Reuter (1990) f¨ ur Alternativtensoren) zeigt, dass eine (tensorielle) Fundamentall¨ osung der CauchyNavier-Gleichung (444) durch   1 μ 1 1 μ − i− x ⊗ x, (450) G(♦; x) = |x| 2 4πμ 2 |x|3 gegeben ist, wobei die Abk¨ urzung μ =

λ+μ 4πμ (λ + 2μ)

(451)

benutzt wird. Entsprechend der Konstruktion gilt ♦x G(♦; x) = 0,

x = 0.

Das Vektorfeld u gegeben durch G(♦; x − y) f (y) dy u(x) =

(452)

(453)

B

stellt eine L¨osung der Cauchy-Navier-Gleichung (444) dar und wird im folgenden auch als Cauchy-Navier-Potential bezeichnet.

317

Der Einfachheit halber greifen wir f¨ ur den Kern (vgl. W. Freeden, R. Reuter (1990))   1 μ 1 1 μ − i− x⊗x (454) G(♦; x) = |x| 2 4πμ 2 |x|3   2πμ |x|2 4πμμ − 3 = ∇⊗∇− i G(Δ; |x|) 3 3μ auf eine Mollifier-Version zur¨ uck, die sich einer kubischen Taylorapproximation des Newton-Kerns bedient (allgemeinere Mollifier-Versionen finden sich in C. Blick, S. Eberle (2019)): Ghτ (♦; x)  ⎧   μ μ 1 1 1 ⎪ − ⎪ ⎪ |x| 2 4πμ i − 2 |x|3 x ⊗ x, ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪  ⎪ ) ⎪ ⎪ x ⊗ x μ |x|(4|x|−5τ ⎪ 2τ 5 ⎨  4 3 τ +5τ 4 ) = + μ (3|x| −5|x| i 5 6τ ⎪ ⎪ 3|x|4 −10|x|3 τ +10|x|2 τ 2 −5τ 4 ⎪ ⎪ i, + ⎪ 8μτ 5 π ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪   ⎪ ⎪ ⎩ 5 4πμμ −3 i, 8πτ 3μ

(455) τ ≤ |x|,

0 < |x| < τ, |x| = 0.

Gem¨aß ihrer Konstruktion ist die Mollifikation Ghτ (♦; ·) gleich G(♦; ·) f¨ ur alle x ∈ R3 mit |x| ≥ τ . Es sollte angemerkt werden, dass wir durch (454) die radialsymmetrische Eigenschaft von G(Δ; ·) aufgrund des Auftretens der Hessematrix ∇ ⊗ ∇ verlieren, was jedoch f¨ ur Dekorrelationszwecke vorteilhaft sein kann, da wir jetzt die Ausbreitungsrichtung der in den Daten enthaltenen Strukturen hervorheben k¨onnen. Wie im Newtonfall konvergiert die Tiefpassfilterung gegeben durch Ghτ (♦; x − y) f (y) dy uhτ (x) =

(456)

B

gegen das gesuchte Cauchy-Navier-Potential u. Genauer gesagt gilt f¨ ur alle x ∈ B unter der Voraussetzung, dass f : B → R3 eine stetige Funktion ist, die Grenzrelation (siehe C. Blick, S. Eberle (2019))      |u(x) − uhτ (x)| =  (G(♦; x − y) − Ghτ (♦; x − y)) f (y) dy  = O(τ 2 ) (457) B

f¨ ur τ → 0 .

318

F¨ ur alle x, y ∈ B gilt ♦x Ghτ (♦; x − y) = hτ (x − y),

(458)

wobei die tensorielle “Haar-Funktion” hτ : R3 → R3 × R3 durch ⎧ O, τ ≤ |x|, ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨  )(3|x|−3τ ) 5π(|x|−τ )(4|x|μμ −8μμ τ ) hτ (x) = + i − 5(|x|−τ 5  5  ⎪ 2τ π(4πμμ −1) 2τ π(4πμμ −1) ⎪ ⎪ ⎪ 10μμ (4|x|−3τ ) ⎩ − |x|τ 5 (4πμμ −1) x ⊗ x, 0 ≤ |x| < τ (459) gegeben ist. Dabei bezeichnet O den Nulltensor. Im Folgenden verwenden wir f¨ ur das Vektorfeld f den Begriff Kontrastfunktion. F¨ ur die Haar-Dekorrelation fhτ der Kontrastfunktion f gegeben durch fhτ (x) = hτ (x − y) f (y) dy (460) B

gilt im Falle der Stetigkeit von f : B → R3 die Grenzwertbeziehung lim sup |f (x) − fhτ (x)| = 0.

τ →0

(461)

x∈B

Analog zum Newton-Fall l¨asst sich ein Multiskalenverfahren f¨ ur das CauchyNavier-Potential u sowie f¨ ur die Kontrastfunktion f konstruieren. Dazu betrachten wir eine positive, monoton fallende Folge {τj }j∈N0 mit limj→∞ τj = 0. Wir ersetzen den singul¨aren Kern G(♦; ·) durch eine Familie von regul¨ aren Kernen der Form {Ghτj (♦; ·)}j∈N0 . F¨ ur die Multiskalenanalyse f¨ uhren wir die tensoriellen Differenzenwavelets f¨ ur das Cauchy-Navier-Potential u zum Skalenparameter j gegeben durch (W G)hτj (♦; ·) = Ghτj+1 (♦; ·) − Ghτj (♦; ·)

(462)

und die tensoriellen Differenzenwavelets f¨ ur die Kontrastfunktion f zum Skalenparameter j gegeben durch (W h)τj = hτj+1 − hτj . ein. Die Bandpassfilterungen

319

(463)

(W u)hτj (x) =

B

(W G)hτj (♦; x − y) f (y) dy

und

(464)

(W f )τj (x) =

B

hτj (x − y) f (y) dy

(465)

geben die Differenzen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Tiefpassfilterungen an: (W u)hτj = uhτj+1 − uhτj

(466)

(W f )hτj = fhτj+1 − fhτj .

(467)

und

Analog dem Newton-Fall besitzen beide Waveletfunktionen aufgrund ihrer Konstruktion lokale Tr¨ager, was f¨ ur die Berechnung der Faltungsintegrale (464) und (465) von großem numerischem Vorteil ist. Außerdem wird der Tr¨ager mit wachsendem j immer kleiner, so dass immer mehr hochfrequente Ph¨anomene hervorgehoben werden k¨onnen, ohne die Signaturen außerhalb der Tr¨ager zu ver¨andern. Bekanntlich gewinnen wir f¨ ur x ∈ B die Multiskalenrelationen u(x) = lim uhτJ (x) = uhτJ (x) + lim 0

J→∞

J−1 

J→∞

(W u)hτj (x)

(468)

(W f )hτj (x),

(469)

j=J0

und f (x) = lim fhτJ (x) = fhτJ (x) + lim 0

J→∞

J→∞

J−1  j=J0

so dass bei entsprechenden mathematischen Voraussetzungen an f f (x) = ♦uhτJ (x) + 0

∞ 

♦(W u)hτj (x)

(470)

j=J0

gilt. Somit k¨onnen das Potential u sowie die Kontrastfunktion f als tiefpassgefiltertes Signal uhτJ und fhτJ und Addition aufeinanderfolgender bandpass0

0

gefilterter Signale (W u)hτj und (W f )hτj , j = J0 + 1, J0 + 2, . . . , rekonstruiert

320

werden. Anmerkung 10. Alternative Ans¨atze und Zug¨ange zur Multiskalenapproximation der L¨osung der Cauchy-Navier-Differentialgleichung (444) unter Benutzung von Strukturen der Theorie “Spezieller Funktionen der Mathematischen (Geo-)Physik” finden sich z. B. in W. Freeden (1990b), W. Freeden, R. Reuter (1990), M.K. Abeyratne (2003), M.K. Abeyratne et al. (2003), W. Freeden, V. Michel (2004), W. Freeden, V. Michel (2005), W. Freeden, M. Schreiner (2009), W. Freeden, M. Gutting (2013). Zerlegung durch Cauchy-Navier-Wavelets. F¨ ur die Cauchy-NavierWaveletzerlegung m¨ ussen wir den Datensatz vorbereiten. Der Grund ist, dass die Wavelets auf der Cauchy-Navier-Gleichung basieren, die ein homogenes Medium mit konstanten Lam´e-Parametern λ und μ sowie einer konstanten Dichte  modelliert. Daher w¨ahlen wir ¨ahnlich dem Fall der Magnetometrie ein Referenzmedium, in diesem Fall Sandstein, mit den Parametern λ = 1, 9 · 109 P a und μ = 6, 3 · 109 P a (siehe S. Gopalakrishnan (2016)) und beziehen uns im Weiteren auf die Dichteabweichung D  − S , die die Differenz von Marmousi-Dichte  und Sandsteindichte S bezeichnet. Die Faltung der Cauchy-Navier-Potentialskalierungsfunktionen und den zugeh¨origen Wavelets mit den Eingangsdaten f¨ uhrt dann zu einer Zerlegung des elastischen Potentials u, d. h. des Verschiebungsvektors in [m], w¨ ahrend die Faltung der tensoriellen Haar-Funktionen und der zugeh¨ origen Wavelets mit dem Kontrastfeld f zu einer Zerlegung von f selbst f¨ uhrt. ! " Die Vorgabe f = D ei , i = 1, 2, 3, wobei ei in sm2 den i-ten kartesischen Einheitsvektor bezeichnet, konzentriert D auf die in Richtung ei ausgezeichnete i − te Komponente. Zus¨atzlich enthalten in diesem Fall die u ¨brigen zwei Komponenten des L¨osungsvektors die Zerlegung des Dichtemodells in Diagonalrichtungen bez¨ uglich xi und xj , i = j. Dies ist der Grund, warum wir f¨ ur die Kontrastfunktion in Analogie zu unserem Vorgehen in der Magnetometrie das Inputvektorfeld f = D (1, 1, 1)T

m m = (e1 + e2 + e3 ) 2 D 2 s s

(471)

ansetzen. In der Konsequenz pr¨asentieren wir die resultierende Zerlegung in Form von drei Faltungen der Gestalt

321

B

hτj (x − y) f (y) dy =

B



+ B + B

hτj (x − y) (e1 D )(y) dy

(472)

hτj (x − y) (e2 D )(y) dy hτj (x − y) (e3 D )(y) dy.

bzw., unter Verwendung des Faltungssymbols *“, in komponenterweise Dar” stellung, die bei den m folgenden gezeigten Abbildungen zugrunde liegt     ⎞ ⎛  ⎛  ⎞ hτj 11 ∗ d (y) + hτj 12 ∗ d (y) + hτj 13 ∗ d (y) hτj 1j ∗ f (y) ⎟ ⎜ ⎜ ⎟     ⎟ ⎜ ⎜  ⎟ ⎟ ⎜  ⎜ hτj ∗  (y) + h ∗  (y) + h ∗  (y) ⎟ τj 22 τj 23 d d d ⎟ = ⎜ hτj ⎜ 21 ∗ f (y) ⎟, 2j ⎟ ⎜ ⎜ ⎟ ⎟ ⎜      ⎠ ⎝ ⎠ ⎝ hτ   j 31 ∗ d (y) + hτj 32 ∗ d (y) + hτj 33 ∗ d (y) hτj 3j ∗ f (y) (473)       wobei hτj 1j , hτj 2j und hτj 3j , j = 1, 2, 3, die erste, zweite bzw. dritte Zeile von hτj bezeichnen. Abb. 142 zeigt die Eingabedaten f¨ ur die Dekorrelation als Schnitt in die drei Raumrichtungen ei , i = 1, 2, 3.

Abb. 142 Schnitt der Eingabedaten in die drei Raumrichtungen ei , i = 1, 2, 3, die f¨ ur die Zerlegung durch die Cauchy-Navier-Skalierungsfunktionen und die zugeh¨ origen Wavelets zur Anwendung kommen.

F¨ ur die Dekorrelation des Potentials u mit Cauchy-Navier-Potentialwavelets haben wir aufgrund der großen Anzahl von Bildern nur ausgew¨ ahlte Tiefpass- und Bandpassfilterungen illustriert. Im Allgemeinen verh¨ alt sich die Zerlegung von u ¨ahnlich wie die Zerlegung des Newtonpotentials (siehe Abbildungen 143 und 144). In den Tiefpassfilterungen des Cauchy-NavierPotentials sind kaum Strukturen erkennbar (siehe Abbildungen 143 und 144, oben). Die Trendinformation der Eingangsdaten ist in den Anteilen der Diagonalen des bandpassgefilterten Potentials zu erkennen (siehe Abbildungen

322

143 und 144, links). Von Vorteil ist, dass die nicht-diagonalen Anteile des bandpassgefilterten Potentials bereits eine Dekorrelation der Eingangsdichte aufweisen.Insbesondere die Eintr¨age außerhalb der Diagonale in Abb. 143 heben die Hauptdichte¨ uberg¨ange im Cauchy-Navier-Potential hervo. Diese Information kann im Falle der Gravimetrie nur bei Dekorrelation der Dichte detektiert werden. Der Preis, den wir daf¨ ur zu zahlen haben, ist jedoch ein ungleich h¨oherer Aufwand. Eine Darstellung der Dekorrelation der Kontrastfunktion f , beispielhaft f¨ ur die Skalen j = 2 und j = 8, findet sich in den Abbildungen 145 und 146. Die Interpretation eines vorgegebenen Kontrastfeldmodells f unter Verwendung von Cauchy-Navier-Wavelets zeigt deutlich mehr Details, als die Zerlegung der zugrundeliegenden skalaren Dichtefunktion mit Newton-Wavelets.

323

324

j∈N

+

+

j∈N

=

=

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝



⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝



⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠



⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠



in [m].

Abb. 143 Mollifier-Multiskalenapproximation des Potentials  u zum Kontrastfeld f (vgl. (471)) durch Faltung mit dem Tiefpassfilter  Ghτj (♦; ·) (Tiefpassfilter, oben) und dem Bandpassfilter (W G)hτj (♦; ·) (Bandpassfilter, unten) f¨ ur τj = 9 200 · 2−j m und j = 2

+

+

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ +

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝

+



+

+



+

+

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠

+

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝

+





325

j∈N

+

+

j∈N

=

=

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝



⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝



⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠



⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠



in [m].

Abb. 144 Mollifier-Multiskalenapproximation des Potentials  u zum Kontrastfeld f (vgl. (471)) durch Faltung mit dem Tiefpassfilter  Ghτj (♦; ·) (Tiefpassfilter, oben) und dem Bandpassfilter (W G)hτj (♦; ·) (Bandpassfilter, unten) f¨ ur τj = 9 200 · 2−j m und j = 8

+

+

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ +

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝

+



+

+



+

+

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠

+

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝

+





326







+

+

filter

(W h)τj

j∈N

(unten) f¨ ur τj = 9 200 · 2

−j

m und j = 2 in

N m3

.

Abb. 145 Mollifier-Multiskalenapproximation von f (vgl. (471)) durch Faltung mit dem Tiefpassfilter

+

+



hτj

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ +

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝

+



+

+



+

+

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠

+

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝

+





j∈N

=

=

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠



⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠



(oben) und dem Bandpass-

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝



⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝



327







+

+

filter

(W h)τj

j∈N

(unten) f¨ ur τj = 9 200 · 2

−j

m und j = 8 in

N m3

.

Abb. 146 Mollifier-Multiskalenapproximation von f (vgl. (471)) durch Faltung mit dem Tiefpassfilter

+

+



hτj

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠ +

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝

+



+

+



+

+

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠

+

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝

+





j∈N

=

=

⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠



⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎠



(oben) und dem Bandpass-

⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝



⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝



Teil X

Poroelastizit¨ at: Herausforderung fu ahere ¨ r die n¨ Zukunft

23 Dekorrelation und Poroelastizit¨ at W¨ahrend eines geothermischen Vorhabens ist es unerl¨ asslich, das Spannungsfeld zu betrachten, da unter anderem starke Druckunterschiede zu Absenkungen oder seismischen Ereignissen f¨ uhren k¨ onnen. Aus diesem Grund ist die Poroelastizit¨ at f¨ ur die Geothermie von großer Bedeutung, da mit ihren Eigenschaften sowohl das Reservoir selbst als auch das umgebende Gestein beschrieben werden k¨onnen. In diesem Zusammenhang sollte Erw¨ ahnung finden, dass sich verschiedene Fl¨ ussigkeiten und Materialien unterschiedlich auf das poroelastische Verhalten auswirken. Deshalb ist es entscheidend, das vorhandene Material im Reservoir zu kennen. Unser Interesse bez¨ uglich der Poroelastizit¨at gilt hier im Besonderen den folgenden zwei Aspekten: 1. L¨osung der poroelastischen Gleichungen mit Hilfe der Methode der Fundamentall¨ osungen, die sich bereits im gravitativen Fall als effizient erwiesen hatte (vgl. W. Freeden (1980), W. Freeden (1983)) und durch die Dissertation M.A. Augustin (2014), AG Geomathematik, TU Kaiserlautern, auf den poroelastischen Fall u uher Ansatz hin zur Me¨bertragen wurde. Ein fr¨ thode der Fundamentall¨osungen liefert der Beitrag E. Trefftz (1926). Weiter f¨ uhrende Publikationen zur Methode der Fundamentall¨ osungen stellen z. B. W. Freeden, H. Kersten (1981), W. Freeden, R. Reuter (1990), W. Freeden, C. Gerhards (2013), W. Freeden, F. Schneider (1999), M.A. Golberg, C.S. Chen (1998), V.D. Kupradze (1964), C. M¨ uller, H. Kersten (1980), I.N. Vekua (1953) dar. 2. Dekorrelation der Daten der Poroelastizit¨at, um damit weitere Detailstrukturen zu erhalten, die im Gesamtbild nicht mehr zu erkennen sind (entsprechend dem Vorschlag von W. Freeden, C. Blick (2013) und der weiterf¨ uhrenden Umsetzung in der Dissertation C. Blick (2015), AG Geomathematik, TU Kaiserlautern).

23.1 Poroelastische Grundgleichungen Zur Simulation des Spannungsfeldes in einem homogenen, isotropen Medium at benutzt. B ⊂ R3 werden die quasistatischen Gleichungen der Poroelastizit¨ Sie wurden zuerst von M.A. Biot (1935, 1941) beschrieben. F¨ ur eine detailliertere Studie des poroelastischen Kontexts verweisen wir den Leser auf die Dissertation M.A. Augustin (2014), AG Geomathematik, TU Kaiserslautern, die in den “Lecture Notes in Geosystems Mathematics and Computing”, M.A. 331 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7_23

Augustin (2015) Ver¨offentlichung fand. Wir erl¨autern hier zun¨achst der Publikation W. Freeden, H. Nutz (2015) folgend kurz die grundlegenden Beziehungen, die benutzt werden, um diese Gleichungen herzuleiten. Festes Medium: Das Verschiebungsfeld u : (x, t) → u(x, t) , x ∈ B, t ∈ [0, tend ], beschreibt Deformationen des festen por¨ osen Mediums. Mit der u ¨blichen Annahme der linearen Elastizit¨at ist der Dehnungstensor  gegeben durch   ∂uj 1 ∂ui i,j (x, t) = (x, t) + (x, t) , i, j = 1, 2, 3. (474) 2 ∂xj ∂xi Im Fall eines isotropen, homogenen Mediums f¨ uhrt dies zum Spannungstensor σ gegeben durch σi,j (x, t) = λ

3 

kk (x, t)δi,j + 2μi,j (x, t))

(475)

k=1

mit den Lam´e-Parametern λ und μ des Systems. Da u das feste Medium beschreibt, ben¨otigen wir eine weitere Gr¨ oße zur Beschreibung des Verhaltens des Fluids. Fluidfluss: Wir betrachten eine (skalare) Gr¨ oße Ω, die durch das Medium ¨ B transportiert wird. Ublicherweise definiert man eine Dichte ω, so dass die Gleichung Ω = ω mit der Massendichte  gilt. F¨ ur ein System, das aus einem Fluid und einer festen Phase besteht, wie es im Falle einer Fl¨ ussigkeit in einem por¨osen Medium gegeben ist, erh¨alt man f¨ ur ein freies Einkomponentenfluid unter der Annahme, dass das por¨ ose Medium vollst¨ andig mit Fl¨ ussigkeit ges¨attigt ist, die Massenerhaltungsgleichung in der Form     ∂ λf (x, t) + ∇x · λf (x, t)vf (x, t) = λf (x, t)Qp,f , (476) ∂t wobei λ die Porosit¨at, f = Ω die Dichte des Fluids und vf die Geschwindigkeit des Fluids ist. Die gesamte Masse fließt u achen, einschlieߨber die Grenzfl¨ lich der Grenzfl¨achen zwischen den Phasen. Alle anderen Impulsquellen und -senken werden auf der rechten Seite im Term λf (x, t)Qp,f zusammengefasst. Betrachtet man die Impulsbilanz des Fluids so ergibt sich die NavierStokes-Gleichung λf (x, t)

  ∂vf (x, t) + λf (x, t)vf (x, t) · ∇x vf (x, t) − λμf (x, t)Δx vf (x, t) ∂t = −λ∇x P (x, t) + λf (x, t)g(x, t) + jpinter (477) 332

mit dem Druck P , der Fluidviskosit¨at μf , der Kraftdichte des Fluids f g und einem noch nicht n¨aher spezifizierten Wechselwirkungsterm jpinter . Zur Bestimmung der Fluidgeschwindigkeit vf trifft man weiterhin die Annahme, dass diese im por¨osen Medium relativ klein ist und außerdem die innere Reibung aufgrund der Viskosit¨at deutlich kleiner ist als die Reibung zwischen Festk¨orper und Fluid. Dies f¨ uhrt auf das Darcy-Gesetz vf (x, t) = −

  1 κ (x, t) ∇x P (x, t) − f (x, t)g(x, t) , μf (x, t)

(478)

das von Darcy im 19ten Jahrhundert empirisch ermittelt wurde (H.P.G. Darcy (1856)). Dabei ist κ der hydraulischen Permeabilit¨ atstensor. Vom mathematischen Standpunkt aus betrachtet, wurde das Problem n¨ aher durch R.I. Ene, D. Polivsevski (1987) diskutiert, die Existenz und Eindeutigkeit der L¨osung f¨ ur den Fall von inkompressiblen Fluiden, d. h. ∇x · vf (x, t) = 0, sowohl f¨ ur beschr¨ankte als auch f¨ ur unbeschr¨ankte Gebiete garantiert haben. Wechselwirkung zwischen Fluid und Festk¨ orper: Als n¨ achstes beschreiben wir die Wechselwirkung zwischen Fluid und Festk¨ orper. Gem¨ aß M.A. Biot (1935), M.A. Biot (1941) gibt es zwei Gr¨ oßen, die ber¨ ucksichtigt werden m¨ ussen. Die erste ist der poroelastische Spannungstensor σ pe , der durch σ pe (x, t) = σ (x, t) − αiP (x, t) (479) gegeben ist. Hierbei ist i der Einheitstensor vom Rang 2, α ist die BiotWillis-Konstante und P ist der Porendruck im Fluid. Die zweite Gr¨ oße ist der volumetrische Fluidinhalt ζ(x, t) = c0 P (x, t) + α∇x · u(x, t)

(480)

mit dem spezifischen Speicherkoeffizient c0 . Er beschreibt den Teil der Vo¨ lumen¨anderung des Fluids aufgrund der Anderungen im Massenfluss (siehe J.C. Jaeger, N.G.W. Cook, R.W. Zimmeran (2007) f¨ ur eine detaillierte Herleitung). Die Gleichungen (475)–(480) bilden eine vollst¨ andige Liste von konstituierenden Beziehungen zur Beschreibung der Wechselwirkung des Fluid-Festk¨orper-Systems. Das Verhalten des Systems wird durch die u ¨blichen Erhaltungss¨atze der Physik bestimmt. In unserem Fall sind Impulsund Massenerhaltung gegeben durch (vgl. z. B. M.A. Augustin (2012), M.A. Augustin et al. (2014)) s (x, t)

∂2u σ (x, t) =f (x, t) (lineare Impulserhaltung), (x, t) − ∇x ·σ ∂t2 ∂ζ (x, t) + ∇x · vf (x, t) =h(x, t) (Massenerhaltung) ∂t

(481) (482)

mit Massendichte s des Festk¨orpers, Volumenkraftdichte f (x, t) und den Fluidquellen und -senken h(x, t). Kombiniert man die Gleichungen (475)– 333

(482), so erh¨alt man gem¨aß M.A. Augustin et al. (2012) s (x, t)

∂2u (x, t) − (λ + μ) ∇x (∇x · u(x, t)) − μΔx u(x, t) + α∇x P (x, t) =f (x, t), ∂t2 (483)    ∂ (c0 P (x, t) + α∇x · u(x, t)) − ∇x · k ∇x P (x, t) − f g(x, t) =h(x, t) ∂t (484)

als bestimmende Gleichungen der Poroelastizit¨ at in einem homogenen, isotropen Medium. Da wir nicht an Wellenph¨anomenen interessiert sind sondern am Konsolidierungsprozess, erscheint es sinnvoll, die zweite zeitliche Ableitung in (483) zu vernachl¨assigen. Dies kann mit Hilfe eines Entdimensionalisierungsarguments verdeutlicht werden. Es ergeben sich schließlich unter Vernachl¨ assigung von Fluidkr¨aften die quasistatischen Gleichungen der Porelastitz¨ at in der Form (vgl. M.A. Augustin (2014)) − (λ + μ) ∇x (∇x · u(x, t)) − μΔx u(x, t) + α∇x P (x, t) = f (x, t) (485) in B × (0, tend ),   ∂ (c0 P (x, t) + α∇x · u(x, t)) − ∇x · k ∇x P (x, t) − f (x, t)g(x, t) = h(x, t) ∂t (486) in B × (0, tend ). Um die Eindeutigkeit der L¨osung zu garantieren, m¨ ussen diese Gleichungen mit Anfangs- und Randbedingungen versehen werden. Als m¨ ogliche Randbedingungen k¨onnen u(x, t) = ud (x, t)

auf Γd × [0, tend ], (487)

P (x, t) = Pd (x, t)

auf Γp × [0, tend ], (488)

(σ(x, t) − αIP (x, t)) n(x, t) = tN (x, t) auf Γt × [0, tend ], (489) −k(∇x P (x, t) − g(x, t)) · n(x, t) = vf (x, t) · n(x, t) auf Γf × [0, tend ], (490) gelten. Hierbei erf¨ ullen die verschiedenen Anteile des Randes die Bedingungen Γd ∩ Γt = ∅ = Γp ∩ Γf und Γd ∪ Γt = ∂B = Γp ∪ Γf . Die Indizes “d”, “t”, “p” und “f ” stehen f¨ ur “displacement” (Verschiebung), “tension” (Spannung), “pressure” (Druck) und “flow” (Fluss). Es zeigt sich, dass eine geeignete Anfangsbedingung durch die Beschreibung des Fluidinhaltes ζ bei t = 0 gegeben ist, d. h. c0 P (x, 0) + α∇x · u(x, 0) = ζ(x, 0) = ζ0

334

f¨ ur x ∈ B.

(491)

Es k¨onnen beispielsweise Anfangsdruck P0 = P (·, 0), Anfangsvolumenkraftdichte f0 = f (·, 0) und Randbedingungen an u f¨ ur t = 0 beschrieben werden, onnen. Existenz- und um u(·, 0) und somit auch ζ0 = ζ(·, 0) berechnen zu k¨ Eindeutigkeitsergebnisse zur L¨osung des Anfangswertproblems (486)–(491) finden sich in den Untersuchungen in M.A. Augustin (2012) und M.A. Au¨ gustin (2014). Ahnlich wie beim W¨armetransportproblem in por¨ osen Medien stellt sich heraus, dass der Druck stetig bez¨ uglich t ist.

Stokes Gleichungen −μΔu + ∇P = 0 ∇·u = 0

Wärmeleitungsgleichung ∂tP − ΔP = 0

Quasistatische Poroelastizität − λ+μ μ ∇ (∇ · u) − Δu + α∇P = 0

∂t (c0μP + α∇ · u) − ΔP = 0

Cauchy-Navier Gleichung − λ+μ μ ∇ (∇ · u) − Δu = 0 Abb. 147 Zusammenhang zwischen den Gleichungen der quasistatischen Poroelastizit¨ at und bekannten (Systemen von) Differentialgleichungen.

23.2 Methode der Fundamentall¨ osungen Im Folgenden werden die dimensionslosen quasistatischen Gleichungen der Poroelastizit¨at betrachtet, d. h. −

λ+μ ∇x (∇x · u(x, t)) − Δx u(x, t) + α∇x P (x, t) =f (x, t), μ ∂ (c0 μP (x, t) + α(∇x · u(x, t))) − Δx P (x, t) =h(x, t). ∂t

(492) (493)

Hierbei sind wiederum x aus einem Gebiet B und t aus einem Zeitintervall [0, Tend ].

335

Um die Fundamentall¨ osungen der quasistatischen Gleichungen der Poroelastizit¨at zu erhalten, verwendet man die Beziehungen dieser Gleichungen zur Cauchy-Navier-Gleichung der Elastostatik   λ+μ ∇x (∇x · u(x, t)) − μΔx u(x, t) = f (x, t), (494) − μ zur W¨armeleitungs- und Diffusionsgleichung ∂ P (x, t) − Δx P (x, t) = h(x, t), ∂t

(495)

sowie zu den Stokes-Gleichungen (vgl. z. B. C. Mayer, W. Freeden (2015) und die darin aufgelistete Literatur) −μΔx u(x, t) + ∇x P (x, t) = 0, ∇x · u(x, t) = 0,

(496) (497)

(vgl. Abb. 147). Mit den Abk¨ urzungen C1 =

α c0 (λ+2μ)+α2

und C2 =

λ+2μ c0 μ(λ+2μ)+μα2

(498)

erhalten wir dann f¨ ur das System von Differentialgleichungen der Poroelastizit¨at (492) und (493) die Fundamentall¨osung (vgl. M.A. Augustin (2014))   Fi u (x, t) uSi (x, t) poro . (499) (x, t) = G P Fi (x, t) P Si (x, t) Dabei bezeichnen uSi und P Si die Fundamentall¨ osungen, die einer Quellinjektion (“instantaneous source”), d. h. h = δ(x)δ(t), f = 0 entsprechen. Sie sind durch P Si (x, t) =C2 GHeat (x, t), ⎛ ⎞ t uSi (x, t) =C1 ⎝∇x C2 GHeat (x, τ ) dτ + ∇x P St (x)⎠

(500) (501)

0

gegeben, wobei P St (x) der Druckanteil der Fundamentall¨ osungen der StokesGleichungen (496) und (497) P St (x) = − ∇x G(Δ; x)

(502)

ist. GHeat ist die Fundamentall¨osung der W¨armeleitungsgleichung, die durch   1 1 ||x||2 Heat (503) (x, t) = √ 3 √ G 3 exp − 4C t 2 π 4C2 t

336

gegeben ist. Die Anteile P Fi sowie uFi ergeben sich als Fundamentall¨ osungen zur instantanen Volumenkraftdichte (“instantaneous (body) force”), d. h. f ist proportional zu δ(x)δ(t) und h = 0. Da f eine vektorwertige Funktion ist, kann das Produkt der zeitlichen und r¨aumlichen Deltadistributionen auf jede ¨ der Komponentenfunktionen angewandt werden. Ublicherweise fasst man diese drei F¨alle zusammen, indem man f¨ ur f die tensorwertige Funktion Iδ(x)δ(t) ansetzt. Damit ergeben sich die Anteile P Fi und uFi durch   P Fi (x, t) =C1 ∇x C2 GHeat (x, t) + P St (x)δ(t) , (504) ⎛ ⎞ t uFi (x, t) =C12 ∇x ⎝∇x C2 GHeat (x, τ ) dτ + P St (x)⎠ + G(♦; x)δ(t). (505) 0

Die Anteile der Fundamentall¨osung der Poroelastitz¨ at setzen sich somit erwartungsgem¨aß aus den Fundamentall¨osungen der Cauchy-Navier- und der W¨armeleitungsgleichung G(♦; ·) und GHeat (·, ·) sowie dem Druckanteil der Fundamentall¨osung der Stokes-Gleichungen P St (·) zusammen. Die Gestalt der Fundamentall¨osungen ist der Ansatzpunkt f¨ ur eine Dekorrelation mittels Mollifier. Obwohl die Existenz einer L¨osung der poroelastischen Differentialgleichungen durch gewisse Bedingungen garantiert ist, ist es in den meisten F¨ allen nicht m¨oglich, eine solche L¨osung analytisch zu berechnen. Stattdessen wird ein numerisches L¨osungsverfahren ben¨otigt, um eine ad¨ aquate approximative L¨ osung zu finden. Publikationen zu Poroelastizit¨at, W¨armetransport und Mikroseismizit¨ at sind z. B. M.A. Augustin (2015), Z. Chen et al. (2006), E. Detournay, A.H.-D. Cheng (1993), H.J. Diersch (1985), W. Freeden, H. Nutz (2015), A. Ghassemi (2003), R.R. Hillis (2000), R.R. Hillis (2001), R.R. Hillis (2003), J.C. Jaeger, N.G.W. Cook, R.W. Zimmeran (2007), L. Jing, J.A. Hudson (2002), V.D. Kupradze (1979), S. Nakao, T. Ishido (1998), I. Ostermann (2011), I. Ostermann (2011), M.J. O’Sullivan, K. Pruess, M.J. Lippmann (2001), W.S. Phillips et al. (2002), P.J. Phillips (2005), P.J. Phillips, M.F. Wheeler (2007), P. Podvin, I. Lecomte (1991), K. Pruess (1990), J.R. Rice, M.P. Cleary (1976), J. Rudqvist, O. Stephansson (2003), S.K. Sanyal (2005), A.P.S. Selvadurai, A.P. Suvorov (2017), R.E. Showalter (2000), N.H. Tran, S.S. Rahman (2006), B.J. Travis (1984), W.M. Telford et al (1990), Y.S. Wu, G. Qin (2009), R.S. Wu, X.B. Xie, X.Y. Wu (2006), C. Zhao et al. (1999), X.X. Zhou (A. Ghassemi). Diese Werke enthalten auch eine Reihe weiter f¨ uhrender Beitr¨ age. Wir erw¨ahnen hier ein L¨osungsverfahren ein, das auf der Methode der Fundamentall¨osungen beruht, wodurch eine gitter- und integrationsfreie Behandlung erm¨oglicht wird. Aus Randwertproblemen der Potentialtheorie, den zeit-

337

harmonischen Maxwellgleichungen, der Stokesschen Differentialgleichungen sowie der linearen Elastizit¨atstheorie ist das Grundkonzept der Methode immer mehr in das Bewusstsein heutiger Numerik ger¨ uckt. Die Idee bei der Methode der Fundamentall¨osungen ist, ein System von Fundamentall¨osungen f¨ ur eine gegebene Differentialgleichung auszuw¨ ahlen, so dass deren Singularit¨aten außerhalb des Referenzbereiches positioniert sind. Jede endliche Linearkombination dieser Fundamentall¨ osungen erf¨ ullt die zugeh¨origen Differentialgleichungen mit verschwindender rechter Seite und ist somit ein geeigneter Ansatz f¨ ur die L¨osung eines entsprechenden AnfangsRandwertproblems. Die Koeffizienten dieses Ansatzes k¨ onnen bestimmt werden, indem man verlangt, dass die vorgeschriebenen Anfangs- und Randwerte approximiert werden m¨ ussen, beispielsweise im Sinne eines Abgleichs der kleinsten Quadrate oder einer Kollokation. Die wesentlichen Vorteile dieser Methode sind, dass sie gitterfrei, integrationsfrei und einfach zu implementieren ist. Auf der anderen Seite gibt es keinen Hinweis darauf, wie man die genauen Positionen der Singularit¨aten w¨ahlen muss, um eine m¨ oglichst gute Approximation der gesuchten L¨osung zu gew¨ ahrleisten (vgl. z. B.M. Katsurada (1989), M. Katsurade, H. Okamoto (1996), A.H. Barnett, T. Betcke (2008), Y.-S. Smyrlis, A. Karageorghis (2009)). Die Wahl von geeigneten Punktmengen ist aber entscheidend f¨ ur die Qualit¨ at der Approximation. Oft sind die auftretenden vollbesetzten linearen Gleichungssysteme schlecht konditioniert und m¨ ussen stabilisiert werden. (vgl. z. B. Y.-S. Smyrlis (2009), M.A. Augustin (2014)). Allerdings ist das Gesamtaufkommen an Gleichungen moderat. Es ist hilfreich, dass gewisse Systeme von Fundamentall¨ osungen dichte Teilmengen des L¨osungsraums einer gegebenen partiellen Differentialgleichung sind. Im Fall der quasistatischen Poroelastizit¨at kann ein Ansatz, der auf der Methode der Fundamentall¨osungen basiert, in der Form  3   M N   CN,(k)  (k) fi am (t)Gki (♦; x − y(m) ) + an,m uki (x − y(m) , t − τn ) ui (x, t) = m=1

k=1 N 

+

n=1



Si bn,m uSi i (x − y(m) , t − τn ) + b−n,m ui (x − y(m) , t − τ−n )

,

n=1

P (x, t) =

M  m=1



3  

CN,(k)

am

k=1 N 

+

(t)PkSt (x − y(m) ) +

N 

(506)  (k) an,m Pkfi (x − y(m) , t − τn )

n=1



bn,m P (x − y(m) , t − τn ) + b−n,m P (x − y(m) , t − τ−n ) , Si

Si

n=1

(507)

338

i = 1, 2,

mit den Abk¨ urzungen ufi (x − y, t − τ ) =uFi (x − y, t − τ ) − G(♦; x − y)δ(t − τ ),

(508)

P (x − y, t − τ ) =P (x − y, t − τ ) − P (x − y)δ(t − τ ).

(509)



Fi

St

geschrieben werden. In M.A. Augustin (2014) wird gezeigt, dass man auf die fi-Anteile weitgehend verzichten kann, und es werden dort auch in Anlehnung an W. Freeden (1980) Dichteresultate f¨ ur diese Ans¨ atze in einem gewissen L¨osungsraum bewiesen. In Ermangelung geeigneter Inputdaten aus der geothermischen Praxis kann in einem ersten Testschritt die Effizienz der Methode der Fundamentall¨ osungen synthetisch dadurch illustriert werden, dass eine bestimmte Variation einer Fundamentall¨osung vorgegeben und mit der Methode der Fundamental¨osungen approximiert wird. Dies zeigt akzeptable Approximationsgenauigkeiten sowohl in der Orts- als auch Zeitabh¨angigkeit (vgl. M.A. Augustin (2015)).

23.3 Dekorrelation mittels Mollifier-Fundamentall¨ osungen Die Herausforderung f¨ ur die Zukunft besteht nun darin, aus den Fundamentall¨osungen geeignete Mollifier-Skalierungs- und Waveletfunktionen zu gewinnen und mit Hilfe der Dekorrelation Detailstrukturen sichtbar zu machen, die im Gesamtbild der Approximation nicht oder nur unscharf zu erkennen sind. Wir merken an, dass die Fundamentall¨osungen, je nach Typ, zum einen durch Mollifikation in einer ortsabh¨angigen Variable zu ersetzen sind und zum anderen ein taylorisierter Mollifier ben¨otigt wird, der Orts- und Zeitabh¨ angigkeit ber¨ ucksichtigt. Dies ist erforderlich, damit die taylorisierten Fundamentall¨osungen die Eigenschaften einer approximativen Identit¨ at erf¨ ullen und damit die Grundvoraussetzung zur Faltung mit den Daten gegeben ist. Wie u ¨blich, ergeben sich dann durch Faltung mit den entsprechenden Skalierungsfunktionen Mollifier-Versionen (Tiefpassfilter) von u und p. Die f¨ ur Dekorrelationszwecke ben¨otigte Bandpassfilterung mittels Wavelets erh¨ alt man standardm¨aßig durch Differenzenbildung von Mollifier-Versionen zu zwei verschiedenen Parametern. F¨ ur weitere Details zur Entwicklung von Dekorrelationstechniken in der Poroelastizit¨at sowie die Behandlung eines thermisch gekoppelten Modells und die Formulierung resultierender Gleichungen verweisen wir auf die sich in der Vorbeitungsphase befindliche Dissertation B. Kretz, Arbeitsgruppe Geomathematik der Universit¨at Siegen (Leiter: Prof. Dr. V. Michel).

339

Liste der Symbole N0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Menge der nicht-negativen ganzen Zahlen N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Menge der nat¨ urlichen Zahlen Z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Menge der ganzen Zahlen R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Menge der reellen Zahlen C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Menge der komplexen Zahlen Rq . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . q-dimensionaler Euklidischer Raum R(s) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Realteil von s ∈ R I(s) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Imagin¨ arteil von s ∈ C x, y, z . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elemente in R3 x · y . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skalarprodukt von Vektoren im R3 x ⊗ y . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tensorprodukt von Vektoren im R3 x ∧ y . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vektorprodukt von Vektoren im R3 |x| . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Euclidische Norm von x ∈ R3 ei , i = 1, 2, 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . kanonisches Orthonormalsystem im R3 δi,j . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kronecker-Symbol C (k) , Lp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klassen skalarer Funktionen c(k) , lp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Klassen vektorieller Funktionen c(k) , lp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Klassen tensorieller Funktionen F, G . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . skalarwertige Funktionen f, g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vektorwertige Funktionen f , g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tensorwertige Funktionen F |M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Restriktion der Funktion F auf M a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matrix im aT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transponierte der Matrix t in det a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Determinante der Matrix t in i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Identit¨ atstensor im

Rq×q Rq×q Rq×q Rq×q

{. . .} . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Menge von Elementen ∅ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . leere Menge ∈ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Elementzeichen ∪ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinigung ∩ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schnitt ⊂ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ist enthalten in [x] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gr¨ oßte nat¨ urliche Zahl ≤ x o, O . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landau-Symbole

340 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7

B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebiet im R3 B = B ∪ ∂B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschluss von B ∂B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rand von B ||B|| . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volumen des Gebietes B im R3 α(x) . . . . . . . . . . . . . . . . . Raumwinkel bez¨ uglich der Fl¨ ache ∂B im Punkt x ∈ R3 S2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einheitssph¨ are um den Nullpunkt S2R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sph¨are mit dem Radius R um S2R (y) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sph¨are mit dem Radius R um B3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einheitskugel um B3R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Kugel mit Radius R um B3R (y) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Kugel mit Radius R um

0 0 y 0 0 y

im im im im im im

R3 R3 R3 R3 R3 R3

= 1, 2, 3, . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . partielle Ableitungen im R3 ∇ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gradient im R3 ∇· . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Divergenz im R3 ∇ ⊗ ∇ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hesse-Tensor im R3 Δ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laplace-Operator im R3 ξ, η, ζ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Punkte der Einheitssph¨ are S2 ∗ ∇ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Fl¨ achengradient auf S2 ∗ ∇ · . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fl¨ achendivergenz auf S2 ∗ Δ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beltrami-Operator auf S2 ∂ ∂xi , i

dx . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Volumenelement (bez¨ uglich der Variablen x) dS(ξ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fl¨achenelement (bez¨ uglich der Variablen ξ)

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Sachverzeichnis ¨ Aquipotentialfl¨ ache, 32 Absolutgravimeter, 39 akustisch basierte Seismik, 300 akustische Wellenmodellierung, 303 Alsbachschacht, 219, 220 Altimetrie, 37 anharmonisch, 86, 286 approximierende Identit¨ at, 102 Haar-Kern, 146 Aquifer, 22 Atmosph¨ arische Reduktion, 214 Außenraum, 68, 69 Bandpassfilterung, 106 Baumstruktur EGM, 105 bayerisches Molassebecken, 279 Bereinigungsprinzipien Gravimetrie, 213 BG-Methode, 89 biharmonisch, 318 Born-Rytov-Approximation, 310 Bougueranomalie, 58 Kerngebiet Burbach, 243 Saarland, 228, 230 Bouguerplattenreduktion, 214 Bouguerreduktion, 57, 233 BP-Dichtemodell, 157 BP-Modell, 159, 276 Brunsche Formel, 50 Cauchy-Navier-Gleichung, 317 CBM Bexbach, 24 CBM-Messkampagne, 208 CG-6 Gravimeter, 225 Datenentrauschung, 164 Datenerfassung, 201, 213 Datenkompression, 92, 158, 159

Datenkorrekturbedarf, 225 Datenmodel BP, 158 Marmousi, 155 de la Vall´ee-Poussin-Kern, 149 Deklination, 4 Dekorrelation, 95 Dekorrelation des Geoids, 247 Dekorrelative Gravimetrie, 166 Denoising, 92 Dichte, 39 Dichtebestimmung Nettleton-Verfahren, 234 Dichtekontrast Salzstock, 18 Dichtemodell BP, 157, 158 Marmousi, 151, 153 Dichteverteilung, 83 Traunreut, 279 Differentialgleichung Poisson, 71 Vening Meinesz, 128 Dipolfeld, 67 Punkt, 67 Punktsystem, 68 Dipolpotential Punkt, 65 Punktsystem, 68 Dirac-Funktion(al), 146 direkte Magnetometrie, 296 direktes Problem, 81, 84 Earth’s Gravitational Model (EGM), 104 EGM, 105, 107 einfallendes Wellenfeld, 309 elastisch-basierte Seismik, 315 Elastizit¨ atstensor, 316 elastostatischer Zustand, 318 Enhanced Geothermal System (EGS), 22

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© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 W. Freeden und M. Bauer, Dekorrelative Gravimetrie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61908-7

Entwicklungsetappen geowissenschaftliche, 3 Erdellipsoid, 33 mittleres, 57 Erdoberfl¨ ache, 33 Erdw¨ armesonden, 22 Erkundung seismisch, 23 Euklidische Geometrie, 7 Exploration, 3 F¨ undigkeit, 24 Fallbeschleunigung, 30, 33 Deutschland, 32 fast wavelet transform, 97 Fl¨ achenpotential doppelte Belegung, 69 einfache Belegung, 68 Forschungsprojekt ¨ GEOFUND, 288 SPE, 288 SYSEXPL, 288 Frame, 95 Freiluftanomalie, 59 Frequenzlokalisation, 96 Frequenzraum, 95 Fundamentalgleichungen Physikalische Geod¨ asie, 52 Fundamentall¨ osung Cauchy-Navier-Gleichung, 318 Laplace-Operator, 71 Fundamentall¨ osungen poroelastische Methode, 337 Gausssche Summenmethode, 183 gegl¨ atteter Haar-Kern, 102 Geist, 86 Gel¨ andekorrektur, 214 Geod¨ atisch relevante Geometrien, 38 ¨ GEOFUND, 288 Geoid, 33, 48 geoidale H¨ ohe, 49 Geoidundulation, 49, 247 Geologie Kerngebiet Burbach, 236 Saarland, 206 Geomathematik, 3, 5, 15 Geometrien geod¨ atisch relevante, 32 Geopotential, 32 Geothermische Energieanlagen Island, 141 geothermisches System Erdw¨ armesonden, 22

hydrothermal, 22 petrothermal, 22 Geschwindigkeitsmodell Marmousi, 153, 308 gestreutes Wellenfeld, 309 GNSS, 37 Gradiometer, 295 Gravimetrie, 38 absolute, 39 Bereinigungsprinzipien, 213 Eindeutigkeit, 86 Existenz, 86 Mollifier, 77 nichtlineares Minimierungsproblem, 265 schematische Darstellung, 284 Stabilit¨ at, 86 Gravimetrieproblem direktes, 81 inverses, 81, 83, 166 Gravimetrische Datenausgangslage Saarland, 207 Gravimettie inverse, 287 Gravitation, 29, 30 Gravitationsanomalie Island, 140 Gravitationsfeld, 30 Gravitationsgesetz Newton, 30 Gravitationspotential, 31 Gravitationssignaturen Hotspot, 107, 130 Mantelplume, 107, 130 Greensche Formel, 71 H¨ ohenbestimmung, 38 Haar Basis, 96 Haar-Funktion tensorielle, 320 Haar-Kern sph¨ arisch, 101 Haar-Skalierungsfunktion, 146 sph¨ arisch, 101 Haar-Waveletfunktion, 146 sph¨ arisch, 101 Haar-Wavelets, 101, 169 Hadamardsche Klassifikation, 87, 286 harmonisch, 69, 286 Hawaii seismische Tomographie, 136 Heisenbergsche Unsch¨ arferelation, 96 Helmholtz-Kern, 309 homogen, 317

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horizontal, 47 Hunsr¨ uck-S¨ udrand-St¨ orung, 231 Innenraum, 68, 69 Integraldarstellung Newton, 71 Interpolation, 273 inverse Abbildung, 86 inverse Gravimetrie, 166, 272 inverse Magnetometrie, 296 inverses Problem, 81, 89 Waveletregularisierung, 166 Inversion gravito-magneto, 75 isotrop, 316 Kerngebiet Burbach, 212 Koordinaten Schwerebeschleunigung, 17 Korrekturmethoden H¨ auser, 215 Mauern, 215 Korrelationskoeffizient, 193 Kreislauf, 16 Lam´e Parameter, 316 Laplace-Operator, 65 Laser-Entfernungsmessung, 37 Lotabweichung, 50, 128 Lotlinie, 31, 32, 47 Lotrichtung, 30, 32 magnetische Induktion, 74 magnetisches Feld, 74 Magnetisierung, 73 Magnetometer, 295 Magnetometrie schematische Darstellung, 298 Magnetometrieproblem direktes, 296 inverses, 296 magnetostatisches Potential, 73 magnetostatisches Feld, 73 magnetostatisches Potential, 68 Mainer Becken, 239 Marmousi Dichtemodell, 151, 153, 155 Geschwindigkeitsmodell, 153 Massen¨ anderung, 42 Massenaufkommen, 42 Mathematisierung, 16 Medium elastisch, 318 homogen, 317, 318

isotrop, 316, 318 Meissl-Schema, 109 Messkampagne Burbach, 208 Methode Fundamentall¨ osungen, 331 Migration, 302 Migrationsergebnis, 308 Model Synklinale, 239 Molassebecken bayerisches, 279 s¨ uddeutsches, 22 Mollifier, 91, 92 Mollifier-Dirac-Skalierungsfunktion, 174 Mollifier-Gravimetrie, 77 Mollifier-L¨ osung Randwertproblem, 108 Vening Meinesz Problem, 127 Mollifier-Lotabweichung, 127 Mollifier-Methode, 89, 92 Mollifier-Newton-Skalierungsfunktion, 167, 179 Mollifier-Newton-Spline Inversion, 263 Mollifier-Newton-Wavelet, 168, 179, 270 Mollifier-Newton-Wavelet Inversion, 263 Mollifier-Skalierungsfunktion Neumannsche, 116 Vening Meinesz, 130 Mollifier-St¨ orpotential, 115, 130 Hawaii, 133 Island, 137 Mollifier-Wavelet Neumannsches, 116 Vening Meinesz, 130 Mollifikation, 166, 275 Multiresolutionsanalyse, 96 Multiskalenapproximation, 106 Multiskalenmethode, 120 Multiskalenrekonstruktion EGM, 104 Multiskalenrekonstrution, 104 Multiskalenzerlegung, 96 akustische Seismik, 308 Gravimetrie, 285 Magnetometrie, 296 Poroelastizit¨ at, 318 Nettleton-Verfahren, 59, 233, 234 Newton-Integral, 71 Newton-Kern, 71, 167 sph¨ arisch, 112 Newton-Potentialoperator, 83 Newton-Spline-Approximation, 273 Niveaufl¨ ache, 31, 32 Niveaureduktion, 214

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Nivellement, 38 Normalschwerepotential, 47 Oberfl¨ achendekorrelation, 228 Saarland/Rheinland-Pfalz, 238 Oberfl¨ achengeologie Bandpassfilterung, 252, 253 Tiefpassfilterung, 252, 253 Oberfl¨ acheninterpretation, 228 Oberrheingraben, 22, 239 Operatorgleichung, 84 Gravimetrie, 82 Magnetometrie, 296 Ortslokalisation, 96 Ortsraum, 95 Pf¨ alzer Mulde, 239 Pizzetti-Voraussetzungen, 48 Poisson Differentialgleichung, 286 Poisson Differentialgleichung, 71 Poroelastische Dekorrelation, 331 poroelastische Grundgleichungen, 331 Poroelastizit¨ at, 23, 331, 339 Por¨ osit¨ at, 22 Potentialmethoden, 23 Prinzip Geomagnetik, 294 Gravimetrie, 294 Problem direktes, 81, 84 inverses, 79, 81, 89 schlecht gestelltes, 86, 87 wohlgestelltes, 86, 87 Punktmasse Gravitationsfeld, 64 Gravitationspotential, 64 Punktmassensystem Gravitationsfeld, 65 Gravitationspotential, 65 Quasigeoid Rheinland-Pfalz, 247 Raumwinkel, 72 Reduktion topographisch, 214 Regularisierung, 11, 84 Backus-Gilbert Methode, 89 Filtermethoden, 89 Iterativmethode, 89 Klassifikation, 87 Multiskalenmethode, 89 Projektionsmethode, 89

Tikhonov-Typ, 89 Relativgravimeter, 40, 210 reproduzierender Kern, 188, 189 Resolutionsmenge skalen- und positionsabh¨ angig, 164 Rheinisches Schiefergebirge, 251 S¨ aulenmodell TU Kaiserslautern, 24 Saar-Sprung, 255 Saarland, 201 Datenerfassung, 201 Geologie, 202 politische Entstehung, 201 Salzstock gravimetrische Signale, 18 Satellite-Gravity-Gradiometry (SGG), 275 Satellite-to-Satellite-Tracking (SST), 275 Satellitengeod¨ asie, 33, 275 schematische Darstellung Gravimetrie, 284 Magnetometrie, 298 Seismik, 314 Schl¨ usseltechnologie Geomathematik, 16 schlecht gestelltes Problem, 86, 91 Schwere, 29 Schwereanomalie, 32, 51, 53 Schwerebeschleunigung, 30 Schweredatens¨ atze, 213 Schwerefeld, 30 Anwendungsfelder, 29 Schwereintensit¨ at, 30, 33 Schwerepotential, 31, 47 Schwerest¨ orung, 51, 53 Schwerewirkung H¨ auser, 218 Mauer, 216 seimisches Prozessing, 308 Seismik akustisch basiert, 300 elastisch-basierte , 315 schematische Darstellung, 314 Seismische Tomographie Hawaii, 136 Seismizit¨ at induziert, 23 Seismogramm, 301 SGG, 37 Signal gravimetrisch, 19 skalendiskret, 102 skalenkontinuierlich, 102

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Skalierungsfunktion, 97 Skalierungsparameters, 97 Smoothing, 273 Spannungsfeld, 23 Spannungstensor, 316 SPE, 288 SPE-Messkampagne, 209 Spline Interpolation, 194 Smoothing, 194 Spline-Wavelet Mollifier, 193 SST, 37 St¨ oreffekt, 225 St¨ orpotential, 48 St¨ orschwerefeld, 48 St¨ orung Dipol, 142 Monopol, 142 Summenmethode Gauss-Funktionen, 183 SYSEXPL, 288 Tachymetrie, 210 Thermalwasser, 22 Threshold Kompression, 159 Threshold-Sch¨ atzer, 165 Tiefbohrungen Saarland, 235 Tiefenbestimmung, 142 Tiefeninterpretation, 262 Tiefenmodellierung, 262 Tiefpassfilterung, 106 Transportprozesse, 23 Trier-Bitburger Bucht, 251 Trierer Bucht, 239 TU Kaiserslautern S¨ aulenmodell, 24 Ursache, 84

Vening Meinesz Differentialgleichung, 128 Vereinheitlichung, 213 vergrabene St¨ orung Dipol, 142 Monopol, 142 vertikal, 47 Volumenpotential, 70 Wavelet, 94 Waveletbasis, 95 Waveletdekorrelation, 94 Waveletfunktion, 97 Waveletkovarianz skalen- und positionsabh¨ angig, 164 Waveletrekonstruktion, 119 Wavelets Basiseigenschaft, 97 Dekorrelationsf¨ ahigkeit, 97 schnelle Algorithmen, 97 Wavelettransformation, 97 Waveletvarianz skalen- und positionsabh¨ angig, 164 Wellenmodellierung akustische, 303 Geschwindigkeitsst¨ orung, 310 Wellenfeldpotential, 310 Wirkung, 84 Wittlicher Senke, 239 wohlgestelltes Problem, 86 Wohlgestelltheit, 91 Zentrifugalbeschleunigung, 31, 34 Zentrifugalfeld, 30 Zerlegung Bougueranomalie Kerngebiet Burbach, 244–246 Saarland/Rheinland-Pfalz, 240 Zerlegung Bougueranomalien Saarland/Rheinland-Pfalz, 241 Zerlegung Quasigeoid Rheinland-Pfalz, 248, 249 Zooming-In, 94, 96

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