Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik: Seine Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank am Beispiel der Eurorettungspolitik [1 ed.] 9783428546428, 9783428146420

Eine Zentralbank kann Verluste im Nichts auflösen, ebenso wie sie Geld aus dem Nichts schöpfen kann. Ihre finanziellen K

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Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik: Seine Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank am Beispiel der Eurorettungspolitik [1 ed.]
 9783428546428, 9783428146420

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Studien zu Finanzen, Geld und Kapital Band 17

Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik Seine Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank am Beispiel der Eurorettungspolitik

Von

Max Danzmann

Duncker & Humblot · Berlin

MAX DANZMANN

Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

Studien zu Finanzen, Geld und Kapital Band 17

Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik Seine Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank am Beispiel der Eurorettungspolitik

Von

Max Danzmann

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Rechtsund Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2014/15 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0939-5113 ISBN 978-3-428-14642-0 (Print) ISBN 978-3-428-54642-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-84642-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2014/15 als Inauguraldissertation angenommen und mit dem von der Hermann-Gutmann-Stiftung geförderten Promotionspreis des Fachbereichs ausgezeichnet. Das Thema und die Konzeption der Dissertation habe ich nach einem dreimonatigen Vorbereitungsdienst bei der Deutschen Bundesbank entwickelt. Den Anstoß hat die Eurorettungspolitik der Europäischen Zentralbank gegeben, nachdem ich mich schon länger mit finanzwirtschaftlichen Fragen, insbesondere des Geldsystems, befasst hatte. Mein besonders herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, der die instabile Verfassung der Währungsunion schon bei deren Gründung beschrieben und deren Einführung abzuwenden versucht hat. Mit seiner Begrifflichkeit beantwortet er nicht nur grundlegende Fragen des Rechts, sondern löst auch aktuelle Probleme des Staates und der Wirtschaft. Seine Lehre und seine Förderung haben mich geprägt. Herrn Prof. Dr. Richard Reichel danke ich aufrichtig für die Erstellung des Zweitgutachtens und die damit verbundenen Mühen. Außerdem bin ich Dr. Wolfgang Freitag für die intensiven und konstruktiven Erörterungen der Dissertation und für seine freundschaftliche Unterstützung dankbar. Zudem bin ich Herrn Notar Klaus Wulsten für seine jahrelange Förderung sehr verbunden. Ganz besonders möchte ich meinen Eltern Uwe-Dirk Richter und Karin Danzmann für ihre stete Hilfe und Unterstützung meines Studiums und meiner Promotion danken. Meine liebe Freundin Johanna Becker hat meine Freude an der wissenschaftlichen Arbeit tagtäglich gestärkt. Frankfurt am Main im Dezember 2014

Max Danzmann

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Freiheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Staat, Gemeinwohl und Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Allgemeiner Politikbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Wirtschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Finanzwirtschaftliche Ordnung und Finanzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Grundlagen der Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele der Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Preisstabilität als vorrangiges Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wechselkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geldmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inflationssteuerung über operative Zinsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Instrumente der Geldpolitik und deren Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Offenmarktgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ständige Fazilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mindestreserve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wirkung monetärer Impulse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Transmissionskanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Akteure der Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unabhängige Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirtschafts- und Finanzministerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Internationale Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Grundlagen der Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele der Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgleich der Ausgaben durch Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verteilungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allokationsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 42 42 46 47 48 49 49 50 51 52 55 56 57 59 61 62 65 65 65 66 68 68 69 69

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Inhaltsverzeichnis d) Stabilisierungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Instrumente der Fiskalpolitik und deren Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fiskalische Einnahmeninstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nichtsteuerliche Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Veräußerung von Staatsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sonstige Einnahmen des Fiskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fiskalische Ausgabeninstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fiskalpolitische Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sozialpolitische Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Schuldendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fiskalausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fiskalplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fiskalkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Akteure der Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fiskalhoheit und Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fiskalverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sozialversicherungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechnungshöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Finanzwirtschaft, Finanzsystem und Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Finanzinstabilität und Finanzkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Finanzstabilitätspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Makroprudentielle Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele der Finanzstabilitätspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prävention der Ursachen von Finanzinstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geldmenge und Wirtschaftszyklen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Intermediationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vermögenspreisschwankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Asymmetrische Informationsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Fiskalische und monetäre Instabilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Systemgefährdung („too big to fail“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Ansteckungs- und Rückkopplungseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reaktion auf finanzielle Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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c) Makroprudentielle Ausrichtung der Finanzstabilitätspolitik . . . . . . . d) Finanzstabilität als sich permanent verändernder Zusammenhang . . e) Internationalisierung der Finanzstabilitätspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Volkswirtschaftliche Funktion finanzieller Instabilitäten . . . . . . . . . . 3. Instrumente der Finanzstabilitätspolitik und deren Wirkung . . . . . . . . . . a) Präventive Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Finanzwirtschaftlicher Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufsicht über Finanzunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewährleistung der Solvabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Liquiditäts- und Risikosteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einlagensicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Präventive Instrumente der Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Bilanzierungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Finanzstabilitätsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Finanzstabilitätsindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Frühwarnsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stresstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Analytische Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reaktive Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Instrumente zur Eindämmung der finanziellen Instabilität . . . . (1) Instrumente der Zentralbank zur Eindämmung . . . . . . . . . . (2) Instrumente des Fiskus zur Eindämmung . . . . . . . . . . . . . . . (3) Instrumente der Finanzaufsicht zur Eindämmung . . . . . . . . bb) Instrumente zur Abhilfe von finanzieller Instabilität . . . . . . . . . c) Fehlanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Dauerhafte Finanzstabilität als Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aushebelung präventiver Instrumente durch Abwanderung . . . . . . . 4. Akteure der Finanzstabilitätspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Akteure aus dem fiskalpolitischen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Finanzaufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beratende und koordinierende Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bedeutung der Geldpolitik für fiskalpolitische Parameter . . . . . . . . a) Reale Verringerung der Staatsschuld durch Inflation . . . . . . . . . . . . . b) Einfluss der Zentralbank auf die Kreditzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Seigniorage zugunsten des Fiskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis d) Monetarisierung der Staatsschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zentralbank als Lender of Last Resort des Fiskus . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zentralbank als quasi-fiskalpolitischer Akteur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung der Fiskalpolitik für geldpolitische Parameter . . . . . . . . . a) Abhängigkeit der Inflationsrate und Kapitalmarktzinsen von der Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einfluss fiskalpolitischer Ausgabeninstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einfluss fiskalpolitischer Einnahmeninstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Koordination von Geldpolitik und Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strukturelle Unterschiede zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik . . b) Geldpolitische oder fiskalpolitische Dominanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Funktionale Trennung von Geldpolitik und Fiskalpolitik . . . . . . . . . . aa) Unabhängige Implementierung der Geldpolitik durch die Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Funktionale Trennung durch formale Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . d) Staatsverschuldung in einer Währungsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik . . . . . . . . . . . . . . 1. Monetäre Stabilität und finanzielle Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zusammenhang von Inflation und Finanzstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auswirkungen der Preisstabilität auf die Finanzstabilität . . . . . . bb) Auswirkungen finanzieller Instabilität auf die Preisstabilität . . . b) Zusammenhang von Geldmenge und Finanzstabilität . . . . . . . . . . . . . c) Monetäre Stabilisierung durch materielle Anbindung . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenhang zwischen Verbraucherpreisen und Vermögenspreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Preisstabilität als nicht hinreichende Bedingung der Finanzstabilität 2. Implementierung der Geldpolitik unter Berücksichtigung finanzstabilitätspolitischer Ziele durch die Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Maß und die Art und Weise finanzstabilitätspolitischer Aktivität der Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögenspreissteuerung als Zentralbankaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufstechen von Vermögenspreisblasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewusste Inaktivität gegenüber Preisblasen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Frühzeitiges Gegensteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenhänge zwischen geldpolitischen Standardinstrumenten und Finanzstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kreditausfallkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Risikobereitschaftskanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Risikoverlagerungskanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vermögenspreiskanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Wechselkurskanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 154 154 155 155 157 158 162 162 163 168 171 172 175 178 178 179 179 182 183 185 186 187 189 190 193 194 196 200 201 203 204 205 205 205

Inhaltsverzeichnis ff) Zahlungsverkehrskanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Reaktive Finanzstabilisierung durch die Zentralbank . . . . . . . . . . . . . aa) Notfallliquidität von der Zentralbank als Lender of Last Resort bb) Übernahme destabilisierender Finanzen durch die Zentralbank 3. Implementierung der Finanzstabilitätspolitik durch die Zentralbank . . . a) Abhängigkeit der Zentralbank von der Finanzstabilitätspolitik . . . . . b) Bankenaufsicht durch die Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik . . . . . . . . . . . . 1. Fiskalische Stabilität und finanzielle Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ursachen fiskalischer Instabilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenzfestigkeit des Fiskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fiskalische Zahlungsunwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anreize zur Rückzahlung: Kosten fiskalischer Instabilitäten . . . . . . . . . a) Verlust von Wirtschaftsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abkopplung des Fiskus vom Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abhängigkeit von der Gläubigerherkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Transmission finanzieller Instabilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dynamik eines Liquiditätsansturms bei Staatsschuldpapieren . . . . . b) Ansteckungskanäle vom Fiskus zu den Finanzunternehmen . . . . . . . aa) Bilanzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Liquiditätskanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Preiskanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Eingeschränkte Wirksamkeit der reaktiven finanzstabilitätspolitischen Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ansteckungskanäle von den Finanzunternehmen zum Fiskus . . . . . . aa) Kanal der reaktiven finanzstabilitätspolitischen Instrumente . . bb) Risikokanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Liquiditätskanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mittelbare Ansteckungsgefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wechselseitige Ansteckungseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Instrumente zur Finanzstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Instrumente zur Finanzstabilisierung der privaten Finanzwirtschaft durch den Fiskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Finanzhilfen an Finanzunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Steuerliche Stabilisierungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bankenabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Instrumente zur Fiskalstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Präventive Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Finanzstabilitätsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Haushaltskonsolidierung und Verschuldungsgrenzen . . . . .

11 207 207 208 214 215 216 218 220 220 222 223 225 227 228 229 231 232 232 234 235 237 238 239 239 240 241 242 242 243 245 245 245 246 248 249 249 249 250

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Inhaltsverzeichnis (3) Bindung der Zinssätze an die Wirtschaftsleistung . . . . . . . . 252 bb) Reaktive Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (1) Endlagerinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (2) Internationaler Währungsfonds und Europäischer Stabilitätsmechanismus als internationale Lender of Last Resort . . 253 (3) Schuldenerlass und Umschuldung als fiskalische Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 c) Privilegierung des Fiskus als Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 IV. Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik . . 261

E. Seine Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank am Beispiel der Eurorettungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 I. Die Zentralbankbilanz als Endlager finanziell destabilisierender Verluste . . 266 1. Endlagerbegriff und Endlagerfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Endlagerungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Übernahme finanziell destabilisierender Verluste durch die Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Zulassung minderwertiger Sicherheiten zur geldpolitischen Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 c) Übernahme der Endlagerfunktion durch ein Vehikel der Zentralbank 272 3. Auswirkungen der Endlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Auswirkungen auf die Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 b) Auswirkungen auf die Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 c) Auswirkungen auf Kreditinstitute und andere Finanzunternehmen . . 277 d) Auswirkungen auf die übrigen privaten Finanzwirtschaftsakteure . . 278 II. Finanzstabilitätsverfassung mit Endlager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Zuordnung der Endlagerinstrumente zur Finanzstabilitätspolitik und Abgrenzung von der Geldpolitik und Fiskalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Bedeutung der Endlagerinstrumente für die Finanzstabilitätsverfassung 283 a) Wirkungsvollste reaktive Instrumente der Finanzstabilitätsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Vorrang präventiver finanzstabilitätspolitischer Instrumente . . . . . . . 284 c) Hinauszögern der falschen Finanzstabilitäts- und Geldverfassung . . 285 3. Gesetzgeberischer Regelungsbedarf infolge des Endlagers . . . . . . . . . . . 285 a) Faktische Finanzverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 b) Demokratieprinzip gebietet ausdrückliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . 286 c) Parlamentarische Kontrolle des finanzstabilitätspolitischen Mandats der Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 aa) Verschiebung des Kompetenzgefüges zur Exekutive durch Endlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 bb) Unabhängigkeit der Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Inhaltsverzeichnis cc) Parlamentsbeteiligung an finanzstabilitätspolitischen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetzgeberische Regelungsmöglichkeiten im Rahmen der Endlagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formalisierung des Endlagerverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruch der privaten Finanzwirtschaftsakteure auf Endlagerung . . c) Beteiligung der privaten Finanzwirtschaftsakteure an den Kosten . . III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Währungsunion heterogener Staaten als finanzielle Instabilität . . . . . . . a) Heterogenität der europäischen Volkswirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein finanzstabilitätspolitisches Mandat für Endlagerung . . . . . . . . . 2. Endlagerungsinstrumente in der Europäischen Währungsunion . . . . . . . a) Übernahme finanziell destabilisierender Verluste durch das Eurosystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulassung minderwertiger Sicherheiten zur geldpolitischen Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übernahme der Endlagerfunktion durch ein Vehikel des Eurosystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umverteilungseffekte und Fiskalausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Externalitäten und Verursachergrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Parlamentsbeteiligung an der Endlagerung des Eurosystems . . . . . . . . . 6. Rechtliche Grenzen der Endlagerinstrumente des Eurosystems . . . . . . . a) Outright Monetary Transactions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grenzen des geldpolitischen Mandats der Europäischen Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verstoß gegen das Verbot monetärer Staatsfinanzierung . . . . . . cc) Keine Rechtfertigung durch den Einfluss der Outright Monetary Transactions auf den geldpolitischen Transmissionsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulassung minderwertiger Sicherheiten zur geldpolitischen Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Europäischer Stabilitätsmechanismus mit Banklizenz als Vehikel . . 7. Eurosystem ohne Funktion einer Bad Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Finanzstabilitätsunion: Souveränitätsbedeutsame Finanzstabilitätshoheit als Integrationsmoment des Europäischen Bundesstaats? . . . . . . . . . 1. Souveränitätsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Souveränitätsbedeutsame Hoheitsrechte: Wesentliche Bestandteile staatlicher Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Divergenz von Geldhoheit und Finanzstabilitätshoheit als finanzielle Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konsequenzen der Divergenz von Geldhoheit und Finanzstabilitätshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

289 289 290 290 291 291 291 292 297 300 300 303 307 308 310 312 314 314 315 319

321 321 324 325 325 326 327 331 333

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Inhaltsverzeichnis a) Formale Trennung der Hoheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 b) Zusammenführung der Hoheiten auf Ebene der Mitgliedstaaten: Austritt aus der Währungsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 c) Zusammenführung der Hoheiten auf Ebene der Europäischen Union: die Finanzstabilitätsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

F. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. a. E. AEUV a. F. Anm. d. Verf. AO Art. AtomG Aufl. BaFin BayGO BayVerf BBankG Bd. Begr. BGB BHO BIS BRHG BSchuldWG BVerfG BVerfGE CDS CES ders. d.i. dies. DIW ebd. ECB Ecofin EG ELA EMU ESM

andere Ansicht Absatz am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Anmerkung des Verfassers Abgabenordnung Artikel Atomgesetz Auflage Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bayerische Gemeindeordnung Bayerische Verfassung Bundesbankgesetz Band Begründer Bürgerliches Gesetzbuch Bundeshaushaltsordnung Bank for International Settlements Bundesrechnungshofgesetz Bundesschuldenwesengesetz Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsentscheidung Credit Default Swaps Centre for Economic Studies derselbe das ist dieselbe(n) Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Berlin) ebenda European Central Bank Rat für Wirtschaft und Finanzen Europäische Gemeinschaft Emergency Liquidity Assistance European Monetary Union Europäischer Stabilitätsmechanismus

16 ESMFinG ESMV ESZB EU EUV EWU EZB f. ff. FinStabG FMStFG FMStG Fn. FVG gem. GG GmbH GWB HGB HGrG Hrsg. Hs. i. d. F. d. ifo insb. InsO IMF i. S. d. i. S. v. i.V. m. IWF Jg. Kap. KredReorgG KrW-/AbfG KWG LiKo-Bank m. MaRisk MünzG m.w. N.

Abkürzungsverzeichnis Europäischer Stabilitätsmechanismus-Finanzierungsgesetz Europäischer Stabilitätsmechanismus-Vertrag Europäisches System der Zentralbanken Europäische Union Vertrag über die Europäische Union Europäische Währungsunion Europäische Zentralbank folgende (Seite) folgende (Seiten) Finanzstabilitätsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Finanzverwaltungsgesetz gemäß Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handelsgesetzbuch Haushaltsgrundsätzegesetz Herausgeber Halbsatz in der Fassung des ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München (eingetragener Verein) insbesondere Insolvenzordnung International Monetary Fund im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Internationaler Währungsfonds Jahrgang Kapitel Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Kreditwesengesetz Liquiditäts-Konsortialbank masculinum Mindestanforderungen an das Risikomanagement Münzgesetz mit weiteren Nachweisen

Abkürzungsverzeichnis n. F. No. Nr. OMT PUAG Rn. Rs. RStruktFG Rz. s. S. SGB Slg. SoFFin SolvV Sp. SRM StabiRatG StabMechG StGB StWG TARGET u. UAbs. UN VAG vgl. VgV VO VOB/A VOL/A Vorb. WpHG WVRK ZEI ZPO

17

neue Fassung number Nummer Outright Monetary Transactions Untersuchungsausschussgesetz Randnummer Rechtssache Restrukturierungsfondsgesetz Randzeichen siehe Seite oder Satz Sozialgesetzbuch Sammlung Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung Solvabilitätsverordnung Spalte Single Resolution Mechanism Stabilitätsratsgesetz Stabilisierungsmechanismusgesetz Strafgesetzbuch Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System und Unterabsatz United Nations Versicherungsaufsichtsgesetz vergleiche Vergabeverordnung Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A Vorbemerkungen Wertpapierhandelsgesetz Wiener Vertragsrechtskonvention Zentrum für Europäische Integrationsforschung Zivilprozessordnung

A. Einleitung Ausgehend vom Menschen, welcher frei geboren ist und als soziales Wesen sein Leben in Gemeinschaft mit den anderen zu gestalten sucht, stellt sich die Frage nach einer der Freiheit der Menschen bestmöglich entsprechenden Ordnung der Finanzwirtschaft. Zu betrachten sind deshalb die Wirtschaftsbereiche, in denen sich das Finanzielle vollzieht. Ziel der Arbeit ist es dabei insbesondere, neben der Klärung allgemeiner finanzieller Zusammenhänge, die Entwicklung der Finanzstabilitätspolitik zu einem eigenständig wahrgenommenen (Finanz-)Politikbereich zu begleiten. Im Gegensatz zu den tradierten Finanzpolitiken der Geldpolitik und Fiskalpolitik, zu denen es umfangreiche theoretische und empirische Untersuchungen sowie normative Ausgestaltungen gibt, bedürfen bei der Finanzstabilitätspolitik diese Grundlagen – wie deren Ziele, Instrumente, Wirkungszusammenhänge und die Verantwortlichkeiten – (noch) der weiteren Klärung. Aufgrund der zahlreichen Schnittmengen der Finanzstabilitätspolitik mit der Geldpolitik und der Fiskalpolitik bietet es sich an, eine Untersuchung der Finanzstabilitätspolitik über eine Analyse des Verhältnisses von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik vorzunehmen. Dabei sind die einzelnen Bereiche jeweils in ihrem Verhältnis zueinander zu untersuchen, um ihre Bedeutung sowie ihre Gemeinsamkeiten und Konflikte aufzuzeigen. Gleichsam ist eine systematische Abgrenzung der Politikbereiche vorzunehmen, um dadurch eine Zuordnung von Instrumenten und konkreten Maßnahmen zu einem der Politikbereiche zu ermöglichen. Anschließend daran wird diskutiert, welchen Akteuren die Kompetenzen zur Anwendung dieser Mittel zustehen. Der wichtigste volkswirtschaftliche Akteur in diesem Zusammenhang ist (derzeit) die Zentralbank, weil ihre faktische Handlungsgewalt am weitreichendsten ist, wie am Beispiel der Endlagerinstrumente auszuführen sein wird. Die Endlagerinstrumente werden im Anschluss an die Betrachtung der Verhältnisse der Finanzpolitiken umfangreich dargestellt, weil sie sowohl für die drei behandelten Finanzpolitiken und deren Verhältnisse zueinander als auch für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank herausragende Bedeutung besitzen. Weiterhin sollen die Endlagerinstrumente über die Eurorettungspolitik der Europäischen Zentralbank exemplifiziert werden, was die praktische Relevanz der Untersuchung verdeutlichen soll. Abschließend wird die Frage nach der staatlichen Entscheidungsgewalt in finanzstabilitätspolitischen Angelegenheiten – der Finanzstabilitätshoheit – in der Eurozone zu stellen sein.

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A. Einleitung

Als methodische Grundlage der Systematisierung wird die Begrifflichkeit dienen. Es werden insbesondere Definitionen für die einzelnen Finanzpolitikbereiche sowie für die Kategorien finanzieller Instabilitäten entwickelt, um geldpolitische, fiskalpolitische und finanzstabilitätspolitische Phänomene zueinander in Beziehung bringen zu können. Im Gegensatz zu den sehr prämissenbehafteten und schwer operationalisierbaren formal-mathematischen Modellen sollen auf diese Weise qualitative Aussagen entwickelt werden, die das Verständnis vom Finanzsystem, von seinen Funktionsvoraussetzungen und von der besonderen Stellung der Zentralbank in der Finanzwirtschaft befördern soll, um dadurch praktische Schlussfolgerungen für die Finanzpolitik zu ermöglichen. Vor allem Finanzkrisen haben die weitverbreitete Überzeugung erschüttert, dass hochentwickelte Finanzmärkte sich selbst im Gleichgewicht halten oder zumindest sich rasch in ein solches bringen würden1. Im Allgemeinen haben finanzielle Instabilitäten die begrenzte Aussagekraft der analytischen Ansätze und theoretischen Modelle aufgezeigt, an denen sich die Finanzpolitik bisher orientiert hat2. Diese makroökonomischen Modelle können wegen ihrer prämissenbehafteten Natur der Beschaffenheit von finanzieller Instabilität nicht genügen3. Die einflussreichsten Theorien haben sich meist darauf beschränkt, die Ursachen und Konsequenzen der Instabilität einzelner Finanzwirtschaftsakteure zu behandeln, statt (hinreichend) die Strukturen des Finanzsystems im Ganzen zu untersuchen4.

1 C. Borio, Rediscovering the Macroeconomic Roots of Financial Stability Policy: Journey, Challenges, and a Way Forward, S. 87 (88). 2 Ebd. 3 Ebd. 4 Ebd.

B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung Zur Bestimmung des Verhältnisses spezifischer finanzwirtschaftlicher Politikbereiche sind die begrifflichen Grundlagen und deren Zusammenhänge zu klären. Nur im Rahmen einer bestimmten (staatlichen) Ordnung lassen sich die Interaktionen der verschiedenen Politikbereiche erfassen und einordnen, so dass aus ihnen finanzwirtschaftliche Konsequenzen abgeleitet werden können.

I. Freiheitsbegriff Ausgangspunkt jeder (staatlichen) Ordnung ist ihre kleinste Einheit: das menschliche Individuum, mithin die Familie, das Dorf. Der Mensch kann nur ein der Vernunft fähiges Wesen sein, wenn er frei ist (homo noumenon), also nicht nur von empirischer Natur ist (homo phaenomenon), die lediglich als vollkommen determiniert erlebt werden könnte1. Der Mensch kann handeln, weil er frei ist2. „Jedenfalls lebt die Menschheit unter der Idee der Freiheit“, das heißt, sie lebt „unter der Annahme, daß nicht alles Handeln determiniert sei, sondern daß Handeln die Welt verändert, also kausal“ sein kann3. Da der Mensch als vernunftbegabtes Wesen geboren ist, ist mit ihm auch seine Freiheit geboren4. Das Prinzip der Freiheit befähigt und berechtigt den Menschen zur Autonomie seines Willens5. Die Freiheit wird nicht etwa erst durch den Staat gewährt, sondern sie ist die „Idee der menschlichen Vernunft, die Idee des Vermögens des Menschen zum Guten“ 6. Ferner ist die Freiheit nicht etwa empirisch beweisbar, sondern vielmehr transzendentalphilosophisch fundiert7. Die Freiheit zeigt sich „nicht in den tatsächlichen Möglichkeiten des Handelns“, weil sie den Menschen vielmehr determinieren8. Die Freiheit des Menschen ist die „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“ 9. 1

Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 31 (m.w. N.). K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 119. 3 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 119 (m.w. N.). 4 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 44 (m.w. N.). 5 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 19 (m.w. N.). 6 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 253 (m.w. N.); ders., Freiheit in der Republik, S. 27 (m.w. N.). 7 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 256; ders., Freiheit in der Republik, S. 36. 8 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 68 f. (m.w. N.). 9 Vgl. I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (345). 2

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B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung

Die Freiheit des Menschen begründet dessen Würde und damit auch die Gleichheit aller Menschen (in der Freiheit), da alle Menschen gleich frei geboren sind10. Weil die Würde des Menschen in der Freiheit begründet ist, ist das „politische Prinzip der Freiheit deren Allgemeinheit“ 11. Die Freiheit kommt in der Autonomie des Willens zum Ausdruck und verleiht dem Menschen darüber hinaus seine Würde12. Dabei beschreibt die Menschenwürde die Fähigkeit der menschlichen Vernunft, sich selbst Maximen zu geben und unter dem eigenen Gesetz handeln zu können13. Die Freiheit der Entfaltung der Persönlichkeit und die Willensautonomie sind wesentliche Bestimmungsgründe der menschlichen Würde14; auch die politische Freiheit liegt in der Würde des Menschen begründet15. Bereits die Gleichheit der Menschen (als gleichermaßen frei Geborene) verbietet die Herrschaft von Menschen über andere Menschen16, denn Herrschaft ist Unfreiheit. Die Grundlage der menschlichen Autonomie und der menschlichen Würde stellt die Fähigkeit des Menschen zur Sittlichkeit dar17. Die Freiheit äußert sich im Vermögen des Menschen zu freier Willkür, mithin im Vermögen, die Maximen seines Handelns nach sittlichen Kategorien auszurichten18. Aufgrund seiner Freiheit hat der Mensch die Fähigkeit und die Pflicht, sittlich zu handeln19. Das ist die Moralität20. Die Sittlichkeit ist ein Vernunftprinzip, welches sich in menschlichen Handlungen immer dann zeigt, wenn eine Handlung einem formalen Prinzip – dem Sittengesetz21 – genügt22. Das Sittengesetz hat einen rein formalen Inhalt23. Nach dem Sittengesetz sollen neben den Maximen und den Zwecken auch die Handlungen pflichtgemäß sein24. Das Sittengesetz ist der kategorische Imperativ, der sich nur auf die Maxime der Handlung, dagegen nicht auf

10 Vgl. I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 7 (69, 73 u. 81); W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 37; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 u. 8. 11 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 50 f. 12 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 58 (m.w. N.). 13 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 7 (74); ders., Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (318). 14 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 28. 15 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 40. 16 Vgl. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 51 (m.w. N.). 17 Vgl. I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 7 (69, 73 u. 81). 18 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 69. 19 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 20 (m.w. N.). 20 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 541. 21 Vgl. BVerfGE 93, 213 (221). 22 Vgl. I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 7 (45). 23 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 71. 24 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 61.

I. Freiheitsbegriff

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den Handlungszweck bezieht25. Eine menschliche Handlung folgt dem Gebot des kategorischen Imperativs, wenn der Mensch „nur nach derjenigen Maxime“ handelt, durch die er „zugleich wollen“ kann, „daß sie ein allgemeines Gesetz werde“ 26. Anders gewendet muss eine sittliche Handlung nach der Zweckformel des Sittengesetzes derart beschaffen sein, dass der Handelnde sich und andere Menschen „jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel“ behandelt27. Allein die Einhaltung des Sittengesetzes macht die Handlung aber noch nicht zu einer sittlichen, sondern die Handlung muss auch um der Sittlichkeit willen geschehen, um sittlich sein zu können28. Die Eignung einer Maxime zu verbindlicher Verallgemeinerung, mithin die Sittlichkeit, bestimmt den inneren Wert einer Handlung29. Die Lehre von der Freiheit heißt Ethik und gliedert sich in die Bereiche Rechtslehre und Tugendlehre30. Der Rechtslehre können Pflichten entnommen werden, welche zur äußeren Gesetzgebung taugen, wogegen die Tugendlehre diejenigen Pflichten behandelt, welche einer äußeren Gesetzgebung nicht zugänglich sind31. Die Tugend als innere Form der Freiheit wird im Folgenden ausgeklammert, weil sie als forum internum nicht durch äußere Gesetze erzwungen werden kann32, also daher keinen Beitrag zur Bestimmung einer freiheitlichen Ordnung leisten kann33. Die Moral muss vom Recht unterschieden werden, damit die Moralität nicht zur Rechtspflicht aus Gesinnung anstatt Vernunft und somit zum Moralismus verkommt34. Im Gegensatz zur Moral sind die a priori gültigen Rechtsprinzipien „aus der Ethik als Freiheitslehre“ ableitbar35, wobei die Rechtslehre aber jeden Schluss vom Sein auf das Sollen verbietet36. Ein gelungenes Zusammenleben setzt jedenfalls das Recht im Sinne des Bestehens der Freiheit eines jeden Menschen mit der Freiheit der anderen voraus37.

25

Vgl. I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 7 (43 ff.). I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 7 (51); ders., Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (331 f.). 27 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 7 (61). 28 Vgl. I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 7 (14). 29 Vgl. I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (334). 30 Vgl. I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (309 u. 503 ff.). 31 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (508). 32 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 634. 33 Vgl. I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 7 (7). 34 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 265. 35 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 31. 36 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 632 ff. 37 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 51 f. (m.w. N.). 26

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B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung

II. Rechtsbegriff Der Begriff des Rechts ist nicht anschaulich, weil er abstrakt und in der menschlichen Vernunft begründet ist38. Der Rechtsbegriff bezieht sich nur auf die Verhältnisse zwischen Menschen, soweit deren Handlungen Einfluss aufeinander haben39. Jedoch ist alles Handeln Gewaltausübung auf andere, denn es hat prinzipiell Wirkungen für alle40. Das Recht kennzeichnet den Zustand, in welchem die freie Willkür eines Menschen mit der freien Willkür eines anderen im Rahmen allgemeiner Freiheit in Einklang gebracht werden kann41. Dabei ist „Freiheit . . . dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen, kraft seiner Menschheit, zustehende Recht“ 42. Die Freiheit ist das einzige dem Menschen allein qua seiner Geburt zustehende Recht, welches ihm als ursprüngliches Menschenrecht auch Zeit seines Lebens nicht genommen werden darf 43. „Es gibt keine Freiheit ohne Recht“, „weil die allgemeine Freiheit nur im Recht Wirklichkeit findet“, weshalb jedem Menschen „ein Recht auf Recht“ zukommt44. Bereits der Versuch eines Menschen über einen anderen Menschen Herrschaft auszuüben, stellt eine Verletzung der Freiheit und damit der Rechte des anderen dar und berechtigt den Verletzten zur Verteidigung seiner Freiheit und seiner Rechte45. Hindernisse für die Verwirklichung der Freiheit jedes einzelnen Menschen sind Unrecht und berechtigen zur Verteidigung der Rechtsordnung46. Ein freiheitliches Rechtsverhältnis in der Gemeinschaft gebietet es dem Menschen, gegen einen anderen nur das zu unternehmen, was man dem anderen in dessen Position gegen sich selbst zubilligen würde47. Die freiheitliche Rechtsordnung kann nur durch konsensuale Rechtsetzung konstituiert werden, also durch übereinstimmende Einigkeit aller Mitglieder der Rechtsgemeinschaft über die allgemeinverbindlichen Gesetze48. Denn aufgrund der Allgemeinheit der Freiheit bedarf es allgemeiner Gesetze, die für jeden einzelnen Menschen gelten49. Kein Mensch darf Gesetzen unterworfen werden, die er sich nicht selbst (im Zusammenwirken mit anderen) gibt50. Wegen seiner 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 50 (m.w. N.). I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (337). K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 119. I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (337). I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (345). W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 47 f. (m.w. N.). K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 50 (m.w. N.). W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 48 (m.w. N.). Vgl. I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (338). W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 50 (m.w. N.). W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 50 (m.w. N.). K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 51. I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (329 f.).

II. Rechtsbegriff

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Würde darf der Mensch keinem Gesetz unterworfen werden, das er sich nicht selbst gegeben hat51. Ohne allgemeine Gesetze könnten nicht alle Menschen in gleicher Freiheit leben, weil „der eine den anderen zu einem Handeln nötigt, welches dieser nicht will, weil es nicht seinem eigenen Gesetz entspricht“ 52. Jedem menschlichen Handeln wohnt ein nötigendes Moment für andere inne, weil Einfluss auf die Welt genommen wird und die Welt dadurch verändert wird53. Jedoch geschieht durch die Allgemeinheit der Gesetze legales Handeln mit dem Einverständnis aller Mitglieder der Rechtsgemeinschaft54. Zwar beschränken Gesetze die Möglichkeiten des (äußeren) Handelns, schaffen aber gleichsam die Voraussetzungen des gemeinsamen Lebens aller in Freiheit55. Gesetzlosigkeit hat unweigerlich die Herrschaft der Starken über die Schwachen zur Folge56. Zwar nehmen auch herrschaftliche Ordnungen den Begriff des Gesetzes für ihre allgemeinverbindlichen Regelungen in Anspruch, jedoch kann es sich dabei nicht um Gesetze im freiheitlichen Sinne handeln, „weil sich der Mensch um seiner Würde willen nur selbst verpflichten kann“ 57. Auch wenn eine solche Ordnung vielerorts seit langem „die Normalität der Lebensverhältnisse ist, ist sie nicht schon rechtmäßig“ 58, weil nicht von der Seins- auf die Sollensordnung geschlossen werden darf 59. Das allgemeine Rechtsgesetz ist eine Aufforderung an jedermann, die eigene Handlung stets mit der Freiheit der anderen in Einklang zu bringen60. Als zweite Anforderung neben der Allgemeinheit müssen Gesetze der Freiheit des Menschen und den daraus abzuleitenden Rechtsprinzipien61 – insbesondere dem Demokratieprinzip, dem Sozialprinzip und dem Prinzip der kleinen Einheit – genügen62. Denn nur die Rechtlichkeit und Sittlichkeit der Gesetze verwirklichen die menschliche Freiheit63.

51

I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 7 (67). K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 53. 53 Ebd. 54 Ebd. 55 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 58 f. 56 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 53. 57 Ebd. 58 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 54. 59 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 632 ff. 60 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (338). 61 Das umfasst die Prinzipien der Art. 1 und 20 GG: Menschenrechtsprinzip, Demokratieprinzip, Sozialprinzip, Bundesstaatsprinzip (als Prinzip der kleinen Einheit) und das allgemeine Rechts(staats)prinzip, vgl. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 54. 62 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 54. 63 Vgl. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 54. 52

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B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung

Recht kann realiter nur durch Zwang durchgesetzt werden64. Recht und Zwang sind notwendigerweise miteinander verbunden, da Zwang eine allgemein erforderliche Art darstellt, „die Rechtlichkeit menschlichen Handelns sicherzustellen65, so dass auch die Freiheit des Zwangsunterworfenen mit der Zwangsanwendung vereinbar ist66. „Reine Vernunftwesen“ sind zur Gewährleistung der eigenen Freiheit nicht auf staatliche Zwangsgewalt angewiesen, doch die Schwächen des Menschen bringen die Freiheit anderer in Gefahr, weil der Mensch durch sein Handeln Gewalt ausübt67. Nur im Wege der Zwangsgewalt können die Rechte des einzelnen Menschen vor der Gewalt durch andere geschützt werden68. Die Zwangsbefugnisse sind grundsätzlich dem Staat vorbehalten69. Da die Zwangsgewalt des Staates es dem einzelnen Menschen ermöglicht, sein Recht und damit seine Freiheit zu verwirklichen, fördert die Zwangsgewalt die öffentliche Gerechtigkeit70. Zwang zur „Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit“ ist als Widerstand gegen Unrecht selbst Recht71. Recht und Zwangsbefugnis (zum Recht) sind miteinander verbunden72. Jedoch bedeutet das nicht, dass jede Rechtsnorm einen erzwingbaren Inhalt haben müsste, um Recht sein zu können, denn die Verbindlichkeit einer Rechtsnorm folgt aus dem Willen derjenigen, die sich die Rechtsnorm gegeben haben, und nicht unbedingt ihrem Zwangsmoment73. Erst in der Zwangsbefugnis jedoch realisiert sich die Verbindlichkeit der Sittlichkeit für die Allgemeinheit74. Der Zweck rechtlichen Zwangs im Sinne der Verwirklichung der allgemeinen Freiheit rechtfertigt keinesfalls die Anwendung jeden möglichen Mittels, sondern die Zwangsmittel müssen einerseits unter Effektivitäts- und andererseits unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gesetzlich geregelt sein75. Demzufolge ist die Grundlage des Rechts die Freiheit, wobei streng zwischen einem formalen Freiheitsbegriff („Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“) und einem materiellen Freiheitsbegriff im Sinne der praktischen Vernunft unterschieden werden muss76. Die Freiheit im materiellen Sinn muss nach 64

K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 110. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 111. 66 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (339 f.). 67 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545. 68 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 110. 69 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 118. 70 Vgl. I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (422 f.). 71 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (338 f.). 72 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (340). 73 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 111 f. 74 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 112. 75 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 113; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 118 f. 76 Vgl. K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 121 (143 f.). 65

III. Staat, Gemeinwohl und Repräsentation

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dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik vom Gesetzgeber vermittels der praktischen Vernunft erkannt und verwirklicht werden77. Es handelt sich um einen fortwährenden Erkenntnisprozess, weil sich die Welt ständig verändern kann78. Sachliche Argumente müssen deshalb im Rahmen des Erkenntnisprozesses in ständig neuen Zusammenhängen abgewogen werden. Die Wissenschaft ist dem Gesetzgeber bei der Materialisierung der Freiheit mit ihren Forschungsergebnissen behilflich. Der Gesetzgeber hat (auf wissenschaftlicher Grundlage) permanent das Richtige vom Falschen zu scheiden, wobei Versuch und Irrtum zur praktischen Erkenntnis gehören79. Wissenschaftliche Theorien können nicht verifiziert, sondern nur falsifiziert werden, weshalb es Aufgabe der Wissenschaft ist, ihre Theorien in bestmöglicher Weise der Wirklichkeit anzunähern80. Die Rechtsfindung – insbesondere die Gesetzgebung – muss jedenfalls in einer Weise ausgestaltet sein, die diese Annäherung bestmöglich gewährleistet und Irrtümer möglichst vermeidet81.

III. Staat, Gemeinwohl und Repräsentation Freiheit und Recht kann der Mensch als soziales Wesen nur in der Gemeinschaft erfahren. Die Gemeinschaft als eine Menge von Menschen, die gegenseitig im Einfluss zueinander stehen, ist ein Volk82. Um die Menschen des Volkes des Rechtes teilhaftig werden zu lassen, bedarf es einer Verfassung im Sinne eines die Menschen zur Rechtsgemeinschaft vereinigenden Willens83. Das Volk wird durch die Herstellung des Zustandes des Rechts zum Staat und der einzelne Mensch zum Bürger84. Deshalb ist ein Staat „die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“ 85. Die Staatsform des Primats der Freiheit im Gegensatz zur Herrschaft ist die Republik86. Die Republik verwirklicht die Freiheit im Wege herrschaftsfreier De-

77 Vgl. K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 121 (142 f.). 78 Vgl. K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 121 (153). 79 Vgl. K. R. Popper, Wissenschaftslehre in entwicklungstheoretischer und logischer Sicht, S. 15 (15 ff.); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 568; W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 90 f. 80 Vgl. K. R. Popper, Objektive Erkenntnis, S. 44 ff., 95 f., 120 ff., 346; K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 144 (m.w. N.). 81 Vgl. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 144. 82 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (429). 83 Ebd. 84 Vgl. I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (429). 85 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (431). 86 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 116.

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B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung

mokratie87. Die Menschen sind nur in der Republik frei88. Der Zweck des Staates als Republik ist es, dem Bürger Schutz zu geben und Frieden im Inneren und nach außen zu schaffen89. Zu diesem Zweck können auch Staaten miteinander Republiken bilden als Republik der Republiken90. Eine staatsübergreifende Republik muss aber gewährleisten, dass die Bürgerschaften für die Politik verantwortlich bleiben91. Ein Weltstaat dagegen kann keine Republik sein, weil seine Größe ihn undemokratisch sein lässt; denn ein Weltstaat ist entgegen dem Prinzip der kleinen Einheit die größtmögliche Einheit92. Als Einrichtung für die Zwecke der Bürger kann der Staat selbst keine Freiheit beanspruchen, weil ihm die Personalität fehlt. Der Staat als Einrichtung dient den Bürgern bei „der Verwirklichung des (funktional) Staatlichen“, indem das, was von den Bürgern für ein freiheitliches Leben als notwendig erachtetet und deshalb in Form allgemeiner Gesetze für verbindlich erklärt wurde, von ihm durchgesetzt wird93. Die Durchsetzung der Gesetze ist keine Herrschaft, sondern Staatlichkeit94. Staatlichkeit ist Freiheitlichkeit95, denn sie verwirklicht als rechtliche Gesetzlichkeit die Freiheit96. Alle nach außen gerichteten Handlungen des Bürgers sind (un-)gesetzlich, weil das Verhältnis des Bürgers zu anderen umfassend durch allgemeine Gesetze zur Freiheitsverwirklichung geregelt ist97. Im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen wird das äußere Handeln der Bürger aber auch in privater Weise bestimmt; denn soweit staatliche Gesetze dem nicht entgegenstehen, können die Menschen ihre Verhältnisse zueinander in Verträgen festlegen98. Aufgrund der Freiheit des Menschen hat die private Lebensbewältigung nach dem Privatheitsprinzip grundsätzlich Vorrang vor der allgemeinen Regelung der Lebensverhältnisse durch Gesetze (Subsidiaritätsprinzip der Staatlichkeit99)100. Das Privatheitsprinzip dient dem Freiheitsprinzip, das nur dasjenige Maß „an Staatlichkeit in der Lebensbewältigung erfordert, als für das gute Leben aller in allge-

87

K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 204 f. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 369 f. 89 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 101. 90 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 370. 91 Ebd. 92 Ebd. 93 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 627. 94 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 f. 95 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 219 (m.w. N.). 96 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 383. 97 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 620. 98 Ebd. 99 Vgl. J. Isensee, Staatsaufgaben, § 73 Rn. 65 ff. 100 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 620 f. 88

III. Staat, Gemeinwohl und Repräsentation

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meiner Freiheit geboten ist“ 101. Übermäßige Staatlichkeit in der Lebensbewältigung ist gleichbedeutend mit beispielsweise sozialistischer Lebensweise, denn ohne private Lebensbewältigung werden die Unterschiede zwischen den Menschen in einer mit der Freiheit des Menschen nicht zu vereinbarenden Weise nivelliert102. Andererseits ist nicht jede Entstaatlichung genuin freiheitverwirklichend, weil es „nicht um die größtdenkbare, die den Stärkeren die Macht in die Hand spielt“, sondern „um die bestmögliche Verwirklichung des Privatheitsprinzip“ geht103. Der Vorrang privater Lebensbewältigung darf das republikanische Freiheitsprinzip, das auf der Einheit der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit gründet, nicht konterkarieren104. Letztlich ist es „Sache der das Gemeinwohl materialisierenden Gesetze“, ob entweder der Staat oder Private bestimmte Aufgaben erfüllen sollten105. Gemeinwohl ist ein formaler Begriff 106. Der Begriff umfasst „das gute Leben aller“ in der freiheitlich verfassten staatlichen Gemeinschaft, das in der Republik durch sachliche Gesetzlichkeit verwirklicht wird107. Zwar ist der Zweck des guten Lebens aller material, doch wegen der Formalität des Freiheitsbegriffs und wegen der „materialen Offenheit des guten Lebens“ muss das Gemeinwohl durch Gesetze konkretisiert werden108. Jeder Bürger ist verantwortlich für das Gemeinwohl, auch wenn er kein politisches Amt innehat109. Die legislative Gewalt hat der vereinigte Wille aller Menschen, also das Volk, inne, da niemandem, der zugestimmt hat, durch die Anwendung der Gesetze Unrecht geschehen kann110; „denn, was das gesamte Volk nicht über sich selbst beschließen kann, das kann auch der Gesetzgeber nicht über das Volk beschließen“ 111. Die Möglichkeit der Stimmabgabe bei der Gesetzgebung qualifiziert den Menschen zum selbständigen und würdigen Staatsbürger112. Besteht ein Volk aus zu vielen Staatsbürgern, um eine Versammlung aller Bürger in regelmäßigen Abständen abzuhalten und unmittelbar demokratisch über die eige-

101

K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 351 (m.w. N.). K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 246. 103 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 345 (m.w. N.). 104 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 370 (m.w. N.). 105 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 486. 106 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 486 (m.w. N.); ders., Res publica res populi, S. 574. 107 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 486; ders., Res publica res populi, S. 350 f. 108 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 574. 109 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 209. 110 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (432). 111 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (448). 112 I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (432); W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 78. 102

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B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung

nen Gesetze Beschlüsse zu fassen, dann kann das Volk Abgeordnete wählen, die die Bürger bei der Gesetzgebung repräsentieren113 (repräsentative Demokratie). Da konsensuale Entscheidungsfindung praktisch unmöglich ist, müssen die legislativen Beschlüsse nach dem Mehrheitsprinzip gefasst werden, obwohl dies einen Widerspruch zur Allgemeinheit der Freiheit birgt114. Das Gesetzgebungsverfahren muss in einer Weise ausgestaltet sein, die eine diskursive Rechtserkenntnis fördert115. Die Moralität als Triebfeder der Bürger und ihrer Repräsentanten im Gesetzgebungsverfahren ist Voraussetzung für die materielle Sittlichkeit der Gesetze116. Diesen Grundlagen wird der moderne Parteienstaat oftmals nicht gerecht, beispielsweise stellt der Fraktionszwang eine freiheitswidrige Herrschaftsausübung dar117.

IV. Allgemeiner Politikbegriff Politik ist die „Erkenntnis der Grundbestimmungen menschlichen Zusammenlebens“, denn das Politische ist das „Staatliche, Bürgerliche, Freiheitliche und Gemeinschaftliche, das Geordnete und Gesetzliche“ 118, kurzum das „Soziale“ 119. Politik ist (idealiter) die Erkenntnis des Rechts im Wege des Diskurses zum „Ausgleich aller notwendig selbstbestimmten Interessen“ 120. Es handelt sich bei der Politik um „ausübende Rechtslehre“ 121, denn „Politik ist Verwirklichung des Rechtsprinzips“ 122. Zweck der Politik ist die Rechtlichkeit123. Deshalb stehen das Freiheitsprinzip und die aus ihm folgenden formalen Prinzipien wie das Rechts-, Sozial- und Demokratieprinzip „nicht zur Disposition der Politik“ 124. Sittliche Politik materialisiert den allgemeinen Willen unter Beachtung der formalen Prinzipien der Freiheit125. Alle Verhältnisse zwischen den Menschen sind unter dem Primat der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit politisch, weil das Wesen des Politischen die Verwirklichung der allgemeinen Freiheit ausmacht126. Deshalb sind alle äußeren 113

I. Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 303 (464). K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 52. 115 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 52 f. 116 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 53. 117 Vgl. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 52. 118 D. Sternberger, Machiavellis „Principe“ und der Begriff des Politischen, S. 48 f.; vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 135. 119 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 346. 120 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 632. 121 I. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 193 (229). 122 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 633. 123 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 27. 124 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 54. 125 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 632. 126 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 619. 114

IV. Allgemeiner Politikbegriff

31

Handlungen des Menschen politisch (wirtschaftliches Handeln ist beispielsweise ebenso politisch wie Meinungsäußerungen), denn sie sind prinzipiell einer gesetzlichen Regelung zugänglich127. Das gesamte Leben aller in Gemeinschaft ist politisch, unabhängig davon, ob der Gesetzgeber für den einzelnen Lebenssachverhalt Regelungen getroffen hat oder nicht128. Das vom Gesetzgeber als rechtens Erkannte ist Gesetz, so dass die Materialisierung der Politik des Gesetzgebers das Gesetz darstellt129. Zu jeder Zeit und an jedem Ort im Staate wird das menschliche Handeln von Gesetzen bestimmt, beispielsweise können auch im privatesten Lebensbereich Straftaten geahndet werden130. Aber auch wenn das menschliche Handeln staatlich bestimmt wird, kann es und muss es zumeist erst in privater Weise materialisiert, also näher bestimmt werden131. Politischer Paternalismus, der als (totaler) Staat seinen Bürgern den Weg zum Lebensglück zu diktieren sucht, führt zur Despotie des Staatlichen132. Politisch ist deshalb insbesondere die Verteilung der Kompetenzen zwischen Staat und Privaten zur Regelung bestimmter Sachverhalte, also die Entscheidung der Frage, ob der Staat trotz des Subsidiaritätsprinzips im Sinne des Vorrangs der privaten Lebensbewältigung ein bestimmtes Verhältnis zwischen Menschen oder mit anderen Worten einen bestimmten Politikbereich regeln sollte133. Es ist politisch, auf allgemeine Gesetze um der Privatheit willen zu verzichten134. Vor allem die Eigentumsfreiheit und die Berufsfreiheit als Grundrechte verbieten es dem Staat, private wirtschaftliche Betätigungsfelder durch gesetzliche Regelungen übermäßig einzuengen135. Der Verzicht auf gesetzliche Regelungen zugunsten der Privatheit hat häufig den „Wettbewerb um die vielfach knappen Ressourcen des Lebensglücks“ zur Folge, weil der Mensch für gewöhnlich nach seinem Lebensglück strebt136. Der Verzicht ist auch regelmäßig politisch erforderlich, weil der Wettbewerb den Menschen wie kein anderes Mittel zu Leistung motiviert137.

127 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 247; ders., Res publica res populi, S. 193. 128 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 249. 129 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 619. 130 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 253. 131 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 633. 132 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 252. 133 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 247; ders., Res publica res populi, S. 193. 134 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 249; ders., Res publica res populi, S. 195. 135 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 249; ders., Res publica res populi, S. 195. 136 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 249; ders., Res publica res populi, S. 195. 137 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 249; ders., Res publica res populi, S. 195.

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B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung

Schädigt der Wettbewerb dagegen das Gemeinwohl, muss er durch den Gesetzgeber politisch reguliert oder gar unterbunden werden, denn durch die Schädigung hat sich in diesem Fall gezeigt, dass der Staat eingreifen muss138. Politik behandelt somit die Frage, wer die Lebensverhältnisse regeln sollte und wie die Lebensverhältnisse geregelt werden sollten. Das ewige Ringen um die Beantwortung dieser Fragen ist der Prozess des Politischen. Zum Politischen gehört aber auch die tatsächliche Umsetzung der Regelungen in der Realität, denn erst dadurch, dass eine Regelung gelebt wird, wird sie zur Verwirklichung allgemeiner Freiheit. Die Regelfindung, die Regel selbst und das Geregelte sind allesamt Bestandteile des Politischen. Das Ringen um den richtigen Weg kann nicht enden, schon allein weil sich kein materialer Begriff der „staatlichen Aufgabe“ finden lässt139. Zwar gibt es typischerweise staatlich bewältigte Aufgaben, jedoch keine Aufgaben, die schon begrifflich dem Staat zuzuordnen sind140. Ständig muss der Gesetzgeber festlegen, welche Bereiche er selbst regeln will und welche er der Privatheit überlässt141. Neben der Politik im allgemeinen, formalen Sinne, die alle sozialen Verhältnisses des menschlichen Lebens umfasst, gibt es Politiken im Besonderen. Einzelne Politikbereiche sind nur unterschiedliche Blickwinkel und Fokussierungen auf die menschlichen Verhältnisse. Politikbereiche gibt es unzählige, denn der Politikbereich ändert sich je nach Definition des in Betracht genommenen Ausschnitts. Die Grenzen zwischen Politikbereichen sind nicht starr, sondern fließend. Im Laufe der Zeit verändern sich soziale Zusammenhänge, mithin das Materiale des Politischen, damit verändern sich auch die in Betracht zu nehmenden Politikbereiche. Politikbereiche können verschwinden, neu entstehen oder ihre Gestalt wesentlich ändern. Noch vor Jahrzehnten waren beispielsweise die modernen technischen Medien zur sozialen Interaktion undenkbar, heute sind sie wesentlicher Bestandteil der Lebensverhältnisse und damit der Politik; auch von einer Finanzpolitik konnte in einer archaischen naturaltauschwirtschaftlichen Gemeinschaft noch keine Rede sein, heute prägt sie den politischen Diskurs wie kaum ein anderer Politikbereich. Die Abstraktion verschiedener Politiken darf die Einheit des Politischen nicht aufzuheben suchen, denn sonst verkürzt sie den betrachteten Politikbereich um dessen Interaktionen mit anderen Politikbereichen und dem Politischen im formalen Sinne. Keine Veränderung eines Politikbereichs bleibt gänzlich ohne Wechselwirkungen mit anderen Politikbereichen. Die definitorische Aufteilung zwischen Politikbereichen erfolgt häufig entlang staatlicher wahrgenommener Auf138 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 249; ders., Res publica res populi, S. 195. 139 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 253. 140 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 253. 141 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 253.

V. Wirtschaftsordnung

33

gaben, muss es aber nicht. Die definitorische Trennung von Politiken ist aus Gründen der praktischen Vernunft erforderlich. Soziale Phänomene müssen begrifflich geordnet und geregelt werden, um der Freiheit des Menschen dienen zu können. Die Aufteilung der Politiken dient der staatlichen Kompetenzordnung. Zur Verwirklichung des Privatheitsprinzips bedarf es der Abstraktion sozialer Lebensbereiche in Politikbereichen, damit festgelegt werden kann, welcher Politikbereich in welchem Umfang der privaten Lebensbewältigung anheimgestellt sein sollte und welcher gesetzlich geregelt werden muss. Zudem dient die Aufteilung der Mandatierung verschiedener öffentlicher Akteure (verschiedener Ebenen) sowie der Organisation der öffentlichen Verwaltung. Des Weiteren dient die Aufteilung der Wissenschaft dem Zweck, durch die Kategorisierung bestimmter Lebensbereiche Betrachtungsgegenstände zu gewinnen, über die die Wissenschaft in methodischer Weise Erkenntnisse entwickeln kann, die sie in ein System setzt und damit politisch umsetzbar macht142.

V. Wirtschaftsordnung In einer Gemeinschaft von Menschen wird gewirtschaftet. Der Mensch muss von seinen physischen Zwängen unabhängig werden, um seine Freiheit verwirklichen zu können143. Die Sicherung der Unabhängigkeit des Menschen von den physischen Notwendigkeiten geschieht in einer arbeitsteiligen Gesellschaft durch wirtschaftliche Betätigung144. Vertrag und Eigentum sind für den Menschen die notwendigen Mittel zur Sicherung seiner Unabhängigkeit. Das Privatheitsprinzip und das Sozialprinzip gewährleisten eine hinreichende Privatheit und Selbständigkeit des Menschen, die eine „Vertragsfähigkeit“ des Menschen begründet145. Aufgrund seiner Vertragsfähigkeit können Verträge (im Rahmen der gesetzlichen Ordnung) dem Menschen „als Grundlage des gemeinsamen Lebens“ dienen146. Diese Vertragsfreiheit bildet einen wesentlichen Bestandteil der Privatautonomie des Menschen147. Zudem wird das Gegenseitigkeitsprinzip durch die Verbindlichkeit des Instituts Vertrag Wirklichkeit148. Der Vertrag ist in einer wettbewerblichen Wirtschaft notwendige Voraussetzung, denn er „ermöglicht eine Vielfalt rechtsverbindlicher Entscheidungen, die es erlauben, das Leben interessengerecht zu planen, vor allem unternehmerisch tätig zu sein“ 149. „Die allseitige Vertragsfreiheit und ver142 143 144 145 146 147 148 149

Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 414 f. W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 136. W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 136 (m.w. N.). K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 47. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 47. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 506. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 511. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 514.

34

B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung

tragliche Lebensbewältigung führt zum Wettbewerb um die Lebensmöglichkeiten“ 150. Zur Gewährleistung eines für beide Seiten akzeptablen Interessenausgleichs bedarf es hinreichender Selbständigkeit der Vertragspartner151. Nur ein selbständiger Mensch kann einen selbstbestimmten Willen haben und der Freiheit fähig sein152. Seine (materielle) Selbständigkeit macht hinreichendes Eigentum erforderlich153. Ein in Armut lebender Mensch kann kein in Freiheit lebender Bürger sein, weil ein Mindestmaß an materieller Ausstattung erforderlich ist, um am „Gemeinschaftsleben teilnehmen“ und ein menschenwürdiges Dasein führen zu können154. Die Güterverteilung einer Volkswirtschaft hat daher jeden Menschen mit hinreichenden Mitteln für ein Leben in Selbständigkeit auszustatten155. Es bedarf einer staatlichen, gesetzlich festgelegten Wirtschaftsordnung, weil wirtschaftliches Handeln „in seiner Komplexität und Ungewißheit“ Auswirkungen auf den Lebensbereich Unbeteiligter (Externalitäten) haben kann156. Beispielsweise können gewisse Allgemeingüter (Luft und Wasser etc.) wegen der Externalitäten ihrer Nutzung nicht der Disposition Einzelner überlassen bleiben, so dass das Gemeinwesen deren Gemeingebrauch regeln muss157. Einen „sich von selbst einstellenden Gemeinwohlautomatismus“ wird es in einem unregulierten Wirtschaftssystem nicht geben, weil der Stärkere immer das „Recht“ (allein) für sich selbst in Anspruch nehmen wird158. Es bedarf dagegen einer Wirtschaftsordnung, in der alle Menschen die ihnen angeborene Freiheit auf Grundlage einer hinreichenden Vermögensverteilung verwirklichen können. Die Wirtschaftsordnung verfasst das Gefüge, das wirtschaftliches Handeln der Gesellschaft normativ unter Berücksichtigung der Ressourcenausstattung konstituiert159. Die Wirtschaftsordnung wird von der Rechtsordnung geschaffen, denn die Wirtschaft darf sich nur in den von der Rechtsordnung gesetzten Grenzen entfalten160. Die normative Bestimmung des Gefüges ist im Wesentlichen eine politische Aufgabe des Gesetzgebers161, weil der Ausgleich wirtschaftlicher In-

150

K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 411 f. (m.w. N.). 152 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 153 Ebd. 154 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 79 (m.w. N.). 155 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 156 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 181 (m.w. N.). 157 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 181 (m.w. N.). 158 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 139. 159 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 143. 160 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, (m.w. N.). 161 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 143 f. (m.w. N.).

47.

151

28.

28.

S. 26

V. Wirtschaftsordnung

35

teressen der Gemeinschaft insgesamt zusteht162. Im Allgemeinen sind Zielsetzungen aus verschiedenen politischen Bereichen in die Wirtschaftsordnung und damit in die Wirtschaftspolitik zu integrieren, weil der Staat dem Allgemeinwohl verpflichtet ist und nicht nur (idealisierten) ökonomischen Interessen163. Die freiheitliche Wirtschaftsordnung ist liberal, aber nicht „liberalistisch im Sinne von Freiheitsrechten als Rechten zur Willkür“, denn dann würde sie die Freiheit der anderen nicht ausreichend berücksichtigen164. Stets bildet die Menschenwürde nicht nur die „Grenze des „Produktionsfaktors Arbeit“, sondern der ganzen Wirtschaftsordnung“ 165. „Die Wirtschaftsordnung steht . . . immer zur Disposition“ der Gemeinschaft166. Es gibt keine „selbständige(n) ökonomische(n) Ideale“, weil das Ökonomische immer gegenüber den ethischen Idealen nachrangig ist167; beispielsweise vermag „Marktkonformität“ „keine übergeordnete Bedeutung zu beanspruchen“ 168. Auch im Rahmen der wirtschaftlichen Betätigung des Staates taugen die Ziele des Marktes und des Wettbewerbs, Gewinn und Vorteil, mangels Gemeinwohlbindung nicht als Maximen169. Dem Freiheitsprinzip jedenfalls entspricht nur eine soziale Wirtschaftsordnung, mithin eine Sozialwirtschaft170. Die Wirtschaftsordnung ist auf untrennbare Weise mit der Sozialordnung verbunden, weil die Sozialordnung auf die volkswirtschaftliche Vermögensverteilung einwirkt und umgekehrt von ihr bestimmt wird171. Seine sozialen Aufgaben kann der Staat nur mit seiner Volkswirtschaft erfüllen172, so dass Staat und Volkswirtschaft nicht voneinander getrennt werden können, falls der Staat dem Gemeinwohl und damit dem Sozialprinzip verpflichtet sein soll173. Daher ist der Staat schon aufgrund des Sozialprinzips zur Bewahrung und Förderung der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verpflichtet174. Ein dem Gemeinwohl verpflichteter Staat, also der „Wohlfahrtsstaat“, muss aufgrund des Sozialprinzips den Grundsatz der Einheitlichkeit der Lebensverhält-

162 163 164 165 166 167 168 169 170

W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 141 (m.w. N.). W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 145 (m.w. N.). K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 28. W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 155 f. (m.w. N.). W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 145 (m.w. N.). W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 141 (m.w. N.). W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 145 (m.w. N.). W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 146 (m.w. N.). Vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2,

S. 30. 171 Vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 30 (m.w. N.). 172 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 32. 173 Ebd. 174 Ebd.

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B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung

nisse beachten175. „Das Sozialprinzip gebietet die wirtschaftliche Stabilität des Gemeinwesens“, womit nicht nur eine fiskalische, sondern eine gesamtwirtschaftliche Stabilität gemeint ist176. Die gesamtwirtschaftliche Stabilität wird in einer marktlich und wettbewerblich orientierten Wirtschaftsordnung durch die Einheit der wirtschaftspolitischen Ziele177 Preisstabilität, hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum verwirklicht178. Trotzdem legt das Sozialprinzip das Wirtschaftssystem, in dem und durch das die sozialen Bedürfnisse der Menschen wirtschaftlich befriedigt werden, nicht (endgültig) fest179. Auch aus dem allgemeinen Freiheitsprinzip kann nicht schon eine bestimmte Verfassung der Wirtschaftsordnung abgeleitet werden180. Eine Wirtschaftsordnung, die den Eigentumsschutz, die Berufsfreiheit (oder auch Unternehmensfreiheit) und die allgemeine Freiheit gewährleisten soll, muss weitgehend marktlich und auch wettbewerblich organisiert sein181. Vor allem das aus dem Freiheitsprinzip abgeleitete Privatheitsprinzip hat Markt und Wettbewerb zur Folge, weil sich diese bereits (zwingend) aus der Vielzahl von privaten und unternehmerischen Wirtschaftsteilnehmern ergeben182. Die Wirtschaft bleibt zum Großteil dem Markt und Wettbewerb aus Gründen des Privatheitsprinzips (grundrechtlich verankert vor allem in der Eigentumsgewährleistung und der allgemeinen Handlungsfreiheit) überlassen183. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass marktlich und wettbewerblich verfasste Wirtschaftsordnungen erfolgreicher sind als andere Wirtschaftsordnungen, wenn eine richtige Balance mit dem Sozialprinzip gefunden wird184. Zwar ist die Marktlichkeit nach derzeitigem Erkenntnisstand anderen Theorien wirtschaftlicher Ordnung überlegen, kann aber „nicht aus sich heraus begründet werden“, sondern muss über eine freiheitliche Werteordnung fundiert werden185. Der verbreitete Begriff der sozialen Marktwirtschaft verbindet „die freie Marktwirtschaft mit dem sozialen Ausgleich“ 186. Der freiheitliche Wettbewerb 175

K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, (m.w. N.). 177 Gem. § 1 S. 2 StWG. 178 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 179 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 180 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 144 (m.w. N.). 181 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 182 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 183 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 184 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 185 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 155 (m.w. N.). 186 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, (m.w. N.). 176

31 f. S. 33

33. 31. 36. 43. 46. 46 f. S. 35

V. Wirtschaftsordnung

37

der sozialen Marktwirtschaft unterstützt die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft, indem sich (auch als soziales Element) die bessere Leistung gegen die schlechtere durchsetzt187. Zur Verdeutlichung müssen die Begriffsbestandteile der sozialen Marktwirtschaft aber zur „marktlichen Sozialwirtschaft“ verschoben werden, um zu betonen, dass Wettbewerb und Markt eine primär „dienende Funktion“ haben und die Wirtschaft vom Gemeinwesen verantwortet wird188. Der Wettbewerb soll der Verwirklichung der menschlichen Freiheit dienen189. Der Staat muss den Wettbewerb aber beaufsichtigen, um dessen Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit zu gewährleisten, weil der Wettbewerb die Voraussetzungen, auf denen er beruht, nicht selbst garantieren kann190. Der Begriff des „wirksamen Wettbewerbs“ kann weder trennscharf definiert noch allein administrativ gewährleistet werden191. Trotzdem muss der Wettbewerb vom Staat durch Gesetze moderiert werden, um unlauteren Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern192; denn unbeschränkter Wettbewerb führt häufig auf lange Sicht aufgrund von Konzentrationen an Wirtschaftsmacht zur Aufhebung seiner selbst. Durch seine staatliche Ordnung und Beaufsichtigung stellt sich der auf dem Privatheitsprinzip gründende Wettbewerb sogar letztlich als eine „staatliche Veranstaltung“ dar193. Die Wirtschaft muss aber keineswegs vollkommen marktlich und wettbewerblich konstituiert sein, sondern kann (beispielsweise im Bereich der Sozialversicherung) allein oder überwiegend staatlich veranstaltet stattfinden194. Markt und Wettbewerb müssen die Verteilungsergebnisse der sozialwirtschaftlichen Ordnung „respektieren“ 195. Der Grundsatz des Vorrangs privater Lebensbewältigung gebietet zwar eine private Güterpreisbestimmung, schließt aber Ausnahmen von der Marktlichkeit bei der Preisbestimmung nicht aus, „wie auch nicht alle Güter von einer Marktwirtschaft“ (zu nachfragetreffenden Preisen) in ausreichendem Maße angeboten werden196. Wenn die selbstbestimmte Privatheit der Lebensbewältigung dem Gemeinwohl abträglich ist, dann ist die Staatlichkeit der Lebens-

187 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 35 (m.w. N.). 188 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 35 f. (m.w. N.). 189 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 155 (m.w. N.). 190 Vgl. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 355, 393 f. 191 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 47. 192 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 495 f. 193 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 590 (m.w. N.). 194 Vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 37. 195 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 47 f. 196 W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 144 f. (m.w. N.).

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B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung

bewältigung geboten197. Die Eigentumsgewährleistung kann den Staat nicht davon abhalten, private unternehmerische Tätigkeiten zu beschränken oder gar zu unterbinden, wenn er denn die Staatlichkeit der Lebensbewältigung – insbesondere durch das Sozialprinzip – zu rechtfertigen vermag198. Jedoch würde eine egalitaristische „Verteilung der Lebensmöglichkeiten“ gegen das Privatheitsprinzip verstoßen199. Der Gesetzgeber muss das Für und Wider der Privatheit oder Staatlichkeit der Lebensbewältigung abwägen und dem Interessenausgleich entsprechend entscheiden und durch Gesetz regeln200. Es handelt sich wie bei jeder Interessenabwägung um eine Frage des Maßes beziehungsweise der praktischen Vernunft, also um eine Frage der Politik201. Einerseits stellen die allgemeinen Gesetze nur den Mindestbestand an Vereinbarungen der Gesellschaft über (wirtschaftliche) Handlungen dar202. Andererseits dürfen die höchstpersönlichen Angelegenheiten der Bürger – beispielsweise dessen Berufswahl – vom Staat gar nicht geregelt werden, denn ein demokratischer Konsens in höchstpersönlichen Angelegenheiten würde die Freiheit des Einzelnen verletzen203. Bei der Entscheidung zwischen selbstbestimmter Privatheit und allgemein bestimmter Gesetzlichkeit muss der Gesetzgeber sich auch am tatsächlichen Verhalten der Wirtschaftsakteure orientieren, zumal gravierende Unterschiede zwischen bloß legalem und ethischem unternehmerischen Handeln bestehen204. Der „die Ethik negierende Unternehmer“ bewirkt durch seine unsittliche Verhaltens- und Wirtschaftsweise eine strengere Regulierung durch den Gesetzgeber, im äußersten Fall sogar „seine eigene Aufhebung; es ist daher eine Frage seiner Erkenntnis, schon aus eigenem Interesse heraus in Sittlichkeit, ethisch zu handeln“ 205. Allgemein ausgedrückt ist die Regelungsbedürftigkeit des Wirtschaftslebens gering(er), solange die Wirtschaftsakteure ethisch handeln206.

VI. Finanzwirtschaftliche Ordnung und Finanzpolitik In der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung haben sich finanzielle Kategorien zu wesentlichen Beurteilungskriterien des Wirtschaftshandelns entwickelt207. Sie 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207

K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 484. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 39. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 48. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 484. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 494 (m.w. N.). W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 224. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, S. 488. W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 224. Ebd. Ebd. Vgl. S. Weber, Geld ist Zeit. Gedanken zu Kredit und Krise, S. 17.

VI. Finanzwirtschaftliche Ordnung und Finanzpolitik

39

entscheiden über Erfolg oder Misserfolg einer wirtschaftlichen Unternehmung. Finanzielle Betrachtungsweisen – also welche, die Finanzen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellen – auf wirtschaftliche Phänomene ermöglichen sachliche Analysen wirtschaftlicher Zustände und Prozesse, insbesondere ihrer Profitabilität. Das gesamte wirtschaftliche Handeln kann unter finanziellen Gesichtspunkten beurteilt werden. Den wirtschaftlichen Entscheidungen werden von den Wirtschaftsakteuren heutzutage zumeist finanzielle Kennzahlen, die auf finanziellen Theorien beruhen, zugrundegelegt208. Wird wirtschaftliches Handeln vornehmlich unter finanziellen Gesichtspunkten beurteilt, führt dies zu einem (wirtschaftlichen) Primat des Finanziellen. Dementsprechend ist die finanzwirtschaftliche Ordnung für alle übrigen Bereiche der Wirtschaftsordnung und die Finanzpolitik für alle übrigen Bereiche der Wirtschaftspolitik von entscheidender Bedeutung. Zur Bestimmung der finanzwirtschaftlichen Ordnung (Finanzordnung) und des Finanzpolitischen muss zunächst deren Bezugsobjekt, das Finanzielle, definiert werden. Der Begriff des Finanziellen fasst verschiedene wirtschaftliche Phänomene – die Finanzen – zusammen. Unter Finanzen können alle Vermögenswertinhaberschaften und Verbindlichkeiten der Wirtschaftsakteure verstanden werden209. Es handelt sich damit um einen Sammelbegriff für Schuldverhältnisse zwischen Wirtschaftsakteuren und Eigentumsbeziehungen von einem Wirtschaftsakteur zu einer Sache. Dieses Begriffsverständnis kommt auch im Rahmen des Finanzierungsbegriffs zum Ausdruck, worunter üblicherweise „Maßnahmen der Mittelbeschaffung und -rückzahlung“ 210 verstanden werden; denn die beschafften wirtschaftlichen Mittel (Ressourcen) stellen Vermögenswerte dar, die gegebenenfalls nur durch die Eingehung von Verbindlichkeiten erlangt werden können, wenn sie nicht unter Preisgabe anderer Vermögenswertinhaberschaften erworben werden können. Auch der Finanzwirtschaftsbegriff sollte weit verstanden werden, um sämtliche Aspekte des Finanziellen zu erfassen. Als Finanzwirtschaft im weiten Sinne sollte deshalb nicht nur derjenige Teil der Wirtschaft bezeichnet werden, durch den wirtschaftliches Handeln finanziert wird (Finanzwirtschaft im engen Sinne211), sondern auch derjenige, durch den wirtschaftliches Handeln unter finanziellen Gesichtspunkten gesteuert und unter Einwirkung auf die Finanzen 208

Vgl. W. Kürsten, Finanzierung, S. 173 (185 ff.). Vgl. zum Finanzbegriff K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (844 f.), der den Begriff auf den „Bestand und Verwaltung der Zahlungsmittel des Staates“ verkürzt. Etymologisch stammt der Begriff vom lateinischen finare (d.i. beenden, Geld zahlen). 210 Gabler Wirtschaftslexikon, Begriff „Finanzierung“, S. 1052. 211 Auch der Begriff Finanzwirtschaft wird teilweise auf die öffentliche Finanzwirtschaft verkürzt, vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, Begriff „Finanzwirtschaft“, S. 1064. 209

40

B. Voraussetzungen finanzwirtschaftlicher Ordnung

vollzogen wird. Finanzwirtschaftsakteure sind demnach zunächst der Fiskus und die Zentralbank, weil sie mit der Finanzierung der Staatstätigkeit und der Verwaltung des Geldwesens wesentliche Voraussetzungen der Finanzwirtschaft schaffen, aber auch alle anderen privaten Wirtschaftsakteure, soweit sie unter Einwirkung auf (ihre) Finanzen wirtschaftlich handeln. Unter letzten befinden sich auch Finanzunternehmen212, deren Geschäftstätigkeit sich fast ausschließlich auf das Finanzwirtschaftliche beschränkt213. In Anlehnung an den Begriff der allgemeinen Wirtschaftsordnung verfasst die finanzwirtschaftliche Ordnung das Gefüge, welches finanzwirtschaftliches Handeln der Gesellschaft normativ unter Berücksichtigung der Ressourcenausstattung konstituiert214. Die Finanzordnung wird von der Rechtsordnung geschaffen, denn die Wirtschaft darf sich nur in den von der Rechtsordnung gesetzten Grenzen entfalten215. Die normative Bestimmung des finanzwirtschaftlichen Gefüges ist im Wesentlichen eine politische Aufgabe des Gesetzgebers216, weil der Ausgleich finanzwirtschaftlicher Interessen der Gemeinschaft insgesamt zusteht217. Die Finanzordnung wird im (freiheitlichen) Gemeinwesen durch die Finanzpolitik bestimmt. Finanzpolitik218 ist dabei (in Anlehnung an den allgemeinen Politikbegriff 219) der fortwährende Erkenntnisprozess des Rechts eines Gemeinwesens im Wege des Diskurses, um die finanziellen Verhältnisse einer Volkswirtschaft zu ordnen. Jedoch wird häufig der Finanzpolitikbegriff auf die finanziellen Verhältnisse des Staates beschränkt220, obwohl ein Großteil der Finanzen nicht in staatlicher Hand ist und die Finanzwirtschaft gemäß dem Privatheitsprinzip auch nicht vollends in staatlicher Hand stattfindet. Vielmehr ist die Finanzpolitik ein Oberbegriff für verschiedene Finanzpolitiken wie beispielsweise die Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik 221. Die Finanzpolitik ist von zentraler Bedeutung für die volkswirtschaftliche Entwicklung, weil sie über die Finanzordnung Einfluss auf die Allokation und Verteilung wirtschaftlicher Ressourcen ausübt222. Zahlreiche finanzielle Innovatio212

Vgl. § 1 Abs. 3 KWG. Die Gesamtheit der privaten Finanzunternehmen ergibt den Finanzsektor, vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 2. 214 Vgl. W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 143. 215 Vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 26 (m.w. N.). 216 Vgl. W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 144. 217 Vgl. W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 141. 218 Vgl. Gabler Banklexikon, Begriff „Finanzpolitik“, S. 522. 219 Siehe dazu Kapitel B.IV. 220 Vgl. D. Pohmer, Finanzwissenschaft, S. 261 (261); W. Albers, Finanzpolitik, Sp. 595 (595 f.). 221 Siehe Kapitel C.I.1.; C.II.1.; C.III.1. 222 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 70 ff., 122 ff. 213

VI. Finanzwirtschaftliche Ordnung und Finanzpolitik

41

nen haben die Handlungs- und Wirkungsmöglichkeiten der Finanzwirtschaft in der Vergangenheit erweitert, um die im Wesentlichen durch die Finanzwirtschaft in abstrakter Weise gesteuerte Ressourcen- und Risikoallokation (noch) effizienter zu machen223. Zwar wurden dadurch gesamtwirtschaftliche Fortschritte erzielt, aber (teilweise) auf Kosten finanzwirtschaftlicher Stabilität224. Die Finanzpolitik wird entsprechende Änderungen der Finanzordnung vornehmen, soweit sie diese für erforderlich erachtet.

223 Vgl. A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 6. 224 Vgl. A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 7.

C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen Im Folgenden sollen die Finanzpolitiken Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik (weitgehend) getrennt voneinander betrachtet werden. Die besonderen Finanzpolitiken werden zunächst im Einzelnen definiert, um anschließend jeweils über ihre Ziele, Instrumente und Akteure beschrieben zu werden.

I. Die Grundlagen der Geldpolitik Die Grundlagen der Geldpolitik sind Voraussetzung für eine Untersuchung der Verhältnisse von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik, um Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank ableiten zu können. 1. Begriffliche Grundlagen Zur Bestimmung des Geldpolitischen muss zunächst dessen Bezugsobjekt, das Geld, definiert werden. Die gebräuchlichen Definitionen des Geldbegriffs unterscheiden sich zum Teil erheblich in ihrer Weite. Gemein ist den Definitionen, dass sie entweder ein Vertrauensmoment oder wenigstens ein Akzeptanzmoment aufweisen, um zu erklären, dass mit dem Geld eine Schuld beglichen werden kann. Insbesondere wenn unter Geld nur gesetzliche Zahlungsmittel – in Deutschland sind dies nur Euro-Banknoten1 – verstanden werden, wird durch den gesetzlichen Annahmezwang das Vertrauen in seine Wertbeständigkeit gestärkt. Das gesetzliche Zahlungsmittel vermag indes nur seine Akzeptanz, jedoch kein Vertrauen zu erzwingen, weil im Falle seines übermäßigen Wertverlusts im Verhältnis zum gesamtwirtschaftlichen Preisniveau (Hyperinflation) das Vertrauen in das Geld schwindet, obwohl die Akzeptanz qua gesetzlichem Zwang bewahrt wird. Das Akzeptanzmoment kommt auch im Begriff der „Unabweisbarkeit“ zum Ausdruck, wenn Geld als „unabweisbare Forderung gegen die Wirtschaft als ganze“ 2 definiert wird. Vertrauen und Akzeptanz bilden ebenfalls die Grundlage der Definition, wenn als Geld „Aktiva, die aufgrund von Marktkonvention oder gesetzlicher Verpflichtung vom Gläubiger zur Abdeckung von Verbindlichkeiten angenommen werden“ 3, bezeichnet werden. 1 Gem. § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG; vgl. auch Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV; zu einer allgemeinen Definition s. C. Freimuth, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 128 AEUV Rn. 78, wofür die Elemente grundsätzlicher Annahmezwang und Erfüllungswirkung konstitutiv sind. 2 P. Spahn, Geldpolitik, S. 8.

I. Die Grundlagen der Geldpolitik

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Der letztgenannte Definitionsansatz geht aber – im Gegensatz zum funktionalen Geldbegriff – nicht auf die Voraussetzungen des Vertrauens und der Akzeptanz ein. Nach dem funktionalen Geldbegriff kann als Geld alles bezeichnet werden, was Geldfunktionen ausübt und erfüllt (funktionaler Geldbegriff)4. Als Geldfunktionen sind vor allem die Eigenschaften des Geldes als Zahlungsmittel für Tausch und Schuldentilgung, als Wertaufbewahrungsmittel zur Überbrückung der Zeitspanne zwischen Einnahme und Ausgabe und als Wertmaßstab für Wirtschaftsgüter zu nennen5. Vertrauen und Akzeptanz wird dem Geld zuteil, weil es die angeführten Funktionen erfüllt. Die funktionale Definition ist zwar sehr weit gefasst und einem starken Wandel über die Zeit hinweg unterlegen, zumal mittlerweile viele Dinge Geldfunktionen erfüllen6, jedoch bedarf es eines weiten Geldbegriffes, wenn die Bedeutung und die Folgen der beschriebenen wirtschaftlichen Phänomene ökonomisch analysiert und politisch genutzt werden sollen. Für den Einsatz des Geldes durch private oder staatliche Akteure können anwendungsbezogen auch engere Geldbegriffe gewählt werden. Deshalb bleibt es dem Gesetzgeber in Abgrenzung zum weiten Geldbegriff unbenommen, einen engen Begriff für gesetzliche Zahlungsmittel zu wählen, um nur an diejenigen Mittel bestimmte Rechtswirkungen wie die Erfüllung zu knüpfen7. Er könnte aber auch andere Zahlungsmittel – beispielsweise Giralgeld – zum gesetzlichen Zahlungsmittel aufwerten8. In der heutigen Wirtschaft – gerade in der Digitalwirtschaft – gehen die Akteure häufig Schuldverhältnisse ein, in denen es bisweilen zu keinerlei physischem Leistungsaustausch mehr kommt, so dass auch die Zahlung ohne Verkörperung durch Geldscheine stattfinden muss. Vielmehr könnten auch andere kreditäre Schuldverhältnisse trotz ihrer singulären Gläubiger-Schuldner-Beziehung als Geld verstanden werden, wenn sie einfach übertragen werden können und aufgrund einer breiten Vertrauensbasis in die Bonität des Schuldners weithin akzeptiert werden, insbesondere wenn die Kreditschuld durch ihre (kurze) Fristigkeit hinreichende Liquidität verheißt9. 3 Gabler Wirtschaftslexikon, Begriff „Geld“, S. 1155; vgl. Gabler Banklexikon, Begriff „Geld“, S. 564. 4 U. Vollmer, Geld und Kredit, S. 189 (191); O. Issing, Einführung in die Geldtheorie, S. 1. 5 Vgl. O. Issing, Einführung in die Geldtheorie, S. 1 f.; U. Vollmer, Geld und Kredit, S. 189 (191 ff.). 6 P. Spahn, Geldpolitik, S. 20. 7 In Deutschland gibt es für das Geld keine rechtsgebietsübergreifende Legaldefinition (relativer Geldbegriff), s. S. A. E. Martens, Grundfälle zu Geld und Geldschulden, S. 105 (105). 8 Vgl. J. Huber/J. Robertson, Geldschöpfung in öffentlicher Hand, S. 23 f.; C. Freimuth, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 128 AEUV Rn. 77. 9 Vgl. C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, S. 21 ff., 27 ff. u. 40 ff.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

Infolge des funktionalen Geldbegriffes werden in der Geldtheorie verschiedene Geldmengen10 unterschieden11. Die Schöpfung funktionalen Geldes erfolgt zum einen über die Zentralbanken (Zentralbankgeld) und zum anderen durch Kreditbeziehungen (insbesondere Giralgeld)12. Zentralbankgeld entsteht ohne realwirtschaftliche Fundierung (ex nihilo) zum einen durch Einräumung von Sichtguthaben (Mindestreserveguthaben und Einlagefazilität) durch die Zentralbank auf ihren Geschäftskonten zugunsten der Kreditinstitute und zum anderen durch das Inverkehrbringen von Bargeld durch die Zentralbank13. Zentralbankgeld wird hauptsächlich durch Käufe der Zentralbank von Fremdwährungen oder von anderen Vermögenswerten und durch die Vergabe von Krediten an Kreditinstitute (gegen Sicherheiten) geschaffen14. Formal handelt es sich bei Zentralbankgeld um eine Schuld der Zentralbank, die jedoch nur fiktiv ist, weil sie nur noch eine „durch sich selbst einlösbare Forderung“ darstellt15. Auf Grundlage der Durchsetzung des Papiergeldes und schließlich durch die Aufhebung einer realwirtschaftlichen Fundierung des Geldes wie unter dem Goldstandard (Fiatgeld) hat die Zentralbank noch größere Einflussmöglichkeiten auf die Wirtschaft erhalten16. Im Wege dieser Entkopplungen konnte die funktionale Geldschöpfung durch Kreditbeziehungen – wie diejenige des Giralgelds – von den Zentralbanken vermehrt den Märkten überlassen werden. Das Giralgeld entsteht durch Einräumung von Sichtguthaben (als jederzeit fällige Forderung auf Zahlung von Zentralbankgeld) durch ein Kreditinstitut17 auf dessen Konten zugunsten anderer Wirtschaftsakteure, nachdem die Wirtschaftsakteure den Kreditinstituten oder umgekehrt Kreditinstitute anderen Wirtschaftsakteuren Fremdkapital als Kredit zur Verfügung gestellt haben (Kreditgeldschöpfung)18. Kreditinstitute können die Zentralbankgeldmenge in einem von Kreditinstitut zu Kreditinstitut laufenden Prozess um ein Vielfaches steigern. Dabei ist der Umfang der sich aus der Zen-

10 Vereinfacht ausgedrückt, wird die Zentralbankgeldmenge mit M0, die Summe aus Zentralbankgeld und Giralgeld als M1, die Summe aus M1 und den Bankeinlagen bis zu zweijähriger Laufzeit und dreimonatiger Kündigungsfrist als M2 und die Summe aus M2 und den Geldmarktpapieren und Schuldverschreibungen bis zu einer Laufzeit von zwei Jahren als M3 bezeichnet, s. dazu: P. Spahn, Geldpolitik, S. 20. 11 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 20. 12 Vgl. T. Betz, Geldschöpfung, Vollgeld und Geldumlaufsicherung, S. 38 (38 ff.). 13 Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 12; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 226. 14 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 97. 15 P. Spahn, Geldpolitik, S. 19. 16 Vgl. W. Hankel/R. Isaak, Geldherrschaft, S. 39 ff.; C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, S. 28 f. 17 Kritisch zur privaten Giralgeldschöpfung: J. Huber, Reform der Geldschöpfung – Wiederherstellung des staatlichen Geldregals durch Vollgeld, S. 13 (13 ff.). 18 Vgl. O. Issing, Einführung in die Geldtheorie, S. 6; P. Spahn, Geldpolitik, S. 18.

I. Die Grundlagen der Geldpolitik

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tralbankgeldmenge ergebenden Giralgeldmenge abhängig von der Bargeldhaltung der Wirtschaftsakteure, der Liquiditätsreservehaltung der Kreditinstitute und von ihren Mindestreserveverpflichtungen (Geldschöpfungsmultiplikator)19. Auf Grundlage des Geldbegriffes kann der Geldpolitikbegriff20 geklärt werden. Es bedarf einer staatlich festgelegten Geldordnung21, weil Handlungen der Wirtschaftsakteure die Vertrauensbasis des Geldes stören und damit als Externalitäten Einfluss auf Unbeteiligte haben können22. Seine Funktionalität und damit seine Eigenschaft als Geld kann jede Form des Geldes wegen seiner Vertrauensabhängigkeit nicht aus sich heraus auf Dauer gewährleisten. Aufgrund der für alle Wirtschaftsakteure unverzichtbaren23 volkswirtschaftlichen Funktionen des Geldes obliegt es „der staatlichen Verantwortung, die Bereitstellung einer funktionsfähigen Geldordnung zu garantieren“ 24. Es ist ein Wesensmerkmal staatlicher Souveränität, die Geldordnung zu bestimmen25. Die Geldordnung wird im (freiheitlichen) Gemeinwesen durch die Geldpolitik bestimmt. Geldpolitik26 ist dabei (in Anlehnung an den allgemeinen Politikbegriff 27) der fortwährende Erkenntnisprozess des Rechts eines Gemein-

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Gabler Banklexikon, Begriff „Geldschöpfungsmultiplikator“, S. 577 f. Die Geldpolitikdefinition von H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 12 ist zu eng: Die Geldpolitik umfasst demnach nur den inneren Bereich und die Wechselkurspolitik dagegen den äußeren Bereich des Geldwesens einer Volkwirtschaft. Zusammen bilden Geldpolitik und Wechselkurspolitik die Währungspolitik als Oberbegriff. Es ist indes kaum sinnvoll, Geldpolitik und Wechselkurspolitik aufzutrennen, weil der Innenwert mit dem Außenwert aufgrund starker Wechselwirkungen untrennbar verbunden ist, so dass ein stabiler Außenwert ohne Geldwertstabilität innerhalb der Volkswirtschaft nicht möglich ist. 21 Das staatlich gestaltete Geldwesen (die Geldverfassung) wird oft auch als Währung bezeichnet (s. H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 11). Der Währungsbegriff ist aber für den weiten, funktionalen Geldbegriff zu eng, da er einige geldpolitisch bedeutsame Geldmengen ausblendet. 22 Siehe dazu Kapitel B.V. 23 Zum Geld als Freiheitsinstrument vgl. R. Schmidt, Geld und Währung, S. 935 (938). Kritisch zum Satz von „Geld als geprägter Freiheit“ (BVerfGE 97, 350 (371)) s. K. A. Schachtschneider, Verweigerung des Rechtsschutzes in der Euro-Politik, S. 524 (538). 24 C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (819). 25 H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 11. 26 Ähnlich, aber ohne freiheitliche Fundierung, erfolgt die Definition durch andere Autoren, wenn der Geldpolitikbegriff alle Maßnahmen umfasst, mit denen der Staat die volkswirtschaftliche Geldversorgung (und das Kreditangebot der Banken) aufgrund geldtheoretischer Erkenntnisse zur Erreichung seiner (wirtschafts-)politischen Ziele zu beeinflussen versucht (vgl. R. Kohler/R. Tostmann, Geldpolitik, S. 1159 (1159); C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, S. 47). Oder kürzer: Geldpolitik sind „alle Regelungen und Maßnahmen zur Gestaltung der monetären Rahmenbedingungen einer Volkswirtschaft“ (Gabler Banklexikon, Begriff „Geldpolitik“, S. 573). 27 Siehe dazu Kapitel B.IV. 20

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

wesens im Wege des Diskurses, um die Funktionalität des Geldes zu begründen und aufrechtzuerhalten. Die Geldpolitik ist ein Teilbereich der Finanzpolitik und bleibt begrifflich (nicht in ihren Wirkungen) auf die Geldordnung beschränkt. Ebenso wie das Geld eine Kategorie des Finanziellen ist, ist die Geldordnung eine Kategorie (Subsystem) des Finanzsystems (Finanzordnung), weil der Finanzbegriff wesentlich weiter gefasst ist als der des Geldes, da er nicht nur das Geld, sondern beispielsweise auch Forderungen auf Geldleistungen, Geldderivate, fiskalische Verhältnisse eines Staates, Versicherungsverträge und Investitionen umfasst28. In diesem Sinne wird der Finanzmarkt üblicherweise in einen Teil mit langen Bindungsfristen (Kapitalmarkt) und einen mit kurzen Bindungsfristen (Geldmarkt) unterteilt29. 2. Ziele der Geldpolitik Die Geldverfassung einer Volkswirtschaft wird wesentlich dadurch bestimmt, welchen geldpolitischen Zielen der Vorrang im Konfliktfall eingeräumt wird30. Die Wahl der vorrangigen Ziele ist abhängig von der geldtheoretischen Grundlagenfrage, ob realwirtschaftliche Größen (auf Dauer) von der Geldpolitik beeinflusst werden können oder nicht. Während die Monetaristen davon ausgehen, dass Änderungen der Geldmenge keinen Einfluss auf nicht monetäre Größen wie Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Angebot haben (Geldwertneutralität), gehen Anhänger keynesianischer Theorien davon aus, dass geldpolitische Kurswechsel (zumindest im Rahmen des Anpassungsprozesses) sowohl auf Finanzmärkten als auch realwirtschaftlich Allokationseffekte zur Folge haben31. Häufig diskutiert werden dabei nicht nur die möglicherweise inverse Beziehung von Preisstabilität und Beschäftigung (Phillips-Kurve), sondern auch der möglicherweise negative Zusammenhang zwischen Preisstabilität und Wirtschaftswachstum32. Um zumindest die kurzfristigen Effekte der Geldpolitik zur konjunkturellen Stabilisierung zu nutzen, verfolgt die Geldpolitik in einigen Ländern (zumindest neben der Preisstabilität) Beschäftigungsziele und Wirtschaftswachstumsziele (beispielsweise das Federal Reserve System)33. Außerdem kann die Geldpolitik 28

Siehe dazu Kapitel B.VI. R. Elschen, Finanzwirtschaftliche Grundbegriffe, S. 1811 (1813). 30 Vgl. C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, S. 47. 31 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 128; O. Issing, Einführung in die Geldtheorie, S. 112 ff. 32 P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 22; vgl. H. Gischer/B. Herz/ L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 266 ff.; A. Mislin, Die Stabilisierungsfunktion der Geldpolitik in der kurzen Frist, S. 2. 33 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 58 f.; H. Gischer/ B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 274. 29

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ihren Maßnahmen auch fiskalische Ziele zugrundelegen, indem insbesondere Einnahmen aus der Seigniorage zur Finanzierung des Fiskus eingesetzt werden34. Zudem hat zwar auch die Finanzstabilität geldpolitische Relevanz, sie geht aber über das Geldpolitische hinaus, so dass der Geldpolitik insoweit als Ziel nur die Stabilität des Geldsystems überantwortet ist35. a) Preisstabilität als vorrangiges Ziel In Anlehnung an die quantitätstheoretische Auffassung des Monetarismus haben viele Zentralbanken (darunter die Bundesbank und die Europäische Zentralbank36) ihre Geldpolitik prioritär am Ziel der Preisstabilität ausgerichtet37. Aufgrund der in der Marktwirtschaft unentbehrlichen Signalfunktion relativer Preise kann die Geldpolitik keinesfalls auf eine Stabilität von Einzelpreisen abzielen, sondern nur auf die Stabilität des Preisniveaus38. Mittlerweile werden Preisstabilität und andere gesamtwirtschaftliche Ziele wie Wachstum oder Beschäftigung überwiegend nicht mehr als Austauschbeziehung im Sinne eines Zielkonflikts verstanden, sondern vielmehr in dem Sinne, dass die Preisstabilität langfristig eine notwendige Voraussetzung der anderen gesamtwirtschaftlichen Ziele darstellt39. Langfristige finanzielle Beziehungen können sich erst entwickeln, wenn Sparer nicht die Entwertung ihrer Sparvermögen durch übermäßige Preisniveausteigerungen (hohe Inflation) zu befürchten haben40. Eine hohe Inflation geht häufig mit einer ausgeprägten Volatilität der Inflationsraten einher, so dass sich die Sparer kaum mit Risikoprämien gegen die inflationäre Entwertung schützen können oder die Risikoprämien prohibitiv hoch sind41. Darüber hinaus führen instabile Preisniveaus zur Umverteilung von Vermögen und erfordern teure Preis- und Portfolioanpassungen42. Aufgrund der Schadensgefahren wird die Geldstabilität auch durch das Sozialprinzip geschützt, weil insbesondere Kleinsparer in der Regel wirtschaftlich nicht zu Anpassungsmaßnahmen zum Schutz

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Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 47 ff. Siehe dazu Kapitel C.III.1.b); C.III.2.a)ee); D.II.1.; D.IV. 36 Siehe Art. 127 Abs. 1 Satz 1 AEUV, Art. 88 Satz 2 a. E. GG und § 3 S. 2 BBankG, wobei durch § 12 S. 2 BBankG die Geldpolitik (als nachrangiges Ziel) an die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung angebunden wird. 37 Vgl. T. Straubhaar/H. Vöpel, Geldpolitik als „Krisen-Feuerwehr“ – droht Inflation?, S. 583 (583); M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 59. 38 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 112 f. 39 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 265 f.; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 112. 40 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 113. 41 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 113; P. Spahn, Geldpolitik, S. 188 f. 42 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 113. 35

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

ihrer Vermögen in der Lage sind43. Andererseits ist auch das Sinken des Preisniveaus (Deflation) volkswirtschaftlich schädlich, weil sich die reale Kreditlast der Schuldner erhöht, wodurch sich die Kreditausfallraten erhöhen und die Wirtschaftsakteure ihre Nachfrage und Investitionen in schädigender Weise aus Preisersparnismotiven verzögern44. Zur Verringerung von Deflationsgefahren und zur Erhaltung eines Spielraums für expansive Geldpolitik definiert beispielsweise das Eurosystem Preisstabilität nicht im Sinne absoluter Preisstabilität (Inflationsrate von null Prozent)45, sondern numerisch (im Gegensatz zum Federal Reserve System46) als „Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex von unter, aber nahe zwei Prozent“ im Verhältnis zum Vorjahr47. Da die geldpolitischen Maßnahmen nur mit zeitlicher Verzögerung wirken, soll dieses Ziel mittelfristig erreicht werden48. b) Zwischenziele Mangels unmittelbaren Einflusses auf die Endziele und aufgrund von Wirkungsverzögerungen bei der geldpolitischen Transmission bedient sich die Mehrzahl der Zentralbanken einer zweistufigen Strategie, indem sie sich an (mit den vorrangigen Zielen in engem Zusammenhang stehenden) Zwischenzielen orientieren49. Auf der Ebene der Zwischenziele wird zudem zwischen operativen Zielen und den durch sie gesteuerten Indikatoren unterschieden50. Voraussetzung zur Ausrichtung der Geldpolitik an einem bestimmten Zwischenziel ist zum einen die Möglichkeit zur Kontrolle des Zwischenziels durch das geldpolitische Instrumentarium sowie zum anderen ein hinreichend stabiler und zeitlicher (theoretischer und empirischer) Wirkungszusammenhang des Zwischenziels zum vorrangigen Ziel51. Die Schwierigkeit bei der Auswahl der geldpolitischen Ziele besteht vor allem darin, eine optimale Kombination und Gewichtung der Zwischenziele zur Verfolgung der vorrangigen Ziele zu finden52. Als geldpolitische Zwischen43 Vgl. H. Siekmann, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 130 AEUV Rn. 157. 44 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 114. 45 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 196. 46 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 59. 47 Vgl. beispielsweise EZB, Monatsbericht Januar 1999, S. 51 sowie Monatsbericht Juni 2003, S. 5. 48 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 91. 49 Vgl. R. Klump, Wirtschaftspolitik, S. 114; P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 247. 50 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 246; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 108 f. 51 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 247; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 108 u. 118; R. Klump, Wirtschaftspolitik, S. 114. 52 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 102.

I. Die Grundlagen der Geldpolitik

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ziele kommen insbesondere Wechselkursziele und Geldmengenziele in Betracht53. aa) Wechselkurse Zentralbanken kleiner Volkswirtschaften verfolgen Wechselkursziele gegenüber Leitwährungen (insbesondere dem US-Dollar) als Zwischenziele54. Über die Festsetzung einer Parität zu einer Fremdwährung mit Geldwertstabilität kann auch die eigene Währung stabilisiert werden55. Das inländische Preisniveau und dasjenige des Ankerwährungslandes werden sich wegen des „direkten internationalen Preiszusammenhangs“ unter den Bedingungen grenzüberschreitenden Wettbewerbs und niedriger Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure angleichen56. bb) Geldmenge Wegen des grundsätzlich positiven Zusammenhangs zwischen Geldmenge und Preisniveau erscheint es auch sinnvoll, das Preisniveau über die Geldmenge zu steuern57. Jedoch ist insoweit problematisch, dass die Geldmenge nicht vollständig von der Zentralbank gesteuert werden kann, weil sie von der Geldnachfrage der Wirtschaftsakteure abhängig ist, die gerade in Zeiten finanzieller Instabilitäten stark schwankt und damit von der Zentralbank schwer zu kontrollieren ist58. Je umfangreicher die monetären Aggregate gefasst werden, desto schwieriger sind diese von der Zentralbank zu kontrollieren, weshalb die Beschränkung der Zentralbankgeldmenge (Geldbasis) als Zwischenziel geeigneter ist, als die Kontrolle der gesamten Geldmenge59. Voraussetzung der Eignung der Geldbasisbeschränkung als Zwischenziel ist indes, dass die Zentralbank mit der Geldbasis hinreichenden Einfluss auf die das Preisniveau prägende Geldmenge hat60. Nach dem Geldbasiskonzept wird die Geldmenge von der Geldbasis zwar mitbestimmt, aber wiederum nur vermittelt durch die Geldnachfrage der Wirtschaftsakteure und den Geldschöpfungsmultiplikator, der aus der Geldschöpfung der Geschäftsbanken folgt61. Deshalb kann die Geldmenge von der Zentralbank über die Geld53

Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 248. Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 300. 55 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 306. 56 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 308 u. 313. 57 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 92 f. 58 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 160 f.; P. Spahn, Geldpolitik, S. 201 ff.; P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 249 ff. 59 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 105 u. 161. 60 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 106 u. 109. 61 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 106; J. Endler, Europäische Zentralbank und Preisstabilität, S. 122 ff. 54

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

basis praktisch kaum operabel gemacht werden, weil die Geldnachfrage und der Geldschöpfungsmultiplikator nicht dauerhaft stabil und damit kaum prognostizierbar sind62. Zudem würde eine strikte Beschränkung der Geldbasis den Kreditinstituten Zentralbankgeld nur in zinsunelastischer Weise zur Verfügung stellen können, was für die Kreditinstitute Stabilitätsgefahren aufgrund von Zinsvolatilitäten hervorrufen würde63. c) Inflationssteuerung über operative Zinsziele Aufgrund der Unzulänglichkeiten der Geldmengensteuerung nutzen weder das Eurosystem64 noch das Federal Reserve System noch die Bank of England die Kontrolle der Geldbasis als Zwischenziel, sondern stattdessen den Preis (Zins) für Zentralbankgeld als operatives Ziel65. Die Zentralbank setzt ihr Instrumentarium bei einer Zinssteuerung des Geldmarktes ein, um die Geldmarktzinssätze entweder exakt (Punktziel) oder unter Zulassung von Schwankungsbreiten (Zinsband) zu kontrollieren66. Aufgrund der starken Korrelation zwischen dem Handel der Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld (Geldmarkt im engeren Sinn) und dem Handel der Geschäftsbanken mit Giralgeld (Geldmarkt im weiteren Sinn) kann die Zentralbank über den Zinssatz für Zentralbankgeld, den sie autonom festlegen kann, auch die Zinsen auf dem gesamten Interbankenmarkt beeinflussen67. Durch die Steuerung der Geldpolitik anhand des Tagesgeldsatzes wird die Geldbasis der Bestimmung durch die Nachfrage der Kreditinstitute überlassen (endogen), was die Stabilitätsgefahren für die Kreditinstitute verringert68. Problematisch bei einer bloßen Zinssteuerung ohne weitere Zielvorgabe ist es aber, dass die Geldpolitik über keinen nominalen Anker verfügt, über den die Wirtschaftsakteure ihre Inflationserwartungen bilden könnten, um sich auf das zukünftige Preisniveau einzustellen69. Operative Zinsziele bieten den Wirtschaftsakteuren zwar wichtige Informationen, aber sie bedürfen zusätzlich der Vorgabe eines festen Inflationsziels70. 62

Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 106. Vgl. R. Klump, Wirtschaftspolitik, S. 117 f.; P. Spahn, Geldpolitik, S. 215. 64 Die erste Säule der Zwei-Säulen-Konzept der EZB sah noch eine Geldmengensteuerung vor, von der die EZB mittlerweile faktisch abgerückt ist, ohne das Konzept offiziell aufzugeben (vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 63 ff.). 65 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 105 u. 107; nach überwiegender Auffassung handelt es sich bei Zinszielen nicht um Zwischenziele, weil aus ihnen keine quantitativen Zwischenzielwerte abgeleitet werden können, s. dazu P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 327. 66 P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 393. 67 Vgl. R. Klump, Wirtschaftspolitik, S. 117. 68 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 110 f. 69 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 204. 70 Vgl. ebd. 63

I. Die Grundlagen der Geldpolitik

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Die Zentralbanken verfolgen deshalb ihre operativen Zinsziele im Rahmen der einstufigen Strategie der unmittelbaren Inflationssteuerung (inflation targeting)71. „Unmittelbarkeit“ der Inflationssteuerung kann aber nicht bedeuten, dass die Geldpolitik die Inflation direkt steuern könnte, denn auch bei der unmittelbaren Inflationssteuerung kann die Geldpolitik das Preisniveau mit ihrem Instrumentarium nur mittelbar steuern. Der Begriff soll lediglich zum Ausdruck bringen, dass die Kontrolle der Preissteigerungsrate (Inflationsziel als Endziel) allein mit den operativen Zinszielen in Form von Tagesgeldzinssätzen und ohne Zwischenzielgrößen wie Geldmengenbeschränkungen erreicht werden kann72. Zudem kann sich die Zentralbank zur Vereinfachung der Antezipation ihrer Zinsentscheidungen auf Grundlage des Inflationsziels durch die Wirtschaftsakteure an Entscheidungsregeln wie der Taylor-Regel orientieren73. Die Berechenbarkeit der Zentralbankentscheidungen hat aber andererseits eine Einschränkung des geldpolitischen Entscheidungsspielraums zur Folge (rules versus discretion)74 und kann keinesfalls bedeuten, dass die Geldpolitik dem menschlichen „Handlungsbereich“ entzogen wird und ausschließlich einem störungsfreien Mechanismus unterworfen wird, weil auch Regelbindungen immer „ein gewisses Maß an Flexibilität und menschlicher Intuition erfordern“ 75. 3. Instrumente der Geldpolitik und deren Wirkung Die Geldpolitik verfügt über zahlreiche Instrumente, um ihre geldpolitischen Ziele zu verfolgen. Die Instrumente werden überwiegend mithilfe von Kreditinstituten als Geschäftspartnern durchgeführt, die für die Zugangsgewährung zur geldpolitischen Refinanzierung bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen müssen76. Das geldpolitische Instrumentarium besteht aus drei Gruppen von Instrumenten: den Offenmarktgeschäften (samt Hauptrefinanzierung und Währungsreserven), den Fazilitäten und der Mindestreserve77. Die geldpolitischen Instrumente haben sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte stark verändert, weil sie stark von den sich fortwährend verändernden Strukturen der Finanzmärkte geprägt werden und sich diesen angepasst haben78.

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Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 248. Vgl. ebd. 73 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 216 f. 74 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 121. 75 R. Wrobel, Geldpolitik und Finanzmarktkrise, S. 13. 76 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 108; C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 Rn. 142 ff. 77 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 278 f. 78 H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 277. 72

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

In der geldpolitischen Steuerung des Finanzsystems ist es zu einem Übergang von einer direkten zu einer indirekten Steuerung gekommen, da die Finanzmärkte zum einen in den letzten Jahren zunehmend dereguliert wurden79. Zum anderen ist der quantitative Einfluss der Geldpolitik zurückgegangen, weil die auf den Finanzmärkten gehandelten Volumina deutlich stärker gewachsen sind als die Volumina der Zentralbankbilanzen und durch die Kapitalverkehrsfreiheit volatile internationale Kapitalströme die geldpolitischen Wirkungen überlagern80. a) Offenmarktgeschäfte Im Rahmen der Offenmarktpolitik schließt die Zentralbank Geschäfte über Geldmarktpapiere mit anderen Finanzwirtschaftsakteuren ab, um Einfluss auf geldpolitische Zielparameter zu nehmen81. Zur Offenmarktpolitik stehen der Zentralbank zahlreiche Geschäftsarten von unterschiedlicher Dauer zur Verfügung, die entweder endgültig (outright) oder auf Zeit (repo) abgeschlossen werden82. Als Beispiel für definitive Geschäfte sind insbesondere Wertpapierkäufe83 und -verkäufe und für die zeitlichen Transaktionen vor allem Rückkaufvereinbarungen (Pensionsgeschäfte) zu nennen84. Bei definitiven Wertpapiergeschäften geht die Initiative allein von der Zentralbank aus85. Die Zentralbank erhöht die Geldmenge dabei, indem sie Wertpapiere gegen Zentralbankgeld kauft und reduziert umgekehrt die Geldmenge, wenn sie Wertpapiere gegen Zentralbankgeld verkauft86. Die Kreditinstitute zahlen auch im Rahmen dieser Geschäfte Opportunitäts(zins)kosten, weil sie auf die Rendite des Wertpapieres für den Zeitraum, in welchem die Zentralbank das Wertpapier hält, verzichten müssen87. Um von den Wertpapierpreisentwicklungen und den hohen Transaktionskosten bei definitiven Wertpapiergeschäften unabhängig zu werden, nehmen die Zentralbanken zumeist den Abschluss von Rückkaufvereinbarungen zu einem ex ante festgelegten Preis

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Ebd. Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 277. 81 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 278. 82 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 109. 83 Im Wege der Diskontpolitik kauft die Zentralbank gegen einen Abschlag (Diskontsatz) kurzfristige Handelswechsel, die bei Fälligkeit von dem Schuldner auszulösen waren (P. Spahn, Geldpolitik, S. 99). Darüber sollte die Geldpolitik realwirtschaftlich fundiert werden, obwohl Handelswechsel als Refinanzierungsform wegen deren subventionierenden Charakters ohne Weiteres nach Bedarf geschaffen wurden (O. Issing, Der Euro, S. 107). 84 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 110. 85 P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 402. 86 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 227. 87 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 402. 80

I. Die Grundlagen der Geldpolitik

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und Zeitpunkt vor oder gewähren Kredite gegen andere Formen von Sicherheiten (wie Pfandrecht oder Sicherungszession)88. Die quantitativ bedeutendste Kategorie von Offenmarkttransaktionen stellt daher das Hauptrefinanzierungsgeschäft dar, mit dem die Kreditinstitute auf Zeit über Tenderverfahren89 mit Zentralbankgeld versorgt werden90. Die Zentralbank gibt den Kreditinstituten (im Wege von Wertpapierpensionsgeschäften oder Pfandbestellung) Zentralbankgeld für eine festgelegte Dauer (zumeist von einer Woche) Darlehen gegen Zahlung von Zinsen in Höhe des Leitzinssatzes (Mengentender)91. Im Rahmen eines Bietungsverfahrens geben die Kreditinstitute Angebote für den gewünschten Umfang ab, woraufhin die Zentralbank nach Festlegung der Gesamtfinanzierungsmenge den Kreditinstituten anteilig im Verhältnis zum Gebot des jeweiligen Instituts bestimmte Geldmengen zuweist92. Alternativ setzt die Zentralbank den Umfang bestimmter Geldmengen fest, die daraufhin höchstzinsbietend versteigert werden (Zinstender), wodurch sich die Refinanzierungszinszahlungen proportional zur Geldnachfrage der Kreditinstitute entwickeln und besonders gut zur Geldbasissteuerung geeignet sind93. Aufgrund der revolvierenden Natur der Hauptrefinanzierung kommt es dabei nur zu einer Änderung der Geldmenge, wenn der Umfang aller Zuteilungen infolge eines Tenderverfahrens denjenigen des vorangegangenen Verfahrens überoder unterschreitet94. Ein Teil der Refinanzierungsgeschäfte im Tenderverfahren findet zudem längerfristig statt (mit regelmäßiger Laufzeit von drei Monaten), um den Kreditinstituten eine Liquiditätsplanung über einen größeren Zeitraum hinweg zu ermöglichen95. Überdies nehmen die Zentralbanken in unregelmäßigen Abständen Feinsteuerungsoperationen vor, durch die plötzliche Liquiditätsschwankungen aufgefangen werden sollen96. Ferner können im Rahmen von Of88 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 68 f.; P. Bofinger/ J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 402 u. 404; C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 204 ff. 89 Zur Unterscheidung von Standard- und Schnelltendern s. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 229 f. 90 O. Issing, Der Euro, S. 110. 91 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 110 f.; M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 69 f.; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 225. 92 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 110; P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 407. 93 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 99; P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 407; C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZBSatzung Rn. 31; zu den Ausgestaltungen des Zinstenderverfahrens s. a. M. Heine/ H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 72 f. 94 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 226. 95 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 73. 96 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 73; H.-J. Jarchow, Theorie und Politik des Geldes, S. 469.

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fenmarktgeschäften strukturelle Operationen durchgeführt werden, um die Liquiditätsstrukturen der Kreditinstitute dauerhaft und grundsätzlich anzupassen97. Die Zentralbank vergibt Refinanzierungskredite an Kreditinstitute grundsätzlich nur gegen die Einräumung von Sicherheiten98, für deren Beleihungsfähigkeit bestimmte Auswahlkriterien und für deren Beleihungswert bestimmte Bonitätsabschlagskriterien von der Zentralbank festgelegt wurden99. Als refinanzierungsfähige Sicherheiten können sowohl marktfähige (wie Unternehmens- oder Staatsanleihen) als auch nicht marktfähige Sicherheiten (wie Kreditforderungen) verwendet werden100. Durch die Besicherung der Refinanzierungskredite sichert sich die Zentralbank gegen bilanzielle Verluste durch die Insolvenz von Kreditinstituten ab, indem die Sicherheiten im Falle des Zahlungsausfalls liquidisiert werden und zur Befriedigung der ausgefallenen Verbindlichkeit verwendet werden101. Überdies kann die durch die Kreditinstitutsrefinanzierung dem Markt zugeführte Liquidität durch die Veräußerung der Sicherheit wieder absorbiert werden102. Eine wichtige Rolle innerhalb der Offenmarktpolitik spielen Transaktionen mit Währungsreserven, womit die Zentralbank an Devisenmärkten zur Stützung oder Verringerung der eigenen Wechselkurse durch Devisenkäufe oder Devisenverkäufe tätig werden kann103. Eine Zentralbank kann durch Devisengeschäfte eine Aufwertung der eigenen Währung verhindern, indem sie selbst zu diesem Zweck emittiertes Zentralbankgeld einsetzt, um Devisen einer Währung zu kaufen, gegenüber welcher der Wechselkurs vor der Aufwertung geschützt werden soll104. Vor allem in Festkurssystemen ist eine Zentralbank regelmäßig zur Intervention gezwungen, um die Wechselkurse zu stützen105. Die Zentralbank kann Währungsreserven auch zur Geldmengensteuerung nutzen, indem sie Devisengeschäfte (vornehmlich mit inländischen Kreditinstituten) abschließt106. Die Zen97 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 74; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 228. 98 Im Eurosystem aufgrund von Art. 18 Abs. 1 a. E. ESZB-Satzung. 99 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 108; M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 67; C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 248 ff. 100 Vgl. Tabelle 4 der Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 20.09.2011 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (EZB/2011/14). 101 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 99. 102 C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 237. 103 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 280. 104 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 73 f. 105 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 397. 106 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 227. Die Zentralbank muss Absorptionsfazilitäten zur Verfügung stellen, wenn die Devisenintervention die inländischen Kreditinstitute mit so großen Mengen Zentralbankgeld versorgt,

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tralbank steuert die Geldmenge durch Währungsreserven vornehmlich auf Zeit über Devisenswapgeschäfte, indem sie beispielsweise Fremdwährungen gegen selbst geschaffenes Zentralbankgeld kauft (Geldmengenerhöhung) und zu einem ex ante vereinbarten Termin wieder verkauft (Geldmengenreduzierung)107. b) Ständige Fazilitäten Mit den ständigen Fazilitäten steht der Geldpolitik ein Instrumentarium zur Verfügung, bei welchem die Initiative zur Zentralbankgeldschöpfung von den Kreditinstituten ausgeht, während bei der Offenmarktrefinanzierung die Initiative von der Zentralbank ausgeht108. Über die zwei Arten von ständigen Fazilitäten – Einlagefazilität und Spitzenrefinanzierungsfazilität – können die Kreditinstitute ihren Liquiditätsumfang im Rahmen der von der Zentralbank eingeräumten Möglichkeiten an ihren Bedarf anpassen109. Über die Spitzenrefinanzierungsfazilität können sich Kreditinstitute Zentralbankgeld ohne Limit (sofern ausreichend Sicherheiten vorhanden) auf Kredit bis zum Folgetag besorgen110. Auf diese Weise kann die Zentralbank eine genügende Geldversorgung der Kreditinstitute als Lender of Last Resort gewährleisten111. Umgekehrt können die Kreditinstitute überschüssige Liquidität bei der Zentralbank als Einlagefazilität halten, falls sie die Liquidität nicht benötigen112. Damit die Kreditinstitute nicht durch die ständigen Fazilitäten von Liquiditätsanpassungen der Zentralbank unabhängig werden und die Geldpolitik der Zentralbank konterkarieren, sind die Einlagefazilitäten bei der Zentralbank niedriger und die Spitzenrefinanzierungsfazilitäten höher als im Marktdurchschnitt verzinst, so dass die Kreditinstitute Anreize haben, ihr Zentralbankgeld nicht nur bei der Zentralbank als Liquiditätspuffer zu horten und ihren Liquiditätsbedarf im Übrigen über die Finanzmärkte zu stillen113. Der Zinssatz für die Einlagefazilität bildet die Untergrenze für den Tagesgeldzinssatz, weil Kreditinstitute ihr Zentraldass diese nicht mehr auf die geldpolitische Refinanzierung angewiesen sind und dadurch die Kontrolle der Zentralbank über die Geldmarktzinsen zu unterminieren drohen, s. dazu P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 397. 107 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 73; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 227. 108 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 74; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 236. 109 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 279; M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 74. 110 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 74 f.; E. Görgens/ K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 237. 111 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 74 f.; s. dazu auch Kapitel D.II.2.d)aa); E.II.2.b). 112 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 75. 113 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 279.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

bankgeld als Fazilität bei der Zentralbank einlegen werden, bevor sie mit dem Geld sonst keine oder eine niedrigere Verzinsung erzielen würden114. Umgekehrt bildet der Spitzenrefinanzierungssatz die Obergrenze für den Tagesgeldzinssatz, da ein Kreditinstitut sich zu diesem Zinssatz bei Zentralbank refinanzieren wird, bevor sie auf dem Finanzmarkt einen höheren Zins bezahlen muss115. c) Mindestreserve Zu den traditionellen Instrumenten der Geldpolitik gehört die Mindestreserve116. Durch die Mindestreservepolitik werden die Kreditinstitute verpflichtet, bestimmte Mindestanteile für bestimmte Verbindlichkeiten als Reserve zu halten117. Die Geldpolitik legt die Kategorien von Verbindlichkeiten fest, für die eine Mindestreserve vorzuhalten ist118. Der Umfang der mindestreservepflichtigen Verbindlichkeiten (Mindestreservebasis) umfasst beispielsweise Einlagen und ausgegebene Schuldverschreibungen, dagegen keine Interbankenkredite gegenüber anderen mindestreserveverpflichteten Instituten119. Der Reservesatz beschreibt den Anteil, den das Kreditinstitut für eine bestimmte Kategorie von Verbindlichkeiten vorhalten muss120. Für die Berechnung des Mindestreservesolls wird die Mindestreservebasis mit dem Reservesatz multipliziert; für die Ermittlung der Vergleichsgröße der tatsächlich vorhandenen Mindestreserve sind die Bilanzpositionen der entsprechenden Verbindlichkeiten am Ende eines jeden Monats maßgeblich121. Zur Vermeidung von Zinslasten bei der Finanzierung der Mindestreserveguthaben für die mindestreserveverpflichteten Kreditinstitute und von dadurch bedingten Ausweichreaktionen wird die Mindestreserve – beispielsweise vom Eurosystem – in Höhe der durchschnittlichen Hauptrefinanzierungszinskosten verzinst122. Im Falle eines Verstoßes gegen die Mindestreservevorschriften 114

Vgl. H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 171. Vgl. H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 171; P. Bofinger/J. Reischle/ A. Schächter, Geldpolitik, S. 396. 116 P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 407. 117 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 280; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 211; M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 77. 118 Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 19 ESZB-Satzung Rn. 25 ff. 119 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 212. 120 Es gibt Reservesätze von null (beispielsweise für langfristige Einlagen) bis zu zehn Prozent gem. Art. 4 VO (EG) 2531/98; s. auch C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 19 ESZB-Satzung Rn. 42 und E. Görgens/K. Ruckriegel/ F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 212. 121 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 408; E. Görgens/ K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 211 f.; s. auch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Mindestreserve-VO 1745/2003 der EZB. 122 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 213; O. Issing, Der Euro, S. 113; P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 414 f. 115

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kann die Zentralbank Sanktionen gegen das betreffende Kreditinstitut verhängen123. Durch die Mindestreserve schafft die Zentralbank zwangsweise eine Nachfrage von Zentralbankgeld zusätzlich zum eigenen Refinanzierungsbedarf der Kreditinstitute (Anbindungsfunktion)124. Zudem dürfen die Kreditinstitute die Anforderungen infolge von Liquiditätsbedarfsschwankungen unterhalb des Monats auch kurzfristig unterschreiten (Stabilisierungsfunktion durch Liquiditätspuffer), weil die Mindestreserveanforderungen nur im Durchschnitt über den Monat hinweg erfüllt werden müssen125. Dagegen wurde die Liquiditätssteuerungsfunktion der Mindestreserve durch die (kurzfristige Anpassungen ermöglichende) Hauptrefinanzierung obsolet, obwohl durch die Veränderungen der Mindestreservebasis oder des Reservesatzes die Liquidität wirksam gesteuert werden könnte, wenn nicht derzeit eine erhebliche Liquiditätserhöhung wegen niedriger Reservesätze faktisch ausgeschlossen wäre126. Eine weitere bedeutende Funktion der Mindestreserve besteht in der Kontrolle des Geldschöpfungsmultiplikators der Banken127, weil der Multiplikator ohne Mindestreserve allein vom Bargeldhaltungskoeffizienten bestimmt würde, der häufig infolge unvorhersehbarer Schocks für die Bargeldhaltungspräferenzen aller Wirtschaftsakteure starken Schwankungen unterworfen ist128. d) Wirkung monetärer Impulse Die Erreichung bestimmter Inflationsziele (und weiterer geldpolitischer Ziele) hängt von den Inflationstheorien ab, die von der Geldpolitik zugrundegelegt werden. Nach den monetären Theorien wird die Inflation (allein) durch die Entwicklung der Geldmenge – formalisiert durch die Verkehrsgleichung – determiniert, so dass eine Geldmengenausweitung langfristig ein höheres Preisniveau zur Folge hat129. Überdies geht die monetaristische Schule davon aus, dass die Geldpolitik langfristig nur das Zins- und Preisniveau und damit keine realwirt-

123 Im Eurosystem auf Grundlage von Art. 19 Abs. 2 ESZB-Satzung i.V. m. Art. 7 VO (EG) 2531/98 i.V. m. Art. 2 u. 4 VO (EG) 2532/98; s. dazu: C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 19 ESZB-Satzung Rn. 72 ff. 124 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 280; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 214 f. 125 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 219; O. Issing, Der Euro, S. 113; H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 290. 126 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 412 f. 127 Siehe zur Stabilisierung der Geldordnung I. Fisher, 100%-money, S. 11 ff. 128 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 414; s. dazu auch Kapitel D.II.1.b). 129 Vgl. A. Belke/J. Beckmann, Inflation – Ursachen, Kosten und Nutzen, S. 1377 (1378).

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schaftlichen Größen zu beeinflussen vermag (quantitätstheoretische Geldwertneutralität), weil die gesamtwirtschaftliche Produktivität durch die quantitativen und qualitativen Eigenschaften aller Produktionsfaktoren einer Volkswirtschaft bestimmt wird130. Das Beschäftigungsniveau und die Konjunktur können demnach nicht auf Dauer allein durch die Geldpolitik stimuliert werden, weil die Wirtschaftsakteure die Wirkungen wiederholt expansiver Geldpolitik auf die Reallöhne in ihre Inflationserwartungen und damit in ihre Lohn- und Preisforderungen einbeziehen werden (keine dauerhafte Geldillusion)131. Die Geldpolitik schafft lediglich die Voraussetzungen dafür, dass finanzielle Engpässe nicht die Ausschöpfung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials verhindern132. Nicht-monetäre Inflationstheorien sehen dagegen die Hauptursachen von Inflation in Güterangebots- und Güternachfrageänderungen, wobei insoweit sowohl Nachfragesog- als auch Kostendruckphänomene als Determinanten der Inflation angeführt werden133. Den nicht-monetären Theorien liegt die Annahme zugrunde, mit geldpolitischen Instrumenten Einfluss auf gesamtwirtschaftliche Größen wie Angebot, Nachfrage, Beschäftigung und Investitionen zu haben, wobei diese auch durch andere wirtschaftspolitische Maßnahmen (wie Fiskalpolitik, Finanzstabilitätspolitik oder Sozialpolitik) überlagert werden134. Will die Zentralbank beispielsweise Einfluss auf die Inflation nehmen, kann sie dies (nur) dadurch erreichen, dass ihre Zinssatzänderungen gesamtwirtschaftliche Größen wie die Nachfrage und das Angebot beeinflussen135. Die theoretischen Ansätze betonen unterschiedliche Kausalitäten, obwohl empirische Untersuchungen zwar einen langfristig positiven Zusammenhang zwischen Geldmengenausweitung und Inflation erkennen können, aber auch komplexere Wirkzusammenhänge als die Verkehrsgleichung nahelegen, so dass monetäre Impulse nicht nur unmittelbar die Inflation, sondern auch zusätzlich – möglicherweise über die kurze Frist hinausgehend – realwirtschaftliche Größen beeinflussen könnten, was wiederum inflationäre Effekte zeitigen würde136.

130

Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 288 u. 307; D. Duwendag/K.-H. Ketterer/W. Kösters/R. Pohl/D. B. Simmert, Geldtheorie und Geldpolitik in Europa, S. 163. 131 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 321. 132 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 307. 133 Vgl. A. Belke/J. Beckmann, Inflation – Ursachen, Kosten und Nutzen, S. 1377 (1379). 134 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 287 f. 135 Vgl. F. Zurbrügg, Fiskal- und Geldpolitik im Spannungsfeld stabilitätsorientierter Wirtschaftspolitik, S. 3; M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 78. 136 Vgl. A. Belke/J. Beckmann, Inflation – Ursachen, Kosten und Nutzen, S. 1377 (1378).

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e) Transmissionskanäle Die Zentralbank hat mit ihren monetären Impulsen über mehrere Transmissionskanäle Einfluss auf makroökonomische Parameter. Die Transmissionskanäle stellen theoretische Vereinfachungen der Wirkungszusammenhänge der Geldpolitik dar, die eher qualitative Aussagen erlauben als quantitative, da die exakten Wirkungen von den sich ständig verändernden Erwartungen der Wirtschaftsakteure abhängig und deshalb für die Zentralbank kaum zu prognostizieren sind137. Die Zentralbank kann mit Leitzinsanpassungen Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Investitionstätigkeit nehmen, indem die Leitzinsen die Finanzmarktzinsen für Eigen- und Fremdkapital beeinflussen (Zinskanal)138. Nach der keynesianischen Zinsstrukturtheorie wird eine Leitzinssenkung zu niedrigeren Finanzmarktzinsen führen, was die (kreditfinanzierte) Nachfrage und Investitionstätigkeit der Wirtschaftsakteure ceteris paribus steigen lässt, wodurch zum einen die Eigenkapitalfinanzierung der Unternehmen erleichtert wird und zum anderen das gesamtwirtschaftliche Angebot steigt, wenn es die Produktionskapazitäten und der Arbeitsmarkt zulassen139. Der gesteigerte Bedarf an Arbeitskräften lässt die Arbeitslöhne steigen, was die Unternehmen regelmäßig dazu veranlasst, die Lohnkosten auf die Güterpreise umzulegen, so dass insgesamt das Preisniveau steigt140. Leitzinsänderungen bewirken zudem Wechselkursanpassungen, indem hohe inländische Zinsen ausländisches Kapital in Fremdwährung zur Kreditvergabe im Inland anziehen und niedrige Zinsen ausländische Investoren mangels Ertragsstärke inländischer Kredite zum Kapitalabzug bewegen (Wechselkurskanal)141. Eine Verringerung der Leitzinsen hat durch den Zustrom ausländischen Kapitals eine Abwertung der eigenen Währung zur Folge, wodurch die ausländische Nachfrage nach inländischen Gütern den Export steigert, was wie beim Zinskanal zunächst zu Angebotsausweitungen und schließlich zu einem höheren Preisniveau führt142. Überdies verändern Wechselkursänderungen den Wert von Forderungen von inländischen Gläubigern gegenüber ausländischen Schuldnern und haben damit Einfluss auf das Einkommen und Vermögen im Inland und schließlich auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage143.

137

Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 82. P. Spahn, Geldpolitik, S. 107. 139 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 108; P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 562 f. 140 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 108. 141 Vgl. ebd. 142 Vgl. ebd. 143 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 307. 138

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

Die Zentralbanken geben zwar faktisch die Zinssätze auf dem Geldmarkt vor, aber der Zusammenhang zwischen den Leitzinsen und den langfristigen Finanzmarktzinsen ist nicht eindeutig144. Einerseits ist für die Langfristzinsen die erwartete Entwicklung des Preisniveaus, welche als primäres Ziel der Geldpolitik fungiert, maßgeblich145. Außerdem werden Investoren infolge von Steigerungen kurzfristiger Zinsen aus portfoliotheoretischen Gründen langfristige Wertpapiere (wie Anleihen) verkaufen wollen, was die Wertpapierkurse fallen und damit die langfristigen Zinsen steigen lässt (Substitutionseffekte)146. Auch umgekehrt werden Kurzfristzinssenkungen zur Umschichtung von kurzfristigen in langfristige Schuldtitel führen, wodurch auch die Langfristzinsen sinken147. Andererseits wird die inländische Zinspolitik durch ausländisches Kapital konterkariert, weil sein Zustrom auf Zinssteigerungen dämpfend und umgekehrt sein Abzug auf Zinssenkungen erhöhend wirkt148. Zudem hat die Konjunktur entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung langfristiger Zinsen, obwohl deren Zusammenhang mit monetären Impulsen nicht eindeutig ist149. Überdies sind die Mittel der Geldpolitik begrenzt, da eine monetär bedingte Nachfrageausweitung nur möglich ist, solange die Leitzinsen noch weiter gesenkt werden können (Liquiditätsfalle)150. Deshalb besteht zwar ein Einfluss der Zinspolitik der Zentralbank auf die Entwicklung langfristiger Zinssätze, jedoch ist dieser nicht eindeutig und über die Zeit veränderlich. Des Weiteren findet die geldpolitische Transmission nicht nur auf Grundlage der Zinspolitik statt, sondern auch (allgemeiner) über Kreditkanäle auf Grundlage des gesamten geldpolitischen Instrumentariums statt151. Geldpolitische Lockerungen bieten den Banken Anreize zur Ausweitung der Kreditvergabe, wodurch sich die Kreditmöglichkeiten für die Wirtschaftsakteure vergrößern und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage kreditfinanziert steigt (Bankkreditkanal)152. Umgekehrt geht die Wachstumsrate der Nachfrage bei restriktiver Geldpolitik zurück, weil die Wirtschaftsakteure ihre Ausgaben nicht länger in gleicher Weise (kredit-)finanzieren können153. Grundsätzlich besteht deshalb ein positiver Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem Umfang von Bankkrediten, so 144 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 78; P. Bofinger/ J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 562. 145 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 296. 146 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 302. 147 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 109. 148 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 293 f. 149 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 296. 150 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 299. 151 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 309. 152 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 309; M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 78. 153 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 309.

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dass die Zentralbank erheblichen Einfluss auf die Kreditvergabe durch die Banken nehmen kann154. Außerdem haben geldpolitische Restriktionen einen negativen Einfluss auf die Bilanzen potentieller Schuldner und den Beleihungswert ihrer Kreditsicherheiten, was deren Kreditmöglichkeiten mangels ausreichender Bonität und Kreditsicherheiten einschränkt (Bilanzkanal)155. Eine restriktive Geldpolitik belastet sowohl die Marktpreise der beleihungsfähigen Vermögenswerte, indem die Zuwachsraten der (kreditfinanzierten) Nachfrage dieser Vermögenswerte zurückgehen, als auch die Unternehmenswerte, indem die Unternehmen vermehrt Mittel für den Schuldendienst aufwenden müssen156. Die Effekte des Bilanzkanals wirken zusätzlich zum Bankkredit- und Zinskanal im Wege einer positiven oder negativen Rückkopplung je nach Richtung der geldpolitischen Maßnahme (finanzieller Akzelerator)157. In Weiterentwicklung des Bilanzkanals wurde es ebenfalls als Transmissionskanal beschrieben, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht nur vom Einkommen, sondern auch vom Vermögen der Wirtschaftsakteure abhängt (Vermögenskanal)158. Demnach bewirken die durch geldpolitische Lockerungen ausgelösten Bankkreditausweitungen Vermögenswertsteigerungen, die Vermögensinhaber zu stärkerem Konsum veranlassen159. 4. Akteure der Geldpolitik Zentraler Akteur der Geldpolitik ist die Zentralbank. Ihre zentrale Rolle für das Finanzsystem folgt aus ihrem Monopol zur Schöpfung von Zentralbankgeld160, nach welchem alle Wirtschaftsakteure (insbesondere die Kreditinstitute) Bedarf haben161. Insbesondere der Bedarf der Kreditinstitute nach Zentralbankgeld wird eng an die Geldpolitik der Zentralbank gebunden, indem die Refinanzierung der Kreditinstitute in der Regel nur kurzfristig geschieht und die Kreditinstitute eine Mindestreserve an Zentralbankgeld halten müssen162. 154

Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 109. Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 313. 156 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 313; M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 81, der diesen Zusammenhang eigens als „cash-flow-Kanal“ bezeichnet. 157 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 110. 158 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 110; M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 81. 159 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 110 f. 160 Vgl. Art. 128 Abs. 1 AEUV. 161 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 65; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 97. 162 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 66; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 97. 155

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

a) Unabhängige Zentralbank Wesentliches Merkmal für die Zentralbankverfassung ist ihre Unabhängigkeit163. Die Zentralbank ist unabhängig, wenn sie geldpolitische Maßnahmen und Entscheidungen frei von der Kontrolle oder den Beschränkungen anderer (staatlicher oder privater) Akteure treffen kann, so dass sie ihre Instrumente im Rahmen der ihr vom Gesetzgeber auferlegten (End-)Ziele (insbesondere Preisstabilität) selbständig und weisungsunabhängig164 auswählen und anwenden kann165. Damit ist aber keinesfalls eine völlige Unabhängigkeit vom Einfluss anderer Akteure gemeint, zumal alles Handeln von Menschen (zumindest mittelbar) Wirkung auf andere hat166. Die Unabhängigkeit der Zentralbank hat vielmehr verschiedene Ausprägungen. Die Zentralbank vermag ihre Entscheidungen, also insbesondere die Auswahl ihrer gegenüber der Preisstabilität nachrangigen Ziele und ihrer Instrumente, frei von Weisungen und Beeinträchtigungen anderer politischer oder wirtschaftlicher Akteure zu treffen (sachliche oder institutionelle Unabhängigkeit)167. Die Unabhängigkeit der Zentralbank hat eine personelle Ausprägung, wodurch die Entscheidungsträger der Zentralbank in ihrer persönlichen Stellung unangreifbar, das heißt unversetzbar und unabsetzbar, sind (personelle Unabhängigkeit)168. Zudem kann die unabhängige Zentralbank frei über ihre finanziellen Mittel disponieren (finanzielle Unabhängigkeit)169. Die Zentralbankunabhängigkeit schränkt zwar das verfassungsgesetzlich verankerte Demokratieprinzip170 ein und begründet damit ein Legitimationsdefizit, aber sie lässt sich als „Modifikation“ des Demokratieprinzips mit der Sicherstellung der Preisstabilität rechtfertigen171. In der Vergangenheit haben sich bereits zahlreiche Staaten durch Verschlechterungen des Geldwertes fiskalische Erleichterungen verschafft. Es wird argumentiert, dass nur eine unabhängige Zentralbank über die politische Stärke verfüge, eine restriktive Geldpolitik zugunsten 163 In der Europäischen Währungsunion hat die Zentralbankunabhängigkeit durch Art. 130 AEUV und Art. 88 Satz 2 GG hochrangigen Rechtsschutz erfahren. 164 Für H. Siekmann, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 130 AEUV Rn. 19 ist die Weisungsfreiheit das wesentlichste Element der Unabhängigkeit. 165 Vgl. K. Ullrich, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der EZB, S. 4 f. 166 Vgl. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 119; Kapitel B.II. 167 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 81; H. Siekmann, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 130 AEUV Rn. 62. 168 Vgl. H. Siekmann, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 130 AEUV Rn. 20; P. Spahn, Geldpolitik, S. 195. 169 Vgl. H. Siekmann, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 130 AEUV Rn. 65. 170 Gem. Art. 20 Abs. 2 i.V. m. Art. 79 Abs. 3 GG und Art. 2 EUV. 171 Vgl. BVerfGE 89, 155 (208); F. Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip, S. 395 f.

I. Die Grundlagen der Geldpolitik

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geringer Inflationsraten durchzusetzen. Die Orientierung von Politikern, die sich regelmäßig in Wahlen vom Volke bestätigen lassen müssen, an kurzfristigen Vorteilen steht im Widerspruch zum Langzeithorizont, den eine am Ziel der Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik erfordert172. Mithilfe der Unabhängigkeit wird daher die strukturelle Dominanz der Fiskalpolitik gegenüber der Geldpolitik entschärft, um eine Nachgiebigkeit gegenüber dem fiskalpolitischen Anreiz zur Seigniorage zu vermeiden173. Zudem werden (kurzfristige) Impulse für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung auf Kosten des Preisniveaus vermieden174. An dieser Begründung wird indes kritisiert, dass damit der Einsatz der Geldpolitik zu anderen Zwecken (beispielsweise Stabilisierung der Nachfrage oder Beschäftigung) übermäßig erschwert und das Preisstabilitätsziel fast vollständig von Kompromissen mit anderen wirtschaftspolitischen Zielen abgeschirmt werde175. In den Industrieländern besteht laut empirischen Studien ein negativer Zusammenhang zwischen Zentralbankunabhängigkeit und Inflation und kein Zusammenhang zwischen Zentralbankunabhängigkeit und gesamtwirtschaftlichen Größen wie Angebot und Nachfrage176; wobei die Auswahl der in den Studien die Unabhängigkeit abbildenden Kriterien ebenso subjektiv ist wie zum Teil die angewendeten Kriterien177. Die Kausalität der Unabhängigkeit für das Preisniveau wird jedoch in Zweifel gezogen, weil die niedrigen Inflationsraten vielmehr auch mit einer Inflationsaversion der Wirtschaftsakteure und der politischen Stabilität der jeweiligen Volkswirtschaft begründet werden könnten178. Es erscheint jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen, dass auch eine politisch von anderen Exekutivorganen abhängige Zentralbank niedrige Inflationsraten zu gewährleisten vermag, wenn die weisungsbefugten staatlichen Stellen aus ökonomischer Einsicht und Klugheit heraus eine entsprechende (restriktive) Geldpolitik befürworten und auch dauerhaft keine Veranlassung zu Interventionen sehen179. Der Grad der Un172 Vgl. H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 211; K. Ullrich, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der EZB, S. 8. 173 Vgl. K. Ullrich, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der EZB, S. 8; P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 197 ff.; J. Endler, Europäische Zentralbank und Preisstabilität, S. 205 ff.; s. dazu Kapitel D.I.3.b); D.I.3.c)aa). 174 Vgl. K. Ullrich, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der EZB, S. 9. 175 Vgl. K. Ullrich, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der EZB, S. 6 f. 176 Vgl. K. Ullrich, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der EZB, S. 15 (m.w. N.). 177 Vgl. K. Ullrich, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der EZB, S. 14 f.; P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 205 ff.; J. Endler, Europäische Zentralbank und Preisstabilität, S. 214 ff.; P. Botzenhardt, Konzepte zur Messung der Unabhängigkeit von Zentralbanken, S. 19 ff. 178 Vgl. K. Ullrich, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der EZB, S. 17 ff. 179 Vgl. H. Siekmann, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 130 AEUV Rn. 2; zumal die Unabhängigkeit in verschiedenen Industrieländern trotz Preisstabilität graduell sehr unterschiedlich ausgeprägt ist (H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 211).

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

abhängigkeit der Zentralbank ist daher eine politische Frage, die vom institutionellen Gefüge einer Volkswirtschaft abhängig und als solche der Entscheidung des Gesetzgebers unterworfen ist180. Die politische Unabhängigkeit der Zentralbank ist keineswegs unbegrenzt, da insbesondere das Parlament per (Verfassungs-)Gesetzesänderung die Zielvorgaben der Zentralbank anpassen kann, die Unabhängigkeit der Zentralbank einschränken oder aufheben kann und die Zentralbank auch insgesamt als Institution auflösen kann181. Die Unabhängigkeit ist funktional begrenzt auf die Erfüllung der gesetzlich bestimmten Ziele der Zentralbank (funktionelle Unabhängigkeit)182. Die Zentralbank kann sich wegen des Demokratieprinzips183 nur insoweit auf ihre Unabhängigkeit berufen, als es für die Wahrnehmung ihrer (gesetzlich festgelegten) Aufgaben und die Erreichung ihrer Ziele erforderlich ist184. Die Zentralbank ist auch trotz ihrer Unabhängigkeit für die Befolgung ihrer gesetzlichen Ziele und für die Einhaltung der Grenzen ihres Mandats nicht nur politisch, sondern auch rechtlich verantwortlich185. Je bestimmter die Zielvorgaben und das Mandat ausgestaltet sind, desto schwieriger sind Abweichungen begründbar und desto einfacher ist die Einhaltung des Mandats rechtlich durchsetzbar186. Die Unabhängigkeit und der bestimmt formulierte gesetzliche Auftrag „bedingen sich gegenseitig“, weil ein (zu) unbestimmt definiertes Mandat von den Einfluss auf die Zentralbank suchenden Stellen zur Begründung ihrer Forderungen gegenüber der Zentralbank verwendet werden würde187. Zudem trägt die Zentralbank neben der rechtlichen Verantwortlichkeit auch die politische Verantwortung für die Erreichung ihrer Ziele, da eine (dauerhafte) Verfehlung ihrer (Inflations-)Ziele zu einem Reputationsverlust führen würde, der Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure schüren und die Zielerreichung für die Zukunft erschweren kann188. Die Zentralbank muss ihre Unabhängigkeit fortwährend durch eine erfolgreiche Geldpolitik legitimieren. 180

Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 182. Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 211; K. Ullrich, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der EZB, S. 25. 182 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 52; H. Siekmann, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 130 AEUV Rn. 69; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 82. 183 Kritisch zur „Entdemokratisierung“ der Geldpolitik s. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 179, weil das Demokratieprinzip vor allem „im Interesse größtmöglicher Fachlichkeit und Sachlichkeit . . . entwickelt“ wurde. 184 Vgl. H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 212. 185 Vgl. H. Siekmann, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 130 AEUV Rn. 79 ff.: Nach Art. 35 Abs. 1 ESZB-Satzung unterliegen die Handlungen der EZB der Kontrolle des EuGH. 186 Vgl. K. Ullrich, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit der EZB, S. 23. 187 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 52. 181

II. Die Grundlagen der Fiskalpolitik

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b) Wirtschafts- und Finanzministerien Neben den Zentralbanken nehmen aber teilweise auch die Wirtschafts- und Finanzministerien geldpolitische Aufgaben wahr. In manchen Ländern muss die Zentralbank ihr Inflationsziel sogar im Benehmen mit dem Finanzministerium festlegen189. Vor allem die Kompetenzen des Rates für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin-Rat) als Formation des Rates der Europäischen Union in Zusammensetzung der Wirtschafts- und Finanzminister zur Bestimmung der Wechselkurspolitik (aber auch der Finanzstabilitätspolitik im Zusammenhang mit der EuroGruppe190) stehen im Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank191. Zudem steht dem Bund unter Ausführung des Bundesfinanzministeriums (und damit nicht der Deutschen Bundesbank) das Münzprägerecht und die daraus zufließenden Einnahmen zu192. c) Internationale Akteure Auf internationaler Ebene sind mit geldpolitischen Fragen zudem der Internationale Währungsfonds und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich beschäftigt193. Die geldpolitischen Ziele des Internationalen Währungsfonds umfassen dabei, die internationale Kooperation auf dem Gebiet der Geldpolitik zu fördern, zur Lösung von geldpolitischen Problemen beizutragen, das Geldsystem zu stabilisieren, geordnete Währungsbeziehungen aufzubauen und den Aufbau eines internationalen Zahlungssystems zu begleiten194. Daneben soll die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich als Zentralbank der Zentralbanken im Bereich der Geldpolitik Währungsreserven verwalten, Zahlungen zwischen Zentralbanken abwickeln und die internationale Zusammenarbeit der Zentralbanken fördern195.

II. Die Grundlagen der Fiskalpolitik Das Verständnis der Grundlagen der Fiskalpolitik ist Voraussetzung für eine Untersuchung der Verhältnisse von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik, um Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank ableiten zu können. 188

Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 221. Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 189. 190 Vgl. H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 220. 191 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 82 u. 437. 192 Gem. §§ 1, 2 MünzG i.V. m. VO (EG) 975/98. 193 Vgl. C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, S. 248. 194 Gem. Art. I des IWF-Übereinkommens. 195 Vgl. C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, S. 250. 189

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

1. Begriffliche Grundlagen Zur Bestimmung des Fiskalpolitischen muss zunächst dessen Bezugsobjekt, der Fiskus, definiert werden. Der Begriff Fiskus196 umfasst einen fiktiven, aus der politischen Einheit des Staates abstrahierten Ausschnitt, der als Träger der Staatsfinanzen mit diesen wirtschaftet und diese verwaltet. Da die Finanzen sowohl sämtliche Vermögensinhaberschaften als auch Verbindlichkeiten umfassen, ist der Fiskus Träger des gesamten Staatsvermögens, also insbesondere aller Geldmittel, und auch Schuldner der Verbindlichkeiten des Staates197. Der Fiskus ist damit wirtschaftliches Subjekt aller Schuldverhältnisse und Eigentumsbeziehungen des Staates. Häufig wird für den Begriff des Fiskus der Begriff der öffentlichen Hand synonym verwendet198. Mit dem Begriff des Fiskus soll indes keine Trennung zwischen dem Fiskus als eigenem Rechtssubjekt und dem Staat als Hoheitsträger im Sinne der Fiskustheorie vorgenommen werden, weil sie die staatliche Einheit künstlich auftrennt in verschiedene Rechtskreise199. Eine solche rechtliche Verselbständigung des Fiskus wurde in Zeiten spätabsolutistischer Herrschaft kreiert, um Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers gegen staatliche Maßnahmen zu schaffen200. Demgemäß konnte der Bürger den Fiskus in vermögensrechtlichen Streitigkeiten verklagen, indem der Fiskus der Privatrechtsordnung unterworfen wurde201. Auch heutzutage wird trotz zahlreicher Klagemöglichkeiten des Bürgers gegen den Staat unter dem Fiskus (teilweise) noch der Staat als Subjekt des Privatrechts verstanden, obwohl die Abgrenzung zwischen Staatlichkeit und Privatheitlichkeit unter grundrechtlichen Gesichtspunkten institutionell und nicht (mangels eindeutiger Kriterien in dezisionistischer Weise) funktional erfolgen sollte202. Jedenfalls ist für die finanzwirtschaftliche Betrachtung des Fiskalpolitischen eine solche Beschränkung auf den Fiskus als Privatrechtssubjekt nicht zielführend, weil der Fiskus als Vermögenszuordnungssubjekt und Schuldner auch hoheitlich – insbesondere bei der Besteuerung – tätig wird und auch dabei erheblichen Einfluss auf die Finanzwirtschaft nimmt. Der Fiskus ist für den modernen Staat eine notwendige Voraussetzung, weil für jede Staatstätigkeit (zu) finanzierende Sachmittel erforderlich sind203. Die finan196 Der Begriff Fiskus stammt vom lateinischen fiscus (-i, m.), einem Korb zur Geldsammlung oder einer Kasse, vgl. V. Tanzi, Fiscal Policy, S. 1 sowie H. Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Sp. 2774. Im römischen Recht wurde mit fiscus die Staatskasse bezeichnet, vgl. Karl M. Hettlage, Fiskus, Sp. 618 (618). 197 Vgl. J. Isensee, Staatsvermögen, S. 1265 (1266). 198 Vgl. J. Isensee, Staatsvermögen, S. 1265 (1278). 199 Vgl. J. Isensee, Staatsvermögen, S. 1265 (1284). 200 Vgl. Karl M. Hettlage, Fiskus, Sp. 618 (618). 201 Vgl. ebd. 202 Vgl. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 455 u. 459 ff. 203 K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (844).

II. Die Grundlagen der Fiskalpolitik

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zielle Ausstattung des Fiskus bedingt letztlich die Handlungsfähigkeit des Staates204; weshalb die Ordnung der fiskalischen Verhältnisse für alle Politikbereiche von Bedeutung ist. In Anlehnung an den Begriff der allgemeinen Wirtschaftsordnung verfasst die Fiskalordnung das Gefüge, welches fiskalisches Handeln des Staates normativ unter Berücksichtigung der Ressourcenausstattung konstituiert205. Ihre verfassungsrechtliche Fundierung findet die Fiskalordnung in Deutschland in den Vorgaben für die Haushaltsaufstellung, die als Haushaltsverfassung bezeichnet werden206 und zusammen mit den übrigen Vorgaben über Einnahmen und Ausgaben207 die Fiskalverfassung ergeben208. Die Fiskalordnung wird im (freiheitlichen) Gemeinwesen durch die Fiskalpolitik bestimmt. Der Begriff der Fiskalpolitik wurde zunächst für die Einnahmenpolitik des Staates verwendet, was sich (vornehmlich) durch den Keynesianismus gewandelt hat, wonach unter Fiskalpolitik nicht nur die Einnahmenpolitik, sondern eine antizyklische Einnahmen- und Ausgabenpolitik zur Nachfragebeeinflussung verstanden wird209. Die Fiskalpolitik ist in diesem Sinne der Teilbereich der Wirtschaftspolitik, mit dem durch staatliche Einnahmen und Ausgaben das gesamtwirtschaftliche Angebot und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stimuliert werden sollen210. Auf diese Weise soll über die Fiskalpolitik eine Stabilisierung der gesamten Wirtschaft erreicht werden211. Fiskalpolitik ist (in Anlehnung an den allgemeinen Politikbegriff212) der fortwährende Erkenntnisprozess des Rechts eines Gemeinwesens im Wege des Diskurses, um die Staatstätigkeit zu finanzieren und das Staatsvermögen zu verwalten. Im Gegensatz zur Finanzpolitik sucht die Fiskalpolitik allein die finanziellen Verhältnisse des Fiskus und nicht der Volkswirtschaft insgesamt zu ordnen213. Sie behandelt damit nur einen Ausschnitt aus dem Bereich des Finanzpolitischen. Der Begriff der Fiskalpolitik bietet den Vorteil, dass er die Politik, die auf die 204

K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (852). Vgl. W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 143. 206 Vgl. Art. 109 bis 115 GG. 207 Vgl. Art. 104a bis 108 GG. 208 Vgl. M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1178 f.), zudem werden diese Vorschriften in dem HGrG, der BHO, dem BRHG und dem StWG einfachgesetzlich konkretisiert. 209 Vgl. V. Tanzi, Fiscal Policy, S. 1 f.; H. Hesse/H. Keppler/A. Schuseil, Theoretische Grundlagen der „Fiscal Policy“, S. 2, wo darauf hingewiesen wird, dass der Begriff „fiscal policy“ nur einen Teilbereich der Finanzpolitik im Sinne der keynesianischen Stabilitätspolitik umfasst. 210 Vgl. P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 2; G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 19. 211 K. Ullrich, Unterschiede zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die Konsequenzen für eine Delegation, S. 5. 212 Vgl. Kapitel B.IV. 213 Vgl. die Definition der Finanzpolitik in Kapitel B.VI. 205

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

öffentliche Finanzwirtschaft bezogen ist, von derjenigen, welche auf die allgemeine und damit auch die private Finanzwirtschaft bezogen ist, abgrenzt. Die Fiskalpolitik kann zwar auch als öffentliche Finanzpolitik, sollte aber nicht nur als Finanzpolitik bezeichnet werden214, weil dies auch die finanzpolitischen Verhältnisse zwischen den privaten Wirtschaftsakteuren umfassen würde. Am Beispiel der Finanzstabilität wird der Vorteil besonders deutlich, weil sich der erste Wortbestandteil der Finanzstabilität keineswegs nur auf die Fiskalstabilität bezieht, sondern gerade auch die privatwirtschaftliche Finanzstabilität einbezieht. 2. Ziele der Fiskalpolitik Der finanzielle Bedarf an fiskalpolitischer Unterstützung ist ebenso vielfältig wie die Tätigkeiten des Staates überhaupt, weil der Fiskus alle Staatstätigkeiten zu finanzieren hat215. Das zentrale fiskalpolitische Ziel der Finanzierung der gesamten Staatstätigkeit hängt mit allen anderen politischen Zielen des Staates zusammen, ohne mit ihnen identisch zu sein216. Keinesfalls sind die Ziele der Fiskalpolitik mit der finanzwissenschaftlichen Rechtfertigung der Staatstätigkeit im Allgemeinen gleichzusetzen217. Zwar kann der Staat seine politischen Ziele nur verfolgen, wenn seine Tätigkeit fiskalisch unterstützt wird, aber trotz der unterstützenden Funktion umfasst die Fiskalpolitik nicht gleichzeitig alle anderen Politikbereiche, denn ein solches Verständnis würde die Grenzen zwischen den Politikbereichen verwischen und das spezifisch Fiskalpolitische bis zur Unkenntlichkeit auflösen218. a) Ausgleich der Ausgaben durch Einnahmen Bei den fiskalpolitischen Zielen handelt es sich daher nur um Ziele, die zwar enge Bezüge zu anderen Politikbereichen aufweisen, aber aufgrund des maßgeblichen Einflusses der Fiskalpolitik auf diese (auch) als fiskalpolitische Ziele verstanden werden müssen. Als primäres Ziel hat die Fiskalpolitik in einem Umfang Einnahmen zu erzielen, dass durch die Einnahmen alle staatlichen Ausgaben finanziert werden können219. Anders als bei privaten Wirtschaftsakteuren, bei denen zumeist die Höhe der Einnahmen den Ausgabenumfang bestimmt, richtet sich die Einnahmenerhebung des Fiskus grundsätzlich nach den Ausgaben220. 214

Vgl. G. Schmölders, Finanzpolitik, S. 3 f. Vgl. S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 16. 216 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 4 f. 217 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 6 ff.; D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 6 f. 218 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 7. 219 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 24; D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 7. 220 Vgl. H. Lipfert, Einführung in die Währungspolitik, S. 192. 215

II. Die Grundlagen der Fiskalpolitik

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Der wesentliche Zweck der Fiskalpolitik besteht aber darin, Kompromisse zwischen den politischen Akteuren über die Verteilung der finanziellen Ressourcen zu erzielen, weil die fiskalischen Ressourcen nicht ausreichen, um allen Forderungen an die Staatstätigkeit gerecht werden zu können221. Um die fiskalischen Ressourcen effektiv und effizient einzusetzen, hat die Fiskalpolitik ihre finanziellen Mittel sparsam und wirtschaftlich zu verwenden222. b) Verteilungsziele Die Fiskalpolitik verfolgt zudem Verteilungsziele, weil gerade die Fiskalpolitik über die Instrumente verfügt, um die Finanzausstattung der privaten Wirtschaftsakteure zu beeinflussen223. Sie wirkt umverteilend auf die Einkommens- und Vermögensverteilung ein, wenn die bestehende Verteilung nicht mit den politischen Anforderungen der Bürgerschaft an die Verteilungsgerechtigkeit übereinstimmt224. Dabei greift die Fiskalpolitik sowohl im Rahmen der Abgabenerhebung als auch der Ausgaben in die Einkommens- und Vermögensverteilung des Marktes ein, um ihren Schutzpflichten (insbesondere) aus dem Freiheitsprinzip und dem Sozialprinzip nachzukommen225. Durch distributive Eingriffe sichert die Fiskalpolitik das Existenzminimum der Bürger und mindert die Ungleichverteilung ihrer finanziellen Ausstattung226. Zugleich soll die Fiskalpolitik umverteilungsbedingte finanzielle Fehlanreize vermeiden, weil das Maß der Umverteilung erhebliche Bedeutung für die Wirtschaftsleistung besitzt227. Die Umverteilungsziele können sich auf verschiedene Aspekte der Verteilung beziehen wie beispielsweise das Verhältnis von Arbeitslohn zu Unternehmergewinn, personengruppenbezogene Unterschiede, wirtschaftssektorale Unterschiede oder die Finanzkraft einzelner Regionen228. c) Allokationsziele Überdies verfolgt die Fiskalpolitik eigene Allokationsziele, indem sie bestimmt, welche Ressourcen vom Fiskus gehalten werden und mit welchen Produktionsmitteln vom Fiskus gewirtschaftet wird229. Über Allokationsziele ver221

Vgl. S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 16 f. Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 24; H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 5. 223 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 7. 224 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 7. 225 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 21. 226 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 291. 227 Vgl. C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 81. 228 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 292; D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 7. 229 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 20. 222

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

sucht die Fiskalpolitik, die knappen gesamtwirtschaftlichen Ressourcen möglichst effizient zu verwenden, also durch Marktversagen verursachte Ineffizienzen zu korrigieren230. Deshalb verlangen die Allokationsziele ein optimales Maß an materieller Wohlfahrt in der Volkswirtschaft231. Mit dem Aufbau und der Ausgestaltung des Staatsvermögens trifft die Fiskalpolitik wesentliche Allokationsentscheidungen. Dabei hat die Fiskalpolitik insofern Einfluss auf die Güterzusammensetzung in einer Volkswirtschaft, als dass der Fiskus Nachfrage entfaltet und als Produzent Einfluss auf das Angebot nimmt232. Der Fiskus muss sich mindestens mit denjenigen Sachgütern ausstatten, die die Erfüllung seiner Aufgaben erfordert. Daneben legt die Fiskalpolitik fest, welche öffentlichen Güter der Staat bereitstellt und welche Unternehmen in staatlicher Hand wirtschaften233. Ferner nimmt der Fiskus mithilfe der Fiskalpolitik nicht nur Einfluss auf die eigene Tätigkeit, sondern verfolgt auch Lenkungsziele, indem durch finanzielle Anreize (zum Beispiel über Steuervergünstigungen oder Subventionen) das Verhalten privater Wirtschaftsakteure gesteuert werden soll234. Insofern nimmt die Fiskalpolitik eine Unterstützungsfunktion für andere Politikbereiche ein, die mithilfe fiskalpolitischer Anreize ihre politischen Ziele zu verwirklichen suchen. d) Stabilisierungsziele Des Weiteren kann die Fiskalpolitik Stabilisierungsziele verfolgen, indem sie auf Marktschwankungen eingewirkt235. Die Schwankungen der marktwirtschaftlichen Aktivität sollen möglichst geglättet und das Produktionspotential ausgelastet werden236. Auf Grundlage der Theorien von J. M. Keynes wird gefordert, im Falle überschüssigen Angebots auf dem Arbeitsmarkt und den Gütermärkten mithilfe fiskalpolitischer Instrumente Einfluss auf das Beschäftigungs- und Inflationsniveau zu nehmen237. Auch wenn die genauen Wirkungszusammenhänge äußerst umstritten sind, sollen durch eine antizyklische Einwirkung238 auf den Wirtschaftskreislauf über Nachfrageausweitungen des Fiskus die gesamtwirt230

Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 6. Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 6 f. 232 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 20. 233 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 21; H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 7. 234 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 156. 235 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 7. 236 Vgl. ebd. 237 Vgl. H. Hesse/H. Keppler/A. Schuseil, Theoretische Grundlagen der „Fiscal Policy“, S. 2. 238 Die antizyklische Konjunkturstabilisierung wurde 1967 in Deutschland durch das StWG formalgesetzlich normiert. 231

II. Die Grundlagen der Fiskalpolitik

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schaftlichen Produktionskapazitäten stärker ausgelastet werden239. Dieser Ansatz hat vor allem Widerspruch von der monetaristischen Schule hervorgerufen, die vielmehr über die Geldmengenkontrolle stabilisierend auf die Wirtschaft einwirken und auf kurzfristige Nachfrageeingriffe verzichten will, weil die Ursache für rezessive Entwicklungen nicht immer in Nachfrageausfällen begründet liege und die fiskalischen Nachfrageprogramme nur mit Verzögerungen wirksam würden, was einen zyklusgerechten Impuls verhindere240. Stabilisierungsziele der Fiskalpolitik gibt es jedoch nicht nur im Bereich der Nachfragestabilisierung, sondern auch im Bereich der Finanzstabilitätspolitik, die dazu auch auf Instrumente des Fiskus zurückgreift241. Zudem muss der Fiskus in stabiler Weise wirtschaften und unter Stabilitätsgesichtspunkten für eine Mäßigung seiner Verschuldung sorgen, denn sonst kann es zu fiskalischen Instabilitäten kommen, die schließlich in fiskalischen Krisen kulminieren können242. 3. Instrumente der Fiskalpolitik und deren Wirkung Die Instrumente der Fiskalpolitik haben verschiedene Eigenschaften und Wirkweisen, die Wichtigsten lassen sich aber in den Kategorien des Staatshaushalts, der Einnahmen, der Ausgaben, des Fiskalausgleichs, der Fiskalplanung und der Fiskalkontrolle erfassen. a) Staatshaushalt Beim Staatshaushalt handelt es sich um einen von der Regierung erstellten und vom Parlament durch förmliches Gesetz beschlossenen Plan243. Das förmliche Haushaltsgesetz besteht neben dem Haushaltsplan (als Anlage) noch aus Kreditermächtigungen und weiteren spezifizierenden Maßgaben zum Umgang mit den Einnahmen und Ausgaben244. Im Haushaltsplan werden alle Einnahmen und Ausgaben eines bestimmten Zeitraums (meist ein Kalenderjahr) systematisch und konkretisiert aufgelistet und gleichzeitig wird die Exekutive zu den Ausgaben ermächtigt245. Jeder Staatshaushalt durchläuft eine zeitliche Abfolge von Stationen (Haushaltskreislauf), wobei zunächst mit der Initiative der Regierung 239 Vgl. H. Hesse/H. Keppler/A. Schuseil, Theoretische Grundlagen der „Fiscal Policy“, S. 2; G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 22. 240 Vgl. H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 33; H. Zimmermann/K.-D. Henke/ M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 8. 241 Vgl. Kapitel C.III.3.b)aa)(2). 242 Siehe Kapitel D.III.1. 243 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1176); D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 154. 244 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1201 f.). 245 Vgl. M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1176); C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 411.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

samt vorheriger Budgetverhandlungen der Fachressorts begonnen wird, der Staatshaushalt dann nach parlamentarischen Beratungen durch förmlichen Parlamentsbeschluss verbindlich gemacht wird, um von der Exekutive unter Rechnungslegung vollzogen zu werden, woraufhin dieser kontrolliert und schließlich die Regierung auf Grundlage der Kontrollergebnisse parlamentarisch entlastet wird246. Die Aufstellung eines Haushalts erfüllt mehrere Funktionen. Zunächst fungiert die Bewilligung der Ausgaben durch die Einstellung in den Staatshaushalt als politisches Gestaltungsprogramm der Regierung, weil sich in ihm der politische Kampf um die knappen fiskalischen Ressourcen widerspiegelt247. Darüber hinaus erfüllt der Haushalt Bedarfsdeckungs- und Koordinierungsfunktionen, indem Ausgaben durch Einnahmen auszugleichen sind248, wobei beide Kategorien nur in ihrer Gesamtheit und nicht etwa konkrete Positionen miteinander auszugleichen sind249. Überdies erfüllt der Staatshaushalt eine Kontrollfunktion, da er den Maßstab für die Wirtschaftlichkeit im Sinne der Effektivität und Effizienz des staatlichen Handelns bildet250. Schließlich werden durch die Aufstellung des Staatshaushalts wirtschaftspolitische Funktionen dadurch erfüllt, dass auf Grundlage der Bewilligung fiskalischer Mittel durch die Haushaltseinstellung verschiedene wirtschaftspolitische Instrumente finanziert werden, welche die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Ziele wie beispielsweise Beschäftigungsniveau- oder Konjunkturziele verwirklichen helfen251. Zur Verwirklichung der Haushaltsfunktionen bedarf es rechtsstaatlicher Grundsätze für die Aufstellung von Haushalten. Haushaltsgrundsätze sind Rechtsnormen252, die inhaltliche Anforderungen an den Haushaltsplan begründen253. Es handelt sich bei diesen um Erkenntnisse der Fiskalpolitik und der Finanzwissenschaft, die durch ihre Verbindlichkeit die Haushaltsfunktionen gewährleisten254. Nach dem Grundsatz der Vollständigkeit und Einheit des Haushalts sind alle zu erwartenden Ausgaben (samt Verpflichtungsermächtigungen) und alle voraus246 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1205 f.); vgl. C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 415 ff. und Art. 110 Abs. 2 u. 3, 114 Abs. 1 u. 2 GG. 247 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1185). 248 Gem. Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG. 249 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1184 f.); vgl. C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 411 f. 250 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1186); vgl. C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 411 f. 251 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1187); vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/ M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 88. 252 Diese lassen sich dem GG, dem HGrG und der BHO entnehmen. 253 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1188); C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 412. 254 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1188).

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sichtlichen Einnahmen in einen einzigen Haushaltsplan aufzunehmen255. Auf diese Weise werden sowohl die parlamentarische Fiskalhoheit als auch die Kontrollfunktion des Haushalts gesichert und Schattenhaushalte verhindert. Dagegen werden vom Einheitsgrundsatz Nebenhaushalte (beispielsweise die Haushalte der Sozialversicherungsträger oder der Zentralbank) nicht ausgeschlossen, jedenfalls soweit sie nicht der Budgetflucht dienen256. Bei den Nebenhaushalten erfolgt nur für einzelne Zu- und Abflüsse die Einstellung in den Staatshaushalt257, weil deren Träger selbständig wirtschaften sollen258. Ferner muss die Fiskalordnung die Einnahmen strikt von den Ausgaben trennen, um einen Einfluss des einzelnen Steuerzahlers auf die Verwendung seiner Mittel zu verhindern259. Dies bringt der Grundsatz der Gesamtdeckung und Nonaffektation260 zum Ausdruck, wonach mit allen Einnahmen grundsätzlich auch alle Ausgaben finanziert werden und nicht etwa bestimmte Einnahmen nur zur Finanzierung bestimmter Ausgaben verwendet werden261. Des Weiteren erfolgt nach dem Bruttogrundsatz die Einstellung der Einnahmen und Ausgaben in den Haushalt getrennt voneinander – also ohne Saldierungen von Einzelpositionen – in voller Höhe262. Darüber hinaus legt der Spezialitätsgrundsatz fest, dass fiskalische Mittel nur zweckgebunden und in ex ante festgelegtem Umfang für einen bestimmten Haushaltszeitraum bewilligt werden können263. Überdies verlangt der Grundsatz der Haushaltsklarheit, dass der Haushaltsplan nach einzelnen Einnahmen und Ausgaben im Wege der Gliederung aufgeschlüsselt wird, der Grundsatz der Haushaltswahrheit, dass der Haushalt nur auf genauen Schätzungen und nicht auf bewussten Fehlprognosen zum bloß formalen Ausgleich des Haushalts beruhen darf, der Grundsatz der Haushaltsöffentlichkeit, dass zumindest der Gesamtplan veröffentlicht wird, und der Grundsatz der Vorherigkeit, dass der Haushaltsplan vor dem Beginn des betreffenden Zeitraums aufgestellt wird264. Außer-

255 Gem. Art 110 Abs. 1 GG, § 8 Abs. 1 u. 2 HGrG, § 11 Abs. 1 u. 2 BHO, s. M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1190); C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 412 f. 256 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1191 f.). 257 Vgl. Art. 110 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG. 258 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1192). 259 P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 1101 (1104). 260 Gem. § 7 S. 1 HGrG u. § 8 S. 1 BHO. 261 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1199 f.); vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 98 f. 262 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1193); vgl. zudem § 12 Abs. 1 S. 1 HGrG u. § 15 Abs. 1 S. 1 BHO. 263 M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1194); C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 414; H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 90. 264 Gem. Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG u. § 1 Satz 1 BHO, um die Regierung in engen Zeitintervallen zu kontrollieren.

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dem schreibt der Grundsatz der Jährlichkeit vor, dass der Haushaltsplan nur für ein Jahr265 aufgestellt wird, der Grundsatz der formellen Ausgeglichenheit des Haushalts, dass die Ausgaben durch Einnahmen auszugleichen sind, und der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz266, dass die vorgegebenen Aufgaben möglichst sparsam finanziert werden und die ausgegebenen Mittel möglichst ergiebig eingesetzt werden267. b) Fiskalische Einnahmeninstrumente Aufgaben kann der Staat nur erfüllen, wenn er sich mit den dazu erforderlichen Mitteln ausstattet, wofür ihm insbesondere Steuern, nichtsteuerliche Abgaben, das eigene Vermögen und die Verschuldung als Instrumente zur Einnahmenverschaffung zur Verfügung stehen. Der Fiskus erzielt seine Einnahmen zum überwiegenden Teil durch Steuern und sonstige, steuerähnliche Abgaben268. Der Mindestumfang der fiskalischen Einnahmen ist dabei von den politischen Ansprüchen an den Umfang und die Qualität der staatliche Leistungserbringung abhängig. Insoweit wird die Fiskalpolitik durch andere Politikbereiche determiniert. aa) Steuern Der Fiskus bedarf einer gegenleistungsunabhängigen und ertragreichen Einnahmequelle, weil der moderne Staat nicht mehr nur die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleistet, sondern beispielsweise auch die Infrastruktur, die Sozialversicherung, die Daseinsvorsorge und die allgemeine Wohlfahrt sicherstellt269. Diese Einnahmequelle bieten ihm Steuern als vom Staat ohne Gegenleistung erhobene Geldleistungen zur Finanzierung des Staatshaushalts270. Die privaten Wirtschaftsakteure können für ihre Steuerleistungen nicht mit einem Äquivalent rechnen, welches den Wert ihrer Leistungen durch einen Nutzen ausgleichen würde271. Zudem stellen Steuern das wesentliche distributive Instrument zur Korrektur der Einkommens- und Vermögensverteilungen des freien Marktes dar272.

265

Nach § 9 Abs. 1 HGrG maximal für zwei Jahre. Vgl. Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG; C. Gröpl, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit staatlichen Handelns, S. 1227 (1238 ff.). 267 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 88 f. u. 92 ff.; M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1195 ff.); C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 413 ff. 268 H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 115. 269 P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (963). 270 Vgl. § 3 Abs. 1 AO. 271 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 260. 272 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 21. 266

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In der marktlichen Wirtschaftsordnung deckt der Staat seinen fiskalischen Bedarf vornehmlich durch die Erhebung von Steuern und wird dadurch zum Steuerstaat273. Zur Entfaltung der bürgerlichen Freiheit überlässt der Staat die Produktionsentscheidungen gemäß dem Subsidiaritätsgrundsatz (vornehmlich) den privaten Wirtschaftsakteuren274. Da der Staat nur über geringe Einkünfte aus eigener Wirtschaftstätigkeit verfügt, muss er durch die Steuererhebung an der privaten Wirtschaftsleistung mittelbar beteiligt werden275. Die Besteuerung stellt den Preis der bürgerlichen Freiheit dar, weil erst die staatliche Ordnung den privaten Wirtschaftsakteuren ihre Erwerbs- und Gewinnmöglichkeiten eröffnet276. Der weitgehende Rückzug des Staates aus den Produktionsentscheidungen mit privater Gewinnerwirtschaftung führt zu Nachteilen für nichtwirtschaftliche, öffentliche Interessen (insbesondere die Einkommens- und Vermögensverteilung), die vom Staat – wenn möglich – zu korrigieren oder zu minimieren sind277. Jedoch können die Steuerpflichtigen die „ökonomische Normalität“ durch steuerbewusste Vertragsgestaltungen verfremden, um den Kostenfaktor Steuern zu minimieren278. Gerade Unternehmen schaffen es oftmals, der wirtschaftlichen Belastung durch Steuern auszuweichen, indem sie die eigene steuerliche Belastung durch Überwälzung auf die Preise umlegen, die Kosten – beispielsweise für Arbeitslöhne – senken oder ihren Sitz ins Ausland verlegen279. Einige private Wirtschaftsakteure können sich aufgrund der Offenheit der Volkswirtschaften durch Steuerflucht weigern, ihren Preis für die staatliche Freiheitsverwirklichung zu zahlen, und zwingen die Fiskalpolitiken der Staaten in einen freiheitswidrigen Wettbewerb, in dem Staaten mit geringer sozialer Verantwortung (meist bedingt durch eine kleine Bevölkerung) die anderen Staaten unterbieten (können)280. Obwohl der Staat mithilfe der Steuern die Verwirklichung der bürgerlichen Freiheit finanziert, kann eine Besteuerung in übermäßigem Umfang die Wirtschaftsakteure in freiheitswidriger Weise beeinträchtigen281. Zudem steigt der Steuererlös ab einem gewissen Steuersatz nicht mehr, sondern entwickelt sich rückläufig, so dass eine solche Steuererhöhung über diesen Punkt hinaus nicht gerechtfertigt werden kann, außer sie soll aufgrund von Lenkungszwecken be273 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (963); K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (865). 274 Vgl. K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (865). 275 Vgl. K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (865); P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (960). 276 P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (960). 277 K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (868). 278 P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (977). 279 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (972 f.). 280 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (962); K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 634 ff. u. 645 f. 281 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (970).

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wusst prohibitiv wirken282. Insbesondere der Eigentumsschutz erfordert Besteuerungsgrenzen, wie das Existenzminimum als Untergrenze und (jedenfalls) die erdrosselnde Wirkung als Obergrenze283. Bei der Besteuerung kommen mehrere Grundsätze wie die Leistungsfähigkeit, die Gleichmäßigkeit, die Billigkeit und die Bestimmtheit zum Tragen284. Die Steuer soll jedem Bürger zur Verwirklichung des Sozialprinzips nach seiner Leistungsfähigkeit als Gemeinlast belastungsgleich und unausweichlich auferlegt werden285. Dabei richten sich allein die direkten Steuern nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, indem sie persönliche Verhältnisse wie Einkommen, Vermögen und familiäre Situation berücksichtigen286. Als Hauptindikator für die finanzielle Leistungsfähigkeit wird vor allem das Einkommen aus bestimmten laufenden Quellen herangezogen287. Es gibt indes keine abstrakten ökonomischen Prinzipien zur Ableitung eines optimalen Besteuerungsumfangs aus der Leistungsfähigkeit der Besteuerten. Beispielsweise kann das mikroökonomische Gesetz des abnehmenden Grenznutzens nicht zur Begründung einer vollständigen Abführung des Einkommens, welches einen bestimmten Umfang überschreitet, herangezogen werden, weil beim Einkommen – anders als bei konkreten Gütern – nicht davon ausgegangen werden kann, dass ab einem bestimmten theoretischen Einkommensumfang kein Nutzenzuwachs mehr erfolgt und eine vollständige Sättigung eintritt288. Die Auswahl der Prinzipien der Leistungsfähigkeit im Rahmen der Steuerbemessung wird aber letztlich eine umstrittene Frage politischer Dezision bleiben, denn die Finanzwissenschaft wird mangels interpersoneller und kardinaler Nutzenmessbarkeit keine überzeitlichen, objektivierbaren Besteuerungsmaßstäbe bieten können289. Auch wenn das Einkommen einen wichtigen Indikator für die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen darstellt, heißt das nicht, dass unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nur das Einkommen besteuert werden sollte290. Beispielsweise stellt auch das Vermögen einen wichtigen Indikator für die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen dar291. Es können sowohl der Bestand als auch der Zuwachs sowie die Umschichtungen des Vermögens eines Steuerpflichtigen be282

Vgl. B. U. Wigger, Grundzüge der Finanzwissenschaft, S. 163. Vgl. K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (875); P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (1015 f.), der als Obergrenze den Halbteilungsgrundsatz befürwortet. 284 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 260 u. 262. 285 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (972). 286 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (969). 287 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 123. 288 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 263. 289 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 132. 290 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 143. 291 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 151. 283

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steuert werden292. Problematisch bei der Vermögensbesteuerung ist dabei unter ökonomischen Gesichtspunkten vor allem die Bewertung der Vermögensgegenstände; vor allem nicht realisierte Wertsteigerungen können zur Veräußerung von Vermögensgegenständen zwingen293. Überdies kann als Besteuerungsmaßstab auch an die Einkommensverwendung angeknüpft werden. Vergleichbar mit der Besteuerung des Vermögens wird auch bei der Besteuerung der Einkommensverwendung das Einkommen zum zweiten Mal besteuert, zunächst bei der Entstehung und dann bei der Verwendung294. Die Steuern auf die Einkommensverwendung belasten aber prinzipiell die Bezieher kleiner Einkommen stärker als die großer, weil Erstgenannte einen größeren Anteil ihres Einkommens für den Konsum aufwenden müssen als die Bezieher großer Einkommen, die einen größeren Einkommensanteil zum Sparen und für Investitionen aufwenden können295. Steuern können subjektiv nicht vollkommen gleich wirken, ihre Wirkungen können jedoch nicht nur für fiskalische, sondern auch für allgemeine wirtschaftspolitische Zwecke eingesetzt werden. Steuern setzen Kostenanreize und fungieren damit als Instrumente zur Beeinflussung der Entscheidungen von privaten Wirtschaftsakteuren und damit auch insbesondere im Dienste der wirtschaftspolitischen Stabilitätsziele 296. Die Fiskalpolitik kann mithilfe von Steuern aber nicht nur einen allgemein wirksamen Einfluss auf die Wirtschaftsakteure nehmen, sondern auch gleichzeitig deren Verhalten durch Steuersubventionen zu lenken suchen, indem das gewünschte Verhalten steuerlich gegenüber dem unerwünschten begünstigt wird (Lenkungswirkung)297. Zudem kommt den Besteuerungsinstrumenten eine Stabilisierungsfunktion zu, die gerade auch finanzielle Belastungen der Steuerpflichtigen abfedern hilft. Die steuerlichen Verpflichtungen der privaten Wirtschaftsakteure werden grundsätzlich geringer, wenn das Bruttoinlandsprodukt schrumpft, so dass die Instrumente der Besteuerung als automatische Stabilisatoren des Einkommens der privaten Wirtschaftsakteure wirken298. In Anbetracht der Unterschiedlichkeit der Besteuerungsgrundsätze und Besteuerungsfunktionen bleibt festzuhalten, dass im Allgemeinen für die Ausgestaltung eines konkreten Steuersystems die vom Gesetzgeber vorgenommenen Wer292

Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 150 f. Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 151. 294 Vgl. W. Reiß, Umsatzsteuer, § 14 Rz. 1. 295 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (968); G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 273. 296 S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 33. 297 Vgl. P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (971); C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (818). 298 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 398; D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 375 ff. 293

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tungen über die Einkommens- und Vermögensverteilung und sekundär sonstige wirtschaftspolitische Ziele maßgeblich sind, zumal „ein konkretes „rationales“ Steuersystem wissenschaftlich nicht abgeleitet werden kann“ 299. Jeder Staat hat das Steuersystem, das den politischen Präferenzen seiner Bürgerschaft entspricht300. bb) Nichtsteuerliche Abgaben Beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland ist derzeit nicht nur ein Steuerstaat, sondern auch ein allgemeiner Abgabenstaat, da insbesondere die Sozialversicherungsbeiträge einen ähnlichen Umfang wie die Steuereinnahmen haben301. Die Fiskalpolitik verfügt mit den Entgeltabgaben (Gebühren und Beiträgen302), den Sonderabgaben303 und den sonstigen Abgaben304 über mehrere nichtsteuerliche Abgabeinstrumente. Die nichtsteuerlichen Abgaben sind der Steuerabgabe insofern überlegen, als dass sie dem Verpflichteten den Zweck seiner Leistung deutlicher vor Augen führen, Steuervermeidungsstrategien erübrigen und die Kostenverantwortung des Staates steigern305. Jedoch besteht bei gegenleistungsbezogener Staatsfinanzierung die Tendenz, dass der Staat sich vom privaten Wirtschaftsakteur zu abhängig macht, indem er den Bürger als „Kunden“ oder „Konsumenten“ begreift306. Für die Fiskalpolitik besteht die Gefahr der politischen Einflussnahme der Entgeltverpflichteten zur unzulässigen Verknüpfung von Einnahmen mit bestimmten Ausgaben, wenn sich der Fiskus vornehmlich über Gebühren finanziert und dadurch zum „Gebühren-Staat“ wird307; zumal das aus der Gegenleistungsbezogenheit der Entgeltabgaben folgende Äqui299

H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 153. Vgl. C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 249. 301 Vgl. C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (820). 302 Die Gebühr wird grundsätzlich für die Inanspruchnahme einer konkreten Leistung und der Beitrag für die bloße Nutzungsmöglichkeit einer staatlichen Leistung erhoben, P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 1101 (1113). 303 Sonderabgaben stellen im Gegensatz zu den Entgeltabgaben keinen Gegenwert einer staatlichen Leistung dar, sondern Abgaben zur Finanzierung eines besonderen Zwecks, der im Interesse der verpflichteten Gruppe, die eine Homogenität und Sachnähe zu diesem Zweck aufweist, steht. Im Unterschied zu den anderen Abgaben fließen die Sonderabgaben nicht in den allgemeinen Staatshaushalt, sondern bleiben einer bestimmten Verwendung in Form eines Sondervermögens vorbehalten, vgl. P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 1101 (1140 u. 1142 f.); C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (872). 304 Bei den sonstigen Abgaben handelt es sich um Modifikationen der übrigen Abgabenkategorien wie beispielsweise die Sozialversicherungsbeiträge oder Verbandsmitgliedsbeiträge, vgl. P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 1101 (1159). 305 P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 1101 (1103 f.); vgl. H. Zimmermann/ K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 116. 306 Vgl. C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (816 f.). 307 P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 1101 (1104). 300

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valenzprinzip die Höhe der Entgeltabgaben strengeren Anforderungen unterwirft als die Höhe der Steuern308. Außerdem kann der Staat seine Bürger von der Nutzung von einigen Allgemeingütern wie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Landesverteidigung faktisch und wegen des Sozialprinzips nicht ausschließen309. Viele vom Staat wahrgenommene Aufgaben sind deshalb nicht entgeltfähig, denn eine Entgeltfinanzierung kann nur vorgenommen werden, wenn sich der Nutzen des Leistungsempfängers in Geldeinheiten quantifizieren lässt310. Zwar kann die Erhebung von Entgeltabgaben helfen, unerwünschte Externalitäten – insbesondere die besondere Beanspruch der Umwelt oder anderer Ressourcen des Gemeinwesens – im Wege der Nachfragedämpfung zu internalisieren und Verhalten zu lenken, aber je geringer der Gegenleistungsbezug des Entgelts wird, desto mehr gleicht die Entgeltabgabe wiederum einer Steuer311. Unter Verteilungsgesichtspunkten könnten Entgelte auch sozial nach dem Einkommen und Vermögen des Leistungsempfängers gestaffelt werden312. Bei einigen öffentlichen Leistungsangeboten wäre die Staffelung nicht praktikabel (zum Beispiel im Personennahverkehr), so dass es zu Quersubventionierungen durch für andere öffentliche Leistungen eingenommene Entgelte kommen müsste313. Da aber solche Einnahmesysteme einer sehr komplexen Ausgestaltung bedürften und die Empfänger der zur Quersubventionierung eingesetzten öffentlichen Leistungskategorie übermäßig benachteiligen würden, lassen sich manche (Vermögens-)Umverteilungseffekte nur mit dem Instrument der Steuer bewerkstelligen314. cc) Veräußerung von Staatsvermögen Der Fiskus kann sich überdies Einnahmen durch die Veräußerung von Staatsvermögen verschaffen. Das Staatsvermögen umfasst alle Güter und Rechte des Fiskus, über die der Fiskus verfügungsberechtigt ist315. Viele Staatsvermögensbestandteile haben aber keinen (monetären) Verkehrswert, weil es für sie keinen Markt gibt, über den sie liquidiert werden könnten316. Der Fiskus darf die (meis308

Vgl. P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 1101 (1106). Vgl. P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 1101 (1105). 310 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 116. 311 Vgl. P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 1101 (1109 u. 1117); H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 116. 312 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 118. 313 Vgl. ebd. 314 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 118 f. 315 Vgl. J. Isensee, Staatsvermögen, S. 1265 (1270), der zudem auf den Geldwert rekurriert. 316 J. Isensee, Staatsvermögen, S. 1265 (1268). 309

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ten) Vermögenswerte, die im Gemeingebrauch oder im Gebrauch von öffentlichen Anstalten oder von seinen Behörden genutzt werden (müssen), auch im Falle einer Fiskalkrise nicht veräußern, weil er sich sonst seiner materiellen Grundlagen berauben würde317. Dagegen können für Staatsaufgaben entbehrliche und nicht durch Gemeingebrauch gebundene Vermögenswerte vom Fiskus veräußert werden318. Privatisierungen von staatlichen Vermögenswerten können helfen, den Vorrang privater Lebensbewältigung (Subsidiaritätsprinzip) zu verwirklichen319. Jedoch sind Privatisierungen, die anstelle des staatlichen ein privates Monopol zur Folge haben, wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen320. Zudem muss der Staat bei Betrieben der Daseinsvorsorge jedenfalls eine hinreichende Qualität zu sozialverträglichen Preisen sicherstellen321. dd) Verschuldung Als subsidiäre Einnahmequelle steht dem Fiskus die Kreditaufnahme zur Verfügung, wenn die Fiskalpolitik die privaten Wirtschaftsakteure nicht mit höheren Abgaben belasten will und sie auf dem Kapitalmarkt Kreditgeber findet322. Durch die Kreditaufnahme kann sich der Fiskus diejenigen Einnahmen beschaffen, die erforderlich sind, um den Staatshaushalt nach dem Ausgabendeckungsprinzips auszugleichen, also um für einen Einnahmenumfang exakt im Ausgabenumfang zu sorgen. Es handelt sich aber nur um vorläufige Einnahmen, da der kurzfristigen Steigerung der Einnahmen längerfristig Belastungen auf der Ausgabenseite durch Zins- und Tilgungsleistungen gegenüberstehen323. Mithilfe der Staatsverschuldung kann der Fiskus insbesondere teure Investitionsausgaben finanzieren, die nicht aus den laufenden (aufgrund der laufenden Ausgaben bemessenen) Einnahmen bezahlt werden können324, und sich die Einnahmen beschaffen, die zur Finanzierung keynesianischer Konjunkturstabilisierung erforderlich sind (deficit spending)325, ohne dass Steuererhöhungen die Konjunktur zu dämpfen drohen326. Die antizyklische Konjunkturstabilisierung soll Einnahmeeffekte zur Folge haben, die die Staatsverschuldung schließlich 317

Vgl. J. Isensee, Staatsvermögen, S. 1265 (1312). Vgl. J. Isensee, Staatsvermögen, S. 1265 (1315). 319 Vgl. ebd. 320 Vgl. S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 237 u. 242. 321 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 233; J. Isensee, Staatsvermögen, S. 1265 (1316). 322 Vgl. B. U. Wigger, Grundzüge der Finanzwissenschaft, S. 179. 323 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 627. 324 Vgl. H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 27. 325 Vgl. insoweit die besondere Kreditermächtigung des § 6 Abs. 3 StWG. 326 Vgl. S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 45 u. 212. 318

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kompensieren soll, und damit über die Haushaltsperioden hinweg „verschuldungsneutral“ sein327. Die monetaristische Schule hat indes auf die Kehrseiten hingewiesen, dass die Staatsverschuldung insbesondere einen verdrängenden Effekt auf die privatwirtschaftliche Verschuldung habe und deren Zinslast erhöhe und tendenziell zur Aufwertung der Währung und, durch die Anziehung von ausländischem Kapital, zur Exportbeeinträchtigung führe328. Die Gläubigerstruktur des Fiskus ist vielfältig, weil grundsätzlich Zentralbanken, Kreditinstitute, andere Körperschaften des öffentlichen Rechts, ausländische Staaten und alle privaten Wirtschaftsakteure aus dem In- und Ausland als Kreditgeber des Fiskus auftreten329. Die deutsche Fiskalpolitik besitzt beispielsweise mit unverzinslichen Schatzanweisungen, Bundesobligationen, Bundesschatzbriefen, Anleihen und verschiedenen Darlehensarten ein weites Spektrum an Verschuldungsinstrumenten, welche von der Bundesrepublik Deutschland-Finanzagentur GmbH ausgeführt werden330. In Deutschland wird der größte Teil der Staatsschuld von Kreditinstituten gehalten, weil sie die Staatsschuldpapiere bankenaufsichtsrechtlich und bei der Zentralbankrefinanzierung privilegiert einsetzen können331; eine kreditäre monetäre Staatsfinanzierung durch die Deutsche Bundesbank ist hingegen ausgeschlossen332. Als Rechtfertigungsgrund der Staatsverschuldung wird angeführt, dass die Kreditfinanzierung von Investitionen – nicht von Konsumausgaben – zur gerechten Lastenverteilung beitragen kann, wenn diejenigen Generationen für den Schuldendienst aufkommen müssen, die die Früchte der Investitionen ernten können333. Diese These des intergenerationellen Lastenausgleichs ist gesamtwirtschaftlich umstritten, weil zum Zeitpunkt der Investition ein Kreditgeber tatsächlich zahlt und auch die zukünftige Generation in ihrer Gesamtheit durch die Staatsschuld nicht ärmer wird, weil der Schuldendienst zum zukünftigen Zeitpunkt gegenüber einem Mitglied der zukünftigen Generation geleistet wird334. Auch wenn der Kreditgeber zum Zeitpunkt der Investition bilanziell nicht belastet wird, da es sich für ihn um einen Aktivtausch handelt335, wendet die investierende Generation, gesamtwirtschaftlich betrachtet, die Ressourcen Arbeitskraft und Sachkapital zur Produktion des Investitionsgutes auf. Entscheidend ist viel327

Vgl. S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 212. Vgl. H. Pünder, Staatsverschuldung, S. 1323 (1330). 329 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 173. 330 Vgl. S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 44; H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 175. 331 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 173 und Kapitel D.III.4.c). 332 Vgl. Art. 123 Abs. 1 AEUV. 333 Vgl. H. Pünder, Staatsverschuldung, S. 1323 (1325 f.). 334 Vgl. H. Pünder, Staatsverschuldung, S. 1323 (1328), (m.w. N.). 335 Vgl. ebd. 328

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mehr, ob der Staat seine Schuld gegenüber dem Gläubiger erfüllt und wieviel Zinsen er dafür aufwendet, so dass es sich um eine (Lasten-)Verteilungsfrage innerhalb der jeweils selben Generation handelt336. Diese Betrachtung muss aber insofern eingeschränkt werden, als dass die Verschuldung gegenüber ausländischen Gläubigern erfolgt, da die jeweiligen Zahlungen zwar innerhalb derselben Generation, aber die Umverteilungswirkungen sich nicht auf dieselbe Volkswirtschaft beschränken337. Werden die Staatsschulden dagegen durch inländisches Kapital gedeckt, wird das Vermögen der betreffenden Volkswirtschaft in seiner Gesamtheit durch Tilgungs- und Zinszahlungen nicht verändert338. Staatsschulden bewirken jedoch keine intergenerationelle Umverteilung von der heutigen an eine zukünftige Generation oder umgekehrt, sondern führen zunächst zu einer Zahlung vom Kreditgeber an den Kreditnehmer und später zu den jeweiligen Rückzahlungszeitpunkten vom Kreditnehmer an den Kreditgeber339. Zur Umverteilung kommt es allenfalls durch die Zinslasten zwischen Anleiheinhabern und dem Fiskus, aber nur innerhalb der Generation des jeweiligen Zahlungszeitpunkts. Trotzdem bürden auch die Zinslasten infolge einer übermäßigen Staatsverschuldung einer zukünftigen Generation eine Belastungsverschiebung und Umverteilung erheblichen Umfangs auf, die deren fiskalische Handlungsfähigkeit begrenzen und das gesamte Finanzsystem destabilisieren können340. Die Kreditfinanzierung verklärt generell die Belastungswirkung, indem die Finanzierungslast in die kaum vergegenwärtigte Zukunft verlagert wird341. Wird die Staatsschuld nicht in ausreichendem Maße getilgt, lassen Zins und Zinseszins die Staatsschuld immer weiter wachsen342. In vielen vergangenen Haushaltsjahren überstiegen in Deutschland die Zinsausgaben die Neuverschuldung, so dass der Fiskus in diesen Jahren ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen Haushaltsüberschüsse (positiver Primärhaushalt) aufwies und trotzdem die Verschuldung stark anstieg343. Werden die Staatsschulden übermäßig, kommt es zur Fiskalinstabilität, die schließlich zur Fiskalkrise führen kann. Zur Vermeidung dieser fiskalpolitischen Zustände können finanzstabilitätspolitische Instrumente – wie die rechtliche Begrenzung der Neuverschuldung – eingesetzt werden344.

336

Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 650 f. Vgl. C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 358 (m.w. N.). 338 P. Spahn, Geldpolitik, S. 253; H. Scherf, Enttäuschte Hoffnungen, vergebene Chancen. Die Wirtschaftspolitik der Sozial-Liberalen Koalition 1969–1982, S. 98. 339 Ebd. 340 P. Spahn, Geldpolitik, S. 253. 341 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 298. 342 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 170. 343 Vgl. S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 210. 344 Vgl. Art. 115 Abs. 2 GG, den Stabilitäts- und Wachstumspakt und Kapitel D.III. 4.b)aa)(2). 337

II. Die Grundlagen der Fiskalpolitik

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ee) Sonstige Einnahmen des Fiskus Auch im modernen Steuerstaat kann sich der Staat im Wege der Leistungsverwaltung selbst an der marktmäßigen volkswirtschaftlichen Wertschöpfung beteiligen und damit über unternehmerische Einnahmen verfügen345. Öffentliche Unternehmen werden dabei teilweise durch Monopolstellungen oder fiskalische Verlustdeckungsgarantien geschützt346. Die staatliche Erwerbstätigkeit verfolgt häufig aber nicht nur Einnahmezwecke, sondern auch allokative und distributive Wirkungen zur Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Produktion347. Überdies verfügt der Fiskus über ein breites Spektrum an weiteren Einnahmen wie beispielsweise die Gewinnabführungen der Zentralbank, Gewinnausschüttungen aus privatwirtschaftlichen Beteiligungen, Geldstrafen, verfallenes oder eingezogenes Vermögen aus Straftaten oder aus dem Erbrecht des Fiskus348. c) Fiskalische Ausgabeninstrumente Fiskalische Ausgaben sind die Grundlage für jede staatliche Wahrnehmung von Aufgaben aller Politikbereiche349. Bereits der hohe staatliche Anteil am Bruttoinlandsprodukt (Staatsquote) verdeutlicht die Bedeutung der fiskalpolitischen Ausgaben für die volkswirtschaftliche Entwicklung350. Die Staatsausgaben sind in der Vergangenheit kontinuierlich gewachsen, weil der Staat seine Aufgabenbereiche stark ausgeweitet hat, indem dieser insbesondere die Güterversorgung kollektivistischer gestaltet und verstärkt in die Güterverteilung eingreift351. Als Beispiel für eine ausgabenwirksame Aufgabenausweitung sind finanzstabilitätspolitische Hilfen an Finanzunternehmen zu nennen, deren Volumen unter Umständen alle übrigen Haushaltspositionen übersteigen können352. Dabei hat sich die Ausgabenstruktur verschoben, weg von Ausgaben für Güter und Dienstleistungen hin zu Transferleistungen353. Die Ausgabenstruktur und die Ausgabenhöhe sind (idealiter) Ausdruck der politischen Präferenzen der Bürger und ihrer Ansprüche an den Staat354. Die Fiskal345 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 255; K. Vogel, Der Finanzund Steuerstaat, S. 843 (865). 346 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 255. 347 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 255 f. 348 Vgl. § 27 Nr. 2 BBankG, §§ 40 ff. StGB, §§ 73 f. StGB, § 1936 BGB und C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (877). 349 Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 75. 350 K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (862). 351 Vgl. C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 141. 352 Vgl. beispielsweise die Garantieermächtigung des § 6 Abs. 1 S. 1 FMStG bis zur Höhe von vierhundert Milliarden Euro und die Kreditermächtigung des § 9 Abs. 1 FMStG bis zur Höhe von siebzig Milliarden Euro. 353 Vgl. C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 144. 354 Vgl. ebd.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

politik hat über Finanzmittelzuweisungen einen großen Einfluss sowohl auf die staatlichen Organisationseinheiten als auch die privaten Wirtschaftsakteure355. Mittlerweile sind die Steuerungsmöglichkeiten mit Mitteln fiskalischer Ausgaben durch (bereits) rechtsverbindliche Verpflichtungen für Personal, Sozialverpflichtungen und Schuldendienst stark eingeschränkt356. aa) Fiskalpolitische Nachfrage Die Fiskalpolitik entwickelt über Sachausgaben für Konsum und Investitionen Nachfrage auf verschiedenen Güter- und Dienstleistungsmärkten. Der Staat vergibt dabei öffentliche Aufträge ab einem bestimmten Schwellenwert im Wege der Ausschreibung in einem förmlichen Vergabeverfahren, um in den Wettbewerb der Anbieter möglichst schonend einzugreifen und um sich Ausgaben zu ersparen357. Die Fiskalpolitik kann fiskalische Ausgabenerhöhungen nutzen, um kurzfristig nachfrageinduziert die Konjunktur zu stabilisieren, um einen Unterbeschäftigungszustand zu beseitigen358. Der fiskalische Impuls muss aber zielgerichtet, rechtzeitig und befristet erfolgen, damit sein Nutzen im Konjunkturverlauf größtmöglich zum Tragen kommen kann359. Ein solch optimaler Impuls setzt eine Kenntnis des jeweiligen Standpunkts im Konjunkturverlauf voraus, die realiter nicht zu erlangen ist360. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Nachfrageimpulse nur mit zeitlicher Verzögerung wirksam werden und deren Dauer nicht konstant ist361. Wirkt der Impuls erst in der folgenden Aufschwungphase, kann es sogar zu destabilisierenden Folgen des Impulses kommen, wenn er den Aufschwung übermäßig antreibt362. Für die fiskalischen Ausgabenerhöhungen eignen sich insbesondere Investitionsausgaben, weil diese als Sachausgaben die höchsten Multiplikator- und Akzeleratoreffekte zur Folge haben im Gegensatz beispielsweise zu Sozialausgaben, die nur im Umfang der marginalen Konsumquote nachfragewirksam werden363. Zudem lassen sich gezielt sektor- oder regionalspezifische Feinabstimmungen dieses Instruments vornehmen364. 355

Vgl. K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (860). Vgl. K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (858); C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (898). 357 Vgl. EU-Richtlinie 2004/18/EG sowie §§ 97 ff. GWB, VgV, VOB/A und VOL/ A; C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 451 ff. 358 H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 401. 359 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 379. 360 Vgl. ebd. 361 Vgl. ebd. 362 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 382 f. 363 H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 401. 356

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bb) Subventionen Subventionen365 bestehen zumeist aus fiskalischen Ausgaben gegenüber privaten Wirtschaftsakteuren zur Verfolgung eines öffentlichen Zwecks, können aber auch im Verzicht auf dem Fiskus grundsätzlich zustehende Einnahmen bestehen (Belastungsverschonungen)366. Der Fiskus subventioniert private Wirtschaftsakteure durch außerhalb eines Synallagmas stehende Geldleistungen und Sachleistungen, um diese – insbesondere über Auflagen oder Bedingungen – zu einem Verhalten zu bewegen367. Subventionsgewährungen sind bisweilen umstritten, weil sie zu Fehlallokationen von Produktionsfaktoren führen und den Wettbewerb verzerren können, was Eingriffe in die Grundrechte konkurrierender Wirtschaftsakteure zur Folge haben kann368. Die Gewährung von Subventionen kann dagegen grundsätzlich beschäftigungspolitisch, durch ineffiziente Allokationen der Marktwirtschaft und über die Notwendigkeit stabilitätspolitischer Maßnahmen, die zum einen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stützen sollen und zum anderen Insolvenzen vermeiden helfen sollen, gerechtfertigt werden369. Zur Sicherung seiner Fiskalhoheit muss das Parlament die für die Subventionen erforderlichen Finanzmittel im Haushalt bereitstellen370. cc) Sozialpolitische Ausgaben Das Sozialprinzip bedarf fiskalischer Ausgaben als materieller Grundlage371. Mittellose können nur über die staatliche Umverteilung im Wege von Sozialleistungen an der Wirtschaftsleistung teilhaben, damit ihre Freiheit Verwirklichung findet372. Die Ausgaben für Sozialleistungen umfassen in Deutschland mehr als ein Drittel der gesamten Ausgaben des Staates373. Die Sozialausgaben steigen 364

H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 401 f. Der Subventionsbegriff ist umstritten, insbesondere werden teilweise nur positive Leistungen darunter verstanden. Subventionsarten sind bei einem weiten Verständnis vielfältig: insb. verlorene Zuschüsse, unentgeltliche Naturalleistungen oder Dienstleistungen, zinsgünstige oder zinslose Darlehen, Bürgschaften, Kapitalbeteiligungen, Prämien, steuerliche Verschonungen, Altlastenfreistellungen und Forderungserlass, vgl. J. A. Kämmerer, Subventionen, S. 1395 (1398 ff.). 366 Vgl. C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (894); K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (861). 367 Vgl. J. A. Kämmerer, Subventionen, S. 1395 (1396 u. 1399). 368 Vgl. J. A. Kämmerer, Subventionen, S. 1395 (1396, 1414 f. u. 1421 f.), wobei der Grundrechtseingriff und damit das Erfordernis nach einem materiellen Gesetzesgrundlage umstritten ist. 369 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 240 f. 370 J. A. Kämmerer, Subventionen, S. 1395 (1413 f.). 371 Vgl. Kapitel B.V. 372 P. Kirchhof, Die Steuern, S. 959 (970). 373 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 17. 365

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

tendenziell, wenn das Bruttoinlandsprodukt sinkt, und fungieren insofern als automatische Stabilisatoren für das Einkommen der privaten Wirtschaftsakteure374. Die sozialpolitischen Ausgaben des Fiskus umfassen vornehmlich Transferausgaben wie die Sozialhilfe und die Leistungen der Sozialversicherungen375. Sozialhilfe erhöht das Einkommen der Leistungsempfänger ohne Gegenleistungspflicht auf Kosten des Fiskus, damit jeder Bürger materiell zumindest mit einer Grundsicherung ausgestattet ist376. Die Garantie des Existenzminimums hat jedoch zur Folge, dass der Anspruchsinhaber keine monetären Anreize zur Erzielung von Einkünften unterhalb des Existenzminimums hat377. Im Wege der Sozialversicherung schützen sich die Beitragszahler gegen (existenzbedrohende) wirtschaftliche Risiken, wobei die Versicherungsprämien sozial nach der individuellen Leistungsfähigkeit gestaffelt sind378. Die Sozialversicherungsträger sind als Parafiski selbständige fiskalische Einheiten neben dem Staatshaushalt und finanzieren sich vornehmlich über Versicherungsbeiträge der Versicherten, aber auch über Zuschüsse aus dem Staatshaushalt379. Der Staatshaushalt des Bundes garantiert in Deutschland für die Liquidität der Sozialversicherungsträger380. Obwohl zahlreiche Versicherungsleistungen auch von privaten Wirtschaftsakteuren erbracht werden können und nach dem Subsidiaritätsgrundsatz auch erbracht werden sollten, können einige Risikokategorien unter sozialpolitischen Gesichtspunkten nicht marktlich versichert werden, weil die Phänomene adverse Selektion und moral hazard es ausschließen, dass die Versicherungsleistungen allen privaten Wirtschaftsakteuren zu ihrem Einkommen angemessenen Preisen angeboten werden381. Zudem rechtfertigt moral hazard einen Sozialversicherungszwang, da sich einzelne private Wirtschaftsakteure die Versicherungsprämie nicht versichern, weil sie sich im Bedarfsfall auf die staatliche Grundsicherung verlassen (Trittbrettfahrerverhalten)382. Insofern sind die Anreizstrukturen der Sozialversicherung mit denen der Finanzstabilitätspolitik vergleichbar.

374 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 398; D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 376. 375 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 320. 376 Vgl. S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 60. 377 Vgl. C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 243. 378 Vgl. G. Corneo, Öffentliche Finanzen: Ausgabenpolitik, S. 100 f. 379 Vgl. F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, S. 1441 (1454 ff.); D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 320. 380 Vgl. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG oder auch §§ 364 f. SBG III, vgl. F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, S. 1441 (1463 f.). 381 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 325. 382 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 326 f.

II. Die Grundlagen der Fiskalpolitik

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dd) Schuldendienst Als Folge der Einnahmenerzielung durch Kreditaufnahme müssen Ausgaben für den Schuldendienst getätigt werden. Die Tilgungs- und Zinsausgaben steigen mit der Höhe der Staatsverschuldung, so dass die höheren Ausgaben der Vergangenheit die Ausgaben der Gegenwart, die nicht für den Schuldendienst aufgewendet werden, einschränken383. Wird die Ausgabenbelastung des Schuldendiensts in Zeiten fiskalischer Instabilität übermäßig, treten diese Ausgaben für den Schuldendienst in Konflikt mit den übrigen Ausgabenverpflichtungen und den Ansprüchen der Bürger an die staatliche Aufgabenerfüllung. Infolgedessen kann es zur Erklärung der Zahlungsunwilligkeit durch den Staat kommen, weil die Bürger politisch nicht mehr bereit sind, zugunsten des Schuldendiensts auf andere Ausgaben zu verzichten384. d) Fiskalausgleich Es ist Ausdruck der Fiskalhoheit, dass die mit einer Aufgabe befasste staatliche Einheit sich mit den dafür erforderlichen Mitteln ausstatten kann385. Für diese Abgabenhoheit sind drei Elemente wesentlich: die Gesetzgebungskompetenz zur Festlegung und Ausgestaltung der Abgaben, die Berechtigung, über die eingenommenen Abgaben verfügen zu können, und die Kompetenz zur Erhebung der Abgaben durch die eigene Finanzverwaltung386. Werden Aufgaben von rechtlich-selbständigen Untergliederungen des Staates mit jeweils eigenständigem Haushalt ausgeführt, müssen diesen die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden (Konnexitätsgrundsatz)387. Fallen die Erhebungskompetenz und die Verfügungsberechtigung (teilweise) auseinander (Abgabenverbundsystem), dann wird das Abgabenaufkommen unter den berechtigten Fiskalhoheitsträgern aufgeteilt388. Der Fiskalausgleich stellt insofern die Selbständigkeit der staatlichen Untergliederungen sicher389. Ein gemeinsamer Staat hat aber auch eine finanzielle Schicksalsgemeinschaft als Ausdruck der gemeinsamen Lebensbewältigung zur Folge, was – jedenfalls im Falle fiskalischer Instabilitäten – eine Umverteilung von fiskalischer Finanzkraft erfordert390. Vor allem in föderalen Staatssystemen ist der Fiskalausgleich 383

Vgl. G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 77 f. Vgl. Kapitel D.III.1.c). 385 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 205 f. 386 H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 220. 387 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 218; D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 691. 388 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 222. 389 S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 115. 390 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 694. 384

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

notwendig391, um die politische Einheit zu garantieren, weil nur im Falle finanzieller Handlungsfähigkeit der Glieder die bundesweite Durchsetzung der zentralstaatlichen Entscheidungen gewährleistet werden kann392. Der Bundesstaat hat aufgrund des Grundsatzes gleichwertiger Lebensverhältnisse bestimmte Verteilungs- und Allokationsziele zu erfüllen, für die er eine finanzielle Grundlage zu schaffen hat393. Es geht beim Fiskalausgleich also nicht nur um die generelle Verteilung finanzieller Mittel, die nicht allein bei der einnehmenden Stelle bleiben sollen, sondern auch um den Ausgleich von Haushaltsdefiziten394. Der Fiskalausgleich hat indes den Nachteil, dass er Anreize der Eigenverantwortlichkeit zur Staatsschuldvermeidung untergräbt (moral hazard)395. Andererseits verringert der Fiskalausgleich aber die Anreize für einen Unterbietungswettbewerb der Fiskalhoheitsträger um die niedrigste Abgabenbelastung für private Wirtschaftsteilnehmer, der schließlich in der Regel zulasten der sozial Bedürftigen geschieht396. e) Fiskalplanung Durch die Beschränkung der Haushaltspläne auf in der Regel ein Jahr funktioniert die Steuerung der fiskalischen Zahlungsströme nur eingeschränkt, insbesondere da die Konjunkturzyklen regelmäßig länger andauern397. Außerdem geht der Fiskus vor allem im Rahmen von Investitionen, der Beamtenversorgung und der Verschuldung langfristige Bindungen und Verpflichtungen ein398. Über eine mehrjährige Fiskalplanung399 soll der Fiskalpolitik eine Übersicht der fiskalischen Planungsziele an die Hand gegeben werden, die ihr Leitlinien für die fiskalpolitischen Aufgaben der kommenden Jahre geben soll400. Zudem soll die mehrjährige Fiskalplanung dafür Sorge tragen, dass die Folgekosten von Investitionsprojekten und die Lasten durch indirekte Verschuldung (insbesondere Beamtenpensionen) nicht unterschätzt werden, so dass auf Ausgabensteigerungen früh391

Vgl. für die Bundesrepublik Deutschland: Art. 106 Abs. 3 u. 4 GG sowie Art. 107

GG. 392

Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 695 f. Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 695; H. Zimmermann/K.-D. Henke/ M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 208 ff. 394 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 206. 395 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 210 f. 396 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 691 f.; H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 214 f. 397 Vgl. K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (857); M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1215). 398 C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 417. 399 Vgl. § 9 StWG und § 50 HGrG für die fünfjährige Finanzplanung des Bundes und der Länder. 400 K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (857). 393

II. Die Grundlagen der Fiskalpolitik

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zeitig hingewiesen wird401. Wird ein langfristiger Zeithorizont zugrundegelegt – beispielsweise zur Berücksichtigung der demographischen Entwicklung – handelt es sich hingegen mangels hinreichender Konkretisierung der Pläne nicht mehr um Fiskalplanung, sondern nur noch um eine hypothetische Betrachtung künftiger Entwicklungen402. Der tatsächliche politische Einfluss der Fiskalplanung des Bundes über einen mittelfristigen Zeitraum auf die Fiskalpolitik war jedoch bisher als gering einzuschätzen, weil die Fiskalpläne häufiger der Ausgabensituation angepasst wurden als umgekehrt die Ausgaben den Fiskalplänen403. f) Fiskalkontrolle Die Fiskalkontrolle stellt den letzten Schritt des Haushaltskreislaufs dar und soll den Erfolg der Fiskalpolitik überprüfen und dadurch die politische Verantwortung der beteiligten Akteure sicherstellen404. Dabei ist zwischen der internen Kontrolle durch die mittelbewirtschaftenden Behörden (und deren Aufsichtsbehörden), der Kontrolle der Fiskalverwaltung durch das Finanzministerium und der externen Kontrolle durch das Parlament und den Rechnungshof zu unterscheiden405. Im Zuge der Kontrollen wird untersucht, ob der Rahmen des Haushaltsplans eingehalten wurde und die Kassen- und Buchführung formell und materiell korrekt erfolgt sind406. Der Rechnungshof überprüft zudem nicht nur die Ordnungsgemäßheit, sondern auch die Wirtschaftlichkeit des fiskalischen Finanzgebarens, also ob die Staatstätigkeit auch mit geringerem personellen oder sachlichen Aufwand hätte betrieben werden können407. Die Effektivität der Kontrolle durch das Rechnungswesen wird wesentlich durch die Buchführung bestimmt. Die Verwaltungsbuchführung der Kameralistik hat indes den Nachteil, dass sie den Wertverlust des Staatsvermögens, kalkulatorische Eigenkapitalzinsen und Rückstellungen für wahrscheinliche und bereits gegenwärtig verursachte Kosten nicht berücksichtigt, weil nur eindimensional kassenwirksame Einnahmen und Ausgaben des jeweiligen Jahres erfasst werden408. Beispielsweise wird in einem Vergleich zumeist die Alternative günstigerer Anschaffungskosten als wirtschaftlich erachtet, obwohl auch die zunächst teurere Alternative infolge einer längeren Nutzungsdauer oder geringerer Instand401

H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 95. Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 172. 403 Vgl. M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1217); C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 417. 404 Vgl. M. Heintzen, Staatshaushalt, S. 1175 (1217 f.). 405 C. Gröpl, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit staatlichen Handelns, S. 1227 (1252). 406 D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 167. 407 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 167. 408 Vgl. H. Pünder, Staatsverschuldung, S. 1323 (1377). 402

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

haltungskosten langfristig wirtschaftlicher sein kann409. Diesen Nachteil könnte die „an der Buchführung im Unternehmensbereich orientierte volkswirtschaftliche Gesamtrechnung“ beheben, was mitunter zu einer erheblichen Abweichung bei der Beurteilung der Fiskalaktivitäten des Staates im Vergleich mit der kameralistischen Methode führen würde410. In Deutschland führt die Fiskalverwaltung aber überwiegend noch kameralistisch Buch, obwohl öffentliche Eigenbetriebe kaufmännisch buchführen im Sinne der Doppik411. 4. Akteure der Fiskalpolitik Fiskalpolitische Akteure gibt es auf allen staatlichen Gliederungsebenen; in Deutschland sind dies Bund, Länder und Kommunen412, wobei die Kommunen413 (teilweise) „durch die Länder finanzverfassungsrechtlich mediatisiert“ sind414. a) Fiskalhoheit und Parlament Der Fiskus bietet dem Staat seine materiellen Voraussetzungen zur Ausübung von Staatsgewalt, so dass der Inhaber der Verfügungsgewalt über den Fiskus ein einflussreicher politischer Akteur und Träger von Hoheitsgewalt – der Fiskalhoheit – ist415. Der Begriff der Fiskalhoheit umfasst dabei einerseits die Kompetenz zur aufgabenangemessenen finanziellen Ausstattung (Ertragshoheit) und andererseits die Kompetenz, über die eigenen Ausgaben entscheiden und diese vornehmen zu können (Ausgabenhoheit)416. In einer repräsentativen Demokratie muss der Kern der Fiskalhoheit – das Haushaltsrecht – vom Parlament ausgeübt werden, da die Befugnis zur Zuweisung von Finanzmitteln an alle Exekutivorgane für die gesamte Politik des Staates wesentlich ist und ein effektives Instrument 409 Vgl. C. Gröpl, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit staatlichen Handelns, S. 1227 (1259). 410 W. Albers, Finanzpolitik, Sp. 595 (596). 411 Vgl. § 87 Abs. 1 BHO sowie G. Graf, Grundlagen der Finanzwissenschaft, S. 31. 412 Die Haushalts- und Finanzplanung von Bund, Ländern und Kommunen soll durch einen Stabilitätsrat nach Art. 109a Nr. 1 GG, §§ 1 ff. StabiRatG und § 51 Abs. 1 S. 1 HGrG koordiniert werden. Gleichzeitig handelt es sich beim Stabilitätsrat um einen finanzstabilitätspolitischen Akteur, da dieser Fiskalinstabilitäten als spezielle Form der Finanzinstabilitäten zu vermeiden sucht, vgl. § 2 StabiRatG. 413 Auch den Kommunen steht im Rahmen der örtlichen Angelegenheiten Fiskalhoheit zu, weil ohne finanzielle Mittel keine Selbstverwaltung möglich ist, vgl. C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (826 ff.). 414 Vgl. C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (822 f. u. insb. 824). 415 Vgl. M. Heintzen, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Vorb. Art. 104a–115 Rn. 2. 416 Vgl. C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (825 f. u. 851).

II. Die Grundlagen der Fiskalpolitik

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zur Kontrolle der Exekutive darstellt417. Das Parlament „muss dem Volk gegenüber verantwortlich über die Summe der Belastungen der Bürger entscheiden können. Entsprechendes gilt für wesentliche Ausgaben des Staates . . . Die Hoheit über den Haushalt ist der Ort konzeptioneller politischer Entscheidungen über den Zusammenhang von wirtschaftlichen Belastungen und staatlich gewährten Vergünstigungen“ 418. Die parlamentarische Kontrolle des fiskalischen Gebarens der Exekutive findet sowohl durch die Mittelzuweisung im Haushaltsbeschluss vorgelagert als auch durch die Rechenschaftspflicht der Regierung gegenüber dem Parlament nach der Durchführung der Haushaltsperiode nachgelagert statt419. Überdies ist das Haushaltsrecht des Parlaments häufig sogar gegenüber plebiszitären Gesetzgebungsverfahren mit der Begründung abgesichert, dass die eindimensionale Entscheidung des Plebiszits dem feinen fiskalpolitischen Austarieren der Haushaltsverhandlungen nicht gerecht wird420. b) Fiskalverwaltung Auch der Exekutive kommen wesentliche fiskalpolitische Befugnisse zu. Insbesondere der Haushaltsvollzug und die Verwaltung des Vermögens der öffentlichen Hand obliegen in Deutschland der Regierung421. Einnahmen und Ausgaben werden von Kassen und Zahlstellen des jeweiligen Ministeriums vorgenommen, dessen Ressort die Mittel im Haushaltsplan zugewiesen wurden422. Eine herausragende Stellung haben dabei die Finanzverwaltungen von Bund und Ländern inne, deren oberste Behörden jeweils die Finanzministerien sind, weil sie die Steuern und damit den Großteil der Einnahmen erheben423. Das Finanzministerium führt über sämtliche Zahlungen und Verpflichtungen Buch und ermöglicht im Wege der Rechnungslegung eine legislative Kontrolle sämtlicher Einnahmen und Ausgaben424 sowie des Vermögens und der Schulden425 des Fiskus426. Der 417 Vgl. K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, S. 843 (858); C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (891). 418 BVerfGE 123, 267 (361). 419 Vgl. C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (892). 420 Vgl. beispielsweise für die Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene Art. 18a Abs. 3 a. E. BayGO, Art. 73 BayVerf und C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (911). 421 M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, S. 915. 422 Vgl. § 70 Abs. 1 S. 1 u. 2 BHO. 423 Vgl. zur Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern Art. 108 GG; §§ 1 ff. FVG sowie M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, S. 890. 424 Haushaltsrechnung des Bundes nach §§ 81 ff. BHO. 425 Vermögensrechnung des Bundes nach § 86 BHO. 426 Zur Verpflichtung des Bundesfinanzministers, vgl. Art. 114 Abs. 1 GG und M. Kloepfer, Verfassungsrecht I, S. 915.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

Finanzminister kann zudem unter bestimmten Voraussetzungen außerhaushaltsplanmäßige Ausgaben bewilligen427. Ferner verfügt die Regierung über fiskalpolitische Sonderbefugnisse, wenn der Haushalt vom Parlament nicht rechtzeitig zu Beginn der Haushaltsperiode verabschiedet wurde428. Teilweise wurden fiskalpolitische Aufgaben aber auch von der hoheitlichen Fiskalverwaltung ausgelagert. Beispielsweise wurde die Schuldenverwaltung des Bundes mit der Begründung der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Schuldenwesens auf ein privatrechtlich organisiertes Vehikel übertragen429. c) Sozialversicherungsträger Wichtige fiskalpolitische Aufgaben erfüllen zudem die Sozialversicherungsträger, die ebenfalls (in begrenztem Rahmen) Fiskalhoheit ausüben, da ihnen die Verwaltung selbständiger Vermögen und die Erhebung von Versicherungsbeiträgen zugebilligt werden430. Die Auslagerung der Sozialversicherungsbereiche aus dem Staatsgebilde in kleinen Einheiten hat den Vorteil, dass kleine Haushalte die erhobenen Einnahmen in der Regel effektiver den betreffenden Aufgaben zuordnen und die Verwendung der Mittel für die Beitragszahler transparenter wird431. Trotz der Beitragserhebung werden in Deutschland aber mehr als ein Drittel der Ausgaben der Sozialversicherungsträger – mit unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Sozialversicherungsbereichen – durch Steuern und damit durch Zuschüsse aus dem Staatshaushalt finanziert432. Das Haushaltsrecht der Sozialversicherung als Selbstverwaltungskörperschaften stellt im Wesentlichen eine Abbildung des staatlichen Haushaltsrechts dar, wobei die Haushaltspläne durch die staatlichen Aufsichtsbehörden zu genehmigen sind433. d) Rechnungshöfe Anders als die Rechnungslegung wird die Rechnungsprüfung in Deutschland von den Rechnungshöfen wahrgenommen434. Die Rechnungshöfe wurden für ihre Fiskalkontrolle mit (richterlicher) Unabhängigkeit ausgestattet, verfügen aber 427

Vgl. Art. 112 GG. Vgl. Art. 111 GG. 429 Vgl. § 1 Abs. 1 BSchuldWG zur Ermächtigung des Bundesministeriums der Finanzen die Schuldenverwaltung durch Rechtsverordnung auf die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH übertragen zu dürfen. 430 Vgl. C. Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, S. 813 (832); F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, S. 1441 (1445). 431 F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, S. 1441 (1445). 432 Vgl. H. Zimmermann/K.-D. Henke/M. Broer, Finanzwissenschaft, S. 158. 433 Vgl. §§ 67 ff. SGB IV (insb. § 70 Abs. 2 bis 5 SGB IV) und F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, S. 1441 (1465). 434 Vgl. Art. 114 Abs. 2 GG, § 88 BHO, §§ 1 ff. BRHG. 428

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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über keine Exekutivbefugnisse435. Sie sollen die Umsetzung der fiskalpolitischen Vorgaben durch die Exekutive als externe Einheiten kontrollieren, ohne selbst politische Konsequenzen aus den Prüfergebnissen ziehen zu können436.

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik Das Verständnis der Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik ist Voraussetzung für eine Untersuchung der Verhältnisse von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik, um Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank ableiten zu können. 1. Begriffliche Grundlagen Der Begriff Finanzstabilität wird seit ungefähr zwanzig Jahren verwendet und hat in diesem Zeitraum kontinuierlich an Bedeutung gewonnen437. Auch wenn der Begriff neu ist, das Ziel eines stabilen Finanzsystems für das staatliche Handeln – insbesondere der Zentralbank – ist es nicht438. Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur über finanziell bedingte Krisen ist umfangreich439. Überhaupt ist die Suche nach den Ursachen von Finanzkrisen so alt wie die Wirtschaftswissenschaft überhaupt440. Über die begrifflichen Grundlagen besteht aber nach wie vor kein Konsens441. a) Finanzwirtschaft, Finanzsystem und Stabilität Die Definition der Finanzstabilität 442 setzt zwingend als Subjekt der Stabilität entweder die Finanzwirtschaft im Allgemeinen oder zumindest das Finanzsystem im Besonderen voraus443. Die Finanzwirtschaft im allgemeinen Sinne umfasst dabei nicht nur denjenigen Teil der Wirtschaft, durch den wirtschaftliches Handeln finanziert wird, sondern auch denjenigen, durch den wirtschaftliches Handeln unter finanziellen Gesichtspunkten gesteuert und unter Einwirkung auf Finanzen vollzogen wird. Finanzwirtschaftsakteure sind demnach zunächst der 435 Vgl. Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG sowie D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 168. 436 Vgl. C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen in der Demokratie, S. 484 f. 437 Vgl. W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (152). 438 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (153). 439 C. Freedman/C. Goodlet, Financial Stability, S. 6 f. 440 G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 1. 441 G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 3. 442 Der Begriff der Finanzstabilität wurde vom deutschen Gesetzgeber nur unzureichend als „Stabilität des Finanzsystems“ legaldefiniert (§ 1 Abs. 1 Hs. 1 FinStabG). Die Legaldefinition verweist ebenfalls auf die Bestandteile Stabilität und Finanzsystem. 443 A. A. Alawode/M. Al Sadek, What is Financial Stability?, S. 16.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

Fiskus und die Zentralbank, weil sie mit der Finanzierung der Staatstätigkeit und der Verwaltung des Geldwesens wesentliche Voraussetzungen der Finanzwirtschaft schaffen, aber auch alle anderen Wirtschaftsakteure, soweit sie unter Einwirkung auf (ihre) Finanzen wirtschaftlich handeln444. Das Finanzsystem einer Volkswirtschaft hingegen besteht im Wesentlichen aus Finanzintermediären (vor allem Banken als Kapitalsammelstellen), Finanzmärkten (Eigen- und Fremdkapitalmärkten), Finanzinfrastruktur (beispielsweise Zahlungsverkehrssysteme oder Rating-Agenturen)445, der Zentralbank samt Geldsystem, dem Fiskus sowie den Regulierungs- und Aufsichtsbehörden446. Der Stabilitätsbegriff ist dagegen nicht genuin ökonomischer Natur. Etymologisch wurde der politische Stabilitätsbegriff schon zu Beginn der Neuzeit mit „Ordnung, Macht oder der Deklaration von Gesetzen“ in Verbindung gebracht447. Der Begriff der Stabilität hat eine dynamische Dimension, wenn er das „Vermögen, sich aus geneigter Lage wieder aufzurichten“, beschreibt448. Jedes Stabilitätszustand ist einer Umwelt ausgesetzt, so dass es deren Veränderungen unterworfen ist449. Kein System ist (mit Sicherheit) für immer stabil. b) Finanzstabilität Die gebräuchlichste Definition der Finanzstabilität stellt die Funktionserfüllung des Finanzsystems in den Mittelpunkt. Demnach wird Finanzstabilität definiert als „Fähigkeit des Finanzsystems“, seine wesentlichen volkswirtschaftlichen Funktionen auch in Zeiten von gesamtwirtschaftlichen Schocks, strukturellen Umbrüchen oder sonstigen wirtschaftlichen Stressszenarien (möglichst effizient) zu erfüllen450. Finanzstabilität bezeichnet daher eine Widerstandsfähigkeit gegenüber den genannten Gefahrensituationen451. Die wesentlichen volkswirtschaftlichen Funktionen des Finanzsystems umfassen vor allem die Preisfindung, die möglichst optimale Allokation der (finan444

Siehe Kapitel B.VI. Vgl. EZB, Financial Stability Review June 2005, S. 119 f.; A. A. Alawode/ M. Al Sadek, What is Financial Stability?, S. 16. 446 Vgl. T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 20; G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 16. 447 E. Bruckner, Stabilität, Sp. 84 (85). 448 J. Grimm/W. Grimm (Begr.), Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Begriff „Stabilität“, Sp. 370 f. 449 Vgl. Kapitel C.III.2.d). 450 Vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2012, S. 5; S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 127 ff.; C. Freedman/C. Goodlet, Financial Stability, S. 3; A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 3; EZB, Financial Stability Review June 2005, S. 118. 451 Vgl. T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 20. 445

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ziellen) Ressourcen, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Verteilung wirtschaftlicher Risiken452. Über diese Funktionen unterstützt das Finanzsystem die Effizienz der realwirtschaftlichen Abläufe und dient damit dem Wohlstand der Wirtschaftsakteure453. Es bedarf dabei keineswegs einer optimalen Funktionsweise des Finanzsystems, um Finanzstabilität annehmen zu können454, denn auch (kleinere) temporäre Störungen können der Finanzstabilität insgesamt zuträglich sein. Die durch die Definition in Bezug genommenen gesamtwirtschaftlichen Schocks stellen exogene Einflussfaktoren dar, die „eine erhebliche Änderung von Parametern oder exogenen Variablen“ eines volkswirtschaftlichen Gefüges bewirken455. Sie werden von einem Finanzsystem aufgefangen, wenn sie zwar die Umstände des Finanzsystems verändern, aber trotzdem nicht zu einer (teilweisen) Aufhebung der Funktionen des Finanzsystems führen. Als klassisches Beispiel lässt sich ein monetärer Schock anführen, der über die Änderung des Geldangebots durch die Zentralbank zwar die Refinanzierungsbedingungen des Finanzsystems ändert456, aber im Stabilitätsfall ohne Beeinträchtigung der Funktionen des Finanzsystems vonstattengeht. Ein stabiles Finanzsystem kann solche exogenen Gefahrpotentiale durch Anpassungen der eigenen Struktur oder die Korrektur immanenter Parameter überwinden457. Strukturelle Veränderungen des Finanzsystems – also solche endogener Faktoren – können die Stabilität des Finanzsystems aber auch auf die Probe stellen458. Grundsätzlich gilt es dabei zu bedenken, dass die Finanzstabilität einen idealen Zustand darstellt, weil das Finanzsystem realiter immanent instabil ist459. Die Ursachen für zukünftige Funktionsstörungen des Finanzsystems sind bereits gegenwärtig in der Finanzwirtschaft angelegt, da finanzielle Beziehungen sich stets anders entwickeln können, als von den Finanzwirtschaftsakteuren geplant460. Der Zustand der Finanzstabilität ist Ausdruck des wirtschaftswissenschaftlichen Gleichgewichtsdogmas461.

452 G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 10; S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 127 ff. 453 Vgl. G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 8. 454 A. A. Alawode/M. Al Sadek, What is Financial Stability?, S. 19. 455 Gabler Wirtschaftslexikon, Begriff „Schock“, S. 2621. 456 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, Begriff „Schock“, S. 2621. 457 Vgl. G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 9. 458 Vgl. G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 8. 459 Vgl. A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 7. 460 Vgl. ebd. 461 Vgl. D. Brümmerhoff, Finanzwissenschaft, S. 369.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

c) Finanzinstabilität und Finanzkrise Häufig wird die Finanzstabilität negativ abgegrenzt462, indem das Gegenwort – Finanzinstabilität – begrifflich gefasst wird. Finanzstabilität wird dann schlicht als Zustand bezeichnet, in welchem finanzielle Instabilitäten nicht auftreten oder zumindest unwahrscheinlich sind463. Beide Definitionsansätze behandeln, abstrakt betrachtet, zumeist die gleichen Topoi, indem sie die Funktionen, die Ursachen, die Voraussetzungen und den Einfluss auf die Realwirtschaft aufgreifen464. Der Begriff der Finanzinstabilität beschreibt die Anfälligkeit eines Finanzsystems, eine Finanzkrise durchlaufen zu müssen465. Eine finanzielle Instabilität wird deshalb auch als ein Zustand charakterisiert, in welchem adverse Selektionen und moral hazard auf eine Weise virulent werden, dass das Finanzsystem Gefahr läuft, seine Funktionsfähigkeit zu verlieren und finanzielle Ressourcen nicht mehr effizient in die produktivsten Investitionen kanalisieren zu können466. Finanzinstabilität kennzeichnet also eine (konkrete) Gefahr, der das Finanzsystem und damit schließlich auch die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit insbesondere infolge von Vermögenspreisschwankungen und Zahlungsschwierigkeiten von Finanzintermediären ausgesetzt sind467. Im Zustand der Finanzinstabilität muss sich noch keine Gefahr tatsächlich verwirklicht haben468. Es muss zwischen Finanzinstabilität und Finanzkrise unterschieden werden469. Steigert sich die Ineffizienz auf ein Maß, bei welchem die Funktionen des Finanzsystems (teilweise) aufgehoben werden, ist der Zustand einer Finanzkrise erreicht470. Finanzkrisen sind demzufolge „Manifestationen“ von Finanzinstabilitäten, die zu realwirtschaftlichem Schaden – insbesondere dem Verlust von Wirtschaftsleistung – führen471. Die Finanzkrise ist somit eine Kategorie der Finanzinstabilität472. Im Zuge einer Finanzkrise erleiden die Finanzwirtschaftsakteure 462 G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 3; vgl. W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (155). 463 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (159 f.). 464 Vgl. A. A. Alawode/M. Al Sadek, What is Financial Stability?, S. 14. 465 C. Borio/M. Drehmann, Towards an operational framework for financial stability, S. 2. 466 Vgl. A. Crockett, Why Is Financial Stability a Goal of Public Policy?, S. 7 (22); F. S. Mishkin, Global Financial Instability, S. 3 (6). 467 A. Crockett, The Theory and Practice of Financial Stability, S. 531 (532). 468 E. S. Rosengren, Defining Financial Stability, and Some Policy Implications of Applying the Definition, S. 10. 469 C. Borio/M. Drehmann, Towards an operational framework for financial stability, S. 2. 470 A. Crockett, Why Is Financial Stability a Goal of Public Policy?, S. 7 (22); F. S. Mishkin, Global Financial Instability, S. 3 (6). 471 A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (29 f.). 472 A. A. Alawode/M. Al Sadek, What is Financial Stability?, S. 19.

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derartig große Verluste, dass die Träger des Finanzsystems die Funktionen des Finanzsystems (teilweise) nicht mehr aufrechterhalten können473. Teilweise wird Finanzinstabilität von Finanzfragilität unterschieden. Steht das Finanzsystem an der Schwelle zur Instabilität, ist aber noch keine Funktionsbeeinträchtigung eingetreten, könne als weiterer Differenzierungsgrad von Finanzfragilität gesprochen werden474. Die Anfälligkeit für Störungen ohne tatsächlich eingetretene Funktionsausfälle wird demnach als Fragilität bezeichnet; erst wenn es zu Beeinträchtigungen von Funktionen kommt, könne demnach von Finanzinstabilitäten gesprochen werden475. Ein instabiler Zustand ist demgemäß erst erreicht, wenn das Finanzsystem der Realwirtschaft nicht mehr dient, sondern deren Durchführung hemmt oder gar hindert476. Im Folgenden soll trotz dieser grundsätzlich sinnvollen Unterscheidung vom Finanzinstabilitätsbegriff im weiten Sinne ausgegangen werden, um mit dem Finanzstabilitätspolitikbegriff sowohl präventive als auch reaktive Maßnahmen fassen zu können, ohne auch insoweit differenzieren zu müssen. Einige Autoren behandeln begrifflich den Umgang mit systemischen Risiken oder Finanzstabilitätsrisiken statt den mit finanziellen Instabilitäten477. Inhaltlich verändert sich die finanzstabilitätspolitische Fragestellung dadurch nicht; bisweilen werden die Begriffe systemisches Risiko und Finanzinstabilität auch synonym verwendet478. Oft wird von systemischen Risiken bei Gefahren gesprochen, wenn Ereignisse die Möglichkeit eines Schadens für das gesamte Finanzsystem begründen479. Als systemisches Risiko wird auch die Wahrscheinlichkeit bezeichnet, mit der ein Finanzsystem in eine Krisensituation gerät480. Zum Teil werden systemische Risiken mit der Gefahr von Ansteckungseffekten in dem Sinne gleichgesetzt, dass die Finanzkrise im mikroökonomischen Bereich (idiosynkratische Risiken481) sich derart auf andere Marktakteure überträgt, dass schließlich der gesamte makroökonomische Bereich betroffen ist482. 473 Vgl. C. Borio/M. Drehmann, Towards an operational framework for financial stability, S. 2. 474 O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 2. 475 A. A. Alawode/M. Al Sadek, What is Financial Stability?, S. 19. 476 G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 10; J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (3). 477 Vgl. EZB, Financial Stability Review June 2005, S. 120. 478 P. Davis, Towards a typology for systemic financial instability, S. 2; A. S. Blinder, How Central Should the Central Bank Be?, S. 123 (128); vgl. J. Caruana, Measuring Systemic Risk, S. 215 (216 f.). 479 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 163 f. 480 A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (29 f.). 481 Vgl. R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 5. 482 S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 34 f.; J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (8).

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

d) Finanzstabilitätspolitik Die Finanzstabilitätspolitik wird erst seit der jüngsten Finanzkrise zunehmend als eigenständiger finanzwirtschaftlicher Politikbereich wahrgenommen. Die Finanzstabilitätspolitik als eigenständiger Finanzpolitikbereich ist aus der Einsicht hervorgegangen, die massiven makroökonomischen Kosten von Finanzkrisen durch staatliche Maßnahmen eindämmen zu können und müssen483. Der Staat schafft eine stabile Finanzstabilitätsordnung, die den Rahmen für stabile finanzielle Verhältnisse seiner Volkswirtschaft setzt484. In Anlehnung an den Begriff der allgemeinen Wirtschaftsordnung verfasst die Finanzstabilitätsordnung das Gefüge, welches finanzstabilitätsbedeutsames Handeln der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Ressourcenausstattung normativ konstituiert485. Über die Finanzstabilitätsordnung schafft der Staat eine wesentliche Voraussetzung für den Fortbestand der gegenwärtigen Finanzordnung im Besonderen und der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung im Allgemeinen486. Die Finanzstabilitätsordnung wird im (freiheitlichen) Gemeinwesen durch die Finanzstabilitätspolitik bestimmt. Finanzstabilitätspolitik 487 ist (in Anlehnung an den allgemeinen Politikbegriff 488) der fortwährende Erkenntnisprozess des Rechts eines Gemeinwesens im Wege des Diskurses, um die Funktionalität des Finanzsystems zu begründen und aufrechtzuerhalten. Die Finanzstabilitätspolitik behandelt demnach einen Ausschnitt aus dem Bereich des Finanzpolitischen, weil die Funktionalität des Finanzsystems eine wesentliche Determinante der finanziellen Verhältnisse einer Volkswirtschaft bildet, aber es auch Finanzpolitiken gibt, die nicht (unmittelbar) etwas mit der Bewahrung der Funktionalität des Finanzsystems zu tun haben489. 483

Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 14 u. 48. Vgl. U. Di Fabio, Die Stabilisierung des Finanzmarktes als Verfassungsproblem, S. 583 (583). 485 Vgl. W. Freitag, Unternehmen in der Republik, S. 143. 486 Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 17. 487 G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 52 entwickelt den Begriff Finanzstabilitätspolitik dagegen eher deskriptiv. Für ihn bestimmt das Wesen der Finanzstabilitätspolitik erstens seine Eigenschaft als öffentliches Gut, zweitens ihr weit gestreuter Nutzen und drittens ihre geringe Bedeutung in Stabilitätszeiten, die Partikularinteressen immer wieder die destabilisierende Einflussnahme auf Regulierungsziele ermöglicht. 488 Siehe dazu Kapitel B.IV. 489 Zudem ist die Finanzstabilitätspolitik von der Stabilisierungspolitik abzugrenzen. Der Begriff der Stabilisierungspolitik erfasst „alle staatlichen Maßnahmen zur Erreichung eines makroökonomischen Gleichgewichts mit hohem Beschäftigungsstand (. . .) stabilem Preisniveau“, außenwirtschaftlichem Gleichgewicht und stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum, vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, Begriff „Stabilisierungspolitik“, S. 2748 f. Diese Ziele sind für das staatliche Handeln in Deutschland durch § 1 S. 2 StWG rechtsverbindlich gemacht worden. Die Stabilisierungspolitik erfasst aber auch außerfinanzielle Ziele (beispielsweise Beschäftigung) und ist damit weiter gefasst als die Finanzstabilitätspolitik. 484

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Außerdem gibt es Überschneidungen zwischen der Finanzstabilitätspolitik mit der Geldpolitik und der Fiskalpolitik, weil diese zum Teil über dieselben Instrumente verfügen490 und weil monetäre491 sowie fiskalische492 Instabilitäten als Unterkategorien finanzieller Instabilitäten im Zentrum des finanzstabilitätspolitischen Fokus stehen. Die Finanzstabilitätspolitik bezieht sich zunächst auf alle Handlungen, die darauf gerichtet sind, den Ausbruch einer Finanzkrise zu verhindern (präventive Finanzstabilitätspolitik) 493. Diese Handlungen sollen systemische Risiken abschwächen und damit die Stabilität des Finanzsystems erhöhen, indem Gefahren für die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems gebannt werden494. Die Finanzstabilitätspolitik beinhaltet in erster Linie die Politik zur Vermeidung einer Finanzkrise495, umfasst jedoch auch eine Abhilfedimension, die relevant wird, sobald es trotz finanzstabilitätspolitischer Prävention zu einer Finanzkrise gekommen ist (reaktive Finanzstabilitätspolitik 496). Gerade im Krisenfalle wird das Erfordernis staatlicher Schutzmaßnahmen besonders deutlich. Die makroökonomischen Kosten und die Schädigung Unbeteiligter durch finanzielle Instabilitäten können staatliche Schutzpflichten begründen497. Die Gewährleistung der Finanzstabilität stellt wegen ihrer positiven externen Effekte auf die Realwirtschaft und der Stabilität der Lebensverhältnisse im Allgemeinen eine Staatsaufgabe dar498. Vor allem die Eigenschaft der Finanzstabilität als öffentlichem Gut kann finanzstabilitätspolitische Eingriffe des Staates rechtfertigen499, weil einzelne Akteure der Finanzstabilität Schaden zufügen können, ohne dass ausschließlich die Schädiger von der Finanzinstabilität betroffen wären. Finanzstabilität erfüllt die Kriterien eines öffentlichen Gutes im ökonomischen Sinne500, da weder jemand von den Vorzügen der Finanzstabilität ausgeschlossen werden kann, noch der Nutzen der Finanzstabilität eines Wirtschaftsakteurs den490

Vgl. Kapitel C.III.3.b)aa)(1); C.III.3.b)aa)(2); C.III.3.b)bb); D.II.2.c); D.III.4.a). Siehe Kapitel C.III.2.a)ee); D.II.1. 492 Siehe Kapitel C.III.2.a)ee); D.III.1. 493 Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 16. 494 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 163. 495 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 161. 496 Die Finanzstabilitätspolitik sollte nicht mit der Finanzmarktstabilisierungspolitik, vgl. Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG), gleichgesetzt werden. Die Finanzmarktstabilisierungspolitik ist eine Unterkategorie der Finanzstabilitätspolitik und erfasst nur diejenigen reaktiven staatlichen Maßnahmen, die Finanzinstabilitäten eindämmen sollen, nicht aber diejenigen, die präventiv gestaltend auf die Finanzwirtschaft einwirken sollen. 497 Vgl. W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (160 f.). 498 A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 7. 499 Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 52. 500 A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 7. 491

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jenigen eines anderen vereitelt501. Häufig nehmen Finanzwirtschaftsakteure den Nutzen des Guts Finanzstabilität in Anspruch, ohne selbst etwas zu diesem Gut beisteuern zu müssen (Trittbrettfahrerverhalten)502. Der Staat hat die Verpflichtung, stabilisierend tätig zu werden, weil Finanzinstabilitäten keine „marginalen“ Marktakteure, sondern „einen Kernbereich der Volkswirtschaft, dessen Funktionalität hohe Bedeutung hat“, betreffen503. e) Makroprudentielle Politik Die Begriffe makroprudentielle Politik und Finanzstabilitätspolitik werden häufig synonym verwendet504. Der Begriff der makroprudentiellen Politik wird (bisher) ausschließlich auf die Finanzpolitik bezogen505. Makroprudentielle Politik soll ebenso wie die Finanzstabilitätspolitik „systemische Risiken minimieren“, „die Finanzsysteme gegen Schocks stärken“ und „die Finanzstabilität bewahren“ 506. Beide Politiken sind aber nicht deckungsgleich507. Makroprudentielle Politik beschränkt sich auf den rein präventiven Teil der Finanzstabilitätspolitik und erfasst daher nicht die reaktiven Hilfsmaßnahmen zur Stabilisierung und Schadensminderung im Falle einer Finanzkrise508. Auch die (mikroprudentielle) Institutsaufsicht ist kein Teil der makroprudentiellen Politik509. Die Finanzstabilitätspolitik hingegen hat sowohl mikro- als auch makroprudentielle Eigenschaften, denn der finanzstabilitätspolitisch ausgerichtete Teil der Geldpolitik ist beispielsweise makroprudentiell, weil er das gesamte Geldsystem in den Blick nimmt, und die Finanzunternehmensaufsicht mikroprudentiell, weil einzelne Finanzunternehmen beaufsichtigt werden510. Makroprudentielle Regulierung beschäftigt sich mit systemischen Risiken und mikroprudentielle Regulierung mit idiosynkratischen Risiken511. Die makroprudentielle Regulierung betrachtet die Folgen kollektiven Verhaltens individueller 501

D. Schoenmaker, Central Banks Role in Financial Stability, S. 271 (274). Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 52. 503 H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 164. 504 A. S. Blinder, How Central Should the Central Bank Be?, S. 123 (129). 505 Vgl. A. Dombret, Finanzstabilität wahren: Rahmen, Werkzeuge und Herausforderungen, S. 4. 506 Committee on the Global Financial System, Macroprudential instruments and frameworks: a stocktaking of issues and experiences, S. 1; M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215 (218). 507 G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 79. 508 Committee on the Global Financial System, Macroprudential instruments and frameworks: a stocktaking of issues and experiences, S. 1. 509 Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 79. 510 Vgl. A. S. Blinder, How Central Should the Central Bank Be?, S. 123 (129). 511 A. Crockett, Marrying the micro- and macro-prudential dimensions of financial stability, S. 2. 502

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Finanzunternehmen als endogen, wohingegen die mikroprudentielle Regulierung die Folgen als exogen auffasst512. Makroprudentiell betrachtet ist Finanzstabilität mehr als die Summe513 der mikroprudentiellen Stabilität jedes einzelnen Finanzunternehmens und der Finanzinfrastruktur514. Die Risikopositionen der einzelnen Finanzunternehmen sind nicht (statistisch) voneinander unabhängig, sondern es gibt „gemeinsame Abhängigkeiten der Einzelgeschäfte von makroökonomischen Faktoren wie Zinsen, Wechselkursen und Konjunkturverläufen“ 515. Solche Korrelationen sind auf der Ebene einzelner Finanzunternehmen nicht zu erfassen516. Deshalb ist die mikroprudentiell betrachtete Finanzstabilität aller Finanzwirtschaftsakteure zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für makroprudentiell betrachtete Finanzstabilität 517. Der mikro- und der makroprudentielle Blickwinkel sind voneinander abhängig518. Beide Dimensionen müssen durch finanzstabilitätspolitische Koordination miteinander in Einklang gebracht werden, zumal für sie regelmäßig unterschiedliche Entscheidungsträger mandatiert sind519. Beide Perspektiven sollten nicht voneinander getrennt betrachtet werden, vielmehr handelt es sich bei ihnen um „Etiketten“ und keine eigenständigen Konzepte520. Denn spätestens seit J. M. Keynes ist allgemein bekannt, dass das, was für einzelne Marktteilnehmer richtig ist, nicht unbedingt auch für die Gesamtwirtschaft richtig sein muss521. Es bedurfte der Weltwirtschaftskrise, um die Notwendigkeit der makroökonomischen Betrachtungsweise zu verdeutlichen522. Seither gibt es die Makroökonomie als eigenständigen wirtschaftswissenschaftlichen Teilbereich523. 2. Ziele der Finanzstabilitätspolitik Maßgeblich für die Gestaltung der Finanzstabilitätspolitik sind ihre Ziele. Primäres Ziel der Finanzstabilitätspolitik ist es laut ihrer Definition, die Funktio-

512 A. Crockett, Marrying the micro- and macro-prudential dimensions of financial stability, S. 3. 513 Insoweit bestehen Parallelen zum Holismus. 514 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 171. 515 M. Hellwig, Systemische Risiken im Finanzsektor, S. 123 (148). 516 Ebd. 517 H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 171. 518 Vgl. E. Yue, Marrying the micro- and macro-prudential dimensions of financial stability, S. 230 (235). 519 Vgl. ebd. 520 T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 29. 521 A. Crockett, Marrying the micro- and macro-prudential dimensions of financial stability, S. 8. 522 Ebd. 523 Ebd.

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nalität des Finanzsystems zu begründen und aufrechtzuerhalten. Dabei kann zwischen präventiven Zielen zur Vermeidung von Finanzinstabilität und reaktiven Zielen zur Wiederherstellung der Finanzstabilität im Falle eines Funktionsausfalls unterschieden werden. a) Prävention der Ursachen von Finanzinstabilität Ziel jeder an einem stabilen Finanzsystem orientierten Politik ist die Verhütung finanzieller Instabilitäten. Idealerweise schafft die Finanzstabilitätspolitik eine Finanzstabilitätsordnung, in welcher sich grundsätzlich keine Instabilitäten herausbilden. Die Finanzstabilitätsordnung soll Stabilitätsrisiken der Finanzunternehmen begrenzen, sinnvolle Anreizstrukturen und Transparenz schaffen und durch die Aufsichtsbehörden durchgesetzt werden524. Die Ausgestaltung der Finanzstabilitätsordnung richtet sich zumeist nach den Voraussetzungen der Finanzstabilität und orientiert sich an den Ursachen bereits aufgetretener finanzieller Instabilitäten. Über Ursachenanalysen der Finanzinstabilität sollen die geeigneten Maßnahmen zur Bewältigung der finanzstabilitätspolitischen Probleme gefunden werden. Die im Folgenden angeführten Ursachen sind nicht abschließend und können gleichzeitig zum Tragen kommen525. aa) Geldmenge und Wirtschaftszyklen Über die Ursachen von Finanzinstabilitäten gibt es schon seit langem eine dogmatische Kontroverse zwischen Monetaristen und Keynesianern. Die Monetaristen behaupten, dass finanzielle Instabilitäten meist durch Störungen in der Versorgung mit Geld verursacht werden, also geldpolitische Gründe haben526. Tatsächlich haben sich die Kapitalverhältnisse, die häufig ungenau mit der Dichotomie von Real- und Finanzwirtschaft527 beschrieben werden, verändert; denn die Geldmenge ist stärker gewachsen als die Realkapitalmenge 528. Zum einen konnte die Geldmenge gesteigert werden, indem die Zentralbankgeldmenge von 524 Vgl. G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 6; S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 40; L. E. Donath/L. M. Cismas, Determinants of Financial Stability, S. 27 (30). 525 Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 16; F. S. Mishkin, International Capital Movements, Financial Volatility and Financial Instability, S. 11 (18); P. Davis, Towards a typology for systemic financial instability, S. 5. 526 A. Crockett, The Theory and Practice of Financial Stability, S. 531 (533). 527 Genau betrachtet handelt es sich nicht um eine Dichotomie, denn auch Realkapital ist Teil der Finanzen, vgl. die Definition des Finanzbegriffs in Kapitel B.VI. 528 Vgl. T. Betz, Von der klassischen Geldhortung zum modernen Investmentbanking, S. 25 (32 ff.); H. Creutz, Banken in die Schranken? – Das Wachstum der Geldvermögen ist Ursache der Wirtschaftskrise, S. 3 (3 ff.); T. Petersen, Geldvermögen und Schulden. Grundlegende Zusammenhänge und realwirtschaftliche Konsequenzen, S. 661 (661 ff.).

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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der Realkapitalanbindung wie im Goldstandard entkoppelt wurde529. Zum anderen hat sich der Umfang der privaten Geldschöpfung durch Giralgeld und andere ähnlich liquide Anlageformen immer weiter von der monetären Basis des Zentralbankgelds entfernt530. Laut den Monetaristen kann es unter solchen Umständen zu einem Ansturm auf die Banken kommen, weil die Einleger nicht mehr darauf vertrauen, dass die Banken imstande sind, die Einlagen in Zentralbankgeld „umzuwandeln“ 531. Der Ansturm auf die Banken zur Auszahlung der Einlagen führt zu einer Kontraktion der Geldmenge und macht es den Banken unmöglich, allen Gläubigern Zentralbankgeld auszubezahlen, weil ein großer Teil des Geldes nur in Form von Giralgeld besteht532. Bankzusammenbrüche schädigen die Wirtschaft, indem sie die Sparvermögen der Einleger entwerten und die Geldmenge (schlagartig) reduzieren533. Oberstes finanzstabilitätspolitisches Ziel der Monetaristen ist es daher, monetäre Stabilität zu wahren534. Anders als die Monetaristen sind viele Ökonomen im Anschluss an J. M. Keynes der Auffassung, dass finanzielle Instabilitäten maßgeblich durch die Wirtschaftszyklen verursacht werden. Demnach beruhen Krisen auf unzureichender Nachfrage in Abschwungphasen535. Finanzkrisen seien unvermeidliche Folgen von „Exzessen“, die die Aufschwungphasen mit sich bringen. Die klassischen Ansätze der Monetaristen und der Keynesianer greifen zu kurz. Die Monetaristen übersehen die instabilitätsanfällige Natur des Bankgeschäfts, denn sie definieren den Finanzstabilitätsbegriff zu eng536. Die Keynesianer hingegen unterschätzen die nicht-zyklischen Gründe von Finanzinstabilität wie beispielsweise eine unzureichende Versorgung mit Zentralbankliquidität 537. bb) Intermediationsfunktion Im Zentrum der Ursachenanalysen steht regelmäßig die Intermediationsfunktion der Banken. Die Intermediationsfunktion der Banken bringt eine instabilitätsanfällige Fristentransformation mit sich, weil das Geschäftsmodell einer Bank 529

Vgl. T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 3. Vgl. A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 3; T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 3. 531 M. D. Bordo/D. C. Wheelock, Price Stability and Financial Stability: The Historical Record, S. 41 (44), (m.w. N.). 532 Ebd. 533 Vgl. P. Davis, Towards a typology for systemic financial instability, S. 3 f. 534 T. Timmermans, Monitoring the macroeconomic determinants of banking system stability, S. 117 (120). 535 Ebd. 536 Ebd. 537 Ebd. 530

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

darauf ausgerichtet ist, kurzfristig rückforderbare Einlagen in langfristige Kredite umzuwandeln538. Die Passivseite der Bilanz (Vermögensherkunft) einer Bank besteht damit in der Regel aus kurzfristigen Verbindlichkeiten, die Aktivseite (Vermögensverwendung) hingegen aus langfristigen Forderungen gegenüber Kreditnehmern539. Das Verlustrisiko der Einleger hängt dabei aber nicht nur allein vom Verhalten ihrer Geschäftspartner – den Banken – ab, sondern auch von anderen Einlegern540. Verlieren zu viele Einleger auf einmal das Vertrauen in eine Bank oder gar in den Banksektor im Allgemeinen, wird sich der Vertrauensverlust als Sich-selbsterfüllende-Erwartung bewahrheiten und sich als Bankenansturm (bank run) materialisieren541. Die Banken verfügen in einem fraktionellen System nicht über genügend (finanzkrisensicheres542) Zentralbankgeld, um alle Einlagen in kurzer Zeit auszubezahlen und somit ihre Illiquidität zu vermeiden543. Obwohl es für die Gesamtheit der Einleger unwirtschaftlich ist, panikartig die Einlagen abzuziehen, ist es für den einzelnen Einleger von Vorteil, als erster seine Einlagen verlustfrei abgehoben zu haben544. Das Unvermögen der einzelnen Bank durch eigenes Wohlverhalten die eigene Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten, macht die Banken gegenseitig voneinander abhängig545. Die Finanzstabilitätspolitik hat deshalb die Aufgabe, das Vertrauen der Einleger in die Rückzahlung der Einlagen durch die Banken zu erhalten546, indem sie die Solvabilität und Liquidität der Banken unter besonderen Schutz stellt. cc) Vermögenspreisschwankungen Vermögenspreisschwankungen können finanzielle Instabilitäten hervorrufen547, indem Preisausschläge zu übertriebenen Erwartungen und unbegründeten Annah538 Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (7); M. Hellwig, Systemische Risiken im Finanzsektor, S. 123 (130 ff.); E. S. Rosengren, Defining Financial Stability, and Some Policy Implications of Applying the Definition, S. 3; M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 7. 539 M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 15. 540 Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (7). 541 Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (7). 542 Nach T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 4 besteht die Geldmenge aus risikofreiem Zentralbankgeld und vertrauensverlustanfälligem Geschäftsbankengeld. 543 Vgl. A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (35); M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 10. 544 A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (35); A. Crockett, Why Is Financial Stability a Goal of Public Policy?, S. 7 (16). 545 Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (7 f.). 546 Vgl. M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 10. 547 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (157 f.).

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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men über Ausfallrisiken und Gewinnerwartungen führen. Die Preisschwankungen können im Extremfall – vornehmlich verursacht durch die Ausrichtung der Unternehmensführung an kurzfristigen Parametern und Indizes sowie durch Herdenverhalten – die Form von Preisblasen annehmen548. Preissteigerungen verheißen dem optimistischen Marktakteur grundsätzlich Profite549. Manche Marktakteure spekulieren deshalb sogar über fremdkapitalinduzierte Nachfrage auf weitere Preissteigerungen550. Dieser Prozess kommt spätestens zum Erliegen, sobald viele Marktakteure zahlungsunfähig sind, weil sie ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können551. In diesem Zustand ist das Finanzsystem instabil552. Um die Schulden bedienen zu können, verkaufen die Schuldner die kreditfinanzierten Vermögensgegenstände, wodurch ein Preisverfall ausgelöst wird553. Kommt es zudem zum Abzug von Bankeinlagen, schränkt die Geldmengenkontraktion die Kreditvergabe ein und der Preisverfall verstärkt sich554. Das deflationäre Umfeld erhöht die Schuldenlast der Kreditnehmer und schließlich die Ausfallraten der Kredite555. Bisweilen werden finanzielle Instabilitäten deshalb mit der Volatilität von Vermögenswerten oder anderen Finanzmarktparametern gleichgesetzt, obwohl solche Volatilitäten auf erforderlichen Anpassungen beruhen können, die nicht prinzipiell der Stabilität des Finanzsystems abträglich sein müssen556. Daher kann aufgrund der Gefahren nicht darauf geschlossen werden, dass es Ziel der Finanzstabilitätspolitik sein sollte, die Vermögenspreise stabil zu halten557. Preisausschläge haben in einer Marktwirtschaft eine wichtige allokative Funktion558. Nicht alle Vermögenspreisblasen münden in Finanzkrisen; in der Regel tun sie das nur, wenn sie stark fremdkapitalinduziert sind559. Sollten nur ungerechtfertigte Preisausschläge durch die Finanzstabilitätspolitik verhindert werden, würde

548 J.-C. Trichet, Asset Price Bubbles and Their Implications for Monetary Policy and Financial Stability, S. 15 (19 f.). 549 Vgl. M. D. Bordo/D. C. Wheelock, Price Stability and Financial Stability: The Historical Record, S. 41 (44). 550 Vgl. ebd. 551 Vgl. ebd. 552 Vgl. ebd. 553 Vgl. ebd. 554 Vgl. ebd. 555 Vgl. ebd. 556 A. Garcia Herrero/P. del Rio, Central Banks as Monetary Authorities and Financial Stability, S. 3; A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 8. 557 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (157 f.). 558 Vgl. W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (157 f.). 559 E. S. Rosengren, Defining Financial Stability, and Some Policy Implications of Applying the Definition, S. 4.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

dies eine Feststellung der Begründetheit von Marktpreisen erfordern, die oftmals niemand zu leisten imstande ist560. dd) Asymmetrische Informationsgrundlagen Informationsbasierte Ansätze erklären finanzielle Instabilitäten mit Wissensvorsprüngen (asymmetrische Informationsgrundlagen). Investoren kennen die Zukunft nicht. Die Entwicklung der Zinssätze, der Wechselkurse, der Vermögenspreise, der Inflationsraten und der Konjunktur lässt sich allenfalls schätzen, was die Beurteilung von Kredit- und Marktrisiken immer anfällig für Irrtümer macht561. Die Unkenntnis über die Entwicklung von Kreditbeziehungen und Märkten begründet das Vertrauenserfordernis als wesentlichen Faktor der Finanzwirtschaft. Wird Vertrauen enttäuscht, kann dies zur Neubewertung vieler anderer asymmetrischer Informationsbeziehungen führen und schließlich das für Investitionen notwendige Vertrauen in die Finanzmärkte insgesamt beeinträchtigen562. Die Schaffung möglichst verlässlicher Informationskanäle muss daher Ziel der Finanzstabilitätspolitik sein563. Asymmetrische Informationsverteilungen können die Marktakteure zu finanzstabilitätsgefährdendem Verhalten verleiten (insbesondere zu moral hazard, adverser Selektion und sogenanntem Trittbrettfahrerverhalten)564. Deshalb sollte die Finanzstabilitätspolitik nach verbreiteter Ansicht hauptsächlich das Ziel der informationellen Verteilungsgerechtigkeit verfolgen565. Demnach sollen möglichst viele asymmetrische Informations- und Risikoverteilungen beseitigt werden566; jedoch lassen sich Wissensvorsprünge nicht allgemein vermeiden, denn sie liegen in der Natur von Schuldverhältnissen. Außerdem beruhen nicht alle Finanzinstabilitäten auf Informationsunterschieden567. Beispielsweise werden finanzstabilitätspolitische Fehlanreize auch durch bestimmte Vergütungsstrukturen gesetzt, wenn den Arbeitnehmern der Finanzunternehmen Boni für Profite gewährt werden, auch wenn für diese Profite übermäßige Risiken in Kauf genommen wurden568. 560 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (157 f.); vgl. C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 60 ff. 561 D. Folkerts-Landau/C.-J. Lindgren, Toward a Framework for Financial Stability, S. 7. 562 Vgl. F. S. Mishkin, International Capital Movements, Financial Volatility and Financial Instability, S. 11 (18). 563 Vgl. F. S. Mishkin, The Causes and Propagation of Financial Instability, S. 55 (55). 564 Vgl. P. Davis, Towards a typology for systemic financial instability, S. 3 f. 565 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 163. 566 H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 163. 567 T. Timmermans, Monitoring the macroeconomic determinants of banking system stability, S. 117 (120). 568 Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 165 f.

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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ee) Fiskalische und monetäre Instabilitäten Auch fiskalische Instabilitäten stellen finanzielle Instabilitäten dar569; denn beim Fiskus besteht generell die Gefahr, dass er versucht, seine Schuldenlast auf Kosten der Geldwertstabilität durch Inflation zu verringern570. Außerdem ist die Bonität der Staaten eng verknüpft mit der Solvenz von Banken (Banken-StaatenNexus)571. Kann der Fiskus seinen Schuldendienst nicht mehr erfüllen, können die dadurch notwendigen bilanziellen Abschreibungen zu einer Überschuldung von Banken führen. Letztlich sollte es nunmehr Ziel der Finanzstabilitätspolitik sein, die Verbindungen der Fiskalpolitik zu den Bankbilanzen abzuschwächen und die Banken zu einer risikoangemessenen Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen zu verpflichten. Grundvoraussetzungen der Finanzstabilität ist nicht nur eine stabilitätsorientierte Fiskalpolitik, sondern auch eine stabilitätsorientierte Geldpolitik572. Auch monetäre Instabilitäten stellen finanzielle Instabilitäten dar573. Eine stabile Finanzstabilitätsordnung bedarf einer stabilen Geldordnung, die vornehmlich auf stabilen Preisen beruht, denn dauerhaft volatile Preise sind eine Unsicherheitsquelle, die die (finanz-)wirtschaftliche Entwicklung hemmen kann574. Deshalb umfassen die finanzstabilitätspolitischen Ziele auch das geldpolitische Ziel einer niedrigen Inflation. Zudem sind stabile Wechselkurse und ein störungsfreies Zahlungsverkehrssystem für finanzielle Stabilität unverzichtbar575. Ein stabiles Finanzsystem erfordert eine ausreichende Liquiditätsversorgung, um realwirtschaftliche Transaktionskosten gering zu halten, aber die Liquiditätsversorgung darf nicht zu üppig werden, um übermäßige Vermögenspreissteigerungen zu vermeiden und ein stabiles Preisniveau zu gewährleisten576. ff) Systemgefährdung („too big to fail“) Die Stabilitätsverfassung des Finanzsystems hat sich verändert, seit Unternehmenskäufe und Fusionen von Finanzunternehmen deren Größe und Komplexität immer weiter gesteigert haben577. Die Finanzpolitik vieler Volkswirtschaften 569

Vgl. Kapitel D.III.1. Vgl. Kapitel D.I.1.a). 571 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 97. 572 S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 40; L. E. Donath/L. M. Cismas, Determinants of Financial Stability, S. 27 (33). 573 Vgl. Kapitel D.II.1. 574 Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (12 f.). 575 L. E. Donath/L. M. Cismas, Determinants of Financial Stability, S. 27 (33). 576 R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 9 f. 577 Vgl. T. Beck, Bank Competition and Financial Stability, S. 5. 570

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

wurde mit dem Trilemma zwischen Finanzstabilität, nationaler finanzwirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und ausreichender Kreditversorgung der Realwirtschaft konfrontiert, wobei oftmals der eigenen internationalen Wettbewerbsposition Vorrang beigemessen und gezielt der Aufbau eigener global agierender Finanzunternehmen unterstützt wurde578. Es sind infolgedessen schwer vom Staat zu regulierende und beaufsichtigende Institutionen entstanden579. Der Insolvenz einiger Finanzunternehmen wird ein systemisches Risiko beigemessen, so dass sie nach verbreiteter Ansicht nicht abgewickelt werden sollten (too big to (let) fail), weil sie im Einzelnen entweder volkswirtschaftlich unverzichtbare Leistungen erbringen würden oder deren Leistungen nicht innerhalb einer annehmbaren Frist ersetzt werden könnten580. Demnach üben einige Finanzunternehmen zentrale Funktionen des Finanzsystems aus oder deren Insolvenz führe „zu existenzbedrohenden Zahlungsausfällen und Abschreibungen bei anderen Instituten“, was zu einer Vertrauenskrise und einem Bankenansturm durch die Einleger führen würde, so dass sie nicht ohne erhebliche finanzwirtschaftliche Schäden ersetzt werden könnten581. Der häufig in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der Systemrelevanz (oder auch „systemically important financial institution“ 582) ist ungenau gefasst, aber mittlerweile vom Gesetzgeber für Finanzinstitute anerkannt worden583. Der Begriff will die Unverzichtbarkeit eines Teils des Finanzsystems zum Ausdruck bringen. Systemrelevant sind aber nicht nur einige große Finanzunternehmen, sondern jeder Marktteilnehmer hat Relevanz für das Finanzsystem, wenn auch mit unterschiedlichem Gewicht. Treffender als der Begriff der Systemrelevanz ist der Begriff der Systemgefährdung584. Kreditinstitute sind systemgefährdend, wenn sich deren Bestandsgefährdung585 in erheblicher Weise negativ auf andere Finanzwirtschaftsakteure auswirkt. Dabei lassen sich weitere Kriterien für die Systemgefährdung wie beispielsweise der Umfang der Verbindlichkeiten, der Einlagen und der eingegangenen Risiken sowie die Ersetzbarkeit eines Kreditinstituts aufzählen586.

578 579 580 581 582 583 584 585 586

Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 43 f. Vgl. T. Beck, Bank Competition and Financial Stability, S. 5. W. Möschel, Too big to fail, S. 24 (24). M. Günther, Bad Banks, S. 94 f. K. H. W. Knot/H. van Voorden, Systemically Important Banks, S. 288 (290). Vgl. § 10f Abs. 2 S. 1 KWG. I. S. d. § 48b Abs. 2 KWG. I. S. v. § 48b Abs. 1 S. 1 KWG. Siehe § 48b Abs. 1 S. 2 KWG.

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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gg) Ansteckungs- und Rückkopplungseffekte Maßgeblich für die Systemgefährdung durch eine einzelne Risikoquelle ist nicht primär ihr Ursprung, sondern vielmehr der Grad, mit dem sie ihre schädlichen Wirkungen verbreitet587. Dabei kommen vor allem als Übertragungskanäle Dominoeffekte auf Interbankenmärkten und in Zahlungsverkehrssystemen sowie über den Informationsaustausch von Finanzwirtschaftsakteuren in Betracht588. Die Ansteckungsgefahren beruhen zuvörderst darauf, dass Kreditinstitute gemeinsam auf das Vertrauen der Einleger in das Finanzsystem im Allgemeinen und auf dieselben Märkte und Zahlungsverkehrssysteme als Liquiditätsquellen im Besonderen angewiesen sind589. Bei jeder finanziellen Instabilität spielen zwei aufeinanderfolgende Komponenten eine Rolle: die auslösende Ursache und deren Ausbreitung590. Die Ausbreitung wird bestimmt durch Ansteckungswirkzusammenhänge und Rückkopplungseffekte (finanzieller Akzelerator)591. Ansteckungskanäle gibt es insbesondere zwischen den Einzelmärkten für Vermögensgegenstände, zwischen Kreditinstituten und durch die welthandels- und kapitalmarktrechtlichen Deregulierungen und Internationalisierungen zwischen Volkswirtschaften592. Im Bankwesen sind die Ansteckungskanäle durch die engen kreditären Verflechtungen des Interbankenmarkts besonders ausgeprägt593. Über den Interbankenmarkt umgehen Banken kurzfristige Zahlungsschwierigkeiten durch Kredite von anderen Kreditinstituten, wodurch die Kosten für die Liquiditätsreserve von allen Banken sinken, aber die Banken auch ihre gegenseitigen Abhängigkeiten erhöhen594. Auch Informationsflüsse über Risiken, die von vielen Finanzmarktteilnehmern eingegangen wurden, breiten sich schnell aus und können Panikverkäufe auslösen595. Ähnlich können Informationen über Solvabilitäts- oder Liquiditätsschwierigkeiten von einzelnen Kreditinstituten panikartige Reaktionen bei den Anlegern auslösen, die dann das gesamte Bankensystem betreffen596. Die stetig wachsenden Verbindungen zwischen Banken, Versicherungen und Wertpapiermärkten – vor allem über Derivatgeschäfte und Zahlungsverkehrssysteme597 – vertiefen die Ansteckungskanäle598. Finanzstabilitätspoli587

S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 34 f. Ebd. 589 J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (8). 590 A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (30). 591 Ebd. 592 Vgl. R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 10. 593 H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 166. 594 Vgl. X. Freixas/B. M. Parigi/J.-C. Rochet, Systemic Risk, Interbank Relations, and Liquidity Provision by the Central Bank, S. 611 (611 u. 629). 595 Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 9. 596 S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 36. 597 A. Crockett, Why Is Financial Stability a Goal of Public Policy?, S. 7 (17). 588

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

tisches Ziel sollte es sein, die Ansteckungseffekte aus den Interbankkrediten – beispielsweise durch Eigenkapitalunterlegungspflichten für Interbankenkredite – abzuschwächen599. Die Rückkopplungseffekte hingegen entstehen durch verschlechterte Finanzierungsbedingungen auf den Finanzmärkten infolge der sich ausbreitenden Finanzinstabilität. Die verschlechterten Finanzierungsbedingungen können zu realwirtschaftlichen Insolvenzen führen, was wiederum (weitere) finanzwirtschaftliche Verluste zur Folge hätte600. Die Finanzierungsbedingungen verschlechtern sich, indem Schocks den Marktwert und die Bilanzkennzahlen der Unternehmen belasten, was deren Ausfallrisiko erhöht601. Dadurch verteuert sich deren Kreditfinanzierung und werden auch deren Eigenkapitalkennzahlen belastet, was wiederum zu einer Verringerung des Marktwertes führt602. Darüber hinaus bewirkt der allgemeine Rückgang der Vermögenspreise eine Verringerung des Wertes von Kreditsicherheiten, so dass sich die Kreditfinanzierung auch insoweit verteuert603. Durch die verteuerte Kreditfinanzierung wird weniger Finanzkapital in Vermögensgegenstände investiert, wodurch deren Marktpreise weiter sinken und die Kreditsicherheitenbasis noch weiter geschmälert wird604. b) Reaktion auf finanzielle Instabilität Wenn die Prävention finanzielle Instabilitäten nicht verhindern kann, hat die Finanzstabilitätspolitik auf die Instabilität zu reagieren, indem sie versucht, die Finanzinstabilität einzudämmen, solange sie sich noch nicht als Finanzkrise materialisiert, oder im Falle einer Finanzkrise mit lindernden Maßnahmen den Folgen abzuhelfen. Der Staat hat also aufgrund seiner Schutzpflichten auf die großen gesamtwirtschaftlichen Schadens- und Kostengefahren zu reagieren, die finanzielle Instabilitäten und vor allem Finanzkrisen verursachen. Finanzstabilitätspolitisches Ziel ist es, die Kosten der Finanzinstabilität wie beispielsweise den enormen fiskalischen Aufwand für Rettungsmaßnahmen zu vermeiden605. Die durch eine finanzielle Instabilität verursachten Schäden können verschiedene Formen annehmen, indem sie die finanzielle Situation von Haushalten, Unternehmen und Fisken durch geringere Einnahmen und höhere Ausgaben (vor allem durch Zinsveränderungen) verschlechtert oder sie die Zahlungsunfähigkeit 598

A. Large, Financial Stability: Maintaining Confidence in a Complex World, S. 3. Vgl. E. Nier/J. Yang/T. Yorulmazer/A. Alentorn, Network models and financial stability, S. 3. 600 Vgl. A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (30). 601 Vgl. A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (51). 602 Vgl. ebd. 603 Vgl. ebd. 604 Vgl. ebd. 605 A. Crockett, Why Is Financial Stability a Goal of Public Policy?, S. 7 (15). 599

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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von Finanzintermediären verursacht, was zu Kapitalverlust führt oder die Finanzierungsmöglichkeiten vieler Wirtschaftsakteure aufhebt606. Starke Zinserhöhungen und die Verschärfung von Kreditvergabestandards erschweren den Zugang der Realwirtschaft zu Finanzierungsquellen und schmälern Investitionsmöglichkeiten607. Durch die verschlechterten Finanzierungsbedingungen sinkt zudem die gesamtwirtschaftliche Nachfrage608, so dass jedenfalls durch den Nachfrageausfall diejenigen Wirtschaftsakteure betroffen werden, die sich bis zu diesem Zeitpunkt noch ohne Beeinträchtigungen finanzieren konnten. Studien haben gezeigt, dass Finanzkrisen immer häufiger aufgetreten sind und die durch sie verursachten gesamtwirtschaftlichen Schäden immer schwerwiegender wurden609. Bankenkrisen betreffen keineswegs nur Entwicklungsländer; in Industrieländern dauern sie in der Regel länger und führen zu nominell größeren gesamtwirtschaftlichen Schäden610. Generell wurde konstatiert, dass Finanzkrisen, in denen die Intermediationsfunktion von Banken aufgehoben war, länger andauern611. Eine Volkswirtschaft braucht einer Studie zu Folge zur Erholung von einer Währungskrise im Durchschnitt eineinhalb Jahre, von einer Bankenkrise drei Jahre und noch länger, wenn die Finanzkrise sowohl die Währung als auch die Banken voll erfasst612. Der unmittelbare gesamtwirtschaftliche Schaden von Finanzinstabilität ist laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds mit mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei Bankenkrisen, knapp fünf Prozent bei Währungskrisen und fast fünfzehn Prozent bei einer Kombination beider enorm613. Dieser Verlust an Wirtschaftsleistung zeitigt aber auch mittelbare Konsequenzen, wie ein geringeres gesamtwirtschaftliches Angebot und geringere Beschäftigungsraten614. Der Rückschluss vom Rückgang der Wirtschaftsleistung auf den 606 J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (3); G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 13. 607 R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 8. 608 Vgl. R. W. Ferguson, Should Financial Stability Be An Explicit Central Bank Objective?, S. 2. 609 Vgl. A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 3 (m.w. N.). 610 A. G. Haldane/G. Hoggarth/V. Saporta, Assessing financial system stability, efficiency and structure at the Bank of England S. 138 (139), (m.w. N.). 611 E. S. Rosengren, Defining Financial Stability, and Some Policy Implications of Applying the Definition, S. 4 (m.w. N.). 612 IWF, World Economic Outlook. Financial Crises: Causes and Indicators, S. 79; A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (32 f.). 613 IWF, World Economic Outlook. Financial Crises: Causes and Indicators, S. 79; A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (32); F. Allen/D. Gale, Competition and Financial Stability, S. 1 f.; A. Crockett, Marrying the micro- and macro-prudential dimensions of financial stability, S. 4. 614 Vgl. L. E. Donath/L. M. Cismas, Determinants of Financial Stability, S. 27 (28).

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durch die Finanzkrise verursachten Schaden ist aber nicht zwingend, da der Rückgang auch mit dem zyklisch stattfindenden Abschwung der Wirtschaftsleistung korrelieren kann615. Die genauen Kausalitäten und die Prognose potentieller Schäden für die Realwirtschaft sind schwierig zu bestimmen616. Es ist einfacher zu beurteilen, dass die finanzwirtschaftlichen Funktionen gefährdet werden, als die realwirtschaftlichen Folgen zu quantifizieren617. c) Makroprudentielle Ausrichtung der Finanzstabilitätspolitik Nach verbreiteter Überzeugung ist das Finanzsystem insgesamt stabil, wenn seine Bestandteile im Einzelnen – insbesondere Geldsystem, Finanzmärkte, Finanzunternehmen – sich im Zustand der Stabilität befinden618. Durch eine Aufteilung des Finanzsystems in seine Teilbereiche und Voraussetzungen wird versucht, Finanzstabilität als Summe der Stabilität der Teile des Finanzsystems zu fassen. Möglicherweise ist die Finanzstabilität des Finanzsystems aber mehr als die Summe der Stabilität der Bestandteile, denn es ist denkbar, dass sich alle Teilbereiche im Zustand relativer Stabilität befinden, die Finanzwirtschaft aber trotzdem durch Wechselwirkungen stabiler Bereiche oder gänzlich außerhalb des Finanzsystems liegende Umstände störungsanfällig bleibt. Außerdem ist auch das Finanzsystem nicht immer eindeutig abzugrenzen, was beispielsweise daran zu erkennen ist, dass üblicherweise auch außerhalb des Finanzsystems anzusiedelnde makroökonomische Ziele wie ein bestimmtes Beschäftigungsniveau oder das gesamtwirtschaftliche Angebot bisweilen ebenfalls als Fundament der Finanzstabilität erachtet werden. Realwirtschaft und Finanzwirtschaft sind untrennbar miteinander verwoben, zumal in entwickelten Volkswirtschaften alle Realwirtschaftsakteure auch finanzwirtschaftlich aktiv sind619. Häufig wird unter Finanzstabilität auch nur die Stabilität der Finanzunternehmen, der Finanzmärkte und der Zahlungssysteme verstanden620. Finanzunternehmen gelten dabei als stabil, wenn sie über genügend Eigenkapital zur Absorbierung ihrer Verluste und über ausreichend Liquidität zur Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen verfügen621. Dieses Verständnis von Finanzstabilität bezieht aber die makroökonomischen Dimensionen der Finanzstabilität nicht mit ein, denn in615

A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (32). Vgl. A. A. Alawode/M. Al Sadek, What is Financial Stability?, S. 17 f. 617 A. A. Alawode/M. Al Sadek, What is Financial Stability?, S. 17 f. 618 M. Foot, What is financial stability and how do we get it?, Abs. 16. 619 Vgl. Kapitel B.VI. 620 L. E. Donath/L. M. Cismas, Determinants of Financial Stability, S. 27 (27); E. S. Rosengren, Defining Financial Stability, and Some Policy Implications of Applying the Definition, S. 1 f.; W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (157). 621 L. E. Donath/L. M. Cismas, Determinants of Financial Stability, S. 27 (27). 616

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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dividuell betrachtet stabile Finanzunternehmen oder Einzelmärkte können durch makroökonomische Ungleichgewichte an anderer Stelle bereits massiv bedroht sein, ohne dass sich dies durch eine Betrachtung der Finanzunternehmen oder Finanzmärkte abbilden ließe622. Makroökonomische Ungleichgewichte stellen ein Gefahrenpotential für die Finanzstabilität dar, denn oftmals begründen unhaltbare Angebots- und Nachfrageausweitungen übermäßige Kreditgewährungen durch die Banken, die dann vor allem in rezessiven Phasen zu bilanziellen Verlusten der Kreditinstitute führen, was wiederum die Banken zur Einschränkung der für die konjunkturelle Entwicklung wichtigen Kreditvergabe veranlasst623. Überhaupt ist Finanzstabilität ein makroökonomisches Phänomen und kein mikroökonomisches, zumal mikroökonomische Krisen wie Insolvenzen einzelner Kreditinstitute bisweilen der Finanzstabilität zuträglich sein können624. d) Finanzstabilität als sich permanent verändernder Zusammenhang Finanzstabilität stellt kein Kontinuum, sondern einen über die Zeit hinweg (kontinuierlich) veränderlichen Zusammenhang dar, der in verschieden konstituierten Finanzsystemen jeweils unterschiedliche Ausformungen oder Gestalten annimmt625. Aufgrund dieser Eigenschaft der Finanzstabilität werden die Ursachen und Auswirkungen von Finanzkrisen zukünftigen Entwicklungen nicht (genau) entsprechen626. Beispielsweise verändern die finanzvertraglichen Beziehungen fortlaufend ihre Gestalt; denn es entstehen ständig neue Finanzprodukte, Finanzdienstleistungen und sonstige Finanzbeziehungen627. Finanzstabilität umfasst einen multidimensionalen Bereich, der zahlreiche stabile Zustände einnehmen kann628. Mangels zeitlicher und räumlicher Punktualität der Finanzstabilität 629 kann im Rahmen der Finanzstabilitätspolitik eine enge Zielbestimmung, die ihre Ausrichtung endgültig und genau vorgibt, nicht gelingen630. Aufgrund der Veränderlichkeit der finanzstabilitätspolitischen Ziele kann etwas zu einem Zeitpunkt für finanzielle Stabilität dringend erforderlich sein und zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr631. Die Schwierigkeit besteht vor allem 622 Vgl. B. Gadanecz/K. Jayaram, Measures of financial stability – a review, S. 365 (365 f.). 623 A. Crockett, Why Is Financial Stability a Goal of Public Policy?, S. 7 (21). 624 Vgl. W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (159). 625 G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 1; A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 11. 626 Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (19). 627 Vgl. ebd. 628 A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 11; G. J. Schinasi, Preserving Financial Stability, S. 2 f. 629 Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (4). 630 G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 8. 631 Vgl. G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 7.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

darin, dass die Finanzstabilität ohne eindeutige, überzeitliche Zielbestimmungen nicht durch messbare Parameter abgebildet werden kann632, so dass der Politik insoweit klare Handlungsanweisungen als Richtschnur fehlen. Aufgabe der Finanzstabilitätspolitik ist es daher, diese veränderlichen Zusammenhänge zu überwachen und die politischen Vorgaben rechtzeitig anzupassen. e) Internationalisierung der Finanzstabilitätspolitik Es wird infolge der Internationalisierung der Finanzwirtschaft gefordert, auch die Finanzstabilitätspolitik über die staatlichen und volkswirtschaftlichen Grenzen hinweg zu gestalten. Eine international einheitliche Finanzstabilitätspolitik solle Finanzkrisen vermeiden helfen, indem Regulierungsarbitragegeschäfte verhindert werden633. Seit Jahren ist die Internationalisierung der Finanzmärkte eines der vorrangigen Ziele der Finanzpolitik gewesen. Deren positive Folgen – Risikodiversifizierung, Verbesserung der Ressourcenallokation und Liquiditätsausstattung sowie Skaleneffekte – werden auch als finanzstabilitätspolitische Rechtfertigung zur Vereinheitlichung der Finanzstabilitätspolitik verwendet, obwohl die Liberalisierungen wie eine umfassende Kapitalverkehrsfreiheit durchaus auch destabilisierend wirken können634. Übertriebene Erwartungen in Investmentmöglichkeiten können mithilfe internationalen Kapitals zu noch größeren Investitionsblasen führen. Zudem unterliegen Finanzunternehmen Anreizen, größere Risiken einzugehen, um Gewinneinbußen zu vermeiden, die sich daraus ergeben können, dass internationaler Wettbewerb die Profitmargen der Finanzunternehmen grundsätzlich mindert635. Ferner sind durch die Internationalisierung der Finanzwirtschaft Ansteckungskanäle zwischen den Volkswirtschaften der finanzmarktliberalisierten Länder entstanden636. Ansteckungseffekte können sich nunmehr transnational ausbreiten637. Je geringer die Möglichkeiten zum Aufbau von Schutzbarrieren zur Abschottung von Volkswirtschaften im Krisenfall sind, desto größer sind die Ansteckungsgefahren und die Abhängigkeiten gegenüber dem globalen Finanzsystem. Eine schrankenlos gewährte Kapitalmobilität hebelt die staatliche Finanzstabilitätsordnung aus, denn die Kapitalinhaber verhalten sich aus kurzfristig verstan632

Vgl. W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (154). Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 210. 634 C. Freedman/C. Goodlet, Financial Stability, S. 5; R. W. Ferguson/P. Hartmann/ F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 10 u. 60. 635 R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 60. 636 R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 11. 637 R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 60. 633

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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denen Eigennutzenerwägungen regulierungsavers. Die Finanzstabilitätspolitik hat die Regulierungsanforderungen gelockert, um die Wettbewerbsposition der inländischen Finanzunternehmen zu stärken und um zu verhindern, dass diese den inländischen Kapitalmarkt durch den Abzug ihrer Geschäftstätigkeit austrocknen638. f) Volkswirtschaftliche Funktion finanzieller Instabilitäten Die Finanzstabilitätspolitik sollte trotz der drohenden Schäden nicht darauf abzielen, Finanzinstabilitäten um jeden Preis zu verhindern639. Finanzielle Instabilität ist eine unvermeidliche Erscheinung des Finanzsystems640. Finanzkrisen können sogar eine marktbereinigende Funktion haben, indem Marktakteure für falsche Entscheidungen mit dem Verlust ihrer Investition zahlen641. Zudem befördert die schöpferische Zerstörung im Sinne Schumpeters grundsätzlich die wirtschaftliche Entwicklung642. Aufgabe der Finanzstabilitätspolitik ist es, für einen gerechten Ausgleich zwischen der Flexibilität marktlicher Strukturen und den Gefahren zu sorgen, die den Instabilitäten des Finanzmarkts innewohnen643. Idealiter wäre es deshalb Aufgabe der Finanzstabilitätspolitik allein, zu verhindern, dass unbeteiligte (Finanz-)Wirtschaftsbereiche so weit wie möglich von finanzieller Instabilität verschont bleiben; jedoch dürfte eine Unterscheidung nach der Beteiligung realiter ad hoc zumeist unmöglich sein. Im Übrigen liegt es dann an der Wirtschaftspolitik, die sozialen Folgen der Finanzkrise für die Bürger aufzufangen644. 3. Instrumente der Finanzstabilitätspolitik und deren Wirkung Keine Volkswirtschaft vertraut zur Gewährleistung von Finanzstabilität allein den Kräften des Marktes645. Eine erfolgreiche Finanzstabilitätspolitik bedarf des parallelen Einsatzes vieler Instrumente, weil es kein Instrument gibt, dass allen Dimensionen der Finanzstabilität gleichermaßen gerecht werden könnte646. Viele finanzstabilitätspolitische Instrumente berühren die Belange anderer Finanzpoli-

638

Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 169. Vgl. A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (42); EZB, Financial Stability Review June 2005, S. 118. 640 Vgl. B. Eichengreen, Financial Crises, S. 4. 641 Vgl. A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (42). 642 J. Caruana, The Great Financial Crisis: Lessons for the Design of Central Banks, S. 14 (16). 643 A. Crockett, Why Is Financial Stability a Goal of Public Policy?, S. 7 (14). 644 Vgl. A. Lai, Financial Fragility, S. 29 (42). 645 Vgl. A. Crockett, Why Is Financial Stability a Goal of Public Policy?, S. 7 (26). 646 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 3. 639

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

tikbereiche, was zu Kompetenzstreitigkeiten führen kann, wenn dadurch die Zuständigkeit unterschiedlicher Akteure begründet werden kann647. Die Finanzstabilitätspolitik verfügt über präventive Instrumente, die Finanzinstabilitäten über die Minimierung systemischer Risiken von vornherein verhindern sollen, und reaktive Instrumente, die zum Einsatz kommen, sobald finanzielle Instabilitäten auftreten648. Die reaktiven Instrumente lassen sich untergliedern in Instrumente zur Eindämmung, um die finanziellen Instabilitäten zu beseitigen, bevor es zur Finanzkrise kommt, und abhelfende Maßnahmen zur Linderung, wenn es bereits zur Finanzkrise gekommen ist649. a) Präventive Instrumente In die Kategorie präventiver Instrumente fallen alle Bestandteile der Finanzinfrastruktur, die auf die Vermeidung finanzieller Instabilitäten gerichtet sind650. Der Staat schafft eine Finanzstabilitätsordnung, welche die finanzwirtschaftlichen Verhältnisse möglichst stabil ordnen sollte. Einige wesentliche Ordnungsgesichtspunkte werden im Folgenden herausgearbeitet. aa) Finanzwirtschaftlicher Wettbewerb Der finanzwirtschaftliche Wettbewerb hat eine präventive finanzstabilitätspolitische Funktion. Oligopolistische Bankenmärkte können höhere Zinsen durchsetzen, die die zinsverpflichteten Schuldner nur bezahlen können, wenn sie mehr riskieren, was wiederum auch die Ausfallrisiken der Banken erhöht651. Um diese präventive Funktion zu gewährleisten, werden wettbewerbsrechtlich vor allem Unternehmensübernahmen und -zusammenschlüsse kontrolliert, Kartelle verboten und verfolgt und staatliche Beihilfen reglementiert652. Infolge von Konkurrenzdruck und Ertragsschwäche einiger Banken hat die Zahl der Banken in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren um mehr als die Hälfte abgenommen653. Ansteckungseffekte in stark konzentrierten, oligopolisti647

Vgl. Kapitel D.IV. Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (14); W. Möschel, Too big to fail, S. 24 (25); W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (161); S. Oosterloo/J. de Haan, Central banks and financial stability: a survey, S. 257 (263). 649 Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (14); W. Möschel, Too big to fail, S. 24 (25); W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (161); S. Oosterloo/J. de Haan, Central banks and financial stability: a survey, S. 257 (263). 650 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (161). 651 Vgl. T. Beck, Bank Competition and Financial Stability, S. 12 f. 652 Vgl. Art. 101 ff. AEUV, §§ 1 ff., 35 ff. GWB. 653 Vgl. M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 8 (m.w. N.). 648

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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schen Wettbewerbsstrukturen sind besonders stark ausgeprägt654. Bei geringerer Konzentration des Finanzsystems könnte die Ansteckungskausalkette schon enden, bevor die finanzielle Instabilität Bedeutung für das Finanzsystem erlangen kann655. Geringere Konzentrationen könnten beispielsweise durch Zerschlagungen von systemgefährdenden Finanzunternehmen erreicht werden. Gegen quantitative Größenbeschränkungen wird indes eingewendet, dass systemische Risiken auch von verhältnismäßig kleinen Finanzunternehmen ausgehen können und zum anderen die Bankengrößen sich in Wettbewerbsprozessen herausgebildet haben, so dass solche Beschränkungen nur die Erfolgreichen belasten würde656. Ferner sind viele Wirtschaftspolitiker der Überzeugung, in einer globalisierten Finanzwirtschaft zwingend auf große international tätige Finanzunternehmen angewiesen zu sein, auch wenn dies auf Kosten eines starken Wettbewerbs und finanzstabilitätspolitischer Gesichtspunkte durchgesetzt werden muss657. Es können auch Wettbewerbs- und Stabilitätsziele miteinander konfligieren658. Empirische Studien haben darauf hingewiesen, dass mitunter scharfer Wettbewerb über sinkende Profitmargen den Umfang der von den Banken eingegangenen Risikopositionen erhöht, um die Profitmargenrückgänge zu kompensieren659. Der Zusammenhang zwischen Finanzstabilität und Wettbewerb sei deshalb nicht eindeutig bestimmbar660, da andererseits ein scharfer Wettbewerb zu einer wirtschaftlicheren Entwicklung führen und langfristig die Kosten von gelegentlich auftretenden Finanzkrisen rechtfertigen könne661; denn der Wettbewerb kann der Finanzstabilität zuträglich sein, indem unwirtschaftliche Wettbewerber aus dem Markt ausscheiden, bevor sie eine finanzstabilitätsgefährdende Bedeutung erlangen. bb) Aufsicht über Finanzunternehmen Die wichtigsten präventiven finanzstabilitätspolitischen Instrumente ergeben sich aus dem Aufsichtsrecht über die Finanzunternehmen. Die besondere Aufsicht über das Finanz- und Kreditwesen wird vor allem damit gerechtfertigt, dass

654 E. Nier/J. Yang/T. Yorulmazer/A. Alentorn, Network models and financial stability, S. 21. 655 Ebd. 656 W. Möschel, Too big to fail, S. 24 (25). 657 Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 58. 658 Vgl. T. Beck, Bank Competition and Financial Stability, S. 22; F. Allen/D. Gale, Competition and Financial Stability, S. 36 f. 659 Vgl. E. Carletti/P. Hartmann, Competition and Stability, S. 19 u. 22. 660 Vgl. F. Allen/D. Gale, Competition and Financial Stability, S. 3 f. 661 Vgl. T. Beck, Bank Competition and Financial Stability, S. 22.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

Finanzunternehmen ohne Sonderregulierung exzessive Risiken eingehen würden, ohne dass Marktmechanismen dies verhindern könnten662. Das Aufsichtsrecht sieht für verschiedene Finanzwirtschaftsakteure wie Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen unterschiedliche finanzstabilitätspolitische Instrumente vor663. Dabei verfügt insbesondere die Bankenaufsicht über ein breites Instrumentarium zur Regelung des Marktzutritts, zur Sicherstellung ausreichenden Eigenkapitals, zur Liquiditätssteuerung, zum Risikomanagement und zur Informationsbasis664. (1) Gewährleistung der Solvabilität Es gibt verschiedene Wege, wie man Banken vor einer Überschuldung bewahren kann665. Beispielsweise kann den Banken vorgeschrieben werden, dass sie gegen bestimmte Risikopositionen Absicherungsgeschäfte – eine Versicherung, (Kredit-)Derivatgeschäfte oder andere Hedgegeschäfte – vornehmen müssen666. Das würde aber voraussetzen, dass die Banken ihre jeweilige Risikoposition genau identifizieren und möglichst auch quantifizieren müssten667. Dagegen bieten Eigenkapitalpuffer, mit denen Banken ihre Verluste auffangen, einen allgemeineren Schutz668. Weithin wird bei der finanzstabilitätspolitischen Eigenkapitalunterlegung von einer „Kosten-Nutzen-Beziehung“ ausgegangen, weshalb die Solvabilitätsvorschriften nicht allzu streng sein dürfen, um die Kosten für bereitgehaltenes Eigenkapital nicht übermäßig zu verteuern669. Zwar könnten mit sehr restriktiven Aufsichtsstandards die Finanzstabilitätsgefahren gebannt werden, aber nur auf Kosten geringer Ertragserwartungen (insbesondere geringerer Eigenkapitalrentabilität) und unter Aufhebung der Marktmechanismen670. Eigenkapitalregeln haben auch häufig den Nachteil, dass die Banken ihre Kreditvergabe in Abschwungphasen prozyklisch einschränken müssen, weil in diesen sich die Ratingwerte der Kreditnehmer und die Vermögenswerte der Sicherheiten verschlechtern und für die dadurch als riskanter eingestuften Risikopositionen mehr Eigenkapital bereitgehalten werden muss671. Bei einer Abwertung der Ak662 663 664 665

A. Crockett, The Theory and Practice of Financial Stability, S. 531 (550). Vgl. § 1 KWG, § 1 VAG und § 2 WpHG. Vgl. G. Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 173 ff. R. A. Brealey, Bank capital requirements and the control of bank failure, S. 144

(149). 666 667 668 669 670

Ebd. Ebd. Ebd. C. Goodhart, Comment, S. 50 (52). H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 168.

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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tiva werden aufsichtsrechtlich mehr Eigenmittel erforderlich. In Abschwungphasen führt die Abwertung von Aktiva zur Einschränkung der Kreditvergabe, um ihre Eigenmittel zu stärken. Auch in Aufschwungphasen wirken die Solvabilitätsvorschriften prozyklisch, da die Eigenmittel in Aufschwungphasen schrumpfen können, obwohl in diesen Zeiten die Risiken gewöhnlich zunehmen672. Die Vorschriften machen es möglich, dass Fremdkapital den Finanzwirtschaftsakteuren von Banken noch günstiger zur Verfügung gestellt wird, was den Aufschwung weiter antreibt und unter Umständen zu Übertreibungen führt673. Deshalb sollen Kreditinstitute in Aufschwungphasen besondere antizyklische Eigenkapitalpuffer aufbauen, die sie in Abschwungphasen verbrauchen können, so dass sie in diesen Zeiten nicht mehr die Kreditvergabe einschränken müssen, um mehr Eigenkapital zur Verfügung zu haben674. Der antizyklische Eigenkapitalpuffer wird verwendet, wenn die Kreditmenge eines Instituts ihren Verhältniswert zum Bruttoinlandsprodukt deutlich überschreitet675. Mit antizyklischen finanzstabilitätspolitischen Eigenkapitalpuffern soll eine Versicherung gegen die schädlichen Folgen der Wirtschaftszyklen geschaffen werden. In den letzten Jahren wurde zudem verstärkt gefordert, weitere neue bankenaufsichtliche Beschränkungen – wie zusätzliche sektorspezfische Eigenkapitalanforderungen, Höchstverschuldungsquoten, Kredithöchstgrenzen im Verhältnis zum Wert der Kreditsicherheiten und zum Schuldnereinkommen sowie Begrenzungen für Dividendenausschüttungen – einzuführen676. Für Kreditinstitute mit besonderer Bedeutung für die Stabilität des Finanzsystems sollen künftig Eigenkapitalzuschläge abhängig von deren Größe und Komplexität verlangt werden677. Es erscheint zweifelhaft, ob auf diese Weise Stabilitätsrisiken, die von den betreffenden Instituten ausgehen, vermindert werden. Jedoch wird auf diese Weise zumindest ein Gegenanreiz zu den sonst starken wettbewerblichen Konzentrationsbestrebungen in der Finanzwirtschaft gesetzt678. Die Eigenkapitalquoten sind im Bankwesen deutlich niedriger als bei Unternehmen anderer Wirtschaftsbereiche679. Bereitzuhaltendes Eigenkapital betrach-

671 Vgl. R. A. Brealey, Bank capital requirements and the control of bank failure, S. 144 (149); D. D. VanHoose, Bank Capital Regulation, Economic Stability, and Monetary Policy, S. 1 (5 f.). 672 C. Borio/C. Furfine/P. Lowe, Procyclicality of the financial system and financial stability: issues and policy options, S. 1 (49). 673 Ebd. 674 Vgl. T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 34 f. 675 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2012, S. 90. 676 Bank of England, Instruments of macroprudential policy, S. 18 ff. 677 T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 34. 678 Vgl. T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 34. 679 H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 166.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

ten die Banken als teuer680. Einige Studien haben gezeigt, dass Eigenkapitalvorschriften empirisch die Eigenkapitalbasis der Banken nicht signifikant gestärkt haben, also weich implementiert wurden681. Die Kreditinstitute versuchen, die Eigenkapitalvorschriften beispielsweise mit der Verbriefung von Krediten zu umgehen682. Die Kreditverbriefung erlaubt es Kreditinstituten, Kreditrisiken an andere Finanzmarktteilnehmer zu übertragen, ohne dass diese dadurch selbst zu einem Kreditinstitut werden683. Die Originatoren-Kreditinstitute werden durch die Verbriefungstechnik zur Übernahme übermäßiger Risiken veranlasst684. Die Ausgliederung von Bilanzrisiken durch die Banken über unregulierte Zweckgesellschaften hat ein Schattenbankensystem entstehen lassen, das die Bankenaufsicht unterminiert685. Der Einsatz der Zweckgesellschaften wird vor allem damit gerechtfertigt, dass er den Banken alternative Refinanzierungsmöglichkeiten biete und die Zweckgesellschaften spezialisierte Dienstleistungen übernehmen könnten, die die Effizienz des Finanzsystems steigern686. Mittlerweile gibt es zwar Bestrebungen, auch Zweckgesellschaften zu beaufsichtigen, was sich aber im internationalen Kontext als schwierig erweisen dürfte687. (2) Liquiditäts- und Risikosteuerung Überdies macht die Bankenaufsicht den Kreditinstituten Liquiditätsvorschriften. Aufgrund der Stabilitätsgefahren, die sich aus der Transformation kurzfristiger Einlagen in langfristige Kredite ergeben, müssen Banken Anforderungen an ihren Liquiditätsbestand erfüllen688. Die Kreditinstitute müssen ihre finanziellen Mittel auf eine Weise anlegen, dass sie die berechtigten Ansprüche ihrer Kunden erfüllen können, also ihre ausreichende Zahlungsbereitschaft gewährleistet ist689. Jedoch könnte nicht nur ein panikartiger Abzug der Einlagen (bank run) die Zahlungsunfähigkeit von Banken verursachen, sondern auch illiquide Märkte. Reichen die bereitgehaltenen liquiden Mittel nicht aus, um fällige Ansprüche zu erfüllen, müssen die Kreditinstitute zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit zunächst Vermögenswerte liquidieren690. Sind die betreffenden Vermögenswert680

B. Eichengreen, Financial Crises, S. 35. D. D. VanHoose, Bank Capital Regulation, Economic Stability, and Monetary Policy, S. 1 (3). 682 B. Eichengreen, Financial Crises, S. 35. 683 Vgl. Committee on the Global Financial System, Macroprudential instruments and frameworks: a stocktaking of issues and experiences, S. 21. 684 Vgl. ebd. 685 Vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2012, S. 67. 686 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2012, S. 67. 687 Vgl. T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 35 f. 688 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 8. 689 Siehe § 11 Abs. 1 S. 1 KWG. 690 G. Illing, Financial Stability and Monetary Policy – A Framework, S. 5. 681

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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märkte gerade wegen weitreichender Finanzinstabilitäten illiquide, müssen die Kreditinstitute ihre Vermögenswerte weit unter dem bisherigen Marktpreis verkaufen691. Solche Panikverkäufe zehren das Eigenkapital auf und können zur Überschuldung – also zur Insolvenz – führen692. Darüber hinaus müssen die Kreditinstitute den Mindestanforderungen an ihr Risikomanagement gerecht werden, wodurch sie ihre Risikotragfähigkeit laufend sicherstellen693. Banken haben ihre Geschäftsrisiken zu diversifizieren, um die Gefahren für die Finanzstabilität zu minimieren694. Zudem sind mittlerweile umfangreiche interne Kontrollverfahren sowie Anforderungen an die Risikovorsorge, Verfahren zur Früherkennung von Risiken und auch Stresstests vorgesehen695. Indes ist anzumerken, dass die mittlerweile weitverbreitete Nutzung von ausgeklügelten Risikomanagementsystemen im Finanzsystem nicht nur Risikostreuung bewirken kann, sondern paradoxerweise auch Schocks verstärken, Liquidität verpuffen lassen und Ansteckungseffekte evozieren kann696. Wenn Marktteilnehmer allesamt ihren Entscheidungen gleichgerichtete Risikobewertungen, die auf den gleichen methodischen Konzepten basieren, zugrundelegen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sich zur gleichen Zeit auch gleich entscheiden und damit Marktbewegungen verstärken697. Risikoberechnungen werden methodisch zu kurzfristig ausgerichtet und berücksichtigen die makroökonomischen Korrelationen zwischen Schuldnern und Gläubigern nicht ausreichend698. (3) Informationspflichten Kreditinstitute müssen bilanzielle Informationen offenlegen, damit die Aufsichtsbehörden und andere Finanzmarktteilnehmer die Risiken für die Finanzstabilität einschätzen können699. Manche Ökonomen glauben, dass Offenlegungsvorschriften auf (Finanz-)Märkten die Prämisse vollständiger Information des Rationalitätstheorems verwirklichen könnten, obwohl es unrealistisch ist, einen Zustand vollständiger Informationstransparenz erreichen zu können; denn Asym691

Ebd. Ebd. 693 Vgl. § 25a Abs. 1 S. 3 KWG. 694 Vgl. G. Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 404 ff. 695 Vgl. Rundschreiben 10/2012 der BaFin (MaRisk). 696 J.-C. Trichet, Asset Price Bubbles and Their Implications for Monetary Policy and Financial Stability, S. 15 (19 f.). 697 J.-C. Trichet, Asset Price Bubbles and Their Implications for Monetary Policy and Financial Stability, S. 15 (19 f.). 698 C. Borio/C. Furfine/P. Lowe, Procyclicality of the financial system and financial stability: issues and policy options, S. 1 (49). 699 Vgl. D. Folkerts-Landau/C.-J. Lindgren, Toward a Framework for Financial Stability, S. 8. 692

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

metrien zwischen Schuldner und Gläubiger wird es aufgrund besseren Wissens des Schuldners von der eigenen Finanzlage immer geben700. Die Frage ist vielmehr, ob und inwieweit die Finanzstabilität graduell erhöht werden kann durch Offenlegungsvorschriften. Transparenz erhöht grundsätzlich die Stabilität der Finanzmärkte, aber es können auch Konstellationen auftreten, in denen die Steigerung der Informationsverfügbarkeit destabilisierend wirken kann, indem die Reaktionen einzelner Finanzwirtschaftsakteure zu panikartigen Reaktionen ganzer Märkte führen können701. Der Erkenntnis des Finanzsystems und damit seiner Stabilität sind durch seine Komplexität Grenzen gesetzt702. Nicht nur die groben Strukturen seiner wesentlichen Bestandteile sind sehr verschieden, sondern es reicht in seinen Verästelungen bis in einzelvertragliche Beziehungen, deren Klauselwerke so vielschichtig sein können, dass selbst die Erfassung eines einzelnen Vertrags die Arbeitskraft mehrerer Menschen über Wochen hinweg in Anspruch nehmen kann und deren finanzstabilitätspolitische Wirkung wegen der ungewissen Zukunft gar nicht prognostizierbar ist703. Der Einsatz finanzstabilitätspolitischer Instrumente kann fehlschlagen, wenn die Struktur der zu stabilisierenden Finanzunternehmen oder der destabilisierenden Vermögenswerte zu komplex ist, um einer ausreichend schnellen Hilfe zugänglich zu sein704. cc) Einlagensicherung Einlagensicherungssysteme sind eine Versicherung von Einlegern gegen die Zahlungsunfähigkeit der Banken705. Durch das Bewusstsein der Einleger um eine Versicherung der Einlagen soll im Falle finanzieller Instabilität die Wahrscheinlichkeit von Bankenanstürmen verringert werden706. Jedoch schützen die Einlagensicherungssysteme nur bis zu einer Kappungsgrenze707. Durch die Kappungsgrenze werden durch die Sicherungssysteme hauptsächlich die Kleinsparer geschützt, ohne dass gleichzeitig falsche Anreize für Großeinleger und Großkreditgeber gesetzt werden708. Um die Befürchtungen der Einleger vor dem Verlust ihrer Einlagen unbegründet zu machen, müsste die Zentralbank die Einlagen garantieren, weil sie als ein700

Vgl. B. Eichengreen, Financial Crises, S. 20. Vgl. B. Eichengreen, Financial Crises, S. 21. 702 Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (18). 703 Vgl. ebd. 704 W. Möschel, Too big to fail, S. 24 (24 f.). 705 Vgl. C. Freedman/C. Goodlet, Financial Stability, S. 10. 706 Vgl. ebd. 707 D. Folkerts-Landau/C.-J. Lindgren, Toward a Framework for Financial Stability, S. 28 f. 708 Ebd. 701

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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zige Institution unbegrenzt Zentralbankgeld zur Verfügung stellen kann709. Finanzstabilitätspolitische Versicherungsinstrumente sind nur begrenzt wirksam, da systemische Risiken nur beschränkt versichert werden können710. Wird die Versicherungsgrenze überschritten, bleibt die Versicherung wirkungslos. Gegen einen Zusammenbruch des gesamten Finanzwirtschaftssystems kann es jedenfalls keine Versicherung geben, weil der Schaden zu groß wäre, um versichert werden zu können711. dd) Präventive Instrumente der Zentralbank Der Zentralbank stehen mehrere präventive finanzstabilitätspolitische Instrumente zur Verfügung. Mithilfe von Leitzinsänderungen übt sie maßgeblichen Einfluss auf die Finanzierungsbedingungen der Finanzmärkte aus und kann der Herausbildung von finanziellen Ungleichgewichten entgegenwirken712. Auch über den Mindestreservesatz kann die Zentralbank die Liquidität der Kreditinstitute und damit die Geldmarktzinsen steuern713. Die Zentralbank kann ferner durch Offenmarktgeschäfte die Liquidität in den Finanzmärkten erhöhen und gleichzeitig Vermögenspreise stützen714. Daneben kann über Fremdwährungsgeschäfte der Wechselkurs der eigenen Währung gestützt werden715. Weitere Einflussparameter der Zentralbank sind die Anforderungen an die Sicherheiten, die die Kreditinstitute zur Refinanzierung bei der Zentralbank beleihen können716. Die Zentralbank stellt zudem die Bedingungen für die Teilnahme an ihren Zahlungsverkehrssystemen auf und setzt diese durch717. Die weiteren Zusammenhänge der vorgenannten Instrumente werden als Bestimmungsgründe des Verhältnisses von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik in einem eigenen Kapitel718 dargestellt. Als weiteres präventives Instrument der Zentralbank hat sich in den vergangenen Jahren die Publikation von Finanzstabilitätsberichten herausgebildet. Finanz709

Vgl. A. Crockett, The Theory and Practice of Financial Stability, S. 531 (549). Vgl. W. Möschel, Too big to fail, S. 24 (26). 711 Vgl. ebd. 712 Vgl. C. Borio/C. Furfine/P. Lowe, Procyclicality of the financial system and financial stability: issues and policy options, S. 1 (47 f.). 713 H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 175 f. 714 Vgl. M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215 (226 ff.). 715 Vgl. M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215 (230 ff.); L. Hunter, The relationship between monetary and financial stability, S. 33 (35). 716 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 241 f. 717 Vgl. L. Hunter, The relationship between monetary and financial stability, S. 33 (35). 718 Siehe Kapitel D.II. 710

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

stabilitätsberichte sind Publikationen von Akteuren der Finanzstabilitätspolitik zur finanzstabilitätspolitischen Lage einer Volkswirtschaft oder größerer Wirtschaftsräume719. Die meisten Zentralbanken, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der Internationale Währungsfonds und die Weltbank haben mittlerweile Finanzstabilitätsberichte veröffentlicht, viele publizieren Finanzstabilitätsberichte in regelmäßigen Abständen720. Finanzstabilitätsberichte sollen den Finanzwirtschaftsakteuren Informationen liefern, Warnungen und Empfehlungen aussprechen und Zusammenhänge erklären721. Finanzmarktteilnehmer sollen über die kollektiven Folgen ihres individuellen Handelns aufgeklärt werden722. Die Berichte beinhalten Aufsätze und Studien zu finanzstabilitätspolitischen Themen wie Geldpolitik, Bankenaufsicht sowie mikro- und makroprudentielle Analysen des Finanzsystems723. An bisherigen Publikationen von Finanzstabilitätsberichten wird kritisiert, dass ihnen oftmals die Deutlichkeit in den Schlussfolgerungen fehle, um ausreichend finanzstabilitätspolitischen Einfluss auszuüben, und dass die zeitliche Ausrichtung zukunftsorientierter werden müsse724. Es kann einer ökonometrischen Studie zufolge bisher empirisch kein unmittelbar positiver Zusammenhang zwischen der Veröffentlichung von Finanzstabilitätsberichten und der Finanzstabilität nachgewiesen werden725. ee) Bilanzierungsgrundsätze Der zyklische Charakter der Finanzwirtschaft wird dadurch deutlich, dass häufig (befördert durch Rechnungslegungs- und Bewertungsprinzipien) davon ausgegangen wird, dass sich Risiken in Aufschwungphasen verringern und sich im rezessiven Umfeld vergrößern726. Bilanziell betrachtet mag dies zutreffen, aber finanzstabilitätspolitisch dürfte das Gegenteil zutreffen727. Entscheidenden Einfluss auf die Finanzstabilitätspolitik hat die Durchsetzung der angelsächsischen Bilanzierungs- und Rechnungsvorschriften (insbesondere die International Finan-

719

Vgl. M. Cihak, How Do Central Banks Write on Financial Stability?, S. 5 f. A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 3; M. Cihak, How Do Central Banks Write on Financial Stability?, S. 6. 721 M. Cihak, How Do Central Banks Write on Financial Stability?, S. 16. 722 Ebd. 723 Vgl. M. Cihak/S. Munoz/S. Teh Sharifuddin/K. Tintchev, Financial Stability Reports: What Are They Good For?, S. 22. 724 M. Cihak/S. Munoz/S. Teh Sharifuddin/K. Tintchev, Financial Stability Reports: What Are They Good For?, S. 33. 725 M. Cihak/S. Munoz/S. Teh Sharifuddin/K. Tintchev, Financial Stability Reports: What Are They Good For?, S. 30. 726 A. Crockett, Marrying the micro- and macro-prudential dimensions of financial stability, S. 5. 727 Ebd. 720

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

125

cial Reporting Standards), welchen das Marktpreisprinzip zugrunde liegt, ausgeübt728. Im Gegensatz zum konservativeren Niederstwertprinzip, welches sich am Vorsichtsprinzip orientiert und vom Anschaffungspreis und Marktpreis den niedrigeren Wert ansetzt729, ist das Marktpreisprinzip prozyklisch, da sich Marktpreissteigerungen unmittelbar in den Bilanzen widerspiegeln und zu Scheinprofiten führen, die zur Risikoausweitung verleiten können730. Dagegen kann die unmittelbare Übertragung von Marktpreisverlusten in die Bilanzen zu einer Verstärkung von Ansteckungsprozessen und zu einer Beschleunigung des Preisverfalls beitragen731. Den Marktpreisen wird auf diese Weise eine übermäßige Bedeutung beigemessen. Eigentlich sollte der Marktansatz Wirtschaftsabläufe durch Bewertungskorrekturen effizienter machen, aber die Finanzstabilität wird dadurch womöglich geschwächt, da die Bilanzen ebenso volatil werden wie die Marktpreise von Vermögensgütern. ff) Finanzstabilitätsanalyse Ein spezifisch finanzstabilitätspolitisches Instrument bietet zudem die Finanzstabilitätsanalyse (financial stability monitoring)732. Dabei handelt es sich um metrische Verfahren, mit deren Hilfe der Zustand der Stabilität des gesamten Finanzsystems beurteilt werden soll733. Die Finanzstabilitätsanalyse verbindet Marktpreise mit Daten zu Marktrisiken und zum Verhalten von Finanzmarktteilnehmern und betrachtet insbesondere die Ansteckungskanäle zwischen Finanzund Realwirtschaft734. Der Zweck der Finanzstabilitätsüberwachung besteht darin, finanzstabilitätspolitischen Akteuren Analysen über systemische Risiken zu liefern, die diese dann in konkrete finanzstabilitätspolitische Maßnahmen umsetzen735. Beispielsweise können die Aufsichtsbehörden die Analysen zur Überprüfung ihrer Eigenkapitalanforderungen verwenden und die Zentralbank kann die Analysen zur Steuerung des geldpolitischen Transmissionsprozesses einsetzen736. Welche Analysemethoden die finanzstabilitätspolitischen Entscheidungsträger einsetzen sollten, ist nach wie vor sehr umstritten737. Zumeist sind die Finanzsta-

728 729 730 731 732 733 734 735 736 737

H. Tietmeyer, Währungs- und Finanzmarktstabilität als Aufgabe, S. 15. Gem. § 253 HGB; vgl. außerdem H.-W. Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 309. Vgl. H. Tietmeyer, Währungs- und Finanzmarktstabilität als Aufgabe, S. 15. H. Tietmeyer, Währungs- und Finanzmarktstabilität als Aufgabe, S. 15. Vgl. T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 41. T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 41. T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 3. Vgl. T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 41 f. T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 41 f. Vgl. G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 3.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

bilitätsanalysen quantitativ ausgerichtet, so dass in einer Zusammenschau mehrere Indikatoren dauerhaft und systematisch beobachtet werden738. Im Gegensatz zu sonstigen makroökonomischen Überwachungsverfahren behandelt die Finanzstabilitätsanalyse aber nicht nur Marktpreise zur Modellierung gesamtwirtschaftlicher Aktivität739. Makroökonomische Überwachungsverfahren stellen die Dynamik der Finanzmärkte nicht ausreichend in den Mittelpunkt, um aus ihnen valide Aussagen über die Finanzstabilität ableiten zu können740. Die bekanntesten Gruppen von Instrumenten zur Finanzstabilitätsüberwachung umfassen makroprudentielle Finanzstabilitätsindikatoren741 (financial soundness indicators), Frühwarnsysteme und Stresstests742. (1) Finanzstabilitätsindikatoren Finanzstabilitätsindikatoren reflektieren die finanzielle Stabilität von Finanzunternehmen und sonstigen Finanzwirtschaftsakteuren einer Volkswirtschaft743. Sie umfassen sowohl aggregierte Daten von einzelnen Marktteilnehmern als auch gesamtmarktbezogene Daten744. Derzeit konzentrieren sich die meisten Finanzstabilitätsanalysen auf „wenige Schlüsselindikatoren“ 745. Die einfachsten Finanzstabilitätsindikatoren stellen einzelne oder zusammengefasste Bilanzkennzahlen von Finanzunternehmen oder anderen Finanzwirtschaftsakteuren – wie insbesondere Eigenkapital, notleidende Kredite oder Kreditausfallrückstellungen – dar746. Daneben werden beispielsweise auch Aktien- und Immobilienpreise, Eigenkapitalrenditen, Ratingentwicklungen747, privatwirtschaftliche Kreditvolumina, Anteil notleidender Kredite am Gesamtkreditvolumen, die durchschnittliche Haushaltsverschuldung, Bruttoinlandsprodukte, Zinssätze, Geldmengen, Leistungsbi738 A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 6; vgl. M. A. Morales/D. Estrada, A financial stability index for Colombia, S. 555 (556). 739 T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 41. 740 Vgl. T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 3. 741 EZB, Financial Stability Review June 2005, S. 126. 742 G. J. Schinasi, Preserving Financial Stability, S. 9; D. Zapodeanu/M.-I. Cociuba, Financial Soundness Indicators, S. 365 (368). 743 R. Heath, Real estate prices as financial soundness indicators, S. 6 (6). 744 Ebd. 745 B. Gadanecz/K. Jayaram, Measures of financial stability – a review, S. 365 (365). 746 C. Borio/M. Drehmann, Towards an operational framework for financial stability, S. 12. 747 Auch aus der Entwicklung privater Ratings sollen Aussagen über die Finanzstabilität ableitbar sein, vgl. M. Cihak, How Do Central Banks Write on Financial Stability?, S. 30. Ratings messen das Illiquiditätsrisiko von Finanzmarktteilnehmern und führen dafür Einzelindikatoren zu einer einzigen Kennzahl zusammen. Jedoch behandeln sie jeweils nur singulär Finanzwirtschaftsakteure, ohne dass sie Korrelationen durch finanzstabilitätsbedingte Verbindungen ausreichend berücksichtigen würden, vgl. C. Borio/ M. Drehmann, Towards an operational framework for financial stability, S. 13.

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

127

lanzsalden, Fremdwährungsschulden, Inflationsraten und Staatsdefizite als Finanzstabilitätsindikatoren verwendet748. Häufig werden zur Bildung quantitativer Indikatoren auch Kennzahlen zueinander ins Verhältnis gesetzt (beispielsweise das Maß der privaten Unternehmensverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt)749. In der Regel werden dabei die ermittelten aktuellen Werte zur Beurteilung der finanzstabilitätspolitischen Lage mit historischen Werten – vornehmlich mit solchen aus Zeiten finanzieller Instabilität – verglichen750. Durch die Zusammenfassung von Einzelvariablen entstehen aggregierte Einzelindizes wie der Financial Stability Index des Internationalen Währungsfonds751. Solche kombinierten Indikatoren fassen eine Reihe von Variablen zu einem einzigen Gesamtindikator numerisch zusammen752. Der Finanzstabilitätsindex legt Komponenten aus dem Kreditwesen, den Wertpapiermärkten und Wechselkursen zugrunde753. Auch finanzstabilitätspolitische Indizes verwenden häufig marktbasierte Indikatoren, weil davon ausgegangen wird, dass die Finanzmarktteilnehmer ihre Erwartungen einpreisen754. Aus Marktpreisen sollen deshalb Aussagen über die zukünftige Entwicklung von Vermögenswertmärkten abgeleitet werden. Letztlich sollen mithilfe von marktbasierten Indikatoren Marktpreise hinterfragt werden, um zu bestimmen, ob die Preise und die sie begründenden Erwartungen (mittelbis langfristig) gerechtfertigt sind755. Es ist generell schwierig zu beurteilen, ob Marktpreisänderungen begründet sind756. Marktpreise sind allein deshalb begründet, weil zu diesen Preisen zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich Geschäfte abgeschlossen werden. Die Vorstellung von finanzstabilitätspolitisch vertretbaren Preisen beruht auf mechanistischen Gleichgewichtsparadigmen vom Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage. Das Problem sind nicht die übertriebenen Preise, sondern die Konsequenzen, die Finanzwirtschaftsakteure aus den Preisen ziehen, indem sie die volatilen Marktpreise ihrer Geschäftstätigkeit als Maßstab zugrunde legen 748 J. Gali, The monetary pillar and the great financial crisis, S. 74 (88 f.); B. Gadanecz/K. Jayaram, Measures of financial stability – a review, S. 365 (366 f.); vgl. Aufzählung bei D. Zapodeanu/M.-I. Cociuba, Financial Soundness Indicators, S. 365 (371) und A. San Jose/A. Georgiou, Financial soundness indicators, S. 277 (279). 749 Vgl. Bank of England, Instruments of macroprudential policy, S. 32. 750 J. Caruana, Measuring Systemic Risk, S. 215 (219). 751 J. Baxa/R. Horvath/B. Vasicek, Time-varying monetary-policy rules and financial stress, S. 117 (119 f.). 752 J. Caruana, Measuring Systemic Risk, S. 215 (218). 753 J. Baxa/R. Horvath/B. Vasicek, Time-varying monetary-policy rules and financial stress, S. 117 (120). 754 M. Cihak, How Do Central Banks Write on Financial Stability?, S. 29. 755 T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 22. 756 Ebd.

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

oder durch den Kauf von überteuerten Vermögenswerten Kapital aufs Spiel setzen. (2) Frühwarnsysteme Zahlreiche empirische Studien behandeln Frühwarnsysteme, die auf konventionellen stochastischen Modellierungsmethoden aufbauen757. Frühwarnsysteme sollen rechtzeitig Finanzinstabilitäten aufdecken758, indem verschiedene Indikatoren gewichtet und miteinander verbunden werden759. Als stochastische Modelle erlauben sie Wahrscheinlichkeitsprognosen über den Eintritt von finanziellen Instabilitäten, ermöglichen aber keine Aussage über das Ausmaß des drohenden Schadens und seiner Kosten760. Der von ihnen erfasste Zeitraum in die Zukunft ist häufig zu kurz, um den finanzstabilitätspolitischen Reaktionszeiträumen genügen zu können761. Zudem können Wahrscheinlichkeitsprognosen und Risikoberechnungsmethoden nicht zur Analyse von unsicheren und seltenen (oder einmaligen) Ereignissen herangezogen werden762. Diese Ereignisse763 zeichnet ein unberechenbares Risiko aus (Knight’sche Unsicherheit), da sie nicht oder nur sehr eingeschränkt mit historischen Erfahrungen und Kausalzusammenhängen vergleichbar sind764. Deshalb kann nicht einmal unter der (paradoxen) Annahme, dass alle bekannten Finanzstabilitätsrisiken berechenbar sind, davon ausgegangen werden, dass die angestellten Risikoberechnungen umfassend sind, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass es vollkommen unbekannte, bisher noch nicht in Erscheinung getretene Risiken gibt765. Ein standardmäßiges Frühwarnsystem zur Bestimmung von multiplen Risikoarten ist das Value at Risk-Maß766. Dabei handelt es sich um ein stochastisches 757

P. Sarlin/T. A. Peltonen, Mapping the State of Financial Stability, S. 5. C. Borio/M. Drehmann, Towards an operational framework for financial stability, S. 15 f. 759 Vgl. G. J. Schinasi, Preserving Financial Stability, S. 10. 760 C. Borio/M. Drehmann, Towards an operational framework for financial stability, S. 16. 761 Ebd. 762 Vgl. P. Davis, Towards a typology for systemic financial instability, S. 3 f. 763 Anders als Prognosen, die stochastische Erwartungen zugrunde legen, sollen mithilfe von Abwärtsszenarien die Folgen von eher unwahrscheinlichen schädlichen Ereignissen analysiert werden können, vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2012, S. 5. 764 Vgl. P. Davis, Towards a typology for systemic financial instability, S. 3 f.; G. J. Schinasi, Defining Financial Stability, S. 12. 765 Vgl. A. Dombret, Criteria for Financial Stability, S. 27 (35 f.). 766 W. Blaschke/M. T. Jones/G. Majnoni/S. Martinez Peria, Stress Testing of Financial Systems, S. 36. 758

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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Maß, das den größten anzunehmenden Verlust abbildet, den ein Portfolio mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erleiden wird767. Das Maß schafft es aber nicht, die Folgen von unwahrscheinlichen Ereignissen wie Finanzkrisen abzubilden. Deshalb bildet es nur Szenarien ab, die Stabilitätserwartungen zugrunde legen, so dass eigentlich nicht der wirklich größte anzunehmende Verlust bestimmt wird, sondern nur derjenige unter Ausklammerung einer systemischen Krise768. Value at Risk-Berechnungen werden aber in der Regel zusätzlich zu Stresstests angestellt, da sie Risiken unter normalen gesamtwirtschaftlichen Umständen betrachten, während Stresstests sich auf extreme Szenarien kaprizieren769. (3) Stresstests Aggregierte institutsübergreifende Indikatoren in der Form von Frühwarnsystemen haben den Nachteil, dass sie nicht ausreichend idiosynkratische Risiken einzelner Kreditinstitute verdeutlichen. Um solche Klumpenrisiken aufzudecken, müssen zusätzlich zu makroprudentiellen Analysen wie den Finanzstabilitätsindikatoren die größeren Kreditinstitute individuellen Stresstests unterzogen werden770. Makroprudentielle Stresstests sind im Vergleich zu mikroprudentiellen, die Verlustrisiken einzelner Portfolios oder Kreditinstitute bestimmen, eher (noch) unterentwickelt771. Solche makroprudentiellen Stresstests sind trotzdem mittlerweile zu einem wichtigen Instrument der Finanzstabilitätspolitik zur Analyse von systemischen Risiken und deren Folgen geworden772. Der Begriff des Stresstests umfasst eine Reihe von Analysemethoden zur Bestimmung von Schadensgefahren, die von möglichen finanziellen Instabilitäten ausgehen773. Durch Stresstest sollen Verlustrisiken von Portfolios durch atypische Marktverläufe abgebildet werden774. Das methodische Konzept von Stresstests stammt aus den Ingenieurswissenschaften, wo mechanische Systeme Belastungstest unterzogen werden, um Schwachstellen zu offenbaren775. Im Rahmen der Finanzstabilitätspolitik finden die Belastungstests dagegen nur theoretisch 767

Ebd. W. Blaschke/M. T. Jones/G. Majnoni/S. Martinez Peria, Stress Testing of cial Systems, S. 37. 769 M. Cihak, How Do Central Banks Write on Financial Stability?, S. 31. 770 B. Sahel/J. Vesala, Financial stability analysis using aggregated data, (182); vgl. IWF, Financial Soundness Indicators, S. 30 f. 771 Vgl. C. Borio/I. Shim, What can (macro-)prudential policy do to support tary policy?, S. 6. 772 W. Blaschke/M. T. Jones/G. Majnoni/S. Martinez Peria, Stress Testing of cial Systems, S. 8 f. 773 W. Blaschke/M. T. Jones/G. Majnoni/S. Martinez Peria, Stress Testing of cial Systems, S. 4. 774 Ebd. 775 J. Caruana, Measuring Systemic Risk, S. 215 (226). 768

Finan-

S. 160 moneFinanFinan-

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

statt, indem der Einfluss bestimmter Belastungsszenarien auf die Bilanzen von Finanzwirtschaftsakteuren überprüft wird776. Stresstests stellen zukunftsorientierte Analysen der Transmission von Schocks im Finanzsystem dar777, denn sie sollen spekulative Belastungsfaktoren simulieren, um deren Wirkung auszutesten778. Meistens werden Stresstests zur Folgenbestimmung von Marktrisiken für Einzelportfolios angewendet, können aber auch zusammengefasst für eine Menge von Portfolios oder Kreditinstituten und auch für andere Risiken – wie Kredit-, Zins-, Fremdwährungs- oder Liquiditätsrisiken – stattfinden779. Die Bankenaufsicht überprüft mithilfe von Stresstests, ob die großen Banken genügend Eigenkapital bereithalten, um auch in einer schwachen gesamtwirtschaftlichen Lage bestehen zu können780. Es gibt verschiedene systematische Ansätze für Stresstests mit unterschiedlichen Konfigurierungen und Kalibrierungen781. Die meisten Stresstests basieren auf Hochfrequenzdaten, wobei unterschiedliche Daten und Aggregierungsmethoden verwendet werden782. Beim Design der Stresstests muss zudem bestimmt werden, ob historisch fundierte, hypothetische oder Monte Carlo-Simulationen angewendet werden783. Überdies wird festgelegt, welche Arten von Schocks welche Vermögensgüterklassen über welchen Zeitraum hinweg betreffen784. Daran erkennt man, was für einen wesentlichen Anteil die Auswahl der Konfigurierungs- und Kalibrierungsparameter auf das Ergebnis des Stresstests hat. Jedoch können auch Stresstests die Übertragung der Stressfaktoren zwischen den Finanzwirtschaftsakteuren nicht verdeutlichen785. Zudem schaffen sie es nicht, Rückkopplungseffekte zwischen der Realwirtschaft und der Finanzwirtschaft abzubilden und auch nicht die Umstände, unter denen bloß kleine Schocks über eine Kettenreaktion das gesamte Finanzsystem gefährden786. Stresstests un776

Ebd. Committee on the Global Financial System, Macroprudential instruments and frameworks: a stocktaking of issues and experiences, S. 18. 778 D. Zapodeanu/M.-I. Cociuba, Financial Soundness Indicators, S. 365 (368). 779 W. Blaschke/M. T. Jones/G. Majnoni/S. Martinez Peria, Stress Testing of Financial Systems, S. 4. 780 T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 13. 781 W. Blaschke/M. T. Jones/G. Majnoni/S. Martinez Peria, Stress Testing of Financial Systems, S. 11. 782 J. Baxa/R. Horvath/B. Vasicek, Time-varying monetary-policy rules and financial stress, S. 117 (119). 783 W. Blaschke/M. T. Jones/G. Majnoni/S. Martinez Peria, Stress Testing of Financial Systems, S. 11. 784 Ebd. 785 C. Freedman/C. Goodlet, Financial Stability, S. 9. 786 Committee on the Global Financial System, Macroprudential instruments and frameworks: a stocktaking of issues and experiences, S. 18 (m.w. N.). 777

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

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terschätzen tendenziell die Wahrscheinlichkeit und die Folgen von Liquiditätsschwund, wenn sich Investoren panikartig aus einem Markt zurückziehen787. (4) Analytische Grenzen Der Aufbau eines belastbaren Instrumentariums zur Analyse der Finanzstabilität gestaltet sich vor allem deshalb schwierig, weil „es für den Zustand der Finanzstabilität keine einfache oder gar quantifizierbare Zielvariable, also keinen ,Index der Finanzstabilität‘ gibt“ wie beispielsweise in der Geldpolitik mit der Inflationsrate788. Makroprudentielle Analysen sollten auch nicht nur aggregierte Daten auswerten und beurteilen, denn Durchschnittswerte weisen nicht oder nur kaum auf Instabilitäten hin, die nur von wenigen Instituten ausgehen789. Mikround makroprudentielle Indikatoren müssen deshalb kombiniert angewendet werden790. Die bisher zur Verfügung stehenden Methoden der Finanzstabilitätsanalyse sind (noch) unausgereift; es gibt noch keinen allgemein akzeptierten Kanon von Methoden und Indikatoren, um die Finanzstabilität verlässlich beurteilen zu können791. Die klassische Ökonomie bietet vergleichsweise wenige Analysen über die Ursachen und Folgen von Finanzinstabilität, da sie sich eher mit den Wirkzusammenhängen beschäftigt, die Marktgleichgewichte hervorrufen, anstatt diejenigen Wirkzusammenhänge zu behandeln, die Ungleichgewichte verursachen792. Quantitative Bestimmungen von Finanzstabilitätsrisiken sind überhaupt nur eingeschränkt möglich. Es ist schon schwierig, das Ausfallrisiko eines einzelnen Finanzwirtschaftsakteurs und dessen Veränderungen über die Zeit hinweg zu bestimmen, aber zur Analyse der Finanzstabilität müssen daneben auch noch die Korrelationen zwischen den Ausfallrisiken einer Vielzahl von Finanzwirtschaftsakteuren bestimmt werden793. Die wirtschaftliche Realität ist aufgrund von zahlreichen Abhängigkeiten und Interaktionen zu komplex, als dass quantitative Be-

787

W. Blaschke/M. T. Jones/G. Majnoni/S. Martinez Peria, Stress Testing of Financial Systems, S. 9. 788 A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 6; vgl. A. Houben/J. Kakes/ G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 12; M. A. Morales/D. Estrada, A financial stability index for Colombia, S. 555 (569). 789 T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 30. 790 F. De Graeve/T. Kick/M. Koetter, Monetary policy and financial (in)stability, S. 205 (207). 791 EZB, Financial Stability Review June 2005, S. 117. 792 A. Crockett, The Theory and Practice of Financial Stability, S. 531 (531). 793 Vgl. C. Borio/C. Furfine/P. Lowe, Procyclicality of the financial system and financial stability: issues and policy options, S. 1 (5).

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

rechnungen exakt sein könnten794; zumal Finanzkrisen komplexe Ereignisse sind, die durch nicht-lineare und nicht-normalverteilte Faktoren verursacht werden795. Die Indikatoren sind zudem (noch) nicht vorausschauend genug ausgestaltet796. Kurzfristig ausgerichtete Indikatoren mögen für Investoren ausreichen, für die Finanzstabilitätspolitik genügen sie nicht, weil sie bei der Reaktion auf auftretende Instabilitäten Wirkungsverzögerungen einplanen muss797. Zudem gibt es in der Regel Schwierigkeiten mit der Verfügbarkeit und Aktualität der erforderlichen Daten798. Ein „extremer Fokus auf Vorhersagen“ kann entgegen aller Absicht destabilisieren, weil Vorhersagen ökonomischer Entwicklungen von Konjunkturverläufen oder anderen Parametern nicht belastbar angestellt werden können799. Im Bestreben um die Messung von Risiken kommt das Bemühen um wissenschaftliche Reflexion der zur Finanzkrise führenden Kausalverläufe zum Ausdruck. Jedoch lässt selbst eine treffende Reflexion eines einzelnen historischen Kausalverlaufs nicht auf alle weiteren Kausalverläufe schließen, weil sich die Zusammenhänge kontinuierlich verändern800. Deshalb „existiert auch keine scharfe, mittels Indikatoren zu quantifizierende Grenze zwischen stabil und instabil“ 801. Finanzielle Instabilitäten können sich auch in Bereichen herausbilden, „die bisher durch keinen adäquaten Indikator erfasst werden“ 802. b) Reaktive Instrumente Reaktive finanzstabilitätspolitische Instrumente kommen zum Einsatz, wenn sich eine Finanzinstabilität herausgebildet hat. Solange sich die Finanzinstabilität noch nicht als eine Finanzkrise materialisiert, sind Instrumente zur Eindämmung der Finanzinstabilität angezeigt. Dagegen können nach Eintritt einer Finanzkrise finanzstabilitätspolitische Instrumente zum einen versuchen, bisher noch nicht

794 Vgl. C. Borio/C. Furfine/P. Lowe, Procyclicality of the financial system and financial stability: issues and policy options, S. 1 (5); B. Gadanecz/K. Jayaram, Measures of financial stability – a review, S. 365 (365). 795 P. Sarlin/T. A. Peltonen, Mapping the State of Financial Stability, S. 6 (m.w. N.); A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 12 f. 796 Vgl. C. Borio/I. Shim, What can (macro-)prudential policy do to support monetary policy?, S. 6 ff. 797 Vgl. ebd. 798 A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 7. 799 A. Crockett, Marrying the micro- and macro-prudential dimensions of financial stability, S. 8. 800 Vgl. Kapitel C.III.2.d). 801 A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 6. 802 A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 7.

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betroffene Teile des Finanzsystems durch Eindämmung der Finanzkrise zu schützen, und zum anderen können sie versuchen, für Abhilfe zu sorgen. aa) Instrumente zur Eindämmung der finanziellen Instabilität Es gibt eine Reihe von Instrumenten zur Eindämmung finanzieller Instabilitäten. Diese weisen starke Bezüge zur Geldpolitik und zur Fiskalpolitik auf, was Kompetenzkonflikte zwischen verschiedenen politischen Akteuren – insbesondere auch für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank – verursachen kann. (1) Instrumente der Zentralbank zur Eindämmung Die wirkungsvollsten Instrumente zur Eindämmung der Finanzinstabilität befinden sich in den Händen der Zentralbank. Über die Endlagerinstrumente kann die Zentralbank Finanzwirtschaftsakteuren finanziell destabilisierende Verluste abnehmen und Kreditinstituten über Lender of Last Resort-Operationen Notfallliquidität verschaffen, auch wenn ihnen die erforderlichen Sicherheiten dafür fehlen803. Die Zentralbank verfügt zudem über weitere Instrumente, mit denen sie Einfluss auf die Ausbreitung von finanziellen Instabilitäten nehmen kann. Beispielsweise könnte sie – als Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit804 – über Kapitalverkehrskontrollen den Abfluss von Geldmitteln aus dem Inland zwangsweise verhindern805. Die reaktiven Instrumente der Zentralbank zur Eindämmung sind wesentlich für das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik 806. (2) Instrumente des Fiskus zur Eindämmung Der Fiskus verfügt ebenfalls über Instrumente zur Eindämmung finanzieller Instabilitäten. Beispielsweise kann der Fiskus Mittel bereitstellen, um Banken zu sanieren, abzuwickeln oder zu verstaatlichen. Die aufgezählten Instrumente und deren Wirkungen sind daher ebenfalls wesentliche Bestimmungsgründe des Verhältnisses von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik 807. Durch eine Sanierung soll verhindert werden, dass die Vermögenswerte der Bank liquidiert werden müssen und dadurch der wirtschaftliche Schaden (noch) 803

Vgl. Kapitel E.I.2.b). Gem. Art. 63 Abs. 1 AEUV. 805 Die ökonomischen Konsequenzen von Kapitalverkehrskontrollen sind umstritten, weil sie stark von der Struktur des Finanzsystems und der Art der Verflechtungen mit dem Ausland abhängen, s. R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 61. 806 Vgl. Kapitel D.II. 807 Vgl. Kapitel D.III. 804

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

größer wird808. Der Fiskus hat die Möglichkeit zur Sanierung eines Kreditinstituts durch Garantieübernahmen809, Rekapitalisierungen810 und Risikoübernahmen811 die Liquiditäts- und Eigenkapitalschwierigkeiten der Kreditinstitute einzudämmen812. Mithilfe von Garantieübernahmen sollen die Refinanzierungskosten des Begünstigten gesenkt und das verlorene Vertrauen auf dem Interbankenmarkt wiederhergestellt werden813. Auch die finanzstabilitätspolitischen Bekundungen, für die Spareinlagen den Fiskus haften lassen zu wollen, sollen das Vertrauen der Einleger in das Finanzsystem erhalten, obwohl ein solches Versprechen ohne Beachtung des besonderen haushaltsrechtlichen Verfahrens814 nicht rechtsverbindlich wäre815. Die Rekapitalisierungsmaßnahmen sollen die Institute etwa durch Aktienerwerb oder stille Beteiligungen vor einer Überschuldung bewahren816. Außerdem können Risikopositionen übernommen werden, indem beispielsweise ausfallgefährdete Papiere zu einem die Ausfallgefahr nicht abbildenden Preis dem Institut abgekauft werden817. Zudem kann der Fiskus Teile von Kreditinstituten abwickeln, indem Vermögenswerte eines Kreditinstituts ausgegliedert und auf eine staatliche Brückenbank818 (Bad Bank) übertragen werden819. Auf diese Weise sollen die finanziell instabilen Teile von Banken vom übrigen stabilen Teil des Finanzsystems isoliert werden. Die staatlichen Abwicklungsanstalten übernehmen dabei die Risikopositionen insolvenzgefährdeter Kreditinstitute gegen Zahlung eines (das Ausfallrisiko nicht abbildenden) hohen Preises und verwerten die übernommenen Vermögenswerte820. In Zeiten einer Finanzkrise bleibt dieses Instrument aber möglicherweise ineffektiv, weil es einen enormen (Verwaltungs-)Aufwand erfordert, der kaum zu leisten sein dürfte, wenn mehrere Kreditinstitute von der systemischen Krise betroffen wären821. Die Übertragung eines gesamten Kreditinstituts 808

Vgl. J.-P. Landau, A Paradigm Shift: Resolution of Banks, S. 310 (311). Vgl. § 6 FMStFG. 810 Vgl. § 7 FMStFG. 811 Vgl. § 8 FMStFG. 812 M. Günther, Bad Banks, S. 137. 813 M. Günther, Bad Banks, S. 137 f. 814 Verfahren nach Art. 115 Abs. 1 GG. 815 M. Günther, Bad Banks, S. 138. 816 M. Günther, Bad Banks, S. 139. 817 M. Günther, Bad Banks, S. 140. 818 Wird die Brückenbank als Kreditinstitut i. S. d. § 1 Abs. 1 KWG ausgestaltet, ist es auch zur Eigenkapitalunterlegung verpflichtet nach § 10 KWG i.V. m. der SolvV. Dieses Ergebnis könnte möglicherweise durch eine Ausgestaltung als Zweckgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 26 KWG umgangen werden (H. Joebges/A. Krieger, Bad Bank, Ausgleichsforderungen und Kreditversicherungen, S. 6). 819 Vgl. §§ 48a ff. KWG. 820 M. Günther, Bad Banks, S. 399. 821 M. Günther, Bad Banks, S. 136 f. 809

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oder großer systemgefährdender Teile auf eine Brückenbank wäre zu komplex, um im knappen Zeitrahmen einer Finanzkrise die Gefahren eindämmen zu können822. Als schärfstes Instrument kann ein instabiles Kreditinstituts oder ein Teil eines Instituts auch verstaatlicht werden. Bei der Verstaatlichung eines Kreditinstituts zur Abwendung der Insolvenz soll die Zahlungsfähigkeit und Solvenz – also die Bonität – des Fiskus auf ein Kreditinstitut übertragen werden, um die Wertverluste einer Liquidierung zu vermeiden. Die allgemeine Verstaatlichung der Finanzunternehmen oder zumindest der Banken würde gegen das Marktlichkeitsprinzip verstoßen823. Aber auch die anderen angeführten Instrumente des Fiskus greifen massiv in die Freiheit des Wettbewerbs ein824. Auch wenn mittlerweile privat finanzierte Abwicklungsfonds eingerichtet werden (sollen)825, handelt es sich bei den Garantieübernahmen, Eigenkapitalspritzen, Risikoübernahmen, Abwicklungsmaßnahmen und der Verstaatlichung von Kreditinstituten um fiskalpolitische Maßnahmen mit erheblichen Kosten und Risiken für den Haushalt. Die finanzstabilitätspolitischen Maßnahmen können einen Staat fiskalisch destabilisieren und es dem Fiskus wegen hoher Zinsforderungen faktisch unmöglich machen, sich auf dem Finanzmarkt zu finanzieren826. Von einer Fiskalkrise bedrohte Staaten sind dann auf die Finanzierung durch die Zentralbank oder durch andere Staaten angewiesen. Auf internationaler Ebene werden – vor allem durch den Internationalen Währungsfonds827 – Hilfskredite zur Abwendung von fiskalischen Krisen unter Auflagen und Bedingungen gegeben828. (3) Instrumente der Finanzaufsicht zur Eindämmung In Deutschland kann die Bankenaufsichtsbehörde Maßnahmen gegenüber finanzstabilitätsgefährdenden Kreditinstituten anordnen und durchsetzen829. Zu 822

M. Günther, Bad Banks, S. 137. Vgl. W. Möschel, Too big to fail, S. 24 (27). 824 Vgl. W. Möschel, Too big to fail, S. 24 (24 f.). 825 Vgl. in Deutschland das Restrukturierungsfondsgesetz. In der EU soll ein Abwicklungsfonds als Teil der zweiten Säule der Bankenunion durch die „Verordnung zu einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus einschließlich eines europäischen Abwicklungsfonds“ (Single Resolution Mechanism, SRM) errichtet werden. Die oben angeführten Instrumente zur Eindämmung sollen nicht mehr (nur) vom Fiskus finanziert werden, sondern durch Beiträge von Kreditinstituten zum Abwicklungsfonds, s. A. Glos/G. Schuster/M. Raffan/P. Goutay/R. Lener/R. ten Have, Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus, S. 1 f. sowie Europäische Kommission, Statement 14/77 vom 20.03.2014. 826 Vgl. Kapitel D.III.3.c)aa). 827 Vgl. D. Folkerts-Landau/C.-J. Lindgren, Toward a Framework for Financial Stability, S. 4. 828 Vgl. Kapitel D.III.4.b)bb)(2). 829 Gem. §§ 48a ff. KWG. 823

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C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

diesem Zwecke können insbesondere Anordnungen zur Übertragung des Vermögens eines Kreditinstituts auf einen übernehmenden Rechtsträger im Wege der Ausgliederung erfolgen830, so dass entweder der ausgegliederte oder der verbleibende Teil zu einer Bad Bank wird831. Die Kreditinstitute haben Sanierungs- und Abwicklungspläne zu entwickeln, um entsprechende Maßnahmen zur Eindämmung finanzieller Instabilitäten vorzubereiten832. Überdies kann die Bankenaufsichtsbehörde gegenüber allen oder einer Gruppe von Kreditinstituten besondere Solvabilitäts- und Liquiditätsmaßnahmen bestimmen, um makroprudentielle oder systemische Risiken zu begrenzen833. bb) Instrumente zur Abhilfe von finanzieller Instabilität Kommt es zu einer Finanzkrise, muss die Finanzstabilitätspolitik Maßnahmen zur Abhilfe treffen, um die ausgefallenen Funktionen des Finanzsystems zu ersetzen. Der Staat könnte den Ausfall wichtiger Kreditinstitute (teilweise) kompensieren, indem er die staatlichen Banken mit großen Liquiditätszuschüssen ausstattet, damit diese die Privatwirtschaft mit (Überbrückungs-)Krediten ausstattet, um die Kreditversorgung der Privatwirtschaft zu übernehmen und die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems wiederherzustellen. Denkbar wäre es außerdem, dass die Zentralbank den Zahlungsverkehr selbst übernimmt, indem der Giralgeldverkehr über Konten aller Finanzwirtschaftsakteure unmittelbar bei der Zentralbank abgewickelt wird. Weitere Maßnahmen zur Abhilfe würden privatwirtschaftliche und fiskalpolitische Schuldenschnitte darstellen. Auch eine Währungsreform könnte das Geldsystem gegebenenfalls auf eine neue, stabilere Grundlage stellen. c) Fehlanreize Die Instrumente der Finanzstabilitätspolitik haben die Kehrseite, die Anreize der Marktteilnehmer zum Selbstschutz zu unterminieren, weil die Marktteilnehmer Kosten sparen, wenn sie sich nicht selbst schützen müssen, obwohl dies wiederum die Anfälligkeit des Finanzsystems für Verwerfungen erhöht (moral hazard)834; denn die regulierenden Maßnahmen werden einzelwirtschaftlich als (zu minimierende) Kosten verstanden835.

830

Gem. § 48a Abs. 1 KWG. Vgl. Kapitel C.III.3.b)aa)(3). 832 Gem. §§ 47 ff. KWG. 833 Gem. § 48t KWG. 834 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (160 f.); vgl. F. S. Mishkin, The Causes and Propagation of Financial Instability, S. 55 (89). 835 H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 184. 831

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

137

Die privaten Finanzwirtschaftsakteure haben sogar Anreize zur Korrelierung von Risiken, da allgemein eingegangene Risikopositionen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, in den Genuss finanzstabilitätspolitischer Hilfsmaßnahmen zu kommen836. Demnach hat die Aussicht auf finanzstabilitätspolitische Nothilfe den finanzstabilitätspolitisch unerwünschten Effekt für private Finanzwirtschaftsakteure, dass diese ihre Risikopositionen auf ein für die Finanzstabilität gefährliches Niveau erhöhen wollen, um sich der Hilfe sicher sein zu können837. Es wird behauptet, dass (nur) ein schärferes, die Gläubigerrechte stärkendes Insolvenzrecht das Risikobewusstsein der Schuldner erhöhen und damit die Finanzstabilität befördern würde. Dies sei aber politisch nicht durchsetzbar, weil es die Risiko- und Investitionsbereitschaft und das Wirtschaftswachstum hemme838. d) Dauerhafte Finanzstabilität als Gefahr Der Erfolg der Finanzstabilitätspolitik lässt sich indes nur schwer beurteilen, weil die erfolgreiche Verhinderung einer Finanzkrise sich nicht nachvollziehen lässt839. Jedoch kann auch nicht jede Phase, in der es nicht zu einer Finanzkrise kommt, als finanzstabile Phase bezeichnet werden, da sich finanzielle Stabilitäten nicht immer materialisieren (müssen)840. Finanzkrisen können plötzlich auftreten, obwohl das Finanzsystem schon seit Jahren instabil gewesen ist, ohne dass die Finanzinstabilitäten deutlich hervorgetreten wären841. Nach länger andauernden Zeiten finanzieller Stabilität geht häufig das Bewusstsein für restriktive Finanzstabilitätspolitik verloren, denn die Finanzunternehmen üben regelmäßig politischen Druck aus, um von den regulativen Kosten befreit zu werden. Die empirische Verhaltensforschung lässt obendrein vermuten, dass Marktteilnehmer die Wahrscheinlichkeit von Krisen und deren Kosten tendenziell (bewusst fahrlässig) falsch einzuschätzen scheinen (Katastrophenblindheit)842. Zudem wird die Wahrscheinlichkeit von den üblichen statistischen Prognoseinstrumenten generell als geringer eingeschätzt, als sie tatsächlich (empirisch) eintreten843. Auf diese Weise könnte das Bewusstsein der politischen 836

IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 7. Vgl. D. Folkerts-Landau/C.-J. Lindgren, Toward a Framework for Financial Stability, S. 7. 838 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (160 f.). 839 Committee on the Global Financial System, Macroprudential instruments and frameworks: a stocktaking of issues and experiences, S. 6. 840 C. Borio/M. Drehmann, Towards an operational framework for financial stability, S. 9. 841 Ebd. 842 H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 165; A. Crockett, The Theory and Practice of Financial Stability, S. 531 (537 f.). 843 R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 12. 837

138

C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

Akteure für die Notwendigkeit finanzstabilitätspolitischer Prävention über die Dauer finanzstabiler Zeiten hinweg verlorengehen. e) Aushebelung präventiver Instrumente durch Abwanderung In Volkswirtschaften, in denen die Finanzwirtschaft einen erheblichen Teil der Wirtschaftsleistung ausmacht, wird von präventiven finanzstabilitätspolitischen Instrumenten tendenziell zurückhaltender Gebrauch gemacht844. Die Sorge um die eigene finanzwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und die Abwanderung der inländischen Finanzwirtschaftsakteure hindert die finanzstabilitätspolitischen Akteure daran, ihre präventiven instrumentellen Möglichkeiten einzusetzen845. Beispielsweise wurden die Solvabilitätsvorschriften vieler Staaten aufgeweicht846. Besonders kleine Volkswirtschaften locken mit finanzstabilitätspolitischer Freiheit, um sich eine Wettbewerbsposition zu verschaffen, die sie ohne diesen Standortvorteil nicht zu erreichen imstande wären847. Die Gewährung umfassender Freiheiten fällt ihnen nicht schwer, da sie die Konsequenzen von Finanzinstabilität kaum zu tragen hätten848. Finanzstabilitätspolitiker aus Staaten mit starker Realwirtschaft fordern zwar Maßnahmen gegen die Aushebelung der Regulierung849; aber in Zeiten umfassender Kapitalverkehrsfreiheit kann eine Abwanderung nicht verhindert werden, allenfalls kann die Beachtung der inländischen finanzstabilitätspolitischen Vorschriften zur Bedingung für eine Geschäftstätigkeit im Inland gemacht werden. Auf diese Weise würde aber auch nicht verhindert, dass finanzstabilitätsgefährdende Geschäfte im Ausland abgeschlossen werden, die auch das Finanzsystem im Inland gefährden können und damit die Effektivität der inländischen Finanzstabilitätspolitik aufheben850. 4. Akteure der Finanzstabilitätspolitik Alle Finanzwirtschaftsakteure sind (zumindest mittelbar) Akteure der Finanzstabilitätspolitik, weil deren finanzwirtschaftliches Handeln Einfluss auf die Finanzstabilität hat. Es sollen vor allem diejenigen Finanzwirtschaftsakteure her-

844

Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 60. Vgl. H. Gischer/B. Herz/L. Menkhoff, Geld, Kredit und Banken, S. 184; G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 37. 846 Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 139. 847 Vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 629 ff. 848 Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 66 f. 849 Vgl. Committee on the Global Financial System, Macroprudential instruments and frameworks: a stocktaking of issues and experiences, S. 6. 850 Vgl. ebd. 845

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

139

ausgestellt werden, deren Einfluss auf die Finanzstabilitätspolitik unmittelbarer ist851. a) Parlament In einem freiheitlichen Gemeinwesen trägt das Parlament die finanzstabilitätspolitische Verantwortung. Der Gesetzgeber hat die wesentlichen Fragen der Politik, dazu gehört die Finanzstabilität in der heutigen Zeit aufgrund ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung allemal, selbst zu regeln852. Die gravierenden Auswirkungen der Finanzstabilitätspolitik auf wirtschafts- und sozialpolitische Ziele machen es dem Gesetzgeber unmöglich, das finanzstabilitätspolitische Mandat (insgesamt) zu delegieren853. b) Zentralbank Die Zentralbanken erfüllen schon seit deren Gründungen finanzstabilitätspolitische Aufgaben854. Beispielsweise wurde die Federal Reserve im Jahre 1913 gegründet, um das Finanzsystem im Allgemeinen und die Zahlungsverkehrssysteme im Besonderen zu stabilisieren855. Vielen Zentralbanken wurde neben dem geldpolitischen auch explizit ein finanzstabilitätspolitisches Mandat – insbesondere zur Bankenaufsicht – übertragen856. Die besondere Bedeutung der Zentralbank rührt daher, dass die Zentralbank mit ihren Instrumenten nicht nur die Geldpolitik, sondern auch ganz wesentlich die Finanzstabilitätspolitik steuern kann857. Ferner verfügt die Zentralbank über Einsichten in makroökonomische Entwicklungen und den Zustand des Finanz851 Auch die zum Teil privaten Einlagensicherungsfonds nehmen eine finanzstabilitätspolitische Aufgabe wahr. In Deutschland wurde überdies 1974 die Liquiditäts-Konsortialbank GmbH geschaffen, um als eine Art Versicherungsinstanz der Kreditinstitute die Rolle eines Lender of Last Resort zu übernehmen. Die LiKo-Bank ist aber nicht mehr zeitgemäß, da ihre Leistungen wohl nicht mehr ausreichen, um heutigen Liquiditätsbedürfnissen im Krisenfall gerecht zu werden, s. S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 225. 852 Vgl. Kapitel E.II.3.b). 853 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (160 f.). 854 A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 3. 855 A. Houben/J. Kakes/G. Schinasi, Toward a Framework for Safeguarding Financial Stability, S. 3 (m.w. N.). 856 Der Bundesbank wurden durch § 1 Abs. 1 FinStabG neue finanzstabilitätspolitische Aufgaben übertragen. Demnach erstellt sie Finanzstabilitätsanalysen, schlägt dem Ausschuss für Finanzstabilität Warnungen und Empfehlungen vor und bewertet die Umsetzungsmaßnahmen. Die Bundesbank hat zu diesem Zwecke ein weitreichendes Auskunftsrecht über Wirtschafts- und Handelsdaten gegenüber Kreditinstituten gem. § 6 Abs. 1 FinStabG. 857 Vgl. Kapitel C.III.3.b)aa)(1); E.II.3.c).

140

C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

systems wie kein anderer Akteur858. Jedoch können die eher antizyklisch ausgerichteten geldpolitischen Ziele und die tendenziell prozyklisch wirkenden Aufsichtsvorschriften konfligieren; deshalb sollen nach einer Studie die Zentralbanken, die auch für die Bankenaufsicht ein Mandat ausüben, ihr Inflationsziel häufiger verfehlen, weil sie in ihren geldpolitischen Entscheidungen finanzstabilitätspolitische Ziele wie die Bankenstabilität mitberücksichtigen müssen859. Das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank bedarf daher einer besonderen Untersuchung860. Außerdem müssen die Wechselwirkungen eines finanzstabilitätspolitischen Mandats der Zentralbank und der Zentralbankunabhängigkeit bedacht werden861. Wegen der Erfordernisse des Demokratieprinzips kann die Zentralbankunabhängigkeit nicht auf den finanzstabilitätspolitischen Bereich erstreckt werden862. Die Zentralbank muss jedenfalls im Rahmen der Finanzstabilitätspolitik mit anderen Akteuren zur Koordinierung der Politiken zusammenarbeiten, was letztlich zu Kompromissen führen kann, die die geldpolitische Unabhängigkeit zu unterminieren drohen863. c) Akteure aus dem fiskalpolitischen Bereich Ferner tragen Akteure aus dem fiskalpolitischen Bereich zur Finanzstabilität bei. In Deutschland gibt es als weitere finanzstabilitätspolitische Akteure das Bundesministerium für Finanzen und die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung864, die den zur Bankenrettung geschaffenen865 Finanzmarktstabilisierungsfonds866 verwaltet. Dieser Fonds ist ein parafiskalisches Sondervermögen des Bundes, der Liquiditätsengpässe der Kreditinstitute und deren Eigenkapitalbasis stärken soll867. Im Rahmen der Eurozone ist außerdem der Europäische Stabilitätsmechanismus, der mittlerweile die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität abgelöst hat, 858

M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215

(241). 859 G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 64 f.; M. S. Copelovitch/D. A. Singer, Financial Regulation, Monetary Policy, and Inflation in the Industrialized World, S. 663 (677). 860 Vgl. Kapitel E. 861 Vgl. Kapitel E.II.3.c)bb). 862 Vgl. ebd. 863 Vgl. J. Caruana, The Great Financial Crisis: Lessons for the Design of Central Banks, S. 14 (19). 864 Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung wurde durch § 3a Abs. 1 S. 1 FMStFG (zunächst als Finanzmarktstabilisierungsanstalt) errichtet. 865 Auf Grundlage von § 1 FMStFG. 866 Oder auch Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin). 867 Nach § 2 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 FMStFG.

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

141

zu nennen. Der Europäische Stabilitätsmechanismus soll mithilfe von Krediten und Anleihekäufen Fisken oder Kreditinstitute aus dem gemeinsamen Währungsgebiet stabilisieren868. Auf internationaler Ebene vergeben auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank Notkredite an fiskalisch instabile Staaten869. Mithilfe von biund multilateraler fiskal- und geldpolitischer Überwachung sowie von Notkrediten unter Auflagen und Bedingungen wenden sie fiskalische Instabilitäten ab und nehmen damit (auch) eine finanzstabilitätspolitische Aufgabe wahr870. d) Finanzaufsichtsbehörden Die Finanzaufsichtsbehörden sind neben den Zentralbanken die wichtigsten Akteure der Finanzstabilitätspolitik, weil sie den gesetzlichen Rahmen der Finanzstabilitätsordnung für die Finanzunternehmen als die wichtigsten Finanzwirtschaftsakteure durchsetzen. In erster Linie befassen sich die Aufsichtsbehörden mit idiosynkratischen Risiken für das Finanzsystem, nehmen also eine mikroprudentielle Perspektive ein871. Den Finanzaufsichtsbehörden steht eine Vielzahl aufsichtsrechtlicher Instrumente zur Verfügung. Sie verfügen über tiefe Einblicke in das Finanzsystem, weil sie über umfassende Informationsbefugnisse gegenüber den Finanzunternehmen verfügen872. Auf diese Weise sollen sie das Finanzsystem vor Solvenz- und Liquiditätsschwierigkeiten einzelner Finanzunternehmen bewahren und dadurch stabilisieren, um das Geldwesen, die Wettbewerbsfunktion und die Finanzintermediation zu sichern873. e) Beratende und koordinierende Gremien Als Folge der Finanzkrise wurden weltweit Einrichtungen zur Finanzstabilitätsüberwachung und Beratungsgremien geschaffen. Die meisten Einrichtungen dieser Art haben jedoch kaum Eingriffsbefugnisse. Sie sollen sich in den bestehenden Rahmen von finanzstabilitätspolitischen Akteuren eingliedern und vor allem den Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und Regierungen mit Analysen und Empfehlungen dienen. In Deutschland wurde der Ausschuss für Finanzstabilität gegründet, dem Vertreter des Bundesfinanzministeriums, der Bundesbank und der Bundesanstalt für 868

Gem. Art. 3 u. 16 ff. ESM-Vertrag. Vgl. D. Zapodeanu/M.-I. Cociuba, Financial Soundness Indicators, S. 365 (369). 870 Vgl. D. Folkerts-Landau/C.-J. Lindgren, Toward a Framework for Financial Stability, S. 4. 871 C. Freedman/C. Goodlet, Financial Stability, S. 9. 872 Vgl. G. Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 504 ff. 873 Vgl. A. Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz der Regulierung von Banken, S. 39 ff. 869

142

C. Die Finanzpolitiken im Einzelnen

Finanzdienstleistungsaufsicht angehören874. Der Ausschuss soll ein Organ zur politischen Koordination bilden, Finanzstabilitätsrisiken analysieren und auch Warnungen und Empfehlungen an andere öffentliche Stellen aussprechen können875. Auf Ebene der Europäischen Union wurde auf Vorschlag der Kommission das European Systemic Risk Board als Gremium bei der Europäischen Zentralbank geschaffen876. Das European Systemic Risk Board soll vornehmlich Erkenntnisse der Europäischen Zentralbank, der nationalen Zentralbanken des Europäischen Systems der Zentralbanken und der europäischen Aufsichtsbehörden bündeln877. Es kann finanzstabilitätspolitische Warnungen und Empfehlungen aussprechen878. In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde das Financial Stability Oversight Council als gegenüber der Zentralbank unabhängiges Gremium geschaffen879, das Gefahren für die Finanzstabilität aufspüren soll880. Es ist berechtigt, Kreditinstituten Empfehlungen auszusprechen, von denen abgewichen werden kann, aber die Abweichung begründet werden muss881. Darüber hinaus kann das Financial Stability Oversight Council Finanzunternehmen bestimmen, die keine Kreditinstitute sind, aber wegen ihrer Bedeutung für die Finanzstabilität trotzdem der Aufsicht des Federal Reserve Systems unterstellt werden882. Zudem wurde das Office of Financial Research eingerichtet, um Finanzstabilitätsanalysen zu entwickeln, die dem Financial Stability Oversight Council als Grundlage dienen sollen883. Überdies haben die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht das Financial Stability Institute gegründet, um die Finanzstabilitätsaufsichtsbehörden weltweit – vornehmlich durch Konferenzen und Publikationen – beratend zu unterstützen884.

874

Vgl. § 2 FinStabG. Vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2 und § 3 FinStabG. 876 D. Beau/L. Clerc/B. Mojon, Macro-Prudential Policy and the Conduct of Monetary Policy, S. 17 f. 877 A. Dombret, Finanzstabilität wahren: Rahmen, Werkzeuge und Herausforderungen, S. 3. 878 Vgl. VO (EU) 1092/2010; A. Dombret, Finanzstabilität wahren: Rahmen, Werkzeuge und Herausforderungen, S. 3. 879 Durch den Dodd-Frank-Act. 880 T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 4; D. Beau/ L. Clerc/B. Mojon, Macro-Prudential Policy and the Conduct of Monetary Policy, S. 17. 881 T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 4. 882 T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 4. 883 T. Adrian/D. Covitz/N. Liang, Financial Stability Monitoring, S. 4; D. Beau/ L. Clerc/B. Mojon, Macro-Prudential Policy and the Conduct of Monetary Policy, S. 17. 884 Vgl. BIS, FSI Survey, S. 1. 875

III. Die Grundlagen der Finanzstabilitätspolitik

143

Als internationaler Akteur wurde auf Ebene der G20-Staaten das Financial Stability Board (vormals Forum für Finanzstabilität) errichtet. Die Organisation wurde geschaffen, um die Finanzstabilitätspolitik der nationalen Akteure zu koordinieren885. Sie hat ebenfalls vornehmlich analytische und beratende Funktionen886.

885 D. Schoenmaker, Central Banks Role in Financial Stability, S. 271 (274); A. Dombret, Finanzstabilität wahren: Rahmen, Werkzeuge und Herausforderungen, S. 2. 886 Ebd.

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen Die Finanzpolitiken, deren Grundlagen dargestellt wurden, sollen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Über die Analyse der einzelnen Verhältnisse von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik werden deren starke wechselseitige Einflüsse und die Bestimmungsgründe der Finanzstabilität deutlich. Auf Grundlage dieser Analyse soll eine Abgrenzung der einzelnen Finanzpolitiken vorgenommen werden.

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik ist von zahlreichen, starken gegenseitigen Einflüssen geprägt. Die Interdependenzen von Geldpolitik und Fiskalpolitik begründen Zweifel an der monetaristischen Prämisse, wonach Inflation ausschließlich ein „monetäres Phänomen“ 1 sei2. Die Steigerung des Preisniveaus ist vor allem auch ein „fiskalpolitisches Phänomen“, wenn der Fiskalpolitik keine andere Alternative zur Ausgabenfinanzierung als die Monetarisierung der Staatsschuld zur Verfügung steht3. Fiskalische Instabilitäten4 können einen erheblichen Teil zu monetären Instabilitäten5 – wie insbesondere der Hyperinflation – beitragen. Beispielsweise hat die Hyperinflation in den Zwanzigerjahren verdeutlicht, dass eine unbegrenzte Finanzierung der Fiskalpolitik durch die Geldpolitik nicht funktioniert. Wenige Jahre später hat die Weltwirtschaftskrise gezeigt, dass eine vollständige Beschränkung der Möglichkeiten für konjunkturpolitische Maßnahmen des Fiskus durch geldpolitische Restriktionen volkswirtschaftlich extrem schädlich sein kann6. Die Wechselwirkungen zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik kommen jedoch nicht nur bei monetären oder fiskalischen Instabilitäten zum Tragen, sondern 1

M. Friedman, The Counter-Revolution in Monetary Theory, S. 11. Vgl. N. Kocherlakota, Central bank independence and sovereign default, S. 151 (152). 3 Weltbank, World Development Report 1988, S. 57; R. Beck, Stabilitätspolitik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, S. 49. 4 Siehe dazu ausführlich Kapitel C.III.1., wo die Begriffe Fiskal(in)stabilität und Fiskalkrise grundlegend geklärt werden. 5 Siehe dazu Kapitel C.III.2.a)ee); D.II.1. 6 O. Pfleiderer, Das Verhältnis von Geld- und Finanzpolitik und dessen institutionelle Regelung, S. 9 (13 f.). 2

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

145

auch im Falle eines stabilen Preisniveaus. Die angesprochenen wechselseitigen Einflüsse und die Koordinationsmöglichkeiten von Geldpolitik und Fiskalpolitik sollen im Folgenden untersucht werden. 1. Die Bedeutung der Geldpolitik für fiskalpolitische Parameter Die Fiskalpolitik ist auf vielfältige Weise auf die Funktionalität des Geldes, die von der Geldpolitik verantwortet wird7, und auf einen stabilen Geldwert angewiesen, um die Staatstätigkeit zu finanzieren und das Staatsvermögen zu verwalten8. Beispielsweise sind Steuern als die fiskalische Haupteinnahmequelle definitionsgemäß Geldleistungen9. Ferner kommt der Fiskus seinen Verpflichtungen zu einem großen Teil durch Geldleistungen nach und Ausgaben, die nicht durch laufende Einnahmen finanziert werden können, werden durch Kredite finanziert10. Die Geldpolitik übt daher sowohl auf die Einnahmen- als auch auf die Ausgabeninstrumente der Fiskalpolitik Einfluss aus11. Tendenziell lässt sich insofern festhalten, dass eine restriktive Geldpolitik die öffentlichen Einnahmen verringert und die Ausgaben vergrößert; umgekehrt steigert eine expansive Geldpolitik die öffentlichen Einnahmen und entlastet von Ausgaben12. Dabei zeitigt die Geldpolitik im Bereich der öffentlichen Einnahmen unmittelbare Effekte auf alle von Zinsraten abhängigen Einkünfte wie den Zinsen für Kredite an Dritte, Einlagenzinsen sowie Gewinnabführung der Zentralbank und Steuerabgaben13 der Finanzunternehmen14. Dagegen gehen von der Geldpolitik über monetäre Impulse für den Konjunkturverlauf, der insbesondere die Steuereinnahmen des Staates bestimmt, auch mittelbare Wirkungen von zum Teil erheblichem Gewicht aus15. 7

Vgl. die Definition der Geldpolitik in Kapitel C.I.1. Vgl. die Definition der Fiskalpolitik in Kapitel C.II.1. 9 Gem. § 3 Abs. 1 AO. 10 Vgl. Kapitel C.II.3.b)dd). 11 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 56. 12 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 56 f. 13 Zyklische Vermögenspreisänderungen, für die die Geldpolitik häufig mitverantwortlich ist, bringen steuerliche Mehreinnahmen mit sich, die dazu führen können, dass die Mehreinnahmen bei fiskalpolitischen Planungen als strukturell begründet erachtet werden, obwohl sie nur durch finanzielle Instabilitäten hervorgerufen sind und daher von einer Verfallserscheinung des Finanzsystems anstatt solider fiskalischer Haushaltslage herrühren, s. R. Ahrend/P. Catte/R. Price, Interactions between monetary and fiscal policy, S. 5. 14 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 56. 15 Der Fiskus sieht sich durch den Konjunkturverlauf gegebenenfalls veranlasst, über mitunter teure staatliche Ausgaben stabilisierend einzugreifen, vgl. K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 56. 8

146

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

a) Reale Verringerung der Staatsschuld durch Inflation Grundsätzlich profitiert ein verschuldeter Fiskus – mit Ausnahme von beispielsweise finanzstabilitätspolitischen Gesichtspunkten – von Inflation16. Inflation kann zu einer Umverteilung von Gläubigern zu Schuldnern führen, weil die Kreditsumme durch die Inflation – nicht nominell, sondern realiter – entwertet wird und die Schuld – in Gütereinheiten gemessen – abnimmt17. Die aus der realen Schuldentwertung folgende Umverteilungswirkung der Inflation tritt zumindest bei einer nicht korrekt antezipierten Inflation ein, also wenn die Inflationsrate nicht durch Aufschläge bei der Berechnung der Staatsanleihezinsen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses berücksichtigt wird18. Deshalb führt nur eine überraschende, nicht erwartete Inflation zu einer Verringerung der Schuldenlast, indem der reale Wert der nominalen Verschuldung auf Kosten der Gläubiger abnimmt19. Die Inflation erhöht auf diese Weise die langfristige Schuldentragfähigkeit des Staates20. Die Zentralbank kann über niedrige Leitzinsen und Ausweitungen der Geldmenge bewusst zur Entwertung der Staatsschulden beitragen, weil der Fiskus in der Regel bereits langfristige Kreditbeziehungen abgeschlossen hat, so dass seine Gläubiger nicht mehr durch Inflationsrisikoprämien gegen eine gezielte Inflationspolitik der Zentralbank Vorsorge betreiben können21. Teilweise werden zwischen Inflation und Staatsschuld lineare Zusammenhänge vermutet, wonach jede geldpolitische Kontraktion, die auf eine Verringerung der Inflationsrate abzielt, langfristig zu einer höheren Inflationsrate führen werde, weil sich der Fiskus durch die Kontraktion (weiter) verschulden muss22. Demnach seien Staatsschulden als Forderungen auf zukünftige Steuereinnahmen zu verstehen und Staatsschulden gleichbedeutend mit der Schöpfung neuen Fiatgeldes, welche schließlich eine Steigerung des Preisniveaus zur Folge habe23. Bleibt die Geldmenge dagegen knapper, als für einen ausgeglichenen Staatshaushalt notwendig, würden die Staatsschulden so lange ansteigen, bis eine Geldmengen16

Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 377. N. G. Mankiw, Makroökonomik, S. 486. 18 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 376. 19 E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (401); N. G. Mankiw, Makroökonomik, S. 486; vgl. C. Leith/S. Wren-Lewis, Compatibility between monetary and fiscal policy under EMU, S. 1529 (1552 f.); E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 377. 20 C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, S. 53. 21 Vgl. C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, S. 53. 22 R. Beck, Stabilitätspolitik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, S. 52 (m.w. N.). 23 Siehe zu diesen Thesen: R. Cooper/H. Kempf/D. Peled, Regional Debt in Monetary Unions: Is it Inflationary?, S. 23. 17

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

147

ausweitung erforderlich werde, um die Zahlungsfähigkeit des Fiskus zu erhalten24. Je länger die Politik des teuren Geldes andauere, desto höher seien demnach die durch die Gegensteuerung bedingten Inflationsraten25. Rationale Marktteilnehmer würden diesen Mechanismus durchschauen und schon in der Phase des knappen Geldes die zukünftige Inflation antezipieren. Dadurch sinke die private Geldnachfrage und erhöhen sich die Preise, so dass die Inkaufnahme zeitweiliger Staatsdefizite über die gesamte Zeitspanne hinweg zu höherer Inflation führe als nötig26. Zum Teil wird die Inflation auch mit einer Steuer verglichen, weil die Geldinhaber über die Inflation einen Teil der Staatsschuldenlast zu tragen haben27. Die Zentralbankgeldmenge wird dabei mit der Steuerbasis und die Inflationsrate mit dem Steuersatz verglichen28. Die Einnahmen aus der Inflationssteuer würden aber nicht linear mit der Inflationsrate steigen, weil die privaten Finanzwirtschaftsakteure bei hohen Inflationsraten ihre Geldhaltung einschränken, so dass das „Inflationssteueraufkommen“ schließlich sinkt29. Die reale Abwertung der Staatsschuld erfolgt also nicht ohne Kosten, denn eine höhere Inflationsrate kann eine geringere private Geldnachfrage bewirken30. Die höheren Geldhaltungskosten infolge der Inflation lassen die private Geldnachfrage sinken, was zu einer Abwertung des Wechselkurses der eigenen Währung und zu einer geringeren gesamtwirtschaftlichen Liquidität und zum Abzug von Investitionen führen kann. Die Entwertung der Staatsschuld in der kurzen Frist riskiert damit langfristig eine Schwächung des inländischen Geldsystems, die im Extremfall gar den Verlust der monetären Stabilität durch Hyperinflation bedeuten kann. Außerdem kann die Rückführung einer von der Zentralbank zu hoch empfundenen Inflationsrate durch eine restriktive Geldpolitik mit Kosten verbunden sein. Der Rückgang der Inflationsrate (Disinflation) kann im Gegensatz zur Inflation verschuldete Staatshaushalte stark belasten31. Die Kosten der Disinflation sind durch die verhältnismäßig hohen Inflationsrisikoprämien, um die die Zinssätze der Staatsanleihen infolge der auf Grundlage der vergangenen Inflationsphase höheren Inflationserwartungen die tatsächliche Inflationsrate übersteigen, begründet. Der Fiskus zahlt deshalb mehr Zinsen, als es die aktuelle Inflationsrate 24 R. Beck, Stabilitätspolitik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, S. 52. 25 Ebd. 26 Ebd. 27 Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 248. 28 P. Spahn, Geldpolitik, S. 248. 29 P. Spahn, Geldpolitik, S. 248. 30 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 377 f. 31 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 378.

148

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

begründet. Letztlich ist die hohe Zinsrate eine Folge von höheren Inflationsraten in der Vergangenheit, weil diese zu entsprechenden Erwartungen für die Gegenwart geführt haben32. Zugespitzt formuliert, handelt es sich bei der Disinflation um „eine Rückzahlung der vorher eingenommenen Inflationssteuer“ 33. b) Einfluss der Zentralbank auf die Kreditzinsen Die Zentralbank hat zudem erheblichen Einfluss auf die Finanztransaktionen des Fiskus, „also auf Kreditaufnahme und -tilgung sowie Kreditgewährung und -rückzahlung“ 34, weil sie die Kreditzinssätze über den geldpolitischen Transmissionsmechanismus steuert. Eine funktionierende Geldpolitik hat dafür Sorge zu tragen, dass die Marktteilnehmer niedrige Inflationsraten erwarten, so dass auch über geringere Leitzinsveränderungen gewichtige Anpassungen vorgenommen werden können35. Die Erwartungen begründen niedrige Prämien für Inflationsrisiken und dadurch niedrige Kreditzinsen36. Niedrige Kreditzinsen verringern auch die Zinskosten des Fiskus und erhöhen damit die Schuldentragfähigkeit des Staatshaushalts, wodurch sich die fiskalische Stabilität im Allgemeinen verbessert37. Dies ist wiederum auch zum Vorteil der Geldpolitik, weil die Fiskalstabilität als Teil der Finanzstabilität zur ungestörten Funktionsweise des geldpolitischen Transmissionsmechanismus beiträgt38. Je höher die Staatsverschuldung ist, desto höher ist auch die Abhängigkeit des Fiskus von den Zinssätzen des Kapitalmarkts39. Zwar deckt der Fiskus seinen Kreditbedarf hauptsächlich über den Kapitalmarkt (insbesondere mit Banken als Gläubigern), aber wenn die Geldpolitik und die Fiskalpolitik zeitgleich expansive Strategien verfolgen, wird deutlich, dass die fiskalische Neuverschuldung „per Saldo“ bei der Zentralbank erfolgt, so dass in diesem Falle eine expansive Fiskalpolitik auf die gesamtwirtschaftliche Liquidität die gleiche Wirkung hat wie die Staatsfinanzierung, die direkt über Zentralbankkredite oder Staatsanleihekäufe auf dem Primärmarkt stattfindet (Monetarisierung)40. 32

Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 376 ff. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 379; E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (402). 34 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 57. 35 F. Zurbrügg, Fiskal- und Geldpolitik im Spannungsfeld stabilitätsorientierter Wirtschaftspolitik, S. 4. 36 Ebd. 37 F. Zurbrügg, Fiskal- und Geldpolitik im Spannungsfeld stabilitätsorientierter Wirtschaftspolitik, S. 4 f. 38 F. Zurbrügg, Fiskal- und Geldpolitik im Spannungsfeld stabilitätsorientierter Wirtschaftspolitik, S. 5. 39 C. Noyer, Central banking in a context of high public debt, S. 9 (12). 40 P. Spahn, Geldpolitik, S. 246. 33

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

149

Außerdem ist die Fiskalpolitik in einigen Staaten zur Verringerung ihrer Zinslast dazu übergegangen, die hochverzinsten, langfristigen Kredite durch niedrig verzinste Kredite mit kürzerer Laufzeit zu ersetzen41. Auf diese Weise gerät die Fiskalpolitik aber in stärkere Abhängigkeit von der Geldpolitik, weil der Fiskus aufgrund der kurzen Laufzeit oft umschulden muss und dabei die kurzfristigen Geldmarktzinsen seine Zinslast bestimmen42. Die kurzfristigen Geldmarktzinsen werden unmittelbar von der Zentralbank durch geldpolitische Impulse über die Bestimmung von Leitzinsen und der Refinanzierungsvolumina gesteuert43. Jedoch könnte auch umgekehrt die Zentralbank in Zeiten fiskalischer Instabilität unter Druck geraten und zu lockerer Zinspolitik veranlasst werden, um den Staatshaushalt von übermäßigen Zinskosten zu befreien44. Außerdem hat die kurzfristige Staatsverschuldung für die Geldpolitik den Nachteil, dass die kurzfristigen Anleihepapiere eine „hohe Geldnähe“ und damit eine vergleichbare „potentielle Kaufkraftwirksamkeit wie kurzfristige Termineinlagen“ aufweisen45. Dadurch wird es für die Zentralbank zur Erreichung eines konkreten Inflationsziels schwieriger, die „ausgabenrelevante Geldmenge“ zu identifizieren46. Zudem dürfte die Verfügbarkeit von kurzfristigen Krediten am Kapitalmarkt „prozyklisch schwanken“, obwohl fiskalpolitisch eine antizyklische Ausgabenpolitik grundsätzlich vorzugswürdig wäre47. Der Einfluss der Geldpolitik auf den Haushalt und die Kreditaufnahme besteht jedoch auch nur in begrenztem Umfang, weil der Einfluss von der „Elastizität“ und Zinssensibilität der einzelnen Transaktionen abhängig ist48. Eine Politik des teuren Geldes schränkt in der Regel die Kreditaufnahme ein und schafft Anreize zur Rückzahlung von Krediten49. Ein knapperes und teureres Kreditangebot wird aber den öffentlichen Kreditbedarf zunächst nur wenig schmälern können, weil dieser gar nicht oder nur kaum „zinselastisch“ reagiert, denn ein großer Teil des Kreditbedarfs folgt aus Umschuldungen alter Kredite und bereits vorher begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen50. Erst bei zukünftigen Haushalts41

E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (408). E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (408); E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 380. 43 Ebd. 44 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 380. 45 E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (409); E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 383. 46 Ebd. 47 Ebd. 48 Vgl. K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 57. 49 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 57. 50 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 58. 42

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

planungen werden die Konsequenzen der restriktiven Geldpolitik gezogen werden können51. Die Verknappung von Krediten infolge geldpolitischer Restriktionen trifft dagegen die privaten Finanzwirtschaftsakteure unmittelbarer als den Fiskus, indem die staatliche die private Kreditnachfrage (teilweise) verdrängt (crowding out), wenn der Fiskus hohe Zinsen zu zahlen bereit ist, der Fiskus bereits einen großen Umfang des Kapitalmarkts in Anspruch nimmt und der Fiskus selbst nur mit großer zeitlicher Verzögerung auf die höheren Zinskosten durch eine Einschränkung seines Kreditumfangs reagiert52. Die Verdrängung kann jedoch fiskalpolitisch negative Konsequenzen haben in Form von geringeren Steuereinnahmen und kann sich über Zahlungsbilanz- oder Wechselkursverschlechterungen auch geldpolitisch negativ auswirken, wenn die wirtschaftliche Entwicklung der privaten Finanzwirtschaftsakteure infolge zu geringer Kreditmittel gehemmt wird53. Der Fiskus ist gegenüber den privaten Finanzwirtschaftsakteuren bei der Kreditfinanzierung im Vorteil, weil zahlreiche „institutionelle Vergünstigungen“ – wie Anlagevorschriften von Kapitalsammelstellen, bankenaufsichtsrechtliche Solvabilitätsvorschriften oder die Notenbankfähigkeit von Staatsanleihen bei der geldpolitischen Refinanzierung ohne Abschläge – den Fiskus als Schuldner privilegieren54. Außerdem sind Staatsanleihen für Banken besonders attraktiv, weil sie diese bei der geldpolitischen Refinanzierung bevorzugt als Sicherheit einreichen können55. Die Geldpolitik beeinflusst aber nicht nur die Kreditbeschaffung und die Kreditrückzahlung der öffentlichen Hand, sondern auch die Kreditvergabe des Fiskus (beispielsweise zur Förderung der Wirtschaft oder des sozialen Wohnungsbaus)56. Die Nachfrage nach öffentlichen Krediten dürfte sich meist antizyklisch zur Richtung der Geldpolitik verhalten, weil öffentliche Kredite in der Regel günstigere Konditionen aufweisen als Marktkredite, so dass deren Nachfrage steigt, wenn der Kapitalmarkt die Kredite aufgrund der restriktiven Geldpolitik verteuert57.

51

Ebd. Vgl. C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, S. 53; P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 3. 53 Vgl. P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 3. 54 Vgl. K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 58. 55 Vgl. Kapitel D.III.4.c). 56 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 61. 57 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 61 f. 52

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

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c) Seigniorage zugunsten des Fiskus Dem Fiskus fließen die Einnahmen der Zentralbank (Seigniorage) zum einen durch die Monetarisierung von Staatsverschuldung und zum anderen durch die haushaltswirksame Ausschüttung des Gewinns der Zentralbank aus den geldpolitischen Refinanzierungsgeschäften zu58. Die Quelle der Einnahmen bei den Refinanzierungsgeschäften sind dabei die Zinsen, die die Zentralbank den Kreditinstituten für das zur Verfügung gestellte Zentralbankgeld auf Grundlage der Leitzinsen berechnet, abzüglich der Zinsgutschriften für die Einlagen infolge der Mindestreservehaltung59. Die Zentralbank kann ihre Zinseinnahmen selbst vergrößern, indem sie die Geldmenge ausweitet und damit die Bemessungsgrundlage für die Verzinsung der Refinanzierungskredite vergrößert60. Sobald jedoch die Geldmengenausweitung die Preise steigen lässt, wird in der Regel weniger Geld nachgefragt und damit der Ausweitungseffekt (teilweise) kompensiert61. In Ländern mit völlig abhängiger Zentralbank und Seigniorage-Vorgaben kann die Zentralbankbilanz mit dem Staatshaushalt verrechnet werden62. Die Zentralbank soll aber keine Gewinnerwartungen erfüllen, sondern eine solche Geldpolitik betreiben, die sie aus Preisstabilitätsgründen und nicht aus Gewinnmotiven für richtig erachtet. Werden Gewinnausschüttungen bereits im Haushaltsplan antezipiert, wird die Zentralbank unter Druck gesetzt, den Erwartungen der Fiskalpolitik – insbesondere durch hohe Leitzinsen63 – an sie gerecht zu werden64. Die Fiskalpolitik würde den antezipierten Gewinn verplanen und müsste etwaige Fehlbeträge durch Kredite auffangen, da die Zentralbankgewinne bisweilen stark schwanken65. d) Monetarisierung der Staatsschuld Die direkte Verbindung zwischen fiskalischer Verschuldung und Geldpolitik ist die unmittelbare Kreditaufnahme des Fiskus bei der Zentralbank (Monetarisierung der Staatsschuld)66. Zunächst wird infolge des Kreditvertragsabschlusses zwischen Fiskus und Zentralbank eine Einlage des Fiskus in Höhe des Kredites 58 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 96; E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (399 f.). 59 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 98. 60 E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (400). 61 Ebd. 62 P. Spahn, Geldpolitik, S. 247. 63 H.-J. Stadermann, Geldwirtschaft und Geldpolitik, S. 273. 64 Vgl. H.-J. Stadermann, Geldwirtschaft und Geldpolitik, S. 274. 65 H.-J. Stadermann, Geldwirtschaft und Geldpolitik, S. 274. 66 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 60; E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 96 f.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

in der Zentralbankbilanz passiviert und eine Forderung gegenüber dem Fiskus aktiviert, also die Bilanz verlängert67. Ebenso wie bei der Kreditvergabe an Banken wird durch die Kreditierung Liquidität geschöpft68, indem der Fiskus seine Einlage bei der Zentralbank abruft und zur Zahlung seiner Verbindlichkeiten gegenüber Dritten nutzt69. Analog erfolgt die Geldschöpfung bei der Monetarisierung über Staatsanleihekäufe durch die Zentralbank, allerdings mit dem Unterschied, dass der Abruf der passivierten Einlagen entfällt, weil die Zentralbank beim Anleihekauf den Kaufpreis unmittelbar mit Zentralbankgeld bezahlt. Letztlich handelt es sich bei der Monetarisierung ökonomisch um die auf den Gegenwartswert abgezinsten Einnahmen aus den künftigen Gewinnausschüttungen; also entsprechen sich beide Seigniorage-Arten, denn beide sind eine Erscheinungsform der jeweils anderen70. Im Gegensatz zur Kreditvergabe an Banken durch die Geldpolitik erfolgt die Monetarisierung aber faktisch ohne Zins, weil gezahlte Zinsen am Jahresende ohnehin als Gewinn der Zentralbank an den Fiskus abgeführt werden müssten71. Trotzdem hat eine solche Staatsfinanzierung Einfluss auf die volkswirtschaftliche Ressourcenallokation und bringt Ausfallrisiken in die Zentralbankbilanzen, denn wenn die Staatsanleihen (teilweise) uneinbringlich bleiben, muss die Zentralbank dies als Verlust in ihrer Bilanz verbuchen72. Nimmt die Zentralbank die Staatsanleihen dagegen nur als Sicherheit bei der geldpolitischen Refinanzierung an, kann sie die bilanziellen Risiken durch Abschläge (haircuts) mindern73, was ihr bei Primärmarktkäufen nicht möglich ist. Eine Kreditierung des Fiskus durch die Zentralbank erfolgt technisch hauptsächlich über Staatsanleihekäufe durch die Zentralbank auf dem Primärmarkt, also unmittelbar74. Solche Offenmarktoperationen wird die Zentralbank insbesondere dann ausführen, wenn sie im Rahmen ihrer expansiven Geldpolitik die Nullzinsgrenze zu erreichen droht, aber trotzdem noch mehr Liquidität in den Markt geben möchte, weil beispielsweise Deflationsgefahren bestehen75. Darüber hinaus können auch ausschließlich fiskalpolitische Beweggründe hinter einer Monetarisierung stehen76. Die Zentralbank könnte zudem vom Gesetzgeber zur

67

E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 96 f. K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 60. 69 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 97. 70 E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (400). 71 P. Spahn, Geldpolitik, S. 248. 72 C. Noyer, Central banking in a context of high public debt, S. 9 (11). 73 C. Noyer, Central banking in a context of high public debt, S. 9 (11). 74 J.-P. Landau, Policies on sovereign debt, S. 191 (197). 75 J.-P. Landau, Policies on sovereign debt, S. 191 (196 f.). 76 J.-P. Landau, Policies on sovereign debt, S. 191 (197). 68

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

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Kurspflege der Staatsanleihen des eigenen Fiskus verpflichtet werden. In diesem Falle müsste sie bei sinkenden Kursen Anleihen erwerben, um den Kurs zu stützen und die Zinssätze der Staatsverschuldung niedrig zu halten77. Historisch betrachtet gilt es, zu bedenken, dass Hyperinflationen fast immer durch nicht mehr tragfähige Staatsschulden begründet waren, die letztlich monetarisiert werden mussten78. Die Monetarisierung der Staatschulden kann verschiedene Auswirkungen auf das Preisniveau haben. Erwirbt die Zentralbank vom Staat emittierte Anleihen, erhält der Fiskus Zentralbankgeld, mit dem er am Markt nachfragend auftreten kann, wobei sich die Gesamtgeldmenge um die Anleihebeträge erhöht. Teilweise wird angenommen, dass bei voller Kapazitätsauslastung und Beschäftigung die elastischen Preise sofort im Verhältnis des Umfangs der Geldmengenausweitung ansteigen, so dass der Fiskus nicht mehr Güter für sein Zentralbankgeld erhält als ohne die Geldmengenausweitung; die Preissteigerung absorbiert demzufolge in diesem Fall die Geldmengenausweitung79. Jedoch benötigen die Preissteigerungen realiter eine Anpassungszeit und es besteht weder Vollauslastung noch reagiert das Preisniveau unmittelbar proportional auf die Geldmenge80. Außerdem können steuerschwache Fisken teilweise überhaupt nur noch Nachfrage durch im Wege der Monetarisierung neu geschöpftes Geld entwickeln. Das Preisniveau wird allenfalls erst infolge der durch den Fiskus bedingten Nachfrageausweitung steigen, weshalb die am Anfang der (theoretischen) Kausalkette stehende Nachfrage des Fiskus noch zum ursprünglichen Preis ein Angebot finden dürfte81. Jedenfalls wird der Staat über die Monetarisierung mehr Nachfrage entfalten können, wenn die Geldmenge verhältnismäßig stärker wächst, als das Preisniveau steigt, weil die nominale Nachfrage der Privatwirtschaft nicht im Verhältnis zur Geldmengenausweitung steigt82. Vielmehr wird das neu geschöpfte Geld (teilweise) von der Privatwirtschaft zur Kassenhaltung verwendet, so dass die privaten Finanzwirtschaftsakteure die staatlichen Ausgaben finanzieren83. Der Nachfrageverzicht der Privatwirtschaft ermöglicht die „Aneignung zusätzlicher Ressourcen“ durch den Staat84.

77

Vgl. W. Höfling, Staatsschuldenrecht, S. 474 f. N. G. Mankiw, Makroökonomik, S. 486. 79 P. Spahn, Geldpolitik, S. 247. 80 Vgl. A. Nastansky, Wechselwirkungen zwischen Inflation, Staatsverschuldung und Geldpolitik, S. 251 (253 f.). 81 Vgl. A. Nastansky, Wechselwirkungen zwischen Inflation, Staatsverschuldung und Geldpolitik, S. 251 (253). 82 P. Spahn, Geldpolitik, S. 247. 83 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 377. 84 P. Spahn, Geldpolitik, S. 247. 78

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

e) Zentralbank als Lender of Last Resort des Fiskus Überdies kann die Zentralbank über Staatsanleihekäufe auch die Funktion des Lender of Last Resort für den Fiskus übernehmen85. Jeder Fiskus benötigt für den Fall fiskalischer Instabilität eine „Quelle unbedingter Liquidität“ 86. Lender of Last Resort-Operationen für den Fiskus können von der Zentralbank neben Primärmarktkäufen auch über Sekundärmarktkäufe zur Stützung der Absatzfähigkeit der Anleihen auf dem Kapitalmarkt zu bezahlbaren Zinsen oder aber auch über den Internationalen Währungsfonds geleistet werden87. Studien haben gezeigt, dass fiskalpolitische Konsolidierungsbemühungen in der Regel erfolgreicher ablaufen, wenn sie (vor allem zu Beginn) durch eine expansive Geldpolitik oder Lender of Last Resort-Operationen unterstützt werden88. Die Unterstützung der Zentralbank erfahren Haushaltseinsparungen meist nur, wenn die Zentralbank die Bemühungen für ernsthaft und nachhaltig erachtet89 und die Zentralbank durch finanzstabilitätspolitische Erwägungen dazu veranlasst wird. Die Notwendigkeit fiskalischer Konsolidierung wird meist nur in Zeiten fiskalischer Instabilität erkannt90. Fiskalpolitische Reformen waren deshalb auch oft Grundlage für die Überwindung von Hyperinflationen91. In der Regel handelt es sich bei den Lender of Last Resort-Operationen zugunsten des Fiskus jedoch um finanzstabilitätspolitische Maßnahmen, obwohl die Zentralbank handelt92. f) Zentralbank als quasi-fiskalpolitischer Akteur Die Zentralbank kann im Falle der Anwendung ihrer Endlagerinstrumente93 auch als quasi-fiskalpolitischer Akteur bezeichnet werden, weil sie durch Bilanzausweitungen auch quasi-fiskalpolitisch auftreten kann, indem sie über Offenmarkttransaktionen oder Notfallkredite mit finanzstabilitätspolitischer Rechtfertigung die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit einzelner Märkte übernimmt94. Zwar sahen einige Ökonomen „den Vorzug der Geldpolitik im Vergleich zur Fis-

85

J.-P. Landau, Policies on sovereign debt, S. 191 (196). W. H. Buiter/E. Rahbari, The ECB as Lender of Last Resort for Sovereigns in the Euro Area, S. 3. 87 Vgl. W. H. Buiter/E. Rahbari, The ECB as Lender of Last Resort for Sovereigns in the Euro Area, S. 16 ff. 88 Vgl. R. Ahrend/P. Catte/R. Price, Interactions between monetary and fiscal policy, S. 3. 89 R. Ahrend/P. Catte/R. Price, Interactions between monetary and fiscal policy, S. 6 f. 90 R. Ahrend/P. Catte/R. Price, Interactions between monetary and fiscal policy, S. 6. 91 N. G. Mankiw, Makroökonomik, S. 486. 92 Vgl. Kapitel D.IV.; E.II.1. 93 Vgl. Kapitel E.I. u. II. 94 G. Illing, Geld- und Fiskalpolitik in der Krise, S. 3. 86

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

155

kalpolitik darin, dass sie sich neutral verhalte, weil sie nicht in Marktmechanismen eingreife“ 95; aber von Neutralität kann angesichts der massiven Verteilungseffekte bei der Stützung von Einzelmärkten keine Rede sein96. Die Ursachen für die finanziellen Instabilitäten dieser Märkte haben „strukturelle Ursachen“, auf die die Geldpolitik (fast) keinen Einfluss hat, weshalb die Stützungsmaßnahmen vielmehr demokratisch legitimierten Akteuren obliegen sollten97. Die Stützungsmaßstaben gefährden grundsätzlich das Preisstabilitätsziel der Zentralbank und sind regelmäßig nicht mit dem Zentralbankmandat zu vereinbaren98. Jedoch handelt es sich bei der Übernahme destabilisierender Vermögenswerte in der Regel nicht um ein fiskalpolitisches, sondern um ein finanzstabilitätspolitisches Instrument99. Die Zentralbank würde erst zum quasi-fiskalpolitischen Akteur, wenn sie fiskalpolitische Ausgabeninstrumente wie beispielsweise Sozialleistungen unmittelbar, also ohne Zwischenschaltung des Fiskus wie bei der Monetarisierung, finanzieren würde. 2. Die Bedeutung der Fiskalpolitik für geldpolitische Parameter Die Fiskalpolitik wird nicht nur von geldpolitischen Entscheidungen beeinflusst, sondern sie kann auch großen Einfluss auf geldpolitische Parameter, wie insbesondere das Liquiditätsniveau, die Inflationsrate und die Zinssätze auf dem Kapitalmarkt, nehmen. a) Abhängigkeit der Inflationsrate und Kapitalmarktzinsen von der Fiskalpolitik Im Gegensatz zu den kurzfristigen Geldmarktzinsen, die hauptsächlich von der Geldpolitik bestimmt werden, kann nachgewiesen werden, dass Zinsen langfristiger Bankkredite und Anleihen häufig auch von fiskalpolitischen Entwicklungen abhängen100. Die Staatsverschuldung hat Einfluss auf die Zinssätze, die Banken ihren Kreditnehmern berechnen, indem die Staatsverschuldung zur Erhöhung der Inflationsrate führen kann, insbesondere wenn eine Monetarisierung der Staatsschuld von den privaten Finanzwirtschaftsakteuren antezipiert wird101. Als Ver95

G. Illing, Geld- und Fiskalpolitik in der Krise, S. 4. G. Illing, Geld- und Fiskalpolitik in der Krise, S. 4; F. Zurbrügg, Fiskal- und Geldpolitik im Spannungsfeld stabilitätsorientierter Wirtschaftspolitik, S. 9. 97 F. Zurbrügg, Fiskal- und Geldpolitik im Spannungsfeld stabilitätsorientierter Wirtschaftspolitik, S. 9 f. 98 Vgl. W. H. Buiter/E. Rahbari, The ECB as Lender of Last Resort for Sovereigns in the Euro Area, S. 3. 99 Vgl. Kapitel D.IV.; E.II.1. 100 M. B. Canzoneri/R. E. Cumby/B. T. Diba, Should the European Central Bank and the Federal Reserve Be Concerned about Fiscal Policy?, S. 333 (336). 101 Siehe Kapitel D.I.1.d). 96

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

sicherung gegen diese Gefahr berechnen Kreditgeber Risikoprämien, die sich am Umfang der Staatsverschuldung orientieren102. Diese Risikoprämien erhöhen den Nominalzins, was zu einer Verringerung der Kreditnachfrage und damit der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage führen kann103. Empirische Studien haben verdeutlicht, dass der Umfang der Staatsdefizite nicht nur für den Zinsbestandteil der Inflationsrisikoprämie relevant ist, sondern auch Wirkung auf die Höhe des Realzinses zeitigt104. Der Fiskus verschuldet sich auf dem Kapitalmarkt und erhöht dabei die Kreditnachfrage, was zu einer Erhöhung des Realzinses führt105. Ein hoher Realzins erhöht die Opportunitätskosten der Kassenhaltung, wodurch zum einen für die Kreditmittelinhaber vermehrt Anreize zur Kreditvergabe bestehen und zum anderen sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erhöht, weil das Geld investiert wird106. Verändert sich das gesamtwirtschaftliche Angebot nicht, führt die höhere Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nach der Quantitätsgleichung zu einer höheren Inflationsrate107. Nach der „Fiskalischen Theorie des Preisniveaus“ beeinflusst die Fiskalpolitik die Inflationsrate sogar auch in Ländern mit institutionell unabhängiger Zentralbank108. Die Privatwirtschaft beziehe demnach ihre Erwartungen zukünftiger Staatsschuldenstände in ihre Preisfindung ein, so dass es im Extremfall auch zu einer völligen Determinierung des Preisniveaus durch die Fiskalpolitik kommen könne109. Bei Staatsdefiziten werde das Preisniveau bis zu dem Punkt steigen, an dem die durch Inflation abgewerteten gegenwärtigen nominalen Staatsschulden mit dem Erwartungswert zukünftiger Staatseinnahmen übereintreffen110. Dieser theoretische Mechanismus schließe eine Fiskalkrise letztlich aus, denn das Preisniveau reagiere passiv auf das Niveau der Staatsverschuldung, ohne dass die Geldpolitik wirksam in die Inflationsentwicklung eingreifen könne111.

102

C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte,

S. 53. 103

C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte,

S. 53. 104 M. Sutter, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt in der Europäischen Währungsunion, S. 45. 105 R. Solveen, Der Einfluß der Unabhängigkeit auf die Politik der Zentralbanken, S. 117; C. Herrmann, Währungshoheit, Währungsverfassung und subjektive Rechte, S. 53. 106 R. Solveen, Der Einfluß der Unabhängigkeit auf die Politik der Zentralbanken, S. 117. 107 Ebd. 108 J. Matheron/B. Mojon/J.-G. Sahuc, The sovereign debt crisis and monetary policy, S. 155 (158). 109 Ebd. 110 J. Matheron/B. Mojon/J.-G. Sahuc, The sovereign debt crisis and monetary policy, S. 155 (159). 111 Ebd.

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

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b) Einfluss fiskalpolitischer Ausgabeninstrumente Die fiskalische Ausgabenpolitik beeinflusst die Kreditnachfrage und wirkt sich damit auf Liquidität und Kreditzinsen aus112. Vor allem die öffentliche Vergabe von Aufträgen an die Privatwirtschaft wird die privaten Wirtschaftsakteure der Tendenz nach dazu veranlassen, Kredite zur Finanzierung von Betriebsmitteln und Löhnen aufzunehmen113. Geringere Relevanz haben dagegen (die eher stetigen) Ausgaben für Konsum wie Beamtenpensionen, die nur bei erheblichen Veränderungen die gesamtwirtschaftliche Liquiditäts- und Kreditsituation verändern114. Eine expansive Fiskalpolitik vergrößert die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und steigert dadurch grundsätzlich das Preisniveau115. Der Einfluss auf die Inflation kann eine geldpolitische Reaktion auslösen, die über Leitzinserhöhungen und die Verringerung des Umfangs geldpolitischer Refinanzierungskredite Inflationsgefahren bannen soll116. Diese restriktiven geldpolitischen Maßnahmen verteuern die Kreditzinsen, was die wirtschaftliche Entwicklung hemmen und ausländisches Kapital anziehen kann117. In der Folge verteuert sich die revolvierende Umschuldung des Fiskus, wodurch die fiskalische Nachfrage zurückgeht und die inflationssteigernde Wirkung schließlich wieder entfällt. Erhöht der Fiskus seine Ausgaben durch die Aufnahme von Krediten und reagiert hingegen die Zentralbank auf die fiskalpolitische Entwicklung zunächst nicht, würde die Geldpolitik von den Haushaltsdefiziten beeinträchtigt118. Übermäßige Haushaltsdefizite verursachen regelmäßig Zinsanstiege für Staatsanleihen und Bankkredite des Fiskus und können sich selbst erfüllende Inflationserwartungen auslösen, was die Kreditzinsen auch für die Privatwirtschaft durch Risikoaufschläge der Gläubiger für die von ihnen erwarteten Inflationsraten verteuert119. Die Finanzwirtschaftsakteure preisen in ihre Inflationserwartungen sowohl die gegenwärtigen Staatsschulden als auch ihre Erwartungen über die Höhe der zukünftigen Staatsschulden ein. Daher hängt Preisstabilität immer auch von fiskalischer Stabilität ab120. Deshalb kann die Stabilisierung des gesamtwirtschaftlichen 112

K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente,

S. 53. 113 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 53 f. 114 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 54. 115 P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 4 f. 116 Ebd. 117 Ebd. 118 Vgl. T. Hellebrandt/A. S. Posen/M. Tolle, Does monetary cooperation or confrontation lead to successful fiscal consolidation?, S. 131 (132). 119 Vgl. ebd. 120 T. Hellebrandt/A. S. Posen/M. Tolle, Does monetary cooperation or confrontation lead to successful fiscal consolidation?, S. 131 (132).

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Angebots durch die Fiskalpolitik bisweilen langfristig das Preisniveau destabilisieren, wenn die realwirtschaftliche Stabilisierung auf Kosten übermäßiger Staatsschulden geschieht, so dass die Volatilität des Angebots letztlich nur auf Kosten der Volatilität der Inflationsrate beseitigt würde121. c) Einfluss fiskalpolitischer Einnahmeninstrumente Ebenso wie die Ausgabenpolitik hat die fiskalische Einnahmenpolitik Wirkungen auf die Liquidität und die Zinssätze. Der Fiskus kann beispielsweise infolge von größeren Einnahmen durch Finanztransfers seine Einlagen bei Kreditinstituten aufstocken und dadurch deren Liquidität erhöhen122. Stehen den Banken mehr Einlagen zur Verfügung, erhöht dies das Kreditangebot und lässt die Kreditzinsen tendenziell sinken. Im Bereich der Einnahmen ist vor allem die Steuerpolitik relevant. Die Fiskalpolitik nimmt durch indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer Einfluss auf das Preisniveau123. Dabei besteht die Gefahr, dass einmalige Steuersatzerhöhungen zu Lohn-Preis-Spiralen führen, die das Inflationsniveau signifikant über das Niveau der Steuererhöhung hinaus steigen lassen124. Aber auch die Anhebung der Einkommensteuer bewirkt Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und auf das Preisniveau125. Höhere Einkommensteuern verringern die Nachfrage und wirken daher grundsätzlich dämpfend auf die Preise, wenn der Fiskus die Steuermehreinnahmen nicht zur Ausweitung seiner Nachfrage verwendet. Ähnliche Effekte auf das Preisniveau über Angebots- und Nachfrageeffekte hat die Fiskalpolitik mithilfe der Installierung oder dem Abbau von Subventionen126. Der Abbau von Subventionen beispielsweise kann die gesamte Angebotsstruktur verändern, indem sonst unwirtschaftliche Unternehmungen ermöglicht werden. Denkbar ist aber auch, dass Subventionen über Kaufanreize Nachfrageeffekte auslösen. Zudem können über Steuererleichterungen grundsätzlich Nachfrageimpulse gesetzt werden, wobei die Effekte seit langem umstritten sind. Das klassische Argument gegen die Wirksamkeit antizyklischer Steuererleichterungen ist die Ri-

121 V. A. Muscatelli/P. Tirelli, Analyzing the Interaction of Monetary and Fiscal Policy, S. 549 (572). 122 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 54. 123 P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 4. 124 Ebd. 125 Vgl. M. Duarte/A. L. Wolman, Fiscal Policy and Regional Inflation in a Currency Union, S. 3. 126 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 54.

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

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cardianische Äquivalenz127. Eine Ricardianische Fiskalpolitik passt den Pfad des Primärüberschusses an, damit der gegenwärtige Wert der Summe von aktuellen und künftigen Überschüssen dem realen Wert der bisher angesammelten Staatverschuldung für jeden möglichen Preispfad entspricht128. Senkt der Fiskus die Steuern zur Konjunkturstimulierung, antezipieren die privaten Finanzwirtschaftsakteure zukünftige Steuererhöhungen, mit denen der Fiskus auf die verschlechterte Haushaltslage reagieren werde129. Die privaten Finanzwirtschaftsakteure passen demnach ihre Sparquote an, so dass der antizyklische Stimulus ab einem bestimmten Punkt „kontraproduktiv“ wirken könne, während Haushaltseinsparungen die Wirtschaft beleben sollen130. Der Erfolg der antizyklischen Maßnahme hänge deshalb von den Einschätzungen der Finanzwirtschaftsakteure über die Schuldentragfähigkeit des Fiskus ab131. Die Ricardianische Äquivalenz unterstellt aber nicht nur rationale Erwartungen der Finanzwirtschaftsakteure, sondern auch, dass Fiskalpolitik keinen Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage habe und damit auch nicht auf die Inflationsrate132. Jedoch wird es empirisch in Zweifel gezogen, dass die Finanzwirtschaftsakteure sich (immer) so verhalten, als ob sie davon ausgehen, dass gegenwärtige Ausgabenerhöhungen des Staates oder Steuererleichterungen zwingend zu Steuererhöhungen in der Zukunft führen würden133. Die Ricardianische Äquivalenz bezieht sich außerdem nur auf die Einkommenseffekte von Steueränderungen, trifft aber keine Aussage darüber, dass Fiskalpolitik nicht auch über andere Kanäle wirksam werden kann134. Außerdem beeinflusst das Steuersystem die Konsum-, Spar- und Investitionsausgaben der Privatwirtschaft, wobei Spareinlagen und Investitionsverhalten für die Höhe der Zinssätze von entscheidender Bedeutung sind135. Beispielsweise wirkt die unterschiedliche Behandlung der Eigenfinanzierung, der Aktienmarktfinanzierung, der Festgeldersparnisse oder einfachen Sichteinlagen im Steuerrecht – insbesondere durch Absetzmöglichkeiten von Fremdkapitalkosten – auf 127

T. Kirsanova/C. Leith/S. Wren-Lewis, Monetary and Fiscal Policy Interaction,

S. 4. 128 M. B. Canzoneri/R. E. Cumby/B. T. Diba, The Interaction Between Monetary and Fiscal Policy, S. 935 (945). 129 P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 4. 130 C. Noyer, Central banking in a context of high public debt, S. 9 (11). 131 P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 4. 132 M. Woodford, Fiscal requirements for price stability, S. 2. 133 Vgl. M. Woodford, Fiscal requirements for price stability, S. 2; M. B. Canzoneri/ R. E. Cumby/B. T. Diba, The Interaction Between Monetary and Fiscal Policy, S. 935 (945). 134 T. Kirsanova/C. Leith/S. Wren-Lewis, Monetary and Fiscal Policy Interaction, S. 4. 135 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 54.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

die Zinsstruktur ein136. Zudem hängen sowohl die Zahlungsbilanz als auch die gesamtwirtschaftliche Liquidität davon ab, wie inländisches Sparkapital im Vergleich zu ausländischem behandelt wird137. In Zeiten hoher Kapitalfluktuationen durch die weitreichende internationale Kapitalverkehrsfreiheit veranlassen (teilweise) schon geringe Zinssatz- oder Steueränderungen im Inland die Flucht von Investitionskapital in das Ausland, was grundsätzlich zu höheren Zinsen und Zahlungsbilanzverschlechterungen führt138. Überdies hängt die Entwicklung der geldpolitisch bedeutsamen Zahlungsbilanz auch von der Steuerpolitik des Grenzsteuerausgleichs und der Zollpolitik ab, weil sie Veränderungen bei Exporten und Importen von Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen bewirken139. Die genannten fiskalpolitischen Instrumente haben jedoch keine mit der Geldpolitik vergleichbare Liquiditätswirksamkeit, denn sie zielen eher auf die volkswirtschaftliche Kapitalverwendung und Nachfragestruktur ab, sind aber als Nebenwirkungen zu beachten140. Von großer Bedeutung für die Geldpolitik ist ferner „die Aufteilung der öffentlichen Ausgaben auf das In- und Ausland, weil dadurch die Zahlungsbilanz beeinflusst wird“ 141. Der Abbau von Staatsschulden führt vor allem in Ländern mit kleinem inländischen Kapitalmarkt zu geringeren Importen von ausländischem Kapital und zu einer geringeren Auslandsverschuldung142. Dadurch wandert weniger Kapital qua Zinszahlungen in das Ausland ab und dies steigert den Anteil des inländischen Einkommens am Bruttoinlandsprodukt, wodurch tendenziell mehr Kapital für inländische Investitionen zur Verfügung steht143. Die niedrigere Staatsschuldenquote entlastet die Zahlungsbilanz und vereinfacht die geldpolitische Stabilisierung des Wechselkurses durch die Zentralbank144. Geringere Kapitalimporte der öffentlichen Hand üben zudem nur einen geringeren Druck auf die Zentralbank aus, Liquidität abzuschöpfen, um die Liquiditätszuflüsse durch eine restriktive Geldpolitik zu neutralisieren145; zumal umgekehrt die restriktive 136 Vgl. K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 54 f. 137 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 55. 138 Vgl. K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 55. 139 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 55. 140 Ebd. 141 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 54. 142 D. Dodge, The Interaction Between Monetary and Fiscal Policies, S. 7. 143 Ebd. 144 Ebd. 145 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 59 f.

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

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Geldpolitik zur Liquiditätsabschöpfung die Zinsen verteuert und noch weitere Anreize zum Ausweichen auf Kapitalimporte setzt146. Die Staatsverschuldung in fremder Währung kann für den Fiskus riskant sein, weil Aufwertungen der Fremdwährung und Abwertungen der eigenen Währung den Schuldendienst verteuern147. Die Wechselkursdifferenzen erhöhen den Druck auf die Geldpolitik, entweder durch eine lockere Geldpolitik die Zinslast für den inländischen Schuldendienst des Fiskus zu verringern, was noch weitere Abwertungslast verursachen könnte, oder aber durch Fremdwährungsverkäufe den eigenen Wechselkurs zu stützen148. Letztes setzt aber voraus, dass die Zentralbank über genügend Währungsreserven verfügt. Ein Rückzug inländischen Kapitals aus Staatsanleihen führt häufig dazu, dass sich die Laufzeit der Staatsanleihen verkürzt, dass Währungsrisiken in der Fiskalpolitik berücksichtigt werden müssen und die Abhängigkeit von internationalen Kapitalströmen und deren Volatilitäten steigt149. Je kürzer die Fristen der Schuldenstruktur sind, desto elastischer ist die Übertragung erhöhter Kreditzinsen auf den Fiskus und desto größer ist dessen Anreiz zur Umschuldung mit billigerem ausländischen Kapital infolge des Rückzugs des inländischen Kapitals150. Eine starke Substitution inländischer Kredite durch ausländisches Fremdkapital kann zudem finanzielle Ungleichgewichte im Verantwortungsbereich der Geldpolitik auslösen, wenn vor allem kurzfristig investiertes Kapital aufgrund der weitreichenden Kapitalverkehrsfreiheit schnell abgezogen werden kann, was sowohl die Zahlungsbilanz als auch den Wechselkurs der Währung beeinträchtigen kann151. Die Geldpolitik könnte sich indes durch Wechselkursveränderungen zu einem expansiven Kurs veranlasst sehen, infolgedessen der heimische Kapitalmarkt dem Fiskus in der Regel mehr Kredit und zu günstigeren Konditionen zur Verfügung stellt152. Der Fiskus hat durch die günstigen inländischen Finanzierungskonditionen einen Anreiz, die Tilgung der Kredite entweder hinauszuzögern oder, je nach Laufzeit der bestehenden Verbindlichkeiten, umzuschulden153. Die Wechselkursund Zahlungsbilanzrisiken für die Geldpolitik würden sich jedenfalls verringern, 146

Ebd. E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (405); E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 383. 148 Ebd. 149 P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 5. 150 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 61. 151 P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 4 f.; vgl. C. Leith/ S. Wren-Lewis, Interactions between monetary and fiscal policy under flexible exchange rates, S. 2854 (2878). 152 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 61. 153 Ebd. 147

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

wenn in diesem Falle von höheren Zinsen ausländischen Kapitals auf billigere heimische Kredite umgeschuldet würde154. Jedoch soll schließlich festgehalten werden, dass die genauen Auswirkungen von fiskalpolitischen Entscheidungen auf die Geldpolitik von zahlreichen weiteren Faktoren wie beispielsweise dem Verhältnis von in- und ausländischen Zinsniveaus und vom Vertrauen, das die Finanzwirtschaftsakteure im In- und Ausland der betrachteten Fiskalpolitik und der Geldpolitik überhaupt entgegenbringen, abhängt und dass diese Zusammenhänge über die Zeit starken Veränderungen unterliegen155. 3. Koordination von Geldpolitik und Fiskalpolitik Auf Grundlage der wechselseitigen Einflussnahme stellt sich die Frage, wie Geldpolitik und Fiskalpolitik miteinander koordiniert werden sollten. Dabei ist zu untersuchen, ob einem Politikbereich Priorität eingeräumt werden sollte (Dominanz) und wie diese ausgestaltet sein müsste (funktionelle Trennung) oder ob eine Koordination auf andere Weise ratsam ist, wobei neben der wechselseitigen Einflussnahme stets die strukturellen Unterschiede zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik zu berücksichtigen sind. a) Strukturelle Unterschiede zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik Geldpolitik und Fiskalpolitik unterscheiden sich strukturell. Beispielsweise soll vor allem die Fiskalpolitik „verteilungspolitische Vorstellungen“ verwirklichen und dadurch die volkswirtschaftliche Ressourcenallokation optimieren156. Verteilungseffekte kann zwar auch die Geldpolitik haben, aber das fiskalpolitische Instrumentarium funktioniert insoweit differenzierter157. Fiskalpolitische Verteilungseffekte sind direkter als die der Geldpolitik, denn fiskalpolitische Maßnahmen können ganz bestimmte Gruppen begünstigen, wohingegen die Geldpolitik nur pauschal im Verhältnis von Gläubigern und Schuldner oder aber im Verhältnis zwischen Fiskus und Privatwirtschaft finanzielle Vorteile verschaffen kann158. Die Fiskalpolitik greift – insbesondere durch Steuern und Sozialleistungen – unmittelbar „steuernd“ in die Vermögensverteilung ein, während im Gegensatz dazu die Verteilungswirkungen der Geldpolitik meist durch Entwicklungen des Geldsystems vermittelt werden und sie nur bei finanzstabilitätspolitischen Ein154

Ebd. Vgl. T. Hellebrandt/A. S. Posen/M. Tolle, Does monetary cooperation or confrontation lead to successful fiscal consolidation?, S. 131 (132). 156 O. Issing, Der Euro, S. 175. 157 L. Vogel, Fiskalpolitik in der Währungsunion, S. 48. 158 K. Ullrich, Unterschiede zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die Konsequenzen für eine Delegation, S. 11. 155

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

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griffen zur Rettung von Finanzunternehmen – insbesondere bei der Anwendung der Endlagerinstrumente – unmittelbar in die gesamtwirtschaftliche Einkommens- und Vermögensverteilung einwirkt159. In zeitlicher Hinsicht ist festzuhalten, dass viele Stabilisierungsinstrumente der Fiskalpolitik sehr viel schneller wirken als die Instrumente der Geldpolitik, wobei durchschnittlich Zeitverzögerungen von zwölf bis achtzehn Monaten auftreten, weshalb eine Zentralbank ihre Inflationsziele auch immer über mindestens einen solchen Zeithorizont planen muss160. Einige fiskalpolitische Instrumente – wie beispielsweise die Einkommensteuer – wirken dagegen sofort161. Jedoch muss bedacht werden, dass Entscheidungsprozesse in der Fiskalpolitik in der Regel länger dauern als in der Geldpolitik, weil der fiskalpolitische Diskurs üblicherweise wegen demokratischer Beteiligungserfordernisse umfangreicher ist und kontroverser stattfindet162. Die Geldpolitik ist zudem gegenüber der Fiskalpolitik im Nachteil, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gesteigert werden soll163. Die geldpolitischen Instrumente funktionieren „zuverlässiger restriktiv als expansiv“, weil von einer Geldmengenausweitung über Zinssenkungen und großem Kreditangebot allein „noch kein Investitionsanreiz auszugehen braucht“ 164. Umgekehrt kann die Fiskalpolitik durch zusätzliche Ausgaben und Steuersenkungen bei einer schwachen konjunkturellen Entwicklung hilfreich sein, dagegen tut sie sich in Aufschwungphasen mit Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen schwer165. Geldpolitik und Fiskalpolitik können daher insoweit zwar komplementär eingesetzt werden, aber es wird auch befürchtet, dass ihre Wirkungen sich gegenseitig kompensieren, wenn sie unkoordiniert parallel eingesetzt werden166. b) Geldpolitische oder fiskalpolitische Dominanz Als theoretischer Ansatz zur Abstimmung von Geldpolitik und Fiskalpolitik wird die Über- und Unterordnung (im Sinne einer Dominanz) von Politikbereichen zueinander diskutiert. Dieser Ansatz wird für den Fall von Zielkonflikten 159 Vgl. K. Ullrich, Unterschiede zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die Konsequenzen für eine Delegation, S. 17 f. 160 D. Dodge, The Interaction Between Monetary and Fiscal Policies, S. 13. 161 Ebd. 162 Vgl. K. Ullrich, Unterschiede zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die Konsequenzen für eine Delegation, S. 21 f. 163 J. Könke, Die institutionelle Koordination von Geld- und Finanzpolitik in Großbritannien, S. 9. 164 H. Lipfert, Einführung in die Währungspolitik, S. 207; K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 63. 165 H. Lipfert, Einführung in die Währungspolitik, S. 207. 166 H. Lipfert, Einführung in die Währungspolitik, S. 207.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

zwischen Politikbereichen erörtert, um politische Konflikte, Unsicherheit und Führungsstreit zu vermeiden167. Demnach solle sich der „schwächere“ Bereich dem „stärkeren“ unterordnen. Konkret angewendet, bedeutet dies, dass es im Falle einer Kollision eines fiskalpolitisch expansiven Kurses und eines geldpolitisch restriktiven Kurses, spieltheoretisch betrachtet zu einem Feiglingsspiel (game of chicken) komme168. Beide Politiken werden theoretisch jeweils für sich darauf bedacht sein, dass sich der andere Bereich unterordnet, also mit der Absicht, als Stackelberg-Führender den anderen Politikbereich zu dominieren169. Wenn die Zentralbank glaubhaft die Preisstabilität priorisiert (StackelbergFührender), wird diese Ausrichtung die Fiskalpolitik dazu veranlassen, sich der Vorgabe der Zentralbank unterzuordnen (Stackelberg-Folgender)170. Der Ansatz beschreibt die faktische Installierung der Führerschaft im beschriebenen Beispiel als „geldpolitische Dominanz“ 171. Umgekehrt könne auch die Fiskalpolitik die Rolle eines Stackelberg-Führenden einnehmen, wenn sie die Bereitschaft der Geldpolitik zur Monetarisierung der Staatsschulden antezipiere172. Von fiskalpolitischer Dominanz spricht man also, wenn geldpolitische Instrumente (gezielt) zur Finanzierung des Staatshaushalts eingesetzt werden173. Die Fiskalpolitik kann dabei den Umfang der Verschuldung bestimmen und die Geldpolitik muss mit ihren Mitteln reagieren, um die Fiskalkrise zu vermeiden174. Die Geldpolitik muss in fiskalischen Krisenzeiten der dominanten Fiskalpolitik ein gewisses Maß an Seigniorage-Einnahmen verschaffen, um die fiskalische Stabilität sicherzustellen175. Studien beurteilen die Vorteilhaftigkeit von fiskalpolitischer Dominanz unterschiedlich176. Es wird zum einen behauptet, dass fiskalpolitische Dominanz im Vergleich mit der Dominanz der Geldpolitik volkswirtschaftlich vorzugswürdige 167 B. Winkler, Co-ordinating Stability: Some Remarks on the Roles of Monetary and Fiscal Policy under EMU, S. 287 (292). 168 R. Beck, Stabilitätspolitik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, S. 53. 169 Ebd. 170 B. Winkler, Co-ordinating Stability: Some Remarks on the Roles of Monetary and Fiscal Policy under EMU, S. 287 (292). 171 Ebd. 172 M. M. Hutchison/K. M. Kletzer, Fiscal Convergence Criteria, Factor Mobility and Credibility in Transition to Monetary Union in Europe, S. 138 (145). 173 K. Ullrich, Unterschiede zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die Konsequenzen für eine Delegation, S. 19. 174 M. Sutter, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt in der Europäischen Währungsunion, S. 40 f. 175 O. Jeanne, Fiscal challenges to monetary dominance in the euro area: a theoretical perspective, S. 143 (145). 176 K. Ullrich, Unterschiede zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die Konsequenzen für eine Delegation, S. 19.

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

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Ergebnisse erziele177, aber zum anderen wird auch befürchtet, dass sie die Zinsen für langfristige Staatsanleihen steigere178. Fiskalpolitische Dominanz äußere sich nicht so sehr in Zielvorgaben für die Seigniorage, sondern eher im Druck auf Zentralbanken, die Kurse der Staatsanleihen zu pflegen, auch wenn dies auf Kosten der Preisstabilität gehe179. Umgekehrt dominiert die Geldpolitik, wenn sie unabhängig von fiskalpolitischen Zielen und Entscheidungen implementiert wird und die Fiskalpolitik (auch in Zeiten fiskalischer Instabilität) unabhängig von der Hilfe der Zentralbank die Finanzierung der Staatsausgaben vornehmen muss180. Die Fiskalpolitik habe sich nach diesem Ansatz selbst zu „disziplinieren“, damit die Zentralbank ihr Mandat unabhängig erfüllen könne, so dass die Fiskalpolitik für jeden von der Zentralbank gewählten Preispfad ihre Zahlungsfähigkeit selbst gewährleisten müsse181. Zur Begründung dieser Position wird angeführt, dass Fiskalpolitik mitunter lange Entscheidungsfindungsprozesse erfordere, wohingegen Geldpolitik in der Regel wesentlich schneller reagieren könne182. Ferner könne Geldpolitik „sachlicher“ durchgeführt werden, weil sie wesentlich weniger Verteilungswirkungen entfalte als die Fiskalpolitik183. Dabei wird verkannt, dass auch die Inflation zwischen Gläubigern und Schuldnern stark umverteilend wirken kann und letztlich die meisten demokratischen Entscheidungsfindungsprozesse Zeit in Anspruch nehmen, ohne dass deswegen auf sie verzichtet werden kann. Des Weiteren wird argumentiert, dass die Fiskalpolitik auf Schocks durch automatische Stabilisatoren – wie die Einkommensteuer – ex ante festgelegt reagiere, wohingegen die Geldpolitik mehr Raum für Ermessensentscheidung biete184. Außerdem schaffe es die Fiskalpolitik über den gesamten Konjunkturverlauf meistens nicht, die Defizite schlechter Zeiten in guten Zeiten abzubauen, dagegen befinde sich die Geldpolitik über den Zyklus hinweg in der Regel „im Gleichgewicht“ 185.

177 K. Ullrich, Unterschiede zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die Konsequenzen für eine Delegation, S. 19; A. Dixit/L. Lambertini, Interactions of Commitment and Discretion in Monetary and Fiscal Policies, S. 23. 178 D. Dodge, The Interaction Between Monetary and Fiscal Policies, S. 9. 179 Vgl. M. Woodford, Fiscal requirements for price stability, S. 5. 180 K. Ullrich, Unterschiede zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die Konsequenzen für eine Delegation, S. 19; T. Hellebrandt/A. S. Posen/M. Tolle, Does monetary cooperation or confrontation lead to successful fiscal consolidation?, S. 131 (132), (m.w. N.); T. J. Sargeant/N. Wallace, Some Unpleasant Monetaristic Arithmetic, S. 1 (1 f.). 181 M. B. Canzoneri/R. E. Cumby/B. T. Diba, Should the European Central Bank and the Federal Reserve Be Concerned about Fiscal Policy?, S. 333 (344). 182 T. Hellebrandt/A. S. Posen/M. Tolle, Does monetary cooperation or confrontation lead to successful fiscal consolidation?, S. 131 (132). 183 Ebd. 184 Ebd. 185 Ebd.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Andererseits kann eine sehr dominante Geldpolitik unter Umständen das Risiko einer Fiskalkrise sogar erhöhen, weil eine Politik des teuren Geldes den Fiskus stark belasten kann, so dass schließlich aus Fiskalstabilitätserwägungen der Zentralbank heraus eine Finanzkrise nur durch eine Monetarisierung der Staatsschuld vermieden oder behoben werden kann186. Die Monetarisierung beschwört schließlich Inflationsgefahren herauf, die gerade durch die Dominanz der Geldpolitik minimiert werden sollen187. Eine zu dominante Geldpolitik verhindert daher in einem solchen Szenario fiskalpolitische Anpassungen und schadet damit der Preisstabilität viel mehr, als dass sie ihr nützt188. Außerdem greifen regelbasierte geldpolitische Entscheidungshilfen (wie beispielsweise die Taylor-Regel), deren Komponenten sich nicht auch an fiskalpolitischen Parametern orientieren, zu kurz und können langfristig deren Ziel langfristig stabiler Preise kaum erreichen189. Einseitige Anpassungen der Fiskalpolitik an eine regelbasierte Geldpolitik – insbesondere durch strenge Haushaltsbegrenzungen – können inflationäre oder deflationäre Veränderungen der Preisentwicklungen nicht vollständig verhindern190. Die Befolgung solcher Regeln kann unter bestimmten fiskalpolitischen Umständen das Preisstabilitätsziel sogar konterkarieren, indem gerade durch ungünstige fiskalische Entwicklungen inflationäre oder deflationäre Entwicklungen ausgelöst oder verstärkt werden191, weil die Strategien von Geldpolitik und Fiskalpolitik miteinander unvereinbar sein können192. Geldpolitische Dominanz impliziere außerdem, dass ein (drohender) Zahlungsausfall des Fiskus die Zentralbank nicht an einer restriktiven Geldpolitik hindern kann, auch wenn durch einen Zahlungsausfall kurz- und mittelfristig Produktions-/Produktivitätsverluste (output losses) in Kauf genommen werden193. Jedoch werde auf diese Weise sogar der allgemeine Erfahrungssatz relativiert, dass ein Staatshaushalt faktisch niemals außer Stande sein könne, Zahlungen in eigener Währung zu erfüllen194. Die geldpolitische Dominanz wird aus diesem Grunde als „extrem“ kritisiert, weil man davon ausgehen könne, dass auch die Fiskalpolitik in Zeiten fiskalischer Stabilität an einem stabilen Preisniveau inte186 Vgl. O. Jeanne, Fiscal challenges to monetary dominance in the euro area: a theoretical perspective, S. 143 (149). 187 O. Jeanne, Fiscal challenges to monetary dominance in the euro area: a theoretical perspective, S. 143 (149). 188 O. Jeanne, Fiscal challenges to monetary dominance in the euro area: a theoretical perspective, S. 143 (143). 189 M. Woodford, Fiscal requirements for price stability, S. 3. 190 M. Woodford, Fiscal requirements for price stability, S. 71. 191 M. Woodford, Fiscal requirements for price stability, S. 3. 192 M. Woodford, Fiscal requirements for price stability, S. 70 f. 193 N. Kocherlakota, Central bank independence and sovereign default, S. 151 (151). 194 Ebd.

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

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ressiert sei und sie die rechtliche und institutionelle Trennung von der Geldpolitik respektiere195. Die Geldpolitik kann sich zwar ganz einem Preisstabilitätsziel verschreiben; ihre Dominanz hat aber die Fiskalstabilität als Bedingung196. Das dadurch zum Ausdruck kommende Verständnis des Begriffes der Dominanz ist paradox. Die Geldpolitik ist nicht dominant, wenn sie letztlich faktisch auf ein bestimmtes (ihren Anforderungen entsprechendes) Verhalten der Fiskalpolitik angewiesen ist. Langfristig bestimmt daher die fiskalpolitische Entwicklung die geldpolitische Ausrichtung197. Empirische Studien haben gezeigt, dass auch fiskalische Konsolidierungen, die von der vermeintlich dominanten Geldpolitik zur Auflage gemacht wurden, in der Vergangenheit häufig doch von der Geldpolitik schon unterstützt wurden, als die Umsetzung der Sparprogramme noch gar nicht beschlossen war198. Es wurde zwar lange Zeit davon ausgegangen, dass die Geldpolitik Preisstabilität allein dadurch sichern könne, dass sich eine unabhängige Zentralbank auf dieses Ziel fokussiere199. Mittlerweile aber ist es weithin anerkannt, dass die geldpolitische Stabilität auch fiskalische Stabilität erfordert200, obwohl die Geldpolitik die fiskalische Stabilität selbst nicht gewährleisten kann201. Kommt es zu fiskalischen Instabilitäten, können diese nicht mit dem geldpolitischen Ziel der Preisstabilität in Einklang gebracht werden, so dass es oftmals nur die Wahl gebe zwischen Fiskalkrise und Inflation202. Eine Zentralbank mit einem Mandat für Preisstabilität könne letztlich der Fiskalpolitik nicht „indifferent“ gegenüberstehen203. Die Ziele von Geldpolitik und Fiskalpolitik lassen sich zwar in Zeiten finanzieller Stabilität miteinander vereinbaren, so dass keine negative Austauschbeziehung (trade-off) besteht204. Ein Zielkonflikt tritt aber auf, sobald sich Fis-

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D. Dodge, The Interaction Between Monetary and Fiscal Policies, S. 9. Vgl. M. Sutter, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt in der Europäischen Währungsunion, S. 40 f. (m.w. N.). 197 Vgl. D. Dodge, The Interaction Between Monetary and Fiscal Policies, S. 9. 198 Vgl. T. Hellebrandt/A. S. Posen/M. Tolle, Does monetary cooperation or confrontation lead to successful fiscal consolidation?, S. 131 (140). 199 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 388 f. 200 R. Beck, Stabilitätspolitik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, S. 49. 201 Vgl. M. B. Canzoneri/R. E. Cumby/B. T. Diba, Should the European Central Bank and the Federal Reserve Be Concerned about Fiscal Policy?, S. 333 (336). 202 C. Noyer, Central banking in a context of high public debt, S. 9 (12). 203 M. Woodford, Fiscal requirements for price stability, S. 3; M. B. Canzoneri/R. E. Cumby/B. T. Diba, Should the European Central Bank and the Federal Reserve Be Concerned about Fiscal Policy?, S. 333 (333). 204 F. Zurbrügg, Fiskal- und Geldpolitik im Spannungsfeld stabilitätsorientierter Wirtschaftspolitik, S. 4. 196

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

kalinstabilitäten herausbilden und dadurch das Preisniveau instabil zu werden droht oder geworden ist. c) Funktionale Trennung von Geldpolitik und Fiskalpolitik Teilweise wird wegen der intensiven Wechselwirkungen und Abhängigkeitsverhältnisse eine enge gemeinschaftliche Abstimmung zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik befürwortet205. Beide Politikbereiche laufen ohne eine enge Abstimmung Gefahr, gegeneinander zu agieren206. Eine restriktiv eingesetzte Fiskalpolitik konterkariert eine expansiv ausgerichtete Geldpolitik, wenn Haushaltsüberschüsse gespart und damit stillgelegt werden207. Zudem kann eine expansive Fiskalpolitik durch den Einsatz von gespartem Kapital, von Kreditmöglichkeiten bei der Zentralbank oder von Finanzierungsmöglichkeiten auf ausländischen Kapitalmärkten eine restriktiv ausgerichtete Geldpolitik erschweren oder vereiteln208. Eine expansive Fiskalpolitik kann hingegen nur dann durch inländische Banken oder den heimischen Kapitalmarkt finanziert werden, wenn die restriktive Geldpolitik ineffektiv agiert, weil die Zentralbank es nicht schafft, ihre Instrumente erfolgreich zur Geldmengenbeschränkung einzusetzen209. Jedoch wird eine Abstimmung von Geldpolitik und Fiskalpolitik auch für strategisch ungeeignet gehalten, weil diese die Verantwortungsbereiche vermische und das zu zusätzlichen Unsicherheitsfaktoren führe210. Demnach sollen vor allem „explizite“ Koordinationsprozesse die „impliziten“ Bestandteile des institutionellen Regelungsgefüges untergraben, die zur Vermeidung der Haushaltsfinanzierung durch die Geldpolitik eingeführt wurden211. Diese Probleme treten insbesondere auf, wenn die geldpolitischen und fiskalpolitischen Akteure die Ansichten unterschiedlicher ökonomischer Lehren vertreten212. Dies kann dazu führen, dass die Akteure unvereinbare Prognosen abgeben und den Handlungsbedarf unterschiedlich einschätzen213. Teilweise wird ferner darauf hingewiesen, dass die 205 Vgl. P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 2 f.; M. Woodford, Fiscal requirements for price stability, S. 3 u. 70. 206 Vgl. K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 62. 207 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 62. 208 K. Socher, Koordination des Einsatzes geld- und finanzpolitischer Instrumente, S. 63. 209 Ebd. 210 B. Winkler, Co-ordinating Stability: Some Remarks on the Roles of Monetary and Fiscal Policy under EMU, S. 287 (294); vgl. B. Van Aarle/G. Di Bartolomeo/J. Engwerda/J. Plasmans, Monetary and Fiscal Policy Design in the EMU, S. 321 (337). 211 B. Winkler, Co-ordinating Stability: Some Remarks on the Roles of Monetary and Fiscal Policy under EMU, S. 287 (297). 212 Vgl. A. S. Blinder, Issues in the coordination of monetary and fiscal policy, S. 18. 213 Vgl. ebd.

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

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Fiskalpolitik ohnehin nicht mit der Geldpolitik im Rahmen von Ermessensentscheidungen strategisch zusammenarbeiten könne, weil die Anforderungen des Demokratieprinzips an die Entscheidungsfindung den zeitlichen Anforderungen der Geldpolitik nicht gerecht werden könnten214. Daher sollen Geldpolitik und Fiskalpolitik nicht durch eine gemeinsame Abstimmung der Entscheidungen, sondern durch eine funktionale Trennung mit eindeutig abgegrenzten Kompetenzbereichen koordiniert werden. Die funktionale Trennung solle vor allem erfolgen, um der Geldpolitik einen eigenständigen und unabhängigen Entscheidungsbereich zu geben, in welchem die Zentralbank bestmöglich Preisstabilität sicherzustellen sucht. Außerdem solle die funktionale Trennung dafür Sorge tragen, dass sich die geldpolitischen und fiskalpolitischen Akteure nicht aufeinander verlassen und ein Wettbewerb zwischen ihnen um die besten finanzpolitischen Konzepte stattfinde215. Es wurde vorgeschlagen, dass eine funktionale Trennung erreicht werden kann, indem die Fiskalpolitik für die interne wirtschaftliche Stabilität sorgt und die Geldpolitik für die äußere wirtschaftliche Stabilität im Wege einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz216. Demnach sollen fiskalpolitische Instrumente besonders geeignet sein für interne und geldpolitische für externe Stabilisierungsmaßnahmen217. Jedoch wird die Aufgabenverteilung dem Umstand nicht gerecht, dass die Geldpolitik das interne Geldsystem steuert und ihr nicht nur eine außenwirtschaftliche Steuerungsfunktion zukommt. Nach einem weiteren verbreiteten Ansatz sollen die Aufgaben zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik auf eine Weise verteilt werden, dass sich die Geldpolitik um die Stabilisierung der Wirtschaftszyklen und der Inflationsraten kümmert und die Fiskalpolitik sich nur auf die öffentliche Verschuldung konzentriert218. Außerdem soll die Geldpolitik keinerlei Funktion bei der Stabilisierung der Fiskalpolitik übernehmen219. Es wird argumentiert, dass die Nachteile des Verzichts auf Fiskalpolitik bei der Stabilisierung von Wirtschaftszyklen gering seien220. 214 Vgl. M. B. Canzoneri/R. E. Cumby/B. T. Diba, Should the European Central Bank and the Federal Reserve Be Concerned about Fiscal Policy?, S. 333 (334). 215 Vgl. R. Neck/G. Haber, Geldpolitik und Finanzpolitik in der Währungsunion: Gegner oder Partner?, S. 201 (204). 216 R. A. Mundell, The Appropriate Use of Monetary and Fiscal Policy for Internal and External Stability, S. 70 (76); vgl. D. Dodge, The Interaction Between Monetary and Fiscal Policies, S. 3 f. 217 Vgl. R. A. Mundell, The Appropriate Use of Monetary and Fiscal Policy for Internal and External Stability, S. 70 (76 f.). 218 T. Kirsanova/C. Leith/S. Wren-Lewis, Monetary and Fiscal Policy Interaction, S. 22. 219 T. Kirsanova/C. Leith/S. Wren-Lewis, Monetary and Fiscal Policy Interaction, S. 15. 220 T. Kirsanova/C. Leith/S. Wren-Lewis, Monetary and Fiscal Policy Interaction, S. 22.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Die funktionale Trennung beruht jedoch auf den Annahmen, dass die Fiskalpolitik auf das Inflationsniveau und die Geldpolitik auf den Staatshaushalt nur geringen Einfluss haben221. Trotz zum Teil nur geringer Bedeutung der Seigniorage-Einnahmen für die Staatshaushalte ist die Geldpolitik über die Kontrolle des Preisniveaus von großer Bedeutung für den realen Wert der Staatsschuld und von Staatsanleihezinssätzen 222. Geldpolitik allein bietet der Finanzwirtschaft keinen „nominalen Anker“, vielmehr geschieht dies durch ein Zusammenspiel von Geldpolitik und Fiskalpolitik, denn einige Kombinationen von geldpolitischen und fiskalpolitischen Zielen und Instrumenten führen zu stabilen Preisen, andere dagegen nicht223. Ein stabiles Preisniveau ist nur zu erreichen, wenn die Haushaltsdefizite durch die Fiskalpolitik ausgeglichen werden, bevor die Zinslasten des Fiskus zu groß werden, um sie mit den Abgabeinstrumenten zu finanzieren224. Einige modelltheoretische Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass kooperative Aktionen der geldpolitischen und fiskalpolitischen Akteure vor allem bei fixierten Regeln, aber teilweise auch bei diskretionären Entscheidungsmöglichkeiten, bessere Ergebnisse hervorbringen225. Ohne Kooperation sollen sich – spieltheoretisch betrachtet – Nash-Gleichgewichte einstellen, die zu ökonomisch nachteiligen Entscheidungen führen226. Es könne sich demnach ein Widerstreit entwickeln, in welchem sich die Geldpolitik bemüht, die inflationären Wirkungen der expansiven Fiskalpolitik zu neutralisieren, woraufhin die Fiskalpolitik weiter expandiert, um trotz der restriktiven Geldpolitik noch Nachfrageeffekte zeitigen zu können227. Optimale Ergebnisse werden dagegen grundsätzlich spieltheoretisch erzielt, wenn die Akteure miteinander kooperieren228. Jedoch kann eine wirtschaftstheoretische Bewertung der Zweckmäßigkeit von Kooperation oder funktioneller Trennung nicht generell und in eindeutiger Weise erfolgen, weil sie von der jeweiligen institutionellen Umgebung und von der Art der jeweiligen Schocks, die auf das Finanzsystem einwirken, abhängt229. Geldpolitik und 221

Vgl. Kapitel D.I.1. u. 2. und M. Woodford, Fiscal requirements for price stability,

S. 1 f. 222

Vgl. Kapitel D.I.1.b) und M. Woodford, Fiscal requirements for price stability,

S. 1 f. 223 M. B. Canzoneri/R. E. Cumby/B. T. Diba, The Interaction Between Monetary and Fiscal Policy, S. 935 (942). 224 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 388. 225 Vgl. R. Neck/G. Haber, Geldpolitik und Finanzpolitik in der Währungsunion: Gegner oder Partner?, S. 201 (223). 226 Vgl. L. E. O. Svensson, The Relation between Monetary Policy and Financial Policy, S. 293 (295); T. Kirsanova/S. J. Stehn/D. Vines, The interactions between fiscal policy and monetary policy, S. 532 (533). 227 Vgl. T. Kirsanova/S. J. Stehn/D. Vines, The interactions between fiscal policy and monetary policy, S. 532 (533). 228 Vgl. ebd. 229 Vgl. R. Neck/G. Haber, Geldpolitik und Finanzpolitik in der Währungsunion: Gegner oder Partner?, S. 201 (222); T. Hellebrandt/A. S. Posen/M. Tolle, Does mone-

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

171

Fiskalpolitik können nicht „in jeder Situation die Art des Schocks kennen“, auf den sie zu reagieren haben, um gegebenenfalls zu kooperieren230; denn realiter setzen sich makroökonomische Schocks aus einer Vielzahl von Elementen zusammen, die jeden Schock individuell beschaffen und einzigartig machen231. Der Ansatz der funktionalen Trennung von Geldpolitik und Fiskalpolitik stellt zwar der Geldpolitik einen eigenständigen Entscheidungsbereich sicher, ohne fiskalpolitischer Dominanz unterworfen zu sein, insbesondere wenn die Zentralbank in geldpolitischen Angelegenheiten in unabhängiger Weise entscheiden kann und die Handlungsmöglichkeiten der Fiskalpolitik durch formale Verschuldungsregeln eingegrenzt werden. Jedoch hat es die funktionale Trennung nicht geschafft, eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen den politischen Akteuren herbeizuführen, weil mit der Geldpolitik und der Fiskalpolitik verbundene Bereich der Finanzstabilitätspolitik ausklammert wurde, da formale Verschuldungsregeln in Verkennung ihrer Wirksamkeit für die Lösung der Fiskalstabilitätsgefahren für die Geldpolitik gehalten wurden. Außerdem wurde verkannt, dass die Finanzstabilitätspolitik wegen der Erfordernisse des Demokratieprinzips nicht der Zentralbank mit der Begründung überantwortet werden kann, dass dies notwendig sei, um eine funktionale Trennung zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik zu erreichen. Eine funktionale Trennung kann überhaupt nur gelingen, falls das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik um die Finanzstabilitätspolitik erweitert wird. aa) Unabhängige Implementierung der Geldpolitik durch die Zentralbank Die geldpolitische Unabhängigkeit von der Entscheidungsgewalt anderer Akteure soll es der Zentralbank ermöglichen, die Geldpolitik funktionell von der Fiskalpolitik getrennt zu implementieren. Die institutionelle Unabhängigkeit wird zumeist damit begründet, dass politisch abhängige Zentralbanken Staatshaushalte durch lockere Geldpolitik stützen232, weshalb die Zentralbank keiner fiskalpolitischen Einflussnahme ausgesetzt sein dürfe233. Die „Finanzierung“ öffentlicher Ausgaben im Wege der Monetarisierung und Inflationierung sei politisch leichter durchsetzbar als Steuererhöhungen, weil die Belastung durch Steuern unmittelbarer und offensichtlicher erfolge234. Die Unabhängigkeit fungiere tary cooperation or confrontation lead to successful fiscal consolidation?, S. 131 (132); R. Solveen, Der Einfluß der Unabhängigkeit auf die Politik der Zentralbanken, S. 130. 230 R. Neck/G. Haber, Geldpolitik und Finanzpolitik in der Währungsunion: Gegner oder Partner?, S. 201 (223). 231 Vgl. R. Neck/G. Haber, Geldpolitik und Finanzpolitik in der Währungsunion: Gegner oder Partner?, S. 201 (223). 232 P. Spahn, Geldpolitik, S. 254. 233 N. G. Mankiw, Makroökonomik, S. 487 f. 234 Vgl. R. Solveen, Der Einfluß der Unabhängigkeit auf die Politik der Zentralbanken, S. 131.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

daher als „eine Korrektur einer Verzerrung der Präferenzen“, weshalb die Unabhängigkeit (zwangsläufig) zu einer Wohlfahrtssteigerung führe235. Die institutionelle Unabhängigkeit soll es der Zentralbank ermöglichen, sich ohne Einschränkungen infolge von fiskalpolitischen Handlungen verhalten zu können. Der Einfluss der Fiskalpolitik auf die Geldpolitik wird aber durch die institutionelle Unabhängigkeit der Zentralbank keineswegs aufgehoben236. Allein die Unabhängigkeit der Zentralbank kann stabile Preise nicht gewährleisten237. Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist nur insoweit möglich, wie „die Staatsausgaben nur einen verhältnismäßig kleinen Teil aller Ausgaben bilden und die Staatsschulden . . . nur einen kleinen Teil aller Kreditmittel ausmachen“ 238. Eine sinnvolle Geldpolitik könne deshalb nur in Abstimmung mit der Fiskalpolitik erfolgen, weil die Staatsausgaben heutzutage die Grundlage für einen erheblichen Teil des Bruttoinlandsprodukts bilden239. Letztlich kann es keine vollkommen unabhängige Zentralbank geben, weil die Zentralbank und der Erfolg der Geldpolitik immer vom Erfolg fiskalpolitischer Funktionen im Besonderen und der Finanzstabilität im Allgemeinen abhängig sind240. bb) Funktionale Trennung durch formale Regeln Zur Durchsetzung der funktionalen Trennung werden formale Regeln zur Begrenzung der fiskalpolitischen Verschuldungsmöglichkeiten angewendet, um die Wechselwirkungen der Staatsverschuldung mit der Geldpolitik zu verringern241. Diese formalen Regeln sollen verhindern, dass die Fiskalpolitik bei der Implementierung der von der Zentralbank als optimal befundenen Geldpolitik interferiert242. Durch die Anwendung von Grenzwerten soll die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung sichergestellt werden. Bei der Beurteilung der Tragfähigkeit der Staatsverschuldung wird vor allem der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts eine besondere Bedeutung beigemessen, wobei die Staatsverschuldung in das Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt wird (Schuldenquote), weil die Wirtschaftskraft der inländischen Wirtschaft Rückschlüsse auf die Rückzahlung der Staatsschulden durch den Fiskus 235 R. Solveen, Der Einfluß der Unabhängigkeit auf die Politik der Zentralbanken, S. 131. 236 P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 4. 237 N. Kocherlakota, Central bank independence and sovereign default, S. 151 (152). 238 F. A. v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 440 f. (m.w. N.); E. Görgens/ K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 370. 239 Ebd. 240 Vgl. W. H. Buiter, A Small Corner of Intertemporal Public Finance, S. 1; O. Steiger, Which lender of last resort for the eurosystem?, S. 2. 241 P. Hilbers, Interaction of Monetary and Fiscal Policies, S. 7. 242 Vgl. M. Woodford, Fiscal requirements for price stability, S. 3.

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

173

zulassen soll243. Wächst das Bruttoinlandsprodukt, dann sinkt die Schuldenquote bei gleich bleibendem Verschuldungsumfang244. Sinkt dagegen die Wachstumsrate unter den realen Zinssatz, dann steigt die Schuldenquote an245. Wirtschaftswachstum vergrößert demnach grundsätzlich die Steuerbasis und damit die Einnahmenbasis des Fiskus. Die Schuldenquote verschlechtert sich dagegen, wenn sich der Realzins erhöht, die Wirtschaftswachstumsrate sinkt oder die Primärdefizitrate über der Wachstumsrate liegt246. Die Staatsschuldenquote steigt, wenn das Primärdefizit und die realen Zinsverpflichtungen zusammen unter den Seigniorage-Einnahmen liegen247. Die Inflationsrate und die Zinshöhe haben demzufolge entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Schuldenquote. Mit steigender Schuldenquote ziehen die Kreditgeber des Fiskus regelmäßig ihr Kapital ab, denn durch die Erhöhung der Schuldenquote vergrößert sich der Anreiz für den Fiskus, seine Verbindlichkeiten nicht mehr zu bedienen248. Zumindest dürften hohe Schuldenquoten die Gläubiger dazu veranlassen, die Risikoprämienbestandteile in den Zinssätzen zu erhöhen, um sich gegen Hilfsmaßnahmen der Zentralbank für den Fiskus abzusichern249. Für die Beurteilung der Tragfähigkeit der Schuldenquote wird deshalb vorgeschlagen, den Wert nicht in nominalen, sondern in realen Einheiten zu messen, das heißt, dass nicht in Geld-, sondern in Gütereinheiten gemessen werden sollte250. In dauerhaft rezessivem Umfeld wird das inländische Finanzsystem regelmäßig fiskalisch destabilisiert251. Besonders deutlich tritt eine Fiskalinstabilität zu Tage, wenn die Schuldenquote steigt, obwohl der Primärsaldo ausgeglichen ist, weil die Zinszahlungen für die bereits angehäufte Staatsschuld nicht mehr vom Fiskus bedient werden können252. Wenn die Schuldenquote immer größer wird, steigt die Zinsquote am Staatshaushalt durch Zinseszinseffekte schrittweise, wodurch die Primärquote entsprechend an Bedeutung verliert253. Eine steigende Inflationsrate wirkt den rezessiven und zinsbedingten Effekten durch eine Abwertung der Staatsschuld entgegen254. Reicht auch dieser Effekt nicht aus, besteht

243 244 245 246 247 248 249 250

Vgl. B. U. Wigger, Grundzüge der Finanzwissenschaft, S. 180. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 376. E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (401). Ebd. E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (410). N. G. Mankiw, Makroökonomik, S. 489. D. Dodge, The Interaction Between Monetary and Fiscal Policies, S. 7. Vgl. E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398

(399). 251 252 253 254

E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (410). E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 384 f. Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 249 f. E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (415).

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

oft der einzige Ausweg in der Monetarisierung der Staatsschuld255, um die Fiskalkrise zu vermeiden. Als prominentes Beispiel für formale Verschuldungsregeln durch die Schuldenquote sind die Maastricht-Kriterien256 zu nennen257, obwohl die MaastrichtKriterien ohne wissenschaftliche Fundierung festgelegt wurden258. Der SechzigProzent-Wert entsprach in etwa der durchschnittlichen Schuldenquote aller nationalen Haushalte der unterzeichnenden Staaten259. Dieser Wert umfasst jedoch nur den expliziten Teil der Staatsschuld und nicht den impliziten, so dass im Wert bereits gegenwärtig begründete rechtliche Verbindlichkeiten – wie künftige Beamtenpensionen – nicht inbegriffen sind260. Der Drei-Prozent-Wert hingegen wurde mit der Annahme begründet, dass bei einer Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von fünf Prozent und einer Inflationsrate von zwei Prozent ein jährliches Haushaltsdefizit von drei Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt die Schuldenquote stabilisiert261. Wenn die Wachstumsraten unter fünf Prozent liegen, muss das jährliche Defizit entsprechend unter den drei Prozent liegen, um die Schuldenquote zu halten262. Je geringer der Wert des Wirtschaftswachstums ausfällt, desto schwieriger ist der Grenzwert einzuhalten263. Liegt dagegen der Realzins wegen überraschend hoher Inflationsraten unter der Rate des Wirtschaftswachstums, kann bei konstanter Schuldenquote das Primärdefizit steigen264, so dass die Schuldenquote bei hohen Inflationsraten nur eingeschränkt zu disziplinieren vermag265. Die Verknüpfung von fiskalischen Defizitgrößen und Inflationsraten institutionalisiert formal die Verbundenheit von Geldpolitik und Fiskalpolitik266.

255 E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (410); E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 384 f. 256 Vgl. im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts Art. 1 des Protokolls Nr. 12 i.V. m. Art. 126 Abs. 2 AEUV. 257 Im Zuge der Fiskalkrise wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt durch den Europäischen Fiskalpakt verschärft, vgl. Art. 3 Abs. 1 des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion. 258 O. Issing, Der Euro, S. 170. 259 Ebd. 260 Ebd. 261 Ebd. 262 E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (415). 263 E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (415 f.); E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 411 f. 264 P. Spahn, Geldpolitik, S. 250. 265 E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (415 f.); E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 411 f. 266 Vgl. E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (416); E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 413.

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

175

Die Maastricht-Kriterien haben als Referenzwerte eine Signalfunktion, die zur Fiskalstabilisierung hilfreich sein kann, weil eine Kontrolle des Ausmaßes der Staatsverschuldung auch quantitativer Bezugspunkte bedarf 267. Jedoch ist die Starrheit der Referenzwerte kritisch zu beurteilen, da eine Defizitquote von drei Prozent bei antizyklischer Fiskalpolitik in Zeiten schwacher Konjunktur oder Rezession deutlich zu wenig sein kann268. Dagegen kann eine Defizitquote von drei Prozent bei gutem Konjunkturverlauf deutlich zu viel sein, wenn die Fiskalpolitik ihre Haushaltsdefizite über den gesamten Wirtschaftszyklus hinweg auszugleichen versucht269. Vor allem die Mitgliedsstaaten einer Währungsunion, die ihre Geldhoheit aufgegeben haben, werden durch die formalen Grenzwerte in ihrer Fiskalhoheit gerade zu einem Zeitpunkt beschränkt, zu welchem sie die fiskalpolitische Gestaltungshoheit am dringendsten bräuchten270. Als Instrument zum Schutz der Zentralbank vor fiskalpolitischem Druck sind sie langfristig nur eingeschränkt geeignet, weil die Zentralbank die Einhaltung der Referenzwerte in einer Demokratie langfristig nicht gegen den Willen des Parlaments durchsetzen kann271. Der Gesetzgeber kann gesetzliche Grenzwerte wieder einschränken oder gänzlich aufheben. d) Staatsverschuldung in einer Währungsunion Die Koordinierung stellt sich in einer Währungsunion als besonderes Problem dar, weil das Konfliktpotential zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik in einer Währungsunion größer ist als in einem Staat mit eigener Währung, da asymmetrische Anreizstrukturen eine optimale Koordinierung verhindern272. Die Geldpolitik einer Währungsunion muss funktional von den Fiskalpolitiken der einzelnen Mitgliedsstaaten getrennt werden, um eine unterschiedslose Behandlung der Mitgliedsstaaten zu ermöglichen. Das Hauptproblem einer Währungsunion im Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik liegt in der Verschuldung der Mitgliedsstaaten in einer „fremden“ Währung begründet, also in einer Währung, über die sie nicht selbst bestimmen und verfügen können273. Außerdem können asymmetrische volkswirtschaftliche Schocks nicht mehr durch Wechselkurs- oder Zinsanpassungen abgefedert wer267 268 269 270

Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 170. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 227. Ebd. Vgl. J. Gali/R. Perotti, Fiscal policy and monetary integration in Europe, S. 533

(535). 271 Vgl. M. B. Canzoneri/R. E. Cumby/B. T. Diba, Should the European Central Bank and the Federal Reserve Be Concerned about Fiscal Policy?, S. 333 (339). 272 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 166 f. 273 P. Spahn, Die Euro-Verschuldung der Nationalstaaten als Schwachstelle der EWU, S. 531 (531).

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

den274. Ohne die Möglichkeit der Abstimmung der Geldpolitik auf die fiskalpolitischen Bedürfnisse werden die Schuldtitel des Fiskus langfristig eine schwächere Marktstellung aufweisen275. In der Währungsunion besteht eine asymmetrische Anreizstruktur, weil die Allgemeinheit der Mitgliedstaaten für individuelle Vorteile einzelner Mitgliedsstaaten aufzukommen hat (moral hazard)276. Eine expansive Fiskalpolitik eines Mitgliedsstaats nützt in erster Linie der eigenen Volkswirtschaft, wohingegen die Finanzstabilitätsgefahren alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise treffen277. Umgekehrt fungiert eine konsolidierte Fiskalpolitik eines Staates wie ein öffentliches Gut, weil sie beispielsweise der Wertschätzung der Gemeinschaftswährung am Markt zuträglich ist, also alle Mitgliedsstaaten profitieren, ohne dass einer vom Nutzen ausgeschlossen werden kann278. Es entfallen wichtige Faktoren und Indikatoren für eine solide Fiskalpolitik279. Durch die Währungsunion entfällt das individuelle Abwertungsrisiko, dem Einzelstaatenwährungen im Falle hoher Verbindlichkeiten des Fiskus in eigener Währung ausgesetzt wären280. Internationale Finanzwirtschaftsakteure berechnen für Investitionen in Staatsschuldpapieren, die in der Währung des Schuldnerstaates nominiert sind, Risikoprämien, die als eine Art Sanktionsmechanismus mit wachsender Verschuldung ansteigen281. Eigentlich wäre zu erwarten, dass gerade in einer Währungsunion Zuschläge für die Bonitätsrisiken des Fiskus berechnet würden, weil die Mitgliedsstaaten die Hoheit über die eigene Währung – das äußerste Entschuldungsmittel des Fiskus – abgegeben haben282. Diese Risikoaufschläge werden aber häufig nicht vorgenommen, weil die Finanzwirtschaftsakteure mit Fiskalhilfen der übrigen Mitgliedstaaten rechnen283. Die Nominalzinsen für Staatsanleihen konvergieren, obwohl die Inflationsdifferenzen fortbestehen, so dass die Realzinsen für Mitgliedstaaten mit höheren Inflationsraten weit niedriger sind284. 274

L. Vogel, Fiskalpolitik in der Währungsunion, S. 15. Vgl. P. Spahn, Die Euro-Verschuldung der Nationalstaaten als Schwachstelle der EWU, S. 531 (531). 276 O. Issing, Der Euro, S. 167. 277 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 166 f. 278 E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 391. 279 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 390. 280 O. Issing, Der Euro, S. 167. 281 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 168. 282 R. Beck, Stabilitätspolitik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, S. 62. 283 Vgl. R. Beck, Stabilitätspolitik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, S. 62. 284 R. Maurer, Die Verschuldungskrise der Europäischen Währungsunion – Fiskalische Disziplinlosigkeit oder Konstruktionsfehler?, S. 85 (85). 275

I. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik

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Vor allem negative Realzinsen bieten einen großen Anreiz zur Kreditaufnahme. Den Fisken steht durch die Währungsunion ein wesentlich größerer gemeinsamer Kapitalmarkt zur Verfügung, über den grundsätzlich auf die Ersparnisse der gemeinsamen Volkswirtschaften zurückgegriffen werden kann285. Ausländisches Kapital wird aber schneller abgezogen, wenn sich die Investitionsbedingungen verschlechtern. Empirische Daten zeigen, dass nicht nur die hohen Schuldenquoten der Mitgliedsstaaten, sondern auch die hohe Nettoauslandsverschuldung für die aktuelle Finanzkrise verantwortlich sind286. In der Europäischen Währungsunion wurde zunächst versucht, die Abstimmung von Geldpolitik und Fiskalpolitik durch funktionelle Trennungen zu verhindern, aber finanzstabilitätspolitische Erfordernisse haben schließlich Abstimmungen erforderlich gemacht287. Mittlerweile wird vermehrt gefordert, die mitgliedstaatliche Fiskalpolitik untereinander und mit der Zentralbank enger abzustimmen, um die falschen Anreizstrukturen aufzubrechen288. Jedoch wird dabei außer Acht gelassen, dass für die einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedliche fiskalpolitische Konzepte angezeigt sein können, die nicht miteinander vereinbar sind und somit eine Abstimmung nicht zweckmäßig erscheinen lassen. Das Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik befindet sich in einer Währungsunion in einem Dilemma, weil die Fiskalpolitik durch formale Regeln und Abstimmungsverfahren durch Haushaltskürzungen stabilisiert werden soll, obwohl es in einer Währungsunion insbesondere der Fiskalpolitik als Stabilisierungsinstrument bedürfte, wenn die für das gesamte Währungsgebiet einheitliche Geldpolitik zu undifferenziert ist, um auf regionale oder volkswirtschaftliche Bedürfnisse reagieren zu können289. In der Europäischen Währungsunion darf die Geldpolitik die Fiskalpolitik einzelner Mitgliedsstaaten nicht unterstützen, sondern die Instrumente der Geldpolitik dürfen nur pauschal an alle Mitgliedsstaaten adressiert werden290. Jedoch sind die fiskalpolitischen Entwicklungen und damit auch die geldpolitischen Bedürfnisse regional sehr verschieden, so dass die an den Durchschnittswerten der gesamten Währungsunion ausgerichteten geldpolitischen Maßnahmen selten angemessen und häufig kontraproduktiv sind291.

285

E. Görgens, Mögliche Konflikte zwischen Geld- und Finanzpolitik, S. 398 (422). R. Maurer, Die Verschuldungskrise der Europäischen Währungsunion – Fiskalische Disziplinlosigkeit oder Konstruktionsfehler?, S. 85 (85). 287 Vgl. J. Jones, Monetary and Fiscal Policy Interaction, S. 4 u. 21. 288 Vgl. A. Dixit/L. Lambertini, Symbiosis of Monetary and Fiscal Policies in a Monetary Union, S. 4; K. Ullrich, Unterschiede zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die Konsequenzen für eine Delegation, S. 14 f. 289 Vgl. L. Vogel, Fiskalpolitik in der Währungsunion, S. 211. 290 Vgl. M. Heine/H. Herr, Die Europäische Zentralbank, S. 224. 291 Vgl. ebd. 286

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik Zunächst soll das Verhältnis von Geldstabilität und Finanzstabilität geklärt werden, um das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik bestimmen zu können. In einem zweiten Schritt wird untersucht, wie die Geldpolitik implementiert werden sollte, um finanzstabilitätspolitischen Anforderungen gerecht zu werden. 1. Monetäre Stabilität und finanzielle Stabilität Für das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilität ist die Beziehung zwischen Geldstabilität und Finanzstabilität grundlegend. Stabilität ist überhaupt Voraussetzung, um etwas als Geld bezeichnen zu können, weil nach der allgemeinen Gelddefinition Geld all das ist, was Geldfunktionen ausübt oder erfüllt292. Solange das Geld sich in einem Zustand befindet, in welchem es seine Geldfunktionen erfüllt und nicht durch andere Faktoren zu verlieren droht, befindet sich die Geldordnung im Zustand monetärer Stabilität (Geldstabilität). Als monetäre Instabilität ist daher ein Zustand zu bezeichnen, in welchem zumindest ein wesentlicher Teil des Geldes – insbesondere das Zentralbankgeld – gefährdet ist, seine Geldfunktionen zu verlieren. In der monetären Krise hingegen verliert das vormals als Geld zu bezeichnende finanzielle Verhältnis (teilweise) seine Geldeigenschaft, weil es im Zustand der monetären Krise nicht mehr imstande ist, die Geldfunktionen auszuüben oder zu erfüllen. Im Zustand der monetären Instabilität besteht demzufolge die konkrete Gefahr einer monetären Krise. Die monetäre Instabilität ist gleichzeitig eine finanzielle Instabilität, ebenso wie die monetäre Krise eine finanzielle Krise darstellt. Der Zustand einer Finanzkrise ist erreicht, wenn zumindest eine wesentliche (Teil-)Funktion des Finanzsystems aufgehoben wird293. Demzufolge ist auch das Finanzsystem insgesamt im Zustand der Krise, wenn das Geldsystem als wesentlicher Bestandteil des Finanzsystems funktionell ausfällt. Daher führt die Gefahr einer monetären Krise (monetäre Instabilität) gleichsam zu einer Gefahr einer finanziellen Krise (finanzielle Instabilität); somit ist die monetäre Instabilität eine Kategorie der finanziellen Instabilität. Die monetäre Stabilität ist deshalb Bestandteil der finanziellen Stabilität; wobei diese auch andere Bestandteile des Finanzsystems affizieren und destabilisieren kann. Aus diesem Grunde stehen auch die Geldpolitik und die Finanzstabilitätspolitik in starken Wechselbeziehungen zueinander294. Eine am Ziel monetärer 292 293 294

Vgl. Kapitel C.I.1. Siehe Kapitel C.III.1.c). Vgl. S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 128.

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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Stabilität ausgerichtete Geldpolitik leistet daher grundsätzlich auch einen finanzstabilitätspolitischen Beitrag. Im Wesentlichen wird die monetäre Stabilität durch ein stabiles Preisniveau bestimmt. a) Zusammenhang von Inflation und Finanzstabilität Eine stabile Finanzstabilitätsordnung bedarf einer stabilen Geldordnung, die vornehmlich auf stabilen Preisen beruht, denn dauerhaft volatile Preise sind eine Unsicherheitsquelle, die die (finanz-)wirtschaftliche Entwicklung hemmen kann295. aa) Auswirkungen der Preisstabilität auf die Finanzstabilität Die Finanzstabilität erfordert stabiles Geld, weil die Effizienz der Güterallokation durch hohe Inflation beeinträchtigt wird296. Die Preisstabilität ist der Finanzstabilität zuträglich297, da sie fundierte Investitionen und nachhaltiges Wirtschaftswachstum durch planbare Zinssätze erleichtert298. Inflation erschwert potentiellen Gläubigern die Suche nach geeigneten Schuldnern und Investitionsmöglichkeiten, weil sie zu Fehlerwartungen bei zukünftigen Verdienstmöglichkeiten führen kann und sie die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Gläubiger und Schuldner verschärfen kann299. Außerdem stellen hohe Inflationsraten eine Gefahr für die Finanzstabilität dar, indem sie fremdkapitalfinanzierte spekulative Käufe und dadurch eine Fehlverteilung von Ressourcen zur Folge haben300. Diese Folge kann empirisch dadurch bekräftigt werden, dass die meisten Bankenkrisen in der Vergangenheit infolge von Rezessionen aufgetreten sind, die durch Hochinflationsphasen ausgelöst wurden301. Ferner erhöhen die Inflationsraten der Vergangenheit über Inflationsrisikoprämien die Zinskosten der Schuldner in langfristigen Kreditverträgen302. Inflation 295

Vgl. J. Chant, Financial Stability as a Policy Goal, S. 1 (12 f.). Vgl. A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 4. 297 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 5. 298 Vgl. A. Garcia Herrero/P. del Rio, Central Banks as Monetary Authorities and Financial Stability, S. 7; T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 23; A. J. Schwartz, Why Financial Stability Depends on Price Stability, S. 21 (21); D. Schoenmaker, Central Banks Role in Financial Stability, S. 271 (272). 299 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 3; M. D. Bordo/D. C. Wheelock, Price Stability and Financial Stability: The Historical Record, S. 41 (60); A. J. Schwartz, Why Financial Stability Depends on Price Stability, S. 21 (21 f.). 300 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 18 (m.w. N.). 301 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 4. 302 Vgl. T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 23; A. J. Schwartz, Why Financial Stability Depends on Price Stability, S. 21 (22). 296

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

kann zur Folge haben, dass Produzenten die Preissteigerung ihres Produkts mit einer Nachfragesteigerung verwechseln, was unter Umständen zu ungerechtfertigten Produktionssteigerungen und damit zu einer Fehlallokation von Ressourcen führen kann303. Inflation kann ebenso übermäßig optimistische Gewinnerwartungen bewirken, die die Kreditvergabe (übermäßig) stimulieren304. Treten diese Kehrseiten der Inflation in ausgeprägter Weise auf, kann dies zu Kreditausfällen und zu finanziellen Instabilitäten führen. Insbesondere größere Inflationssprünge gefährden die Finanzstabilität erheblich305. Einige empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Vergangenheit gerade starke Schwankungen der Inflationsrate das Finanzsystem destabilisiert haben306. Unerwartete Inflationssprünge führen zu Umverteilungseffekten zwischen Gläubigern und Schuldnern, denn eine Inflationsrate, die höher als erwartet ausfällt, begünstigt Schuldner307. Dagegen vergrößern unerwartete Rückgänge der Inflationsrate die reale Schuldenlast und erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Kreditausfällen308. Jedoch verstärken gerade auch die Erwartungen der Finanzwirtschaftsakteure übertreffende Inflationsraten die Anfälligkeit des Finanzsystems für Verwerfungen, weil sie zu Verlusten der Banken führen309. Die Umverteilungen zugunsten der Schuldner kann die Eigenkapitalpositionen der Banken belasten, was negative Folgen für deren Kreditvergabetätigkeit haben kann310. Die Umverteilungseffekte sind am größten, wenn die Zinssätze in den Kreditverträgen festgeschrieben und nicht flexibel sind311. Die Geldpolitik wird regelmäßig mit einer Verknappung des Geldangebots reagieren, um die sprunghaft angestiegene Inflationsrate wieder zu senken312. Jedoch vergrößern von den Finanzwirtschaftsakteuren unerwartete, starke Veränderungen der Leitzinssätze die Finanzstabilitätsgefahren noch weiter, weil sich die Finanzwirtschaftsakteure auf starke Leitzinsänderungen nicht ausreichend einstellen313. Die Leitzinsanpassungen sind meist größer, wenn die Zentralbank die Anpassungen erst relativ spät vornimmt, um auf (unerwartete) Anstiege der Infla303 Vgl. M. D. Bordo/D. C. Wheelock, Price Stability and Financial Stability: The Historical Record, S. 41 (42). 304 Vgl. ebd. 305 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 18. 306 M. D. Bordo/D. C. Wheelock, Price Stability and Financial Stability: The Historical Record, S. 41 (60). 307 P. Sinclair, Financial stability and central banks: an introduction, S. 1 (13). 308 C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 18 (m.w. N.). 309 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 18. 310 Vgl. A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 16. 311 P. Sinclair, Financial stability and central banks: an introduction, S. 1 (13). 312 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 18. 313 Vgl. P. Sinclair, Financial stability and central banks: an introduction, S. 1 (14).

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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tionsrate zu reagieren314. Eine rechtzeitige und moderate Reaktion auf Inflationssteigerungen ist daher grundsätzlich auch unter Finanzstabilitätsgesichtspunkten angezeigt315. Eine starke Geldverknappung durch die Zentralbank führt nicht nur zu sehr niedrigen Inflationsraten, sondern wird wohl auch eine Deflation auslösen316. Die Geldverknappung führt zwar zu höheren Zinsen, aber Befürchtungen der Bankkunden um die Sicherheit ihrer Einlagen in Zeiten finanzieller Instabilität vergrößern den Anreiz, Einlagen abzuziehen317. Dies kann dazu führen, dass die Banken nicht mehr als Finanzmittler genutzt werden (Disintermediation), was die Destabilisierung des gesamten Finanzsystems zur Folge haben kann318. Einlagen stellen grundsätzlich die Basis für Bankgewinne dar, wodurch Bankgewinne sinken und das Insolvenzrisiko der Banken steigt319. Wegen des einlagengefährdenden Deflationsrisikos hat nicht nur der Fiskus wegen der Seigniorage ein Interesse an Inflation, sondern in einem gewissen Rahmen auch Banken320. Obwohl Deflation für die Gläubiger eine reale Aufwertung der Schuld bedeutet, kann Deflation für die Banken riskant sein321. Schuldner gehen Kreditverbindlichkeiten in der Regel mit der Erwartung steigender Preise ein, was ihnen die Rückzahlung erleichtert322. Wird diese Erwartung enttäuscht, erhöhen sich die Ausfallraten von Kreditbeziehungen und belasten damit auch die Bankbilanzen323. Einige Finanzkrisen sind wahrscheinlich bereits dadurch verursacht worden, dass Zentralbanken einer deflationären Entwicklung nicht ausreichend entgegengetreten sind324. Auch die Verringerung einer positiven Inflationsrate (Disinflation) stellt vor allem für Volkswirtschaften, die wirtschaftliche Anpassungsprozesse mit finan314

Vgl. ebd. Vgl. ebd. 316 P. Sinclair, Financial stability and central banks: an introduction, S. 1 (13). 317 Vgl. A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 16; P. Sinclair, Financial stability and central banks: an introduction, S. 1 (13 f.); P. Sinclair, Financial Stability and Central Banks, S. 377 (388). 318 Vgl. A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 16. 319 P. Sinclair, Financial stability and central banks: an introduction, S. 1 (13 f.). 320 Vgl. P. Sinclair, Financial stability and central banks: an introduction, S. 1 (14). 321 A. Garcia Herrero/P. del Rio, Central Banks as Monetary Authorities and Financial Stability, S. 7 (m.w. N.); A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 15 (m.w. N.). 322 M. D. Bordo/D. C. Wheelock, Price Stability and Financial Stability: The Historical Record, S. 41 (41). 323 A. Garcia Herrero/P. del Rio, Central Banks as Monetary Authorities and Financial Stability, S. 7 (m.w. N.); A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 15 (m.w. N.). 324 Vgl. T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 23. 315

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

zieller Deregulierung durchlaufen, ein Problem dar325. Empirisch betrachtet, trafen sehr schwere Finanzkrisen zeitlich häufig mit Disinflationsphasen zusammen326. Als Begründung lässt sich anführen, dass die Disinflation für die Banken einen Anreiz bildet, größere Risiken bei der Kreditvergabe einzugehen, weil die Realzinsen grundsätzlich steigen, obwohl sich die Schuldentragfähigkeit der Kreditschuldner aufgrund einer fallenden Inflationsrate verringert und die Kreditausfallrisiken für die Banken steigen327. Disinflation ist aber generell nur ein Übergangsphänomen, weil sich die Instabilität des Finanzsystems auflöst, sobald die Inflationsrate auf Dauer konstant niedrig bleibt328. Langfristig betrachtet, ist die Disinflation vielmehr ein Problem von hohen Inflationsraten und Inflationsschwankungen, da sie nur bei einer Anpassung eines hohen Inflationsniveaus an ein niedrigeres auftritt329. bb) Auswirkungen finanzieller Instabilität auf die Preisstabilität Jedoch ist nicht nur die Finanzstabilität von der Preisstabilität abhängig, sondern auch umgekehrt können nicht-monetäre finanzielle Instabilitäten die Verwirklichung der geldpolitischen Inflationsziele gefährden. Zunächst ist insoweit darauf hinzuweisen, dass die Zentralbank funktionierender Transmissionskanäle bedarf330, also eines stabilen Finanzsystems, um geldpolitische Impulse geben zu können331. Die Zentralbank bedarf der Transmissionskanäle, weil sie über diese mit ihren Instrumenten Einfluss auf die Preisentwicklung nimmt332. Dagegen würde die Zentralbank im Falle einer Finanzkrise, in welcher die Intermediationsfunktion der Banken durch deren Insolvenz aufgehoben wird, insbesondere ihre Zins- und Kreditkanäle verlieren, so dass die Zentralbank die Inflationsrate nicht mehr steuern und ihr Preisstabilitätsziel nicht mehr verfolgen könnte333. Überdies ist insoweit festzuhalten, dass Finanzkrisen generell einen negativen Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage haben, was die Preise sinken und damit die Inflationsrate negativ werden lässt334. Andererseits kann eine Destabilisierung des Bankensystems zu einer Flucht aus dem Bankensystem und 325

Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 7. Vgl. M. D. Bordo/D. C. Wheelock, Price Stability and Financial Stability: The Historical Record, S. 41 (60). 327 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 7. 328 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 7 f. 329 Vgl. M. D. Bordo/D. C. Wheelock, Price Stability and Financial Stability: The Historical Record, S. 41 (60); O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 8. 330 Vgl. Kapitel C.I.3.e). 331 A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 4. 332 Vgl. F. Schorkopf, Stellungnahme EZB, S. 20. 333 Vgl. ebd. 334 Vgl. J. Crespo Cuaresma/E. Gnan, Vom Umgang mit Finanzmarktinstabilität: Vier geldpolitische Strategien im Vergleich, S. 69 (85). 326

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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zum Abzug der Einlagen führen, was schließlich eine Erhöhung der Vermögenspreise bewirken kann, weil in diesem Falle Güter und Bargeld gegenüber dem Giralgeld von den privaten Finanzwirtschaftsakteuren bevorzugt werden335. Finanziell destabilisierende Vermögenspreise können jedoch Beschränkungen des Kredit- und Liquiditätswachstums – insbesondere durch eine Verschärfung von Eigenkapitalunterlegungsvorschriften – durch die finanzstabilitätspolitischen Akteure zur Folge haben, die grundsätzlich zu Kontraktionen der gesamtwirtschaftlichen Aktivität führen und die Inflationsrate drücken können336. Versucht die Geldpolitik diesen disinflationären und deflationären Tendenzen durch eine Lockerung zu begegnen, kann die geldpolitische Lockerung wiederum der Finanzstabilität abträglich sein, so dass sich erneut finanzielle Instabilitäten herausbilden können337. b) Zusammenhang von Geldmenge und Finanzstabilität Die Geldmenge hat wegen des grundsätzlich positiven Zusammenhangs zwischen Geldmenge und Preisniveau einen großen Einfluss auf die monetäre Stabilität338. Eine Überversorgung mit Geld kann deshalb zu monetärer Instabilität führen; in vergleichbarer Weise kann aber auch eine Unterversorgung der Wirtschaft mit Geld (Kredit) finanzielle Instabilität bewirken. Ein stabiles Finanzsystem erfordert eine ausreichende Liquiditätsversorgung, um realwirtschaftliche Transaktionskosten gering zu halten; jedoch sollte die Liquiditätsversorgung auch nicht zu üppig werden, um übermäßige Vermögenspreissteigerungen zu vermeiden und ein stabiles Preisniveau zu gewährleisten339. Das Maß der Liquidität im Finanzsystem ist daher eine der wesentlichen Ursachen für Finanzinstabilität 340. Der Umfang der Liquidität wird von der Zentralbank mit ihren Instrumenten nur mittelbar über die Konditionen ihres Angebots an Zentralbankgeld gesteuert341. Die Zentralbank steuert die Geldmenge nur mittelbar, weil sie ihr Geld nicht unmittelbar eigenmächtig in die Märkte bringt, sondern den Kreditinstituten Geld zu bestimmten Konditionen anbietet, welches von diesen entsprechend den Konditionen nachgefragt und abgenommen wird342. Die Geldmenge ist also von der Geldnachfrage der Wirtschaftsakteure abhängig, die gerade in Zeiten fi335

Vgl. P. Sinclair, Financial stability and central banks: an introduction, S. 1 (14). Vgl. D. Beau/L. Clerc/B. Mojon, Macro-Prudential Policy and the Conduct of Monetary Policy, S. 5. 337 Vgl. ebd. 338 Vgl. O. Issing, Der Euro, S. 92 f. 339 R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 9 f. 340 Vgl. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 7. 341 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 7. 342 Vgl. Kapitel C.I.2.b) u. c); C.I.3.a). 336

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

nanzieller Instabilitäten stark schwankt und damit von der Zentralbank schwer zu kontrollieren ist343. Je umfangreicher die monetären Aggregate gefasst werden, desto schwieriger sind diese von der Zentralbank zu kontrollieren, weshalb die Beschränkung der Zentralbankgeldmenge (Geldbasis) einfacher ist, als die Kontrolle der Geldmenge344. Bietet die Zentralbank den Kreditinstituten das Geld für einen geringen Zins an, steigt grundsätzlich die Geldmenge an und die Institute gehen zugleich mehr Risiken ein, da mehr Geld zur Renditeerzielung zur Verfügung steht345. Die übermäßige Bereitstellung von Liquidität durch die Zentralbank ist einer der Hauptgründe für die Kreditausweitung der Banken und die Entwicklung zu lockeren Kreditvergabestandards346. Exzessive Kreditvolumina sind häufig die Grundlage finanzieller Instabilitäten347. In der jüngeren Vergangenheit traten Finanzkrisen immer zusammen mit exzessiven Kreditvolumina auf348. Deshalb wird beispielsweise behauptet, dass die expansive Geldpolitik – vor allem der Federal Reserve – die jüngste Finanzkrise ausgelöst hat349. Die Zentralbanken haben demzufolge Geldmenge und Zins unter Kontrolle zu halten350. Andererseits gestaltet sich die Versorgung der Wirtschaft mit von Banken geschöpftem Giralgeld in Zeiten finanzieller Instabilitäten für die Zentralbank schwierig. Es kommt zu einem Ansturm auf liquide Vermögenswerte – insbesondere auf Zentralbankgeld – als das liquideste aller Vermögenswerte351. Infolgedessen schrumpft sowohl die Kreditvergabe durch die Banken als auch das Geldangebot insgesamt352. Ohne Gegensteuern der Zentralbank durch eine Zentralbankgeldmengenerweiterung kommt es zu einer drastischen Verkleinerung der Geldmenge, die die Wirtschaftsleistung stark schwächen kann353. Dieser Zusammenhang wird durch den Geldschöpfungsmultiplikator, der die Zentralbankgeldmenge und die Giralgeldmenge zueinander in Beziehung setzt, besonders deutlich354. Eine Bankenkrise löst in der Regel einen Ansturm auf Li343 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 160 f.; P. Spahn, Geldpolitik, S. 201 ff.; P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 249 ff. 344 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 105 u. 161. 345 Vgl. B. Braasch, Symmetrische Geldpolitik und Finanzstabilität, S. 516 (518 f.). 346 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 3. 347 Vgl. ebd. 348 Vgl. B. Braasch, Symmetrische Geldpolitik und Finanzstabilität, S. 516 (519 f.). 349 Vgl. T. Straubhaar/H. Vöpel, Geldpolitik als „Krisen-Feuerwehr“ – droht Inflation?, S. 583 (584). 350 O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 3. 351 S. Oosterloo/J. de Haan, Central banks and financial stability: a survey, S. 257 (259). 352 Ebd. 353 Ebd.

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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quidität aus, weil in der finanziellen Krise allenfalls Zentralbankgeld Bestand hat355. Durch den Ansturm auf Zentralbankgeld sinkt der Geldschöpfungsmultiplikator, weshalb die Zentralbank gezwungen ist, die Zentralbankgeldmenge auszuweiten, um die Stabilität des Geldsystems zu gewährleisten356. Eine Bankenkrise löst mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine monetäre Instabilität aus, welche nur von der Zentralbank wirksam bekämpft werden kann357. Im Zuge der jüngsten Finanzkrise konnten aber nicht einmal niedrigste Leitzinsen den Interbankenmarkt nachhaltig beleben358. Die Stabilität des Geldschöpfungsmultiplikators könnte jedenfalls durch hohe Mindestreservesätze – in Verbindung mit einer Ausweitung der Zentralbankgeldmenge als Ersatz für die geringeren Giralgeldschöpfungsmöglichkeiten – zwangsweise gesichert werden359. c) Monetäre Stabilisierung durch materielle Anbindung Bis zu seiner Abschaffung hatte der Goldstandard für einen relativ belastbaren Konnex zwischen Geldwertstabilität und Finanzstabilität gesorgt360. Die „Elastizität“ der Geldpolitik war unter dem Goldstandard durch die feste Bindung an einen exogenen Wert geringer als heute361. In der aktuellen Fiatgeldordnung wurde dafür Geldwertstabilität mit Preisstabilität gleichgesetzt362. Das Kreditvolumen wurde dadurch aber zu einer völlig endogenen Größe ohne Beschränkungen von außen, was die Stabilitätsrisiken des Geldsystems vergrößert hat363, wie sich anhand der gestiegenen Amplituden finanzieller Kennzahlen in den Aufund Abschwungphasen erkennen lässt364. Insgesamt hat sich daher die Häufigkeit von Finanzkrisen seit den Zeiten der Bretton-Woods-Geldverfassung, die auf einer formalen Goldanbindung des US-Dollars als Leitwährung durch eine Umtauschpflicht beruhte, deutlich erhöht365. 354 Vgl. G. J. Schinasi, Responsibility of Central Banks for Stability in Financial Markets, S. 8. 355 Vgl. G. J. Schinasi, Responsibility of Central Banks for Stability in Financial Markets, S. 9. 356 Vgl. G. J. Schinasi, Responsibility of Central Banks for Stability in Financial Markets, S. 9; I. Marques Gameiro/C. Soares/J. Sousa, Monetary policy and financial stability: An open debate, S. 7 (18). 357 G. J. Schinasi, Responsibility of Central Banks for Stability in Financial Markets, S. 9. 358 E. Barnea/Y. Landskroner/M. Sokoler, The Interaction of Monetary Policy and Financial Stability: Lessons from the 2007 Crisis, S. 3. 359 Vgl. P. Bofinger/J. Reischle/A. Schächter, Geldpolitik, S. 414. 360 C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 23. 361 C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 24. 362 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 23. 363 Vgl. ebd. 364 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 24. 365 Vgl. G. Scherf, Financial Stability Policy in the Euro Zone, S. 14 (m.w. N.).

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Zwischenzeitlich konnte durch die Regulierung von Finanzunternehmen der Konnex zwischen Geldwertstabilität und Finanzstabilität wiederhergestellt werden366. Mittlerweile wurde aber wegen der ressourcenallokativen Kosten der Finanzaufsicht und der Ausweichmöglichkeiten der Finanzunternehmen infolge der weitgehenden internationalen Kapitalverkehrsfreiheit dereguliert367. Diese Liberalisierungen haben sich indes häufig als Verstärker finanzieller Schwankungen erwiesen368, die immer größer und weitreichender wurden369. Zwar haben mittlerweile viele Zentralbanken niedrige und konstante Inflationsraten durchgesetzt, aber damit paradoxerweise auch die Wahrscheinlichkeit dafür erhöht, dass finanzielle Ungleichgewichte sich nicht mehr zuerst in steigenden Inflationsraten, sondern vielmehr in übermäßigen Kreditvolumen- und Vermögenspreissteigerungen zeigen370. d) Zusammenhang zwischen Verbraucherpreisen und Vermögenspreisen Vermögenspreisschwankungen können erheblichen Einfluss auf die Verwirklichung der Inflationsziele der Zentralbank nehmen. Vermögenspreisschwankungen rufen finanzielle Instabilitäten hervor371, wenn die Preisausschläge zu übertriebenen Erwartungen über Ausfallrisiken und Gewinnerwartungen bei den Finanzwirtschaftsakteuren führen. Die Preisschwankungen können im Extremfall die Form von Preisblasen annehmen372. Preissteigerungen verheißen dem optimistischen Marktakteur grundsätzlich Profite373. Manche Marktakteure spekulieren deshalb sogar über fremdkapitalinduzierte Nachfrage auf weitere Preissteigerungen374. Der Preissteigerungsprozess endet spätestens, wenn viele Marktakteure ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können375. In diesem Zustand ist das Finanzsystem instabil376. Um die Schulden bedienen zu können, verkaufen die Schuldner die kreditfinanzierten Vermögensgegenstände, wodurch ein Preisverfall ausgelöst wird377. Kommt es 366

Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 23. Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 23; A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 4. 368 Vgl. C. Borio, Monetary and financial stability, S. 3407 (3408). 369 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 24. 370 C. Borio, Monetary and financial stability, S. 3407 (3408). 371 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (157 f.). 372 J.-C. Trichet, Asset Price Bubbles and Their Implications for Monetary Policy and Financial Stability, S. 15 (19 f.). 373 Vgl. M. D. Bordo/D. C. Wheelock, Price Stability and Financial Stability: The Historical Record, S. 41 (44). 374 Vgl. ebd. 375 Vgl. ebd. 376 Vgl. ebd. 377 Vgl. ebd. 367

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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zudem zum Abzug von Bankeinlagen, schränkt die Geldmengenkontraktion die Kreditvergabe ein und der Preisverfall verstärkt sich378. Das deflationäre Umfeld erhöht die Schuldenlast der Kreditnehmer und schließlich die Ausfallraten der Kredite379. Zwischen der aufgezeigten Entwicklung der Vermögenspreise und der Entwicklung der Verbraucherpreise380 besteht eine „asymmetrische Beziehung“, weil die Verbraucherpreise in der Vergangenheit zumeist nicht mit den Steigerungen der Vermögenspreise Schritt gehalten haben, aber vom Absturz übermäßiger Vermögenspreise erhebliche deflationäre Effekte auf die Verbraucherpreise ausgingen381. Daher entfalten die Vermögenspreise auch dann eine Wirkung für die Inflation, wenn sie nicht in die Inflationsmessung einbezogen werden382. Die Zentralbanken handeln aufgrund der strikten Orientierung an den Verbraucherpreisen in der Regel erst (spät), wenn starke Steigerungen der Vermögenspreise Risiken für die Verbraucherpreisentwicklung mit sich bringen könnten383. Allgemein gewendet ist die aktuelle Inflationsmessung unter Finanzstabilitätsgesichtspunkten gerade dann problematisch, wenn nur einzelne Wirtschaftssektoren oder Regionen – gerade in einer heterogenen Währungsunion – Preisschocks unterworfen sind384. Die zusammengefassten Durchschnittswerte zeigen möglicherweise nicht alle Gefahren an, die für Preis- und Finanzstabilität von einzelnen Wirtschaftsteilen ausgehen385. e) Preisstabilität als nicht hinreichende Bedingung der Finanzstabilität Es hat sich über die letzten Jahre hinweg gezeigt, dass es nicht ausreicht, allein Preisstabilität zu sichern, um Finanzstabilität zu gewährleisten386. Finanzielle Ungleichgewichte können sich auch in einer preisstabilen Umgebung herausbilden387. Preisstabilität ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung

378

Vgl. ebd. Vgl. ebd. 380 Streng genommen handelt es sich bei den Gütern, die zur Berechnung der Verbraucherpreisindizes herangezogen werden, zumindest bis zum Zeitpunkt ihres Verbrauchs, auch um Vermögenswerte. 381 B. Braasch, Symmetrische Geldpolitik und Finanzstabilität, S. 516 (518). 382 Eine Diskussion der Einbeziehung von Vermögenspreisen in die Inflationsmessung erfolgt bei S. G. Cecchetti/H. Genberg/J. Lipsky/S. Wadhwani, Asset Prices and Central Bank Policy, S. 9 f. 383 B. Braasch, Symmetrische Geldpolitik und Finanzstabilität, S. 516 (518). 384 T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 26. 385 Ebd. 386 C. A. E. Goodhart, The changing role of central banks, S. 135 (145). 387 O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 4; für weitere historische Beispiele: C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 19 f. 379

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

für Finanzstabilität 388. Oft werden übertrieben optimistische Erwartungen nicht durch die Geldpolitik, sondern von angebotsseitigen Entwicklungen (beispielsweise Produktivitätssteigerungen durch technischen Fortschritt) ausgelöst, die grundsätzlich preisdämpfende Wirkung haben389. Außerdem kann Inflationsdruck, der häufig mit einer nicht nachhaltigen Ausweitung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage verbunden ist, durch nachhaltiges Vertrauen der Finanzwirtschaftsakteure in die geldpolitische Verpflichtung zur Preisstabilität verzögert werden390. Zwar ist Preisstabilität eine notwendige Bedingung für Finanzstabilität, aber die Notwendigkeit sollte nicht in einem absoluten Sinne verstanden werden, weil es durchaus sinnvoll sein kann, die Zentralbankinstrumente in den Dienst der Finanzstabilisierung unter Inkaufnahme (kleiner) preislicher Instabilitäten zu stellen, um (große) Gefahren für die Preisstabilität zu beseitigen391. Bei der Inkaufnahme preislicher Instabilitäten ist jedoch Vorsicht geboten, weil die praktischen Erfahrungen mit den gegenseitigen Einflüssen (noch) begrenzt sind392. Maßgeblich ist insoweit der zugrundegelegte Zeithorizont der Zentralbank. Langfristig sollte es keine negative Austauschbeziehung (trade-off) zwischen Preisstabilität und Finanzstabilität geben, denn beide Ziele stabilisieren sich gegenseitig393. Preisstabilität ist ohne Finanzstabilität zumindest mittel- und langfristig nicht erreichbar394. Preisstabilität verhindert langfristig die schädlichen Auswirkungen hoher und sprunghafter Inflationsraten auf die Finanzstabilität, und umgekehrt bewahrt die Finanzstabilität die Transmissionskanäle zur geldpolitischen Steuerung395. Die Preisstabilität bedarf langfristig der Finanzstabilität und umgekehrt erfordert Finanzstabilität auch Preisstabilität396. Kurzfristig sind jedoch Konflikte zwischen Preisstabilität und Finanzstabilität denkbar397. Zu einem solchen Konflikt kann es kommen, wenn die Zentralbank ihrer Geldpolitik anstelle eines (sonst üblichen) mittelfristigen einen kurzen Zeit388 Vgl. A. Garcia Herrero/P. del Rio, Central Banks as Monetary Authorities and Financial Stability, S. 7; A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 15; T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 24; C. Noyer, Central banking in a context of high public debt, S. 9 (11). 389 C. Borio, Monetary and financial stability, S. 3407 (3409); C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 21. 390 Ebd. 391 Vgl. J. Stark, Comment, S. 36 (37). 392 Vgl. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 15. 393 J. Stark, Comment, S. 36 (37); B. Granville/S. Mallick, Monetary and financial stability in the euro area, S. 662 (672). 394 A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 4. 395 J. Stark, Comment, S. 36 (37). 396 T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 27. 397 F. De Graeve/T. Kick/M. Koetter, Monetary policy and financial (in)stability, S. 205 (205).

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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horizont zugrundelegt398, weil sie mit antizyklischen Strategien finanzielle Instabilitäten bekämpft, um mittel- bis langfristig die Preisstabilität zu sichern399. Finanzielle Instabilitäten rechtfertigen daher kurzfristige Abweichungen vom üblichen Inflationsziel, um Preisstabilität mittel- bis langfristig gewährleisten zu können400. In der Leitzinspolitik müssen dann grundsätzlich längerfristige Maßstäbe angelegt werden, als sie zur Inflationszielerreichung ohne Berücksichtigung finanzieller Instabilitäten erforderlich wären401. Aber auch diese Strategie birgt Gefahren, weil die nur für die kurze Frist bewusst in Kauf genommenen Abweichungen vom Inflationsziel länger andauern können als erwartet, wodurch die Glaubwürdigkeit der Zentralbank beschädigt werden könnte402. 2. Implementierung der Geldpolitik unter Berücksichtigung finanzstabilitätspolitischer Ziele durch die Zentralbank Die Zentralbank hat seit ihrer Gründung finanzstabilitätspolitische Aufgaben wahrgenommen403, weil sie eine zentrale Position im Finanzsystem innehaben, auch wenn diese Aufgaben in Zeiten finanzieller Stabilität nicht im Vordergrund ihrer Tätigkeit stehen404. Die Zentralbank ist die Instanz, die wesentlichen Einfluss auf die Liquidität des Finanzsystems und den Zahlungsverkehr ausübt, also das Geldsystem des Finanzsystems gestaltet und verwaltet. Außerdem werden die Zahlungssysteme zumeist direkt von der Zentralbank betrieben, wobei die Zahlungen entweder unmittelbar in Zentralbankgeld ausgeglichen werden, oder aber die Zentralbank gibt zumindest einen festen Rahmen vor, wenn sie in Giralgeld abgerechnet werden405. Zudem überschaut sie als einziger Akteur die Liquiditätsausstattung der Banken und den Interbankenmarkt406. Die Zentralbank verfügt deshalb im Gegensatz zu anderen finanzstabilitätspolitischen Akteuren wie der Bankenaufsicht, die vornehmlich mikroprudentielle Aufgaben wahrnimmt, über einen makroprudentiellen Blickwinkel auf das Finanzsystem407. Weiterhin gilt es zu bedenken, dass die Zentralbank nicht nur mit 398

Vgl. J. Stark, Comment, S. 36 (37). Vgl. ebd. 400 Vgl. T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 27 f.; O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 4 (m.w. N.). 401 Vgl. Q. F. Akram/G. Bardsen/K.-G. Lindquist, Pursuing financial stability under an inflation-targeting regime, S. 131 (149). 402 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 11. 403 Vgl. D. Schoenmaker, Central Banks Role in Financial Stability, S. 271 (271), (m.w. N.). 404 Vgl. G. J. Schinasi, Responsibility of Central Banks for Stability in Financial Markets, S. 5. 405 T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 41. 406 T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 41. 407 Vgl. C. Borio, Monetary and financial stability, S. 3407 (3413). 399

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

ihren standardmäßigen geldpolitischen Instrumenten Einfluss auf die Finanzstabilität nimmt, sondern überdies mit den Endlagerinstrumenten über die wirksamsten finanzstabilitätspolitischen Instrumente verfügt408. Diese Umstände begründen die Verantwortung der Zentralbank für die Finanzstabilität, denn gerade die Unzulänglichkeiten anderer Instrumente der Finanzstabilitätspolitik steigern das Bedürfnis nach einer Reaktion auf Gefahren für die Finanzstabilität durch die Zentralbank409. a) Das Maß und die Art und Weise finanzstabilitätspolitischer Aktivität der Zentralbank Die Schlüsselstellung der Zentralbank für die Finanzstabilität bedeutet aber nicht automatisch, dass die Zentralbank ihre finanzstabilitätspolitische Rolle auch aktiv wahrnehmen muss. Sowohl das Maß als auch die Art und Weise der finanzstabilitätspolitischen Aktivität der Zentralbank sind seit langem umstritten410. Insbesondere seit der jüngsten Finanzkrise wird vermehrt gefordert, die geldpolitischen Instrumente nicht allein auf das Inflationsziel zu beschränken411. Jedoch ist auch die Ansicht weit verbreitet, dass in Anbetracht der grundsätzlich bestehenden Synergien zwischen Preisstabilität und Finanzstabilität die bisherige Gestaltung der Geldpolitik nicht an die Erfordernisse der Finanzstabilitätspolitik angepasst werden müsse, sondern den finanzstabilitätspolitischen Erfordernissen am besten durch eine enge geldpolitische Fixierung auf das Ziel der Preisstabilität genüge getan werde (benign neglect)412. Demnach solle die Geldpolitik von der Finanzstabilitätspolitik abgekoppelt werden413. Diese Position ist vor allem im Anschluss an die Grundüberzeugung der Monetaristen begründet, wonach jede Finanzinstabilität letztlich eine monetäre und damit geldpolitische Ursache habe414. Außerdem erscheint die Berechtigung eines Einsatzes der Zentralbankinstrumente für finanzstabilitätspolitische Ziele zweifelhaft, wenn finanzstabilitätspolitisch eine steigende Inflationsrate – beispielsweise verbunden mit einer Absenkung des Leitzinses – angezeigt wäre, ob408

Vgl. Kapitel E.I. u. II. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 16. 410 Vgl. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 11. 411 Vgl. C. A. E. Goodhart, The changing role of central banks, S. 135 (145), der Autor spricht sich deutlich gegen eine Veränderung der tradierten Aufgabe der Zentralbank aus. Vielmehr fordert er die Entwicklung von separaten finanzstabilitätspolitischen Instrumenten. 412 A. Garcia Herrero/P. del Rio, Central Banks as Monetary Authorities and Financial Stability, S. 6. 413 G. Illing, Geld- und Fiskalpolitik in der Krise, S. 1. 414 Vgl. T. Timmermans, Monitoring the macroeconomic determinants of banking system stability, S. 117 (120). 409

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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wohl zur Erreichung des gesetzten Inflationsziels eine geldpolitische Kontraktion durch eine Verknappung der Geldmenge das Mittel der Wahl wäre415. Ferner können mitunter große Anpassungen der geldpolitischen Instrumente – insbesondere Änderungen der Leitzinsrate – erforderlich sein, um mithilfe der Geldpolitik Einfluss auf Verwerfungen des Finanzsystems zu nehmen, was wiederum zu Konflikten mit dem originären geldpolitischen Ziel der Preisstabilität und zu Nebeneffekten für Vermögenspreise und das Bruttoinlandsprodukt führen kann416. Zudem sei das Sinken der Inflationsrate in Zeiten von Finanzkrisen häufig nicht die Ursache, sondern selbst nur eine Erscheinungsform der finanziellen Instabilitäten417. Der unerwartete Rückgang der Inflationsrate habe oftmals ohne zeitlichen Zusammenhang zu einer Finanzkrise stattgefunden und hatte andere Ursachen, wie beispielsweise positive angebotsseitige Schocks418. An der vorgenannten Position wird indes kritisiert, dass die Zentralbank manchmal gerade wegen der beruhigend niedrigen Inflationsrate eine Chance verpasst, durch eine Geldverknappung präventiv tätig zu werden, wenn sie sich mit der niedrigen Inflationsrate begnügt419. Die Konzentration auf Inflationssteigerungen in der kurzen und mittleren Frist könnte die Gefahren durch finanzielle Ungleichgewichte – wie übermäßige Vermögenspreissteigerungen – in der langen Frist überspielen420. Obendrein spricht gegen eine Untätigkeit, dass insbesondere übermäßige Vermögenspreissteigerungen eine inflationsdämpfende Wirkung ausüben können, indem die Unternehmen sich durch bilanzielle Gewinne infolge der Neubewertung der Vermögenspositionen zu aggressiven Preisstrategien in der Lage sehen421. Aus diesen Gründen wird deshalb die Auffassung vertreten, dass (bisweilen) Inflation und nicht Preisstabilität einen positiven Effekt auf die Finanzstabilität habe (new environment-Hypothese)422. Die Hypothese wird damit begründet, dass ein Inflationsdruck teilweise über Jahre hinweg wegen fehlender Preismacht von Firmen, positiver angebotsseitiger Entwicklungen und tief verankerter Preisstabilitätserwartungen nicht offen zu Tage trete423. Ferner belasten hohe Leitzinsraten zur Geldverknappung infolge restriktiver Geldpolitik die Bankbilanzen und Unternehmenswerte insbesondere in Zeiten fi415

T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 23. Vgl. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 7 u. 17. 417 C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 19. 418 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 19. 419 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 21; B. Braasch, Symmetrische Geldpolitik und Finanzstabilität, S. 516 (518). 420 C. Borio/W. White, Whither monetary and financial stability?, S. 18. 421 C. Borio/W. White, Whither monetary and financial stability?, S. 20. 422 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 5 f. 423 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 6. 416

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

nanzieller Instabilität424. Die Zentralbanken heben ihre Leitzinsen bisweilen schnell und rapide an, um Inflationsgefahren zu bannen. Die Banken befinden sich dabei zum Großteil in längerfristigen Kreditbeziehungen, weshalb sie die Belastungen durch die Leitzinserhöhung nicht an ihre Schuldner weitergeben könnten, so dass sie die Mehrkosten zulasten ihrer Profite selbst tragen müssten, was die Stabilität einzelner Institute in Gefahr bringen könnte425. Überdies setzen die Kapitalzuflüsse aus dem Ausland Anreize zur übermäßigen Fremdkapitalfinanzierung, was allgemein die Kreditrisiken erhöhe und die nationale Kapitalverkehrsbilanz beeinträchtige, wenn Kapitalzuflüsse in Fremdwährung zu Krediten in Eigenwährung umgewandelt werden426; denn Veränderungen der Kapitalverkehrsbilanz können für die Finanzstabilität virulent werden, wenn das ausländische Kapital wieder (schnell) abgezogen wird. Die Vertreter der new environment-Hypothese ziehen jedoch nicht generell empirische Anzeichen eines positiven Zusammenhangs von Preisstabilität und Finanzstabilität 427 in Zweifel, sondern interpretieren den gleichen Zusammenhang verschieden und kommen zu anderen geldpolitischen Schlussfolgerungen428. Die empirischen Anzeichen seien demzufolge kein Beleg dafür, dass unerwartete Änderungen der Inflationsrate selbst eine Hauptursache für Finanzinstabilität seien, noch dafür, dass Gefahren für das Finanzsystem nicht auch in einer preisstabilen Umgebung auftreten könnten429. Aus diesem Grund sei die Orientierung der Zentralbank an Verbraucherpreisen unzureichend und stattdessen sollten finanzielle Ungleichgewichte durch die Zentralbank bekämpft werden430. Die Vertreter der new environment-Hypothese ziehen daraus jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass die Zentralbank absichtlich die Zielinflationsrate anheben oder gar vermehrt Inflationssprünge zulassen sollte431. Außerdem wird zur Begründung angeführt, dass es auch schon Phasen gegeben habe, in denen trotz hoher, volatiler Zinsen und Inflationsrate keine finan424 Vgl. A. Garcia Herrero/P. del Rio, Central Banks as Monetary Authorities and Financial Stability, S. 7; A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 15; F. S. Mishkin, Understanding Financial Crises: A Developing Country Perspective, S. 44 f. 425 Vgl. A. Garcia Herrero/P. del Rio, Central Banks as Monetary Authorities and Financial Stability, S. 7 (m.w. N.); A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 15 (m.w. N.). 426 A. Garcia Herrero/P. del Rio, Central Banks as Monetary Authorities and Financial Stability, S. 7. 427 Vgl. K. N. Kuttner, Financial Stability and Inflation Targeting, S. 349 (350); A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 45. 428 C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 18. 429 Ebd. 430 O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 6. 431 O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 7.

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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ziellen Instabilitäten aufgetreten seien432. Umgekehrt zeigen die unkonventionellen Maßnahmen der Zentralbanken – wie die quantitative Lockerung und die Mengentender mit Vollzuteilung433 – infolge der jüngsten Finanzkrise, dass auch eine Politik des billigen Geldes nicht unmittelbar zu höheren Inflationsraten führen muss, denn die zusätzliche bereitgestellte Liquidität werde von den Kreditinstituten häufig nicht in Form von Krediten weitergereicht, sondern bei der Zentralbank als Notreserve gehortet434. Das primäre Ziel dieser unkonventionellen Hilfsmaßnahmen – Kreditierung der Realwirtschaft – wurde kaum erreicht435. Zudem trete eine Verbraucherpreisinflation in vielen Ländern (vorerst) kaum auf, weil Arbeitslosigkeit, schwache Konsumnachfrage, Haushaltskonsolidierungen und teilweise sogar Rezession deflationär wirken436. Außerdem lasse eine gestiegene Geldhaltung, die in Krisen wegen geringer Zinsraten und vieler Unsicherheitsfaktoren generell hoch ist, die Geldumlaufgeschwindigkeit sinken und das Preisniveau trotz größerer Geldmenge nicht steigen437. Trotzdem bestehen die Inflationsgefahren weiter, wenn die Konjunktur wieder in Gang kommt und die Zentralbank die zusätzliche Liquidität nicht abschöpft, um die wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden438. b) Vermögenspreissteuerung als Zentralbankaufgabe Es ist geldpolitisch und finanzstabilitätspolitisch äußerst umstritten, ob die Zentralbank mithilfe ihrer Kreditkanäle unmittelbar auf Vermögenspreisänderungen reagieren sollte439. Dabei geht es vornehmlich um die Frage, ob die Zentralbank sich gegen Vermögenspreisblasen stemmen (leaning against the wind) oder bis zum Absturz der Vermögenspreise abwarten soll, um die Folgen durch geldpolitische Lockerungen zu lindern (cleaning)440. Dagegen fordert eine vermittelnde Position, dass die Zentralbank frühzeitig gegen die Vermögenspreisentwicklungen steuert, damit ein Aufstechen von Preisblasen gar nicht erst erforderlich wird441. 432 J. Driffill/Z. Rotondi/P. Savona/C. Zazzara, Monetary policy and financial stability, S. 95 (99). 433 Vgl. J. Matheron/B. Mojon/J.-G. Sahuc, The sovereign debt crisis and monetary policy, S. 155 (164 f.). 434 Vgl. G. Illing, Geld- und Fiskalpolitik in der Krise, S. 4; T. Straubhaar/H. Vöpel, Geldpolitik als „Krisen-Feuerwehr“ – droht Inflation?, S. 583 (586). 435 Vgl. G. Illing, Geld- und Fiskalpolitik in der Krise, S. 4. 436 Vgl. T. Straubhaar/H. Vöpel, Geldpolitik als „Krisen-Feuerwehr“ – droht Inflation?, S. 583 (586). 437 Vgl. ebd. 438 Vgl. ebd. 439 Vgl. M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215 (221). 440 Vgl. ebd. 441 C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 136 ff. u. 156 ff.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

aa) Aufstechen von Vermögenspreisblasen Die Befürworter des Aufstechens von Vermögenspreisblasen mithilfe von Kreditkanälen weisen darauf hin, dass durch die letzte Finanzkrise deutlich geworden sei, dass das inflation targeting der Zentralbank mit seiner Orientierung an Verbraucherpreisen nicht ausreicht, um die schädlichen Wirkungen von Vermögenspreisblasen zu verhindern, denn auch unter stabilen Inflationsraten enden die ausgeprägten Vermögenspreiszyklen immer noch abrupt mit oft weitreichenden Konsequenzen442. Überdies wirken auch Vermögenspreisänderungen auf die geldpolitischen Zielvorgaben ein, weil (vor allem übermäßige) Preissteigerungen Inflationsdruck ausüben443. Der in der Regel bei der Auflösung einer Preisblase entstehende Preisverfall kann sogar in eine Deflation münden444. Nach diesem Ansatz soll die Zentralbank die Vermögenspreise vor allem kurzfristig beeinflussen445. Die Zentralbank wirkt dabei mithilfe der Leitzinsen auf die Geldmarktzinsen ein, die maßgeblich für kurzfristige Diskontierungszinssätze sind446. Über diesen Kanal werden die Kosten (spekulativer) Käufe von Vermögensgegenständen – beispielsweise Aktien oder Immobilien – bestimmt, wo bereits kleinere Änderungen für die Profitabilität der Investition entscheidend sein können447. Steigen die Zinsen hoch genug, müssen die Käufer mit Verkäufen reagieren, wobei der Preis umso schneller fällt, je mehr (ehemalige) Käufer sich nun aufgrund der höheren Zinsen zum Verkauf veranlasst sehen448. Auf diese Weise soll der im Finanzsystem typischerweise prozyklischen Kreditumgebung antizyklisch entgegengewirkt werden449; denn in Aufschwungphasen ist Kredit normalerweise zu reichlich und günstig erhältlich450. Die Befürworter eines präventiven Eingreifens gehen davon aus, dass damit das Risiko eines größeren Zusammenbruchs mit all seinen Folgen für die Realwirtschaft und die künftige Inflation reduziert werden kann451. Die Zentralbank solle demnach die Vermögenspreisblase aufstechen, um sie zum Platzen zu bringen, bevor die Blase sich als Finanzkrise materialisiert452. Der Zweck bestehe darin, dass eine kleinere Blase geringere Folgekosten verursacht und diese sich 442

Vgl. B. Bernanke/M. Gertler, Monetary Policy and Asset Price Volatility, S. 3. C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 138. 444 Ebd. 445 Vgl. C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 134. 446 C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 134. 447 Ebd. 448 C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 140. 449 Vgl. J. Stark, Comment, S. 36 (37). 450 Vgl. ebd. 451 C. Borio, Monetary and financial stability, S. 3407 (3413). 452 Vgl. S. G. Cecchetti/H. Genberg/J. Lipsky/S. Wadhwani, Asset Prices and Central Bank Policy, S. 5. 443

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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durch weiteres Abwarten vergrößern453. Bei frühzeitigem Eingreifen gerate die Zentralbank auch nicht in die Nähe der kritischen Nullzinsgrenze, da zur Finanzstabilisierung dem Plan nach verhältnismäßig kleine Leitzinsanpassungen ausreichen sollten454. Zwar bringe der Ansatz Unsicherheiten bei der Identifizierung einer Vermögenspreisblase mit sich, diese seien aber strukturell mit der Unsicherheit vergleichbar, die allen anderen Finanzkennzahlen, die Zentralbanken ihren Entscheidungen zugrundelegen, inhärent sind455. Würde man konsequent davon ausgehen, dass keine Prognosen der Vermögenspreisentwicklungen angestellt werden können, dann müsste man generell auch davon ausgehen, dass auch die Inflationserwartungen der Zentralbank unbrauchbar sind456. Es sei grundsätzlich nicht schwieriger, eine Fehleinschätzung von Aktienkursen auf Märkten als Produktionslücken oder optimale Inflationsraten aufzudecken457; denn beispielsweise hängt die Berechnung einer Produktionslücke vom Produktivitätswachstum und von Eigenkapitalrisikoprämien ab, die als Kennzahlen auch bei der Einschätzung von Aktienpreisen von Bedeutung sind458. Ferner müsse bedacht werden, dass auch der Gegenentwurf der Inaktivität Kosten verursachen kann. Verfolgt die Zentralbank nach einem massiven Preisverfall eine Politik des billigen Geldes als Reaktion, kann dies zu starken inflationären Tendenzen führen. Der Gegenentwurf führe letztlich zu einer „asymmetrischen Geldpolitik“, weil die Geldpolitik auf das Platzen der Blase mit einer Lockerung reagiert, die dann erst wieder (zu) spät aufgehoben wird459. Zu diesem späten Zeitpunkt kann durch die Geldmengenerweiterung aber bereits der nächsten Blase Vorschub geleistet worden sein und der Zyklus beginnt erneut460. Außerdem bringt (auch) eine Linderung der Finanzinstabilität Fehlanreize mit sich, indem Spekulationsgewinne während der Herausbildung des finanziellen Ungleichgewichts erzielt werden, ohne dass privat für die dem Zusammenbruch folgenden Verluste aufgekommen werden müsste, weil mit einem Gegen-

453 K. N. Kuttner, Financial Stability and Inflation Targeting, S. 349 (352); I. Marques Gameiro/C. Soares/J. Sousa, Monetary policy and financial stability: An open debate, S. 7 (11). 454 Vgl. K. N. Kuttner, Financial Stability and Inflation Targeting, S. 349 (352). 455 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 9. 456 Vgl. O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 9; S. G. Cechetti/H. Genberg/ S. Wadhwani, Asset Prices in a Flexible Inflation Targeting Framework, S. 19. 457 S. G. Cecchetti/H. Genberg/J. Lipsky/S. Wadhwani, Asset Prices and Central Bank Policy, S. 6. 458 Ebd. 459 J. Crespo Cuaresma/E. Gnan, Vom Umgang mit Finanzmarktinstabilität: Vier geldpolitische Strategien im Vergleich, S. 69 (87). 460 Ebd.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

steuern der Zentralbank wegen ihrer Allgemeinwohlverpflichtungen nach einer Finanzkrise von den Finanzwirtschaftsakteuren gerechnet werden kann (moral hazard)461. Die Finanzmarktteilnehmer rechnen ex ante mit einem (asymmetrischen) Eingreifen der Zentralbank und legen diese Überlegung auch ihren Investitionsentscheidungen zugrunde, wodurch sich schließlich ihre Risikobereitschaft erhöhen könnte462. bb) Bewusste Inaktivität gegenüber Preisblasen Die Gegenansicht will dagegen, dass die Zentralbanken sich der Vermögenspreisänderungen als Risikofaktor bewusst sind und diese in ihre langfristigen geldpolitischen Entscheidungen einfließen lassen, ohne unmittelbar auf die Preisänderungen zu antworten463. Die Zentralbank solle sich im Übrigen auf die Verfolgung von Inflationszielen beschränken und zudem ist man der Meinung, dass die Finanzstabilität gefährdende Vermögenspreise entweder im Wege der „Selbstdisziplinierung“ der Märkte oder aber durch Aufsichtsbehörden verantwortet werden sollten464. Die Vermögenspreisänderungen sollen also nur dazu dienen, künftige inflationäre oder deflationäre Tendenzen zu erkennen465. Die aktive Bekämpfung von Vermögenspreisblasen wird gänzlich den Aufsichtsbehörden mit ihren regulativen Instrumenten überlassen466. Demnach solle auf übermäßige Vermögenspreissteigerungen erst mit einer Geldmengenerweiterung reagiert werden, wenn die Blase bereits geplatzt ist467. Im Rahmen dieser reaktiven Finanzstabilitätspolitik soll die Zentralbank in erster Linie ihre Lender of Last Resort-Funktion einsetzen, denkbar sind aber auch direkte Marktinterventionen (insbesondere Käufe zur Preisstützung)468. Es handelt sich dabei also um einen flexiblen Ansatz des inflation targeting469. Zudem wird kritisiert, dass die Befürworter des Aufstechens von Preisblasen finanzielle Instabilitäten mit der Volatilität von Vermögenswerten oder anderen Finanzmarktparametern gleichsetzen, obwohl solche Volatilitäten auf erforderlichen Anpassungen beruhen können, die nicht prinzipiell der Stabilität des Fi461 462 463

G. Illing, Financial Stability and Monetary Policy – A Framework, S. 4. C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 163 f. (m.w. N.). M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215

(221). 464 I. Marques Gameiro/C. Soares/J. Sousa, Monetary policy and financial stability: An open debate, S. 7 (9). 465 B. Bernanke/M. Gertler, Monetary Policy and Asset Price Volatility, S. 46. 466 M. Sanchez, Financial Crises: Prevention, Correction, and Monetary Policy, S. 521 (531 f.); C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 206. 467 Vgl. C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 156 u. 206. 468 C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 156 u. 206. 469 L. Hunter, The relationship between monetary and financial stability, S. 33 (37).

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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nanzsystems abträglich sein müssen470. Preisausschläge haben in einer Marktwirtschaft eine wichtige allokative Funktion471. Die Preisbewegungen allein sind allenfalls ein Symptom und können die Finanzstabilität nicht gefährden. Die Gefährlichkeit für die Finanzstabilität könne immer nur eine Frage nach der Existenz und dem Grad der hinter der Preisbewegung stehenden wirtschaftlichen Störung sein472. Aus diesen Gründen könne es nicht Ziel der Finanzstabilitätspolitik sein, die Vermögenspreise stabil zu halten473. Die Zentralbank dürfe die Leitzinsen außerdem nicht mechanisch an Vermögenspreisbewegungen ausrichten, denn das würde die Leitzinsen zu volatil machen474. Vielmehr solle bei der Reaktion auf Vermögenspreisbewegungen jeweils der Grund für die Bewegung maßgeblich für eine Anpassung der Leitzinsen sein475. Mechanische Anpassungen können von Finanzwirtschaftsakteuren gezielt eingesetzt oder gar manipuliert werden, wodurch die Leitzinsen zu volatil werden476. Es ist sogar denkbar, dass Finanzwirtschaftsakteure ihre Risikopositionen in stabilitätsgefährdender Weise ausbauen, weil sie mit schematischen Deckelungen für bestimmte Vermögenspreise durch die Zentralbank rechnen477. Auf diese Weise würden nicht nur die Vermögenspreisbewegungen, sondern auch unmittelbar die Geldpolitik von Markterwartungen abhängig gemacht478. Ferner wird darauf hingewiesen, dass es Voraussetzung für einen zweckmäßigen Einsatz der Zinspolitik zum Aufstechen von destabilisierenden Preisentwicklungen sei, dass die Zentralbank in der Lage sein muss, Vermögenspreisübertreibungen in Echtzeit zu erkennen479. Vermögenspreisblasen seien kaum eindeutig als solche zu identifizieren480. Die Identifizierung von Preisblasen sei eine fehleranfällige analytische Aufgabe, die eine breite Informations- und Datengrundlage erfordert481. Es sind beispielsweise Informationen zum Finanzsektor im All470 A. Garcia Herrero/P. del Rio, Central Banks as Monetary Authorities and Financial Stability, S. 3; A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 8. 471 Vgl. W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (157 f.). 472 Vgl. H. Genberg, Asset prices, monetary policy and macroeconomic stability, S. 433 (436). 473 W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (157 f.). 474 H. Genberg, Asset prices, monetary policy and macroeconomic stability, S. 433 (451). 475 Ebd. 476 Vgl. T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 25 (m.w. N.). 477 Vgl. ebd. 478 Vgl. ebd. 479 K. Assenmacher-Wesche/S. Gerlach, Ensuring Financial Stability, S. 1. 480 M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215 (222); A. Greenspan, Opening Remarks, S. 7. 481 T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 27.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

gemeinen und zu Wohlfahrtseffekten bestimmter Vermögenspreisänderungen im Besonderen erforderlich, die durch mikro- und makroprudentielle Analysen gewonnen werden müssen482. Die Zentralbank stehe vor der schwierigen Entscheidung, ob die Preisbewegungen bloß spekulativer Natur oder gerechtfertigt sind483. Sollten nur ungerechtfertigte Preisausschläge durch die Finanzstabilitätspolitik verhindert werden, würde dies eine Feststellung der Begründetheit von Marktpreisen erfordern, die oftmals niemand zu leisten imstande ist484. Würde dagegen eine Preisblase fälschlicherweise als solche identifiziert und die Leitzinsen beispielsweise erhöht, würde dies die Dynamik der Wirtschaft unnötig verringern und zu Fehlallokationen von Ressourcen führen485. Die Gegenansicht weist darauf hin, dass auch andere Finanzwirtschaftsakteure in der Lage wären, preisliche Ungleichgewichte zu erkennen, wenn die Zentralbank das könnte, und dann wäre eine solche finanziell instabile Entwicklung irrational486. Dagegen spricht jedoch, dass für Finanzwirtschaftsakteure oft keine Anreize bestehen, sich gegen einen allgemeinen destabilisierenden Trend zu stemmen487. Risikoaverse Marktteilnehmer irren sich „lieber“ zusammen mit anderen, als mit geringer Wahrscheinlichkeit alleine auf der „richtigen“ Seite zu stehen488. Außerdem muss der Spekulant Ungleichgewichte überhaupt nicht erkennen, denn für ihn reicht es aus, einzuschätzen, ob er den Vermögensgegenstand für mehr als den Kaufpreis weiterverkaufen kann489. Ferner ist es fraglich, ob Zinserhöhungen dazu geeignet sind, spekulative Geschäfte zu stoppen490. Möglicherweise erwarten Spekulanten wesentlich höhere Renditen, als dass sie durch Zinserhöhungen der Zentralbank abgeschreckt werden könnten491. Schwierigkeiten ergeben sich zudem dadurch, dass die Märkte möglicherweise nicht linear und damit kaum vorhersagbar auf die Zinsanpassung der Zentralbank reagieren492. 482

Ebd. L. Hunter, The relationship between monetary and financial stability, S. 33 (37). 484 Vgl. W. A. Allen/G. Wood, Defining and achieving financial stability, S. 152 (157 f.); C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 60 ff.; B. Bernanke/ M. Gertler, Monetary Policy and Asset Price Volatility, S. 4. 485 L. Hunter, The relationship between monetary and financial stability, S. 33 (37). 486 Diesen Standpunkt ablehnend: T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 36 (m.w. N.). 487 T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 36. 488 Ebd. 489 L. Hunter, The relationship between monetary and financial stability, S. 33 (39). 490 M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215 (222). 491 Ebd. 492 J. Crespo Cuaresma/E. Gnan, Vom Umgang mit Finanzmarktinstabilität: Vier geldpolitische Strategien im Vergleich, S. 69 (87). 483

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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Des Weiteren muss überhaupt über Leitzinsänderungen auch eine entsprechende Wirkung auf Vermögenspreise erzielt werden können493. Es wird bezweifelt, dass Vermögenspreisblasen mit kleineren Leitzinsänderungen überhaupt aufgelöst werden können oder nur auf große Leitzinsänderungen reagieren, die dafür starke Nebenwirkungen haben können494. Würden kleine Leitzinsänderungen mit dem Ziel der Stabilisierung wirkungslos bleiben, könnte das die Glaubwürdigkeit der Zentralbank untergraben und das Vertrauen der Finanzwirtschaftsakteure in die Nachhaltigkeit des Booms stärken495. Andererseits kann gerade in Kreditmärkten eine geringe Leitzinsänderung bereits über die Profitabilität einer fremdkapitalfinanzierten Investition entscheiden496. Die Zweckmäßigkeit der geldpolitischen Instrumente insoweit wurde jedenfalls bereits theoretisch belegt497. Die Glaubwürdigkeit der Zentralbank könne jedoch auch dadurch gefährdet werden, dass es der Zentralbank bisweilen schwerfallen könnte, ihre präventiven Maßnahmen, denen langfristige Erwartungen zugrundeliegen und die von der üblichen Strategie abweichen, gegenüber den übrigen Finanzwirtschaftsakteuren zu begründen498. Ohne bereits äußerlich materialisierte Anzeichen von Inflationsdruck könnte eine Leitzinserhöhung das Vertrauen der Finanzwirtschaftsakteure in die Geldpolitik untergraben499. Die Geldpolitik würde möglicherweise aus Sicht der Finanzwirtschaftsakteure weniger vorhersagbar und intransparenter werden500. Der Zentralbank könnte infolgedessen vorgeworfen werden, sich nicht an ihren gesetzlichen Auftrag zu halten501. Überdies wird kritisch gegen das Aufstechen von Preisblasen eingewendet, dass übermäßige spekulative Preissteigerungen zumeist nur in einigen Vermögenswertkategorien und nicht allgemein auftreten502. Es müsse sichergestellt sein, dass genau die ungleichgewichtigen Preise verändert werden und keine Preissprünge in anderen Vermögenswertkategorien ausgelöst werden, um das Un-

493

K. Assenmacher-Wesche/S. Gerlach, Ensuring Financial Stability, S. 1. T. Adrian/H. S. Shin, Financial intermediaries, financial stability, and monetary policy, S. 4. 495 C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 25 (m.w. N.). 496 T. Adrian/H. S. Shin, Financial intermediaries, financial stability, and monetary policy, S. 4. 497 S. G. Cecchetti/H. Genberg/J. Lipsky/S. Wadhwani, Asset Prices and Central Bank Policy, S. 4. 498 C. Borio, Monetary and financial stability, S. 3407 (3413). 499 C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 25. 500 S. G. Cechetti/H. Genberg/S. Wadhwani, Asset Prices in a Flexible Inflation Targeting Framework, S. 18. 501 J. Crespo Cuaresma/E. Gnan, Vom Umgang mit Finanzmarktinstabilität: Vier geldpolitische Strategien im Vergleich, S. 69 (87). 502 M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215 (222); vgl. A. Greenspan, Opening Remarks, S. 4. 494

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

gleichgewicht womöglich nur zu verschieben503. Das zinspolitische Instrumentarium der Zentralbank – im Gegensatz zum Endlagerinstrument der Übernahme destabilisierender Finanzen durch die Zentralbank504 – sei äußerst undifferenziert und stumpf, so dass auch nicht von der instabilen Entwicklung betroffene Vermögenspreise von der Finanzstabilisierungsmaßnahme betroffen werden505. Schließlich bestehe die Gefahr, dass das Aufstechen der Preisblase zu massiveren realwirtschaftlichen Folgen führt, als wenn man den Entwicklungen seinen ungehinderten Lauf lässt506. Das Gegensteuern der Zentralbank könne die Volatilität der Finanzmärkte und schließlich auch der Wirtschaft im Allgemeinen noch erhöhen507. Das Anstechen von Vermögenspreisblasen gefährde zinssensible Bereiche der Realwirtschaft massiv508. Die Verknappung der Geldmenge könne konjunkturdämpfend oder gar rezessiv wirken509. Beispielsweise wird die Federal Reserve mit ihrer (verfehlten) Zinserhöhung als Reaktion auf eine Vermögenspreisblase im Jahre 1929 für den Ausbruch der Weltwirtschaftskrise verantwortlich gemacht510. Jedoch kann die Zentralbank nicht allein für die damalige Finanzkrise verantwortlich gemacht werden511, weil das Finanzsystem im Zustand robuster Stabilität auch nicht allein durch Leitzinserhöhungen infolge einer fehlerhaften Analyse der Vermögenspreisbewegungen durch die Zentralbank in erheblichem Maße destabilisiert werden kann512. cc) Frühzeitiges Gegensteuern Es gibt einen zwischen den dargestellten aktiven und passiven Konzepten vermittelnden Standpunkt. Nach dieser Strategie wird versucht, finanziellen Ungleichgewichten möglichst frühzeitig entgegenzusteuern, möglichst bevor sich bereits eine Vermögenspreisblase herausgebildet hat513. Dabei wird die Zentralbank die Leitzinsen etwas höher festlegen, als dies in Reaktion auf kurzfristige Inflationserwartungen erforderlich wäre514. Geldpolitisch wird also eine kurz503

K. Assenmacher-Wesche/S. Gerlach, Ensuring Financial Stability, S. 1. Vgl. Kapitel C.I.3.a); E.I. 505 C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 206. 506 M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215 (222); vgl. A. Greenspan, Opening Remarks, S. 5. 507 C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 25. 508 O. Issing, Monetary and Financial Stability, S. 9. 509 C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 25. 510 Vgl. C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 142; I. J. M. Arnold, The Third Leg of the Stool: Financial Stability as a Prerequisite for EMU, S. 280 (282). 511 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 26. 512 Vgl. ebd. 513 C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 145. 514 Ebd. 504

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fristig geringere Inflationsrate als ursprünglich anvisiert in Kauf genommen, um langfristig spekulativen Entwicklungen zu begegnen515. Dieser Ansatz habe den Vorteil, dass er nicht die Verwerfungen riskiert, die das Aufstechen der Blase mit sich führen kann516. Er stelle eine Art „Versicherung“ gegen Preisblasen und ihre Folgen dar, die allerdings auch mit der Abweichung von der „optimalen“ Inflationsrate bezahlt werden müsse517. Außerdem werde durch das Konzept des frühzeitigen Gegensteuerns die Option des Aufstechens nicht ausgeschlossen, falls trotz des frühzeitigen Eingreifens eine Vermögenspreisblase entstehen sollte. Jedoch müsse bedacht werden, dass die schwierige Identifizierbarkeit von spekulativen Prozessen518, die auch als Argument gegen das Aufstechen von Preisblasen vorgebracht wird, beim frühzeitigen Gegensteuern noch fehleranfälliger sein dürfte, weil ein zu identifizierender spekulativer Prozess am Anfang steht und deshalb erst schwach ausgeprägt ist. Überdies kann bezweifelt werden, ob sich übermäßige Vermögenspreissteigerungen überhaupt mithilfe einer präventiven moderaten Leitzinssteuerung vermeiden lassen und diese nicht wirkungslos bleibt. Es ist ohnehin bisher niemandem ein Nachweis der Zweckmäßigkeit von konkreten Maßnahmen gegen Vermögenspreissteigerungen gelungen519. Die geldpolitisch richtige Antwort auf Vermögenspreisentwicklungen wird auch weiterhin schwierig zu finden sein, zum einen weil der Zusammenhang zwischen finanzieller und preislicher Stabilität analytisch nicht eindeutig ist und zum anderen, weil fraglich ist, welches Gewicht Finanzstabilitätserwägungen bei der Entscheidungsfindung gegeben werden sollte520. Obendrein sind die Zusammenhänge über die Zeit veränderlich, so dass eine einmal als richtig erkannte Lösung sich als für die Zukunft nicht mehr ratsam herausstellen könnte521. c) Zusammenhänge zwischen geldpolitischen Standardinstrumenten und Finanzstabilität Der Zentralbank stehen mehrere präventive Instrumente zur Finanzstabilisierung zur Verfügung522: Mithilfe von Leitzinsänderungen übt sie maßgeblichen Einfluss auf die Finanzierungsbedingungen der Finanzmärkte aus und kann der

515 516 517 518 519 520 521 522

Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. C. Hünecken, Vermögenspreisblasen und Geldpolitik, S. 145. K. N. Kuttner, Financial Stability and Inflation Targeting, S. 349 (352). T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 25. Vgl. Kapitel C.III.2.d). Vgl. T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 22.

202

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Herausbildung von finanziellen Instabilitäten entgegenwirken523. Auch über den Mindestreservesatz kann die Zentralbank die Liquidität der Kreditinstitute und damit die Geldmarktzinsen steuern524. Die Zentralbank kann ferner durch Offenmarktgeschäfte die Liquidität in den Finanzmärkten erhöhen und gleichzeitig Vermögenspreise stützen525. Daneben kann über Fremdwährungsgeschäfte der Wechselkurs der eigenen Währung gestützt werden526. Weitere Einflussparameter der Zentralbank sind die Anforderungen an die Sicherheiten, die die Kreditinstitute zur Refinanzierung bei der Zentralbank beleihen können527. Die Zentralbank stellt zudem die Bedingungen für die Teilnahme an den von ihr betriebenen Zahlungsverkehrssystemen auf und setzt diese durch528. Die Zentralbank bedarf funktionierender Transmissionskanäle, also eines stabilen Finanzsystems, um geldpolitische und finanzstabilitätpolitische Impulse geben zu können529; denn über den Transmissionsmechanismus entfaltet die Zentralbank ihre Wirkung auf die Finanz- und Realwirtschaft530. Die Finanzstabilitätspolitik verändert den Transmissionsmechanismus der Zentralbank. Erhöht die Bankenaufsichtsbehörde beispielsweise die Eigenkapitalunterlegungspflichten, muss sich die Zentralbank darauf einstellen, dass unter Beibehaltung der gleichen Zentralbankgeldmenge weniger Kreditgeld in die Realwirtschaft gelangt531. Der Einfluss der Finanzstabilitätspolitik auf die Handlungsfähigkeit der Zentralbank wird in der Finanzkrise besonders deutlich: Der Verlust der Funktionsfähigkeit des Finanzsystems in einer Finanzkrise kann die Transmissionspotentiale der Zentralbank aufheben, verzögern oder verfälschen532. Außerdem wird ein durch eine Finanzkrise ausgelöster Schock auf die Realwirtschaft übertragen und dabei durch adverse Rückkopplungsschleifen verstärkt, wodurch in der Regel sowohl das gesamtwirtschaftliche Angebot schrumpft als auch die Arbeitslosigkeit 523 Vgl. C. Borio/C. Furfine/P. Lowe, Procyclicality of the financial system and financial stability: issues and policy options, S. 1 (47 f.). 524 H. J. Hahn/U. Häde, Währungsrecht, S. 175 f. 525 Vgl. M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215 (226 ff.). 526 Vgl. M. Kawai/P. J. Morgan, Central Banking for Financial Stability in Asia, S. 215 (230 ff.); L. Hunter, The relationship between monetary and financial stability, S. 33 (35). 527 Vgl. Kapitel D.III.4.c). 528 Vgl. L. Hunter, The relationship between monetary and financial stability, S. 33 (35). 529 A. A. Weber, Notenbanken und Finanzstabilität, S. 4. 530 G. J. Schinasi, Responsibility of Central Banks for Stability in Financial Markets, S. 8. 531 Vgl. Zusammenfassung von diese Effekte beschreibenden Modellen in D. D. VanHoose, Bank Capital Regulation, Economic Stability, and Monetary Policy, S. 1 (7 ff.). 532 Vgl. I. Marques Gameiro/C. Soares/J. Sousa, Monetary policy and financial stability: An open debate, S. 7 (13).

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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steigt533. Ein solch rezessives Umfeld führt häufig zu einer deflationären Entwicklung534. Aber auch finanzielle Instabilitäten beeinträchtigen insbesondere den für die geldpolitische Umsetzung wichtigen Bankkreditkanal und den Zinskanal, mithilfe derer die Zentralbank den Kreditzins für die Realwirtschaft und damit das Spar- und Konsumverhalten der Realwirtschaft zu beeinflussen versucht535. Die Zentralbank senkt den Leitzins, um damit eine Verringerung der Kreditzinsen zu erreichen, die das Konsumverhalten stimulieren soll536. Aufgrund von finanziellen Instabilitäten könnten die Finanzwirtschaftsakteure jedoch zum Sparen veranlasst sein, was die Absicht der Zentralbank konterkarieren würde537. Aus diesen Gründen hat die Zentralbank Veranlassung dazu, selbst auf die Finanzstabilität einzuwirken. Die Zentralbank hat über die Transmissionskanäle mit ihren Standardinstrumenten erheblichen Einfluss auf die Finanzstabilität. Im Folgenden werden finanzstabilitätspolitische Transmissionskanäle der Zentralbank dargestellt, welche Bestandteile der klassischen, allgemeineren geldpolitischen Transmissionskanäle538 sind. Die genannten Kanäle können gleichzeitig zum Tragen kommen, wobei deren Zusammenspiel von der Konstitution der jeweiligen Volkswirtschaft abhängt539. aa) Kreditausfallkanal Die Zentralbank kann die Kreditbedingungen für Kreditschuldner verteuern und damit die Ausfallrate von Kreditschuldnern erhöhen (borrower balance sheet (default) channel)540. Die Zentralbank erhöht die Rückzahlungslast von Kreditnehmern mit variablen Zinssätzen, wenn sie die Bedingungen zur geldpolitischen Refinanzierung für Banken verschärft541. Zudem werden die Erträge der Schuldner durch die erhöhte Zinslast geringer und damit auch die Fähigkeit der Schuldner zur Rückzahlung ihrer Verbindlichkeiten542. Durch Leitzinssenkungen sinken in der Regel auch die Vermögenspreise, wodurch der bilanzielle Eigenkapitalwert der Schuldner sinkt und sich dadurch deren Kreditwürdigkeit verschlechtert543. 533

J. Gali, The monetary pillar and the great financial crisis, S. 74 (89). Ebd. 535 I. Marques Gameiro/C. Soares/J. Sousa, Monetary policy and financial stability: An open debate, S. 7 (14). 536 I. Marques Gameiro/C. Soares/J. Sousa, Monetary policy and financial stability: An open debate, S. 7 (15 f.). 537 Ebd. 538 Vgl. Kapitel C.I.3.e). 539 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 10. 540 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 25. 541 Ebd. 542 Ebd. 543 Ebd. 534

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Erhöhte Ausfallraten schlagen sich in den Bankbilanzen durch sinkende Erträge und höhere Verlustabschreibungen nieder und können in extremen Fällen zur Instabilität von Kreditinstituten und des Finanzsystems führen544. Diese Zusammenhänge wurden empirisch belegt und sind noch ausgeprägter, wenn die Kredite verbrieft sind, weil sie verstärkt Verkäufe der Verbriefungen auslösen, die die Abwärtsentwicklungen weiter verschärfen545. Allgemein verringert die Kreditverbriefung den Einfluss der Zentralbank auf die Kreditentwicklung546 und schwächt damit wirksame Instrumente der Finanzstabilitätspolitik. bb) Risikobereitschaftskanal Eine lockere Geldpolitik kann den Finanzwirtschaftsakteuren Anreize geben, vermehrt Risiken einzugehen (risk-taking channel)547. Zur Verbilligung des Geldes senkt die Zentralbank regelmäßig ihre Leitzinsen, wodurch sich die Eigenkapitalpositionen548 der Banken und die Beleihungsfähigkeit ihrer Vermögenswerte durch Preissteigerungen regelmäßig verbessern549. Dadurch werden Banken dazu veranlasst, ihre Bilanzen auszuweiten, sich mehr Geld zu leihen und zu verleihen und ihre Kreditvergabestandards zu senken550. Ein schnell wachsendes Kreditvolumen erhöht die Wahrscheinlichkeit finanzieller Instabilitäten551. Die Anreize sind noch stärker, wenn die Kreditinstitute damit rechnen können, dass ihnen im Krisenfalle geld- und finanzstabilitätspolitisch geholfen wird (moral hazard)552. Der empirische Nachweis dieser Zusammenhänge ist jedoch umstritten553. 544

IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 25 (m.w. N.). Ebd. 546 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 10. 547 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 25; D. Beau/ L. Clerc/B. Mojon, Macro-Prudential Policy and the Conduct of Monetary Policy, S. 5. 548 Umgekehrt verringern sich infolge einer Politik des teuren Geldes die Einkünfte der Banken, weil sie die Zinssätze der vergebenen Kredite nicht (im gleichen Maße) anpassen können, wie sich ihre kurzfristigeren Refinanzierungskredite verteuern (Fristentransformation). Der Rückgang der Einkünfte führt schließlich zu einer Verringerung der Eigenkapitalposition der Banken, was auf Grundlage der Solvabilitätsvorschriften der Bankenaufsicht zu einer Einschränkung des Kreditvergabepotentials von Banken mit geringer Eigenkapitalausstattung führt (Eigenkapitalkanal), s. C. Merkl/S. Stolz, Banks’ Regulatory Buffers, Liquidity Networks and Monetary Policy Transmission, S. 2. 549 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 10 u. 25; vgl. I. Marques Gameiro/C. Soares/J. Sousa, Monetary policy and financial stability: An open debate, S. 7 (16). 550 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 25 (m.w. N.). 551 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 11 (m.w. N.). 552 Vgl. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 25 (m.w. N.). 553 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 25 (m.w. N.). 545

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

205

cc) Risikoverlagerungskanal Bei einer Geldverknappung durch Leitzinserhöhungen sinken die Profitmargen der Banken, was diese regelmäßig verstärkt nach anderen Profitmöglichkeiten suchen und höhere Risiken eingehen lässt (risk-shifting channel)554. Die Kreditmargen der Banken schrumpfen umso stärker, je stärker sie kurzfristig finanziert sind und sie das Geld langfristig verliehen haben (Fristentransformation)555. Der beschriebene Effekt ist wahrscheinlich größer in Zeiten finanzieller Instabilität, wenn der Verschuldungsgrad der Banken hoch ist und sie die Zinserhöhung aus Wettbewerbsgründen nicht sofort an die Darlehensnehmer weiterreichen können556. dd) Vermögenspreiskanal Eine lockere Geldpolitik hat nicht nur eine Steigerung der Vermögenswerte in den Bankbilanzen, sondern auch Eigenkapitalzugewinne in den Schuldnerbilanzen zur Folge, wodurch sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach weiteren Krediten steigt (asset price channel)557. Dabei handelt es sich wegen der positiven Rückkoppelung um einen sich selbst verstärkenden Beschleunigungsmechanismus mit prozyklischen Konsequenzen558. Umgekehrt führt eine geldpolitische Verknappung zu geringeren Beleihungswerten der Vermögensgegenstände der Schuldner und kann durch negative Rückkoppelung im schlimmsten Falle zu Panikverkäufen führen559. Es handelt sich bei diesen Effekten um eine umstrittene Frage der monetären Transmission, weil empirische Nachweise in dieser Frage (bisher) nicht belastbar sind und die beobachteten Einflüsse eher gering zu sein scheinen560. ee) Wechselkurskanal Die Zentralbank beeinflusst die Wechselkurse und die Kapitalbewegungen zwischen dem In- und Ausland (exchange rate channel)561. Leitzinsunterschiede 554

Ebd. Ebd. 556 Ebd. 557 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 26; G. Illing, Financial Stability and Monetary Policy – A Framework, S. 2. 558 Sogenannter „financial accelerator“: IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 26 (m.w. N.); G. Illing, Financial Stability and Monetary Policy – A Framework, S. 2. 559 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 10. 560 Vgl. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 26 (m.w. N.); Nachweisbarkeit dagegen angenommen von D. Beau/L. Clerc/B. Mojon, Macro-Prudential Policy and the Conduct of Monetary Policy, S. 5 (m.w. N.). 561 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 26. 555

206

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

im Vergleich zum Ausland ziehen Kapital aus dem Ausland an oder lassen es dorthin wandern, indem Kredite im Niedrigzinsland aufgenommen und im Hochzinsland angelegt werden (carry trades)562. Die Kredite aus dem Ausland können das Kreditwachstum anregen und dabei zu exzessiver Fremdkapitalfinanzierung führen563. Auf diese Weise kann die Geldpolitik in ein „Dilemma“ geraten, wenn Leitzinserhöhungen zur Reduzierung des exzessiven Kreditvolumens sogar noch mehr ausländisches Kapital zur Kreditvergabe wegen des hohen Zinsniveaus anziehen564. Der Zentralbank droht dadurch, (zumindest kurzfristig) ihren Einfluss auf die Geldmenge zu verlieren. Vor allem die Zentralbanken einiger Schwellenländer waren mit dieser Problemlage bereits konfrontiert565. Kommt es zu einer Kapitalabwanderung aus dem Inland, löst dies einen Abwertungsdruck auf die inländische Währung aus, wenn die Zentralbank die eigene Währung nicht durch Devisenverkäufe stützt566. Die Abwertung verteuert den künftigen Kapitalimport, verringert das gesamtwirtschaftliche Kreditvolumen und lässt die Kreditzinsen steigen, weil weniger Kreditmittel zur Verfügung stehen. Aufgrund des Kreditmittelschwunds werden sowohl das gesamtwirtschaftliche Angebot als auch die Nachfrage belastet, wodurch eine Abwärtsspirale mit weiterer Kapitalabwanderung und Wechselkursabwertung in Gang kommen kann, was schließlich sogar in einer Währungskrise münden kann567. Währungskrisen und Bankenkrisen sind in der Vergangenheit häufig zeitgleich aufgetreten568, wobei die Währungszusammenbrüche die Auswirkungen von Bankenkrisen dann stark verschärft haben569. Einige Zentralbanken haben als Strategie zur Stabilisierung der eigenen Währung und des inländischen Finanzsystems die eigene Währung an einen Fremdwährungswechselkurs angebunden (insbesondere Dollaranbindung). Die Übernahme der Stabilität der Fremdwährung hat positiven Einfluss auf die nationale Finanzstabilität, wenn die vorherigen Finanzinstabilitäten vornehmlich geldpolitische und inländische Ursachen hatten570. Dagegen hat die Fremdwährungsanbindung nachteilige Wirkungen, wenn die Instabilitätsgefahren hauptsächlich „aus dem Ausland kamen“, denn 562

IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 26 (m.w. N.). IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 26. 564 Ebd. 565 Ebd. 566 Vgl. Kapitel C.I.2.b)aa); C.I.3.a) u. e). 567 Vgl. E. Görgens/K. Ruckriegel/F. Seitz, Europäische Geldpolitik, S. 307 f.; G. L. Kaminsky/C. M. Reinhart, The Twin Crises: The Causes of Banking and Balance-ofPayments, S. 473 (474 f.). 568 E. Falcetti/M. Mercedes Tudela, What do Twins Share? A Joint Probit Estimation of Banking and Currency Crises, S. 3. 569 G. L. Kaminsky/C. M. Reinhart, The Twin Crises: The Causes of Banking and Balance-of-Payments, S. 473 (474). 570 B. Eichengreen, Exchange Rate Stability and Financial Stability, S. 569 (598). 563

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

207

dann werden ausländische finanzielle Schocks ungehindert „importiert“ 571. Beispielsweise kamen besonders diejenigen Länder relativ unbeschadet durch die Weltwirtschaftskrise, die ihre Wechselkurse ohne feste Bindung frei anpassen konnten, denn deren Zentralbanken konnten ihre Banken wesentlich freier durch Notkredite als Lender of Last Resort unterstützen572. ff) Zahlungsverkehrskanal Des Weiteren hat die Geldpolitik Einfluss auf die Finanzstabilität über die Verfassung des Zahlungssystems (payment system channel). Banken sind über das Zahlungsverkehrssystem – vergleichbar mit Interbankenkrediten – miteinander und mit der Zentralbank verbunden, weshalb sich gerade über das Zahlungssystem Ansteckungseffekte ausbreiten können573. Erfolgt die Abrechnung sofort (Echtzeit-Bruttozahlungssystem), sind die Ansteckungsrisiken geringer, als wenn die Zahlungen erst gesammelt werden, um sie zu festen Abrechnungszeitpunkten miteinander zu verrechnen (Nettoabrechnungssystem)574. d) Reaktive Finanzstabilisierung durch die Zentralbank Die Zentralbank verfügt über zahlreiche reaktive Instrumente, mit denen sie Einfluss auf die Ausbreitung und Auflösung von finanziellen Instabilitäten nehmen kann575. Beispielsweise kann die Zentralbank im Wege von Kapitalverkehrskontrollen – als Eingriff in die von vielen Staaten gewährte Kapitalverkehrsfreiheit576 – den Abfluss von Geldmitteln aus dem Inland zwangsweise verhindern577. Generell lässt sich festhalten, dass sich mit den Endlagerinstrumenten die wirkungsvollsten Instrumente zur Eindämmung finanzieller Instabilitäten in den Händen der Zentralbank befinden578. Über die Endlagerinstrumente kann die Zentralbank den Finanzwirtschaftsakteuren die Verluste aus finanziell destabilisierenden Vermögenswerten abnehmen und Kreditinstituten über Lender of Last 571

B. Eichengreen, Exchange Rate Stability and Financial Stability, S. 569 (571 f. u.

598). 572

B. Eichengreen, Exchange Rate Stability and Financial Stability, S. 569 (598). S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 35 f. (m.w. N.). 574 S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 36. 575 Vgl. T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 37. 576 Gem. Art. 63 Abs. 1 AEUV. 577 Die ökonomischen Konsequenzen von Kapitalverkehrskontrollen sind umstritten, weil sie stark von der Struktur des Finanzsystems und der Art der Verflechtungen mit dem Ausland abhängen, s. R. W. Ferguson/P. Hartmann/F. Panetta/R. Portes, International Financial Stability, S. 61. 578 Vgl. Kapitel E.II.2.a). 573

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Resort-Operationen Notfallliquidität verschaffen, auch wenn ihnen die erforderlichen Sicherheiten im Rahmen der geldpolitischen Refinanzierung fehlen579. Die Endlagerinstrumente enthalten sowohl geldpolitische als auch finanzstabilitätspolitische Elemente580, weil sie von der Zentralbank sowohl zur Erhaltung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus als auch zur Wahrung der Finanzstabilität eingesetzt werden können581. Ein Großteil der Betrachtungen zu den Endlagerinstrumenten erfolgt an anderer Stelle aufgrund ihrer grundlegenden Bedeutung für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank582. Die Betrachtungen zu den Endlagerinstrumenten sind insgesamt wesentlich für das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik. aa) Notfallliquidität von der Zentralbank als Lender of Last Resort Eine der Hauptfunktionen der Zentralbank besteht in ihrer Kapazität als Notfallkreditgeber für Kreditinstitute (Lender of Last Resort). Kreditinstitute bedürfen an der Schwelle zur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eines Notfallkreditgebers, weil sie an diesem Punkt weder auf dem Interbankenmarkt noch bei Einlegern eine Refinanzierung mehr finden. Infolgedessen kann eine Kettenreaktion ausgelöst werden, in der Gläubiger ihre bereits gewährten Kredite und Einlagen abziehen, um möglichst Verluste aus einer Insolvenz der jeweiligen Bank zu vermeiden583. Von diesen Ereignissen veranlasst, könnten auch die Gläubiger anderer Banken ohne Solvenz- oder Liquiditätsschwierigkeiten wegen der asymmetrischen Informationsverteilung584 zwischen Banken und ihren Gläubigern dazu veranlasst sein, ihre Kreditbeziehung infrage zu stellen; auf diese Weise würden sich die Schwierigkeiten einer Bank auf den gesamten Bankensektor übertragen und es kann zu einer Finanzkrise kommen585. Ein von Zahlungsunfähigkeit bedrohtes Kreditinstitut kann aber andere Kreditinstitute auch anstecken, indem es aufgrund seiner drohenden Illiquidität anderen Kreditinstituten die Interbankkreditfazilitäten streichen muss, so dass auch andere Banken ohne liquiden Interbankenmarkt zahlungsunfähig werden, weil sie auf die Fazilitäten angewiesen sind586. Die Wahrscheinlichkeit einer Kettenreak579

Vgl. Kapitel E.I.2. Siehe zur Abgrenzung Kapitel E.II.1. 581 Vgl. S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 83; G. Tumpel-Gugerell, Lender of Last Resort, S. 513 (516). 582 Siehe Kapitel E. 583 Vgl. Kapitel C.III.2.a)bb). 584 Asymmetrische Informationsverteilungen können sich sogar zu „sich selbst erfüllenden Prophezeiungen“ entwickeln, vgl. G. Tumpel-Gugerell, Lender of Last Resort, S. 513 (517). 585 D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 7. 586 D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 7. 580

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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tion kann mithilfe von Notkrediten der Zentralbank verringert werden, wenn einzelne oder zahlreiche Kreditinstitute auch im Falle finanzieller Instabilität geldpolitisch refinanziert werden (Emergency Liquidity Assistance) und auf diese Weise zumindest deren Zahlungsunfähigkeit abgewendet wird. Es soll damit verhindert werden, dass eine lediglich illiquide Bank sich überschuldet, indem sie wegen ihrer Zahlungsschwierigkeiten panikartig ihre Vermögenswerte zu geringen Preisen verkauft und bilanzielle Verluste zur Überschuldung führen587. Ferner können durch die Panikverkäufe auch andere Banken in die Überschuldung geraten, wenn dadurch die Marktpreise ihrer Vermögenswerte sinken, was entsprechende Verlustabschreibungen in deren Bilanzen erforderlich macht588. Überdies ist die Funktion eines Lender of Last Resorts im aktuellen Geldsystem zwingend erforderlich, weil durch die private Giralgeldschöpfung der Banken ein Großteil des Geldes nicht voll durch Zentralbankgeld gedeckt ist, wenn es zu einem Ansturm auf die Banken kommt, bei dem die Einleger versuchen, ihr Giralgeld in sicheres Zentralbankgeld umzuwandeln589. Die Möglichkeit der Zentralbank, als Lender of Last Resort zu fungieren, ergibt sich dabei aus ihrem gesetzlichen Monopol, Zahlungsmittel zu schaffen590. Zwar bietet auch die internationale Geldpolitik mit dem Internationalen Währungsfonds einen internationalen Lender of Last Resort591, aber dieser verfügt nicht über eine unbegrenzt schöpfbare eigene Währung, sondern ist auf die Kapitalisierung durch seine Mitgliedsstaaten angewiesen592. Das Konzept für Notfallkredite durch einen Lender of Last Resort beruht auf dem klassischen Ansatz von Thornton und Bagehot593. Die Zentralbank konnte in Zeiten des Goldstandards selbst zahlungsunfähig werden, was heute in der Fiatgeldordnung unmöglich ist (mit Ausnahme von Fremdwährungsschulden), da Zentralbankgeld nicht mehr materiell gedeckt ist594. Durch die Abschaffung fester Währungskurse kann die Zentralbank die Geldmenge der Inlandswährung (verbunden mit Auf- und Abwertung) frei bestimmen und damit (unabhängig vom Ausland) im Rahmen der eigenen Währung als Lender of Last Resort auftreten595. 587

Vgl. D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 6 f. M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 19. 589 Vgl. M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 1; vgl. G. Tumpel-Gugerell, Lender of Last Resort, S. 513 (516). 590 M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 1. 591 A. J. Schwartz, Earmarks of a lender of last resort, S. 468 (474), wonach der IWF erwecke nur den „Schein“ eines Lender of Last Resort. 592 C. A. E. Goodhart, Myths about the lender of last resort, S. 317 (327 f.); vgl. S. Fischer, On the need for an international lender of last resort, S. 423 (424). 593 Vgl. M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 3. 594 Vgl. M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 2. 595 M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 4. 588

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Die Kapazitäten der Zentralbank sind jedoch grundsätzlich auf die eigene Währung beschränkt, so dass es ihr nur im Umfang ihrer Fremdwährungsreserven möglich ist, andere Finanzwirtschaftsakteure vor übermäßiger Fremdwährungsverschuldung zu bewahren596. Entgegen verbreiteter, aber falscher Ansicht597 ist ihre Kapazität, Verluste durch Insolvenzen von Kreditinstituten, denen Notkredite gewährt wurden, nicht durch ihr Grund- oder Eigenkapital beschränkt, da sie Verluste unbegrenzt fortschreiben kann, ohne dass sie überhaupt insolvenzfähig ist598. Geldpolitisch können hohe Verluste indes der Reputation der Zentralbank schaden, weil sie einen großen Anreiz zur Monetarisierung der Verluste setzen und damit das weithin eng an das Preisstabilitätsziel gekoppelte Zentralbankmandat beeinträchtigen599. Die Notfallkredite werden entweder über Offenmarktoperationen, die gegenüber dem Markt im Allgemeinen erfolgen, und über Diskontfazilitäten, die nur einem einzelnen Institut gewährt werden, abgewickelt600. Häufig werden von Zentralbanken beide Wege gleichzeitig beschritten601. Bei den Diskontfazilitäten für einzelne Kreditinstitute gibt es drei Arten von Geschäften, die zum Einsatz kommen: Refinanzierungskredite über Ermäßigungen beim erforderlichen Marktwert der eingereichten Sicherheiten (discount), Vorschusskredite mit oder ohne Besicherung (advance) und Rückkaufvereinbarungen für Vermögensgegenstände des Instituts (repo)602, wobei auch Abschläge auf den Wert (haircut) Anwendung finden603. Früher waren Ermäßigungen beim erforderlichen Marktwert der eingereichten Sicherheiten die übliche Form von Notfallkrediten, mittlerweile sind es Vorschusskredite mit oder ohne Besicherung604. Bei den Diskontfazilitäten ist kritisch anzumerken, dass von ihnen Fehlanreize ausgehen, da diese nur einzelnen Banken gewährt werden und deshalb in den Wettbewerb eingreifen605. Es wird insoweit darauf hingewiesen, dass der Interbankenmarkt bereits durch Offenmarktgeschäfte wieder liquide werden kann und solvente Institute nach den Operationen auch wieder am Interbankenmarkt Re-

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C. A. E. Goodhart, Myths about the lender of last resort, S. 317 (326). Beispielsweise S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 51 oder O. Steiger, Which lender of last resort for the eurosystem?, S. 25. 598 Vgl. Kapitel E.I.3.a). 599 Vgl. Kapitel E.I.3.a). 600 Vgl. D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 36. 601 D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 36. 602 D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 18. 603 D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 19. 604 Ebd. 605 Vgl. G. Tumpel-Gugerell, Lender of Last Resort, S. 513 (515), (m.w. N.); D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 6 (m.w. N.); ausführlich: M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 168 f. 597

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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finanzierung finden606. Jedoch hat die jüngste Finanzkrise gezeigt, dass die von der Zentralbank zur Verfügung gestellte Liquidität wegen der Zweifel über die Kreditwürdigkeit der Konkurrenten von den Banken nicht auf dem Interbankenmarkt zur Verfügung gestellt, sondern bei der Zentralbank als Notfallreserve gehortet wurde607. Wettbewerbspolitisch ist zudem bedenklich, dass geldpolitische Notfallkredite grundsätzlich nicht gewährt werden, um die Insolvenz einer einzelnen Bank abzuwenden, sondern nur, wenn die Refinanzierungsschwierigkeiten einer Bank die Finanzstabilität gefährdet608. Deshalb profitieren von den Diskontfazilitäten nur Banken, die zu groß für eine ordentliche Abwicklung sind (too big to fail)609. Es ist zwar gerechtfertigt, dass eine Bank ihre Zahlungsfähigkeit grundsätzlich selbst sicherzustellen hat, aber es werden erhebliche Fehlanreize gesetzt, denn auf diese Weise wird eine bestimmte Größe nicht nur zum Verdienst-, sondern auch zum Überlebensvorteil610. Jedoch hat die jüngste Finanzkrise gezeigt, dass durch die Ansteckungskanäle auf dem Interbankenmarkt selbst kleine Banken für die Finanzstabilität relevant sein können611. Die Erwartung vieler Kreditinstitute, im Falle finanzieller Instabilität auf die geldpolitische Hilfe zurückgreifen zu können, könnte die Anfälligkeit des Finanzsystems für Ungleichgewichte verstärken612. Zur Verhinderung von Fehlanreizen (moral hazard) wird vorgeschlagen, die Notfallkredite den Kreditinstituten nicht generell im Berechtigungsfalle ex ante zuzusagen, sondern die Zentralbank ad hoc im Einzelfall, also nicht nach vorab festgelegten Regeln, entscheiden zu lassen613. Dieser Ansatz würde jedoch rechtsstaatlichen Erfordernissen nicht genüge tun, weil die Zentralbank als Teil der öffentlichen Gewalt vor allem auch dem Gleichheitsgrundsatz genügen muss und die Zentralbank ohne explizite oder mit lediglich generalklauselartiger Ermächtigung möglicherweise willkürliche Entscheidungen treffen könnte614. Die Vergabeprinzipien sollten entweder gesetzlich festgelegt werden oder zumindest im Vorhinein von der Zentralbank veröffentlicht werden, auch um panikartige Reaktionen der Finanzwirtschaftsakteure wegen der Unsicherheit über die Notfallkredite vermeiden zu helfen615.

606

Vgl. G. Tumpel-Gugerell, Lender of Last Resort, S. 513 (515). G. Tumpel-Gugerell, Lender of Last Resort, S. 513 (515 f.). 608 Vgl. D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 4. 609 Vgl. M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 188. 610 Vgl. ebd. 611 Vgl. M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 179. 612 Vgl. C. W. Calomiris, The IMF’s imprudent role as lender of last resort, S. 445 (449); M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 184. 613 Vgl. D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 3 u. 10 (m.w. N.). 614 Vgl. Kapitel E.II.4.a). 615 Vgl. M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 2. 607

212

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Aus Wettbewerbsgründen soll jedoch überschuldeten Banken keine Notfallliquidität bereitgestellt werden616. Es würden noch gewichtigere Fehlanreize gesetzt, wenn auch insolvente Banken durch Notkredite gerettet werden617. Die Insolvenz hat in der Marktwirtschaft die Funktion, „ineffiziente Marktstrukturen aufzubrechen“ 618. Teilweise wird aber auch befürwortet, insolventen Instituten geldpolitische Refinanzierung zu gewähren, um Zeit für eine geordnete Abwicklung des Kreditinstituts zu gewinnen619. Die Unterscheidung zwischen illiquiden, aber solventen, und überschuldeten Kreditinstituten ist oftmals sehr schwierig620, wenn nicht gar unmöglich621, weil Überschuldung und Illiquidität auch „voneinander abhängen“ können622. Wenn eine Bank kein Geld mehr auf den Finanzmärkten erhält, liegt jedenfalls der Verdacht der Überschuldung nahe623. Die Entscheidung über die Gewährung und die Durchführung von geldpolitischen Notkrediten muss zumeist innerhalb von kürzester Zeit getroffen werden, um Ansteckungseffekten zuvorzukommen624. Wegen der möglichen hohen Kosten einer unterlassenen Hilfeleistung (Finanzinstabilität) durch die Zentralbank wird im Zweifel der Notfallkredit gewährt werden; denn der Zweifelsfall wird für gewöhnlich aufgrund des komplexen Beurteilungszusammenhangs und der Kürze des Entscheidungszeitraums zu rechtfertigen sein. Grundsätzlich werden auch die geldpolitischen Notfallkredite, wie die gewöhnliche geldpolitische Refinanzierung, nur gegen Sicherheiten gewährt. Jedoch werden die Sicherheiten von der Zentralbank nicht mit den niedrigen Marktpreisen im Zustand finanzieller Instabilität bewertet, sondern in der Regel weiterhin zu höheren Preisen, die vor der Finanzinstabilität gezahlt wurden625. Auf diese Weise soll die Zentralbank zwischen einer bloß durch die panikartigen Reaktionen entstandenen Illiquidität und einer Überschuldung unterscheiden können626. Das Vorgehen unterstellt damit aber, dass das alte Preisniveau gerechtfertigt war und die Abwertung nur aufgrund von Marktirrationalitäten zustande ge616

Vgl. M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 4. Vgl. M. D. Bordo, The lender of last resort: alternative views, S. 279 (285). 618 M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 187. 619 Vgl. D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 7. 620 G. Tumpel-Gugerell, Lender of Last Resort, S. 513 (516). 621 C. A. E. Goodhart, Myths about the lender of last resort, S. 317 (320). 622 M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 174. 623 C. A. E. Goodhart, Introduction, S. 13 (13); G. Tumpel-Gugerell, Lender of Last Resort, S. 513 (516 f.); C. A. E. Goodhart, Myths about the lender of last resort, S. 317 (323), wonach Ausnahmen die Regel bestätigen. 624 D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 3. 625 Vgl. S. Fischer, On the need for an international lender of last resort, S. 423 (428). 626 S. Fischer, On the need for an international lender of last resort, S. 423 (428). 617

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

213

kommen sei627. Zudem gefährdet die Gewährung von Notfallkrediten gegen die Einräumung von Sicherheiten die Position der Bankgläubiger im Falle der Insolvenz, weil die der Zentralbank verpfändeten Vermögenswerte nicht (mehr) in die Insolvenzmasse fallen628. Die Zentralbank stellt nach dem Konzept des Lender of Last Resort durch Strafzinsen und Auflagen sicher, dass die Notfallkredite nur in äußersten Notfällen abgerufen werden629. Strafzinsen sollen dafür sorgen, dass sich liquide Kreditinstitute weiter an den Finanzmarkt wenden630, haben aber den Nachteil, dass sie das illiquide Kreditinstitut zusätzlich belasten und dadurch eine Überschuldung noch wahrscheinlicher machen631. Regelmäßig werden die Notfallkreditlinien mit einer Ausweitung der Kontrolle durch die Bankenaufsicht verbunden632, um die Geschäftstätigkeit und die Liquiditäts- und Solvabilitätslage besser kontrollieren zu können633. Die Kontrolle ist vor allem erforderlich, weil die den illiquiden Banken gewährten Fazilitäten im Verhältnis zu den kleinen Einkünften und Gewinnen der Zentralbank groß sind, so dass durch den Ausfall einer großen Bank die Zentralbankgewinne schnell aufgebraucht wären634. Notfallkreditfazilitäten weiten die Geldmenge aus und bringen Inflationsgefahren mit sich635, auch weil viele Zentralbanken in der Regel dazu neigen, ihre Verluste zu monetarisieren636. Die Geldpolitik kann die durch die Notfallkredite bedingte Geldausweitung wieder – insbesondere durch umgekehrte Rückkaufvereinbarungen, Fremdwährungsswaps und höhere Mindestreserveanforderungen – neutralisieren, bedarf dazu aber einer geeigneten makroökonomischen Umgebung637. Zwar könnte der Ausfall eines einzelnen Kreditinstituts die Preisstabilität noch nicht beeinträchtigen, aber anders dürfte sich dies verhalten, wenn mehrere Institute Nothilfen der Zentralbank in Anspruch nehmen und da627

Vgl. S. Fischer, On the need for an international lender of last resort, S. 423

(428). 628

D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 19. D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 8. 630 M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 2; G. Tumpel-Gugerell, Lender of Last Resort, S. 513 (515), (m.w. N.); T. M. Humphrey, Lender of last resort: the concept in history, S. 263 (273). 631 Vgl. D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 8; weitere kritische Punkte bei: G. Hoggarth/F. Soussa, Crisis management, lender of last resort and the changing nature of the banking industry, S. 166 (175). 632 Vgl. D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 4. 633 Die banking view (vgl. M. D. Bordo, The lender of last resort: alternative views, S. 279 (285)) hält geldpolitische Rettungskredite für überflüssig, wenn die gesetzliche Bankenregulierung aufgegeben würde. 634 D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 9. 635 Vgl. Kapitel E.I.3.d). 636 D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 9. 637 Ebd. 629

214

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

raufhin ihre Refinanzierungskredite nicht mehr an die Zentralbank zurückzahlen können638. Die Zentralbank muss daher bestmöglich sicherstellen, die Notkredite zurückzuerhalten oder für anderweitigen Ausgleich zu sorgen, denn langfristig ist Preisstabilität Voraussetzung für Finanzstabilität, die gerade durch die Notkredite bewahrt werden soll639. Außerdem hat die Zentralbank die durch die Krisenmaßnahmen bedingten Umverteilungswirkungen möglichst gering zu halten640. Die Notfallkredite sollten nicht nur Gläubigern dazu dienen, ihre Gelder vor einer endgültigen Insolvenz abzuziehen, ohne dass die Bank wieder solvent oder liquide wird641. Ferner hat die Zentralbank ihre Handlungsfähigkeit permanent sicherzustellen, denn verharrt sie zu lange im Modus unkonventioneller Maßnahmen, verfügt sie – insbesondere an der Nullzinsgrenze und in der Liquiditätsfalle642 – über kaum weitere Mittel, wenn sich die Finanzinstabilität weiter verschärfen sollte, wenn sich die Finanzwirtschaftsakteure bereits an das bisherige Liquiditätsniveau gewöhnt haben und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes trotzdem auf niedrigem Niveau verharrt, weil allenfalls kurzfristige Kredite vergeben werden643. Daher sollte die Gewährung der Notkredite nur kurzfristig zur Überbrückung erfolgen, weil jede Bank, die für mehr als ein paar Wochen auf Notfallkredite der Zentralbank angewiesen ist, wahrscheinlich überschuldet und nicht nur illiquide ist644. bb) Übernahme destabilisierender Finanzen durch die Zentralbank Überdies kann die Zentralbank nicht nur als Lender of Last Resort, sondern auch als „Market Maker of Last Resort“ auftreten, um das Stabilisierungspotential der Zentralbank auszuweiten645. Dabei kann die Zentralbank verschiedenste Vermögenspreise durch Offenmarktinterventionen auf unterschiedlichen Märkten stabilisieren und dadurch ihr Adressatenspektrum erweitern, weil sie als Market Maker of Last Resort nicht nur Banken, sondern auch andere Finanzwirtschaftsakteure mit Liquidität unterstützen kann646. Außerdem kann die Zentralbank auf diese Weise Solvabilitätshilfen leisten, weil sie dem Verkäufer des finanziell de638

S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 151. Vgl. M. Knittel, Europäischer Lender of Last Resort, S. 14. 640 Vgl. Kapitel E.I.3.c); E.III.3. 641 D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 7. 642 Vgl. G. Illing, Kommunikationsprobleme unkonventioneller Geldpolitik, S. 588 (588 f.). 643 Vgl. T. J. Jordan, Some Lessons for Monetary Policy from the Recent Financial Crisis, S. 289 (291). 644 D. He, Emergency Liquidity Support Facilities, S. 22 f. 645 Vgl. P. Tucker, Comment, S. 22 (27). 646 Vgl. ebd. 639

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

215

stabilisierenden Vermögenswerts das Geld nicht als Kredit, sondern endgültig zur Verfügung stellt. Die Zentralbankbilanz fungiert dabei als grundsätzlich unendliches Stabilisierungsmittel. Jedoch führt die Stabilisierung zu Inflationsgefahren und Umverteilungseffekten647. 3. Implementierung der Finanzstabilitätspolitik durch die Zentralbank Die Zentralbank implementiert aber nicht nur die Geldpolitik, sondern auch die Finanzstabilitätspolitik. Sie kann die Finanzstabilität mit ihren Instrumenten wirksam beeinflussen. Vor allem die Endlagerinstrumente können für Ziele außerhalb des geldpolitischen Bereichs eingesetzt werden, so dass die Zentralbank nicht in jedem Fall (primär) geldpolitisch tätig ist, sondern auch (primär) finanzstabilitätspolitisch tätig werden kann. Für jeden konkreten Einsatz von Instrumenten durch die Zentralbank kann jeweils eine Zuordnung zu einem der beiden Finanzpolitikbereiche erfolgen. Aufgrund der grundsätzlich gleichen Zielrichtung überschneiden sich die beiden Finanzpolitikbereiche in weiten Teilen648. An anderer Stelle werden insoweit Zuordnungs- und Abgrenzungskriterien aufgezeigt649. Infolge der jüngsten Finanzkrise wurde eine gesetzliche Verankerung der Finanzstabilität als Ziel der Geldpolitik gefordert650. Die entscheidenden Fragen sind aber nicht mehr, ob die Zentralbank in ihre Ausrichtung auch finanzstabilitätspolitische Ziele aufnehmen sollte, sondern vielmehr, welches Gewicht finanzstabilitätspolitische Ziele in geldpolitischen Entscheidungen zugemessen werden sollten651 und unter welchen Umständen und Voraussetzungen die Zentralbank gar (primär) finanzstabilitätspolitisch handeln sollte. Die optimale Gewichtung hängt von länderspezifischen Umständen ab und ist über die Zeit veränderlich, weil der wechselseitige Einfluss von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik ständigen Veränderungen unterliegt und von der jeweiligen volkswirtschaftlichen Verfassung eines Staates abhängt652. Das Maß sowie die Art und Weise finanzstabilitätspolitischer Tätigkeit der Zentralbank sind grundlegende politische Entscheidungen, die jeder Staat selbst festzulegen hat653. Die Bürger müssen entscheiden, ob und in welchem Maße sie 647 648 649 650

Vgl. Kapitel E.I.3.c) u. d); E.III.3. Vgl. A. S. Blinder, How Central Should the Central Bank Be?, S. 123 (129). Vgl. Kapitel D.IV. Vgl. E. W. Nier, Financial Stability Frameworks and the Role of Central Banks,

S. 9. 651 R. W. Ferguson, Should Financial Stability Be An Explicit Central Bank Objective?, S. 8. 652 Vgl. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 13; E. W. Nier, Financial Stability Frameworks and the Role of Central Banks, S. 19. 653 Vgl. Kapitel E.IV.3.

216

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

bereit sind, das Finanzsystem auf Kosten von Inflationsgefahren und Umverteilungseffekten zu stabilisieren654. Die Entscheidungen beinhalten Abwägungen von Interessen, die wegen der erheblichen Umverteilungswirkungen auch sozialpolitisch bedeutsam sind655. a) Abhängigkeit der Zentralbank von der Finanzstabilitätspolitik Die Finanzstabilitätspolitik bietet wichtige Funktionen zur Ergänzung der Geldpolitik, weil sie über einige präzisere Instrumente zum Einsatz gegen Finanzinstabilitätsursachen verfügt als die geldpolitischen Standardinstrumente, die nur unterschiedslos eingesetzt werden können656. Zu den wichtigen Ursachen werden neben übermäßigen Vermögenspreissteigerungen vor allem rasant wachsende Kreditvolumina und große Kapitalakkumulationen an wenigen Punkten des Finanzsystems gezählt657. In der Regel war für Finanzinstabilitäten bisher das Zusammentreffen mehrerer Ursachen entscheidend, wobei in solchen Konstellationen die geldpolitischen Standardinstrumente nur begrenzt gegenzusteuern vermochten658. Die Geldpolitik ist auf finanzstabilitätspolitische Instrumente angewiesen. Einige theoretische Modelle gehen sogar davon aus, dass die Geldpolitik den risikofreien Zins und die Finanzstabilitätspolitik die Risikoprämie – im Sinne der Differenz zwischen Kreditzins und risikofreiem Zins – bestimme659. Zudem können die durch eine Geldausweitung der Zentralbank regelmäßig steigenden Bankbilanzrisiken vornehmlich durch bankenaufsichtsrechtliche Mittel wie Liquiditätsund Eigenkapitalvorschriften begrenzt werden660. Die Eigenkapitalvorschriften können zwar den Einsatz geldpolitischer Instrumente teilweise konterkarieren, indem sie die Kreditkosten beeinflussen661, aber die Solvabilitätsvorschriften können die vornehmlich prozyklischen Effekte der Geldpolitik zu mildern helfen662.

654 Vgl. C. W. Calomiris, The IMF’s imprudent role as lender of last resort, S. 445 (446); M. Knittel, Geldpolitik und Stabilität des Bankensystems, S. 186. 655 Vgl. Kapitel E.I.3.d). 656 Vgl. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 9 f. u. 12. 657 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 1. 658 Vgl. C. Borio/P. Lowe, Asset prices, financial and monetary stability, S. 11. 659 Vgl. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 12. 660 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 9 f. 661 Vgl. D. D. VanHoose, Bank Capital Regulation, Economic Stability, and Monetary Policy, S. 1 (11 f.). 662 Vgl. D. D. VanHoose, Bank Capital Regulation, Economic Stability, and Monetary Policy, S. 1 (11).

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

217

Die Finanzwirtschaftsordnung hat in der Vergangenheit fälschlicherweise suggeriert, dass Risiken in Aufschwungphasen sinken und in Abschwungphasen steigen, obwohl sich gerade in Aufschwungphasen finanzielle Ungleichgewichte herausbilden663. Ursache für diese Entwicklung sind vor allem an kurzfristigen Kennzahlen orientierte Kontrollmechanismen664. Mittlerweile ist aber deutlich geworden, dass die Finanzstabilität nicht nur über kurzfristige Preisstabilitätsziele zu erreichen ist. Vielmehr müssen auch in der Geldpolitik breitere Zeithorizonte angesetzt werden665. Die Finanzstabilitätspolitik kann im Interesse der Geldpolitik der Prozyklizität des Finanzsystems entgegentreten. Die Finanzstabilitätspolitik könnte mithilfe von Kapitalpuffern gegen Schocks die Instabilitäten des Finanzsystems verringern, um dabei die Standardinstrumente der Zentralbank zu schonen, so dass beispielsweise eine Annäherung der Leitzinspolitik an die Nullzinsgrenze vermieden wird666. An der Nullzinsgrenze wäre die Zentralbank nämlich auf schärfere Instrumente zur Finanzstabilisierung angewiesen wie längere Laufzeiten der geldpolitischen Refinanzierungsgeschäfte oder Staatsanleihekäufe667. Negative Leitzinsen sind grundsätzlich – ohne eine Gebühr auf Bargeld – nicht ratsam, weil die Banken wegen seiner Wertbeständigkeit auf Bargeld ausweichen könnten, ohne das Zentralbankgeld zur Kreditvergabe einzusetzen, um der Zentralbank am Laufzeitende das Bargeld vermindert um den negativen Zins zurückzuzahlen und einen risikolosen Gewinn einzustreichen668. In der jüngsten Finanzkrise wurde die Nullzinsgrenze bereits erreicht, als die finanziellen Instabilitäten noch nicht überwunden waren, deshalb wurde von einigen Zentralbanken zu unkonventionellen Mitteln gegriffen und die Zentralbankbilanzen wurden auf historische Höchststände ausgeweitet669. Als ein solches antizyklisches Instrument werden insbesondere Eigenkapitalpolster vorgeschlagen, die in Aufschwungphasen im Wege der bankenaufsichtsrechtlichen Solvabilitätsvorschriften aufgebaut werden und in Abschwungphasen abgebaut werden könnten, um finanzielle Instabilitäten als Solvabilitäts- und Liquiditätsreserve zu vermindern oder aufzulösen670. Auf diese Weise könnten Angebotsschwankungen verringert und die Finanzstabilität befördert werden671. 663

C. Borio, Monetary and financial stability, S. 3407 (3409). Ebd. 665 Vgl. C. Borio/W. White, Whither monetary and financial stability?, S. 20. 666 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 11. 667 I. Marques Gameiro/C. Soares/J. Sousa, Monetary policy and financial stability: An open debate, S. 7 (18). 668 Vgl. N. Ehrentreich, Geldpolitik angesichts der Nullschranke der Nominalzinsen: Ein Überblick, S. 19 (23). 669 G. Illing, Geld- und Fiskalpolitik in der Krise, S. 3. 670 Vgl. C. Borio, Monetary and financial stability, S. 3407 (3413); IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 17. 671 Vgl. B. Braasch, Symmetrische Geldpolitik und Finanzstabilität, S. 516 (523). 664

218

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

b) Bankenaufsicht durch die Zentralbank Die Zentralbank ist nicht der einzige finanzstabilitätspolitische Akteur, denn auch andere Finanzunternehmen als Banken wie beispielsweise Versicherungen bedürfen staatlicher Regulierung, um eine stabile Finanzwirtschaftsordnung zu schaffen und durchzusetzen672. Die Zentralbank sollte mit den übrigen finanzstabilitätspolitischen Akteuren eng zusammenarbeiten673, um durch enge Kooperation und intensiven Austausch den finanzstabilitätspolitischen Interdependenzen zwischen den einzelnen Teilen der Finanzwirtschaft Rechnung zu tragen674. Die Zentralbank erhält einen besonderen Einfluss auf die Finanzstabilitätspolitik, wenn sie die Aufsicht über die Kreditinstitute übernimmt. Es stellt sich dabei die Frage, ob demjenigen Akteur, der die für die Finanzstabilität äußerst wichtige Leitzinspolitik und Geldmenge bestimmt, gleichzeitig die Bankenaufsicht überlassen werden sollte, wodurch die wesentliche finanzstabilitätspolitische Entscheidungsgewalt an einer Stelle konzentriert wird675. Die Befürworter der Übernahme durch die Zentralbank begründen deren Standpunkt vornehmlich mit Praktikabilitätserwägungen, weil die Finanzstabilitätspolitik durch die Vereinigung der Expertise von Aufsichtsbehörde und Zentralbank effektiver würde676. Die Zentralbank würde mehr Instrumente und Informationen erhalten, wodurch ihr Einfluss auf das Finanzsystem vergrößert werden würde677. Studien zeigen eine signifikante Verringerung der Wahrscheinlichkeit für Bankenkrisen, wenn die Zentralbank die Aufgabe der Bankenaufsicht übernimmt678. Die jüngste Finanzkrise habe gezeigt, dass sich vor allem unter einer Funktionstrennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht finanzielle Ungleichgewichte herausbilden, weshalb beide Bereiche von einem einzigen Akteur verantwortet werden sollen679. Jedoch sind auch Konflikte zwischen den geldpolitischen und den aufsichtsbehördlichen Zielen möglich680. Beispielsweise könnte die Zentralbank im Falle einer geldpolitisch erforderlichen Geldverknappung Interessenkonflikten ausge672 Vgl. J. Crespo Cuaresma/E. Gnan, Vom Umgang mit Finanzmarktinstabilität: Vier geldpolitische Strategien im Vergleich, S. 69 (88 f.). 673 Vgl. C. Borio/W. White, Whither monetary and financial stability?, S. 25. 674 Vgl. T. Padoa-Schioppa, Central banks and financial stability, S. 41. 675 Vgl. C. A. E. Goodhart, The changing role of central banks, S. 135 (146); E. W. Nier, Financial Stability Frameworks and the Role of Central Banks, S. 17 f. 676 Vgl. E. W. Nier, Financial Stability Frameworks and the Role of Central Banks, S. 14. 677 E. W. Nier, Financial Stability Frameworks and the Role of Central Banks, S. 14. 678 A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 45 f. sagen aber selbst, dass mit dem Ergebnis vorsichtig umzugehen sei. 679 Vgl. E. Barnea/Y. Landskroner/M. Sokoler, The Interaction of Monetary Policy and Financial Stability: Lessons from the 2007 Crisis, S. 2. 680 S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 104.

II. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik

219

setzt sein, wenn sie von Solvabilitäts- oder Liquiditätsproblemen eines der von ihr beaufsichtigten Kreditinstitute weiß681. Zudem muss die Zentralbank ihre Indikatoren um nicht liquiditätsrelevante Größen erweitern, weitere makroprudentielle Kennzahlen erheben und ihren Zeithorizont anpassen682. Außerdem könnte die Insolvenz eines beaufsichtigten Instituts die Autorität und die Glaubwürdigkeit der Zentralbank untergraben683. Andererseits würde die Zentralbank als Aufsichtsbehörde über eine breitere Informationsgrundlage verfügen, um die als Lender of Last Resort erforderliche, schwierige Unterscheidung zwischen zahlungsunfähigen und überschuldeten Kreditinstituten vorzunehmen684. Es ist dabei aber zu bedenken, dass die Zentralbank im Bereich der Geldpolitik unabhängig agiert. Teilweise wird sogar gefordert, dass sich die Unabhängigkeit der Zentralbank auch auf den finanzstabilitätspolitischen Bereich erstrecken sollte, weil sich dies ebenso positiv auf die Verfolgung der finanzstabilitätspolitischen Ziele auswirken würde, wie sich die Unabhängigkeit auf die geldpolitischen Ziele ausgewirkt hat685. Eine empirische Studie hat gezeigt, dass entweder ein hohes Maß an Unabhängigkeit oder ein hoher Grad an Abhängigkeit mit finanzieller Stabilität vereinbar sind und Zwischenlösungen oftmals für die Finanzstabilität ungünstig sind686. Die Unabhängigkeit wird der Zentralbank nur für ihre geldpolitischen Maßnahmen eingeräumt und kann wegen des Demokratieprinzips nicht auf die (primär) finanzstabilitätspolitischen Bereiche – insbesondere die Endlagerinstrumente – erweitert werden687. Die Unabhängigkeit einer Aufsichtsbehörde ist wegen ihrer weitreichenden Eingriffsbefugnisse nicht zu rechtfertigen688. Der Nutzen der Zusammenführung von Geldpolitik und Bankenaufsicht bei der Zentralbank dürfte gering sein, weil institutionelle Vorkehrungen – meist als Chinese Wall bezeichnet – getroffen werden müssen, um eine Interferenz der geldpolitischen Unabhängigkeit mit der Bankenaufsicht zu vermeiden, wobei im Falle einer wirksamen Funktionstrennung faktisch wieder zwei separate Entscheidungsträger entstehen würden, wenn auch am selben Ort.

681 E. W. Nier, Financial Stability Frameworks and the Role of Central Banks, S. 15 f. analysiert diesen Konflikt ausführlich. 682 IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 16. 683 E. W. Nier, Financial Stability Frameworks and the Role of Central Banks, S. 16 f. 684 Vgl. G. J. Schinasi, Responsibility of Central Banks for Stability in Financial Markets, S. 10. 685 A. Garcia Herrero/P. del Rio, Financial Stability and the Design of Monetary Policy, S. 20. 686 A. Sanchis/M. J. Segovia/J. A. Gil/A. Heras/J. L. Vilar, Rough sets and the role of the monetary policy in financial stability (macroeconomic problem) and the prediction of insolvency in insurance sector (microeconomic problem), S. 1554 (1554). 687 Vgl. Kapitel C.I.4.a); E.II.3.c)bb). 688 Vgl. Kapitel C.I.4.a); E.II.3.c)bb).

220

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Deshalb bleibt festzuhalten, dass die Zentralbank im Falle ihrer Übernahme der Funktion der Bankenaufsicht wegen der Anforderungen des Demokratieprinzips an die Verantwortung der (Finanzstabilitäts-)Politik durch das Parlament Einschränkungen ihrer Unabhängigkeit in Kauf zu nehmen hat; übernimmt sie diese Funktion dagegen nicht, besteht für die Zentralbank die (regelmäßig nur geringe) Gefahr, dass ihre Politik durch andere finanzstabilitätspolitische Akteure – wie insbesondere die Bankenaufsichtsbehörde, aber auch den Fiskus – konterkariert wird.

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik Im Zentrum des Verhältnisses von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik steht die Beziehung zwischen Fiskalstabilität und Finanzstabilität. Zunächst sollen deshalb fiskalische Instabilitäten beschrieben und die Kosten fiskalischer Instabilität aufgezeigt werden. Anschließend werden die finanziellen Transmissionskanäle zwischen dem Fiskus und den privaten Finanzunternehmen betrachtet, um die wechselseitige Abhängigkeit von Fiskus und privater Finanzwirtschaft zu verdeutlichen. Schließlich werden sowohl Instrumente des Fiskus zur Stabilisierung der Finanzunternehmen als auch Instrumente zur Fiskalstabilisierung behandelt. 1. Fiskalische Stabilität und finanzielle Stabilität Die Beziehung zwischen Fiskalstabilität und Finanzstabilität ist von grundlegender Bedeutung für das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik. Der Fiskus ist als Träger der Staatsfinanzen ein wesentlicher Bestandteil des Finanzsystems, weil der Fiskus Inhaber umfangreicher finanzieller Ressourcen ist. Das Verhalten des Fiskus hat erhebliche Bedeutung für die übrigen Finanzwirtschaftsakteure, weil der Fiskus umverteilend in die finanzielle Ressourcenausstattung der privaten Finanzwirtschaftsakteure eingreift und die materiellen Voraussetzungen der (von der Finanzpolitik bestimmten) Finanzwirtschaftsordnung und damit auch für die (von der Finanzstabilitätspolitik bestimmten) Finanzstabilitätsordnung schafft, indem er die gesamte Staatstätigkeit finanziert. Deshalb setzt die Finanzstabilität als Fähigkeit des Finanzsystems, dessen wesentliche volkswirtschaftliche Funktionen auch in Zeiten von wirtschaftlichen Stressszenarien zu erfüllen689, generell die Funktionsfähigkeit des Fiskus zur Finanzierung der Staatstätigkeit voraus. Solange sich der Fiskus in einem Zustand befindet, in welchem er seiner Funktion zur Finanzierung der Staatstätigkeit nachkommt und diese Funktion auch 689

Vgl. die Definition der Finanzstabilität in Kapitel C.III.1.b).

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

221

nicht zu verlieren droht, befindet sich der Fiskus im Zustand fiskalischer Stabilität (Fiskalstabilität). Als fiskalische Instabilität ist daher ein Zustand zu bezeichnen, in welchem aufgrund der finanziellen Lage des Fiskus die Gefahr besteht, dass der Fiskus seinen Verbindlichkeiten nicht fristgerecht nachkommen kann oder in sonstiger Weise die Staatstätigkeit nicht zu finanzieren imstande ist. Analog zum Begriffspaar Finanzinstabilität und Finanzkrise690 ist der Zustand einer fiskalischen Krise als Materialisierung der fiskalischen Instabilität erreicht, sobald sich die Gefahren der fiskalischen Instabilität dergestalt verwirklichen, dass der Fiskus seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommt. Fiskalkrisen sind in der Vergangenheit häufig aufgetreten; weltweit durchschnittlich sogar in mehr als einem Staat pro Jahr691. Die fiskalische Instabilität ist eine Kategorie finanzieller Instabilität. Jede fiskalische Instabilität begründet eine finanzielle Instabilität, weil jede fiskalische Instabilität über unterschiedliche Transmissionskanäle die Stabilität des gesamten Finanzsystems (unmittelbar) gefährdet. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jede Fiskalkrise eine Finanzkrise zur Folge haben muss, denn unter bestimmten Voraussetzungen können die übrigen Teile des Finanzsystems auch den sich aus der Fiskalkrise folgenden Finanzstabilitätsgefahren standhalten. Umgekehrt muss aber auch nicht jede Finanzinstabilität bereits eine Fiskalinstabilität begründen, weil sich andere Bestandteile des Finanzsystems als der Fiskus durchaus im Zustand finanzieller Instabilität befinden können, ohne dass dies die Funktionsfähigkeit des Fiskus (unmittelbar) beeinträchtigen würde. Aber eine solche Finanzinstabilität kann durchaus wegen der Ansteckungskanäle von den privaten Finanzwirtschaftsakteuren zum Fiskus – vor allem über finanzstabilitätspolitische Hilfen durch den Fiskus – eine fiskalische Instabilität auslösen. Aufgrund dieser Wechselwirkungen zwischen Fiskalstabilität und Finanzstabilität kann es sogar zu negativen Rückkopplungseffekten kommen, indem eine von einer Fiskalinstabilität ausgelöste Finanzinstabilität die ursächliche Fiskalinstabilität noch weiter verschärft. Beispielsweise können fiskalische Instabilitäten die Bilanzen der Finanzunternehmen belasten, was die Finanzstabilitätspolitik zu Stützungsmaßnahmen durch den Fiskus veranlasst, die die finanzielle Ausstattung des Fiskus noch weiter verschlechtern692. Überdies lassen sich die Wechselwirkungen zwischen Fiskalstabilität und Finanzstabilität daran erkennen, dass eine fiskalische Instabilität sogar dazu führen kann, dass die Zentralbank den Fiskus im Wege der Monetarisierung finanziell stabilisiert, was wiederum eine Geldinstabilität und damit eine Instabilität des

690 691 692

(61).

Vgl. Kapitel C.III.1.c). Vgl. H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 8 (m.w. N.). Vgl. R. Breton/C. Pinto/P.-F. Weber, Banks, moral hazard, and public debts, S. 57

222

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Geldsystems als einem weiteren wesentlichen Bestandteil des Finanzsystems zur Folge haben kann693. Demzufolge sind Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik nicht nur dadurch verbunden, dass die Fiskalstabilität eine Kategorie der Finanzstabilität darstellt, sondern auch dadurch, dass wechselseitige Abhängigkeitsverhältnisse der fiskalischen Instabilität und anderer Kategorien von finanziellen Instabilitäten bestehen694. Daraus folgt aber auch, dass die Finanzstabilitätsordnung grundsätzlich einer stabilen Fiskalordnung bedarf. Eine am Ziel fiskalischer Stabilität ausgerichtete Fiskalpolitik leistet daher auch einen finanzstabilitätspolitischen Beitrag. a) Ursachen fiskalischer Instabilitäten Primäre Ursache für fiskalische Instabilitäten ist die übermäßige Nutzung von Staatsverschuldung zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben695. Erreicht der Schuldenstand ein Niveau, welches von den Finanzwirtschaftsakteuren als fiskalisch instabil bewertet wird, steigen die Risikobestandteile der Zinsen derart, dass der fiskalisch aufbringbare Schuldendienst nicht einmal die Zinskosten deckt696. Empirisch betrachtet, hängt die Entwicklung der Staatsanleihezinssätze proportional mit den von den Märkten erwarteten Haushaltsdefiziten und den Schuldenständen zusammen697. Die Zinserhöhungen bei einer Umschuldung können eine „Abwärtsspirale“ in Gang bringen, durch die die Zinszahlungslast auf ein Niveau steigt, auf welchem der Fiskus seine Verbindlichkeiten nicht mehr tilgen kann und auch die Zinszahlungen nur durch neue Kredite geleistet werden können, so dass eine fiskalische Krise nicht mehr vermieden werden kann698. Insbesondere ein großer Umfang an kurzfristiger Staatsanleiheverschuldung birgt für den Fiskus die Gefahr, in Zeiten finanzieller Instabilität bei der Umschuldung Kredite nur gegen hohe Zinsen zu erhalten699. Überdies erhöht eine hohe Auslandsverschuldung (insbesondere in fremder Währung) die Abhängigkeit von wirtschaftlichen Volatilitäten, die außerhalb des eigenen unmittelbaren 693

Vgl. Kapitel D.II.1. Vgl. I. J. M. Arnold, The Third Leg of the Stool: Financial Stability as a Prerequisite for EMU, S. 280 (288). 695 Vgl. M. Blessing, Financial and Fiscal Stability beyond the Crisis Years, S. 7 (10). 696 Vgl. C. Kopf, Restoring financial stability in the euro area, S. 1. 697 Vgl. M.-G. Attinasi/C. Checherita/C. Nickel, What Explains the Surge in Euro Area Sovereign Spreads During the Financial Crisis of 2007–09?, S. 5; E. Baldacci/ M. S. Kumar, Fiscal Deficits, Public Debt, and Sovereign Bond Yields, S. 1 u. 3. 698 Vgl. K. Abberger, Was ist ein Staatsbankrott?, S. 37 (37); einschränkend C. Cottarelli/L. Forni/J. Gottschalk/P. Mauro, Default in Today’s Advanced Economies, S. 7. 699 Vgl. P. Manasse/N. Roubini/A. Schimmelpfennig, Predicting Sovereign Debt Crises, S. 4; E. Borensztein/M. Chamon/O. Jeanne/P. Mauro/J. Zettelmeyer, Sovereign Debt Structure for Crisis Prevention, S. 14 u. 49. 694

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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politischen Einflussbereichs liegen700. Die durch die weitreichende Kapitalverkehrsfreiheit bedingte globale finanzielle Integration der Kapitalmärkte hat es der Fiskalpolitik vieler Volkswirtschaften ermöglicht, hohe Schuldenstände aufzubauen, und gleichzeitig die Gefahr geschaffen, dass das fremde Kapital jederzeit beschränkungslos wieder abgezogen werden kann701. Bereits kleine Veränderungen der Wahrnehmung des Fiskus durch die Finanzwirtschaftsakteure können mittlerweile zu fiskalischen Instabilitäten führen702. Die Finanzwirtschaft hat in der jüngeren Vergangenheit – beispielsweise durch die Hebelwirkung von Derivatgeschäften – eine volatile Struktur entwickelt, die auch die Finanzierung des Fiskus beeinträchtigen kann703. Insbesondere seit der Einführung704 der Kreditausfallversicherung hat sich die Dynamik und die Volatilität der Staatsanleihemärkte erhöht705. Zudem können auch finanzielle Instabilitäten anderer Finanzwirtschaftsbereiche – wie beispielsweise mit Krediten finanzierte Zahlungsbilanzdefizite – fiskalische Instabilität auslösen706. Jedenfalls ist in der Vergangenheit eine Finanzkrise häufig einer Fiskalkrise vorausgegangen707, denn häufig sind Fiskalkrisen einem übermäßigen privaten Kreditwachstum zeitlich gefolgt708. In Zeiten finanzieller Instabilität belasten die Ansteckungskanäle von den privaten Finanzunternehmen zum Fiskus dessen Stabilität, insbesondere wenn der Fiskus die Mittel für reaktive finanzstabilitätspolitische Maßnahmen aufzubringen hat709. b) Insolvenzfestigkeit des Fiskus Häufig wird davon ausgegangen, dass der Fiskus wie auch private Finanzwirtschaftsakteure bankrott oder insolvent werden könne. Die Begriffe „Bankrott“ 700

Vgl. ebd. Vgl. C. M. Reinhart/V. R. Reinhart/K. S. Rogoff, Public Debt Overhangs: Advanced-Economy Episodes Since 1800, S. 69 (84). 702 Vgl. C. Kopf, Restoring financial stability in the euro area, S. 10. 703 Vgl. M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 31; C. Reinhart/G. Kaminsky/C. Vegh, The unholy trinity of financial contagion, S. 5 f. 704 Diese erfolgte 1997 durch die Investmentbank J. P. Morgan, s. R. Cont, Credit default swaps and financial stability, S. 35 (36). 705 Vgl. L. Boone/L. Fransolet/S. Willemann, Euro public debt and the markets, S. 19 (19 u. 23). 706 Vgl. P. Manasse/N. Roubini/A. Schimmelpfennig, Predicting Sovereign Debt Crises, S. 4; N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 33; M. Tomz/M. L. J. Wright, Do Countries Default in „Bad Times“?, S. 12. 707 Vgl. C. M. Reinhart/K. S. Rogoff, From Financial Crash to Debt Crisis, S. 1676 (1702); A. Gruber/M. Kogler, Bank Risk, Sovereign Default, and Financial Stability, S. 287 (290 f.). 708 Vgl. E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 6 (m.w. N.). 709 Vgl. Kapitel D.III.3.c)aa). 701

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

und „Insolvenz“ sind zur Beschreibung finanzieller Probleme des Fiskus im Gegensatz zum Begriff „Fiskalinstabilität“ ungeeignet. Der Begriff „Staatsbankrott“ ist nicht geeignet, weil ein „Bankrott“ entstehungsgeschichtlich das Ausscheiden eines Wirtschaftssubjekts aus dem Geschäftsverkehr beschreibt710. Der Begriff beschreibt daher einen „Endpunkt“, den der Staat wegen seines Fortbestehens nicht erreicht711. Ein Staat wird im Gegensatz zu privaten Finanzunternehmen nicht liquidiert und aufgelöst oder von einem Gläubiger übernommen712. Auch der Begriff „Staatsinsolvenz“ sollte nicht für die Finanzprobleme des Fiskus verwendet werden; denn die Tatbestände, die eine Insolvenz begründen – die (drohende) Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung – werden vom Fiskus auch im Falle der Fiskalkrise nicht erfüllt713. Nach verbreiteter Überzeugung wird der Fiskus dagegen nur für solvent gehalten, wenn der Barwert des (positiven) Saldos aller zukünftigen Haushaltsüberschüsse und Haushaltsdefizite größer oder gleich ist mit dem aktuellen nominalen Staatsschuldenstand714. Im Sinne dieser Überzeugung wird der Fiskus für zahlungsunfähig gehalten, wenn er seine Schulden bei Fälligkeit nicht bedienen kann, insbesondere weil er keine Anschlussfinanzierung bei der Umschuldung findet715. Teilweise wird die Zahlungsunfähigkeit dagegen erst angenommen, wenn sich der Fiskus in gewissem Umfang mit seiner Rückzahlung in Verzug befindet716. Der Staat kann jedoch nicht zahlungsunfähig werden, weil er die Zahlungsansprüche durch Enteignung modifizieren oder sogar zum Erlöschen bringen kann717. Außerdem hat der Staat durch die Abgabenhoheit eine zeitlich unbegrenzte und materiell bis zum Existenzminimum seiner Bürger reichende Einnahmequelle718. Der Fiskus kann sich über Steuern, für die der Staat keine Gegenleistung erbringen muss719, zu jedem Zeitpunkt weitere Einnahmen verschaf-

710

K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 17 (m.w. N.). K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 18. 712 H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 80. 713 Gem. §§ 17 bis 19 InsO. 714 P. Manasse/N. Roubini/A. Schimmelpfennig, Predicting Sovereign Debt Crises, S. 6; vgl. W. H. Buiter/A. C. Sibert, How the Eurosystem’s Treatment of Collateral in its Open Market Operations Weakens Fiscal Discipline in the Eurozone (and what to do about it), S. 2. 715 Vgl. K. Abberger, Was ist ein Staatsbankrott?, S. 37 (37); B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 7; P. Manasse/N. Roubini/A. Schimmelpfennig, Predicting Sovereign Debt Crises, S. 6 (m.w. N.). 716 Vgl. B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 7; P. Manasse/N. Roubini/A. Schimmelpfennig, Predicting Sovereign Debt Crises, S. 6 (m.w. N.). 717 K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 21. 718 Ebd. 719 Per definitionem gem. § 3 Abs. 1 AO. 711

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

225

fen720. Überdies können Staaten mit eigener Währung ihre Staatsschuld monetarisieren721. Auch die für juristische Personen geschaffene Kategorie722 der Überschuldung passt aus den angeführten Gründen nicht zu fiskalischen Schwierigkeiten, weil der Fiskus anders als Unternehmen in Zeiten des Zahlungsausfalls trotzdem voll über seine Einnahmequellen verfügen kann723. Ein privates Finanzunternehmen wird als überschuldet bezeichnet, wenn sein Vermögen nicht ausreicht, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken724. Der Fiskus kann sich nicht in mit natürlichen oder juristischen Personen vergleichbarer Weise überschulden, weil ein Großteil seines Vermögens weder einer Bewertung (ohne privatwirtschaftliche Verwendungsmöglichkeit) zugänglich ist, noch (wegen der Unveräußerlichkeit notwendigen Staatsvermögens wie der Ausstattung der Behörden) liquidisiert werden kann; außerdem ist der Staat grundsätzlich immer in der Lage, durch Rohstoffe, Liegenschaften oder die Arbeitskraft seiner Bürger seine Schulden zu begleichen und den Fiskus zu finanzieren, zumal er außerdem gesetzlich auf seine Verbindlichkeiten einwirken kann725. c) Fiskalische Zahlungsunwilligkeit Der Fiskus kann aus den genannten Gründen nicht seine Zahlungsunfähigkeit oder seinen Bankrott erklären, sondern er erklärt gegebenenfalls vielmehr seine (politische) Zahlungsunwilligkeit. Die Erklärung der Zahlungsunwilligkeit ist eine „diskretionäre, politisch motivierte, einseitige Entscheidung, Zahlungsverpflichtungen gegenüber staatlichen oder privaten Gläubigern dauerhaft nicht mehr nachzukommen“ 726. Die Erklärung der fiskalischen Zahlungsunwilligkeit ist demnach „eine politische Dezision, die unter Abwägung der ökonomischen Zwänge – also gerade nicht unter dem Gesichtspunkt rechtlicher Zulässigkeit – erfolgt“ 727. Die Fiskalkrise hat erhebliche negative Konsequenzen für die Freiheitlichkeit und Rechtlichkeit des Staates. Der Staat bricht oder suspendiert durch die Erklä720

H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 8 f. Vgl. C. Noyer, Central banking in a context of high public debt, S. 9 (12). 722 Vgl. § 19 Abs. 1 InsO. 723 K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 22. 724 Gem. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO. 725 Vgl. K. Abberger, Was ist ein Staatsbankrott?, S. 37 (38). 726 Das Zitat (s. M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 88) bezieht sich jedoch auf den oben kritisierten Begriff des Staatsbankrotts, bringt aber ebenfalls die Abhängigkeit vom politischen Willen des Staates zum Ausdruck. Als Literaturüberblick zum Begriff des Staatsbankrotts siehe auch M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 310 ff. 727 M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 88. 721

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rung seiner Zahlungsunwilligkeit zahlreiche eigene Gesetze728, denn die einseitige Beendigung von Schuldverhältnissen durch den Staat stellt eine Enteignung der Gläubiger dar729. Zudem kommt der Staat ihm obliegenden Schutzpflichten – insbesondere denen aus der Eigentumsgewährleistung – nicht mehr nach und gefährdet dadurch seine Autorität zur Durchsetzung des Rechts. Trotzdem erklären Staaten ihre Zahlungsunwilligkeit und stellen ihre Zahlungen ein730, denn ein Staat kann und darf seinen Schuldendienst nicht völlig den Gläubigerinteressen unterordnen, solange er souverän bleiben soll. Vor allem die fehlende Möglichkeit der Gläubiger zur Durchsetzung der Forderungen im Falle der Erklärung der Zahlungsunwilligkeit ist Ausdruck der finanziellen Souveränität des Staates731. Die vom Prinzip staatlicher Souveränität abgeleitete staatliche Immunität verhindert, dass ein Staat für seine hoheitlichen Handlungen vor dem Gericht eines anderen Staates verklagt werden kann, weil ein souveräner Staat sich nicht in einem Rechtsstreit mit einem anderen Staat oder einem Bürger eines anderen Staates dem Diktum des fremden Gerichts unterwerfen muss732. Zudem bestimmt die Staatsaktdoktrin, dass Gerichte nicht die Rechtsmacht beanspruchen dürfen, über die Rechtmäßigkeit und Rechtsverbindlichkeit von Handlungen eines anderen souveränen Staates auf dessen Hoheitsgebiet zu urteilen733. Es gibt aber auch Einschränkungen des Grundsatzes staatlicher Immunität zum einen für den Fall des rechtsgeschäftlichen (streng auf das Schuldverhältnis beschränkten) Verzichts des Staates auf seine Immunität und zum anderen sehen die Rechtsordnungen einiger Staaten734 vor, dass sich fremde Staaten in ihrer Rechtsordnung im Rahmen von Handelsgeschäften nicht auf ihre Immunität berufen können735. Jedoch muss insoweit festgehalten werden, dass der wesentliche Teil des Vermögens des Schuldnerstaates in dessen Hoheitsgebiet gelegen ist und die Vollstreckung dessen nicht erzwingbar ist, auch wenn es zu einer Verurteilung des Schuldnerstaates vor einem ausländischen Gericht gekommen sein sollte736. Au728

Vgl. M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 27. Vgl. M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 311. 730 K. Abberger, Was ist ein Staatsbankrott?, S. 37 (38). 731 Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, insbesondere S. 49 ff. und 341 ff.; dagegen M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 312. 732 Vgl. U. Panizza/F. Sturzenegger/J. Zettelmeyer, The Economics and Law of Sovereign Debt and Default, S. 1 (3); K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 549. 733 Vgl. U. Panizza/F. Sturzenegger/J. Zettelmeyer, The Economics and Law of Sovereign Debt and Default, S. 1 (4), (m.w. N.). 734 Beispielsweise der Foreign Sovereign Immunitites Act (FSIA) der USA aus dem Jahr 1976. 735 Vgl. U. Panizza/F. Sturzenegger/J. Zettelmeyer, The Economics and Law of Sovereign Debt and Default, S. 1 (3). 736 Vgl. K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 548. 729

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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ßerhalb des eigenen Hoheitsgebiets kommen dem Schuldnerstaat für sein Vermögen (insbesondere Botschaften und Konsulate oder militärische Gegenstände) Privilegien bei der Vollstreckung zugute, so dass sich die Vollstreckung im Wesentlichen auf dessen Handelsvermögen und kulturelle Einrichtungen beschränkt737. Auch die im Ausland befindlichen Reserven der Zentralbank sind grundsätzlich gegen eine Vollstreckung immun738. 2. Anreize zur Rückzahlung: Kosten fiskalischer Instabilitäten Trotz der erheblichen destabilisierenden Wirkung für das Finanzsystem kann es für die Fiskalpolitik auf Grundlage einer (autonomen) Entscheidung zweckmäßig sein, ihre Zahlungsunwilligkeit zu erklären und damit eine Fiskalkrise auszulösen. Die Entscheidung des Fiskus, seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachzukommen, erfordert eine Abwägung von deren Vor- und Nachteilen739. Dabei kommen für die Fiskalpolitik verschiedene Anreize zum Tragen, ihre Schulden zu begleichen, weil die Verweigerung der Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen mit wirtschaftlichen Schäden und Kosten verbunden ist740. Zunächst wurde in der wirtschaftswissenschaftlichen Analyse der Anreize vor allem der Schaden betont, den die Reputation des Schuldnerstaates nimmt741. Besonders Wirtschaftspolitiker aus Volkswirtschaften mit starker Exportwirtschaft fürchten die negativen Auswirkungen einer fiskalischen Krise auf den Umfang der eigenen Handelsgeschäfte742. Früher hatte die Verweigerung einer Kreditrückzahlung noch verstärkt den (sanktionsweisen) Ausschluss vom Handel mit den Staaten, aus denen die Gläubiger kommen, zur Folge, mittlerweile beschränken sich die Konsequenzen zunehmend auf das Finanzielle743. Über die Jahre hinweg hat die Bedeutung von Staaten als Gläubiger anderer Staaten zugunsten von privaten Gläubigern (vornehmlich auch aus dem Inland) abgenommen, so dass die Sanktionierung als Druckmittel der Gläubigerstaaten seltener angewen737 K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 549. In Deutschland privilegiert § 882a ZPO den Fiskus im Rahmen der Vollstreckung. 738 Vgl. U. Panizza/F. Sturzenegger/J. Zettelmeyer, The Economics and Law of Sovereign Debt and Default, S. 1 (4). 739 Vgl. N. Gennaioli/A. Martin/S. Rossi, Sovereign Default, Domestic Banks, and Financial Institutions, S. 3. 740 Vgl. B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 3; P. Manasse/N. Roubini/A. Schimmelpfennig, Predicting Sovereign Debt Crises, S. 4. 741 Vgl. L. Bini Smaghi, Sovereign Risk, S. 237 (242); U. Panizza/F. Sturzenegger/ J. Zettelmeyer, The Economics and Law of Sovereign Debt and Default, S. 1 (13). 742 Vgl. E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 14; E. L. Yeyati/U. Panizza, The elusive costs of sovereign defaults, S. 1 (1). 743 Vgl. E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 2 u. 15; U. Panizza/F. Sturzenegger/J. Zettelmeyer, The Economics and Law of Sovereign Debt and Default, S. 1 (11 u. 25).

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

det wird744. Mittlerweile muss sogar generell konstatiert werden, dass die Konsequenzen einer Fiskalkrise nur noch für einen relativ kurzen Zeitraum virulent bleiben; oftmals sind bereits nach zwei Jahren keine finanziellen Auswirkungen mehr nachweisbar745. a) Verlust von Wirtschaftsleistung Fiskalische Instabilitäten fallen zeitlich zumeist mit hohen Verlusten an Wirtschaftsleistung zusammen746. Ökonometrisch lässt sich der negative Zusammenhang der fiskalischen Krise zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts aufgrund unklarer Kausalitäten bisher nicht eindeutig bestimmen747. Es konnte insoweit (noch) nicht nachgewiesen werden, dass die Fiskalkrise selbst eine rezessive Entwicklung auszulösen vermag oder dass die Fiskalkrise und die rezessive Entwicklung von anderen primären Ursachen ausgelöst werden748. Beispielsweise kommt eine Studie zu dem Schluss, dass es in der Regel nicht zu rezessiven Entwicklungen nach einer fiskalischen Krise komme, sondern die Kontraktion der Wirtschaftsleistung regelmäßig schon vor der fiskalischen Krise stattfinde, weil die Fiskalkrise von den Finanzwirtschaftsakteuren häufig antezipiert werde749, so dass die Fiskalkrise vielmehr in den Zeitraum der wirtschaftlichen Erholung falle750. Zudem haben Studien große Aufmerksamkeit gefunden, die davon ausgehen, dass eine fiskalische Schuldenquote im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von über neunzig Prozent einen negativen Einfluss auf die Wirtschaftsleistung entfaltet751. Ein solcher wissenschaftlich fundierter Grenzwert hätte den Vorteil einfacher Operabilität, dieser Zusammenhang zwischen Schuldenquote und der Entwicklung der Wirtschaftsleistung wurde aber aufgrund einer fehlerhaften Berechnung wieder in Zweifel gezogen752. Ein fester Grenzwert wäre zwar operabel, aber nicht über einen längeren Zeitraum hinweg begründbar, weil die dem Grenzwert zugrundeliegenden ökonomischen Zusammenhänge über die Zeit veränder744

Vgl. E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 3 f. Vgl. E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 22f. 746 Vgl. B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 14 f. 747 E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 4; vgl. E. L. Yeyati/ U. Panizza, The elusive costs of sovereign defaults, S. 1 (2). 748 E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 4. 749 E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 23. 750 Vgl. E. L. Yeyati/U. Panizza, The elusive costs of sovereign defaults, S. 1 (2 u. 9). 751 Nach C. M. Reinhart/V. R. Reinhart/K. S. Rogoff, Public Debt Overhangs: Advanced-Economy Episodes Since 1800, S. 69 (70 u. 80) ist die Wachstumsrate in Volkswirtschaften mit einem Verhältnis der Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt über neunzig Prozent durchschnittlich um 1,2 Prozent niedriger als in Staaten mit einem Verhältnis von unter neunzig Prozent. 752 Vgl. T. Herndon/M. Ash/R. Pollin, Does High Public Debt Consistently Stiffle Economic Growth? A Critique of Reinhart and Rogoff, S. 1. 745

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lich sind. Jedenfalls steht es insbesondere zu vermuten, dass die von Investoren und Gläubigern akzeptierten Schuldenquoten nach einer vorherigen Insolvenz wesentlich geringer sein werden, als wenn es bisher zu keinem Zahlungsausfall gekommen wäre753. Als potentielle weitere Nachteile der Fiskalkrise sind Rückgänge in der gesamtwirtschaftlichen Produktion zu befürchten, weil sich die Kreditbedingungen infolge der Fiskalkrise für die inländische Privatwirtschaft verschlechtern können, so dass die inländischen Banken ihre Kreditvergabe infolge einer Fiskalkrise einschränken und auch die ausländischen Kreditgeber Darlehen an die inländischen Kreditnehmer nur noch gegen Zinsaufschläge vergeben754. Produktionseinbußen haben für die Fiskalpolitik geringere Steuereinnahmen zur Folge und können fiskalische Nachfrageausweitungen erforderlich machen. b) Abkopplung des Fiskus vom Kapitalmarkt Die Fiskalpolitik muss zudem befürchten, dass die Haushaltsfinanzierung über den Kapitalmarkt im Falle einer Fiskalkrise zukünftig für den Fiskus gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich sein wird755. Sie muss deshalb abwägen, ob die Erleichterungen beim Schuldendienst infolge der Erklärung der Zahlungsunwilligkeit die Beschränkungen bei der Kreditfinanzierung überwiegen756. Nach einem fiskalischen Zahlungsausfall kommt es in der Regel zu einer Abkopplung des Fiskus von den Kapitalmärkten757. Die Abkopplung stellt die Fiskalpolitik vor erhebliche Finanzierungsprobleme, weil die Ausgaben des Staates oftmals die Einnahmen übersteigen und die Fiskalpolitik deshalb auf die Ersparnis ihrer eigenen Bürger oder zumindest auf die Ersparnis ausländischer Sparer angewiesen ist758. Empirisch betrachtet wurde den meisten Staaten nach einer Fiskalkrise der Zugang zu den Kapitalmärkten aber nicht dauerhaft verwehrt759. Keinesfalls kommt 753 Vgl. C. Cottarelli/L. Forni/J. Gottschalk/P. Mauro, Default in Today’s Advanced Economies, S. 7. 754 Vgl. B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 4 f. (m.w. N.). 755 Vgl. B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 3; M. Blessing, Financial and Fiscal Stability beyond the Crisis Years, S. 7 (14). 756 Vgl. B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 3 (m.w. N.); R. Giordano/P. Tommasino, What determines debt intolerance, S. 471 (472). 757 Vgl. U. Panizza/F. Sturzenegger/J. Zettelmeyer, The Economics and Law of Sovereign Debt and Default, S. 1 (11 u. 25). 758 K. Abberger, Was ist ein Staatsbankrott?, S. 37 (39). 759 E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 11; C. M. Reinhart/ V. R. Reinhart/K. S. Rogoff, Public Debt Overhangs: Advanced-Economy Episodes Since 1800, S. 69 (70 f.).

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es in jedem Fall der Erklärung der fiskalischen Zahlungsunwilligkeit zu einer Abkopplung von den Kapitalmärkten oder zumindest zu einem starken Anstieg der Realzinsraten760. Sobald der Schuldenrestrukturierungsprozess abgeschlossen wurde, fanden die Staaten in der Vergangenheit in der Regel wieder Zugang zum internationalen Kapitalmarkt761. Durchschnittlich musste ein Staat in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts zwar noch mehr als vier Jahre warten, um sich wieder über den Kapitalmarkt finanzieren zu können762. Ein Jahrzehnt später aber war eine Rückkehr an den Kapitalmarkt durch die fortschreitende finanzielle Integration im Durchschnitt schon nach weniger als vier Monaten möglich763. Es bestehen zudem empirische Anzeichen dafür, dass sich die fiskalische Kreditfinanzierung infolge einer fiskalischen Instabilität regelmäßig verteuert764. Jedoch wird die Veränderung der Zinsforderungen der Gläubiger infolge einer Fiskalkrise von Studien unterschiedlich beurteilt. Einige Studien können keine Steigerung ausmachen; andere Studien gehen hingegen von längerfristigen moderaten Steigerungen aus; weitere Studien konstatieren schließlich kurzfristige rapide Steigerungen, die sich in kurzer Zeit wieder zurückbilden765. Außerdem bestehen empirische Anzeichen dafür, dass die Zinsaufschläge sich zum Teil auch nach dem Umfang der Abschläge richten, die im Zuge der Restrukturierung ausgehandelt wurden; je höher die Abschläge bei der Schuldenrestrukturierung waren, desto höher sind im Folgenden die Zinsrisikoaufschläge der Gläubiger von Neuemissionen ausgefallen766. Ferner blieben die Bonitätsbeurteilungen für die betreffenden Staaten in der Folge ihres Zahlungsausfalls hinter denjenigen von Staaten zurück, die vergleichbare wirtschaftliche Fundamentaldaten aufwiesen, aber ihre Schulden weiter bedient hatten767. Die Bonitätsbeurteilung des Fiskus ist für die inländischen Ban-

760 C. M. Reinhart/V. R. Reinhart/K. S. Rogoff, Public Debt Overhangs: AdvancedEconomy Episodes Since 1800, S. 69 (70 f.). 761 E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 11. 762 Vgl. R. G. Gelos/R. Sahay/G. Sandleris, Sovereign Borrowing by Developing Countries, S. 19 u. 23 (m.w. N.); B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 4. 763 Vgl. ebd. 764 Vgl. B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 4; E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 11; U. Panizza/F. Sturzenegger/J. Zettelmeyer, The Economics and Law of Sovereign Debt and Default, S. 1 (25). 765 Vgl. E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 13; B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 4 (m.w. N.). 766 Vgl. B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 10 (m.w. N.); K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (119), (m.w. N.). 767 Vgl. C. M. Reinhart/K. S. Rogoff/M. A. Savastano, Debt Intolerance, S. 22; B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 4.

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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ken zudem von großer Bedeutung, weil sie häufig den faktisch maximal erreichbaren Bonitätswert für die inländischen Finanzunternehmen bilden768. Über Ratingherabstufungen des Fiskus erhöhen sich deshalb auch die Finanzierungskosten der Finanzunternehmen, was deren finanzieller Stabilität abträglich ist769. Außerdem zwingen aufsichtsrechtliche Anforderungen770 institutionelle Investoren wie Versicherungen (beispielsweise Anforderung an das versicherungsaufsichtliche Deckungsstockvermögen), nicht in Staatsschuldpapiere mit schlechter Bonität zu investieren771. Demzufolge werden durch die Ratingherabstufung Finanzunternehmen bestimmte Staatsschuldpapiere als Investitionsmöglichkeiten genommen mit Konsequenzen für deren Risikomanagement und Investitionsverhalten772. c) Abhängigkeit von der Gläubigerherkunft Bei der Folgenabwägung der Erklärung der Zahlungsunwilligkeit durch den Fiskus ist auch die Herkunft der Gläubiger von Bedeutung. Die Zahlungsunwilligkeit gegenüber ausländischen Gläubigern hat vornehmlich bloß die mittelbare Auswirkung auf die inländische Volkswirtschaft, dass ausländisches Kapital dem Fiskus zunächst nicht mehr zur Verfügung gestellt werden dürfte773. Je geringer der Anteil der eigenen Staatsanleihen an den gesamten Aktiva der inländischen Finanzunternehmen, desto geringere finanzstabilitätspolitische Konsequenzen sind im Inland zu erwarten und desto schwieriger lässt sich die Umschuldung in solchen Fällen politisch begründen774. Jedoch ist einschränkend anzumerken, dass die Wirksamkeit der Entschuldung durch die Erklärung der Zahlungsunwilligkeit bei ausländischen Gläubigern teilweise von den rechtlichen Möglichkeiten der auf das Schuldverhältnis anwendbaren Rechtsordnung abhängt775. Eine gezielte ausschließliche Diskriminierung ausländischer Gläubiger dürfte sich aber schwierig gestalten, weil die Herkunft von Staatsanleiheinhabern schwer zu bestimmen ist, denn Staatsanleihen werden mit häufig hoher Frequenz auf internationalen Sekundärmärkten gehandelt, so dass die Gläubigerstruktur in768 K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (125 f.). 769 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (125 f.). 770 Siehe beispielsweise § 54 VAG. 771 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (125 f.). 772 Vgl. ebd. 773 Vgl. N. Gennaioli/A. Martin/S. Rossi, Sovereign Default, Domestic Banks, and Financial Institutions, S. 3. 774 Vgl. N. Gennaioli/A. Martin/S. Rossi, Sovereign Default, Domestic Banks, and Financial Institutions, S. 4. 775 Vgl. K. Abberger, Was ist ein Staatsbankrott?, S. 37 (37).

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sofern kaum zu ermitteln sein dürfte776. Zur Unterscheidung nach der Gläubigerherkunft kann sich der Fiskus an der geschuldeten Währung orientieren, weil die Staatsschulden in der eigenen Währung in der Regel von inländischen Gläubigern gehalten werden, wohingegen die Fremdwährungsschulden regelmäßig gegenüber ausländischen Gläubigern bestehen777. Gelingt die Unterscheidung der Gläubiger nach der Herkunft dagegen nicht, werden auch inländische Banken vom Zahlungsausfall betroffen, die infolge von Abschreibungen der Staatsschuldpapiere ihre Kreditvergabe an die Privatwirtschaft mit Folgen für das gesamtwirtschaftliche Angebot und die Nachfrage einschränken müssen, wenn sie nicht sogar insolvent werden778. 3. Transmission finanzieller Instabilitäten Finanzielle Instabilitäten werden über Ansteckungskanäle sowohl vom Fiskus zu den Finanzunternehmen als auch umgekehrt von den Finanzunternehmen zum Fiskus übertragen. In ungünstigen Fällen erfolgt die Transmission infolge eines Liquiditätsansturms auf Staatsschuldpapiere, so dass sich der Ansturm auf den Finanzmarkt zur Liquidisierung von Staatsschuldpapieren auf die Finanzunternehmen überträgt, oder die Transmission mündet in einem Liquiditätsansturm bei Staatsschuldpapieren, so dass Finanzinstabilitäten von privaten Finanzwirtschaftsakteuren einen Ansturm auf dem Finanzmarkt zur Liquidisierung von Staatsschuldpapieren auslösen. a) Dynamik eines Liquiditätsansturms bei Staatsschuldpapieren Hohe Staatsschuldenquoten können Zweifel an der vollständigen Rückzahlung der Staatsschuldpapiere hervorrufen779. Vor allem wenn ein Fiskus weder über Haushaltsüberschüsse noch über Fremdwährungsreserven verfügt, besteht die Gefahr, dass einige Gläubiger bei der Begleichung fälliger Anleihen am Ende der Laufzeit durch neu emittierte Papiere kein weiteres Geld zur Verfügung stellen780. Solange die meisten Gläubiger noch mit dem finanziellen Engagement anderer Investoren rechnen, gilt der betreffende Fiskus auf den Märkten zwar noch als solvent, so dass die Gläubiger noch nicht versuchen, ihre Papiere zu liquidieren781. 776 Vgl. N. Gennaioli/A. Martin/S. Rossi, Sovereign Default, Domestic Banks, and Financial Institutions, S. 2. 777 Vgl. K. Abberger, Was ist ein Staatsbankrott?, S. 37 (37), der indes die USA als Ausnahme nennt, die sich auch gegenüber Ausländern vornehmlich in der eigenen Währung verschulden können. 778 Vgl. N. Gennaioli/A. Martin/S. Rossi, Sovereign Default, Domestic Banks, and Financial Institutions, S. 3. 779 C. M. Reinhart/V. R. Reinhart/K. S. Rogoff, Public Debt Overhangs: AdvancedEconomy Episodes Since 1800, S. 69 (79 f.); vgl. M. Xafa, Global imbalances and financial stability, S. 783 (793 f.). 780 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 50. 781 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 50 u. 88.

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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Erwarten jedoch die Anleiheinhaber, dass auch die anderen Anleiheinhaber ihre Staatsanleihen wegen negativer Entwicklung der Bonitätseinschätzung des emittierenden Staates verkaufen werden, dann sinkt der Marktwert der Staatsanleihen782. Je früher die Staatsanleihe veräußert werden kann, desto höher wird der erzielte Erlös sein783. Diese Erwartungen können dazu führen, dass auch andere potentielle Anleihekäufer nicht investieren (Herdenverhalten) und eine Kettenreaktion in Gang kommt, in der immer mehr Anleiheinhaber die Staatsschuldpapiere auf den Sekundärmärkten (panikartig) verkaufen wollen784. Versuchen die Anleiheinhaber panikartig, ihre Anleihen zu verkaufen, kann es zu einem Ansturm auf den Finanzmarkt kommen (Liquiditätsansturm)785. Die sinkenden Staatsanleihekurse auf dem Sekundärmarkt belasten zunehmend auch die Finanzierung des Fiskus über den Primärmarkt durch steigende Zinserfordernisse für dessen Emissionen786. Die steigenden Zinsen belasten den Fiskus und schränken seinen Handlungsspielraum weiter ein, wodurch die Abwärtsentwicklung weiter verstärkt wird787. Panikartige Reaktionen auf Anleihenmärkten sind in ihrer Dynamik und Struktur durchaus mit den Kausalitäten eines Bankenansturms vergleichbar788. Ein fiskalischer Liquiditätsansturm und ein Bankenansturm haben gemein, dass der Fiskus trotz Zahlungsfähigkeit die Möglichkeit zur Kapitalmarktfinanzierung allein durch einen panikartigen Abzug infolge eines Vertrauensverlusts verlieren kann, ebenso wie eine Bank auch trotz grundsätzlich finanzieller Stabilität in die Zahlungsunfähigkeit geraten kann789. Gläubigererwartungen können Fiskalinstabilitäten verschärfen, weil die Entwicklung der Staatsanleiheverzinsung von den Erwartungen der Finanzwirtschaftsakteure abhängt790. Ein Unterschied besteht insofern aber darin, dass die Einlagen bei Banken zum Großteil sofort oder kurzfristig fällig sind, wohingegen die Staatsanleihen vergleichsweise längere Lauf-

782 Vgl. M. Shirakawa, Sustainability of government debt: preconditions for stability in the financial system and prices, S. 169 (174). 783 Vgl. ebd. 784 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 50. 785 Vgl. M. Shirakawa, Sustainability of government debt: preconditions for stability in the financial system and prices, S. 169 (175). 786 Vgl. M. Shirakawa, Sustainability of government debt: preconditions for stability in the financial system and prices, S. 169 (174); P. De Grauwe, The European Central Bank: Lender of last resort in the government bond markets?, S. 3. 787 Vgl. M. Shirakawa, Sustainability of government debt: preconditions for stability in the financial system and prices, S. 169 (174). 788 Vgl. P. De Grauwe, The European Central Bank: Lender of last resort in the government bond markets?, S. 3. 789 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 88. 790 M. Shirakawa, Sustainability of government debt: preconditions for stability in the financial system and prices, S. 169 (174).

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

zeiten haben und für die Liquidisierung ein Käufer gefunden werden muss, der grundsätzlich bereit ist, die Anleihe zu halten. Jedoch kann ein fiskalischer Liquiditätsansturm auch einen Bankenansturm auslösen; denn die Fiskalinstabilität infolge eines Liquiditätsansturms kann zu einem Vertrauensverlust in die finanzielle Stabilität inländischer Finanzunternehmen und zum panikartigen Abzug von Einlagen bei den Kreditinstituten (Bankenansturm) führen791. b) Ansteckungskanäle vom Fiskus zu den Finanzunternehmen Staatsanleihen haben seit langem als Anker der Finanzwirtschaft fungiert. Die Finanzwirtschaft bedarf sicherer und gleichzeitig liquider Vermögenswerte als Referenzwerte – als welche die Staatsanleihen über einen langen Zeitraum uneingeschränkt galten – bei der Preisfindung und zur Bewertung von Finanzprodukten792. Preise für Vermögenswerte entstehen vornehmlich durch den Vergleich mit einem „risikolosen“ Vermögenswert, dessen intrinsischer Wert stets liquidisiert oder beliehen werden kann793. Staatsanleihen bilden zudem Richtwerte für die Abschläge bei der Beleihung und Rückkaufvereinbarungen794. Aufgrund dieser Prädisposition fußen die meisten Risikomanagementsysteme der Finanzunternehmen auf der Annahme, dass ihnen mit Staatsanleihen „risikolose“ Vermögenswerte zur Verfügung stehen795. In den meisten Volkswirtschaften werden daher Staatsschuldtitel hauptsächlich von Banken und anderen Finanzunternehmen gehalten, die die Papiere vor allem zur Steuerung der eigenen Risiko- und Liquiditätsstabilität verwenden796. Die Banken benutzen Staatsanleihen zudem zur Refinanzierung bei der Zentralbank, wobei die Anleihen ihnen als beleihungsfähige Sicherheiten (zumeist) ohne Bewertungsabschläge dienen797. In den meisten Volkswirtschaften haben die inländischen Banken vornehmlich Staatsanleihen des eigenen Fiskus im Portfolio798. Insbesondere in Volkswirt791

Vgl. E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 18. Vgl. J.-P. Landau, Policies on sovereign debt, S. 191 (192). 793 Vgl. ebd. 794 P. Cour-Thimann/B. Winkler, The ECB’s Non-Standard Monetary Policy Measures, S. 13. 795 K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (125). 796 Vgl. P. Bolton/O. Jeanne, Sovereign Default Risk and Bank Fragility in Financially Integrated Economies, S. 2 f. 797 Vgl. ebd. 798 Vgl. J. Caruana/S. Avdjiev, Sovereign creditworthiness and financial stability: an international perspective, S. 71 (73); S. Merler/J. Pisani-Ferry, Hazardous tango: sovereign-bank interdependence and financial stability in the euro area, S. 201 (205); laut A. Roman/I. Bilan, The Euro area sovereign debt crisis and the role of ECB’s monetary policy, S. 763 (766) hat der Anteil von Eurozonen-Staatsanleihen an den bilanzierten 792

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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schaften mit hoher fiskalischer Verschuldung machen Staatsanleihen regelmäßig einen großen Anteil an den Vermögenswerten der inländischen Banken aus799. In Zeiten finanzieller Integration sind die Kreditinstitute aber nunmehr darauf bedacht, ihre Investitionen in Staatsanleihen auf zahlreiche Emittenten zu streuen800. Durch die Risikodiversifizierung wird zwar einerseits die Abhängigkeit von einem einzelnen Fiskus (Klumpenrisiko) verringert801, aber andererseits bewirken die internationalen Investitionen auch die transnationale Ausbreitung der fiskalischen Instabilität in die Finanzsysteme vieler anderer Staaten802. Es entwickeln sich auf diese Weise Ansteckungskanäle, die die finanziellen Instabilitäten über die Landesgrenzen hinweg verteilen können803. Steht ein Kreditinstitut aufgrund von ausländischen Staatsanleihen vor der Insolvenz, kann auch ein solventer Fiskus durch seine finanzstabilitätspolitischen Hilfen an das inländische Kreditinstitut schließlich in Verschuldungsprobleme geraten804. Eine Fiskalkrise kann die Insolvenz von Kreditinstituten als Hauptgläubigern von Fiskalkrediten begründen und damit die Intermediationsfunktion der Banken als eine der Hauptfunktionen des Finanzsystems aufheben805. Störungen im Staatsanleihesegment können aber auch andere Marktteile austrocknen lassen und dadurch die Liquidität von Kreditinstituten gefährden806. Ferner sind die Schuldpapiere von Staaten mit fiskalischen Engpässen auf dem Finanzmarkt kaum mehr zur Besicherung von Krediten einsetzbar807. aa) Bilanzkanal Fiskalische Instabilitäten entfalten Ansteckungswirkungen auf andere Teile des Finanzsystems über den Bilanzkanal808. Die Kreditinstitute sind als größte InGesamtvermögenswerten der Kreditinstitute im Durchschnitt in den vergangenen Jahren mehr als sieben Prozent ausgemacht. 799 Vgl. J. Caruana/S. Avdjiev, Sovereign creditworthiness and financial stability: an international perspective, S. 71 (73). 800 Vgl. P. Bolton/O. Jeanne, Sovereign Default Risk and Bank Fragility in Financially Integrated Economies, S. 41. 801 Vgl. M. Blessing, Financial and Fiscal Stability beyond the Crisis Years, S. 7 (16). 802 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (122). 803 Vgl. P. Bolton/O. Jeanne, Sovereign Default Risk and Bank Fragility in Financially Integrated Economies, S. 1. 804 Vgl. P. Bolton/O. Jeanne, Sovereign Default Risk and Bank Fragility in Financially Integrated Economies, S. 41. 805 Vgl. B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 5. 806 P. Cour-Thimann/B. Winkler, The ECB’s Non-Standard Monetary Policy Measures, S. 13 f. 807 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2011, S. 23. 808 Vgl. P. Cour-Thimann/B. Winkler, The ECB’s Non-Standard Monetary Policy Measures, S. 13.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

haber von Staatsanleihen die Hauptgläubiger von Staaten809. Daraus ergibt sich eine Abhängigkeit von den marktlichen Preisentwicklungen der Staatsanleihen810. Ausfälle von Forderungen gegenüber dem Fiskus belasten die Gewinnund Verlustrechnung und Bilanz des Gläubigers811, weil die Forderungen nach Fälligkeit als notleidend gelten und grundsätzlich mit Abschreibungen auf der Aktivseite zu verbuchen sind812. Ferner kommt es im Falle eines fiskalischen Zahlungsausfalls zu derivativen Verknüpfungen mit den Bilanzen der Kreditinstitute813. Kreditinstitute sichern das Zahlungsausfallrisiko des Fiskus durch Kreditausfallversicherungen als Versicherungsgeber ab814. Empirisch betrachtet sind die bilanziellen Risiken durch Kreditausfallversicherungen aber noch wesentlich geringer als die Zahlungsausfall- und Abschreibungsrisiken durch unmittelbar gehaltene Staatsschuldtitel815. Der Einfluss von Kursverlusten und Versicherungsleistungen auf die Bilanz des Gläubigers und die aufsichtsbehördliche Behandlung bestimmt sich nach den anzuwendenden Bilanzierungsvorschriften und dem Bankenaufsichtsrecht. Kursverluste führen nach dem market-to-market-Prinzip zu sofortigen Abschreibungen, wenn ein Institut Staatsanleihen hält, um mit diesen zu handeln (Handelsbuch)816. Dagegen muss ein Institut die Kursverluste nicht in der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung verbuchen, wenn es die Anleihen bis zum Laufzeitende halten will (Anlagebuch)817. Wird das Kreditinstitut indes zum („panikartigen“) Verkauf infolge der Marktentwicklung veranlasst, muss die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis jedoch abgeschrieben werden818. 809 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (120). 810 Vgl. ebd. 811 Vgl. G. Vuillemey/T. A. Peltonen, Sovereign Credit Events and Their Spillovers to the European Banking System, S. 1. 812 Vgl. A. Roman/I. Bilan, The Euro area sovereign debt crisis and the role of ECB’s monetary policy, S. 763 (764). 813 Vgl. R. Breton/C. Pinto/P.-F. Weber, Banks, moral hazard, and public debts, S. 57 (60). 814 Vgl. R. Breton/C. Pinto/P.-F. Weber, Banks, moral hazard, and public debts, S. 57 (60); G. Vuillemey/T. A. Peltonen, Sovereign Credit Events and Their Spillovers to the European Banking System, S. 1. 815 Vgl. G. Vuillemey/T. A. Peltonen, Sovereign Credit Events and Their Spillovers to the European Banking System, S. 2. 816 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (120); A. Blundell-Wignall/ P. Slovik, The EU Stress Test and Sovereign Debt Exposures, S. 6. 817 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (120); A. Blundell-Wignall/ P. Slovik, The EU Stress Test and Sovereign Debt Exposures, S. 6. 818 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (120).

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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Gerade im Rahmen von finanzstabilitätspolitischen Stresstests kommt der Unterscheidung zwischen den genannten Kategorien eine besondere Bedeutung zu, weil über diese in Zeiten fiskalischer Instabilitäten das Testergebnis gesteuert werden kann819. Legen die Bankenaufsicht oder die Zentralbank als die finanzstabilitätspolitischen Akteure die Annahme zugrunde, dass die Banken die Staatskredite bis zum Laufzeitende halten werden und die Kredite vollständig getilgt werden, fällt das Ergebnis erheblich besser aus, als wenn diese Erwartungen nicht zugrunde gelegt werden820. Aufgrund der bilanziellen Verschlechterungen verteuert sich die Refinanzierung auf dem Interbankenmarkt für die betroffenen Institute, wenn die Interbankenfinanzierung nicht sogar unmöglich wird821. Durch die bilanziellen Abschreibungen wird die Eigenkapitalbasis der Kreditinstitute aufgezehrt822. Das sinkende Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital zwingt die Banken zu einer Bilanzverkürzung, so dass die Kreditvergabekapazitäten für die Privatwirtschaft schrumpfen823. Auch Versicherungen und Pensionsfonds werden durch die Verschlechterung der Eigenkapitalbasis zum Verkauf von Vermögenswerten veranlasst824. Zudem reduzieren Wertverluste durch Abschreibungen und Bonitätsherabstufungen von Staatsanleihen das durch die Finanzunternehmen verwaltete Vermögen und dadurch die Grundlage für Provisions- und Gebührenzahlungen der Kunden an die Finanzunternehmen825. Außerdem belasten die bilanziellen Veränderungen die Bonitätsbeurteilungen von Finanzunternehmen, was regelmäßig eine Erhöhung der Refinanzierungskosten und eine Verringerung der Marktwerte der Finanzunternehmen zur Folge hat826. bb) Liquiditätskanal Die Ansteckungseffekte der fiskalischen Instabilitäten werden zudem über einen Liquiditätskanal übertragen827. Staatsanleihen sind für Banken attraktiv, weil 819 Vgl. A. Blundell-Wignall/P. Slovik, The EU Stress Test and Sovereign Debt Exposures, S. 3. 820 Vgl. ebd. 821 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (122). 822 P. Cour-Thimann/B. Winkler, The ECB’s Non-Standard Monetary Policy Measures, S. 14. 823 Ebd. 824 Ebd. 825 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (126). 826 Vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2011, S. 23; P. Cour-Thimann/B. Winkler, The ECB’s Non-Standard Monetary Policy Measures, S. 15. 827 Vgl. P. Cour-Thimann/B. Winkler, The ECB’s Non-Standard Monetary Policy Measures, S. 13.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

sie sowohl am Interbankenmarkt als auch bei den Zentralbanken zur Refinanzierung eingesetzt werden können. Staatsschulden stellen derzeit die wichtigste Beleihungsgrundlage im Geldschöpfungsprozess der Zentralbanken dar828. Dabei sind die beleihenden Kreditinstitute von der Bonitätsentwicklung der Staatsschulden abhängig, weil für Staatsschuldpapiere mit schlechterer Bonität ein Abschlag (Haircut) vorgenommen wird, wodurch der Beleihungswert des Papiers sinkt829. Fällt die Bonitätsbeurteilung des Fiskus unter den Grenzwert der Zulässigkeitskriterien für beleihungsfähige Sicherheiten der Zentralbank, sind Staatsanleihen von diesem Fiskus nicht mehr beleihungsfähig bei der Refinanzierung über die Zentralbank830. Ratingherabstufungen haben daher unmittelbaren Einfluss auf die Refinanzierungskapazitäten der Banken831. cc) Preiskanal Die Fiskalpolitik wirkt auf die Finanzunternehmen zudem über einen Preiskanal ein832. Die Fiskalpolitik kann auf die Finanzierungskapazität der Kreditinstitute einen verdrängenden Einfluss haben, indem der Fiskus mit den Banken um Liquidität preislich – über Zinsen – konkurriert und die Kreditaufnahme des Fiskus die Verschuldungsmöglichkeiten der Banken begrenzt (crowding out)833. Die Zinssätze für Staatsanleihen dienen wegen des Konkurrenzverhältnisses als der maßgebliche Richtwert für die Fremdkapitalfinanzierung der Kreditmärkte834. Zahlt der Fiskus für seine Anleihen höhere Zinsen, sind in der Regel auch die Kreditinstitute gezwungen, für ihre eigene Refinanzierung die Verzinsung zu erhöhen835. Die höheren Refinanzierungskosten der Kreditinstitute werden dann in Form von höheren Kreditzinsen an die Privatwirtschaft weitergereicht836. Der Fiskus muss in Zeiten finanzieller Instabilität auf dem zurückhaltenden Kreditmarkt nicht nur mit privaten Kreditnehmern um die Finanzierung konkur828 Vgl. J. Caruana/S. Avdjiev, Sovereign creditworthiness and financial stability: an international perspective, S. 71 (71). 829 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (126). 830 Vgl. ebd. 831 Vgl. ebd. 832 Vgl. P. Cour-Thimann/B. Winkler, The ECB’s Non-Standard Monetary Policy Measures, S. 13. 833 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (127); C. M. Reinhart/V. R. Reinhart/K. S. Rogoff, Public Debt Overhangs: Advanced-Economy Episodes Since 1800, S. 69 (79 f.). 834 Vgl. P. Cour-Thimann/B. Winkler, The ECB’s Non-Standard Monetary Policy Measures, S. 13. 835 P. Cour-Thimann/B. Winkler, The ECB’s Non-Standard Monetary Policy Measures, S. 13. 836 Ebd.

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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rieren, sondern auch mit anderen Staaten837. Der beschriebene Preiskanal kann auch von einem Fiskus zu anderen verlaufen, weil ein Fiskus mit großem Liquiditätsbedarf bereit ist, höhere Zinsen zu zahlen, weshalb sich fiskalische Instabilitäten in Form von hohen Zinsforderungen bei der Verschuldung auch von einem Fiskus zu anderen Fisken ausbreiten können838. dd) Eingeschränkte Wirksamkeit der reaktiven finanzstabilitätspolitischen Instrumente Die finanziellen Verbindungen der Finanzunternehmen zum Fiskus beschränken sich aber nicht nur auf die Bilanz-, Liquiditäts- und Preiskanäle, sondern die reaktiven finanzstabilitätspolitischen Instrumente führen auch zu einer gewissen Abhängigkeit der Finanzunternehmen gegenüber dem Fiskus839. Überträgt sich die fiskalische Instabilität – insbesondere über die Bilanz-, Liquiditäts- und Preiskanäle – auf die Stabilität der Finanzunternehmen, kann der Fiskus nicht mehr finanzstabilitätspolitisch zur Stabilisierung der Finanzunternehmen beitragen, weil ihm die liquiden Mittel für Eigenkapitalhilfen fehlen und auch Garantiezusagen eines (wahrscheinlich) zahlungsunwilligen Fiskus faktisch wertlos sind840. Die Finanzierung derjenigen Finanzunternehmen, denen der Staat finanzstabilitätspolitische Garantien gewährt hat, ist auch von den Bonitätseinschätzungen des Marktes über den Fiskus abhängig, weil der Wert der Garantien unmittelbar durch die fiskalische Stabilität bestimmt wird841. Sinkt die Bonität des Fiskus, verschlechtert sich durch die finanzstabilitätspolitische Verknüpfung auch das Finanzierungspotential der insolvenzgefährdeten Finanzunternehmen, weil das Finanzierungspotential im Falle der Finanzinstabilität maßgeblich auf den finanzstabilitätspolitischen Garantien des Fiskus beruht842. c) Ansteckungskanäle von den Finanzunternehmen zum Fiskus Finanzielle Instabilitäten im Bereich der Finanzunternehmen können sich über mehrere Ansteckungskanäle auch auf den Fiskus übertragen. Dabei soll betont werden, dass finanzielle Instabilitäten im Bereich der Finanzunternehmen nicht zwangsläufig zu fiskalischen Instabilitäten führen müssen, sondern die Auswir837

Vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2011, S. 23. Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (122). 839 Vgl. I. J. M. Arnold, The Third Leg of the Stool: Financial Stability as a Prerequisite for EMU, S. 280 (288). 840 Vgl. B. De Paoli/G. Hoggarth/V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 5. 841 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (126); V. V. Acharya/I. Drechsler/P. Schnabl, A Pyrrhic Victory? Bank Bailouts and Sovereign Credit Risk, S. 36 f. 842 Vgl. ebd. 838

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

kungen auf die fiskalische Stabilität wesentlich vom vorherigen finanziellen Zustand des Fiskus abhängen. Idealiter wären die finanzstabilitätspolitischen Maßnahmen auch nicht mit stabilitätsgefährdenden Zinskosten verbunden, sondern der Fiskus würde die benötigten liquiden Mittel aus den eigenen Einnahmen finanzieren können843. In Zeiten dauerhafter Haushaltsdefizite führen die Ansteckungseffekte zu einer noch höheren Staatsverschuldung und machen dementsprechend hohe Zinsleistungen des Fiskus erforderlich844. aa) Kanal der reaktiven finanzstabilitätspolitischen Instrumente Unmittelbare Ansteckungsgefahren ergeben sich für den Fiskus aus den reaktiven finanzstabilitätspolitischen Stabilisierungsmaßnahmen zugunsten der Finanzunternehmen, die unter Verursachung großer fiskalischer Kosten finanziert werden845. Die Kosten werden von verschiedenen reaktiven finanzstabilitätspolitischen Instrumenten846 verursacht, wie beispielsweise die Rekapitalisierung von Kreditinstituten, die Übernahme von finanziellen Risiken durch Garantien oder der Aufkauf der Risikopositionen, subventionierende Kredite an instabile Finanzunternehmen, Leistungen im Rahmen der staatlichen Einlagensicherung und Verluste der Zentralbank durch ausgefallene Notfallliquiditätshilfen an Banken847. Einer empirischen Studie zufolge haben die Kosten solcher finanzstabilitätspolitischen Maßnahmen in einer Phase finanzieller Instabilität im Durchschnitt mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts der betroffenen Volkswirtschaft ausgemacht; in Einzelfällen auch mehr als die Hälfte848. Vor allem in Staaten mit ausgeprägtem Finanzsektor kann die Finanzstabilitätspolitik in einem kurzen Zeitraum solch hohe fiskalische Kosten verursachen, dass sie eine Fiskalkrise auslösen kann. Allein in den Jahren 2007 bis 2009 ist beispielsweise die Staatsverschuldung der Industrieländer, die eine entwickelte Finanzwirtschaft besitzen, im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt um durchschnittlich über zwanzig Prozent gestiegen849.

843 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (121 f.). 844 Vgl. ebd. 845 Vgl. S. Merler/J. Pisani-Ferry, Hazardous tango: sovereign-bank interdependence and financial stability in the euro area, S. 201 (204); R. Döhrn/H. Gebhardt, Die fiskalischen Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise, S. 4. 846 Vgl. Kapitel C.III.3.b). 847 Vgl. P. Honohan/D. Klingebeil, The fiscal cost implications of an accommodating approach to banking crises, S. 1542. 848 Vgl. P. Honohan/D. Klingebeil, The fiscal cost implications of an accommodating approach to banking crises, S. 1541. 849 Vgl. M. Blessing, Financial and Fiscal Stability beyond the Crisis Years, S. 7 (10 f.).

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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Finanzinstabilitäten belasten daher insbesondere in Volkswirtschaften mit ausgeprägtem Finanzsektor die fiskalische Bonität und erschweren die Kreditfinanzierung des Fiskus850. Die Hilfsmaßnahmen der letzten Jahre haben zu einer Neubewertung des fiskalischen Ausfallrisikos und damit zum Anstieg der Staatsanleihezinssätze geführt851. Statistisch kann jedoch kein proportionaler Zusammenhang zwischen dem Umfang der Stabilisierungsmaßnahmen und den Staatsanleihezinssätzen nachgewiesen werden, so dass diejenigen Staaten mit den größten Maßnahmepaketen nicht auch den größten Anstieg von Staatsanleihezinssätzen zu verzeichnen hatten852. Die fiskalischen Kosten finanzstabilitätspolitischer Maßnahmen sind ex ante kaum kalkulierbar. Der Umfang der fiskalischen Belastung hängt beispielsweise bei der Übernahme von ausfallbedrohten Aktiva aus den Bankbilanzen vom gezahlten Kaufpreis und von den Einnahmen ab, die die gekauften Vermögenswerte schließlich (in Minderung der Verluste infolge des Kaufpreises) generieren werden853. Auch die Vorsorge für die Verluste staatlicher Abwicklungsanstalten gestaltet sich schwierig, weil die Verlustrisiken aus den übernommenen Aktiva aufgrund von künftigen finanziellen und konjunkturellen Entwicklungen nur sehr ungenau prognostizierbar sind854. Die Finanzstabilitätspolitik kann die Aktiva häufig auch nicht zur Schonung der fiskalischen Kostenrisiken zu einem dem Marktwert entsprechenden niedrigen Preis aufkaufen, weil der Zweck der über dem Marktwert liegenden Kaufpreise in der Übernahme von Verlusten durch den Fiskus besteht, so dass mit einem niedrigen Kaufpreis zwar die fiskalische Belastung gemindert würde, aber der Zweck der Maßnahme verfehlt würde und andere teure finanzstabilitätspolitische Instrumente – wie Eigenkapitalspritzen – erforderlich würden855. bb) Risikokanal Bereits das Risiko finanzstabilitätsgefährdender Verluste von Finanzunternehmen kann die Staatsanleihezinssätze erhöhen, weil sich die Investoren auf diese Weise gegen das Risiko absichern, dass der Rückzahlungsanspruch gegen den 850 Vgl. S. Gerlach/A. Schulz/G. B. Wolff, Banking and Sovereign Risk in the Euro area, S. 2. 851 Vgl. M.-G. Attinasi/C. Checherita/C. Nickel, What Explains the Surge in Euro Area Sovereign Spreads During the Financial Crisis of 2007–09?, S. 5. 852 Vgl. M.-G. Attinasi/C. Checherita/C. Nickel, What Explains the Surge in Euro Area Sovereign Spreads During the Financial Crisis of 2007–09?, S. 5 f. 853 Vgl. H. Joebges/A. Krieger, Bad Bank, Ausgleichsforderungen und Kreditversicherungen, S. 10. 854 Vgl. H. Joebges/A. Krieger, Bad Bank, Ausgleichsforderungen und Kreditversicherungen, S. 4. 855 Vgl. H. Joebges/A. Krieger, Bad Bank, Ausgleichsforderungen und Kreditversicherungen, S. 6.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Fiskus dadurch notleidend wird, dass der Fiskus zum Fälligkeitszeitpunkt zu umfangreiche Finanzmittel für finanzstabilitätspolitische Maßnahmen aufgewendet haben wird, um seinen Kreditverpflichtungen nachzukommen856. Deshalb haben nicht nur rechtsverbindliche Maßnahmen zur Stabilisierung, sondern bereits die Erwartung finanzieller Instabilitäten der Finanzwirtschaftsakteure einen belastenden Effekt auf die Verschuldungszinssätze des Fiskus, wenn diese mit Hilfsmaßnahmen rechnen. Die Übertragung von Finanzstabilitätsrisiken ist besonders ausgeprägt, wenn Maßnahmen der Finanzstabilitätspolitik aufgrund der Bedeutung der Finanzwirtschaft für die betreffende Volkswirtschaft sehr wahrscheinlich sind857. cc) Liquiditätskanal Darüber hinaus wird der Staatsanleihezinssatz durch das Liquiditätsniveau des eigenen Staatsanleihemarktes bestimmt, also vom Umfang an liquiden Mitteln, die ein Fiskus aus dem In- und Ausland anzieht858. Für den Fiskus wird die Haushaltsfinanzierung über den Kapitalmarkt in Zeiten finanzieller Instabilität schwierig, weil insbesondere die Banken ihre liquiden Mittel horten, um den eigenen Liquiditätsbelastungen gewachsen zu sein. Grundsätzlich stellen Staatsschuldtitel für Banken zwar eine Möglichkeit dar, Liquidität für zukünftige Investitionen zu speichern859. Verlieren die Banken aber das Vertrauen in die Bonität des Fiskus, speichern sie ihre Liquidität zunehmend eher über die Einlagefazilität bei der Zentralbank als über (kurzfristige) Staatsanleihen. Der Fiskus muss den (potentiellen) Gläubigern höhere Zinsleistungen anbieten, um Kredite zu erhalten, was die Ausgaben des Fiskus (weiter) erhöht. dd) Mittelbare Ansteckungsgefahren Für die Ansteckungswirkungen von Finanzinstabilitäten auf die Fiskalpolitik sind deshalb nicht nur unmittelbare Kanäle zwischen Finanzunternehmen und dem Staatshaushalt relevant, sondern auch makroökonomische Effekte, die durch die Dysfunktionalität der Finanzunternehmen hervorgerufen werden können860. 856 Vgl. S. Sgherri/E. Zoli, Euro Area Sovereign Risk During the Crisis, S. 17; D. Gros, The Seniority Conundrum: Bail out countries but bail in private, short-term creditors?, S. 4. 857 Vgl. S. Gerlach/A. Schulz/G. B. Wolff, Banking and Sovereign Risk in the Euro area, S. 1. 858 Vgl. M.-G. Attinasi/C. Checherita/C. Nickel, What Explains the Surge in Euro Area Sovereign Spreads During the Financial Crisis of 2007–09?, S. 9 u. 36. 859 Vgl. N. Gennaioli/A. Martin/S. Rossi, Sovereign Default, Domestic Banks, and Financial Institutions, S. 3. 860 Vgl. S. Merler/J. Pisani-Ferry, Hazardous tango: sovereign-bank interdependence and financial stability in the euro area, S. 201 (206).

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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Löst eine Finanzkrise gesamtwirtschaftliche Angebots- und Nachfrageeinbußen aus, verringern sich – als automatische Stabilisatoren – die steuerlichen Einnahmen861 und vergrößern sich durch keynesianische Nachfragestützungsmaßnahmen die Ausgaben des Fiskus862. Zudem müssen die teuren reaktiven finanzstabilitätspolitischen Schutzmaßnahmen ceteris paribus über fiskalische Kredite, Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen finanziert werden863. Sowohl Steuererhöhungen als auch Ausgabenkürzungen belasten tendenziell (zumindest kurzfristig) die Wirtschaftsleistung, indem sie Investitionsanreize schwächen864. Zusätzliche Gefahren für die fiskalische Stabilität infolge von Finanzinstabilitäten ergeben sich daraus, dass finanzielle Instabilitäten oftmals mit Vermögenspreissteigerungen und Kreditausweitungen einhergehen. In solchen Aufschwungphasen steigert der Fiskus seine Einnahmen (beispielsweise über die Grunderwerb- oder Kapitalertragsteuer), was ihn zur Erhöhung der Ausgaben veranlassen kann, auch wenn diese nur auf finanziell instabiler Grundlage beruhen. Die höheren Ausgaben werden zur Belastung, wenn sich die Vermögenspreissteigerungen und die Kreditausweitungen (im Rahmen einer Finanzkrise abrupt) zurückbilden und die fiskalischen Ausgaben nicht rechtzeitig rückgängig gemacht oder kompensiert werden können865. d) Wechselseitige Ansteckungseffekte Im Zuge der Transmission finanzieller Instabilitäten kann es auch zu wechselseitigen Ansteckungseffekten zwischen dem Fiskus und den Finanzunternehmen kommen, die zu einer verstärkenden Rückkopplung führen, indem Probleme in einzelnen Kreditinstituten den Fiskus zu Hilfsmaßnahmen veranlassen, die den Fiskus derart finanziell belasten, dass schließlich eine Vielzahl von Kreditinstituten als Gläubiger des Fiskus von den Zahlungsschwierigkeiten erfasst wird866.

861 Vgl. J. Caruana/S. Avdjiev, Sovereign creditworthiness and financial stability: an international perspective, S. 71 (73). 862 Vgl. A. Roman/I. Bilan, The Euro area sovereign debt crisis and the role of ECB’s monetary policy, S. 763 (766); C. M. Reinhart/V. R. Reinhart/K. S. Rogoff, Public Debt Overhangs: Advanced-Economy Episodes Since 1800, S. 69 (71); R. Döhrn/H. Gebhardt, Die fiskalischen Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise, S. 4 u. 6. 863 Vgl. V. V. Acharya/I. Drechsler/P. Schnabl, A Pyrrhic Victory? Bank Bailouts and Sovereign Credit Risk, vor S. 1. 864 Vgl. V. V. Acharya/I. Drechsler/P. Schnabl, A Pyrrhic Victory? Bank Bailouts and Sovereign Credit Risk, S. 36. 865 J. Caruana/S. Avdjiev, Sovereign creditworthiness and financial stability: an international perspective, S. 71 (73). 866 Vgl. A. Gruber/M. Kogler, Bank Risk, Sovereign Default, and Financial Stability, S. 287 (300).

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Außerdem können diese Fiskalinstabilitäten dazu führen, dass sich die Gewinnerwartungen der inländischen Finanzunternehmen verschlechtern, weil fiskalische Schwierigkeiten aufgrund von Haushaltseinsparungen und Steuererhöhungen mit geringeren Wirtschaftswachstumsraten einhergehen können und in diesem Umfeld die Ausfallraten von Krediten an die Privatwirtschaft steigen können867. Die fiskalische Stabilität scheint ohnehin eng mit der Stabilität der inländischen Banken und der inländischen privaten Finanzwirtschaftsakteure zusammenzuhängen. Die Zinsen für Kreditausfallswaps des Fiskus und von inländischen Banken weisen mittlerweile eine ausgeprägte Korrelation auf 868. Ferner fällt ein Anstieg der Zinsforderungen für Staatsanleihen zeitlich häufig mit einem Anstieg der Zinssätze für langfristige Kredite der Privatwirtschaft zusammen869. Überdies kann es auch zwischen den Fisken mehrerer Staaten zu wechselseitigen Ansteckungseffekten kommen. Die Finanzwirtschaftsakteure können generell zur Neubewertung der fiskalischen Situation anderer Staaten veranlasst werden, wenn sich fiskalische Instabilitäten in einer Volkswirtschaft offenbaren870. Bei der Neubewertung kommen dann auch bei der Beurteilung der fiskalischen Stabilität eines anderen Staates strengere Maßstäbe zur Anwendung. Empirisch konnten insofern vor allem Korrelationen zwischen Staaten mit ähnlichen makroökonomischen Grundlagen aufgezeigt werden871. In Anbetracht der vielfältigen Ansteckungseffekte ist festzuhalten, dass es zwar grundsätzlich Aufgabe der Finanzstabilitätspolitik ist, Gefahren für die Finanzstabilität abzuwehren, aber nicht um jeden Preis. Die übernommenen Kosten und übertragenen Verlustrisiken können derart umfangreich sein, dass die Stabilität von Finanzunternehmen nur durch eine fiskalische Instabilität erkauft wird, also lediglich eine Finanzinstabilität durch eine andere Finanzinstabilität ersetzt wird. Deshalb kann es auch finanzstabilitätspolitisch nicht angezeigt sein, die fiskalischen Risiken in Kauf zu nehmen, wenn die Finanzstabilität nur kurzfristig unter Inkaufnahme enormer fiskalischer Belastungen stabilisiert werden kann und die von der Finanzstabilitätspolitik ausgelöste fiskalische Instabilität (mittelfristig) eine noch größere Finanzinstabilität auslöst, auch wenn sich die Gefahren für die Finanzstabilität als Finanzkrise materialisieren sollten872. 867

Vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2011, S. 23. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2011, S. 23. 869 Vgl. C. Caceres/V. Guzzo/M. Segoviano, Sovereign Spreads: Global Risk Aversion, Contagion or Fundamentals?, S. 3. 870 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (122). 871 Vgl. für die Transmission von fiskalischen Instabilitäten zwischen Euro- und Peripheriestaaten: K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (122), (m.w. N.). 872 Vgl. V. V. Acharya/I. Drechsler/P. Schnabl, A Pyrrhic Victory? Bank Bailouts and Sovereign Credit Risk, S. 1. 868

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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4. Instrumente zur Finanzstabilisierung Die Finanzstabilitätspolitik verfügt über zahlreiche Instrumente mit fiskalpolitischem Bezug: Der Fiskus tritt zum einen zur Finanzstabilisierung der privaten Finanzwirtschaft und zum anderen als Objekt der Finanzstabilisierung, also zur Vermeidung oder Beseitigung von fiskalischen Instabilitäten und deren Auswirkung auf die private Finanzwirtschaft, in Erscheinung. Die genannten Instrumente können grundsätzlich wegen der Bezüge zur Fiskalpolitik sowohl der Finanzstabilitätspolitik als auch der Fiskalpolitik zugeordnet werden. Die Gesichtspunkte ihrer (primären) Zuordnung sollen jedoch erst an anderer Stelle entwickelt werden873. a) Instrumente zur Finanzstabilisierung der privaten Finanzwirtschaft durch den Fiskus Der Fiskus kann sowohl über Ausgabeninstrumente als auch über Einnahmeninstrumente Einfluss auf die Finanzstabilität nehmen. Dabei kommen die Ausgabeninstrumente in Reaktion auf finanzielle Instabilitäten zum Einsatz, wogegen die Einnahmeninstrumente zur Prävention finanzieller Instabilitäten angewendet werden. aa) Finanzhilfen an Finanzunternehmen Der Fiskus verfügt über reaktive finanzstabilitätspolitische Instrumente zur Eindämmung finanzieller Instabilitäten, um Finanzunternehmen, von denen Gefahren für die Funktionsweise des Finanzsystems ausgehen, mit finanziellen Mitteln vor einer Insolvenz zu bewahren874. Der Fiskus hat die Möglichkeit, zur Sanierung eines Kreditinstituts durch Garantieübernahmen, Rekapitalisierungen und Risikoübernahmen die Liquiditäts- und Eigenkapitalschwierigkeiten der Kreditinstitute einzudämmen875. Zur Abmilderung der fiskalischen Kosten und Verlustrisiken wird über verschiedene Modifikationen der Instrumente diskutiert876. Beispielsweise könnten die Banken anstatt mit liquiden Mitteln bloß mit fiskalischen Ausgleichsforderungen bezahlt werden, so dass die Bankbilanzen lediglich durch die Einräumung langfristiger Forderungen gegen den Fiskus entlastet würden, ohne dass der Fiskus die Mittel sofort aufzubringen hätte877. Zwar würde sich auch dadurch 873

Siehe Kapitel D.IV. Vgl. Kapitel C.III.3.b)aa). 875 Vgl. Kapitel C.III.3.b)aa)(2). 876 Vgl. G. Wehinger, Sovereign Debt Challenges for Banking Systems and Bond Markets, S. 20; R. Völler, Es gibt nur einen, S. 9. 877 Vgl. H. Joebges/A. Krieger, Bad Bank, Ausgleichsforderungen und Kreditversicherungen, S. 15 (m.w. N.). 874

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

der Schuldenumfang des Fiskus erhöhen, aber der Fiskus wäre nicht auf die Kapitalmärkte zur Refinanzierung gegen Zinszahlungen angewiesen878. Der Fiskus kann die Finanzstabilisierung von Instituten ohne Bereitstellung liquider Mittel auch durch die Versicherung von ausfallgefährdeten Aktiva vermeiden879. Die dann fiskalisch versicherte Bank behält den destabilisierenden Vermögensgegenstand als Aktivposten in ihrer Bilanz, muss aber kein Eigenkapital für diesen bereithalten880. Zudem könnten die finanzstabilisierten Banken durch bedingte vertragliche Verpflichtungen an der Verlusttragung für den Fall beteiligt werden, dass die Banken aufgrund späterer Gewinnerwirtschaftung dazu imstande sind881. Außerdem sollen die Gläubiger an den finanzstabilitätspolitischen Kosten einer Bankenrettung beteiligt werden, um den Fiskus insoweit zu entlasten (bailin)882. Beispielsweise können mittlerweile Forderungen von Gläubigern der Kreditinstitute durch hoheitlichen Eingriff gekürzt oder gestundet werden883. Außerdem werden automatisch von Fremd- in Eigenkapital wandelbare Schuldverschreibungen vorgeschlagen, wobei die Bedingung für die Wandlung an Bilanzkennzahlen, Entscheidungen der Bankenaufsichtsbehörde oder besondere Marktgeschehnisse geknüpft werden kann884. bb) Steuerliche Stabilisierungsfunktionen Das fiskalpolitische Instrument der Steuer hat erheblichen Einfluss auf die Finanzstabilität und kann sowohl unmittelbaren als auch mittelbaren Einfluss auf die Finanzstabilität nehmen. Überhaupt hat die Steuererhebung im Allgemeinen einen mittelbaren Einfluss auf die Finanzstabilität, weil sie den Staatshaushalt finanziert und damit die fiskalische Stabilität885 bestimmt, die als Teil und Voraussetzung der Finanzstabilität fungiert. Darüber hinaus bestehen aber noch weitere direktere Möglichkeiten zur Stabilisierung der Finanzwirtschaft. 878

Vgl. ebd. Vgl. H. Joebges/A. Krieger, Bad Bank, Ausgleichsforderungen und Kreditversicherungen, S. 17. 880 Vgl. ebd. 881 Vgl. H. Joebges/A. Krieger, Bad Bank, Ausgleichsforderungen und Kreditversicherungen, S. 15 (m.w. N.). 882 Vgl. G. Wehinger, Sovereign Debt Challenges for Banking Systems and Bond Markets, S. 20. 883 Gem. § 12 Abs. 1 KredReorgG. 884 Vgl. M. Flannery/E. Perotti, CoCo Design as a Risk Preventive Tool, S. 4 ff. 885 Als finanzstabilitätspolitische Sondersteuer wurde zur Wiederherstellung der fiskalischen Stabilität vorgeschlagen, eine einmalige Sonderabgabe auf Vermögen durchzuführen, wie sie bereits von D. Ricardo angedacht wurde. Diese müsste unerwartet durchgeführt werden und unter der glaubhaften Zusicherung, niemals wiederholt zu werden, damit eine Kapitalflucht vermieden werden kann (vgl. IWF, Fiscal Monitor October 2013, S. 49). 879

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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Durch fiskalpolitische Instrumente können falsche finanzstabilitätspolitische Anreize gesetzt werden. Insbesondere die Absetzbarkeit von gezahlten Fremdkapitalzinsen für Finanzunternehmen führt zu einer Bevorzugung von Fremdkapital gegenüber (teurem) Eigenkapital, was die Finanzunternehmen zur Verlagerung des Eigen- und Fremdkapitalverhältnisses veranlasst886. Die Unternehmensbesteuerung vieler Steuerrechtsordnungen privilegiert die Fremdkapital- gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung, indem Zinszahlungen im Gegensatz zu Dividendenzahlungen steuerlich abgesetzt, also als Betriebsausgaben von den Einnahmen in Abzug gebracht werden können887. Studien haben die Evidenz dieses Zusammenhangs für Unternehmen verschiedener Wirtschaftsbereiche belegen können888. Auch wenn steuerliche Angleichungen die Fremdkapitalfinanzierung für Banken nur in geringem Umfang verteuern würden, könnten solche Angleichungen die Haftungsbasis der Banken deutlich finanzstabiler gestalten889. Durch diese Privilegierungen werden für die Finanzwirtschaftsakteure Anreize zur Verschuldung gesetzt, wodurch diese anfälliger für gesamtwirtschaftliche Schocks und Finanzinstabilitäten werden890. Außerdem könnte die Besteuerung bestimmter Vermögenswerte, die übermäßigen Preistrends gegenzusteuern versucht, auch als finanzstabilitätspolitisches Instrument eingesetzt werden, indem in Zeiten großer finanzstabilitätsgefährdender Vermögenspreissteigerungen Steuern auf die Gewinne aus günstigen Verkäufen erhoben werden, die in Abschwungphasen nicht erhoben oder gesenkt werden, um Anreize für spekulative Geschäfte zu nehmen891. Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz eines solchen Instruments ist es jedoch in Analogie zum viel diskutierten Problem des Verhältnisses von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik, ob die Geldpolitik auf Vermögenspreisänderungen reagieren sollte („leaning against the wind“ durch die Zentralbank892), dass von den zuständigen Akteuren finanzstabilitätspolitisch gerechtfertigte Vermögenspreise bestimmt werden können. Ferner sollen über eine Finanztransaktionssteuer kurzfristige Spekulationsgeschäfte verteuert werden, damit die Volatilität von Vermögenspreisen verringert wird893. Eine Finanztransaktionssteuer soll das Handelsvolumen der Finanzmärk886

Vgl. IWF, The Interaction of Monetary and Macroprudential Policies, S. 7. IWF, Key Aspects of Macroprudential Policy, S. 11; IWF, Fiscal Monitor October 2013, S. 45. 888 IWF, Key Aspects of Macroprudential Policy, S. 11; IWF, Fiscal Monitor October 2013, S. 45 (m.w. N.). 889 Vgl. IWF, Fiscal Monitor October 2013, S. 45. 890 Vgl. IWF, Key Aspects of Macroprudential Policy, S. 11. 891 Vgl. IWF, Key Aspects of Macroprudential Policy, S. 11 f. 892 Vgl. Kapitel D.II.2.b). 893 Vgl. A. Steinbach, Wie eine Finanztransaktionssteuer funktionieren kann, S. 814 (815). 887

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

te verringern, um der „Abkopplung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft“ entgegenzuwirken894. Jedoch wird an der Steuer kritisiert, dass die Vielzahl der Finanztransaktionen und deren Volumina der effizienten Preisfindung am Markt dienlich seien und die Steuer die Preisfindung beeinträchtige895. cc) Bankenabgabe Zudem wurde eine spezifische Bankenabgabe vorgeschlagen, die die Banken an den durch sie verursachten finanzstabilitätspolitischen Kosten beteiligen soll896. Abstrakt betrachtet, handelt es sich bei einer solchen Bankenabgabe um eine Lenkungssteuer, also eine Abgabe, die nicht (primär) fiskalischen Zwecken dient, sondern bei den Verursachern negative externe Effekte internalisieren soll (Pigou-Steuer897)898. Der Pigou-Steuersatz könnte nach finanzstabilitätspolitischen Gesichtspunkten angepasst werden, so dass dieser in Aufschwungphasen steigen und in Zeiten steigender finanzieller Risiken sinken könnte899. Eine solche Bankenabgabe ist derzeit im Rahmen der finanzstabilitätspolitischen Maßnahmen der Bankenunion auf Ebene der Europäischen Union in Planung900. Die Bankenabgabe wurde in Deutschland bereits im Jahre 2010 für deutsche Banken rechtsverbindlich gemacht901. Alle Kreditinstitute902 haben einen Beitrag zu leisten903, dessen Umfang sich nach dem finanziellen Aufwand der durch den Fonds finanzierten finanzstabilitätspolitischen Maßnahmen richtet904. Die Mittel des Restrukturierungsfonds werden zur Finanzierung finanzstabilitätspolitischer Maßnahmen – wie für Brückeninstitute zur Abwicklung, für Garantien oder zur Rekapitalisierung – verwendet905.

894 D. Schäfer, Finanztransaktionssteuer: Kurzfristigen Handel verteuern, Finanzmärkte stabilisieren, S. 3 (12). 895 Vgl. D. Schäfer, Finanztransaktionssteuer: Kurzfristigen Handel verteuern, Finanzmärkte stabilisieren, S. 3 (12). 896 Vgl. C. A. E. Goodhart, The changing role of central banks, S. 135 (148). 897 Vgl. D. W. Carlton/G. C. Loury, The Limitations of Pigouvian Taxes As a LongRun Remedy For Externalities, S. 559 (559). 898 Vgl. IWF, Key Aspects of Macroprudential Policy, S. 11 (m.w. N.). 899 Vgl. C. A. E. Goodhart, The changing role of central banks, S. 135 (148), (m.w. N.). 900 Der Abwicklungsfonds (Single Bank Resolution Fund) soll Anfang 2015 in Kraft treten und hat eine Zielgröße von 55 Milliarden Euro, vgl. European Commission – Statement/14/77 vom 20.03.2014. 901 Durch das RStruktFG. 902 I. S. d. § 1 Abs. 1 KWG. 903 Gem. § 2 RStruktFG. 904 Gem. § 12 Abs. 1 S. 2 RStruktFG. 905 Gem. § 3 Abs. 2 RStruktFG.

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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b) Instrumente zur Fiskalstabilisierung Die Instrumente zur Stabilisierung des Fiskus sind solche der Finanzstabilitätspolitik, weil die Fiskalinstabilität eine Kategorie der Finanzinstabilität darstellt. Auch bei den Instrumenten zur Fiskalstabilisierung ist zwischen präventiven und reaktiven zu unterscheiden. aa) Präventive Instrumente Die Finanzstabilitätspolitik kann nicht nur auf Fiskalinstabilitäten reagieren, sondern muss schon deren Herausbildung zu verhindern versuchen, weil die reaktiven Instrumente umverteilende Wirkungen haben, Fehlanreize setzen906 und sich der Fiskus nicht auf Dauer und wiederholt in destabilisierender Weise wird verschulden können, denn kein (Anleihe-)Markt funktioniert dauerhaft, wenn der Schuldner seine Verbindlichkeiten fortwährend nicht (vollständig) zurückzahlt907. (1) Finanzstabilitätsanalyse Die Finanzstabilitätsanalyse betrachtet die finanzstabilitätspolitischen Gefahren für den Fiskus und bewertet den Zustand der fiskalischen Stabilität, indem sie mithilfe von Frühwarnsystemen das fiskalische Ausfallrisiko quantitativ zu bestimmen versucht908. Methodisch haben Ratingagenturen den Weg bereitet, indem sie mehrere ökonomische und politische Indikatoren quantitativ zu einem Rating zusammenfügen909. Deren Ratings verkennen aber regelmäßig die Entstehung finanzieller Instabilitäten, obwohl gerade diese über Ansteckungskanäle für die Fiskalstabilität virulent werden können910. Häufig wird auch die Marktentwicklung der Prämien für Kreditausfallversicherungen zur Bestimmung von Kreditausfallrisiken des Fiskus herangezogen, obwohl deren Märkte nur eine geringe Liquidität und dafür eine hohe Volatilität aufweisen911. Die Prämien spiegeln nicht unmittelbar die Ausfallwahrscheinlichkeit wider, sondern lediglich die Einschätzung der Finanzwirtschaftsakteure auf den Kreditmärkten über die fiskalischen Entwicklungen912. Auch empirisch kann keine signifikante Beziehung zwischen dem Umfang von ausfallversicherten 906

Vgl. Kapitel E.I.3.; E.III.3. u. 4. Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 3. 908 Vgl. K. Abberger, Was ist ein Staatsbankrott?, S. 37 (39). 909 Vgl. ebd. 910 Vgl. ebd. 911 Vgl. G. Wehinger, Sovereign Debt Challenges for Banking Systems and Bond Markets, S. 2 u. 9. 912 Vgl. ebd. 907

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

Krediten und den Kreditkosten des Fiskus am Primärmarkt für Staatsanleihen nachgewiesen werden913. Die Finanzwissenschaft versucht schon seit langem, zu bestimmen, ab welchem Grenzwert der Staat als in fiskalisch instabiler Weise verschuldet zu gelten hat914. Zudem sollen über Grenzwerte möglichst Zeitpunkte prognostiziert werden, ab wann es zu einer Fiskalkrise kommt915. Üblicherweise kommen bei der Bestimmung von Grenzwerten die Zins- und Steuerquote, die Zinslastquote, die Fremdfinanzierungslastquote, die Fremdfinanzierungsquote, die Investitionskreditquote, das außerordentliche Einnahmepotential, der außerordentliche Ausgabenbedarf oder der Bruttoschuldenstand zur Anwendung916. Fiskalische Instabilitäten sind schwer zu bestimmen, weil die meisten Vermögenswerte des Staates illiquide sind, denn viele Vermögenswerte sind unverkäuflich oder nicht in Geldeinheiten bestimmbar917. Bei der Prognose der fiskalischen Instabilität handelt es sich um eine nicht ausschließlich nach quantitativen Maßstäben messbare, sondern vielmehr auch um eine normative Entscheidung918. Finanzstabilitätspolitische Grenzwerte wie die Maastricht-Kriterien sind daher eher politischer Natur als wissenschaftlich fundiert919. (2) Haushaltskonsolidierung und Verschuldungsgrenzen Der unmittelbare Weg zur Stabilisierung der Fiskalpolitik ist die Haushaltskonsolidierung durch Einnahmenerhöhung und Ausgabensenkung920. Die Weigerung von Kreditgebern, der Fiskalpolitik weiterhin zu niedrigen Zinsen Kredite zur Verfügung zu stellen, hat mittlerweile viele Staaten dazu veranlasst, (auch trotz teilweise rezessiver Entwicklungen) zu sparen921. Die Möglichkeiten zur Haushaltskonsolidierung sind jedoch aufgrund von langfristig bestehenden Verbindlichkeiten (zumindest kurzfristig) beschränkt922. Der Weg der Haushaltskonsolidierung kann verfassungsrechtlich verbindlich gemacht werden, um die Ausweitung der Verschuldung durch den Haushaltsge913 Vgl. D. Duffie, Is there a case for banning short speculation in sovereign bond markets?, S. 55 (57). 914 Vgl. Kapitel D.I.3.c)bb); M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 48. 915 Vgl. M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 48. 916 Vgl. M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 50 ff. 917 Vgl. W. H. Buiter/E. Rahbari, The ECB as Lender of Last Resort for Sovereigns in the Euro Area, S. 2 f. 918 Vgl. M. C. Kerber, Der verdrängte Finanznotstand, S. 69. 919 Vgl. Kapitel D.I.3.c)bb). 920 Vgl. H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 97. 921 Vgl. P. De Grauwe/W. Moesen, Gains for all: A proposal for a common euro bond, S. 3 f. 922 Vgl. S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 215 f.

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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setzgeber einzuschränken. Der Verfassungsgesetzgeber kann aus finanzstabilitätspolitischen Gründen fiskalpolitische Bindungen bei der Verschuldung in der Verfassung vorsehen923. Die Schuldenregeln können dabei auf verschiedene Weisen implementiert werden: mit festen jährlichen Obergrenzen (statisch), abhängig von der konjunkturellen Entwicklung (dynamisch), Gesamtschuldenstand als Bezugspunkt statt jährlichem Bruttoinlandsprodukt (Höchstschuldenstandquote), Schuldenzulässigkeit nach Ausgabenkategorien (objektorientiert) und Ausgabenstatt Defizitbegrenzung (Ausgabenregel)924. Jedoch können Verschuldungsgrenzen von der Fiskalpolitik auch umgangen werden, indem fiskalische Sondervermögen eingerichtet werden, die mit einer Ermächtigung zur eigenständigen Kreditaufnahme ausgestattet werden925. Bei der fiskalischen Konsolidierung ist grundsätzlich umstritten, ob diese über Ausgabekürzungen und Privatisierungen oder über eine antizyklische Stimulierung des Wirtschaftswachstums erfolgen sollte926. Die Fiskalpolitik wird regelmäßig versuchen, rezessiven Entwicklungen durch antizyklische Ausgabensteigerungen entgegenzuwirken, weshalb die grundgesetzliche Verschuldungsgrenze eine Ausnahme „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ vorgesehen hatte927 und auch gegenwärtig „bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch“ berücksichtigt928. Zum Abbau der Überverschuldung infolge einer antizyklischen Fiskalpolitik können Ausgleichspflichten zur Sicherung der Symmetrie der antizyklischen Fiskalpolitik vorgesehen werden, wonach die zusätzliche (ausnahmsweise zulässige) Verschuldung in konjunkturschwachen Jahren durch eine Verringerung der zulässigen Neuverschuldung in konjunkturstarken Jahren verbindlich gemacht wird929. Mit schwächerer verschuldungsmindernder Wirkung kann die Neuverschuldung zudem dem Umfang nach an Investitionen gekoppelt werden930. Nach der „Goldenen Regel der Staatsverschuldung“ wirkt Staatsverschuldung nicht destabilisierend, wenn der Verschuldung ein wertgleicher Vermögensgegenstand (bilanziell) gegenübersteht931. Investitionen erwirtschaften im Gegensatz zu bloß konsumtiven Ausgaben im Regelfall eine (unmittelbare oder mittelbare) Rendite,

923 Vgl. R. Maurer, Die Verschuldungskrise der Europäischen Währungsunion – Fiskalische Disziplinlosigkeit oder Konstruktionsfehler?, S. 85 (95). 924 H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 92. 925 H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 94 f. 926 Vgl. S. Bajohr, Grundriss Staatliche Finanzpolitik, S. 215 f. 927 Gem. Art. 115 Abs. 2 GG a. F. 928 Gem. Art. 115 Abs. 2 Satz 3 GG n. F. 929 Gem. Art. 115 Abs. 2 Satz 4 GG n. F. 930 Vgl. Art. 115 Abs. 2 GG a. F. 931 H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 93.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

mit der die Zinslasten getragen werden können932. Die finanzstabilitätspolitische Wirkung hängt indes von der Renditebeurteilungsfähigkeit des Investierenden ab, denn begrifflich sind auch Ausgaben Investitionen, die eine wirtschaftliche Entwicklung anstoßen, deren fiskalische Rendite aber unterhalb der Zinslasten bleibt933. Einschränkend ist anzumerken, dass die Regelungen aber gerade in Zeiten fiskalischer oder finanzieller Instabilität regelmäßig keine begrenzende Wirkung entfalten werden, weil der Gesetzgeber sich dazu veranlasst sieht, den finanzstabilitätspolitischen, den allgemein wirtschaftspolitischen und insbesondere den sozialpolitischen Schutzpflichten des Staates normativen Vorrang vor den Verschuldungszielen einzuräumen934. Außerdem belasten fiskalische Sparprogramme zumindest kurzfristig die Wirtschaftsleistung und könnten trotz der fiskalstabilisierenden Wirkung unter Umständen wegen der zahlreichen Wechselwirkungen von Wirtschaftsleistung und Finanzstabilität auch finanziell destabilisierend wirken935. Darüber hinaus kommt erschwerend hinzu, dass sich die Weltwirtschaft derzeit das erste Mal in einer Phase befindet, in welcher die Fiskalpolitiker vieler Staaten gleichzeitig beschlossen haben, mit entsprechenden Konsequenzen für die globale Wirtschaftsleistung zu sparen936. (3) Bindung der Zinssätze an die Wirtschaftsleistung Außerdem wird vorgeschlagen, Staatsanleihen in Zukunft an bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen – insbesondere die des Bruttoinlandsprodukts – zu binden, so dass der Fiskus nicht mehr, wie bisher, Stabilitätsgefahren, die durch die prozyklische Entwicklung der Kreditkosten verursacht werden, ausgesetzt wäre937. Derzeit muss der Fiskus in der Regel höhere Zinsen zahlen, wenn die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und damit auch meist die fiskalische Entwicklung ungünstig verlaufen938. Bei einer Bindung an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung dagegen würde die Zinsbelastung des Fiskus sinken, wenn auch dessen Einnahmen insbesondere durch sinkende Steuereinnahmen zurückgehen939.

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H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 86. Vgl. H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 93. 934 Vgl. K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 542. 935 Vgl. M. Blessing, Financial and Fiscal Stability beyond the Crisis Years, S. 7 (19). 936 Vgl. C. Cottarelli/L. Forni/J. Gottschalk/P. Mauro, Default in Today’s Advanced Economies, S. 4. 937 Vgl. E. Borensztein/M. Chamon/O. Jeanne/P. Mauro/J. Zettelmeyer, Sovereign Debt Structure for Crisis Prevention, S. 49; N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 83. 938 Vgl. ebd. 939 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 83. 933

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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Die Umsetzung des Vorschlags gestaltet sich aber bisher als schwierig, weil zu viele Investoren Bedenken wegen der vertraglichen Komplexität – vor allem durch die Bestimmung der zu geringeren Zinszahlungen berechtigenden Schocks – und der Preisberechnung haben, als dass auf diese Weise der Kreditbedarf der Fiskalpolitik gedeckt werden könnte940. Außerdem besteht wie bei allen Versicherungen die Gefahr, dass dadurch Anreize zur Schadensminimierung geschmälert werden (moral hazard)941. Bisher war noch kein Fiskus bereit, die vom Markt für diese versichernde, finanzstabilisierende Vertragsgestaltung veranschlagten Zinsaufschläge zu bezahlen942. bb) Reaktive Instrumente Die finanzstabilitätspolitischen Akteure verfügen auch über Instrumente für den Fall fiskalischer Instabilität. Fiskalisch instabilen Staaten kann Liquiditätshilfe vor allem durch die Zentralbank oder (internationale) Akteure gewährt werden. Zudem können diese Staaten mit den Gläubigern einen (teilweisen) Erlass der Schuld zur Minderung der Staatsschuld vereinbaren. (1) Endlagerinstrumente Über die wirksamsten finanzstabilitätspolitischen Instrumente zur Fiskalstabilisierung verfügt die Zentralbank. Die Zentralbank kann dabei Staatsschuldpapiere auf dem Primär- und Sekundärmarkt erwerben, um die Forderungen gegen den Fiskus abzuschreiben und die Verluste in der Zentralbankbilanz endzulagern. Überdies verschafft die Zentralbank sowohl den Kreditinstituten als auch dem Fiskus Privilegien, wenn sie den Kreditinstituten bei der geldpolitischen Refinanzierung die Beleihung von Staatsschuldpapieren abschlagslos ohne Berücksichtigung der Bonität des Fiskus gestattet. Wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank werden die Endlagerinstrumente ausführlich an anderer Stelle besprochen943. (2) Internationaler Währungsfonds und Europäischer Stabilitätsmechanismus als internationale Lender of Last Resort Finanzstabilitätspolitische Hilfe zur Wiederherstellung der fiskalischen Stabilität wird unter Auflagen und Bedingungen vom Internationalen Währungsfonds in 940 Vgl. E. Borensztein/M. Chamon/O. Jeanne/P. Mauro/J. Zettelmeyer, Sovereign Debt Structure for Crisis Prevention, S. 49 f.; N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bailins?, S. 84. 941 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 84. 942 Vgl. ebd. 943 Vgl. Kapitel E.I. u. II.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

begrenztem Umfang und für begrenzte Dauer gewährt944. Der Internationale Währungsfonds wurde 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods gegründet, weil es in einem Währungsgefüge mit festen Wechselkursen (unter dem Goldstandard) eines finanzstabilitätspolitischen Akteurs bedurfte, der als Lender of Last Resort Liquidität zur Verfügung stellt, wenn die Kapitalmärkte sich aus der Kreditfinanzierung des Fiskus zurückziehen945. Der Internationale Währungsfonds stellt sowohl vorsorgliche Kreditlinien als auch Liquiditätshilfen zur Linderung fiskalischer Krisenerscheinungen zur Verfügung946. Standardkreditlinien müssen grundsätzlich in einem Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nach Erhalt zurückgezahlt werden947. Daneben gibt es zusätzlich kurzfristig gewährte Sonderkreditlinien, die spätestens drei Jahre nach Erhalt zurückgezahlt sein müssen948. Für die Kredite des Internationalen Währungsfonds müssen grundsätzlich Zinsen mit Zuschlägen gezahlt werden, um Fehlanreize zu vermeiden949. Die Gefahren von Fehlanreizen sind bei internationalen finanzstabilitätspolitischen Akteuren, die Fisken stützen, strukturell größer als bei nationalen Akteuren, denn die internationalen Akteure verfügen weder über die rechtlichen Mittel zur Durchsetzung der eigenen Ansprüche noch eigene Instrumente zur Beseitigung der Ursachen der Fiskalinstabilität950. Der Internationale Währungsfonds verlangt daher im Gegenzug zur Kreditgewährung die Durchsetzung von Reformprogrammen, deren Umsetzung er überwacht951. Im Wege von Auflagen und Bedingungen sollen allgemein wirtschaftspolitische und finanzstabilitätspolitische Instrumente durchgesetzt werden, die wegen der staatlichen Souveränität des Kreditnehmers nur von diesem selbst rechtsverbindlich gemacht werden können952. Auflagen können beispielsweise vorsehen, dass der Empfängerstaat effektive präventive finanzstabilitätspolitische Instrumente zur Eigenkapital- und Liquiditätsbereitstellung durchzusetzen hat953.

944

Vgl. C. Kopf, Restoring financial stability in the euro area, S. 13 f. Vgl. C. Kopf, Restoring financial stability in the euro area, S. 10. 946 Vgl. O. Holtemöller/T. Knedlik/A. Lindner, Die Europäische Schulden- und Vertrauenskrise: Ursachen, Politikmaßnahmen, Aussichten, S. 25. 947 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 121. 948 Vgl. ebd. 949 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 2; P. R. Lane, The European Sovereign Debt Crisis, S. 49 (58 f.). 950 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 100. 951 K. Abberger, Was ist ein Staatsbankrott?, S. 37 (38). 952 Vgl. O. Jeanne/J. Zettelmeyer, International Bailouts, Moral Hazard, and Conditionality, S. 22. 953 Vgl. O. Jeanne/J. Zettelmeyer, International Bailouts, Moral Hazard, and Conditionality, S. 24. 945

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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Der Standardzeitraum von drei Jahren für solche Auflagen ist aber oft zu kurz, um den makroökonomischen Anpassungszeiträumen gerecht zu werden954. Häufig werden die Auflagen nur solange eingehalten, wie die Fiskalkrise dauert, und sobald der fiskalische Druck nachlässt, bilden sich die fiskalischen Instabilitäten erneut heraus oder verschärfen sich sogar955. Die Kreditvergabe soll nach festen materiellen Voraussetzungen erfolgen, so dass Empfängerländer grundsätzlich bestimmte ex ante festgelegte Bedingungen erfüllen sollen, um sich für Hilfskredite zu qualifizieren956. Jedoch ist faktisch davon auszugehen, dass auch einem Staat geholfen wird, der die Voraussetzungen nicht erfüllt, wenn entweder sein politischer Einfluss im Internationalen Währungsfonds groß ist957 oder die von ihm ausgehenden Finanzstabilitätsgefahren auch (viele) andere Volkswirtschaften betreffen958. Allerdings kann es einem Fiskus auch passieren, dass er keine Mittel erhält, obwohl er die Voraussetzungen für Hilfskredite erfüllt, wenn die Kapazitäten des Fonds nicht ausreichen959. Die finanzstabilitätspolitischen Kapazitäten des Internationalen Währungsfonds sind im Gegensatz zu der Lender of Last Resort-Funktion der Zentralbank begrenzt, weil dieser die zur Verfügung gestellte Liquidität nicht selbst ex nihilo zu schöpfen vermag960. Insbesondere Ausfälle der finanzstabilitätspolitischen Kredite belasten die Finanzierungsgrundlage des gesamten Fonds. Deshalb vergibt der Fonds die meisten Kredite unter der vertraglichen Zusicherung, dass dem Fonds bei der Schuldenrückzahlung Vorrang eingeräumt wird (Seniorität)961. In Anbetracht der transnationalen Ausbreitung von finanziellen Instabilitäten dürften die Mittel des Internationalen Währungsfonds aber nicht ausreichen, wenn mehreren Fisken mit hohem finanziellen Bedarf gleichzeitig finanzstabilitätspolitische Kredite gewährt werden müssen962. 954

Vgl. P. R. Lane, The European Sovereign Debt Crisis, S. 49 (58 f.). Vgl. H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 99 (m.w. N.). 956 Vgl. O. Jeanne/J. Zettelmeyer, International Bailouts, Moral Hazard, and Conditionality, S. 24. 957 Nach N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 5 werden die IWF-Kredite hauptsächlich an Länder gewährt, in denen die Hauptgeberländer des IWF besondere Interessen verfolgen. 958 Vgl. O. Jeanne/J. Zettelmeyer, International Bailouts, Moral Hazard, and Conditionality, S. 24. 959 Vgl. ebd. 960 Vgl. O. Holtemöller/T. Knedlik/A. Lindner, Die Europäische Schulden- und Vertrauenskrise: Ursachen, Politikmaßnahmen, Aussichten, S. 3. 961 Vgl. C. Kopf, Restoring financial stability in the euro area, S. 13 f. 962 Vgl. O. Holtemöller/T. Knedlik/A. Lindner, Die Europäische Schulden- und Vertrauenskrise: Ursachen, Politikmaßnahmen, Aussichten, S. 26; Nach N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 10 hat der Fonds ein Volumen von zweihundert Milliarden US-Dollar, wobei alle Schwellenländer ein Anleihevolumen von 370 Milliarden USDollar aufweisen. 955

256

D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

In der Regel beträgt das maximal bereitgestellte Kreditvolumen das Dreifache der Einlage des begünstigten Staates beim Internationalen Währungsfonds, damit der Fonds möglichst vielen bedürftigen Staaten Liquidität zur Verfügung stellen kann963. Die begrenzten Kapazitäten des Internationalen Währungsfonds als internationaler Lender of Last Resort könnten deshalb ein Grund dafür sein, dass die meisten von der Asienkrise betroffenen Staaten mittlerweile große Fremdwährungs- und Staatsanleihereserven aufgebaut haben964. Die Finanzierungsgrundlage des Fonds kann zwar über die Erhöhung der Sonderziehungsrecht-Einlagen der Mitgliedsstaaten ausgeweitet werden965, aber in Zeiten global angespannter Haushaltslagen ist es unwahrscheinlich, dass alle Mitgliedstaaten inklusive der ausfallgefährdeten Staaten die erforderlichen Mittel entsprechend ihrer Quote am Fonds aufbringen können966. Als Alternative könnten auch nur einige Zentralbanken zusätzliche liquide Mittel auf kreditärer Grundlage bereitstellen, diese wären in diesem Falle aber finanziell stärker belastet als bei einer allgemeinen Einlagenerhöhung967. In der Eurozone wurde ein neuer zwischenstaatlicher finanzstabilitätspolitischer Akteur – der Europäische Stabilitätsmechanismus968 – völkervertraglich geschaffen, weil die Mittel des Internationalen Währungsfonds für den Liquiditätsbedarf der Staaten des Währungsverbunds nicht ausreichen und die finanzpolitische Gestaltungsfreiheit der Eurozone ohne die Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds größer ist969. Zudem lassen sich finanzstabilitätspolitische Hilfen, die gerade auch privaten Finanzunternehmen zugutekommen, gegenüber vielen Währungsfondsmitgliedern – insbesondere Entwicklungsländern – politisch nicht begründen970. Auch der Europäische Stabilitätsmechanismus stellt Staaten finanzstabilitätspolitische – mit denen des Internationalen Währungsfonds vergleichbare – Kreditlinien als Liquiditätshilfen gegen Bedingungen und Auflagen zur Verfü963 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 122; C. Kopf, Restoring financial stability in the euro area, S. 11. 964 Vgl. C. Kopf, Restoring financial stability in the euro area, S. 13. 965 Vgl. O. Holtemöller/T. Knedlik/A. Lindner, Die Europäische Schulden- und Vertrauenskrise: Ursachen, Politikmaßnahmen, Aussichten, S. 26. 966 Vgl. ebd. 967 Vgl. O. Holtemöller/T. Knedlik/A. Lindner, Die Europäische Schulden- und Vertrauenskrise: Ursachen, Politikmaßnahmen, Aussichten, S. 26; A. Krueger, A New Approach to Sovereign Debt Restructuring, S. 3. 968 Vgl. BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 18.03.2013; kritisch zur Vergemeinschaftung der finanzstabilitätspolitischen Verantwortung vgl. K. A. Schachtschneider, Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik, S. 154 ff. 969 Vgl. O. Holtemöller/T. Knedlik/A. Lindner, Die Europäische Schulden- und Vertrauenskrise: Ursachen, Politikmaßnahmen, Aussichten, S. 24; K. A. Schachtschneider, Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik, S. 154. 970 Vgl. A. Krueger, A New Approach to Sovereign Debt Restructuring, S. 3.

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

257

gung971. Überdies kann der Europäische Stabilitätsmechanismus Staatsanleihen sowohl am Primär- als auch am Sekundärmarkt erwerben972. Der Europäische Stabilitätsmechanismus finanziert diese Stabilisierungshilfen durch von den Mitgliedsstaaten zu leistende Beiträge, von denen jedoch nur ein Teil einzuzahlen ist und ein anderer Teil bloß abrufbar gestellt wird973. Außerdem ist der Europäische Stabilitätsmechanismus zu Anleiheoperationen befugt, um sich auch über den Kapitalmarkt zu finanzieren974. Zudem wurde zur Verknüpfung des finanzstabilitätspolitischen Potentials der Europäischen Zentralbank und des Europäischen Stabilitätsmechanismus vorgeschlagen, gesetzlich dafür zu sorgen, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus sich bei der Europäischen Zentralbank geldpolitisch refinanzieren kann, damit er sich mithilfe von Staatsanleihen als Beleihungswerten unabhängig vom Kapitalmarkt refinanzieren kann975. (3) Schuldenerlass und Umschuldung als fiskalische Restrukturierung Für fiskalisch instabile Staaten gibt es neben der Möglichkeit, einseitig die fiskalische Zahlungsunwilligkeit zu erklären, die Alternative, im Wege einer vertraglichen Einigung mit ihren Gläubigern eine Restrukturierung der Schulden herbeizuführen, wenn sich die fiskalische Konsolidierung wegen der Zinslast als wirtschaftlich aussichtslos oder politisch nicht durchsetzbar darstellt976. Auch für die Gläubiger können vertragliche Einigungen einen Weg darstellen, um wenigstens teilweise befriedigt zu werden, wenn der Fiskus sonst ohne die Restrukturierung einseitig seine Zahlungsunwilligkeit in vollem Umfang erklären würde977. Zur Restrukturierung von Staatsschulden werden in der Regel Abschläge auf den Nominalwert der Verbindlichkeit – ein Schuldenerlass – vorgenommen978. Fiskalische Schuldenabschläge führen zwar zur Verringerung der Staatsverschul971 Vgl. Art. 13 Abs. 3 ESM-Vertrag; O. Holtemöller/T. Knedlik/A. Lindner, Die Europäische Schulden- und Vertrauenskrise: Ursachen, Politikmaßnahmen, Aussichten, S. 25; P. R. Lane, The European Sovereign Debt Crisis, S. 49 (58). 972 Siehe Art. 17 f. ESM-Vertrag sowie H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 109 f. 973 Vgl. Art. 8 ESM-Vertrag. 974 Gem. Art. 21 Abs. 1 ESM-Vertrag. 975 Vgl. Kapitel E.I.2.c); E.III.2.c). 976 Vgl. K. Janacek/Z. Komarkova/M. Hlavavek/L. Komarek, Impacts of the Sovereign Default Crisis on the Czech Financial Sector, S. 118 (119); H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 98, die auf den Pariser Club für Verhandlungen mit staatlichen Gläubigern und den Londoner Club für Verhandlungen mit Privatgläubigern als Gremien hinweisen. 977 Vgl. O. Holtemöller/T. Knedlik, Prävention und Management von Staatsinsolvenzen in der Europäischen Währungsunion, S. 173 (174). 978 Vgl. ebd.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

dung, haben jedoch auch Nachteile. Die Schuldenabschläge führen in der Regel empirisch zu höheren Risikoprämien für private Kredite an Schuldner aus dem betreffenden Land, weil die Gläubiger nach dem teilweisen Kreditausfall des Fiskus auch die Ausfallwahrscheinlichkeit der Privatwirtschaft des Landes neu bewerten979. Außerdem kann über die beschriebenen Ansteckungskanäle zwischen dem Fiskus und den Gläubigern die Finanzstabilität beeinträchtigt werden980. Schuldenabschläge beheben auch nicht die Ursache der fiskalischen Instabilitäten, weshalb die begünstigten Fisken häufig auch trotz eines Schuldenschnitts jahrelang von internationaler finanzstabilitätspolitischer Hilfe abhängig bleiben981. Außerdem findet zur Restrukturierung regelmäßig eine Umschuldung statt, indem für die fiskalisch destabilisierenden Staatsanleihen Ersatzanleihen ausgegeben werden, die im Gegenzug – in der Europäischen Währungsunion beispielsweise durch Bürgschaften anderer Mitgliedsstaaten – besser besichert sein können982. Im Rahmen von Umschuldungen werden regelmäßig die Zinszahlungslasten reduziert oder der Rückzahlungszeitraum wird gestreckt (Stundung)983. Die Schuldenrestrukturierung kann vor und nach der Erklärung der Zahlungunwilligkeit durch den Fiskus geschehen984. In der Vergangenheit konnten fiskalisch instabile Staaten höhere Abschläge aushandeln, nachdem sie ihre Zahlungsunwilligkeit erklärt hatten, als wenn sie die Restrukturierung präventiv vorgenommen hätten985. Durchschnittlich erreichten präventive Restrukturierungen lediglich eine Quote von unter zehn Prozent, wohingegen postventive Restrukturierungen Abschlagsquoten von über fünfzig Prozent erreichten986. Seit einigen Jahren werden Konzepte entwickelt, um durch die Änderung der vertraglichen Ausgestaltung von Staatsanleihen die Restrukturierung von Staatsschulden zu erleichtern oder durch die Schaffung von fiskalischen Insolvenzverfahren die Kosten von fiskalischer Instabilitäten zu minimieren987. 979 Vgl. R. Maurer, Die Verschuldungskrise der Europäischen Währungsunion – Fiskalische Disziplinlosigkeit oder Konstruktionsfehler?, S. 85 (92 f.). 980 Vgl. R. Maurer, Die Verschuldungskrise der Europäischen Währungsunion – Fiskalische Disziplinlosigkeit oder Konstruktionsfehler?, S. 85 (92 f.); Kapitel D.III.3. b) u. c). 981 Vgl. J. Boysen-Hogrefe, Für einen Schuldenschnitt und gegen den Rettungsschirm? Argumente auf dem Prüfstand, S. 9. 982 Vgl. O. Holtemöller/T. Knedlik, Prävention und Management von Staatsinsolvenzen in der Europäischen Währungsunion, S. 173 (174). 983 Vgl. H. Beck/A. Prinz, Staatsverschuldung, S. 80; C. Kopf, Restoring financial stability in the euro area, S. 19. 984 Vgl. L. Bini Smaghi, Sovereign Risk, S. 237 (242). 985 L. Bini Smaghi, Sovereign Risk, S. 237 (242). 986 Vgl. L. Bini Smaghi, Sovereign Risk, S. 237 (242 f.). 987 Vgl. U. Panizza/F. Sturzenegger/J. Zettelmeyer, The Economics and Law of Sovereign Debt and Default, S. 1 (39).

III. Das Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

259

Beispielsweise können in den Anleiheverträgen Klauseln aufgenommen werden, die dazu führen, dass im Falle der Zustimmung einer qualifizierten Gläubigermehrheit alle Staatsanleihen entgegen dem Willen der Minderheit restrukturiert werden können (collective action clause)988. Mittlerweile enthalten alle neu emittierten Staatsanleihen von Eurostaaten solche Klauseln989, obwohl bis vor einigen Jahren solche Klauseln noch unüblich waren990. Ohne die Klausel erfordert die Restrukturierung der Staatsschulden die Zustimmung aller Gläubiger, so dass einzelnen Gläubigern eine wesentlich größere Verhandlungsmacht zuteil wird, weil sie mit einer Ablehnung des Restrukturierungsplans die gesamte Restrukturierung zur Fiskalstabilisierung gefährden können991. In der Vergangenheit hat es sich für die Gläubiger jedoch meistens nicht gelohnt, eine Einigung zu blockieren; obwohl es bereits Ausnahmen gegeben hat, in denen eine Restrukturierung durch einzelne Gläubiger verhindert wurde und trotzdem von den Gläubigern höhere Rückzahlungsquoten erreicht wurden, als sie im Zuge der Restrukturierung in vergleichbaren Fällen tatsächlich angeboten wurden992. Zudem wird vorgeschlagen, durch ein formalisiertes „Staatsinsolvenzverfahren“ Struktur in die Restrukturierung der Staatsschulden zu bringen993. Nach dem Konzept des „Staatsinsolvenzverfahrens“ soll ein überstaatliches Gremium Maßnahmen zur Wiederherstellung der fiskalischen Stabilität anordnen dürfen994. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass politisch motivierte Ausnahmen bestimmte Parteien begünstigen und fiskalische Ausnahmezustände für die Gläubiger unvorhersehbare Folgen hervorrufen995. Derzeit gibt es keinen verbindlichen Rechtsrahmen, der Gläubigern vorgeben würde, auf welche Weise und welchen Teil sie von ihren Forderungen vom Fiskus zurückverlangen können996. Lediglich durch das Haushaltsrecht und das Zwangsvollstreckungsrecht soll ein Interessenausgleich zwischen Gläubigern und dem Fiskus als Schuldner bewerkstelligt werden997. Die für private Wirtschaftssubjekte geltenden Insolvenzordnungen jedenfalls sind bereits wegen des Demokratieprinzips, des Sozialstaatsprinzips und des Rechtsstaatsprinzips nicht auf Staa988 Vgl. M. Hüther, Europas Finanzen zwischen ordnungspolitischer Konsistenz und politischer Realität, S. 3 (6). 989 Vgl. ebd. 990 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 293. 991 Vgl. N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 293 f. 992 Vgl. U. Panizza/F. Sturzenegger/J. Zettelmeyer, The Economics and Law of Sovereign Debt and Default, S. 1 (9). 993 Vgl. C. Paulus, Eine Neuorientierung, S. 7 (9); L. Bini Smaghi, Sovereign Risk, S. 237 (246). 994 Vgl. C. Paulus, Eine Neuorientierung, S. 7 (9). 995 Vgl. ebd. 996 Vgl. K. Abberger, Was ist ein Staatsbankrott?, S. 37 (38). 997 K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 534.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

ten anwendbar998. Auch wenn rechtliche Automatismen der Vorhersehbarkeit der Entscheidungen des Fiskus dienen, kann ein solches Verfahren keine dem privatrechtlichen Insolvenzverfahren vergleichbare Zwangswirkung entfalten, weil die Souveränität von Staaten bestimmte Eingriffe privater oder internationaler Akteure zur Liquidierung – insbesondere in wesentliches Staatsvermögen – unmöglich macht999. Ein förmliches Verfahren würde stets dem Vorrang „der politischen und demokratischen Bewältigung“ der Fiskalkrise untergeordnet sein1000. Auch wenn die Stärkung von Gläubigerrechten rechtsstaatlich geboten sein kann, muss der insolvente Staat um seiner Bürger willen (materiell) handlungsfähig bleiben, um die Stabilität der Lebensverhältnisse gewährleisten zu können. Ein Sozialstaat darf sich nicht aus der sozialen Sicherung und der Daseinsvorsorge zurückziehen, auch wenn er gegenüber seinen Bürgern schuldrechtliche Verpflichtungen eingegangen ist1001. Es wird daher zu Recht betont, dass man ein solches Verfahren aufgrund der Unterschiede zur Privatinsolvenz allenfalls ein „Resolvenzverfahren“ statt ein „Insolvenzverfahrens“ für Staaten nennen kann1002. c) Privilegierung des Fiskus als Schuldner Neben den Instrumenten des Fiskus zur Finanzstabilisierung und den Instrumenten zur Fiskalstabilisierung ist im Verhältnis von Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik auch die finanzstabilitätspolitische Privilegierung des Fiskus auf instrumenteller Ebene von Bedeutung. Die Privilegierung von Staatsanleihen im Rahmen der Regulierung von Finanzunternehmen soll dem Fiskus die Finanzierung über den Kapitalmarkt erleichtern, kann aber einen negativen Einfluss auf die Finanzstabilität haben1003. Beispielsweise sehen die Solvabilitätsvorschriften für deutsche Banken keine Eigenkapitalunterlegungspflicht für Staatsanleihen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vor1004, obwohl sich die Euro-Mitgliedsstaaten in einer Währung verschulden, über die sie nicht selbst frei verfügen können1005. 998

Vgl. K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 541. Vgl. Kapitel E.IV.; N. Roubini/B. Setser, Bailouts or Bail-ins?, S. 290; E. Borensztein/U. Panizza, The Costs of Sovereign Default, S. 2; B. De Paoli/G. Hoggarth/ V. Saporta, Costs of sovereign default, S. 3. 1000 K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 541. 1001 Vgl. K. v. Lewinski, Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, S. 541. 1002 Vgl. C. Paulus, Eine Neuorientierung, S. 7 (8). 1003 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Der Staat als privilegierter Schuldner, S. 3 f. 1004 Nach Basel II gem. Anhang VI Teil 1 Punkt 1.2.4. der EU-Richtlinie 2006/48/ EG und § 26 Nr. 2 SolvV (für Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraums) und auch nach Basel III gem. Art. 114 Abs.4 der Capital Requirement Regulation (für Mitgliedsstaaten der Europäischen Union). 1005 Vgl. C. Kopf, Restoring financial stability in the euro area, S. 2. 999

IV. Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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Zudem wird zur Abschwächung der Ansteckungskanäle zwischen den Bankbilanzen und der Fiskalpolitik als präventives finanzstabilitätspolitisches Instrument vorgeschlagen, die Großkreditvorschriften des Bankenaufsichtsrechts auch auf Kredite an Staaten anzuwenden1006. Banken sollten Staatsanleihen (desselben Fiskus) nur noch in begrenztem Umfang halten dürfen, um Klumpenrisiken zu vermeiden. Überdies bestehen geldpolitische Privilegien des Fiskus, indem Staatsschuldpapiere als Sicherheiten bei der geldpolitischen Refinanzierung ohne Abschläge verwendet werden können1007. Zudem bestehen in zahlreichen Rechtsordnungen Privilegien des Fiskus bei den Publizitätspflichten, bei der Prospekthaftung und bei der Besteuerung der Zinseinkünfte aus Krediten an den Fiskus1008. Die Privilegierungen sind finanzstabilitätspolitisch problematisch, weil auch Forderungen aus Staatsanleihen infolge der Erklärung der Zahlungsunwilligkeit durch den Fiskus notleidend werden können und wegen der angeführten Ansteckungskanäle die Stabilität der privaten Finanzwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen können1009. Die Privilegien setzen zudem fiskalische Verschuldungsanreize und verdrängen Kredite an die Privatwirtschaft (crowding out)1010.

IV. Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik Aus der bisherigen Untersuchung treten die Grenzen der einzelnen Politikbereiche konturierter hervor. Die zahlreichen Interdependenzen zwischen den Politikbereichen bewirken intensive Wechselwirkungen, die insbesondere in Fällen der Instabilität virulent werden. Aufgrund der wesentlichen Bedeutung des Geldwesens und des Fiskus für das Finanzsystem insgesamt ist jede monetäre und fiskalische Instabilität gleichzeitig auch eine finanzielle Instabilität. Monetäre Instabilitäten und fiskalische Instabilitäten sind Kategorien der Finanzinstabilität; ebenso wie monetäre Krisen und fiskalische Krisen Kategorien der Finanzkrisen sind. Deshalb ist die Bekämpfung von monetärer und fiskalischer Instabilität nicht nur geldpolitischer oder fiskalpolitischer, sondern auch finanzstabilitätspolitischer Natur. Zahlreiche finanzielle Phänomene lassen sich also aufgrund 1006 Momentan privilegiert Art. 400 Abs. 1 der Capital Requirement Regulation den Fiskus, vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Der Staat als privilegierter Schuldner, S. 8 u. 23. 1007 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Der Staat als privilegierter Schuldner, S. 9 f. 1008 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Der Staat als privilegierter Schuldner, S. 12. 1009 Vgl. M. Blessing, Financial and Fiscal Stability beyond the Crisis Years, S. 7 (24). 1010 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Der Staat als privilegierter Schuldner, S. 15 f.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

der gegenseitigen Wechselbeziehungen der Politikbereiche nicht allein einem Politikbereich zuordnen, sondern sie berühren die Belange von zwei oder gar allen drei betrachteten Politikbereichen. Für politische Akteure kann eine multiple Politikbereichszuordnung Kompetenzstreitigkeiten auslösen. Zur Bestimmung des Mandats eines politischen Akteurs muss deshalb eine Zuordnung einer Maßnahme zu möglichst nur einem der Politikbereiche vorgenommen werden, wenn sich ansonsten infolge einer multiplen Zuordnung Zuständigkeiten verschiedener Akteure ergeben würden. Im Falle von Maßnahmen der Zentralbank ist eine Zuordnung vor allem erforderlich, um dadurch die Befugnisse der Zentralbank und die Reichweite der Zentralbankunabhängigkeit, die nur geldpolitische Maßnahmen umfasst, zu bestimmen1011. Darüber hinaus kommt es bei der Abgrenzung zur Finanzstabilitätspolitik erschwerend hinzu, dass es sich um einen erst seit kurzer Zeit mit eigenständiger Bedeutung wahrgenommenen Politikbereich handelt, so dass sich noch keine Staatspraxis herausgebildet hat, auf der aufgebaut werden könnte. Bei der Zuordnung zu einem Politikbereich können mehrere Gesichtspunkte zum Tragen kommen. Als solcher Zuordnungsgesichtspunkt kommt grundsätzlich der vom handelnden Akteur verfolgte Zweck (die Finalität) in Betracht1012. Der entscheidende Nachteil dieses Zuordnungsgesichtspunkts ist jedoch dessen Subjektivität, denn die Triebfeder des Handelns eines Akteurs kann meist nur (mittelbar) über äußere Tatsachen nachvollzogen werden. Darüber hinaus kann auch die Unmittelbarkeit der Wirkung einer Maßnahme auf einen Politikbereich für die Zuordnung der Maßnahme zu eben diesem Politikbereich sprechen1013. Mittelbare Wirkungen hingegen sind in der Regel für eine Zuordnung nicht ausreichend, weil aufgrund der Einheit des Politischen alles (politische) Handeln des Menschen (zumindest mittelbar) Wirkung auf sämtliche Politiken entfaltet, da alles mit allem (mittelbar) zusammenhängt1014. Überdies kann eine Zuordnung einer Maßnahme auch – vergleichbar mit dem Unmittelbarkeitskriterium – nach ihrem spezifischen Bedeutungsgehalt für einen Politikbereich getroffen werden1015. Wenn eine Maßnahme grundsätzliche Bedeutung für die Finanzstabilität insgesamt aufweist, dann reicht ihr Bedeutungsgehalt über das spezifisch Geldpolitische oder das spezifisch Fiskalpolitische hinaus, auch wenn die Geldpolitik oder die Fiskalpolitik ebenfalls (unmittelbar oder mittelbar) betroffen sind. Deshalb ist eine Maßnahme mit grundsätzlicher Bedeutung für die Finanzstabilität insgesamt primär der Finanzstabilitätspolitik zuzuordnen. Die grundsätzliche Bedeutung ei1011 1012 1013 1014 1015

Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 12. Vgl. BVerfGE 8, 143 (148). Vgl. BVerfGE 36, 314 (319); 78, 249 (266). Vgl. Kapitel B.II. Vgl. BVerfGE 3, 407 (433); 15, 1 (22).

IV. Das Verhältnis von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik

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ner Maßnahme für die Finanzstabilität ist dabei über das Ausmaß der Gefahr für die Finanzstabilität infolge desjenigen Zustands, gegen den sich die Maßnahme richtet, zu bestimmen; wobei an dieser Stelle kein prinzipieller Maßstab anzulegen ist, sondern die Gefahr sich nur über eine graduelle Betrachtungsweise bestimmen lässt. Folgen beispielsweise aus einer monetären Instabilität nur geringe Gefahren für die Finanzstabilität insgesamt, ist die gegen diese monetäre Instabilität gerichtete Maßnahme primär der Geldpolitik und nur sekundär der Finanzstabilitätspolitik zuzuordnen. Ebenso ist eine Maßnahme zur Beseitigung einer fiskalischen Instabilität primär der Fiskalpolitik und nur sekundär der Finanzstabilitätspolitik zuzuordnen, wenn sich aus einer fiskalischen Instabilität nur eine geringe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Finanzsystem insgesamt ergibt. Dagegen ist eine Maßnahme primär finanzstabilitätspolitisch, wenn der Zustand, gegen den sich die Maßnahme richtet, einen hohen Gefahrengrad für die Finanzstabilität insgesamt begründet, auch wenn Geldpolitik oder Fiskalpolitik sekundär betroffen sind. An den für eine primäre Zuordnung zur Finanzstabilitätspolitik im Rahmen der Gefahrenprognose erforderlichen Gefahrengrad sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerwiegender der potentielle Schaden für das Finanzsystem sein könnte. Es gibt Umstände, die eine Zuordnung einer Maßnahme zur Finanzstabilitätspolitik indizieren. Insbesondere sind Maßnahmen der Zentralbank, durch die einem Kreditinstitut nicht nur kurzfristig kreditär Liquidität bereitgestellt wird, sondern sogar deren Solvabilität bewahrt oder gar wiederhergestellt werden soll, in der Regel finanzstabilitätspolitisch, weil sich die Abwicklung von geldpolitischen Geschäften in finanziell stabilen Zuständen in der Regel auf kreditäre Beziehungen beschränkt1016. Ferner spricht für die finanzstabilitätspolitische Natur einer Zentralbankmaßnahme, wenn nicht nur ein einziges Kreditinstitut Adressat einer stabilisierenden Maßnahme ist, sondern zahlreiche Kreditinstitute oder gar das gesamte inländische Bankensystem, weil eine grundsätzliche Bedeutung der Maßnahme für das Finanzsystem naheliegt, wenn viele oder alle Banken von der Maßnahme betroffen sind. Darüber hinaus indiziert auch die Dauer einer Maßnahme ihre finanzstabilitätspolitische Natur; so werden von der Zentralbank regelmäßig geldpolitische Offenmarktgeschäfte zur Zinsglättung am Geldmarkt eingesetzt, wobei die betreffenden Vermögenswerte von der Zentralbank nur kurzfristig gehalten werden, so dass Käufe und Verkäufe sich rasch ausgleichen1017. Sollen gekaufte Vermögenswerte dagegen über einen langen Zeitraum gehalten oder gar bilanzwirksam abgeschrieben werden, dient dies als Anzeichen für eine Zuordnung der Maß1016 Vgl. zur Grenze zwischen Liquiditäts- und Solvabilitätssicherung: Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 22. 1017 Vgl. D. Murswiek, Gauweiler – Schriftsatz vom 11.10.2012, S. 24 f.

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D. Die finanzpolitischen Verhältnisse im Einzelnen

nahme zur Finanzstabilitätspolitik, weil die Vermögenswerte nicht nur zur Stabilisierung von geldpolitischen Zinsvolatilitäten erworben werden, sondern auch um Finanzwirtschaftsakteuren Finanzstabilitätsrisiken abzunehmen1018. Obendrein liegt eine Zuordnung zur Finanzstabilitätspolitik nahe, wenn ein geldpolitisches oder fiskalpolitisches Instrument konditional mit Bedingungen oder Auflagen verknüpft wird. Es indiziert den finanzstabilitätspolitischen Charakter einer Maßnahme, wenn für Offenmarktkäufe der Zentralbank oder fiskalische Hilfskredite im Gegenzug ein ganzes Paket von Maßnahmen auferlegt wird, welches die weitere Erforderlichkeit von Hilfsmaßnahmen für die Zukunft ausschließen soll, insbesondere, wenn die gestellten Bedingungen oder Auflagen keinen (unmittelbaren) Zusammenhang zur Geldpolitik oder Fiskalpolitik aufweisen. Beispielsweise sind Maßnahmen der Zentralbank finanzstabilitätspolitisch, falls für diese im Gegenzug fiskalpolitische Maßnahmen (Austeritätspolitik) vorgesehen sind. Als starkes Indiz für eine (primäre) Zuordnung zur Finanzstabilitätspolitik muss es zudem gewertet werden, wenn die Maßnahme sich gegen einen Zustand richtet, der gleichzeitig monetäre, fiskalische und (im engeren Sinne1019) finanzielle Instabilitäten begründet, weil bei solch vielschichtig auftretenden Instabilitäten von erheblichen Gefahren für die Funktionsweise des Finanzsystems insgesamt auszugehen ist. Aufgrund der zahlreichen Interdependenzen des modernen Finanzsystems zwischen Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik ist im Falle von Finanzstabilitätsgefahren regelmäßig von solchen die primäre Zuordnung zur Finanzstabilitätspolitik rechtfertigenden Zuständen auszugehen.

1018 1019

Vgl. ebd. Das sind auf private Finanzwirtschaftsakteure bezogene Instabilitäten.

E. Seine Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank am Beispiel der Eurorettungspolitik Die Zentralbank hat im finanzpolitischen Bereich eine besondere Stellung inne, da sie mit ihren Instrumenten bestimmenden Einfluss auf die Finanzpolitik – und damit vor allem auf die Geldpolitik, die Fiskalpolitik und die Finanzstabilitätspolitik – nehmen kann. Ihr entscheidender Einfluss auf die Finanzwirtschaft und das Finanzpolitische hat eine faktische Verschiebung des staatlichen Kompetenzgefüges bewirkt, obwohl finanzielle Liberalisierungen die Bedeutung des Finanziellen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und damit die allgemeinen Lebensverhältnisse gesteigert haben. Das Phänomen der finanziellen Instabilität verdeutlicht diese Verschiebung, weil faktisch nur noch die Zentralbank über die Instrumente zum Schutz der Finanzwirtschaft (und damit der Wirtschaft im Allgemeinen) in Zeiten finanzieller Instabilitäten verfügt. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Zentralbank zum wichtigsten finanzstabilitätspolitischen Akteur entwickelt, obwohl ihr eine (geldpolitische) Unabhängigkeit eingeräumt wird, die sie weitgehend von demokratischer Kontrolle abschottet. Aufgrund der Anforderungen des Demokratieprinzips ist es deshalb erforderlich, dass das finanzstabilitätspolitische Mandat der Zentralbank möglichst durch Gesetze gesteuert und, wo Spielraum für Ermessensentscheidungen erforderlich ist, über eine Kontrolle durch das Parlament die erforderliche demokratische Legitimation ihrer finanzstabilitätspolitischen Entscheidungen hergestellt wird. Jedoch gestaltet sich die Definition ihres finanzstabilitätspolitischen Mandats als schwierig, zumal ihre finanzstabilitätspolitischen Maßnahmen mit ihren sonstigen geldpolitischen – aber auch fiskalpolitisch bedeutsamen – Maßnahmen zusammenfallen können. Die Abgrenzung der Finanzstabilitätspolitik von der Geldpolitik und der Fiskalpolitik ist eine Frage begrifflicher Normativität, weil die Politikbereiche sich wegen ihrer Interdependenzen nicht voneinander trennen lassen; die Stabilisierung des Finanzsystem wird stets die Einbeziehung geldpolitischer und fiskalpolitischer Zusammenhänge erfordern1. Vor allem die Abgrenzung von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik wird bei der gesamten Zentralbanktätigkeit virulent, denn monetäre Wirkungen sind im gesamten Finanzsystem zu beobachten, weil jedes ökonomische Handeln (zu1 Vgl. Committee on the Global Financial System, Macroprudential instruments and frameworks: a stocktaking of issues and experiences, S. 1.

266

E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

mindest mittelbar) Auswirkungen auf Preise und damit auf die Geldwertstabilität hat2. Trotzdem ist die Finanzstabilität eine der monetären Stabilität übergeordnete Kategorie, weil das Finanzsystem nicht nur das Geldwesen vollständig, sondern auch darüber hinausgehende Bereiche erfasst. Deshalb kann die Zentralbank ihre Maßnahmen nicht mit ihrem geldpolitischen Mandat rechtfertigen, nur weil der adressierte Zustand Auswirkungen auf den geldpolitischen Transmissionsmechanismus und die Geld(wert)stabilität haben kann3. „Wäre eine Zentralbank zu allem legitimiert, was noch mit einiger Plausibilität als der Geldpolitik und der Preisniveaustabilität dienlich angesehen . . . werden könnte, so wären normative Grenzen der Geldpolitik bereits ex ante wirkungslos und damit entbehrlich“ 4. Jedenfalls sind Maßnahmen der Zentralbank, die sowohl Kreditinstitute vor der Insolvenz bewahren als auch dem Fiskus Zinserleichterungen verschaffen, finanzstabilitätspolitischer Natur, auch wenn sie Einfluss auf das allgemeine Preisniveau nehmen. Im Folgenden sollen die Ausgestaltung und die Grenzen des finanzstabilitätspolitischen Mandats an den wichtigsten finanzstabilitätspolitischen Instrumenten verdeutlicht werden, die als Endlagerinstrumente bezeichnet werden. Die Endlagerinstrumente weisen zahlreiche Interdependenzen zwischen Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik auf, weshalb sich deren Implikationen auch auf andere finanzstabilitätspolitische Instrumente übertragen lassen. Am Beispiel der Endlagerung im Rahmen der Eurorettungspolitik wird schließlich deutlich, dass der Finanzstabilitätspolitik nicht nur finanzielle Bedeutung beizumessen ist, sondern von ihr auch die (existentielle) Staatlichkeit einer Gemeinschaft abhängt.

I. Die Zentralbankbilanz als Endlager finanziell destabilisierender Verluste Die wesentliche Implikation des Verhältnisses von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik ist es, dass die Zentralbankbilanz zur Endlagerung finanziell destabilisierender Verluste wirkungsvoller zur Finanzstabilisierung als andere finanzstabilitätspolitische Instrumente genutzt werden kann. Kein anderer finanzstabilitätspolitischer Akteur verfügt über wirksamere Instrumente als die Zentralbank im Wege der Nutzung ihrer Bilanz als Endlager finanziell destabilisierender Vermögenswerte. 1. Endlagerbegriff und Endlagerfunktion Es ist Ziel der Finanzstabilitätspolitik, finanzielle Instabilitäten zu identifizieren und daraufhin zu isolieren, um sie schließlich einer endgültigen (Auf-)Lö2 3 4

Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 12. Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 7. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 12.

I. Die Zentralbankbilanz als Endlager

267

sung zuzuführen. Dieser Prozess, wenn er im konkreten Fall überhaupt durchführbar ist, verursacht finanzielle Nebenwirkungen, die (teilweise) einer Endlagerung zugeführt werden können. Der Begriff des Endlagers5 stammt aus der Umweltpolitik, wonach Stoffe endgelagert werden, wenn von diesen Gefahren ausgehen und weder die Gefahren vermieden noch die Stoffe anderweitig verwertet werden können6. Dabei werden die Stoffe von der Biosphäre abgeschieden, bis keine Gefahren mehr von ihnen ausgehen. Der Endlagerbegriff eignet sich trotz der fehlenden physischen Verdinglichung der Verluste im Vergleich zur Endlagerung von Abfällen nicht nur für die Umweltpolitik, sondern auch für die Finanzstabilitätspolitik, weil in beiden politischen Konstellationen Gefahrpotentiale isoliert und abgeschieden werden sollen und sich vom umweltpolitischen Verursacherprinzip ein Analogieschluss zur Finanzstabilitätspolitik anbietet. Werden in das Konzept der Endlagerung nicht nur materielle Dinge wie im Umweltpolitischen, sondern auch soziale Phänomene einbezogen, können grundsätzlich auch Verluste aus Schuldverhältnissen und Eigentumsbeziehungen (finanzielle Verluste) endgelagert werden. Die Zentralbank kann bestimmten Schuldverhältnissen und Eigentumsbeziehungen destabilisierende Wirkungen für das Finanzsystem beimessen, um diese durch eine Übertragung auf die Zentralbank dem übrigen Finanzsystem zu entziehen. Voraussetzung für die Endlagerung von die Finanzstabilität gefährdenden Verlusten aus Schuldverhältnissen und Eigentumsbeziehungen ist es regelmäßig, dass sich die Finanzinstabilitäten nicht durch andere reaktive Instrumente auflösen lassen und die Finanzstabilitätsgefahren bestimmten Schuldverhältnissen und Eigentumsbeziehungen zugeordnet werden können. Außerdem muss das Endlager vom übrigen Finanzsystem in einer Weise abgeschieden sein, dass endgültig keine Gefahren mehr von den endgelagerten Finanzen ausgehen können. Die Zentralbankbilanz muss daher vom übrigen Finanzsystem völlig abgekoppelt sein, damit sie sich als Endlager für Verluste aus finanziell destabilisierenden Vermögenswerten eignet. Objekte der Endlagerung sind nicht etwa die finanzinstabilitätsbegründenden Vermögenswerte, sondern die Verluste, die aus den in die Zentralbankbilanz übernommenen Schuldverhältnissen und Eigentumsbeziehungen resultieren. Die finanzinstabilitätsbegründenden Vermögenswerte sind nicht selbst Objekte der Endlagerung, sondern diese werden in der Regel von der Zentralbank nur vorübergehend gehalten und nach einer gewissen Dauer (gegebenenfalls unter Abschreibung von endzulagernden Verlusten) wieder veräußert oder sie gehen durch Erlöschen unter; insoweit fungiert das Zentralbankportfolio nicht als Endlager, sondern als Zwischenlager. Die Verluste hingegen werden endgelagert, indem sie die Eigenkapitalposition der Zentralbankbilanz auf Dauer vermindern. 5 Erwähnung hat dieser bereits in der Presse gefunden: vgl. beispielsweise Le Monde Diplomatique, Was tut die EZB?, Nr. 9671 vom 09.12.2011. 6 Vgl. § 9a Abs. 1 S. 1 AtomG.

268

E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

Durch die Stilllegung von finanziellen Verlusten in der Zentralbankbilanz als Endlager werden Finanzinstabilitäten aufgelöst, indem destabilisierende Schuldverhältnisse und Eigentumsbeziehungen für das Finanzsystem unschädlich gemacht werden. Die Verluste selbst können im Gegensatz zu den Schuldverhältnissen und Eigentumsbeziehungen (mit Ausnahme einer Währungsumstellung) aber nicht aufgelöst oder zum Erlöschen gebracht werden, obwohl sie rein gedankliche Zuschreibungen sind, denn sie sind historisch wirkmächtig geworden. Die Wirkungen der Verluste lassen sich auch nicht innerhalb der Zentralbankbilanz für die Zukunft aufheben, da jede Bilanz zu einem bestimmten Zeitpunkt als Fortschreibung das Ergebnis aller vorherigen Bilanzen darstellt; denn die Zentralbankbilanz ist letztlich ein Abbild aller monetären Handlungen der Zentralbank in der Vergangenheit. Die wirtschaftlichen Folgen von Geldemissionen (wie beispielsweise Umverteilungseffekte) bleiben – wenn bisweilen auch im Zeitverlauf schwächer werdend – wirkmächtig. Der potentielle Stabilisierungsbedarf durch Endlagerung besteht wegen der inhärenten Instabilität des Finanzsystems dauerhaft. Finanzielle Instabilitäten werden auf Dauer nicht aus dem Finanzsystem zu beseitigen sein, da finanzielle Beziehungen zwischen Wirtschaftsakteuren stets anders verlaufen können, als von den Parteien gewünscht oder geplant. Die finanziellen Instabilitäten mit Bedeutung für die Funktionstüchtigkeit des Finanzsystems gibt es aber erst, seitdem die Volumina mancher Finanzbeziehungen Ausmaße erreicht haben, die ein Schadenspotential für viele andere Finanzbeziehungen zur Folge haben. Auf der anderen Seite ist es erst, seitdem die Goldbindung des Geldes abgeschafft wurde, materiell überhaupt möglich, notleidende Schuldbeziehungen und verlustträchtige Eigentumsbeziehungen durch Geld zu ersetzen, um das Finanzwirtschaftsgefüge insgesamt zu stützen7. Die Zentralbank übernimmt dabei die Funktion einer öffentlichen Abwicklungsanstalt, fungiert also als Bad Bank8. Die Zentralbank wird auf diese Weise zu einem Vehikel zur Endlagerung finanziell destabilisierender Verluste der Finanzwirtschaftsakteure umfunktioniert, die das übrige Finanzsystem weder verwerten noch ohne Gefährdung seiner Funktionsfähigkeit selbst unter Verlust auflösen kann. 2. Endlagerungsinstrumente Es gibt verschiedene Instrumente zur Endlagerung finanzieller Instabilitäten in der Zentralbankbilanz, wobei die Übernahme destabilisierender Finanzen durch die Zentralbank das unmittelbare Instrument darstellt. Den Instrumenten ist gemein, dass die Zentralbank finanzielle Instabilitäten aus dem Finanzmarkt mit 7

T. Mayer, Die Zentralbankgeld-Wirtschaft, S. 238 (239). Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 89; A. Belke, Driven by the markets. ECB sovereign bond purchases and the Securities Markets Programme, S. 357 (363); D. Gros/T. Mayer, How to deal with sovereign default in Europe, S. 2. 8

I. Die Zentralbankbilanz als Endlager

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Zentralbankgeld im Wege quantitativer Lockerungen9 herauslöst, indem sie die finanziell destabilisierenden Verluste in der Zentralbankbilanz vom übrigen Finanzmarkt isoliert und dadurch unschädlich macht. Mit den Endlagerinstrumenten verfügt das Finanzsystem dabei infolge der unbegrenzten Verlusttragfähigkeit der Zentralbank sowie ihrer unbegrenzten Zentralbankgeldschöpfungsmöglichkeit über eine grundsätzlich unerschöpfliche Stabilisierungsquelle. Bei der Übernahme von Verlusten in das Endlager fungiert die Zentralbank nicht bloß als Notfallkreditgeber wie bei den Lender of Last Resort-Konzepten, sondern sie leistet dem Finanzsystem Solvabilitätshilfe zur Vermeidung einer Überschuldung, da sie die Verluste anstelle der Finanzwirtschaftsakteure endgültig trägt. a) Übernahme finanziell destabilisierender Verluste durch die Zentralbank Die endzulagernden Verluste werden durch defizitäre Vermögenswerte generiert. Die unmittelbare Erscheinungsform der Endlagerung besteht darin, dass Finanzstabilitätsrisiken von der Zentralbank durch Käufe von das Finanzsystem destabilisierenden Vermögenswerten übernommen werden können. Diese Vermögenswerte umfassen Schuldverhältnisse und Eigentumsbeziehungen wie beispielsweise Kredite, Kreditderivate, Wertpapiere (samt (Staats-)Anleihen und Kreditverbriefungen), Wertpapierderivate, Währungen und Versicherungsverträge. Die Käufe finden dabei zu die (gegenwärtigen) finanzmarktlichen Werte übersteigenden Preisen10 statt, damit die privaten Finanzwirtschaftsakteure als Verkäufer keine die Finanzstabilität gefährdenden Verlustabschreibungen vornehmen müssen. Mithilfe der überhöhten Kaufpreiszahlung wird das Finanzstabilitätsrisiko vom Verkäufer auf die Zentralbank übertragen. Der Erwerb von Schuldbeziehungen erfolgt für gewöhnlich auf den Sekundärmärkten; die Übernahme von Verlusten kann aber auch durch eine Intervention der Zentralbank auf den Primärmärkten mit anschließendem Schuldenerlass erfolgen, was faktisch einer Schenkung von Finanzkapital als Solvabilitätshilfe gleichkommt. Letztere Variante bietet sich vor allem an, wenn die finanzielle Instabilität des Begünstigten diffus ist, also die finanzielle Instabilität nicht konkreten Vermögenswerten zugeordnet werden kann. Jedoch stößt das Endlagerinstrument an faktische Grenzen, wenn eine finanzielle Instabilität lege artis nicht (rechtzeitig) aufspürbar ist11. Zudem ist aufgrund der Intensität des Wettbe9 Zum „Quantitative Easing“ s. S. Schäfer, „Regime Shift“ in der Geldpolitik, S. 702 (702). 10 Die Endlagerinstrumente sollten auch deshalb formal durch den Gesetzgeber geregelt werden (vgl. Kapitel E.II.3.), weil Zentralbanker sonst einem Untreuevorwurf i. S. d. § 266 StGB ausgesetzt sein könnten, vgl. B. Schünemann, Die Target2-Salden der Deutschen Bundesbank in der Perspektive des Untreuetatbestandes, S. 1 ff. 11 Vgl. die Diskussion über die Analyse von Vermögenspreisblasen in Kapitel D. II.2.b).

270

E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

werbseingriffs der Einsatz dieses Endlagerinstruments allenfalls zugunsten des eigenen Fiskus zu erwarten. Die Käufe und die Übertragungen der Vermögenswerte sind nach deutschem Recht aufgrund des Abstraktionsprinzips getrennt zu beurteilen, so dass der Kauf als Verpflichtungsgeschäft und die Übertragung als Verfügungsgeschäft rechtlich selbständig vollzogen werden müssen. Bei den Käufen der Schuld- und Eigentumsrechte handelt es sich überwiegend um Rechtskäufe, im Übrigen um Sachkäufe12. Die Zentralbank erfüllt ihre Kaufpreisschulden (als einziger Emittent des gesetzlichen Zahlungsmittels) mit selbst emittiertem Zentralbankgeld13. Sie wird entweder durch Abtretung der Forderung14 oder durch dingliche Übereignung des sachlichen Vermögensgegenstands15 Inhaberin der Vermögenswerte. Die finanzstabilitätspolitischen Operationen müssen nicht zwangsläufig zu Verlusten der Zentralbank führen. Erweisen sich die aus bestimmten Vermögenswerten herrührenden Finanzstabilitätsgefahren als unbegründet, kann die Zentralbank Verluste entweder durch die Erfüllung der von ihr gekauften Schuldrechte, durch die Fruchtziehung aus den von ihr erworbenen Eigentumsrechten oder durch den (Weiter-)Verkauf der von ihr erworbenen Schuld- und Eigentumsrechte vermeiden. Die Zentralbank erleidet dagegen Verluste, wenn die erworbenen Forderungen erwartungsgemäß (teilweise) unerfüllt bleiben oder die erworbenen Eigentumspositionen erwartungsgemäß Wertverluste erfahren. Der Zeitpunkt der bilanzielle Abschreibung der Verluste richtet sich nach den konkreten Rechnungslegungsgrundsätzen, also danach, ob der Vermögenswert mit dem Marktpreis oder mit dem Anschaffungspreis zu bewerten ist, was davon abhängen kann, ob der Vermögenswert bis zur Fälligkeit gehalten wird16. Die Zentralbank übernimmt demzufolge nicht nur die Vermögenswerte von privaten Finanzwirtschaftsakteuren, sondern insbesondere auch die sich aus ihnen ergebenden Verluste. Die Zentralbank wird mithilfe ihrer Bilanz aufgrund ihrer grundsätzlich unbegrenzten Verlusttragfähigkeit zum Endlager von das Finanzsystem destabilisierenden Verlusten. b) Zulassung minderwertiger Sicherheiten zur geldpolitischen Refinanzierung Als weiteres Instrument zur Übertragung von Finanzstabilitätsrisiken – also das Finanzsystem destabilisierenden Verlustrisiken – auf die Zentralbank ist die 12

Vgl. § 433 BGB und § 453 BGB. Gesetzliches Zahlungsmittel sind nur Bargeld-Banknoten (vgl. Art. 128 Abs. 1 Satz 3 AEUV), die nur einen Teil der Zentralbankgeldmenge darstellen. 14 Gem. § 398 BGB. 15 Gem. §§ 929 ff. BGB oder §§ 873, 925 BGB. 16 Vgl. Anhang IV (insb. Bilanzposition Aktiva 7.1) der Leitlinie EZB/2010/20 vom 11.11.2010 über die Rechnungslegungsgrundsätze und das Berichtswesen im ESZB, S. 52 (Neufassung der Leitlinie EZB/2006/16). 13

I. Die Zentralbankbilanz als Endlager

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Besicherung im Rahmen der geldpolitischen Refinanzierung zu nennen. Die Zentralbank schützt sich im Rahmen ihrer geldpolitischen Refinanzierungskredite grundsätzlich gegen die Insolvenz ihrer Schuldner durch Sicherheiten17. Dazu legt sie die Kriterien der Beleihungsfähigkeit der Kreditsicherheiten fest18. Zur Vermeidung von Verlusten der Zentralbank werden üblicherweise strenge Maßstäbe an die Beleihungsfähigkeit von Vermögenswerten zur Absicherung gegen die Insolvenz der kreditnehmenden Bank gelegt19. Die Besicherung erfolgt zumeist entweder qua Einräumung eines Pfandrechts an einem Vermögensgegenstand des Kreditnehmers oder qua Sicherungszession einer Forderung des Kreditnehmers20. Die Kreditsicherheiten werden der Zentralbank aber nur zum Zwecke der Verwertung zur Verfügung gestellt, so dass nicht der Vermögensgegenstand, sondern nur die Differenz aus einer offenen Forderung und dem durch die Pfandverwertung erzielten Erlös als Verlust endgelagert wird. Deshalb erleidet die Zentralbank einen bilanzwirksamen Verlust frühestens ab dem Zeitpunkt, zu welchem ihre Kredite ohne ausreichende Besicherung ausfallen21. In Zeiten finanzieller Instabilität sinkt der Wert vieler Vermögensgegenstände von Kreditinstituten, weshalb die Anzahl und der Umfang beleihungsfähiger Sicherheiten schrumpfen22. Generell verschlechtert sich infolge der Finanzinstabilität die Verfügbarkeit von Kreditmitteln und damit die Liquidität der Kreditinstitute23. Die Zentralbank kann dem Liquiditätsverlust der Kreditinstitute indes entgegenwirken, indem sie die Anforderungen an die Beleihungsfähigkeit bestimmter Vermögenswerte lockert, um die Zahlungsfähigkeit der Kreditinstitute durch die Refinanzierung bei der Zentralbank über eine Vergrößerung des Umfangs potentiell beleihungsfähiger Vermögenswerte sicherzustellen24. Aufgrund von finanzstabilitätspolitischen Erwägungen kann die Zentralbank die Kreditinstitute weiterhin mit Zentralbankliquidität versorgen, obwohl der Wert ihrer Kreditsicherheiten unzureichend geworden ist. Auf diese Weise erhöhen sich die Verlustrisiken der Zentralbank für den Fall der Insolvenz ihrer Geschäftspartner, weil die Sicherheiten die offenen Forderungen nur unzureichend abdecken25. Werden die Anforderungen weit genug herabgesetzt und der Umfang der geld17

Vgl. Art. 18 Abs. 1 Spiegelstrich 2 ESZB-Satzung. Für das Eurosystem durch die General Documentation, s. Anhang I zur Leitlinie EZB/2000/7 i. d. F. d. EZB/2011/14 vom 20.09.2011, Kapitel 6. 19 Vgl. G. Rule, Collateral management in central bank policy operations, S. 8. 20 Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 201. 21 Vgl. Anhang IV, Bilanzposition Aktiva 5.1 u. 5.2, der Leitlinie EZB/2010/20 vom 11.11.2010 über die Rechnungslegungsgrundsätze und das Berichtswesen im ESZB, S. 52 (Neufassung der Leitlinie EZB/2006/16). 22 Vgl. G. Rule, Collateral management in central bank policy operations, S. 21. 23 Vgl. ebd. 24 Vgl. G. Rule, Collateral management in central bank policy operations, S. 22. 25 Vgl. ebd. 18

272

E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

politischen Refinanzierungsgeschäfte weit genug erhöht, kann die Zahlungsfähigkeit (nicht dagegen die Überschuldung) jedes Kreditinstituts auf Kosten von Verlustrisiken der Zentralbank erhalten werden. Die Endlagerung der dadurch entstehenden Verluste fungiert insofern als ein unbegrenztes finanzstabilitätspolitisches Instrument zur Liquiditätserhaltung der Kreditinstitute durch die Zentralbank. Auch bei der Besicherung geldpolitischer Refinanzierungskredite handelt es sich um ein Endlagerinstrument, weil bilanzwirksame Verluste infolge der Insolvenz eines Kreditinstituts von dessen Gläubigern auf die Zentralbank abgewälzt werden. Im Unterschied zur Übertragung finanziell destabilisierender Vermögenswerte26 wird jedoch nicht unmittelbar eine Solvabilitätshilfe, sondern lediglich ein Kredit – zum Beispiel im Rahmen von Lender of Last Resort-Operationen – gewährt. Die Solvabilitätshilfe erfahren die Begünstigten – das refinanzierte Kreditinstitut und dessen Gläubiger – mittelbar, indem die nicht für die Besicherung ihrer Zentralbankkredite erforderlichen Vermögenswerte vom Kreditinstitut liquidisiert werden können, um mit diesen Mitteln Schulden zu tilgen und damit eine Überschuldung zu vermeiden. Auf diese Weise können Gläubiger unter Erhöhung der Ausfallrisiken der Zentralbank (infolge der schlechteren Besicherung) ausbezahlt werden. Nutzt ein begünstigtes Kreditinstitut die Refinanzierungskredite dagegen nicht zur Verbesserung der eigenen Solvabilität, sondern zur Ausweitung der eigenen Kreditgewährung (zum Beispiel durch den Erwerb von Staatsschuldpapieren zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit des Fiskus), erhöhen sich die Verlustrisiken der Zentralbank in noch größerem Maße, da sie im Falle der Insolvenz des Kreditinstituts auch mit den nun nicht ausbezahlten Gläubigern um die Insolvenzmasse ohne ausreichende Besicherung konkurrieren muss. Die Kreditausweitung erfolgt im (insolvenzbegründenden) Verlustfalle letztlich auf Kosten der Zentralbankbilanz als Endlager. c) Übernahme der Endlagerfunktion durch ein Vehikel der Zentralbank Überdies ist es grundsätzlich denkbar, dass die Endlagerung finanziell destabilisierender Verluste über ein eigens zu diesem Zweck geschaffenes Vehikel (Zweckgesellschaft27) bewerkstelligt wird. Da die Zweckgesellschaft grundsätzlich ihre endgültigen Verluste sofort abzuschreiben hätte, wäre sie wegen Überschuldung nicht zur Finanzstabilisierung in der Lage. Daher müsste gesetzlich bestimmt werden, dass das Vehikel als juristische Person des öffentlichen Rechts verfasst wird und damit – wie auch die Zentralbank – nicht insolvenzfähig ist28. 26

Siehe vorheriges Kapitel E.I.2.a). Vgl. die Definition der Zweckgesellschaft des § 1 Abs. 26 KWG im Rahmen der Kreditverbriefung. 28 Vgl. § 12 Abs. 1 InsO. 27

I. Die Zentralbankbilanz als Endlager

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Im Wege einer solchen Konstruktion könnte die bilanzielle Eigenkapitalposition der Zweckgesellschaft ebenso negativ werden wie die der Zentralbank29. Eine solche Zweckgesellschaft kann aber nur in Zusammenarbeit mit der Zentralbank eine Endlagerfunktion übernehmen. Gewährt die Zentralbank dem Vehikel im Rahmen der geldpolitischen Refinanzierung den Status eines Geschäftspartners, kann das Vehikel an der geldpolitischen Refinanzierung teilnehmen und sich von der Zentralbank mit Liquidität ausstatten lassen. Die Zentralbank könnte das Vehikel genau in dem Umfang mit Zentralbankgeld ausstatten, der für die Finanzstabilisierung jeweils erforderlich ist. Das Vehikel würde dann anstelle der Zentralbank die die Finanzstabilität gefährdenden Vermögenswerte gemäß der ersten Methode der Endlagerung kaufen und sich übertragen lassen. Zudem dürfte die Zentralbank von dem Vehikel entweder keine Sicherheiten für die Refinanzierungskredite verlangen oder sich auf die von dem Vehikel übernommenen, die Finanzinstabilität begründenden Vermögenswerte (beispielsweise Staatsschuldpapiere geringer Bonität), beschränken. Insofern handelt es sich bei diesem Endlagerinstrument um eine Kombination der ersten beiden Endlagermethoden. Das Endlager für die finanziellen Instabilitäten befindet sich – im Gegensatz zu den vorherigen Instrumenten – nicht in der Zentralbankbilanz, sondern in der Bilanz der Zweckgesellschaft. Aufgrund der Finanzierung durch die Zentralbank ohne oder mit unzureichenden Sicherheiten handelt es sich bei der Zweckgesellschaft funktional um ein Vehikel der Zentralbank, um die Verluste außerhalb der Zentralbankbilanz endlagern zu können. Das praktische Problem dieses Instruments besteht jedoch in der Rückzahlung der Refinanzierungskredite der Zentralbank durch die Zweckgesellschaft am Ende der vereinbarten Laufzeit, da die Zweckgesellschaft die Kredite unter Verlusten anlegt. Entweder müssten die Refinanzierungskredite von der Zentralbank endlos gewährt werden, was deren Krediteigenschaft aufheben würde und zu einer entsprechenden Verlustabschreibung bei der Zentralbank führen dürfte, die gerade durch die Zwischenschaltung des Vehikels vermieden werden sollte, oder die Zweckgesellschaft bräuchte einen zusätzlichen Kapitalgeber wie den Fiskus, was deren Endlagerfunktion aufheben würde. Letztlich fehlt es dem Vehikel an der Fähigkeit zur Geldschöpfung. 3. Auswirkungen der Endlagerung Die Möglichkeit zur Nutzung der Zentralbankbilanz als Endlager bedeutet nicht, dass die Endlagerinstrumente stets zur Finanzstabilisierung eingesetzt werden sollten. Vielmehr müssen die Auswirkungen der Endlagerinstrumente mit ihrem finanzstabilitätspolitischen Nutzen im konkreten Fall abgewogen werden. 29

Vgl. Kapitel E.I.3.a).

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

Wegen der negativen Folgen kann der Einsatz der Instrumente unangebracht sein. Es handelt sich bei der Abwägung um eine (finanzstabilitäts-)politische Entscheidung, für die es wegen der Veränderlichkeit des gesamten Finanzsystems keine überzeitlich gültigen Lösungen geben kann. a) Auswirkungen auf die Zentralbank Die meisten von der Zentralbank zur Endlagerung übernommenen Vermögenswerte müssen im Falle eines Wertverlusts früher oder später bilanzwirksam als Verluste abgeschrieben werden. Übernommene Forderungen können indes bis zur Endfälligkeit gehalten werden, um die Abschreibung hinauszuzögern, wenn die Zentralbank die Vermögenswerte mit ihrem Anschaffungspreis anstelle des Marktpreises bilanziert30. Theoretisch denkbar ist es zudem, dass nicht abnutzbare Eigentumsgegenstände gar nicht abgeschrieben werden müssen, auch wenn deren Marktwert (erheblich) gesunken ist, falls der Gegenstand von der Zentralbank nicht veräußert werden soll. Endgelagerte Verluste stellen für die Zentralbank keine existentiellen Gefahren dar, da sie grundsätzlich nur bilanzielle Konsequenzen haben. Verbleiben nach Abzug der Einnahmen des Geschäftsjahres und den Rückstellungen noch Verluste übrig, muss die Zentralbank auf ihre Rücklagen zurückgreifen31. Reichen die Beträge nicht zur Verlustdeckung aus, muss die Zentralbank in ihrem Jahresabschluss einen entsprechenden Verlustvortrag ausweisen, bis die Verluste durch zukünftige Gewinne ausgeglichen werden32. Die Verluste können die Nettoeigenkapitalposition der Zentralbank so stark belasten, dass die Nettoeigenkapitalposition das Grundkapital unterschreitet oder gar ins Negative kehrt33. Grundsätzlich haben weder der Verlustvortrag noch eine negative Eigenkapitalposition weitere Folgen für die Handlungsfähigkeit der Zentralbank, da sie als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht insolvenzfähig ist34 und sie auch ihre Zahlungsfähigkeit wegen der Eigenemmissionsmöglichkeit von (Zentralbank-)Geld, die le30 Vgl. Anhang IV, Bilanzposition Aktiva 7.1, der Leitlinie EZB/2010/20 vom 11.11.2010 über die Rechnungslegungsgrundsätze und das Berichtswesen im ESZB (Neufassung der Leitlinie EZB/2006/16), S. 52; BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01. 2014, Absatz-Nr. 91. 31 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 27; vgl. Art. 33 Abs. 2 ESZB-Satzung. 32 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 28; vgl. Kapitel E. III.2.a). 33 J. Langner, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Vorb. zu Art. 28–33 ESZB-Satzung Rn. 11. 34 Vgl. § 12 Abs. 1 InsO. Für die Deutsche Bundesbank bestimmt § 44 BBankG, dass diese durch Gesetz aufgelöst und nicht etwa im Rahmen eines Insolvenzverfahrens abgewickelt wird. Die Insolvenzfestigkeit der Zentralbank wird von einigen Autoren verkannt, vgl. beispielsweise G. Heinsohn/O. Steiger, Eigentumsökonomik, S. 140 f. (m.w. N.).

I. Die Zentralbankbilanz als Endlager

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diglich rechtlich durch das offen formulierte Preisstabilitätsziel begrenzt ist, faktisch nicht verlieren kann35. Die Zentralbank kann durch ihr Geldschöpfungsmonopol36 ständig allen Zahlungsverpflichtungen nachkommen37. „An sich braucht eine Zentralbank nämlich überhaupt kein Eigenkapital“ 38. Das Eigenkapital ist heutzutage „nur noch ideeller Ausdruck der Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Zentralbank und nicht . . . durch seine (mehr oder weniger stattliche) Höhe auf Vertrauensbildung im Publikum angelegt“ 39. Der Schutz der Zentralbankgeldinhaber als „Gläubiger“ der Zentralbank „erfolgt im Gegensatz zu einem Wirtschaftsunternehmen nicht über Kapitalaufbringungs-, Kapitalerhaltungs- und Haftungsvorschriften, sondern durch die . . . Verpflichtung auf das Ziel der Geldwertstabilität“ 40. Eine Verpflichtung des Staates als Eigner der Zentralbank zum Ausgleich der Verluste über einen Eigenkapitalnachschuss besteht daher nicht41, kann sich – je nach geldpolitischer und finanzstabilitätspolitischer Strategie – aber faktisch als ratsam erweisen42. Im Falle hoher Verlustvorträge liegt die Erwartung nicht fern, dass die Zentralbank eine gewinnmaximierende geldpolitische Strategie unter Aufgabe ihrer bisherigen geldpolitischen Ziele verfolgen wird. Die Zentralbank ist zur effektiven Implementierung der Geldpolitik auf ihre Glaubwürdigkeit angewiesen. Die Glaubwürdigkeit der Zentralbank könnte bereits dadurch beeinträchtigt werden, dass die privaten Wirtschaftsakteure eine Gewinnmaximierungsstrategie der Zentralbank erwarten43. Für den Fall, dass die Höhe und Nachhaltigkeit der vorgetragenen Verluste erhebliche Zweifel an der Aufgabenerfüllung begründen, befürworten manche wegen des Grundsatzes der finanziellen Unabhängigkeit der Zentralbank Ausgleichspflichten des Staates44. Das Parlament hätte gegebenenfalls entsprechende fiskalische Mittel zu bewilligen und im Haushalt zur Verfügung zu stellen45. 35

Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 305. Vgl. für das Eurosystem Art. 128 Abs. 1 AEUV. 37 Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 305. 38 J. Langner, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 33 ESZB-Satzung Rn. 13. 39 J. Langner, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 33 ESZB-Satzung Rn. 15. 40 J. Langner, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 33 ESZB-Satzung Rn. 14. 41 Vgl. auch Kapitel E.III.2.a). 42 Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 28. 43 Vgl. J. Langner, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Vorb. zu Art. 28– 33 ESZB-Satzung Rn. 11. 44 Vgl. EZB, Konvergenzbericht 2010, S. 23 f.; EZB, Konvergenzbericht 2012, S. 28 f.; Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 28; J. Langner, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Vorb. zu Art. 28–33 ESZB-Satzung Rn. 9 ff. 45 Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 28. 36

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

Eine Nachschusspflicht des Fiskus ist jedenfalls nicht für die Funktionsweise einer Zentralbank erforderlich; denn blendet die Zentralbank ihre Verlustvorträge und ihre negative Eigenkapitalposition aus, bleibt eine Ausrichtung der Zentralbankpolitik an ihren nicht gewinnbezogenen geldpolitischen Zielen auch trotz der Verluste vollständig möglich46. Es erscheint möglich, dass sich die Erwartungen der privaten Wirtschaftsakteure aber im Laufe der Zeit zurückbilden, wenn die Zentralbank trotz Verlustendlagerung weder eine gewinnmaximierende noch eine geldmengenausweitende Strategie verfolgt. Demzufolge könnte die Zentralbank nach Durchführung von Endlagerungen ohne anschließende Gewinnmaximierungsstrategie und unter Neutralisierung der im Wege der Endlagerung in den Markt gegebenen Geldmengen fortwährend – in gewissem Umfang – finanzstabilitätspolitische Endlagerungen betreiben, ohne dass der Verlust ihrer Glaubwürdigkeit ihre Handlungsfähigkeit gefährdet. Solange ihre Glaubwürdigkeit erhalten bleibt, „kann eine Zentralbank auch über eine längere Zeit mit Verlusten operieren. Hierfür gibt es historische Beispiele, etwa die Bundesbank in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts“ 47. b) Auswirkungen auf die Fiskalpolitik Neben der Zentralbank ist durch die Endlagerung finanziell destabilisierender Vermögenswerte auch die Fiskalpolitik betroffen. Infolge bilanzieller Abschreibungen von Vermögenswerten kommt es zu einer Minderung der Gewinne der Zentralbank aus ihren geldpolitischen Geschäften. Bei Abschreibungen in großem Umfang können sogar sämtliche Gewinne mehrerer Folgejahre aufgezehrt werden. Da der Zentralbanküberschuss am Jahresende an den Fiskus abgeführt wird48, belasten die Verluste durch die Endlagerung die fiskalischen Einnahmen in Höhe der ohne Endlagerung erzielbaren Zentralbankgewinne. Die Belastung der Fiskalpolitik beschränkt sich ausschließlich auf die Einnahmenseite des Haushalts, da für den Fiskus im Falle der vollständigen Aufzehrung des Zentralbankeigenkapitals durch die Verluste keine Eigenkapitalnachschusspflicht besteht, so dass die Ausgabenseite des Haushaltsplans durch die Endlagerung nicht belastet wird49. Über die Endlagerinstrumente kann zudem die Fiskalpolitik unterstützt werden, indem entweder Staatsschuldpapiere von der Zentralbank erworben werden oder diese als Sicherheiten bei der Refinanzierung trotz unzureichender Bonitätsbeurteilung akzeptiert werden. Dabei kann es zu Fehlanreizen kommen, weil sich

46

Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 305. J. Langner, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Vorb. zu Art. 28–33 ESZB-Satzung Rn. 13. 48 Vgl. § 27 Nr. 2 BBankG. 49 Vgl. vorheriges Kapitel E.I.3.a); E.III.2.a). 47

I. Die Zentralbankbilanz als Endlager

277

die Fiskalpolitik womöglich auf die finanzstabilitätspolitische Hilfe der Zentralbank verlässt, ohne selbst die notwendigen Schutzvorkehrungen durch eine Anpassung der fiskalpolitischen Instrumente zu treffen (moral hazard)50. Die Fiskalpolitik gefährdet die Funktionsweise der geldpolitischen Instrumente, wenn sie die eigene Handlungsunwilligkeit mit einer „scheinbaren Alternativlosigkeit“ rechtfertigt, wegen der die Zentralbank „ungeachtet rechtlicher, ökonomischer und institutioneller Schranken“ handeln müsse51. Die „Alternativlosigkeit des Handelns“ der Zentralbank kann auf diese Weise „zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ geraten52. c) Auswirkungen auf Kreditinstitute und andere Finanzunternehmen Grundsätzlich könnte allen Finanzunternehmen die Endlagerung im Wege des Kaufs und der Übertragung von Finanzinstabilitäten zugutekommen, die Endlagerung über die Akzeptanz destabilisierender Finanzen als Sicherheit dagegen nur den Kreditinstituten als Geschäftspartnern der Zentralbank. Manchen Finanzunternehmen wird eine besondere Bedeutung für die Finanzstabilität beigemessen, indem ihnen die Möglichkeit zur Endlagerung ihrer finanziellen Instabilitäten in der Zentralbankbilanz gegeben wird. Diese besondere Bedeutung eines Finanzunternehmens wird auch mit dem Begriff der Systemrelevanz beschrieben. Der Begriff der Systemrelevanz wurde für Kreditinstitute mittlerweile auch vom deutschen Gesetzgeber anerkannt53, kann sich aber nur auf eine Bedeutung für das Finanzsystem in seinem konkreten Zustand beziehen. Eine absolute oder abstrakte Systemrelevanz kann kein Finanzunternehmen besitzen, denn auch nach einer Finanzkrise mit einer Insolvenz aller großen Finanzunternehmen würde das Finanzsystem – wenn auch in veränderter Form – weiterhin Bestand haben. Wird einem Finanzunternehmen Systemrelevanz beigemessen, soll damit (nur) das Finanzsystem in seiner konkreten Gestalt geschützt werden. Die Nutzung ihrer Bilanz zur Endlagerung von Verlusten bietet der Zentralbank das wirkungsvollste Instrument zur Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Finanzwirtschaftsordnung. Eine Finanzkrise könnte trotz Endlagerungsmöglichkeit auch weiterhin entweder aus (finanzstabilitäts-)politischen Motiven des Gesetzgebers oder der Zentralbank oder aber infolge einer Fehlbewertung der finanzsystemischen Bedeutung einer finanziellen Instabilität durch die Zentralbank entstehen. Das Risiko einer Insolvenz von als systemrelevant eingestuften Finanzunternehmen dürfte aber kaum noch bestehen, wenn sich die Zentralbank für die Finanzstabilisierung durch Endlagerung um jeden Preis entscheidet, da sie bis kurz vor der Aufhe50 51 52 53

Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 13. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 14. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 14 f. Vgl. § 10 f Abs. 2 S. 1 KWG.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

bung der Funktionen des Finanzsystems (Finanzkrise) mit der Endlagerung eingreifen kann, um eine Finanzstabilisierung zu erreichen. Die Risikoübernahme durch die Zentralbank stellt eine Wettbewerbsverzerrung zwischen systemrelevanten Finanzunternehmen und den sonstigen privaten Wirtschaftsakteuren dar, die aus finanzstabilitätspolitischen Gründen gerechtfertigt sein kann. Die Wettbewerbsverzerrungen können sich vor allem in besseren Bonitätsbeurteilungen und niedrigeren Refinanzierungskosten äußern. Zudem würde eine folgenlose Endlagerung von Finanzinstabilitäten Anreize zu einer höheren Risikobereitschaft der als systemrelevant eingestuften Finanzunternehmen setzen und Anreize zur Selbstvornahme von Schutzvorkehrungen untergraben (moral hazard)54. Finanzunternehmen, die aus finanzstabilitätspolitischen Gründen faktisch keine Insolvenz mehr erleiden können, unterscheiden sich erheblich von den übrigen privaten Akteuren im Wirtschaftsverkehr. Insbesondere Banken ohne Insolvenzrisiko werden zu bloßen Geld- und Kreditverwaltern, die mangels unternehmerischen Risikos die gewinnbringenden Zinsbestandteile nicht mehr zu rechtfertigen vermögen. Insolvenzgefährdende Verluste werden vollständig auf die Zentralbankbilanz als Endlager übertragen. Die Zentralbankbilanz als Teil der öffentlichen Finanzen haftet somit für die privat erwirtschafteten Verluste. Da die systemrelevanten Banken damit über wesentliche Verlustrisiken des Staates entscheiden und für diese verantwortlich sind, üben diese Herrschaft aus, zu denen private Wirtschaftsakteure (mit Ausnahme von beliehenen Unternehmern55) in einer Demokratie nicht legitimiert sein können56. d) Auswirkungen auf die übrigen privaten Finanzwirtschaftsakteure Die Endlagerung finanzieller destabilisierender Verluste hat auch Auswirkungen für alle übrigen Wirtschaftsakteure. Die Endlagerung hat im Falle von Geldmengenerweiterungen vor allem Auswirkungen auf die Inflationsrate, so dass sich die Verluste vor allem volkswirtschaftlich, gegebenenfalls im inflationären Binnenwert oder durch Außenwertänderungen, auswirken könnten57. Eine Steigerung der Inflationsrate ist – je nach Maß und Dauer – ein potentieller, negati54 Vgl. G. Rule, Collateral management in central bank policy operations, S. 22; N. Berthold, Die drei Köpfe der Euro-Hydra. Banken-, Staatsschulden- und Zahlungsbilanzkrisen, S. 430 (431). 55 Kritisch zur Beleihung: K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 246 ff. u. 264 ff. 56 Insbesondere falls ein rechtlicher Automatismus geschaffen würde, in dem die Kreditvergabe oder sonstige Finanzbeziehungen von Finanzwirtschaftsakteuren Rechtswirkungen für die Zentralbankbilanz entfalten, würden diese die Handlungsspielräume des Staates stark einschränken. 57 K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 307.

I. Die Zentralbankbilanz als Endlager

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ver Effekt der Endlagerinstrumente, der die dauerhafte Anwendung der Instrumente als nicht ratsam erscheinen lässt. Die Finanzstabilitätspolitik muss mitunter abwägen, ob eine Inflation mit ihren vor allem sozialpolitischen Folgen einer (möglicherweise nur kurzfristigen) Auflösung von finanziellen Instabilitäten vorzuziehen ist, also die Preisstabilität für eine nur auf Kosten von ökonomischen Fehlanreizen wiederhergestellte Finanzstabilität preisgegeben werden sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Preisentwicklung ex ante weder quantifizierbar ist, noch sich qualitative Aussagen insofern eindeutig und zeitlich konstant treffen lassen; denn Inflation hat sowohl monetäre als auch auf nicht-monetäre Ursachen, deren Effekte auch parallel wirken und sich überlagern können58. Die finanziellen Instabilitäten, denen nicht nur Schuldbeziehungen mit Geldeigenschaft zugrundeliegen, werden im Finanzsystem durch Zentralbankgeld ersetzt. Die Endlagerungsinstrumente erhöhen damit grundsätzlich die Geldmenge, außer die Zentralbank ergreift zusätzlich geldpolitische Neutralisierungsmaßnahmen, weshalb unter quantitätstheoretischen Gesichtspunkten grundsätzlich von inflationären Gefahren infolge der Endlagerung auszugehen ist. Zwar sind Neutralisierungsmaßnahmen insofern möglich, als dass die Zentralbank aufgrund ihrer prinzipiell unbegrenzten Verlusttragfähigkeit keine Gewinnmaximierungsstrategie verfolgen müsste; aber eine Neutralisierung kann aufgrund von destabilisierenden Effekten schädlich sein, wenn die Zentralbank bei einer Endlagerung in großem Umfang innerhalb von kurzer Zeit eine Geldmenge an einer anderen Stelle aus dem System nimmt, als sie die Geldmenge in das System gegeben hat. Andererseits haben finanzielle Instabilitäten häufig auch Einschränkungen der Kreditvergabe der Banken und damit der Giralgeldschöpfung zur Folge, was die inflationären Wirkungen der Geldmengenausweitung durch die Zentralbank durchaus konterkarieren kann. Zudem können die finanziellen Instabilitäten (nicht zuletzt aufgrund der eingeschränkten Kreditvergabe) mit rezessiven Konjunkturentwicklungen einhergehen, die eher deflationär wirken und damit ebenfalls die monetären Auswirkungen der Zentralbankgeldmengenerhöhung überlagern können59. Zwar legt die empirische Forschung nahe, dass ein langfristiger positiver Zusammenhang zwischen Geldmengenausweitung und Inflationssteigerungen besteht60, aber eine die derzeitige Inflationsentwicklung erklärende Inflationstheorie hat bisher noch niemand liefern können61. Von den Endlagerinstrumenten hervorgerufene Preissteigerungen hätten bedeutende sozialpolitische Konsequenzen. Eine allgemeine Preissteigerung betrifft 58 Vgl. A. Belke/J. Beckmann, Inflation – Ursachen, Kosten und Nutzen, S. 1377 (1378). 59 Vgl. M. Bargel, Risiken der ultraexpansiven Geldpolitik nehmen zu, S. 98 (99). 60 A. Belke/J. Beckmann, Inflation – Ursachen, Kosten und Nutzen, S. 1377 (1378). 61 Vgl. K. A. Schachtschneider, Stellungnahme zum Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2014, S. 4.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

vor allem Kleinsparer und Vermögenslose, weil sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für Konsumgüter ausgeben und sich kaum gegen Preissteigerungen durch höhere Nominalzinsforderungen für ihr geringes Erspartes versichern können62. Zudem profitieren von den Preissteigerungen der Vermögenswerte die (wohlhabenden) Inhaber der im Preis gestiegenen Vermögenswerte. Inflation wirkt in einer mit einer Steuer auf die Geldhaltung vergleichbaren Weise63, wovon Kleinsparer besonders betroffen sind, da sie vornehmlich in Geldanlagen sparen, weil andere Anlageformen mit einer aufwendigeren Vermögensverwaltung und entsprechenden Kosten verbunden sind. Eine höhere Inflation verringert die Anreize zur Geldanlage und kann daher die Sparneigung einer Volkswirtschaft belasten, denn ein niedriges Realzinsniveau lässt den Sparern einen Konsumverzicht wenig attraktiv erscheinen64. Andererseits dürften aber auch nachhaltige Finanzstabilitätsgefahren die privaten Wirtschaftsakteure von finanzieller Vorsorge abhalten. Jedenfalls bewirkt die Endlagerung von Verlusten eine Umverteilung der wirtschaftlichen Ressourcen, da die von einer Insolvenz betroffenen Aktionäre und Gläubiger ihre mit öffentlichen Geldern gestützten Vermögenswerte nicht abschreiben müssen. Durch die Endlagerinstrumente wird finanzstabilitätspolitisch ein volkswirtschaftlicher Verteilungszustand bewahrt, der im Falle einer Finanzkrise nicht aufrechtzuerhalten gewesen wäre. Ferner kann es zu einer volkswirtschaftlichen Lastenverschiebung durch die Neutralisierung der Geldmengenausweitung kommen, wenn diese zu einer anderen monetären Kapitalallokation führt, indem das Geld an einer anderen Stelle aus dem Geldsystem entfernt wird, als es zur Stützung hineingegeben wird. Außerdem hat die Endlagerung den Nachteil, dass sie finanzstabilitätspolitisch nicht präventiv, sondern reaktiv wirkt. Die Ursachen von Finanzinstabilitäten wie das Auseinanderdriften von Real- und Finanzwirtschaft werden durch dieses finanzstabilitätspolitische Instrument nicht abgeschwächt65. Vielmehr ist aus präventiver Sicht infolge von Fehlanreizen und der Erhöhung der monetären Basis von einer weiteren Entkopplung der realwirtschaftlichen von der finanzwirtschaftlichen Sphäre auszugehen. Darüber hinaus können durch die Endlagerung auch Ursachen für neue finanzielle Instabilitäten geschaffen werden. Eine von den Endlagerinstrumenten induzierte Inflation würde den Realzins senken, wes62

Vgl. O. Issing, Einführung in die Geldtheorie, S. 259 f. A. Belke/J. Beckmann, Inflation – Ursachen, Kosten und Nutzen, S. 1377 (1380). 64 Vgl. A. Belke/J. Beckmann, Inflation – Ursachen, Kosten und Nutzen, S. 1377 (1380). 65 Vgl. T. Betz, Von der klassischen Geldhortung zum modernen Investmentbanking, S. 25 (32 ff.); H. Creutz, Banken in die Schranken? – Das Wachstum der Geldvermögen ist Ursache der Wirtschaftskrise, S. 3 (3 ff.); T. Petersen, Geldvermögen und Schulden. Grundlegende Zusammenhänge und realwirtschaftliche Konsequenzen, S. 661 (661 ff.). 63

II. Finanzstabilitätsverfassung mit Endlager

281

halb Finanzkapitalanleger höhere Risiken in Kauf nehmen müssten, um auch in der Zukunft ihre Renditeerwartung erfüllen zu können66. Entweder werden sich die Anleger schließlich mit geringeren Renditen zufriedengeben oder aber – insbesondere wenn sie hohe (vertraglich vereinbarte) Renditeziele haben wie Lebensversicherer – sie investieren in riskantere Vermögenswerte, was abstrakt betrachtet zu zusätzlichen Finanzstabilitätsgefahren führen könnte67.

II. Finanzstabilitätsverfassung mit Endlager Die Endlagerinstrumente haben entscheidende Bedeutung für die Finanzstabilitätsverfassung, zumal sie primär der Finanzstabilitätspolitik zuzuordnen sind, obwohl sie auch geldpolitische und fiskalpolitische Bereiche berühren. Aufgrund ihrer wesentlichen Bedeutung für die Finanzstabilitätspolitik und der durch die Instrumente bedingten Verschiebung des Kompetenzgefüges besteht gesetzgeberischer Regelungsbedarf, weshalb auch dessen Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert werden sollen. 1. Zuordnung der Endlagerinstrumente zur Finanzstabilitätspolitik und Abgrenzung von der Geldpolitik und Fiskalpolitik Die Endlagerung finanziell destabilisierender Verluste berührt die Belange mehrerer Politikbereiche: insbesondere der Geldpolitik, der Fiskalpolitik und der Finanzstabilitätspolitik. Jeder Anwendungsfall der Endlagerinstrumente hat eine finanzstabilitätspolitische Dimension. Werden den Finanzunternehmen Vermögenswerte abgenommen oder werden die Besicherungsanforderungen gegenüber Kreditinstituten abgeschwächt, sollen die durch die Endlagerung begünstigten Finanzunternehmen vor der Insolvenz bewahrt werden, um die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems aufrechtzuerhalten. Zudem hat die Auflösung monetärer und fiskalischer Instabilitäten im Wege der Endlagerung insofern finanzstabilitätspolitischen Charakter, als monetäre und fiskalische Instabilitäten auch Finanzinstabilitäten darstellen. Häufig werden die Endlagerinstrumente – vor allem von Zentralbanken – für die Geldpolitik reklamiert. Für eine Zuordnung der Endlagerinstrumente zur Geldpolitik spricht, dass die Instrumente in der Hand der Zentralbank als dem wesentlichen geldpolitischen Akteur liegen und sowohl die Übertragung von Vermögenswerten als auch die Besicherung der Refinanzierungskredite von der Zentralbank auch im Rahmen ihrer geldpolitischen Operationen vorgenommen werden, denn mit Käufen von Schuld- und Eigentumstiteln vermag die Zentralbank die Geldmenge als einen wesentlichen geldpolitischen Parameter zu steuern und 66 67

Vgl. M. Bargel, Risiken der ultraexpansiven Geldpolitik nehmen zu, S. 98 (99). Vgl. ebd.

282

E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

durch die Besicherung geldpolitischer Refinanzierungskredite schützt sich die Zentralbank vor den Verlusten der Insolvenz eines Geschäftspartners. Überdies können die Endlagerinstrumente fiskalpolitische Konsequenzen über eine Verringerung oder gar Aufhebung des an den Fiskus abzuführenden Zentralbankgewinns zeitigen. Außerdem können die Refinanzierungsbedingungen des Fiskus am Kapitalmarkt beeinflusst werden, indem Staatsanleihen zu Objekten der Endlagerinstrumente gemacht werden; beispielsweise könnten Staatsschuldpapiere auf dem Primärmarkt zum Zwecke der unmittelbaren monetären Staatsfinanzierung gekauft und dadurch verursachte Verluste endgelagert werden. Endlagermaßnahmen müssen zur Bestimmung der Entscheidungskompetenz der Zentralbank einem der betroffenen Politikbereiche zugeordnet werden, da der Zentralbank eine umfassende Kompetenz nur für das Geldpolitische zusteht. Die Zuordnung erfolgt dabei nach dem Bedeutungsgehalt, den die Maßnahme für die Finanzstabilität insgesamt aufweist. Weist die Endlagerung der finanziell destabilisierenden Verluste einen grundsätzlichen Bedeutungsgehalt für die Finanzinstabilität insgesamt auf, dann ist sie primär der Finanzstabilitätspolitik zuzuordnen. Die grundsätzliche Bedeutung der Endlagerung für die Finanzstabilität wird über das Ausmaß der Gefahr für die Finanzstabilität infolge desjenigen Zustands, gegen den sich die Endlagerung richtet, bestimmt. Die Endlagerung erfolgt demnach primär finanzstabilitätspolitisch, wenn der Zustand, dem durch die Endlagerung abgeholfen werden soll, einen hohen Gefahrengrad für die Finanzstabilität aufweist. Die Endlagerinstrumente sind in aller Regel der Finanzstabilitätspolitik zuzuordnen, weil sie aufgrund des Vorrangs präventiver finanzstabilitätspolitischer Instrumente und des geldpolitischen Preisstabilitätsgrundsatzes regelmäßig nur im finanzstabilitätspolitischen Notfall angewendet werden. Außerdem bewirken die Endlagerinstrumente eine Unterstützung der Solvabilität der begünstigten Finanzwirtschaftsakteure68. Darüber hinaus wird die finanzstabilitätspolitische Natur einer Maßnahme indiziert, insbesondere wenn die Maßnahmen zur Zulassung minderwertiger Sicherheiten gegenüber vielen Adressaten ergehen, da die finanzielle Stabilität des gesamten Bankensektors gestärkt werden soll. Entsprechendes gilt, wenn die Maßnahmen über einen langen Zeitraum angewendet werden. Im Übrigen ist es auch als Indiz zu werten, wenn die Hilfen gegenüber den begünstigten Akteuren mit fiskalpolitischen oder finanzstabilitätspolitischen Bedingungen oder Auflagen verbunden werden. Überdies sprechen große Volumina von endzulagernden Verlusten für den finanzstabilitätspolitischen Charakter der Maßnahme. Zudem wird der primär finanzstabilitätspolitische Charakter bei der Endlagerung indiziert, wenn sie sich gegen einen Zustand richtet, der gleichzeitig mone68

Vgl. Kapitel E.I.3.c).

II. Finanzstabilitätsverfassung mit Endlager

283

täre, fiskalische und finanzielle Instabilitäten begründet. Kauft die Zentralbank beispielsweise den Finanzunternehmen (teilweise) deren Staatsschuldpapiere aufgrund von fiskalischen Zahlungsschwierigkeiten zur Endlagerung der Verluste ab, hat dies zwar wegen der Zahlungsschwierigkeiten eine fiskalpolitische und wegen des dadurch häufig bedingten Abwertungsdrucks auf die inländische Währung eine monetäre Dimension, aber vor allem auch finanzstabilitätspolitischen Charakter, weil Finanzunternehmen von finanziell destabilisierenden Vermögenswerten befreit werden. In solch einem Fall wird die Zentralbank primär finanzstabilitätspolitisch tätig, auch wenn damit die Funktionsweise des geldpolitischen Transmissionsmechanismus aufrechterhalten wird, weil dem Transmissionsmechanismus als Rechtfertigungsgrund angesichts der Aufrechterhaltung der Funktionen des Finanzsystems insgesamt nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen werden kann69; denn die Funktionsfähigkeit des Transmissionsmechanismus der Zentralbank bei finanziellen Instabilitäten, die sich in der Regel wegen ihrer zentralen Position im Finanzsystem auch auf Banken (negativ) auswirken, ist auch abhängig von finanziellen Instabilitäten, deren Ursachen (zunächst) nichts mit dem Geldsystem zu tun haben. Der Zentralbank als zentraler geldpolitischer Akteur würde es sonst beispielsweise überantwortet, für die Finanzierung des Fiskus zu sorgen, nur weil sich fiskalische Instabilitäten auch auf die Banken und damit schließlich auf den Transmissionsmechanismus auswirken können. 2. Bedeutung der Endlagerinstrumente für die Finanzstabilitätsverfassung Der Umgang des Staates mit den Endlagerinstrumenten hat maßgebliche Bedeutung für die Entwicklung der Finanzwirtschaft. a) Wirkungsvollste reaktive Instrumente der Finanzstabilitätsverfassung Die Endlagerung finanziell destabilisierender Verluste bietet der Finanzstabilitätspolitik ihre wirkungsvollsten reaktiven Instrumente. Insbesondere die erste Variante der Endlagerinstrumente vermag die Schwachstelle des Lender of Last Resort-Konzepts zu beseitigen, nur die Zahlungsunfähigkeit und nicht die Überschuldungssituation eines Kreditinstituts aufheben zu können. Durch die Käufe finanziell destabilisierender Vermögenswerte kann die Zentralbank über die Kaufpreishöhe die überschuldungsbegründenden Verluste der Finanzunternehmen zu vermeiden helfen und leistet dadurch Solvabilitätshilfe, weil der Kaufpreis im Gegensatz zur Notfallliquidität nicht nur kreditweise, sondern ohne Rückforderungsanspruch übertragen wird.

69

Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 95 ff.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

Entscheidet sich die Finanzstabilitätspolitik für die Finanzstabilisierung um jeden Preis, wird sie nicht umhin kommen, die Zentralbankbilanz zur Endlagerung einzusetzen. Die Endlagerungsmöglichkeit der Zentralbank bildet den Kern der Finanzstabilitätsverfassung der modernen Geld- und Finanzordnung, weil die Finanzstabilitätsverfassung mit der Endlagerungsmöglichkeit wegen der unbegrenzten Verlusttragfähigkeit und der unbegrenzten Geldschöpfungsmöglichkeit der Zentralbank über eine unerschöpfliche Stabilisierungsquelle verfügt. b) Vorrang präventiver finanzstabilitätspolitischer Instrumente Grundsätzlich hat aufgrund des Vorsichtsgebots die Prävention von finanziellen Instabilitäten Vorrang vor der Reaktion auf Finanzinstabilitäten. Trotz ihres großen Stabilisierungspotentials sollten die Endlagerinstrumente als reaktives finanzstabilitätspolitisches Instrument wegen ihrer Risiken nur als ultima ratio eingesetzt werden. Es ist durchaus riskant, auf bereits herausgebildete Finanzinstabilitäten mit der Endlagerung zu reagieren, weil diese sich mitunter vor der Durchführung des Endlagerverfahrens als Finanzkrise materialisieren können. Eine rechtzeitige Aufdeckung von Finanzinstabilitäten wird häufig nicht möglich sein70. Zudem verursacht die Endlagerung finanziell destabilisierender Vermögenswerte negative Folgen, welche die Glaubwürdigkeit der Zentralbank und damit das gesamte (inländische) Geldwesen dauerhaft beschädigen können. Infolge der Endlagerung werden die durch die Vermögenswerte hervorgerufenen Verluste über Inflationsgefahren und Gewinnausfälle der Zentralbank von der Allgemeinheit der privaten Finanzwirtschaftsakteure und dem Fiskus getragen, auch wenn sie von einzelnen Wirtschaftsakteuren verursacht wurden, die ohne die finanzstabilitätspolitische Hilfe in Form der Endlagerinstrumente – mit Ausnahme des Fiskus – insolvent gewesen wären. Die Umlegung der Verluste verteilt die gesamtwirtschaftlichen Ressourcen in sozialpolitisch bedeutsamer Weise um. Auf diese Weise kommt es zu Fehlanreizen, weil die Verluste als negative externe Effekte nicht von denjenigen getragen werden, die sie verursacht haben (moral hazard)71. In solchen Konstellationen ist es möglich, dass private Wirtschaftsakteure Risiken gerade in finanzstabilitätsbedeutsamer Höhe eingehen, um im Verlustfalle finanzstabilitätspolitische Hilfe in Anspruch nehmen zu können (Trittbrettfahrerverhalten)72. Dies führt zu Wettbewerbsvorteilen derjenigen Wirtschaftsteilnehmer, denen finanzstabilitätspolitisch eine Relevanz für die Finanzstabilität beigemessen wird. Diese Gefahren gebieten gemäß dem Vorsichtsprinzip einen zurückhaltenden Einsatz der Endlagerinstrumente.

70 71 72

Vgl. die „leaning against the wind“-Kontroverse in Kapitel D.II.2.b). Vgl. Kapitel E.I.3.c); E.III.3. u. 4. Vgl. Kapitel E.I.3.c); E.III.3. u. 4.

II. Finanzstabilitätsverfassung mit Endlager

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c) Hinauszögern der falschen Finanzstabilitäts- und Geldverfassung Die Fehlanreize haben den Nachteil, dass sie den Anpassungsdruck zur finanzstabilitätspolitischen Selbstvorsorge der privaten Finanzwirtschaftsakteure mindern73. Die Endlagerinstrumente können sogar die Entkopplung der Finanzwirtschaft und Realwirtschaft74 beschleunigen, also langfristig destabilisierend wirken. Die derzeitige Geldverfassung und Finanzstabilitätsverfassung wird zwar kurzfristig stabilisiert, aber möglicherweise langfristig nicht von ihrer inhärenten Finanzinstabilität befreit, so dass notwendige Anpassungen infolge der Endlagerinstrumente hinausgezögert werden. In der (finanz-)kapitalistischen Wirtschaftsordnung besteht der Primat des Finanziellen, denn die (wirtschaftlichen) Entscheidungen werden vornehmlich unter finanziellen Gesichtspunkten getroffen. Die von einer Finanzkrise ausgelösten (zumindest kurzfristigen) finanziellen Schäden und die dadurch folgenden Anpassungen der Wirtschaftsordnung erscheinen zu gravierend, als dass andere Prämissen dem politischen Handeln zugrundegelegt würden. Es fehlt schon an (erdachten) wirtschaftsordnungspolitischen Alternativen, die Veränderungen unter Inkaufnahme von finanziellen Schäden und Anpassungen attraktiv erscheinen lassen; zumal sich die Volkswirtschaften im Wettbewerb befinden, in welchem finanzielle Schäden und Anpassungen die eigene Wettbewerbsposition gefährden. 3. Gesetzgeberischer Regelungsbedarf infolge des Endlagers Die Bedeutung der Endlagerinstrumente für die Finanzstabilitätsverfassung einer Volkswirtschaft begründet gesetzgeberischen Regelungsbedarf. a) Faktische Finanzverfassung Obwohl die Endlagerung finanziell destabilisierender Vermögenswerte langfristig erhebliche Gefahren birgt, hat sie aufgrund ihrer Wirksamkeit eine zentrale Rolle in der Finanzstabilitätsverfassung. Die Möglichkeiten zur Finanzstabilisierung durch die Endlagerinstrumente sind ein Faktum, dem sich die finanzstabilitätspolitischen Akteure nicht verschließen können. Die finanzstabilitätspolitischen Akteure werden durch ihre finanzstabilitätspolitischen Schutzpflichten zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Finanzsystems mithilfe der Anwendung der Endlagerinstrumente veranlasst. Dies gilt vor allem für die Zentralbank, 73 Vgl. M. Bargel, Risiken der ultraexpansiven Geldpolitik nehmen zu, S. 98 (100 f.). 74 Vgl. zum monetären Wachstumszwang T. Betz, Von der klassischen Geldhortung zum modernen Investmentbanking, S. 25 (32 ff.); H. Creutz, Banken in die Schranken? – Das Wachstum der Geldvermögen ist Ursache der Wirtschaftskrise, S. 3 (3 ff.); T. Petersen, Geldvermögen und Schulden. Grundlegende Zusammenhänge und realwirtschaftliche Konsequenzen, S. 661 (661 ff.).

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

weil sie die faktische Verfügungsgewalt über die Geldschöpfung und ihre Bilanz als Endlager und damit über die Instrumente insgesamt innehat. Soll die faktische Macht der Zentralbank zur Finanzstabilisierung mit ihrem auf das Geldpolitische beschränkten Mandat und ihrer auf das Geldpolitische beschränkten Unabhängigkeit in Einklang gebracht werden, müssen die Endlagerinstrumente der parlamentarischen Kontrolle überantwortet werden75. Das demokratische Kompetenzgefüge schließt es aus, dass der Zentralbank ein Mandat übertragen wird, wonach die Zentralbank eigenmächtig „über die dauerhafte Verwendung öffentlicher Gelder“ entscheiden könnte76. Zudem kann der Vorrang präventiver Instrumente vor den Endlagerinstrumenten nur verwirklicht werden, wenn Regelungen zu den Endlagerinstrumenten ihre restriktive Anwendung verbindlich machen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Finanzstabilitätspolitik häufig mit den Endlagerinstrumenten einfache kurzfristige Lösungen sucht, obwohl dies langfristig negative Folgen haben kann. Andererseits dürfen die Anwendungsvorgaben nicht derart restriktiv sein, dass der richtige Zeitpunkt zur Finanzstabilisierung verpasst wird. b) Demokratieprinzip gebietet ausdrückliche Regelung Das Demokratieprinzip gebietet die Regelung der Endlagerinstrumente durch Gesetze. Der Gesetzgeber ist unter demokratischen Gesichtspunkten nach der Wesentlichkeitslehre verpflichtet, „die Grundzüge aller wichtigen Lebensbereiche“ durch Gesetze selbst zu ordnen77, damit die Politik im Wesentlichen vom Parlament verantwortet wird78. Auf diese Weise wird das politische Handeln der Verwaltung gelenkt und Rechtsschutz ermöglicht79. Der Demokratiegrundsatz wird verletzt, wenn das Handeln der Exekutive nicht aus den Gesetzen herausgelesen werden kann und nicht durch die Gesetze vorhersehbar wird80. Kriterien der Wesentlichkeit einer Angelegenheit sind vor allem deren „gravierende finanzielle Auswirkungen, erhebliche Auswirkungen auf das Staatsgefüge . . . die politische Wichtigkeit oder Umstrittenheit“ 81. Als wirkungsvollste reaktive Instrumente der Finanzstabilitätspolitik gehören die Endlagerungsinstrumente zur grundlegenden Struktur des Finanzsystems. Diese haben gravierende finanzielle Auswirkungen auf die Finanzstabilität und 75 Vgl. S. Oosterloo/J. de Haan, Central banks and financial stability: a survey, S. 257 (260 f.). 76 S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 230. 77 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 116 (m.w. N.). 78 K. A. Schachtschneider, Grundgesetzliche Rechtsprobleme der Europäischen Währungsunion, S. 451 (451). 79 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 117. 80 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 117 (m.w. N.). 81 B. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 VI. Rn. 107.

II. Finanzstabilitätsverfassung mit Endlager

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somit sowohl auf die privaten Wirtschaftsakteure als auch auf die Fiskalpolitik. Im Sinne der Wesentlichkeitslehre müssten nicht nur die Endlagerinstrumente, sondern auch die gesamte Finanzstabilitätspolitik wegen der großen Auswirkungen auf weite Lebensbereiche wie die gesamtwirtschaftliche Ressourcenverteilung zahlreichere und ausdrücklichere Regelungen erfahren82. Die Finanzstabilitätspolitik hat bereits aufgrund ihrer zahlreichen Interdependenzen mit der Fiskalpolitik grundsätzliche Bedeutung für alle wichtigen Lebensbereiche, weil die Wahrnehmung ihrer finanzstabilitätspolitischen Schutzpflichten große fiskalische Risiken aufbürdet, die die fiskalischen Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers auch in zukünftigen Legislaturperioden stark einschränken könnten, was wiederum auf alle anderen Politikbereiche fortwirken würde83. Realiter verlässt sich die Legislative in solch schwierigen Fragen mit weitreichenden Konsequenzen auf die Exekutive, was faktisch eine Verschiebung des Staatsgefüges zur Folge hat. Innerhalb der Exekutive genießt dabei die Zentralbank eine Sonderstellung, weil sie in eigener Verantwortung über finanzielle Mittel verfügt und wegen ihrer Unabhängigkeit von unmittelbarer politischer Verantwortung hinreichend entkoppelt ist, um die schwerwiegenden finanzstabilitätspolitischen Entscheidungen durchsetzen zu können. c) Parlamentarische Kontrolle des finanzstabilitätspolitischen Mandats der Zentralbank Entscheidungen der Zentralbank über Endlagermaßnahmen müssen der parlamentarischen Kontrolle unterworfen werden, weil der Zentralbank einerseits mangels demokratischer Legitimationsfähigkeit kein umfassendes finanzstabilitätspolitisches Mandat übertragen werden kann, sie jedoch andererseits auch nicht vollkommen von der Entscheidung über ihre Bilanz ausgeschlossen werden sollte, wenn ihre organisatorische Selbständigkeit und geldpolitische Unabhängigkeit gewahrt werden soll. aa) Verschiebung des Kompetenzgefüges zur Exekutive durch Endlagerung Durch die faktische Macht der Zentralbank über die Endlagerinstrumente infolge ihrer Verfügungsgewalt über die Geldschöpfung und ihre eigene Bilanz hat sich das innerstaatliche Kompetenzgefüge weg von der Legislative hin zur Exekutive, genauer zur Zentralbank als Monetative, verschoben. Ohne gesetzliche Regelung der Endlagerinstrumente bleiben die Gewährung der finanzstabilitätspolitischen Hilfe und deren Ausformung faktisch vollkommen der Zentralbank 82 Vgl. S. Oosterloo/J. de Haan, Central banks and financial stability: a survey, S. 257 (260 f.). 83 Vgl. BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 18.03.2014, Absatz-Nr. 161.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

überlassen84. Die Zentralbank entscheidet ohne hinreichende demokratische Legitimation über verteilungsrelevante Fragen, mithin über Grundzüge der (Finanz-) Wirtschaftsordnung, ohne dass der Gesetzgeber Vorgaben gemacht hat und das Instrument von ihrem geldpolitischen Mandat erfasst wird. bb) Unabhängigkeit der Zentralbank Die Macht der Zentralbank über die Endlagerinstrumente kann durch die Berufung der Zentralbank auf ihre (geldpolitische) Unabhängigkeit faktisch von der Kontrolle anderer staatlicher Stellen abgeschottet werden. Ihre Unabhängigkeit schützt die Zentralbank vor der Einflussnahme anderer staatlicher Stellen, damit die Geldpolitik unabhängig von den politischen Interessen anderer staatlicher Stellen am Ziel der Preisstabilität ausgerichtet werden kann85. Die verfassungsgesetzlich abgesicherte Unabhängigkeit schützt die Zentralbank auch vor der Kontrolle der Geldpolitik durch den einfachen Gesetzgeber. Sofern die Legislative die Geldpolitik der Zentralbank kontrollieren will, müsste sie dafür zunächst die Verfassung entsprechend anpassen. Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist eine Beschränkung des Demokratieprinzips und kann allenfalls gerechtfertigt werden, solange sich ihre Reichweite auf das Geldpolitische beschränkt86. Einigen Zentralbanken ist die Unabhängigkeit im Bereich des Geldpolitischen nur eingeschränkt verliehen worden, nämlich nur zur Verfolgung des Preisstabilitätsziels87. Das Finanzstabilitätspolitische hingegen ist der Zentralbankunabhängigkeit nie überantwortet worden und kann ihr wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung für die Verteilung der wirtschaftlichen Ressourcen und der Wirtschaftsleistung unter Demokratiegesichtspunkten auch nicht überantwortet werden88. Reklamiert die Zentralbank ihre Unabhängigkeit auch für Fragen der Endlagerung finanziell destabilisierender Vermögenswerte, überschreitet sie dadurch nicht nur ihr Mandat, sondern spricht dem Parlament gleichzeitig seine Kompetenzen zur Regelung dieser Fragen ab. In diesem Falle würden die wirksamsten Instrumente und damit ein wesentlicher Teil der Finanzstabilitätspolitik entgegen dem Demokratieprinzip in die Unabhängigkeit der Zentralbank einbezogen. Ihre Unabhängigkeit schützt die Zentralbank nicht vor einer gerichtlichen Kontrolle der Grenzen ihres Mandats und eben dieser Unabhängigkeit89. Der 84 Vgl. S. Oosterloo/J. de Haan, Central banks and financial stability: a survey, S. 257 (260 f.). 85 Vgl. Kapitel C.I.4.a); D.I.3.c)aa). 86 Vgl. BVerfGE 89, 155 (208 f.); 97, 350 (368). 87 Vgl. U. Di Fabio, Die Zukunft einer stabilen Wirtschafts- und Währungsunion, S. 43. 88 Vgl. C. A. E. Goodhart, The changing role of central banks, S. 135 (151). 89 Vgl. EuGH v. 10.07.2003 – Rs. C-11/00 (Kommission/EZB), Slg. 2003, S. I-7215 (I-7265 Rn. 135); BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 60.

II. Finanzstabilitätsverfassung mit Endlager

289

gerichtliche Rechtsschutz weist aber mit dem Erfordernis eines subjektiven Rechts90 im Rahmen der Klagebefugnis eine hohe Hürde auf für die Durchsetzung des rechtlichen Kompetenzgefüges gegenüber der faktischen Mandatsausübung, wenn der eigentlich berechtigte und nach der Wesentlichkeitslehre auch verpflichtete finanzstabilitätspolitische Akteur – das Parlament – sich der Ausübung seines Mandats und seiner Verantwortung aus politischen Gründen entziehen sollte. cc) Parlamentsbeteiligung an finanzstabilitätspolitischen Entscheidungen Die Wesentlichkeit der Entscheidungen im Zusammenhang mit der Endlagerung könnte nicht nur eine gesetzliche Ausformung des Endlagerungsverfahrens im Allgemeinen erforderlich machen, sondern auch eine Beteiligung des Parlaments an einzelnen konkreten Entscheidungen nahelegen. Im gesetzlichen Endlagerungsverfahren könnte ein parlamentarischer Zustimmungsvorbehalt vorgesehen werden, beispielsweise wenn der Umfang der endzulagernden Vermögenswerte einen bestimmten Grenzwert überschreitet. Für den Fall der Gefahr im Verzug könnten parlamentarische Ausschüsse mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet werden. Die parlamentarischen Gremien könnten vertraulich beraten und entscheiden91, damit eine Beunruhigung der Finanzwirtschaftsakteure und Spekulationen auf dem Finanzmarkt, jedenfalls bis zur Entscheidung, vermieden wird. Ein Zustimmungserfordernis würde die Zentralbank zu einem transparenteren Umgang mit ihren Erkenntnissen und Einschätzungen über finanzstabilitätspolitische Vorgänge zwingen, weil sie zur Durchführung ihrer Pläne der Zustimmung des Parlaments bedürfte, dessen finanzstabilitätspolitische Expertise indes nicht an diejenige der Zentralbank heranreichen dürfte. Auf diese Weise würde die Zentralbanktätigkeit im finanzstabilitätspolitischen Bereich an die demokratische Legitimationskraft des Parlaments rückgebunden und gleichzeitig der parlamentarische Diskurs gestärkt. 4. Gesetzgeberische Regelungsmöglichkeiten im Rahmen der Endlagerung Im Zuge der gesetzlichen Formalisierung des Verfahrens könnten die Voraussetzungen einer Berechtigung zur Endlagerung und die Beteiligung an den Kosten mitgeregelt werden. 90

Vgl. insofern Art. 38 Abs. 1 GG. Vergleichbar mit Untersuchungsausschüssen oder dem Parlamentarischen Kontrollgremien zur Kontrolle der Geheimdienste, vgl. §§ 14 ff. PUAG, § 3 Abs. 3 StabMechG und § 6 ESMFinG. Zu Anforderungen des Demokratieprinzips insoweit s. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Absatz-Nr. 132 ff.; BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 18.03.2014, Absatz-Nr. 152 ff. 91

290

E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

a) Formalisierung des Endlagerverfahrens Bei der gesetzlichen Formalisierung des Endlagerverfahrens besitzt der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Grenzen werden ihm jedoch durch verfassungsrechtliche Vorgaben – insbesondere Grundrechtsbindungen und die Strukturprinzipien der Verfassung92 – gesetzt. Die Tätigkeit der Exekutive und damit der Zentralbank darf aber nicht unter einen umfassenden Parlamentsvorbehalt gestellt werden, weil nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz die staatliche Entscheidungen von demjenigen staatlichen Akteur getroffen werden sollten, der seiner Expertise nach über die besten Voraussetzungen und die größte Sachnähe verfügt93. Wird eine Behördenentscheidungskompetenz ständig unter den Vorbehalt der Entscheidung des Parlaments gestellt, verbleibt ihr kein eigener Verantwortungsbereich mehr. Der Gesetzgeber könnte der Zentralbank zwar detaillierte Vorgaben über die Anwendung der Endlagerinstrumente machen, aber nur durch die Einräumung von Einschätzungs- und Ermessensspielräumen erhielte die Zentralbank einen eigenen Verantwortungsbereich, in dessen Rahmen sie ihre Expertise einbringen und anwenden könnte. Der Gesetzgeber könnte die Zentralbank mit einer Eingriffsgrundlage ausstatten, die es ihr ermöglicht, vom Inhaber des finanziell destabilisierenden Vermögenswerts Auskunft über betreffende Vermögenswerte einzufordern, um deren Bewertung und die von ihnen ausgehenden Finanzstabilitätsgefahren beurteilen zu können. Darüber hinaus könnte der Gesetzgeber Kriterien zur Feststellung der Erforderlichkeit einer Endlagerung durch die Zentralbank festlegen, wodurch die finanzstabilitätspolitische Hilfe durch das Endlagerungsverfahren für die Inhaber der finanziell destabilisierenden Vermögenswerte vorhersehbarer würde und eine hinreichende Gleichbehandlung der Inhaber stärker gewährleistet wäre. b) Anspruch der privaten Finanzwirtschaftsakteure auf Endlagerung Zudem könnten Voraussetzungen festgelegt werden, unter denen Inhabern finanziell destabilisierender Vermögenswerte ein Anspruch gegen die Zentralbank auf die Endlagerung der sich aus diesen ergebenden Verlusten eingeräumt wird. Ein Anspruch nach formalisierten Kriterien würde vor allem Gleichbehandlungsgesichtspunkten94 Rechnung tragen. Zwar bedeutet jede singuläre finanzstabilitätspolitische Hilfe einen Eingriff in den Wettbewerb95, jedoch würde durch

92 Der deutsche Gesetzgeber hat insbesondere die Grundrechte (Art. 1 bis 19 GG) und die Strukturprinzipien des Art. 20 GG wie die Demokratie-, Rechtsstaats-, Gewaltenteilungs- und Sozialstaatsprinzipien zu beachten. 93 Vgl. BVerfGE 68, 1 (86 f.); K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtstaates, S. 117. 94 Vgl. Art. 3 Abs. 1 GG. 95 Vgl. Art. 12 Abs. 1 GG.

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

291

einen formalisierten Anspruch der Wettbewerb zwischen Banken generell neu konstituiert, worauf sich alle Marktteilnehmer entsprechend einstellen könnten96. Ein Anspruch hätte den Vorteil für seine Inhaber, dass sie sich der finanzstabilitätspolitischen Hilfe durch die Zentralbank bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen sicher sein könnten, aber den Nachteil, dass eine solche Versicherung gegen große Verluste ihre eigenen Schutzmaßnahmenanreize untergraben würde (moral hazard). Die Risikoaversion der Finanzwirtschaftsakteure dürfte stärker ausgeprägt sein, wenn sie sich der finanzstabilitätspolitischen Dezision der Zentralbank nicht sicher sein können. c) Beteiligung der privaten Finanzwirtschaftsakteure an den Kosten Außerdem könnten die Rechtsfolgen für die Finanzunternehmen im Falle der Inanspruchnahme einer Endlagerung von finanziellen Instabilitäten in der Zentralbankbilanz bestimmt werden. Beispielsweise könnten zukünftige Gewinne der begünstigten Finanzunternehmen über einen bestimmten Zeitraum als Gebühr für die Endlagerung von der Zentralbank abgeschöpft werden, um die Fehlanreize durch die Endlagerung zu verringern97. Sollten indes infolge einer Haftungsbeteiligung bei einem hohen Endlagerungsumfang bei den finanziell stabilisierten Finanzunternehmen über Jahre hinweg keine Gewinne mehr zu erwarten sein, könnten mangels Gewinnaussichten deren Anreize zur wirtschaftlichen Durchführung ihrer Geschäfte schwinden.

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion Im Rahmen der Europäischen Währungsunion ergibt sich durch die Endlagerinstrumente eine besondere Problemkonstellation. Zwar bedarf gerade die finanziell instabil verfasste Europäische Währungsunion wirksamer Endlagerinstrumente, aber es ergeben sich infolge der Anwendung der Endlagerinstrumente in einer Währungsunion Fehlanreize und Umverteilungswirkungen zwischen den Volkswirtschaften, die ökonomischen Grundsätzen und europarechtlichen Vorschriften zuwiderlaufen. Dies soll am Beispiel der Eurorettungspolitik exemplifiziert werden. 1. Währungsunion heterogener Staaten als finanzielle Instabilität Die Europäische Währungsunion als Währungsverbund souveräner Staaten ist wegen der Heterogenität der teilnehmenden Volkswirtschaften und mangels Befugnis des Eurosystems zur Endlagerung finanziell instabil verfasst. 96

Vgl. S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 233. Vgl. zur Verlustbeteiligung bei deutschen Bad Banks: H.-W. Sinn, Kasino-Kapitalismus, S. 293. 97

292

E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

a) Heterogenität der europäischen Volkswirtschaften Die empirische Wirtschaftsforschung hat verdeutlicht, dass eine realwirtschaftliche Konvergenz des Währungsgebiets – ein optimaler Währungsraum98 – Voraussetzung für eine finanziell stabile einheitliche Währung ist99. Die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion jedoch unterscheiden sich nicht nur in ihrer Größe, sondern auch in ihrer Grundstruktur. Ihre unterschiedliche Struktur führt zu unterschiedlichen Bedürfnissen der Volkswirtschaften, denen die einheitliche Geldpolitik der Europäischen Zentralbank mit ihren Instrumenten nicht differenziert begegnen kann. Aufgrund der großen Bedeutung der Geldpolitik bedarf jede Volkswirtschaft einer individuell auf sie abgestimmten Geldpolitik100. Auf „nicht synchronisierte Konjunkturen“ und „asymmetrische Schocks“ kann die Europäische Zentralbank nicht angemessen reagieren101. Die Europäische Zentralbank darf die sich aus den unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen ergebenden sozialpolitischen Divergenzen wegen ihres auf das Preisstabilitätsziel beschränkten geldpolitischen Mandats nicht adressieren, um mit geldpolitischen Instrumenten gegen die übrigen gesamtwirtschaftlichen Instabilitäten wie hohe Arbeitslosigkeit oder außenwirtschaftliches Ungleichgewicht vorgehen zu können102. Ihre Leitzinspolitik ist an den Durchschnittswerten des gesamten Währungsgebiets ausgerichtet, so dass keine Volkswirtschaft die für ihre wirtschaftliche Entwicklung optimalen Leitzinsen erhält103. Seit Einführung der gemeinsamen Währung haben sich die volkswirtschaftlichen Fundamentalwerte auch nicht etwa angenähert und damit die ökonomische Heterogenität nicht verringert, sondern haben sich noch weiter voneinander entfernt und die Heterogenität verschärft104. Innerhalb des Währungsgebiets hat es seit der Einführung des Euro erhebliche Inflationsunterschiede gegeben; so hat zum Beispiel Griechenland im Vergleich zu Deutschland im vergangenen Jahrzehnt doppelte Inflationsraten aufgewiesen105. In ähnlicher Weise haben die Lohnstückkosten im Währungsgebiet divergiert, weil Produktivitätssteigerungen 98

Vgl. R. A. Mundell, A Theory of Optimum Currency Areas, S. 657 ff. Vgl. K. Ullrich, Unterschiede zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die Konsequenzen für eine Delegation, S. 12; K. A. Schachtschneider, Schriftsatz gegen die Staatsfinanzierung des ESZB und der EZB vom 13.11.2012, S. 21. 100 Vgl. W. Nölling, Die Europäische Zentralbank – Machtzentrum oder Spielball der Politik, S. 273 (286). 101 W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (205). 102 Vgl. K. A. Schachtschneider, Grundgesetzliche Rechtsprobleme der Europäischen Währungsunion, S. 451 (461). 103 Vgl. J. Starbatty, Euro – Der Stabilitätsbruch, S. 53 (82). 104 Vgl. W. Hankel/A. Hauskrecht/B. Stuart, The Euro-project at risk, S. 5; K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 251. 105 Vgl. W. Hankel/A. Hauskrecht/B. Stuart, The Euro-project at risk, S. 5. 99

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

293

und Lohnentwicklungen unterschiedlich ausgefallen sind; während beispielsweise Finnland und Deutschland ihre Lohnstückkosten senken konnten, sind diese in Italien um vierzig Prozent gestiegen106. Infolgedessen haben sich sowohl die Leistungsbilanzsalden und mittlerweile auch die Refinanzierungskosten von Wirtschaftsakteuren aus den einzelnen Volkswirtschaften unterschiedlich entwickelt107. Die Unterschiede in der Wirtschaftsleistung können in der Europäischen Währungsunion nicht durch Auf- und Abwertungen faktischer oder administrativer Art ausgeglichen werden108. Das Ventil für ungleiche Strukturen und Finanzpolitiken sind üblicherweise flexible Wechselkurse, denn Schwankungen von Kapitalströmen verursachen grundsätzlich Angebots- und Nachfrageänderungen von Währungen109. Ein Kapitalzufluss bewirkt eine Währungsnachfrage und erhöht deren Wechselkurs als deren Preis, dagegen ruft ein Kapitalabfluss eine Erhöhung des Währungsangebots und verringert deren Wechselkurs110. Können die Wirtschaftsakteure einer Volkswirtschaft nicht mehr preislich im internationalen Wettbewerb mithalten, sorgt eine Abwertung dafür, dass deren Angebot relativ günstiger wird und auch der relative Preis inländischer Vermögenswerte sinkt, was Anreize für Auslandsinvestitionen verstärkt111. Die Währungsunion erschwert den Inflationsländern mit überbewerteter Währung den Wettbewerb in der Europäischen Union und auf dem Weltmarkt übermäßig112. Darüber hinaus haben Abwertungen den Vorteil, dass die inländischen Wirtschaftsakteure wegen der Importverteuerung vornehmlich auf eigene Waren umsteigen und die Schuldverhältnisse und Eigentumsbeziehungen innerhalb einer Volkswirtschaft unberührt lassen113. Zwar steigt die Auslandsverschuldung durch die Abwertung im Verhältnis zu den inländischen Vermögenswerten an, insoweit besteht aber „kein Unterschied zwischen einer inneren, realen Abwertung und einer offenen Abwertung durch Wechsel der Währung“ 114. Wird der durch die offenen Abwertungen ausgelöste Anpassungsmechanismus für die Kapitalströme zwischen manchen Staaten durch eine Festsetzung von gleichbleibenden Wechselkursen oder gar durch eine Vergemeinschaftung der Währung (wie in der Europäischen Währungsunion) insgesamt aufgehoben, 106 107 108 109

Vgl. ebd. Vgl. W. Hankel/A. Hauskrecht/B. Stuart, The Euro-project at risk, S. 7. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 253. Vgl. W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage,

S. 43. 110

Vgl. ebd. Vgl. P. Spahn, Geldpolitik, S. 289. 112 K. A. Schachtschneider, Stellungnahme zum Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2014, S. 5. 113 H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 123. 114 Ebd. 111

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

muss gleichzeitig dafür gesorgt werden, dass sich die Kapitalströme gegenseitig ausgleichen115. In der Währungsunion wurden die Kapitalströme zur Zahlung von Importen zunächst vornehmlich durch kreditäre Kapitalströme in umgekehrter Richtung finanziert116. Für die leistungsschwächeren Volkswirtschaften waren vor allem die niedrigen Zinssätze auf den Finanzmärkten ein Anreiz zur übermäßigen Verschuldung, obwohl sie gerade aufgrund der einheitlichen Geldpolitik ihre Wirtschaft nicht in eine gute Wettbewerbsposition auf dem Weltmarkt zu bringen vermochten117. Nachdem die Verschuldung einiger Volkswirtschaften übermäßig geworden ist und den gesamten Währungsraum finanziell destabilisiert hat, wurde zum einen der weitere Kapitalabfluss der verschuldeten Volkswirtschaften hauptsächlich durch Überziehungsfazilitäten im Rahmen des TARGET2 finanziert und zum anderen wurde der Kapitalabfluss durch eine Rückentwicklung der Importe insgesamt verringert118. In einem gemeinsamen Währungsraum passen sich die Zinsen regelmäßig – unter (allenfalls geringfügiger) Berücksichtigung der jeweiligen Schuldnerbonität – einander an, weil sich bei Zinsunterschieden Geldströme von Niedrigzinsin Hochzinsregionen verlagern (Zinsarbitrage)119, obwohl die Heterogenität der gesamtwirtschaftlichen Fundamentaldaten der Mitgliedstaaten sich in unterschiedlichen Schuldnerbonitäten und Marktzinssatzniveaus widerspiegeln sollte, weil Zinsunterschiede als marktlicher Automatismus eine finanziell stabilere Kapitalallokation befördern120. Die gemeinsame Geldpolitik versprach jedoch vielen Anlegern auch für Investitionen in ehemaligen Hochinflationsländern finanzielle Stabilität und verschaffte diesen Volkswirtschaften und Staaten Kreditwürdigkeit121. Die Zinsen sind aufgrund des Wegfalls des Risikos der Abwertung der vormaligen Hochinflationsländer gegenüber den anderen Währungsunionsteilnehmern und der Erwartung von Stützungsmaßnahmen im Falle finanzieller Instabilitäten vorübergehend konvergiert122. Die (antezipierte) Refinanzierungsgarantie der Europäischen Zentralbank zugunsten dieser Mitgliedstaaten hat für eine Angleichung ihrer Bonitätsbeurteilung an diejenigen von Niedriginflationsländern gesorgt123, was den

115

Vgl. W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage,

S. 43. 116

Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 251. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 253. 118 Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 252 f. 119 J. Starbatty, Euro – Der Stabilitätsbruch, S. 53 (82). 120 Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 7. 121 Vgl. W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (218). 122 Vgl. W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 102. 123 W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (218). 117

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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Hochinflationsländern einen volkswirtschaftlich ungerechtfertigten Zinsvorteil verschafft hat124. Zwar konvergierten die Nominalzinsen, aber die Realzinsen entwickelten sich auseinander, da die Inflationsunterschiede im Währungsgebiet zwar geringer wurden, aber trotzdem deutlich ausgeprägt blieben125. Der Rückgang der Realzinsraten beschränkte sich vornehmlich auf die vormaligen Hochinflationsländer, was den Wirtschaftsakteuren dieser Volkswirtschaften Anreize geboten hat, die Sparanstrengungen zu verringern und stattdessen die Verschuldung auszuweiten126. Auf Grundlage der Verschuldung haben diese Volkswirtschaften eine Aufschwungphase erlebt, die vornehmlich im Bausektor stattgefunden hat, was zu finanziell destabilisierenden Vermögenspreisentwicklungen geführt hat, deren Verlauf schließlich nicht mehr durch gesamtwirtschaftliche Fundamentaldaten begründbar war127. Die Verwendung der Kredite aus dem Ausland für den Kauf von Immobilien kann zu Rückkopplungseffekten führen, weil die Nachfrage nach diesen Gütern nicht durch Importe aus den Niedriginflationsländern gedeckt werden können, sondern die Überschussnachfrage nach Inlandsgütern zu weiteren Preissteigerungen führt, die wiederum die Realzinsen und die Kaufkraft sinken lassen128. Umgekehrt führen die Kredite nicht zu einer Nachfrage aus den Hochinflationsländern in den Niedriginflationsländern, was in diesen zu einem Überschussangebot und dadurch zu einem sinkenden Preisniveau führen kann129, wodurch die Realzinsen in diesen Volkswirtschaften noch weiter steigen130. Zur Fehlsteuerung des Zinsmechanismus in der Währungsunion kommt hinzu, dass die Trennung von Geldpolitik und den übrigen Finanzpolitiken eine „Ungleichmäßigkeit der Entwicklung in der Europäischen Union“ zur Folge hat131. Die Währungsunion hätte erst am Ende einer umfassenden politischen Integration der Mitgliedstaaten durchgeführt werden sollen, weil die Geldpolitik mit anderen Politiken wie der Fiskalpolitik, der Finanzstabilitätspolitik und der So-

124 Vgl. K. Bernoth, Zinsspreads auf europäische Staatsanleihen, S. 103 (103 u. 111 f.). 125 R. Maurer, Die Verschuldungskrise der Europäischen Währungsunion – Fiskalische Disziplinlosigkeit oder Konstruktionsfehler?, S. 85 (89). 126 Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 83; R. Maurer, Die Verschuldungskrise der Europäischen Währungsunion – Fiskalische Disziplinlosigkeit oder Konstruktionsfehler?, S. 85 (89). 127 Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 99. 128 R. Maurer, Die Verschuldungskrise der Europäischen Währungsunion – Fiskalische Disziplinlosigkeit oder Konstruktionsfehler?, S. 85 (89 f.). 129 Ebd. 130 H. Enderlein, One size fits one, S. 24 (26 f.). 131 K. Biedenkopf, Das Euro-Experiment – Vollendung der Integration oder Überforderung der Union?, S. 33 (53).

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

zialpolitik koordiniert werden müsste, um den Wechselwirkungen dieser Politikbereiche gerecht werden zu können (Krönungstheorie)132. Es wurde daher versucht, die schon vor der Einführung der Europäischen Währungsunion bestehende Heterogenität der Volkswirtschaften durch die Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages – fiskalische Verschuldungsgrenzen und bis zur Aufnahme in den Währungsverbund Preisstabilitätsziele, Zinskonvergenzziele und Wechselkursziele – zu verringern133. Die Kriterien konnten aber nicht in ausreichender Weise verbindlich und durchsetzbar gemacht werden, da die Adressaten vor allem fiskalpolitisch und sozialpolitisch souverän blieben134. In vielen Staaten war eine restriktive Fiskalpolitik zur Unterstützung des geldpolitischen Primärziels der Preisstabilität demokratisch nicht durchsetzbar und entsprach zudem nicht den finanziellen Anreizen, denen Erwartungen von Zinskonvergenz zugrundelagen. Außerdem ist es nicht unumstritten, ob die Geldpolitik andere Finanzpolitikbereiche, vor allem die Fiskalpolitik, dominieren sollte, wie es die Verfassung der Europäischen Währungsunion voraussetzt. Der Vorteil des Primats der Preisstabilität bringt freilich den Nachteil mit sich, kaum stabilitätspolitisch über eine antizyklische Fiskalpolitik eingreifen zu können135. „Finanzielle Hilfestellung für ihre zumeist „nur“ volkswirtschaftlich rentablen Strukturinvestitionen“ können die Mitgliedstaaten von den rein renditeorientierten Finanzmärkten nicht erwarten136. Vielmehr finden durch die Integration der Finanzmärkte infolge der Währungsvereinheitlichung diejenigen Investitionsobjekte, die die höchsten Renditen versprechen, noch mehr Nachfrage, so dass übermäßige, finanziell destabilisierende Preisentwicklungen noch stärker ausfallen, weil Finanzkapital aus dem gesamten Währungsgebiet nachfragewirksam werden kann137. Zudem haben die Mitgliedstaaten ihre Staatsschulden in eigener Währung durch Fremdwährungsschulden ersetzt und sich damit externen Zinsvorgaben unterworfen138. Die Einführung der Währungsunion war wegen der gesamtwirtschaftlichen und sozialen Divergenzen zwischen den beteiligten Volkswirtschaften verfrüht139. Die Wahrungsunion hat die Arbeitslosigkeit in den Ländern, die dem aufgrund der Grundfreiheiten des Binnenmarkts „schutzlosen Wettbewerb nicht 132

Vgl. W. Hankel/J. Starbatty, Nizza: Es wird keine politische Union geben, S. 241

(247). 133 Vgl. W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 63 ff. 134 Vgl. W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage, S. 88 ff. 135 W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (204). 136 W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (205). 137 Vgl. W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (202). 138 W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (204). 139 K. A. Schachtschneider, Die Euro-Klage, S. 464.

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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gewachsen“ sind und die „die Kosten für ihre Produkte nicht durch Abwertungen . . . senken können“, nicht wie versprochen gesenkt, sondern erhöht140. „Aus gutem Grund, nämlich wegen des Prinzips der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in einem gemeinsamen (existentiellen) Staat, welcher mit der Währungsunion der Sache nach entstehen wird, werden die wirtschaftlich schwächeren Mitgliedstaaten Transferleistungen einfordern“ 141; zumal in optimalen Währungsräumen der regionale Fiskalausgleich für den erforderlichen Freiraum der zentralen Geldpolitik sorgt142. Mittlerweile sind Fiskaltransfers geleistet worden, wenn auch noch in Form von Krediten, die aber spätestens bei der (Teil-)Abschreibung von Forderungen zu endgültigen Leistungen werden. Ökonomische Integration bedeutet eigentlich, „dass unterschiedliche Preise, Zinsen, Löhne so lange Arbitragebewegungen auslösen, bis die Nutzendifferentiale eingeebnet sind“ 143. Aber gerade der Wirtschaftsfaktor Arbeit ist in der Europäischen Währungsunion nicht in einem Maße flexibel, dass er die Unterschiede in der Wirtschaftsleistung ausgleichen könnte, wie es etwas in den Vereinigten Staaten von Amerika der Fall ist144. Ohne geldpolitische Instrumente und Wechselkursanpassungen, die sonst die divergierenden Produktivitätsentwicklungen und interne oder externe Schocks ausgeglichen haben, müssten stattdessen flexible Arbeitsmärkte und Sozialleistungssysteme für den notwendigen Ausgleich sorgen145. Das Menschenrecht der Freizügigkeit wird mittlerweile gemäß einem verbreiteten ökonomischen Postulat zur „existenzsichernden Pflicht“ umfunktioniert, obwohl jedem Mensch das Recht zukommt, „in seinem Land zu leben, dessen Sprache er spricht, in dem seine Familie und seine Freunde leben und dessen Lebensverhältnisse er gewohnt ist, in seiner Heimat also“ 146. Wegen des Sozialprinzips darf niemand „aus seinem Gemeinwesen herausgedrängt werden, auch nicht ökonomisch“ 147. b) Kein finanzstabilitätspolitisches Mandat für Endlagerung Als weitere Ursache der finanziell instabilen Verfassung der Europäischen Währungsunion ist anzuführen, dass das Eurosystem nicht über seine Bilanzen 140

So schon 1998: K. A. Schachtschneider, Die Euro-Klage, S. 464. So schon 1998: K. A. Schachtschneider, Die Euro-Klage, S. 464; vgl. W. Nölling, Euro – der Sozialstaatsbruch, S. 107 (108). 142 W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (208). 143 J. Starbatty, Euro – Der Stabilitätsbruch, S. 53 (98). 144 K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 253; B. Diekmann/ C. Menzel/T. Thomae, Konvergenzen und Divergenzen im Währungsraum USA im Vergleich zur Eurozone, S. 27 (32). 145 J. Starbatty, Euro – Der Stabilitätsbruch, S. 53 (98). 146 K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 253. 147 Ebd. 141

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

als Endlager für finanziell destabilisierende Verluste verfügen darf 148, obwohl die Endlagerung das wirksamste finanzstabilitätspolitische Instrument darstellt und gerade die finanziell instabile Verfassung der Europäischen Währungsunion infolge der Heterogenität der teilnehmenden Volkswirtschaften ein solch wirksames Instrument erforderlich machen würde. Das Eurosystem darf über die Endlagerinstrumente nicht verfügen, weil die Endlagerinstrumente der Finanzstabilitätspolitik zuzuordnen sind und ihm von den Mitgliedstaaten kein eigenständiges finanzstabilitätspolitisches Mandat übertragen wurde, so dass die Mitgliedstaaten nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung weiterhin die Kompetenz für die wesentlichen Teile der Finanzstabilitätspolitik innehaben149. Dem Europäischen System der Zentralbanken wird durch Art. 127 Abs. 5 AEUV kein eigenständiges finanzstabilitätspolitisches Mandat vermittelt, da ihr demnach lediglich die Aufgabe zukommt, die (anderen) „zuständigen Behörden“ bei den von diesen „auf dem Gebiet . . . der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen“ durch einen Beitrag zu unterstützen150. Mit einem solchen Beitrag kann keinesfalls die Überantwortung der Endlagerung finanziell destabilisierender Vermögenswerte als das wesentliche und wirksamste Instrument der Finanzstabilitätspolitik gemeint sein, da dadurch eine umfassende Kompetenz begründet würde und nicht nur eine Mitwirkung an einer mitgliedstaatlichen Finanzstabilisierung151. Hinzu kommt, dass im Eurosystem die Anwendung der Endlagerinstrumente zur Fiskalstabilisierung wegen des Verbots monetärer Staatsfinanzierung gemäß Art. 123 Abs. 1 AEUV ausgeschlossen ist, obwohl sich die Fisken der Mitgliedstaaten durch Übertragung der Geldhoheit auf das Eurosystem in Fremdwährung verschulden müssen. Die monetäre Staatsfinanzierung über die Endlagerinstrumente könnte gerade in Anbetracht der Verschuldungsanreize, welche die Währungsunion für Volkswirtschaften mit schwacher Wettbewerbsposition und verhältnismäßig überbewerteter Währung mit sich gebracht hat, unausweichlich werden, wenn die Zusammensetzung des Währungsgebiets garantiert werden soll; zumal die Mitgliedstaaten wegen des Beistandsverbots des Art. 125 Abs. 1 AEUV de lege lata nicht zu Fiskaltransfers zur Fiskalstabilisierung in Anspruch genommen werden dürfen. Auch volkswirtschaftlich vermag die Europäische Zentralbank ihre Bereitschaft zu unkonventionellen Maßnahmen wie der Endlagerung von Verlusten weder mit der Förderung der Kreditvergabe zur Anregung der gesamtwirtschaftlichen Investitionen noch mit Deflationsgefahren in den finanziell instabilen 148

Vgl. Kapitel E.III.6. Vgl. zur nicht bestehenden „Finanzstabilitätsaufgabe“ des Eurosystems: C. Steven, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 14 ESZB-Satzung Rn. 50. 150 Vgl. S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 87. 151 Vgl. ebd. 149

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

299

Volkswirtschaften zu begründen. Es ist nicht davon auszugehen, dass Banken ihre Kreditvergabe nur aufgrund des großen Geldangebots der Europäischen Zentralbank ausweiten, solange ihre (schwerwiegenden) bilanziellen Risiken in Form notleidender Kredite nicht bereinigt werden können. Zwar könnte eine entsprechende Anwendung der Endlagerinstrumente für eine Übernahme der Bilanzrisiken der Banken durch die Europäische Zentralbank sorgen, jedoch sind Investitionen in der Regel (mit Ausnahme von Bauinvestitionen) zinsunelastisch, weshalb trotz breiteren Kreditangebots momentan nicht mit höheren Investitionen zu rechnen ist. Außerdem ist die Deflation in den südeuropäischen Ländern keine Gefahr, sondern in einer Währungsunion ohne Abwertungsmöglichkeit zur Wiederherstellung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit dieser Volkswirtschaften notwendig. Ohne Endlagerinstrumente fällt die Kreditwirtschaft der Mitgliedstaaten – nicht zuletzt auch wegen des Banken-Staaten-Nexus – auf ein Niveau finanzieller Stabilität vor den Zeiten des Goldstandards, denn ohne die Endlagerinstrumente fehlt der Finanzwirtschaft die finanzstabilitätspolitische Hilfe des Eurosystems durch Finanzkapitalinjektionen im Falle finanzieller Instabilität, die seit der Aufhebung der materiellen Anbindung des Geldsystems häufiger auftreten152. Auch den übrigen Finanzwirtschaftsakteuren könnte früher oder später das Vertrauen in die Stabilität der Währungsunion abhandenkommen, weil das Eurosystem seine Bilanzen nicht zur Finanzstabilisierung verwenden darf 153. Die Bedeutung des Endlagers für die Stabilität des Währungsunion wird durch die Tatsache unterstrichen, dass sich das Eurosystem zur Herabsetzung der Anforderungen an die Besicherung der Refinanzierungskredite und zur Ankündigung, notfalls auch das Endlagerinstrument des Kaufs finanziell destabilisierender Vermögenswerte (insbesondere Staatsanleihen) einzusetzen, veranlasst gesehen hat154. Überdies wäre eine umfassende Übertragung des finanzstabilitätspolitischen Mandats zur Endlagerung auf die Europäische Zentralbank oder das Eurosystem ohnehin wegen des Wesentlichkeitsgrundsatzes nicht möglich, weil die Legislative die für die Grundzüge zentraler Lebensbereiche wichtigen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht vollständig an ein Exekutivorgan delegieren darf 155. Das demokratische Kompetenzgefüge lässt kein Zentralbankmandat zu, wonach die Zentralbank eigenmächtig „über die dauerhafte Verwendung öffentlicher Gelder“ entscheiden würde156. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, setzt 152 Vgl. Kapitel D.II.1.c) und W. Hankel, Die ökonomischen Konsequenzen des Euro, S. 385 (403). 153 Vgl. zur fehlenden Lender of Last Resort-Funktion der EZB: D. Spethmann/ O. Steiger, The four Achilles Heels of the Eurosystem, S. 46 (59 ff.). 154 Vgl. Kapitel E.III.2.a) u. b). 155 Siehe Kapitel E.II.3.b); E.II.4.a). 156 S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 230.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

die Endlagerung in einer Währungsunion zudem Fehlanreize, verstößt gegen das Verursacherprinzip und weist Züge eines in der Europäischen Währungsunion primärrechtlich ausgeschlossenen Fiskalausgleichs auf157. Außerdem kann die Finanzstabilitätshoheit als wesentlicher Bestandteil der mitgliedstaatlichen Souveränität auch nicht auf die Europäische Union übertragen werden, um von der Europäischen Zentralbank ausgeübt zu werden, ohne dass die Mitgliedstaaten ihre Souveränität verlieren, die Eurozone dadurch zum echten Bundesstaat würde und die Integrationsgrenze des Grundgesetzes158 überschritten würde159. 2. Endlagerungsinstrumente in der Europäischen Währungsunion Die Endlagerinstrumente können auch – werden die rechtlichen Vorgaben ausgeblendet – vom Eurosystem zur Finanzstabilisierung angewendet werden. a) Übernahme finanziell destabilisierender Verluste durch das Eurosystem Das Eurosystem kann faktisch verschiedenste Schuldverhältnisse und Eigentumsbeziehungen zur Endlagerung übernehmen. Sogar die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken ermöglicht Offenmarktkäufe auf den Finanzmärkten zur Übernahme der meisten Vermögenswerte mit Ausnahme von nicht börsengängigen Wertpapieren, wonach „auf Gemeinschafts- oder Drittwährungen lautende Forderungen und börsengängige Wertpapiere sowie Edelmetalle endgültig (per Kasse oder Termin) oder im Rahmen von Rückkaufsvereinbarungen“ gekauft und damit übernommen werden dürfen160. Im Eurosystem können Offenmarktgeschäfte grundsätzlich sowohl zentral von der Europäischen Zentralbank als auch dezentral von den nationalen Zentralbanken getätigt werden, um finanziell destabilisierende Vermögenswerte zur Endlagerung von Verlusten in ihren Bilanzen zu erwerben161. Der Rat der Europäischen Zentralbank entscheidet über den Einsatz, den Zeitpunkt und die Bedingungen von Offenmarktgeschäften162. Nach dem Dezentralitätsgrundsatz163 werden die Käufe von finanziell destabilisierenden Vermögenswerten grundsätzlich nicht zentral von der Europäischen Zentralbank, sondern dezentral von den 157

Vgl. Kapitel E.III.3. u. 4. Art. 79 Abs. 3 GG i.V. m. Art. 20 GG. 159 Vgl. Kapitel E.III.6.a); E.IV.2. 160 Nach Art. 18 Abs. 1 ESZB-Satzung. 161 Ausweislich des Wortlauts des Art. 18 Abs. 1 ESZB-Satzung. 162 Gem. Anhang I zu Leitlinie 2000/7 i. d. F. d. Leitlinie EZB/2011/14 vom 20.09. 2011, Kapitel 1.3.1 und 4.1, 4.2, vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 123. 163 Vgl. Art. 12 Abs. 1 UAbs. 3 ESZB-Satzung und Kapitel 1.3.1, 3.1.2, 3.1.3, 3.1.5 der o. g. Leitlinie EZB/2011/14, s. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Fn. 104. 158

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

301

nationalen Zentralbanken ausgeführt164. In Reaktion auf die Fiskalinstabilitäten der vergangenen Jahre hat das Eurosystem Wertpapierportfolios aufgebaut und der Rat der Europäischen Zentralbank den nationalen Zentralbanken dafür Ankaufskontingente entsprechend ihrem Kapitalanteil an der Europäischen Zentralbank zugewiesen, wobei die Europäische Zentralbank jeweils acht Prozent des Ankaufsvolumens selbst ausgeführt hat165. Die ausführende Zentralbank führt die technische Abwicklung der jeweiligen Operation durch und wird bei einem Offenmarktkauf sowohl Eigentümerin des erworbenen Vermögenswerts als auch Schuldnerin des Kaufpreises166. Dementsprechend hat die erwerbende Zentralbank den Vermögenswert in ihrer Bilanz auszuweisen, so dass die ausführende Zentralbank etwaige Verluste auch selbst zu tragen hat und damit insoweit als Endlager dient167. Dabei werden die erworbenen Vermögenswerte, wenn sie bis zur Fälligkeit gehalten werden, mit dem Anschaffungspreis und nicht mit dem Marktpreis bilanziert168; für drohende Verluste werden aber Rückstellungen gebildet169. Treten die Verluste unmittelbar bei der Europäischen Zentralbank auf, werden diese aus dem allgemeinen Reservefonds und ihren Rückstellungen ausgeglichen170. Falls diese Mittel nicht ausreichen, kann – eine Pflicht besteht insoweit nicht – der Rat der Europäischen Zentralbank beschließen, dass die monetären Einkünfte nicht an die nationalen Zentralbanken ausgeschüttet werden, sondern zur Verlustdeckung verwendet werden171. Auf diese Weise mindern sich zwar die Einkünfte der nationalen Zentralbanken, aber eine weitergehende Verlusttragungspflicht der nationalen Zentralbanken ist nicht vorgesehen172. Können die 164 Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 136; C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 123. 165 Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 137 u. Fn. 115; Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 26. 166 Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 126 u. 128. 167 Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 127. 168 Anhang IV, Bilanzposition Aktiva 7.1, der Leitlinie EZB/2010/20 vom 11.11. 2010 über die Rechnungslegungsgrundsätze und das Berichtswesen im ESZB (Neufassung der Leitlinie EZB/2006/16), S. 52; BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 91. 169 Vgl. J. Langner, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Vorb. zu Art. 28–33 ESZB-Satzung Rn. 15. 170 Gem. Art. 33 Abs. 2 ESZB-Satzung, s. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 27. 171 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 27; K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 305; J. Langner, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 33 ESZB-Satzung Rn. 8. 172 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 27; K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 305; J. Langner, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 33 ESZB-Satzung Rn. 9.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

Verluste trotzdem nicht vollständig gedeckt werden, muss die Europäische Zentralbank in ihrem Jahresabschluss einen Verlustvortrag ausweisen173. Die vorgetragenen Verluste werden in den Folgejahren nicht automatisch durch Gewinne ausgeglichen, weil neben einem allgemeinen Reservefonds nur die monetären Gewinne des betreffenden Geschäftsjahres zur Verlustdeckung verwendet werden dürfen174; für eine Verlustdeckung durch künftige Gewinne bedürfte es jedenfalls eines Beschlusses des Rates der Europäischen Zentralbank175. Eine weitere automatische Verlustbeteiligung über eine Nachschusspflicht der nationalen Zentralbanken folgt auch nicht aus Eigentum, denn die nationalen Zentralbanken sind nicht Eigentümer, sondern lediglich alleinige Zeichner und Inhaber des Kapitals der Europäischen Zentralbank176. Die Inhaberschaft wird nicht durch das allgemeine Eigentumsrecht, sondern durch die ESZB-Satzung geregelt177. Die nationalen Zentralbanken sind organschaftlicher Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken und „staatliche Organschaft ist kein Eigentum des Staates“ 178. Der Staat agiert über seine Zentralbank hoheitlich und nicht als privatheitliches Unternehmen, auch wenn er dafür bankmäßige Handlungsweisen adaptiert, damit er in den Geldmarkt nur möglichst schonend eingreift179. Sollten die nationalen Zentralbanken sich trotzdem entschließen, das Eigenkapital der Europäischen Zentralbank zu erhöhen, kann der zur Erhöhung des Kapitals geleistete Betrag nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über die Bildung zusätzlicher Rückstellungen zur Verlustdeckung verwendet werden180. Treten die Verluste hingegen bei einer nationalen Zentralbank auf, tragen die nationalen Zentralbanken diese infolge der Abschreibung von finanziell destabilisierenden Wertpapieren selbst, auch wenn sie auf Grundlage eines Beschlusses des Rates der Europäischen Zentralbank erworben werden mussten181. Der Rat der Europäischen Zentralbank kann aber beschließen, dass nationale Zentralbanken für ihre Geschäfte entschädigt werden182. Die übrigen Verluste müssten durch Einnahmen und Rückstellungen ausgeglichen und gegebenenfalls vorge173

Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 27. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 305 unter Verweis auf den Wortlaut des Art. 33 Abs. 2 ESZB-Satzung. 175 Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 27. 176 K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 306 unter Verweis auf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 ESZB-Satzung. 177 K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 306. 178 Ebd. 179 Ebd. 180 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 27. 181 Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 136. 182 Vgl. Art. 32 Abs. 4 Satz 2 ESZB-Satzung, der jedoch teleologisch reduziert werden müsste, insoweit dieser nur „währungspolitische“ Operationen in Bezug nimmt und keine finanzstabilitätspolitischen. 174

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

303

tragen werden183; eine Nachschusspflicht besteht jedenfalls – wie bereits dargestellt184 – nicht. b) Zulassung minderwertiger Sicherheiten zur geldpolitischen Refinanzierung Das Eurosystem hat jüngst umfangreichen Gebrauch vom Endlagerinstrument der Lockerung der Anforderung an beleihungsfähige Sicherheiten im Rahmen der geldpolitischen Refinanzierung gemacht185. Dieses Endlagerinstrument erfolgt im Eurosystem entweder zentral über die Festlegung der Anforderungen der Europäischen Zentralbank in der General Documentation186 oder durch Notfallliquiditätshilfen einer nationalen Zentralbank als Lender of Last Resort auf eigene Rechnung und Verantwortung (Emergency Liquidity Assistance)187. Das Eurosystem hat die Auswahlkriterien für zentralbankfähige Sicherheiten im Zuge der finanziellen Instabilitäten der vergangenen Jahre abgesenkt188. Als bedeutendste Maßnahme gilt die Absenkung der Mindestbonität189, die durch eine Erhöhung des Bewertungsabschlags von fünf Prozent nur teilweise kompensiert und mittlerweile zu einer Dauerregelung gemacht wurde190. Beispielsweise hat das Eurosystem die bonitätsmäßigen Mindestanforderungen an Schuldpapiere einiger Mitgliedstaaten191 aufgehoben und es Banken ermöglicht, auch verbriefte Kredite minderer Qualität als Sicherheit zu hinterlegen, auch wenn insoweit Ab183

Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 27 f. Vgl. Kapitel E.I.3.a). 185 Beispielsweise Beschluss des EZB-Rats vom 15.10.2008 (temporäre Zulassung von Kreditinstituten begebenen Schuldtiteln und weiterer nachrangiger Schuldtitel gegen Abschläge; temporäre Absenkung der Anforderungen an die Mindestbonität auf BBB- nach S&P), Beschluss des EZB-Rats vom 02.05.2010 (generelle Notenbankfähigkeit von griechischen Staatsschuldtiteln), Beschluss des EZB-Rats vom 17.09.2010 (Einordnung der EFSF als Agency), Beschluss des EZB-Rats vom 31.03.2011 (Aussetzung der Mindestbonitätsschwelle irischer Staatsschuldpapiere), Beschluss des EZBRats vom 07.07.2011 (Aussetzung der Mindestbonitätsschwelle portugiesischer Staatsschuldpapiere), Beschluss des EZB-Rats vom 06.09.2012 (Umfassende Aussetzung der Mindestratingschwelle für die Adressaten der OMT, sofern sie die Konditionalität erfüllen), Beschluss des EZB-Rats vom 21.12.2012 (erneute Zulassung griechischer Staatsschuldpapiere, nachdem diese zeitweilig seit dem 25.07.2012 ausgesetzt wurden und zwischen dem 28.02.2012 und 08.03.2012 ausgesetzt waren). 186 Siehe Anhang I zur Leitlinie EZB/2000/7 i. d. F. d. EZB/2011/14 vom 20.09. 2011, Kapitel 6. 187 Gem. Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung. 188 C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 253. 189 Auf die Stufe BBB- nach den Ratingkategorien von Standard & Poor’s. 190 C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 253 unter Hinweis auf die Leitlinie EZB/2008/18, EZB/2009/24 und EZB/2010/ 13. 191 Beispielsweise für griechische Staatsanleihen durch den EZB-Ratsbeschluss EZB/2010/3 vom 06.05.2010. 184

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

schläge auf ihren Beleihungswert vorgesehen sind192. Das Eurosystem hat durch die Anerkennung minderwertiger Sicherheiten die Liquidität von finanziell instabilen Kreditinstituten sichergestellt, dabei aber Verlustrisiken der Kreditinstitute mittelbar übernommen, die sich im Falle der Insolvenz eines Kreditinstituts materialisieren193. Zudem hat die Geldmengenausweitung des Eurosystems den Kreditinstituten profitable Geschäfte mit Staatsanleihen ermöglicht, da sie hoch verzinste Staatsanleihen bei der Europäischen Zentralbank zu sehr niedrigen Zinsen refinanzieren können, gleichzeitig aber wegen der niedrigen Refinanzierungszinssätze Anreize für eine noch größere Verschuldung der Finanzunternehmen gesetzt194; die Europäische Zentralbank sieht sich aber aufgrund des Verbots monetärer Staatsfinanzierung195 zur (kostenintensiven) Zwischenschaltung von Kreditinstituten bei der Endlagerung gezwungen, da sie die Staatsanleihen nicht auf dem Primärmarkt selbst erwerben darf 196. Besonders deutlich ist die Absenkung der Besicherungsanforderungen im Rahmen der Emergency Liquidity Assistance, wo die Erforderlichkeit der Besicherung sogar gänzlich aufgehoben werden kann. Auf der Basis von Emergency Liquidity Assistance können nationale Zentralbanken flexibel Refinanzierungskredite vergeben und damit als Lender of Last Resort fungieren, weil dafür nicht die allgemeinen Anforderungen an beleihungsfähige Sicherheiten des Eurosystems gelten197. Im Wege der Modifizierung der Anforderungen an die Besicherung der Refinanzierungskredite durch einzelne nationale Zentralbanken im Rahmen der Emergency Liquidity Assistance lassen sich nicht nur finanzstabilitätspolitische Liquiditätshilfen leisten, sondern es lässt sich auch der Ort der Geldschöpfung steuern198. Rechtlich ist zwar keine Kontingentierung der Geldschöpfung für einzelne Volkswirtschaften – beispielsweise nach dem Kapitalschlüssel an der Europäischen Zentralbank – wegen der Grundsätze des offenen Marktes und des freien Wettbewerbs im Binnenmarkt vorgesehen199, aber faktisch kommt es unter Anwendung gleicher Anforderungen an die Besicherung zu einer indirekten Proportionierung der volkswirtschaftlichen Geldschöpfung, weil der Umfang von beleihungsfähigen Sicherheiten nach der wirtschaftlichen Größe der einzelnen

192

Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 151 u. 155. Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 26. 194 K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 264. 195 Gem. Art. 123 Abs. 1 AEUV. 196 Vgl. W. H. Buiter/E. Rahbari, The ECB as Lender of Last Resort for Sovereigns in the Euro Area, S. 18. 197 Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 22. 198 Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 149. 199 Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 76. 193

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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Volkswirtschaften divergiert200. Durch eine individuelle Lockerung der Anforderungen können einzelne nationale Zentralbanken ihr Geldschöpfungspotential im Vergleich zu anderen nationalen Zentralbanken erhöhen, indem ihnen auf der Grundlage der Lockerung mehr beleihungsfähige Sicherheiten zur Verfügung stehen201. Das über Emergency Liquidity Assistance geschöpfte Zentralbankgeld wurde in andere Volkswirtschaften in einem Maße überwiesen, das es den Banken des Überweisungsempfängerstaates ermöglicht, ihr Refinanzierungsvolumen bei ihrer nationalen Zentralbank erheblich zurückzufahren202. Die von den die Notfallkredite gewährenden nationalen Zentralbanken geschaffene zusätzliche Liquidität wurde von den übrigen nationalen Zentralbanken neutralisiert, indem letztere den Umfang ihrer eigenen geldpolitischen Refinanzierungskredite einschränkten, um insgesamt den vom Rat der Europäischen Zentralbank avisierten Refinanzierungsumfang zu erreichen203. Diese Entwicklung hat zeitweilig zu einer fast vollständigen Verlagerung der Geldschöpfung und Konzentration der Geldschöpfung auf einzelne nationale Zentralbanken geführt204. Die Verlagerung der Geldschöpfung und die anschließende Umsetzung der Kapitalverkehrsfreiheit durch Überweisung des geschöpften Zentralbankgeldes in andere Volkswirtschaften des Währungsgebiets konnte nur aufgrund einer finanzstabilitätspolitischen Stützung im Rahmen des TARGET2 erfolgen205. Als Indikator dieser finanzstabilitätspolitischen Stützung fungieren die TARGET2-Salden, wobei ein positiver (negativer) Saldo bedeutet, dass den Kreditinstituten eines Mitgliedstaates in der Summe mehr (weniger) Zentralbankgeld zugeflossen als abgeflossen ist206. Positive (negative) Salden stellen Forderungen (Verbindlichkeiten) von und gegenüber der Europäischen Zentralbank dar, die aber niemals durch eine Kündigung fällig gestellt werden (können) und damit nicht als Kreditgewährung (und eigentlich auch nicht als Forderungen) verstanden werden (können)207. Da das TARGET2 selbst keine Liquidität bereitstellt, spiegeln die Salden „vielmehr die dezentrale Umsetzung der geldpolitischen Entscheidungen“ des Rates der Europäischen Zentralbank und „Zahlungsbilanzungleichgewichte (aus Leistungs- und Kapitalverkehr) wider, die durch vergleichsweise kostengünstige Notenbankfinanzierung ausgeglichen wurden“ 208.

200 201 202 203 204 205 206 207 208

H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 149. Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 149. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 21. Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 196. Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 201. Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 307. Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 19. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 19 f. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 20 u. 24.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

Bei allen Besicherungsvorgängen der geldpolitischen Refinanzierung werden die jeweiligen (den Refinanzierungskredit gewährenden) nationalen Zentralbanken zum Sicherheitennehmer, so dass zunächst entsprechend dem Dezentralitätsgrundsatz die nationalen Zentralbanken die wirtschaftlichen Risiken minderwertiger Sicherheiten tragen und bei Insolvenz des Kreditnehmers als Endlager für Verluste fungieren209. Trotzdem werden die durch die Refinanzierungsgeschäfte verursachten Verluste schließlich unter den Mitgliedszentralbanken entsprechend ihrem Kapitalanteil an der Europäischen Zentralbank aufgeteilt, weil die einzelnen nationalen Zentralbanken auf die Beleihungsfähigkeit von bestimmten Sicherheiten grundsätzlich keinen Einfluss haben, da diese vom Rat der Europäischen Zentralbank zentral festgesetzt wird210. Im Gegensatz dazu tragen die Verluste aus Krediten, die im Rahmen von Emergency Liquidity Assistance vergeben werden, primär jeweils die die Kredite gewährenden nationalen Zentralbanken211, weil diese Kredite keine geldpolitischen Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems, sondern finanzstabilitätspolitische Hilfsmaßnahmen der Mitgliedstaaten darstellen212. Jedoch beschränken sich die negativen volkswirtschaftlichen Folgewirkungen der Endlagerung wie Inflationsgefahren keineswegs auf die geldschöpfende Volkswirtschaft, sondern verteilen sich wegen der gemeinsamen Währung über den gesamten Währungsraum. Außerdem werden die Europäische Zentralbank und schließlich möglicherweise die anderen nationalen Zentralbanken von den Verlusten betroffen, sobald eine nationale Zentralbank mit negativem TARGET2-Saldo die Europäische Währungsunion verlässt und nicht in der Lage ist, ihre in Euro denominierten Verbindlichkeiten gegenüber der Europäischen Zentralbank als Gläubigerin zu erfüllen213. Auf die Sicherheiten, die den dem TARGET2-Saldo zugrundeliegenden Refinanzierungskrediten zugrundeliegen, kann die Europäische Zentralbank als Gläubigerin nicht zurückgreifen, da die Sicherheiten zugunsten der ausscheidenden nationalen Zentralbank gestellt worden wären, zumal das Ausscheiden aus dem Währungsverbund keine Bedeutung für den Verwertungsfall, also die Zahlungsunfähigkeit des Kreditinstituts als Sicherungsgeber, hätte214. Der Wert der gewährten Sicherheiten dürfte – vor allem im Rahmen der Emergency Liquidity Assistance – auch kaum zur Verlustdeckung ausreichen215. Erweisen sich die Forderungen gegenüber der ausscheidenden nationalen Zentralbank als unein209 Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 126. 210 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 26. 211 Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 153. 212 Vgl. C. Steven, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 14 ESZBSatzung Rn. 50; Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 26. 213 Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 24 f. 214 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 25. 215 Ebd.

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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bringlich, müsste primär die Europäische Zentralbank die Forderungen bilanzwirksam abschreiben216, wobei die gleichen Verlusthaftungsgrundsätze wie bei den Offenmarktkäufen zur Anwendung kommen217. Dagegen würden nach Auffassung der Deutschen Bundesbank218 die positiven TARGET2-Salden als Forderungen gegen die Europäische Zentralbank für andere nationale Zentralbanken erst bilanzwirksam, wenn sie aus dem Währungsverbund ausscheiden und die Europäische Zentralbank als Schuldnerin die Forderungen nicht begleichen würde, obwohl sie das dafür erforderliche Zentralbankgeld – dem Dezentralitätsgrundsatz der Geldschöpfung im Eurosystem zuwider – selbst schöpfen könnte219. c) Übernahme der Endlagerfunktion durch ein Vehikel des Eurosystems Auch die dritte Endlagerungsmethode könnte in der Europäischen Währungsunion grundsätzlich Anwendung finden. Zwar könnten nationale Zentralbanken jeweils unabhängig voneinander im Rahmen von Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung ein Vehikel mit Zentralbankgeld auf eigene Rechnung ausstatten, wenn das Vehikel vor einer Insolvenz gesetzlich geschützt wird. Wahrscheinlicher dagegen ist es aber in der Europäischen Währungsunion, dass die Europäische Zentralbank gegebenenfalls eine Zweckgesellschaft, die gesetzlich vor der Insolvenz geschützt sein wird, im Wege der geldpolitischen Refinanzierung zentral mit Zentralbankgeld ausstattet, damit die Zweckgesellschaft finanziell destabilisierende Vermögenswerte aufkauft und übertragen bekommt. Diese Vermögenswerte könnten dann in der künftigen Refinanzierung bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheit verwendet werden, wenn die Europäische Zentralbank ihre Anforderungen entsprechend gesenkt hat. Die Europäische Zentralbank müsste dann die über das Vehikel geschöpfte Geldmenge durch eine Einschränkung des Umfangs der übrigen Refinanzierungskredite neutralisieren, wenn sie insgesamt eine Ausweitung der Geldmenge vermeiden will, weil auch über ein finanziell destabilisierende Vermögenswerte erwerbendes Vehikel Zentralbankgeld in Umlauf gebracht wird220. Eine solche Konstruktion wird in der Währungsunion unter dem Stichwort der Banklizenz für den Europäischen Stabilitätsmechanismus diskutiert, dessen finanzstabilitätspolitische Programme dann auf der Grundlage einer Zentralbank-

216

Ebd. Siehe Kapitel E.III.2.a). 218 Der Auffassung der Deutschen Bundesbank zum Forderungscharakter der TARGET2-Salden folgt das BVerfG, vgl. BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 18.03.2014, AbsatzNr. 139; a. A. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 304 f. 219 Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 25. 220 Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 326. 217

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

finanzierung durchgeführt werden könnten221. Problematisch ist indes, dass das Vehikel kein Recht zur Geldschöpfung hat, so dass es nicht zur Rückzahlung der Refinanzierungskredite fähig wäre, wenn es keine fiskalische Unterstützung durch die Mitgliedstaaten bekäme222. 3. Umverteilungseffekte und Fiskalausgleich Bei der Endlagerung in der Europäischen Währungsunion kommt es zusätzlich zu den Umverteilungseffekten zwischen den Wirtschaftsakteuren innerhalb einer Volkswirtschaft infolge der Endlagerung finanziell destabilisierender Vermögenswerte auch zu Umverteilungseffekten zwischen den Volkswirtschaften223. Im Falle einer Geldmengenausweitung beschränken sich die inflationären Tendenzen nicht auf die Volkswirtschaft, aus der der endgelagerte Verlust stammt. Zwar gibt es innerhalb des Währungsgebiets (erhebliche) Inflationsunterschiede224, aber aufgrund der zahlreichen monetären Kapitalströme zwischen den Volkswirtschaften in der Währungsunion sollten die Inflationswirkungen für die die jeweilige Endlagerung verursachende Volkswirtschaft geringer sein, als sie ohne Teilnahme an der Währungsunion wären. Die für eine konkrete Endlagerung verantwortliche Volkswirtschaft kann das infolge der Endlagerung neu entstehende Geld wegen der Kapitalverkehrsfreiheit und des gemeinsamen Währungsraums im gesamten Währungsgebiet verteilen (lassen), ohne dass sie die Folgewirkungen einer Geldmengenerweiterung allein zu tragen hätte225. Die Übernahme finanziell destabilisierender Vermögenswerte durch das Eurosystem führt zu „Risikoumverteilungen durch die Bilanzen des Eurosystems“ 226. Die nationalen Zentralbanken sind auf Grundlage eines Beschlusses des Rats der Europäischen Zentralbank verpflichtet, Vermögenswerte entsprechend ihrem Kapitalanteil an der Europäischen Zentralbank zu erwerben, wobei acht Prozent von der Europäischen Zentralbank übernommen werden und die Verluste infolge von Abschreibungen von den Erwerbern selbst zu tragen sind227. Die Umverteilungseffekte zwischen den Volkswirtschaften treten ein, sofern sich der Endlagerbedarf der eigenen Volkswirtschaft aus Sicht einer Zentralbank nicht proportional zum eigenen Kapitalanteil an der Europäischen Zentralbank entwickelt. Realiter profi221 Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 326; W. H. Buiter/E. Rahbari, The ECB as Lender of Last Resort for Sovereigns in the Euro Area, S. 20. 222 Vgl. Kapitel E.I.2.c). 223 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 41. 224 Vgl. W. Hankel/A. Hauskrecht/B. Stuart, The Euro-project at risk, S. 5. 225 Vgl. P. Spahn, Die Euro-Verschuldung der Nationalstaaten als Schwachstelle der EWU, S. 531 (534). 226 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 16. 227 Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 137 u. Fn. 115; Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 26.

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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tieren Volkswirtschaften mit einem hohen Beitrag des Finanzsektors zum eigenen Bruttoinlandsprodukt besonders von der Finanzstabilisierung durch das Eurosystem, weil deren Endlagerbedarf nicht proportional zu deren Kapitalanteil sein dürfte. Auch im Wege der Zulassung minderwertiger Sicherheiten zur geldpolitischen Refinanzierung werden Verlustrisiken umverteilt, weil diese eine Verlagerung der Geldschöpfung zur Folge haben228. Durch die Verlagerung der Geldschöpfung wurden für einige nationale Zentralbanken hohe TARGET2-Forderungen gegenüber der Europäischen Zentralbank und umgekehrt für andere Zentralbanken hohe TARGET2-Verbindlichkeiten gegenüber der Europäischen Zentralbank begründet, die jeweils einen Großteil des Auslandsvermögens oder umgekehrt der Auslandsschulden der jeweiligen nationalen Zentralbank ausmachen229. Infolge dieser Gläubiger-Schuldner-Beziehungen – vermittelt jeweils durch die Europäische Zentralbank – werden Ausfallrisiken erheblichen Ausmaßes zwischen den Volkswirtschaften umverteilt. Umverteilungseffekte zwischen den Volkswirtschaften resultieren zudem aus den fiskalischen Konsequenzen der Endlagerinstrumente. Die Endlagerung finanziell destabilisierender Verluste durch das Eurosystem führt zu fiskalischen Belastungsverschiebungen, die mit den Wirkungen eines Fiskalausgleichs vergleichbar sind230. Beispielsweise wird derjenige Fiskus finanziell verschont, der anstelle der Endlagerinstrumente auf eigene Kosten finanzstabilitätspolitische Hilfe hätte leisten müssen. Von den Endlagerinstrumenten profitiert demnach vor allem die Fiskalpolitik in Volkswirtschaften mit ausgeprägtem Finanzwirtschaftssektor, zumal ihr im Falle einer Insolvenz der stabilisierten Finanzunternehmen Steuereinnahmen in erheblichem Umfang verloren gegangen wären. Außerdem könnten die Endlagerinstrumente zur monetären Staatsfinanzierung verwendet werden, indem die Europäische Zentralbank am Primär- oder Sekundärmarkt Staatsanleihen von einzelnen Mitgliedstaaten erwirbt, um sie abzuschreiben und die Verluste in ihrer Bilanz endzulagern231. Die Staatsanleihekäufe auf dem Primärmarkt würden die Finanzierung der begünstigten Fisken vom Finanzmarkt unabhängig machen232. Die Staatsanleihekäufe auf dem Sekundärmarkt hingegen senken die Zinslast der begünstigten Fisken bei der Finanzierung über den Markt dadurch, dass die Finanzwirtschaftsakteure zum Erwerb von Staatsanleihen bewegt werden, weil sie mit der Möglichkeit eines Verkaufs an die Europäische Zentralbank rechnen können233. „Damit sind die Finanzierungs228 229 230 231 232 233

Vgl. Kapitel C.I.3.a); H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 196. Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 21. Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 41. Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 11. Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 10. Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 89 ff.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

konditionen eines Staates teilweise von der Preisbildung am Finanzmarkt abgekoppelt, da diese durch den Eingriff des Eurosystems prädeterminiert werden“ 234. Überdies treffen die durch die Abschreibungen der endgelagerten Verluste bedingten Rückgänge der Gewinnausschüttungen der Europäischen Zentralbank die einzelnen Fisken je nach ihrem Kapitalschlüssel nominal unterschiedlich und nicht proportional zu ihrem Verursachungsbeitrag zur Endlagerung. 4. Externalitäten und Verursachergrundsatz Entscheidet sich eine politische Einheit, finanzstabilitätspolitische Hilfe im Wege der Endlagerung zu leisten, muss sie die ökonomischen Folgen und Fehlanreize verantworten (können). In der Europäischen Währungsunion kommt es durch die Endlagerinstrumente zu zusätzlichen ökonomischen Folgewirkungen und Fehlanreizen, indem jede Volkswirtschaft des Verbunds ihre endzulagernden Verluste ohne quotale Vorgaben für die maximale Endlagerung bei entsprechendem finanzstabilitätspolitischem Bedarf in den Bilanzen der Zentralbanken des Eurosystems endlagern darf. Die Endlagerung im Verbund mehrerer Volkswirtschaften führt zu Fehlanreizen, weil eine Volkswirtschaft mit geringen Beständen an finanziell destabilisierenden Vermögenswerten die Kosten der Endlagerung von Volkswirtschaften mit hohen solchen Beständen anteilsmäßig mitzutragen hat. Umgekehrt braucht eine Volkswirtschaft mit hohen Beständen durch die Endlagerung im Verbund des Eurosystems weniger Kosten für die Endlagerung zu tragen, als es bei einer alleinigen Endlagerung der Fall wäre. Die Endlagerung in den Bilanzen des Eurosystems wirkt wie eine Versicherung gegen Endlagerungsrisiken (moral hazard) für diejenigen Volkswirtschaften, die aufgrund einer instabilen Finanzwirtschaft viele endzulagernde Verluste hervorrufen235. Diese Volkswirtschaften könnten sogar versucht sein, die Vorteile dieser negativen (nicht vollständig internalisierten) Externalität auszunutzen (Trittbrettfahrerverhalten)236. Durch die Vergemeinschaftung der Endlager in Form der Bilanzen des Eurosystems werden sowohl Anreize zum Einsatz präventiver finanzstabilitätspolitischer Instrumente als auch Anreize zum Gebrauch der Endlagerinstrumente ausschließlich als ultima ratio unterminiert. Die Endlagerung im Verbund verstößt gegen das Verursacherprinzip. Nach dem Verursacherprinzip sollen die Kosten von demjenigen Wirtschaftsakteur getragen werden, der sie durch sein Handeln verursacht hat237. Das Verursacher234

Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 16. Vgl. O. Steiger, Which lender of last resort for the eurosystem?, S. 21. 236 Vgl. M. Broer/K.-D. Henke/H. Zimmermann, Die europäische Staatsschuldenkrise als neue Herausforderung für die Europäische Union, S. 417 (420). 237 Vgl. R. Schmidt/W. Kahl, Umweltrecht, S. 10 ff. 235

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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prinzip ist eines der Hauptprinzipien der Umweltpolitik, wo es auch bei der Endlagerung von Abfällen zum Tragen kommt. Nach dem Verursacherprinzip müssten diejenigen Volkswirtschaften, deren Finanzwirtschaftsakteure die endzulagernden Verluste geschaffen oder zuletzt gehalten haben, die möglichen Konsequenzen wie Inflation und Gewinnausfälle der Zentralbank als Kosten tragen238. Das Verursacherprinzip erfordert es deshalb, dass die Kosten der Endlagerung möglichst von derjenigen politischen Einheit getragen werden, die den größten Einfluss auf die Verursachung der Endlagerungskosten hat. Die größten Verursachungsbeiträge sind durch die Mitgliedstaaten zu verantworten, denn beispielsweise können die nationalen Zentralbanken ihren Kreditinstituten (grundsätzlich unbegrenzt) Notfallkredite gewähren239; zwar tun sie dies auf eigene Rechnung, aber die Auswirkungen – wie beispielsweise Geldmengenausweitungen – treffen wegen des engen Währungsraums alle Mitglieder des Verbunds. Außerdem sind die Mitgliedstaaten bisher für die Anwendung der meisten präventiven finanzstabilitätspolitischen Instrumente wie der Bankenaufsicht verantwortlich, weshalb die Finanzstabilitätsverfassung überwiegend (noch) von den Mitgliedstaaten bestimmt wird. Zudem ist die Fiskalpolitik in mitgliedstaatlicher Hand. Jedoch ist aufgrund der Haftungsverfassung des Eurosystems eine dem Verursacherprinzip entsprechende alleinige Verlusttragung einer nationalen Zentralbank in der Europäischen Währungsunion nicht vorgesehen. Die gemeinsame Endlagerung hätte aus Gründen des Verursacherprinzips erst am Ende einer Vergemeinschaftung aller Finanzpolitiken erfolgen dürfen240. Trotzdem wird diese fehlerhafte Implementierung – in Umkehrung der Logik der Krönungstheorie – nun als Begründung der Notwendigkeit der Integration aller übrigen Finanzpolitiken samt Finanzstabilitätspolitik verwendet. Die Integration schreitet momentan vor allem in der Bankenaufsicht voran, in deren Rahmen der Europäischen Zentralbank weitere finanzstabilitätspolitische Verantwortung übertragen wird241. Die Prinzipien der wirtschaftlichen Integration im Rahmen der Europäischen Union – insbesondere die Grund- und Marktfreiheiten242 – scheinen, nachdem sie die wirtschaftspolitische Einheit weitestgehend hergestellt haben, auch die finanzpolitische Einheit zu erfordern. Gerade Deutschland habe nach Meinung von Europapolitikern als exportorientierte Volkswirtschaft die Prinzipien der wirtschaftlichen Integration nutzen können, 238 Vgl. A. Belke/G. Schnabl, Europäischer geldpolitischer Exit im Zeichen von QE2 und Staatsanleihekäufe der EZB, S. 147 (158). 239 Emergency Liquidity Assistance gem. Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung. 240 Entsprechend der Krönungstheorie, vgl. W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (225 ff.). 241 Vgl. Single Supervisory Mechanism. 242 Gem. Art. 28 ff. AEUV; vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 71 ff.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

um wirtschaftliche Potentiale zu erschließen, die aber als Kehrseite finanzielle Instabilitäten über die gesamte Wirtschaftsunion hinweg ausgelöst hätten. Demnach sollen die politische Verantwortung für die finanziellen Instabilitäten und die Kosten infolge der finanziellen Instabilitäten auch (anteilig) von den Volkswirtschaften übernommen werden, die von den Potentialen der wirtschaftlichen Integration profitiert haben. Die ursprünglichen wirtschaftspolitischen Verursachungsbeiträge werden sich jedenfalls nicht ermitteln lassen, da der Nutzen der Wirtschaftsakteure und Volkswirtschaften, die infolge lockerer Finanzierungsbedingungen große Nachfrage entfalten konnten, aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge nicht mit dem Nutzen der Wirtschaftsakteure und Volkswirtschaften (quantitativ) verglichen werden kann, die aufgrund der großen Nachfrage ihr Angebot absetzen konnten. Wenn die wesentlichen Bereiche der Finanzstabilitätspolitik von der Eurozone oder der Europäischen Union verantwortet werden und diese damit zu einem (existentiellen) Staat wird, dann trägt zwar diejenige politische Einheit die Kosten der Endlagerung, in deren Verantwortung die endzulagernden Vermögenswerte entstanden sind, aber dann würde die umfassende Integration der Finanzpolitiken faktisch die Souveränität der Mitgliedstaaten aufheben oder sie zumindest im rechtlichen Sinne verletzen. 5. Parlamentsbeteiligung an der Endlagerung des Eurosystems Die faktische Kontrolle der Endlagerinstrumente durch das Eurosystem schwächt den Einfluss der Parlamente auf die Finanzstabilitätspolitik 243. „Entscheidungen über die Ausgestaltung umfangreicher Haftungsübernahmen, von angemessenen Kontrollmechanismen oder auch von Eingriffsrechten in die nationale Budgetsouveränität . . . sollten grundsätzlich gemeinsam behandelt werden“ von dem für die wesentlichen finanzstabilitätspolitischen Entscheidungen zuständigen Akteur, dem jeweiligen Parlament244. Hält man die Parlamentsbeteiligung an den Entscheidungen über die Endlagerung gemäß der Wesentlichkeitslehre für erforderlich245, stellt sich die Frage, wie diese in der Europäischen Währungsunion ausgestaltet werden könnte. Die Frage nach der parlamentarischen Beteiligung stellt sich wegen der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, die durch das Erfordernis einer einstimmigen Primärrechtsänderung in der Europäischen Währungsunion einen sehr weitgehenden Schutz erfahren hat, besonders, weil sie deren finanzstabilitätspolitische Tätigkeit faktisch vom Einfluss anderer

243 Vgl. K. A. Schachtschneider, Stellungnahme zum Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2014, S. 4. 244 Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 29. 245 Vgl. K. A. Schachtschneider, Schriftsatz gegen die Staatsfinanzierung des ESZB und der EZB vom 13.11.2012, S. 12.

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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Akteure abschottet246. Als Ausgestaltung kommen grundsätzlich zum einen die Zustimmung des Europaparlaments und zum anderen die Zustimmung der Parlamente der Euromitgliedstaaten als Legitimationsquellen in Betracht. Wenn der demokratische Legitimationsstrang über das Europaparlament hergestellt werden könnte, hätte dies den Vorteil, dass nur ein einziges Parlament in den Entscheidungsprozess einbezogen werden muss. Jedoch ist die demokratische Legitimationskraft des Europaparlaments gering, weil es sich mangels Gleichheit der Repräsentation nicht um ein Parlament, sondern lediglich um eine Völkervertretung handelt247. Es existiert (noch) kein europäisches Volk, das der demokratischen Repräsentation durch ein Parlament fähig wäre248. Überdies vermag auch die Zustimmung des Europaparlaments die Verletzung der Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten nicht aufzuheben, auch wenn der Eurozone oder der Europäischen Union durch eine Primärrechtsänderung entsprechende Kompetenzen von den Mitgliedstaaten eingeräumt würden, weil die Endlagerinstrumente als wirksamste finanzstabilitätspolitische Instrumente einen wesentlichen Kernbereich der mitgliedstaatlichen Souveränität berühren249. Zur Wahrung der Souveränität der Mitgliedstaaten könnten die mitgliedstaatlichen Parlamente in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Die Europäische Zentralbank bedürfte zur Durchführung von Endlagermaßnahmen der (vorherigen) Zustimmung sämtlicher nationaler Parlamente zu den konkreten Maßnahmen. Den nationalen Parlamenten könnten Beteiligungsrechte – beispielsweise Informations- und Auskunftspflichten der Europäischen Zentralbank – eingeräumt werden, um über eine ausreichende Entscheidungsgrundlage zu verfügen. Das Zustimmungserfordernis aller Parlamente würde den Entscheidungsprozess langwierig machen. Für den Fall der Gefahr im Verzug könnten spezielle Ausschüsse der beteiligten Parlamente mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet werden. Die parlamentarischen Gremien könnten vertraulich beraten und entscheiden, um eine Beunruhigung der Finanzwirtschaftsakteure und Spekulationen auf dem Finanzmarkt zu vermeiden. Durch eine Beteiligung der nationalen Parlamente würde das gesamte Kompetenzgefüge verändert, was zum einen eine Änderung des Primärrechts der Europäischen Union und Kompetenzübertragung erforderlich machen würde, da die Europäische Zentralbank für den Fall der mitgliedstaatlichen Zustimmung mit finanzstabilitätspolitischen Befugnissen ausgestattet werden müsste. Zum anderen erscheint die Praktikabilität eines solch komplexen Entscheidungsprozesses

246 Vgl. K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 179. 247 Vgl. BVerfG 123, 267 (Abs. 277 ff.). 248 Vgl. BVerfG 123, 267 (Abs. 281). 249 Vgl. Kapitel E.IV.3.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

zweifelhaft, weil eine einzige mitgliedstaatliche Zustimmungsverweigerung der Europäischen Zentralbank die Durchführung unmöglich machen würde. 6. Rechtliche Grenzen der Endlagerinstrumente des Eurosystems Die rechtlichen Grenzen der Endlagerinstrumente lassen sich an der Eurorettungspolitik des Eurosystems in Form des Beschlusses des Rates der Europäischen Zentralbank über die Outright Monetary Transactions (OMT) und die Notfallkredite der Emergency Liquidity Assistance verdeutlichen. Sowohl die OMT als auch die Emergency Liquidity Assistance beziehen sich (derzeit) auf Staatsanleihen, könnten aber auch weiter gefasst werden. a) Outright Monetary Transactions Der Beschluss des Rates der Europäischen Zentralbank über die OMT vom 6. September 2012 überschreitet die Grenzen des geldpolitischen Mandats der Europäischen Zentralbank und verstößt gegen das in Art. 123 AEUV verankerte Verbot monetärer Staatsfinanzierung250. Damit handelt es sich bei dem Beschluss um einen ultra vires-Akt der Europäischen Zentralbank251. Die OMT umfassen ein Programm, nach welchem das Eurosystem Staatsanleihen von einzelnen Euromitgliedstaaten auf Sekundärmärkten unter Akzeptanz der eigenen Gleichbehandlung mit sonstigen Gläubigern und unter Neutralisierung der dadurch bedingten Liquiditätseffekte erwirbt, falls die begünstigten Staaten jeweils an den Programmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und des Europäischen Stabilitätsmechanismus teilnehmen und deren Bedingungen erfüllen252. Dieses Programm wurde bislang noch nicht angewendet253; infolge des OMT-Programms wurde aber das Securities Markets Programme, nach welchem private und staatliche Schuldtitel in erheblichem Umfang auf instabilen Sekundärmärkten erworben wurden254, ausgesetzt255. 250 Nachdem das BVerfG den OMT-Beschluss dem EuGH nach Art. 267 AEUV zur Entscheidung vorgelegt hat, entscheidet nun der EuGH über die rechtlichen Grenzen der OMT. Das BVerfG hat dem EuGH aber enge Vorgaben für eine einschränkende Auslegung des OMT-Beschlusses gemacht, um den Rahmen der Integrationsgrenze des Art. 79 Abs. 3 i.V. m. Art 20 Abs. 1 u. 2 GG zu wahren. Das BVerfG bedient sich des EuGH, um Verbindlichkeit für die EZB als Organ der EU zu schaffen, vgl. insb. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 100. 251 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 36. 252 Vgl. EZB, Pressemitteilung vom 6. September 2012 zu den „Technical features of Outright Monetary Transactions“. 253 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 4. 254 Vgl. W. H. Buiter/E. Rahbari, The ECB as Lender of Last Resort for Sovereigns in the Euro Area, S. 16 ff. 255 Vgl. EZB, Pressemitteilung vom 6. September 2012 zu den „Technical features of Outright Monetary Transactions“.

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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Bei den OMT handelt es sich um Maßnahmen zum Einsatz des Endlagerinstruments zur Übernahme finanziell destabilisierender Verluste durch das Eurosystem, weil Staatsschuldpapiere und deren Ausfallrisiken, die das Finanzsystem destabilisieren und die fiskalische Refinanzierung der Emittenten gefährden, von den Mitgliedszentralbanken des Eurosystems erworben werden sollen. aa) Grenzen des geldpolitischen Mandats der Europäischen Zentralbank Die Grenzen des in den Art. 119, Art. 127 Abs. 1 u. 2 AEUV und Art. 17 ff. ESZB-Satzung dem Europäischen System der Zentralbanken (und damit auch der Europäischen Zentralbank) übertragenen Mandats werden durch die OMT überschritten256. Das Mandat der Europäischen Zentralbank ist nach den genannten Vorschriften auf die Geldpolitik beschränkt257. Die OMT sind nicht geldpolitischer, sondern finanzstabilitätspolitischer Natur und damit der „allgemeinen Wirtschaftspolitik“ zuzuordnen258. Die „allgemeine Wirtschaftspolitik“ ist grundsätzlich – mit Ausnahme von ausdrücklichen Ermächtigungen der Europäischen Union – Sache der Mitgliedstaaten, wobei die Europäische Union insoweit gemäß Art. 119 Abs. 1 AEUV auf eine koordinierende Funktion beschränkt ist259. Gemäß dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung260 sind daher die Mitgliedstaaten und nicht die Europäische Union für die Finanzstabilitätspolitik zuständig. Der Begriff der „allgemeinen Wirtschaftspolitik“ wird vom Bundesverfassungsgericht als Gegenbegriff zur Geldpolitik verwendet261. Der Begriff ist unscharf, da auch Geldpolitik Teil der Wirtschaftspolitik ist. Jedoch verwendet ihn das Bundesverfassungsgericht wegen der Systematik der Vorschriften zur gemeinsam Wirtschafts- und Währungspolitik262, da insbesondere Art. 119 Abs. 2 AEUV der vergemeinschafteten Geldpolitik im Rahmen der Wirtschaftspolitik nur eine unterstützende Rolle zuweist. Treffender wäre der Begriff der Finanzstabilitätspolitik gewesen, zumal Art. 127 Abs. 5 AEUV insoweit auch eine rechtstextliche Grundlage geboten hätte. Nach Art. 127 Abs. 5 AEUV hat das Europäische System der Zentralbanken im Rahmen ihrer Geldpolitik „zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet . . . der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen“ beizutragen. Aus der Aufgabe, einen Beitrag zur Finanzstabilität zu leisten, kann aber kein eigenständiges fi-

256 257 258 259 260 261 262

BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 55. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 56. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 55 f. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 39. Vgl. Art. 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 u. 2 EUV. Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 55 f. Vgl. Art. 119 ff. AEUV.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

nanzstabilitätspolitisches Mandat abgeleitet werden; zumal die Norm explizit andere „Behörden“ als das Europäische System der Zentralbanken als „zuständig“ bezeichnet. Für die Zuordnung der OMT zu einem der Politikbereiche bemüht das Bundesverfassungsgericht deren Ziele, Instrumente und Wirkungen als Kriterien263. Eine mittelbare Zielverfolgung über mittelbare Wirkungszusammenhänge genügt dabei grundsätzlich für eine Zuordnung zu einem Politikbereich nicht264, weil alles mit allem (zumindest mittelbar) zusammenhängt265. Die OMT lassen sich aufgrund mehrerer konkreter Gesichtspunkte der Wirtschaftspolitik (genauer der Finanzstabilitätspolitik) und nicht der Geldpolitik zuordnen266. Nach der unmittelbaren Zielsetzung der Europäischen Zentralbank sollen die von ihr als ungerechtfertigt – gar als „irrational“ – bezeichneten Zinsbestandteile zurückgeführt werden267. Diese Zielsetzung kann aber keine der Geldpolitik sein, weil dies nicht mit der Grundstruktur der Europäischen Währungsunion vereinbar wäre268. Die Währungsunion wurde unter der Prämisse der fiskalischen Eigenverantwortlichkeit269 konzipiert, weshalb die Finanzwirtschaftsakteure im Falle fiskalischer Instabilitäten eines Staates entweder überhaupt nicht mehr oder nur noch gegen höhere Zinszahlungen dem betroffenen Fiskus Kredite gewähren270. Somit sind die Zinsbestandteile nicht ungerechtfertigt, sondern in der Verfassung der Währungsunion angelegt271. Zudem „lassen sich . . . Zinsaufschläge nicht in einen rationalen und einen irrationalen Teil trennen“ 272, da jedes menschliche Verhalten ständig durch rationale und irrationale Beweggründe geprägt wird und Finanzwirtschaftsakteure durchaus die Freiheit genießen, irrational zu handeln, solange sie nicht gegen das Recht verstoßen. Vielmehr „lässt sich im Ergebnis jede Interpretation und damit einhergehende Handlungsempfehlung durch entsprechende Annahmen begründen“, wenn einzelne Risikokomponenten und Zinsbestandteile nicht zweifelsfrei quantifiziert, eindeutig zugeordnet und interpretiert werden können273. Ein weiteres Indiz für den über das Geldpolitische hinausgehenden Gehalt der OMT ist es, dass die Selektivität der Staatsanleihekäufe nur die Zinsaufschläge 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273

BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 63, 65 (m.w. N.). BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 64 (m.w. N.). Siehe Kapitel D.IV. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 69. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 71. Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 71. Vgl. dazu insb. die Nichtbeistandsklausel des Art. 125 Abs. 1 AEUV. Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 71. Vgl. ebd. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 71 (m.w. N.). Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 7.

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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einzelner Staaten rückführen soll, obwohl die geldpolitischen Instrumente – vor allem die Leitzins- und Mindestreservesätze – des Eurosystems sonst nicht nach den Erfordernissen der teilnehmenden Volkswirtschaften differenziert werden274. Auf diese Weise werden Zinsunterschiede eingeebnet, was diejenigen Volkswirtschaften und Fisken benachteiligt, die sich aufgrund fiskalischer Stabilität und allgemeiner Finanzstabilität eine bessere Wettbewerbsposition erwirtschaftet haben275. Eingriffe in die fiskalischen und gesamtwirtschaftlichen Wettbewerbspositionen gehen jedenfalls über das Geldpolitische hinaus und haben finanzstabilitätspolitischen oder sogar allgemein wirtschaftspolitischen Charakter276. Darüber hinaus wird durch die Konditionalität der OMT, wonach die begünstigten Staaten die Vereinbarungen mit der Europäischen Finanzierungsstabilisierungsfazilität oder dem Europäischen Stabilitätsmechanismus einhalten müssen, eine Parallelität mit den finanzstabilitätspolitischen und wirtschaftspolitischen Vereinbarungen dieser finanzstabilitätspolitischen Akteure bewirkt277. Die Europäische Zentralbank verlässt durch die Verknüpfung der Staatsanleihekäufe mit diesen Vereinbarungen den Bereich des Geldpolitischen, da sowohl die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität als auch der Europäische Stabilitätsmechanismus (auch nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs278) keine Geldpolitik betreiben279. Zudem müsste die Europäische Zentralbank die Staatsanleihekäufe, wenn sie die Zusammensetzung der Eurozone gewährleisten will, auch dann vornehmen, wenn der begünstigte Staat die Vereinbarungen nicht einhält, weil bei Nichterfüllung der Vereinbarungen die Zinszuschläge am Markt noch größer werden würden280. Überdies könnte durch die OMT die verschärfte Konditionalität281 für Staatsanleihekäufe am Sekundärmarkt nach Art. 18 Abs. 1 ESMV durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus ausgehebelt werden282. Es erscheint zweifelhaft, ob die Europäische Zentralbank überhaupt noch „außergewöhnliche Umstände auf dem Finanzmarkt und Gefahren für die Finanzstabilität“ im Sinne des Art. 18 Abs. 2 ESMV feststellen kann, wenn sie selbst gleichzeitig mit Endlagerinstrumenten Hilfe leistet283. Des Weiteren ist nicht davon auszugehen, dass sich Staa274

BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 73. Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 73. 276 Vgl. ebd. 277 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 74. 278 Vgl. EuGH, Urteil vom 27.11.2012, Rn. 60. 279 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 76. 280 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 77. 281 In Form eines makroökonomischen Anpassungsprogramms nach Art. 2 Abs. 1 der Guideline on the Secondary Market Support oder die Kriterien des Art. 2 Abs. 2 derselben Guideline erfüllt werden. 282 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 79. 283 Vgl. ebd. 275

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

ten noch um Sekundärmarktkäufe unter verschärfter Konditionalität durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus bemühen werden, wenn sie schon die Unterstützung in Form der OMT erhalten, die lediglich an die einfache Konditionalität der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität oder des Europäischen Stabilitätsmechanismus anknüpfen284. Die OMT sind auch nicht vom Mandat des Europäischen Systems der Zentralbanken gemäß Art. 119 Abs. 2 und Art. 127 Abs. 1 Satz 2 AEUV gedeckt, die Wirtschaftspolitik der Europäischen Union zu unterstützen285. Die OMT können die Hilfsprogramme der anderen Akteure deutlich übersteigen und deren Attraktivität wegen ihrer Konditionalität untergraben286. Ferner will die Europäische Zentralbank über die OMT nach eigenem Ermessen entscheiden287. Zwar setzt die in Art. 130 Satz 1 AEUV verankerte Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank eigenständige wirtschaftspolitische Bewertungen der Hilfsmaßnahmen durch die Europäische Zentralbank voraus, aber bei Inanspruchnahme eigenen Ermessens gibt die Europäische Zentralbank ihre Unterstützungsfunktion auf und wird zur eigenständigen Gestaltungsinstanz288. Rechtlich lassen sich die OMT auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, dass sie erforderlich seien, um die Zusammensetzung der Eurozone zu gewährleisten. Zwar handelt es sich bei der Zusammensetzung einer geldpolitischen Gemeinschaft auch um eine geldpolitische Frage, gerade weil in einer Währungsunion ohne Abwertungsmöglichkeit der teilnehmenden Volkswirtschaften und ohne die Möglichkeit monetärer Staatsfinanzierung möglicherweise die Zusammensetzung faktisch nur durch die Endlagerinstrumente gesichert werden kann, weil eine Fiskalkrise sonst nur durch den Austritt aus der Währungsunion verhindert werden kann289. Aber die Endlagerinstrumente weisen in ihrem Bedeutungsgehalt über das Geldpolitische hinaus und sind daher primär der Finanzstabilitätspolitik zuzuordnen, für welche das Primärrecht der Europäischen Zentralbank kein Mandat einräumt290. Überdies wurde das Mandat der Europäischen Zentralbank eng an das Preisstabilitätsziel geknüpft, das wegen des Inflationspotentials der Endlagerinstrumente infolge der Geldmengenausweitung allenfalls durch 284

Vgl. ebd. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 80. 286 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 81. 287 Vgl. Beschluss des EZB-Rats vom 06.09.2012: „in full discretion“, s. EZB, Pressemitteilung vom 6. September 2012 zu den „Technical features of Outright Monetary Transactions“. 288 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 82. 289 Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 9, nach der die fiskalische Unterstützung nicht zum geldpolitischen Aufgabenbereich der Zentralbank gehört, gerade weil ein Ausscheiden eines Mitgliedstaates aus der Währungsunion der Entscheidung seiner Bevölkerung überlassen bleibt und damit nicht in der (alleinigen) Entscheidungsgewalt der Zentralbank liegen kann. 290 Vgl. Kapitel E.II.1. 285

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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neutralisierende, möglicherweise der Finanzstabilität abträgliche Eingriffe gewahrt werden kann. Ferner weist das Primärrecht der Europäischen Union die Kompetenz zur Entscheidung über die Zusammensetzung der Eurozone nicht der Europäischen Zentralbank, sondern explizit dem Rat, der Kommission, dem Europaparlament und den Mitgliedsstaaten zu291. Der Europäischen Zentralbank kommt gemäß Art. 139 und 140 Abs. 3 AEUV nur für den Fall des Beitritts eines Staats zur Eurozone ein Recht zur Anhörung zu292. bb) Verstoß gegen das Verbot monetärer Staatsfinanzierung Die monetäre Finanzierung einzelner Staaten führt in der Währungsunion nicht nur zu inflationsbedingten Umverteilungen zwischen Gläubigern, Schuldnern, Geldinhabern und dem Fiskus, sondern auch zu Umverteilungen zwischen den Volkswirtschaften, weil sich deren (von der Inflation betroffenen) Forderungen und Verbindlichkeiten nicht per Saldo ausgleichen. Für die Währungsunion sollten die aus der monetären Staatsfinanzierung folgenden Inflationsgefahren und die inflationsbedingten Umverteilungswirkungen durch das Verbot des Art. 123 Abs. 1 AEUV umfassend ausgeschlossen werden293. Das Verbot monetärer Staatsfinanzierung erfasst daher nicht nur die unmittelbare Finanzierung über Staatsanleihekäufe auf dem Primärmarkt, sondern erfasst aufgrund des (zur Durchsetzung des Europarechts häufig herangezogenen) Gebots der praktischen Wirksamkeit auch sämtliche Umgehungstatbestände294. Die im Rahmen der OMT vorgesehenen Sekundärmarktkäufe von Staatsanleihen suchen das Verbot monetärer Staatsfinanzierung zu umgehen295. Die Europäische Zentralbank soll durch die mit Zentralbankgeld finanzierten Staatsanleihekäufe – also mit monetären Mitteln – Zinsaufschläge neutralisieren, damit sich die betreffenden Staaten zum Zwecke der Staatsfinanzierung am Primärmarkt günstiger finanzieren können296. Die Staatsfinanzierung erfolgt dabei besonders wirksam, wenn die Staatsanleihen vom Eurosystem bis zur Endfälligkeit gehalten werden, weil das Angebot der betreffenden Staatsanleihen am Markt durch die Käufe verknappt wird und damit in die marktliche Preisfindung eingegriffen wird297. Ferner will das Eurosystem nur selektiv Staatsanleihen von einzelnen fiskalisch instabilen Staaten erwerben, was sowohl die fiskalpolitischen als auch die finanzstabilitätspolitischen Komponenten der Käufe verdeutlicht, die auch für 291

BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 72. Ebd. 293 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 85 (m.w. N.), wo von einem „umfassenden Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung“ die Rede ist. 294 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 85 f. 295 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 84. 296 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 87. 297 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 90. 292

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

eine monetäre Staatsfinanzierung über den Primärmarkt wesentlich wären298. Die gemeinsame Geldpolitik dagegen darf schon wegen des Diskriminierungsverbots299 und den Grundsätzen des freien Wettbewerbs und des offenen Binnenmarktes nicht zwischen den Mitgliedstaaten des gemeinsamen Währungsraumes unterscheiden300. Des Weiteren lässt die Parallelität der OMT mit den finanzstabilitätspolitischen Programmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität und des Europäischen Stabilitätsmechanismus, die mit ihren Hilfskrediten unmittelbar zur Staatsfinanzierung beitragen, auf die Staatsfinanzierungswirkung der OMT schließen301. Die Staatsfinanzierungswirkung der OMT würde sich nicht nur auf die Liquiditätsbeschaffung des Fiskus beschränken, sondern auch dessen Verschuldungsumfang betreffen, sobald das Eurosystem (teilweise) auf die in Form von Staatsanleihen verbrieften Forderungen verzichtet302. Im Rahmen des OMT-Programms würde das Eurosystem sogar eine („pari passu“) Gleichbehandlung mit den übrigen Gläubigern des Fiskus akzeptieren303, so dass es automatisch von einem von einer Gläubigermehrheit beschlossenen Schuldenschnitt betroffen wäre304. Überdies geht das Eurosystem im Zuge der OMT durch gezielte Staatsanleihekäufe fiskalisch instabiler Staaten – vor allem auch zur finanzstabilitätspolitischen Entlastung von Bankbilanzen – erhöhte (vermeidbare) Verlustrisiken ein, die eine größere Wahrscheinlichkeit einer Verlustabschreibung infolge eines Schuldenschnitts aufweisen305. Bereits die Ankündigung der OMT hat die Finanzwirtschaftsakteure trotz der fiskalischen Instabilitäten zum Ersterwerb von Staatsanleihen veranlassen können, weil sie darauf hoffen, durch die (für den Fall der Zuspitzung der Fiskalinstabilitäten faktisch zugesicherte) Weiterveräußerung an das Eurosystem risikolose Profite zu vergleichsweise hohen Zinsen erzielen zu können306. Außerdem könnte das Eurosystem die Staatsanleihen im Rahmen der OMT von den die An298

Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 87. Vgl. Art. 2 und 9 EUV. 300 Vgl. K. A. Schachtschneider, Schriftsatz gegen die Staatsfinanzierung des ESZB und der EZB vom 13.11.2012, S. 26; C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 76; D. Murswiek, Gauweiler – Schriftsatz vom 11.10.2012, S. 23 f. 301 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 87. 302 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 88. 303 Vgl. EZB, Pressemitteilung vom 6. September 2012 zu den „Technical features of Outright Monetary Transactions“. 304 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 88. 305 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 89. 306 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 93 f. (m.w. N.), wobei das BVerfG den Begriff des Lender of Last Resort falsch verwendet, weil das Eurosystem den Preis für die Staatsanleihekäufe nicht kreditär, sondern endgültig als Bezahlung leistet, weshalb allenfalls vom Purchaser of Last Resort die Rede sein könnte. 299

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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leihen zeichnenden Finanzunternehmen auch im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Emission erwerben307. Die Zwischenschaltung der Finanzunternehmen diente dann lediglich der Umgehung des Verbots monetärer Staatsfinanzierung; wirtschaftlich wäre sie hingegen kostspielig und zwecklos. cc) Keine Rechtfertigung durch den Einfluss der Outright Monetary Transactions auf den geldpolitischen Transmissionsmechanismus Schließlich vermag auch die Möglichkeit einer Störung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus, der der Zentralbank grundsätzlich Einfluss auf das Preisniveau als deren vorrangiges Ziel ermöglicht, die OMT nicht zu rechtfertigen308. Nicht jeder Beitrag zur Preisstabilität ist allein deshalb geldpolitisch, weil die Preisstabilität das zentrale geldpolitische Ziel darstellt309. Jedes ökonomische Handeln hat (zumindest mittelbar) Einfluss auf das Preisniveau. Deshalb haben insbesondere fiskalische Instabilitäten regelmäßig Störungen des geldpolitischen Transmissionsmechanismus zur Folge, weil fiskalische Instabilitäten wegen des konnexen Verhältnisses zwischen Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik häufig mit finanziellen Instabilitäten privater Finanzwirtschaftsakteure einhergehen, wobei die Finanzinstabilitäten wiederum wegen der Verbindungen zwischen Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik in der Regel mit Störungen des Transmissionsmechanismus zusammentreffen310. Die Betroffenheit der Zentralbank gibt ihr aber nicht das Recht, in die Politikbereiche anderer Akteure überzugreifen. b) Zulassung minderwertiger Sicherheiten zur geldpolitischen Refinanzierung Die Europäische Zentralbank bewegt sich auch bei der Zulassung minderwertiger Sicherheiten zur geldpolitischen Refinanzierung auf Grundlage der Vorschriften des Kapitels 6 der Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 20.09. 2011 außerhalb ihres geldpolitischen Mandats. Die Zulassung minderwertiger Sicherheiten stellt wie die OMT ein Endlagerinstrument dar und weist primär finanzstabilitätspolitischen Charakter auf 311. Das Eurosystem wurde von den Mitgliedstaaten nicht mit dem Instrumentarium zur Hilfeleistung in Form von Emergency Liquidity Assistance ausgestattet, denn das Kreditinstrument nach Art. 18 Abs. 1 ESZB-Satzung darf vom Euro307

BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 92. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 95. 309 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 96. 310 Vgl. Kapitel D.II.2.c); beachte zudem den vom BVerfG zur Begründung herangezogenen „Banken-Staaten-Nexus“, BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, AbsatzNr. 97. 311 Vgl. Kapitel D.IV.; E.I.2.; E.II.1.; E.III.2. 308

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

system nur gegen (liquidisierbare) Sicherheiten durchgeführt werden312. Eine Verletzung ihres geldpolitischen Mandats durch die Europäischen Zentralbank dürfte aber schwierig festzustellen sein, da der Europäischen Zentralbank bei der Festlegung der Beleihungsfähigkeit von Sicherheiten bei der Zentralbank und der Bewertung der Angemessenheit von Sicherheiten im Rahmen des Art. 18 Abs. 1 ESZB-Satzung ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zukommt313. Überdies werden die Sicherheiten mangels Eigentum nicht wie die nach den OMT erworbenen Wertpapiere von einer Zentralbank des Eurosystems (in der Bilanz) gehalten, sondern die Verlustgefahr besteht nur für den Fall der Insolvenz des besichernden Kreditinstituts. Daher steht zu vermuten, dass eine Mandatsverletzung erst bei einer schwerwiegenden Abweichung des Marktwertes einer Sicherheit von ihrem Beleihungswert angenommen werden könnte. Jedoch sollte jedenfalls gegen das Erfordernis „ausreichender Sicherheiten“ des Art. 18 Abs. 1 ESZB-Satzung verstoßen worden sein, wenn, wie im Falle von griechischen Staatsschuldpapieren, Vermögenswerte mit einem Rating von niedrigstem Range akzeptiert werden, weil unter dem Erfordernis „ausreichender Sicherheiten“ vielmehr „werthaltige Gegenstände des Finanzvermögens . . . bester Bonität und Liquidität“ zu verstehen sind314. Vergeben die nationalen Zentralbanken dagegen auch ohne (hinreichende) Sicherheiten Notfallliquidität, dann führen sie eine nationale finanzstabilitätspolitische Aufgabe auf Grundlage von Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung aus315. Die Unterstützung von illiquiden Kreditinstituten als Lender of Last Resort im Wege von Emergency Liquidity Assistance stellt „anerkanntermaßen . . . eine nationale Aufgabe der nationalen Zentralbanken“ dar316. Solche Maßnahmen lassen sich auch nicht als finanzstabilitätspolitischer Beitrag zur Unterstützung der mitgliedstaatlich zuständigen Akteure nach Art. 127 Abs. 5 AEUV rechtfertigen, weil die Finanzierung von illiquiden Kreditinstituten nicht nur einen bloßen Unterstützungsbeitrag, sondern im Wesentlichen die Übernahme der finanzstabilitätspolitischen Aufgabe selbst bedeuten würde317. Notfallliquiditätshilfen auf Grundlage von Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung, die teilweise gänzlich ohne Sicherheiten gewährt werden, sollen in erster Linie die 312

Vgl. S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 229. Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 238, S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 225 f. 314 Vgl. C. Keller, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 18 ESZB-Satzung Rn. 240 u. 257; Siekmann, Missachtung rechtlicher Vorgaben des AEUV durch die Mitgliedstaaten und die EZB in der Schuldenkrise, S. 40. 315 Vgl. S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 229. 316 C. Steven, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 14 ESZB-Satzung Rn. 50. 317 Vgl. C. Steven, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 14 ESZBSatzung Rn. 50. 313

III. Endlagerung in der Europäischen Währungsunion

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begünstigten Kreditinstitute vor einer Zahlungsunfähigkeit bewahren, so dass sie primär der Finanzstabilitätspolitik und nicht primär der Geldpolitik zuzuordnen sein dürften. Zwar handeln dabei nationale Zentralbanken auf eigene Rechnung, aber auch die nationalen Zentralbanken müssen sich als Teil des Eurosystems (nicht zuletzt wegen der Verlustrisiken im Falle ihres Austritts) an die grundlegenden Prinzipien der Währungsunion wie das Verbot monetärer Staatsfinanzierung halten. Die Bundesbank als nationale Zentralbank darf in Wahrnehmung ihrer nationalen Aufgabe im Sinne des Art. 14 Abs. 4 ESZB-Satzung beispielsweise allenfalls kurzfristige Liquiditätshilfe und keine Solvabilitätshilfe leisten, die sie im Rahmen der Kreditgewährung letztlich nur vollständig durch eine ausreichende Besicherung vermeiden kann318. Bei jeder Kreditgewährung der Europäischen Zentralbank oder einer nationalen Zentralbank an ein insolventes Kreditinstitut, wenn also die (vermeintliche319) Liquiditätshilfe zur Solvabilitätshilfe wird, handelt es sich um die Finanzierung staatlicher Aufgaben und damit um einen Verstoß gegen das Verbot monetärer Staatsfinanzierung gemäß Art. 123 Abs. 1 AEUV, da die finanzstabilitätspolitische Unterstützung von Kreditinstituten – insbesondere durch Eigenkapitalhilfen – nach wie vor eine mitgliedsstaatliche, also von den Mitgliedstaaten zu finanzierende Aufgabe darstellt320. Eine Verbindung von der Zulassung minderwertiger Sicherheiten zur verbotenen monetären Erleichterung der Staatsfinanzierung lässt sich auch direkter herstellen, da die Beleihungswerte der Staatsschuldpapiere deutlich über deren Marktwerten liegen. Die Möglichkeiten zur Erleichterung der Staatsfinanzierung durch eine wohlwollende Bewertung der Beleihungsfähigkeit von Staatsschuldpapieren321 werden besonders im Rahmen der Eurorettungspolitik der Europäischen Zentralbank ersichtlich, bei der den Kreditinstituten in großem Umfang Liquidität zugeführt wird, die die Kreditinstitute (auch) zur Investition in Staatsschuldpapiere an Primär- und Sekundärmärkten einsetzen können (sollen). Dies führt zu einer positiven Rückkopplung, indem die Banken auf Grundlage der erworbenen Staatsanleihen als Sicherheit vom Eurosystem weitere Liquidität erhalten, mit der sie wiederum Staatsanleihen kaufen können. Insbesondere auf dem Se318 Vgl. Deutsche Bundesbank, Stellungnahme vom 21.12.2012, S. 22; S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 99 f., wobei die Autorin darauf hinweist, dass auch für Notfallkredite auf Grundlage von § 25 BBankG Sicherheiten erforderlich wären. 319 H. Remsperger, Zentralbankpolitik, S. 7 weist auf die EZB, Pressemitteilung vom 21. März 2013 hin, wonach ELA „could only be considered if an EU/IMF programme is in place that would ensure the solvency of the concerned banks“, weil sich damit mit dem Autor die Frage stellt, „ob bis zum 25. März ELA-Mittel an insolvente Banken in Zypern geflossen sind, und zwar in einer Größenordnung, die weit über die Hälfte des zyprischen Bruttoinlandsprodukts ausmachte“. 320 Vgl. S. Radtke, Liquiditätshilfen im Eurosystem, S. 139 u. 231. 321 Vgl. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 151, wobei nach dem Autor unklar ist, ob und in welcher Höhe diese Papiere mit Abschlägen bedacht werden.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

kundärmarkt mit Abschlägen auf den Nennwert erworbene Staatsanleihen, die vom Eurosystem in Höhe ihres Nennwerts als beleihungsfähig erachtet werden, erleichtern sowohl die Refinanzierung der Kreditinstitute bei der Zentralbank als auch die Staatsfinanzierung. Eigentlich müsste der Rat der Europäischen Zentralbank zudem nach Art. 14 Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 ESZB-Satzung die Unvereinbarkeit der Emergency Liquidity Assistance mit den Aufgaben und Zielen des Europäischen Systems der Zentralbanken feststellen, weil einzelne nationale Zentralbanken in solch großem Umfang Kredite gewähren, dass dadurch – ausweislich der TARGET2-Salden – die Liquiditätssteuerung des Eurosystems behindert wird322. Jedoch haben die Zentralbanken, die die Notfallliquiditätsmaßnahmen leisten, zusammen eine Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Stimmen, so dass mit einer solchen Feststellung praktisch nicht gerechnet werden kann. c) Europäischer Stabilitätsmechanismus mit Banklizenz als Vehikel Für das Mandat der Europäischen Zentralbank wäre ein dem Europäischen Stabilitätsmechanismus von den Mitgliedstaaten eingeräumtes Mandat zum Erwerb von finanziell destabilisierenden Vermögenswerten unerheblich. Das Mandat der Europäischen Zentralbank wäre dagegen betroffen, wenn das Vehikel vom Eurosystem im Rahmen der geldpolitischen Refinanzierung als Geschäftspartner anerkannt würde, um es für den Erwerb solcher Vermögenswerte zu refinanzieren. Zudem gilt das zur Zulassung minderwertiger Sicherheiten bei der geldpolitischen Refinanzierung Gesagte für die Besicherung der Refinanzierungskredite mit finanziell destabilisierenden Vermögenswerten durch das Vehikel entsprechend. Eine Überschreitung der Grenzen des geldpolitischen Mandats wäre jedenfalls anzunehmen, wenn der Europäische Stabilitätsmechanismus vom Eurosystem eine gegenüber anderen Kreditinstituten vorzugsweise Behandlung bei der Besicherung oder bei der Rückzahlung seiner Refinanzierungskredite erfahren würde. Außerdem wäre die Zwischenschaltung einer staatlich gesteuerten Zweckgesellschaft im privatwirtschaftlichen Gewande eine Umgehung des Verbots monetärer Staatsfinanzierung323; der Europäische Stabilitätsmechanismus mit Banklizenz wäre eher als öffentlich-rechtlicher Akteur im Sinne des Art. 123 Abs. 1 AEUV denn als Kreditinstitut einzuordnen324. Überdies besteht dessen 322 Vgl. C. Steven, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 14 ESZBSatzung Rn. 53. 323 Für den Europäischen Stabilitätsmechanismus müsste eine Ausnahmeregelung zu §§ 19 Nr. 1, 20 BBankG geschaffen werden, wenn auch die Deutsche Bundesbank an den Darlehen des Eurosystems an den Europäischen Stabilitätsmechanismus teilnehmen sollte, denn momentan wäre ihr eine Refinanzierung durch die genannten Vorschriften untersagt; vgl. indes Art. 32 Abs. 9 ESMV, s. H.-W. Sinn, Die Target-Falle, S. 326. 324 Vgl. W. H. Buiter/E. Rahbari, The ECB as Lender of Last Resort for Sovereigns in the Euro Area, S. 20.

IV. Die Finanzstabilitätsunion

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Endlagerfunktion ohne eigene Geldschöpfungsquelle des Vehikels wegen der Verpflichtung zur Rückzahlung der Zentralbankkredite am Ende der Laufzeit ohnehin nicht, auch wenn fiskalische Mittel zur Verfügung gestellt werden, außer die Kredite werden von der Zentralbank ad infinitum gewährt325. 7. Eurosystem ohne Funktion einer Bad Bank Das Eurosystem darf demnach de lege lata (weitestgehend) nicht über die erörterten Endlagerinstrumente verfügen. Auch wirtschaftliche Anreizgesichtspunkte tragen dieses Ergebnis. Zulässig wäre allenfalls die Endlagerung in einem beschränkten Umfang, der (vermutlich) nicht zur Fiskalstabilisierung und Finanzstabilisierung ausreicht. Ohne eine unbegrenzte Einsatzmöglichkeit der Zentralbankbilanzen als Endlager sollte den Endlagerinstrumenten des Eurosystems die finanzstabilisierende Wirkung und damit dem OMT-Programm durch (restriktive) Beschränkungen die ökonomische Wirksamkeit fehlen326. Es erscheint zweifelhaft, ob sich die Finanzwirtschaftsakteure von einem beschränkten Programm im gleichen Maße wie von der ursprünglichen Ankündigung des OMT-Programms beruhigen lassen, wenn sich die Finanzinstabilität abermals verschärfen sollte. Das Eurosystem ist von der Finanzstabilitätspolitik im Wesentlichen entkoppelt, weil das Eurosystem der Finanzstabilitätspolitik keine Unterstützung durch die Übernahme von Verlusten aus finanziell destabilisierenden Vermögenswerten zugunsten der Finanzwirtschaftsakteure leisten darf. Das Eurosystem darf daher nicht die Funktion einer Bad Bank übernehmen327. Ohne diese Funktion ist die Europäische Währungsunion finanziell noch instabiler verfasst, als sie es ohne Abwertungsmöglichkeiten trotz der Heterogenität der Volkswirtschaften ohnehin schon ist.

IV. Die Finanzstabilitätsunion: Souveränitätsbedeutsame Finanzstabilitätshoheit als Integrationsmoment des Europäischen Bundesstaats? Im Bemühen um die Wahrung der Finanzstabilität hat die Europäische Zentralbank wesentliche finanzstabilitätspolitische Kompetenzen an sich gezogen, obwohl ihr diese souveränitätsbedeutsamen Kompetenzen nicht einmal im Rahmen einer Änderung des Primärrechts der Europäischen Union übertragen werden könnten, solange die Mitgliedstaaten souverän bleiben (wollen). Aufgrund (ver325

Siehe Kapitel E.I.2.c); E.III.2.c). Vgl. K. A. Schachtschneider, Stellungnahme zum Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2014, S. 4. 327 Vgl. entsprechende Befürchtungen: A. Belke, Driven by the markets. ECB sovereign bond purchases and the Securities Markets Programme, S. 357 (363); D. Gros/ T. Mayer, How to deal with sovereign default in Europe, S. 2. 326

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

meintlicher) finanzstabilitätspolitischer Zwänge soll die Souveränität der Euromitgliedstaaten preisgegeben werden, weil sogar die Staaten den Primat des Finanziellen anerkennen. Durch die Hochzonung von (finanzstabilitätspolitischen) Aufgaben soll in der Europäischen Währungsunion der grenzüberschreitenden Finanzwirtschaft angemessen begegnet werden. Die Finanzstabilitätspolitik würde auf diese Weise zum entscheidenden Moment der Integration328 zum Europäischen Bundesstaat. Freilich kann entsprechend dieser Logik der Europäische Bundesstaat angesichts der (nahezu) globalen Kapitalverkehrsfreiheit auch nur ein Zwischenschritt hin zum Weltstaat sein. 1. Souveränitätsbegriff Der Begriff Souveränität beschreibt „die höchste Gewalt im Staat“ 329. Dabei gilt es im Allgemeinen zu bedenken, dass grundsätzlich alles menschliche Handeln Ausübung von Gewalt (Walten) ist, weil es die Welt für alle Menschen (mehr oder weniger) verändert330. Der Staat übt die Staatsgewalt aus, um sich im Staatsinnern durchzusetzen und sich nach außen zu schützen. Zur Verwirklichung dieser Zwecke ist dem Staat die erforderliche Macht, also die „Möglichkeiten des Handelns“, überantwortet331. „Nach wie vor ist die Souveränität ein unverzichtbares Element des Staates“ 332. In einem faktischen Verständnis wird der Souveränitätsbegriff mit Macht gleichgesetzt333. Wird der Begriff dagegen rechtlich verstanden, verleiht Souveränität die Befugnis „zu einer Macht, die sich gegenüber jeder anderen Macht durchzusetzen vermag“ 334. Macht ist ein Faktum im Sinne eines empirischen Phänomens, das in ständiger Spannung zum Prinzip des Rechts steht335. Der Unterschied zwischen beiden Ansätzen wird deutlich, wenn faktischer Souverän und 328 Ein Beispiel der integrativen Wirkung von finanzstabilitätspolitischen Kompetenzübertragungen verdeutlicht H. Remsperger, Zentralbankpolitik, S. 7: „Während früher die Zentralisierung der ELA im Eurosystem als Katalysator einer europäischen Bankenaufsicht gesehen wurde, heißt es heute umgekehrt, dass eine gemeinsame Bankenaufsicht die Zentralisierung der ELA bei der EZB beflügeln könnte“. 329 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 5. Teil Kapitel A.; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 50. 330 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 5. Teil Kapitel A.; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 54. 331 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 5. Teil Kapitel A.; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 50 u. 52. 332 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 5. Teil Kapitel A.; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 52. 333 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 5. Teil Kapitel A.; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 50. 334 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 5. Teil Kapitel A.; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 50. 335 K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 53.

IV. Die Finanzstabilitätsunion

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rechtlicher Souverän auseinanderfallen, das heißt, wenn die höchste Staatsgewalt von einem Akteur ausgeübt wird, der dazu nicht rechtlich legitimiert ist und damit unrechtmäßig handelt336. „Der Souverän steht über den Gesetzen, aber nicht über dem Recht“, denn er „ist souverän, um das Recht zu verwirklichen“ 337. Politische Stabilität ist dauerhaft nur zu erwarten, falls Faktizität und Legitimität sich vereinen. Würde der Souveränitätsbegriff bloß im faktischen Sinne verstanden, müssten mitunter Finanzunternehmen als Souverän bezeichnet werden, wenn sie als Gläubiger über die Macht verfügen, einem Staat vorzuschreiben, wie dieser seine Staatsgewalt auszuüben hat338. Daneben wäre nach dem Diktum C. Schmitts, wonach derjenige (faktisch) souverän ist, der über den Ausnahmezustand entscheidet339, die Zentralbank (finanziell) souverän, wenn sie entgegen der Gewaltenteilung ohne parlamentarische Mitsprache die Gewalt über die Endlagerinstrumente ausübt und damit über die Finanzkrise als (finanziellen) Ausnahmezustand zu entscheiden vermag340. 2. Souveränitätsbedeutsame Hoheitsrechte: Wesentliche Bestandteile staatlicher Souveränität Die Souveränität setzt wesentliche Elemente voraus, deren Verlust zum Verlust der Souveränität insgesamt führt (Identität der Verfassung341). Die Souveränität gebietet deshalb „substantielle Souveränitätsvorbehalte“ bei der Hoheitsrechtsübertragung auf internationale Akteure342. Es gibt souveränitätsbedeutsame Politiken, die für einen Staat den Verlust seiner Souveränität und damit seiner Eigenstaatlichkeit (existentiellen Staatlichkeit) zur Folge haben, wenn sie nicht mehr in der Regelungsgewalt – der Hoheitlichkeit – des Staates liegen. Dazu gehören die Verfassungshoheit und „die wesentliche Gesetzgebungs-, Vollzugs- und Rechtsprechungshoheit“ 343. Darüber hinaus zählen zu den souveränitätsbedeutsamen Politiken insbesondere auch die Geldpolitik und Fiskalpolitik, aber auch die Sozialpolitik344. Die souveränitätsbedeutsamen Hoheitsrechte als Wesensbestand336 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 5. Teil Kapitel A.; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 50. 337 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 5. Teil Kapitel A.; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 51. 338 K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 56. 339 C. Schmitt, Politische Theologie, S. 11. 340 Vgl. K. A. Schachtschneider, Schriftsatz gegen die Staatsfinanzierung des ESZB und der EZB vom 13.11.2012, S. 28. 341 Vgl. BVerfGE 123, 267 (Abs. 235 ff.). 342 BVerfGE 111, 307 (319); 123, 267 (Abs. 249 f.); K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 203. 343 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 4. Teil Kapitel F. II. 1. 344 Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 204; U. Di Fabio, Die Zukunft einer stabilen Wirtschafts- und Währungsunion, S. 12.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

teile staatlicher Souveränität hängen ebenso zusammen, wie die hinter ihnen stehenden Politikbereiche (zumindest mittelbar) miteinander verbunden sind345. Die Übertragung souveränitätsbedeutsamer Hoheitsrechte kennzeichnet das entscheidende Moment der europäischen Integration. „Die Hoheit ist die Freiheit des Volkes als die Willensautonomie seiner Bürger“ 346, die nicht von einem Hoheitsträger auf einen anderen übertragen werden kann oder durch Fusion von zwei Hoheitsträgern entstehen kann. Vielmehr entsteht ein neuer Hoheitsträger nur durch Gründung eines neuen Volkes347, wodurch uno actu der alte Hoheitsträger erlischt348. Bisher werden die Organe der Europäischen Union durch die Übertragung von Hoheitsrechten in die Organisation der nationalen Staatsgewalt integriert349. „Die daraus erwachsende Gemeinschaftsgewalt gehört zur jeweils nationalen Staatsgewalt und wird um der Rechtsgemeinschaft der Völker willen gemeinschaftlich ausgeübt. Sie ist somit nicht im eigentlichen Sinne supra-, sondern international“ 350. Demnach ist die Gemeinschaftsgewalt national legitimiert, da alle Staatsgewalt von den Völkern Europas ausgeht. Die weithin angenommene „autonome, eigenständige Rechtsordnung“, die einer „autonomen Rechtsquelle“ 351 entspringt, kann nach der derzeitigen Konstruktion der Europäischen Union nicht begründet werden und lässt sich nicht mit den Demokratien vereinbaren, deren Legitimationssubjekte nach wie vor die Völker Europas sind352. Die Fiskalhoheit als Staatsgewalt über die Fiskalpolitik darf demnach als Wesensbestandteil staatlicher Souveränität nicht auf die Europäische Union übertragen werden, solange die Europäische Union nicht als existentieller Staat gegründet wurde. Die fiskalpolitische Gesamtverantwortung muss bei den Parlamenten der Mitgliedstaaten bleiben, da die Entscheidungen über die fiskalpolitischen Instrumente „grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat“ sind und damit das parlamentarische Budgetrecht „ein zentrales Element der demokratischen Willensbildung“ darstellt353. Sowohl das Demo345

Vgl. Kapitel B.II. u. IV. K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, S. 554 (564). 347 Der Volksbegriff ist nicht ethnisch (wie im Deutschen, anders als im Französischen, zumeist der Nationenbegriff), sondern menschheitlich zu verstehen. Deshalb gehören zu einem Volk grundsätzlich „alle Menschen, die dauerhaft auf einem Gebiet wohnen“, s. K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 4. Teil Kapitel F. III. 2. 348 Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 201 ff. 349 K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (435). 350 Ebd. 351 EuGH v. 15.07.1964 – Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, S. 1251 (1270); BVerGE 22, 293 (296). 352 K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (435 f.), (m.w. N.). 353 BVerfGE 132, 195 (239) Abs. 106. 346

IV. Die Finanzstabilitätsunion

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kratieprinzip als auch das Wahlrecht des Bürgers354 würden verletzt, wenn das Parlament als fiskalpolitischer Akteur seine Kompetenzen zur „Festlegung über Art und Höhe der den Bürger treffenden Abgaben in wesentlichem Umfang“ sowie über „wesentliche Ausgaben des Staates“ aufgeben würde355. Als „notwendige Bedingung für die Sicherung politischer Freiräume“ muss der Gesetzgeber dauerhaft seine „Entscheidungen über Einnahmen und Ausgaben frei von Fremdbestimmung seitens der Organe und anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union“ treffen, so dass er einem „in seinen Auswirkungen nicht begrenzten Bürgschafts- oder Leistungsautomatismus nicht zustimmen darf, der – einmal in Gang gesetzt – seiner Kontrolle und Einwirkung entzogen ist“ 356. Damit wäre ein Fiskalausgleich – eine Transferunion – als Leistungsautomatismus ein Eingriff in die Fiskalhoheit und damit eine Verletzung der Souveränität der Mitgliedstaaten. Die Fiskalhoheit steht in engem Zusammenhang mit der Sozialhoheit, da die „Hoheit über den Haushalt . . . der Ort konzeptioneller politischer Entscheidungen über den Zusammenhang von wirtschaftlichen Belastungen und staatlich gewährten Vergünstigungen“ 357 ist. Auch der Sozialhoheit als Staatsgewalt über die Sozialpolitik kommt eine wesentliche Bedeutung für die staatliche Souveränität zu, weil es wesentliche Aufgabe des (Sozial-)Staates ist, die Verteilung der Wirtschaftsleistung und des Vermögens der Volkswirtschaft zu regeln358. Der freiheitliche Staat, die Republik, sucht die (Finanz-)Wirtschaft sozial und marktlich zu ordnen359. „Die Wirtschaft soll nach dem Privatheitsprinzip . . . bestmöglich privat sein“, was aber die staatliche Sorge für den wirtschaftlichen Erfolg nicht ausschließt360. Der Staat ist wegen der dienenden Funktion der Wirtschaft für das Gemeinwesen nicht berechtigt, „seinen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung aufzugeben, etwa weil er diese nicht mehr zu regulieren vermag“ 361. Der Staat ist aufgrund des Sozialprinzips „zur bestmöglichen Förderung der allgemeinen Wohlfahrt . . . unter Berücksichtigung der ökonomischen Erkenntnisse“ verpflichtet362. Das Sozialprinzip überträgt „dem Staat die Verantwortung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung“, weil das Wohlfahrtsziel des Staates „ohne wirtschaftliche Prosperität . . . keine Realisierungschance“ hat363. 354

Gem. Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 38 Abs. 1 GG. BVerfGE 123, 267 (361). 356 BVerfGE 132, 195 (239 oder Abs. 106); BVerfGE 129, 124 (180). 357 BVerfGE 123, 267 (361). 358 Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 169. 359 Siehe Kapitel B.V. 360 K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, S. 554 (554). 361 Ebd. 362 Ebd. 363 Ebd. 355

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

Das Sozialprinzip umfasst das Ziel gesamtwirtschaftlicher Stabilität364. Aufgrund der auf die Preisstabilität, als bloß eine der Säulen der gesamtwirtschaftlichen Stabilität365, beschränkten geldpolitischen Mandatsübertragung der Mitgliedstaaten auf die Europäische Zentralbank366 können Konflikte zwischen den geldpolitischen und sozialpolitischen Zielen auftreten, die kaum in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden können, weil das Mandat der Europäischen Zentralbank die übrigen sozialpolitischen Stabilitätsziele nicht umfasst367. Die Geldhoheit368, also die Staatsgewalt über die Geldpolitik, ist ebenfalls Wesensbestandteil der existentiellen Staatlichkeit und damit der Souveränität, weil die Geldpolitik erheblichen Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Stabilität einer Volkswirtschaft ausübt, das heißt „nicht nur auf die Preisstabilität, sondern auch auf die Beschäftigungslage, das Wachstum und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht“ 369. Ein Staat verliert einen wesentlichen Teil seiner Souveränität, wenn er die Geldpolitik aus seiner Verantwortung löst370. Die besondere Bedeutung der Geldpolitik für die staatliche Souveränität führt dazu, dass eine Vergemeinschaftung der Geldpolitik mangels Abwertungsmöglichkeit einzelner Volkswirtschaften auch die Fiskalunion und die Sozialunion und damit die existentielle Staatlichkeit der Europäischen Union in Form eines souveränen Europäischen Bundesstaats erforderlich macht, wenn an der Europäischen Währungsunion festgehalten werden soll371. Deshalb wurde auch schon vor Einführung der Währungsunion weithin kritisiert, dass die Übertragung der geldpolitischen Hoheitsrechte erst erfolgen könne, sobald eine umfassende Wirtschafts- und Sozialunion eingerichtet sei (Krönungstheorie)372. Trotz der Übertragung der geldpolitischen Hoheitsrechte auf die Europäische Zentralbank ist den Mitgliedstaaten infolge der nicht übertragenen Organisationshoheit und über die Finanzstabilitätspolitik – 364 K. A. Schachtschneider, Grundgesetzliche Rechtsprobleme der Europäischen Währungsunion, S. 451 (453). 365 Vgl. § 1 S. 2 StWG. 366 Vgl. Art. 127 Abs. 1 Satz 1 AEUV. 367 Vgl. K. A. Schachtschneider, Grundgesetzliche Rechtsprobleme der Europäischen Währungsunion, S. 451 (461). 368 Synonym verwendet wird der Begriff der Währungshoheit. 369 K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 177; vgl. BVErfGE 89, 155 (200 ff.); 97, 350 (370 ff.). 370 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 9. Teil Kapitel B. III. 8. a); ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 250. 371 K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (444); ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 178 u. 182; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 248. 372 Vgl. W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (225 ff.); K. Biedenkopf, Das Euro-Experiment – Vollendung der Integration oder Überforderung der Union?, S. 33 (41), der von einer „Schrittmacherfunktion“ spricht, die die Politische Union „als Lokomotive gewissermaßen herbeizwing(t)“.

IV. Die Finanzstabilitätsunion

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wie beispielsweise den Europäischen Stabilitätsmechanismus – noch ein substantieller Einfluss auf die Geldpolitik verblieben373. 3. Divergenz von Geldhoheit und Finanzstabilitätshoheit als finanzielle Instabilität Neben der Fiskalhoheit, Sozialhoheit und Geldhoheit gibt es als weiteren Wesensbestandteil staatlicher Souveränität die Finanzstabilitätshoheit als Staatsgewalt über die Finanzstabilitätspolitik. Für die eigene volkswirtschaftliche Entwicklung und allgemeine Wohlfahrt ist die Finanzstabilität von so entscheidender Bedeutung, dass die Staatsgewalt über die (stabilisierende) Ordnung des Finanzsystems und über die wesentlichen finanzstabilitätspolitischen Instrumente – vor allem über die Endlagerinstrumente – nicht aufgegeben werden kann, ohne dass ein wesentlicher Souveränitätsbestandteil verloren ginge374. Nur ein im faktischen Sinne souveräner Staat vermag es, die Finanzstabilität zu gewährleisten; wobei jedoch nur ein im rechtlichen Sinne souveräner Staat die Finanzstabilität verantworten darf. Die wesentliche Bedeutung der Finanzstabilitätshoheit für die staatliche Souveränität lässt sich durch die starken Wechselwirkungen zwischen der Geldpolitik, der Fiskalpolitik und der Finanzstabilitätspolitik und durch die umverteilende und damit sozialpolitische Dimension der Finanzstabilitätspolitik begründen. Die Finanzstabilitätspolitik hat einen derart großen Einfluss auf die anderen Politiken, dass die Fiskalhoheit, die Sozialhoheit und die Geldhoheit nicht Wesensbestandteil staatlicher Souveränität sein können, ohne dass es die Finanzstabilitätshoheit nicht auch wäre. Die Eurorettungspolitik hat gezeigt, dass die internationale Anwendung finanzstabilitätspolitischer Instrumente zu Eingriffen in souveränitätsbedeutsame Hoheitsrechte führt. Vor allem die fiskalpolitische Kontrolle der Nehmerländer durch die Gläubiger – wie sie beispielsweise die Europäische Zentralbank im Rahmen der Troika ausübt375 – ist zwar wirtschaftlich nachvollziehbar, aber eine Verletzung des Demokratieprinzips und der Souveränität der fiskalpolitisch kontrollierten Nehmerländer376. Vor allem die Konditionalität der finanzstabilitätspolitischen Hilfen führt zur faktischen Kontrolle der Fiskalpolitik durch andere Akteure als den nach demokratischen Prinzipien erforderlichen Akteur, das Par-

373 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 9. Teil Kapitel B.III.8.a); ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 248. 374 Vgl. zur Berührung des Souveränitätsvorbehalts durch die Übertragung der Bankenaufsicht: U. Di Fabio, Die Zukunft einer stabilen Wirtschafts- und Währungsunion, S. 8. 375 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 67. 376 K. A. Schachtschneider, Die Souveränität Deutschlands, S. 308.

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

lament377. Aber auch umgekehrt entstehen durch die finanzstabilitätspolitischen Unterstützungsmaßnahmen demokratiewidrige Verknüpfungen, indem der fiskalpolitische Spielraum der Gläubigerstaaten durch die Haftungsmechanismen abhängig wird von der fiskalpolitischen Entwicklung der Schuldnerstaaten378. Die Haftungsmechanismen tragen die Züge eines Fiskalausgleichs und haben das Potential, die Fiskalunion zu begründen, das sich spätestens im Haftungsfall materialisiert. Von den Haftungsverpflichtungen des Europäischen Stabilitätsmechanismus können die Handlungsmöglichkeiten der Gesetzgeber zukünftiger Legislaturperioden stark beschränkt werden. Für die Zulässigkeit der Haftung zukünftiger Gesetzgeber für die Verpflichtungen vergangener Legislaturperioden ist es entscheidend, „dass die Gesamtverantwortung mit ausreichenden politischen Freiräumen für Einnahmen und Ausgaben noch im Deutschen Bundestag getroffen werden kann“ 379. „Eine unmittelbar aus dem Demokratieprinzip folgende Obergrenze für die Übernahme von (Anm. d. Verf.: finanzstabilitätspolitischen) Gewährleistungen könnte nur überschritten sein, wenn sich im Eintrittsfall die Gewährleistungen so auswirkten, dass die Haushaltsautonomie jedenfalls für einen nennenswerten Zeitraum nicht nur eingeschränkt würde, sondern praktisch vollständig leerliefe“ 380. Jedoch sind die Spielräume, in denen sich die Haushaltsautonomie materialisieren könnte, bereits weitgehend durch langfristige Ausgabenverpflichtungen eingeschränkt381. Die Konditionalität der finanzstabilitätspolitischen Hilfen durch die Troika betrifft aber nicht nur die Fiskalhoheit, sondern als Austeritätspolitik auch die Sozialhoheit, weil neben den Lohnsenkungen für den öffentlichen Dienst weitgehende fiskalpolitische Ausgabenkürzungen für Sozialleistungen wie Rentenkürzungen vereinbart wurden382. Überdies können die finanzstabilitätspolitischen Instrumente zu erheblichen Umverteilungseffekten zwischen den Wirtschaftsakteuren führen. Im Rahmen der Eurorettungspolitik wurden Verlustrisiken aus Geschäften von Finanzunternehmen – zum Beispiel durch die Abwicklung eines Kreditinstituts über eine Bad Bank – oder Verlustrisiken infolge der Absicherung der Insolvenzrisiken von Finanzunternehmen über Bürgschaften auf den Fiskus übertragen, so dass das Eigentum der Unternehmensinhaber auf Kosten der 377 Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik, S. 165. 378 Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik, S. 165. 379 BVerfGE 123, 267 (Abs. 256). 380 BVerfG, 2 BvR 987/10 vom 07.09.2011, Absatz-Nr. 135. 381 Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik, S. 164. 382 Vgl. K. A. Schachtschneider, Stellungnahme zum Vorlagebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2014, S. 2.

IV. Die Finanzstabilitätsunion

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steuerzahlenden Bürgerschaft geschützt wurde. Zudem könnten die Hilfskredite zwischen den Staaten dazu führen, dass unzureichende Steuereinnahmen eines Staates schließlich (mittelbar) zu Sozialleistungskürzungen in einem anderen, haftenden Staat führen. Darüber hinaus verdeutlichen in der Europäischen Währungsunion die Endlagerinstrumente nicht nur die Umverteilungswirkungen (zwischen den Volkswirtschaften), sondern auch die Bedeutung der Geldhoheit für die Finanzstabilitätshoheit. Ohne Geldhoheit hat ein Staat nicht den Zugriff auf die Zentralbankbilanz, den er für die Anwendung des wirksamsten finanzstabilitätspolitischen Instruments bräuchte. Dagegen kann die Zentralbank ohne Finanzstabilitätshoheit ihres Trägers nicht mit einem finanzstabilitätspolitischen Mandat ausgestattet werden, um die Endlagerinstrumente anwenden zu dürfen. Infolge der Divergenz der Trägerschaft von Geldhoheit und Finanzstabilitätshoheit kann das Finanzsystem nicht über die Endlagerinstrumente stabilisiert werden und ist insoweit instabil verfasst. Die Europäische Währungsunion wäre demzufolge nur finanziell stabil zu verfassen, wenn sie von einer Finanzstabilitätsunion begleitet würde; denn in einer Währungsunion dürfen die Endlagerinstrumente nur im Rahmen einer Finanzstabilitätsunion angewendet werden. Die Europäische Währungsunion ist finanziell instabil verfasst, weil die Mitgliedstaaten weiterhin die Finanzstabilitätshoheit innehaben und der Europäischen Zentralbank daher kein finanzstabilitätspolitisches Mandat übertragen wurde. Die Ausübung der Geldhoheitsrechte hätte daher erst auf die Europäische Union „übertragen“ werden sollen, sobald eine umfassende Wirtschafts- und Sozialunion eingerichtet wurde, und damit auch erst, sobald eine Finanzstabilitätsunion verfasst worden ist (modifizierte Krönungstheorie). 4. Konsequenzen der Divergenz von Geldhoheit und Finanzstabilitätshoheit Die Mitgliedstaaten und die Europäische Union können mit der Divergenz der Geldhoheit und der Finanzstabilitätshoheit auf mehrere Weisen verfahren: Der aktuelle Zustand kann einerseits beibehalten werden oder die Geldhoheit und die Finanzstabilitätshoheit können andererseits entweder auf der Ebene der Mitgliedstaaten oder auf Ebene der Europäischen Union vereint werden. a) Formale Trennung der Hoheiten In der Europäischen Währungsunion dürfen die Endlagerinstrumente von der Europäischen Zentralbank nicht angewendet werden, solange die Trennung der Geldhoheit und der Finanzstabilitätshoheit aufrechterhalten bleibt. Die beteiligten Volkswirtschaften müssen in diesem Falle die Schadensgefahren und Kosten in Kauf nehmen, die ohne die Finanzstabilisierung durch die

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

Endlagerinstrumente entstehen können, wenn die Europäische Zentralbank die Grenzen ihres geldpolitischen Mandats respektieren soll. Die Mitgliedstaaten, denen ihre Finanzstabilitätshoheit erhalten bleibt, haben mithilfe der übrigen finanzstabilitätspolitischen Instrumente für eine bestmögliche Verfassung des Finanzsystems zu sorgen. Wendet die Europäische Zentralbank die Endlagerinstrumente auch ohne eigenes finanzstabilitätspolitisches Mandat an, übt sie die Finanzstabilitätshoheit insoweit faktisch aus und führt dadurch faktisch eine Finanzstabilitätsunion herbei. Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung383 dürfen die Organe der Europäischen Union keine Kompetenzen an sich ziehen. Sollte die Europäische Zentralbank die finanzstabilitätspolitische Staatsgewalt faktisch ausüben, würde sie sich eine Kompetenz anmaßen und die Finanzstabilitätshoheit der Mitgliedstaaten und damit auch deren Souveränität im rechtlichen Sinne verletzen. Eine Anmaßung von Finanzstabilitätshoheit durch die Europäische Zentralbank kann in Deutschland als offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung von jedem Bürger vor dem Bundesverfassungsgericht als Verletzung seines subjektiven Wahlrechts384 geltend gemacht werden385. Dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung obliegt im Übrigen die Verantwortung zur Bewahrung der Verfassungsidentität, also gegebenenfalls „nicht nur aktive Mitwirkungs- und Umsetzungshandlungen zu unterlassen, sondern aktiv auf die Einhaltung des Integrationsprogramms hinzuwirken“ und „mit rechtlichen oder mit politischen Mitteln auf die Aufhebung vom Integrationsprogramm nicht gedeckter Maßnahmen hinzuwirken sowie . . . die innerstaatlichen Auswirkungen der Maßnahmen so weit wie möglich“ zu begrenzen386. Zumal die Europäische Zentralbank auch im Rahmen ihrer Rolle als Teil der Troika bei der Anordnung strenger Auflagenprogramme für die Schuldnerstaaten eine finanzstabilitätspolitische Rolle einnimmt und vor allem in deren Fiskalhoheit übergreift. Außerdem soll die Europäische Zentralbank mit bankenaufsichtsrechtlichen Befugnissen ausgestattet werden, auf Grundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV, der lediglich für „besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute“ eine Rechtsgrundlage bietet und nicht für die Bankenaufsicht selbst, obwohl die Bankenaufsicht als zentrales finanzstabilitätspolitisches Instrument zum Kernbereich der Finanzstabilitätshoheit gehört und damit möglicherweise nicht ohne Souveränitätsaufgabe der Mitgliedstaaten auf die Europäische Union übertragen werden könnte387. 383

Gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EUV. Gem. Art. 38 Abs. 1 GG. 385 Vgl. BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 33 u. 36 ff. 386 BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 49. 387 Vgl. C. Waldhoff, in: H. Siekmann (Hrsg.), Kommentar zur EWU, Art. 127 AEUV Rn. 72. 384

IV. Die Finanzstabilitätsunion

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Die Übertragung der geldpolitischen Kompetenzen könnte sich als großes Integrationsmoment erweisen, da im Rahmen einer gemeinsamen Geldpolitik jede finanzielle Instabilität der Europäischen Zentralbank eine Veranlassung zur Ausübung der faktischen Finanzstabilitätshoheit – vor allem über den Einsatz der Endlagerinstrumente – gibt. Die Währungsunion könnte faktisch die Finanzstabilitätsunion zur Folge haben, weil die finanzielle Stabilisierung in einer Währungsunion nur im Verbund zu gelingen scheint. Die Integration der Europäischen Union von einer Fiskalunion und Sozialunion hin zu einer Währungsunion, wie er in der Volkswirtschaftslehre als (modifizierte388) Krönungstheorie389 konzipiert wird, war politisch nicht durchsetzbar390. Nun könnte die Europäische Union (faktisch) umstrukturiert werden, um die finanzstabilitätspolitische Union in umgekehrter Abfolge zu verwirklichen391. Insbesondere im Falle der Materialisierung der Finanzstabilitätsgefahren als wirtschaftlicher Schaden würde die Finanzstabilitätsunion faktisch die Fiskalunion und die Sozialunion zur Folge haben. Die Finanzstabilitätsunion ist deshalb ein wesentliches Merkmal des europäischen Bundesstaats, der letztlich faktisch über die gemeinsame Geldpolitik herbeigeführt würde. b) Zusammenführung der Hoheiten auf Ebene der Mitgliedstaaten: Austritt aus der Währungsunion Solange die Währungsunion finanziell instabil verfasst ist und die Stabilisierung durch die Verfassung eines Europäischen Bundesstaats politisch nicht durchsetzbar ist, kann der Instabilitätszustand legaliter nur durch die Neuordnung oder die Abwicklung der Währungsunion beseitigt werden392. Eine Beendigung der für Deutschland unterbewerteten Gemeinschaftswährung wäre für die exportorientierte deutsche Wirtschaft zunächst volkswirtschaftlich nachteilig, aber langfristig wäre Deutschlands Finanzsystem insoweit stabilisiert. Für Volkswirtschaften mit Leistungsbilanzdefiziten wäre eine Beendigung dagegen auch kurzfristig vorteilhaft, da sie ihre Wettbewerbsfähigkeit durch die Wiedererlangung der Abwertungsmöglichkeit zumindest preislich wieder herstellen könnten. Ferner wäre deren Finanzsystem stabiler verfasst, weil Verschuldungsanreize wegfielen und sowohl die Geldpolitik als auch die Finanzstabilitätspolitik wieder optimal auf die eigenen volkswirtschaftlichen Bedürfnisse zugeschnitten 388

Siehe Kapitel E.IV.3. a. E. Vgl. W. Hankel, Euro – Der Integrationsbruch, S. 191 (225 ff.). 390 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 9. Teil Kapitel B.III.8.b); ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 252. 391 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 9. Teil Kapitel B.III.8.b); ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 252. 392 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, S. 554 (558). 389

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

werden könnten. Alle Volkswirtschaften erhielten ihre Endlagerinstrumente zur freien Verfügung zurück; in Anbetracht der durch sie möglicherweise hervorgerufenen Folgewirkungen muss eine Anwendung der Endlagerinstrumente in Zeiten finanzieller Instabilitäten nicht ratsam sein, aber die Staaten könnten im Rahmen der Abwägung möglicher Stabilisierungsmaßnahmen die Endlagerinstrumente wieder einbeziehen. Jedoch würden für alle an der Gemeinschaftswährung beteiligten Volkswirtschaften erhebliche Umstellungskosten unvermeidlich sein393. Jeder Staat muss im Rahmen einer Abwägung von Kosten und Nutzen und in Anbetracht der Beschränkungen seiner Souveränität politisch selbst entscheiden, ob er dem gemeinsamen Währungsgebiet weiter angehören möchte. Ein Austritt wäre rechtlich möglich394. Ein Staat kann gegenüber anderen Staaten keine Verbindlichkeiten entgegen seiner (existentiellen) Staatlichkeit eingehen, weil er dadurch seine Souveränität preisgeben würde und damit aufhört ein selbständiger Staat zu sein395. Wenn ein Staat nicht mehr imstande ist, sich aus einem Staatenverbund in Form einer Währungsunion zu lösen, hätte er sich mit den anderen Verbundstaaten zu einem neuen Staat verbunden, der eine parallele (Weiter-) Existenz des alten Staates ausschließt396. Nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker397 behält „jeder Staat, solange er ein Staat (im existentiellen Sinne) ist, die Hoheit, seine Politik selbst zu bestimmen“ 398. Begibt sich ein Volk in eine gemeinschaftliche Organisation, um im Wege der Hoheitsrechtsübertragung Staatsgewalt gemeinschaftlich auszuüben, kann es diese gemeinschaftliche Organisation der Staatsgewaltausübung wieder aufgeben, weil es aufgrund seiner existentiellen Staatlichkeit immer die Organisationshoheit behält, da alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht399. Die Organisationshoheit eines Staates wird erst auf einen neuen Staat übertragen, sobald ein neuer Staat gegründet wurde, indem sich „eine andere Menge von Menschen, ein anderes Volk, sich zu einem (existentiellen) Staat verfaßt hat, der die Organisationshoheit innehat“ 400. Demnach kann die Übertragung der geldpolitischen Hoheitsrechte wieder ex nunc aufgeho-

393 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 9. Teil Kapitel B.III.8.b); ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 253. 394 Vgl. BVerfGE, 89, 155 (204); K. A. Schachtschneider, Verfassungsrecht der Europäischen Union. Teil 2, S. 181; M. Seidel, Der Euro – Schutzschild oder Falle?, S. 24. 395 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, S. 554 (563). 396 K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, S. 554 (564). 397 Vgl. Art. 1 Nr. 2 UN-Charta. 398 K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, S. 554 (564). 399 K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, S. 554 (564). 400 Ebd.

IV. Die Finanzstabilitätsunion

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ben werden („umkehrbare Selbstbindung“ 401)402. Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls ein Recht zum Austritt aus der Gemeinschaft eines Mitgliedstaates im Falle des Scheiterns der Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft angenommen403. Trotz seiner völkerrechtlichen Zulässigkeit kann der Austritt auch europarechtlich geregelt werden. Die konsensuale Neuordnung des Währungsgebiets ist im Wege eines Vertragsänderungsverfahrens möglich, der eigenmächtige Austritt eines Mitgliedstaats ist dagegen umstritten404. Mittlerweile bietet das Austrittsrecht der Mitgliedstaaten aus der Europäischen Union nach Art. 50 EUV ein argumentum a maiore ad minus für die Zulässigkeit des Austritts aus der Währungsunion405. Ein nur auf die Währungsunion beschränkter Austritt könnte als milderes Mittel zulässig sein, da das Primärrecht der Europäischen Union sogar ein Austrittsrecht aus der gesamten Gemeinschaft anerkennt. Ansonsten müsste ein Mitgliedstaat aus der Europäischen Union insgesamt austreten, wenn er seine Geldhoheit zurückzuerlangen sucht406. c) Zusammenführung der Hoheiten auf Ebene der Europäischen Union: die Finanzstabilitätsunion Die Divergenz von Geldhoheit und Finanzstabilitätshoheit könnte auch durch eine Übertragung der (rechtlichen) Finanzstabilitätshoheit auf die Europäische Union beseitigt werden. Gleichzeitig müsste die Europäische Zentralbank ein finanzstabilitätspolitisches Mandat erhalten, wobei in die Anwendung der Endlagerinstrumente die Legislative entsprechend der Wesentlichkeitslehre einbezogen werden sollte407. Auf diese Weise würde nicht nur eine faktische, sondern auch eine rechtliche 401

BVerfGE 123, 267 (Abs. 233). Dieses Ergebnis steht im Spannungsverhältnis zur dualistischen Völkerrechtslehre (insbesondere dem pacta sunt servanda-Grundsatz des Art. 26 WVRK), wobei sich aber aus Art. 56 Abs. 1 lit. b) WVRK eine Beendigung in Anbetracht der vorgetragenen Aspekte begründen lässt, vgl. K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, S. 554 (564). 403 Vgl. BVerfGE 89, 155 (190). 404 Vgl. J. Dammann, The Right to Leave the Eurozone, S. 125 (153), der ein Austrittsrecht für den Fall fordert, dass die Maastricht-Kriterien nicht mehr erfüllt werden. 405 Vgl. zu einem Schluss e contrario: J. Dammann, The Right to Leave the Eurozone, S. 125 (142). 406 Vgl. P. Athanassiou, Withdrawal and expulsion from the EU and EMU, S. 39 f., der ein Austrittsrecht aus der Währungsunion ablehnt, da sonst eine „Rosinenpickerei“ der EU-Mitgliedstaaten zu fürchten sei; sowie J. Dammann, The Right to Leave the Eurozone, S. 125 (130 f.), zumal das Primärrecht grundsätzlich eine Pflicht zur Teilnahme an der Währungsunion auferlegt, die aber nur für den Fall der Einhaltung der Maastricht-Kriterien gelten soll, S. 137 ff. 407 Vgl. Kapitel E.II.3.b). 402

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

Finanzstabilitätsunion entstehen. Für diese Hoheitsrechtsübertragungen müsste nicht nur das Primärrecht der Europäischen Union geändert werden, was die Zustimmung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfordert, sondern auch das Grundgesetz durch eine neue deutsche Verfassung ersetzt werden, weil die Übertragung der Finanzstabilitätshoheit als souveränitätsbedeutsamer Wesensbestandteil der deutschen Staatsgewalt die Integrationsgrenzen des Art. 79 Abs. 3 GG überschreitet. Die Übertragung der Finanzstabilitätshoheit in Form der wesentlichen finanzstabilitätspolitischen Kompetenzen – vor allem zur Anwendung der Endlagerinstrumente – berührt das Demokratieprinzip, das Bundesstaatsprinzip und das Sozialprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG, die allesamt nach Art. 79 Abs. 3 GG zum unantastbaren Kerngehalt des Grundgesetzes gehören. Die in Art. 79 Abs. 3 GG zugrundegelegten Strukturprinzipien der Verfassung sind „einer Abwägung nicht zugänglich“, weil Art. 79 Abs. 3 GG eine „absolute Grenze“ der Integration unter Geltung des Grundgesetzes markiert408. Das Demokratieprinzip ist in seinem Kern betroffen, weil die finanzstabilitätspolitischen Instrumente zu einer Haftung des Fiskus in einem Umfang führen können, welche die Haushaltsverantwortung des Bundestags faktisch aufhebt. Außerdem könnte die Europäische Union, wie es das Beispiel der Troika zeigt, fiskalpolitische Auflagen machen und Bedingungen stellen, um Staatshaushalte und damit aufgrund des Banken-Staaten-Nexus das Finanzsystem zu stabilisieren. Überhaupt ist die (Volks-)Souveränität mit dem demokratischen Prinzip verbunden409. Ferner würde das Bundesstaatsprinzip preisgegeben, wenn die Europäische Union mit den wesentlichen finanzpolitischen Hoheitsgewalten zum (echten) Bundesstaat aufgewertet würde410. Die Bundesrepublik Deutschland hingegen verliert ihre Bundesstaatseigenschaft, sobald sie selbst zum bloßen Glied eines (echten) Bundesstaats Europa wird. Darüber hinaus wäre das Sozialprinzip wegen der erheblichen Umverteilungseffekte infolge reaktiver finanzstabilitätspolitischer Instrumente betroffen. Es steht zu erwarten, dass infolge des politischen Primats des Finanziellen vor allem die Eigentümer großer Finanzunternehmen finanzstabilitätspolitische Hilfe in einem Umfang erhalten werden, der schließlich auf Kosten der Steuerzahler und damit auf Kosten der Sozialleistungstransferempfänger finanziert werden muss. Es wird versucht, eine solche Finanzpolitik mit einer pareto-optimalen Verteilung der gesamtwirtschaftlichen Ressourcen zu rechtfertigen, zumal damit auch die

408

BVerfG, 2 BvR 2728/13 vom 14.01.2014, Absatz-Nr. 29 (m.w. N.). Vgl. BVerfGE 123, 267 (Abs. 248 u. 281); K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 1. Teil, Kapitel A. 410 Vgl. BVerfGE 123, 267 (Abs. 179). 409

IV. Die Finanzstabilitätsunion

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allgemeinen gesellschaftlichen Zustände bewahrt und stabilisiert werden. Jedenfalls handelt es sich bei der wirtschaftlichen Ressourcenverteilung um eine der grundlegenden Fragen der Wirtschaftsordnung, die vom existentiellen Staat verantwortet werden muss, solange dieser die Verwirklichung des Sozialprinzips zu gewährleisten versucht. Deshalb verbietet das aus dem Sozialprinzip abgeleitete Stabilitätsprinzip eine europäische Integration, die nur auf Kosten der gesamtwirtschaftlichen Stabilität Deutschlands zu erreichen ist411. Die Finanzstabilitätsunion könnte daher nur im Wege einer neuen Verfassung herbeigeführt werden, die über ein Referendum nach Art. 146 GG geschaffen werden kann, weil die Integrationsgrenzen des Grundgesetzes ein im Rahmen des Grundgesetzes unüberwindbares rechtliches Hindernis darstellen412. Die Übertragung der Souveränität Deutschlands „auf ein neues Legitimationssubjekt (ist) allein dem unmittelbar erklärten Willen des Deutschen Volkes vorbehalten“ 413. Die Aufgabe des alten Staates und Volkes und die Gründung eines neuen Staates und Volkes bedarf höchster Legitimation, denn kein anderes Subjekt als das Volk selbst könnte diese grundsätzliche Entscheidung treffen, mit der es schließlich auch (vereint oder getrennt) zu leben hat. Auf eine Volksabstimmung dürfte es in Deutschland ohnehin nicht ankommen, weil auf absehbare Zeit damit zu rechnen ist, dass zumindest eines der europäischen Völker seine Zustimmung zur Änderung der Verträge zur Aufwertung der Europäischen Union zum (echten) souveränen Bundesstaat unter Aufgabe der eigenen existentiellen Staatlichkeit verweigern wird. Eine (umfassende) europäische Staatsgewalt kann es ohne ein europäisches Volk nicht geben, so dass die nationalen Staatsgewalten lediglich gemeinschaftlich ausgeübt werden können414. „Ein europäisches Volk im nationalen Sinne, welches als solches die staatliche Einheit im existentiellen Sinne aufgrund des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts beanspruchen kann, gibt es jedenfalls nach allgemeiner Auffassung bisher nicht“ 415. Laut den Europäischen Verträgen „ist es der Wille der Mitgliedstaaten, in dem Staatenverbund als einem Föderalismus freier Staaten, in einer Republik der Republiken also, zu leben“ 416. Beim Staatenverbund bleiben die Mitgliedstaaten im Gegensatz zum europäischen 411 K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, S. 554 (556). 412 Vgl. K. A. Schachtschneider, Grundgesetzliche Rechtsprobleme der Europäischen Währungsunion, S. 451 (462). 413 BVerfGE 123, 267 (Abs. 228). 414 K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, S. 554 (559). 415 K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (445); vgl. K. Biedenkopf, Das Euro-Experiment – Vollendung der Integration oder Überforderung der Union?, S. 33 (33); BVerfGE 123, 267 (Abs. 286). 416 K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (445).

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E. Implikationen für das finanzstabilitätspolitische Mandat

Bundesstaat souverän, so dass ihre Völker, also die staatsangehörigen Bürger, „die Subjekte demokratischer Legitimation bleiben“ 417. Die größte Schwierigkeit des Integrationsprozesses ist es, das richtige Verhältnis zwischen politischer Vergemeinschaftung und der politischen Freiheit der in Völkern lebenden Europäer, aus der sich die Prinzipien der Demokratie und Souveränität ergeben, zu wahren418. Eine europäische Republik ließe sich auch nur „mit Rücksicht auf die nationalen Verhältnisse“ aufbauen419. Die europäischen Völker haben ihre existentielle Staatlichkeit gewahrt, weil sie nach den verheerenden Kriegen zunächst zueinander Vertrauen finden mussten420. Vertrauen unter den Völkern, das einen Europäischen Bundesstaat tragen könnte, scheint noch nicht in ausreichendem Maße gewonnen zu sein421. Der Versuch, den Europäischen Bundesstaat voreilig zu errichten, „birgt das Risiko der erneuten Entfremdung der Völker“ und des Scheiterns „des für den Frieden als die allgemeine Freiheit richtigen Integrationswerkes“ 422. Das Prinzip der kleinen Einheit423 ist ein Strukturprinzip der freiheitlichen Republik und wird bestmöglich durch Föderalität und Subsidiarität gewahrt424. Große Staaten müssen wegen des Demokratieprinzips kommunalisiert sein425. In der Demokratie muss jeder Bürger die Möglichkeit haben, in effektiver Weise Einfluss auf den politischen Willensbildungsprozess zu nehmen426. Deshalb müssen die Bürger ihre Repräsentanten in den Staatsorganen „kennen können und selbst wählen“ 427. Der politische Willensbildungsprozess kann nur diskursiv sein, wenn sich die Bürger untereinander verständigen können, wofür in der Regel eine gemeinsame Sprache eine Voraussetzung ist428. Bis heute sind vor allem die verschiedenen Sprachen der Völker Europas ein Argument für ihre eigenständige Staatlichkeit429. Auch wenn sich die Lebensverhältnisse in der Europäischen Union angenähert haben, sind die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede (noch) zu gewichtig, um einen einheitlichen Bundesstaat samt seinen Konsequen417

BVerfGE 123, 267 (Abs. 229). K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (423). 419 K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (444). 420 Ebd. 421 Ebd. 422 K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (444 f.). 423 Vgl. J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, S. 73. 424 K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (445 f.). 425 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 7. Teil Kapitel B.VI.; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 241. 426 K. A. Schachtschneider, Freiheitliche Souveränität, 7. Teil Kapitel B.VI.; ders., Die Souveränität Deutschlands, S. 242. 427 Ebd. 428 Ebd. 429 K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (440). 418

IV. Die Finanzstabilitätsunion

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zen wie die Fiskalunion und die Sozialunion begründen und finanzieren zu können430. Die politische Integration ist nicht etwa allein wegen des gemeinsamen Wirtschaftsmarktes erforderlich, denn gerade das Gemeinschaftsrecht und die Weltwirtschaftsordnung erweisen, dass große Märkte sich nicht nur durch einen großen Staat ordnen lassen431. Entsprechend der globalistischen Logik wäre der europäische Bundesstaat ohnehin nur ein Zwischenschritt zum Weltstaat; aber große „Staaten können nicht demokratisch sein, schon gar nicht ein Weltstaat. Ein Weltmarkt muss kein Weltstaat werden“ 432; eine völkerrechtliche Koordination von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik kann genügen433. „Die Teilung der Welt in viele Völker und Staaten ist ein wesentlicher Beitrag zur freiheitssichernden Gewaltenteilung“, zumal kleine Einheiten die Offenheit für die (gemeinsame) Welt nicht ausschließen und sowohl die Demokratie als auch der Rechtsstaat der kleinen Einheit bedürfen434.

430 431 432 433

K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (441). K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, S. 423 (424). K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 171. Vgl. W. Hankel/J. Starbatty, Nizza: Es wird keine politische Union geben, S. 241

(246). 434

K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 171.

F. Zusammenfassung und Ausblick Der Mensch wird in die Gemeinschaft mit anderen Menschen als soziales Wesen geboren. Ausgangspunkt jeder staatlichen Ordnung zwischen Menschen ist das Prinzip der (gleichen) Freiheit aller Menschen. Die Freiheit der Menschen soll durch das Recht verwirklicht werden. Die Ordnung, in welcher sich die Freiheit der Menschen verwirklicht, ist die Republik. Die Gemeinschaft von Menschen wird zum Staat, wenn ihre Vereinigung zur Verwirklichung des Rechts erfolgt. Das Recht wird im freiheitlichen Gemeinwesen – dem Staat – im Wege des Diskurses der Bürger erkannt und durch allgemeines Gesetz verwirklicht. Dieser Erkenntnisprozess des Rechts ist die Politik. Die freiheitliche Ordnung wird im Rahmen des Prinzips der Freiheit durch die Politik bestimmt. Innerhalb dieser Ordnung können verschiedene Teilordnungen – wie die Wirtschaftsordnung – unterschieden werden, die durch einzelne Politikbereiche (Ressorts) – wie die Wirtschaftspolitik – festgelegt werden. Wirtschaftliches Handeln wird heutzutage vornehmlich unter finanziellen Gesichtspunkten beurteilt, weshalb die finanzwirtschaftliche Ordnung (und damit auch die Finanzpolitik als deren Bestimmungsgrund) zu einem zentralen Ordnungsbereich (Politikbereich) geworden ist. Innerhalb der Finanzordnung (Finanzpolitik) wiederum haben schon seit langem die Geldordnung (Geldpolitik) und die Fiskalordnung (Fiskalpolitik) eine besondere Bedeutung, weil die Funktionsfähigkeit des Geldes für das finanzwirtschaftliche Handeln und die staatliche Finanzausstattung für die Handlungsfähigkeit des Staates grundlegend sind. In der Vergangenheit sind aufgrund der Komplexität der finanzwirtschaftlichen Zusammenhänge immer wieder Störungen der Finanzwirtschaft aufgetreten, die erhebliche Kosten verursacht haben. Der Staat versucht deshalb vermehrt, die finanzwirtschaftlichen Verhältnisse in stabiler Weise zu ordnen (Finanzstabilitätsordnung). Das Bemühen des Staates um eine finanziell stabile Ordnung ist mittlerweile in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit gerückt. Infolgedessen wird die Finanzstabilitätspolitik (nunmehr) als eigenständiger Politikbereich wahrgenommen und ist zu einem wesentlichen Inhalt der Finanzpolitik neben der Geldpolitik und der Fiskalpolitik geworden. Bei den drei betrachteten Finanzpolitiken wurden zunächst deren Ziele, Instrumente, Wirkung und Akteure gesondert betrachtet. Während bei den tradierten Politiken Geldpolitik und Fiskalpolitik in hinreichendem Umfang Theorien, empirische Untersuchungen und normative Ausgestaltungen existieren, handelt es sich bei der Finanzstabilitätspolitik um einen in der Entstehung befindlichen Fi-

F. Zusammenfassung und Ausblick

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nanzpolitikbereich. Die theoretischen Grundlagen und normativen Ausgestaltungen der Finanzstabilitätspolitik sind daher äußerst umstritten, zumal empirisch noch kaum Erfahrungen bestehen. Möglicherweise werden die theoretischen Grundlagen und normativen Ausgestaltungen wegen der permanent veränderlichen Zusammenhänge der Finanzstabilität (fehlende Eigenschaft als Kontinuum) auch dauerhaft schwer fassbar und umstritten bleiben. Deshalb ist auch der Begriff der Finanzstabilität notwendigerweise weit zu fassen. Die Finanzstabilität wird allgemein definiert als Fähigkeit des Finanzsystems, dessen wesentliche volkswirtschaftliche Funktionen auch in Zeiten von wirtschaftlichen Stressszenarien zu erfüllen. Wird die Funktionsfähigkeit infolge der Stressszenarien dagegen (teilweise) aufgehoben, ist der Zustand einer Finanzkrise erreicht. Von der Finanzkrise ist der Begriff der finanziellen Instabilität zu unterscheiden, der in noch weiterem Sinne den Zustand einer Gefahr kennzeichnet, eine Finanzkrise durchlaufen zu müssen. Finanzielle Instabilitäten führen nicht zwangsläufig zu einem Funktionsausfall des Finanzsystems und materialisieren sich nicht notwendigerweise als Finanzkrise, können dies aber – wie sich beispielsweise in Zypern gezeigt hat – durchaus tun. Finanzielle Instabilitäten nehmen verschiedenste Formen an, weil sie sich in allen Bereichen der Finanzwirtschaft, wie beispielsweise in der Geldordnung (monetäre Instabilität) oder der Fiskalordnung (fiskalische Instabilität), herausbilden können. Daraus folgt aber auch, dass die Finanzstabilitätspolitik im Gegensatz zur Geldpolitik und Fiskalpolitik, die insofern vornehmlich monetäre und fiskalische Instabilitäten zu behandeln haben, alle (finanz-)wirtschaftlichen Lebenssachverhalte betrifft und die Wirkungen für die (Finanz-)Wirtschaft sehr weitreichend sein können. Weitreichend sind nicht nur die Wirkungen der finanziellen Instabilitäten, sondern auch deren Ursachen wie beispielsweise Wirtschaftszyklen, Vermögenspreisschwankungen auf verschiedensten Märkten oder der Fristentransformation durch die Banken. Überdies bestehen vor allem zwischen Finanzunternehmen erhebliche Ansteckungsgefahren, weshalb mittlerweile einigen Finanzunternehmen sogar „Systemrelevanz“ zugemessen wurde. Eine absolute oder abstrakte Systemrelevanz kann aber kein Finanzunternehmen besitzen, denn auch nach einer Finanzkrise mit Insolvenzen aller großen Finanzunternehmen würde ein Finanzsystem – wenn auch in veränderter Form – weiterhin Bestand haben. Wird einem Finanzunternehmen Systemrelevanz beigemessen, soll damit das Finanzsystem in seiner konkreten Gestalt geschützt werden. Aufgrund der Vielfältigkeit der Ursachen und der Auswirkungen finanzieller Instabilitäten sind die Ziele der Finanzstabilitätspolitik (teilweise) nur schwer bestimmbar. Auch das Instrumentarium der Finanzstabilitätspolitik, welches verschiedene Bereiche, beispielsweise die Wettbewerbspolitik in der Finanzwirtschaft, die Leitzinspolitik der Zentralbanken oder die Ausgabenpolitik des Fiskus erfasst, muss sehr weit gefasst sein, um in angemessener Weise allen Ursachen

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F. Zusammenfassung und Ausblick

präventiv begegnen und im Falle finanzieller Instabilitäten reagieren zu können. Die breite Streuung der Instrumente macht auf der Ebene der Akteure der Finanzstabilitätspolitik eine Ressortabstimmung erforderlich, weil viele Akteure über das Instrumentarium verfügen und die Instrumente auch den Anforderungen zahlreicher anderer Politikbereiche – wie insbesondere der Geldpolitik und Fiskalpolitik – unterfallen können. Die meisten Schnittmengen der Finanzstabilitätspolitik bestehen mit der Geldpolitik und Fiskalpolitik, weshalb eine Untersuchung der Finanzstabilitätspolitik nur über eine Analyse der Verhältnisse von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik erfolgen kann. Im Verhältnis von Geldpolitik und Fiskalpolitik ist die Koordinierung der beiden Politiken von besonderer Bedeutung, weil zwischen beiden Zielkonflikte auftreten können. Die Zentralbank als der wesentliche geldpolitische Akteur hat erheblichen Einfluss auf die fiskalische Stabilität, weil sie über die Inflationssteuerung eine reale Verringerung der Staatsschuld herbeiführen kann und durch die Monetarisierung der Staatsschuld weitestgehend unmittelbar zur Finanzierung des Fiskus beitragen kann. Über die unmittelbare Finanzierung im Wege der Monetarisierung hinaus kann die Zentralbank durch Ankäufe von Staatsschuldpapieren auch als Lender of Last Resort des Fiskus auftreten. Jedoch begründet die finanzielle Hilfestellung der Zentralbank für den Fiskus erhebliche Gefahren für das Preisniveau als primäre geldpolitische Zielgröße. Überdies nimmt die Fiskalpolitik auch mit ihren Einnahmen- und Ausgabeninstrumenten wesentlichen Einfluss auf den geldpolitischen Zielparameter der Inflationsrate. Aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeiten und der Zielkonflikte zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik wird befürchtet, dass die geldpolitischen Ziele im Falle fiskalischer Instabilitäten den fiskalpolitischen Zielen untergeordnet werden und die geldpolitischen Instrumente gezielt zur Finanzierung des Fiskus eingesetzt werden (fiskalpolitische Dominanz). Zur Verhinderung der Fiskalstabilisierung auf Kosten des Preisniveaus und den daraus resultierenden Fehlanreizen wurde die Zentralbank mit institutioneller Unabhängigkeit ausgestattet, die es ihr ermöglichen soll, sich auf ihre geldpolitischen Zielvorgaben auch in Zeiten fiskalischer Instabilitäten im Sinne der Preisstabilität zu beschränken und es wurde der Fiskalpolitik auferlegt, die Finanzierung ihrer Ausgaben unabhängig von der Geldpolitik vorzunehmen (geldpolitische Dominanz). Jedoch hat die funktionale Trennung der Geldpolitik von der Fiskalpolitik trotzdem keine klare Kompetenzabgrenzung zwischen den Akteuren herbeigeführt, weil die Finanzstabilitätspolitik in diesem Zusammenhang im Wesentlichen ausgeklammert wurde. Das Verhältnis von Geldpolitik und Finanzstabilitätspolitik ist (langfristig) geprägt von einem positiven Zusammenhang ihrer primären Ziele Preisstabilität und Finanzstabilität. Die Finanzstabilität erfordert stabiles Geld, weil die Effizienz der Allokation finanzieller Ressourcen durch eine hohe Inflation und Infla-

F. Zusammenfassung und Ausblick

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tionssprünge beeinträchtigt wird. Früher hatte der Goldstandard noch für einen relativ belastbaren Konnex zwischen Stabilität des Geldwerts und Finanzstabilität gesorgt, während heute die Volatilität der Geldpolitik höher geworden ist. Trotzdem ist Preisstabilität keine hinreichende Bedingung für Finanzstabilität, weil (kurzfristig) auch nicht von der Geldpolitik beeinflusste Parameter – wie die (von den Preisstabilitätszielen der Zentralbank nicht erfassten) Vermögenspreisschwankungen oder angebotsseitige Entwicklungen – zu finanziellen Instabilitäten führen können. Die Finanzstabilitätspolitik ist im hohen Maße vom Handeln der Zentralbank abhängig. Die Zentralbank kann über zahlreiche Kanäle mit ihren geldpolitischen Standardinstrumenten Einfluss auf die Finanzstabilität nehmen. Zudem verfügt die Zentralbank über wirksame reaktive Instrumente zur Bereitstellung von Notfallliquidität an Kreditinstitute als Lender of Last Resort und zur Übernahme von finanziell destabilisierenden Verlusten der übrigen Finanzwirtschaftsakteure durch Endlagerung in der Zentralbankbilanz. Ungeachtet der finanzstabilitätspolitischen Einflussmöglichkeiten der Zentralbank ist es nach wie vor umstritten, ob die Zentralbank auf finanzstabilitätsbedeutsame Entwicklungen – wie insbesondere durch das Aufstechen von Vermögenspreisblasen oder auch durch Inkaufnahme von Inflation, wenn Verlustabschreibungen die Bilanzen systemgefährdender Finanzunternehmen belasten – unmittelbar reagieren oder sich auf ihr Preisstabilitätsziel beschränken sollte. Jedoch besteht die Abhängigkeit auch in umgekehrter Richtung, weil eine Finanzkrise, die zu einer Aufhebung der Funktionsfähigkeit des Bankensektors führt, der Zentralbank den Transmissionsmechanismus und damit ihren geldpolitischen Instrumenten die Wirksamkeit nehmen würde. Aus diesem Grunde ist vor allem die Bankenaufsicht als wesentliches präventives finanzstabilitätspolitisches Instrument von besonderer Bedeutung für die Zentralbank. Soll die Zentralbank auch die Funktion der Bankenaufsicht übernehmen, muss sie wegen der Anforderungen des Demokratieprinzips an die Verantwortung der (Finanzstabilitäts-) Politik durch das Parlament jedoch Einschränkungen ihrer Unabhängigkeit in Kauf nehmen oder aber es besteht für die Zentralbank die Gefahr, dass ihre Politik, wenn sie die Aufgabe der Bankenaufsicht nicht übernimmt, durch andere finanzstabilitätspolitische Akteure – wie insbesondere die Bankenaufsichtsbehörde, aber auch den Fiskus – konterkariert wird. Auch zwischen der Fiskalpolitik und der Finanzstabilitätspolitik bestehen wechselseitige Abhängigkeiten. Im Gegensatz zu den übrigen Finanzwirtschaftsakteuren besteht für die Fiskalpolitik dabei die Besonderheit, dass der Fiskus insolvenzfest ist und es zu einem fiskalischen Zahlungsausfall (Fiskalkrise) nur auf der Grundlage einer Entscheidung der Fiskalpolitik zu einer Erklärung der Zahlungsunwilligkeit des Fiskus kommen kann. Trotz der Möglichkeit zur Erklärung der Zahlungsunwilligkeit bestehen für den Fiskus zumeist ausreichend Anreize zur Rückzahlung seiner Verbindlichkeiten.

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F. Zusammenfassung und Ausblick

Die wechselseitige Abhängigkeitsbeziehung zwischen den beiden Politiken besteht nicht nur, weil fiskalische (wie im Übrigen auch monetäre) Instabilitäten eine Kategorie von finanziellen Instabilitäten darstellen, sondern auch zahlreiche Ansteckungskanäle zwischen dem Fiskus und den Finanzunternehmen, die finanzielle Instabilitäten transmittieren, bestehen, die sich sogar wechselseitig verstärken können. Außerdem verfügt der Fiskus über Instrumente zur Stabilisierung der privaten Finanzwirtschaft, wobei insbesondere die Finanzstabilisierung durch Finanzhilfen an Finanzunternehmen fiskalische Instabilitäten auslösen oder verstärken können. Überdies bestehen sowohl präventive als auch reaktive Instrumente zur Fiskalstabilisierung, von denen die Endlagerinstrumente der Zentralbank in Fällen schwerwiegender Fiskalinstabilitäten mitunter wegen der Ansteckungseffekte zu den Finanzunternehmen durch eine fiskalische Restrukturierung die einzige Möglichkeit zur Fiskalstabilisierung darstellen könnten. Die Endlagerinstrumente der Zentralbank zeigen, indem der Fiskus begünstigt wird, dass alle drei behandelten Finanzpolitiken beinahe zusammenfallen können und gleichzeitig die Belange von Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzstabilitätspolitik berührt sein können. Die Zentralbank kann finanziell destabilisierende Vermögenswerte durch Ankauf oder infolge der Verwertung dieser als Sicherheit im Zuge der Refinanzierungsgeschäfte mit den Banken übernehmen, um die aus ihnen resultierenden Verluste in ihrer Zentralbankbilanz endzulagern. Die Zentralbank verfügt über diese Mittel, weil sie Verluste in unbegrenzter Höhe ohne Insolvenzgefahr tragen kann, wenngleich diese Mittel eine Geldmengenausweitung zur Folge haben, welche sowohl die Glaubwürdigkeit der Zentralbank als auch die Preisstabilität gefährden. Wenn eine Maßnahme mehreren Politikbereichen zugeordnet werden kann, kann eine (primäre) Zuordnung der Maßnahme zur Vermeidung von Kompetenzstreitigkeiten erforderlich sein. Die Zuordnung eines Instruments der Zentralbank ist von besonderer Relevanz, weil davon abhängt, ob sich die auf das Geldpolitische beschränkte Unabhängigkeit der Zentralbank auch auf die Anwendung des betreffenden Instruments erstreckt. Die Zuordnung einer Maßnahme erfolgte in dieser Arbeit auf Grundlage ihres spezifischen Bedeutungsgehalts für einen der abzugrenzenden Politikbereiche. Demnach ist eine Maßnahme (primär) der Finanzstabilitätspolitik zuzuordnen, wenn ihre grundsätzliche Bedeutung für die Finanzstabilität insgesamt und damit ihr Bedeutungsgehalt über das spezifisch Geldpolitische oder Fiskalpolitische hinausreicht. Die grundsätzliche Bedeutung einer Maßnahme für die Finanzstabilität ist dabei über das Ausmaß der Gefahr für die Finanzstabilität infolge desjenigen Zustands, gegen den sich die Maßnahme richtet, zu bestimmen. Es wurden zudem Umstände aufgezeigt, welche die Zuordnung einer Maßnahme zur Finanzstabilitätspolitik indizieren. Als starkes Indiz für eine (primäre) Zuordnung zur Finanzstabilitätspolitik wurde es gewertet, wenn die Maßnahme sich – wie beispiels-

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weise im Falle der Endlagerung von Verlusten aus Staatsschuldpapieren – gegen einen Zustand richtet, der gleichzeitig monetäre, fiskalische und (im engeren Sinne) finanzielle Instabilitäten begründet, weil bei solch vielschichtig auftretenden Instabilitäten von erheblichen Gefahren für die Funktionsweise des Finanzsystems insgesamt auszugehen ist. Die (primäre) Zuordnung der Endlagerinstrumente zur Geldpolitik und damit zum Verantwortungsbereich der Zentralbank kann nicht allein – wie von der Europäischen Zentralbank vertreten – aufgrund der Auswirkungen der Endlagerinstrumente auf das Preisniveau oder den Transmissionsmechanismus der Zentralbank erfolgen. Jedes ökonomisch bedeutsame Handeln hat (zumindest mittelbar) Auswirkungen auf Preise und damit auf die Geldwert- und Preisstabilität, ohne dass es Aufgabe der Geldpolitik wäre, den gesamten Wirtschaftsprozess zu steuern und zu verantworten. Zudem ist die Funktionsfähigkeit des Transmissionsmechanismus der Zentralbank bei finanziellen Instabilitäten, die sich in der Regel wegen ihrer zentralen Position im Finanzsystem auch auf Banken (negativ) auswirken, auch abhängig von finanziellen Instabilitäten, deren Ursachen (zunächst) nichts mit dem Geldsystem zu tun haben. Der Zentralbank als zentraler geldpolitischer Akteur würde es sonst beispielsweise überantwortet, für die Finanzierung des Fiskus zu sorgen, nur weil sich fiskalische Instabilitäten auch auf die Banken und damit schließlich auf den Transmissionsmechanismus auswirken können. Aufgrund der Zuordnung der Endlagerinstrumente zur Finanzstabilitätspolitik musste die Frage nach der Kompetenz zur Endlagerung beantwortet werden. Dabei sind die Auswirkungen der Endlagerinstrumente auf die Finanzwirtschaftsakteure von besonderer Relevanz. Auch wenn die Zentralbank Verluste in unbegrenzter Höhe abschreiben kann, begründet die mit dem Einsatz von Endlagerinstrumenten verbundene Geldmengenausweitung Inflationsgefahren. Zwar braucht der Fiskus der Zentralbank kein Kapital zuzuschießen, aber die Verluste mindern die Seigniorageeinnahmen des Fiskus. Jedoch bewirken die Endlagerinstrumente erhebliche Fehlanreize für die begünstigten Finanzwirtschaftsakteure wie den Fiskus oder Finanzunternehmen. Mithilfe der Endlagerinstrumente können den finanzstabilitätsgefährdenden Finanzunternehmen ihre Insolvenzrisiken sogar vollständig abgenommen werden, was eine grundlegende Veränderung des marktwirtschaftlichen Selektionsprozesses mit entsprechenden Fehlanreizen zur Folge hat. Die Endlagerinstrumente als wirkungsvollste finanzstabilitätspolitische Instrumente prägen die Finanzstabilitätsverfassung wegen ihrer Auswirkungen wesentlich, zumal die Zentralbank durch den Einsatz der Endlagerinstrumente faktisch über das Fortbestehen (aller) von der Insolvenz bedrohten Finanzwirtschaftsakteure entscheiden kann. Die wirkungsvollsten finanzstabilitätspolitischen Instrumente sind vom Gesetzgeber unter demokratischen Gesichtspunkten selbst ausdrücklich zu regeln. Entscheidungen der Zentralbank über Endlagermaßnahmen

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müssen der parlamentarischen Kontrolle unterworfen werden, weil der Zentralbank einerseits mangels demokratischer Legitimation kein umfassendes finanzstabilitätspolitisches Mandat übertragen werden kann, andererseits aber die Zentralbank auch nicht vollkommen von der Entscheidung über ihre Bilanz ausgeschlossen werden sollte, wenn ihre organisatorische Selbständigkeit und ihre geldpolitische Unabhängigkeit gewahrt werden soll. Am Beispiel der Eurorettungspolitik zeigt sich die praktische Relevanz der Endlagerinstrumente, weil sie bereits von der Europäischen Zentralbank angewendet wurden. Anhand der Maßnahmen der Europäischen Zentralbank – insbesondere dem Securities Market Programme, den Outright Monetary Transactions und den Lender of Last Resort-Operationen – lassen sich die Technik der Endlagerung finanziell destabilisierender Verluste und deren Auswirkungen empirisch nachvollziehen. Die Europäische Zentralbank versucht über die Endlagerinstrumente die finanziell instabile Verfassung der Europäischen Währungsunion aufgrund der Heterogenität der europäischen Volkswirtschaften auszugleichen. Die Endlagerinstrumente haben in der Währungsunion erhebliche Umverteilungseffekte zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedsstaaten zur Folge, die im Falle der Anwendung zur Fiskalstabilisierung eine Belastungsverschiebung bewirken, die einen Fiskalausgleich herbeiführen (können). Die Anwendung der Endlagerinstrumente in der Europäischen Währungsunion (ohne quotale Vorgaben für die einzelnen Volkswirtschaften) wirkt wie eine Versicherung gegen Endlagerungsrisiken (moral hazard) für diejenigen Volkswirtschaften, die aufgrund einer ausgeprägten und instabilen Finanzwirtschaft viele endzulagernde Verluste hervorrufen. Diese Volkswirtschaften könnten sogar versucht sein, die Vorteile dieser nicht vollständig internalisierten Externalität auszunutzen (Trittbrettfahrerverhalten). Die Endlagerung im Währungsverbund verstößt gegen das Verursacherprinzip, weil der Verursacher der endzulagernden Verluste an deren Kosten nicht in höherem Umfang beteiligt wird, als es die übrigen Mitgliedsstaaten werden. Außerdem wurde am Beispiel der Eurorettungspolitik der rechtliche Rahmen dargelegt und festgestellt, dass alle Arten der Endlagerinstrumente – verdeutlicht an den Outright Monetary Transactions und den Lender of Last Resort-Operationen durch die Zulassung minderwertiger Sicherheiten zur geldpolitischen Refinanzierung – die Grenzen des geldpolitischen Mandats der Europäischen Zentralbank überschreiten, gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoßen und nicht mit der Funktionsfähigkeit des geldpolitischen Transmissionsmechanismus gerechtfertigt werden können. Das Eurosystem darf daher (de lege lata) nicht die Funktion einer Bad Bank übernehmen, wodurch die Europäische Währungsunion finanziell noch instabiler verfasst ist, als sie es ohne Abwertungsmöglichkeiten trotz der Heterogenität der Volkswirtschaften ohnehin schon ist. Die Ausübung der Geldhoheitsrechte hätte erst auf die Europäische Union „übertragen“ werden sollen, sobald eine umfassende Wirtschafts- und So-

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zialunion eingerichtet wurde, und damit auch erst, sobald eine Finanzstabilitätsunion verfasst worden ist (modifizierte Krönungstheorie). Im Bemühen um die Wahrung der Finanzstabilität hat die Europäische Zentralbank wesentliche finanzstabilitätspolitische Kompetenzen an sich gezogen, obwohl ihr diese souveränitätsbedeutsamen Kompetenzen nicht einmal im Rahmen einer Änderung des Primärrechts der Europäischen Union übertragen werden könnten, solange die Mitgliedstaaten souverän bleiben (wollen). Aufgrund (vermeintlicher) finanzstabilitätspolitischer Zwänge soll die Ausübung der Finanzstabilitätshoheitsrechte der Euromitgliedstaaten auf die Europäische Union „übertragen“ werden, weshalb das Bundesverfassungsgericht für die Eurorettungspolitik Grenzen aufgezeigt hat, weil diese einen europäischen Souverän erfordern würde, dessen Schaffung der Zustimmung jedes einzelnen Mitgliedsstaats bedarf. Die Europäische Währungsunion wäre demzufolge nur dann finanziell stabil zu verfassen, wenn sie von einer Finanzstabilitätsunion begleitet würde; denn in einer Währungsunion dürfen die Endlagerinstrumente nur im Rahmen einer Finanzstabilitätsunion angewendet werden. Für die volkswirtschaftliche Entwicklung und allgemeine Wohlfahrt ist die Finanzstabilität von so entscheidender Bedeutung, dass die Staatsgewalt über die (stabilisierende) Ordnung des Finanzsystems und über die wesentlichen finanzstabilitätspolitischen Instrumente – vor allem über die Endlagerinstrumente – nicht aufgegeben werden kann, ohne dass ein wesentlicher Souveränitätsbestandteil verloren ginge. Zwar soll durch die Hochzonung von (finanzstabilitätspolitischen) Aufgaben in der Europäischen Währungsunion der grenzüberschreitenden Finanzwirtschaft angemessen begegnet werden; aber die Finanzstabilitätspolitik würde auf diese Weise zum entscheidenden Moment der Integration zum Europäischen Bundesstaat.

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Sachwortverzeichnis Abwertung 59, 118 f., 147, 161, 173, 176, 206, 209, 212 f., 283, 293 ff., 318, 325, 330, 335 Abwicklungsplan 136 Allokation (der Ressourcen) 69 f. Ansteckungseffekte 109 f., 116 f., 232 ff., 242 f., 243 f. Ansteckungskanäle 109 f., 234 ff., 239 ff. Asset price channel 205 Asymmetrische Informationsgrundlagen 106 f., 121 f. Aufsicht über Finanzunternehmen 117 ff. Austritt (aus der Währungsunion) 335 ff.

Carry trade 206 Crowding out 150, 238, 261

Bad Bank 134 ff., 268, 325 Bail-in 246 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 65, 124, 142 Bankenabgabe 248 Bankenansturm (bank run) 104, 120, 209, 233 f. Bankenaufsicht 118 ff. Bankenkrise 111, 179, 184 f., 206 Banken-Staaten-Nexus 107, 299, 321, 338 Bankkreditkanal 60 Benign neglect 190 f. Bilanzierungsgrundsätze 124 f. Bilanzkanal 61, 235 ff. Bonitätsbeurteilung (Rating) 43, 54, 61, 94, 107, 118, 126, 135, 176, 230 f., 233, 237 ff., 249, 253, 273, 276 ff., 294, 303, 322 Borrower balance sheet (default) channel 203 f. Bundesstaat (echter) 325 ff. Bundesverfassungsgericht 315 ff.

Eigenkapitalpuffer 118 f., 217 Eigenkapitalunterlegung 118 ff. Einlagensicherung 122 f. Emergency Liquidity Assistance 209, 303 ff., 321 ff. Endlager 266 ff. Endlagerinstrumente 253, 268 ff., 281 ff. Europäische Finanzstabilisierungsfazilität 140, 314, 317 f., 320 Europäische Währungsunion 291 ff. Europäische Zentralbank 291 ff. Europäischer Bundesstaat 325 ff. Europäischer Stabilitätsmechanismus 140 f., 256 f., 307, 314, 317 f., 320, 324 f. Europäisches Volk 313, 339 f. Europaparlament 313 European Systemic Risk Board 142 Eurosystem 291 ff. Exchange rate channel 205 ff. Externalität 34, 45, 79, 310 ff.

Deflation 48 Demokratieprinzip 25, 30, 62, 64, 90, 140, 169, 171, 219 f., 259, 265, 278, 286 f., 288, 328, 331 f., 338, 340 Derivate 46, 109, 118, 223, 236, 269 Dezentralitätsgrundsatz 300 f., 305 ff. Disinflation 147 f., 181 f. Disintermediation 181 Dominanz (geldpolitische/fiskalpolitische) 163 ff.

376

Sachwortverzeichnis

Fazilitäten (ständige) 55 f. Federal Reserve System 46, 48, 50, 139, 142, 184, 200 Fehlanreize 69, 106, 136 f., 195, 210 ff., 249, 254, 276, 279 f., 284 f., 291, 300, 310 Feiglingsspiel (game of chicken) 164 Fiatgeld 44, 185 Financial Stability Board 143 Financial Stability Institute 142 Financial Stability Oversight Council 142 Finanzen 39, 46 Finanzielle Instabilität (Finanzinstabilität) 96 f. Finanzierung 39 Finanzkrise 96 f. Finanzmarktstabilisierungsfonds 140 Finanzmarktstabilisierungspolitik 99 Finanzpolitik 38 ff., 68 Finanzstabilität (finanzielle Stabilität) 93 ff. Finanzstabilitätsanalyse 125 f., 249 f. Finanzstabilitätsbericht 123 f. Finanzstabilitätshoheit 331 ff., 333 ff. Finanzstabilitätsindikatoren 126 ff. Finanzstabilitätsordnung 98 Finanzstabilitätspolitik 98 ff. Finanzsystem 93 f., 112 Finanztransaktionssteuer 247 f. Finanzunternehmen 40 Finanzwirtschaft 39 f., 93 Finanzwirtschaftliche Ordnung (Finanzordnung) 38 ff. Finanzwirtschaftsakteure 40, 93 f. Fiskalausgleich 87 f., 308 ff. Fiskalhoheit 73, 90 f., 328 f. Fiskalische Instabilität (Fiskalinstabilität) 107, 221 f., 261 ff. Fiskalische Krise (Fiskalkrise) 221 Fiskalische Stabilität (Fiskalstabilität) 220 ff. Fiskalische Zahlungsunwilligkeit 225 ff. Fiskalkontrolle 89 f.

Fiskalordnung 67 Fiskalpolitik 67 f. Fiskalunion 330, 332, 335, 341 Fiskalverwaltung 91 f. Fiskus 66 Freiheit 21 ff., 24 ff., 27 ff. Fristentransformation 103 f., 205 Frühwarnsysteme 128 f., 249 Funktionen des Finanzsystems 94 f. Geld 42 ff. Geldbasis 49 Geldhoheit 330 f., 333 ff. Geldmarkt 46, 50 Geldmengen 44 Geldmengensteuerung 49 f., 102 f. Geldordnung 45 f. Geldpolitik 45 f. Geldschöpfungsmonopol 61, 209, 275 Geldschöpfungsmultiplikator 44 f. Geldverfassung 45 f., 285 Geldwertneutralität 46, 58 Geld(wert)stabilität 45, 47, 49, 107, 178 ff., 185 f., 266, 275 Gemeinwohl 27 ff. Gesetz 24 ff. Giralgeld 44 Goldstandard 44, 103, 185, 209, 254, 299 Haircut (Bewertungsabschlag) 152, 210, 238, 303 f. Haushalt des Staates 71 ff. Haushaltskonsolidierung 250 ff. Herdenverhalten 105, 233 Heterogenität (volkswirtschaftliche) 292 ff. Hyperinflation 42, 144, 147, 153 Identität der Verfassung 327 Inflation 47 f., 146 f. Inflationsmessung 187 Inflationssprung 180, 192 Inflationssteuerung 50 f.

Sachwortverzeichnis

377

Insolvenzfestigkeit (des Fiskus) 223 ff. Intermediation 103 f. Internationaler Währungsfonds 65, 124, 141, 209, 253 ff.

Monetarismus 46, 57 f., 71, 81, 102 f. Moral hazard 86, 88, 96, 106, 136, 176, 196, 204, 211, 253, 277 f., 284, 291, 310

Kapitalmarkt 46 Kapitalpuffer 118 f., 217 Kapitalverkehrsfreiheit 52, 114 f., 133, 138, 160 f., 186, 207, 223, 305, 308, 326 Kapitalverkehrskontrollen 133, 207 Katastrophenblindheit 137 Keynesianische Theorien 46, 58 f., 70 f., 80 f., 101, 102 f. Klumpenrisiko 129, 235, 261 Kompetenzordnung 32 f., 262 ff., 281 ff. Konditionalität (der OMT) 317 f. Konsolidierung (des Haushalts) 250 ff. Kreditausfallkanal 203 f. Krönungstheorie 295 f., 311, 330

Nachfrage (des Fiskus) 84 Nachschusspflicht (des Fiskus) 275 f. New environment-Hypothese 191 ff. Notfallliquidität (Not(fall)kredite) 141, 208 ff., 240, 303, 322 ff. Nullzinsgrenze 152, 195, 214, 217 Offenmarktgeschäfte 52 ff. Optimaler Währungsraum 292 Outright Monetary Transactions (OMT) 314 ff.

Leaning against the wind 193 ff. Leistungsbilanzsaldo 293, 335 Leitzins 55 f., 59 f. Lender of Last Resort 55, 133, 154, 208 ff., 253 ff., 283 Liquiditätsansturm 232 ff. Liquiditätsfalle 60 Liquiditätskanal 237 f., 242 Liquiditätssteuerung 120 f.

Parallelität (der OMT) 317, 320 Parlamentsvorbehalt 286, 289 f., 312 ff., 327 ff. Payment system channel 207 Pigou-Steuer 248 Politik 30 ff. Politikbereich 32 f. Preiskanal 238 f. Preisstabilität 47 f. Primat des Finanziellen 39, 285, 326, 338 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 298, 315, 334 Prinzip der kleinen Einheit 25, 28, 340 f.

Maastricht-Kriterien 174 f., 250, 296, 337 Makroprudentielle Politik 100 f., 112 f. Market Maker of Last Resort 214 Markt(wirtschaft) 35 f. Mindestreserve 56 f. Modifizierte Krönungstheorie 333 Monetäre Instabilität 107, 178 f., 261 ff. Monetäre Krise 178, 261 Monetäre Stabilität (Geldstabilität) 178 f. Monetarisierung (der Staatsschuld) 148, 151 ff.

Rating (Bonitätsbeurteilung) 43, 54, 61, 94, 107, 118, 126, 135, 176, 230 f., 233, 237 ff., 249, 253, 273, 276 ff., 294, 303, 322 Realzins 156, 173 ff., 230, 280, 295 Recht 24 ff., 27 ff. Rechts(staats)prinzip 30, 72, 211, 259 f. Rechtslehre 23, 30 Rechtsordnung 24 Referendum 339 Refinanzierung (geldpolitische) 53 f. Repräsentation 27 ff.

378

Sachwortverzeichnis

Republik 27 f. Republik der Republiken 28, 339 Restrukturierung (fiskalische) 230, 257 ff. Ricardianische Äquivalenz 158 f. Risikoaufschlag 157, 176, 230 Risikobereitschaftskanal 204 Risikokanal 241 f. Risikoprämie 47, 146 f., 156, 173, 176, 179, 195, 216, 258 Risikoverlagerungskanal 205 Risk-shifting channel 205 Risk-taking channel 204 Rückkopplungseffekte 109 f. Sanierungsplan 136 Schock 57, 94 f., 100, 110, 121, 130, 165, 170 f., 175, 187, 191, 202, 207, 217, 247, 253, 292, 297 Schuldendienst 87 Schuldenerlass 257 ff. Schuldenquote 160, 172 ff., 228 f., 232 Securities Market Programme 314 Seigniorage 151 Selbstbestimmungsrecht (der Völker) 336, 339 Selektivität (der OMT) 316 f. Sicherheiten (für die geldpolitische Refinanzierung) 54, 212 f., 270 ff., 321 ff. Solvabilität 118 ff. Solvabilitätshilfe 214 f., 269, 272, 283, 323 Souveränität 326 f. Souveränitätsbedeutsame Hoheitsrechte 327 ff. Soziale Marktwirtschaft 36 f. Sozialhoheit 329 f., 331 f. Sozialordnung 35 Sozialpolitik 279, 292, 296 f., 327, 329 f. Sozialpolitische Ausgaben 85 ff., 155, 162, 338 Sozial(staats)prinzip 25, 27 ff., 30 ff., 33 ff., 47, 58, 69, 75 f., 79, 85 f., 259 f., 329 f., 338 f.

Sozialunion 330, 333, 335, 341 Sozialversicherung 37, 73 f., 78, 85 ff., 92 Sozialwirtschaft 37 Staat 27 Staatenverbund 339 f. Staatlichkeit (existentielle) 28, 266, 312, 327, 330, 336, 339 f. Staatsbankrott (Staatsinsolvenz) 223 ff. Staatsinsolvenzverfahren 259 f. Staatsquote 83 Staatsvermögen 79 f. Staatsverschuldung 80 f., 175 ff. Stabilisatoren (automatische) 77, 86, 165, 243, 246 ff. Stabilisierung 70 f. Stabilität 94 Steuern 74 ff. Stresstest 129 f. Subsidiaritätsprinzip 28 f., 31, 75, 80 Subventionen 85 Systemgefährdung 107 f. Systemisches Risiko 97 Systemrelevanz 108, 277 f. TARGET2 305 ff., 309, 324 Too big to fail 107 ff., 211 Transmissionskanäle 59 ff. Transmissionsmechanismus 148, 202, 208, 266, 283, 321 Trittbrettfahrerverhalten 86, 100, 106, 284, 310 Troika 331 f., 334, 338 Umlaufgeschwindigkeit (des Geldes) 156, 193, 214 Umschuldung (fiskalische) 257 ff. Umverteilung 47, 69, 79, 82, 85, 87 f., 146, 165, 180, 214 ff., 220, 249, 268, 280, 284, 291, 308 ff., 319, 331 ff., 338 Unabhängigkeit der Zentralbank 62 f., 219 f., 262, 275, 286 f., 288 f.

Sachwortverzeichnis Verbot monetärer Staatsfinanzierung 319 ff. Verlustvortrag (bilanzieller) 274 ff., 301 f. Vermögens(preis)kanal 61, 205 Vermögenspreisschwankungen 104 ff. Vermögensverteilung 34, 40, 69, 280, 287, 338 f. Verschuldungsgrenzen 250 ff. Verstaatlichung eines Kreditinstituts 135 Verursachergrundsatz (Verursacherprinzip) 310 ff. Volk 27, 328 Währungskrise 111, 206 Währungsreform 136 Währungsreserven 54 f., 161, 210 Währungsunion 175 ff., 291 ff., 335

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Wechselkurskanal 59, 205 ff. Weltstaat 28, 341 Wesentlichkeitslehre 286 f., 289, 299, 337 Wettbewerb 31 f., 36 f., 116 f. Wirtschaftsordnung 33 ff. Zahlungsbilanz 150, 160 f., 169, 223, 305 Zahlungsverkehr 94 f., 107, 109, 123, 136, 139, 189, 202, 207 Zahlungsverkehrskanal 207 Zentralbankbilanz 268 Zentralbankgeld 44 Zinsarbitrage 294 Zinskanal 59