Das Verzeitungssystem des Englischen und seine Textfunktion 3484301406, 9783484301405

Die Buchreihe Linguistische Arbeiten hat mit über 500 Bänden zur linguistischen Theoriebildung der letzten Jahrzehnte in

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Das Verzeitungssystem des Englischen und seine Textfunktion
 3484301406, 9783484301405

Table of contents :
INHALT
0. VORWORT
1. EINLEITUNG
2 . INHÄRENTER ZEITBEZUG (GESCHEHENSKONZEPTE UND VERZEITUNGSPOTENTIAL)
3. DAS ZEITADVERBIALE
4. TEMPUS UND ASPEKT IM ENGLISCHEN
5. DIE VERZEITUNGSSTRUKTUR VON ERZÄHLTEXTEN
6. ZUR PRAKTISCHEN AUSWERTUNG UNSERER ANALYSEN
7. ERGEBNISSE
ANHANG
LITERATURVERZEICHNIS

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Linguistische Arbeiten

140

Herausgegeben von Hans Altmann, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

Alfred Schopf

Das Verzeitungssystem des Englischen und seine Textfunktion

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1984

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Schopf, Alfred: Das Verzeitungssystem des Englischen und seine Textfunktion / Alfred Schopf. - Tübingen : Niemeyer, 1984. (Linguistische Arbeiten ; 140) NE: GT ISBN 3-484-30140-6

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1984 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt.

INHALT

0.

VORWORT

XIV

1.

EINLEITUNG

1

1.1 1.1.1 1.1.1.1 1.1.1.2 1.1.2 1.1.2.1 1.1.2.2 ' 1.1.3 1.1.3.1 1.1.3.2 1.1.3.3 1.1.4 1.1.4.1 1.1.4.2 1.2 1.2.1 1.2.1.1 1.2.1.2 1.2.2 1.2.2.1 1.2.2.1.1 1.2.2.1.2 1.2.2.1.3 1.2.2.1.4 1.2.2.2 1.2.2.2.1 1.2.2.2.2 1.2.2.2.3 1.2.3 1.2.3.1 1.2.3.2 1.2.4 1.2.4.1

Einige Hinweise zum Wesen der Zeit Zeit als Quantum, Zeit als lebendige Dauer Zeitintervalle Die Erfahrung von Zeitobjekten oder Dauergegenständen Das Fließen der Zeit Zeitfluß (Werden) und Zeitrichtung in den Naturwissenschaften Zeitfluß als psychische Erfahrung Der Begriff des Jetzt Das Jetzt als Grenzwert Die psychologische oder streckenhafte Präsenz Das deiktische oder teleskopische Jetzt Die Orientierung in der Zeit Ordnung der Ereignisse als vergangen, gegenwärtig und zukünftig Ordnung der Ereignisse als gleichzeitig, früher oder später Verzeitungssystem des Englischen in schematischer Darstellung Zeitbezug im lexikalischen Bereich Lexikalische Klassen und Geschehenskonzepte Das Zeitadverbiale Tempus und Aspekt Zur Analyse des englischen Tempussystems: traditionelle Ansätze Hans Reichenbach W. E. Bull Die Generative Grammatik Formallogische Ansätze Aspekt im Englischen Verschiedene traditionelle Ansätze Der formallogische Ansatz von D. R. Dowty Eigene Vorschläge Das englische Verbalsystem und sein systemhafter Zusammenhalt Kollokationsrestriktionen, Interdependenz Analogische und metaphorische Beziehungen Das englische Verbalsystem im Bereich der Pragmatik Zeitbezug (Tempus und Aspekt) in den Sprechakten

1 2 2 3 5 5 7 8 8 10 10 11 11 11 12 12 12 16 17 17 17 17 18 20

20

21 21 21 22 22 23 24 24

VI 1.2.4.2 1.2.5 1.2.5.1 1.2.5.2 1.2.5.3 1.2.5.A 1.2.5.5 1.2.6 1.2.6.1 1.2.6.2 1.2.6.3 1.2.6.4 1.2.6.5 1.2.7 1.2.7.1 1.2.7.2 1.2.7.2.1 1.2.7.2.2 1.2.7.2.3 1.3 1.3.1 1.3.2 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 2.

Indirekte Sprechakte und Tempus und Aspekt Einfache und komplexe Verzeitung Die zusammengesetzten Tempora in der Generativen Grammatik Die Verzeitung modal modifizierter Sätze Verzeitung in Komplementsätzen Konditionalsätze und ihre Verzeitung Temporale Satzgefüge und ihr Zeitbezug Komplexe Verzeitungsgrundlage (mehrere Zeigfelder) Direkte Rede und indirekte Rede Erlebte Rede Erlebte Wahrnehmung Innerer Monolog Weitere Fragestellungen zur komplexen Verzeitung Verzeitung in Texten Chronologie der Ereignisse unserer Erfahrung und Chronologie von Geschichten (Handlungsfolgen) Kompositionelle Modifikation der Verzeitung von Handlungsfolgen (Geschichten) Reihung der Ereignisse (stringing) Gruppierung der Ereignisse (clustering) Die Anordnung der Referenzpunkte (Rück- und Vorgriff) Das komplexe Zeitgeflecht in narrativen Großformen Rekonstruktion der chronologischen Ereignisfolge mit Hilfe der sprachlichen Verzeitungssysteme Die Vermittlung des englischen Verzeitungssystems als sprachdidaktische Aufgabe und literaturwissenschaftliche Propädeutik Praktische Anwendung des analytischen Apparates Verzeitungspartitur als analytisches Werkzeug Verzeitungspartitur als Grundlage für die Rekonstruktion von Texten (Textsynthese) Beschäftigung mit Zeit und Verzeitungssystems ein Beitrag zur Allgemeinbildung

25 25 26 26 28 29 30 32 32 32 33 33 33 34 34 34 34 35 35 36 36 37 37 37 37 38

INHÄRENTER ZEITBEZUG (GESCHEHENSKONZEPTE UND VERZEITUNGSPOTENTIAL)

39

2.1 2.1.1

39

2.1.2 2.1.2.1 2.1.2.2 2.1.2.3 2.1.2.4 2.1.2.5 2.1.2.6 2.2 2.2.1 2.2.1.1 2.2.1.2

Klassenbildung im Bereich des inhärenten Zeitbezugs Nichtabschließbarkeit der Klassenbildung nach inhaltlichen Komponenten Klassenbildung zum Zwecke der Beschreibung der Tempus- und Aspektwahl im Englischen Die englischen Verben der Sinneswahrnehmung und die erweiterte Form Die Verben der Lage im Raum und die erweiterte Form Die sogenannten "private verbs" und die erweiterte Form Die sogenannten "status verbs" und "process verbs" Vendlers "generic" und "specific states" und Magnus Ljungs "close fits" und "loose fits" Explizit performative Verben (Koinzidenzverben) Klassenbildung und inhärenter Zeitbezug Zur Geschichte der Frage nach dem inhärenten Zeitbezug Erste Ansätze zu dieser Diskussion in der Antike Aktionsart und Aspekt

39 39 40 40 40 41 42 43 45 45 45 46

VII 2.2.1.3 2.2.1.4 2.2.1.4.1 2.2.1.4.2 2.2.1.4.3 2.2.1.4.4 2.2.1.5 2.2. 1.5. 1 2.2.1.5.2 2.2.1.6 2.2.1.6.1 2.2.1.6.2 2.2.1.7 2.2.1.7.1 2.2.1.7.2 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.2.3 2.2.2.4 2.2.2.4.1 2.2.2.4.2 2.2.2.4.3 2.2.2.5 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.3.1 2.3.3.2 2.3.3.3

2.3.3.4 2.3.4 2.3.4.1 2.3.4.1.1 2.3.4.1.2 2.3.4.1.3 2.3.4.1.4 2.3.4.1.5 2.3.4.2 2.3.4.3 2.3.4.3.1 2.3.4.3.2 2.3.4.3.3 2.3.4.4 2.3.4.4.1

Η. Β. Garey und R. L. Allen 47 Die sprachanalytische Philosophie 48 Gilbert Ryle 49 Zeno Vendler 50 Anthony Kenny 52 Michael Bennett und Barbara Partee 54 Die Generative Semantik 55 H. J. Verkuyl 56 David R. Dowty 59 Die Analyse von Geschehenskonzepten nach räumlichen Kriterien 65 Marilyn E. Jessen 65 Ronald W. Langacker 67 Neueste Beiträge 71 Lauri Carlson 71 Alexander P. D. Mourelatos 76 Überblick über Klassifizierungsverfahren für Prädikats- und Satzbegriffe 78 Nichtabschließbarkeit der inhaltlichen Klassenbildung 78 Wirksamkeitsbereich des inhärenten Zeitbezugs 79 Vieldeutigkeit der Ausdrücke bezüglich des inhärenten Zeitbezugs 79 Klassifikationsprinzipien 79 Klassen als (ungeordnete) Mengen von Bedeutungskomponenten: strukturelle und generative Semantik 79 Phasenstrukturelle Klassen oder Geschehenskonzepte 80 Quantitativer Zeitbezug, Potentialität und 80 Aktualität, Verzeitungspotential von Prädikaten Gemischte Klassenbildung für die Beschreibung des englischen Verzeitungssystems 81 Klassenbildung als Zeitschemata oder Phasenstrukturen 81 Einwendungen gegen Klassenbildung dieser Art 81 Der Satzbegriff als Domäne inhärenten Zeitbezugs 83 Methoden zur Erfassung inhärenten Zeitbezugs 84 Die physikalische Wirklichkeit 84 Die Wahrnehmungswirklichkeit 84 Der innersprachliche (intralinguale) Nachweis der Klassen: Kollokationen und Umdeutungsprozesse: die erweiterte Verbform, Zeitadverbiale usw. 84 Logische Folgesätze und Präsuppositionen als Kriterien der Klassenbildung 86 Die Geschehenskonzepte des Englischen 89 Zustände 89 Zustände als Wahrnehmungswirklichkeit 90 Die interne Phasenstruktur der Zustände 90 Die Zeitstufenimplikation der Zustände 92 Zustände und Präsuppositionen 93 Prädikate der Lage im Raum: Zustände? 94 Einfache Prozesse 95 Quantifizierte Prozesse 97 Initial und final determinierter Prozeß 98 Initial determinierter Prozeß 98 Das punktuelle Ereignis 99 Veränderung mit spezifischem Vor- und Nachzustand 102 Die punktuelle Veränderung 103

Vili 2.3.4.4.2 2.3.4.5 2.3.4.5.1 2.3.4.5.2 2.3.4.5.3 2.3.4.6 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.4.3 2.5

2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4

3.

Prädikate des Typs look away Gerichtete Prozesse Der unquantifizierte gerichtete Prozeß Der gerichtete Prozeß mit Initialphase Der quantifizierte gerichtete Prozeß Die "achievement"-Prädikate Quantitativer Zeitbezug Außerzeitlich geltende Prädikate und Sachverhalte Zeitliche Erstreckung von Merkmal und Merkmalträger Nur als zeitweilig prädizierbare Prädikate Nur als feste Merkmale aussagbare Prädikate Prädikate mit mehrpoligem Verzeitungspotential Aktualität und Potentialität von Prädikaten Keine einheitliche Taxonomie für die relevanten englischen Prädikats- und Satzbegriffsklassen. Zusammenfassung der Merkmale Merkmale interner Strukturierung (Phasenstruktur) Inhärenter quantitativer Zeitbezug, Verzeitungspotential Polysemie der Ausdrücke bezüglich inhärentem Zeitbezug Geschehenskonzepte und Verzeitungspotential: der Wirkungsbereich des englischen Aspekts

105 106 106 107 108 110 111 111 112 112 112 112 113

114 114 115 115 116

DAS ENGLISCHE ZEITADVERBIALE

117

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5

117 117 1 18 1 19 120 121 121 121 122

3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.3.9 3.3.9.1 3.3.9.2 3.3.9.3 3.3.9.3.1

Bisherige Ansätze zur semantischen Klassenbildung Grammar of Contemporary English W. E. Bull H . J . Verkuyl Das Zeitadverbiale in neuer Klassifizierung Orientierende und quantifizierende Adverbiale Skalare und Frequenzadverbien Intervall- und Rahmenadverbiale Vektoren und Tensoren Vorzeitigkeit, Gleich- und Nachzeitigkeit im Zeitadverbial Sprech- und Referenzzeitbindung, ungebundene Adverbiale Objektive und subjektive Orientierung Kontextimplikationen im Zeitadverbial Reihenfolge-Adverbiale Einzelanalysen three days ago - three days before next week - the next week presently in seinen verschiedenen Bedeutungen for three days - during the day - within an hour since - soon - before - later before und once always - never - ever recently - lately - just Besonderheiten now - nowadays - these days Reihende Adverbiale Adverbiale mit Kontextimplikationen already

122 123 125 125 126 126 127 128 128 128 131 134 136 138 141 141 142 142 143

IX 3 .3 .9 .3..2 3 .3 .9 .3,.3 3 .3 .9 .3,.4

not yet still no longez

TEMPUS UND ASPEKT IM ENGLISCHEN 4. 1 4 .2 4 .2 . 1 4 .2 .2 4 .2 .2 . 1 4 .2 .2 .2 4 .2 .2 .3 4 .2 .2 .3 . 1 4 .2 .2 .3..2 4 .2 .2 .3 .3 4 .2 .2 .3 .4 4 .2 .2 .3 .5 4 .2 .2 .4 4 .2 .2 .4 . 1 4 .2 .2 .4 .2 4 .2 .2 .5 4 .2 .2 .5 . 1 4 .2 .2 .5 .2 4 .2 .2 .5 .3 4 .2 .2 .5 .4 4 .2 .3 4 .2 .3 . 1 4 .2 .3 .2 4 .2 .3 .3 4 .3 4 .3 . 1 4 .3 .2 4 .3 .3 4 .3 .3 . 1 4 .3 .3 .2 4 .3 .3 .3 4 .4 4 .4 . 1 4 .4 . 4 .4 . 4 .4 . 4 .4 . 4 .4 . 4 .4 . 4 .4 .

1. I 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7

4 .4 . 1.8 4 .4 . 1.9 4 .4 . 1. 10 4 .4 .2 4 .4 .2 . 1 4 .4 .2 .2

Zur Abgrenzung von Tempus und Aspekt Zur Geschichte der Tempus- und Aspektforschung Traditionelle Darstellungen Neuere, systemorientierte Ansätze William Diver W . F. Twaddell, M . Joos, H. Weinrich Generative Semantik Emmon Bach Rodney Huddieston James D. McCawley Wallace Chafe H. Vasudeva Reichenbach und Bull Hans Reichenbach William E. Bull Formallogische Ansätze Michael Bennett und Barbara Partee David Dowty Frank Vlach James D. McCawley Aspekttheorien Erwin Koschmieder Klaus Heger Bernard Comrie Methodologische Erwägungen Grund- oder Gesamtbedeutung und Verwendungstypen Onomasiologie und Semasiologie Unser Ansatz: Verwendungstypen und ihre Zusammenfassung Verwendungstypen im Interdependenzsystem des englischen Verbalsystems Das Zustandekommen der Verzeitungsleistungen Die unterschiedlichen Ebenen der Verzeitung Tempus und Aspekt im englischen Präsens Die Aspektopposition im Bereich der Phasenstruktur der Geschehenskonzepte Achievement-Sätze Accomplishment-Sätze Der gerichtete initialdeterminierte Prozeß Der unquantifizierte gerichtete Prozeß Die punktuelle Veränderung Das punktuelle Ereignis Der ungerichtete initial- und finaldeterminierte Prozeß Der ungerichtete initialdeterminierte Prozeß Der einfache ungerichtete Prozeß Die Zustände Die Aspektopposition und das Verzeitungspotential Punktualität und Durâtivität Semelfaktivität und Iterativität

149 154 156 160 160 161 161 162 162 166 176 177 179 183 188 194 203 204 208 212 212 215 218 221 223 223 224 225 230 230 231 233 233 234 234 235 235 235 236 240 241 241 243 244 244 245 246 251 251 252

χ 4.4.2.3 4.4.2.4 4.4.2.5 4.4.2.6 4.4.2.7 4.4.2.8 4.4.3 4.4.3.1 4.4.3.1.1 4.4.3.1.2 4.4.3.1.3 4.4.3.2 4.4.3.2.1 4.4.3.2.2 4.4.3.2.3 4.4.4 4.4.4.1 4.4.4.2 4.4.4.3 4.4.4.4 4.4.4.5 4.4.4.5.1 4.4.4.5.2 4.4.4.5.3 4.4.4.5.4 4.4.4.6

4.4.4.7 4.5 5.

Außerzeitlichkeit Koextensivität und Variabilität Potentialität und Aktualisierung Aktualisierbarkeit und Nichtaktualisierbarkeit Satzbegriffe und ihr Verzeitungspotential Verwendungstypen im Bereich des Verzeitungspotentials Die Funktion der Aspektformen Zusammenfassung der Funktionen der einfachen Form Die Funktionen der einfachen Form im Bereich der Phasenstruktur Im Bereich des Verzeitungspotentials Die distinktiven Merkmale der einfachen Form Die Funktionen der erweiterten oder Progressivform Im Bereich der Phasenstruktur der Geschehenskonzepte Im Bereich des Verzeitungspotentials Die distinktiven Merkmale der Progressivform Die paradigmatisch-kontrastive Zuordnung der Verwendungstypen Imperfektives und perfektives Präsens Verlaufs- oder Prozeßpräsens vs. Zustands- oder faktisches Präsens Zeitwiliges und außerzeitliches bzw. koextensives Präsens Aktuelles Präsens und unbegrenztes Präsens Der Kernbereich des Verbalsystems und Randerscheinungen Das interpretative Präsens Das kontinuative Präsens Das erweiterte Präsens mit Futurbedeutung Das performative Präsens Zusammenfassendes Schema zur paradigmatischkontrastiven Zusammenordnung der Verwendungstypen des Präsens Aspekt und Tempus als noch in der Entwicklung begriffenes System Rückblick

DIE VERZEITUNGSSTRUKTUR VON ERZÄHLTEXTEN 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.2.1 5.3.2.2 5.3.2.3 5.4 5.5

Chronologische Ereignisfolgen und die Verzeitungsstruktur von Erzähltexten Der zeitvergleichende Satz (Hans Reichenbach) Reihung und Gruppierung von Ereignissen in Erzähltexten Reihende Darstellung der Ereignisse Gruppierende Darstellung (clustering) Die sekundären Tempora in der gruppierenden Darstellung Satzgefüge mit zeitvergleichenden Konjunktionen Relative Zeitadverbiale in Satzreihen Autonome und relative Zeitreferenz - texteröffnende und kontextgebundene Adverbiale Kontextimplikation als Textfunktion

253 254 255 255 256 257 258 258 259 259 260 261 26 1 262 262 263 263 265 266 268 268 269 270 271 271

271 272 275 277

279 280 281 282 283 283 285 287 290 291

XI 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 5.6.5 5.6.6 5.6.7 6.

Das Zeitadverbiale und die Darstellungsformen für Rede und Gedanken Die aktuelle Rede Direkte Rede Indirekte Rede Berichtete Rede Erlebte Rede und erlebte Wahrnehmung Innerer Monolog Rückblick und kontrastives Schema zu den Redeformen

294 294 295 295 296 297 309 310

ZUR PRAKTISCHEN AUSWERTUNG UNSERER ANALYSEN

314

6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.1.1 6.3.1.2 6.3.1.3 6.3.1.4 6.3. 1.5 6.3.1.6

314 315 315 315 315 318 320 331 333

6.3.1.7 6.3.1.8 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.2.1 6.4.2.2 6.4.2.3 6.4.2.4 6.4.2.5 6.4.2.6 6.4.2.7 6.4.2.8 6.4.2.9 6.4.3 6.4.4 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.6 6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.6.4 6.6.5 6.6.6 6.7

Allgemeine Grundsätze Das Verzeitungssystem in seinen Teilsystemen Zur Darstellung des Verbalsystems Die Tempora und Reichenbachs Notationssystem Present Tense Past Tense Present Perfect Past Perfect Future I "Posterior past", Conditional I, be + to + infinitive, to be going to Future II Conditional II Das Zeitadverbiale Das Zeitadverbiale bei H. Reichenbach und R. Bäuerle Das Zeitadverbiale in der Textpartitur Kalendarische Daten Sprechzeitgebundene Zeitadverbiale Referenzzeitgebundene Zeitadverbiale Intervalladverbiale Rahmenadverbiale Vektoren und Tensoren Mehrdeutigkeit im Adverbiale Kontextimplikationén (non-logical implications) Einige praktische Hinweise zu komplexen Adverbialen Einige praktische Analysen Abschließende Bemerkungen zur Darstellung des Adverbiale Der zeitvergleichende Satz (Temporalsatz) Unterschiedliche syntaktische Typen des zeitvergleichenden Satzes Verzeitungsleistung des Temporalsatzes Der textuelle Anknüpfungspunkt für das relative Zeitadverbiale Zur Darstellung der Redeformen Erzählbericht Indirekte Rede Direkte Rede Erlebte Rede Innerer Monolog Praktische Analysen: R. Wright: Native Son, S. Woolf: The Years, J. Joyce: Ulysses Zur Rückübersetzung v o n Diagrammen (Partituren) in Text

336 338 339 340 340 342 344 344 345 346 347 348 349 350 351 353 353 354 354 356 358 363 364 365 366 367 369 371 375

XII 6.8 6.8 . 1 6.8 .2 3.8 .3 6.8.4 6.8 .5 6.9 6.9 . 1 6.9 .1.1 6.9 . 1.2 6.9 6.9 6.9 6.9 6.9 7.

.1.3 . 1.4 .2 .2.1 .2.2

Die Abfolge der Referenzpunkte im Text Implizite und explizit signalisierte Abfolge der Referenzpunkte Referenz- oder Ereigniszeit als Bezugspunkt für das Zeitadverbiale Autonome Referenzpunkte Referenzpunkte im Zeigfeld der dargestellten Figur Der Normalfall: chronologische Abfolge der Referenzpunkte Die Textpartitur in Funktion Die Partitur als Analyseinstrument (B. Malamud: The Assistant) Erster Analyseschritt: Zerlegung der Sätze in Teilsätze Verwandlung der Teilsätze in Satzbegriffe (Propositionen) Das Ergebnis der Analyse: die Textpartitur Erläuterungen zur Textpartitur Die Rekonstruktion des Texts aus der Partitur Die Partitur Einige Hinweise zur Rekonstruktion

ERGEBNISSE 7.1

7.2 7.3 7.4 7.4.1 7.4.1.1 7.4.1.2 7.4.2 7.4.2.1 7.4.2.2 7.5

377 378 380 380 381 383 383 383 384 386 387 393 394 394 400 402

Die entwickelten Analysekriterien für das Zeitadverbial als Ausgangspunkt für seine Gesamtdarstellung und bessere Beschreibung im Lexikon Das Verzeitungssystem des Englischen in seinen Subsystemen Das entwickelte Notationssystem als Vorschule für formallogische und textlinguische Darstellungen Auswertbarkeit des Systems in seiner analytischen und synthetischen Funktion Seine analytische Funktion im Dienste sprachpraktischer Unterweisung Motivierende Funktion des Systems im Spracherwerb Ableitung neuer Unterrichtsformen aus der Struktur des englischen Verzeitungssystems Seine synthetische Funktion im Dienste sprachpraktischer Unterweisung Die Umsetzung der Diagramme in Text als sprachpraktische Aufgabenstellung Die Textpartitur als Mittel zur Schulung in den Erzähltechniken Beitrag des Systems insgesamt zur besseren L e h r und Lernbarkeit des Englischen

402 402 403 404 405 405 405 406 406 407 407 408

ANHANG Text 1 (entnommen aus R. Wright: Native Son) zum Diagramm S. 376. Text 2 (entnommen aus E. Hemingway: To Have and Have Not) zum Diagramm S. 377. Text 3 (entnommen aus C. McCullers: The Heart is a Lonely Hunter) zum Diagramm S. 395-399. Liste der Teilsätze für den Ausschnitt aus C. McCullers: The Heart is a Lonely Hunter.

408 408 408

409

XIII LITERATURVERZEICHNIS I II III IV

Textquellen Grammatiken Wörterbücher Allgemeine Bibliographie

411 411 411 411 411

0.

VORTORT

Dieses Buch ist als Vorstudie oder Vorentwurf für ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Forschungsprojekt gedacht.

Dieser Bestim-

mung entsprechend liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit deshalb eher in der Entwicklung neuer Fragestellungen und in der Skizzierung eines umfassenden Rahmens für sie und die angedeuteten Lösungen als in der präzisen und erschöpfenden Untersuchung und Darstellung von Detailfragen. Das angesprochene Projekt setzt sich, wie im Titel dieses Buches angedeutet, die Darstellung des englischen Verzeitungssystems einschließlich seiner Textfunktion zum Ziele.

In diesem Rahmen sind neben der englischen Version

dieses Buches (Bd. 1) die folgenden weiteren Untersuchungen in englischer Sprache geplant: Event (Bd. 2) - The English (Bd. 4) - Temporal Modals Prose

Types

and Tensing

Time Adverbial

Ordering

(Bd. 6) u n d Narrative

Potential

in Sentence

(Bd. 3) - Tense

in Complex Techniques

Sentences

Concepts

and Aspect

(Bd. 5) - The

and the Time Structure

in

English

English of

English

(Bd. 7).

Für einige dieser Bände konnten bereits Bearbeiter gewonnen werden, aus dem Kreis meiner ehemaligen oder gegenwärtigen Doktoranden Frau Janet Harkness für Bd. 3, Frau Dr. Cornelia Hamann für Bd. 5, Frau Dr. Elizabeth CouperKuhlen für Bd. 7.

Ein weiterer Mitarbeiter, Dr. Richard Matthews, wird

einige Ergebnisse seiner bei Professor John Lyons angefertigten PhD Dissertation für Bd. 6 einbringen.

Wenn oben auf den Entwurfscharakter und die

Skizzenhaftigkeit dieses Buches hingewiesen wurde, so soll andererseits nicht unerwähnt bleiben, daß sein Verfasser von einer Reihe von Neuansätzen Auswirkungen und Anregungen in mehreren Bereichen erwartet.

Zu diesen Neu-

ansätzen zählt 1) der Umstand, daß die Interdependenzbeziehungen zwischen den Teilsystemen des englischen Verbalsystems ausdrücklich zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden, daß 2) nach der Funktion des Verzeitungssystems auch und insbesondere auf der Textebene gefragt, daß 3) die Zeichenfunktion und Kcmminikationsleistung sprachlicher Kategorien - man vergleiche die Ausführungen in den Abschnitten 4.4.4-4.5 (in Kapitel 4) - neu bedacht und

XVI schließlich 4) die praktische Auswertbarkeit der hier entwickelten Vorschläge mit erwogen wird.

Anregungen im Sinne der praktischen Auswertung unserer Vor-

schläge dürften sich sowohl bezüglich der Gestaltung des Englischunterrichts im Zweitsprachenerwerb, der Neugestaltung und Verbesserimg bestimmter Bereiche des Lexikons wie auch für die Textarbeit und das literaturwissenschaftliche Studium ergeben.

Die hier bezüglich der Redeformen und der Verzeitungs-

verfahren in Erzähltexten erarbeiteten Anhaltspunkte könnten, so meinen wir, nützlicher Bestandteil eines literaturwissenschaftlichen Propädeutikums werden. Das Buch möchte also sowohl im Bereich der Sprachpraxis und der sprachwissenschaftlichen Diskussion wie auch im Bereich des literaturwissenschaftlichen Studiums Anregungen vermitteln und dabei zugleich einen Anstoß zur Integration dieser drei mehr oder minder isoliert von einander ablaufenden Komponenten des heutigen Anglistikstudiums geben. Ein Wort sei schließlich noch dem in diesem Buche verwendeten Notationssystem gewidmet.

Sein vorwiegend graphischer Charakter verfolgt den Zweck,

die erörterten Sachverhalte möglichst anschaulich darzubieten und damit ihre didaktische Auswertung zu erleichtern.

Grundsätzlich sind mehrere andere

Nötationssysterre denkbar, z.B. eines auf der Grundlage rein sprachlicher Symbolik, wie es andeutungsweise in diesem Buche bei der Analyse von Zeitadverbialen skizziert worden ist. Das Buch verdankt sein Zustandekommen vielfacher Hilfe.

Zunächst habe ich

meinen oben erwähnten Mitarbeitern für wiederholte und anregende Diskussionen, insbesondere für Hinweise zum gegenwärtigen englischen Sprachgebrauch zu danken.

Bei der praktischen Erstellung des Buches hat Mr David Mace viel

Geduld und Geschick bei der Erstellung der vielen Schaubilder und Diagramme aufgewendet.

Für die Anfertigung des schwierigen Schreibmaschinenmanuskripts

für das Buch bin ich Miss Diana Pounsford zu Dank verpflichtet.

Das ermüdende

Korrekturlesen hat meine Assistentin, Frau Katherina Nanov-Schwehr übernonmen, und im die Überprüfung der Fußnoten und der Bibliographie hat sich Frau Gabriele Müller-Hepp gekürmert.

Frau Lydia Zillert hat mir mit der Über-

tragung meiner handschriftlichen Entwürfe in Schreibtnaschinenmanuskript geholfen.

Ihnen allen sei hiermit herzlich gedankt.

Für verbleibende Mängel bin selbstverständlich ich selbst verantwortlich. Freiburg im Breisgau, im März 1984

Alfred Schopf

1

EINLEITUNG

1.0

Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, eine Skizze des Ver-

zeitungssystems des Englischen zu entwerfen.

Daß es sich dabei nur um eine

Skizze handeln kann, ergibt sich daraus, daß die einzelnen Teilsysteme nicht erschöpfend dargestellt werden können.

Sie bedürfen eigener eingehender Unter-

suchungen, für die hier nur Ansatzpunkte und Richtlinien aufgezeigt werden sollen. Andererseits soll unsere Skizze aber doch einen umfassenden Umriß des Verzeitungssystems des Englischen darstellen und vor allem die internen wechselseitigen Bezüge der Teilkamponenten sichtbar werden lassen und seine Funktion auf den verschiedenen sprachlichen Ebenen aufzeigen.

1.1 Wie im Titel unseres Buches angedeutet, gehen wir davon aus, daß bestinmte sprachliche Kategorien, wie z.B. Tempus und Aspekt, etwas mit Zeit zu tun haben.1 Diese Annahme stellt uns vor die Frage nach unseren Vorstellungen van Wesen 2 3 der Zeit. Diese Frage gehört seit Aristoteles und Augustinus zu den perennierenden Problemen der Philosophie.

In unserer Epoche erhält sie eine beson-

dere Dringlichkeit durch das Auseinanderfallen des naturwissenschaftlichen und des menschlichen Zeitbegriffs, der Zeit der Physik und der Zeit des menschlichen 4 Bewußtseins. Kennzeichnend für Auffassungen der Zeit, wie sie aus dem Bereich der Rela-

1

2 3 4

Diese Annahme wird infrage gezogen. M a n vergleiche H . Heinrich 1964, insbesondere Kapitel 1. mit der Uberschrift "Tempus nicht Zeit". Heinrich modifiziert seine Thesen zwar in der zweiten Auflage, scheint jedoch seinen Vorbehalt gegen die Erklärung v o n Tempus und Aspekt aus der menschlichen Zeiterfahrung im wesentlichen aufrechtzuerhalten. W . D . Ross ed. 1930, Book IV, 218-224. Augustinus, Confessiones/Bekenntnisse (lateinisch u. deutsch) eingeleitet, übersetzt und erläutert v o n J. Bernhart, München 31955, II. Buch, 628/29 ff. Vgl. A . Schopf 1974, 7-16.

2 tivitätstheorie und der Quantenphysik kcmmen, ist die Infragestellung des Begriffs der absoluten Gleichzeitigkeit und damit des Begriffs des universalen kosmischen Jetzt. Damit verbunden ist die Leugnung des objektiven Charakters des "Werdens".^ Aber auch die Analyse des menschlichen Zeitbewußtseins, der natürlichen Zeiterfahrung, führt zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

So stellt Bergson

der reinen Dauer (durée pure) die verräumlichte Zeit gegenüber, "[in which] succession ... takes the form of a continuous line or chain,"® und Heidegger unterscheidet die lebendigen Ekstasen des Zeitfeldes van vulgären

Zeitbegriff der

"puren, anfangs- und endlosen Jetztfolge,die wir zum geometrischen Zeitbegriff im Bilde der euklidischen Geraden abstrahieren. Wir können die Diskussion um den Zeitbegriff nicht in allen Verzweigungen ο verfolgen. Was wir jedoch festhalten sollten, sind bestimmte Grundzüge der menschlichen Zeiterfahrung. 1.1.1 Wir messen die Zeit, d.h. stellen Zeitquanten fest und erfahren andererseits die Zeit als lebendige Dauer. .

1.1.1.1 Uhr und Kalender sind die öffentlichen Einrichtungen zur Festlegung von Zeitquanten.

Zeitquanten sind Intervalle zwischen zwei Zeitpunkten oder

Ereignissen. Der astronomische Tag ist ein Intervall dieser Art. Größere Intervalle bestimmen wir in der Regel als das Vielfache kleinerer Intervalle, andererseits können wir gegebene Intervalle in kleinere aufteilen, den Tag in 9 24 Stunden, die Stunde in Minuten usw. Wesentlich fur die menschliche Zeiterfahrung ist, daß wir jeweils nur vergangene Zeit, vielmehr Zeit im Vergehen messen können und daß gemessene Zeit, z.B. in der Form von Dauergegenständen nach der Messung als fixierte Größen festliegen. Nur vergangene Ereignisse haben ein definitives Zeitmaß, liegen in ihrer zeitlichen Erstreckung endgültig fest. Dauergegenstände oder Zeitobjekte, wie Edmund Husserl Melodien, Toneindrücke usw. nennt, sind dagegen, solange sie währen, keine Zeitquanten. 5 6 7 8 9

Vgl. hierzu H. Reichenbach, 1956, 11 ff., und Α. N. Prior, "The Notion of the Present" in J. T. Fraser, F. C. Haber und G. H. Müller 1972, 320-323. H. Bergson i960, 89 ff. und 100 ff. M. Heidegger 1967, 329, 350 et passim. Aus der Fülle der Literatur seien nur die folgenden Werke genannt: R. W. Meyer hrsg. 1964; R. M. Gale (ed.) 1968; F. W. von Herrmann 1971 u. P. Bieri 1972. Vgl. hierzu W. E. Bull 1968, 10 f.

3 1.1.1.2

Für die Analyse von Dauergegenständen hat wiederum Edmund Husserl

wesentliche Anregungen geliefert.

Festzuhalten wäre hieraus vor allem, daß

alles, was noch währt, z.B. Handlungen, Bewegungen, Prozesse und Sinneseindrücke, nicht als feste Zeitgestalt zugänglich ist.

Dies gilt von unserem

eigenen Dasein ebenso wie von allem, was mit uns dauert. faktisch

"Solange das Dasein

existiert," sagt Martin Heidegger, "ist es nie vergangen, wohl aber

inner schon gewesen im Sinne des ' ich bin gewesen '. sein, solange es ist. vorhanden ist.

Und es kann nur gewesen

Vergangen dagegen nennen wir Seiendes, das nicht mehr

Daher kann sich das Dasein existierend nie als vorhandene Tat-

sache feststellen, die 'mit der Zeit' entsteht und vergeht und stückweise schon •

„10

vergangen ist."

Dies gilt auch für die unmittelbare Wahrnehmung von Zeitobjekten wie Bewegungen und Melodien.

Von der Wahrnehmung einer Melodie sagt Edmund Husserl, daß

sie, die ganze Melodie, als gegenwärtig erscheint, "solange sie noch erklingt, solange noch zu ihr gehörige, in einem Auffassungszusanmenhang gemeinte Töne erklingen.

Vergangen ist sie erst, nachdem der letzte Ton dahin ist." 1 1

Die gleiche Auffassung vertritt Gernot Böhme, wenn er von Dauergegenständen sagt, daß sie sind, "was sie sind, nur in ihrem Verlauf," und daß die Zeit, "über die sie sich erstrecken, während sie sind, kein Quantum ist", wogegen erst die Zeit, die sie als vergangene, als Zeitgestalten umspannen, ein defini12 tives Maß hat.

Wichtig erscheint mir auch die Feststellung, daß von Dauer-

gegenständen wie Bewegungen oder Melodien etc., solange sie dauern, nicht behauptet werden darf, daß ein Teil von ihnen jeweils schon vergangen sei.

Es sei

unberechtigt, so Gernot Böhme, von solchen Teilen zu sprechen, weil sie nicht existieren, denn die Feststellung von Zeitpunkten innerhalb eines Dauergegenstands bringe jeweils eine Dauer zum Abschluß, die, "während sie dauerte, gegenwärtig war und mit der Feststellung des Zeitpunktes als ganze und ungeteilte Vergangenheit wird. Dauergegenstände sind aber dan Bewußtsein nicht gleichförmig gegeben.

Ed-

mund Husserl beschreibt inmanente Zeitobjekte wie Bewegungen, Melodien oder einfach einen erklingenden Ton wie folgt: Er hat einen Anfangs- oder Quellpunkt, der als Jetzt charakterisiert ist.

Im steten Fortgang der Wahrnehmung "finden wir

dann deis Merkwürdige, daß jede spätere Ablaufphase selbst ein Kontinuum ist und

10 11 12 13

M. E. G. G.

Heidegger 1967, 328. Husserl in M. Heidegger hrsg. (1928) 1980, 32. Böhme 1966, 4I. Böhme 1966, 43.

4 eine stetig sich erweiternde, eine Kontinuität von Vergangenheiten."

14

Endet

die Urinpression des Tons und ist Stille eingetreten, "so schließt sich an die letzte Phase keine neue Phase der Wahrnehmung an, sondern eine bloße Phase frischer Erinnerung, an diese aber wiederum eine solche usf. Dabei findet fortgesetzt eine Zurückschiebung in die Vergangenheit statt, die gleiche kontinuierliche Kcmplexion erfährt fortgesetzt einetodifikation,bis zum Verschwinden; denn mit der Modifikation geht eine Schwächung Hand in Hand, die schließlich in Unmerklichkeit endet.

Edmund Husserl nirmit also eine Be-

grenzung des in der Wahrnehmung gegebenen Zeitfeldes an: "Das originäre Zeitfeld ist offenbar begrenzt, ... Ja, im großen und ganzen wird man wohl die Behauptung wagen dürfen, daß das Zeitfeld immer dieselbe Extension hat. Es verschiebt sich gleichsam über die wahrgenommene und frisch erinnerte Bewegung und ihre objektive Zeit, ähnlich wie das Gesichtsfeld über den objektiven Raum. Damit bestätigt und modifiziert Husserl die Thesen W. Sterns über die Streckenhaftigkeit der psychischen Präsenzzeit,^ die heute aus der unterschiedlichen Speicherkapazität unserer Gedächtnisstufen (Ultrakurz-, Kurz- und Langzeit18

gedächtnis) erklärt würde. Die Urimpression im jeweiligen Jetzt ist jedoch nicht nur von einem Vergangenheitshorizont primärer Erinnerung, einer Abschattungsreihe von 19Retentionen, sondern auch von vorblickender Erwartung, von Pretention begleitet. Urimpression, primäre Erinnerung und primäre Erwartung konstituieren die streckenhafte psychische Präsenzzeit, die, so meinen wir, für die Deutung des imperfektiven Aspekts im Englischen und anderen Aspektsprachen von unmittelbarer Bedeutung ist. Wahrnehmung ist aber nicht nur die Verarbeitung hyletischer Daten im Gedächtnis, sie ist immer begleitet von kognitiven Prozessen. Wäre sie dies nicht, könnte man nicht verstehen, warum Zeitobjekte wie Melodien nicht als beziehungslose Folge von Toneindrücken, sondern als ganzheitliche Zeitgestalten, als Einheiten, als im Fluß der Zeit Identisches aufgefaßt werden können. Die Frage, inwiefern eine Bewegung oder Melodie etc. ein Ganzes ist, schon während sie geschieht, kann man deshalb mit Edmund Husserl dahingehend beantworten, daß wir 14 E. Husserl (1928) 1980, 23. 15 E. Husserl (1928) 1980, 25. 16 E. Husserl (1928) 1980, 25. 17 W. L. Stern 1897. Vgl. hierzu auch Α. Schopf 1974, 19 f. 18 Vgl. hierzu B. Hassenstein 1973, und H. Schnabl 1972. 19 E. Husserl (1928) 1980, 10: "Also höre ich jeweils nur die aktuelle Phase des Tones, und die Objektivität des ganzen dauernden Tones konstituiert sich in einem Aktkontinuum, das zu einem Teil Erinnerung, zu einem kleinsten, punktuellen Teil Wahrnehmung und zu einem weiteren Teil Erwartung ist."

5 ein Sichveränderndes, z.B. einen Vogel im Flug, auch wahrnehmen als "das Iden20 tische der Bewegung und Veränderung," d.h. daß wir es in kognitiven Akten identifizieren als das, was seine Qualität ausmacht, die Bewegung z.B. als Bewegung und die Melodie als Melodie. 1.1.2 Im Vorausgehenden war die Rede davon, daß die im Jetzt erfaßte Dauer z.B. eines Tones stetig indas Vergangene zurücksinke und ein inmer neuer Punkt der Dauer ins Jetzt trete oder jetzt sei; daß die abgelaufene Dauer sich vom aktuellen Jetztpunkt, der immerfort ein irgendwie erfüllter ist, entferne und 21

in intner fernere Vergangenheit rucke,

kurz, wir haben uns im Bilde vcm Fluß

der Zeit bewegt und haben davon gesprochen, daß das jeweilige Sinnesdatum der Wahrnehmung in die Vergangenheit wegfließe, haben also eine bestimmte Richtung des Zeitflusses unterstellt.

1.1.2.1 Die Frage des Zeitflusses wird auch in den Naturwissenschaften erörtert. Dabei haben sich zwei Standpunkte herausgebildet. Auf der einen Seite wird die Zeit als isotrop, d.h. ohne inhärente Richtung bezeichnet. Mehlberg, ein Vertreter dieser Richtung, formuliert seine Ansicht hierzu wie folgt: ... on presently available scientific evidence time should be considered as having no arrow or unique direction, and as involving no intrinsic (observerindependent) distinction between past and future ... the only plausible way of accounting for the fact that so many well-established and comprehensive laws of nature somehow conceal time's arrow fronts is simply to admit that there is nothing to conceal. Time has no arrow.

Im Zusanmenhang mit dieser These muß dann natürlich das Werden der Dinge und der Welt und ein universales Jetzt geleugnet werden. In einem Universum dieser Art, z.B. im vierdimensionalen Minkcwski-Universum, ist jeder vierdimensionale "Ort" mathematisch determiniert, so daß keiner dieser Orte gegenüber den anderen 23 durch eine besondere Qualität (z.B. als Jetzt) ausgezeichnet ware. Die Schwierigkeiten, die sich aus diesen Annahmen ergeben, betreffen die Frage, wie Akte der Wahrnehmung in der Zeit, d.h. Akte des Bewußtseins in der 20

E. Husserl (1928) 1980, 114.

Vgl. hierzu auch G. Böhme 1966, 45.

22

H. Mehlberg in: H. Feigl und G. Maxwell ed. 1961, zitiert nach J. T. Fraser, F. C. Haber und G. H. Müller eds. 1972, vol. 1, 148. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem "block universe" im Sinne Minkowskis findet sich bei Hans Reichenbach 1956, insbes. 11 ff.

21 Vgl. E. Husserl 0928) 1980, 21. 23

6 Zeit möglich sein könnten.

Zur "Minkowski-Welt" ninmt S. Watanabe wie folgt

Stellung: It is obvious that there is no room for becoming in such a picture of the world, because there is nothing undecided, there is no "now", there is no room for choice or design. In an effort to reconcile the world view of 'W ' with the idea of becoming, some scientists and philosophers resorted to a grotesque image of a conscious being living in this world ' w 0 '· They said that a conscious being travels along his world line in this Minkowski space.24 But, this is obviously self-contradictory. If they say that he (the conscious being) travels, it implies the elapse of time associated with this motion. But, what kind of time is this? Time is already described as a fixed coordinate in the space—time, hence one cannot introduce another time along which a point can move around in this four-dimensional s p a c e . 2 5 Und die Schwierigkeit, Wahrnehmung als geistigen Prozeß zu erklären, liegt darin begründet, daß in der vierdimensionalen Minkowski-Welt das neurophysiologische Substrat von Wahrnehmung und Erkenntnis determiniert ist: Insofar as the objectivistic world 'W0' is used, the neuro-physiologicalbehavioral counterpart of any mental phenomenon is permanently registered on the map. The taking cognizance of any event is a mental phenomenon but its objectivistic record is already registered all along the world line of the observer. There is no now on this world line, hence there can be no true becoming. The mind cannot be detached from its bodily counterpart and fly around like a ghost; nor can it have a property to which the body does not have any counterpart.26 Auf diese Schwierigkeit, Bewußtseinsakte im Weltbild der Relativitätstheorie zu erklären, werden wir noch einmal kurz zurückkommen. Gegen das Minkowski-Weltbild waren auch die Versuche gerichtet, die Anisotropie der Zeit, d.h. die einsinnige Richtung ihres Flusses, aus dem zweiten thermodynamischen Grundgesetz, aus der Zunahme der Entropie im Kosmos, oder aus dan Verlauf von Wellenprozessen (the expansion of wave fronts) oder aber aus 27 der Annahme eines sich ausdehnenden Weltalls zu begründen. Diesen Versuchen wird widersprochen.

Nicht nur ist die Zunahme der Entropie

offenbar kein verläßlicher Indikator für die Richtung des Zeitflusses, auch im Bereich der Teilchenphysik ist man auf Erscheinungen gestoßen, die eine Umkehrung 24

25 26 27

S. Watanabe bezieht sich hier auf H. Weyl 1963, 87: "Die objektive Welt ist schlechthin, sie geschieht nicht. Nur vor dem Blick des in der Weltlinie seines Leibes emporkriechenden Bewußtseins 'lebt' ein Ausschnitt dieser Welt 'auf' und zieht an ihm vorüber als räumliches in zeitlicher Wandlung begriffenes Bild". S. Watanabe in J. T. Fraser, F. C. Haber und G. H. Müller (eds.) 1972, volume 1, 185. S. Watanabe in J. T. Fraser, F. C. Haber und G. H. Müller (eds.) 1972, volume 1, 185. Vgl. hierzu K. G. Denbigh in J. T. Fraser, F. C. Haber und G. H. Müller (eds.) 1972, volume 1, 148.

7 28

der zeitlichen Vorher-Nachher Beziehung nahezulegen scheinen.

Da also aus den physikalischen Prozessen und den daraus abgeleiteten Gesetzen die Anisotropie der Zeit nicht eindeutig abgeleitet werden kann, versucht K. G. Denbigh, Wahmehmungs- und Erkenntnisvorgänge als absolut irreversibel und damit als Beweis für die einsinnige Richtung des Zeitflusses nachzuweisen. Er führt als Gedankenexperiment die Wahrnehmung einer Sternschnuppe in umgekehrter Zeitrichtung vor, wobei zunächst das Wissen um die Wahrnehmung, dann die Wahrnehmung selbst und schließlich die spurenlose Löschung der Wahrnehmung und des Wissens um die Wahrnehmung erfolgen müßte. Dies würde den Charakter von Wahrnehmung und Wissen grundsätzlich zerstören, dorn "once we 'have 29 seen' or 'known' something, we can never 'unsee' or 'unknow' it". Gegenüber den physikalischen Prozessen, deren zeitliche Umkehr denkbar ist, sind Wahrnehmung und Wissen Prozesse mit absoluter Irreversibilität: "In short, the processes of perception and cognition, as they are known phencmenologically, are basically one-way in character and are thus unlike 30physical processes where reversais are always conceivable as possibilities." Im Zusanmenhang mit unserer Fragestellung brauchen wir diese Probleme nicht zu entscheiden. Wichtiger für uns ist, daß auch die menschliche Zeitvorstellung, sofern sie sich im Bilde des Zeitflusses bewegt, durchaus zwei Zeitrichtungen unterscheidet.

1.1.2.2 Wir empfinden die lebendige Dauer unseres Daseins, unser Währen zweifellos als aus der Vergangenheit herfließend und auf die Zukunft hingerichtet. Dieselbe Flußrichtung hat alles, was mit uns dauert. Der gesamte Horizont von Dauer, der unser Währen mit umfaßt, hat die Flußrichtung Vergangenheit —> Zukunft. Alles aber, was Ereignis wird und seine Dauer beendet, empfinden wir als von uns wegfließend, inmer weiter in die Vergangenheit "zurück"-sinkend.

Die Er-

eignisfolge hat die Richtung Vergangenheit l .c V M Ol M

tí 3 01 t-l ο «I o. c β o «Ο ·Η ω a. o (O 00 e s

43

ω c 3 ID Ν M >V

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00

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GESCHEHENSKONZEPTE UND VER ZEITUNGSPOTENTIAL

S g>ä S § ) das Conditional Perfect darstellt. Wir beachten, daß beide Vorschläge onamasiologische Verfahren darstellen, d.h. generelle Grundlagen für Verbalsysteme liefern, die in den Einzelsprachen niemals voll ausgeschöpft werden. Das Englische z.B. realisiert von den 13 möglichen Tempora Reichenbachs, bzw. den 12 Tenses Bulls nur acht. Wir halten des weiteren fest, daß beide Analysen sowohl A-Determinationen (z.B. die Sprechzeit und die Referenzzeiten bei Reichenbach) als auch B-Determinationen (die Vektorenwerte in beiden Analysen) enthalten. Keine der Analysen macht von Skalaren oder Tensoren Gebrauch.

1.2.2.1.3 Mit der Darstellung von Tempus und Aspekt hat sich auch die Generative Grammatik beschäftigt. Die Vorschläge von N. Chcmsky aus Syntactic Struc49 50 tures

und Aspects of the Theory of Syntax

betrafen jedoch nur die Morpholo-

gie der Verbformen des Englischen. Syntaktisch war der Vorschlag unzureichend, weil er die möglichen Proncminalisierungen im Bereich der Verbformen nicht darzustellen vermochte. John R. Ross hat deswegen vorgeschlagen, die Hilfsverben der Verbformen (d.h. have und be) als Vollverben zu behandeln."'1 James D. McCawley erweitert diesen Vorschlag dahingehend, daß auch die Tenses (d.h. present, past und future) als Verben zu behandeln seien und daß das Hilfsverb have aus einem zugrundeliegenden Past abzuleiten sei.

Der Satz John had been smoking pot er-

hält dementsprechend die folgende, zunächst möglicherweise überraschende Ausgangsstruktur: ^

49 50 51 52

N. N. J. J.

Chomsky 1957. Chomsky 1965. R. Ross 1969. D. McCawley 1971, 99.

19

S

John

smoke

pot

Past

Past

Past

Die Begründung für die Ableitung von have aus Past entnirrmt McCawley dem Umstand, daß infinite Formen (z.B. der Infinitiv des Perfekts) mit Zeitadverbialen vorkommen können, die sonst das Past erfordern: John is believed to have arrived

at 2:00

yesterday.

Mit diesen zunächst syntaktisch und kollokationell motivierten Vorschlägen sind auch semantische Deutungen verbunden: Die Gebrauchstypen des englischen Present Perfect werden allesamt auf die Kombination der Tempora Present und Past zurückgeführt, so daß nicht nur die Kcmbinationsmöglichkeiten des Present Perfect mit Zeitadverbien, sondern auch seine Präsuppositionen erklärbar würden. Allerdings bezeichnet McCawley seine Vorschläge bezüglich des "stative perfect" 54 « 55 selbst als unzureichend. Wir besprechen diese und ahnliche Vorschlage eingehender in Kapitel 4 dieser Arbeit.

53 54 55

McCawley bezieht sich dabei auf T . R. Hofmann 1966. J. D. McCawley 1971, 108. Vgl. hierzu auch R. Huddiestone 1969, E . Bach 1967.

20

1.2.2.1.4 Wichtige Ansätze für die Analyse von Tempus und Aspekt erarbeitet sodann die formale Logik. Sie ist vor allem daran interessiert, die Beschreibung der Tempora so zu gestalten, daß alle logischen Folgebeziehungen, die wir normalerweise mit verzeiteten Sätzen verbinden, einwandfrei ableitbar werden. Solche Folgebeziehungen ergeben sich z.B. für das erweiterte Präsens und das einfache Perfekt: (a) John is walking läßt den Schluß zu auf (b) John has 57 walked.

Andererseits kann von (c) John is drowning nicht auf (b) John

drowns geschlossen werden. Ansätze dieser Art scheinen jedoch unseres Erachtens nicht in der Lage zu sein, die Bedeutungen der Tempora in allen ihren Verwendungen zu beschreiben. So scheint uns fraglich, ob das erweiterte Präsens z.B. in seiner Geltung auf einen Zeitpunkt eingeschränkt werden kann58 und es bleibt unerfindlich, wie 59 etwa das interpretative Präsens auf formal logischer Gnmdlage darstellbar wäre. 1.2.2.2 Auch bezüglich des Aspekts, d.h. der erweiterten Verbform des Englischen sind verschiedene Analyseversuche unternehmen worden. Was die Diskussion um den Aspekt in den europäischen Sprachen erschwert hat, war die Verwechslung der Aspektkategorien mit Aktionsarten.

Nachdem eine gewisse Klä-

rung herbeigeführt schien, hat sich neuerdings, offenbar im Anschluß an W. E. 61

Bull

62

und A Grammar of Contemporary English , erneut eine erhebliche termino-

logische Unsicherheit insofern ergeben, als das englische Present Perfect nicht als Tempus, sondern als Aspekt und andererseits die erweiterte Verbform 63 des Englischen nicht als Aspekt, sondern als Hintergrundstempus , betrachtet werden. Wir vertreten jedoch den Standpunkt, daß das Present Perfect ein Tempus ist und die erweiterte Verbform zumindest teilweise Aspektfunktion hat.64

56 Vgl. M. Bennett und B. Partee 1978, 1 ff. 57 M. Bennett und B. Partee 1978, 9. 58 M. Bennett und Β. Partee 1978, 13. Vgl. z.B. auch D. R. Dowty 1977, 57. 59 Vgl. jedoch E. König 1980. 60 Vgl. A. Schopf 1974, 16 f. 61 W. F.. Bull 1968, 26. 62 R. Quirk et al. 1972, 90 ff. 63 H. Weinrich 1964, 193. 64 Allerdings muß man beachten, daß die Verwendungstypen des imperfektiven Aspekts in den slavischen Sprachen und der erweiterten Form im Englischen sich nicht völlig decken. Vgl. B. Comrie 1976, 24 ff.

21

1.2.2.2.1 Als Funktionsbestimmung für die erweiterte Verbform des Englischen wurden verschiedene Grundbedeutungen und im Hinblick auf die einfache Form kontrastive Bedeutungspaare vorgeschlagen. Bei C. A. Bodelsen^ z.B. sind einfache und erweiterte Verbform des Englischen charakterisiert als (a) statement of fact und (b) description of the actions themselves. Weitere Begriffspaare zur Charakterisierung der einfachen und erweiterten Form sind von G. Dietrich ("kctnplexiv" gegen "introspektiv")66 von R. L. Allen 67 ("inclusive" gegen "intrusive reference") vorgeschlagen worden. In der Generativen Grammatik wird auch die erweiterte Form jeweils durch ein 66 zusätzliches Tempus, d.h. z.B. als "present in present" oder "present in past" dargestellt. 1.2.2.2.2 Eine interessante Darstellung der erweiterten Verbform auf formal69 logischer Grundlage versucht David R. Dcwty. Er bedient sich dabei der von Michael Bennett und Barbara Partee"* entwickelten Intervallsemantik. Wir werden die für die erweiterte Form von Dcwty vorgeschlagenen Wahrheitsbedingungen in Kapitel 4 eingehend erörtern. 1.2.2.2.3 Unseren eigenen Standpunkt wollen wir wie folgt andeuten: Die Funktion der erweiterten Verbform des Englischen scheint etwas zu tun zu haben mit der Art und Weise, wie Zeitobjekte (Dauergegenstände) in der Wahrnehmung gegeben sind. Das außersprachliche Korrelat des erweiterten Präsens in seinem Kernbereich ist unserer Ansicht nach die psychische Präsenzzeit (the specious present) oder Edmund Husserls begrenztes Zeitfeld des Ich-bewußtseins. Dies erklärt, warum wir einerseits die erweiterte Verbform nur auf Sachverhalte anwenden können, die Dauer haben, und warum andererseits aus kanplexen Geschehenskonzepten jeweils nur die Prozeßphase (oder die Vorphase usw.) bezeichnet werden kann, die Anfangs- oder Endphase dagegen jeweils ausgefiltert wird. In diesem einleitenden Kapitel muß es bei diesen Andeutungen bleiben. Kapitel 4 wird auf diese Fragen genauer eingehen.

65 66 67 68 69 70

Vgl. A. Schopf 1974, 146. G. Dietrich 1955, 125 f. R. L. Allen 1966, 219. Vgl. A. Schopf 1974, 302 ff. D. R. Dowty 1979. M. Bennett und B. Partee 1978.

22 1.2.3

Wie aus unserer graphischen Skizze über das Verzeitungssystem hervorgeht,

betrachten wir die bisher erörterten Komponenten, die Geschehenskonzepte, das Zeitadverbiale, Tempus und Aspekt, als zu einem engeren Subsystem zusammengeschlossen.

Dieses Subsystem

fungiert in Sätzen mit einfacher Verzeitung.

Unter einfacher Verzeitung verstehen wir alle diejenigen Sätze, in denen jeweils nur ein Sachverhalt mit Bezug zu einem Zeigfeld zeitlich geortet wird.

Wo im-

mer wir mehrere Sachverhalte orten oder mehrere Zeigfelder vorliegen haben, sprechen wir von komplexer Verzeitung.

1.2.3.1

Der Zusammenhalt dieser Komponenten ergibt sich aus vielfältigen und

intensiven Interdependenzbeziehungen dergestalt, daß die Bedeutung und Funktion z.B. des Zeitadverbiales nicht erschöpfend erfaßt werden kann, ohne daß die Geschehenskonzepte und Tempus und Aspekt mit berücksichtigt würden.

Anderer-

seits sind Tempus und Aspekt nicht voll verständlich, wenn nicht Geschehenskonzepte und Zeitadverbiale mit untersucht werden.

Im ganzen erbringt jede Ein-

sicht in einen der vier Teilbereiche jeweils auch neue Hinweise zum Wesen und zur Funktion der anderen Komponenten. Die methodische Konsequenz, die wir hieraus ziehen, ist die, daß man bei der Untersuchung dieses Teilsystems (wir nennen es Verbalsystem im Gegensatz zum Verzeitungssystem, das alle Ebenen einschließlich der Textebene umfaßt) den hermeneutischen Grundsatz berücksichtigen muß, daß der Teil sich aus dem Ganzen und dem Zusanmenwirken der Teile im Ganzen (zu einem Ganzen), und das Ganze sich aus dem Zusammenwirken der Teile erklärt.

Das bedeutet, noch einmal sei

es betont, daß jede neue Einsicht in einen Teilbereich notwendigerweise Konsequenzen haben muß für das Verständnis der anderen Teilbereiche.

Wir bewegen

uns bei der Erforschung dieses Teilsystems gewissermaßen in einem Raum, den wir durch Abschreiten und Erkunden im Inneren, durch die Erkenntnis der inneren Beziehungen zu erhellen versuchen, nicht von vornherein durch die Betrachtung von außen. Im folgenden wollen wir nur einige Beispiele für diese Interdependenzbeziehhungen andeuten: Unproblematisch

und allgemein bekannt sind Kollokationsrestriktionen bezüg-

lich Tempus und Zeitadverbial.

Diese werden im Englischen besonders deutlich

für das Past und Present Perfect.

Wie bekannt, lassen alle definiten Zeitan-

gaben für den Bereich der Vergangenheit (abgesehen von stilistischen Sonderformen) n u r das P a s t Tense zu: I had an accident

three

days ago/yesterday

etc.

Weniger bekannt ist, daß auch die einzelnen Geschehenskonzepte nur bestimmte

23

Zeitadverbien zulassen und umgekehrt: Intervalladverbien (for ten years, since Monda y) erfordern Zustände oder Prozesse und lassen keine accomplishments zu: * write a poem for three hours ist deswegen unwahrscheinlich als verzeiteter

Satz. Offensichtlich dürfte auch sein, daß sich diese kombinatorischen Beschränkungsgesetze ändern, wenn sich der Aspekt ändert:

Intervalladverbien

(for three weeks) lassen sich ohne weiteres mit accomplishments in der erweiterten Form verbinden: He has been writing a book for several months.

Wenig berücksichtigt wurde bisher auch, daß die unterschiedlichen Verwendungstypen der einzelnen Tempora, z.B. des Present Perfect, sich auch aus den unterschiedlichen Geschehenskonzepten ergeben. So ist das einfache Present Perfect einer punktuellen Veränderung (open the door z.B.) in der Regel ein resultatives Perfekt und verzeitet in Verbindung mit einem Intervalladverb den Nachzustand und nicht die Veränderung selbst: I've opened the window for a minute, während einfache Prozeßverben (Tätigkeiten) nur den Vollzug einer (erwarteten) Tätigkeit und keinen Nachzustand aussagen können und in Verbindung mit einem Intervalladverb die Tätigkeit selbst verzeiten: I've practised for half an hour.

1.2.3.2 Wir beachten aber, daß der "Zusairrienhalt" des Verbalsystems sich nicht nur aus den karibinatorischen Beschränkungsgesetzen ergibt. Wir können in der Regel bei der Funktionsbeschreibung einzelner Kategorien (Tempora, Aspekte etc.) zentrale Bereiche ausmachen, mit denen Randphänomene nur durch Analogie und metaphorische Bezüge verbunden sind, so daß wir nicht davon ausgehen können, daß alle Verwendungstypen z.B. eines Tempus durch eine Grundfunktion beschreibbar sind. Wir halten es deshalb durchaus für möglich, daß die Bedeutung eines Tempus durch mehrere nicht auseinander herleitbare Verwendungstypen angegeben werden muß.^

Ein Beispiel für die übertragene Verwendung

eines Tempus ist das sogenannte "interpretative Präsens", das in der Regel, wie in der folgenden Äußerung, auf die unmittelbare Vergangenheit zurückweist, also eigentlich ein "recent past" ist:72 I'm not insisting, I'm only suggesting.

71 72

Zur Diskussion dieser methodologischen Frage vgl. A. G. Hatcher 1951, neu abgedruckt in A. Schopf 1974, vgl. hier 179 ff. A. G. Hatcher 1951, neu abgedruckt in A. Schopf 1974, 205, Fußnote 45.

24

Hier ist es der Gleichzeitigkeitsbezug des erw. Präsens, der metaphorisch zur Herbeiführung der Referenzidentität von benennendem und interpretierendem Avisdruck ausgewertet wird. phorisch verwendet.

Die erweiterte Präsensform ist hier zweifelsohne meta-

Mit analogischen und metaphorischen Beziehungen als Grund-

lage für den "Zusammenhalt" sprachlicher Teilsysteme ist unserer Ansicht nach also grundsätzlich zu rechnen.

1.2.4

Wir haben bisher Verzeitungsoperationen in einem sehr engen Bereich des 73 Englischen betrachtet, im Bereich des einfachen Systemsatzes. Darunter verstehen wir zunächst den Satz als abstraktes theoretisches Gebilde, herausgelöst aus dem Textzusanmenhang und aus seinen sonstigen pragmatischen Zusammenhängen.

Als einfach betrachten wir hier Sätze, die nur einen einzigen Sach-

verhalt verzeiten.

Ein Beispiel dafür, daß Sätze mehrere Sachverhalte ver-

zeiten, d.h. ihre Zeitstellen miteinander vergleichen, ist das temporale Satzgefüge oder der zeitvergleichende Satz, auf den wir noch etwas näher eingehen werden. 1.2.4.1

Hier soll vorerst kurz darauf hingewiesen werden, daß die Gesetzmäßig-

keiten des Verbalsystems des Englischen auch auf der Sprechaktebene fungieren. 74 Wenn wir mit John R. Searle einen Sprechakt als aus illokutionarero Aktanzeiger und Proposition bestehend auffassen (F(p>), dann stellen wir fest, daß für das Zustandekommen (oder Glücken) des Sprechakts bestürmte zeitliche Relationen zwischen Illokution und Proposition gegeben sein müssen: Man kann nur Zukünftiges versprechen und nur Geschehenes vergeben oder bekennen.

Befehl,

Erlaubnis und Warnung beziehen sich auf zukünftige Sachverhalte usw. Des weiteren ist zu beachten, daß nach J. L. Austin

illokutionäre Verben

nur in der einfachen Form als explizite Performativa fungieren können: I apologize,

I congratulate

you, I promise

ist, wird verschieden beantwortet.

to help

you etc.

Die Frage, w a r u m dies so

Uns scheint die Punktualität des Zustande-

kommens des performativen Akts ebenso dafür verantwortlich zu sein

wie die

Tatsache, daß das illokutionäre Verb als explizites Performativ keinen außer-

73 74 75 76

Vgl. hierzu J . Lyons 1977, vol. I, 29 ff. und vol. 2, 622 ff. J . R. Searle 1969, 31 f. J. L . Austin 1962, 46 f. Austins These ist v o n vielen anderen Linguisten übernommen worden. Vgl. R. M . Kempson 1977, 65 ff. Vgl. G. Leech 1971, 3 f., der vom "instantaneous use" der expliziten performativen Sätze spricht.

25 77 sprachlichen Sachverhalt bezeichnet, sondern einen herbeifuhrt.

1.2.4.2

Nun gibt es aber zweifellos Sprechakte, die durch die erweiterte Verb-

form herbeigeführt werden. Stelle hingewiesen.

Auf einen solchen Fall habe ich bereits an anderer

Es handelt sich um die Beschuldigung (Anklage) eines Unter-

offiziers gegen einen Rekruten, einen Befehl nicht ausgeführt zu haben: Hill: Good. I am now about to give you the command. Wait for it and think carefully - this is only practise and no one can be hurt. Within ten seconds it will all be over, that's advice. Attack! (Silence. No movement) - Squad - slope arms! A/C2 Thompson - T'm charging you with failure to obey a legitimate order issued by an N.C.O. in command under Her Majesty's Air Force, and may God help you, lad. Unzweifelhaft ist, daß hier der formelle Akt einer Beschuldigung vorliegt, daß mit der Äußerung I'm charging you die Anklage verwirklicht und nicht nur von ihr berichtet wird. meine nicht.

Müssen wir deshalb Austin's These zurückweisen?

Ich

Zwar ist Ruth M. Kempson zuzustürmen, wenn sie sagt:

While the utterance of I warn you that your tenants

will take action

against

you will under normal circumstances constitute an action of warning, the utterance of X am warning

you that your tenants

will take action

against

you

is said not to (cf. Austin 1962:64): it is a description of an act of warning - something that one might say to describe and make explicit the act of warning which is simultaneously being given.^^ Was sie aber eigentlich sagt, ist, daß Sprechakte auch indirekt bewerkstelligt werden können.

Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel, daß der Bericht

von einer Beschuldigung oder Anklage die Beschuldigung oder Anklage selbst ist. Es handelt sich um einen indirekten Sprechakt, der sich vom direkten durch feine stilistische und pragmatische Nuancen unterscheidet.

1.2.5

Wie bereits angedeutet, sprechen wir von kcrnplexer Verzeitung dann, wenn

in einem Satz mehrere Sachverhalte (in der Regel zwei) in ihren Zeitverhältnis zueinander oder zu einem bestimmten Zeitpunkt in Beziehung gesetzt werden.

77

78 79

M. Ljung 1980, 101, dagegen betont, daB performative Verben auf keinen außersprachlichen Sachverhalt bezogen sind, "they refer to nothing, they merely 'express' an attitude or astateof mind." Wir halten Ljungs Äußerung für mißverständlich. Α. Schopf 1969, 218. R. M. Kempson 1977, 65.

26

1.2.5.1 Wie bereits angedeutet, betrachtet àie Generative Semantik auch die zusammengesetzten Zeiten des Englischen als gestufte Verzeitung von Sätzen, d.h. als die Kombination mehrerer Tempora. Die Hilfsverben have und be werden dabei als Vollverben behandelt. Auf diese Weise wird das erweiterte Präsens (He is sleeping, singing etc.) als "present in present", das einfache Perfekt als "past in present" und das erweiterte Past als "present in past" charakterisiert. Diese Charakterisierungen sagen zum einen kaum etwas über die Funktion der zusammengesetzten Tempora aus und gehen unserer Ansicht nach mit der Annahme fehl, daß hier jeweils mehrere Sachverhalte verzeitet würden. Dies trifft selbst für das einfache Perfekt des Englischen, das in der Regel als "past with current rele80

vanee" beschrieben wird,

nicht durchwegs zu.

1.2.5.2 Komplexe Verzeitung liegt jedoch zweifelsohne in Sätzen mit modalen Hilfsverben vor. Wie bekannt, hatte Chomsky die modalen Hilfsverben als Be81

standteil des Auxiliarteils aufgefaßt.

Diesem Vorsehlag wurde von John R.

82

Ross

vor allem aufgrund syntaktischer Beobachtungsdaten widersprochen. In

unserem Zusammenhang ist der Umstand wichtiger, daß die Modalverben in sehr vielen Fällen einen eigenen und damit einen anderen Zeitbezug herstellen als das Vollverb des Satzes und darüber hinaus natürlich ihre nodale Bedeutungskomponente in die Verbalphrase einbringen. Dies wird schon daraus ersichtlich, daß die einzelnen modalen Hilfsverben sich mit unterschiedlichen Zeitstufen des Infinitivs verbinden: (a) (b) (c) (d)

He can lift 300 pounds. He can have done it. You should go to the meeting. You should have gone to the meeting.

Wir dürfen für (a) feststellen, daß die vom Hilfsverb ausgesagte Modalität (Fähigkeit) den inhärenten Zeitbezug von lift 300 pounds zu einem koextensiven Merkmal verändert. Solche abstrakten Merkmale können wir in gewissen Fällen auch ohne modales Hilfsverb darstellen (He can speak Russian - He speaks Russian), weshalb man bei der Analyse des Zeitbezugs von (a) eigentlich nicht zwischen dem

80 81 82

Zur "current relevance theory" und zur "embedded past theory" des Perfekts vgl. R. W. McCoard 1978, Kapitel 2 und Kapitel 5. N. Chomsky 1957, 39. J. R. Ross 1969, 77-102.

2.7

Zeitbezug des nodalen Prädikats und des Sachverhalts- oder Ereignisprädikats zu unterscheiden braucht: beide zusammen bezeichnen ein abstraktes Merkmal. Für (b) dagegen gilt, daß die durch das Hilfsverb ausgesagte epistemische Modalität einen anderen Zeitbezug hat als der von ihr qualifizierte Sachverhalt. Die Möglichkeit, daß der Sachverhalt "he did it" oder "he has done it" besteht, gilt vcm Zeitpunkt des möglichen Tatbestands über die Sprechzeit hinaus in die Zukunft bis zum Erweis des Gegenteils. Der Sachverhalt selbst aber, der Gegenstand des modalen Prädikats ist, wird auf der Zeitlinie vor der Sprechzeit (in 83

der Vergangenheit) angenommen. Wollte man (b) nach dem von John Lyons

nach

84

R. M. Hare

entwickelten System, das zwischen Neustikon, Tropikon und Phrasti-

kon unterscheidet, paraphrasieren, müßte das Tropikon im Präsens stehen: I say so // it is possibly the case // that he •

did it. has done it.

In ganz ähnlicher Weise besteht die deontische Modalität (Verpflichtung) in (c) in der Sprechzeit und darüber hinaus bis zum Ereignis selbst (möglicherweise sogar zeitlos), das deontisch modifizierte Ereignis aber hat einen bestinmten Ort auf der Zeitlinie, der nach der Sprechzeit liegt. In (d) dagegen steht wiederum einer im Zeitpunkt des Sprechereignisses (und vom modifizierten Ereignis an zeitlos) bestehenden Verpflichtung ein Gegenstand dieser Verpflichtung in der Vergangenheit gegenüber. Diese Fälle dürften zeigen, daß die Dekomposition der Verzeitungsstruktur solcher Sätze sinnvoll ist. Ebenso interessant wie die mitunter recht komplexe Verzeitungsstruktur modal modifizierter Sätze sind die Interdependenzbeziehungen, die zwischen Hilfsverb, Geschehenstyp und Tempus und Aspekt bestehen. Offenbar bestimmt der Geschehenstyp (bei gleichem modalen Hilfsverb) die Art der Modalität: (a) She can't come on Monday. (b) She can't be at home.

Daß (a) ontische Modalität mit Geltung für die Ereigniszeit ausdrückt, (b) dagegen epistemische Modalität mit Geltung für die Sprechzeit, liegt offenbar daran, daß der Infinitiv in (a) ein "achievement", der in (b) dagegen einen Zustand ausdrückt. Ähnliche Differenzierungen erbringen Aspektunterschiede:

83 84

J. Lyons 1977, vol. 2, 749 f. R. M. Hare 1972, 89 ff.

28 (a) He can't speak Russian. (b) He can't be speaking Russian.

Es ist die einfache Verbform, die in (a) zur Bezeichnung einer ko-extensiven Fähigkeit führt, und die erweiterte Form, die die gleiche Proposition wie in (a) epistemisch modifiziert und auf ein zeitweiliges Merkmal mit Geltung in der Sprechzeit einschränkt. Diese Hinweise dürften genügen, um deutlich zu machen, daß modal modifizierte Sätze erhebliche Probleme bezüglich ihrer Verzeitung aufweisen, und um zu zeigen, daß sie das Phänomen der Interdependenz, wie in unserem Schema angedeutet, De in eindrucksvoller Weise belegen. 1.2.5.3 Komplexe Verzeitung finden wir auch in Sätzen mit Komplementen. Sie waren in den letzten Jahren öfters Gegenstand linguistischer Untersuchungen. Besonderes Interesse erregte dabei der Umstand, daß Matrixprädikate (d.h. die Prädikate des Rahmensatzes) sich durch unterschiedliche Präsuppositionen und Implikationen unterscheiden. Zunächst kann man Prädikate, die ihr Komplement präsupponieren, von denen unterscheiden, die es implizieren. In (a) It is amazing that they survived wird das Komplement präsupponiert, in (b) John managed to survive wird es impliziert. Der Unterschied zwischen Presupposition und Implikation erweist sich in der Negation: In (a) gilt das Komplement auch, wenn der Satz negiert wird (it's not amazing that ...), in (b) hebt die Negation das Komplement auf (John didn't manage to ...). Sodann kann man faktive, nichtfaktive und kontrafaktive Matrixprädikate unterscheiden: Satz (a) enthält ein faktives Prädikat im Matrixsatz, ebenso Satz (b). Das Matrixprädikat in Satz (c) He believes that John is a liar ist nicht-faktiv. Der Satz enthält keinen Hinweis bezüglich der Wahrheit des Komplements. Das Matrixprädikat in Satz (d) She pretended to be crying schließlich ist kontrafaktiv, denn es informiert über die Unwahrheit des Komplements. In unserem Zusaitmenhang ist wiederum wichtiger, daß Matrixsatz und Komplement unterschiedlich verzeitet werden können, oder vielmehr eine bestimmte Verzeitung des Komplements van Matrixprädikat vorausgesetzt wird: remember verlangt vergangene, hope zukünftige Sachverhalte als Komplemente; für manage dagegen gilt, daß es als Matrixprädikat jeweils die gleiche Verzeitung hat wie das Komplement: vgl. John managed

to solve the problem

- John will manage

Das gleiche gilt für das Matrixprädikat

wise.

es Vgl. hierzu F. R. Palmer, 1979, 54 et passim.

to solve the

problem.

Es setzt offenbar die Gleich-

29

zeitigkeit des im Kcrrplement benannten Sachverhalts voraus: (a) Mary is wise to take the train. (b) Mary was wise to take the train. (c) * Mary is wise to have taken the train.

Warum

als Matrixprädikat vergangene Sachverhalte weder durch Inplikation 86 noch durch Presupposition binden kann, ist bisher ungeklärt. wise

Beachten wollen wir auch, daß Gerund und Infinitiv als Kanplement des gleichen Rahmensatzes unterschiedliche Verzeitung ergeben. Jespersen weist auf das Kontrastpaar (a) I hate lying. (b) I hate to lie.

87 hin , wo (a) außerzeitlichen Sachverhalt mit generischem Subjekt (one,

people

etc.) im Kanplement meint, während (b) sich auf die gegenwärtige Situation mit dem Sprecher als Subjekt bezieht. Unterschiedliche Verzeitung erbringen Gerund u. Infinitiv auch im Komplement der folgenden Kontrastpaare: (la) (lb) (2a) (2b)

I I I I

regret regret didn't didn't

to say that she is ill. saying that she is ill. remember to post the letter. remember posting the letter.

In (la) ist das van Hauptverb des Kanplement bezeichnete Ereignis gleichzeitig mit der Sprechzeit (und dem van Matrixverb bezeichneten Ereignis = regret), in (lb) dagegen ist das Kanplementereignis (saying that ...) vorzeitig zur Sprechzeit. Ähnliches gilt für die Sätze unter (2): In (2a) ist das Kanplementereignis nachzeitig zum Matrixverb und hat deshalb nicht stattgefunden, in (2b) dagegen vorzeitig: posting the letter hat deshalb stattgefunden und wurde vergessen. Gerund und Infinitiv entscheiden ohne Zweifel in vielen Fällen über die Verzeitung des Komplements. 1.2.5.4 Komplexe Verzeitung finden wir auch in den Konditionalsätzen. Sie ist 88

bisher kaum beachtet oder gar näher untersucht worden. Verschiedene Gesichtspunkte sind dabei zu beachten.

86 87 88

Fragen dieser Art stellt C. Hamann in ihrer Dissertation (Freiburg, 1982). 0. Jespersen (1931) 1965, volume V, 192 ff. Zu Konditionalsätzen vgl. D. Nute 1980 mit weiteren Literaturangaben.

30 Zunächst ist festzuhalten, daß nicht nur Aussagesätze zu Bedingungssätzen kombiniert werden können, auch Imperative und Fragen können von Bedingungen abhängig gemacht werden: (a) If you should use the car, don't forget to lock the garage. (b) If Mary knows of our meeting, who can have told her?

Wie die Beispiele zeigen, ergibt sich eine weitere Kcnplizierung der Verzeitungsstruktur aus dem Umstand, daß die Teilsätze auch modal modifiziert sein können. Sodann ist zu beachten, daß die Teilsätze in Konditionalsätzen in unterschiedlichen zeitlichen und anderen Beziehungen zueinander stehen können. Eine dieser Beziehungen ist die analytische Folgebeziehung, die zugleich Gleichzeitigkeit für beide Teilsatzprädikate beinhaltet: If he has never married,

he is a

bachelor.

Eine andere ist die unmittelbare Aufeinanderfolge als Konsequenz aus Ursache u n d Wirkung: If you press

that button,

the light

goes

on.

Des weiteren erlauben individuelle Sachverhalte im Antezedenzsatz den Schluß auf koextensive oder zeitweilige Prädikate im Folgesatz: (a) If you did that you were a fool. (b) If you did that you are a fool. (c) If you have done that you are a traitor.

Schließlich ist zu beachten, daß die Bedingungsrelation selbst unterschiedliche zeitliche Geltung haben kann.

In (a) If iron is heated, it melts ist die Rela-

tion zwischen den Teilsätzen zeitfrei (oder generisch), in (b) If you go to town tomorrow,

you will be arrested

i s t sie zeitlich eingeschränkt.

Es ergibt sich also, daß einmal das zeitliche Verhältnis zueinander, sodann ihre zeitliche Beziehung zur Sprechzeit und die zeitliche Geltung der Bedingungsrelation zu untersuchen sind. Berücksichtigt man, daß diese unterschiedlichen zeitlichen Relationen wiederum abhängig sein können von Geschehenstyp der Teilprädikate, daß die Teilsätze nodal nodifiziert sein können und der Konditionalsatz unterschiedliche Sprechaktfunktion haben kann, wird andeutungsweise sichtbar, welch außerordentlich komplexes Untersuchungsgebiet die Konditionalsätze darstellen, abgesehen von den durchaus ungeklärten Verzeitungsoperationen, die sie enthalten.

1.2.5.5

Weniger schwierig sind die Verzeitungsoperationen im temporalen Satz-

gefüge, im zeitvergleichenden Satz.

Der Zeitbezug ist in der Regel so organi-

siert, daß durch einen der Teilsätze, häufig durch den temporalen Nebensatz, eine

31 Referenzzeit definiert wird, zu der das Ereignis des anderen Teilsatzes entweder als vorzeitig, gleichzeitig oder nachzeitig dargestellt wird. Aspekt, relative Tempora und temporale Konjunktion sind die Mittel, um eine Vielfalt zeitlicher Beziehlangen auszudrücken: (a) We were sitting on the verandah when a shot rang out. (a') The rifle cracked when we were sitting on the verandah. (b) When I looked up John smiled. (b') When John smiled I pressed the button. (c) When John came Mary had left. (c') John came when Mary had left.

Die Beispiele zeigen, daß Gleichzeitigkeit der Teilsätze häufig so organisiert wird, daß von einem Hintergrund von unbestimmter Dauer ein die Handlung (das Geschehen) vorantreibendes quantifiziertes Ereignis abgesetzt wird. Wie die Sätze (a) und (a') zeigen, kann dabei das die Handlung vorantreibende Ereignis im Hauptsatz oder im Nebensatz erscheinen. Daß die Sätze (b) und (b') die Aufeinanderfolge von Ereignissen signalisieren, liegt nicht nur am Gebrauch der einfachen Form, sondern hängt ebenso von den Geschehenstyp der Prädikate in den Teilsätzen ab. When John came back from America he spoke English fluently signalisiert trotz der Verwendung der einfachen Form in den Teilsätzen Gleichzeitigkeit. Die Vorzeitigkeit der Handlung des zweiten Teilsatzes in den Sätzen (c) und (e') wird durch das relative Tempus (Past Perfect) signalisiert. Vorzeitigkeit bzw. Nachzeitigkeit kann aber auch allein durch temporale Konjunktion (ohne Tempuswechsel) dargestellt werden: (a) I opened the window before I went to bed. (b) I opened the window after John left.

Beispielsätze dieser Art werfen die Frage auf, welches der in den Teilsätzen benannten Ereignisse zum Anknüpfungspunkt relativer Zeitorientierung (relativer Zeitadverbiale) beim Aufbau einer Handlungsfolge sein kann. Auf diese entscheidende Frage bezüglich der Textfunktion des englischen Verbalsystems werden wir noch genauer zu sprechen kerrmen. Zu beachten ist auch, daß der zeitvergleichende Satz durch Partizipialkonstruktionen verkürzt werden kann. Sie werfen zusätzliche Probleme für die Analyse ihrer Verzeitungsstruktur auf.

32 1.2.6

Wir haben bisher nur Verzeitungsoperationen betrachtet, die, auch wenn

sie mehrere Sachverhalte in Beziehung setzen, nur in einem einzigen Orientierungs- oder Zeigfeld ablaufen, in dem des Sprechers oder Erzählers.

In all

diesen Fällen ist die wirkliche oder fiktive Sprech- bzw. Rezeptionszeit die prijnäre Orientierungsachse.

Dies trifft auch für die sogenannte "indirekte

Rede" zu, die zwar Rede oder Gedanken einer Figur darstellt, jedoch so, daß die darin referierten Ereignisse im Zeigfeld des Sprechers oder Erzählers geortet werden, was zur Folge hat, daß deiktische Zeitadverbiale der voraussetzbaren "direkten Rede" w i e yesterday

o d e r tomorrow

zu the day before

bzw. the

following

day verwandelt werden müssen. Nun gibt es aber Darstellungsformen, die es erlauben, Sachverhalte in mehr als einem Zeigfeld zu orten.

Es sind dies die Darstellungsformen der direkten

Rede, der erlebten Rede, der erlebten Wahrnehmung und, in gewissen Sinne, auch des inneren Monologs. In all diesen Darstellungsformen begegnen uns zwei Bewußtseinszentren oder Zeigfelder, das des Sprechers oder Erzählers und das der dargestellten Person.

1.2.6.1

In der direkten Rede wird das Zeigfeld der dargestellten Figur expres-

ses verbis durch das einleitende verbum dicendi angekündigt und durch Anführungsstriche gekennzeichnet.

Das Zeigfeld der dargestellten Figur wird in das

Zeigfeld des Sprechers oder Erzählers eingelagert.

Alle Ereignisse, auf die

in der direkten Rede referiert wird, werden im Zeigfeld der dargestellten Person geortet (lokal und temporal). Sachzusairmenhang, i n ¿g^

es

Das einführende verbum dicendi sowie der

erscheint (z.B. Handlungen der dargestellten Figur,

die der Rede vorausgehen oder sie begleiten), werden dagegen im Zeigfeld des Erzählers geortet.

1.2.6.2

In der erlebten Rede wiederum durchdringen sich die beiden Zeigfelder

dergestalt, daß die Tempuswahl aus dem Zeigfeld des Erzählers, die Wahl des Zeitadverbiales, die Namengebung, die pronominale und adverbiale lokale Deixis im Zeigfeld der dargestellten Figur verbleiben.

Das bedeutet z.B., daß sprech-

zeitgebundene Zeitadverbiale erhalten bleiben, die Tempora aus dem Zeigfeld der dargestellten Person jedoch in das Zeigfeld des Erzählers transponiert werden: Tomorrow

was his

birthday.

33 1.2.6.3 Die erlebte Wahrnehmung stellt Sinneseindrücke so dar, als würden sie von der dargestellten Person im Zeitpunkt der Wahrnehmung sprachlich zum Ausdruck gebracht. Allerdings wird diese sprachliche Formulierung nach den Gesetzen der erlebten Rede transponiert. Da es sich immer um Ereignisse handelt, die wahrgenommen werden, d.h. gleichzeitig mit der Sprechzeit der dargestellten Figur sind, spielt das Zeitadverbiale in dieser Darstellungsform keine Rolle. Dafür haben wir sehr häufig aus dem Zeigfeld des Erzählers einen "Wahrnehmungsindikator" (perception indicator), der den Wahrnehmungsraum andeutet, in dem sich die Wahrnehmung ereignet: He looked out of the windows snow was falling.

Perception indicator und Tempustransposition sind Anzeichen für das Zeigfeld des Erzählers, die auf das Blickfeld der Figur eingeschränkte Deixis und vor allem die erweiterte Form, die für alle Prozeßprädikate die Regel ist, kennzeichnen das Zeigfeld der dargestellten Figur. 1.2.6.4 Im inneren Monolog schließlich wird der Erzähler noch weiter zurückgedrängt, so daß in der Regel nur in der Personendarstellung, in der Verwendung von Namen statt zu erwartender Prononina, das Zeigfeld des Erzählers noch faßbar wird. Natürlich ergeben sich Zwischenformen: erlebte Rede mit nachgestelltem Schaltesatz (verbum dicendi, sentiendi etc.), innerer Monolog mit gelegentlichen einführenden Verben, vor allem aber auch auktoriale Perspektive mit Figurenlexik und Figurenperspektive mit Erzählerlexik. Diese Zwischenformen liefern für die Frage der Verzeitung keine neuen Perspektiven. 1.2.6.5 Erlebte Rede und erlebte Wahrnehmung sind wiederholt Gegenstand liteOQ

raturwissentschaftlicher wie linguistischer Darstellung gewesen. Dennoch sind einige ihrer Aspekte noch nicht ausreichend erforscht. Nicht nur die Transposition von Infinitiven und Imperativen der voraussetzbaren direkten Rede bedarf genauerer Untersuchung, besondere Schwierigkeiten bieten auch Modal- und Konditionalsätze bei ihrer Transposition in erlebte Rede. Es dürfte z.B. nicht ohne weiteres ersichtlich sein, wie die hervorgehobenen, durch Modalverben modifizierten Partien des folgenden Texts zu deuten sind: 89

Die umfangreichste Darstellung zur erlebten Rede (und anderen Darstellung formen) stammt von G. Steinberg, 1971. Zur erlebten Wahrnehmung hat B. Fehr 1938 einen aufschluBreichen Aufsatz vorgelegt.

34 Undressing for a shower - her third in hours - she burst into tears at the sight of her body. Every man she drew to her dirtied her· (a) How could she have encouraged him? She felt a violent self-hatred for trusting him, when from the very beginning she had sensed he was untrustable. (b) How could she have allowed herself to fall in love with anybody like him?90

Wie sieht die direkte Rede aus, die wir für (a) und (b) voraussetzen müssen? Welche Art von Modalität wird durch could + Infinitiv Perfekt zum Ausdruck gebracht? Die Beispiele dürften die Notwendigkeit einer genaueren Untersuchung insbesondere der modal modifizierten Sätze deutlich machen.

1.2.7 Wir haben bisher von Verzeitungsoperationen im einfachen Satz und im Satzgefüge gesprochen.

Sehr häufig besteht unsere sprachliche Kommunikation

aus einer Reihe von Sprechakten, die der Sprechsituation entsprechend zu Texten organisiert sind. Eine Art dieser Texte ist die Erzählung.

1.2.7.1

Erzählungen handeln von Ereignisfolgen, von chronologisch geordneten

Ereignissen und haben die natürliche Zeit zur Grundlage.

Sie sind damit die

Abbildung eines fundamentalen Aspekts unserer Wirklichkeitserfahrung, die Abfolge in der Zeit ist, und selbst da, wo wir sie sinngebend zu deuten versuchen z.B. im Sinne von Wachstum und Reife, Gedeihen und Verfall, Schuld und Sühne, setzen wir die chronologische Ereignisfolge, die natürliche Zeit voraus. Erzählungen haben immer Geschichten, d.h. zunächst nur chronologisch geordnete Ereignisse zum Gegenstand.

Tiefenstrukturell ist jede Geschichte eine

chronologische Ereignisfolge.

1.2.7.2 Jedoch müssen diese chronologischen Ereignisfolgen nicht in der vorgegebenen Ordnung erzählt werden.

Ihre Verzeitung in der Erzählung ist frei,

soweit ihre chronologische Folge rekonstruierbar bleibt.

1.2.7.2.1

Zwei aufeinanderfolgende Ereignisse können in eben dieser Ordnung

berichtet werden: He got up and washed. Dabei errichtet der Erzähler jeweils einen Referenzpunkt (R^), zu dem das Ereignis (E^) als gleichzeitig dargestellt wird. Das nächste Ereignis wird zu einem folgenden Referenzpunkt (R^), der durch die temporale Konjunktion and {then) errichtet wird, als gleichzeitig in Beziehung gesetzt. Die Ordnung der Referenzpunkte (und damit der Ereignisse)

90

B. Malamud 1978, 157.

35 durch die temporale Konjunktion and then ist nach Ε. M. Forster das Gestal91 tungsprinzip des Erzählers der steinzeitlichen Höhlenmenschen. 1.2.7.2.2 Zwei Ereignisse können aber auch relativ zueinander so geordnet werden, daß das eine (E^) zu einem Referenzpunkt (R^) als gleichzeitig und das zweite Ereignis zu diesem Referenzpunkt als vorzeitig dargestellt wird: I had breakfast when I had washed. Das vorzeitige Ereignis hat hier keinen gesonderten Referenzpunkt. Im ersten Fall ist das Ordnungsprinzip für die Ereignisse bloße Reihung (stringing), im zweiten Fall werden sie um einen Referenzpunkt gruppiert (clustering) . 1.2.7.2.3 Des weiteren ist zu bedenken, daß Ereignisgruppen, d.h. Referenzpunkte zueinander in Beziehung gesetzt werden müssen, wenn das Gesamt der Handlungsfolge abgebildet werden soll. Zu diesen Zwecke verwenden wir relative Zeitadverbiale. Das einfachste haben wir bereits erwähnt: (and (then)).

Mit der

Klammerung wollen wir anzeigen, daß diese Ordnung implizit gegeben sein kann, d.h. sprachlich nicht in jedem Fall realisiert zu sein braucht, um verstanden zu werden. Andere relative Zeitadverbiale sind later, before that etc. Die Ordnung von Ereignissen oder Referenzpunkten durch relative Zeitadverbiale erfordertAnknupf- oder Verarikerungspunkte, auf die sie sich beziehen können.92 Wir werden also mit den folgenden Werkzeugen arbeiten müssen, um die Verzeitungs93 struktur von Erzahltexten darstellen zu können: Von Hans Reichenbach übernehmen wir die Ereigniszeit (Ε), die Referenzzeit (R) und Sprechzeit (S), und betrachten (R) und (S) zugleich als Symbole für die entsprechenden Zeigfelder (der dargestellten Person und des Erzählers). Ein Index (A) kann dann, falls notwendig, eine dieser Zeiten als Verankerungspunkt für die Anknüpfung relativer Zeitadverbien auszeichnen. In Verbindung mit einer Analyse der Zeitadverbien, der Geschehenskonzepte, von Tarpus und Aspekt und den notwendigen syntaktischen Informationen sollte die Analyse der Verzeitungsstruktur von Erzähltexten möglich sein.

91 92 93

E. M. Forster (1927) 1974, 34 ff. Zum Begriff des Verankerungspunktes (anchor time) vgl. c. S. Smith 1981, 218 f. H. Reichenbach 1947, 287 ff.

36 Dabei gehen wir, noch einmal sei dies betont, davon aus, daß die Welt unserer Erfahrung und die erzählte Welt die gleiche chronologische Grundstruktur besitzen, nämlich die Chronologie der Ereignisse.

Sosehr ein Erzähltext in seiner

Verzeitungsstruktur kompositorisch deformiert sein mag, ihn verstehen heißt unumgänglich, die ursprüngliche chronologische Ereignisfolge zu rekonstruieren. Die chronologische Ereignisfolge läßt sich aber aus ihrer kompositorischen Deformierung nur rekonstruieren, wenn der Text in seiner Verzeitung kohärent ist. Kohärent in seiner Verzeitung aber ist ein Text dann, wenn seine Deformation entsprechend den Regeln des Verzeitungssystems der Sprache, in der er geschrieben oder gesprochen wird, erfolgt, denn das Verzeitungssystem liefert in seinen Regularitäten natürlich in Verbindung mit kontextuellen Informationen die Hinweise zu seiner zeitlichen Dekodierung, d.h. zur Rekonstruktion seiner chronologischen Ordnung. Wie kanplex das Verzeitungsgeflecht einer einfachen Handlungsfolge sein kann, dürfte aus dem bisher Gesagten, aus den Hinweisen auf die Sätze mit komplexer Verzeitung, auf die Darstellungsformen der erlebten Rede und erlebten Wahrnehmung und auf die Ordnungsprinzipien von string und cluster deutlich geworden sein.

1.3

Eine weitere Komplizierung des Zeitgeflechts von Erzähltexten ergibt sich

aus der Verflechtung von mehreren Erlebnis- oder Handlungssträngen, sei es von Rahmen und eigentlicher Erzählung, oder der Biographie der dargestellten Figur mit der Lebensgeschichte des Erzählers, oder gar von erinnerten Erlebnissen mit gegenwärtigem Geschehen.

Wie komplex und polyphon auch immer sich die Verzei-

tungsstruktur eines Erzähltextes darstellen mag, verstanden werden kann er nur, wenn er die Rekonstruktion der Chronologie der erzählten Geschichten erlaubt.

1.3.1

Wir stiimven deshalb Ε. M. Forster zu, wenn er sagt, daß es für einen

Romanautor unmöglich sei, "to deny time inside the fabric of his novel" und fortfährt "The author may dislike his clock. tried to hide hers.

Emily Bronte in Wuthering Heights

Sterne, in Tristram Shandy, turned his upside down.

Marcel

Proust, still more ingenious, kept altering the hands so that his hero was at the same period entertaining a mistress to supper and playing ball with his nurse in the park.

All these devices are legitimate, but none of them contra-

vene our thesis: the basis of a novel is a story, and a story is a narrative of 94 events arranged in time sequence." 94

Ε. M. Forster (1927) 1974, 37 f.

37

Wenn aber der erste und unumgängliche Schritt der Rezeption einer Erzählung oder eines Romans die Rekonstruktion der story, der chronologischen Folge der Ereignisse ist, dann wird deutlich, daß die Kenntnis des Verzeitungssystems der Sprache, deren Literatur wir studieren, unerläßlicher Bestandteil der philologischen Studien an der Universität sein muß. Neben allgemeinen Grundlagen treffen wir hier bei jeder Sprache auf Besonderheiten. Um nur eine zu erwähnen, das Deutsche differenziert innerhalb der erlebten Rede zwischen der Darstellung von Rede (Konjunktiv) und von Gedanken (normale Tempustransposition), das Englische kennt diese Unterscheidung nicht. Es sind die vielfältigen Gesetzmäßigkeiten der Verzeitungssystemeder Sprachen, die zunächst zu vermitteln sind, bevor die makrotemporale oder kcmpositionelle Verschränkung von Handlungsfolgen zum polyphonen Gesamtgeflecht eines Romans oder einer anderen erzählerischen Großform studiert werden kann. 1.3.2 In den folgenden Kapiteln sollen deshalb die wichtigen Subsysteme des englischen Verzeitungssystems im Aufriß dargestellt und sodann ein in der Hauptsache graphisches Notationssystem entwickelt werden, das nicht nur die Verzeitungsstruktur von Erzähltexten festhalten, sondern auch ausreichende Information ähnlich wie eine Partitur enthalten soll, um die Rekonstruktion des ursprünglichen Texts zu ermöglichen. Möglicherweise ließe sich dieses System auf höherer Ebene des Sprachunterrichts bis zur kreativen Ebene der Unterweisung in Darstellungstechniken verwenden. Auch seine textlinguistische Aussagekraft dürfte brauchbar sein.

1.4 In einem "praktischen" Anhang unseres Buches sollen dann die Anwendungsmöglichkeiten des hier entwickelten Systems demonstriert werden. 1.4.1 Wir werden zunächst einfache, dann schwierigere Erzähltexte in graphische Schemata übersetzen. Dabei gehen wir nicht davon aus, daß unser System bereits allen Verzeitungsproblemen in Erzähltexten gerecht zu werden vermag, sondern fragen nach seinen Unzulänglichkeiten und suchen nach weiteren Entwicklungsmöglichkeiten. 1.4.2 Sodann versuchen wir, vorgegebene Verzeitungs-"partituren", die wir aus englischen Erzähltexten entwickelt haben, in die Originaltexte zurückzuübersetzen. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, ob die in den "Partituren" be-

38 reitgestellte Information für die Rekonstruktion der Texte ausreicht.

1.4.3

Mit dem Buch verbinden wir die Erwartung, daß es nicht nur einen Beitrag

zur besseren Vermittlung des Englischen und zu genauerem Verständnis englischer Erzählliteratur beiträgt, sondern über die Beschäftigung mit der Zeitlichkeit unseres Daseins einen allgemeinbildenden Beitrag leistet.

2.

2.0

INHÄRENTER ZEITBEZUG (GESCHEHENSKONZEPTE UND VERZEITUNGSPCTENTIAL)

Wie im einleitenden Kapitel bereits erwähnt, wird die Verzeitungsleistung

der Sprache nicht allein von grammatischen Kategorien wie Tempus und Aspekt bewerkstelligt.

Zeitbezug konmt vielmehr bestirmten linguistischen Einheiten

schon von ihrer bloß lexikalischen Zusammensetzung her zu.

Wir sprechen in

diesem Zusammenhang von lexikalischen oder inhärenten Zeitbezug und versuchen diesem Sachverhalt durch entsprechende Klassenbildung im Bereich der Prädikatsund Satzbegriffe gerecht zu werden.

2.1

Die Klassenzugehörigkeit dieser lexikalischen Gebilde wurde unter ver-

schiedenen Gesichtspunkten untersucht.

Syntaktische und morphologische

Gegebenheiten liegen den traditionellen Wortarten zugrunde, wie sie von der antiken Grammatik entdeckt wurden.1

Diese Klassenbildung setzen wir im

Folgenden voraus.

2.1.1

Nicht abschließbar ist möglicherweise die Klassenbildung innerhalb

dieser lexikalischen Gebilde nach inhaltlichen Gesichtspunkten. wesentlichen das Verfahren der Wörtfeldtheorie.

Das ist im

Es werden diejenigen Aus-

drücke zusammengeordnet, die hinsichtlich ihres Referenzbereichs gemeinsame Züge aufweisen: Adjektiva w i e red,

yellow,

green,

violet,

auburn,

blond

etc.

haben gemeinsam, daß sie Farben bezeichnen.

Andere Adjektiva beziehen sich auf

die Körperbeschaffenheit des Menschen: tall,

slim,

fat, sturdy,

plump

etc.

Die

hier denkbaren Klassifizierungskriterien lassen sich, wie bereits bemerkt, nicht abschließend aufzählen.

2.1.2

Ähnliches gilt für die Klassenbildung der Verben.

In unserem Zusairmenhang interessieren insbesondere diejenigen Klassen,

die zur Erklärung der Tempus- und Aspektwahl im Englischen und anderer Sprachen vorgeschlagen wurden.

1 Zur Geschichte der Entdeckung der Wortarten vgl. R. H. Robins

1951.

40 2.1.2.1 Als Besonderheit des Englischen erwies sich z.B. der Umstand, daß Verba oder Prädikate wie see, hear, smell, taste, feel, normalerweise die erweiterte Form nicht zulassen. Man hat diese Verben deshalb in einer geson-

2

derten Klasse, der Klasse der Verben der Sinneswahrnehmung (inert perception)

zusammengefaßt. Diese Klassenbildung wird auch durch den Umstand nahegelegt, 3 daß in anderen Sprachen diese Pradikate die erweiterte Form zulassen. Der Erklärungsgehalt dieser Klassenbildung ist dennoch begrenzt, denn viele andere Prädikate außerhalb dieser Klasse zeigen im Englischen bezüglich der Wahl der erweiterten Form das gleiche Verhalten (vgl. love, hate, detest etc. oder know, remember, recognize, recall etc.), und man könnte sie über bloß inhaltliche Kriterien zu Klassen zusanmenfassen, z.B. zur Klasse der Verben der Gemütsbewegung (emotional attitudes) oder der Verben des Wissens (cognition predicates) ohne einen gemeinsamen Zug, der für die Abweisung der progressiven Form verantwortlich gemacht werden könnte, entdeckt zu haben. 2.1.2.2 Ähnlich partiell ist der Erklärungsgehalt der Klasse der Verben zur Bezeichnung der Lage im Raum (locational predicates). Vcm Sachgehalt her würde man Prädikate wie lie, stand, lean etc., insbesondere wenn man sie auf Unbelebtes bezieht, als Zustände bezeichnen, die sonst im Englischen die Progressivform ausschließen. Der vermeintliche Gewinn aus der Bildung dieser Klasse besteht eigentlich nur darin, daß man innerhalb der Klasse der Zustände jene Gruppe von Prädikaten identifiziert, die hinsichtlich der Wahl der erweiterten Verbform sich nicht konform verhält. Der beschränkte Erklärungsgehalt der Klassenbildung dieser Art war Ansporn nach generelleren Merkmalen und umfassenderen Klassen zu suchen.

2.1.2.3 Ein Beispiel dieser Klassenbildung war die Entdeckung der sogenannten "private verbs", die Martin Joos zur Erklärung der Abweisung der erweiterten 4 Form anfuhrt. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß die von ihnen bezeichneten Sachverhalte jeweils nur dan Bewußtsein der Person zugänglich sind, dem sie zugesprochen werden (J feel cold, I hate him etc.), nicht aber der Sinneswahrnehmung Dritter. Dieser Sachverhalt wurde für Magnus Ljung zum Ausgangs2 3 4

Vgl. B. Comrie 1976, 35. Nach B. Comrie ist im Portugiesischen die progressive Form von Verben der Sinneswahrnehmung möglich. Vgl. B. Comrie 1976, 35. M. Joos 1964, 116 f.

41

punkt für die Unterscheidimg von "overt and covert predicates", die zur Erklärung für das Vorkommen und die Funktion der erweiterten Kopula herangezogen 5 werden soll. Eine befriedigende Erklärung fur die Aspektwahl in diesem Bereich liefert diese Unterscheidung jedoch nicht. 2.1.2.4 Noch umfassendere Klassenbildung liegt der Unterscheidung zwischen status verbs und process verbs zugrunde, wie sie wiederum Martin Joos vorgeschlagen hat und wie sie von einer ganzen Reihe von Linguisten übe mermen wurde.® Allerdings ist der Erklärungsgehalt auch dieser Klassenbildung bezüglich der Verwendbarkeit der erweiterten Form fragwürdig, jedoch nicht deswegen, weil die Klassenbildung partiell wäre, sondern weil sie zirkulär ist insofern, als das Kriterium für die Zugehörigkeit der Verben zu dieser Klasse eben ihr Vorkcrmen in der erweiterten Verbform, bzw. deren Abweisung ist, so daß z.B. hinsichtlich der Verben der Sinneswahrnehmung im Englischen argumentiert wird, daß sie status verbs oder stative verbs sind, weil sie normalerweise nicht in der erweiterten Verbform vorkamen und in der erweiterten Verbform nicht vorkotmen, weil sie stative verbs sind. Man wird zugeben müssen, daß diese Argumentation ohne jeden Erklärungsgehalt ist.^ Ein Ausweg aus dieser Schwierigkeit ergäbe sich, wenn die gesamte Klasse der stative verbs durch unabhängige Kriterien, wenn auch jeweils einzelsprachliche, abgrenzbar wäre, wie dies Q z.B. in A Grammar of Contemporary English vorgeschlagen wird. Jedoch scheint auch dieser Versuch keine voll befriedigende Erklärung für das Vorkotmen der erweiterten Form zu liefern, denn die Verben der Lage im Raum wählen im aktuellen Präsens die Progressivform, obwohl sie nach den oben erwähnten Tests eher zu den stative verbs zu rechnen wären. Wir greifen diese Frage später noch einmal auf.

5 6

M. Ljung 1980, 42 ff. Auf diesen Unterschied hatte bereits A. G. Hatcher 1951, 267 ff. hingewiesen. Vgl. M. Joos 1964, 116. Eine ähnliche Klassenbildung findet sich in A. Ota

7 8

1963, wo von statai

verbs

die Rede ist.

Vgl. hierzu B. Comrie 1976, 35 Fußnote 4. R. Quirk et al. 1972, 93 ff. Neben der Progressivform werden der Imperativ, der Pseudo-cleft sentence mit do-Proform, die kausative Paraphrase, die for... sake Konstruktion und "dynamische" Adverbien als Klassifikationskriterien herangezogen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Hinweis auf die Klasse der stative

verbs

und Stative

adjectives

in G . Lakoff

1970, 142 f.

42 2.1.2.5 Die Suche nach einer Erklärung für die Verteilung der Progressivform hat ein weiteres interessantes Kriterium ins Blickfeld gerückt, die Art der

Q Symbolfunktion verbaler Lexeme oder Prädikate nämlich. Wie bereits erwähnt,

hat Zeno Vendler im Anschluß an Gilbert Ryle gezeigt, daß Prädikate wie smoke oder drive a taxi verhältnismäßig einheitliche Aktivitäten bezeichnen, während Prädikate wie rule a country, educate one's children etc. diverse Aktivitäten

zusammenfassen. Die Konsequenz ist, daß die erste Art von Prädikaten die erweiterte Form zulassen (I was smoking all morning), die zweite aber nicht (i< The king of Cambodia was ruling his country all morning). Ryle und Vendler

nennen die erste Klasse von Prädikaten specific states, die zweite generic states.1®

Diese Unterscheidung trifft unseres Erachtens einen für die Aspekt-

wahl wichtigen Gesichtspunkt. Ähnliche Erwägungen führen Magnus Ljung im Anschluß an D. Bolinger zur Unterscheidung von "close fits" und "loose fits".11

Auch hierfür ist die Beob-

achtung Ausgangspunkt "that verbs describing human acts seem to fall into two larger classes viz. (a) those which refer to a very specific kind 12 of action and (b) those which are semantically diffuse" (unsere Sperrung). Neben anderen syntaktischen Eigenschaften besitzen nach Ljung die loose fits das Merkmal, auf die Frage nach Tätigkeiten im aktuellen Präsens nicht in der erweiterten Form antworten zu können, wie übrigens bereits von Zeno Vendler festgestellt wurde. Darüber hinaus ist aber die Unterscheidung von close fits und loose fits insofern von Bedeutung, als letztere jeweils als Deutung von close fits möglich sind: John shook his head at me and (thereby) warned me

not to do it. Hier schließt sich dann die Frage an, ob diese interpretierende Funktion der loose fit predicates durch die erweiterte Form signalisiert werden kann oder muß: John shook his head at me - he was warning me not to do

it. Zweifellos kommen sowohl die einfache wie die erweiterte Verbform in 13 dieser Funktion vor, und es wird zu untersuchen sein, inwieweit die interpretierende Beziehung von einem Prädikat zum anderen auf inhärenten semantischen Merkmalen, logischen Beziehungen oder aber auf zufälligen Merkmalen 9 10 11 12 13

Z. Vendler 1957, vgl. oben, S. 15. Vgl. G. Ryle 1949, 44 und 118 und Z. Vendler 1957. Vgl. M. Ljung 1980, 80 ff. und D. L. Bolinger 1972, 203 f. M. Ljung 1980, 80. Vgl. hierzu E. König 1980, 280 f. in Rohrer hrsg. 1980, 269-291.

43

(Kausalbeziehungen z.B.) der bezeichneten Sachverhalte beruht.

14

2.1.2.6 Eine weitere Klassenbildung, die mit dem Gebrauch der erweiterten Form zu tun hat, ist die Suche nach den sogenannten Koinzidenzverben, oder, in der Terminologie J. L. Austins, den explizit performativen Verben. Ihre Identifizierung erfolgt bei Erwin Koschmieder

zunächst im Rahmen der

Bühlerschen Theorie von den Leistungsdimensionen der Sprache. Koinzidenzverben gehören nach Koschmieder weder zur Dimension der Darstellung noch zu der der Kundgabe, sondern zun Leistungsbereich der Auslösung, weil der van Koinzidenzverb benannte Sachverhalt in der außersprachlichen Wirklichkeit nicht bereits Bestand hat, so daß auf ihn durch die Sprache verwiesen werden könnte, sondern weil er durch die sprachliche Äußerung erst verwirklicht wird. Was also "zusairmenfällt" bei der Äußerung dieser Verben (Koinzidenz), ist der Benennungsakt für einen Sachverhalt und seine Verwirklichlang (= Auslösung). Ihre Abgrenzung als Klasse wird bei Koschmieder durch grammatische Kriterien nur angedeutet. J. L. Austin geht bei der Frage nach diesen Verben oder Ausdrücken zunächst von der Unterscheidung zwischen konstativen und performativen Äußerungen aus, von denen die einen, die performativen Sätze, glücken oder mißglücken, während konstative Äußerungen wahr oder falsch sein können.1^ Im Fortgang der Diskussion stellt Austin diese Unterscheidung zunehmend zugunsten einer umfassenden Sprechakttheorie in Frage, die er in seinem Buch How to do Things with 17 Words vorlegt. Wir können hier nicht Austins gesamte Theorie nachzeichnen. Wir wollen nur auf zwei wichtige Züge verweisen. Seine Untersuchungen führen zur Unterscheidung am Sprechakt zwischen dan lokutionären, dem illokutionären und perlokutionären Akt. Am lokutionären Akt unterscheidet er den phonetischen Akt (die 14 Das Problem stellt sich in der Philosophie in Form der Frage nach der Identität von Handlungen, bzw. der Art der Beziehungen zwischen einem Akt und seinem Resultat bzw. seinen Folgeerscheinungen. Vgl. hierzu G. H. von Wright 1963, 39 f., wo zwischen act, result, und consequence unterschieden wird. Vgl. des weiteren E. König 1980, 277 ff. mit Hinweisen auf weitere Literatur. 15 Zum Inzidenzfall bei E. Koschmieder vgl. A. Schopf 1969, 207 ff. und die dort angegebene Literatur. 16 Vgl. hierzu J. L. Austins Aufsatz "Performative and Constatif" in Caton ed. 1963. Der ursprüngliche franzözische Text "Performatif-Constativ" erschien in Cahiers de Royaumont, Philosophie IV, La Philosophie Analytique: Les Editions de Minuit 1962, 271-304. 17 J. L. Austin 1980.

44 Äußerung von Sprachlauten), den phatischen Akt (die Äußerung von Wörtern einer Sprache) und den rhetischen Akt (die Benennung, nicht die Behauptung eines 18 Sachverhalts. Austin verwendet viel Mühe für die Unterscheidung insbesondere des illokutionären vcm perlokutionären Akt: "We must distinguish the illocutionary from the perlocutionary act: for example we must distinguish 'in saying it I was warning him' frcm 'by saying it I convinced him, or surprised him, or got 19 him to stop'."

Von besonderem Interesse fur unsere Fragestellung ist dabei

die Verwendung von zwei Testrahmen für diesen Zweck, bei der die einfache und erweiterte Verbform des Englischen eine Rolle spielen. lauten: (a) "In saying χ I was doing y" or "I did y", und (b) "By saying χ I did y" or "I was doing y"

Die beiden Formeln

20

Ist das y-Verb illokutionär verwendet, kann es in der Formel (a) nicht in der einfachen Form verwendet werden: "... we do not say 'In saying that I protested'", andererseits kann es in der erweiterten Form nicht in der (b)-Formel verwendet werden: "By saying that I was protesting" hält Austin nicht für 21 korrekten englischen Sprachgebrauch. Da die Verben zur Bezeichnung illokutionärer Akte, die mittels dieses Tests ermittelt werden können, im großen und ganzen nichts anderes sind als die explizit performativen Verben, leistet der Test einen Beitrag zur Abgrenzung dieser Klasse.

Austin diskutiert in

diesem Zusammenhang zwar eine ganze Anzahl weiterer Tests, für unsere Fragestellung ist der in/by-Test von besonderem Interesse, weil er die Aspektopposition mit einbezieht. Aus der Unterscheidung zwischen primären und explizit performativen Verben 22 leitet Austin die Forderung nach der Zusanmenstellung der beiden Klassen ab. Bei der Suche nach granmatischen Kriterien zur Identifikation der explizit performativen Verben stellt er die These auf, daß sie in performativer Verwendung nur in der einfachen Form verwendet werden: "... performative verbs are not used in the present continuous tense (in the first person singular 18 "Thus 'he said The cat is on the mat' reports a phatic act, whereas 'He said that the cat was on the mat' reports a rhetic act." J. L. Austin (1962) 1980, 95. 19 J. L. Austin (1962) 1980, 110 20 J. L. Austin (1962) 1980, 122. 21 J. L. Austin (1962) 1980, 125. 22 Einen neuen Versuch in dieser Richtung unternehmen Ballmer und Brennenstuhl, 1981.

45

active) : we do not say Ί

am premising', and Ί am protesting'."

23

Zwar

schränkt er diese Festlegung mit dem Hinweis auf Gegenbeispiele ein, die jedoch Fälle des interpretierenden Präsens sind und damit die Regel nicht 24 einschränken, die wir insgesamt fur richtig halten. Erscheint die erweiterte Form dennoch in anscheinend explizit performativer Verwendung, liegen stilistische Besonderheiten vor. Im vorausgehenden konnten wir beobachten, daß die Klassenbildung zur Erklärung des Gebrauchs der erweiterten Form Kriterien recht unterschiedlicher Art und Gegebenheiten auf mehreren Ebenen sprachlicher Struktur heranzog. 2.2

Ein besonderer Rang kanmt in diesem Zusammenhang der Untersuchung der

Prädikate aufgrund ihres inhärenten Zeitbezugs zu.

Als "inhärent" bezeichnen

wir den Zeitbezug, der schon mit einem bloßen Lexem oder einer Lexemfügung gegeben ist, ohne das Hinzutreten grammatischer Kategorien wie Teitpus und Aspekt.

2.2.1

Der besondere Rang dieser Klassenbildung ergibt sich schon aus ihrer

langen Geschichte.

Das Wissen um den inhärenten oder lexikalischen Zeitbezug

ist alt.

2.2.1.1

Entsprechende Beobachtungen werden bereits in der Antike gemacht.

Die Stoiker und vor allem Aristoteles stoßen über Erwägungen zur Modalität von Sachverhalten (Aktualität, Möglichkeit und Notwendigkeit) auf zeitlogische 25 Sachverhalte. Von unmittelbarem Interesse in unserem Zusairmenhang ist ihre Unterscheidung von Wesensmerkmalen (poiotes), Dauerzuständen (schesis) und 26

zeitweiligen Merkmalen (hexis).

Ebenso relevant ist die Unterscheidung von

/ciñeseis, energeiai, poiesis und praxis bei Aristoteles, die Anthony Kenny

23 J. L. Austin (1962) 1980, 64, vgl. auch 47. 24 Wenn J. L. Austin als Gegenbeispiel die Äußerung I am protesting anführt, wenn sie als Kommentar zu chaining myself to park railings dient, macht er deutlich, daß er das interpretierende vom performativen Präsens nicht unterscheidet. Vgl. J. L. Austin (1962) 1980, 64. 25 N. Rescher und A. Urquhart 1971, 5 f. 26 Vgl. A. Kenny (1963) 1979, 173, Fußnote 2. Eine genauere Erläuterung der Unterscheidungen in Aristoteles findet sich bei T. C. Potts 1965 und Taylor 1965.

46

an englischen Daten umdeutet als die Unterscheidung von "states", "perform27 anees" und "activities". 2.2.1.2 Der inhärente Zeitbezug trat in neuerer Zeit in den Mittelpunkt sprachwissenschaftlicher Untersuchungen, als es galt, das Viesen des Aspekts zu bestimmen und ihn als grammatische Kategorie von den lexikalischen Kategorien der Aktionsarten abzusetzen. Wesentliche Züge dieser Diskussion sind von 28 29 30 31 Gerhard Dietrich, Wolfgang Pollak, Klaus Heger, Gerhard Nickel und anderen bereits dargestellt worden. Die mit dieser Diskussion herbeigeführte Unterscheidung der Aktionsarten als lexikalische Kategorien von den Aspekten als grammatischen sollte unseres Erachtens nicht wieder infrage gezogen werden durch die Verwendung des Terminus "Aspekt" für Gegebenheiten des inhärenten 32 Zeitbezugs. Die Diskussion um den Begriff der Aktionsarten litt aber nicht nur unter der Verwechselung von Aspekt und Aktionsart, sie wurde auch durch das Fehlen der Unterscheidung von außersprachlicher Wirklichkeit und sprachlichem Zugriff 33 erschwert. Darauf weist Gerhard Dietrich hin und warnt vor den Schwierigkeiten, die sich hieraus für die Untersuchung der Aktionsarten ergeben müssen.Zudem muß festgestellt werden, daß bestimmte Unterscheidungen, die im Rahmen der Untersuchung der Aktionsarten getroffen wurden, für unsere Fragestellung keine Bedeutung haben, wie z.B. die Phasenaktionsarten Deutschbeins. Die Unterscheidung von erblühen, blühen und verblühen als Ingressivum,

Progressivum und Egress ivum^ setzt zunächst den Begriff des "Blühens" allgemein voraus und ist nichts weiter als die Feststellung, daß der von diesem Begriff gedeckte außersprachliche Bereich in einer bestimmten Sprache in dieser Weise sprachlich erfaßt und gegliedert wird, nämlich hinsichtlich 27 28 29 30 31 32

A. Kenny (1963) 1979, 171 ff. G. Dietrich 1955, 24 ff. W. Pollak 1960, 30 ff. K. Heger 1963, 15 f. G. Nickel 1966, 213 ff. Dieser Sprachgebrauch verbreitet sich zur Zeit im angelsächsischen Sprachraum. Vgl. H. J. Verkuyl 1972, M. Jessen 1974, R. Dowty 1972 und 1979. Vgl. hierzu aber auch W. Zydatiß 1976. 33 G. Dietrich 1955, 29 f. 34 G. Dietrich 1955, 27: "Will man für die Untersuchung nicht von vornherein den sicheren Boden unter den Füßen verlieren, so wird man deshalb nicht von den Prozessen, sondern von den in der Erfahrung gegebenen sprachlichen Formen der entsprechenden Sprache auszugehen haben," (Unsere Sperrung). 35 Den Phasenaktionsarten hat vor allem M. Deutschbein vermehrtes Interesse geschenkt. Vgl. M. Deutschbein 1939.

47 seiner Anfangs-, Mittel- und Endphase.

Über den Zeitbezug dieser Prädikate

sagen diese Unterscheidungen nichts aus. Für unsere Fragestellung von Bedeutung ist die Unterscheidung der Aktionsartlehre zwischen den Durativa und Nichtdurativa, conclusive and non-conclu36 sive verbs, und den Terminata und Momentanea. Bleibender Gewinn aus der Diskussion im die Aktionsarten ist also die Wiederaufnahme der Frage nach dem inhärenten Zeitbezug von Prädikaten, wie er heute erneut in den Mittelpunkt sprachwissenschaftlicher Forschung zu rücken scheint, und der Hinwies auf innersprachliche Tests zum Nachweis dieser Prädikatsklassen, auf den Umstand z.B. daß auf Durativa die Frage "wie 37 lange", auf Konklusiva die Frage "innerhalb welcher Zeit" anwendbar ist.

2.2.1.3 39 Allen

38 Erwähnenswert ist auch der Beitrag, den H. B. Garey und R. L. zur Aktionsarttheorie geleistet haben.

Zwar nimrit Garey mit der Unterscheidung zwischen telischen und atelischen Prädikaten im Grunde nur die Unterscheidung Jespersens zwischen "conclusive" 40 und "non-conclusive verbs" auf, beachtenswert erscheint uns aber, daß er für die Identifizierung der telischen und atelischen Verben einen innersprachlichen Testrahmen verwendet, der mit einem logischen Folgesatz arbeitet: "if one was verhing, but was interrrupted while verhing, has one verted?" Setzt man das zu testende Prädikat für verb ein (Si on se noyait ..., Si on jouait au bridge ... ) und kann die Testfrage bejaht werden, ist das Testverb atelisch, andernfalls telisch. Auch sein Hinweis auf die aktionsartverändernde Wirkung von Verbkanplementen, obzwar bereits in der deutschen Literatur zu diesem Thema mehrfach 41 angesprochen,

bleibt erwähnenswert als Fragestellung, die die Aktionsart-

diskussion bis zum heutigen Tag beherrscht. R. L. Allen übeminmt ebenfalls die Unterscheidung zwischen telischen und atelischen Prädikaten, die er "bounded" und "non-bounded predications" nennt; seine weitergehende Differenzierung der Prädikate in "unique", "repeated", "generic", "momentary", "extended", "included" und "inceptive predications"^ 36 37 38 39 40 41 42

Vgl. G. Dietrich 1955, 29 f. G. Dietrich 1955, 28. Vgl. H. Β. Garey 1957. Vgl. R. L. Allen 1966. 0. Jespersen 1965, IV, 92 f. G. Dietrich 1955, 25 f. R. L. Allen 1966, 196 ff.

48 hat den Nachteil, auf recht unterschiedlichen Einteilungskriterien zu beruhen, ohne daß dies bewußt gemacht würde.

Zweifelsohne beziehen sich die Ausdrücke

"bounded" und "non-bounded" auf die interne zeitliche Strukturierung, während "unique" und "repeated" die Vorkanmenshäufigkeit, "momentary" und "extended" 43 das zeitliche Erstreckungsquantum meinen. Hinzu kcmmen zwei Unterscheidungen, die zweifelsohne den Bereich des lexikalischen Zeitbezugs verlassen. Die eine, die Unterscheidung zwischen "included" und "inceptive predications", betrifft die Adverbialverzeitung.

Umfaßt der durch das Zeitadverbiale spezi-

fizierte Zeitraum die zeitliche Erstreckung des von Prädikat benannten Sachverhalts, so spricht Allen von "included predications", spezifiziert das Zeitadverbial nur den Anfangspunkt eines solchen Zeitraums (z.B.: At five o'clock 44 he drove to the station), spricht er von "inceptive predications". Die andere Unterscheidung, die zwischen "suffusive" und "profusive predications", ist möglicherweise zweideutig, da nicht mit Sicherheit festzustellen ist, ob sich Allen auf bloß lexikalische Gegebenheiten beziehen will oder eine allgemeine Klassifikation englischer Prädikate einschließlich der durch Aspektwahl spezifizierten anstrebt.

Er scheint den letzteren Gesichtspunkt

zu wählen, wenn er sagt, daß Berufsbezeichnungen (z.B. "teach English") sowohl als "suffusive" wie auch als "profusive predications" v o45 r k a m e n können, je nachdem, ob man die einfache oder erweiterte Verbform wählt. Verwirrend ist die Klassenbildung Allens vor allen deswegen, weil sie auf mehreren durchaus diversen Kriterien beruht: auf der internen zeitlichen Strukturierung der Prädikate (bounded vs. non-bounded),

auf der numerischen

Quantifizierung der bezeichneten Sachverhalte (unique vs. repeated), auf der Erstreckungsquantität der Sachverhalte (momentary vs. extended), auf der Adverbialverzeitung (included vs. inceptive) und schließlich auf der Aspektverzeitung bzw. dem inhärenten Zeitbezug (suffusive vs. profusive).

Sie legt

nahe, die Kriterien zur Klassenbildung jeweils klar abzugrenzen und genau zu orten.

2.2.1.4

Wesentliche Beiträge zur Analyse des inhärenten Zeitbezugs von Prä-

dikaten stanrnen von der sprachanalytischen Philosophie, der sogenannten "Ordinary Language Philosophy" (auch "Oxford Philosophy").

Hierzu zählen

43 Diese Unterscheidungen waren aus der Aktionsartdiskussion bereits bekannt. 44 R. L. Allen 1966, 200 f. 45 R. L. Allen 1966, 226.

49 46 47 48 wir die Arbeiten von Gilbert Ryle , Zeno Vendler und Anthony Kenny. Ausgangspunkt für die kritische Beschäftigung mit der Sprache ist für diese philosophische Schule die Beobachtung, daß die Sprache uns zu Hypostasierungen verleiten kann, die uns als "category mistakes" vor philosophische Scheinproblerne stellen. Wir vermeiden solche Probleme nach Ansicht dieser Philosophie, wenn wir die Sprache mit kritischer Sorgfalt verwenden und z.B. erkennen, daß definite Nominalgruppen nicht notwendigerweise auf konkrete Gegenstände verweisen, sondern quasi-beschreibende Aussagen sein können, die systematisch 49 irrefuhren", weil sie durch ihre granmatische Form die Existenz von Gegenständen suggerieren. Aufgabe der Philosophie ist es, die Syntax unserer Aussagen so umzufonnulieren, daß sie dem Sachverhalt, von dem die Rede ist, angemessen ist. 2.2.1.4.1

Im Zuge dieser kritischen Prüfung unserer Rede entdeckt Gilbert

Ryle Verb- oder Prädikatsklassen mit kategoriellen Unterschieden. Wir können Ryles Ergebnisse nicht in allen Einzelheiten darstellen,^0 außerdem interessiert in unserem Zusammenhang in erster Linie sein Verfahren, die unterschiedlichen Verb- oder Prädikatsklassen festzustellen. Das wichtigste Mittel zum Nachweis unterschiedlicher Verb- und Prädikatsklassen sind kombinatorische Restriktionen."'1

Insbesondere ist es die

Adverbialdetermination in ihren Beschränkungen, die er zu diesem Zwecke ausnützt: "Adverbs proper to task verbs are not generally proper to achievement verbs, in particular, heed adverbs like 'carefully', 'attentively','studiously', 'vigilantly', 'conscientiously' and 'pertinaciously' cannot be used to qualify such cognitive verbs as 'discover', 'prove', 'solve', 'detect' or 'see' any more than that they can qualify such verbs as 'arrive', 'repair', 'buy' or 52 'conquer'". In der Wahl der Adverbien unterscheiden sich auch die "percep-

46 G. Ryles Hauptwerk ist The Concept of Mind,

47 48 49 50 51

1949.

Vgl. vor allem Vendlers Aufsatz "Verbs and Times" 1957. A. Kenny (1963) 1979. Vgl. G. Ryle 1949. Vgl. den ausführlichen Forschungsbericht in M. Jessen 1974, 235 ff. Auf die methodischen Aspekte dieses Verfahrens habe ich bereits an anderer Stelle hingewiesen. Vgl. A. Schopf 1969, 133 f. 52 G. Ryle 1949, 151.

50 tion verbs" und die "search verbs": "perception verbs cannot, like search verbs, be qualified by such adverbs as 'successfully', 'in vain', 'methodically', 'inefficiently', 'laboriously', 'lazily', 'rapidly', 'carefully', 'reluctantly', 'zealously', 'obediently', 'deliberately', or 'confidently'.

53

An einigen Punkten seiner Argumentation macht Ryle die Gründe für diese Restriktionen deutlich, indem er sie auf Bedeutungselemente in den zu kombinierenden Einheiten zurückführt. Wenn "achievement verbs" das Bedeutungselement "success" (of a task activity) enthalten, muß ihre Kombination mit Ausdrücken wie "successfully" oder "unsuccessfully" zu Tautologie oder logischem Widerspruch führen. Als kollokationelle Restriktion ist auch der Umstand zu werten, daß "achievement"-Prädikate, wie Ryle beobachtet, nicht als Gerundialkomplemente von Ausdrücken des Beginnens u n d Einhaltens

(begin, stop,

finish,

be

halfway

through) verwendet werden können. Die Klassen selbst, die Ryle herausarbeitet, scheinen recht unterschiedlicher Art zu sein.

Wichtig für unsere Fragestellung ist seine Unterscheidung

zwischen "dispositional verbs" und "episodic verbs" einerseits, und zwischen "tasks" und "achievement verbs" andererseits.

Nur in dieser Unterscheidung

stößt Ryle auf Elenente inhärenten Zeitbezugs, ohne jedoch diesen Aspekt zu thematisieren.

2.2.1.4.2

Ausdrücklich mit dem inhärenten Zeitbezug von Verb- und Prädikats-

klassen beschäftigt sich Zeno Vendler.

Er bezeichnet es als sein Ziel, die

"Zeitschemata" ("time schemata") herauszuarbeiten, die den verschiedenen Verb- und Prädikatsklassen zugrunde liegen. Seine Untersuchungen führen zu folgender Klasseneinteilung: (1) states (know, love), die in "specific" und "generic states" unterteilt werden, womit Vendler ein neues Klassifikationsmerkmal, nämlich das der Aktualisierbarkeit einführt, - (2) activities accomplishments

(z.B. push a cart,

(write a letter,

(reach the summit,

win the race

paint

run, walk etc.) - sodann (3)

a picture

etc.) u n d (4)

achievements

etc.).

Zum Zwecke der Feststellung der Zugehörigkeit zu diesen Klassen entwickelt Vendler ein umfangreiches Instrumentarium. Zunächst bezieht er sich, wenn auch nur beiläufig, auf die Wahrnehmungs-

53 G. Ryle 1949, 151.

51

Wirklichkeit der von den Prädikaten bezeichneten Sachverhalte. Er weist darauf hin, daß Aktivitäten wie "running" oder "writing" aus aufeinanderfolgenden Phasen bestehen, während "kncwing" selbst für die innere Wahrnehmung keinerlei Anhaltspunkte für eine derartige Beurteilung liefert, weshalb Prädikate dieser Art als "states" bezeichnet werden, zumal wenn sie die erweiterte Form nicht bilden. Daß die Wahrnehmungswirklichkeit aber kein verläßlicher Hinweis auf die Zugehörigkeit zur Klasse der Zustände bzw. der Aktivitäten oder Prozesse und damit auf die richtige Aspektwahl ist, zeigen die Prädikate der Lage im Raum, die, wenn sie von Gegenständen ausgesagt werden, sich der Wahrnehmung zweifellos als Zustände darbieten, im aktuellen Präsens aber dennoch die erweiterte Form verlangen. Vendler verwendet natürlich auch kollokationelle Restriktionen, insbesondere die Affinität der Prädikate zu bestimmten Fragetypen und Zeitadverbialen. Er weist z.B. darauf hin, daß die Frage "What are you doing?" mit "I am running (writing, working etc.) beantwortet werden kann, nicht jedoch mit * "I am kncwing (loving, recognizing etc.)". Auch die Frage "Hew long did it take to ...?" läßt Unterschiede im Zeitbezug der Prädikate erkennen: "Hew long did it take to draw a circle?" ist eine sinnvolle Frage, "Hew long did it take to push the cart?" nicht. Punktuelle Zeitadverbiale (at

that moment

etc.) verbinden sich ohne weiteres

mit "achievement"-Prädikaten wie "reach the top of the mountain", "arrive at the station" etc., nicht aber mit "accoirplishment"-Prädikaten wie "run a mile", "draw a circle" etc. Erscheinen sie dennoch in dieser Verbindung, wird der Initialpunkt verzeitet:

We had breakfast

at 8

o'clock.

Um die inhärente zeitliche Strukturierung der Prädikate deutlich zu machen, arbeitet Vendler andeutungsweise mit Wahrheitsbedingungen und Folgesätzen. Zustände und "accomplishments" lassen sich in dieser Hinsicht wie folgt charakterisieren: "... if semeone stops running a mile, he did not non a mile; if someone stops drawing a circle, he did not draw a circle. But the 54

man who stops running did run, and he who stops pushing a cart did push it." Dieser Sachverhalt beweist unmißverständlich, daß die inhärente zeitliche Strukturierung der beiden Prädikate verschieden ist: "... vili le running or pushing a cart has no set terminal point, running a mile and drawing a circle do have a 'climax', which has to be reached if the action is to be what it is

54 Z . Vendler

1957,

145.

52 claimed to be.

Ein Hinweis auf die inhärente Zeitstrviktur von see ergibt

sich auch aus dan Umstand, daß, wie schon Aristoteles festgestellt hat, aus dem Satz I see it der Satz X have seen it folgt.^ Besonders wichtig erscheint uns sein Hinweis, daß Prädikatsausdrücke mehrdeutig sein können im Sinne ihrer Zugehörigkeit zu mehreren Zeitmustern. Er zeigt dies in seiner Analyse von think, das er einerseits als "activity" einstuft (J am thinking of my childhood days), andererseits aber als "generic 57 Das Pradikat "see" state" betrachtet (J think that Jones is a rascal). weist er sogar drei Prädikatsklassen zu, den Zuständen, den "achievements" und 58 den "accomplishments".

2.2.1.4.3 Einen weiteren wesentlichen Beitrag zur Unterscheidung von 59 Prädikatstypen liefert Anthony Kenny. Zwar vermindert er gegenüber Vendler die Anzahl der Prädikatsklassen und spricht nur von drei Klassen, den "static verbs", den "activities" und "performances",

beachtenswert bleibt sein Bei-

trag aber vor allem wegen eines umfassenden Systems von Zeitstufen- und Aspektimplikationen, die er für die einzelnen Prädikatsklassen aufzeigt. Die Klasse der "performances" z.B. charakterisiert er durch die Implikation "if A is jcing, A has not φά". Er erläutert diese Formel mit dem folgenden Beispiel: "if a man is building a house, he has not yet built it; if John is deciding whether to join the army, he has not yet decided to; if Mary is cutting the cake, she has not yet cut it."

Die Klasse der Tätigkeitsprädikate

sieht er durch das Fehlen dieser Implikation und die Geltung der entgegengesetzten Folgebeziehung gekennzeichnet: "if A is ying, A hashed," in welcher wir den von Garey vorgeschlagenen Test wiedererkennen. Seine Erläuterung zu dieser Formel lautet: "... If I am living in Remé it does not follcw that I have not lived in Rane; on the contrary, told that I am living in Reme you may 62 at once ask me "And how long have you lived in Reme?".

55 Ζ. Vendler 1957, 145. 56 Ζ. Vendler 1957, 147. Vergleiche dort auch den Hinweis auf G. Ryle 1957, 102. 57 Z. Vendler 1957, 152. 58 Z. Vendler 1957, 154 f. 59 Vgl. A. Kenny (1963), 1979. 60 Eine brauchbare Übersicht über die Klassenbildung bei Ryle, Kenny und Vendler findet sich in W. Zydatiß 1976, 48. 61 A. Kenny (1963), 1979, 172. 62 A. Kenny (1963), 1979, 172.

53

Eine vergleichende Gegenüberstellung der Aspekt- und Zeitstufenimplikationen für seine drei Prädikatsklassen liefert Kenny in Kapitel VIII seines 63

Buches.

Wir können hier nicht das gesamte Schena diskutieren. Es sei nur

auf seinen Versuch hingewiesen. Zustände ("static verbs") mittels der Implikation van einfachen Perfekt auf das einfache Präsens zu charakterisieren: "Where 'y>' is a static verb Ά has !< ... glittered in the sky)

- When we reached the summit, a strong wind was blowing

(-,' ... a strong wind

blew). Aber selbst wenn die einfache Form aus stilistischen Gründen gewählt wird, bleibt der Gleichzeitigkeitsbezug erhalten: He went down the steps to the vestibule and into the street. It was white and cold. Snow was falling and an icy wind blew.

Die Prädikate

(street) be white and cold,

191 R. Wright 1972, 137.

(snow)

^

fall

und

(icy wind) blow

sind

97 zu dem Augenblick des Betretens der Straße in Beziehung gesetzt. nen den gleichzeitigen Hintergrund.

Sie bezeich-

Dies ist für Zustandsprädikate (be white,

cold) eine notwendige Folge dieser Verwendung.

Aber auch für einfache Prozeß-

prädikate ist dies offenbar die Regel, selbst wenn sie in der einfachen Form erscheinen (blew).

Normalerweise erwartet man in dieser Verwendimg allerdings

die erweiterte Form. Wie schon erwähnt, können Prädikate dieser Art in Kontexten verwendet werden, wo sie die Eintrittsphase des Geschehens mitbezeichnens tremble with fear wird man normalerweise als einfachen Prozeß auffassen.

In dem Satz when the children

saw the policeman, they trembled with fear bezeichnet das Prozeßprädikat nicht nur den bereits im Verlauf befindlichen Prozeß, sondern auch die Eintrittsphase. Der Prozeß ist bereits bis zu einem bestürmten Grad strukturiert.

Allerdings

wird bei klar betonter Aufeinanderfolge von Ereignissen die Eintrittsphase häufig eigens lexikalisiert: When I pressed the red button, the wheels began to move

slowly.

Zur graphischen Darstellung einfacher Prozesse und Tätigkeiten wählen wir das gleiche Zeichen wie für Zustände, die (unbegrenzte) Linie.

Prozesse mit. 192 Eintrittsphase stellen wir wie die initialdeterminierten Prozesse dar.

2.3.4.3

Mit dem quantifizierten Prozeß erhalten wir ein intern deutlich struk-

turiertes Geschehensschema. scheidbare Bestandteile.

Es enthält mehrere deutlich von einander unter-

Was mit dem quantifizierten Prozeß gemeint ist, wird

sichtbar, wenn wir Prädikate wie smile, laugh, groan, roar etc. in der einfachen und erweiterten Form vergleichen: (a) When I looked at her she smiled / (b) she was smiling.

Die (b)-Version läßt den

Prozeß unquantifiziert.

kann jedoch als Quantifizierung des Prozesses gedeutet werden.

Die (a)-Version Wir können

nämlich den Satz paraphrasieren mittels "When I looked at her, she produced a smile."

Diese Paraphrase ist nicht möglich von der (b)-Version und zwar des-

halb, weil sie den Sachverhalt als unquantifiziert darstellt.

Wie Alexander

P. D. Mourelatos gezeigt hat, lassen unqualifizierte Prozesse keine Häufig193 keitsquantifizierung ("count-quantification") zu. Quantifizierte Prozeßprädikate erscheinen in drei Formen: (a) als initial und final determiniert (b) als initial determiniert und (c) als punktuelles Ereignis, in dem Initial- und Finalpunkt zusairmenfallen. 192 A. Schopf

1976, 14 ff.

193 A. Mourelatos in P . J. Tedeschi und Ae. Zaenen 1981, 204 ff.

98 2.3.4.3.1

Das initial und final determinierte Prozeßprädikat enthält die fol-

gende karplexe interne zeitliche Strukturierung.

Er besteht aus einem Initial-

purikt, der als Veränderung im Sinne von Wrights, d.h. mittels der Formel ~pTp

(p = smile,

laugh,

grin,

poked the lion, he roared.

shiver

etc.) zu charakterisieren ist: When I

Umgangssprachlich können wir t^ (= Initialpunkt)

paraphrasieren mittels "begin to ρ".

An den Initialpunkt schließt die Prozeß-

phase an, die mittels der erweiterten Form ("to be smiling" oder "continue smiling") zu paraphrasieren ist.

Sie wird durch den Finalpunkt (tf) abge-

schlossen, der wiederum als Veränderung, im Sinne von Wrights durch die Formel pT~p zu charakterisieren ist und mittels "stop p-ing" paraphrasiert werden kann. Als Paraphrase für das Gesamtprädikat ergäbe sich demnach "begin to smile and keep smiling (for a while) and stop smiling."

Graphisch können wir das wie

folgt darstellen: Zeit

& c 3 u T3 C :rtj

-^00

Nachzustand

Vorzustand

δ Daß Prädikate w i e smile,

grin,

laugh,

groan,

howl,

(animals) roar

etc.

tatsächlich als quantifizierte Prozesse zu betrachten sind, zeigt sich zum einen darin, daß sie numerisch quantifizierbare Ncminalisierungsparaphrasen zulassen (to smile

>

"to produce a smile"), zum anderen darin, daß He

smiled die soeben angedeutete Paraphrase als Folgesatz ("He produced a smile") haben kann.

Die Quantifizierung wird sodann darin sichtbar, daß diese Prä-

dikate in der einfachen Form im Inzidenzschema Nachzeitigkeit ergeben.

In der

erweiterten Form signalisieren sie Gleichzeitigkeit.

2.3.4.3.2

Zu den quantifizierten Prozessen zählen wir sodann das nur anfangs-

determinierte Prozeßprädikat: When they saw the police,

they ran.

In diesem

Fall ist eine numerisch quantifizierbare Ncminalisierungsparaphrase nicht möglich: they ran kann nicht mit "they produced a run" umschrieben werden.

Wohl

aber impliziert unser Satz die Wahrheit der Sätze They started running and kept running.

Stellt man sich den Satz in einer Geschichte vor, so erwartet

man im folgenden Kontext weitere Information über den Fortgang des Prozesses,

99 in dem sich die Akteure befinden.

Im Gegensatz dazu kann die Wendung he smiled/

laughed, grinned etc. als ein vollständiges Geschehensquantum aufgefaßt werden, dessen Beendigung nicht eigens festgestellt werden maß: when he proposed to her, she laughed. Ihr Verhalten im Inzidenzfall ist das gleiche Wiedas des voll determinierten Prozeßprädikats.

Daß sie in der einfachen Form Aufeinanderfolge

(oder Nachzeitigkeit) signalisieren können, liegt an ihrer Initiierbarkeit.

Wie

schon erwähnt, hängt die Zeitstruktur dieser Prädikate entscheidend vom Sachverhalt (d.h. den beteiligten Aktanten) ab. Smile, von menschlichen Wesen ausgesagt, legt seine Interpretation als quantifizierten Prozeß nahe, als Prädikat des Firmaments, des Wetters etc. - The weather smiled on us (DCE) - wird es zunächst als einfacher Prozeß gedeutet werden. Wir halten deshalb fest, daß viele Prozeßprädikate als isolierte Lexeme in ihrem Zeitbezug variabel sind und sich damit unterschiedlichen Sachverhalten anpassen können.

Zu beachten ist, daß

ihre komnunikative Leistung sich erst nach ihrer kontextuellen Determination ergibt.

Hieraus leitet sich die Berechtigung ab, ein und dasselbe Prozeß-

prädikat (z.B. smile) verschiedenen Geschehenstypen zuzuordnen. Als graphische Darstellung für das nur initialdeterminierte Prozeßprädikat schlagen wir das folgende Schema vor: Zeit

->co

Ö ql

(b)

S

E

>

Für das Perfekt beschränkt sich die Vereinfachung übrigens auf die Terminologie. Statt wie Reichenbach vom Zusammenfall von S und R im Präsens zu sprechen, zieht Bäuerle es vor, zwei zusammenfallende Evaluationszeiten, eine für den Perfekt-Operator (die variabel ist) und eine zweite für das Präsens (die immer die Sprechzeit ist) anzusetzen. Für das Englische empfiehlt sich unseres Erachtens die Beibehaltung der Referenzzeit, und zwar im Hinblick auf die Darstellung des imperfektiven Aspekts. Der Satz At 8 o'clock I was listening to a concert on the radio stellt eine Ereignis- oder Aktzeit (listening) dar, die die Referenzzeit (definiert durch das Zeitadverbiale in Verbindung mit Tempus und pragmatischer Einbettung) überlappt. Wir haben also zweifelsohne eine zweifache Zeitorientierung zu konstatieren. Die Sprechzeit und die Zeit, auf die das Zeitadverbiale referiert. Wie man den zweiten Angelpunkt dieser Orientierung benennt, ob Referenzzeit oder (mit

124 Bezüglich der Art und Weise , wie die Beziehung des Zeitadverbiales auf Orientierungsmarken gestaltet ist, sind wiederum zwei Fälle zu unterscheiden. Entweder liegt strenge Bindung vor, was zu den beiden Klassen der Sprech- und referenzzeitgebundenen Adverbialen führt, oder es liegt keine Bindung vor, was sich darin äußert, daß Zeitadverbiale dieser Art - wir können sie ungebundene nennen, - sowohl auf die Sprechzeit wie auch auf Referenzzeiten beziehbar 20

sind.

In diesem Falle ist zusatzlich zu fragen, ob es sich um Referenz-

punkte handelt, die, von der Sprechzeit aus gesehen, in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen. Unter diesen Gesichtspunkten erhalten wir also die folgenden Adverbialklassen: 21 22(a) Sprechzeitgebundene Zeitadverbiale yesterday, presently, three days ago etc. Man konnte sie unter dem Begriff der Deiktika zusammenfassen. Ihre Sprechzeitgebundenheit kcrrmt darin zum Ausdruck, daß sie bei sekundären Orientierungsbezug entweder nicht interpretierbare Sätze liefern wie * When he arrived in London last week he found that his

friend had left yesterday, einen Satz also, der erst akzeptabel wird, wenn wir das sprechzeitgebundene yesterday durch das referenzzeitgebundene the day before ersetzen; - oder aber die Darstellungsform der Erlebten Rede ergeben: He had cut his foot very badly three days ago.

Wir kommen darauf noch zu

sprechen. - (b) Als weitere Klasse erhalten wir dann die Adverbiale mit Referenzzeitbindung. Sie lassen sich nicht auf die Sprechzeit beziehen. Zu dieser Klasse zählen Adverbien wie the week before, earlier, then usw.

In isolierten Sätzen ergeben sie keine vollständige Orientierung in der Zeit. Der Hörer bleibt auf zusätzliche Information (aus dan Kontext) angewiesen: I then went to town, (c) Schließlich gibt es Adverbien, die sowohl Sprech- wie Referenzzeitbezug zulassen. Hierzu gehört z.B. before. Wir können es sprechzeitbezogen verwenden wie in I've seen that film before, es

aber auch auf eine Referenzzeit in der Vergangenheit beziehen: Somehow I knew the man, I had seen him before. Bei dieser Klasse von Adverbien ist zusätzlich zu fragen, ob die Referenzzeiten, auf die sie sich neben der Sprechzeit beziehen können, in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen. Hier sind drei UnterBäuerle) Betrachtzeit (I.e., 46), scheint unerheblich. Eine weitere Rechtfertigung für den Parameter Referenzzeit scheinen textlinguistische Gegebenheiten zu liefern, auf die wir weiter unten zu sprechen kommen. 20 Eine ähnliche Klassenbildung schlägt C. S. Smith 1980, in C. Rohrer 1980, 355 ff. vor. Vgl. hierzu auch R. Bäuerle 1979, 50 f. 21 Vgl. Fußnote 26. 22 Referenzzeitbezug scheint im amerik. Englisch möglich zu sein. Vgl. C. S. Smith, I.e., 365: On Sunday Mary lost the watch she had (sic) bought a week ago. Sprecher des britischen Englisch lehnen den Satz ab.

125

klassen denkbar: (a) Adverbiale, die auf vergangene und zukünftige Referenzpunkte beziehbar sind. Hierher gehören z.B. die Adverbien He is at the barber sation.

at the moment,

But it soon became

reach the Rhine,

clear

soon

and

before:

but will be back soon. - He denied that he had been lying.

the war will soon be over.

the

- When our

- I've seen that film before.

- Whatever

have said so before.

(b) Adverbiale, die nur auf Referenzpunkte in der Ver-

gangenheit beziehbar sind, wie z.B. ing was formerly

owned privately.

owned a large estate.

formerly

und

somebody

in earlier

times:

- He was then a poor man, but had

- * By the time you get the painting,

have been owned by the king

else

- We

had been there before. -

you say in your poems,

accu-

troops

it will

will

This

paint-

formerly formerly

wird irrmerhin von einigen Sprechern akzeptiert, ge-

nerell abgelehnt wird der Satz aber, wenn

formerly

durch

in earlier

times

er-

setzt wird. - (c) Schließlich ist eine Klasse von Adverbien denkbar, die nur auf zukünftige Referenzpunkte beziehbar ist. Die Klasse scheint im Englischen nicht belegt zu sein.23 Wir kennzeichnen diese Klassen wie folgt: VI:

Sprechzeitgebundene Adverbiale Referenzzeitgebundene Ungebundene Ungeb. Adv. mit verg. Referenzzeiten mit zukünft. Referenzzeit mit verg. u. zukünftigen Referenzzeiten

. . . (11)

... (12) ... (13) ... (13a) ... (13b) ... ( 13ab)

3.2.7 Für alle Zeitadverbiale, die Erstreckungs- oder Frequenzgrößen enthalten (Skalare, Tensoren und Frequenzadverbien) ist festzuhalten, ob es sich um numerisch-kalendarische (= objektive) oder subjektive Größen handelt: VII:

Adverbiale mit numerisch-kalendarischen Größen mit subjekt. Größen

... (14) ... (15)

3.2.8 Sodann gibt es ungebundene Zeitadverbiale, die die Referenzzeit und den in diesem Zeitpunkt bestehenden Sachverhalt auf eine Erwartungszeit beziehen, wobei sie Präsuppositionen über das erwartete Bestehen oder Nichtbestehen des für die Referenzzeit ausgesagten (oder erfragten) Sachverhalts zur Erwartungs-

23 Den Umstand, daß diese Adverbien doppelten Orientierungsbezug enthalten, auf die Referenzzeit und die Sprechzeit, möchten wir als einen weiteren Grund dafür ansehen, den Begriff der Referenzzeit beizubehalten.

126 zeit zum Ausdruck bringen. no longer.

Zu dieser Gruppe gehören already, (not) yet, still,

Wie aus den Beispielen unten (val. S. 148 ff.) ersichtlich, kann die

Erwartungszeit im Verhältnis zur Ereigniszeit nachzeitig oder vorzeitig sein. Wir unterscheiden deshalb VIII:

3.2.9

Adverbiale mit vorzeitiger u. nachzeitiger Erwartungszeit

... (16) ... (17)

Eine Gruppe von Zeitadverbialen schließlich bezeichnet unterschiedliche

Zeitpunkte in zusammengehörigen Ereignisfolgen. w i e finally,

originally,

initially,

in the beginning,

Wir nennen sie Reihenfolge-Adverbiale IX:

3.3

Es handelt sich um Adverbien

24

Adverbiale mit initialem finalem und medialem Bezug

in between,

last

etc.

und unterscheiden ... (18a) ... (18b) ... (18c)

Wir versuchen im folgenden einige in der Regel vergleichende Einzelanaly-

sen.

Dabei nehmen wir nicht an, daß die bisher erörterten Merkmale und Klassen

bereits zu einer erschöpfenden Analyse des Zeitadverbials ausreichen.

Der eine

oder andere konkrete Einzelfall wird unter umständen weitere Gesichtspunkte liefern.

Insgesamt arbeiten wir also mit den folgenden Merkmalen:

I:

Quantifizierende Funktion Orientierende Funktion

... (1) ... (2)

II:

Skalar Frequenz

... (3) ... (4)

III:

Intervall Rahmen

... ( 5 ) ... (6)

IV:

Vektor Tensor

... ( 7 ) ... (8)

V:

Vorzeitigkeit Nachzeitigkeit Gleichzeitigkeit

... ( 9 ) ... ( 1 0 ) ... (-Ç^-io)

VI:

Sprechzeitbindung Referenzzeitbindung

#

(11) (12)

24 Einen interessanten Versuch, die Klasse der deutschen Reihenfolgeadverbiale ("ordering adverbs") zu beschreiben, unternimmt P. Lutzeier 1980, in Ch. Rohrer 1980, 293 ff.

127 Ungebundenheit Ungebundenheit mit vergangener Referenzzeit mit zukünftiger Referenzzeit mit vergangener u. zukünftiger Referenzzeit

... (13) ... (13a) ... (13b)

VII:

Numerisch-Kalendarische Größe Subjektive Größe

... (14) ... (15)

VIII:

Vorzeitige Erwartungszeit Nachzeitige Erwartungszeit

... (16) ... (17)

IX:

Initialer Finaler u. Medialer Bezug

... (18a) ... ( 18b) ... (18c)

3.3.1

... (I3ab)

Wir beginnen m i t dem Kontrastpaar three days ago - three days

Sie sind beide orientierende Zeitadverbiale. 25 "when".

before.

Sie antworten auf die Frage

Im Rahmen unserer MerkmalaufZahlung erhalten sie die Ziffer (2).

Die Merkmalgruppen II und III sind nicht anwendbar.

Die Merkmalgruppe IV er-

weist unsere beiden Adverbiale als Tensoren, d a sie jeweils einen Skalar (three days) und einen Vektor (ago/before) malziffer (8).

enthalten.

Beide erhalten deshalb die Merk-

Die Merkmalgruppe V liefert für beide das Ferkmal Vorzeitigkeit

und damit die Merkmalziffer (9).

Die Merkmale unter V I weisen das Adverbiale

three days ago der Klasse der sprechzeitgebundenen Adverbiale (Ziffer 11) zu, three days before

der Klasse der referenzzeitgebundenen (Ziffer 12).

Dieser

unterschiedlichen Klassenzuweisung entspricht ihre unterschiedliche Zeitstufenkol lokation: 26 I met him three days ago - I met him three days before. * I had met him three days ago - I had met him three days

before.

Die Merkmalgruppe VII liefert für beide Adverbiale die Kennziffer (14), die Gruppen VIII und IX sind nicht anwendbar.

Die beiden Adverbiale unterscheiden

sich demnach wie folgt: three days ago: three days before:

(2), (8), (9), (11), (14) (2), (8), (9), (12), (14)

25 Es ist hier zu beachten, daß nicht alle orientierenden Adverbiale auf die when -Frage antworten: vlg. before. 26 Das Adverbiale three days before ist zwar mit dem Past kombinierbar, jedoch ist es in dieser Verwendung nicht synonym mit three days ago. Vgl hierzu Fußnote 22. Die GCE, 281, stellt nebeneinander a week ago und a week beforeI met him a week ago/a week before und paraphrasiert beide mit "earlier by a" week . Damit soll aber nicht gesagt werden, daß a week before als auf die Sprechzeit beziehbar angesehen wird.

128 Sie kontrastieren also lediglich bezüglich der Orientierungsachse, an die sie gebunden sind. Allerdings ist gerade dieser Umstand für ihre Textfunktion von zentraler Bedeutimg.

3.3.2

Als nächstes Kontrastpaar betrachten wir next week und the next week.

Wenn wir die Merkmalgruppen durchgehen, erhalten wir die folgenden Kennzahlen: next week: the next week:

(2), (8), (10), (11), (14) (2), (8), (10), (12), (14)

Das Paar unterscheidet sich van vorausgehenden nur in der vektoriellen Orientierung, statt Vorzeitigkeit erhalten wir hier Nachzeitigkeit. 3.3.3 Das Adverbial presently kennt in zwei Bedeutungen vor. Nach dem Dictionary of Contemporary English (im folgenden DCE) ist presently

wiederzugeben

mittels "soon": The doctor will be here presently. - Dagegen erhält presently^

(eingeschränkt auf das amerikanische und schottische Englisch) die Paraphrase "at present, in the present period; currently": The doctor is presently writing a book. Die beiden Bedeutungen erhalten demnach die folgenden Merkmalszahlen: presently : presently2

(2), (8), (10), ( Π ) , (15) (2), (7), (-9,-10), (11), (15)

Sie kontrastieren nur an zwei Stellen. Presently ("soon") ist ein Tensor (8) und hat gegenüber next week subjektive Quantifizierung (15 gegen 14). Dagegen ist presently2 als nullwertiger Vektor einzustufen.

(7). Da wir beide als

sprechzeitbezogen charakterisiert haben, halten wir Sätze wie * We rang up Dr. Jones and he arrived presently und * He was presently writing a book nicht für

sprachgerecht . ^

3.3.4 Die Zeitadverbiale der folgenden Gruppe - for three days, during the day

und within an hour - enthalten ohne Zweifel jeweils einen Skalar. Man könnte deshalb der Meinung sein, es handle sich insgesamt um quantifizierende Zeitadverbiale. Jedoch antwortet allein das Adverbiale for three days auf die Frage

27 Vgl. hierzu R. Quirk et al. 1972, 485, wo Sätze wie They presently called on him für einige Sprecher des BE als akzeptabel erklärt werden, mit der Einschränkung allerdings "Some find presently unacceptable when it co-occurs with a verb in the past".

129

"for how long?" Da es in Sätzen wie We waited for three hours zweifelsohne durch den Allquantor wiederzugeben ist, bezeichnen wir es als Intervalladverb und geben ihm die Merkmalziffem (1), (3) und (5). Allerdings ist anzumerken, daß in Sätzen wie I've taught French for 30 years die Zeitvariable (t) nicht als Zeitpunkt gedeutet werden darf, sondern als "gegebener Anlaß", so daß der Allquantor zu lesen wäre als "zu jeden gegebenen Anlaß (= t relev.) im Intervall t - t ." χ y

Das Adverbiale

during the day

hingegen ist ein

time when adjunct

und zwar in

seinen beiden Bedeutungen, wie sie im DCE paraphrasiert sind: (a) "throughout the continuance of" und (b) "at sane point of time during the continuance of"Als Belegsätze für die Bedeutung (a) kann man anführen: 1) The sun gives us light during the day

(Advanced Learner's Dictionary = ALD) - 2)

during the summer and practise nine-pins during the winter.

We go swimming

Wir haben bereits

erwähnt, daß die Orientierungsfunktion des Zeitadverbials during X hier zyklusbezogen ist, d.h., daß during the day z.B. nur im Zyklus der Tageszeiten, during the summer nur im Zyklus der Jahreszeiten orientiert. Die Bedeutung (b) wird illustriert mit Sätzen wie 3) He

called to see me during my absence

und 4) I spoke to him during last week (GCE, 488).

(ADD)

In Satz 1 und 2 müßten wir

zur Darstellung des Zeitbezugs ohne Zweifel den Allquantor verwenden, wobei für Satz 2 die gleiche Einschränkung gilt wie für I've taught French for 30 years.

Für Satz 3 und 4 hingegen ist nur der Existenzquantor angebracht. Avisdrücke wie during x fungieren also sowohl als Rahmen-, wie als Intervalladverbiale. Wir bringen dies dadurch zum Ausdruck, daß wir die Merkmalziffern der Gruppe III in einem Ausdruck (5/6) zusanmenfassen. Wir erhalten demnach für diesen Typ des Zeitadverbiales die Merkmalziffern (2), (3) und (5/6), welche zum Ausdruck bringen, daß

during χ

hinsichtlich seiner Verzeitungsleistung zwei-

deutig ist. Monosemiert wird es in der Regel durch die Zugehörigkeit des Prädikats zu bestimmten Geschehenskonzepten. Auch das Adverbiale within an hour/a week etc. hat mehrere Bedeutungen.

einem Satz wie 1)

He'll arrive within the/an hour

In

(DCE) kann das Zeitadverbiale

ohne weiteres mit "when?" erfragt werden. Dagegen läßt der Satz 2) He wrote a diese Frage nicht zu. Man muß den Ausdruck "within what time?" verwenden. Keine der beiden Fragen läßt sich auf einen Satz anwenden wie 28 Wie die 3) He told us he would buy a Mercedes, and within a week he had one.

poem within an hour

28 Auf Sätze dieser Art bin ich von H. Bek und J. Nerbonne, Mitglieder meines Oberseminars, aufmerksam gemacht worden.

130 Beispielsätze zeigen, liegen hier komplizierte Verhältnisse vor. In Satz 1) ist within an hour ein durch das Tempus auf die Sprechzeit bezogenes Rahmenadverbiale, das durch den Existenzquantor darzustellen wäre. Der Sachverhalt trifft lediglich auf einen Zeitpunkt (t) innerhalb des angesprochenen Zeitintervalls zu. In dieser Bedeutung erhalten wir die Merkmalziffern(2) und (6). Der Satz 2) läßt die "when"-Frage dagegen nicht zu und unterscheidet sich von Satz 1) dadurch, daß nicht ein Sachverhalt für einen Zeitpunkt behauptet wird, sondern ein komplexes Geschehenskonzept mit Initial-, Prozeß- und Finalphase für 29 das angesprochene Zeitintervall assertiert wird. Das Adverbiale ist nicht orientierend. Es spezifiziert nur das für das Ereignis nötige Zeitquantum. Wir geben dem Adverbiale deshalb hier die Kennziffern (1), (3) und (6), Satz 3) schließlich unterscheidet sich von den vorausgehenden dadurch, daß der Sachverhalt "have a Mercedes" nicht auf den Zeitrahmen des Adverbials beschränkt wird. In den Zeitrahmen fällt lediglich die Initialphase und ein Teil seiner zeitlichen Erstreckung, die über den Rahmen des Adverbials hinausreicht. Hier wird deutlich, daß unsere Merkmalgruppen noch unzureichend sind und weitere Differenzierungen vorgenommen werden müßten. Wenn wir uns auf die hier vorgeschlagenen Kriterien beschränken, erhalten wir für within a week die gleichen Merkmalziffern wie für Satz 1), nämlich (2) und (6). Nach unserer Analyse sind also die Adverbiale within X und during X zweideutig (1/2). Auf die drei soeben erörterten Adverbiale sind nur noch die Merkmale der Gruppe VII anwendbar.

Sie liefern die Kennziffer (14), so daß sich für sie die

folgenden Merkmalgruppierungen ergeben: for three days: within an hour: during the day:

(1), (3), (5), (14) (1/2), (6), (14) (1/2), (3/-), (5/6), (14)

Die Adverbiale dieser Gruppe verdeutlichen einen weiteren wichtigen Sachverhalt. Skalare, als welche wir die drei Adverbiale eingestuft haben, sind per definitionem an keine Orientierungsachse gebunden. Sie können sich aber in geeigneten Satzfolgen oder geeignetem pragmatischen Kontext (Sprechsituation) jeweils an eine Referenzzeit anlehnen und liefern dann eine vollständige Zeitorientierung: We went to London last September and stayed there for three months. - He's at the barber's now but will be back within the/an hour. - We arrived in London on Monday and stayed there during the rest of the week. - Zu dieser Gruppe von 29 Ζ. Vendler 1957, 146: "But even if it is true that a runner has run a mile in four minutes, it cannot be true that he has run a mile in any period which is a real part of that time ...". Vgl. hierzu auch Α. Schopf 1976, 30 ff.

131

Zeitadverbialen gehören nach Carlota S. Smith auch Ausdrücke wie Monday

etc.^

We arrived

in London,

on Sunday,

Normalerweise werden Adverbiale wie

day.

April

on Monday,

1st., Tuesday

bezogen verwendet, im eben zitierten Satz aber wird

on

Sunday,

and left on

Tues-

etc. Sprechzeitnicht an der

on Tuesday

Sprechzeit verankert, sondern auf die im Satz gegebene Datumsangabe bezogen. Die genaueren Voraussetzungen für die unterschiedlichen Verankerungsmöglichkeitendes Zeitadverbials dieses Typs sind noch nicht geklärt. Offenbar spielen semantische Gegebenheiten unterschiedlicher Art eine Rolle, wahrscheinlich auch die referenzielle Identität der Subjekte der Teilsätze und anderes. 3.3.5 Die Zeitadverbiale

since,

soon,

und

before

later

bilden eine weitere

Gruppe mit interessanten Kontrasten. Zunächst sei festgehalten, daß isoliert verwendet, aber auch durch Skalare modifiziert werden kann: Sodann ist das Adverb

before.

unterscheiden von der homonymen Präposition wie z.B. in Skalare und Gradadverbien kann auch

later

before

erweitert werden:

sich nur geringfügig vom uranodifizierten

since

unterscheiden,

zu

before

Durch

1989.

a week/much

läßt Erweiterungen zu, jedoch ist zu beachten, daß

since

later.

ever/never

since

many

since,

years

aber eine ganz andere Bedeutung haben. Auch als Präposition bildet

long since

Zeitadverbiale:

since

days

Allerdings gehört der modifizierte Ausdruck dann einer ganz anderen

before.

Adverbialklasse an als das einfache

Auch

before three

since

1948.

Soon

dagegen kann, wie leicht einzusehen,

wegen des in ihm enthaltenen Skalars nur durch Gradadverbien modifiziert warden: very/too soon. Die semantische Analyse der Adverbiale unserer Gruppe beginnen wir mit Dabei beziehen wir uns auf die folgenden Belegsätze: (1) Her husband died years

ago but she's

haven't

met

ing ever here had

ever since

since

since

been

remarried

(GCE, 488) -

since

for a holiday

since

(DCE) -

(DCE) - (3) He arrived

(DCE) rebuilt

and we've

(4) He came

(2) I saw him on Wednesday,

this morning to England

(5) The town had been (AID) gone

ever

3 years

destroyed

(6) It was in 1960

there

and he has been

that we first

but

we

lived

earlier

went

ten

complain-

ago and has

ten years

since.

to

and France

since.

Wenn wir since, wie es in diesen Sätzen verwendet wird, bezüglich der Merkmale der Matrix I abfragen, stellen wir fest, daß es sowohl ein quantifizie rendes wie ein orientierendes Element besitzt. Quantifizierend ist since insofern, als es, wie z.B. in Satz (1), ein Zeitintervall aufbaut zwischen einer 30 C. S. Smith 1980, 373 f.

132

Referenzzeit (ten years ago) im ersten Teilsatz und der Sprechzeit des Gesamtsatzes; oder aber, wie in Satz (5), zwischen einer Ereigniszeit ("the destruction of the town") und einer Referenzzeit, die hier im isolierten Satz allerdings nur als Verankerungspunkt für das Zeitadverbiale ten years earlier erschließbar ist und im weiteren Kontext gegeben sein müßte.

Orientierend da-

gegen ist since deswegen, weil die Ereigniszeit, die es festlegt, jeweils im Minusvektor einer Referenz- oder Sprechzeit und im Plusvektor einer weiteren Referenzzeit liegt.

Wir bringen diese Doppelfunktion zum Ausdruck, indem wir

beide Merkmalziffern der Matrix I in einen Ausdruck zusanmenfassen: (1/2). M a trix II liefert dann, da wir den Skalar nur als Erstreckungsquantum verstanden haben, für since die Merkmalziffer (3) und Matrix III die Merkmalkcmbination (5/6), da since sowohl durch den Allquantor (vgl. die Belegsätze 3 und 4 oben) wie auch den Existenzquantor (Belegsatz 1) wiederzugeben wäre, wobei es unerheblich ist, ob die Zeitvariable (t) einen Zeitpunkt oder ein Zeitintervall bezeichnet.

Der Matrix IV entnehmen wir für since die Merkmalziffer (7), da die

Ereigniszeit, sofern sie durch den Existenzquantor wiederzugeben ist, nur vektoriell, nicht aber durch einen Tensor gekennzeichnet wird.

Das läßt sich an

unserem Belegsatz 1 leicht verdeutlichen: three years ago ist ein Tensor, der den Sachverhalt "death of her husband" in Bezug zur Sprechzeit durch ein numerisch-kalendarisches Quantum festlegt, während der Sachverhalt "she remarry" in Bezug zur Sprechzeit nur vektoriell und zwar als vorzeitig definiert wird.

Da

der Sachverhalt "she remarry" jedoch zugleich im Hinblick auf die Referenzzeit three years ago als nachzeitig ausgewiesen wird, ist die vektorielle Orientierung durch since komplex. 10) zum Ausdruck.

Wir bringen dies durch die Merkmalskcmbination (9 +

Hinsichtlich des Bezugs von since auf die beiden möglichen

Orientierungsachsen beweisen die Belegsätze (1) und (5) oben, daß sowohl Referenz wie Sprechzeitbezug möglich ist. Merkmalziffer (13a). zu.

Matrix VI liefert dementsprechend die

Die Merkmale der übrigen Matrizen treffen auf since nicht

Insgesamt erhalten wir also die folgende Merkmalkombination: since:

(1/2),

(3),

(5/6),

(7),

(9+10),

(13a).

Gegenüber dieser verhältnismäßig komplizierten Merkmalstruktur ist die von soon einfach.

Es handelt sich zweifellos um ein orientierendes Adverbiale und

einen Tensor mit nachzeitiger Wertzuschreibung, der sowohl Sprech- wie referenzzeitbezogen verwendbar ist, d.h. weder sprech- noch referenzzeitgebunden ist. Da soon außerdem auf vergangene wie zukünftige ReferenzZeiten beziehbar ist, liefert Matrix VI deshalb die Merkmalkcmbination (13ab), die Matrix VII wegen

133

des subjektiven Skalars das Merkmal (15). Das ergibt die Merkmalkcmbination: (2),

soon:

(8),

(10),

(13ab),

(15).

Ähnlich einfach ist die Merkmalstruktur von later. Wiederum handelt es sich um ein orientierendes Adverbiale. Da es kein Erstreckungsquantum (Skalar) enthält, ist es ein Vektor mit Nachzeitigkeitswert. Die GCE führt die folgenden Belegsätze an:

(1) He's going to the barber but will be back later. - (2) He

banded in his resignation and later regretted his hasty action.

Sie lassen den

Schluß zu, daß later genauso wie soon weder Sprech- noch referenzzeitgebunden ist. Wir erhalten die folgende Merkmalkcmbination: later:

(2),

(7),

(10),

(13ab).

Daß ein Satz wie * He has handed in his resignation but later regretted his hasty action ungrammatisch ist, erklärt sich daraus, daß das Perfekt keine Refe-

renzzeit in der Vergangenheit konstituiert. Dieser Sachverhalt wird uns weiter unten noch einmal beschäftigen. Aus unserer Gruppe von Zeitadverbialen ist noch before zu erörtern. Wir beziehen uns zunächst auf die folgenden Belegsätze: (1) I've seen that film before (AID). - (2) You should have told me so before before?

(ALD) . (3) Haven't I seen you

(DCE). - (4) He has been unhappy for a long time, but I've never seen

him so unhappy before (this time) (GCE, 485). - (5) He had been in business be-

fore (Langenscheidts Enzyklopädisches Wörterbuch der englischen und deutschen Sprache = LEW). Nach diesen Belegsätzen handelt es sich zweifellos um ein orientierendes Zeitadverbiale, das einen bloßen Vektor mit Vorzeitigkeitswert ausdrückt. Er ist weder Sprech- noch referenzzeitgebunden. Es ergibt sich also das folgende Merkmalbündel: before:

(2),

(7),

(9),

(I3ab).

Das isolierte Adverbiale before enthält im Gegensatz zu dem durch Skalare modifizierten before (z.B. long before) keine Restriktionen hinsichtlich seines Bezugs zur Sprech- und Referenzzeit. Ein Vergleich der Merkmalformeln für later und before zeigt, daß sie sich bis auf die gegensätzliche vektorielle Wertzuschreibimg durchaus entsprechen. Wie oben (S.124) schon festgestellt, sind Adverbiale wie three days before referenzzeitgebunden, können also auf die Sprechzeit nicht bezogen werden. Das gilt auch für long before, das nicht synonym ist mit long ago. Zwar führt das ALD einen Beispielsatz im Past an (That happened long before) jedoch erfordert

dieser Satz eine Referenzzeit in der Vergangenheit im Kontext: Did William the

134 Conquerer invade England at the beginning of the 13th century? - No, that

happened long before. Aber auch das isolierte before wird mit den Past verwendet. Webster's New Collegiate Dictionary (= WNCD) zitiert den Belegsatz It never happened before, der die Annahme nahelegen könnte, daß er sprechzeitbezogen ist. Und in der Tat erklärt Geoffrey Ν. Leech die Verwendung des Past in Sätzen dieser Art damit, daß "with always, ever, and never Past and Present Perfect are largely interchangeable when describing a period up to the pre31 sent." Dementsprechend bezeichnet er den Satz I never met such an important person before als äquivalent mit I've never met such an important person before,

beschränkt die Austauschbarkeit von Past und Present Perfect in Verbindung mit 32 den oben erwähnten Adverbien jedoch auf Fragen und negierte Satze. Meine eigenen Untersuchungen ergaben, daß never before mit dem Past eine Referenzzeit in der Vergangenheit erfordert: (1) Could the ferry capsize in stormy weather? - Well, it has never happened before (nicht jedoch: it never happened before). - (2) The ferry capsized yesterday, but it never happened before (nicht: it 33 has never happened before). Das wurde bedeuten, daß der von Geoffrey Leech

zitierte Satz I never met such an important person before das Past nur deshalb

ermöglicht, weil der Sachverhalt "meet an important person" Vergangenheit, (wenn auch unmittelbare) ist, d.h. bereits stattgefunden hat und von Sprecher sowohl als vergangen (mit Referenzpunkt in der Vergangenheit) als auch, obwohl vergangen, zu seiner Gegenwart gehörig (Referenzpunkt ist dann die Sprechzeit) empfunden werden kann, woraus sich die Verwendung des Present Perfekt erklärt. Zu beachten ist, daß das Adverbiale before in den eben erörterten Verwendungen die Präsupposition enthält, daß die jeweilige Proposition im Kontext entweder als verwirklicht oder wenigstens als erfragt oder möglich gegeben sein muß. Das erklärt, warum ein Satz wie Have you met an important person before?

ungrairmatisch wäre, wenn er als präsuppositionslose Informationsfrage im Sinne von Have you ever met an important person? verwendet würde.

3.3.6 Zu before bildet das Adverbiale once einen interessanten Gegensatz. Wenn man die Definitionen für before und once in den Wörterbüchern vergleicht, stellt man Teilkongruenzen fest. Im AID lautet die Paraphrase für once:

31 G. Leech 1971, 41. 32 G. Leech 1971, 38. 33 Umgangssprachlich scheint jedoch das Present Perfect möglich zu sein: The ferry capsized yesterday, which has never happened before. (Informantenbeleg) .

135

"at seme indefinite time in the past; formerly"; für before: "at an earlier time; in the past; already". Das DCE definiert once als "sctne time ago; formerly" und before als "at an earlier time; already; formerly". Diesen Paraphrasen lassen sich kaum eindeutige Hinweise auf den Unterschied zwischen before und once entnehmen, der darin besteht, daß once im Gegensatz zu before nicht einfach als bloßer Minusvektor aufgefaßt werden kann, wie in dan Umstand deutlich wird, daß es sich niemals mit dem Present Perfect, sondern irritier nur 34

mit dem Past verbindet.

Diese kollokationelle Restriktion wird aus einer

seiner Paraphrasen im DCE (= "seme time ago") verständlich, die einen indefiniten Tensor beschreibt. Von diesen Gegebenheiten her könnte man zu der Hypothese gelangen, daß die Verwendung von Past und Present Perfect in Verbindung mit bestimmten Zeitadverbialen jeweils auf das Vorhandensein vektorieller oder tensorieller Orientierung zurückzuführen ist. Wenn wir nun erwägen, Vektoren mittels des Existenzquantors und einer Spezifizierung für die Zeitvariable (t) dergestalt darzustellen, daß wir sie im Verhältnis zur Sprech- oder Referenzzeit als kleiner ansehen, erhalten wir in etwa die Formel: at(t 2[have]. Entsprechend lautet der Strukturindex für die Einfügung von bet SD: X, Aux, 1 2

NP, 3

Y 4

wobei fur (3) gilt, daß es in der Konstituente Predicate enthalten sein muß.

57 E. Bach 1967, 4 6 6 . 58 E. Bach 1967, 4 6 3 .

co

178 Was nun die einzelnen Formen des Verbalsystems betrifft, so werden nur die einfachen (nicht zusammengesetzten) Tempora aus einem einzigen Auxiliarknoten erzeugt.

Die anderen Formen setzen mehrere Auxiliarknoten, d.h. mehrere

Sätze voraus. Das einfache Perfekt z.B. setzt eine Ausgangskette der Form NP Tense f have # T e n s e 2 VP

voraus, die, wenn sie in Tense2 als Past spezifiziert ist, der Perfekttransformation unterzogen werden kann, die Bach wie folgt beschreibt: Τ

perfect SD: X, 1

have, 2

#

, 3

Past, 4

VP, 5

#

, 6

Y 7

SC: 2 > 2en; 3, 4 , 6 > null

Wir bemerken, daß die Hinzufügung des Morphems zur Bildung des Partizip Perfekt von der Tilgung von Past im zweiten Teilsatz und den Satzgrenzen begleitet ist.

Dies leert als semantische Deutung des Perfekts nahe, daß die

Einführung von have den Inhalt des zweiten Teilsatzes, d.h. ein Ereignis im Past, dem Subjekt des ersten Teilsatzes zuschreibt.

Bach formuliert das wie

folgt: "Thus the perfect tenses can be paraphrased roughly as NP has the property that S, where S contains Past and has the identical NP as its sub59

ject".

Das Perfekt ist nach dieser Deutung also ein in ein Präsens einge-

bettetes Past.

Das einbettende Präsens ist have.

Hier taucht natürlich die

Frage auf, wie man erklären will, daß ein Past, dem im allgemeinen Referenz auf einen bestürmten Zeitpunkt in der Vergangenheit zugeschrieben wird, nach der Einbettung in ein Präsens diese Eigenschaft verliert, d.h. daß eine Transformation die Bedeutung der Konstituenten ändert. Die erweiterte Präsensform von Völlverben setzt als Ausgangskette dagegen NP Tense be # Tense VP

voraus, deren zweites Tempus aus einem Prädikativ starreren muß.

Die Trans-

formations rege1 τ

progressive SD: X, 1

be, 2

#

, 3

Pres, 4

SC: 2 > 2ing; 3, 4, 6 > null

59 E. Bach 1967, 474.

VP, 5

#

, 6

Y 7

179

deutet die erweiterte Form des Präsens als Einbettung eines Präsens in ein Präsens, was fragen läßt, wie dies semantisch zu deuten ist, zumal das einfache Präsens aus dem Auxiliarknoten des zweiten Teilsatzes als Prädikativ in den ersten Teilsatz eingebettet wird.

Eine plausible semantische Deutung der

erweiterten Präsensfrom scheint sich aus dieser Transformation nicht ableiten zu lassen. Besonders schwierig erscheint mir unter diesen Voraussetzungen die s atlantische Deutung der erweiterten Kopula (Bob was being naughty/kind etc.). Da be als Vollverb nicht zur Verfügung steht, müßte eine prädikative Fügung in eine andere prädikative Fügung eingebettet werden, in die eine dritte prädikative Fügung bereits eingebettet worden ist. Ob sich daraus eine plausible sanantisehe Deutung ergibt, erscheint uns ungewiß. Wir wollen mit dem Hinweis abschließen, daß die erweiterte Perfektform {John has been

washing

his car/writing

a novel

etc.) avis drei Auxiliarknoten

abgeleitet werden müßte und die Einführung von have als auch von be erfordern würde.

Als semantische Deutung für unseren Satz im erweiterten Perfekt bietet

sich, wenn nan davon ausgeht, daß diese Transformationen in Bachs System möglich sind, die Paraphrase "John besitzt die Eigenschaft, sich im Zustand befunden zu haben, einen Roman zu schreiben," vrobei zu fragen ist, ob diese Paraphrase mit einem Past im Mittelsatz als "kontinuatives Perfekt" deutbar ist. Brrion Bach ist sich der Schwierigkeit, diesen Transformationen zur Herleitung zusanmengesetzter Verbalformen, eine semantische Deutung zu geben, bewußt.60 McCoard

4.2.2.3.2

Auf weitere Schwierigkeiten, die seine Vorschläge beinhalten, weist hin. 61

Huddieston teilt mit Bach die Annahme, daß die zusammengesetzten

Verbformen des Englischen aus mehreren Tarpora bestehen; jedoch weist er diese nicht Verbalgruppen oder Sätzen zu, sondern den Verben. Huddieston entwickelt diese These aus der Beobachtung, daß Sätze mit nur einer Verbform im herkömmlichen Sinne zwei widersprüchliche, d.h. logisch unvereinbare Zeitadverbiale wählen können: Yesterday he was coming tomorrow. Der eben angeführte Satz ist vollkontnen sprachgerecht, was fragen läßt, welchen Konstituenten die Zeitadverbiale zugeordnet werden müssen, damit sich ihre

60 E . Bach 1967, 477: "The semantics of tense, aspect, voice, and so on are sufficiently obscure at present to allow me to claim that my suggestions for the analysis of the auxiliary elements are not much worse from a semantic point of view than others currently available." 61 R. W . McCoard 1978, 169 f.

180 Widersprüchlichkeit auflößt.

Huddieston zieht als Vergleichsbeispiel den Satz

John intended coming tomorrow heran, in welchem nach Huddieston die lexikalischen Verben es sind, die jeweils eigene Tempora - intended (= Past) und come tomorrow

(= Futur) - wählen.

U n d d a d e r Satz John was coming

tomorrow

mit dem eben besprochenen den gleichen Sinn hat, niirmt Huddieston auch für diesen Satz doppelte Tempuswahl an und verteilt sie auf das Hilfsverb was (= Past) und das lexikalische Verb come (= Futur) und beschreibt die Verzeitungsleistung des Gesamtsatzes als "future in past". Die Notwendigkeit, eigene Tempuswahl für Konstituenten vorzusehen, die bisher dem Auxiliar zugerechnet wurden, zeigt sich auch an Sätzen mit Modalverben w i e John may have

gone,

John must have been

at home

usw., i n denen unzweifel-

haft die Modalität einen anderen Zeitbezug hat als der von ihr modifizierte Satz.

Unser zuerst zitierter Satz erhält deshalb nach Huddieston den folgenden 62 (vereinfachten) Strukturbaum:

Daß die eben zitierten Sätze zeitvergleichend sind, ist für das Sprachgefühl unmittelbar einleuchtend.

Problematisch aber ist z.B. die Frage, ob die Futur-

formen auf der Basis von shall/will als aus einfacher oder doppelter Tempuswahl hervorgehen.

Huddieston entscheidet sich für zweifache Tempuswahl:

Die

Verzeitungsleistung von Sätzen wie He will leave tomorrow bezeichnet er als "future in present". Die Begründung für diese Deutung sieht wie folgt aus: Obzwar das futurische will ("predictive will") kein Past wie nodales will in she wouldn't help him 62 R. Huddleston 1969, 782.

181

und

She

would

sit

there

for hours

Tempuswahl absprechen möchte -

watching

The moon

TV

hat, so daß man ihm eigene

wouldn't

rise

until

eight

ist nur als

erlebte Rede sprachgerecht und deshalb nicht die entsprechende Past TenseVersion von

The moon

won't

rise

until

eight

-,

beruft sich Huddieston darauf,

daß im eingebetteten Satz eigenständige, d.h. kontrastive Tempuswahl möglich ist. Er stellt gegenüber (a) He Paris

will

leave

und (b) He

tomorrow

will

be

in

In Satz (a) hat der eingebettete Satz ein futurisches,

at the moment.

in Satz (b) ein präsentisches Zeitadverbiale. Dies soll die eigenständige Tempuswahl im Konstituentensatz direkt und indirekt auch im Rahmensatz belegen. Ein zusätzliches Argument für diese Deutung des shall/will-Futurs sieht er in der Tatsache, daß Sätze mit dieser Verbform, mit "predictive will", widersprüchliche Zeitadverbien zu sich nehmen können: the

end

Zweifellos bezieht sich

of the month.

Sprechers und

at the

end

of the month

Alow we will

now

have

no money

at

hier auf die Gegenwart des

auf eine gegenüber dieser Gegenwart nach-

zeitige Zeit. Aber kann man daraus folgern, daß

now

sich auf

das Huddieston tut? Wir würden diese Deutung annehmen, wenn

will

will

bezieht, wie eine deutlich

faßbare gesonderte Bedeutung hätte, d.h. über die Verzeitung von "have no money" hinaus einen zusätzlichen Sachverhalt im Sinne einer Modalität (z.B. "likelihood" oder "necessity") zum Ausdruck brächte. Dies ist nach unserer Meinung nicht der Fall. Wir betrachten das now vielmehr als den Rest eines Rahmensatzes, der paraphrasiert werden könnte als "Now it is likely that ..." oder "Maw it is evident that ... ". Huddieston selbst deutet den Satz Now we will be late als Reaktion auf ein Ereignis "which increases the likelihood of 63

our being late", d.h. aber im Sinne eines getilgten Rahmensatzes mit der Bedeutung "It is likely now ...". Bei dieser Deutung würde will Bestandteil der Tempusform des Konstituentensatzes bleiben und keine eigene Tempuswahl haben. Wir würden eigene Tempuswahl für will nur dann für gegeben ansehen, wenn es tatsächlich einen zusätzlichen Sachverhalt bezeichnet. Dies ist offensichtlich in Sätzen wie They will have sold their house der Fall. Hier hat will keinerlei Verzeitungsfunktion, sondern eine klar identifizierbare modale Bedeutung. Huddieston hat offensichtlich selbst Bedenken, dan futurischen

will,

in

seiner Terminologie dem "predictive Will", eigene Tempuswahl zuzugestehen. Zu der These "[that will is] a deep structure verb, not just a future tense marker" bemerkt er: "There is a good deal of weight in this argument, though the difference in meaning between probability and futurity perhaps is such 63 R. H u d d l e s t o n

1969,

789.

182 64

that vre should not regard it as conclusive'II Unsere Ansicht zum shall/will-Futur kann deshalb wie folgt zusairmengefaßt werden: Es hat in bestimmten Wendungen ausschließlich Verzeitungsfunktion und ist dann das Gegenbild sowohl des Past wie des Present Perfect. Wir nehmen für diese Verwendung nur einfache Verzeitung an. Den Hilfsverb selbst schreiben wir eigene Verzeitung nur dann zu, wenn es Träger einer zusätzlichen Bedeutung ist. Diese zusätzliche Bedeutung sollte im Sinne eines Sachverhalts deutbar sein. Wir bemerken einschränkend jedoch, daß die Frage wahrscheinlich erst im Kähmen einer Gesamtuntersuchung des zeitvergleichenden Satzes geklärt werden könnte. Von besonderen Interesse für unsere Fragestellung sind auch die Ausführungen Huddiestons zu Satzgefügen mit Temporalsätzen. Hier interessiert vor allen, welche Deutung vergleichbare Sätze mit Past und Past Perfect im Nebensatz erhalten: (a) He finished it after John washed up und (b) He finished it after John had washed up. Huddieston sagt zu diesen Sätzen: "while (a) is past in past, (b) is past in past in past. In the former we are concerned with the order relation between the time of washing up and the time of finishing semething (it); but the latter introduces a third point - namely, one at which the washing up was over." Wir bezweifeln die Analyse von Satz (b) als eine Folge dreimaliger Wahl von Past und sind der Meinung, daß die Verzeitungsleistung von (a) und (b) gleich ist. Wir stellen die von (a) wie folgt dar: Das Past des Hauptsatzes postuliert einen Referenzpunkt (eine Referenzzeit) in der Vergangenheit (R). Die Ereigniszeit des Hauptsatzes ist mit dieser Zeit identisch (Eg = R). Dieser Referenzpunkt liegt später als die Ereigniszeit des Nebensatzes (R > eg). Die Verzeitungsleistung von Satz (a) würde sich demnach in drei Schritten aufbauen: 1) 2) Konjunktion + Fast des Nebensatzes 3) R> e 's Im ersten Schritt würde die Referenzzeit bezüglich der Sprechzeit als vergangen

dargestellt. Der zweite Schritt würde die Ereigniszeit des Hauptsatzes als identisch mit der Referenzzeit ausweisen. Dies wäre insgesamt die Verzeitungsleistung des Hauptsatzes. Die Verzeitungsleistung des Nebensatzes (3. Schritt) bestünde in der genaueren Bestinmung des Referenzpunktes durch die Konjunktion. Dieselbe Verzeitungsleistung liefert Satz (b), nur wird die Nachzeitigkeit 64 R. Huddieston 1969, 788. 65 R. Huddieston 1969, 791.

183 des Referenzpunktes gegenüber der Ereigniszeit des Nebensatzes zweimal signalisiert, durch die Konjunktion und das Past Perfect.

Im Zeitverhältnis der

Sachverhalte ändert sich nichts. Unsere Deutung unterscheidet sich von der Huddiestons nicht nur dadurch, daß wir auch in (b) nur zwei Tempora einnehmen, sondern auch darin, daß wir davon ausgehen, daß in den beiden Sätzen der im Hauptsatz berichtete Sachverhalt mit Hilfe des Sachverhalts des Nebensatzes verzeitet wird und nicht umgekehrt, wie das die Formulierung "past in past" Huddiestons nahelegen könnte. Huddiestons Aufsatz ist deshalb gerade auch deswegen bemerkenswert, weil seine Analyse zur Frage der Fokussierung der Verzeitungsleistung hinführt.

4.2.2.3.3

Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Analyse des englischen Verbal-

systems im Rahmen der Generativen Semantik ist der Aufsatz "Tense and Time Reference in English" von James D. McCawley. Er ist eingehend erörtert 67 68 warden, unter anderen auch von Robert W. McCoard. Wir greifen im folgenden deshalb nur einige wenige Punkte auf, die in unserem Zusammenhang wichtig sind. Ausgangspunkt für McCawley sind die Arbeiten von T. R. Hofmann (1966) und John Ross (1967).

Ross hatte gezeigt, daß Chomskys Konstituentenformel für

das Auxiliar Aux

^ Tense (Modal) (have-PP)

(be-ing)

nicht allen Gegebenheiten des englischen Verbalsystems gerecht wird, insbesondere bestimmte Pronominalisierungen von Teilen der Verbalphrase nicht darstellen könne.

Nach Chomskys Formel ist z.B. die Fügung been smoking pot

keine Konstituente der Verbalphrase, während dies der folgende Satz voraus69 setzt: The y say that John had been

smoking

pot,

which he had.

R o s s hatte

deshalb diesen Satz eine Tiefenstruktur gegeben, in der die Hilfsverben be und have als Vollverben innerhalb der Verbalgruppe dargestellt werden.

Im

Zuge der Überführung dieser Struktur in die Oberflächenform würden nach Ross Konstituenten verfügbar werden, die die Pronominalisierung von been smoking pot ermöglichen. Von ähnlicher Bedeutung war für McCawley der Hinweis von Hofmann, daß Perfektinfinitive Adverbiale zu sich nehmen können, die sonst das Past erfordern: 66 J. Π. McCawley, in Ch. J. Fillmore and D. T. Langendoen 1971, 97 ff. 67 Z.B. durch B. Darden 1968: "Is the English perfect an embedded past? A statement from the Devil's Advocate." 68 R. W . McCoard 1978, 182 ff. 69 J. D. McCawley 1971, 98 f.

184 John is believed

to have

arrived

at 2:00 yesterday.

Der Satz enthält ohne

Zweifel den Teilsatz John arrived yesterday. Den gleichen Sachverhalt finden wir, wie wir bereits bei der Besprechung der Ansätze Huddiestons gesehen haben, in Sätzen mit modalen Hilfsverben (John may have arrived at 2:00 yesterday) und i n Gerundialkonstruktionen

(John's having

arrived

at 2:00 surprises

me).

Daraus ist zu folgern, that "there must be a stage of the derivation at which modals can be followed by present, past, present perfect and past 70 perfect." Und dies bedeutet, daß in der Tiefenstruktur mehr Auxiliarformen verfügbar sein müssen, als von Chcmskys Formel erzeugt werden können. McCawley übernimmt deshalb Ross' Hypothese und erweitert sie durch die Annahme, (a) daß nicht nur die Hilfsverben jeweils selbständige Verben in eigenen VP-Knoten sind, sondern dies auch für die Tenses gilt, und daß (b) alle have aus zugrundeliegenden Past Tenses abzuleiten sind. Ross* Tiefenstruktur für John had been smoking

pot

in der das Tempus Merkmal des Hilfsverbs (oder des lexikalischen Verbs ist), ersetzt er deshalb durch die folgende Struktur, die die Tempora jeweils als 72 Verben mit eigenen VP-Knoten darstellt und have aus Past ableitet:

70 J. D. McCawley 1971, 101. 71 J. D. McCawley 1971, 98. 72 J. D. McCawley 1971, 99. Der Strukturbaum wurde nach einem Hinweis in R. W. McCoard 1978, 208, Fußnote 13 korrigiert: "there is an error on page 99: the innermost "past" node should be labeled "be" instead."

185

Die Herstellung des Oberflächensatzes erfordert Subjektanhebung, die Hinzufügung des Morphems zur Erzeugung des Partizip Perfekt und der Endung -ing für die erweiterte Form und der Ersetzung von Past durch have (= "tense replacement") nach der Formel "Past — >

have, if agreement has not applied".^

Die Ableitung kann in etwa wie folgt dargestellt werden: [ John [ John [John

Past [Past [agree ] -ed

[ have had

[be

[smoke

P°t]]]]

[be

[ smoke

pot ] ] ] ]

be-en

smoking pot]

Der Strukturbaum läßt erkennen, daß die Tempora einbettende Verben sind, für deren Anzahl offenbar keine Grenze angegeben werden kann.

Dies hält MoCawley

für erstrebenswert, denn er hält Sätze im Past Perfekt für möglich, die drei Vergangenheitstempora voraussetzen. Als Beispiel eines solchen Satzes zitiert e r When John had married

Sue, he had known

Cynthia

for five

years.

Er deutet

ihn als Past (= der aus dem Kontext zu erschließende Referenzpunkt), von dem ein weiteres Past (= John's marrying Sue) abhängt, auf das sich ein Present Perfekt (= John's having known Cynthia for five years) bezieht, und bemerkt hierzu: "Thus, if a "reference point" is taken to be a tense, with or without

73 J. D. McCawley 1971, 101.

186

time adverb, whose subject is an embedded sentence corresponding to the event or state that is being described relative to that reference point, there is seme reason for allowing the potentially limitless freedom of combination of underlying tenses which my revision of Ross's analysis appears to demand, except that the occasion would hardly ever arise for one to use so many subsidiary "reference points" as to require tenses piled nere than three deep."74 Leider geht aus diesen Ausführungen nicht hervor, in welchem Sinne "reference point" gemeint ist, ob im Sinne der Unterscheidlang zwischen Referenzund Ereigniszeit im Sinne Reichenbachs oder nur als Ereigniszeit oder als beides. McCoard jedenfalls deutet McCawleys Bemerkung so, daß jede Ereigniszeit in einer Ereignisfolge, sofern sie sich von den anderen unterscheidet, als Referenzzeit mit eigener Verzeitung zu werten ist. Für den folgenden Satz After he had left his apartment and had made sure no one was following him, he had hurried to the bank, had withdrawn all his funds, and, before anyone had noticed, had skipped town.

erwägt er eine Verzeitungsstruktur, die die unterschiedlichen Ereigniszeiten durch die unterschiedliche Anzahl von Past-Einbettungen darstellt:75 after he and he and before anyone

had had had had had had had had had had had had had had had had had had had had had

left made sure hurried on withdrawn ... noticed skipped ...

Hat McCoard den "reference point" McCawleys mißverstanden? Wir meinen nicht. Dann aber ist seine abschließende Bemerkung zu McCawleys Hypothesen berechtigt: "Apparently McCawley's claim that the multiple-embedding possibilities of his analysis reflect genuine underlying tense ambiguities is not really the advantage it seemed at f i r s t . W i r sind der Meinung, daß die Unterscheidung von Referenz- und Ereigniszeit im Sinne von Hans Reichenbach eine unerläßliche Voraussetzung für die adäquate Darstellung des englischen Verbalsystems ist. Interesse verdient auch die Deutung des Present Perfect durch McCawley. Er beschränkt sich im großen und ganzen auf das einfache (= nicht erweiterte )

74 J. D. McCawley 1971, 103. 75 R. W. McCoard 1978, 185 f. 76 R. W. McCoard 1978, 186.

187

Perfekt und schreibt ihm die vier traditionellen Verwendungstypen, allerdings unter neuer Terminologie zu: (a) das kontinuative Perfekt (bei McCawley "universal perfect"), deis behauptet, daß ein Sachverhalt in jeden Augenblick eines Zeitintervalls, der sich aus der Vergangenheit bis zur Gegenwart erstreckt, Bestand hat (I have known Max since 1960) - (b) das "perfect of experience"

Zandvoorts, auch "experiential", bei McCawley "existential perfect", das dem Subjekt ein vergangenes Ereignis im Sinne einer (prägenden) Erfahrung zuschreibt (J have

read Principia Mathematica

five times)

- (c) das resultative Perfekt

oder "current relevance perfect", bei McCawley "stative perfect", das dem Objekt oder Subjekt den Nachzustand eines Ereignisses als Merkmal zuschreibt (I come to your party tonight - I've caught the flu)

can't

- und (d) das sogenannte

"recent-past perfect, McCawleys "hot-news perfect", das ein Ereignis gewissermaßen als zur vergangenen Hälfte des Gegenwartsfeldes des Sprechers gehörig 77 berichtet (Malcolm X has just been

assassinated).

McCawley faßt diese vier Verwendungstypen unter einer Bedeutung, als Einbettung eines Past in ein Präsens zusaitinen: "I will argue that all four of these senses of the present perfect correspond to semantic representations in which something that provides the source of a past tense 78is embedded in sotnething that provides the source of a present tense ...". Er versucht dann, diese Deutung an den einzelnen Verwendungstypen zu erproben, was wir hier nicht nachzeichnen können. Für unsere Fragestellung ist die Einsicht McCawleys wichtiger, daß seine Semantik des Perfekts bestimmte Beobachtungsdaten nicht erklären kann, die Frage zum Beispiel, welche Art von Nachzustand ein resultatives Perfekt jeweils assertiert. Er schreibt hierzu: "... in this case I am at a total loss to find a detailed analysis which would correctly explain what effect the sentence in the perfect refers to, for example, why it is that 55 [ John has gone to the office ] refers to the effect

of John's not being here (not, 79 as is often erroneously supposed, the effect of John's being at the office), that (the police have arrested my wife, so we can't come to your party) refers to the effect of my wife's being in jail, I've caught the flu to the effect of being sick with the flu and Have you seen my slippers? to the effect of your 80being in a position to inform me regarding the whereabouts of my slippers. 77 J. D. McCawley 1971, 104. 78 J. D. McCawley 1971, 105. 79 dies ist offensichtlich auf die deiktischen Komponenten in come zurückzuführen. Vgl. A. Schopf 1976, 26 f. 80 J. D. McCawley 1971, 108 f.

188

Wir sind der Meinung, daß dieses Zugeständnis McCawleys ein deutlicher Hinweis darauf ist, daß die Semantik des Perfekts nicht ohne die Berücksichtigung der Geschehenskonzepte und bestimmter Gegebenheiten der Sprechsituation zu klären ist. Abschließend möchten wir festhalten, daß uns die Ausführungen McCawleys zumindest auf zwei klärungsbedürftige Sachverhalte hingewiesen haben, auf die Wechselwirkung zwischen Geschehenskonzept und Tempus und die Unterscheidung zwischen Referenz- und Ereigniszeit. Erstere Frage greifen wir zuerst auf. 4.2.2.3.4 Zur Wechselwirkung zwischen Tempus und Geschehenskonzept ist im Bereich der Generativen Semantik nicht sehr eingehend Stellung genonrnen warden. Eine Arbeit, die diesen Gesichtspunkt mit einbezieht, ist die Studie Meaning and 81

the Structure of Language von Wallace L. Chafe. Er gehört zur Generativen Semantik insofern, als er von semantischen Tiefenstrukturen ausgeht, wenngleich er diese unter Zuhilfenahme der Kasustheorie Filimores entwickelt. Wir können die Theorie nicht darstellen, nicht einmal als Skizze, und beschränken uns deshalb darauf herauszufinden, was er zur Verzeitungsoperation der Sprache sagt, und dies ist nicht wenig. Zunächst ist festzuhalten, daß er wie Fillmore von der Zentralität des Verbums beim Aufbau syntaktischer Gebilde im Satzbereich überzeugt ist. Die Verben werden aus prälexikalen Elanenten, aus sogenannten selektionalen Kanponenten aufgebaut, die auf einer bestimmten Stufe lexikalisiert werden. Die prälexikalen Komponenten haben eine doppelte Funktion. Sie bestimmen einerseits, welche lexikalische Realisation für das semantisch definierte Prädikat möglich ist, und definieren seine syntaktische Potenz im Sinne der für das Prädikat notwendigen begleitenden Nominalphrasen. Zugleich liefern sie die Grundlage für Selektionsbeschränkungen zwischen Verb und Naminalphrasen. Von der prälexikalen MDdifikation der Verben ist die postlexikalische oder flektive zu unterscheiden. Sie wird in der Regel in der Oberflächenstruktur der Lexeme morphologisch sichtbar. Insgesamt bedeutet dieser Ansatz, daß z.B. das lexikalische Verb als Komponentenstruktur erscheint, zu der dann die flektive Modifikation weitere Bedeutungselemente hinzufügt, so daß sich die Frage nach der Wechselbeziehung zwischen den selektionalen und flektiven Bedeutungselanenten ergibt, insbesondere taucht bei diesem theoretischen Ansatz notwendigerweise die Frage auf, ob die prälexikale (selektionale) Struktur Bedeutungs81 W. L. Chafe 1970.

189

elemente enthält, die als inhärenter Zeitbezug zu deuten sind, und in welcher Weise er durch postlexikale oder flektive Modifikation verändert wird. Der selektionale Aufbau unterscheidet am Verbum zunächst Zustände, Prozesse und Handlungen ("states, processes, actions").

Man könnte meinen, diese Unter-

scheidung ziele in erster Linie auf den unterschiedlichen Zeitbezug der Verben ab.

In Wirklichkeit sollen diese Klassen syntaktische Strukturen im Sinne der

Kasusgrammatik erklären.

So erläutert Chafe nicht etwa die Klasse der Zustände

durch eine Analyse ihrer Phasenstruktur, sondern erläutert sie nur durch Satzbeispiele und indem er ihre syntaktische Funktion beschreibt: Zustandsprädikate bilden einen Satz, indem sie eine Nominalphrase zu sich nehmen, die kasussemantisch als Patiens fungiert. Während Zustände offenbar als intuitiv ohne weiteres erfaßbar angesehen werden, empfiehlt Chafe für die Unterscheidung von Prozessen und Handlungen typische Fragen. "Non-states" lassen sich durch What happened?

what's

happening?

etc. erfragen, während aktionale Prädikate die Do-Frage (what did χ do? What is χ doing

etc.) erlauben.

Auch diese Unterscheidung zielt zunächst auf kasussyntaktische Sachverhalte ab. Während Prozesse zur Satzbildung jeweils eine Nöminalphrase zu sich nehmen, die als Patiens fungiert, verlangen aktionale Prädikate jeweils eine Notninalphrase, die als Agens gedeutet werden kann. Eine weitere Klasse von Prädikaten bezeichnet Chafe dann als prozeßhaft und aktional.

Sie nehmen gemäß ihres aktionalen Charakters ein Agens (in der Regel

das Oberflächensubjekt des aktiven Satzes) und entsprechend ihres prozeßhaften Charakters ein Patiens (das direkte Objekt der Oberflächenstruktur) zu sich. Sodann unterscheidet Chafe sogenannte "ambiente" Prädikate, beschränkt dieses Merkmal jedoch auf solche Prädikate, die zugleich als Zustände (It's hot) oder als aktional (Jt's raining) charakterisiert sind. Die aktionale Charakterisierung von Wetterprädikaten begründet Chafe mit dem Umstand, daß sie nicht nur die Frage what's

happening?

sondern auch what 's it doing?

82

erlauben.

Weitere Merkmale des Verbs, um nur einige wenige hinzuzufügen, sind nach Chafe die Komponenten "experiential", "benefactive", "successful", "ccmpletable" und "locative". Alle diese Komponenten bes tinmen, wie schon gesagt, die Syntax der Verben im Sinne der Fillmore'sehen Kasusrahmen für die Verben. Zugleich bestimmen diese selektionalen Komponenten die Lexikalisierung des Prädikats, d.h. sie definieren lexikalische Verbklassen. 82 W. L . Chafe

1970,

102.

Chafe bietet hierfür

190 83 die folgenden Lexikalisierungsregeln an: Γ state "I [ - ambientj

dry, tight,

[

broken,

process 1 - action J

dry, tighten,

action - process - ambient

run, laugh,

d.

Γ process] [ action J

e.

Γ state 1 [ ambientj

f.

Taction 1 L ambientj

]>]>

hot, late,

^

rain,

break,

sing,

dry, tighten,

dead,...

die,...

pounce,...

break,

kill,...

Tuesday,...

snow,...

Diese Verbklassen sind Kcmponentenstrukturen, die durch die Lexikalisierung voll abgedeckt werden. Uns interessiert, welche Selektionsbeschränkungen und sonstige semantische Beziehungen sich zwischen dem Verbinhalt, den selektionalen Elementen und den flektiven Modifikationen sich ergeben. Das erste flektive Bedeutungselement, das Chafe im Zusammenhang mit verbalen Prädikaten erörtert, nennt er "generic" und dieses Element ist eigentlich ein Tempus. Verwunderung erweckt, daß es,obwohl es keine Oberflächenrealisation hat, überhaupt als flektives Element angesehen wird. Chafe beschreibt seine Bedeutung als "a timeless propensity for an indefinite number 84

of events to take place," d.h. als Allgemeingultigkeit oder, in unserer Terminologie, Koextensivität. Er beschreibt für dieses flektive Element aber auch distributioneile Einschränkungen. In einen ersten Versuch formuliert er diese wie folgt: "... the generic inflection may be added optionally to any verb that is not a state, as well as to any verb that oc is experiential or benefactive regardless of whether it is a state or not." kungen in der folgenden Regel » i Γ - state J experiential ν Ibenefactive J 83 W. L. Chafe 1970, 106 f. 84 W. L . Chafe 1970, 168. 85 W. L. Chafe 1970, 169.

generic

Er faßt diese Beschrän-

191

zusairmen, die besagt, daß z.B. Prädikate, die als aktional gekennzeichnet sind, allgemeingültig ausgesagt werden können (z.B. Bob sings), Zustände aber nicht. Die Betrachtung weiterer Sätze mit Zustandsprädikaten - (a) The door is open, (b) The road is wide - veranlaßt ihn, diese Formulierung zu revidieren, denn zwar erweist sich (a) als "nongeneric", (b) aber als "generic". In unserer Terminologie würden wir (a) als variables, und (b) als ko-extensives Merkmal klassifizieren. Chafe wäre damit auf erste Gegebenheiten inhärenten Zeitbezugs gestoßen. Er führt diese Merkmale aber auf aridere Gegebenheiten zurück, auf die selektiven Merkmale Normbezogenheit ("relativity") und Normfreiheit ("nonrelativi ty") . Das Zustandekommen allgemeingültiger oder ko-extensiver Prädikate schreibt Chafe also nicht nur dem Kontext zu, sondern er sieht, daß sie von inhärenten Merkmalen der Prädikate abhängig sind. Die Bedeutung der beiden Prädikate, wie sie sich in (a) und (b) oben darstellen, beschreibt er wie folgt: "In (a) the door is understood to be open at the moment but, at least potentially, to be in a different state at other times. The same is not true of a relative state like wide, which is not con86

ceived of as being transitory." Bemerkenswert an diesen Ausführungen ist, daß die Funktion eines Tempus, wir würden sagen des generischen, unter Bezugnahme auf lexikalische Merkmale der Prädikate beschrieben wird. Als nächstes flexivisches Bedeutungselement behandelt Chafe das Perfekt, in seiner Terminologie die Komponente "perfective". Er weist ihr mehrere Funktionen zu und bringt auch diese in Verbindung mit den selektiven, d.h. inhärenten (oder lexikalischen) Merkmalen der Prädikate, wenn diese Funktionen auch triviale Merkmale des perfektiven Prädikats sind. Er beschreibt sie unter Bezugnahme auf die Sätze (a) Bob has sung - (b) Bob has opened the door (c) The door has opened - (d) The door has been open wie folgt: Satz (d) ent-

hält ein Zustandsprädikat, das im Perfekt einen Zustand bezeichnet, der für die Referenzzeit, im Fall des Perfekts die Sprechzeit, zutrifft. Auf die Frage, wie sich unter diesen Voraussetzungen Satz (d) von einem einfachen Präsens (the door is open) unterscheidet, antwortet er, daß in Satz (d) der Beginn des Zustandes weiter in der Vergangenheit zurückliegt als in dem Satz im einfachen 87

Präsens. Wir bezweifeln diese Deutung und fragen, in welcher Sprechsituation Satz (d) ohne begleitendes Zeitadverbiale überhaupt sinnvoll geäußert werden 86 W. L. Chafe 1970, 170. 87 W. L. Chafe 1970, 171: "... it is understood that the door began to be open at some time prior to the time of reference."

192

könnte. Es ist eine triviale Feststellung zu sagen: "The perfective inflection go adds the meaning that the present state had its origin in the past," denn diese Information vermittelt auch der Satz im einfachen Präsens. Für Satz (b) und (c) stellt Chafe richtig fest, daß sie den Zustand des Geöffnetseins der Tür für die Sprechzeit behaupten, und daß im Satz (b) zusätz89 lieh gilt, "that Bob is still alive and active",

er bleibt aber die Erklä-

rung für diese Bedeutungen schuldig. Sie lassen sich nicht aus den selektionalen Merkmalen der Prädikate ableiten. Wir folgern daraus, daß die lexikalische Klassenbildung bei Chafe noch unzureichend ist, vor allem deshalb, weil seine Klassenbildung die Phasenstruktur von Geschehenskonzepten nicht berücksichtigt. Unerklärt bleibt auch, wie es zur Bedeutuna von Satz (a) kommt. Chafe führt hierzu folgendes aus: "Sentence [(a)] , ..., contains the event of Bob singing. Depending on the context, the consequence of this event may be that we are now aware that Bob can sing, having previously doubted it; that it is possible now for Bob to go heme, since he has completed what he was here to do; that it is now tijtie for the next act to take place; or something else. Whatever the particular consequence may be, sentence (a) says that this resulting [state] situation now obtains, but also that the 90 event which produced this situation took place before the time of reference." Wollte man diese Bedeutungen erklären, müßte offensichtlich nicht nur auf eine genauere Analyse der Geschehenskonzepte, sondern auch auf pragmatische Gegebenheiten sowie auf eine eingehendere Analyse des Perfekts zurückgegriffen werden. Chafe formuliert für das Perfekt auch Distributionsbeschränkungen. Zu den beiden Sätzen (a) The door is open und (b) The road is wide bildet nach Chafe nur Satz (a) ein Perfekt. Doch auch diese Feststellung ist mehr oder minder trivial. Wenn Satz (b) im Sinne Chafes notwendigerweise als "generic" zu charakterisieren ist, welchen Sinn könnte es dann haben, ein Perfekt von diesen Prädikat zu bilden, wenn der Träger des Prädikats oder Merkmals im Sprechzeitpunkt noch existiert? Ein weiteres flexivisches Bedeutungselement sieht Chafe in der erweiterten Form. Er nennt es "progressive". Er deutet die erweiterte Form im herkömmlichen Sinn als "limited duration", bemerkt aber, daß sie, was oft übersehen werde, sowohl generisch wie nicht-generisch verwendet werden könne. Als generiseli funktioniert sie, wenn das prädizierte Merkmal für eine längere Zeit und 88 W. L . C h a f e 1970, 89 W. L . C h a f e 1970, 90 W. L . C h a f e 1970,

171 f . 172. 172.

193 nicht ausschließlich im Referenzpunkt gilt. Bob is singing

In diesem Sinne könnte der Satz

auf die Frage What is Bob doing

these

days? verwendet werden.

Als weitere Bedeutungskomponente für die erweiterte Form hält er "Gleichzeitigkeit mit dati Referenzpunkt" fest und faßt damit die traditionellen Funktionsbestiimtungen dieser Form mehr oder minder vollständig zusammen. Auch für die erweiterte Form formuliert Chafe Distributionsbeschränkungen. In seinem System des stufenweisen Aufbaus von Bedeutungen ist es sinnvoll zu sagen, daß die Kombination der Elemente "generic" und "progressive", die im oben zitierten Satz und anderen Sätzen mit aktionalen Prädikaten möglich ist, selbst in einem Satz wie Bob is opening the door, nicht möglich ist in don Satz The door is opening. Chafe verallgemeinert diesen Befund zu der Regel, daß Prozesse (= "- action") die erweiterte Form nur zulassen, wenn das jeweilige Prädikat ein Einzelereignis bezeichnet.

Er formuliert die Distributions91

beschrankungen fur "progressive" mittels der folgenden Formel V

progressive state action - action - generic

[

die besagt, daß z.B. der Satz * Copper is smelting deswegen abweichend ist, weil er notwendigerweise "generisch" zu deuten ist. Die allgemeine Feststellung, daß Zustände keine erweiterte Form bilden, weshalb Chafe der Formel "- state" hinzufügt, ist jedoch auch in diesem Ansatz tautologisch, denn Chafe ermöglicht keine unabhängige Identifikation der Zustände. Vielmehr gilt auch hier, daß Zustand ist, was die erweiterte Form abweist und Prädikate die erweiterte Form abweisen, wenn sie Zustände sind. Distributionsbeschränkungen registriert Chafe auch im Bereich der modalen Modifikation von Prädikaten. Wenn wir das Hilfsverb must herausgreifen, können wir mindestens zwei Bedeutungen unterscheiden, seine schlußfolgernde ("inferential") Verwendung (He must be a foreigner) und die Verwendung, in der es eine vom Sprecher ausgehende Verpflichtung ("obligation") ausdrückt. Für die erste dieser Bedeutungen stellt Chafe fest, daß sie von dsn Satz Bob must sing nur zugelassen wird, wenn er "generisch" gedeutet wird, andererseits hat der Satz The door must be open notwendigerweise eine nicht-generische

91 W. L. Chafe 1970, 176.

194 Deutung, bezieht sich also auf eine bestimmte Tür und auf einen aktuellen Zustand. Dies ist offensichtlich eine Konsequenz der Normfreiheit von Erklärungsbedürftig aber ist der Umstand, daß

Bob must sing

open.

nur generisch ver-

wendet werden kann, obvrohl der Satz ohne nodale Modifikation sowohl generisch wie nicht-generisch verwendet werden kann. Die deontische Modalität von tung

(You must be present

must,

die van Sprecher ausgehende Verpflich-

at the meeting

tomorrow),

zeigt ebenso Distributions-

beschränkungen. Nach Chafe läßt sie sich nicht vereinbaren mit den Merkmalen "perfective" oder "past": Bob must have been singing

The road must have been wide. Bob must have

sung

und

sind offensichtlich nur als epistemisch modalisiert

deutbar. Mit diesen Distributionsbeschränkungen hat Chafe zweifellos einen faszinierenden Aspekt der Modalverben im Englischen aufgegriffen. Er bedarf der eingehenden Untersuchlang. Chafes Studie ist für unsere Fragestellung nicht so sehr wegen ihrer Klassenbildung im Bereich der Verben (Prädikate) interessant - sie beruht auf ungeklärten Voraussetzungen -, sondern weil sie Wechselbeziehungen zwischen der inhärenten oder lexikalischen Bedeutung und granmatischen Kategorien und zwischen diesen selbst ausdrücklich in die Untersuchung mit einbezieht. 4.2.2.3.5 Dieser Aspekt charakterisiert auch die Dissertation von Harender Nath 92 Vasudeva. Der allgemeine theoretische Hintergrund der Arbeit ist die Generative Transformationsgrammatik, jedoch entwickelt sie zu Tarpus und Aspekt neue Vorstellungen. Wir können hier nur auf die wichtigsten Punkte eingehen. Zum Tarpus vertritt die Arbeit die These, daß zwischen Oberflächen- und Tiefentempus zu unterscheiden ist. Die Begründung hierfür sieht Vasudeva darin, daß das Oberflächentenpus in keinem Eins-zu-eins-Verhältnis zu den Klassen der orientierenden Zeitadverbiale steht: Im historischen Präsens z.B. verbindet sich eben ein Präsens mit einem Adverbiale der Vergangenheit comes up to me and

(Yesterday he

...), und Zeitadverbiale mit Zukunftsbedeutung verbinden

sich mit dem einfachen und erweiterten Präsens. Auf die Tempuswahl infiniter Komplemente (Infinitive, Gerundien und nodal modifizierte Infinitive) haben wir bereits in vorausgegangen Abschnitten hingewiesen. Die Berücksichtigung der Vereinbarkeit der Tempora mit orientierenden Zeitadverbialen führt zur Annahme dreier Tiefenterrpora, die deiktisch, d.h. unter Bezugnahme auf die Sprechzeit auf die drei Zeitsphären der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft verweisen. Allerdings sieht Vasudeva die Sprechzeit im 92 H. N. Vasudeva

1971.

195 Anschluß an Ross durch das illokutionäre Verb des performativen Hypersatzes repräsentiert und faßt die drei Zeitsphären als subjektive Abgrenzungen des Sprechers auf, vrobei allerdings der Sprechzeitpunkt der Gegenwart zugeordnet ist. Als Funktionsbereich der Tiefentenpora sieht Vasudeva weder das (lexikalische) Verb an wie Huddieston, noch die Verbalphrase, sondern den unverzeiteten Satzbegriff, der im Anschluß an Ch. J. Fillmore "Proposition" genannt wird. Neben dieser deiktischen Funktion, erfüllen die Tempora eine zeitvergleichende Funktion, indem sie in Verbindung mit Konjunktionen oder "relativen" Tarpora Sachverhalte zeitvergleichend, d.h. unter Bezugnahme auf einen Referenzpunkt oder eine Ereigniszeit als gleichzeitig, vorzeitig oder nachzeitig bestirnten. Vasudeva nennt diese Funktion die Festlegung von "tenporal sequence" oder "tenporal order". Im Zusanmenhang mit der Erörterung der zeitvergleichenden Funktion der Tempora bietet Vasudeva eine Definition des Referenzpunktes oder der Referenzzeit: "... tenporal sequence is a term which is applied to those cases where either the form of the verb or the acconpanying tenporal specifiers indicate whether a predicated activity was earlier than, or simultaneous with, or later than another activity or point in tine. The latter activity, or point in time serves as the reference point for deciding 93 the sequential order". Dies, so meint man zunächst, bedeutet, daß das deiktische Tenpus den Referenzpunkt markiert. In I had read the novel before ζ saw the movie ist offensichtlich nach dieser Definition der Referenzpunkt durch I saw the movie bezeichnet, in I read the novel after I had seen the movie aber bezeichnet Vasudeva "the act of seeing the movie" als Referenzpunkt und die Lektüre des Buches wird als nachzeitig zu diesem Referenzpunkt bezeichnet. Offensichtlich gilt also unsere Annahme nicht, daß die Referenzzeit jeweils durch das deiktische Tenpus fixiert wird. Die Frage bedarf offensichtlich der Klärung insbesondere mit Rücksicht auf Sätze, die keine 94 relativen Tenpora enthalten, wie I read the novel before I saw the movie. Neben den Zeitvergleich entdeckt Vasudeva eine dritte Funktion der Tenpora, die sogenannte sekundäre Deixis oder die sekundären (nicht relativen) Tenpora. Vasudeva definiert sie wie folgt: "We propose to call that tense which is defined in relation to an 95 illocutionary verb axmanded by another illocutionary verb a 'secondary' tense." Diese Definition soll offensichtlich dem Phänomen 93 Η. Ν. Vasudeva 1971, 95. 94 Η. Ν. Vasudeva 1971, 95 ff. 95 Η. Ν. Vasudeva 1971, 101.

196

der Zeitenfolge ("sequence of tenses") Genüge tun, indem es auf zwei Zeigfelder, repräsentiert durch zwei illokutionäre Verben, zurückgeführt wird. Der Satz Joe said he had attended the meeting

erhält dementsprechend den folgenden Struktur-

baum: ^

Wir müssen jedoch darauf hinweisen, daß die Gesetzmäßigkeiten der Zeitenfolge auch in anderen Kontexten auftreten: He knew that he had locked the door. Man

kann irr Rahmen des gewählten Ansatzes, der Hypersatztheorie der Sprechaktlehre, dem Verbum knew nicht ein eigenes Zeigfeld zuordnen. Ausführlich geht Vasudeva auch auf den Aspekt ein. Die einführende Definition lehnt sich an eine Formulierung Hocketts ans "... aspects have to do with its [the event's] temporal distribution or contour", die eigentlich erwarten läßt, daß die Phasenstruktur von Ereignissen in den Mittelpunkt gerückt wird. Stattdessen werden quantitative Merkmale in den Vordergrund gerückt. Die Aspektunterscheidungen Vasudevas betreffen die Merkmale durativ/punktuell,

96 H. N. Vasudeva 1971, 100.

197 perfektiv/inperfektiv, iterativ/semelfaktiv, inzeptiv/effektiv.

Auch die

Unterscheidung zwischen "zeitweiligen" und "Dauerzuständen" wird dem Bereich 97 der "Aspektunterscheidungen" zugewiesen. Die Merkmalnamen zeigen deutlich, daß Vasudeva unter "Aspekt" die altbekannten Aktionsartunterscheidungen versteht.

Dies läßt erkennen, daß hier ein durchaus eigenartiges Verständnis von

Aspekt vorliegt.

Es wird nicht unterschieden zwischen inhärentem oder lexi-

kalischem Zeitbezug und der grammatischen Kategorie Aspekt, wie wir dies befürworten, sondern unter Aspekt wird jede Form des Zeitbezugs verstanden, scweit er nicht deiktisch ist, gleichgültig durch welche Mittel er herbeigeführt wird. Die Aspektdetermination von Prädikats- oder Satzbegriffen ist demnach ein kumulativer Prozeß, der mit dem lexikalischen Verb beginnt, durch die Nominalphrasen und andere syntaktische Elemente weitergeführt und schließlich durch die Wahl der einfachen und erweiterten Form abgeschlossen wird.

Die dieser

Theorie entsprechende Frage Vasudevas "What elatents of a proposition enter into the determination of

the

aspectual potential of a predication?" bein-

haltet auch die Frage nach der oberen Grenze der Aspektdetermination im Sinne 9Θ Verkuyls. Zurückgewiesen wird die These Ridjanovics, daß die "Aspekteigenschaften" eines Satzes durch das Verb und die tfaminalphrasen bestürmt vrerden. Vasudeva weist vielmehr darauf hin, daß nicht bloß die syntaktische An- oder Abwesenheit von Ncminalphrasen es ist, die die "Aspekteigenschaften" einer Verbalphrase bestimmen.

Vielmehr sind hierfür z.B. ihre Kasusbedeutungen und

sonstigen syntaktischen Merkmale entscheidend.

Das affizierte Objekt modi-

fiziert den inhärenten Zeitbezug eines Verbs in anderer Weise als ein effiziertes, und Stoffnamsn haben in der gleichen Objektfunktion eine andere Wirkung als Gattungsnamen.

Außerdan spielt die Art der Determination der

Ncminalphrasen eine entscheidende Rolle: "With the generic subject, (55)[= Bombs explode) cannot refer to a future or to a past event in a running commentary type situation or in "historical present", it can have only the 99 durative aspect which refers to a property, a characteristic ... ". Aber auch die Tempuswahl beeinflußt offenbar den "Aspekt" eines Satzes.

Vasudeva

stellt die berechtigte Frage: "Is it possible to obtain in the present tense all the aspectual features which we can get in the past tense and vice versa? We would also like to pose the question: Do the aspectual features of a propo-

97 H. N. Vasudeva 1971, 118. 98 M. Ridjanovic 1969. 99 H. Vasudeva 1971, 127.

198

sition remain unchanged if we change the tense of a proposition?" Vasudeva denkt offenbar daran, dan Tarpus bezüglich des "Aspektpotentials" eines Satzbegriffs zumindest eine selektive Wirkung zuzusprechen. Allerdings sind die Beispielsätze mit ihren Komrentaren nicht durchwegs überzeugend. Zu den Sätzen (a) He

arrives

late

und (b) He

arrived

late

finden wir den folgenden Kommentar:

"In (59) [ = (a)] we get the durative aspect in the sense of habit if we posit the underlying tense of the proposition as present and thus rule out that meaning of the sentence which would assign its temporal location in the future time-sphere. However with (60) [ = (b) ] we get aspectual ambiguity. The aspect 100

of (60) can either be rrnmentaneous or durative."

Wir sind zwar der Meinung,

daß auch Satz (a) in bestinnvten Texttypen "momentaneous" interpretierbar ist, teilen aber insgesamt die Ansicht, daß Sätze sich von Tempus zu Tarpus in ihren Interpretationsmöglichkeiten ändern. Dies gilt auch, wie am nachdrücklichsten vrohl von A. G. Hatcher

vorgetragen, für die Funktion der erweiterten Form.

Daß Vasudeva auch den inhärenten Zeitbezug des lexikalischen Verbs für die "Aspektxnarkierung" als entscheidend ansieht, haben wir bereits erwähnt. Er weist auf die folgenden, in diesem Zusammenhang relevanten Verbklassen hin: (1) illokutionäre Verben wie

tell,

advise,

warn,

inform,

ask,

insist,

deny

etc. -

(2) Zustandsverben ("stative verbs"), die in "cognitive", "emotional" und "other states" unterteilt werden: (a) believe,

think, know etc. - (b) 102 envy, like, hate, etc. - (c) belong, cost, weigh, seem, smell, taste etc. - (3) aktionale Verben, die als (a) unbounded: wash clothes, run, write letters und (b) bounded: write a letter, run for three hours, walk a mile etc. differenziert werden - (4) die Momentanea ("momentaneous verbs"): arrive, recognize, find, spot, explode, expire etc. Mit dieser Klassenbildung will Vasudeva erklären, daß die Funktion der erweiterten Form sich von Klasse zu Klasse ändert. So sollen illokutionäre Verben (z.B. insist) in nichtperformativer Verwendung in der einfachen und erweiterten Form keinen Aspektunterschied zeigen. Zu den Sätzen (a) Mary insists on talking to her lawyer und (b) Mary is insisting on talking to her lawyer bemerkt Vasudeva, daß sie keinen Aspektunterschied aufweisen.104 Wir halten dies nur mit Einschränkungen fur richtig. want

100 101 102 103

H . Vasudeva 1971, 128. A . G. Hatcher 1951. Die Zustandsverben werden nach den Kriterien von G. Lakoff 1966 bestimmt. Die Unterscheidung von bounded und unbounded verbs dürfte von R. L . Allen 1966 übernommen sein. 104 H . Vasudeva 1971, 145.

199 Zwar könnten die beiden Sätze in ihrem Zeitbezug als identisch angesehen werden, funktionsgleich sind sie nicht.

Satz (b) könnte interpretatorisch mit

Bezug auf ein aktuelles Verhalten des Subjekts verwendet werden, Satz (a) dagegen nicht. Vasudeva bemerkt des weiteren, daß über den Zeitbezug von Sätzen mit Zustandsprädikaten bereits im lexikalischen Bereich, im Propositionsstadium, d.h. vor der grammatischen Aspektmarkierung, endgültig entschieden wird.

Der

Satzbegriff I like this party ist deswegen ein zeitweiliger Zustand, weil this party (in der Regel) nicht generiseli gedeutet werden kann und das Aspektpotential der Proposition auf eine einzige Möglichkeit eingeschränkt ist, so daß die graimiatische Aspektmarkierung in I am liking this party keinen Bedeutungsunterschied erbringt.

Wir können also sagen, daß die erweiterte Form hier

funktionslos bleibt, weil im Satzbegriff kein Aspektpotential vorhanden ist, das durch sie differenziert oder monosemiert werden könnte,

überall da aber,

wo die Proposition noch ein offenes Verzeitungspotential enthält, bekommt die graimatische Aspektmarkierung differenzierende Funktion.

Im Gegensatz zu

Vasudeva behaupten wir deshalb, daß (a) I like this movie eine andere Bedeutung hat als (b) I am liking this movie.

Der zweite Satz kann unserer Auffassung

nach nur ein aktuelles Präsens sein, Satz (a) kann auch generisch gedeutet werden, weil eben this movie eine generische Deutung viel eher zuläßt als this party.

Eine Party ist in der Regel kein reproduzierbares Ereignis und

keine feste Institution. Ähnliche Beobachtungen macht Vasudeva zu den aktionalen Prädikaten.

Auch

hier wird auf das aus Merkmalen der Objektnominale sich ergebende unterschiedliche Verzeitungspotential verwiesen und zwar anhand der folgenden Sätze: (a) John studies

new diseases,

studying a new disease.

(b) John is studying

new diseases

u n d (c) John

is

Während Satz (a) ein habituelles Präsens zum Aus-

druck bringt, zeigt (b) ein zeitweiliges, nicht jedoch ein aktuelles Präsens an,

und Satz (c) ist zweideutig, insofern er sowohl als aktuelles wie auch

als zeitweiliges Präsens gedeutet werden kann.

Die Propositionen χ study new

diseases und χ study a new disease haben unterschiedliche Verzeitungspotentiale. Allerdings darf man diese nicht einfach auf die Nunerusdetennination der Nominalphrasen zurückführen.

Die Proposition χ write letters läßt sich trotz

eines Objektncminale im Plural ohne weiteres als aktuelles Präsens aussagen.

105 H. Vasudeva 1971, 148 f .

200

Bezüglich der Momentanea greift Vasudeva die Beobachtung Poutsmas1*"^ auf " who points out that when a ncmentaneous verb is used in the progressive form with reference to a situation present at the moment of coding, then in many cases the verb in the expanded form refers to those circumstances which customarily precede or accompany the event signified by the mctnentaneous verb."

Wir würden stattdessen sagen, daß diese Verben in der erweiterten

Form entweder die Vorphase oder die Wiederholung des prädizierten Ereignisses bezeichnen oder interpretativ verwendet werden. Aus diesen Erwägungen her wird es verständlich, daß Vasudeva die folgende These bildet: "... we find that (170) [= John is arriving (late)] does not present an activity in progress; that is, it does not have the progressive aspect. With other types of verbs the expanded form marks the progressive aspect or contemporaneous or temporary state aspect, but with ircmentaneous verbs the expanded form can have only

108 'temporary state' and not the progressive or the contemporaneous aspect."

Daß Subjektnominale im Plural in Verbindung mit Momentanea die Situation verändern, ist offensichtlich: The guests are arriving. Vasudeva kann nach diesen Beobachtungen zur Funktion der erweiterten Form zusarrcnenfassend bemerken: "The expanded form marks quite a few aspectual dis109 tinctions". Die unterschiedlichen Funktionen, die der erweiterten Form zugeschrieben werden, ergeben sich aus der "Aspektklasse" der Verben und den syntaktischen Merkmalen der Prädikats- oder Satzbegriffe. Mit illokutionären Verben z.B. bezeichnet sie den "contemporaneous aspect", mit aktionalen Verben den "progressive aspect", mit Zustandsprädikaten entweder "a dynamic state or an inceptive aspect". Ähnlich divergierende Funktionen kommen der einfachen Form zu. Diese Feststellungen mögen im einzelnen zutreffen oder der Präzisierung bedürfen, zweifellos richtig ist die Annahme, daß der inhärente Zeitbezug der Prädikate bei der Ausfaltung der Funktion der erweiterten Form die entscheidende Rolle spielt. Dies führt aber notwendigerweise zu don methodischen Problem, ob diese funktionale Differenzierung der erweiterten Form nicht doch aus dan Zusammenwirken der unterschiedlichen Prädikatsklassen mit einer funktional einheitlichen erweiterten Form ableitbar ist. 106 107 108 109

H. H. H. H.

Poutsma Vasudeva Vasudeva Vasudeva

1921. 1971, 155. 1971, 155. 1971, 157.

201 Die nächste Frage, die Vasudeva stellt, betrifft den grammatischen Status des "Aspekts".

Ist er ein Kategorialknoten, eine Konstituente wie Tense oder

nur Merkmal eines Knotens? Vasudeva entscheidet sich für die Behandlung des Aspekts als Merkmalkonbination ("features") für den Propositionalknoten: S

NP

VP

Dabei werden die folgenden "Aspektmerkmale" unterschieden:111 Aspect:

- Durative

+ Durative:

(+ (+ (+ (+ (±

- Durative: + Punctual: + Progressive:

Contemporaneous) (+ Temporary) (+ Permanent) Progressive) (+ Generic) Punctual) (+ Momentaneous) Perfective) (+ Inceptive) (+ Effective) Imperfective)

Vasudeva bezeichnet diese Ausführungen als bloße Andeutungen. Und in der Tat bleibt unerfindlich, wie die Wahl der "Aspektmerkmale" für die Proposition in der syntaktischen Komponente beim Aufbau der syntaktischen Struktur der Proposition und ihrer Lexikalisierung berücksichtigt werden soll. Offenbar kann man nicht einfach davon ausgehen, "[that] some of the features will be inherent in the combination of the syntactic features of the lexical members of the Propo112

sition,"

so daß ihre Darstellung überflüssig wäre.

Da wir Selektions-

beschränkungen zwischen dan inhärenten Zeitbezug der Proposition, dem Zeitadverbiale und dan granmatischen Aspekt erwarten, so daß die Wahl eines Intervalladverbs ("durational adverbial")

z.B. einen durativen Propositions-

kern voraussetzt, brauchen wir die explizite Angabe des inhärenten Zeitbezugs in verschiedenen Stadien der Entstehung einer Proposition. Wir denken an bestürmte "Berechnungsregeln" für diesen Zweck. Vasudeva formuliert Selektionsregeln jedoch nicht für den gramatischen Aspekt (d.h. die erweiterte Form), sondern für "aspektuelle" Merkmale des Propositionsknotens, z.B. für das Merkmal [+ Progressive].

Dieses Merkmal

beschreibt er als "contemporaneousness", d.h. als "activity which is taking 110 H. Vasudeva 1971, 178. 111 H. Vasudeva 1971, 177. 112 H. Vasudeva 1971, 177.

202

place at the moment of coding"

113

Es kann für eine Proposition nur gewählt werden, wenn die Subjekts-NP als [- Generic], das Verb als [+ Momentaneous] Plural und die Objekts-NP als ^ Generic gekennzeichnet ist. Vasudeva belegt diese Regularitäten mit den Sätzen 1. (a) He is spotting the enemy (b) ? He is spotting his wife (c) Bombs are exploding ^ (d) ? The bomb is exploding

und führt den fragwürdigen Status von (lb) und (ld) auf den Widerspruch zwischen dem progressiven Aspekt (signalisiert durch die erweiterte Form) und dem inhärenten Zeitbezug der jeweiligen Proposition zurück, wie er sich aus dem Charakter des Verbs und den syntaktischen Merkmalen der Nominalphrasen aufbaut. Der Vermutung, daß die Art der Nominalphrasen allein für diese Restriktionen verantwortlich ist, entzieht er den Boden durch den Hinweis auf die Satzbeispiele 2. (a) (b) (c) (d)

115

He is washing a shirt He is washing the floor Women are singing The woman is singing,

die trotz unterschiedlicher nominaler Kanplementierung in der Subjekt- und Objektposition alle den progressiven Aspekt zulassen. Die Wählbarkeit des Merkmals [+ Progressive] für den Propositionalknoten ist also auch van Charakter des Verbs abhängig. Die Selektionsbeschränkungen für den progressiven Aspekt formuliert Vasudeva deshalb unter Bezugnahme auf syntaktische Merkmale der Nominalphrasen und den Charakter der Verben als Kontextregel • í , 4. H6 wie folgt: + Progressive /

(i)

[ - Generic] [+ Momentaneous] NP

(ii)

(Hi)

- Generici [+ Momentaneous] + Plural J NP [ - Generic] [+ Actional] [ - Generic] NP

113 114 115 116

H. H. H. H.

Vasudeva Vasudeva Vasudeva Vasudeva

1971, 1971, 1971, 1971,

149. 182. 183. 183.

+ Plural - Generic NP

NP

203 Diese Regeln sind nicht als erschöpfende Beschreibung der Selektionsriegeln für den "progressiven Aspekt" gedacht, sondern sollen lediglich einen Regeltyp illustrieren, den Vasudeva für unverzichtbar hält. So sehr die Ausführungen Vasudevas der Präzisierung, Ergänzung und auch der Berechtigung bedürfen, so sehr sind sie doch weiterführend, indem sie entscheidende Fragen im Bereich unserer Untersuchving herausarbeiten oder nahelegen.

Zu diesen gehört die Frage nach dem graimiatischen Status von Tenpus

und Aspekt, nach der Anzahl der Tempora und Aspekte, nach der Interdependenz zwischen den Elementen der Propositionen und Tarpus und Aspekt. Von unserem Standpunkt her vermissen wir die Trennung von inhärentem "Aspekt" und grartmatischem Aspekt, oder, in unserer Terminologie, von inhärentem Zeitbezug der Prädikats- und Satzbegriffe und don grammatischen Aspekt. Wir halten diese Trennung vor allem deswegen für angebracht, weil der grammatische Aspekt und das Tempus allgemeine, jeden Satz betreffende Erscheinungen sind, während der inhärente oder lexikalische Zeitbezug zwar klassenbildend ist, aber eben doch ein partikuläres Phäncmen darstellt. Gleichgültig, ob man von einer Erzeugungs- oder Rezeptionsgrammatik ausgeht, es scheint empfehlenswert, den syntaktischen Aufbau der Sätze durch "Berechnungsregeln" zu begleiten, die auf den relevanten Stufen den jeweiligen inhärenten Zeitbezug (als Zugehörigkeit zu Geschehenskonzepten) so feststellen, daß die jeweiligen Selektionsbeschränkungen für die neu hinzutretenden Elemente, bzw. die durch sie oder für sie wirksam werdenden Umdeutungsprozesse klar beschreibbar sind. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe dürfte für jedermann offensichtlich sein.

4.2.2.4

Bei der Besprechung der Vorschläge von James McCawley 117 haben wir auf

zwei Sachverhalte verwiesen, die der genaueren Untersuchung bedürfen, nämlich einmal auf die Wechselbeziehung zwischen den Geschehenskonzepten und Tempus und Aspekt einerseits und andererseits auf die Notwendigkeit, bei der Analyse des englischen Tempussystems neben der Ereignis- und Sprechzeit den Begriff der Referenzzeit heranzuziehen. Reichenbach.

118

Den Begriff der Referenzzeit verdanken wir Hans

117 Vgl. oben Abschnitt 4.2.2.3.3 118 H. Reichenbach 1947, 287-298.

204 4.2.2.4.1 Hans Reichenbach beginnt seine Überlegungen mit der Feststellung, daß die Sprechzeit die Grundlage für die Erschließung von nur drei Zeitsphären liefert: Gleichzeitigkeit mit der Sprechzeit, Vor- und Nachzeitigkeit zur Sprechzeit, oder in anderer Terminologie: Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Da sehr viele Tenpussysteme mehr als drei Tenpora enthalten, setzt Hans Reichenbach die Potenzierung dieser relativen Zeitorientierung voraus, wobei die im ersten Schritt gewonnene Zeit, die Referenzzeit oder Referenzpunkt heißt, der Ausgangs- und Ankerpunkt für einen zweiten Orientierungsschritt ist, der ein Ereignis als vor-, nach- oder Gleichzeitig in Bezug zu diesen Orientierungspunkt liefert. Wenn man davon ausgeht, daß der Referenzpunkt gegenüber dem Sprechzeitpunkt drei Positionen einnehmen kann und weiter anniirmt, daß die Ereigniszeit im Verhältnis zur Referenzzeit ebenfalls drei Positionen einnehmen kann, erhält man neun Tenpora. Unterscheidet man zusätzlich, welche Position die Ereigniszeit zur Sprechzeit hat, wenn beide im Verhältnis zur Referenzzeit zugleich vor- oder nachzeitig sind, erhält man vier weitere Tenpora hinzu.

119 Reichenbach faßt diese 13 Tenpora im folgenden Schema zusammen: Structure

New

Name

E - R - S E, R - S R - E - S R - S, E R - S - E . E - S, R S, R, E S, R - E S - E - R S, E - R E - S - R S - R, E S - R - E

Anterior past Simple past Posterior past

Traditional

Name

Past perfect Simple past -

Anterior present Simple present Posterior present

Present perfect Present Simple future

Anterior future

Future perfect

Simple future Posterior future

Simple future -

Wir bemerken, daß die drei Konstellationen des "posterior past" (R - E - S; R - S, E; R - S - E) nach Reichenbach keine unmittelbare Entsprechung im Englischen haben und ebenso wie das "posterior future" mittels Unischreibungen ausgedrückt werden. Für das "posterior future" zieht Reicheribach die Form in Erwägung, das "posterior past" sieht er in Fügungen mit der ersten Konditionalform verwirklicht: I did not expect that 120 would win the race oder J did not know that you would be here. Die I shall

be going

to see him

119 H. Reichenbach 1947, 297. 120 H. Reichenbach 1947, 293.

he

205 Schwierigkeit mit diesen Beispielsätzen liegt darin, daß die betreffenden Formen in abhängigen Sätzen verwendet werden.

Jespersen zitiert solche Formen als

"after-past" jedoch auch in unabhängigen Sätzen: He was fifty-nine years of age 121

and would be sixty next year. verwendet.

Diese Foimen werden heutzutage kaum mehr

Die reguläre Form ist to be to. Wenn sie dennoch erscheinen,

stehen sie für ein transponiertes will in verdeckter indirekter Rede.

Man

könnte selbst den eben zitierten Satz so interpretieren, so daß offen bliebe, ob es im Englischen ein Tempus "posterior past" oder "after-past" in unabhängigen Sätzen überhaupt gibt. Die trichotomische Analysegrundlage für das englische Verbalsystem findet seine überzeugendste Rechtfertigung beim Vergleich des Past und des Present Perfect.

Beide Tempora verzeiten Sachverhalte, die in der Vergangenheit liegen.

Während das Past aber Sachverhalte jeweils als gleichzeitig mit einer definiten Referenzzeit aussagt, ortet sie das Present Perfect als vorzeitig zur Gegenwart, die Sprechzeit und zugleich Referenzzeit ist. Referenzzeit fallen hier zusammen.

Sprechzeit und

Dies hatte wohl auch Jespersen im Sinn,

als er das Present Perfect "retrospective present" nannte, und Reichenbachs Terminus "anterior present" deutet in die gleiche Richtung. Aus Reichenbachs Analyse geht auch klar hervor, daß das einfache Futur des Englischen weder die Entsprechung zum Past noch zum Present Perfect ist. Reicheribach ordnet ihm, wie im obigen Schema ersichtlich, sowohl das "posterior present" (S, R - E) wie das "simple future" (S - R, E) zu. tionen sind deutlich unterscheidbar.

Die beiden Funk-

Im einen Fall verankern wir einen zu-

künftigen Sachverhalt in der Sprechzeit, die dann zugleich Referenzzeit ist (We shall

stay here

for another

week o d e r We are staying

here

for another

week),

im anderen orten wir ein Ereignis als gleichzeitig mit einer zukünftigen Referenzzeit: We shall

fly to Africa

tomorrow.

Beachtenswert ist des weiteren, was Reichenbach über die Leistung von Past und Present Perfect zu sagen hat: das Past ist das Erzähltempus des Englischen,122 das Present Perfect dagegen "affects us with the immediacy of a direct report." Reicheribach ninmt hier die Unterscheidung zwischen "erzählenden" und "besprechenden" Tempora durch Harald Weinrich voraus. Wenig aufschlußreich dagegen ist, was Reichenbach über die erweiterten Tarpusformen des Englischen zu sagen hat. 121 0 . Jespersen (1931), 1965, Bd. XV, 310. 122 H. Reichenbach 1947, 289.

Er sieht ihre Funktion allein darin,

206 dem prädizierten Sachverhalt Dauer zuzusprechen.

Das führt dazu, daß das

erweiterte Past ( — ι

ι L — > ) und das erweiterte Perfect R ,E o > ), abgesehen von der unterschiedlichen Plazierung des

(—ι

„ ι „I Ε o,R Referenzpunktes, das gleiche Verzeitungsschema erhalten.

Reichenbach erwähnt

auch die iterative Verwendung der erweiterten Verbformen, gibt aber nicht an, unter welchen Umständen sich dieser Verwendungstyp ergibt. Die entscheidende Leistung Reichenbachs liegt in der Erkenntnis, daß die Analyse des englischen Tempussystems (und möglicherweise anderer) eine trichotomische Grundlage erfordert: die Unterscheidung zwischen Sprech-, Referenzund Ereigniszeit. Diese Grundlage ermöglicht ihm auch einen Schritt in Richtung auf die Analyse des zeitvergleichenden Satzes und von größeren Textpassagen. Textpcissage aus Macaulay's

History

of England

Zu der folgenden

(1849-61)

In 1678 the whole face of things had changed ... eighteen years of misgovernment had made the ... majority desirous to obtain security for their liberties at any risk. The fury of their returning loyalty had spent itself in its first outbreak. In a very few months they had hanged and half-hanged, quartered and emboweled, enough to satisfy them. The Roundhead Party seemed to be not merely overcome, but too much broken and scattered ever to rally again. Then commenced the reflux of public opinion. The nation began to find out to what a man it had intrusted without conditions all its dearest interests, on what a man it had lavished all its fondest affection.'23

gibt Reichenbach die folgende Erläuterung: "The point of reference is here the year 1678.

Events of this year are related in the simple past, such as the

commencing of the reflux of public opinion, and the beginning of the discovery concerning the character of the king.

The events preceding this time point are

given in the past perfect, such as the change in the face of things, the out124 breaks of cruelty, the nation's trust in the king." Dieser Konmentar bestimmt das Zeitadverbiale (in Form eines kalendarischen Datums) als den Referenzpunkt, auf den hin die berichteten Ereignisse geortet werden.

Es ergibt sich die Frage, ob Sachverhalte, die im Past Perfect be-

richtet werden, mit kalendarischen Daten geortet werden können, oder, in anderen Warten, ob das Past Perfect Zeitadverbiale zur Ortung von Ereigniszeiten zuläßt. left on Sunday

Ist der folgende Satz When Mary

arrived

on Tuesday,

sprachgerecht u n d so zu verstehen, daß on Sunday

123 Η . Reichenbach 124 Η. Reichenbach

1947, 288 f. 1947, 289 f.

John

had

das Ereignis

207

"John leave" verzeitet, oder verzeitet das Past Perfect dieses Ereignis als vorzeitig zu

on Sunday?

Die Beantwortung dieser Frage scheint nur auf der

Grundlage geeigneter Klassenbildung für das Zeitadverbiale möglich zu sein. Relative Zeitadverbiale mit Vorzeitigkeitswert before

Bezug zu Referenzzeiten zu orten: father

(several days earlier,

two

days

etc.) scheinen in Verbindung mit dem Past Perfect Ereigniszeiten in had died several

When Harry

years before

returned

from Africa

in 1922,

his

scheint ein zulässiger englischer Satz zu

sein. Absolute Zeitadverbiale (kalendarische Daten z.B.) scheinen in Verbindung mit dem Past Perfect sowohl als Ereignis- wie auch als Referenzzeit deutbar zu sein, wie am oben zitierten Satz sichtbar werden dürfte. Für den zeitvergleichenden Satz entwickelt Reichenbach das Prinzip des konstanten Referenzpunktes (the principle of "the permanence of the reference 125

point").

Es besagt, daß mehrere Sachverhalte zeitlich jeweils nur von

einem Referenzpunkt aus geortet werden; wie z.B. in dem Satz letter

when John came and told me the news,

I had mailed

the

für den Reichenbach die folgende

Analyse anbietet: 1st clause:

Ej

Rj

S

2nd clause:

R

2,E2

S

3rd clause:

R

3,E3

S

Der Referenzpunkt ist für alle drei Teilsätze identisch, obwohl der ausgesagte Sachverhalt jeweils eine eigene Ereigniszeit erhält. Ein weiteres Prinzip sagt, daß Zeitadverbiale in zeitvergleichenden Sätzen in der Regel den Referenzpunkt markieren und die Ereigniszeit nur dann, wenn sie mit der Referenzzeit zusammenfällt: Now, that John tells me this I have mailed the letter. "Now" markiert den Referenzpunkt, zu welchem die Ereigniszeit des ersten Teilsatzes gleichzeitig, die des zweiten Teilsatzes vorzeitig ist. Soweit sind die Ausführungen P.eichenbachs überzeugend. Schwieriger werden seine Vorstellungen zum Referenzpunkt in Satzgefügen mit temporalen Nebensätzen, die von Konjunktionen wie when, before und after eingeleitet werden. Zwar behauptet er zunächst, daß auch hier der Zeitvergleich sich auf den jeweiligen Referenzpunkt bezieht. Dann aber setzt er für zeitvergleichende Sätze mit den Konjunktionen before und after zwei Referenzpunkte an: "In

125 H . Reichenbach 126 H. Reichenbach

1947, 293. 1947, 293.

208 'he telephoned before he came ' R^ is said to be before P.^. 127 "

Die Frage,

die sich aus dieser Analyse ergibt, ist, ob es in solchen Fällen noch sinnvoll ist, die Analyse auf den Begriff des Referenzpunktes aufzubauen, da er ja mit der Ereigniszeit zusammenfällt. Funktion hat, welche ist es?

Wenn das Zeitadverbiale eine einheitliche

Ortet es die Referenzzeit oder die Ereigniszeit?

Die gleiche Frage gilt für den temporalen Nebensatz.

Wenn wir in dem Satz He

telephoned before he came den Teilsatz "before he came" als Zeitadverbiale betrachten, müssen wir ihm die Funktion zusprechen, die Referenzzeit zu spezifizieren etwa in dem Sinne, daß er eine spezifische Zeit (t^) auszeichnet, von der nur gesagt wird, daß sie früher liegt als das Ereignis "he came". Deutung der Referenzzeit in diesen Sinne findet sich bei McCawley.

Eine

Wir kommen

auf diese im nächsten Abschnitt genauer zu sprechen. Vorerst sei zur Frage der Referenzzeit zusammenfassend nur auf die Folgenden Punkte verwiesen: (1) Der Begriff der Referenzzeit gehört zum unverzichtbaren Instrumentarium für die Analyse des englischen Verbalsystems.

Besonders augenfällig wird dies

bei der Betrachtung des englischen Perfekts und des Past. (2) Zu prüfen ist, ob der Begriff des Referenzpunktes oder der Referenzzeit für die Analyse des Zeitbezugs von Texten unverändert herangezogen werden kann, oder ob zusätzlich der Begriff des Anknüpfungspunktes für das relative Zeitadverbial eingeführt werden muß. (3) Es ist zu klären, in welchem Verhältnis das Zeitadverbiale mit seinen unterschiedlichen Klassen zur Referenz- und Ereigniszeit steht. (4) Des weiteren ist zu klären, ob relative Tempora nur auf den Referenzpunkt beziehbar sind, oder ob sie auch Zeitadverbiale zu sich nehmen, die Ereigniszeiten spezifizieren. (5) Schließlich ist zu prüfen, ob die Verzeitung von zeitvergleichenden Sätzen eine Fokussierung der Zeitorientierung kennt. Unsere Zusaimtenfassung macht deutlich, daß wir Reichenbachs Begriff des Referenzpunktes in einigen Punkten für ungeklärt halten.

4.2.2.4,2

Mit Reichenbachs Ausführungen zum englischen Tempussystem ist in

gewisser Hinsicht seine Darstellung durch W. E. Bull vergleichbar.

128

Aller-

dings ist Bulls Ansatz in mancher Hinsicht grundsätzlicher und zielt auf die 127 H. Reichenbach 1947, 295. 128 W. E. Bull 1968.

209 Herausarbeitung der allgemeinen Grundlagen menschlicher Zeitorientierung ab. Die Fähigkeit, sich in der Zeit zu orientieren, beruht nach Bull auf der Fähigkeit des Menschen, Ereignisse wahrzunehmen, sich an sie zu erinnern und sie in der Vorstellung zu antizipieren.

Aus dem Bewußtsein eines erinnerten

(A) und eines erwarteten Ereignisses (A') konstruiert das menschliche IchBewußtsein, insofern es schon nicht mehr die Wahrnehmung von (A) und noch nicht die Wahrnehmung von (A') ist, seine Gegenwart, die entweder streckenhaft, d.h. das Intervall (A - a'), oder punktuell, d.h. der Wahrnehmungs- oder Denkakt selbst ist. Das punktuelle Jetzt, die punktuelle Gegenwart (PP) dient als primäre Orientierungsachse für die Zeiterfahrung.

Im Verhältnis zu ihr sind Sach-

verhalte entweder gleichzeitig oder gegenwärtig, vorzeitig oder vergangen (früher als PP) und nachzeitig oder zukünftig (später als PP). Diese Determinationen von Sachverhalten nennt Bull Vektorangaben.

Sie orten

ein Ereignis lediglich hinsichtlich der Richtung seiner Entfernung von der Orientierungsachse ohne das Maß dieser Entfernung anzugeben.

Man kann annehmen,

daß diese Orientierungsleistung in zwei Schritten erfolgt: Der erste entscheidet, ob das Ereignis mit PP gleichzeitig ist oder nicht; der zweite Schritt entscheidet, wenn Entfernung gegeben ist, über die Richtung dieser Entfernving, ob sie im Sinne des Zeitflusses (Minusvektor: -V) oder im Gegensinne (Plusvektor: +V) gestaltet ist.

Wenn man das verzeltete Ereignis mittels E und die

Orientierungsachse mittels Ρ symbolisiert, erhält man die folgenden drei Formeln: E(PoV) für ein mit der Orientierungsachse gleichzeitiges, gegebenfalls gegenwärtiges Ereignis, E(P-V) für ein vorzeitiges, beziehungsweise vergangenes, und E(P+V) für ein nachzeitiges oder zukünftiges Ereignis. Da diese Formeln keine Zeitpunkte beschreiben, sie gewissermaßen nur voraussetzen, nicht aber definitiv orten, könnte man daran denken, ihre Verzeitungsleistung durch den Existenzoperator darzustellen: 3t (t < t Q ), wobei t

die

Sprechzeit oder die primäre Orientierungsachse darstellen soll. Definite Zeitpunkte werden darstellbar, wenn man die zeitliche Entfernung des Ereignisses von der jeweiligen Entfernung durch ein Erstreckungsquantum mißt. Zeitliche Erstreckungsquanten nennt Bull Skalare. tor erzeugen sie einen Tensor.

In Verbindung mit einem Vek-

Wird der Skalar durch χ wiedergegeben, erhalten

wir die Formeln E(PoV), E(P-Vx), und E(P+Vx).

Wird das Zeitauantum durch kalen-

darische Einheiten (fl) gemessen, erhalten wir kalendarische Tensorformeln, z.B. E(P-VBx) etc.

Schließlich kann man die Zeit als eine Reihe von Zeit-

punkten verstehen.

Werden diese durch Zählung identifiziert und mit den Vek-

210 toren kombiniert, erhält man punktuelle Tensorformeln, wie z.B. E(P-VSx) 129 etc. Mit diesem Instrumentarium, mit dem Begriff der Orientierungsachse, der vektoriellen und tensoriellen Ortung von Ereignissen mit Bezug zu einer Orientierungsachse und der Zeitrichtung (Plus- und Minuswertigkeit des Vektors) schafft Bull die Voraussetzung für die Darstellung der Verzeitungsleistung sowohl bestimmter Zeitadverblalklaesen, wie in Kapitel 3 bereits erwähnt, wie auch bestürmter Züge von Verbalsystemen. Unter Hinzunahme der Begriffe der erinnerten Orientierungsachse (KP), der antizipierten (AP) und der erinnerten Vorwegnahme einer Orientierungsachse (RAP) konstruiert Bull zunächst ein hypothetisches Tempussystem mit zwölf Tempora, die er durch die folgenden Formeln darstellt: ^ ^ E(PP-V) E(AP-V) E(RP-V) E(RAP-V)

E(RPoV) F,(APoV) E(RPoV) E(RAPoV)

E(PP+V) E(AP+V) E(RP+V) E(RAP+V)

Keine natürliche Sprache benutzt alle diese Kategorien. Das englische Tempussystem beruht nach Bull zwar auf den vier hier angeführten Orientierungsachsen, hat aber an einigen Positionèn keinen formalen Repräsentanten. Bull stellt das englische Tempussystem durch das folgende Schema dar:1^1 E(PPoV) — sings -

E(PP-V) • has sung ·

/

E(RP-V) had sung-

E(RPoV) — sang —

E(PP+V) will sing

t E(AP-V) ^will have sung

E(APoV) zero

E(RP+V) would sing•

E(RAPoV) E(RAP-V) would have sung• — zero —

129 W. E. Bull 1968, 15. 130 W. E. Bull 1968, 23. 131 W. E. Bull 1968, 31 .

E(AP+V) zero——

E(RAP+V) — zero —

211 Das Schema läßt erkennen, daß die einzelnen Tempora jeweils nur einer Orientierungsachse zugeordnet sind.

Wir sehen, daß das Present Perfect die

primäre Orientierungsachse enthält, was der Analyse dieses Tempus durch Reichenbach insofern entspricht, als dieser für dieses Tempus Sprechzeit und Referenzzeit zusammenfallen ließ.

Auch die Darstellung des Past als Gleich-

zeitigkeit eines Ereignisses mit einer erinnerten Orientierungsachse entspricht der Darstellung durch Reichenbach, der das Erzähltempus als Gleichzeitigkeit mit einen Referenzpunkt in der Vergangenheit auffaßte. In anderen Zügen hebt sich Bulls System deutlich von dem Reicheribachs ab und erweckt Widerspruch.

Als unzutreffend erscheint die Ausklammerung einer

vorweggencmnenen Orientierungsachse (E(AFoV = zero)), wenn gleichzeitig in diesem System die Vorzeitigkeit zu dieser Achse (E(AP-V): will have sung) zum Ausdruck gebracht wird.

Es ist unzutreffend, daß das englische Futur allein

auf die primäre Orientierungsachse bezogen und damit nur das Spiegelbild zum Present Perfect ist.

Wir erinnern uns, daß für Reichenbach das englische

Futur sich als die Entsprechung sowohl des Past wie des Present Perfect darstellte.

Ähnlich problematisch erscheint uns der Umstand, daß das englische

Tempussystem zwar die Vorzeitigkeit zur erinnerten Vorwegnähme einer Orientierungsachse morphologisch kennzeichnet (E(RAP-V): would have sung), die Orientierungsachse selbst aber nicht (E(RAPoV) = zero). Wir sehen, daß in Bulls System ein kritischer Punkt des englischen Verbalsystems, der Unterschied zwischen Past und Present Perfect, andeutungsweise darstellbar wird insofern, als dieses auf die primäre Orientierungsachse, jenes auf eine erinnerte Orientierungsachse bezogen ist.

Bedeutet dies aber auch,

daß damit dem Past Tense definite (oder tensorielle) Zeitorientierung im Sinne des Jota-operators (t .ft < t )) und dem Present Perfect vektorielle Orien1 ° 132 tierung im Sinne des Existenzoperators (3t(t < tQJ) zugeschrieben wird, wie dies erforderlich zu sein scheint?

Bull vertritt zwar die Meinung, daß die

Orientierungsachsen punktuellen Charakter haben, daraus folgt aber nicht, daß sie einem bestirrmten Punkt auf der Zeitlinie zugeordnet werden.

Für das

englische Past (he came) behauptet Bull ausdrücklich, daß seine Verzeitungsleistung nur vektoriell ist: "He came neither defines the position of oome in terms of other events in an objective series nor indicates the amount of time between the action and PP.

All that it says is that the action is anterior to

132 t - primäre Orientierungsachse oder Sprechzeit. 133 W° F.. Bull 1968, 18.

212 Bull betrachtet demnach das englische Verbalsystem als durchgehendes Vektorsystem.

Wir sind der Meinuncr, daß dieser Standpunkt der unterschiedlichen

Funktion von Past und Present Perfect im Englischen nicht gerecht wird.

Außer-

dem erscheint es uns als ein vergebliches Unterfangen, die Tempus- und Aspektkategorien des Englischen jeweils nur durch eine einzige Funktion beschreiben zu wollen. 134 4.2.2.5

Seit Richard Montagues Arbeiten

ist wiederholt der Versuch unter-

normien worden, sein Analyseverfahren - kategorialgrairmatische Syntax mit modelltheoretischer Wahrheitsbedingungssemantik - auf die Beschreibung des englischen Tempus- und Aspektsystems anzuwenden,

im folgenden interessiert uns nicht der

formallogische Charakter dieser Arbeiten.

Auch können wir nicht eine erschöp-

fende Übersicht über die Fülle dieser Arbeiten liefern.

Wir können nur einige

Arbeiten herausgreifen, die interessante substanzielle Aussagen zu Tempus und Aspekt im Englischen enthalten. Zu diesen Arbeiten zählt die Studie von Bennett und Partee, 135 die Arbeiten von David R. Dowty, 1 3 6 der Aufsatz von Frank Vlach 137 und eine zusaitmenfassende Einfuhrung in die Zeitlogik von James τ 138 McCawley.

4.2.2.5.1

Bennett/Partee entwickeln ihre Vorstellungen, indem sie zunächst auf

die Problematik der Vorschläge hinweisen, die Montague für die Analyse des einfachen Präsens, der erweiterten Form, des Present Perfect und des einfachen Futurs anbietet. Sie zeigen, daß das einfache Futur des Englischen nicht, wie aus Montagues Darstellung ableitbar, das Spiegelbild oder die Entsprechung des Past ist, sondern daß in diesem Tempus eher die Entsprechungen des Past und des Present Perfect zusairmenfallen: "... we suggest that the mirror images of the simple past tense and the present perfect tense are conflated to form the simple C " .139 t future Die Kritik an Montagues Analyse des Present Perfect zielt auf den Umstand

134 135 136 137 138 139

Vgl. R. H. Thomason ed., M. Bennett und B. Partee D. R. Dowty, 1979. F. Vlach 1981. J. D. McCawley 1981, 340 M. Bennett und B. Partee

1974. 1978. ff. 1978, 7.

213 ab, daß diesem Tempus jeweils ein definiter Zeitpunkt in der Vergangenheit zugrundegelegt wird, so daß die Verzeitungsleistuna von (a) John has visited Rome als dieselbe angesehen wird wie des Satzes (b) John visited Rome at one time.

Am wichtigsten erscheint mir ihre Kritik an Montagues Beschreibung der erweiterten Form des Englischen. Sie richtet sich zunächst gegen den der 140 Analyse zugrundeliegenden Zeitbegriff: "In PTQ Montague only requires that 141 time, Τ, be simply ordered. He does not require that Τ be dense." Wenn die Zeit nicht als "dicht" angenaimen wird, ist der Schluß von (a) John is walking auf (b) John has walked nicht gesichert, den wir intuitiv für richtig halten. Der zweite Einwand richtet sich dagegen, daß Montagues Analyse der erweiterten Form zusammen mit der des Present Perfect den Schluß von (a) Jones is leaving auf (b) Jones has left erzwingt. Dies ist die Folae davon, daß Montague die unterschiedlichen Geschehenstypen oder Prädikatsklassen nicht berücksichtigt. Bennett/Partee sehen sich, wie bereits erwähnt, veranlaßt mindestens drei Prädikatsklassen zu unterscheiden, die "stative", "subinterval", und "non-subinterval" verb phrases. Schließlich kritisieren Bennett/Partee auch Montagues Thesen zum einfachen aktuellen Präsens ("the reportive simple present"), insonderheit die Idee, daß Aussagesätze in diesem Tempus, wie von der Zeitlogik allgemein angenoimen, in Zeitpunkten wahr sind, wie z.B. der Satz John builds a house. Sie wenden ein, daß die Wahrheit eines solchen Satzes nur für einen Zeitabschnitt gelten könne, für die Vollzugszeit des prädizierten Geschehens insgesamt. Diese Annahme wird die Grundlage ihrer eigenen Vorschläge. Ausgangspunkt ist die These, daß Sätze im einfachen Präsens für Intervalle gelten, während Aussagen in allen anderen "Tempora" in Zeitpunkten wahr sind und in ihrer Geltung von der Wahrheit des einfachen Präsens abhängen. Für die erweiterte Form formulieren Bennett/Partee unter dieser Voraussetzung die folgende Wahrheitsbedingung: "John is building a house is true at I if and only if I is a marient of time, there exists an interval I' of tine such that I is in I', I is not an endpoint for I' and John builds a house is true at I'".1^ Wie angedeutet, macht diese Bedingung die Wahrheit der Aussage in der erweiterten Form abhängig von der Wahrheit der Aussage in der einfachen Form mit 140 R. Montague, in R. H. Thomason 1974, 247 ff. 141 M. Bennett und B. Partee 1978, 9. 142 M. Bennett und Β. Partee 1978, 13.

214

Bezug zu einem Zeitintervall, d.h. aber vom tatsächlichen Vollzug des involvierten (lexikalisch-syntaktisch spezifizierten) Geschehenskonzepts. Des weiteren bestimmt sie ausdrücklich, daß Aussagen in der erweiterten Form nur in Zeitpunkten wahr sein können. Während die letzte These zweifellos richtig ist und einige andere Aspekte der Verwendung der erweiterten Form erklärt, hat die Abhängigkeit der Aussage in der erweiterten Form von der in der einfachen Form unerwünschte Konsequenzen. Zunächst aber zu den positiven Konsequenzen dieser Wahrheitsbedingung: Daß Aussagen in der erweiterten Form nur in Zeitpunkten wahr sein können, erklärt, daß sie mit Intervalladverbien ("durational adverbials") kombiniert werden können, wenn man diese, wie zweifellos richtig, mittels des Alloperators der formalen Dogik darstellt. Wenn

for χ time

ist ersichtlich, warum wir sagen können nicht aber * He

smoked

a cigarette

heißt "at every moment in x", dann

He was smoking

for a minute.

a cigarette

for a

minute

Die Aussage in der erweiterten

Form kann in jeden Augenblick des vom Zeitadverbial bezeichneten Intervalls wahr sein, die Aussage in der einfachen Form kann niemals in einem Zeitpunkt wahr sein, da sie den Vollzug des gesamten Geschehenskonzepts behauptet. Zu den unerwünschten Konsequenzen dieser Analyse der erweiterten Form gehört, daß die Aussage der erweiterten Form eines Geschehenskonzepts die Wahrheit der Aussage in der einfachen Form voraussetzt. Wenn wir deshalb diese Bedingung auf einen Satz anwenden wie

John was making

his will when he died,

müssen wir

annehmen, daß der Satz entweder niemals wahr sein kann oder sprachlich abweichend ist, da er ja nach Bennett/Partee die Wahrheit von

John made his

will

voraussetzt, die der Kontext ("he died while making his will") ausschließt. Bennett/Partee erkennen diese Konsequenz als den am schwersten wiegenden 143

Einwand gegen ihre Thesen, und es verwundert nicht, daß die Analyse der erweiterten Form weiterhin in der Diskussion bleibt. Bemerkenswert ist auch die Wahrheitsbedingung, die Bennett/Partee für das Present Perfect formulieren. "John has eaten the fishet is true at interval of time I if and only if I is a moment of time, α refers to an interval of time I', I is a member of I', and there exists a subinterval of I', I'', such that either I is a final point for I " or I'' [ be hunting. process of ... ".

hunting>

Diese Phrase paraphrasiert er mittels "be in the

Diese Bedeutung unterlegt er als gemeinsame Bedeutung der

erweiterten Form aller drei Satzklassen: "John is running means John is in process

of running,

ing a house,

John

is building

a house

and John is dying maans John

m e a n s John

is in process

is in process of

of

build-

dying"

Unter diesen Gesichtspunkt besteht die Problematik des Versuchs, für die erweiterte Form eine einheitliche Bedeutung zu finden darin, daß der Prozeß, den die erweiterte Form bezeichnet, in den drei Satztypen nicht die gleiche Beziehung zur einfachen Form hat: " ... John's running is a process that goes on when John run is true, John's building a house is a process that goes on at certain times within the interval at which John build a house is true, and I C Q

John's dying is a process that goes on before John die is true." Die Wahrheitsbedingung für die erweiterte Form kann deshalb nicht in einheitlicher Weise auf die der einfachen Form bezogen werden. Für Prozeßsätze bedeutet die erweiterte Form deshalb nur, daß die Verzeitung mit punktuellen Zeitadverbialen die gleiche Wirkung hat wie bei Zustandssätzen: John

was running

at 3ι00 bedeutet im Gegensatz zu John ran at

156 F . Vlach, in P. J . Tedeschi und A. Zaenen (hrsg.) 157 F. Vlach, in P. J. Tedeschi und A. Zaenen (hrsg.) 158 F. Vlach, in P. J. Tedeschi und A. Zaenen (hrsg.)

1981, 279. 1981, 287. 1981, 287.

220 3:00, daß das Laufen um drei Uhr bereits im Gang war, während es im Fall der einfachen Form um drei Uhr einsetzt. Dem wird man für die Beispiele mit run zustinmen.

Es gibt aber offensicht-

lich Prozeßprädikate oder Prozeßsätze, die sich bezüglich ihrer punktuellen Verzeitung schon in der einfachen Form so verhalten wie Zustandsprädikate. Ich habe auf zwei solche Textstellen im Verlaufe dieser Arbeit hingewiesen. Ich wiederhole sie hier.

In Native Son findet sich die Stelle

He went down the steps and into the street. It was white and cold. Snow was falling and an icy wind blew.159

Der Satz "an icy wind blew" ist zweifellos bereits vor den in dieser Stelle ausgezeichneten Referenzpunkt wahr. Dies gilt auch für Prozeßprädikate in dramatischem Kontext.

Beim Anblick

der brennenden Bibliothek bricht Theodotus in Shaws Caesar and Cleopatra in die Worte aus The fire has spread from your ships. The first of the seven wonders of the world perishes.160

Wir müssen daraus den Schluß ziehen, daß offenbar bestinmte Prozeßsätze von sich aus, (als unverzeitete Propositionen) bezüglich der punktuellen Verzeitung dieselben Eigenschaften haben wie Zustandsprädikate, sodaß die Charakterisierung ihrer Progressivform durch die Einführung einen Operator stat (= "stative"), 161 sich in diesen Fällen erübrigt.

Möglicherweise wird man

zugestehen müssen, daß eine bloße Wahrheitsbedingungssernantik die Verwendungsregeln für die Progressivform nicht zu formulieren vermag. Unter der Voraussetzung, daß man unter Ρ roc [ψ] den Prozeß versteht, den, [ψ] wie oben beschrieben, (a) abläuft, wenn der einfache Prozeßsatz ψ wahr ist, und (b) im Falle von "accomplishment" - und "achievement"-Sätzen deren Wahrheit herbeiführt, kann die erweiterte Form des Englischen (Prog [ ψ ] ) allgemein definiert werden als Prog [y>]

if and only if Stat [ Proc [cp] goes on].

162

Unter der Voraussetzung des angedeuteten unterschiedlichen Verständnisses von Proc [ ψ]

ergibt die Definition für Prog [tp ] für die drei Klassen der

Prozeß-, "accomplishment"- und "achievement"-Sätze unterschiedliche Wahrheitsbedingungen. 159 160 161 162

R. Β. F. F.

Wir halten dieses Ergebnis für richtig und betrachten es als

Wright 1972, 137. Shaw 1958, 179. Vlach,in P. J. Tedeschi und A . Zaenen (hrsg.) 1981, 287. Vlach, in P. J. Tedeschi und A. Zaenen (hrsg.) 1981, 287.

221

Hinweis darauf, daß der Versuch, eine allgemeine und einheitliche Wahrheitsbedingung für Behauptungssätze in der erweiterten Form zu entwickeln, als verfehlt angesehen warden muß. 4.2.2.5.4 Wenn wir unseren Überblick über Vorschläge zur Behandlung von Tempus und Aspekt aus dan Bereich der Zeitlogik mit einem' Hinweis auf McCawleys Ausführungen in seinem Buch Know

about

Logic

Everything

that Linguistics

have Always

Wanted

to

zu diesem Thema abschließen, dann nicht deshalb, weil es ihm

gelungen ist, die Analyse von Tempus und Aspekt über die bisher diskutierten Ansätze wesentlich voranzutreiben - die Wahrheitsbedingung für die erweiterte Form z.B. verbleibt durchaus im Rahmen dieser Vorschläge - , sondern weil er sich mit dan Reicheribachschen Begriff der Referenzzeit eingehend auseinandersetzt. Wenn McCawley die Wahrheitsbedingung für die erweiterte Form (PR (A) ) formuliert als "FR(A) is true at t if and only if A is true on an interval that contains t and is an actual or 'normal' continuation of events in progress",1^3 bewegt er sich in denselben Bahnen wie David R. Dowty und muß sich die Kritik von Frank Vlach entgegenhalten lassen, deren Grundlagen wir soeben erörtert haben. Sie lautet: "For the progressive of φ to be true it is not necessary that cp's becoming the case later be natural, predictable, expected, probable, likely, or even (perhaps) physically possible." Wir halten diesen Einwand für richtig. Wie oben bereits erwähnt, kann die Wahrheitsbedingung für (Progψ) nur darin bestehen, daß der mit dieser Aussage als realisiert prädizierte Sachverhalt zu einem Geschehenskonzept gehört. Interessanter ist, was McCawley zum Begriff des Referenzpunktes oder der Referenzzeit zu sagen hat. Er beginnt zunächst mit der Feststellung, daß die herkömmlichen modalen Operatoren für Verzeitungsoperationen ( Of,Df, Ορ,Πρ) unzureichend sind, weil sie die Bezugnahne der sprachlichen Verzeitungsoperationen auf den Referenzpunkt nicht abbilden. Den Referenzpunkt für den Hauptsatz liefert das Zeitadverbiale: "The time referred to by the time adverb serves as a 'reference point' for the main clause, in the sense that the choice of time adverbs and auxiliary verbs and their interpretation depends on relations to that 'reference t i m e ' " E r erläutert dies zunächst an den beiden folgenden Sätzen 163 J. D . McCawley 164 J. D . McCawley

1981, 346. 1981, 348.

222 (a) When John married Sue, he had met Cynthia five years earlier. (b) When John married Sue, he had already read War and Peace three times. deren Zeitadverbien er wie folgt beschreibt: "earlier in (... a) means 'earlier than [reference time]', and already in (... b) means 'in the interval ending at 165 [reference time]." Für die formallogische Darstellung dieser Sätze verwendet er den folgenden Apparat: R

(mit einer konstanten oder definiten Beschreibung)

zur Bezeichnung der Relation "at the time when": η als Konstante für 'new' und zur Bezeichnung von Zeitintervallen Substraktionsausdrücken: z.B. "'t'- t = 166 Der Satz Janet left ten minutes ago 1 hour' for 't is one hour before t''". würde dann durch den Ausdruck (it:n - t » 10 minutes)Rt(Janet leave) repräsentiert, in dem ein Jota-operator einen spezifischen Zeitpunkt markiert, der als "zehn Minuten früher als jetzt" gekennzeichnet wird, und auf den die Proposition "Janet leave" durch den Operator R t als gleichzeitig bezogen wird. Ähnlich verfährt er mit Temporalsätzen. Der Nebensatz definiert den Referenzpunkt.

Der Satz When I started teaching here, housing was fairly easy to

find erhält die Formel (it:Rt(l start teaching here))Rt(housing be fairly easy to find).

168

Unsere oben erwähnten Sätze (a) und (b) erhalten Formeln, die zunächst die Referenzzeit (als "superstructures") definieren, in die dann der Hauptsatz eingebettet wird: (a): (it:Rt(John marry Sue))R (it':t-t' « 5 years)Rt-(John meet Cynthia)'®^ Die Formel kann etwa wie folgt paraphrasiert werden: "Es gibt eine bestinmte Zeit, zu der 'John marry Sue' stattfindet, und im Verhältnis zu der es eine um fünf Jahre frühere Zeit (f) gibt, zu der 'John meet Cynthia' stattfindet." Wir beachten, daß der Ausdruck "Rt(it':t - t':5 years) die Zeit "it" als Referenzzeit kennzeichnet, indem it' auf it bezogen wird. Der Ausdruck für Satz (b) ist ganz ähnlich aufgebaut: (b) (it:Rt(John marry Sue))Rt((33I:PIt)R (John read War and Peace))170

165 166 167 168 169 170

J. J. J. J. J. J.

D. D. D. D. D. D.

McCawley McCawley McCawley McCawley McCawley McCawley

1981, 1981, 1981, 1981, 1981, 1981,

348. 347. 347. 347. 349. 349.

223 Auch in diesem Satz bezeichnet der Ausdruck "Rt(a3I:PIt) die Zeit (it) als Referenzzeit, indem er die drei Vollzugszeiten für "John read War and Peace" als vorzeitig (P = precedes) zu (t) kennzeichnet. McCawley fragt sich sodann, ob aus diesen Darstellungen eine einheitliche Definition für die Referenzzeit abgeleitet werden kann. Er muß sich eingestehen, daß dies nicht der Fall ist. Jedoch ist seine Darstellung, z.B. der Ausdruck "Rt(it': t - t': 5 years)" im Rahmen der Gesamtformel für Satz (a) oben, durchaus in der Lage, das Prinzip des einheitlichen Referenzpunktes für das zeitvergleichende Satzgefüge zum Ausdruck zu bringen. Wir würden den obigen Ausdruck unter diesem Gesichtspunkt wie folgt paraphrasieren: "Mit Bezug zum Zeitpunkt (t) gibt es einen bestürmten anderen Zeitpunkt (vt' ), und dieser Zeitpunkt liegt 5 Jahre früher, und zu diesen Zeitpunkt ereignet sich ...". Wie aus der Paraphrase ersichtlich, wahrt dieser Ausdruck die Identität des Referenzpunktes für Satz (a), weil die Ereigniszeit für "meet Cynthia" mit Bezug zu (t) bestürmt wird. Im übrigen wird zur Definition der Referenzzeit kein weiterer Beitrag geleistet.

4.2.3 In unserem bisherigen Überblick über die Forschung zu Tempus und Aspekt sind wir zwar allgemeinen Grundlagen im Sinne abstrakter Begriffssysteme für die Beschreibung von Tempussystemen begegnet, nämlich bei Reichenbach und Bull, nicht aber solchen für die Beschreibung von Aspektsystemen. Dies soll jetzt, bevor wir an die Beschreibung des englischen Tempus- und Aspektsystems herangehen, in etwa nachgeholt werden, indem wir auf drei Aspekttheorien hinweisen, auf die von Erwin Koschmieder, von Klaus Heger und von Bernard Comrie.

4.2.3.1 Erwin Koschmieder

zieht zur Deutung der Aspekte die menschliche Zeit171 erfahrung heran, insbesondere die Erfahrung des gerichteten Zeitflusses. Während das Ich sich als aus der Vergangenheit herfließend erlebt, deutet es die Ereignisse als sich in die Vergangenheit hin entfernenden Zeitfluß. Zweifellos bildet den einen Pol unseres Zeitbewußtseins das Wahren des Ich und alle mit ihm konforme Dauer, der gesamte Horizont von Mitdauer, in den wir eingebettet sind, während den anderen Pol die in die Vergangenheit wegfließenden Ereignisse, das 171 Die wichtigsten Arbeiten E. Koschmieders zum Aspekt sind Zeitbezug und Sprache (Ein Beitrag zur Aspekt- und Tempusfrage) (1928) 1971, "Oer Begriff des 'Zeitstellenwertes' in der Lehre von 'Verbalaspekt' und 'Tempus'" 1960 und "Der Verbalaspekt im Russischen" 1961. Vgl. zu Koschmieders Aspektlehre auch A. Schopf 1974, 19 f.

224 Vergehen, die transeunte Zeit darstellen.

Koschmieder identifiziert die Glie-

der der Aspektopposition mit diesen beiden Flußrichtungen der Zeit. Dabei spielt die entscheidende Rolle aber ein weiterer Begriff, der des Zeitstellenwertes. Das Ichbewußtsein und alle mit ihm aus der Vergangenheit herfließenden Sachverhalte haben keinen Zeitstellenwert, sind auf der abstrakten Zeitgeraden kein Quantum, sind, um Koschmieders Terminologie zu gebrauchen, nicht Zeitstellig. Alle Ereignisse der transeunten Zeit haben nach Koschmieder einen festen Zeitstellenwert.

Diese beiden Formen der Zeiterfahrung bilden für Koschmieder

die Grundlage, das außersprachliche Korrelat für den perfektiven und inperfektiven Aspekt. Mit Bezug zum polnischen Aspektsystem formuliert er diesen Sachverhalt wie folgt: "Das Polnische besitzt in Perfektivität und Imperfektivität grammatische Kategorien, mit denen es ausdrückt, ob das im Verb Ausgesagte in der transeunten Zeit als Stellenwert, - oder in der psychologischen Gegenwart als dem in der Präsenz begründeten Ichbewußtsein konform angesehen 172 werden soll." Wir können also festhalten, daß Koschmieder die Aspekte im Gegensatz zu den Zeitstufen, die aus der Ortung der Ereignisse in der Zeit, aus der Zeitorientierung entspringen, aus der Gegebenheit der Sachverhalte als lebendige Dauer oder als zeitlich fixierte Größen der transeunten Zeit ableitet. Auf Berührungspunkte dieser Theorie mit der Zeitanalyse bei Hoenigswald, Bergson und Husserl haben wir bereits anderenorts hingewiesen.173 174 4.2.3.2 Klaus Hegers Versuch,

die Analyse von Tempus und Aspekt auf eine

allgemeine Grundlage zu stellen, greift auf die Zeichenfunktion der Sprache zurück, die sich entweder in einem Symbol- oder einem Zeigfeld entfaltet. Mit Karl Bühler unterscheidet er definitorische und deiktische Zeichen und unter den letzteren zwischen personaler, lokaler und temporaler Deixis. Als Ausgangspunkt der temporalen Deixis gilt der Begriff des Jetzt, dem er den Begriff des Nicht-Jetzt gegenüberstellt.

Diesen Jetzt gesteht Heger "keinerlei

quantitative Zeitbestimmung" zu,1^5 faßt es also offenbar als aus der reinen identifizierenden Zeiggebärde erwachsen auf, denn er beruft sich dabei auf Karl Bühler, den er wie folgt zitiert: "Das isolierte Wort jetzt zeigt wie das hier seinen Stellenwert selbst an, wenn es ausgesprochen wird. 172 173 174 175

E. A. K. K.

Koschmieder (1928) 1971, 81 f . Schopf 1974, 19. Heger 1963. Heger 1963, 22, Fußnote 40.

Es braucht

Vgl. auch A. Schopf 1974, 88.

225 ebensowenig wie das hier als ausdehnungsloser (mathematischer) Punkt, als Grenze im strengen Wortsinn, gedacht zu sein, sondern kann, je nach dan mitgedachten Nichtmehrjetzt eine kleinere oder auch beliebig große Ausdehnung annehmen." 17 ^

Wenn dieser Jetztbegriff zum Ausgangspunkt genonmen wird, kann

man vielleicht die Zeitstufen auf ihn zurückführen, unverständlich aber bleibt, wie eine identifizierende Zeiggebärde, die sich auf einen Vorgang bezieht, zu seiner Darstellung von innen führen soll.

Genau dies aber behauptet Heger.

Die Möglichkeiten eines Sprechenden, "einen durch ein Verb definitorisch fixierten Vorgang temporal-deiktisch zu bestirnten," beschreibt er wie folgt: "Entweder wird er die Opposition von 'jetzt' und 'nicht-jetzt' auf sich selbst beziehen, wobei aus dem 'jetzt' seine Gegenwart und aus den 'nicht-jetzt' seine Nicht-Gegenwart werden.

Diese Kategorien bezeichnen wir als Zeitstufen.

Oder

aber, im anderen Fall, bezieht er die fundamentale Opposition auf den ausgesagten Vorgang.

Das'jetzt' wird dabei zum 'jetzt' des Vorgangs, der somit

von innen her, das heißt von einem sich innerhalb seines Ablaufs befindenden Bezugspunkt aus dargestellt wird, und entsprechend führt das 'nicht-jetzt' zu einer Darstellung des Vorgangs von einem Bezugspunkt aus, der sich außerhalb seines Ablaufs befindet." 177

Man sollte meinen, daß das zeigende Jetzt, wenn

es sich auf einen lexikalisch identifizierten Vorgang, d.h. auf ein Geschehenskonzept bezieht, dieses als Ganzes meint, dieses als Ganzes als Gegenwart auszeichnet.

Zu seiner Darstellung von innen her führt nur ein punktuelles Jetzt,

wenn es mit dan Geschehenskonzept identifiziert oder vielmehr auf es bezogen wird.

Wir betrachten den Versuch, die Aspekte von deiktischen Jetztbegriff her

zu verstehen, als nicht geglückt.

Wohl aber kann man Hegers These annehmen,

daß die beiden Aspekte zur Darstellung eines Vorgangs von außen oder von innen führen.

Allerdings wird man, wenn man diese These akzeptiert, fragen bzw.

klarstellen müssen, was diese beiden Darstellungsformen an kommunikativer Leistung erbringen.

4.2.3.3

Während Hegers Versuch, die Aspekte zu beschreiben, als "streng

onomasiologisch" charakterisiert werden muß insofern, als er nach einer abstrakten übereinzelsprachlichen Begriffsgrundlage sucht, an der die einzelsprachlichen Aspektkategorien gewissermaßen "gemessen" werden können,

176 K. Bühler 1934, 132; hier zitiert nach K. Heger 1963, 22, Fußnote 40. 177 K. Heger 1963, 22 f.

226 verfahren andere Sprachwissenschaftler eher semasiologisch, d.h. sie gehen von den gegebenen Formkategorien aus und fragen nach ihrer Bedeutung. Dieses Verfahren wählt auch Bernard Comrie. Dementsprechend charakterisiert er die Bedeutung der beiden Glieder der Aspektopposition zunächst unter Bezugnahme auf "typische" Aspektsprachen wie Russisch und Polnisch usw. und schlägt von diesen Befunden her allgemeine Charakterisierungen für Perfektivität und Imperfektivität vor. Perfektivität und Imperfektivität sind dementsprechend zu verstehen als allgemeine Bedeutungskategorien. Zunächst grenzt er die Aspekte von den Tempora ab. Während Tempora deiktische Kategorien sind ("locating situations in time, usually with reference to 178 the present moment"), betreffen die Aspekte die Phasenstruktur von Ereig179 nissen ("the internal temporal constituency of the situation"). 180 Wie in anderen Darstellungen dient das Inzidenzschema, d.h. ein zeitvergleichender Satz bestimmten Typs, als Ausgangspunkt für die Beschreibung von Perfektivität und Imperfektivität: John was reading when I entered, Jean lisait quand j'entrai etc.^®^

Er beschreibt die Verzeitungsleistung 182 dieses Satzes durchaus im Sinne der "In each of these sentences, the first

Jespersenschen "frame time"-Theorie.

verb presents the background to some event, while that event itself is introduced by the second verb. The second verb presents the totality of the situation referred to (here, my entry) without reference to its internal temporal constituency: the whole of the situation is presented as a single unanalysable whole, with beginning, middle, and end rolled into one; no attempt is made to divide this situation up into various individual phases that make up the action of entry. Verbal forms with this meaning will be said to have perfective meaning, and where the language in question has special verbal forms to indicate this, we shall say that it has perfective aspect. The other forms, i.e. those referring to the situation of John's reading, do not present the situation in this way, but rather make explicit reference to the internal temporal constituency of the situation. In these examples, in particular, reference is made to an internal portion of John's reading, while there is no 178 Β. Comrie 1976, 5. 179 Β. Comrie 1976, 4. 180 Wir haben in diesem Zusammenhang bereits auf W. Pollak 1960, 132 ff. hingewiesen. 181 B. Comrie 1976, 3. 182 0. Jespersen repr. 1965, Bd. IV, 180.

227

explicit reference to the beginning or to the end of his reading. This is why the sentences are interpreted as meaning that my entry is an event that occurred during the period that John was reading, i.e. John's reading preceded and 183 followed my entry." Das methodologische Problem, das dieser Ansatz aufwirft, besteht darin, daß unersichtlich bleibt, wie die allgemeinen Bedeutungen, die Comrie mit Perfektivitat und Imperfektivität bezeichnet, geronnen werden. Auf der einen Seite sind sie aus einzelsprachlichen Beispielsätzen abgeleitet,184 ande re r185 seits werden sie als "language-independent semantic characterizations", d.h. als übereinzelsprachliche Bedeutungskategorien aufgefaßt. Wenn sie aber generelle Bedeutungskategorien sind, würde man erwarten, daß sie in irgendeiner Form aus der menschlichen Zeiterfahrung ableitbar wären. Comrie vollzieht diesen Schritt nicht. Im übrigen aber ist seiner Charakterisierung der beiden Bedeutungskategorien zuzustimmen. Beachtenswert ist sein Hinweis, daß zeitlich quantifizierte Sachverhalte, auch wenn sie Zustandscharakter haben, in bestimmten Aspektsprachen in beiden Aspekten vorkamen können. Er führt die folgenden Beispielsätze an: ja stojal tarn &as ~ ja postojal (prostojal) tarn cas - il regna trente ans ~ il régnait trent ans - ebasileuse déka été — ebasileue déka été.*®6

Dasselbe methodische Verfahren wendet er an, wenn er nach der Ausfaltung der beiden Aspektbedeutungen oder nach der Entwicklung zusätzlicher differenzierender Bedeutungskomponenten fragt. Er sucht sie zunächst in den einzelsprachlichen Aspektsystemen auf, leitet sie also nicht aus der allgemeinen Charakterisierung von Perfektivität und Inperfektivität ab. Bezüglich der Perfektivität registriert er ihre Vereinbarkeit mit dem "progressiven Aspekt" im Spanischen: toda la tarde estuvieron entrando visitas

(Aorist of estar plus Present Participle) = "all the afternoon visitors kept 187 arriving", und im Russischen beobachtet er das Miteinander von Perfektivität und Iterativität: on pozapiral vse dveri ("er verschloß alle Türen, eine nach 183 B. Comrie 1963, 3f. 184 Vgl. B. Comrie 1976, 7: Clearly, in any discussion of aspect, preference will be given to examples from languages where aspect exists as a grammatical category, since such languages provide the clearest examples with which to work, even in discussions of the semantic distinctions underlying these grammatical categories. 185 B. Comrie 1976, 10 et passim. 186 B. Comrie 1976, 22 f. 187 B. Comrie 1976, 22.

228 .η 1 8 8 der anderen"). Solange es darum geht, das Miteinander von Bedeutungen im Aspektbereich zu erklären, die in den Einzelsprachen formal bezeichnet sind, sei es granmatikalisch wie im Spanischen die Progressivität durch das Partizip plus estar oder lexikalisch wie die Iterativitat im Russischen durch das Präfix, entstehen keine methodologischen Probleme. Schwieriger wird die Sache, wenn ein allgemeingültiges Schema über die Ausfaltung der generellen Aspektbedeutungen entwickelt werden soll, wie Comrie dies für die Imperfektivität tut:189

Perfective

Imperfective

I

1

1

Habitual

Continuous

!

Nonprogressive

'

1 .

Progressive

Comrie will mit diesem Schema offensichtlich die Ausfaltung der inperfektiven Aspektbedeutung illustrieren, um festzustellen, welche Bedeutungen in den Einzelsprachen daraus grammatikalisiert sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang sein Versuch, die einzelnen Bedeutungen voneinander abzugrenzen, z.B. die Habitualität eines Sachverhalts von seiner bloßen Iterativitat oder Progressivität zu unterscheiden. Von Bedeutung erscheint in unserem Zusairmenhang, wie Comrie den Unterschied zwischen "continuousness" und "progressivity" faßt. Während "continuity" als bloße Inperfektivität, "not occasioned by habituality", dargestellt wird, faßt Comrie Progressivität als "continuousness 190 plus nonstativity" auf. Da er aber den Zustandscharakter von Sachverhalten außersprachlich definiert und gemäß dieser Definition Prädikate wie lie, stand, 191

lean etc. als "stative" anzusehen sind,

ergibt sich die Frage, wie die

Progressivform dieser Prädikate (Your coat is lying on the floor) zu erklären ist. Hier interessieren uns nicht seine Antworten auf dieses Problem, sondern vielmehr der Umstand, daß die allgemeinen Definitionen für die einzelnen Teil188 189 190 191

Β. Comrie 1976, B. Comrie 1976, B. Comrie 1976, Β. Comrie 1976, Prädikaten lie,

24. 25. 12, 35, 38 et passim. 49: "To remain in a state requires no effort". stand, live etc. auch S. 37.

Vgl. zu den

229

bedeutlangen von Imperfektivität, obwohl sie aus den einzelsprachlichen Verhältnissen abstrahiert sind, eben doch die einzelsprachlichen Verhältnisse offenbar nicht vollständig zu erfassen vermögen. Die Progressivform des Englischen deckt sich in ihrer Verwendung nicht mit der allgemeinen Bedeutungskategorie "Progressivität". Bevor wir auf die methodologischen Konseguenzen dieses Sachverhalts hinweisen, soll noch kurz erwähnt werden, daß im Englischen von den Teilbedeutungen der Imperiektivitat nur ein Ausschnitt gramnatikalisiert ist: Inperfektivität und "continuousness" sind nach Comrie zwar Bedeutungskategorien, jedoch nicht grammatikalisiert. Die Habitualität ist teilgrammatikalisiert. Nur im Past entspricht ihr eine eigene Form (used to + tive)

Infini-

, die jedoch nicht obligatorisch ist. Und selbst wo man Grammatika-

lisation einzunehmen geneigt ist, nämlich für die Progressivität, stellt sich heraus, daß die konkrete Verwendung der Progressivform umfassender ist als die Definition von Progressivität erwarten läßt. Auf diesen Sachverhalt reagiert B. Comrie wie folgt: Er erwägt zunächst, die Definition der Aspektbedeutung "Progressivität" so zu erweitern, daß sie die Bedeutung der erweiterten Form von lokalen Zustandsprädikaten des Englischen (lie, stand,

sit

etc.) mit erfaßt. Er erwägt als "basic meaning" für die

erweiterte Form des Englischen " the indication of a contingent situation: [which] would subsume progressive meaning itself, and also the use of the Progressive to indicate a temporary (contingent) state, and its use to indi192 cate a oontingent habitual situation." Mir scheint, daß Comrie hier eine 193 Anregung aufgreift, die ich bereits 1969 vorgelegt habe. Sie liefert jedenfalls die Erklärung für das Vorkonmen der oben erwähnten lokalen Zustandsprädikate in der erweiterten Form. Comrie wendet jedoch ein, daß nicht alle Sachverhalte, die durch die Kontingenz des Prädikats gekennzeichnet sind, durch die erweiterte Form dargestellt werden können: "For instance, the verb know does not allow formation of a Progressive, even with reference to a oontingent state (John realised that there was no sugar before Mary came in, and forgot that there was no sugar almost

as soon as she went out, so that 194when Mary was in

the room he knew/ * was knowing that there was no sugar) ..." Als eine weitere Erklärungsmöglichkeit erscheint ihm die Annahme, daß die erweiterte Form des Englischen eben diverse, nicht aus einander ableitbare Funktionen besitzt. Schließlich aber greift er den Gedanken auf, daß die Verwsndungs192 Β. Comrie 193 A. Schopf 194 B. Comrie

1976, 38. 1969, 169 f. 1976, 38.

230 weisen der erweiterten Form im heutigen Englisch als eine Zwischenstufe in einen funktionalen Erweiterungsprozeß zu verstehen seien,195 der auf die Erfassung aller kontingenten Sachverhalte abziele, aber noch nicht alle Prä196 dikatsklassen erreicht habe. Mit diesen Reaktionen Comries ist aber die Problematik des methodologischen Verfahrens bei der Analyse des englischen Verbalsystems aufgeworfen, die im folgenden Abschnitt aufgegriffen werden soll. 4.3 Die Erörterung methodologischer Fragen im Zusammenhang mit der Funktionsbestimmung von Tempus und Aspekt in den einzelnen Sprachsystemen hat eine lange 197 Geschichte. Ihre Thematik wechselte. 4.3.1 Eine Zeitlang was sie von der Frage beherrscht, ob den sprachlichen Kategorien, z.B. den einzelnen Tempora oder Aspektgliedern jeweils eine einheitliche Gesamt- oder Grundbedeutung zuzuweisen ist, aus der die konkreten Verwendungstypen ableitbar wären, oder ob davon auszugehen sei, daß zu einer sprachlichen Kategorie jeweils mehrere isolierte, bedeutungsmäßig nicht aus einander herleitbaren Verwendungstypen gehören. Ich habe an anderer Stelle bereits erwähnt, daß diese Frage besonders intensiv in der Romanistik im Zusammenhang mit der Funktionsbestiimtung der Vergangenheitstempora erörtert 198 worden ist. Zu den Verfechtern der These einer einheitlichen Grundfunktion 199 gehören im Bereich der Anglistik unter anderen Gerhard Dietrich und Dietrich 200 Nehls. Die Gegenposition bezieht mit eindrucksvollen Argumenten A. G. Hatcher, wenn sie die enttäuschenden Ergebnisse der Analyseversuche vor dem Erscheinen ihrer Untersuchung der irrigen Annahme einer Grundfunktion für die einfache und erweiterte Form zuschreibt. Ich selbst teile ihre Skepsis 201 und verweise auf die überlegte Diskussion dieser Fragen durch B. Comrie, der zumindest nicht ausschließt, daß grammatische Kategorien Verwendungsweisen besitzen können, die sich nicht aus einer Grundfunktion ableiten lassen.

195 A. G. Hatcher 1951, 274, Fußnote 48, spricht in ähnlichem Zusammenhang von "arrested development" und bezeichnet die erweiterte Form als "the invader construction", (ibid., 261). 196 Β. Comrie 1976, 38. 197 Vgl. Α. Schopf 1974, 5 f. mit Hinweisen auf weitere Literatur, insbesondere auf G. Dietrich 1955 u. W. Pollak 1960. 198 A. Schopf 1974, 5. 199 G. Dietrich 1955, 14 ff. 200 D. Nehls 1974, 87 ff. 201 B. Comrie 1976, 8 ff.

231

Natürlich schließt er nicht aus, daß es auch Kategorien gibt, deren Verwendungsweisen auf eine Grundfunktion ("a basic meaning") zurückführbar sind. Ich selbst habe in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit zunächst metaphorischer Verwendung lexikalischer Einheiten hingewiesen, die sich später als eigenständige Bedeut\mg darstellt: man vergleiche dt. Schloß (= Schließvorrichtung) und Schloß2 (= Gebäude), wenn man sie aus gemeinsamem Ursprung ableitet. Die Möglichkeit polysemer sprachlicher Kategorien mit bedeutungsmäßig nicht auseinander herleitbaren, oder auf eine Grundfunktion zurückführbaren Verwendungstypen legt auch die Konzeption der sprachlichen Kategorie als Morphosem durch Otto Jespersen nahe. Er zeigt, daß die Ganzheitlichkeit und der Zusanmenhalt einer Kategorie, wie z.B. des englischen Preterit, keineswegs über eine allgemeine Gesamt- oder Grundbedeutung herbeigeführt werden kann, sondern über mehrere zugleich wirksame, unterschiedliche Form- und Bedeutungsidentitäten 202 bewirkt wird. Im übrigen scheint Jespersens Konzeption sprachlicher Kategorien sich in etwa in Randolph Quirks Begriff der "serial relationship" als Aufbauprinzip sprachlicher Kategorien wiederzufinden, das ja nichts anderes besagt, als daß zwischen den Bedeutungs- oder formalen Merkmalen der Glieder einer Kategorie nur unter der Voraussetzung einer bestirmvten Reihung Identitätsbeziehungen feststellbar sind -

so daß zwischen (ab) und (cd) z.B. keine Identitätsbeziehung zu bestehen ^ ν,*.2 0 3 braucht.

4.3.2 Ein weiteres Thema, das die methodologische Diskussion beherrschte, war die Frage, ob die synchrone Sprachbeschreibung onomasiologisch oder semasiologisch verfahren solle. Das onomasiologische Verfahren geht von einem vorgegebenen Begriffssystem aus und fragt, wie diese Begriffe in der zu analysierenden Sprache wiedergegeben werden, welchen linguistischen Kategorien sie· 202 0. Jespersen (1937) repr. 1969, 95 f. und (1924) repr. 1958, 56 f. 203 Vgl. hierzu R. Quirk 1965, 205 ff. Vgl. hierzu auch A. Schopf 1969, 68 ff.

232

zugeordnet sind. Dieses Verfahren ist in seiner reinsten Form bei der semantischen Analyse von Verwandschaftsnamen eingewendet worden, wobei die biologische 204

Familie das Begriffssystem lieferte.

Bei der Analyse von Tempus und Aspekt

müßte die menschliche Zeiterfahrung den Ausgangspunkt bilden. Versuche dieser Art sind von Jespersen, Heger und Bull, allerdings mit jeweils unterschiedlichem Ergebnis untemormen worden. Jespersens Unterfangen, "to establish a scheme of 'tenses' of universal application"^^ ist zweifelsohne der Versuch, eine allgemeine begriffliche Analyse der menschlichen Zeiterfahrung zum Ausgangspunkt der Beschreibung des englischen Verbalsystems zu machen. Dies erweist auch seine Forderung, die Terminologie für die Zeit, die ontologische206 Kategorie, und das Tempus, die grammatische Kategorie, getrennt zu halten. Das Ergebnis seines Versuchs, ein allgemeines Begriffssystem, d.h. ein universelles Tempussystem zu finden, ist das folgende siebenstufige Zeitstufenund Tempussystem, in dem den begrifflichen Kategorien der menschlichen 207 ZeitOrientierung graitmatische Kategorien im Verhältnis lsl entsprechen:

A past '

co O. I

G

ra

4-Í OS ra o. Ab 4-> •H h αϊ 4-)

u 3 4J 3 uh Cb

ι3 3 UH ι u

Als nächstem Verwendungstyp sind wir dann dan zeitweiligen Präsens begegnet, welches wir als relative Zeitweiligkeit deuten.

Es assertiert ein Merkmal, das

bezüglich der zeitlichen Erstreckung des Merkmalträgers sich als zeitweilig (und damit als variabel) erweist.

Wir betonen noch einmal, daß dais zeitweilige

Präsens sein Merkmal nicht notwendigerweise als aktualisiert aussagt.

Wir

schlagen als graphische Darstellung eine Gerade vor, die beiderseits Begrenzungsmarken hat, die von ihr etwas abgesetzt sind.

258

Das Merkmal "Aktualität" finden wir sowohl in koextensiven wie in zeitweiligen Aussagen.

Als aktuelles Präsens wollen wir das zeitweilige aktuelle

Präsens verstehen, das wir durch eine doppelte Gerade darstellen können: R

4.4.3

Unser nächster Schritt soll darin bestehen, aus den kontrastiven Merk-

malen, wie wir sie in den beiden vorausgehenden Abschnitten erarbeitet haben, eine möglichst generelle Funktionsbestinmung für die Glieder der Aspektopposition herauszuarbeiten dergestalt, daß wir mit ihrer Hilfe sowohl das Zustandekoirmen der Verwendungstypen wie auch ihren paradigmatisch-kontrastiven Zusanmenhang erklären können. Wir haben gesehen, daß sich der inhärente Zeitbezug der Satzbegriffe in zwei Formen manifestiert, als Verzeitungspotential tond als Phasenstruktur der von den Satzbegriffen bezeichneten Geschehenskonzepte.

Wir müssen uns deshalb

kurz fragen, in welchem Verhältnis diese beiden Aspekte zueinander stehen: Wann fungiert die Aspektopposition im Bereich der Phasenstruktur, und wann im Bereich des Verzeitungspotentials? Hier eröffnet sich möglicherweise eine weitere bisher nicht aufgeworfene Fragestellung, die wir provisorisch wie folgt beantworten können.

Wir haben im

allgemeinen die Ansicht vertreten, daß die Unterscheidungsfunktion der beiden Glieder der Aspektopposition von der Beschaffenheit des Wirkungsfeldes abhängt. Dies bedeutet, daß die Phasenstruktur sowie das Verzeitungspotential sich als Wirkungsbereich jeweils aus dem Satzbegriff und der Sprechsituation, in dem er eingesetzt wird, ergeben.

Der Satzbegriff χ open the door wird zunächst hin-

sichtlich seines Verzeitungspotentials die differenzierende Funktion der Aspektopposition hervorrufen.

Erst wenn der Satzbegriff (auch mit Hilfe

seiner pragmatischen Einbettung) - z.B. John open

the door of his room

at

12 o'clock on May the 25th 1922 - ein Einzelereignis bezeichnet, wird die Unterscheidungsfuriktion der Aspektopposition auf die Phasenstruktur ausweichen.

4.4.3.1

Wir beschäftigen uns zunächst noch einmal mit der einfachen Form.

Wenn

wir auf die beiden vorausgehenden Abschnitte (4.4.1 und 4.4.2) zurückblicken, müssen wir feststellen, daß die einfache Form sowohl die Phasenstruktur der Satzbegriffe unverändert läßt, wie auch alle Stufen der Verzeitung bezeichnen kann, wenn sich auch hier deutliche Einschränkungen ihrer Verwendung ergeben. Es scheint deshalb berechtigt zu sein, die einfache Form als unmarkiertes

259 Glied der Aspektopposition zu bezeichnen. Dies ist auch die vorherrschende 229 Meinung in der einschlagigen Literatur. Jedoch wird auch die entgegen230 gesetzte Meinung vertreten. Unserer Meinung nach entsprechen beide Thesen der sprachlichen Wirklichkeit nicht völlig, wie gleich deutlich werden wird. 4.4.3.1.1 Zwar ist es richtig, daß die einfache Form das Geschehenskonzept des jeweils assertierten Satzbegriffs in seiner vollen Phasenstruktur, d.h. in seiner Totalität assertiert, was wir mit dem Begriff der Perfektivität zum Ausdruck bringen und als Merkmallosigkeit betrachten, jedoch ist sie bezüglich des Zustande- und Prozeßcharakters der Geschehenskonzepte, bzw. der Satzbegriffe nicht völlig neutral. Sie entwickelt eine deutliche Affinität zu Zuständen dergestalt, daß Ausdrücke, die sowohl zur Bezeichnung eines Zustands wie eines Prozesses oder Verhaltens verwendet werden können, in der einfachen Form ein Zustandsprädikat bezeichnen: I see your brother over there - I am seeing a friend in town. I hear a noise upstairs - I am hearing his lessons, etc.

Diese Affinität wird vor alian darin deutlich, daß Zustandsprädikate, abgesehen von bestimmten Ausnahmen, nur die einfache Form zulassen: I know French He loves music etc. Wir können deshalb die einfache Form zunächst durch die beiden Merkmale "Perfektivität" (bzw. "Korrplexivität") und "Zustandscharakter" charakterisieren. Ein weiteres Merkmal gewinnen wir, wenn wir daran denken, daß die einfache Form den assertierten Sachverhalt in bestinmten Kontexten nur identifizierend nennt und nicht in seinem Verlauf begleitet. Wir fassen dieses Merkmal unter dem Begriff der "Nennfunktion". Insgesamt erhalten wir im Bereich der Phasenstruktur die folgenden drei Merkmale für die einfache Form: (1) Perfektivität (bzw. Komplexivität) (2) Zustandscharakter (3) Nennfunktion

4.4.3.1.2 Wenn wir ihre distinktive Funktion im Bereich des Verzeitungspotentials betrachten, stoßen wir auf weitere Merkmale. Satzbegriffe mit mehrpoligem Verzeitungspotential legt die einfache Form, wie schon dargelegt, 229 Vgl. hierzu A. Schopf 1974, 276. 230 Vgl. vor allem R. L. Allen 1966, 184.

260 auf außerzeitliche oder koextensive Geltung fest.

Wir charakterisieren beide

durch das Merkmal "unbegrenzte Dauer". Wir dürfen jedoch nicht übersehen, daß die einfache Form auch zeitweilige und schließlich sogar aktuelle Merkmale bezeichnen kann, wenn auch ihre Verwendung in diesen Fällen in der Regel nicht obligatorisch und auf kleine lexikalisch definierbare Bereiche eingeschränkt ist: You are naughty - You are being

naughty;

My head

aches

- My head

is aching

etc.

A u c h im Bereich des

Verzeitungspotentials kann die einfache Form zwar alle Werte vermitteln, jedoch bestehen deutliche Tendenzen, die einfache Form als aktuelles Präsens mehr und mehr durch die erweiterte Form zu ersetzen.

Die einfache Form ist

nicht mehr in vollem Umfang das unmarkierte Glied der Aspektopposition. Wir können die drei Merkmale zumindest als Tendenzen festhalten: (1) Unbegrenzte Geltung (2) Zeitweiligkeit (oder Variabilität) (3) Aktualität

4.4.3.1.3

Insgesamt können wir die einfache Form des Präsens offenbar durch

die folgenden Merkmale charakterisieren: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)

Perfektivität (bzw. Komplexivität) Zustandscharakter Nennfunktion Unbegrenzte Geltung Potentialität Zeitweiligkeit Aktualität

Wir beachten, daß die Merkmale (5) und (7) in ihrer Verteilung durchaus beschränkt und an stilistisch markierte Redesituationen gebunden sind. Wir haben jetzt zu fragen, ob sich alle Verwendungstypen aus diesen Merkmalen ableiten lassen.

Dies scheint der Fall zu sein:

Das außerzeitliche Präsens ergibt sich aus dem Merkmal (4), ebenso das koextensive Präsens; das Zustandspräsens (X love you, I know French) aus Merkmal (2).

Das dramatische (nennend identifizierende) Präsens aus Merkmal (1) und

(4) : There he comes, there he sits etc.

Ebenso würde mein das performative

Präsens aus diesen Merkmalen ableiten. Wir dürfen jedoch nicht übersehen, daß die Merkmale (5) und (6) zu Verwendungen gehören, die auf kleine lexikalisch definierbare Bereiche eingeschränkt sind. (5).

Nur so erklärt sich die logische Gegensätzlichkeit der Merkmale (4) und Der Funktionsbereich der einfachen Form im Präsens bietet kein einheit-

261 liches Bild.

Die Funktion der einfachen Form paßt sich dem jeweiligen

Aussagefeld mit seinem Unterscheidungspotential an.

Nach unserer Überzeugung

ist es müßig, nach einer einheitlichen Gesamtfunktion zu fragen.

4.4.3.2

Ein etwas anderes, jedoch ebenfalls uneinheitliches Bild erhalten

wir, wenn wir versuchen, die distinktiven Merkmale zusammenzufassen, die die Progressivform im Präsens entwickelt.

4.4.3.2.1

Im Bereich der Phasenstruktur, so konnten wir feststellen, wirkt

die Progressivform selektiv, indem sie aus d m jeweiligen Geschehenskonzept die Prozeßphase isoliert.

Wir bezeichnen diese Eigenschaft als "Imperfektivität".

Wir lassen offen, ob sie auf elementarere Eigenschaften, z.B. auf "Stativität" im Sinne F. Vlachs zurückgeführt werden kann.

Unzweifelhaft aber ist, daß wir

die Komponente "offene Dauer" ansetzen müssen, wenn wir erklären wollen, daß einerseits punktuelles Geschehen von der Progressivform nicht bezeichnet werden kann, ohne Andeutungen hervorzurufen und andererseits accanplishmentSätze in dieser Form adverbiale Intervallverzeitung zulassen (He was writing the letter for several hours).

Wir sind der Meinung, daß diese Komponente als

Erklärung für das irrperfektive Präsens (He is writing a letter) ebenso ausreicht wie für das Vorphasenpräsens (As we are reaching the top of the mountain, John has a heart attack), das wir in anderen Kontexten "konatives Präsens" (As he is switching on the light, ...) nennen können, und das iterative Präsens, das sich ja notwendigerweise ergeben muß, wenn rein punktuelles Geschehen durativ verzeitet wird. Als weiteres distinktives Merkmal erweist sich die "Gleichzeitigkeit".

Wir

stoßen auf sie, wenn wir die Progressivform im Inzidenzschema mit der einfachen Form vergleichen: When he looks up, she smiles/is smiling.

Das Merkmal

"Gleichzeitigkeit" bringt zum Ausdruck, daß die Progressivform einen durch sie bezeichneten Sachverhalt einem Referenzpunkt nianals als nachzeitig zuordnen kann.

Gegenüber punktue U S T I Geschehen bezeichnet sie irrmer den gleich-

zeitigen Hintergrund oder Rahmen.

Es wird zu fragen sein, ob "Gleichzeitig-

keit" sich bereits aus dan Merkmal "Irnperfektivität" bzw. "offene Dauer" ableiten läßt. Die Progressivform bezeichnet des weiteren den "Prozeß"- oder "Verlaufscharakter" des bezeichneten Geschehens. Kontrastpaaren w i e I think

that John

Wir stoßen auf dieses Merkmal in

is a rascal ~ I aw thinking

of my

child-

262 hood days, John loves Mary ~ Mary is loving Pussy, Everybody admires her beauty ~ As everybody is admiring the baby, little John remarks that it squints etc.

Mit dan Verlaufs- -und Prozeßcharakter der Progressivform unmittelbar verbunden ist die "Aktualität" des bezeichneten Sachverhalts. Jedoch bewegen wir uns mit diesem Merkmal bereits im Bereich des Verzeitungspotentials. Für den Bereich der Geschehenskonzepte und ihrer Phasenstruktur erhalten wir also die folgenden Merkmale: (1) Offene Dauer (od. Imperfektivität) (2) Gleichzeitigkeit (3) Prozeß- oder Verlaufscharakter

Wir erinnern uns aber, daß das Merkmal (3) nicht in allen Verwendungen der Progressivform gegeben sein maß: Where is my coat? - It's lying on that chair there. Wie bereits erwähnt, kann der bezeichnete Sachverhalt nicht als Verlauf oder Prozeß bewertet werden. 4.4.3.2.2 Im Bereich des Verzeitungspotentials wirkt die Progressivform in der Weise, daß sie die Geltung des bezeichneten Sachverhalts einschränkt. Er wird entweder als zeitweilig oder als im Zeitpunkt des Sprechens aktualisiert ausgesagt: John works for VW ~ John is working for VW, John smokes ~ John is smoking

etc. Wir erhalten die Merkmale

(1) Zeitweiligkeit (od. Variabilität) und (2) Aktualisierung.

Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß beide Merkmale unabhängig voneinander sind. Während in John is smoking beide Merkmale vermittelt werden, bezeichnet John is working for vw keinen aktualisierten Sachverhalt. Zeitweiliges und aktuelles Präsens sind auseinanderzuhalten. 4.4.3.2.3 Den Informationsgehalt der Progressivform kann man demnach insgesamt mit vier Merkmalen wiedergeben, wenn man die "Gleichzeitigkeit" als logische Folge der "offenen Dauer" einsieht. (1) (2) (3) (4)

Offene Dauer (od. Imperfektivität) Zeitweiligkeit Aktualisierung Prozeß- oder Verlaufscharakter

Wir benötigen offenbar alle diese Merkmale, wenn wir die Verwendungstypen der

263

Progressivfoim im Präsens erklären wollen, venrögen aber nicht alle Verwendungstypen zu erfassen, wie noch zu zeigen sein wird. Wie bereits angedeutet, können das imperfektive, konative und iterative Präsens ohne Schwierigkeiten aus dem Merkmal "offene Dauer" abgeleitet werden, wenn der Satzbegriff ein einmaliges Ereignis bezeichnet.

Das zeit-

weilige sowie das aktuelle und Verlaufspräsens erklären sich aus den entsprechenden Merkmalen.

Unerklärt bleibt das "interpretierende" oder "rück-

verweisende Präsens", über welches noch zu sprechen sein wird.

4.4.4

Die nächste Frage, die wir uns stellen, betrifft die systemhafte,

paradigmatisch-kontrastive Zusarmtenordnung der Verwendungstypen.

Anders

formuliert bedeutet dies, daß wir nach dem Zustandekommen der Informationsleistung der Aspektopposition im Englischen fragen. Erinnern wir uns in diesem Zusanmenhang, daß die einfache Form ein verhältnismäßig uneinheitliches Bild hinterließ, als wir sie auf ihre Funktionen oder Verwendungstypen abfragten. Progressivfoim.

Etwas einheitlicher wirkt die

Unsere Deutung greift auf diesen Sachverhalt zurück.

Wir

betrachten die Progressivform als das Element, das gewissermaßen aus dem diffusen Bedeutungsspektrum jeweils unter Berücksichtigung des Kontrastpotentials des jeweiligen Satzbegriffs ein entsprechendes Kontrastmerkmal herausholt.

4.4.4.1

Das imperfektive Präsens z.B. setzt voraus, daß das Kontrast-

potential des zu verzeitenden Satzbegriffs auf die Phasenstruktur eingeschränkt ist, d.h. daß der Satzbegriff ein partikuläres (und nicht ein habituelles) Geschehen bezeichnet wie z.B. in John write a letter.

Die

Progressivfoim wirkt dann mit dem Merkmal "offene Dauer" oder "Imperfektivität" selektiv auf die Phasenstruktur des Satzbegriffs und isoliert die Prozeßphase.

Den paradigmatischen Kontrast liefert die einfache Form mittels des

perfektiven oder komplexiven Präsens. verhalt graphisch wie folgt:

Wir veranschaulichen uns diesen Sach-

264

1) imperfektives (a) und perfektives Präsens (b)

Das inperfektive Präsens kann, maß jedoch nicht zugleich auch ein aktuelles Präsens sein. John is writing a novel kann zu einem Zeitpunkt als wahr gelten, an dem John schläft oder spazierengeht etc. lirperfektives und perfektives Präsens entwickeln eine Reihe von sekundären Verwendungstypen. Das imperfektive bildet das Vorphasen- oder konative Präsens je nachdem, welche pragmatische Umgebung und welcher Kontext vorliegt. Ein weiterer sekundärer Verwendungstyp ist das iterative Präsens, das punktuelles Geschehen im zugrundeliegenden Satzbegriff voraussetzt. Das perfektive oder komplexive Präsens ist, wie schon mehrfach erwähnt, stilistisch markiert. Das liegt daran, daß eine komplexe Phasenstruktur als Totalität nicht im jeweiligen Gegenwartspunkt wahr sein kann. Es bleibt deshalb auf besondere Sprechsituationen und Textsorten beschränkt. Wir finden es besonders dort, wo eine Ereignisfolge berichtet wird, d.h. in Sport-, Vorführungs- und Versuchskcmmentaren, sodann in zusammenfassenden Schil-, 231 derungen usw. 231 Vgl. M. Joos 1964, 131, wo die folgende,zusammenfassende Schilderung zitiert wird: While Superintendent Hannam is examining the cupboard, the Doctor walks slowly across the room to an identical built-in cupboard on

265 4.4.4.2

Ein weiteres Kontrastpaar liefern das Prozeß- oder Verlaufspräsens

und das Zustands- oder faktische Präsens. In der Progressivform steht hier das Merkmal "Prozeß" oder "Verlauf" im Vordergrund, mit dem im einfachen Präsens die Merkmale "Zustandscharakter", bzw. "Nennfuriktion" kontrastieren.

Wir stellen in der graphischen Darstellung

dem progressiven Präsens zwei Typen des einfachen Präsens gegenüber:

2)

Prozeß- u. Verlaufspräsens (a) und Zustandspräsens (b) und nennendes Präsens (b')

Wir finden das Prozeß- oder Verlaufspräsens als Kontrastform zum einfachen Präsens besonders in lexikalischen Differenzierungsmöglichkeiten wie z.B. to be loving ~

to love;

to be admiring~

to admire

etc.

Andererseits kontrastiert

das Prozeß- oder Verlaufspräsens mit dem bloß nennenden oder faktischen the left-hand side of the fireplace, opens the centre compartment and puts his hand inside, then takes out two objects which he puts inside his left-hand pocket.

266

Präsens. Hier liegt ein eher stilistischer Kontrast vor. Während das Verlaufspräsens einem Prozeß in seinem Ablauf beobachtend folgt, identifiziert das einfache Präsens den Sachverhalt in seinem "Was?". Dieses nen232 nende Präsens

tritt im Englischen vorwiegend da auf, wo der Sprecher daran

gehindert wird, dem Geschehen in beobachtender Distanz zu folgen. Wir zählen deshalb das dramatische Präsens hierher. Offenbar können wir auch das performative Präsens zu diesem Verwendungstyp zählen sowie eine Reihe älterer Formeln: Zu diesen gehört der mit "there" eingeleitete, invertierte Aussagesatz (There cornes the teacher) und derselbe Satz ohne Inversion (There he 233 runs).

Wir haben an anderer Stelle auf diese Satzformen im Rahmen der

Frage nach dem Aspektgebrauch im Englischen hingewiesen. Zum Prozeß- oder Verlaufspräsens zählen wir auch die erweiterte Kopula (He is being naughty/kind etc.), jedoch ist dazu anzumerken, daß die einfache Kopula (He is naughty/kind etc.) nicht nur ein Zustande- oder nennendes Präsens ist. Die Kopulasätze konstituieren ein eigenes Aussagefeld, in dem die Aspektopposition besondere differenzierende Funktionen entwickelt. Unzweifelhaft aber ist, daß die erweiterte Kopula in der Regel Prozeßcharakter hat, d.h. aktionales Geschehen bezeichnet.

Daß wir auch in diesem Bereich

die Progressivform gelegentlich für Sachverhalte verwenden, die nicht durch Prozessualität, sondern nur durch "Zeitweiligkeit" und "Gleichzeitigkeit" gekennzeichnet sind, deuten wir als Versuch, den Funktionsbereich der Progressivform zu erweitern, insgesamt als Anzeichen dafür, daß die Aspektopposition des Englischen einen Bereich unfester Wertzuschreibung und des Wandels darstellt. 4.4.4.3 Auf weitere Kontrastpaare stoßen wir, wenn wir die Verwendungsweisen der Progressivform betrachten, die das Merkmal der Zeitweiligkeit betonen. Das Kontrastmerkmal für "Zeitweiligkeit" oder "Variabilität" ist die unbegrenzte Geltung, die absolute im außerzeitlichen Präsens und die relative im koextensiven Präsens.

232 V g l . hierzu B. Comries Hinweis, daß im Russischen diese Funktion dem Imperfektivum zukommt. B. Comrie 1976, 113.

233 A. Schopf 1969, 201-207, i n s b e s . 207.

267

3)

zeitweiliges Präsens (a) und unbegrenztes Präsens (b)

Beispielsätze wie I am working

for VW und I am living

koextensive Deutung der assertierten Sachverhalte aus.

in London

schalten die

Daß wir für deis

außerzeitliche Präsens, wie bereits erwähnt, nur die einfache Form verwenden können, stellt angesichts der Tatsache, daß wir sonst in eindeutigen Satzbegriffen beide Aspektformen verwenden können, ein erklärungsbedürftiges Faktum dar, auf das wir in einem der folgenden Abschnitte noch zu sprechen können werden. Eine Besonderheit stellen die Prädikate der Lage im Raum dar.

Im Gegensatz

zu anderen Prädikaten, die im zeitweiligen Präsens in beiden Aspektformen erscheinen k ö n n e n (I work/am

working

Progressivform obligatorisch.

for VW during

the holidays)

ist für sie die

Wir sind der Meinung, daß dies darauf zurück-

zuführen ist, daß diese Prädikate ininer notwendigerweise auch aktualisiert (d.h. aber hier "kontinuativ") sind.

Aktualisierung bedeutet, daß sie in

jedem Teilintervall oder Punkt ihrer zeitlichen Erstreckung voll verwirklicht

268

(d.h. wahr) sind. Zeitweiligkeit, und nicht Aktualisierung, erhalten wir, wenn wir die sogenannten "generic states" mittels der Progressivform assertieren, She is ruling England only as long as her son is under age.

Auf die Gründe hierfür haben

wir bereits hingewiesen.

4.4.4.4

Unbegrenzte Geltung eines Satzbegriffs kann aber auch mit seiner

Aktualisierung kontrastieren.

Satzbegriffe

dieser Art erhalten wir häufig

mittels intransitiver Prozeßprädikate: John smoke, Mary dance.

Aber auch

erweiterte Prädikate bilden solche Satzbegriffe: Bob speak French, Ann play the violin etc.

Die erweiterte Form bildet hier ein aktuelles Präsens und

stellt das Merkmal "Aktualisierung" der unbegrenzten bzw. koextensiven Geltung des Satzbegriffs in der einfachen Form gegenüber: 4)

4.4.4.5

aktuelles Präsens (a) und unbegrenztes Präsens (b)

Mit unseren graphischen Darstellungen sollten die folgenden Sach-

verhalte veranschaulicht werden: (1) Die Progressivform des Englischen ist semantisch einheitlicher als die einfache Form, die deshalb in unserer graphischen Darstellung abgesehen vom kontrastierenden Merkmal unspezifiziert bleibt. (2) Die Progressivform läßt sich durch ein gleichbleibendes Merkmalbündel

269

darstellen, aus welchen je nach dan Differenzierungspotential der Satzbegriffe ein Merkmal (oder Bedeutungselement) in den Vordergrund gerückt wird, das dann das entsprechende Kontras te 1emsnt in der einfachen Form "aktiviert". Wir sehen also die wesentliche Funktion der Aspektopposition darin, in einem vorgegebenen Differenzierungsbereich selektiv zu wirken, aus vorgegebenen Unterscheidungsmöglichkeiten zu wählen. Die Aspektopposition hat gewissermaßen "Wegweiserfunktion", ist also in ihrer Funktion eher deiktisch als positiv symbolisch; und von den beiden Gliedern der Opposition ist es eher die Progressivform, die als positiv symbolisch, d.h. durch eine einheitliche 234 Bedeutung charakterisiert werden kann. Das ist aber noch nicht das vollständige Bild, das die Aspektopposition des Englischen uns bietet. Wir müssen unsere Skizze in zweifacher Hinsicht erweitern. Es gibt einerseits Verwendungstypen des englischen Präsens, die sich nicht unmittelbar aus den für die Progressivform und die einfache Form angesetzten Bedeutungselementen ableiten lassen, und andererseits stoßen wir auf Bereiche, wo die beiden Aspektformen vertauschbar sind. 4.4.4.5.1 Zu den Verwendungstypen, die wir bisher nicht "erklären" konnten, gehört das sogenannte interpretative Präsens. Jespersen illustriert diesen Verwendungstyp der Progressivform unter anderen mit den folgenden Beispielsätzen: (1) If I should go to one of the tea-parties in a dressing gown and slippers, I should be insulting society, and eating peas with my knife. (2) A rich man, who spends his money thoughtfully, is serving his country as nobly as anybody.

Satz (1) erhält durch Jespersen den folgenden Korrmentar: "if he had said Ί should insult society' the insult would be something independent of the unfashionable dress", der sich analog auch auf Satz (2) anwenden läßt. Die einfache Form "serve his country" würde sich auf einen anderen Dienst am Vaterland als den sorgfältigen Umgang mit dan eigenen Vermögen beziehen. Jespersens

234 Vgl. hierzu A. G. Hatcher 1951, 259: Only the progressive (unknown as such to Old English) has today a positive and unified emphasis; the simple form is essentially neutral in its aspectual implications and therefore may have, or may seem to have, different emphases according to the particular type of predication in which it appears.

270 Definition der Verwendung dieses Typs lautet deshalb: "Here the expanded form 235 implies identity

of the two

acts".

In der Tat stellt in diesen Beispielsätzen nur die Progressivform den interpretativen Bezug zwischen einer vorerwähnten Aktivität (go to one of the teaparties

in a dressing-gown

society ... ) her.

and slippers)

u n d d e m folgenden Kommentar (insult

Wir sprechen in diesen Fällen davon, daß die Progressivform

die Referenzidentität der beiden Prädikate herbeiführt, und es ergibt sich die Frage, aus welcher Bedeutungskomponente der Progressivform wir diese Funktion ableiten können. Wir sind der Meinung, daß dieser Verwendungstyp sich über analogische und metaphorische Umdeutungen aus dan236 Merkmalbündel der Progressivform, wie wir es vorgeschlagen haben, deuten läßt. Wir haben der Progressivform vier kontrastive Merkmal zugeschrieben, die von einer weiteren, zentralen Komponente, der Gleichzeitigkeit, begleitet sind.

Wir sind der Meinung, daß dieses

Bedeutungselement metaphorisch als Referenzidentität ausgelegt wird, während die einfache Form jeweils eigene, selbständige Referenz andeuten kann.

Es

handelt sich also um eine analoge Verwendung zum Inzidenzfall, in welchem die Progressivform Gleichzeitigkeit (= identische Zeitreferenz), die einfache Form Nachzeitigkeit (= eigenständige Zeitreferenz) signalisiert: (a) When I look up, she smiles/is smiling. (b) When I buy expensive presents for other people I needn't have a bad conscience for the money I spend/am spending.

4.4.4.5.2

Eine weitere Verwendung, die sich metaphorisch an die zentralen

Verwendungstypen anschließt, ist das kontinuative Präsens: That terrible child upstairs

is always

blowing

his trumpet

- Mother

is always

going

to

church.

Während die einfache Form in diesen Sätzen ein habituelles Präsens zum Ausdruck bringt, behaupten die Sätze in der Progressivform, daß die bezeichnete Aktivität ständig im Gange ist.

Wir betrachten diese Bedeutung als hyper-

bolische Ausdeutung des aktuellen Präsens.

Daraus wird auch verständlich, daß

235 0. Jespersen repr. 1965, Bd. IV, 187. Auf die interpretative Funktion haben außerdem E. Buyssens 1968, 316, A. Schopf 1969, 210 ff., E. König 1980, 274 ff. und M. Ljung 1980, 69 ff. hingewiesen. Vgl. auch die Besprechung der zuletzt erwähnten Arbeit durch A. Schopf 1983, 288 ff. 236 Es besteht Anlaß darauf hinzuweisen, daß ich diese Thesen und die der folgenden Abschnitte wiederholt in meinen Vorlesungen vorgetragen habe, zum ersten Mal im Wintersemester 1975/76.

271

diese Verwendung in der Regel pejorative (selten laudative) Nebenbedeutungen entwickelt, die als "irrational persistence in an activity" bewertet werden. 4.4.4.5.3 Auch das erweiterte Präsens mit Futurbedeutung läßt sich als Weiterentwicklung eines zentraleren Verwendungstyps verstehen. Wenn das Vorphasenoder konative Präsens eine Phase betont, für die der eigentlich mit dem zugrundeliegenden Geschehenskonzept gemeinte Sachverhalt in der Zukunft liegt. (He is switching on the light ...), verstehen wir, daß sich die Zukunftsbedeutung auch in anderen Verwendungen einstellt. Es wäre zweifellos aufschlußreich zu untersuchen, wie und wie weit sich diese Verwendung ausgebreitet hat. 4.4.4.5.4 Schließlich könnten wir auch das performative Präsens als uneigentliche oder übertragene Verwendung des nennend-identifizierenden Präsens, bzw. des perfektiven Präsens ansehen. Wir sagten, daß wir das nennendidentifizierende Präsens für aktuelle Gegenwart dann verwenden, wenn die Sprechsituation uns kein beobachtendes Begleiten des assertierten Sachverhalts erlaubt, wenn uns der assertierte Sachverhalt z.B. so stark emotional betrifft, daß keine beobachtende Distanz möglich ist (vgl. oben S. 266). Genau dieselbe Situation liegt auch beim performativen Präsens vor. Auch dieser Verwendungstyp erlaubt auf den von Satzbegriff genannten Sachverhalt keine beobachtende Draufsicht einfach deswegen, weil er nicht unabhängig von der Äußerung existiert sondern erst mit ihrem Abschluß Bestand erhält. Bemerkenswert erscheint uns, daß aus diesen "sekundären" Verwendungsweisen zwei bereits ein kontrastives Paar zu bilden scheinen: das performative Präsens und das interpretierende Präsens: (a) Lady Bracknell: Prism! Where is that baby? (A Pause) Miss Prism: Lady Bracknell, I admit with shame that I do not know. (b) (Seine bejahende Antwort auf die Frage eines Journalisten, ob er eine bestimmte Handlung getan habe, interpretiert der Sprecher [George Marshall] mit der Wendung:) I'm not admitting, I'm telling you I did it.237

4.4.4.6 Wir können die bisherigen Erörterungen wie folgt zusammenfassen: Es scheint durchaus unmöglich zu sein, die Aspektopposition im Präsens durch jeweils eine einheitliche Grundfunktion für die Aspektglieder zu beschreiben.

237 Vgl. A. Schopf 1969, 213.

272

Auch dürfte es unmöglich sein, sie über je eine einheitliche Wahlheitsbedingung zu fassen, wie das die Wahrheitsbedingungssemantik vorschlägt Vielmehr müssen wir offensichtlich mit einem zentralen Bereich rechnen, in dan die Verwendungstypen zumindest der Progressivfoim aus einem einheitlichen Merkmalbündel ableitbar sind und in dem die einfache Form jeweils kontrastierende Verwendungstypen entwickelt, während weitere Verwendungstypen nur als metaphorische oder analogische Umdeutungen der zentralen Verwendungstypen an den Kernbereich angeschlossen sind. Graphisch können wir diesen Sachverhalt wie folgt andeuten:

Damit haben wir aber irtmer noch kein vollständiges Bild von der Funktion der Aspektopposition im Präsens erreicht. Es fehlt der Hinweis auf die Verteilungsgesetzmäßigkeiten in den Bereichen, WD die Aspektformen vertauschbar sind und auf einige weitere Besonderheiten. 4.4.4.7 Ausgangspunkt für unsere bisherigen Erwägungen war die Annahme, daß die Aspektopposition nur in den Bereichen funktional wird, WD sie auf Differenzierungsmöglichkeiten trifft, dagegen neutralisiert wird, wo dies nicht der Fall ist. Diese Annahme trifft zum großen Teil zu auf Sätze mit Prädikaten, die

273

Körperenpfindungen bezeichnen. Man kann mit einiger Zuversicht behaupten, daß Satzbegriffe wie

My heart

ache, My feet hurt

etc. von sich aus zeitweilige

Geltung signalisieren, so daß es der Progressivform nicht bedarf, um dies zum Ausdruck zu bringen. Als Konsequenz haben wir die Vertauschbarkeit der beiden Formen. Dies gilt auch für tired

und

und

feel

look

mit prädikativer Ergänzung:

und dementsprechend die Vertauschbarkeit der beiden Formen zulassen: 238 tired

/ I am feeling

He

feel

sind Satzbegriffe, die inhärent zeitweilig sind

She look pleased

I feel

tired.

Der Umstand, daß wir bei dieser Verwendung von

feel

und

look

bereits eine

Tendenz feststellen können, die einfache Form zu verwenden, wenn die prädikativen Ergänzungen invariable Eigenschaften bezeichnen * I am feeling

(I feel

dishonoured

~

erweckt den Eindruck, daß die Funktionszuschreibung

dishonoured),

für die Aspektopposition hier in diesen Bereich noch nicht endgültig festgelegt ist, d.h. daß die Progressivform als "Eindringling" in einen Bereich, der ursprünglich gänzlich der einfachen Form zugeordnet war, einerseits die einfache Form noch nicht völlig verdrängt hat, vro man es von dem vermittelten Inhalt her erwartet (Zeitweiligkeit) und andererseits in bestimmte Bereiche noch gar nicht vorgedrungen ist (Bereich der koextensiven Aussagen). Damit haben wir aber diachrone Gesichtspunkte mit einbezogen, und offensichtlich ist es nur unter diesem Gesichtspunkt möglich, die folgenden Besonderheiten zu verstehen. Die erweiterte Kopula

(He is being

kind

etc.) ersetzt die einfache Kopula

in Verbindung mit einer bestimmten Klasse prädikativer Ergänzungen nur fakultativ

(Look, how kind John

is / is being to Mary).

In Verbindung mit

anderen prädikativen Ergänzungen allerdings sind die beiden Formen nicht vertauschbar, weil die Progressivform eine eigene (übertragene oder uneigentliche) Bedeutung entwickelt:

She is miserable

- She is being miserable.

Die

einfache Form bezeichnet einen Zustand, die erweiterte Form ein Verhalten. Den deutlichsten Hinweis, daß die erweiterte Kopula im Begriff ist, weitere Verwendungsweisen zu entwickeln, liefern Sätze, in denen sie bloße Zeitweiligkeit (J hope

your party

(The postman ». • \.239 being)

brings

is being

a success)

all sorts

of things

238 V g l . Α. Schopf 1969, 157-201. 239 V g l . Α. Schopf 1969, 323.

oder zukünftige Sachverhalte bezeichnet and you never

know

what it is

274

Fin weiterer Verwendungstyp, der nicht zum Kernbereich der Aspektopposition gehört und der möglicherweise historisch zu erklären ist, ist die Progressivform von Prädikaten der Lage im Raum.

Als Besonderheit können wir diese

Verwendung nur so lange betrachten, wie wir annehmen, daß die Prädikate der Lage im Raum Zustände sind.

Wir sind dieser Meinung aus Gründen, wie sie

weiter oben dargelegt wurden.

Wir müssen deshalb annehmen, daß die Progressiv-

form hier in einen Bereich vorgestoßen ist, der lexikalisch durch die Merkmale Zeitweiligkeit und Zustandscharakter gekennzeichnet ist.

In keinem anderen

vergleichbaren Bereich ist die Progressivform im aktuellen Präsens obligatorisch.

Die Prädikate zur Bezeichnung der Körperempfindungen (My heart aches),

die wir ebenfalls als Zustände ansehen, erlauben, wie oben bereits dargelegt, die Vertauschbarkeit der Formen.

Wir nehmen deshalb an, daß die Ausbreitung

der Progressivform hier am weitesten fortgeschritten ist, und in entscheidender Weise nur von dem Merkmal der Zeitweiligkeit, bzw. der Variabilität getragen 240 ist, das sonst keine ausreichende Verwendungsbedingung darstellt. Man kann allerdings einige Gründe dafür anführen, warum die Progressivform gerade in diesem Bereich obligatorisch geworden ist, nämlich einmal die Tatsache, daß die Satzbegriffe dieses Bereichs durchaus auch koextensiv aussagbar sind, sodann der Umstand, daß diese Prädikate einen besonderen Grad von Variabilität besitzen, schließlich der Umstand, daß sie als aktuelles Präsens nicht nur durch das Merkmal Zeitweiligkeit, sondern auch durch Aktualisierung gekennzeichnet sind.

Bestehen aber bleibt die Tatsache, daß dieser Verwendungstyp nicht zum

Kernbereich der Aspektopposition gehört, die wir als Anzeichen dafür deuten, daß die Ausbreitung der Progressivform noch im Gange ist. Dieselbe Einsicht ergab sich uns auch aus der Untersuchung der erweiterten Kopula in prädikativen 241 Sätzen.

Wir haben bei dieser Gelegenheit den Eindruck gewonnen, daß die

erweiterte Kopula zwar einen funktional einheitlichen Kernbereich entwickelt hat, an den sich aber eine ganze Reihe tastender Erweiterungsversuche anlehnen, die in ihrem Gebrauch noch nicht völlig gefestigt sind.

Dieses Bild, so 242 Die Progressiv-

meinen wir, trifft auf die Aspektopposition insgesamt zu.

form als "invader construction" hat sich nicht gleichmäßig ausgebreitet,

240 Vgl. B. Comrie 1976, more restricted than 241 Vgl. Α. Schopf 1969, 242 Vgl. hierzu auch die daselbst Fußnote 19.

39: "... the extension of the English Progressive is that of contingent state ...". 302-305. Ausführungen A. G. Hatchers 1951, insbes. 259 f. und

275 sondern hat Zwischenstufen entwickelt.

So finden wir Bereiche mit klaren

Oppositionsverhältnissen und klarer funktionaler Differenzierung, den K e m bereich der Aspektopposition des Präsens, neben Bereichen, in denen die Progressivform zwar gebraucht werden kann, aber die einfache Form noch nicht verdrängt hat.

Schließlich aber gibt es Bereiche, wie z.B. die außer-

zeitlichen Sätze, in die die Progressivform noch gar nicht eingedrungen ist. Aus all dem ergibt sich die Frage nach der Geschichte der Ausbreitung der Progressivfonti.

Sie könnte uns zweifellos wertvolle Einsichten über sprach-

liche Entwicklungsprozesse und ihre inneren Gesetzmäßigkeiten liefern.

4.5

Wir vrollen dieses Kapitel mit einem kurzen Rückblick abschließen.

Wenn

wir versuchen, unser Verfahren zusammenzufassen, können wir folgendes sagen: Wir haben zunächst nach der differenzierenden Wirkung der präsentischen Aspektformen in ihren beiden Funktionsbereichen, d.h. nach ihrer Wirkung auf die Phasenstruktur von Geschehenskonzepten sowie das Verzeitungspotential von Satzbegriffen gefragt und versucht, diese Differenzierungsfunktion in kontrastierenden Merkmalen, bzw. kontrastierenden Verwendungstypen zu fassen. Bei dem Versuch, diese Verwendungstypen kontrastiv-systemhaft anzuordnen, konnten wir einen Kernbereich von einem Bereich uneigentlicher oder "übertragener" Verwendung der Aspektopposition unterscheiden.

Wir haben dies zum

Anlaß geronnen, die Suche nach allgemeinen Grundfunktionen für die Aspektglieder infragezustellen und hatten stattdessen die sprachtheoretisch möglicherweise nicht unwichtige Ansicht entwickelt, daß die Aspektopposition jeweils nach den vorgegebenen Differenzierungsnöglichkeiten ihre Unterscheidungsfunktion entwickelt.

Wir sprachen in diesem Zusammenhang von der

"Wegweiserfunktion" an jeweils unterschiedlichen "Wegkreuzungen".

Wir waren

also genötigt, den Aspektkategorien anstatt der üblichen Symbolfunktion eine erhebliche "deiktische" Leistung zuzuschreiben. Was wir aus Raum- und Zeitmangel unterlassen haben, war der Versuch, die einzelnen Verwendungstypen der Aspektformen im Präsens erschöpfend im Sinne einer Aufzählung ihrer Verwendungsbedingungen (aller ihrer Merkmale) zu beschreiben.

Dies muß einer eingehenderen Studie vorbehalten bleiben.

Unterbleiben muß des weiteren, unseren Ansatz bei der Analyse der übrigen Tempora zu erproben.

Von besonderem Interesse sind in dieser Hinsicht das

Perfekt und das Futur.

Bei dieser Untersuchung würde sich wahrscheinlich

herausstellen, daß die Aspektopposition funktional auch von Tempus zu Tenpus variiert.

276

Auf diese Fragen werden wir nur kurz insofern eingehen, als die "praktische" Anwendung unseres Verfahrens auf die Analyse von Texten dies erfordert.

5.

DIE VERZEITUN3SSTRUKTUR VON ERZÄHLTEXTEN

5.0 Die Frage nach der Textfunktion des Zeitadverbials gehört in den größeren Rahmen der Untersuchung der Textfunktion des Verbalsystems insgesamt und dann in den noch umfassenderen Zusammenhang der Frage nach den Faktoren der Textualität überhaupt. Die traditionelle Granmatik und in erheblichem Umfang auch die methodischen Ansätze der neueren Linguistik haben den Satz als die Obergrenze der sprachlichen Gebilde angesehen, die der sprachwissenschaftlichen Analyse zugänglich sind.1

Die linguistische Diskussion der letzten Jahrzehnte hat diese Position

durch zwei Fragestellungen verlassen, durch die linguistische Pragmatik und die 2 Textlinguistik. Zwar waren pragmatische Fragestellungen der Sprachwissenschaft ansatzweise von altersher geläufig wie z.B. in der Unterscheidung zwischen Aussage-, Frage-, Wunsch- und Befehlssatz. Einen wesentlichen Schritt weitergeführt wurden diese im wesentlichen noch an morphologischsyntaktischen Gegebenheiten anknüpfenden Fragen mit der Unterscheidlang grundsätzlicher Leistungstypen des sprachlichen Zeichens wie Darstellung, Auslösung und Kundgabe.^ Mit der Unterscheidung zwischen konstativem und performstivem Satz, die unseres Erachtens Erwin 5 Entdeckung des Koinzi4 Koschmieder mit der denzfalles vorweggenomnen hatte, hat J. L. Austin die Sprechtakttheorie ins Leben gerufen, wie sie dann von J. R. Searle,6 R. M. Hare7 und anderen weiterentwickelt wurde.

1

2

3 4 5 6 7

Vgl. hierzu die Satzdefinition von L. Bloomfield 1933, 70: Der Satz ist "an independent linguistic form, not included by virtue of any grammatical construction in any larger form." Vgl. Brigitte Schlieben-Lange 1975, wo der Versuch unternommen wird, linguistische Pragmatik, Textlinguistik und Kommunikationstheorie in etwa gegeneinander abzugrenzen. K. Bühler 1934. E. Koschmieder 1945, 22-29. J. L. Austin 1958. J. R. Searle 1969. R. M. Hare 1971.

278 Auch ein genaueres Fragen nach der Funktion der Negation müßte zu textlinguistischen Problemstellungen insofern führen, als man sehr wohl die Ansicht vertreten kann, daß kontextfreie Negation in der Rede und im Text nicht vorkommt, wie bereits im Zusammenhang mit der Erörterung der Adverbiale already 8 not still - no longer erwähnt. Aber auch textlinguistische Sachverhalte waren in ersten Ansätzen der traditionellen Grammatik und Rhetorik bekannt.

Ich erinnere in diesem

Zusammenhang nur an die Oonsecutio Temporum, die Regularitäten bei der Zusaitmenordnung von Gliedsätzen formuliert, und Erscheinungen wie die Anapher, die zunächst als rhetorisches Mittel untersucht wurde. Als eigentlich textlinguistische Erscheinung wurde sie 9 erst begriffen, als nach ihrer kohärenzstiftende Wirkung gefragt wurde.

Aspekte der Textverkettung registrierte

auch die Prager Schule unter dem Begriff der funktionalen Satzperspektive. Mit semantischen Verkettungstypen und Kohärenzbedingungen beschäftigten sich 11 12 Horst Isenberg und Irina Bellert. Der vielfaltigen Verzweigung textlinguistischer Arbeiten der letzten Jahre können wir hier nicht nachgehen. Es sei nur noch eirmal auf die Consecutio Teirporum der traditionellen Grammatik zurückgegriffen. Harald Vfeinrich macht diese Regularitäten zum Ausgangspunkt für seine Thesen zur Textfunktion der Tempussysteme des Französischen, 14

Deutschen und Englischen.

Die beiden Tempusgruppen dieser Sprachen signali-

sieren zwei unterschiedliche Sprechhaltungen, die gespannte und entspannte, denen zwei Textsorten entsprechen, Texte der besprochenen und der erzählten Welt.

Innerhalb jeder Tempusgruppe vermitteln die unterschiedlichen Tempora die

Sprecherperspektive, die sich differenziert als Nullstufe (in unserem Verständnis "Gleichzeitigkeit"), Vor- und Rückschau.16

Schließlich findet Harald

Weinrich in den Tempussystemen dieser Sprachen Mittel zur Reliefgebung, 17 zur Organisation der erzahlten Welt in Vorder- und Hintergrund, den Aspekt.

8 Vgl. oben, 9 Vgl. R. Harweg 1968. 10 Vgl. F. DaneS, "Zur linguistischen Analyse der Textstruktur" in W. Dressler 1978a, 185 ff. 11 H. Isenberg, "Überlegungen zur Texttheorie" in W. Kallmeyer et al. 1974, 2. Bd., 193 ff. 12 I. Bellert 1972, 335-63. 13 Vgl. hierzu E. Gülich und W. Raíble 1977, und W. Dressler 1978b. 14 H. Weinrich (1964), 31977. 15 H. Weinrich 1964, 47. 16 H. Weinrich 1964, 70. 17 H. Weinrich 1964, 156.

279 Kohärenzstiftende Wirkung in einem Text hat das Überwiegen einer Tempusgruppe. Übergänge von einer Tempusgruppe zur anderen sind Anzeichen eines geringeren Grades textuel1er Wöhlgeformtheit.

Harald Weinrich bezeichnet sie als Rhe-

matik.

Ein größerer Grad von Textualität oder Wohlgeformtheit entsteht dann, 18 wenn die Tempusübergänge aus den gleichen Tempusgruppen überwiegen. Der Kohärenzgrad eines Textes ist danach auf der Ebene seiner Verzeitung ablesbar an der Zahl der gleichen und ungleichen Tenpusübergänge. Wir vermögen diese Ansicht nicht zu teilen.

Ein Text, der ebensoviele

verba dicendi enthielte wie direkte Rede selbst, wäre nicht schon wegen der Tenpusübergänge aus der Gruppe der erzählende zu der der besprechenden Zeitstufen weniger kohärent als ein Text mit durchgängiger erlebter Rede.

Die

beiden Texte wären sehr wohl hinsichtlich ihrer Erzähltechnik, jedoch nicht bezüglich ihrer Kohärenz verschieden. 5.1

Ebenso wie die Orientierung im Raum ist das Erfassen der zeitlichen Rela-

tionen der Sachverhalte und Ereignisse unerläßlicher Bestandteil unseres Zurechtfindens in der uns umgebenden Welt.

Das Mittel zu dieser Orientierung

in der Zeit, soweit sie in der Sprache erfolgt, sind die Verbalsysteme.

Im

Gegensatz zu Harald Weinrich vertreten wir die Ansicht, daß die Tempora in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle spielen, also sehr wohl "mit Zeit 19 zu tun haben".

Dies gilt auch fur die transponierten Tempora der erlebten

Rede, die Gedanken, Wahrnehmungen und Rede nicht bloß als "erzählt", sondern als "vergangen" charakterisiert. Die Sachverhalte und Ereignisse der uns zugänglichen Walt sind der Erfahrung in eindeutiger chronologischer Ordnung gegeben, und zwar im Sinne von Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge sowohl wie von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.

Auch ein erzählter Weltausschnitt muß notwendigerweise diese Ordnung

abbilden. Erlebte Zeit und erzählte Zeit haben die chronologische Ordnung der Sachverhalte und Ereignisse gemeinsam. 21 Ein Erzähler kann, wenn er einen 18 Vgl. H. Weinrich 1964, 43-60; leicht überarbeitet auch in W. Dressler 1978a, 391-412. 19 Vgl. H. Weinrich 1964, 41, 55 et passim. 20 Sowohl K. Hamburger 1957, 44, wie F. Stanzel 1959, 6 ff., behaupten im Gefolge von Fritz Karpf, Otto Funke und anderen, daß die Vergangenheitsbedeutung des Präteritums in erlebter Rede "abgeschwächt", "zurückgedrängt", "neutralisiert" oder "modalisiert" sei. Da aber erlebte Rede nicht nur in fiktionalen Erzählungen, sondern auch in Wirklichkeitsaussagen vorkommt (Günter Steinberg 1971, 245), können diese Thesen nicht zutreffen. 21 Vgl. hierzu jedoch H. Weinrich 1964, 56 f.

280

Sachverhalts- und Ereigniskomplex berichtet, von dieser vorgegebenen chronologischen Ordnung abweichen, jedoch muß der Text Mittel bereitstellen, diese vorgegebene Ordnung aus der abweichenden sprachlichen Abbildung zu rekonstruieren. Die Dekodierung eines Erzähltextes enthält als Teilleistung die Rekonstruktion der chronologischen Ordnung der berichteten Sachverhalte und 22

Ereignisse.

Kohärent ist ein Text auf der Ebene der Verzeitung dann, wenn

er, mag er noch so sehr deformiert sein, diese Rekonstruktion ermöglicht. Die Mittel für diese Rekonstruktion stellen im wesentlichen die Verbalsysteme der einzelnen Sprachen zur Verfügimg. Die Rekonstruierbarkeit der Chronologie der Zustände, Prozesse und Ereignisse eines sprachlich abgebildeten Weltausschnittes, sei dieser nun erfahren oder fiktiv, hängt zunächst daran, daß uns im universalen Jetzt eine primäre Orientierungsachse gegeben ist, auf die hin wir Sachverhalte zeitlich direkt orten oder sekundäre Orientierungsmarken festlegen, die ihrerseits die zeitliche Verankerung von Sachverhalten ermöglichen.23

5.2 Dies läßt sich bereits am Satzgefüge des "zeitvergleichenden" Satzes zeigen. Es war Hans Reichenbach, der auf diesen Sachverhalt zuerst aufmerksam 24 gemacht hat. Er analysiert das Tempussystem des Englischen und anderer Sprachen mittels dreier Begriffe: der Sprech-, Referenz- und Ereigniszeit. Besondere Aufmerksamkeit erregte die Darstellung des englischen Past und Present Perfect. Während im Present Perfect die Sprech- und Referenzzeit zusammenfallen und die Ereigniszeit isoliert wird, fallen im Past die Ereignisund Referenzzeit zusanmen und die Sprechzeit wird isoliert. In graphischer Darstellung sieht dies bei H. Reichenbach wie folgt aus: I saw John R, E

> S

I have seen John E

S, R

25 .. Man wird nicht allen Analysen Reichenbachs zustimmen, fur unbezweifelbar jedoch halten wir, daß es Tempora und, so fügen wir hinzu, Zeitadverbiale gibt, die die Ereigniszeit isolieren, was ja bedeutet, daß ihr keine Referenzzeit zugeordnet wird. Hierzu gehören neben dem Present Perfect die übrigen relativen 22 Mit dieser Ansicht folgen wir einer ähnlichen These bei G. Wienold 1972a, 71 f. 23 Vgl. hierzu auch S. Latzel 1974, in H. Gelhaus und S. Latzel 1974, 277 ff. 24 H. Reichenbach 1947, 287 ff. 25 So erscheint uns fragwürdig, einen Satz wie He telephoned before he came mittels zweier Referenzpunkte darzustellen. Vgl. H. Reichenbach 1947, 294 f.

281 Tempora.

E i n Satz w i e I had mailed

the letter

when John

came and told me 26

the

news erfährt bei H. Reichenbach die folgende graphische Darstellung: 1st clause:

Ej

Rj

S

2nd clause:

R2, E2

S

3rd clause:

R3> E3

S

aus der zu ersehen ist, daß das Past Perfect "I had mailed the letter" die Ereigniszeit isoliert, was zur Folge hat, daß sie, im Gegensatz zu den Teilsätzen im Past, keine sekundäre Orientierungsmarke setzt.

Dies wiederum

bedeutet, daß man auf diese isolierte Ereigniszeit mittels relativer Zeitadverbiale nicht Bezug nehmen kann.

Würde man an den oben zitierten Satz

einen weiteren mit dem Adverbiale then anschließen, könnte man sich nur auf die durch die Teilsätze im Past bezeichnete Referenzzeit beziehen, keinesfalls aber auf die Ereigniszeit für "mail the letter". 5.3

Dies führt zu der Frage, wie im größeren Zusammenhang von Texten die

Referenzzeiten und damit zugleich die sekundären Orientierungsmarken errichtet werden, oder, noch genereller formuliert, wie die chronologische Ordnung von Sachverhalten in der sprachlichen Wiedergabe umorganisiert werden kann. Wir verstehen das Verzeitungsgerüst, insbesondere von Erzähltex tei> als die Abfolge von sekundären Orientierungsachsen, für die wir in Abwandlung der Ausführungen bei Reichenbach den Begriff der Referenzzeit^' vorschlagen. die Referenzzeiten sind die Ereigniszeiten jeweils bezogen.

Auf

Außerdan muß

natürlich das zeitliche Verhältnis zwischen den Referenzzeiten erkennbar sein. In den einfachsten Fällen ergibt es sich aus der Abfolge und dam sachlichen Inhalt der Propositionen: a) die Gleichzeitigkeit von Sachverhalten braucht nicht notwendigerweise sprachlich explizit gemacht zu werden: It was a wonderful morning.

The sky was blue,

the sun was shining

and a gentle

breeze

was

blowing from the sea. - b) Ebenso kann die Aufeinanderfolge von Ereignissen aus der bloßen Abfolge der Propositionen erkennbar sein: He got up, washed, dressed

carefully,

had a quick

breakfast,

and went to town.

Kompliziertere

Zeitbeziehungen müssen in der Regel eigens verdeutlicht werden.

26 H. Reichenbach 1947, 293. 27 Wir versuchen den Begriff der Referenzzeit textlinguistisch zu verstehen.

282

Grundsätzlich ergeben sich für die sprachliche Abbildung, das Er2ählen von Ereignisfolgen, zwei Möglichkeiten: a) Die Reihung im Sinne ihrer chronologischen Ordnung und b) ihre relative Gruppierung um Referenzachsen, d.h. durch Cluster28 Bildung. In beiden Fällen spielt das Zeitadverbiale eine wichtige Rolle.

5.3.1 Bei der Reihung der Ereignisse ist zu beachten, daß je eine Ereignisund Referenzzeit zusanmenfallen und der jeweils zuletzt erreichte Referenzpunkt die Verankerung für die zeitliche Ortung des nächsten Ereignisses bildet. Zeitadverbien für eine derartige Verzeitung sind then, later, afterwards, oder first, then, finally usw.

In einem Text wie

(1) He went to town at 10; (2) then bought a hat; (3) after that he saw Mary, (4) and finally went for a swim in the river, ... dient zunächst das Adverbiale at 10 als Referenzpunkt, dem das Ereignis "go to town" als gleichzeitig zugeordnet ist.

Ereignis und Referenzpunkt zusammen

bilden dann den Anhaltspunkt für die Errichtung des nächsten Referenzpunktes durch das Zeitadverbiale des nächsten Satzes (2), then, das paraphrasiert werden kann mittels "after (od. later than) the last mentioned reference point". Diesem neuen Referenzpunkt wird dann das Ereignis "buy a hat" wiederum als gleichzeitig zugeordnet und so fort, bis das Ende der Ereignisfolge erreicht 29 ist.

Gleichzeitig werden alle Referenzpunkte und damit alle Ereignisse

durch das konstante Tempus, hier das Past, im Verhältnis zur primären Orientierungsachse, der wirklichen oder fiktiven Sprechzeit, als vergangen oder vorzeitig charakterisiert. Zu beachten ist dabei, daß auf Ereignisse, die früher als der jeweils zuletzt erwähnte Referenzpunkt liegen, nur mittels relativ zu dieser Referenzzeit zu vollziehender Ortimg, d.h. aber durch Cluster-bildung zurückgegriffen werden kann: I went to town at 10 and arrived at aunt Mary's at 12. had called aunt Mary to persuade her not to see me ...

In the meantime Tom

28 Die Frage der Verzeitungsstruktur von Texten ist bisher nur in vereinzelten Bemerkungen und Hinweisen aufgegriffen worden. Vgl. hierzu G. Wienold 1972a und 1972b, 15-28, sodann J. Petöfi 1973, 81 und 1971, 237 ff., und P. Classen 1969, 809 ff. Einen umfänglicheren Vorschlag unterbreitet D. Wunderlich 1969. 29 Vgl. hierzu Ε. M. Forster 1974, 34 ff., insbes. die Definition der "story" eines Romans als "a narrative of events arranged in their time sequence".

283 Bezugname auf die im relativen Tempus ausgezeichnete Ereigniszeit scheint nur unter Beibehaltung der Zeitstufe möglich zu sein: ... In the meantime Tom had called aunt Mary to persuade her not to see me and Harry had apparently done the same a few minutes later ...

5.3.2

Cluster-Bildung ist in besprechenden wie in erzählenden Texten möglich.

Die Verbalsysteme der einzelnen Sprachen stellen hierzu unterschiedliche Mittel bereit.

5.3.2.1

Im Englischen sind hierfür zunächst die relativen oder sekundären

Tempora im zeitvergleichenden Satz vorgesehen: A: B:

Why are you sitting here doing nothing? I'm doing nothing because I've done all my work for today.

In dieser Satzfolge ist das Jetzt der Sprecher die Referenzzeit.

Ein rela-

tives Zeitadverbiale in einem Folgesatz könnte sich nur auf sie beziehen, nicht aber auf die Ereigniszeit für "do all my work".

Eine denkbare Fort-

setzung des Gesprächs wäre der Satz Besides, the office will close in a few minutes

anyway.

Ein weiteres Beispiel für ein besprechendes Cluster findet sich bei Hans Reichenbach: Now that John

tells me this I have mailed

the letter.

Es erhält

30 die folgende Analyse: 1st clause: 2nd clause:

S, R , Ej E^

S,

Sie zeigt, daß den im zweiten Teilsatz berichteten Ereignis keine Referenzzeit zugeordnet ist.

Ein relatives Zeitadverbiale in einem Folgesatz, z.B. after a

few days, könnte sich in unserem Textzusairmenhang nur auf die Referenzzeit, die zugleich die Sprechzeit ist, beziehen. Die Tatsache, daß die Teilsätze unseres Texts nur einen einzigen gareinsamen zeitlichen Bezugspunkt haben, bezeichnet Hans Reichenbach als das Prinzip von 31 "the permanence of the reference point". Er beschrankt seine Ausführungen diesbezüglich auf Satzgefüge ("oomplex sentences").

Natürlich gilt es für

jedes zeitreferentielle Cluster, auch wenn es sich über mehrere Sätze oder 30 H. Reichenbach 31 H . Reichenbach

1947, 294. 1947, 293.

284

ganze Passagen erstreckt. Das Prinzip einheitlicher Zeitreferenz gilt natürlich auch für komplexe Sätze und Texte der erzählenden Tempusgruppe. Beispiel aus Hans Reichenbach zitiert.

32

Wir haben oben bereits ein

Ein weiteres Beispiel, den kanplexen 33

Satz I did not know

that

you would

be here, analysiert e r w i e folgt:

1st clause:

R , Ej

S

2nd clause:

R2

S, E 2

und gibt damit zu verstehen, daß der zweite Teilsatz mit dem ersten den Referenzpunkt teilt, was die Wahl des Tempus, des Conditional I, im zweiten Teilsatz erklärt.

Das Ereignis, das der zweite Teilsatz berichtet, wird (aus

auktorialer Sicht!) von einem Referenzpunkt in der Vergangenheit als nachzeitig oder zukünftig gesehen. Im Bereich der Cluster-bildung auf der Grundlage der bloßen Consecutio Temporum des Englischen ergeben sich zwei Fragen: Die erste betrifft den Unterschied zwischen dan eben erörterten Satz und einem analogen mit anderer Tempuswahl im zweiten Teilsatz: z.B. X did not know that you were here.

Sie unter-

scheiden sich ganz einfach deshalb, weil im vorliegenden Satz der im zweiten Teilsatz berichtete Sachverhalt mit dem Referenzpunkt des ersten Teilsatzes gleichzeitig ist, was für den vorher besprochenen Satz nicht zutrifft.

Den

Schluß, daß der Angesprochene des zweiten Satzes während des ganzen Zeitintervalls zwischen vergangener Referenzzeit und Sprechzeit anwesend war und weiterhin anwesend ist, muß man als "pragmatic inference" ansehen, die verschwindet, wenn die graitmatische Person und damit die Sprechsituation geändert wird: I did not know that he was here.

Wollte man den Sachverhalt des zweiten

Teilsatzes gegenüber dem Referenzpunkt in der Vergangenheit als vorzeitig charakterisieren, müßte man das Past Perfect wählen: I did not know that he had been

here.

Ein weiteres Problem ergeben die sogenannten "broken sequences" der indirekten R e d e . ^

So wirft in unserem Zusammenhang ein Satz wie Columbus said

that the world is round die Frage auf, ob für den abhängigen Satz ein eigener Referenzpunkt (nämlich die Sprechzeit) anzusetzen ist.

32 33 34 35

Von unserem Prinzip her.

Vgl. oben, S. 281. H . Reichenbach 1947, 293. Das untransponierte here ergibt sich aus der Sprechsituation. Vgl. R. L. Allen 1966, 188 ff.

285 daß Referenzzeiten Bezugnahme auf sie mittels relativer Zeitadverbiale erlauben, können wir zu den Schluß, daß der Satz nur einen Referenzpunkt hat, der durch den Sachverhalt des Hauptsatzes konstituiert wird, während der Sachverhalt im abhängigen Nebensatz nur eine isolierte Ereigniszeit darstellt, die hier allerdings die Sprechzeit mit einschließt.^ Von diesen Erwägungen her ergibt sich übrigens für die Consecutio Temporum des Englischen eine einfache Erklärimg.

Könnte man sie in ihren wesentlichen

Erscheinungen nicht einfach als Ausfluß des Prinzips einheitlicher Zeitreferenz sehen, das für komplexe Sätze und analog gestaltete Satzfolgen gilt?

5.3.2.2

Clusterbildende Zeitreferenz finden wir sodann im Satzgefüge mit

zeitvergleichenden Konjunktionen.

Unproblematisch sind hier Sätze, die pri-

märe und sekundäre Tempora im Sinne der Consecutio Temporum einsetzen, also Sätze wie After we had done our work we went for a swim.

Im System Hans

Reichenbachs ergäbe sich die folgende Darstellung: 1st clause:

Ej

2nd clause:

Rj

S

E2, R2

S

Sie läßt erkennen, daß dem im Nebensatz berichteten Sachverhalt kein Referenzpunkt zugeordnet ist.

Es ist demnach der Hauptsatz, der den Referenzpunkt

liefert, und ein relatives Zeitadverbiale im Folgesatz könnte sich nur auf das Ereignis im Hauptsatz beziehen.

Wir treffen hier auf die gleichen Ver-

hältnisse, wie wir sie oben erörtert haben. Problematisch sind Sätze mit unterschiedlicher Zeitreferenz ohne Tempuswechsel w i e (1) He telephoned opened

the window,

before

(3) I found

he came,

your coat after

(2) Before you

he went to bed, 37

he

left.

Wie bereits erwähnt, ninmt Hans Reichenbach für den Satz (1) oben zwei Referenzpunkte an und begründet dies wie folgt: "If the time relation of the reference points compared is not identity, but time sequence, i.e., if one is said to be before the other, the rule38 of the permanence of the reference point can thus no longer be maintained."

Wir setzen in solchen Fallen

gemäß unserer Konzeption der Referenzzeit nur einen Referenzpunkt an und begründen dies mit dem Aufbau der zeitlichen Orientierung im größeren Text36 Der Nebensatz berichtet einen außerzeitlichen Sachverhalt. Die Frage, ob Sätze mit solchem Inhalt überhaupt eine Referenzzeit haben können, wollen wir im vorliegenden Zusammenhang nicht erörtern. 37 Der heutige Sprachgebrauch ersetzt nach after das Past Perfect häufig durch

d â s p-jgt

38 H. Reichenbach

1947, 294 f.

286 Zusammenhang: ein relatives Zeitadverbiale des nachfolgenden Satzes kann sich nur auf eine der beiden Ereigniszeiten beziehen.

Fragt man sich z.B., worauf

sich ein mit then eingeleiteter Folgesatz beziehen könnte, so wird sichtbar, daß es nur die Ereigniszeit des Hauptsatzes sein

kann.

Dies gilt übrigens

auch für die Sätze (2) und (3) . Satz (1) erhielte deshalb in unserem Verständnis die Analyse 1st clause:

R , Ej

2nd clause:

S F^,

in der das Ereignis Ε ^ ("he came") keine Referenzzeit erhält, weil es lediglich zur Festlegung der Referenzzeit des Hauptsatzes dient.

Den Nebensatz before

he came paraphrasieren wir deshalb in etwa mit "es gibt ein t < E^ und dieses t ist gleichzeitig mit einem Ereignis x", in unserem Falle mit dem Ereignis, das der Hauptsatz berichtet. Reichenbachs abweichende Auffassung erklärt sich daraus, daß er sich im wesentlichen auf den Bereich des kcnplexen Satzes beschränkt, so daß der Unterschied zwischen Reihung und Clustering beim Aufbau der Zeitreferenz in Texten noch nicht voll in den Blick gerät.

Während die Reihung, die die chronologische

Ordnung der Ereignisse beibehält, jedem neuen Ereignis einen Referenzpunkt zuweist, werden bei der Cluster-Bildung verschiedene Ereignisse auf einen zentralen Referenzpunkt bezogen, bleiben selbst aber ohne einen solchen.

Den

eben erörterten Satz zählen wir zur Cluster-Bildung. Schwieriger liegt der Fall bei einen Satz wie He was healthier when I saw him than he is now.

Im System Reichenbachs erhält er die folgende Analyse:

1st clause:

R , Ej

S

2nd clause:

R2, E2

S

3rd clause:

S, Rg, Ej,

der wir von unserer Auffassung her in etwa die folgende Darstellung entgegenhalten würden: 1st clause: 2nd clause: 3rd clause:

R ,E Y.,^

S S S, (R), Ej.

Sie wäre wie folgt zu begründen: Das Ereignis im temporalen Nebensatz when ι

287

saw him erhält keinen eigenen Referenzpunkt, da es nur zur zeitlichen Fixierung des Referenzpunktes für den ersten Teilsatz dient, dessen Ereignis auf den Referenzpunkt als gleichzeitig bezogen ist. Daß im ersten Teilsatz ein Referenzpunkt vorliegt, ergibt sich aus der Tatsache, daß man auf das in ihm berichtete Ereignis mit einem relativen Zeitadverbiale Bezug nehmen kann: ... because only a month later he was run over by a car.

Daß der dritte Teil-

satz einen potentiellen Referenzpunkt liefert, liegt daran, daß er die Sprechzeit enthält. Man könnte den Gesamtsatz ohne weiteres fortsetzen in etwa mit He may be dead in a few weeks, I am afraid, einem Satz, der sich mit seinen Zeitadverbial auf die Sprechzeit bezieht. Welcher der beiden potentiellen Referenzpunkte im Fortgang der Rede aktualisiert wird, ist dan Sprecher überlassen. Unzweifelhaft ist, daß der temporale Nebensatz keine Verankervingsmöglichkeit für ein folgendes relatives Zeitadverbial liefert. Im übrigen wären die Kombinationsregeln für die Konjunktionen und Tempora des zeitvergleichenden Satzes eigens zu untersuchen. Wie bereits angedeutet, erfordert after selbst bei Vorzeitigkeit nicht notwendigerweise das relative Tempus: I arrived after he (had) left - I shall arrive after you leave/have

left (AID). Der Nebensatz mit before steht dagegen häufig im gleichen Tarpus 39 wie der Hauptsatz. 5.3.2.3 In größerem Umfang wird schließlich Cluster-bildung in Satzreihen mittels relativer Zeitadverbiale und entsprechender Tempuswahl möglich. Wir betrachten zunächst einige Beispiele: 0 ) Les enfants du paradis is on at the Royal Palace this week. Shall we go and see it? — I've seen that film before. So I don't want to go.

Before im Kontext besprechender Tempora, d.h. in Verbindung mit dem Present Perfect, lokalisiert ein Ereignis als vorzeitig zur Sprechzeit, ohne daß ihm 40

eine Referenzzeit zugeordnet wurde.

In dem angeführten Kontext kann man sich

auf das Ereignis "see the film" nicht mittels eines folgenden relativen Zeitadverbials beziehen. Dies gilt auch für Kontexte mit erzählenden Tenpora: 39 Vgl. hierzu jedoch 0. Jespersen 1965, Bd. IV, 26 und 81 f., wo das Past Perfect nach before statt des Past als möglich bezeichnet wird. 40 F. Guenthner 1977, 96 f., scheint denselben Sachverhalt zu meinen, wenn er sagt: "The reference point established by the present perfect is the actual speech point; it is thus impossible to combine this form with a temporal adverb which introduces a new reference point."

288 (2) My attention was suddenly drawn to a man sitting at the table in front of me. I had seen him before, but couldn't remember where.

Ein Folgesatz mit then könnte sich nicht auf das Ereignis "see him" beziehen. Man ist versucht, für das heutige Englisch die Regel zu formulieren, daß before als Adverbiale nur mehr isolierte Ereigniszeiten ortet, in keinem Fall aber Referenzzeiten konstituiert. Die Konsequenz aus diesem Tatbestand wäre, daß es sich nicht mehr mit dem Past Tense verbinden ließe, weil dieses zufolge 41

seiner tensoriellen Zeitorientierung imrer eine Referenzzeit konstituiert. Zu den cluster-bildenden Adverbialen gehört auch since·. (3) The church was destroyed in 1942.

It has since been rebuilt.

Since lokalisiert, wie bereits dargelegt, das Ereignis "be rebuilt" nur vektoriell, und zwar einmal als nachzeitig gegenüber dem Referenzpunkt des Vorgängersatzes und zugleich als vorzeitig gegenüber der Sprechzeit. Auch hier könnte ein relatives Zeitadverbial des Folgesatzes sich nicht auf das Ereignis "be rebuilt" beziehen. Weitere Adverbiale dieser Klasse sind alle Erweiterungen von before (z.B. three days before), sodann das einfache und erweiterte earlier, sowie formerly und just in bestimmten Verwendungen. In keinem der folgenden Textbeispiele könnte sich ein Folgesatz im Past mit einem relativen Zeitadverbiale auf die Ereigniszeit der mit den oben angeführten Adverbialen eingeleiteten Sätze beziehen: (4) Your letter arrived on Friday; Mary had telephoned several days before. The next day ... (5) Mary came at ten.

John had arrived (half an hour) earlier.

(6) Mary came at ten.

John had just left.

Then ...

A few minutes later ...

(7) We bought the estate in 1920. It had formerly belonged to the Church. The following year it was confiscated by the State.

Versucht man nun, die cluster-bildenden Adverbiale im Rahmen unseres Klassifikationsversuches einzugrenzen, so erweist sich schnell, daß sie mit keinem der vorgeschlagenen Merkmale identifiziert werden können. Zwar ergab sich der Eindruck, daß viele Adverbiale mit Nachzeitigkeitswert, seien sie nun Vektoren oder Tensoren, in einer Satzfolge neue Referenzpunkte errichten, sogar wenn

41 Vgl. 0. Jespersen 1965, Bd. IV, 62, wo behauptet wird, daß Past und Present Perfect mit before verbunden werden können.

289

sie relative Adverbiale sind, die ihrerseits eine Verankerungsmöglichkeit im vorausgehenden Kontext erfordern, aber zweifellos kantien solche Adverbiale auch in Verwendungen vor, in denen sie keine Verankerungsnöglichkeit für nachfolgende relative Zeitadverbiale darstellen. Ein Beispiel hierfür ist soon im folgenden Textausschnitt: "... the queen was determined to keep her promise to Mary Stuart; and Cecil, on the 14th, wrote to Sir Thomas Smith that - however Parliament might press him, "the unwillingness of her majesty to have a successor known" would present a conclusion. The strength of Elizabeth's resolution would soon be tried." (J. A. Froude: History of England) 4 2

Wiederum könnte ein Folgesatz mit einem relativen Adverbiale (z.B. then oder later) sich nicht auf das Ereignis "be tried" beziehen, denn soon wird in einem Satz verwendet, dessen Zeitbezug mit "future in the past" zu beschreiben wäre. Soon ist hier also auf eine sekundäre Orientierungsachse bezogen. Daß andererseits auch nicht alle Zeitadverbiale mit Vorzeitigkeitswert, seien es nun Tensoren oder Vektoren, notwendigerweise cluster-bildend sind, ist offensichtlich, denn viele Adverbiale dieser Gruppe haben autonome Zeitreferenz, werden also mit Bezug auf die Sprechzeit interpretiert und können damit bei entsprechender Tempuswahl Cluster-Bildung ausschließen. In jedem Falle cluster-bildend sind Adverbiale nur dann, wenn sie entweder bloße Vektoren (before) oder referenzzeitgebunden, d.h. notwendigerweise auf sekundäre Orientierungsachsen bezogen sind wie z.B. three days before. Deshalb muß man damit rechnen, daß es sprechzeitgebundene Tensoren gibt, die 43

Cluster-Bildung ausschließen (three days ago).

Im übrigen ware zur Bestim-

mung der Rolle, die jeweils Tempus und Zeitadverbiale bei der cluster-bildenden Zeitreferenz im einzelnen spielen, eine umfangreichere Untersuchung nötig als hier möglich. Auch die möglicherweise zahlreichen und diffizilen Restriktionen, 44 die zwischen einzelnen (relativen) Zeitadverbialen zu bestehen scheinen, können hier nicht erörtert werden.

42 Zitiert nach G. Steinberg 1971, 213. 43 Wir halten eine Satzfolge wie John telephoned yesterday and Mary had telephoned three days ago für nicht akzeptabel. Auch die Satzfolge John telephoned this morning and Mary had telephoned three days ago halten wir nicht für besser. 44 Later scheint sich z.B. nicht auf presently (o "soon") beziehen zu lassen. Vgl.: He will be back presently. * Later you can ask him to help you.

290

5.4 Im vorausgehenden wurde bereits wiederholt auf Adverbiale mit autonomer und relativer Zeitreferenz hingewiesen, ohne daß der Begriff der autonomen bzw. relativen Zeitreferenz erläutert worden wäre. Dies soll hier in aller Kürze nachgeholt werden. Von autonomer Zeitreferenz eines Adverbials sprechen wir dann, wenn es unter Bezug auf die Sprechzeit ein Ereignis in der Zeit vektoriell oder tensoriell ortet.

Zu dieser Gruppe von Adverbialen gehören

also Uhrzeiten und kalendarische Daten ebenso wie alle Deiktika. Relative Zeitorientierung liegt dann vor, wenn unter Bezug auf die Sprechzeit eine sekundäre Orientierungsachse gegeben sein muß, damit ein Ereignis mit Bezug 45 auf sie in seinem Zeitbezug festgelegt werden kann. Hierher gehören alle referenzzeitgebundenen Adverbiale: three days before, earlier, the previous

week usw. Relative Zeitreferenz ergibt sich aber auch, wenn nicht-referenzzeitgebundene Adverbiale mit Vorzeitigkeitstempora verbunden werden: John had just arrived. Die Relevanz dieser Unterscheidung unter textlinguistischen Gesichtspunkten wird sichtbar, wenn man fragt, welche der beiden Arten von Zeitreferenz texteröffnend sein kann, ohne daß eine Informationsliicke entsteht. Unproblematisch sind in texteröffnender Position alle autonomen Tensoren: We left Germany in 1942, {yesterday, last week usw.), insbesondere wenn sie

explizite Skalare enthalten: They emigrated to the USA two years ago. Aber auch Tensoren mit subjektiven Skalaren kanmt texteröffnende Funktion zu: ι recently saw a film about Australia. - Things haven't become any better lately - I just saw your boy-friend in the street - Father will die soon.

Wie schon

erwähnt, sind die eben verwendeten Zeitadverbiale autonome Tensoren und damit sprechzeitbezogen nur bei richtiger Tempuswahl. Autonome Vektoren können zwar auch texteröffnende Funktion haben -I've seen "Les enfants du paradis" before - jedoch sind bei ihrer Verwendung, zumindest von before, wichtige Kontextbedingungen zu beachten, auf die wir noch einmal kurz zu sprechen kommen werden. Problematisch dagegen sind alle referenzzeitgebundenen Adverbiale in texteröffnender Funktion. Als referenzzeitgebunden bezeichnen wir alle solche Adverbiale, die nur auf eine sekundäre Orientierungsachse, nicht aber auf die 45 C. S. Smith trifft eine ähnliche Unterscheidung bezüglich der Zeitreferenz von Sätzen. Mittels einer Metapher aus dem Kriegswesen spricht sie davon, daß Sätze mit abhängiger Zeitreferenz von solchen mit unabhängiger "gefangen" (captured) werden und unterscheidet dementsprechend drei Klassen von Sätzen: "a sentence may demand capture, it may be available for capture, it may be protected from capture." (1980, 358.)

291

Sprechzeit bezogen werden können. Ein Text, der mit dem Satz eröffnet würde We went to London the following day, wird erst verständlich, wenn erkennbar ist, in Bezug zu welchem der erwähnte Tag der folgende ist. Die normale Abfolge der Zeitreferenz in einem Text wird also sein, daß zunächst mittels autonomer Zeitreferenz unmißverständliche Orientierungsmarken gesetzt werden, auf die die relative Zeitreferenz sich dann stützen kann und nicht umgekehrt. Natürlich kann die ungewöhnliche Abfolge der Zeitreferenz wegen ihrer besonderen stilistischen Wirkung gewählt werden. Sie hat diese Wirkung jedoch nur, weil der Normalfall vorausgesetzt oder erwartet wird, und dies wiederum deswegen, weil relative Zeitreferenz keine vollständige Orientierung in der Zeit zuläßt. Die Satzfolge We arrived in London in 1941 and left for

the USA six months later ortet beide Ereignisse unmißverständlich auf der Zeitlinie und damit auch in ihrem Zeitbezug zueinander. Ein Text, der mit dem Nachsatz We left for the USA six months later, beginnen wollte, müßte für ihn im folgenden Kontext eine Verankerungsmöglichkeit bereitstellen, was einiges sprachliches Geschick erfordern dürfte. In jedem Falle müßte das Past Perfect verwendet werden, da hinter ein bereits erwähntes Ereignis zurückgegriffen würde: We had arrived in London in January 1941. Man kann den stilistischen

Wert einer solchen Fügung sehr wohl bezweifeln.

5.5 Textgestaltend ist eine Reihe von Zeitadverbialen sodann durch bestürmte Kontextimplikationen, die von ihnen ausgehen. Wir haben auf diesen Sachverhalt bereits bei der Erörterung der Adverbialpaare already - not yet und still 46 no longer hingewiesen. Zu dieser Gruppe waren aber auch before und again zu zählen. Kontextbedingungen oder Verwendungsbedingungen muß man wähl in zwei Klassen unterteilen. Die einen sind Wahrheitsbedingungen und47 müssen erfüllt sein, damit der Satz, von dem sie ausgehen, wahr sein kann. Die anderen sind nicht Wahrheitsbedingungen im strengen Sinn, denn sie sind aufhebbar, d.h. sie können falsch sein, ohne daß der Satz, von dan sie ausgehen, notwendigerweise 46 Vgl. oben, S. 142 ff. 47 Unter bestimmten Bedingungen können sie als Präsuppositionen bezeichnet werden. Zu dieser Frage gibt es inzwischen umfangreiche Literatur. Bereits erwähnt wurde D. Wilson 1975. Des weiteren seien erwähnt: T). E. Cooper 1974, R. M. Kempson 1975, und M. Reis 1977. Eine Sanmlung von Aufsätzen zum Problem der Presupposition findet sich in J. S. Petöfi und D. Franck, hrsg., 1973.

292

falsch wird. Wir nennen sie hier Kontextinplikationen und geben damit den Aus48

druck "non-logical implications" bei Deirdre Wilson wieder.

Obwohl Kontext-

inplikationen aufhebbar sind, müssen sie im Kontext irgendwie gegeben sein, sei es als Annahme des Sprechers oder Hörers, der öffentlichen Meinung usw. oder aber als (tatsächliche) Gegebenheit der besprochenen oder erzählten Welt. Wenn wir einen Satz begegnen wie Mary is drunk again, so kann er nur wahr sein, wenn Mary im Zeitpunkt der Äußerung tatsächlich betrunken ist. Darüber hinaus aber impliziert er die Annahme, daß sie schon einmal, mindestens einmal betrunken war. Diese Annahme kann im weiteren Verlauf des Textes zwar aufgehoben werden - Not "again", it's the first time she is drunk - , sie muß

aber im Kontext vorher gegeben sein, wenn der Text wohlgeformt sein soll. Dies beweist insbesondere der die Kontextimplikation aufhebende Text. Er wäre ohne die Kontextimplikation sinnlos. Ähnliches läßt sich über before sagen. Der Satz I have seen this film before assertiert I have seen this film, setzt des weiteren aber voraus, daß die Möglichkeit ihn zu sehen, gleichzeitig oder nachzeitig zur Sprechzeit gegeben ist. Hier kann man meiner Ansicht nach sehr wohl im Zweifel sein, ob es sich bei dieser Verwendungsbedingung um eine Kontextimplikation oder eine Wahrheitsbedingung handelt. Die Verhältnisse liegen komplizierter bei already - not yet und still - no 49 Ganz abgesehen davon, daß wir die Paarlonger, wie bereits angedeutet. glieder als Négation voneinander auffassen und sie dementsprechend einander jeweils im Kontext voraussetzen, gilt für sie im einzelnen folgendes: Der Satz He is already here enthält als Assertion He is here, als Wahrheitsbedingung He was not here some time ago, hat aber als zusätzliche Kontextimplikation die Annahme "He had not yet arrived" und "He will arrive in the (near) future". Mit Deirdre Wilson sind wir der Meinung, daß ein Text wie "At this stage Pitt was not yet Prime Minister; and indeed neither he nor anyone else ever dreamed that he would become Prime Minister; and in fact he died the next day without ever holding office of any sort""'0 "bafflement" auslösen müßte, es sei denn ein Gesprächspartner habe gerade gefragt, "whether at this stage Pitt was Prime Minister yet.

48 49 50 51

D. Wilson 1975, 1 17 und ΙΑ 1 ff. Vgl. oben, S. 145 ff. D. Wilson 1975, 117. D. Wilson 1975, 117.

293

Ähnlich können wir in Sätzen mit dem Adverbiale still zwischen Assertion, Wahrheitsbedingung und Kontextimplikation unterscheiden. Der Satz He is still here behauptet den Sachverhalt He is here und setzt voraus· He has been here for some time up to the moment of speaking und folglich auch He was here some time ago und bringt als Kontextimplikation zum Ausdruck die Annahme "He will/may not be here at some future time". Die Art und Weise, wie diese Annahme im Kontext gegeben ist, und die Gründe für sie können sehr unterschiedlich sein; daß die Annahme aber vorhanden sein muß, läßt sich nicht bezweifeln. Der Satz King 52 Constantine

is still

living

in exile

and that is the way it will always

den E. König als Gegenbeweis dafür anführt, daß die Kontextimplikation

be,

"He will

not be in exile at some future time" als Präsupposition angesehen werden kann, erhält diese Implikation aus unserem Wissen, daß Könige normalerweise in ihrem Lande leben und aus der Hoffnung, Annahme etc. des Sprechers, daß dies auch für König Constantin möglich sein möge. Richtig an E. Königs Einwand ist, daß es sich nicht um eine Präsupposition handeln kann, da die Annahme ja aufhebbar ist. Der aufhebende Text setzt aber die Kontextimplikation voraus. Wir stirrmen E. König auch zu, wenn er die Frage

Does

our house

still

stand?

mit der Antwort

res dahin karmentiert "[that] it would clearly be counterintuitive to assume that this question and the answer presuppose that the house in question will be destroyed at sane future time",

jedoch ist nicht zu bezweifeln, daß die Mög-

lichkeit des Sachverhalts "our house does not stand" angenorinen wird. Daß dies hier im Falle der Frage bereits für die Sprechzeit angenommen wird, während die Kontextimplikation von

still

in Behauptungssätzen für den Nachbereich

der Sprech- bzw. Referenzzeit gilt, liegt an der unterschiedlichen Leistung von Frage und Behauptung im Bereich der hier erörterten Kontrastpaare, auf die wir hier nicht näher eingehen können. here

wird

He is not here

time ago.

Ob

In Sätzen mit

no longer

wie

assertiert, zugleich aber impliziert

He is no

He was here

longer some

diese Implikation als Wahrheitsbedingung oder als Kontextimpli-

kation zu gelten hat, müßte sich daran erweisen, ob ein Satz wie He is no longer

here

because he

never

was

als logisch widersprüchlich oder aber als

wohlgeformt zu betrachten ist, worüber letzten Endes das Sprachgefühl entscheidet, so daß mit unterschiedlichen Reaktionen englischsprachiger Informanten zu rechnen sein wird. 52 E. König 1977, 176. 53 E. König 1977, 176. 54 Ein Aufsatz hierzu ist in Vorbereitung.

294

Zusammenfassend können wir sagen, daß Kontextimplikationen zwar aufhebbar sind, nichtdestoweniger jedoch zunächst irgendwie im Kontext gegeben sein müssen, wenn ein Text wohlgeformt sein soll. 5.6 Textlinguistisch und literaturwissenschaftlich relevant wird die Analyse des Zeitadverbials schließlich für das Verständnis der unterschiedlichen Erzähltechniken im neueren Roman. Für diese Techniken, soweit sie die Wiedergabe von Rede, Gedanken und Wahrnehmung, auch aus der Perspektive der Figuren, bezeichnen sollen, wurde eine verwirrende Vielfalt von Ausdrücken vorgeschlagen, die von Sprache zu Sprache auch inhaltlich variieren. So ist die Rede von der "stream-of-consciousness technique", innerhalb derer wiederum der "indirekte" vom "direkten inneren Monolog" unterschieden wird, sodann von "internal analysis", "sensory impression" und "thought aside". Des weiteren spricht man von erlebter Rede und Redebericht. Diese vielfältige Terminologie ist das Ergebnis der noch andauernden Auseinandersetzung mit den Darstellungsformen des neueren Romans. Unseres Wissens hat sie noch nicht zu klaren Unterscheidungen geführt. Die Geschichte dieser Auseinandersetzung können wir nicht verfolgen.Was jedoch in den Zusairmenhang unserer Erörterung gehört, ist die Frage nach der Funktion des Zeitadverbials bei der Unterscheidung von direkter, indirekter und erlebter Rede, sowie erlebter Wahrnehmung und Erzählbericht. 5.6.1 Wir gehen von der spontanen oder aktuellen Rede aus. Für sie gilt, daß ihr Zeigfeld sich aus dem Selbstbewußtsein des Sprechers mit seiner Ich-, Jetzt- und Hier-Origo konstituiert. Ich, Jetzt und Hier stellen die primäre Orientierungsachse dar für unser Zurechtfinden in der Welt. Die Sprache besitzt in den Deiktika, Personalpronomina, bestirnten Tempora, Zeit- und Orstadverbialen Ausdrücke für primäre Orientierungsakte. In unserem Klassensystem sind dies zunächst die sprechzeitgebundenen, dann aber auch die sprechzeitbeziehbaren Zeitadverbiale.56 Zu den sprechzeitgebundenen Adverbialen gehört yesterday, tomorrow, three days ago usw., wie oben bereits dargelegt.5^ 55 Einen Überblick Uber die Diskussion in diesem Bereich gibt G. Steinberg 1971, in den Abschnitten I und II. Vgl. auch Leech/Short 1981, Kap. 10. 56 Die Ansicht H. Weinrichs, der erzählenden und besprechenden Tempusgruppe entspreche je eine Klasse von Adverbialen der erzählten und besprochenen Welt (vgl. H. Weinrich 1964, 57) bedarf deshalb der Differenzierung. 57 Now ist nicht sprechzeitgebunden. Die auf dieser Annahme fußenden Interpretationen von Stellen aus Moby Dick bei G. Rauh (1978, 142 ff.) halten wir deshalb für verfehlt.

295 58 Sprechzeitbeziehbare Adverbiale dagegen sind before, soon, formerly usw. Sie unterscheiden sich von den sprechzeitgebundenen dadurch, daß sie auch an einer Referenzzeit verankert werden können: I've seen this man before - I saw a man in the bus whom I had met

5.6.2

before.

Von direkter Rede sprechen wir dann, wenn spontane oder aktuelle Rede

berichtet (oder auch vorausgesagt) wird.

Kennzeichnend für sie ist ein ein-

führendes verbum dicendi im entsprechenden Tempus, in erzählenden Texten im Past Tense.

Alle deiktischen Orientierungsmittel der spontanen Rede bleiben

in diesen Falle unverändert: He said to himself: "What shall I do next? I have my plan which should be easy enough.

I'll get the gold and afterwards, when 59 the kid is given back, they'll hunt the country for me". Die Leistung der direkten Rede besteht darin, daß in das Zeigfeld der spontanen Rede, in das primäre Zeigfeld, ein sekundäres Zeigfeld, das Zeigfeld der erzählten Figur eingebettet wird.

Der Leser wird, insbesondere dann, wenn die direkte Rede

Dialoge wiedergibt, unmittelbarer Zeuge der dargestellten Szene. 5.6.3

Die indirekte Rede unterscheidet sich von der direkten Rede dadurch,

daß nahezu alle deiktischen Orientierungsmittel, insbesondere aber alle deiktischen Zeit- und Ortsadverbiale der spontanen Rede, eliminiert und durch Orientierungsmittel aus dan Zeigfeld des Erzählers ersetzt werden.

Der Erzähl-

bericht mit indirekter Rede hat nur ein einziges Orientierungszentrum und Zeigfeld, das des Erzählers.

Danentsprechend werden Erlebnisse, Gedanken und

Pläne usw. einer erzählten Figur nicht in einem ihr zugehörigen Zeigfeld zeitlich geortet, sondern durch referenzzeitgebundene Adverbiale und entsprechende Tempuswahl auf die Sprechaktzeit der Figur, die jetzt Referenzzeit ist, bezogen.

Die Übertragung eines Textes mit direkter Rede in indirekte erfordert,

abgesehen von bestürmten Ausnahmen, die Transposition der Tempora nach den Gesetzen der Consecutio Temporum der einzelnen Sprachen, der sprechzeitgebundenen Zeitadverbiale, der sprechergebundenen Ortsadverbiale und der Personalproncjriina.

Aus der direkten Rede

58 Vgl. oben, S. 132 ff. 59 Adaptiert aus E. L. Grant Watson, The Nun and the Bandit, Albatross, zitiert nach Β. Fehr 1938, 264. 60 Dies ist eine der Techniken des Romans des 18. Jhdts.

296 He said: "I cut my foot very badly three days ago"

würde dementsprechend die indirekte Rede He told us that he had cut his foot very badly three days before.*''

Unsere oben aus The Nun and the Bandit adaptierte Textstelle würde also in indirekte Rede wie folgt lauten: He said to himself that his plan should be easy enough, that the next thing to do was to get the gold, and that afterwards, when the kid was given back, they would hunt the country for him.62

Wie aus der umgesetzten Stelle ersichtlich, ist die indirekte Rede kein besonders elegantes Darstellungsmittel. Das liegt daran, daß die "reporting verbs" und die die Rede als Nebensatz einordnende (Vinter den Hauptsatz unterordnende) Konjunktion laufend wiederholt werden müssen, weshalb insbesondere längere Rede- oder Gedankenabschnitte sich für diese Darstellungsform nicht besonders eignen. Angesichts der Schwerfälligkeit der indirekten Rede in erzählenden Texten bedient sich die Erzähltecknik zweier Auswege: der berichteten Rede und des Redeberichts einerseits und der erlebten Rede andererseits.

5.6.4 Die berichtete Rede unterscheidet sich von der indirekten Rede durch ihre syntaktische Unabhängigkeit von Ausdrücken des Sagens und Denkens. Jedoch wird die berichtete Rede als Rede einer dargestellten Person häufig durch den Erzähler im unmittelbaren Kontext gekennzeichnet.

Steinberg zitiert

in diesem Zusammenhang eine Stelle aus Thornton Wilders The Ides of March: "Like you, I suddenly realized that I didn't know a thing about him.

(...)

So I consulted our old freedman Rufus Tela, and, sure enough, here are the facts: In the second battle with the Belgians, at the time that Caesar was almost caught, the enemy captured Turrinus."

Hier ist die berichtete Rede

einer erzählten Figur in den Mund gelegt und als solche gekennzeichnet durch den Bericht über die Konsultation einer Informationsquelle. Der indirekten Rede und der berichteten Rede ist gemeinsam, daß in der Regel nur der Erzähler spricht, die idiosynkratischen Elemente der voraussetzbaren direkten Rede also mehr oder minder getilgt sein können. Natürlich

61 Adaptiert aus E. Hemingways Indian Camp, in The Essential Hemingway, repr. 1980, 272. 62 Adaptiert aus E. L. Grant Watson, zitiert nach B. Fehr 1938, 264. 63 G. Steinberg 1971, 19.

297 müßte eine Rede in Ichform in die 3. Person, die sprechzeitgebundenen Zeitund die sprechergebundenen Ortsadverbiale durch referenzzeitbezogene Formen ersetzt werden, die Tempora bedürfen nur scweit der Transposition, als sie besprechende Tempora (Present und Present Perfect) sind. Das erzählende Past 64 wird nicht noch einmal transponiert. Die folgende direkte Rede: I've been working very hard all the years since early childhood. I went to school only for three years. When I was ten four more children had been born to my parents and I had to take care of them at that age. My mother had fallen ill after the birth of her fifth child.

würde als berichtete Rede wie folgt lauten können: Mary worked very hard all her life since early childhood. She visited school barely three years. When she was ten four more children had been born to her parents and she had to take care of them at such a tender age as her mother had fallen seriously ill after the birth of her fifth child.

Im Redebericht schließlich ist die Rede einer dargestellten Figur nicht mehr als eigener Bereich erkennbar, nicht mehr "Bericht im Bericht",

sondern die

Kennzeichnung des Inhalts einer Rede mittels lexikalischer Mittel, z.B. als Erzählung, Lob, Klage, Beschwerde usw. durch den Erzähler. Er ist extremste Straffung einer Rede und ihre vollständige Integration in den Erzählbericht. 5.6.5 Die erlebte Rede und die erlebte Wahrnehmung (substitutionary speech substitionary perception) haben mit der berichteten Rede die syntaktische Unabhängigkeit gemeinsam. Das einführende verbum dicendi mit der unterordnenden Konjunktion der indirekten Rede {that) fehlt oder ist in Grenzfällen in Form eines Schaltesatzes unauffällig in die erlebte Rede eingefügt oder nachgestellt. Gegenüber der direkten und indirekten Rede ist sie sodann dadurch charakterisiert, daß sie gleichsam eine Zwischenform darstellt. Ihre Gestaltungsprinzipien lassen sich deshalb am einfachsten von der direkten und indirekten Rede her erläutern. Die erlebte ebenso wie die indirekte Rede unterliegt der Tarpustransposition nach den Regeln der Consecutio Temporum des Englischen. Günter Steinberg hat die Transpositionsregeln und die wichtigsten Ausnahmen mit vielen interessanten Textbeispielen belegt.^

Die Transpositionsregeln

betreffen die Tempora, Namen und Personalpronamina, Orts- und Zeitadverbiale 64 Eigener Textentwurf. 65 G. Steinberg 1971, 50 f. 66 G. Steinberg 1971, 165 ff.

298

und insgesamt den Redestil der dargestellten Figur.

Wir beschränken uns im

folgenden auf einige wenige Beispiele. Zunächst zur Tempustransposition: Hier ist vor allem zu beachten, daß im Kontext besprechender Tempora, z.B. im historischen Präsens selbstverständlich keine Tempustransposition vorkommt.

Die erlebte Rede wird dann an anderen

Indikatoren, insbesondere an der Pronomina1transposition erkennbar: He fought his way over and under the bodies blocking the corridor to the only first-class carriage, sat down in it, mopped his brow, looked out of the window. His porter. Oh, where is his porter? His porter! He looks out up and down, down and up. Out through, over and under the bodies he fights his way once more! Where is his porter? Where his bags? He runs up and down, here, there, everywhere. No porter. No porter anywhere. Good heavens! The train is going! A whistle blows! Someone shouts! The train is going! The train is moving! The train is gone.

(Hugh Walpole: The Silver

Thorn)

Im folgenden zitieren wir nur Beispiele im Kontext erzählender Tempora: Oh Jesus, what did I do? He moaned; (l) had got instead of a happy ending, a bad smell. (2) If he could root out what he had done, smash and destroy it; (3) but it was done, beyond h i m to undo. (4) It was where he could never lay hands on it any more - in his stinking mind. (5) His thoughts would for ever suffocate him. (6) He had failed once too often. (7) He 'Should somewhere have stopped and changed the way he was going, his luck, himself, stopped hating the world, got a decent education, a job, a nice girl. (8) He had lived without will, betrayed every good intention.68

Wie der zitierte Abschnitt zeigt, wird das Present Tense der voraussetzbaren direkten Rede zum Past Tense (Satz 3 und 4), Past und Present Perfect zum Past Perfect (Satz 1, 2, 6, 8), Future I zun Conditional I (Satz 5).

In

unserem Textbeispiel nicht belegt ist die Transposition von Future II zu Conditional II.

Ein Beispiel hierfür wäre:

If he slackened his pace, he thought, maybe the train would have he arrived at the station.69

left

when

Untransponiert bleiben die irrealen Wunschsätze, ob sie nun im Conditional I, wie in Satz 2 im obigen Text, oder im Past Present stehen, wie eine Stelle aus James Joyce A Portrait of the Artist

67 68 69 70

Zitiert nach G. Steinberg 1971, 259. B. Malamud (1957) 1978, 156. Informantenbeleg. Zitiert nach G. Steinberg 1971, 171.

beweist:^

299 He could still escape from the shame. that one sin! Had it been murder.

Had it been any terrible crime but

Untransponiert muß natürlich auch das Past Perfect bleiben. Steht es nit dan Past in einem zeitvergleichenden Satz, bleibt auch dieses unverändert; aus I will lie and say that when I reached

the station

the train had left erhielten

wir dementsprechend in erlebter Rede He would lie and say that when he the station

the train had

reached

left.

Bei den Konditionalsätzen ist zu beachten, daß zwar der Realis transponiert wird - If she betrays

him he will kill her ergibt If she betrayed

him he would

kill her - , Potentialis und Irrealis aber unverändert übemermen werden, was dazu führt, daß der Konditional mit Conditional I zweideutig wird. Er kann ein transponierter Realis oder ein untransponierter Potentialis bzw. hypothetischer Konditionalsatz sein. Eindeutig sind nur Konditionalsätze mit den alten Konjunktivformen: If I were rich, I would marry her ist in erlebter Rede eindeutig untransponierter hypothetischer Konditional. Aber auch transponierbare Tempusformen bleiben im Kontext längerer erlebter Rede gelegentlich unverändert. Dies trifft insbesondere auf das Past Tense zu. Für seine untransponierte Übernahme in die erlebte Rede sind in der Regel euphonische oder stilistische Gründe entscheidend: The years had passed without profit or pity. Who could he blame? fate didn't do to him he had done to himself.71

What

Die Form didn't do bleibt unverändert, weil die unmittelbar folgende Verbform ein Past Perfect ist und die Transposition des Past im vorausgehenden Satz zu zwei aufeinanderfolgenden Past Perfect Formen führen würde. Der gleiche Grund dürfte für das Unterbleiben der Transposition in der folgenden Stelle aus Virginia Woolfs To the Lighthouse verantwortlich sein: He had been to Amsterdam, Mr. Bankes was saying as he strolled across the lawn with Lily Briscoe. He had seen the Rembrandts. He had been to Madrid. Unfortunately, it was Good Friday and the Prado was shut. He had been to Rome

Anders liegen die Verhältnisse in einer weiteren Stelle aus To the Lighthouse: She had been to Brussels; she had been to Paris, but only for a flying visit to see an aunt who was ill. She had been to Dresden.73

71 B. Malamud 1978, 183. 72 Zitiert nach G. Steinberg 1971, 170. Natürlich könnte man die Stelle als "thought aside", d.h. als inneren Monolog deuten. 73 G. Steinberg 1971, 170.

300

Würde man die Form was ill durch had been ill ersetzen, könnte der Relativsatz who was ill im Sinne der Vorzeitigkeit auf den Infinitiv to see bezogen werden, womit im Bereich der Zeitbeziehung der berichteten Sachverhalte ein ganz anderer Tatbestand wiedergegeben würde. Das Past Tense bleibt in dieser Stelle unverändert, damit die intendierten Zeitbezüge klar zum Ausdruck gebracht werden. Beachtung erfordern im Kontext erlebter Rede auch die modalen Hilfsverben mit folgendem Infinitiv. Einiae von ihnen bilden in dieser Konstruktion vier Formen, andere nur drei oder zwei. In vier Formen kanmt may vor: You may have an accident mit der Bedeutung "die Möglichkeit eines zukünftigen Unfalls besteht", - (b) You might have an accident (= "ein zukünftiger Unfall ist möglich, wenn auch weniger wahrscheinlich als in der Formulierung (a) angenommen wird"), - (c) He may have had an accident (= "es besteht die Möglichkeit, daß er einen Unfall gehabt hat"), und (d) He might have had an accident (= "es bestand die Möglichkeit eines Unfalls, er ist aber nicht eingetreten"). Wie die Paraphrasen zeigen, sind alle vier Formen in ihrer Bedeutung verschieden, wenn der Grad der Verschiedenheit auch von Formpaar zu Fontpaar variiert. So liegt der Unterschied zwischen (a) und (b) nur im Grad der Wahrscheinlichkeit, daß die ins Auge gefaßte Möglichkeit zur Wirklichkeit wird. Der Transposition von (a) als der vorauszusetzenden direkten Rede zu (b) als der entsprechenden erlebten Rede steht deshalb nichts im Wege, und man kann mit Steinberg der Meinung sein, daß die Past-Tense-Formen der modalen Hilfsverben mit dem Infinitiv Präsens in der 74

Regel Indikatoren fur erlebte Rede sind. Andererseits aber besteht der Bedeutungsunterschied zwischen (c) und (d) darin, daß in einem Falle von einer noch bestehenden Möglichkeit die Rede ist, im anderen Falle die Möglichkeit als nicht eingetreten bezeichnet wird. Die Transposition von (c) zu (d) ist deshalb wenig wahrscheinlich. Die Form (d) selbst wird in der erlebten Rede untransponiert übematmen ebenso wie die vergleichbaren Formen mit must oder modalem shall : He knew he was sick and was miserably disappointed. He lay in the dark, trying not to think how stupid it had been to shovel the snow. He must have caught a chill. He thought he would not.^5

74 G. Steinberg 1971, 215 f. 75 B. Malamud (1957) 1978, 199.

301 He had failed once too often. the way he was going ...76

He should somewhere have stopped and changed

Noch komplizierter sind die Bedeutungsunterschiede zwischen den vier Formen von can + Infinity; wir greifen nur die zwei wichtigsten Bedeutungen, "ability" und "possibility" heraus. Es zeigt sich, daß can in der ersten Bedeutung nur zwei Formen besitzt: (a) He can swim, - (b) He could swim (when he was young) He could pass his exam (if he worked harder), - (c) * He can have swum, -

(d) * He could have swum. Mit der Bedeutung "possibility" dagegen hat die Konstruktion vier Formen: (a) The train can be late, - (b) The train could be late, - (c) The train can have been late - (d) The train could have been late.

In der Bedeutung "ability" läßt sich (a) als voraussetzbare direkte Rede deshalb zu (b) als entsprechende erlebte Rede transponieren, weil diese Formen untransponiert nicht mehr ohne Kontext vorkamen. In der zweiten Bedeutung findet sich natürlich (b) als Transponat von (a), die Verwandlung von (c) zu (d) erwartet man wegen des krassen Bedeutungsunterschieds eigentlich nicht, so daß die Form (d) in erlebter Rede eigentlich inner untransponiert Übernamen sein müßte. Daß die modalen Hilfsverben in erlebter Rede schwierig zu interpretieren sind, zeigt der folgende Text: Undressing for a shower - her third in hours - she burst into tears at the sight of her body. Every man she drew to her dirtied her. How could she have encouraged him? She felt a violent self-hatred for trusting him, when from the very beginning she had sensed he was untrustable. How could she have allowed herself to fall in love with anybody like him?n

Sind die kursiv gedruckten Passagen transponiert oder direkt Übernamen? Wenn transponiert, ist dann als voraussetzbare direkte Rede How could I encourage him? und How could I allow myself to fall in love with anybody like him?

anzunehmen, und können wir dann den Infinitiv des Perfekts (have encouraged, have allowed) als Indikator für die Transposition ansehen? Als voraussetzbare direkte Rede ausschließen können wir How can I have encouraged him? und How can I have allowed myself to fall in love with anybody

like him?, denn diese Fügungen würden eine ganz andere Modalität zum Ausdruck bringen als die fraglichen Wendungen unseres Texts. Denkbar ist auch, daß die voraussetzbare direkte Rede "could + Infinitiv Perfekt" (How could I have encouraged him? etc.) bereits enthält, so daß

Tenpustransposition auszuschließen wäre. 76 B. Malamud (1957) 1978, 156. 77 Β. Malamud (1957) 1978, 157.

302 Einschränkungen für die Transposition finden wir auch bei Hilfsverben mit nur drei oder zwei verfügbaren Formen: Von den folgenden Konstruktionen kann bestenfalls (b) als Transponat von (a) aufgefaßt werden: (a) The ship is to arrive

at ten, - (b) The ship was to arrive

arrived at ten. nortmen werden. (a) I ought

at ten, - (c) The ship was to

have

Die Form (c) müßte untransponiert in die erlebte Rede überUntransponiert müßten auch die beiden Formen von ought bleiben:

to help

them,

- (b) I ought

to have

helped

them.

Die wenigen Beispiele, auf die hier hingewiesen wurde, dürften deutlich gemacht haben, daß die Formen der modalen Hilfsverben mit Infinitiv der Transposition in die erlebte Rede einige Schwierigkeiten bieten.

Eine erschöpfende

Darstellung der Transpositionsregeln in diesem Bereich fehlt bisher.

Sie wäre

dringend erforderlich. Zusammenfassend können wir zur Tempustransposition in der erlebten Rede feststellen, daß sie in etwa den gleichen Regeln folgt wie in der indirekten Rede und auch die gleiche Funktion hat, nämlich, die in den Gedanken und Reden einer Figur benannten Sachverhalte nicht nur im Zeigfeld dieser Figur, sondern auch im Zeigfeld des Erzählers zeitlich zu orten.

Hier ist allerdings hinzu-

zufügen, daß einige Verbalformen iitmer ein personales Zeigfeld implizieren. Während der Satz The weather was changing ohne Kontext entweder ein auktorielles Past oder ein transponiertes

Present Tense sein kann, kann der

erste Satz des Ronans Vile Bodies von Evelyn V'augh It was clearly going to be a bad crossing. With Asiatic resignation Father Rothschild S. J. put down his suitcase in the corner of the bar and went on deck.78

obwohl er im Kontext auktorialen Erzählberichts steht, nur aus personaler Perspektive gesprochen sein.

Dies ist die Folge davon, daß die Formen mit

to be going to als Bestandteil ihrer Bedeutung die Beurteilung der benannten 79

Sachverhalte aus der subjektiven Sicht der sprechenden Person enthalten. Auch die Transposition der Namen und Personalproncmina bei der Umsetzung direkter Rede in erlebte hat die gleiche Funktion.

Die personale Deixis wird

in die Deixis des Erzählers überführt, aus der 1. Person des Personalpronomens wird die 3., sofern der Kontext einer auktorialen Erzählung in der 3. Person (= Er-Erzählung) vorliegt.

Im Kontext einer Ich-Erzählung ändern sich die

Transpositionsregeln entsprechend.

Aus der direkten Rede what do you think

78 E. Waugh, repr. 1958, 9. 79 Auch dieser Aspekt des englischen Verbalsystems erfordert eine eigene Untersuchung.

303 about it? erhielten wir What did I think about it?

80

Die Umsetzung von Namen,

wie sie der Erzählbericht enthält in die entsprechenden Personalpronanina der erlebten Rede hängt davon ab, ob sie nicht auch Bestandteil der Pede oder der Gedanken der dargestellten Figur sind, oder zur Sicherung einer unmißverständlichen Referenz- und Verweisungsfunktion erforderlich sind. In erlebter Rede beibehalten werden natürlich Namen, die in der voraussetzbaren direkten Rede Anreden sind: And she talked too about the war. After all, there were people who did not think the English invariably right. There were books. There were meetings. There were other points of view. Would Elizabeth like to come with her to listen to So-and-so?8l

In der zitierten Stelle handelt es sich zweifelsohne um die Darstellung der Gedanken Elizabeths über ihre Lehrerin Miss Kliman, und der Satz would Elizabeth like to come with her ... ist die Umsetzung der direkten Rede "Elizabeth, would you like ..." von Miss Kliman, an die Elizabeth sich im Wortlaut erinnert. Damit sind wir aber auf einen Zug der erlebten Rede gestoßen, der in seiner Wirkung der Tempus- und Pronaninaltransposition entgegengesetzt ist. Mit der Übernahme der Anrede ist ein Element der direkten Rede und damit der personalen Perspektive gewahrt. Die personale Perspektive der erlebten Rede wird darüber hinaus durch die unveränderte Übernahme der Demonstrativa (Nah-Deixis statt der Fern-Deixis des Erzählberichts), der Ortsadverbien und vor allem des Zeitadverbs verdeutlicht. Von entscheidender Bedeutung für die Funktion der erlebten Rede ist die Belassung der deiktischen Adverbiale der voraussetzbaren direkten Rede.

Sie

führt bei gleichzeitiger Transposition der Tempora dazu, daß Past Tense Formen mit zukunftsweisenden Adverbialen verbunden werden. Wie bekannt, war dieser Sachverhalt Anlaß zu einer kontroversen Erörterung der Natur des Präteritums 82 überhaupt, auf die wir hier nicht eingehen wollen. Vielmehr ist in unserem Zusammenhang nach der Funktion der unveränderten Zeitadverbiale zu fragen. Erinnern wir uns, daß unser Versuch einer Klassifikation des Zeitadverbials zur Unterscheidung von (a) Sprechzeit- und (b) referenzzeitgebundenen

80 Weitere Hinweise zu den Personenangaben in erlebter Rede gibt G. Steinberg 1971, 271 ff. Vgl. hierzu auch D. Ingram 1971. 81 V. Woolf 1966, 144. 82 Wir haben in diesem Zusammenhang bereits auf K. Hamburger, F. Stanzel und G. Steinberg hingewiesen. Vgl. oben Fußn. 20. Kürzlich hat auch G. Rauh zu dieser Frage noch einmal Stellung genommen (1978, 327 ff.).

304

Adverbialen und schließlich zu (c) solchen, die sowohl sprech- wie referenzzeitbezogen verwendet werden können, geführt hat. Während nun bei der Umsetzung von direkter Rede in indirekte die sprechzeitgebundenen Adverbiale in die entsprechenden referenzzeitgebundenen oder -beziehbaren umgesetzt werden müssen es sei denn, daß die Orientierung in der Zeit für den Erzähler und die sprechende Person sich zum Teil decken - , bleiben in der erlebten Rede sprechzeitgebundene und -bezogene Adverbiale unverändert erhalten. VJenn wir von der direkten Rede (a) He said: "I've cut my foot very badly three days ago," ausgehen, erhalten wir als indirekte Rede

(b) He told me that he had cut his foot very badly three days before,

wobei das sprechzeitgebundene Adverbiale three days ago in das entsprechende referenzzeitgebundene three days before verwandelt wird mit der Konsequenz, daß das Ereignis "cut one's foot", das in der direkten Rede mittels eines sprechzeitgebundenen Adverbials geortet wurde, jetzt im Zeigfeld des Erzählers mit Bezug auf den Zeitpunkt des Redeereignisses der erzählten Person, d.h. mit Bezug auf diese Referenzzeit und infolgedessen mittels eines referenzzeitgebundenen Adverbials in der Zeit lokalisiert wird. Die Umwandlung des Satzes (a) in erlebte Rede dagegen würde zwar das einleitende verbum dicendi beseitigen, die Tempustransposition aber vollziehen, das sprechzeitgebundene Adverbiale jedoch belassen: (c) He had cut his foot very badly three days ago.

Besonders auffällig wird das untransponierte deiktische Adverbiale dann, wenn es selbst zukunftsweisend ist, aber mit einein Past Tense verbunden wird. Wenn wir von der direkten Rede Mother is coming tomorrow ausgehen, erhalten wir als erlebte Rede Mother was coming tomorrow.

Hand in Hand mit der Beibehaltung des deiktischen Zeitadverbials geht die untransponierte Übernahme des sprechergebundenen Ortsadverbiales und der Demonstrative mit Nah-deixis mit dem Ergebnis, daß in das Zeigfeld des Erzählers das Zeigfeld der erzählten Person eingelagert wird. Allerdings ist zu beachten, daß insbesondere die sprechzeitgebundenen Adverbiale diese Wirkung erzielen. Adverbiale, die Sprechzeit- wie referenzzeitbezogen verwendet werden können, sind keine zuverlässigen Indikatoren für erlebte Rede.

Zu dieser Gruppe von

Adverbialen gehört now entgegen der häufig vertretenen Ansicht, daß es nur

305 sprechzeitgebunden verwendet werden könne.

83

Ein Beweis für den Referenzzeit-

bezug von now ist die folgende Stelle: She wanted then and there to go up to his room and leave them at the door with a note, but hadn't the heart to the very night he had given them to her. The next evening, after a day of worry, she felt she must return them; and now she wished she had done it before Nat had called, then she might have been more relaxed on the phone.

Das Adverbiale the next evening ist referenzzeitgebunden und der folgende Satz nach unserer Auffassung auktorialer Erzählbericht.

Das Adverbiale now hat hier

die im Lexikon bereits registrierte Bedeutung "at this time in the past", ist 85

also ein von der Sprechzeit ablösbarer Nullvektor. Die Wirkung dieser Einlagerung des Zeigfeldes der dargestellten Person in das Zeigfeld des Erzählers ist allerdings nicht ein gleichwertiges Nebeneinander der beiden Orientierungsweisen und Perspektiven.

Die Technik der

erlebten Rede führt zweifelsohne zur Dominanz der Figurenperspektive.

Der

Erzähler tritt zurück, und der Leser wird in das Bewußtsein der dargestellten Person versetzt. Neben der Bewahrung der Idiosynkrasie der Rede der dargestellten Person ist hierfür vor allem das sprechzeitgebundene verantwortlich.

Zeitadverbial

Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß dieses Adverbiale

auch ohne Tempustransposition im dazugehörigen Satz den Leser in das Zeigfeld und damit zugleich in das Bewußtsein der dargestellten Person versetzt. Carlota S. Smith einen Satz w i e On Sunday

Mary

lost the watch

she had

Wenn

bought

a week ago für möglich hält, so mit der folgenden Einschränkung: "I suggest that we understand sentences like (this) in a conventionalized way, so that even without an explicit shift the narrative is taken to have assumed (if only momentarily) the point of view of Mary. Since language is often elliptical, semantic dependencies cannot always be associated with explicit goveminq

86

forms."

Ihr Kommentar besagt nichts anderes, als daß das sprechzeit-

gebundene Adverbiale allein beim Leser seine Versetzung in das Bewußtsein der dargestellten Person - wenn auch nur für einen Augenblick - bewirkt.

Einen

Beleg hierfür bietet der folgende Textabschnitt:

83 Diese Auffassung scheint G. Rauh zum Ausgangspunkt einiger ihrer Interpretationen zu nehmen: G. Rauh 1978, 142 ff. 84 B. Malamud (1957) 1978, 101. 85 Vgl. oben, S. 141 ff. 86 C. S. Smith 1980, 365.

306 His guess was good, soon Helen arrived. She wore a red woollen scarf on her head, one end thrown over her shoulder. He was at a table reading. She noticed him as she closed the door behind her; he knew it. They had met here, briefly, before. She had wondered what he read at the table, and once in passing, glanced quickly over his shoulder. She had guessed Popular Mechanics, but it was the life of somebody or other. Tonight, as usual, she was aware of his eyes on her as she moved about from shelf to shelf. When, after an hour, she left, he caught a tight hidden glance in his direction. Frank got up and checked out a book.

Obwohl der mit tonight eingeleitete Satz und der folgende keine Tempustransposition zeigen, so daß insgesamt ein auktorialer Erzählbericht vorliegt, versetzt uns das deiktische Zeitadverbiale in das Zeigfeld und damit in das Bewußtsein der dargestellten Person. Eine andere Deutungsmöglichkeit böte die Annahme, daß der Erzähler sich für einen Augenblick in die Szene versetzt und dies mittels des deiktischen Adverbials zum Ausdruck bringt.

Im vorliegenden Text

scheint dies jedoch nicht der Fall zu sein. Im übrigen bietet er ein Beispiel für eine analoge Funktion des deiktischen Ortsadverbials: here in dem Satz They had met here, briefly,

before

versetzt uns, wenn schon nicht in das Bewußt-

sein einer der dargestellten Personen, da nicht zu ermitteln ist in wessen, so doch in die Szene, obwohl die Tempuswahl durchaus als Zeitorientierung im Rahmen eines aüktorialen Erzählberichts aufgefaßt werden kann. Von geringerer Bedeutung ist das Zeitadverbiale für die erlebte Wahrnehmung. Nachdrücklich auf sie hingewiesen wurde von Bernhard Fehr in seinem Aufsatz 88 "Substitutionary Narration and Description". Als ein Beispiel für erlebte Wahrnehmung führt er an: "Look!"

Fred turned round.

Jack was coming

across

the street

towards

him. 89

Indikatoren dafür, daß in dein Satz "Jack was ccming ..." erlebte Wahrnehmung vorliegt, sind darin zu sehen, daß (1) ein sogenannter "perception indicator" (= Fred turned round) auf eine unmittelbar folgende Wahrnehmung hinweist, (2) der Leser durch die erweiterte Verbform im fraglichen Satz in einen im Verlauf befindlichen Vorgang versetzt wird, (3) ein Verb der Sinneswahmehmung und die unterordnende Konjunktion that fehlt, was die syntaktische Selbständigkeit des Satzes mit erlebter Wahrnehmung zur Folge hat. Man vergleiche: Fred turned

87 Β. Malamud 1978, 86. 88 In English Studies XX, 264-279. 89 B. Fehr 1944, 265 f.

1938, 97-106, wiederabgedruckt in B. Fehr

1944,

307 round

and saw that Jack

was coming

towards

him, w o m i t unzweifelhaft auktorialer

Erzählbericht gegeben wäre. Zwar wird der Leser durch die erlebte Wahrnehmung ebenso wie durch die erlebte Rede in das Zeigfeld und damit das Bewußtsein der dargestellten Person versetzt, jedoch ist die erlebte Wahrnehmung von der erlebten Rede zu unterscheiden: Substitutionary Perception and Substitutionary Speech are not identical. The latter is an attempt at a verbal rendering of the stream of reflections in the actor's mind. With Substitutionary Perception, however, we are under the illusion of receiving a direct verbal replica of visions and auditions not yet affected by the stream of reflections. At least that is the accepted illusion underlying lingual communication. There are words for things, words for doings (perceived only and not thought or talked about) and words for thoughts. Perceptional replicas therefore cannot be translated into an oratio recta that sounds natural. "Jack v;as coming across the street towards him" (example above) does not mean: Fred thought, or said to himself: "Jack is coming across the street towards me", which could only be the invention of a pedant.

Erlebte Rede und erlebte Wahrnehmung unterscheiden sich auch dadurch, daß es in der ersten vor allem das deiktische (= sprechzeitgebundene) Zeitadverbiale ist, das den Leser in das Bewußtsein der dargestellten Person versetzt, während dies in der zweiten vor allem durch die erweiterte Verbform bewerkstelligt wird.

Die

erweiterte Verbform des Englischen ist hierzu deswegen vorzüglich geeignet, weil sie gewissermaßen deis sprachliche Analogon dafür ist, wie Zustände und Prozesse dem wahrnehmenden Bewußtsein gegeben sind, nämlich als lebendige Dauer (mit 91 ausgeblendetem Anfangs- und Endpunkt) im jeweiligen lebendigen Jetzt. Das in der erlebten Wahrnehmung notwendig implizierte Zeitadverbiale ist now, das jeweilige Jetzt der dargestellten Person.

Hierin ist auch der Grund dafür zu

sehen, daß andere deiktische Zeitadverbiale in der erlebten Wahrnehmung keine Rolle spielen.

Als Indikatoren für erlebte Wahrnehmung und damit für die Ver-

setzving des Lesers in das Bewußtsein und den Wahmehmungsraum der dargestellten Person können dagegen die raumdeiktischen Adverbiale dienen.

So ist im

Deutschen, wo das System der Verbformen keine Entsprechung für die erweiterte Verbform des Englischen enthält, die erlebte Wahrnehmung deutlich am Ortsadverb abzulesen auch in Kontexten, die hinsichtlich ihrer Tempuswahl auktorialer Erzählbericht sein könnten:

90 B. Fehr 1944, 271. 91 Vgl. hierzu A. Schopf

1974, 12 f.

308 Er trat ans Fenster und schlug den halbangelehnten Laden vollends zurück: unten war Wasser, und kleine besonnte Wellen schlugen an die bunten Stufen eines recht großen Gebäudes gerade gegenüber, und an einer Mauer tanzte ein Netz von Lichtkringeln. Er beugte sich hinaus, da war noch ein Haus, dann noch eins, dann mündete die Gasse in eine große breite Wasserstraße, auf der die volle Sonne lag. An dem Eckhaus sprang ein Balkon vor, mit einem Oleanderbaum darauf, dessen Zweige der Wind bewegte, auf der anderen Seite hingen Tücher und Teppiche aus luftigen Fenstern. Über dem großen Wasser drüben stand ein Palast mit schönen Steinfiguren in Nischen.

Zwar wird die erlebte Wahrnehmung hier auch durch zwei "perception indicators" angedeutet, den Doppelpunkt im ersten Satz und durch die Wendung "er beugte sich hinaus". Unmißverständlich in das Wahmehmungsfeld der dargestellten Person versetzt wird der Leser jedoch durch die Raumdeiktika "gerade gegenüber" und "drüben". Einfache Verbformen können auch im Englischen für die Darstellung der erlebten Wahrnehmung verwendet werden, insbesondere wenn es sich um Kopulasätze und 93

Prädikate handelt, die Zustände und nicht-quantifizierte Prozesse

benennen.

He went down the steps to the vestibule and into the street. It was white and cold. Snow was falling and an icy wind blew. The streets were empty. Tucking the purse under his arm, he walked to an alley where a garbage can stood covered with snow.

Wiederum haben wir im Text zunächst einen "perception indicator" in der Form der Beschreibung eines Bewegungsvorganges, der ein neues Wahrnehmungsfeld eröffnet. Dann aber ist es ein Kopulasatz, der die erste Wahrnehmung vermittelt. Deutlicher noch tut dies der folgende Satz mit einer erweiterten Verbform. Daß das folgende Prädikat "blow" in der einfachen Form steht, hat euphonische Gründe. Der die Wahrnehmung abschließende Satz enthält wieder eine einfache Verbform. Zu beachten ist jedoch, daß einfache Verbformen (im Past), wenn sie gehäuft und aneinandergereiht auftreten, in der Regel den Eindruck eines auktorialen 95

Erzählberichts erwecken. Bernard Fehr stellt gegenüber (a) I looked across the table.

Pedro Fornero smiled.

und

92 93 94 95

Η. ν. Hofmannsthal, Andreas, zit. nach G. Steinberg 1971, 31. Vgl. zu diesen Prädikatsklassen A. Schopf 1976, 8-14. R. Wright 1972, 137. E. Hemingway, nach B. Fehr 1944, 270.

309 (b) (I looked across the table. Pedro Romero smiled.) He said something to the other people at his table, and stood up. He came over to our table. I stood up and we shook hands.

Während (a) mit einer isolierten einfachen Verbform irr. Past, nach einem "perception indicator", durchaus als erlebte Wahrnehmung empfunden werden kann, wird dies in (b) unmöglich, weil eine ganze Folge von einfachen Past Tense Formen die Interpretation der Stelle als Erzählbericht erzwingt.

5.6.6 Unproblematisch ist auch die Verwendung des Zeitadverbials im inneren Monolog.

Er gibt die Gedanken einer dargestellten Figur wieder, ohne daß diese

als solche durch einen einführenden Satz gekennzeichnet würden. Wie in der direkten Rede erfolgt keine Tempustransposition, die Orientierung in Raum und Zeit hat als Bezugspunkt die Origo des Zeigfeldes der dargestellten Person. Für das Zeitadverbiale bedeutet dies, daß nur sprechzeitgebundene und sprechzeitbeziehbare Adverbiale verwendet werden können. Beispiele für den inneren Monolog finden sich in Stephens Selbstgespräch am Strand im 3. Abschnitt in Ulysses von James Joyce: (l) Stephen closed his eyes to hear his boots crush crackling wrack and shells. (2) You are walking through it howsomever. (3) I am, a stride at at a time. (4) A very short space of time through very short times of space. (5) Five, six: the nacheinander. (6) Exactly: and that is the ineluctable modality of the audible. (7) Open your eyes. (8) No. (9) Jesus! (10) If I fell over a cliff that beetles o'er his base, fell through the nebeneinander ineluctably. (il) I am getting on nicely in the dark. (12) My ash sword hangs at my side. (13) Tap with it: (14) they do. (15) My two feet in his boots are at the end of his legs, nebeneinander. 96

Nach einer kurzen Einführung in die äußere Situation durch auktorialen Erzählbericht (Satz 1) wird der Leser immittelbarer Zeuge von Stephens Selbstgespräch, das alle Züge natürlicher Rede bewahrt. Alle Tempora sind auf die Jetzt-Origo des Zeigfeldes der dargestellten Person bezogen.

In Satz (2) spricht er sich

selbst im erweiterten Present Tense an, weil er sich seines Schreitens über den Sandstrand als aktueller Mitdauer mit sich selbst bewußt wird. Die Anrede an sich selbst wiederholt sich in den Imperativen (Satz 7 und 13), die notwendigerweise zu einem primären Zeigfeld gehören. Das außerzeitliche Präsens in Satz (6) ist zwar nicht an die Jetzt-Origo eines primären Zeigfeldes gebunden, widerspricht einer solchen Anbindung aber auch nicht.

96 J. Joyce 1964, 45.

Dies gilt in

310

gewissem Umfang auch fur die ko-extensiven Präsensformen97 in den Sätzen (12), (14) und (15). Auch der hypothetische Konditional (Satz 10) könnte zwar aus einem einfachen Realis transponiert und damit dem Zeigfeld des Erzählers zugeordnet sein. Der Kontext schließt dies hier jedoch aus. Wir können zusammenfassen und sagen, daß von Satz (2) an die gesamte Orientierung in der Zeit im Zeigfeld der dargestellten Person abläuft. Ein weiterer Abschnitt aus diesen Kapitel bestätigt seinen Charakter als innerer Monolog auch in den Zeitadverbialen: (l) (3) (5) are (9)

Would you do what he did? (2) A boat would be near, a lifebuoy. Natürlich, put there for you. (4) Would you or would you not? The man that was drowned nine days ago off Maiden's rock. (6) They waiting for him now. (7) The truth, spit it out. (8) I would want to. I would try.90

Das Zeitadverbiale in Satz (5), "nine days ago", ist sprechzeitgebunden und damit ein zuverlässiger Indikator dafür, daß die Zeitorientierung im Zeigfeld der dargestellten Person verankert ist. Das gleiche gilt für "now" in Satz (6), das durch die erweiterte Präsensform im Sinne der Bezeichnving des aktuellen Jetzt disambiguiert wird. Der innere Monolog verankert auch die Raumdeixis und die Personenbezeichnung im Zeigfeld der dargestellten Person. Formen mit Transposition der Personalpronctnina, in der Er-Erzählung von der 1. zur 3. Person usw., bei jedoch fehlender Tempustransposition werden der erlebten Rede zugerechnet. Ein Bei99

spiel hierfür haben wir bereits zitiert.

5.6.7 wir können nun zurückblicken. In diesen Kapitel haben wir nach dem Zeitadverbiale in seiner Vertextungsfunktion gefragt und konnten zeigen, daß (1.) das Zeitadverbiale mit seinen verschiedenen Klassen für die Darstellung einer chronologischen Ereignisfolge entweder im Sinne einer linearen oder gruppierenden Organisation von erheblicher Bedeutung sein kann. Wir haben in diesem Zusaimienhang auf die Gruppe der Sprech- und referenzzeitgebundenen bzw. sprechund referenzzeitbeziehbaren Adverbiale einerseits und solche mit autonomer und mittelbarer Zeitreferenz andererseits hingewiesen. Die letzte Unterscheidung

97 Das ko-extensive Präsens prädiziert Merkmale, die in ihrer zeitlichen Erstreckung mit dem Merkmalträger identisch sind - zumindest in der Annahme des Sprechers. 98 J. Joyce 1964, 57. 99 Vgl. oben, S. 298.

311

hat uns dazu geführt, zwischen Adverbialen mit texteröffnender und textfortführender Funktion zu unterscheiden. Sodann haben wir (2.) auf Kontextimplikationen als weitere textgestaltende Funktion bestimmter Adverbiale hingewiesen. Schließlich aber haben wir (3.) gefragt, welche Rolle dem Zeitadverbiale bei der Darstellung der unterschiedlichen Redeformen zukcmmt. In eben diesen Zusammenhang wurde deutlich, daß zur Darstellung von Wahrnehmung, Qnpfindung, Gedanken und Rede in der direkten Rede, dem direkten Zitat, im inneren Monolog und der erlebten Rede nur sprechzeitgebundene oder sprechzeitbeziehbare Adverbiale verwendet werden können, während ihre Darstellung in der indirekten Rede, im Rede- und Erzählbericht referenzzeitgebundene oder -beziehbare Adverbiale voraussetzt. Dies wird insbesondere bei der gruppierenden Anordnung der Ereignisfolge deutlich. Redebericht, indirekte Rede und Erzählbericht sind im Kontext der Er-Erzählung darauf angewiesen, von einer sekundären Orientierungsachse

aus, die mittels autonomer Adverbiale errichtet wird,

die Ereignisse mittels relativer, hier also durch referenzzeitgebundene oder -beziehbare Adverbiale auf der Zeitlinie zu orten. Wir zitieren hierfür noch einmal ein Textbeispiel: On a Saturday morning in December, Morris, after a little more than two impatient weeks upstairs, came down with his head healed. The night before, Ida told Frank he would have to leave in the morning, but when Morris later learned this they had an argument.'®®

Wir bemerken, daß uns zunächst ein autonomes Adverbiale in einen bestimmten Punkt auf der Zeitlinie versetzt. Daß es sich hier um eine fiktive Welt handelt, ist von keinen Belang. Kalenderdatum und Tageszeit definieren eine Referenzzeit, die mittels der Tempuswahl gegenüber der Sprechzeit des Erzählers als vorzeitig festgelegt wird. Das Ereignis, das von Morris berichtet wird ("cane down"), ist mit dieser Referenzzeit gleichzeitig. Das nächste Adverbiale, the night before, ist referenzzeitgebunden und kennzeichnet das erzählte Ereignis ("teil") als vorzeitig in bezug zur im ersten Satz definierten Referenzzeit, obwohl auf das Past Perfect als relatives Tempus zugunsten des Past verzichtet wird. Das nunmehr folgende Adverbiale, in the morning, kann scwohl Sprech- wie referenzzeitbezogen verwendet werden. Wir nehmen hier Referenzzeitbezug an. Das nächste Adverbiale, later, ist referenzzeitgebunden, zumindest insofern, als es nicht ohne vorausgehenden Kontext auf die Sprechzeit bezogen werden kann. Es steht zudem in einem Temporalsatz und ortet die

100 B. Malamud 1978, 71.

312 Ereignisse "learn this" und "have an argument" als nachzeitig gegenüber der im ersten Satz etablierten Referenzzeit. In dem Umstand, daß das Adverbiale later sich nicht auf the night before bezieht, sondern auf on a Saturday morning in December, vermuten wir eine Gesetzmäßigkeit der Zeitorientierung: relative Adverbiale orientieren sich jeweils an dem Referenzpunkt, der in der Zeit am weitesten vorangeschritten ist. Im vorliegenden Falle ist dies ¡'a Saturday morning" und nicht "the night before". Die gruppierende Ordnung der Ereignisfolge in der direkten Rede, im inneren Monolog und der erlebten Rede ist dagegen auf sprechzeitgebundene oder -beziehbare Adverbien angewiesen, was zur Folge hat, daß der Leser in diesen Darstellungsformen in das Zeigfeld· und damit in das Bewußtsein der dargestellten Person versetzt wird.

Auch hierfür zitieren wir noch einmal ein Textbeispiel:

Her new Saratoga trunk stood solid and gleaming in the firelight. To-morrow it would be taken away and she would be gone. The room would be altogether Harriett's. It would never have its old look again. She evaded the thought and moved clumsily to the nearest window.'®'

Der einleitende Satz ist aus der Perspektive des Erzählers gesprochen.

Das

sprechzeitgebundene Adverbiale to-morrow versetzt uns dann in das Zeigfeld der dargestellten Person.

Es definiert das Ereignis "be taken away" im Verhältnis

zum Referenzpunkt des ersten Satzes als zukünftig.

Die Prädikate der beiden

folgenden Sätze sind in der Ereigniszeit für "be taken away" verankert und erstrecken sich von da aus "unbegrenzt" in die Zukunft.

Der letzte Satz der

Textstelle führt uns nach diesem gruppierenden Ausgriff in das Zeigfeld des Erzählers zurück. Wir können uns nun fragen, wie sich die unterschiedlichen Techniken zur Darstellung von Wahrnehmungen, Empfindungen, Gedanken und Rede voneinander unterscheiden.

In die folgende Übersicht nehmen wir neben dan auktorialen

Erzählbericht (EB), den Redebericht (RB), die indirekte Rede (IR), die direkte Rede (DR), die erlebte Rede (ER), die erlebte Wahrnehmung (EW) und den inneren Monolog (IM) auf und stellen fest, ob die Wahl von Tempus und Aspekt, des Zeitund Ortsadverbials, der Personenidentifikation und der Redestil sich jeweils aus der Perspektive der dargestellten Person (+) ergibt, oder aus der des Erzählers (-). Darüber hinaus verzeichnen wir, ob die dargestellte Rede bzw.

101 D. Richardson, zit. nach G. Steinberg

1971, 213.

313

die dargestellten Bewußtseinsinhalte von einem übergeordneten einführenden Satz syntaktisch abhängig sind und eine unterordnende Konjunktion verwendet wird (+). Unter diesen Gesichtpunkten erhalten wir das folgende Schema: EB

RB

IR

DR

ER

EW

IM

Tempus

(-) (-) (-) (+) ( - )

(-)

(+)

Aspekt

(-)

( + ) (+)

(-)

(+)

Zeitadv.

(-) (-) ( - )

( + ) ( + ) (0)

(+)

Ortsadv.

(-) (-) ( - )

( + ) ( + ) (+) (+)

Personen

(-)

(-)

(-1

( - ) (-)

( + ) (-)

Hypotaxis

(-)

( + ) ( + )(?)

Konjunktion

(±)

(±)

Redestil

(-)

(?)

102

(-)

(+)

(-) (-)

(-) (-) (-) (-)

( + ) ( - ) ( + ) (*) (+)

Das Schema erfordert einige Anmerkungen: Im Felde "Zeitadv·/EW" bedeutet das Nullzeichen, daß, wie schon festgestellt, in der EW als Orientierungszentrum immer nur das aktuelle Jetzt der dargestellten Person gemeint ist, ob es nun im Text benannt ist oder nicht. Die Felder "Redestil/RB" und "Redestil/IR" wollen mit dem Zeichen (+) zum Ausdruck bringen, daß in beiden Formen der Rededarstellung Elemente des personalen Stils der dargestellten Person erhalten sein können, in der Regel aber die Äußerung der dargestellten Person aus der Sicht des Erzählers zusammengefaßt oder wiedergegeben werden. Das Zeichen (-) 103

im Felde "Redestil/EM" soll andeuten, daß, wie bereits erwähnt, EW nicht auf Rede zurückführbar ist. Diese These übernehmen wir von Bernhard Fehr unter dem Vorbehalt, daß sie zu überprüfen wäre. Daß die IR auch ohne unterordnende Konjunktion vorkommt, ist durch (-) im Felde "Konjunktion/IR" zum Ausdruck Gebracht. Das Zeichen im Felde "Hypotaxis/ER" zeigt an, daß neben der völlig freien erlebten Rede, eine Form der Redewiedergabe verwendet wird, die einen eingeschalteten Einführungssatz enthält, in allen übrigen Merkmalen aber mit der freien erlebten Rede übereinstimmt. Wir zählen diese Form zur erlebten Rede. 102 Ein ähnlich differenzierendes Schema auf der Grundlage von Tiefenstrukturen mit performativen Hypersätzen gibt G. Rauh 1978, 317. 103 Vgl. oben, S. 306.

6.

ZUR PRAKTISCHEN AUSWERTUNG UNSERER ANALYSEN

6.0

Wenn wir im folgenden nach der praktischen Auswertbarkeit unserer Vor-

schläge fragen, haben wir den praktischen Sprachunterricht an Schule und Universität und den analytischen Umgang mit Texten im Auge.

Insbesondere denken

wir an die Entwicklung eines Verfahrens zur Darstellung der Verzeitungsstruktur von Texten, das im Hinblick auf seine praktische Verwertbarkeit möglichst einfach und anschaulich gehalten sein soll.

6.1

Bei der Entwicklung eines solchen Verfahrens sollen deshalb die folgenden

Grundsätze beachtet werden: (1) Es soll sich in der Hauptsache um ein graphisches System handeln, das gegebenenfalls durch andere Systeme ergänzt werden kann. (2) Es soll möglichst einfach und platzsparend sein, aber alle Informationen aufnehmen können, die nötig sind, um (3) die klare Unterscheidung der Redeformen zu ermöglichen.

Es soll (4) nicht nur auf den isolierten Satz

abgestellt sein, sondern so gestaltet sein, daß die Verzeitungsstruktur größerer Textabschnitte dargestellt werden kann.

Schließlich soll es (5) alle

Informationen enthalten, die für die Reproduktion des analysierten Texts nötig sind.

Insgesamt bedeutet dies, daß das zu entwickelnde Instrumentarium in der

Lage sein soll, die Verzeitungsstruktur eines Texts zu erfassen und in einem Schema, wenn man so will, einer Partitur, festzuhalten, die ausreichende Anhaltspunkte für die Reproduktion des ursprünglichen Texts liefert. Diese Zielsetzung müssen wir durch einen Vorbehalt einschränken.

Offen-

sichtlich sind Texte von solcher Komplexität, daß man nicht erwarten kann, alle ihre Eigenschaften in graphischer oder sonstiger Notation darstellbar zu machen.

Wir werden auf die Grenzen unseres Verfahrens von Fall zu Fall hin-

weisen.

Besondere Schwierigkeiten sind bei der Darstellung von Konditional-

und ¡Modalsätzen zu erwarten.

Trotzdem dürfte sich das zu entwickelnde System

in einen gewissen Umfang als brauchbar erweisen.

315

6.2 Wir erinnern uns daran, daß die Verzeitung eines Texts primär durch das Verbalsystem bewerkstelligt wird, das wir als Interdependenzstruktur aus vier Komponenten beschrieben haben. Diese vier Komponenten sind (1) der inhärente Zeitbezug (Geschehenskonzepte und Verzeitungspotential), (2) das Zeitadverbiale, (3) das Aspektsystem und (4) die Tempora. Über das Verbalsystem hinaus brauchen wir aber Darstellungsmöglichkeiten für (5) den zeitvergleichenden Satz, (6) die Redeformen und schließlich für (7) die Strukturierung des Zeitbezuges in größeren Textpassagen. Wir greifen diese Aufgaben im folgenden im einzelnen auf. 6.3. Wir beginnen mit dem Verbalsystem. Graphische Darstellungen für den inhärenten Zeitbezug, für die Geschehenskonzepte, das Verzeitungspotential und die Aspektopposition im Präsens sind bereits in den Kapiteln 2 und 4 entwickelt worden. Wir können uns deshalb hier auf die Tempora und das Zeitadverbial beschränken. Die Darstellungen sollen, daran sei noch eirmal erinnert, nichts weiter als Vorschläge sein. 6.3.1 Zum Zwecke der graphischen Repräsentation der Tempora greifen wir auf Reichenbachs System zurück, das, wie in Kapitel 4 bereits dargelegt, mit den drei Grundbegriffen der Sprech- (S), Referenz- (r) und Ereigniszeit (e) arbeitet. Wir übernehmen für unsere Schemata die Symbole für die Sprech- und Referenzzeit, das Ereignis in seiner zeitlichen Erstreckung und Lokalisation stellen wir graphisch dar. 6.3.1.1 Für das Present Tense fallen nach Reichenbach alle drei Zeitdeterminationen, die Sprech-, Referenz- und die Ereigniszeit zusammen. Wir markieren die Sprech- und Referenzzeit auf der Zeitlinie durch einen senkrechten Strich und setzen das Ereignis dazu in Gleichzeitigkeitsbeziehung: Das Ereignis markieren wir hinsichtlich seines inhärenten Zeitbezugs, wie in den Kapiteln 2 und 4 angedeutet. Das außerzeitliche bzw. koextensive Präsens wie z.B. dann den folgenden Graphen: S R 1 day) Λ E 1 day) dargestellt werden, die zu lesen ist als "Referenzpunkt, der um einen Tag früher liegt als die Sprechzeit, " und the day before yesterday könnte unter Anlehnung an das Verfahren R. Bäuerles mittels des Ausdrucks R = day (S > 1 day > 1 day) dargestellt werden, der in dem zweimaligen " - 1 day" einen deutlichen Hinweis auf den lexikalischen Aufbau des Zeitadverbials, d.h. auf yesterday, enthielte.

Das Zeitadverbiale two

days ago erhielte im Gegensatz dazu die Formel R = day (S > 2 days). ähnlicher W e i s e ließen sich the week before 1 week))

u n d last week

(R = week

Die Ausdrücke tomorrow,

last

(s > 1 week))

the day after

(R = week

In

(S > 1 week

>

unterscheiden.

tomorrow,

tomorrow

week u n d next

week

würden dementsprechend die folgenden Formeln erhalten: tomorrow = (R = day (S < 1 day)),

the day after

tomorrow

week = (R = day (S < 1 day < 1 week),

Die

= (R = day next

(S < 1 day < 1 day)),

week = (R = week

(S < 1

tomorrow

week)).

Darstellungsform der einzelnen Adverbien müßte möglicherweise ver-

feinert werden.

Wesentlich aber ist, daß die analytische Formel zum einen die

Sprechzeitbindung des Zeitadverbials deutlich macht und in einfacher Form möglichst auch ausreichende Hinweise auf seinen syntaktischen Aufbau und das lexikalische Material enthält, das es verwendet.

6.4.2.3

Für die referenzzeitbezogenen oder -gebundenen Zeitadverbiale gilt es

sichtbar zu machen, daß ihr Verankerungspunkt nicht nur die Sprechzeit, sondern ein im Kontext bereits spezifizierter Zeitpunkt ist.

Dieser kann ein

Referenzpunkt sein, der im Text vorausgeht, oder auch eine Ereigniszeit.

Wir

bezeichnen diesen Verankerungspunkt zunächst als Anknüpfungspunkt (A) und denken dabei zunächst an die Verzeitung von Erzähltexten.

Was A im konkreten

Fall jeweils ist, bleibt zunächst offen. Das Adverbiale then oder at that time wäre demnach darzustellen als Rx

= A, the day before

R

= year

werden.

(A > 1 year),

als R^ = day

(A > 1 day),

the week before

als Rx

the previous

= week

year

(A > 1 year)

als dargestellt

Die letzte Formel wäre zu lesen als "Referenzpunkt ist diejenige

Woche, die um eine Woche früher liegt als der Anknüpfungs- oder Ve ranke rungspunkt.

Ausdrücke wie the following day oder the next week erhielten die

346 Formel Rχ

6.4.2.4

= da y (A < 1 dayJ, beziehungsweise R

= week

(A < 1

week).

Bei der Darstellung der Intervalladverbien ist zu bedenken, daß sie

nicht orientierend, sondern quantifizierend fungieren und folglich zur Modifikation der Geschehenskonzepte beitragen.

Unquantifizierte Zustände und Pro-

zesse werden durch den Hinzutritt eines Intervalladverbs quantifiziert: wait ~ wait for half an hour.

Sie bestimmen

liefern in der Regel keine ReferenzZeiten.

also die Ereigniszeit und

He lived in India for ten years

wäre deshalb in den unverzeiteten Satzbegriff (Proposition) ρχ: he live in India und das Zeitadverbial ten years zu zerlegen, das wir der Proposition als Ereignisdauer zuordnen: ε

(ρχ) = lo years.

Die Rücktransposition in den

Text hätte for zu ergänzen: for ten years. Adverbiale des Typs since 1970 müßten, wenn sie als Intervall- und nicht als Rahmenadverbiale fungieren, den Endpunkt ihrer Geltung spezifizieren.

Wir

schlagen deshalb zu ihrer Darstellung die folgenden Formeln vor: Ε

(ρ χ ) =

I (1970 - S) für d e n Satz I have

(ρχ)

I (1970 - R) für I had lived

lived

in England

in England since

since

1970 und

=

1970.

Verhältnismäßig einfach können Intervallangaben mit kalendarischen Anfangsund Endpunkten notiert werden: From 1972 to 1975 erhielte die Formel E

=

I (1972 - 1975) und from Monday

-

till Friday

d e n Ausdruck E

= I (Monday

Friday).

In einem Satz wie We stayed there till 1976 müßten wir berücksichtigen, daß das Zeitadverbiale auf einen kontextuell gegebenen Anfangspunkt Bezug ninmt, ihn jedoch nicht nennt.

Wir bezeichnen ihn deshalb mit einem eingeklanmerten

(R), bzw. (A): E t = I ((R) - 1976). Wir haben bereits in Kapitel 3 erwähnt, daß die Besonderheit des Intervalladverbs darin besteht, daß es in allen seinen Teilintervallen und in jedem Zeitpunkt seiner Erstreckung die Wahrheit des prädizierten Sachverhalts voraussetzt, weshalb seine formallogische Darstellung den Allquantor benützen müßte. Auch für das Zeitadverbiale in Sätzen wie The sun gives us light during the day würde er sich eignen, um die generelle Geltung von during the day anzudeuten: E

- vi (the day).

Das Zeitadverbiale in dem folgenden Satz wäre analog

darzustellen: The moon

shines

at night

- E

= tf Ι (night).

Die Rücktrans-

position dieser Formeln im Text hätte die passende Präposition (during, bzw. at) bereitzustellen.

347

6.4.2.5

Im Gegensatz zur Leistung der Intervalladverbien besteht die der

Rahmenadverbiale nicht darin, den Geschehenstyp zu modifizieren. Vielmehr definieren sie jeweils eine Ereigniszeit, indem sie für diese einen zeitlichen Rahmen eingeben. Man könnte von einem Referenzrahmen oder -intervall sprechen, der die Ereigniszeit als Teilintervall enthält. Dabei können wir die Unterscheidung der Mengenlehre zwischen dem bloßen Enthaltensein des Teilintervalls im Rahmen, das Deckung nicht ausschließt, ( 9 ), und der echten Teilmenge, ( c ), aufgreifen.^ Die Ereigniszeit wäre echte Teilmenge des Referenzrahmens in einem Satz wie He'll arrive within an/the hour.

Das Adverbiale bezeichnet die Ereignis-

zeit als Teilintervall eines Intervalls, das sich von der Sprechzeit aus eine Stunde in die Zukunft erstreckt. Es könnte durch den folgenden Ausdruck dargestellt werden: Et (ρχ) S/R).

=> S/R).

D 5/R 1

' ·

(Erw^_( ~ pTp) < S/R).

(Erwt(pT~p) < S/R).

IΈ ( ~p) => S/RJ.

(Eri^ fpT ~ p j > S/R J.

Die Formeln wären wie folgt zu lesen: Für already gilt, "die Ereigniszeit für 52 ρ bzw. der Nachzustand des Ereignisses schließt die Sprech- bzw. Referenzzeit ein und die Erwartungszeit für den Übergang von ~p zu ρ liegt später als die Sprech- bzw. Referenzzeit. für

Für not yet dagegen gilt, die Ereigniszeit

~ p schließt die Sprech- bzw. Referenzzeit ein und der Übergang von ~p zu

ρ wird für einen früheren Zeitpunkt als die Sprech- bzw. Referenzzeit erwartet. Wie der Vergleich der Ausdrücke für die vier Adverbien zeigt, liefert unsere Analyse eine klare Unterscheidung für sie. Allerdings sind die Ausdrücke verhältnismäßig lang, so daß man sich bei der konkreten Textanalyse vohl mit der Eintragung des jeweiligen Lexems in die Adverbialspalte begnügen wird. 6.4.2.9 Abschließend sei, bevor wir einige Sätze mit Zeitadverbialen nach unserem Schema darstellen, noch ein praktischer Hinweis gegeben: Bei der Notierung syntaktisch komplexer Adverbiale verfahren wir nach dem Grundsatz, daß von den allgemeineren zu den spezifischeren Zeitangaben fortzuschreiten ist. Dementsprechend wäre der Ausdruck yesterday morning at ten zu notieren als R/Et = S - 1 day (morning (10 o'clock)).

IM Mißverständnissen vorzubeugen, sei noch einmal erwähnt, daß die hier für das Zeitadverbiale vorgeschlagenen Notierungen nicht als erschöpfende semantische Analyse auf formallogischer Grundlage gedacht sind.

Sie sollen die

Verzeitungsleistung der Adverbiale nur so weit abbilden, daß die richtige Wahl des Adverbials bei der Rückübersetzung der Analysediagranme im Text möglich wird.

Dabei sollen die Analyseergebnisse Unterscheidungen gerade in

kritischen Bereichen (next week - the next week, yesterday - the day before,

tomorrow - the following day usw.) ermöglichen.

Jedoch sind, so hoffen wir, in

unseren Analysen Sachverhalte zur Sprache gekernten, die auch in einer konsequenten formallogischen Darstellung des Zeitadverbials zu berücksichtigen wären.

52 Dies bezieht sich auf Sätze wie the train has already arrived etc.

353 6.4.3 Nach diesen Bemerkungen soll unser bisher angedeutetes Verfahren an einigen konkreten Beispielen erprobt werden. Dabei sollen sich die in den Graphen gegebene Information und die Hinweise in der Adverbialspalte so ergänzen und aufeinander beziehen, daß die Rekonstruktion der analysierten Sätze aus diesen Informationen möglich wird. Wir betrachten die folgenden Sätze: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10)

He came in during the night. We have been living here since 1971. We have lived here for twenty years. He will come here again next week. This shop will still be open at ten this evening. By next June he will have written his second novel. In 1975 he had already built several houses and a church. He recently had an accident. He has recently had an accident. John has already arrived.

Zur Erläuterung dieses Analyseversuches sei folgendes angemerkt. In Satz 1 ist das Zeitadverbiale ein Rahmenadverbiale, das wir darstellen, indem wir die Ereigniszeit als Teilintervall dieses Rahmens angeben. Die Adverbiale in den Sätzen 2 und 3 errichten keine eigenen Referenzpunkte, sondern modifizieren über die Spezifikation der Ereigniszeit das von der Proposition jeweils bezeichnete Geschehenskonzept.

In den folgenden Sätzen konstituieren die

Zeitadverbiale Referenzpunkte, in Satz 9 allerdings dergestalt, daß die Ereigniszeit wie in Satz 1 als Teilintervall der Referenzzeit aufgefaßt wird.

6.4.4 Wir beschließen diesen Abschnitt mit einigen allgemeinen Erwägungen, insbesondere mit dem Hinweis auf die wichtigsten Probleme, mit denen uns unser Analyseversuch konfrontiert. Da ist zunächst die Frage, ob der Typus des Adverbials durch unsere Formeln jeweils richtig erfaßt ist und ob die mit den Formeln gelieferte Information ausreicht, um das jeweils im Text vorfindliche Adverbial auch lexikalisch zu identifizieren. Wir sind der Meinung, daß wir mit der Unterscheidung von orientierenden und quantifizierenden Adverbialen einen ersten wesentlichen Schritt zur Identifikation ihrer Textfunktion, bzw. ihrer konmunikativen Leistung insgesamt getan haben. Auch unsere übrigen Unterscheidungen z.B. die Frage nach Sprech- oder Referenzzeitbindung, zeigt einen wesentlichen Aspekt der konmunikativen Leistung des Zeitadverbials auf. Dennoch wird unsere Analyse das einzelne adverbiale Lexem nur in den Fällen identifizieren, vro keine synonymen Paraphrasen verfügbar sind. Dies scheint bei den oben erörterten

354 Suppletivpaaren der Fall zu sein. Als weiteres wesentliches Problem erscheint uns die Frage nach dem Anteil des Zeitadverbiales an der kommunikativen Gesamtleistung einer Äußerung im Vergleich zu der von Tempus, Aspekt und internem Zeitbezug der Proposition. Wenn wir recently in Verbindung mit einem Perfekt als Rahmenadverb, in Verbindung mit dem Past als Tensor betrachten, sollen wir dann diesen funktionalen Unterschied den beiden Tempora zuschreiben, die gewissermaßen eine allgemeine Gesamtbedeutung spezifizieren, oder sollen wir diese beiden Funktionen dem Adverbial selbst zuschreiben und ihre spezifische Funktion jeweils der selektiven Wirkung des Kontexts zuschreiben? Diese Frage bedarf eingehender Untersuchung.

6.5 Eine noch komplexere Stufe sprachlicher Verzeitung als der Satz mit Zeitadverbialen stellt das temporale Satzgefüge, in unserer Terminologie der zeitvergleichende Satz, dar, der aus einem Hauptsatz und einem Nebensatz mit unterordnender Konjunktion besteht: I arrived after he had left.

6.5.1 Dieser Satztyp kommt in verschiedenen syntaktischen Varianten vor. Diese ergeben sich aus der unterschiedlichen Gestaltung des Nebensatzes. Er kann mittels finiter Verbformen voll ausgestaltet sein: we were sitting at the breakfast table when a shot rang out - , in infinitivischer Form erscheint er

53 im sogenannten ACI: I saw him swim across the river - ,

schließlich aber

kann er als Partizipialkonstruktion erscheinen: He wrote his greatest novel while working on a freighter - I saw him crossing the street - Nearing the entrance, I shook hands with my acquaintances

(GCE, 744) oder

zur Konjunk-

tion plus Nominalphrase reduziert sein: while in London, he studied music (ALD) .

Alle reduzierten Formsn lassen sich zu vollständigen Nebensätzen ergänzen. Der ACI I saw him swim across the river kann wiedergegeben werden als I saw him as he swam across the river oder durch zwei selbständige Sätze: I saw him. He swam across the river, wenn man zum Ausdruck bringen will, daß der Infinitiv das Ereignis "swim across the river" komplexiv auffaßt. Dagegen müßte

53

Auf weitere Infinitivkonstruktionen in der Funktion temporaler Nebensätze weist die GCE, 745 hin.

355 der ACP I saw him crossing the street mittels der Konjunktionen while oder as und der finiten erweiterten Form ergänzt werden zu I saw him while/as he was crossing was in

the street.

Die elliptische Form While in London steht für While he

London.

Wir legen deshalb als einen unserer Analysegrundsätze fest, daß reduzierte Nebensätze zu ihrer vollständigen Form ergänzt werden, bevor sie als Propositionen oder Satzbegriffe in ihre Spalte im Analysediagraitm eingetragen werden. Allerdings muß zum Zwecke der Rekonstruierbarkeit der ursprünglichen Textform das Ausmaß der Reduktion festgehalten werden und zwar entweder durch Einklairmerung lexikalischen und morphologischen Materials oder durch explizite Bezeichnung der Konstruktion, in der der Nebensatz im Text erscheint. Dies würde in unserem Diagramm für den Satz I saw him swimming across the river den folgenden Eintrag ergeben: Satz 51

Diagramm

Propositionen pi: I see him p2 p2: he swim across the river (ACP)

Die Anpreisung (ACP) für p2 würde ausreichen, um die Form des Nebensatzes festzulegen, so daß die Rücktransposition des Analysediagranms den Ausgangssatz ergeben würde. Bei Partizipialkonstruktionen müßten Einklammerungen das Ausmaß der Verkürzungen andeuten. Der Satz Nearing the entrance, I shook hands with my acquaintances

könnte in seiner syntaktischen Struktur in der Propositions-

spalte wie folgt angedeutet werden: 51

pi: (as) I near the entrance

(Pk)

p2 : I shake hands with my acquaintances

Wenn man (PK) als Anweisung liest, pi als Partizipialkonstruktion zu gestalten und davon ausgeht, daß die Regeln über die Weglassung des Subjekts in solchen Konstruktionen bekannt sind, reicht die im Analysediagraitm bereitgestellte Information wiederum, um den Ausgangssatz zu rekonstruieren. Unberücksichtigt geblieben ist bisher die Verzeitungsfunktion der Teilsätze im zeitvergleichenden Satz.

356 6.5.2

Die Textfunktion des zeitvergleichenden Satzes besteht unserer Ansicht

nach darin, mehrere Ereignisse in zeitliche Beziehung zueinander zu setzen, sie im Sinne der Vor-, Gleich- und Nachzeitigkiet einander zuzuordnen.

Er stellt

damit die erste Stufe der Gruppierung von Ereignissen in Erzähltexten dar. Wenn wir dem Nebensatz hierbei adverbiale Funktion zuschreiben, sagen wir damit eigentlich, daß es der Nebensatz ist, der den Referenzpunkt für die Handlung des Hauptsatzes errichtet. dies grundsätzlich annehmen.

Wir wollen, zunächst nur als Hypothese,

Wir würden den Satz She dropped the glass as

she was standing up demnach so verstehen, daß der Nebensatz (p2) as she was standing up zu paraphrasieren wäre als "zu einer Zeit, während sie aufstand/ während sie stand".

Formal würden wir in der Adverbialspalte die Funktion des

Nebensatzes wie folgt notieren: R^ e2 (und e^ = R). Dieser Ausdruck kann ohne Informationsverlust reduziert werden zu R = t > E^ (und B1 = R). Zudem wird man anmerken müssen, daß der zusätzliche Referenzpunkt (r') in keiner Weise im Fortgang des Textes durch relativen Zeitbezug faßbar wird. Eine gewisse Berechtigung erhält der zusätzliche Bezugspunkt im Nebensatz in Sätzen wie (a) He will finish it before John washes up und (b) He will

finish it before John has washed up. In Satz (a) wird die Beendigung einer Tätigkeit vor dem Abwaschen plaziert, S 1

E

= R 1

finish it

E 1

1

I wash up |

»

in Satz (b) erfolgt dagegen die Beendigung dieser Tätigkeit auch während des Abwaschens:

57 R. Huddieston 1969, 791.

358

S ι

wash up

E1 = F finii*h it

E

2

heîve washed up

Diese Differenzierung ergibt sich offensichtlich nicht, wenn die Nebensatzhandlung punktuell ist: Satz (a) He will die before we reach the station und Satz (b) He will die before we have reached the station sind in meinem

Verständnis bedeutungsgleich. Offenbar ist auch die Interpretation von zeitvergleichenden Sätzen nicht möglich, ohne daß man die Geschehenskonzepte der beteiligten Satzbegriffe berücksichtigt. Temporale Nebensätze mit progressiver Verbform liefern in der Regel den 58 Hintergrund für die Handlung des Hauptsatzes. John ate his dinner while he was watching television. Der Temporalsatz sagt nichts anderes, als daß es ein Zeitintervall gibt, das Teilintervall der Nebensatzhandlung ist, und dieses Zeitintervall ist die Referenzzeit, mit Bezug zu welcher die Handlung des Hauptsatzes (im vorliegenden Fall als gleichzeitig) verzeitet wird. 6.5.3 Vom Referenzpunkt im zeitvergleichenden oder adverbial modifizierten Satz sollten wir den Anknüpfungspunkt bei textueller Verzeitung unterscheiden. Normalerweise ist dies der Referenzpunkt oder die Referenzzeit. Genaue Erkenntnisse über den Ablauf der Verzeitungsoperationen im Text, insbesondere in Erzähltexten, liegen noch nicht vor. Die folgenden Ausführungen wollen deshalb eher Anregungen und Hinweise geben, als gesicherte Erkenntnisse liefern. Im einzelnen vermuten wir, soweit der zeitvergleichende Satz betroffen ist, die folgenden Regularitäten: (a) Alle Ereignisse, die mittels relativer Tempora ausgesagt werden, können nicht den textuellen Anknüpfungspunkt liefern. In dem Satz Our hostess, once everyone had arrived, was full of good humour

(GCE, 744) definiert der Neben-

satz den Referenzpunkt (R > Bp2), mit welchem die Hauptsatzhandlung gleichzeitig ist (R = Epl). Textueller Anknüpfungspunkt (A) kann nur die Hauptsatzhandlung sein. Als graphische Darstellung ergibt sich das folgende Schema:

58 Vgl. H. Weinrich 1964, 156 ff.

359

51

Propositionen

Adverbiale

pi: our hostess be full of good humour

R = Epi = A

Graphisches Diagramm Ρ -M ι I

C 1 (A)

I

p2: (once) every- R > Ep2 one arrive

..J—

Wenn der Text mit einem relativen Adverbiale fortführe (... later she became despondent again), bezöge sich dieses auf die Hauptsatzharidlung, nicht auf den Referenzpunkt, der eigentlich den Beginn der guten Laune der Gastgeberin bezeichnet. Im Prinzip die gleiche Darstellung müßten Sätze erhalten wie Come in when you have taken your coat off (DCE) - This dictionary will look nice when printed

(DCE) - Now that spring has come, the world looks brighter - He got

married as soon as he had left university - Directly I had done it, I knew I had made a mistake

(ÄLD) - I found your coat after you had left the house

(AID) - I shall arrive after you have left - No sooner had we sat down than we found out it was time to go (DCE).

(b) Sachverhalte, die mittels der Progressivform ausgesagt werden, enthalten einen unspezifizierten Referenzpunkt, der im Kontext durch Zeitadverbial oder eine Aussage in der einfachen Verbform spezifiziert wird. Da die Progressivform von sich aus keinen quantifizierten Sachverhalt bezeichnen kann, fungiert sie nicht als Anknüpfungspunkt für die textuelle Verzeit.ung, sondern als Hintergrundsternpus und offener Rahiren für Ereignisse, die die Handlung einer Geschichte vorantreiben.

Isolierte Progressivformen beziehen sich deshalb in

der Regel auf im Kontext bereits markierte Bezugspunkte. Sie versetzen den Leser jeweils in die Mitte des von ihnen bezeichneten Ereignisses. Das relative Zeitadverb bezieht sich in der Regel nicht auf das durch die Progressiv-, sondern auf das durch die einfache Form des zeitvergleichenden Satzes bezeichnete Ereignis: We were sitting at the breakfast table when a shot rang out.

Then an explosion followed.

Es ist ganz offensichtlich, daß

then sich nicht auf die Hintergrundhandlung bezieht, die offensichtlich noch andauert, wenn das zweite Ereignis, die Explosion, eintritt. Anknüpfungspunkt für then ist also "a shot ring out". Die Verzeitungsleistung des Gesamtsatzes kann deshalb wie folgt beschrieben werden: Der erste Teilsatz errichtet mittels der Progressivform gewissermaßen eine "Leerstelle", einen unspezifizierten Referenz- oder Bezugspunkt, der dann durch das im zweiten Teilsatz berichtete Ereignis "ausgefüllt" wird. Der folgende Satz knüpft mit seinem relativen

360 Adverbiale an diesen Referenzpunkt an. Das Adverbiale then errichtet unter Bezugnahme auf den vorausgehenden Referenzpunkt, d.h. auf das im zweiten Teilsatz berichtete Ereignis einen neuen Referenzpunkt, mit dem das neue Ereignis gleichzeitig ist. Wir können dies in etwa wie folgt in Formeln zum Ausdruck bringen: Epl => R; Ep2 = R.

Die ganze Satzfolge könnte graphisch wie folgt

dargestellt werden:

51

52

Propositionen

Adverbiale

pi: we sit at the breakfast table

Epl 3 R

p2: (when) a shot ring out

Ep2 = R1

p3: an explosion follow

.X «?

Graphisches Diagramm

R

R >

2

s

s

2

Χ

R

1

Ähnlich verzeitet wie der eben erörterte Satz (21) sind die folgenden Sätze When I came home, she was cooking dinner (DCE), He wrote his greatest novel while working on a freighter (GCE, 744), He saw her as they both were

getting off a bus (DCE). Auch die folgenden Satzgefüge mit verkürzten Nebensätzen zeigen dais gleiche Muster.

Nearing the entrance, I shook hands with my

acquaintances (GCE, 744), While I was out, he started to misbehave (DCE), While in London, he studied music (DCE).

Wir beachten, daß das Hintergrundstempus und das relative Tempus sowohl im Haupt- wie im Nebensatz vorkommen können: The explosion occurred while we were sitting on the verandah - When the explosion occurred, we were sitting on the verandah - John came when Mary had left - When John came, Mary had left.

Wir

kennzeichnen deshalb die Proposition mit Nebensatzfunktion, indem wir ihr die eingeklammerte Konjunktion beifügen. (c) Eigens zu erwähnen sind die Nebensätze mit den Konjunktionen since und until. Der mit since eingeleitete Nebensatz fungiert entweder als Intervalloder als Rahmenadverb. Als Intervalladverb modifiziert oder präzisiert er die Ereigniszeit des Hauptsatzes: We have lived here since I left school.

Aller-

dings ist an dieser Leistung das Tempus in entscheidender Weise beteiligt. Es liefert den Endpunkt des Intervalls, über welches das Ereignis des Hauptsatzes prädiziert wird, und in unserem Falle (im Falle des Perfekts) den Referenzpunkt.

Ein folgendes relatives Zeitadverbiale müßte sich auf diesen

beziehen: In a few weeks we shall move into a house of our own.

361 Als Rahmenadverbiale errichtet der mit since eingeleitete Nebensatz in Verbindung mit dem Tempus- im folgenden Satz mit dem Perfekt - ein Zeitintervall, das die Ereigniszeit des Hauptsatzes im Sinne des Existenzquantors enthält: Since

he left hospital,

take him back

there

tomorrow

he has had a severe

heart

(in a few days etc.)

attack.

Maybe

we

shall

Die Referenzzeit, zugleich

den Anknüpfungspunkt für das deiktische oder relative Zeitadverbial, errichtet das Tempus.

Die Verzeitungsfunktion des Temporalsatzes kann dementsprechend

durch den folgenden Ausdruck dargestellt werden: Ep2 c i(Epl - R).

R^ = S.

Das Adverbiale des Folgesatzes errichtet einen zweiten Referenzpunkt, der auf R^, d.h. auf die Sprechzeit Bezug niirmt: R^ = S + 1 day. Zur graphischen Darstellung dieser Satzfolge schlagen wir die folgende Skizze vor: Propositionen

Graphisches Diagramm

Adverbiale

S 51

52

y

pl: (since) he leave hospital p2: he have a heart attack

Ep2 ν R2 = S + 1 day

I

-1

L

¡

R2

:

^ ^

Wir beachten, daß pl einem sekundären Referenzpunkt (r) zugeordnet werden muß, damit sich für pl das Past ergibt. (d) Ein interessanter Typ des Temporalsatzes ergibt sich, wenn der Nebensatz m i t until o d e r tili eingeleitet wird: We waited you told me I had heard

nothing

about

that

till the rain

stopped

-

Until

affair.

im ersten Satzgefüge errichtet der Nebensatz in Verbindung mit einem im Kontext vorausgesetzten Bezugspunkt ein Intervalladverb, das die Hauptsatzhandlung quantifiziert: Als Referenzzeit wäre hier die gesamte Ereigniszeit der Hauptsatzhandlung anzusehen.

Textuel1er Anknüpfungspunkt für das relative

Zeitadverbial (z.B. then in Then we went home) wäre aber die Nebensatzhandlung. Graphisch könnte die Satzfolge wie folgt dargestellt werden:

362

21

22

Propositionen

Adverbiale

pl: we wait

Epi = I(R - Ep2) Epi = R1 X

p2: (till) the rain stop

Ep2 = A

p3: we go home

R2

>

Graphisches Diagramm R

S

1

1

1 r1

_J

A

A

=

R

S

2

Auch hier benötigen wir für p2 einen sekundären Referenzpunkt (r^), damit bei der Rücktransposition der graphischen Skizze in Text die Wahl des Past Tense gesichert ist. In unserem zweiten Satz ist es ebenfalls der Nebensatz, der den textuellen Anknüpfungspunkt für ein relatives Zeitadverbiale liefert. Ein then im Folgesatz würde sich auf pi ("you tell me") beziehen.

Zugleich liefert pl den End-

punkt eines Intervalls, für das die Hauptsatzhandlung behauptet wird, in unserem Fall im Sinne eines negierten Existenzquantors. Der Initialpunkt dieses Intervalls ist nicht spezifiziert und müßte vom Kontext bereitgestellt werden. Als graphische Darstellung dieses Satzes schlagen wir die folgende Skizze vor: Propositionen

Adverbiale

pl: (until) you tell me

Epi = R = A

p2: I hear nothing about that affair

Ep2 c I(t

Graphisches Diagramm R

51

J

s

r I I

- Epl) 1 1

1



1

11

Die in dem Satz enthaltene Negation (I had heard nothing

) lösen wir im

Sinne von (I had not heard anything) auf.

(e) Ein letzter Hinweis soll dem Temporalsatz gelten, der die unmittelbare Aufeinanderfolge zweier Ereignisse signalisiert: When I looked at her, she smiled - When I proposed to her she laughed etc.

Die Besonderheit dieser

Sätze liegt darin, daß sie, obzwar die von ihnen bezeichneten Ereignisse nicht gleichzeitig sind, diese auf denselben Referenzpunkt beziehen und das gleiche Tempus verwenden. Wir bringen die unmittelbare Aufeinanderfolge dadurch zum Ausdruck, daß wir in der graphischen Skizze die beiden Ereignisse mittels geschweifter Klamrer auf den Referenzpunkt beziehen:

363

51

Propositionen

Adverbiale

pi: (when) I look at her

Epi = R

Graphisches Diagramm R 1 I

s

_ J T "

p2: she smile

Der textuelle Anknüpfungspunkt ist in diesem Typ von Temporalsatz der gemeinsame Referenzpunkt, d.h. die Nebensatz- sowohl wie die Hauptsatzhandlung können den Bezugspunkt für das folgende relative Zeitadverbiale liefern.

6.6 Die Verzeitungsstruktur von Erzähltexten erfährt eine erhebliche Komplizierung durch die unterschiedlichen Formen zur Darstellung von Rede, Gedanken 59 und Wahrnehmungen. Aus den vielfaltigen Formen greifen wir die folgenden gleichsam als feste Orientierungspunkte heraus: (1) den Erzählbericht (EB), (2) die indirekte Rede (IR), die direkte Rede (DR), zu der wir das direkte Zitat zählen, die erlebte Rede (ER), zu der wir die erlebte Wahrnehmung hinzunehmen, und schließlich den inneren Monolog (IM). Wir unterscheiden also nicht zwischen direktem und indirektem inneren Monolog. Letzterer ist erzähltechnisch nichts anderes als erlebte Rede ohne Terrpus transposition. Er errichtet also wie die erlebte Rede neben dem Orientierungszentrum des Erzählers ein gesondertes Orientierungs- und Wahrnehmungszentrum für die dargestellte Person, macht die Erzählerperspektive allerdings nicht durch Terrpus transposition, sondern nur durch Personentransposition (3. Person) deutlich. Ein Beispiel für den Übergang aus erlebter Rede mit voller Tempustransposition in den indirekten inneren Monolog ist die folgende Stelle aus A Portrait of the Artist von James Joyce r^"1 (1) Soon he would sleep. (2) He had written verses for her again after ten years. (3) Ten years before she had worn her shawl cowlwise about her head, sending sprays of her warm breath into the night air, tapping her foot upon the glassy road. (4) It was the last tram; the lank brown horses knew it and shook their bells to the clear night in admonition. (5) The conductor talked with the driver, both nodding often in the green light of the lamp.

59 Zur Abgrenzung von erlebter Rede, direktem und indirektem inneren Monolog vgl. G. Steinberg 1971, 118 ff. 60 J. Joyce 1980, 200 f.

364 (6) They stood on the steps of the tram; he on the upper, she on the lower. (7) She came up to his step many times between their phrases and went down again and once or twice remained beside him forgetting to go down and then went down: (8) Let be! Let be!

Es handelt sich um Gedanken und Erinnerungen des Helden, der gerade einige Verse zu Papier gebracht hat und wieder zu Bett gegangen ist. Satz (1) formuliert in erlebter Rede seinen Gedanken

"Soon I shall sleep". Satz (2) fährt

mit dem Gedanken fort "I have written verses for her again after ten years". Satz (3) formuliert weiterhin in erlebter Rede seine Erinnerung daran, wie seine Partnerin damals ihren Schal getragen hat. Der Satz enthält eine Schwierigkeit insofern, als man statt des Adverbiales ten years before eigentlich ten years ago erwartet. Offensichtlich verstärkt der Erzähler hier die Erzählerperspektive um den Übergang in den indirekten inneren Monolog deutlicher hervorzuheben. Mit Satz (4) beginnt dann der indirekte innere Monolog ohne Tempustransposition und ist vom Erzählbericht nur aus bestimmten Zügen der Lexik zu unterscheiden, z.B. aus dem deiktisch gebundenen she came up (to his step) in Satz (7). Der indirekte innere Monolog mündet schließlich in Satz (8) in das direkte Zitat. Wir sehen also, daß zwischen der Figuren- und der Erzählerperspektive verschiedene Stufen des Übergangs möglich sind, ganz abgesehen davon, daß schon im Erzählbericht durch Figurenlexik und Figurenstilistik die Erzählerperspektive gemildert werden kann. Wir werden uns im folgenden mit diesen Zwischenformen nicht beschäftigen. 6,6.1 Der Erzählbericht als die Normalform auktorialer Erzählung kann mit dem bereits entwickelten Instrumentarium und einigen noch zu liefernden Anweisungen für die Darstellung der Abfolge von Referenzpunkten in seiner Verzeitungsstruktur vollständig erfaßt werden. Er ist dadurch gekennzeichnet, daß alle Ereignisse im Zeigfeld des Erzählers geortet werden. Wir brauchen uns in diesem Abschnitt unserer Arbeit mit dem Erzählbericht nicht eigens zu beschäftigen. Wir kommen im Zusammenhang mit der Erörterung von unterschiedlichen Formen der Errichtung von Referenzpunkten noch einmal auf seine Darstellung in unseren Diagrannen zu sprechen. Die übrigen Formen bieten alle insofern Besonderheiten, als sie "Rede in Rede" sind.

365 6.6.2 Dabei steht die

indirekte

Rede

dem auktorialen Erzählbericht insofern

am nächsten, als die in ihr berichteten Ereignisse im Zeigfeld des Erzählers geortet werden, wie in der Transposition der Tempora und der Gestaltung der Raum- und Zeitdeixis sowie der Personenbezeichnung sichtbar wird. Zu ihrer Darstellung - z.B. für den Satz following

day

He told

me

that he was going to Berlin

the

schlagen wir das folgende Schema vor: S

Σ1

pi: he tell me p2 p2: that he go to Berlin

Etp2

= R + 1 day

Die Beschreibung des Zeitadverbials als R + 1 day stellt klar, daß der zeitliche Orientierungsakt im Zeigfeld des Erzählers abläuft, denn nur für ihn ist der auf den Sprechakt der dargestellten Person folgende Tag "the following day" und nicht etwa "tomorrow". Den unterschiedlichen Zeitbezug in den beiden Sätzen (a) I would be here

did not know that you were here

und (b) X

did not know that you

kann man ohne Schwierigkeit aus den graphischen Darstellungen

ablesen:^1

(a)

R

S

Si pis I not know p2 p2: that you be here

(b) S 51

pi: I not know p2 p2: that you be here

61 Die Sätze stammen aus H . Reichenbach 1949, 293 f.

366 Auch die Möglichkeit unterschiedlicher Tempuswahl bei außerzeitlichen Aussagen -

(a) Columbus said that the world is round - (b) I read in last night's

paper that the Whartons have a baby hoy - und solchen, deren Sachverhalt die

Sprechzeit des Erzählers einschließt, läßt sich graphisch wie folgt andeuten:^ (a)

51

pi: Columbus say p2 p2: that the world be round

(b)

21

pis I read in last night's paper p2 p2: that the Whartons have a baby boy

Allerdings muß auch betont werden, daß die Umstände, die in den letzten beiden Sätzen jeweils der Wahl des Present oder Past den Vorzug verleihen, graphisch nicht verdeutlicht werden können.

6.6.3 Der entscheidende Unterschied zwischen der indirekten und direkten Rede besteht darin, daß letztere neben das Zeigfeld des Erzählers ein eigenes Zeigfeld für die erzählte Person treten läßt.

Zum Zeigfeld des Erzählers

gehört der einleitende Satz, der den Redeakt berichtet. Er wird von der Sprechzeit des Erzählers her geortet. Die Sachverhalte dagegen, die die direkte Rede berichtet, werden von der Sprechzeit der erzählten Person als ihrem Jetzt her verzeitet. Dieses "Jetzt" der dargestellten Person bezeichnen wir als sekundäre Sprechzeit und stellen es im Diagramm durch das Symbol (S1) dar.

Ein Satz wie He said: "I am going to Berlin tomorrow",

dementsprechend die folgende graphische Darstellung:

62 Vgl. hierzu R. L. Allen 1966, 188 f.

erhält

367

Si

pi: he say p2 p2: I go to Berlin

Etp2

S + 1 day

Das gleiche Diagramm erhielte der Satz als direktes Zitat: He said I am going to Berlin

6.6.4

tomorrow.

Während in der direkten Rede und im direkten Zitat die Zeigfelder des

Erzählers und der dargestellten Person getrennt voneinander bestehen, kann man die erlebte Rede dadurch charakterisiert sehen, daß sich in ihr die beiden Zeigfelder gegenseitig durchdringen.

Man kann mit Gisa Rauh von der Inter-

ferenz zweier Zeigfelder sprechen.^

Dies kommt darin zum Ausdruck, daß die

Tempuswahl und die Personendarstellung über das Zeigfeld des Erzählers vorgenommen werden, während die Lokalisierung der Ereignisse mittels Zeit- und Ortsadverbial aus dem Zeigfeld der dargestellten Person erfolgt.

Hinzu

korrmt, daß der Rede- oder Denkakt der dargestellten Person nicht wie in der direkten Rede durch ein verbum dicendi oder sentiendi usw. benannt wird, 64 abgesehen von der erlebten Rede mit Schaltesatz. Bezuglich ihrer graphischen Darstellung treffen wir die folgende Regelung: Zunächst nehmen wir auch für die erlebte Rede ohne Schaltesatz ein verbum dicendi und damit einen einleitenden Satz an, den wir im Diagranm einklammern, wenn es sich um reine erlebte Rede handelt.

Ist der einführende Satz ein Schaltesatz, unterbleibt die

Klammer, was zur Folge hat, daß sich dann, abgesehen von der Strichlierung der Linie S - R, das gleiche Diagramm ergibt wie in der direkten Rede.

Die

erlebte Rede hat, wie bereits ausgeführt, zweifelsohne die Funktion, den Leser in das Zeigfeld und damit in das Bewußtsein der dargestellten Person zu versetzen.

Dies bedeutet zugleich ein Zurücktreten des Erzählers.

Dieser

Sachverhalt ist der Ausgangspunkt für die graphische Darstellung der erlebten Rede: Die Verbindungslinie vcm Zeigfeld des Erzählers (s) zum Referenzpunkt (R), der den Denkakt der dargestellten Person von S aus ortet, wird strichliert.

Für den Satz He was going to Berlin tomorrow als erlebte Rede ergibt

sich das folgende Diagramm: 63 G. Rauh 1978, 287. 64 Über die verschiedenen Formen der erlebten Rede informiert G. Steinberg 1971, 55 ff.

368

5l

(pi: he say p2) Etp2

p2: I go to Berlin

= 5' + 1 day

Um zu wiederholen: Das im Diagramm vorhandene R markiert den Zeitpunkt des Rede-, Denk- oder Wahrnehmungsakts der dargestellten Person und deutet damit darauf hin, daß die Bewußtseinsakte der dargestellten Person "erzählt", d.h. aber teilweise auf das Zeigfeld des Erzählers bezogen sind.

Andererseits

1

markiert das Symbol (S ) ein eigenes Zeigfeld, das der dargestellten Person, von dem aus die in der erlebten Rede dargestellten Sachverhalte zeitlich geortet werden.

Die Klammer um pl sagt, daß dieser Satz in der Oberflächen-

form des Texts nicht erscheint.

Die Einklantnerung von pl unterbleibt

deshalb, wenn er als Schaltesatz realisiert wird: He was going to Berlin tomorrow, he thought wird deshalb wie folgt dargestellt:

21

pl: he think ρ2 p2: I go to Berlin

Etp2 = S' + 1 day

Damit sind die beiden Formen der erlebten Rede sowohl voneinander wie auch von der direkten Rede und dem direkten Zitat klar unterschieden.

Zu beachten ist,

daß erlebte Rede auch im Kontext besprechender Tempora, z.B. des historischen Präsens erscheint.

In diesem Fall unterbleibt natürlich die Tempus-

transposition, jedoch erfolgt die Wahl der Pronomina über das Zeigfeld des Erzählers.

Aus einem bereits zitierten Textbeispiel entnehmen wir die Satz-

folge - Out through, over and under the bodies he fights his way once morel Where is his porter? Where his bags? - Daß es sich in Where is his porter? um erlebte Rede handelt, geht hier allein aus der Personendeixis (his statt my) hervor.

Wir stellen diese Form der erlebten Rede dar, indem wir das

Zeigfeld des Erzählers in den Referenzpunkt verlegen, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, daß der Erzähler die Ereignisse berichtet, als ereigneten sie sich in seiner Gegenwart. graphische Repräsentation vor:

Wir schlagen hier die folgende

369

Σΐ

(pi: he ask

R · S

p2)

p2: where be my porter

Das Diagram deutet unmißverständlich an, daß es sich um erlebte Rede handelt (Strichlierung) und daß das Zeigfeld des Erzählers und das der dargestellten Person "gewissermaßen" zur Deckung gebracht worden sind, was bei der Reproduktion des Texts als Indiz dafür gelten muß, daß die Tempustransposition unterbleibt. Mit den gleichen Mitteln wie die erlebte Rede kann auch die erlebte Wahrnehmung dargestellt werden. Auch sie kann im Kontext besprechender Tempora vorkamen. 6.6.5 Erlebte Wahrnehmung und erlebte Rede sind dadurch gekennzeichnet, daß neben das Zeigfeld des Erzählers das der dargestellten Person tritt und beide sich teilweise durchdringen. Ein eigenes Zeigfeld für die dargestellte Person kennzeichnet auch den inneren Monolog. Der einführende Satz fehlt vollständig. Er wird jedoch bei der Analyse ergänzt und im Diagramm in Klammer gesetzt. Um deutlich zu machen, daß keine Tempustransposition stattfindet, setzen wir das den Denk- oder Wahmehmungsakt der dargestellten Person zeitlich markierende R in Klammern, vomit zum Ausdruck gebracht werden soll, daß bei der Verzeitung der Inhalte des inneren Monologs keine Reorientierung zum Zeigfeld des Erzählers erfolgt, der als solcher ja nur aus dem weiteren Kontext und nicht aus Indikatoren im inneren Monolog selber erschlossen werden kann. Der Form nach könnte ein innerer Monolog auch indirekte Rede oder direktes Zitat sein. I'm going to Berlin

tomorrow

als innerer Monolog erhält dementsprechend das

folgende Diagramm: (R). (pi: he think p2)

p2: I go to Berlin

Etp2

= S' + 1 day

370

Damit ist auch der innere Monolog deutlich sowohl von der direkten Rede wie auch von der erlebten Wahrnehmung und der erlebten Rede unterschieden. Es bleibt noch festzulegen, daß bei einer Satzfolge in erlebter Rede oder innerem Monolog nicht für jeden einzelnen Satz ein eigener sekundärer Sprechzeitpunkt eingeführt zu werden braucht. Um die Darstellung zu vereinfachen, beziehen wir die durch mehrere zusammenhängende Sätze repräsentierten Denkbzw. Sprechakte auf das gleiche Orientierungszentrum. Wird der Gedankengang oder Bewußtseinstrom einer dargestellten Figur aber unterbrochen, führen wir für die neu einsetzende erlebte Rede oder den erneut beginnenden inneren Monolog ein weiteres Orientierungszentrum (s",s'" usw.) ein. Wir erläutern dies wieder ein einem kurzen Text: Mr. Bankes

was saying

as he strolled

had seen the Rembrandts.

across

He had been to

Amsterdam,

the lawn with Lily Briscoe.

He had been to Madrid.

He

Er erhält das folgende

Diagramm: -oo -S 51

pi: Mr Bankes say p3-5 p2: as he stroll across the lawn with Lily Briscoe

I

S'

p3: I be to Amsterdam 52 53

p4: I see the Rembrants p5: I be to Madrid

Zu beachten ist, daß der Text über das zeitliche Verhältnis der Ereignisse "be to Amsterdam", "see the Rembrandts" und "be to Madrid" keine Aussagen macht. Unsere Weltkenntnis erlaubt lediglich den Schluß, daß das Betrachten der Rembrandts mit dem Besuch in Amsterdam zusarmnenfällt. Deswegen ist es von keiner Bedeutung, daß das Ereignis "be to Madrid" im Diagranm zeitlich früher liegt als die anderen beiden Ereignisse. Entscheidend ist lediglich, daß sie früher liegen als s *. Bei der Reproduktion des Texts wären die folgenden Gegebenheiten im Diagram zu beachten: Der Sachverhalt "Mr Bankes say" wird im Zeigfeld des Erzählers zeitlich geortet. Da er einem Referenzpunkt zugeordnet ist, erfordert seine sprachliche Darstellung das Past. Der Sachverhalt "stroll

371 across the lawn" ist graphisch und lexikalisch (Konjunktion as) als gleichzeitig mit "Mr Bankes say" den Referenzpunkt zugeordnet.

Daraus ergibt sich

als Terrpus wiederum das Past, wobei as die erweiterte Form nahelegt. übrigen Sachverhalte sind in Bezug zu (S') vorzeitig.

Die

Im Zeigfeld der

erzählten Person ergäbe sich daraus das Present Perfect oder deis Past, die beide infolge ihrer Reinterpretation über das Zeigfeld des Erzählers zum Past Perfect zu transponieren sind. Perfect angedeutet.

Wir haben in unserem Diagrartm das Present

Daß "Mr Bankes say" ein Schaltesatz ist, ergibt sich

daraus, daß pl und die Satzfolge insgesamt als erlebte Rede gekennzeichnet sind: Alle Redeakte sind auf das gleiche 5' bezogen.

Ihre syntaktische

Eigenständigkeit in der Oberfläche geht daraus hervor, daß ihnen jeweils das Synbol (5) zugeordnet ist. Amsterdam,

Mr Bankes

said

Die Reproduktion des Texts als He had been to

as he

was

strolling

across

the

lawn

with

Lily

Briscoe. He had seen the Rembrandts usw. wäre als eine richtige Lösving anzusehen.

Die erweiterte Form was saying könnte allerdings aus dem Kontext,

der deutlich macht, daß es sich um ein längeres Gespräch handelt, erschlossen werden.

6.6.6

Wir erläutern die bisher entwickelte Darstellungstechnik an einigen

weiteren kurzen Texten. went cold.

down

the

Snow

steps

was

Zunächst an einer Satzfolge aus Native Son:

to the

falling

vestibule

and

an icy

and wind

into blew.

the The

street. streets

It was were

He

white

and

empty.

Diesen Text verstehen wir so, daß im 1. Satz mittels der Schilderung eines Bewegungsvorgangs für die dargestellte Person ein neues Wahrnehmungsfeld eröffnet wird.

Während der Bewegungsvorgang selbst aus auktorialer Sicht

geboten wird, sind die Gegebenheiten im neu eröffneten Wahrnehnungsbereich aus der Sicht der erzählten Person dargestellt, es handelt sich viti erlebte Wahrnehmung, wofür die erweiterte Verbform in Satz 3 als Indiz gewertet werden kann.

65 R . Wright

Der Textabschnitt erhält das folgende Diagranm:

(1940)

1972,

137.

372 oo

00

s 5 1

pi : he go down the steps to the vestibule and into the street

5 2

(p2: he see p3-6)

- I

S S'

p3: the street be white and cold 5 3

p4: snow fall p5: and an icy wind blow

54

p6: the streets be empty

Wir vergewissern uns, ob das Diagraum alle nötigen Informationen für die Rekonstruktion des Texts bereitstellt: Satz 1 ist als pl auf den Referenzpunkt R -, bezogen, der im Zeigfeld des Frzehlers vorzeitig zur Sprechzeit (5) liegt, was die Wahl des Past Tense zur Folge hat.

Daß die folgenden Sätze

als erlebte Wahrnehmung zu deuten sind, geht aus dem verbum sentiendi in ρ 2 und aus dem Symbol (5') hervor.

Die wahrgenoittnenen Sachverhalte sind zeit-

weilige Zustände oder Prozesse, die die Wahrnehmungszeit einschließen.

Zeit-

weiligkeit und Gleichzeitigkeitsbezug sind Indikatoren für die Wahl der erweiterten Form.

Natürlich können die Kopulaprädikate nicht in erweiterter

Form erscheinen, "snow fall" und "an icy wind blow" dagegen erlauben die erweiterte Form.

Im Zeigfeld der dargestellten Person erhielten wir snow is

falling und an icy wind is blowing.

Ihre Feinterpretation über das Zeigfeld

des Erzählers (i?2) hat ihre Transposition in das Past zur Folge.

Euphonische

Gründe und die Tatsache, daß es sich um ein Past handelt, erklären die einfache Form in p5.

Der einleitende Satz für die erlebte Wahrnehmung, der

ja nur analytisch erschlossen ist, erscheint nicht in der Oberflächenform des Texts, weil er in Klartmern steht.

Die im Diagraum verfügbare Information

reicht für die Rekonstruktion des Texts aus, wobei wir die einfache Verbform in p5 als stilistische Feinheit bewerten. Zu beachten ist, daß wir hier dazu übergangen sind, die Teilsätze fortlaufend durchzunumerieren.

Das hat den Vorteil, daß man sie in erlebter Rede

oder Wahrnehmung usw. den einleitenden Sätzen unmißverständlich zuordnen kann (he see p3-6) . Der nächste Text ist eine Satzfolge aus The Years von Virginia Vtoolf: She found her place and began to read.

But a sound in the hall interrupted

her.

373 66 ¡Vas someone coming in? She listened. No, it was the wind.

Kurz zu seiner Charakterisierung das folgende: Satz 1 und 2 sind auktorialer Erzählbericht.

Satz 3 ist erlebte Rede, wie aus der Wortstellung und der

Tempustransposition hervorgeht. Mit Satz 4 schaltet sich wieder der Erzähler ein, und Satz 5 ist wiederum erlebte Rede. Die Satzfolge erhält in unserem System das folgende Diagramm: . oo . S pl: she find her place

-C

p2: and she begin to read

I L

p3: but a sound in the hall interrupt her (p4: she ask p5)

ι—•—ι

s'

p5: someone

p6: she listen

•—I

(p7: she think pS) p8: no,it be the wind

Zur Erläuterung des Diagrairms seien einige Hinweise angefügt: Das Prädikat in pl ist als "achievement" dargestellt, d.h. daß es selbst punktuell ist, aber einen Prozeß des Suchens voraussetzt.

"Begin" in p2 ist eine punktuelle

Veränderung, desgleichen "interrupt" in p3. Dan Prädikat "ask" in p5 unterlegen wir eine begrenzte Zeitdauer, desgleichen dem Prädikat "think" in p7. Das Prädikat in p8 beziehen wir auf die Wahrnehmungen, die die dargestellte Person veranlassen, sich zu fragen, "is someone coming in", weshalb wir den Strich zu seiner graphischen Darstellung auf der gleichen Hohe beginnen

66 V. Woolf 1947, 119.

374 lassen wie das Prädikat ρ 5 ("someone come in"). Wir wollen wiederum überprüfen, ob die im Diagrairm enthaltene Information zur Rekonstruktion des Texts ausreicht. Das Prädikat pl ist als punktuelles Ereignis im Zeigfeld des Erzählers als vorzeitig zur Sprechzeit bestürmt und einen Referenzpunkt zugeordnet: Die Wahl des Past Tense ist damit unmißverständlich indiziert. Das gleiche gilt für p2 und p3.

Das Prädikat p4 ist

eingeklammert und erscheint daher nicht in der Oberflächenform des Texts. Es konstituiert aber eine Orientierungsachse im Zeigfeld der dargestellten Person. Auf diese ist das Prädikat in p5 als gleichzeitig bezogen und im Sprechzeitpunkt selbst als nur partiell realisiert ausgesagt. Dies ist ein Indikator für die erweiterte Verbform. Wir erhalten im Zeigfeld der dargestellten Person deshalb die Form

is someone

coming

in?,

deren Reinterpretation über

das Zeigfeld des Autors (R^) zum Past Tense führt. Das Prädikat in p6 wird im Zeigfeld des Erzählers geortet. Da Vorzeitigkeit gegenüber der Sprechzeit und Zuordnung zu einem Referenzpunkt und außerdem ein quantifizierter Prozeß vorliegt, ist die einfache Form des Past Tense angebracht. Das Prädikat in ρ7 errichtet wiederum ein Orientierungszentrum im Zeigfeld der dargestellten Person.

Zu diesem ist das Prädikat in p8 gleichzeitig, das aber als Kopula-

prädikat in der einfachen Form erscheint, über die Tempustransposition infolge von (J?g) erhalten wir wieder das Past. Ein weiterer Text ist aus his eyes through

to hear

his boots

it howsomever.

Ulysses

crush

von James Joyce entnommen:

crackling

I am, a stride

at

wrack

a

and shells.

time.

Stephen

You are

closed walking

Wiederum ist der erste

Satz auktorialer Erzählbericht, auf welchen zwei Sätze im inneren Monolog folgen. Daraus ergibt sich das folgende Diagramm:

67 J . Joyce 1964, 45.

375 • oo ,S pi: Stephen close his eyes

.J

p2: (in order) to hear p3 p3: his boots crush crackling wrack and shells

I (r2>-

(p4 : he think p 5 - 6 ) p5: you walk through it howsomever p6: I walk a stride at a time

Zur Erläuterung des Diagrarrms kurz folgendes: Das Pradikat in p2 (11 to hear his boots") fassen wir unmittelbar nachzeitig zu "close his eyes" auf und legen ihm einen Teilsatz zugrunde.

Als eigenen Teilsatz fassen wir auch die Objekts-NP

im ACI ("his boots crush ...") auf.

Der erschlossene Teilsatz p4 ist Indi-

kator für das Zeigfeld der dargestellten Person, repräsentiert durch (5').

Die

beiden folgenden Prädikate sind inbezug zur Orientierungsachse dieses Zeigfeldes gleichzeitig, und da es sich um zeitweilige Sachverhalte handelt, ist die Wahl der erweiterten Verbform angezeigt.

Die Reorientierung dieser

Prädikate über das Zeigfeld des Erzählers ist ausgeschlossen, weil (ß^) und der dazugehörige Teilsatz p4 eingeklarrmert sind.

Die Verkürzung des Teil-

satzes p6 ergibt sich aus stilistischen Erwägungen.

6.7

Wir lassen die Diagrairme von zwei Texten folgen, deren Oberflächenform im

Anhang abgedruckt ist.

Die Diagraitme sollen dazu dienen, die Rekonstruktion

von Texten im Rahmen unseres Systems zu üben - oder besser, zunächst zu erproben:

376

(TEXT 1)

oo S

(pi: he think p2-8 ) p2: I shall not leave town 68 right now?

I

p3: no; I stay



p4: things be with me

>

>

p5: no one suspect p6 p6: that she be dead p7: I carry through



»

p8: and I blame the thing upon Jan p9: he get his gun from beneath the pillow plO: and he put it in his shirt

I

. . r

r

68 Wir deuten die Modalität in p2 explizit (durch should) an, weil wir noch kein System zu ihrer Bezeichnung entwickelt haben.

377

(TEXT 2) oo pi: he sit down at the big table in the front room

• S ..J

p2: he write a novel about a strike in a textile factory (p3: he think p4-5) p4: in today's chapter I (go to) use the big woman with the tear-reddened eyes (reJ.p5)

-F"

1

rel.p5: I just see the woman on the way home

Anmerkung: mit rei. p5 wird zum Ausdruck gebracht, daß es sich um einen Relativsatz handelt. Die unterstrichene Nominalphrase in ρ 5 (the woman) ist durch ein Relativpronomen zu ersetzen. Es bezieht sich auf eine referenzidentische Nominalphrase im Vorgängersatz (p4). Die Aufgabe besteht darin, mit Hilfe der Informationen, die die graphische Skizze liefert, aus den Propositionen den ursprünglichen Text zu rekonstruieren. Hierbei sind die Hinweise zu den Redeformen besonders zu beachten. 6.8 Im zeitvergleichenden Satz und in den Redeformen, d.h. in den Fügungen, die "Rede in Rede" abbilden, sind wir in der Hauptsache einer gruppierenden Anordnung von Ereignissen begegnet. In ihnen werden über die Ortung der Ereignisse mit Bezug zur Sprechzeit des Erzählers hinaus Ereignisse von einer sekundären Orientierungsachse, sei diese nun ein Referenzpunkt im Zeigfeld des Erzählers oder aber der Sprechzeitpunkt im Zeigfeld einer erzählten Person, in der Zeit lokalisiert. Damit ist ein Erzähltext natürlich in seinen Zeitbezügen noch nicht voll erfaßt. Es bleibt noch zu fragen, wie die Zeitverhältnisse zwischen diesen Ereignisgruppen, d.h. zwischen den Referenzpunkten im Text, ausgedrückt werden, denn die Verzeitungsstruktur eines Texts kann man als die Abfolge von Referenzpunkten (mit den ihnen zugeordneten Ereignisgnppen) verstehen. Zur Verdeutlichung des Gesagten sei wiederholt:

378

Nicht nur die relativen Tempora bedürfen eines sekundären Orientierungspunktes, damit die mit ihnen berichteten Ereignisse in ihrer Abfolge unmißverständlich erfaßt werden können, auch die sekundären Orientierungspunkte selbst bedürfen, damit das Zeitgeflecht eines Erzähltexts entwirrt werden kann, der Festlegung ihrer zeitlichen Beziehung untereinander. Auf die folgenden Sachverhalte ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen. 6.8.1 Zunächst ist festzuhalten, daß das zeitliche Verhältnis von Referenzpunkten in Erzähltexten implizit gegeben oder explizit signalisiert sein kann. Hierauf wurde bereits hingewiesen. Hier ist nun zu fragen, wie diese beiden Formen des Zeitbezugs in unseren Diagranmen festgehalten werden sollen. Die implizit mit der Abfolge der Sätze in einem Text gegebene Reihung der Referenzpunkte bedarf keines besonderen Hinweises. Ihre Anordnung von links nach rechts ist ausreichend als Abbildung dieses Zeitbezugs. Als ein Beispiel hierfür betrachten wir die Satzfolge had a quick breakfast,

and went to

He got up, washed,

dressed

carefully,

town.

Auch wenn wir das and des letzten Teilsatzes nicht als temporale Konjunktion deuten, erhalten wir das folgende Diagranm:

Σ1

pl: he get up

p2: he wash

p3: he dress carefully

ρ4 : he have a quick breakfast p5: he go to town

J

379

Ein Beispiel für die explizite Angabe des Zeitverhältnisses zwischen Referenzpunkten wäre eine Satzfolge wie Afterwards

I went to town.

Then I bought

I saw a film and went home in the evening.

a book.

Hier fassen wir das

and des letzten Satzes als temporale Konjunktion auf. Die explizite Markierung des Zeitverhältnisses zwischen den Sätzen und den ihnen zugeordneten Referenzpunkten bewerkstelligen wir, indem wir die jeweils betroffenen Symbole für sie mittels des Zeichens für "größer als" in der Adverbialspalte verbinden. Wir erhalten damit das gleiche Diagranm wie oben, ergänzen es aber durch eine Adverbialspalte wie folgt:

21

pi: I go to town

22

p2: I buy a book

R2

>

Rj

J

Diese Notierung differenziert nicht zwischen den einzelnen Adverbialen. Bei der Rekonstruktion von Texten kann das Symbol Π χ > Rdurch jedes Adverbiale wiedergegeben werden, das ein relatives Nachzeitigkeitsverhältnis ausdrückt. Ob then, afterwards oder einfach and gewählt wird, bleibt dann den Verwendungsregeln für das einzelne Adverbiale und stilistischen Erwägungen überlassen. Natürlich haben wir auch das Vorzeitigkeitsverhältnis zwischen Referenzpunkten anzugeben. Für Adverbiale wie before that, earlier usw. verwenden wir das Zeichen für "kleiner als" ( XI o J3

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397

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