Das Theater im neuen Staat. Kulturaufgaben: Zwei Reden zur Zeit [Reprint 2021 ed.] 9783112514788, 9783112514771

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Das Theater im neuen Staat. Kulturaufgaben: Zwei Reden zur Zeit [Reprint 2021 ed.]
 9783112514788, 9783112514771

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IDax marterlteig

Das Cheafer im neuen Staat Kulturaufgaben Zwei Reden zur Zeit

Berlin und Leipzig 1920 Bereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter H Go. vormals G. 3- Göschen'sche Verlagshandlung 3. Guttentag, Verlagsbuchhandlung * Georg Reimer Karl 3 Trübner • Veit & Lomp.

Max Martersteig

Das Cbeater im neuen Staat Kulturaufgaben Zwei Reben zur Zeit

Motto: Völkerleben hat seine natürlichen Grenzen, wie Menschenleben sie bat, und lediglich durch geistige Mächte können Völker jung erhalten und wieder verjüngt werden. Lagarde.

Berlin und Leipzig 1920 Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruqter & (To. vormals G. Göschen'sche verlagsbandlung :: 3 Guttentag, Verlags­ buchhandlung :: Georg Reimer :: Karl 3- Trübner :: Veit & Comp.

Alle Rechte, einschließlich des übersetzungSrechtS, Vorbehalten.

Kulturaufgaben Kuliuraufgaben nach dem Kriege sollten betrachtet werden, die Aufschrift ist jedoch von einem einschneidenden

Schicksal

korrigiert

worden:

Kulturaufgaben

Revolution muß das Thema nun lauten.

nach

der

Da liegt die

Frage nahe, ob und wie weit es sich damit verändert hat. Ihr ist die Antwort zu suchen, aber auch vorauSzuschicken, daß, wer öffentlich etwas zu sagen sich unterfängt, nichts anderes als seine durch Erfahrung und Überprüfung

dieser Erfahrung gewonnene Meinung über eine Sache ausspricht: wir nennen das gemeinhin eine Überzeugung. Dennoch ist es nichts anderes als eine Ansicht über einen Tatbestand allgemeinen Interesses, über dessen erfahrungs­ gemäße Eindrücke man von vielen Seiten her und mit redlichem Bemühen bekräftigende Zeugenschaft zu erlangen

suchte, ebenso aus der Welt der Ideen wie aus der der geschichtlichen Ergebnisse.

Wenn in der jetzt von Leidenschaften so erhitzten Zeit Überzeugungen, weil sie mit der Gebärde des Agitators von allen Tribünen herab ausgeschrieen werden, häufigst doch nur Augenblicksgeburten sind der Sorge für den nächsten persönlichen Vorteil oder der Angst vor persön­ licher Einbuße, sehr oft aber auch nur geäußert werden, um mit peremtorischer Geste überhaupt dabei zu sein da nun einmal die Welt sich neu gestalten will — wenn 1*

Überzeugungen dieser Art nicht gar zu selten an der vor­ gestern noch gehegten einen Mord verüben, so darf ich das Bekenntnis aussprechen, daß die meinige, den heutigen Betrachtungen zugrunde liegende kein solches Kind der

Minute ist, daß sie auf lange und auch bange, ebenso von schmerzvollen Enttäuschungen wie von innerlichsten Wünschen und Drängen bewegte Einsichten zurückgeht, also durch den Amschwung der öffentlichen Meinung eine Änderung, ja selbst nur eine andere Färbung nicht er­ fahren hat — höchstens, daß auch sie die mannigfachen Fesseln abgefallen fühlt, die so lange jede innere Freiheit beengt haben, einmal der unvermeidlich scheinenden Kom­

promisse wegen, zu denen alle Wirklichkeit zwang, wenn

man von der Skylla stumpfer Ergebenheit nicht in die Charybdis der Ideologie geraten wollte, dann aber auch um jener Resignation selbst willen, die mit bitterer Skepsis sich verband. Diese Fesseln sind abgefallen: Resignation

und Skepsis sind Todsünden gegen das Ethos der Stunde. Wenn je, so gilt heute das Kantische „Du sollst" im

tiefstverpsiichtenden Sinne.

Die Summe deiner Kräfte

und deines Willens gehört heute der Allgemeinheit, ge­ hört zum Volksvermögen. Als unsere Feinde im Anfang des Krieges unS

Barbaren schalten und behaupteten, sie trügen das Man­ dat, uns zu bekämpfen, im Namen der „Zivilisation" an

der Spitze ihrer Bajonette, antworteten wir ihnen mit der stolzen Berufung auf unsere „Kultur". Das war — wir sehen es nicht erst heute nach der Niederlage, nach der Enthüllung der hybridischen Vermessenheit unserer

politischen Leitung ein — ein ehrlicher Aufschrei unserer festen Überzeugung, oder doch der des drängendsten Wollens

im Bewußtsein gerade unserer besten nationalen Emp­ findungen. Es ging wie eine Befreiung durch unsere

Seelen, daß endlich, dank der Aufrichtigkeit des gegen uns auflodemden Lasses, eine Scheidung und Klärung dieser beiden zu unendlichem Schaden immer zusammen­ geworfenen Begriffe stattfand: hie Kultur — hie Zivili­ sation! Der bestgläubige Aufschwung, der unser Volk im August 1914 emporriß, entlieh seine Kraft dieser lebhaften Erinnerung an unser bestes Kulturgut vom Mittelalter her über die Reformation und die klassische Blütezeit der deutschen Philosophie, Dichtung und Musik. And dennoch: auch dieses jäh endlich wiedererwachte Bewußt­ sein unseres Reichtums, unserer Eigenart im Gegensatz zu aller Nur-Zivilisation, konnte es sich auf einen wirk­ lich lebendig gebliebenen Besitzstand stützen? Latten wir mit redlichem Bemühen wirklich erworben, was wir von den Vätern ererbt hatten? Erworben im Sinne eines weiteren Wachstums verbürgenden steten Eingedenkseins? Lassen Sie mich antworten aus der inneren Wahr­ haftigkeit heraus, die uns jetzt mehr als alles andere not­ tut und uns besser ansteht als die leider immer noch an­ dauernden Selbstentblößungen auf der einen und die Phrasen von den unverwüstbaren Kräften unseres Volks­ tums auf der anderen Seite: das hatten wir nicht getan! Es war der Rausch, den Licht und Luft dem bewirken, der aus der Dumpfheit und Nüchternheit des großen Maschinensaals der modernen Zivilisation wieder hinaus­ tritt ins freie Gelände und seine heimatliche Sonne von allseitig aufsteigenden Wettern bedroht sieht. Es war, verknüpft mit schambrennender Einkehr in uns selbst, Wunsch und Sehnsucht nach diesem unseren Erbteil. Wir fühlten, daß es einmal Wirklichkeit werden konnte — werden mußte — aber dieses Gefühl erneuerte nur die beschwichtigende Selbsttäuschung, wir besäßen es schon!

Klang es nicht in jenen Tagen von allen Tribünen, aus jedem Zeitungspapier, aus den Bergen schnell sich häufen­ der Kriegsliteratur wie eine unumstößliche Tatsache, daß jeder deutsche Mensch seinen Kant, Goethe, Fichte und Lagarde in Kops und Lerzen trage? Daß jeder Kaffee­ hausstammgast, der sich dort, übertäubt von ödem Ge­ schwätz und Tassengeklapper, abwechselnd „Zsoldes Liebes­ tod" und „Püppchen" vorsetzen läßt, ein Erziehungs­ produkt unseres Johann Sebastians sei! And — die Land aufs Lerz! — wie viele der vom Sturm der Stunde Wachgerüttelten wußten denn etwas von Kant, von Fichte, von Lagarde, die man so laut als unsere Erzieher ausrief? Wenn es Fünf vom Tausend waren, so waren es viele! Wir haben uns dieses Rausches nicht besonders zu schämen; er war nicht unechter als der durch Berufun­ gen auf andere nationale Tugenden bei unseren Feinden geflissentlich bewirkte. Überall wurden die verblaßtesten Fahnen aus dem Staub hervorgeholt und gehißt zu diesem bald als Gotteskampf, bald als „jüngstes Gericht" emp­ fundenen Austrag der Weltbeherrschungsansprüche, von dessen schicksalshafter Anvermeidlichkeit und folgenschwerer Bedeutung noch zu reden sein wird. Zunächst also mußten wir erleben, daß man „drüben" unsere Wechsel auf dieses Guthaben an Idealen und Kulturgütern als Zahlungsmittel nicht gelten ließ, sie mit Protest zurückwies, bis auch bei uns dem Blödesten end­ lich die Augen darüber aufgingen, daß dieses Guthaben längst vertan war. Wir hatten bar zu zahlen mit un­ serem Blute — und sollen weiter zahlen mit dem Schweiß unserer verknechteten Stirnen und Lände: aber man wird uns ja gestatten, für unseren eigenen Gebrauch nun unser Kapital an Idealen in marktgängige Münze au-zuprägen.

Man gönnt uns vielleicht fernerhin davon zu leben, da anderes uns im voraus weggenommen wird. Immerhin: wir haben uns zu der Tatsache zu stellen, daß, wie unsere Politik, auch unsere Kultur vor der „Zivilisation" kapi-

tuliert hat; im Zweifel bleibt nur, ob das erst mit dem politischen Zusammenbruch oder schon vor der kriegerischen Entladung des Europakonsiiktes geschah. Wäre Kultur

so tief in unserem Wesen verwurzelt gewesen, wie wir wähnten, nie wäre es zu dem jetzigen Bankrott gekommen, denn nie hätte der trügerische Schein eines reichen Lebens sich so befestigen, so verbreitern und jenes System der

Anwahrhaftigkeit begünstigen können, dessen Sturz wir er­ lebten. Durch diese schmerzliche Erfahrung endlich hell­ sichtig geworden, erkennen wir den unselig tiefen Zwie­

spalt, der Körper und Seele, Kraft und Willen, Wissen und Glauben durch sein zersetzendes Gift zerstört und einen chaotischen Mischmasch geschaffen hat ohne das

Zentralgewicht einer erhaltenden, geschweige denn Wachs­ tum verbürgenden Zielsetzung. „Wie schön, o Mensch, mit deinem Palmenzweige stehst du an des Jahrhunderts Neige in edler stolzer Männlichkeit" — so sang einst unser Schiller und nannte

diesen

Repräsentanten

reifsten Sohn der Zeit!

der

damaligen

Menschheit

den

Der war ihm der kulturbewuß­

teste Mensch europäischer Zone — und wir durften, wir Deutsche gerade, unS diesen Menschen fühlen! Mit der Aufgabe und der Aufforderung, das aufsteigende Jahr­ hundert als unseren Tag, als den „Tag des Deutschen" zu begrüßen und zu nützen. Hundert Anläufe haben wir redlichsten Willens unternommen, ja, wir hatten daS un­

geheure Glück, eine nach außen machtvolle Erfüllung unserer nationalen Sehnsucht zu erleben — und haben doch alle- verloren,

weil wir die griechische Weisheit

Platons, obwohl zu ihr erzogen, vergessen hatten, gründ­ lich und verhängnisvoll vergessen hatten: daß Politik sich immer an der Kultur zu orientieren habe — und nicht am Machtwillen, nicht an der mit allen spürenden Sinnen erspähten Möglichkeit, Gut auf Gut zu häufen und in Schätzen zu wühlen, die Rost und Motten zerfressen. Wir brauchen bloß an das unselige Treiben unserer po­ litischen Parteien zurückzudenken, gerade in den Jugend­ jahren des Reichs und bis zur heutigen Stunde, an all die Engherzigkeit und tendenziöse Verbohrtheit, an deren Versagen in allen kulturellen Fragen, wobei immer der ganz erschreckende Mangel an innerer, an sittlicher Frei­ heit zutage trat. Jene Politik hat uns nie, zu keiner Stunde, über den „Notstaat" hinausgeführt, den derselbe Schiller in skeptischerer Stimmung konstatierte, und dem er den „Vernunftstaat" als Entwicklungsziel gegenüber­ stellte; denn immer wurde nur das Notdürftigste, das schlechthin Anumgängliche durch unaufrichtige Kompromisse geleistet, wenn nicht gar die reaktionäre Bremse einsehte, oder, aus Gleichgültigkeit, wichtige Kulturgebiete über­ haupt dem ödesten Ländler- und Spekulationsgeiste preis­ gegeben wurden. Nun stehen wir vor dem Aufbau eines neuen Deutsch­ lands. Äußerlich bettelarm, von der Gnade abhängig

unserer Besieger, die — zum Teil wenigstens — in über­ schäumendem Rachedurst und heuchlerisch verkleideter, rück­ sichtsloser Selbstsucht nicht zögern werden, uns auf Gene­ rationen hinaus in ohnmächtige Gebundenheit zu knebeln: jetzt, jetzt wäre die Stunde, wo ein Kulturgewissen starken und einmütigen Schlages, auch ohne in Waffen starrender Wehr, ein Imponderabile darstellen könnte, das den Protestschrei einer ganzen Welt zur Wahrung unserer Lebens­ möglichkeit und unserer Ehre entfesseln müßte — ja mehr:

in unser Vermögen wäre es gegeben, aus unserer tiefen

Niederlage heraus das prometheische Feuer zu einer neuen Menschheitsbelichtung und -durchglühung herab auf die Erde zu bringen, wenn dieses Kulturgewissen noch gesund genug schlüge, das, was wir zutiefst als die geistige Aus­ gabe der Menschheit empfunden und was in zahlreichen weithin leuchtenden Emanationen der unendlichen seelischen

Anlage deutsche Menschen dem Erdkreis geschaffen haben: als Kulturgut, als Aufruf zum Aufstieg, als Erfüllung verheißende Erlösungsbotschaft, wenn das in uns nod) Leben erzeugende Kraft wäre.

Nie ist die deutsche Seele mächtiger gewesen, als wenn sie im Feuer des Leides geläutert worden war, ge­

stählt unter

den Schlägen

ihres

gewollten Schicksals.

ist uns wieder ein solches auferlegt worden: sollten wir aus ihm nicht gerade den Weckruf hören,

Jetzt

unsere Weltaufgabe wieder aufzunehmen! Die Stufe hinaufzugehen zu einer höheren Form der Menschlichkeit

und die ihres Sieges im Grunde doch unfrohe Welt uns nachzuziehen?

Gelänge uns das, so wäre letzten Endes

dennoch der Sieg unser in diesem Völkerkrieg, der sich als eine Weltwende immer deutlicher enthüllt.

Unsere

Revolution würde darum vom Geiste der Geschichte nicht

als eine Folge unseres politischen Zusammenbruchs re­ gistriert werden, sondern — wenn wir wollten, wenn wir in dieser entscheidendsten Stunde unseres völkischen Lebens

endlich und einzig und allein unser Külturgewiffen reden ließen — als eine Neugeburt, als ein Auftrieb zu einer höheren Lebensform, neben der die sich ihrem Geiste ver­ schließenden Völker die Unterlegenen, die Besiegten sein

würden. Wenn wir, jenseits eigensüchtiger Befangenheit und kleinmütiger Furcht vor Ausbrüchen der jede Revo­ lution begleitenden rohen Instinkte, uns einigen könnten

auf die als Morgenrot eines kommenden Menschheits­ tages heraussteigende Idee unsere- Schicksals und ihre metaphysische Bedeutung. Über alle Einwände des Ge­ fühls des Verstandes und der kritischen Stellungnahme zu Geschehenem und Nochzugeschehendem sei uns doch die Mahnung gegenwärtig, die Friedrich Albert Lange, der Ideal und Erfahrung versöhnende Philosoph, in seiner „Geschichte des Materialismus" uns ans Lerz legt: „Aus der Unvernunft des überlieferten Daseins ringt das vernünftige Ideal sich los und niemals, solange wir sittliche Wesen sein wollen, dürfen wir auf den Anspruch verzichten, daß heute der Tag ist, an welchem ein neueLeben beginnt für das Individuum und für die Mensch­ heit". Immerfort haben wir gezögert, diese sittliche Pflicht der Stunde zu erfüllen, immer haben wir dieses „heute" auf ein „morgen" verschoben, das morgen auf ein übermorgen, haben uns treiben lassen, statt zu treiben, weil unser sittliches Gewissen eingeschläfert war vom Dunst der Weihrauchsopfer, die wir der Göttin des Vorwärtskommens an ihrem Altar des Materialismus ent­ zündeten. Also doch wieder eine Selbstanklage? Gewiß: nicht wir allein hätten zu ihr Grund: diese Erkrankung des Kulturgewissens ist eine internationale Erscheinung; nur ist sie bei uns allein mit einer Att sittlicher Schuld verknüpft. Nicht, weil wir uns eines solchen Kultur­ gewissens gerühmt, sondern weil wir wirklich seine tausend­ fältig in unserer Geschichte zutage getretenen Äußerungen

und Leistungen — wenn wir sie auch nicht auf den Ab­ fallhaufen geworfen, so doch als etwas für alle Realität deS Daseins Anbeträchtliches beiseite gestellt haben. Wir sind die schlechten Arbeiter deS Evangeliums gewesen, die ihr Pfund begruben, statt damit zu wuchern. Mit dieser Erkenntnis rühren wir an unsere verhängnisvollste Der-

irrung, die wie ein Fluch auf uns lasten müßte, wenn sie nicht ihre erklärende Entschuldigung fände als Kehr­ seite gewisser völkischer Tugenden und in der über alle Zweifel erhabenen Arbeitstüchtigkeit unseres Volkes. Im Kerne scheint es ja wahr, was Lermann Bahr in einer

der vielen Untersuchungen über die psychologischen Ar­ sachen des Kriegs als Erklärung gefunden zu haben meinte: daß wir in der unendlichen, der Menschheit ob­

liegenden Aufgabe, die Vollkommenheit der Idee mit der Anzulänglichkeit aller Realität zu versöhnen, kraft unseres Charakters nie nachlassen könnten, und daß wir, wo die Dissonanzen unüberbrückbar sich erwiesen, das eine neben dem anderen gelten ließen, daß wir im zähen Beharren

auf die Verschmelzung dieser Gegensätze zu einem „So­ wohl als auch" uns immer bekannt hätten, während die uns feindliche Welt, vor die Wahl des „Entweder —

oder" gestellt, sich längst für das „oder" entschieden hätte, für die Ausschaltung des Ideals, wo es nicht dem prak­ tischen Vorteil der Macht, des materiellen Gedeihens

Aber gerade in diesem „Auch gelten lassen" haben wir uns so tief in Schuld verirrt: wir haben, statt rest­ los an der Versöhnung, an der gegenseitigen Durchdrin­ diene.

gung dieser Gegensätze zu arbeiten, dadurch, daß wir das Ideal quasi nur zum Sonntagsgebrauch herabholten,

den Dualismus nur zu noch größerem Anheil verbreitert. DaS ist unsere „Erbsünde". Wir sprechen seit langem immer zwei Sprachen: die eine uns Wirklichkeit und Ge­ bot, die andere Klang und Schmuck — wenn wir dieser

bedürfen. Wehe aber, wenn diese andere Sprache, die des Geistes, der Schönheit, der Wahrhaftigkeit und in­

neren Freiheit in unsere Geschäfte hineinreden wollte 1 Dann verstanden wir sie nicht mehr, wiesen sie abseits an ihren Ort, und wenn sie dringlich wurde und uns ge-

Winnen wollte für das Reich ihrer Lerkunft, dann fuhren

wir ihr barsch über den Mund, dem sie gerade entströmte. Ohne Bild gesprochen: die Isolierung des geistig-sittlichen Wesens in unserem völkischen Laushalt ist unsere grobe Verschuldung, ist die Llrsache unserer Niederlage, die längst da war, ehe wir zur Waffe griffen, die in ihren Auswirkungen nur aufgehalten wurde durch das erstaun­ liche Maß von Pflichtbewußtsein und Pflichterfüllung, das wir in den Dienst eines Systems stellten, dem wir — gestehen wir's uns doch I — einen Mangel an sittlich­ geistiger Richtung oder gar an dem es belebenden Ideal nicht zutrauten, das wir gesund hielten bis in den Kern, weil in ihm eben die Versöhnung mit der als Notwendig­ keit gegebenen Realität vollzogen schien. Die uns feind­ liche Welt nannte dieses System „Militarismus". Wir haben uns seiner, meine ich, nicht zu schämen; er war unsere Kraft — bis auch diese in die sittliche Zersetzung hineingeriffen worden war. Rücken wir uns im wetterschweren Dunkel dieser Tage das Helle Bild wieder vor Augen, da wir zum neidvollen Erstaunen der Mitwelt unsere nationale Neu­ geburt erlebten, denken wir an den hoffnungsgrünen Lenz von 1871 und erinnern wir uns dabei, wie laut auch schon damals — und gerade damals — die Zuversicht auf einen kulturellen Aufschwung, auf eine Durchdringung der zur Einheit zusammengeschlossenen Nation mit neuen Impulsen der Seele, des Geistes, der Künste, mit einem neuen, tiefinnerlich gerichtetem religiösem Empfinden leben* dig wurde, wie also auch schon vorher die verdrossene Müdigkeit in unserem kulturellen Gebühren schamhaft empfunden worden war — und erinnern wir uns, wie diese Zuversicht alsogleich zu schänden wurde vor der Bmtalität, mit welcher der Drang, nun rasch an die

Weltfutterkrippe zu kommen, bei uns sich entfaltete! Jedes Mittel schien gerecht und war willkommen, wenn

es

Erfolg

versprach.

Millionen

Äände

regten

tausende von Gehirnen besannen neue Wege,

sich,

Technik,

Industrie, Lande! und Verkehr nicht nur den Leistungen

der anderen Nationen gleichzubringen, sondern sie zu über­

treffen. Im großartigsten Sinne gelang durch das Landinhandgehen von Wissenschaft und Erfahrung, Initiative und Fleiß ein systematisches Zusammenfassen aller mate­

riellen Kräfte, kam eine Riesenmaschinerie zustande, in der jedes Rad nur dienendes Glied in unverrückbarer gesetzlicher Ordnung so dem Zweck des Ganzen diente, daß sie als das Produkt einer gewaltigen geistigen Po­

tenz erschien, der als solcher die Anerkennung selbst der

uns beneidenden Außenwelt nicht fehlen konnte. War das nicht ein kultureller Aufschwung sondergleichen? Nie, im Leben keines Volkes, ist geleistet worden, was ein Menschenalter in Deutschland an neuen Wetten ge­

schaffen hat. Wer sie bemängelte und in eigensinniger Ideologie darauf hinwies, daß diese Werte freilich nur einen Sieg der Zivilisation bedeuteten aber keinen der

Kultur, ward zu den Nörglern geworfen. Für Kultur im eigentlichen Sinne aber geschah in der Tat nichts; sie mußte gerade dessen entbehren, was im Bereiche der materiellen Werte den Erfolg bewirkt

Was man ihr zukommen ließ, waren gelegentliche Gnadengeschenke, da-

hatte: die Systematisierung der Kräfte.

mit doch auch sie leben könne, damit der gewaltigen Maschinerie der Zierrat des Überflusses nicht fehle. Im übrigen, meinte man, müsse sie, wie bisher unter kärg­

lichen Lebensbedingungen, nun unter den so glanzvoll ent­ falteten auf allen ihren Gebieten in der gewonnenen Freiheit nur um so reicher aufblühen. Ein begünstigenderer

Nährboden konnte ihr nie oder nirgends bereitet werden.

Nur müsse sie sich nun auch einordnen in den alles be­ fruchtenden Strom der eingeschlagenen Entwicklung. Was ihn nicht nährte, was seine Aferdämme nicht gefällig mit Schmuck umkleidete, taugte dem „Aufschwung" nicht; und

wer gar mit unbequemen Forderungen oder Zweifeln an die Inhaber der Macht und Herrlichkeit herantrat, er­ lebte es tausendfach, daß die joviale breite Miene des bekannten Wohlwollens für geistige und sittliche An­ gelegenheiten, für „kulturelle Interessen", sich rasch in frostige Leerheit verwandelte und höchstens noch durch einen Zug des Mitleids gemildert wurde, wie man ihn

einem vom gesunden Menschenverstände Abgekommenen

aus Löslichkeit nicht versagt.

war der Erfolg.

Lier, bei diesen Mächten

Wer von ihnen getragen werden wollte,

mußte ihnen dienen, und, wenn er selbst den Erfolg haben

wollte,

sich

den

gesetzmäßigen

Bedingungen

derselben

unterziehen: für Eigenbrödler und Phantasten war kein Platz in dem System. So war die neue Macht be­ schaffen, die die Menschen schlichter Geistigkeit, idealer Gesinnung, die Menschenwürde an soziale Psiichterfüllung

binden wollten, ebenso wie die, welche mit wachsender Verbitterung die Verflachung aller seelisch aufwärts­ führenden Kräfte

der Nation

voraussahen,

in immer

engere und schroffere Vereinsamung trieb. Wer da glaubt, die — jetzt zur Karikatur gewordene — Revolution sei plötzlich, unerwartet über uns gekommen, der ist blind durch

die letzten Jahrzehnte unseres Lebens gegangen: diese Re­

volution ist so alt wie unser erwachsenstes Geschlecht und hat nur durch die Enttäuschung der das Llngeheuerste erlebenden und erleidenden Massen der Enterbten den An­ stoß zum Ausbruch erfahren.

Lassen wir einstweilen die Bettachtung ihres sozialisti-

scheu Untergrundes beiseite und konstatieren wir nur die Tat­ sache, daß der Gesamtcharakter der kulturellen Leistungen der letzten Generationen auf den Gebieten geistiger und ethischer Betrachtungen, die wir mit einem irreführenden Namen „Weltanschauung" nennen, durchaus revolutionär war und fein mußte; durchaus von einem kritischen Geist erfüllt, dem es, begreiflich durch die erwähnte Isolierung seiner Träger, doch unmöglich war, auf die reale Lebens­ gestaltung der Zeit maßgebenden oder überhaupt nur irgendwelchen Einfluß auszuüben. Wo aber doch der Drang nach Wirkung diese Isolierung unerträglich fand und ihre Sperren durchbrach, ging es selten ohne Kon­ zessionen an den herrschenden Geist ab: man kennt die optimistische „Wettverschönerung" gewisser kultur-philoso­ phischer Professoren und weiß, was man von ihr zu halten hat. Nur den Starken macht Einsamkeit noch stärker, dem Schwachen erweicht sie den Charakter. Vielleicht haben Sie den Eindruck, daß ich den Kreis der Betrachtung zu weit ziehe, doch hilft es ja zu nichts, nur einzelne Symptome unseres erkrankten und jetzt eben in der heftigsten Krisis befindlichen Weltzustandes heraus­ zugreifen und Leilmethoden für sie zu ersinnen: der Strom der Kultur, der sich ewig erneuernde, ist ein unteilbarer; jeder seiner Tropfen enthält alle seine Elemente. Wir haben schon viel zu lange spezialisiert und dabei die großen Zusammenhänge aus den Augen verloren. Wem Religion in ihrem weitesten Sinne als emp­ findendes Erfassen der Welt, und wem Kunst, wieder in ihrer ganzen Macht, alS gestaltendes Erfassen der in uns sich offenbarenden Weltseele als die eigentlichen kulturellen Kräfte gelten, weiß, daß die ungeheuere Differenzierung dieser nach Betätigung drängenden Kräfte unvermeidlich ist und wie diese Kräfte unaufhörlich von anderen Ge-

16 bieten her die Anstöße zu ihrer Entfaltung — oder Ver­ kümmerung empfangen. Insbesondere stehen die Künste unter dem Gesetz einer solchen Entwicklung. Die staatbildenden Energien, die wir zusammenfaffen unter dem Begriff der Politik, das weite Reich der Sitte und der Sitten, Rechtswerdung und Rechtswandel sowie — im wesentlichen Sinne — Inhalt und Formen der Gesellschafts­ bildung führen ihnen unausgesetzt Nahrung zu und geben Anstöße zu neuen, erweiterten und zu immer stärkerer Eindrucksgewalt sich steigernden Schöpfungen. Ermessen Sie nun deren Geschick, wenn sie, wie es doch geschah, den lediglich merkantilen Tendenzen der Zeit, der Ver­ quickung mit Industrie und Lande! im weitesten Sinne ausgeliefert wurden und — anderseits — wo es galt, sich ihrer ad majorem imperii gloriam zu bedienen, doch engbrüstige Bevormundung erfuhren, also gleichzeitig wil­ der Anarchie und kulturwidriger Einschnürung überlassen und ausgeliefert waren. Die Ausübung einer solchen Kulturpflege konnte zu nichts anderem als schamlosen Entstellungen und exzentrischen Ausschreitungen der miß­ handelten und zur Empörung getriebenen Impulse führen: erschreckende Banalisierung nach der einen Richtung hin und ein übersteigerter Subjektivismus nach der anderen: breite Bettelsuppen für die Vielzuvielen der Allgemein­ heit und ein Tohuwabohu von Richtungsmeierei der mehr Lärm verursachenden als Werte schaffenden „Ismen". Bis auf die wenigen Ausnahmen der großen Erscheinungen, die ihr festes Gesetz in sich selbst geschaffen haben und tragen, war der ganze Leerbann dieser „vertrauten Lieb­ linge der sel'gen Larmonie" (Schiller), denen der Menschheit Würde in die Land gegeben ist, gespalten in Geschäfts­ huber und Snobs. Anter letzteren die feinsten und gefähr­ lichsten, die von den Eitelkeiten der Zahlungsfähigen leben,

— da diese ja die Kunstförderung als Quietiv für ihre unsozialen und deshalb mahnenden Gewissen brauchten — und darum das Bekenntnis in die Welt schrieen: Part pour Part! Drei Worte, wie Zola sagt, vollständig leer an Sinn! Man macht nicht Religion für die Religion, schafft nicht Recht fürs Recht, baut den Staat nicht um des Staates willen, sondern um der Menschen willen — für die große, uns einzig ans Lerz gelegte Angelegen­ heit: Menschlichkeit zu Blüte und Frucht zu bringen. Es war also auch hier längst schon Revolution und, wie jede Revolution, auch Krankheitsstoffe gewaltsam ausscheidende; Revolution, hervorgerufen durch die Mecha­ nisierung, Berpöbelung und Versklavung der Künste. Jemand hat jüngsthin die Behauptung aufgestellt, es käme in den vierzig Jahren deutscher Reichsherrlichkeit nicht ein Buch auf jedes Jahr, das heute noch lebte, lebte — im Sinne einer andauernden Beftuchtung und Bereicherung des Lebens. Das mag schroff geurteilt sein, aber es trifft doch wohl in dem einen Punkte zu, daß in dieser Zeit aus der gesamten geistigen Produktion kaum eine Persönlichkeit hervorsticht, die eine zusammengefaßte Zentralkraft ausgestrahlt und Grundlagen für unser Leben geschaffen hätte, wie sie sonst fast jeder Epoche von Frucht­ barkeit geboren wurden. Sieht man von dem glänzenden, aber die Phantasmen eines Hypertrophalen Geistes ver­ sprühenden Meteor Nietzsche ab, ist man in Verlegen­ heit, einen Geist zu nennen, der zum Führer getaugt und nicht nur, wie Nietzsche, die Wertlosigkeit unserer best­ geglaubten Wette festgestellt hätte. Es braucht nicht hin­ zugefügt werden, welcher Anteil trotzdem gerade Nietzsche zufällt an der Revolutionierung der Geister, wenn wir nur erkennen, wie schwer abirrend von der polaren Rich­ tung der Zeitseele seine antisoziale Geistigkeit war. Sein Martersteig, Da« Theater im neuen Staat.

-

Gegenstück in der politischen Welt: Bismarck, dessen stark­ williges Werk infolge ähnlicher mangelnder Polarität der Einstellung zu den Problemen der Epoche den TodeSkeim gleich in sich einbeschloß. Trotzdem: es hat keineswegs an Stoff gemangelt, es war aufgespeichertes Material in Fülle vorhanden; und auf den mannigfachsten Gebieten ist es zu Bausteinen verwendet worden; nur daß eben der Mangel an einsichtigem Kulturwillen die sich zentral zusammenfassende Kraft nicht erstehen und jeden Anlauf zu ihr erkranken ließ an der unseligen Relativität alles Geschehens, Füh­ len-, Strebens und Widerstrebens. Es wird einer Zeit, auch vom Genius, immer nur gegeben, wa- sie braucht, wozu sie bereitet ist, was sie aus tiefstem Bedürfnis, das durch alle Verhärtung der Oberfläche durchbricht, mit sitt­ licher Energie will. Die eben hinter uns gerollte Zeit wollte nicht- derart; sie wollte Zivilisation, nicht Kultur, und fand an thrm zum halben Verstummen gebrachten inneren geistigen Wetten kein Lemmnis mehr, in die Verflachung hineinzutreiben. So ward und blieb das Kunstschaffen, soweit e- Ein­ fluß auf die Massenseele gewann, trotz allem Geschrei nach neuen Stilen, stillos, mußte es stillos werden: un­ sicher im inneren Gehalt, unsicher in der Form, weil Ziel und Ideal im Ethischen fehlten, weil im Weltgenuß selbst die gesuchte Befriedigung nur noch durch Häufung von Reiz auf Reiz, von Sensation auf Sensation begehtt wurde, oder weil eben Indolenz ganz wahllos hinnahm, was Tag und Mode brachten, und mit stumpfen Sinnen und erstorbener Empfindung das konsumierte, was der „Kunstmartt" zur Deckung de- Kulturbedürfnisses ausbot. Das hing der Bürger dann, recht bunt durcheinander, an die Wand oder stopfte es in den Bücherschrank.

Linser stolzester Kulturbesih, die Musik, war sie denn wenigsten- lebendig, befruchtete sie die Seelen? Kein

Zweifel, daß unsere Musikpflege immer noch die erfreu­

lichsten Erscheinungen aufweist. Musik ist die allgemeinste der Künste, und darin, daß sie von allem Konkreten deZeitinhalts am unberührtesten, dafür aber am vollsten

ergriffen ist vom Strom des Weltempfindens, liegt ihre

Macht über die Seelen.

Wir wollen nicht der ost ge­

äußerten Skepsis nachhängen, wieviel Bildungsheuchelei das heute zur Äberblüte gezüchtete Konzertwesen an­

dauernd hervorlockt, so daß der Anschein entstehen könnte, als gäbe eS nichts Weltbewegenderes im öffentlichen Leben und für unsere Tagespresse, als wie Fräulein 9E. P. gestern

ihre Lieder gesungen habe, oder wie Lerr Z. die Tempi der xten Symphonie zum Schaden der klaren LerauSarbeitung des metaphysischen Themas verschleppt habe — und so fort jeden Tag spaltenlang; und wie der kultur­

beflissene Konzertbesucher dabei keine geringe Genugtuung

erfährt, weil er ja das Gleiche tadelnd empfunden hat; worauf er dann, so als Musikverständiger bestätigt, sein Grammophon in Gang seht und sich an Carusos RigolettoArie ergötzt. Ernsthast: das breite Übergewicht der Musik

in unserem Kunstleben bedeutet dem Einsichtigen längst ein Fäulnisprodukt; es ekelt ihn schließlich, wo er geht und steht oder eine Stunde der Ausspannung in seinem

Gasthof zubringt, bei seinem Mahle mit einem geliebten Menschen, im Cafe bei einer Zwiesprache mit seinem

Geschäftsfreunde, ja selbst wenn er aus dem „Fidelio" während der Pause den Erfrischungsraum aufsucht, dort zur Bekräftigung des eben erlebten Kunsteindruckes den

neuesten Operettenschlager obendrein gratis zu bekommen, wenn immer wieder und überall „der liebe Äerrgott durch den Wald geht" oder Titania immer wieder herabsteigt — 2»

dreihundertfünfundsechzigmal in jedem Jahre, an jedem Ort, wo Menschen zu erholender Muße sich versammeln ... Soll ihm da nicht die Besorgnis kommen, daß in unserer gegenwärtigen Welt Musik das breite Lotterbett geworden sei, darauf der „Bourgeois", den man früher einfältiger Philister nannte, seinen Kunstbedarf deckt? Nahe neben dieser Art von Kulturpflege steht die des heutigen Theaters, von dem Ideologen immer noch behaupten, es sei der wichtigste Teil unserer künstlerischen Volkswirtschaft. Ich stelle Bild neben Bild, Zahl neben Zahl: wir haben bis zum Kriege in Deutschland aus öffentlichen Mitteln jährlich etwa achtzehn Millionen zur Aufrechterhaltung der deutschen Schaubühne bereitgestellt; die eine Lälfte davon, die die jetzt a. D. sich befindlichen Fürsten bezahlten, werden hoffentlich die an deren Stelle getretenen Gewalten nicht verkürzen; die andere Äälfte trugen unsere Stadtverwaltungen. Während des Krieges aber, ja während seiner kritischsten Phase im vorletzten Jahre, brachten die deutschen Zeitungen die Kunde von der Gründung einer deutschen Filmgesellschaft mit min­ destens ebenso viel Aktienkapital, in deren Aufsichtsrat ein halbes Dutzend unserer prominentesten Bankdirektoren gewählt worden war. Fragt ein mit heutiger Geschäfts­ ethik Vertrauter wohl: Warum? — Ich glaube nicht. Mit der Beteiligung der Potentaten der Geldmacht ist die Beeinflussung, die Fesselung der öffentlichen Be­ wertung der zu erwartenden Leistungen dieser kunst­ industriellen Gründung unzweideutig zur vollendeten Tat­ sache erklärt: gegen einen so solid befestigten Stachel löckt kein öffentliches Gewissen mehr. Ich gebe kein Tüttelchen der Überzeugung preis, daß das mit der Dichtung schan-

delnde Kino der Totengräber der Schaubühne, der dra­ matischen Kunst ist, die von Lessing bis Äebbel immerhin

einen Aktivposten in unserem kulturellen Laushalt bedeu­ ten konnte, will aber, um nicht abermals als Amokläufer gegen die Kinoherrschaft denunziert zu werden, mir als Schild das Arteil eines unserer feinsinnigsten Kunstbesorgten vorhalten. Es ist Moritz Leimann, der es ausspricht: „Wo das Kapital sich zu einem bestimmten Zwecke ver­ sammelt, ist auch sogleich der entsprechende Geist zu seinen Diensten"; und er fährt fort in der Begründung der geistverwüstenden Eigenschaften dieses Parasiten: „da sich das Kinematographenschauspiel frech in die Sphäre des Dramas drängt, so muß man es mit diesem auseinander­ setzen. Der Anterschied ist der, daß im Filmschauspiel der Stoff in seiner kruden Tatsächlichkeit erhalten bleibt und sogar zynisch damit auftrumpft, während im echten Schauspiel der Stoff durch die Form, vornehmlich aber durch ihr Lauptelement, das Wort, bis auf den letzten Rest aufgezehrt wird, das ist der Anterschied im Wesen ..., der Lall, der aus dem Munde fährt, ist zugleich Zeugnis und schöpferisches Element des höheren Gemein­ sinnes, der zwischen den Menschen waltet. Im Wesen und in der Wirkung erfährt das Drama durch das Wort die Vergeistigung. Das Kinoschauspiel aber, gerade wenn es sich dem Wortdrama nähert, wird um so sinnloser ..., wer aber für das in allen Gassen sich einnistende Kino­ theater von heute Erfindungen macht, wer gar durch das Wort erlöste menschliche Geschehnisse wieder preisgibt und in die Lölle der blöden, maulaufsperrenden Tatsächlichkeit zurückstößt, der versündigt sich, so ahnungslos er es auch tue, gegen die Kunst — ja gegen die Lumanität selbst." Dem ist nichts zuzufügen; höchstens noch: daß die der dramatischen Kunst verpflichteten Künstler, die Schau­ spieler, das doppelte und dreifache Maß der Versündigung gegen ihre Kunst auf sich toben, wenn sie, trotz der Mi-

nistergehälter, die sie ihr danken, auS gemeiner Gewinn­ sucht dem Kino dienen und so allmählich den Ast absägen, auf dem sie sitzen und auf dem ihre karger besoldeten, die­ nenden Kunstgenossen ihre Nahrung finden. Moritz Lei­ mann hat ferner auch darin recht: „Volksverführung ist das Verbrechen, dem kein Pardon fortan gegeben werden darf, mag fie aus Schaufenstern oder Theatern, Zeitungen, Parlamenten oder Parteiversammlungen locken." Welche Verbrechenslast dieser Art aber hat sich in unserer heutigen Welt aufgesammelt I All diese Katakomben von ödem Kunstkram, dummem Firlefanz, „Schmücke dein Leim"-Artikeln, diese Beflissenheit unserer Industrie, überall ihren Verlockungen der Massen ein künstlerisches Pflästerchen aufzukleben — bis auf den ingeniösen Einfall, selbst eine gewisse Papiersorte, die der Kulturmensch allmorgend­ lich zu gebrauchen pflegt, noch mit Dichterworten zu be­ drucken — sind zu Schandmalen der Zeit gehäuft. Der Ekel an diesen Dingen darf nicht davor zurückhalten, fie immer wieder zu brandmarken als eine schamlose Ver­ wüstung aller zur Kunst hinneigenden naiven Triebe und Kräfte im Volke; und die Scham darüber fällt auf alle zurück, die gegen diese Verwüstung nicht zur äußersten Abwehr schreiten. Es ist dazu die allerletzte Stunde! Wollen wir aber, so kann fie auch die erste Stunde der Genesung werden, so kann die aus dem Niederbruch unseres teueren Landes herausgewachsene Not die Mor­ genröte eines neuen Lebenstages, einer neu aufzubauenden Volkskultur heraufführen. Der Weg der Menschheit ist ein langer, vielgewunde­ ner; die Lunderttausende von Jahren haben noch nicht vermocht, die in dem Keim gelagerte Form der Artung Mensch zur vollen Entfaltung zu bringen. Wir sind ge­ neigt, das aus der unübersehbaren Vielseitigkeit und aus

der unerkennbaren Tiefe unserer Anlagen zu verstehen: eine überholt die andere in der Kraft ihre- Keimens und drängt die schon halb entwickelten Triebe dieser anderen zeitweilig wieder zurück, bis auch deren Stunde wieder kommt, verlangsamtes Wachstum nachzuholen. Zur

Erscheinung drängende Triebe werden aufgehalten und

scheinbar unterdrückt von anderen, die die notwendige Anpassung an die Bedingungen der Llmwelt in den Blick­ punkt allgemeiner Interessen hebt. Weil wir geistige Wesen sind, weil

unsere

vorgedachte vollendete Form

— so sagen wir, wenn wir an einen die Schöpfung nach seinem Willen bildenden Gott glauben —, unsere

immanente Anlage — so, wenn wir uns selbst als Teil­ wesen einer zur Gottheit sich verkörpernden Welt be­

greifen — weil diese vorgedachte Form seelischer, geistiger Art ist, sich in geistigen Taten, in Erfüllung seelischer Triebe auswirken muß, ist uns daS Ziel unseres Werden-

Das ist es, was Nietzsche die „unendliche innere Anlage" nennt. Wir

noch in unendliche Femen gerückt.

fühlen uns darin gleich geartet und gleich vorbestimmt mit dem das Weltganze bewegenden Geist, zwingen, wie

dieser, die Materie in unseren Dienst und erheben das Gefühl davon in unserem Bewußtsein zum Gesetz. In diese- Bewußtsein drängen sich aber auch alle anderen

Triebe, auch die der wiedemm

selbst beseelten, selbst-

denkenden Materie ein als Widerstände, als Forderungen,

als Probleme vor allem.

So einfach, wie eine frühere,

von den religiösen Dogmen verschiedenster Prägung be­ stimmte Welleinsicht voraussetzte und diesen Tatbestand erklärte als Auswirkung eines unabstellbaren dualistischen WeltprozeffeS, aus dem die Schwierigkeit der menschlichen Aufgabe sich ergäbe, liegt der Prozeß, in den unsere

Sttebungen verwickelt sind, nicht.

Aber wir wollen uns

nicht im Dickicht philosophischer Ergründungen herum­ schlagen — nur, daß eine so grobe Einteilung der in uns wirkenden Kräfte: wie tierisches und göttliches Wesen, wie Realität und Idealität, ja selbst wie Materie und Geist keine ausreichende Erklärung gibt für die Vielstrebigkeit menschlicher Anlagen, das lehrt uns, wenn wir es aus der Geschichte nicht schon wissen, die schicksalsschwan­ gere Komplikation der aufgewühlten Gedanken, Forderun­ gen, Ideen, Ausflüchte, der an Leidenschaften dahingegebenen Willensstrebungen des seelischen Zustandes der heutigen Welt, ihre jetzige gesamte Mentalität (wie der Mode­ ausdruck für die gesuchte und nicht zu findende Gesamt­ verfassung dieser Lebensäußerungen lautet). Aber gerade in einer solchen Verfassung der Geister sucht der Einzelne auS der Zerrissenheit der sich ihm mit Zwangsgewalt auf­ drängenden Empfindungen und Strebungen nach festen Standpunkten — im ganz wörtlichen Sinne: wo er Boden unter sich fühlt, auf dem er stehen, von dem aus er, sich wehrend oder angreifend, handeln kann. Er braucht Rück­ halt an den Genossen seines Erleidens und Wollens, er schließt sich mit diesen zusammen zu gegenseitiger Unter­ stützung in dem, was ihm von all den ausstrahlendey und auf ihn eindringenden Ideen, Gestaltungsplänen und Willensrichtungen am besten taugt zu seiner Selbsterhaltung, aber auch zu seiner Autonomie, zur Selbstbehauptung seiner Gedankenwelt, die er Überzeugung nennt. And er vereinfacht aus Notwehr, zieht Grenzen, bis wohin er mit dem drängenden Ansturm neuer Ideale der Menschen­ ordnung gehen zu können vermeint, über die hinaus er sich nicht verlocken lassen will, und klammert sich an Be­ griffe, die, weil sie lange schon im Amlauf sind, reichlich abgewandelt, aber doch auch wieder vieldeutig geworden, ihm als das Anumstößliche, als das Gesetzverbürgende

gelten können.

In diese Mentalität hineingezogen, sucht

jetzt der Teil unseres Volkes, den wir die bürgerliche Ge­ sellschaft nennen, der als Träger unserer seitherigen „Kul­

tur" sich anspricht und ansprechen darf — im Guten wie im Schlimmen — den Ausweg im Ideal der Demokratie. Freilich nur so, wie er dieses Ideal versteht.

Das stellt

er jetzt als ein allerhöchstes Menschenziel „sehnsüchtigster Gewalt" über das Leben und hofft, daß in ihm auch die Kraft enthalten sei, die reiche Aussaat an Kulturkeimen,

sowohl von den Ieugenschaften her einer stolzen Ver­ gangenheit wie aus den drängenden Impulsen neuer Ge­ fühlsinhalte, zum Erblühen zu bringen. So ist es ihm in tausendfältiger Rede, in seherischen Proklamationen

kommender Herrlichkeit verkündigt und versprochen worden. And er ahnt dabei doch kaum, wie weit entfernt eine Er­ füllung dieses Begriffes „Demokratie" in seinem wahren Sinne unserer heutigen Welt noch ist.

Noch weniger,

wie verhängnisvoll es ist, wenn er der jetzt im Schwange

befindlichen Ausdeutung dieses Ideals Gesetzeskraft oder

gar Schicksalsmacht beimißt. Damit ist der Kernpunkt der in Frage stehenden Aufgabe über Inhalt und Form künftiger Kultur berührt: diese Aufgabe kann nicht gelöst werden, solange ein „Mehr-

heitSwille" als Gemeinwille anerkannt werden muß. Dieser Notbehelf der arithmetischen Ausdeutung der „Demokratie" droht die gesamte gesunde Kraft dieses Ideals aufzuzehren und es selbst in einen Fetisch zu ver­

wandeln, den man von Fall zu Fall, auf jeder Stufe

scheinbar erreichter Erfüllung, mit bunten Lappen einer üblen Phraseologie bekleidet. Warum können wir über

Daß niemals Demokratie war, außer in kürzesten Strecken aufschwellender Amwäldiesen Notbehelf nicht hinaus?

zungen, ist kein Beweis, daß sie nicht sein könnte: auch

sie gehört zu den immanenten Anlagen der Gattung Mensch, zu deren Entelechie. Wir werden ihrer Erfüllung näher kommen, sobald wir anfangen, sie auf das Wertverhältnis aufzubauen, das unser Kulturgewiffen uns diktiert, nicht auf einen Willen zur Macht, der nur dann Stufe zu jener Wert­ erkenntnis ist, wenn er das Mehrgewicht an Einsicht und Verstand, an Durchdringung der praktischen Möglichkeiten, besonders aber der idealen, der die Sicherung der seelischen Entwicklung verbürgenden, als seine Werkzeuge und Waffen begreift. Der heutigen Demokratie und ihrem Gemeinschafts­ begriffe fehlt das gleichgewichtige Maß, das unbedingt da den Ausschlag geben müßte, wo es sich darum handelt, die Vorbedingungen für das Wachstum der Seele sicher­ zustellen. Diese Interessen blieben bisher immer in der Minorität und mit ihnen die der Kultur. Die jetzt allgemein geglaubte These, Mehrheitsbildung sei Willensbildung der Gemeinschaft, ist dämm an sich zwar richtig, ihre Verwirklichung aber sagt noch gar nichtaus über die Wohlfahrtsverbürgung eines solchen zum Tun gelangenden Willens und noch weniger für seine Gerechtigkeit im sozialen Sinne. Die Willensbildung, die als Gemeinschaftswille echter Demokratie gelten könnte, um die entscheidet keine Abzählung, um die müßte in einer Volksvertretung gerungen werden, nicht im Widerstreit der Meinungen, die sich selbst aufzugeben von vomherein unfähig und eS nicht zu tun auch fest entschlossen sind, sondem wie Jakob mit dem Engel rang: „ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!" Die ist nur durch einen in letzter Ent­ scheidung alle- überwiegenden Einsatz von Nächstenliebe herzustellen — aber dieses Wort in seiner tiefsten und reinsten Leilandsbedeutung genommen. Nächstenliebe, die alles erlangbare Glück jedem, auch dem Ärmsten und

Schwächsten nicht nur gönnt, sondern ihm auch dazu ver­ helfen will um der Möglichkeit willen, mitschaffen zu können am Kulturbesitz und im Mitschaffen die Seele zu erweitern, zu bereichern. Der Glaube, der aus dem allen spricht, ist eindeutig: es ist der an die Notwendigkeit der Sozialisierung unseres Gesellschaftsaufbaus, der, daß Demokratie durchdrungen und beseelt sein muß vom Willen, die Menschen anein­ ander zu bringen, sie nicht immer wieder zu scheiden, son­ dern zusammenzufaffen; jenen Gemeinwillen herzustellen, der Menschlichkeit und Adel der Seele als den Sinn des Lebens bekennt. Vernunft wird entscheiden müssen, welche Wege zu diesem Ziele einzuschlagen, welche, als zu tieferer Zerklüftung und in gänzlich kulturlose Zustände führend, zu meiden sind: neben der Vernunft aber zu Opfern be­ reite Liebe. Diese beiden, Vernunft und Liebe, deuten ja schon der Menschenseele erlangbaren Bereich an, der auSzufüllen ist von dem von Demut und Stolz getragenen Willen: „Gott in uns wahr zu machen". Alles andere der jetzt vor uns liegenden praktisch-politischen Aufgabe ist, so schwer es unS scheinen mag, doch nur Außenwerk; es wird kinderleicht, wenn jener Strom gerechten inner­ lichen Willens es leitet. ES ist anzuerkennen, daß unsere neue Verfassung einen derart bereiten Willen zu sozialer Kultur zum Ausdruck zu bringen sucht, doch ist alles darauf Bezügliche wiederum den Interessen und Reservaten der alten Par­ teienwirtschaft entsprechend sehr vorsichtig verklausuliert worden, und es ist zu fürchten, die alte Übung werde

fortgesetzt werden, das kulturell Notwendige so quasi nebenher, in „Überstunden" der parlamentarischen Tätig­ keit zu erledigen. Lier sind aber nicht, wie man nach den bisher gemachten Erfahrungen glauben könnte, Schönheits-

fehler zu verbessern, hier ist ein völlig neuer Grund zu legen. Lier stehen alle Erziehungsfragen in erster Reihe. Nach dem Kriege von 1866 beliebte man zu sagen, der preußische Schulmeister habe den damaligen Sieg errungen — wir dürften uns nicht wundern, wenn heute ein schaden­ froher Satiriker das Paradoxon folgen ließe, der deutsche Schulmeister habe uns den Weltkrieg verlieren gemacht. Wenn es behauptet würde, sollten wir nicht entrüstet aufbegehren und nicht, wie es so gern geschieht, auf die vielen Vorzüge, die wir vor den „anderen" haben, prahlerisch Hinweisen. Diese schlechte deutsche Gewöhnung hilft uns nicht weiter; für uns ist damit nie und nirgends etwa­ bewiesen. In Gewissensfragen der Kultur ist es ein­ fach unsere Pflicht und Schuldigkeit, weiter zu sein als die „anderen"; wir haben da den Maßstab unserer eigenen Veranlagung anzulegen, und die Forderungen an uns selbst bleiben bestehen, auch wenn wir sie damit übertäuben, daß es bei „anderen" nicht besser stehe. Ebensowenig aber beweisen wir etwas, wenn wir nur immer auf die Löhe dieser Forderungen Hinweisen, auf ihre tiefe Begründung durch unsere Luther, Kant, Fichte usw. Das Berufen auf deren große Erziehungsideale war eine der schlimm­ sten Lächerlichkeiten, deren wir uns in der „rhetorischen" Kriegsführung schuldig gemacht haben. Vielleicht hören wir jetzt einmal Fichtes Reden an die deutsche Nation, anstatt immer nur ihren Titel zu zitieren. And nehmen aus dem weit angelegten Erziehungsplan, der darin breit als Wesentlichstes entfaltet wurde, die Leitgedanken für unsere „Kulturaufgaben nach dem Kriege". Auch die Lehr- und Wanderjahre Wilhelm Meister- könnten wir mit Nutzen dabei zu Rate ziehen. Wenn ein Volk schon das Glück gehabt hat, prophetische Seher und Erzieher

unter sich erstehen zu sehen, so soll es sich ihrer, wenn

sie im Glück vergessen worden sind, im Anglück wenigstens erinnern, indem es diese Gedanken hohen Arsprungs als Wertmesser an die Erscheinungen seiner Zeit legt. Ich glaube, es ist selbst ein deutscher Schulmann, der von den

Erziehungsanstalten unserer Zeit sagt: „hier wird Lomer und Plato, wird Shakespeare und Goethe, hier werden alle großen Dinge, die die Seele des Menschen ausmachen, behandelt wie Rizinusöl, das man zwangsweise eingibt". And der Lehrer einer höheren Schule war es, der mich — vor kurzem noch — um Überlassung von wesentlich

verbilligten Eintrittskarten für seine Klassenschüler zur Oper „Mignon" ersuchte, weil er in seiner Klaffe gerade

Goethe lesen lasse!

Der Laie braucht jedoch für die

Reform unserer Schulen weiter keine Lanzen zu brechen;

das Thema ist, dank der hingebenden Arbeit gerade einer jüngeren Generation von Pädagogen, längst allen geläufig. Kulturbereitschaft zu bewirken, für Kulturwerte die Seele

weit zu machen, wieder Lumanität im schaffenden Sinne erstarken zu lassen, dahin ist ein Stufenbau der Erziehungs­

aufgaben von der Volksschule an bis zu den Aniversitäten neu aufzuführen. Es wird nicht verkannt, daß es wahr­

lich kein geringes Maß von positivem, allseitigem und Fachwissen ist, das dem Vertreter geistiger oder leitender

Berufe heute zu erwerben obliegt; aber ein jeder weiß auch, wie leicht diese Last gehoben wird von dem, der in seinem Kulturgewissen zu seinem Berufe sich wirklich

berufen fühlt; nur dem wird sie schwer, der eine Amts­ qualifikation auf der Lochschule zu erbüffeln sich seuf­ zend anschickt.

Neben der Einheitsschule, Qualifikationsschule, Fort­ bildungsschule und der Lochschule endlich brauchen wir aber die Volkshochschule für jedermann aus bürget*

lichen wie landwirtschaftlichen Berufen zur Leranbildung politischer und somit auch kultureller Verantwortlich» keit — abseits aller Parteiinteressen und »zwecke. Lier ist der Grund zu legen für daS staatspolitische und kultur­ religiöse Bewußtsein, das zu einer Weltanschauung führt und infolge deren zum Aufbau der endlich zu erlangenden sozialen Kultur kommender Geschlechter. Dieser Gedanke spannt sich am weitesten, wenn er sich nicht scheut, daS, was wir bisher als allgemeine Wehrpflicht gekannt und getragen haben, umzuwandeln in die allgemeine Pflicht zum Dienst an der Volkswohlfahrt. Die Opfer der besten Jahre, die wir der Militärpflicht brachten, werden dem Einzelnen zum Segen werden wie der Gesamtheit, und die zwei oder drei der Selbstbestimmung und der Erwerbs­ tätigkeit entzogenen Semester edlere Früchte tragen, als der Drill zur möglichsten Raffiniertheit in Menschen­ vertilgung. Die für diese Volkshochschuldienstzeit vom Staat aufzubringenden Kosten dürsten sicherlich weit unter der Summe der für die bisherigen Militärlasten bleiben und würden dem Aufbau der Menschlichkeit dienen, statt der Zerstörung derselben. Überall handelt es sich jetzt darum, die Begriffe von

Kultur, auch von künstlerischer, inS werktätige wie inS feiernde Leben hinauszutragen, sie mit Tun und Landein der Lebensführung innig und wieder von Grund auf zu verknüpfen, wie sie ja in aller Menschheitsentwicklung aus ungeteiltem Stamme emporgetrieben und zum Ansegen erst in späteren Entwicklungsphasen abgespaltet worden sind oder sich abspalten mußten, damit die rohe Not des Lebens bewältigt werden konnte. Ganz gewiß reichten jetzt unsere intellektuellen wie unsere technischen Fähigkeiten und Fer­ tigkeiten hin, die Wiedervereinigung dieser Anlagen all-

mählich zu bewirken, wenn nur ein vom Ethos dirigierter Gemeinwille dazu zu erwecken und stark zu machen wäre. An vorbereitender Arbeit ist genug geleistet: das Ver­ streute, Getrennte, jetzt überall gesonderten und speziali­ sierten Zwecken Dienende müßte nur wieder in ein gemeinsames Bette geleitet werden und des Stolzes sich ent* schlagen, ein umgrenztes Sonderdasein zu führen. Man kann dafür die jetzt übliche Pflege unserer bildenden Künste als Beispiel anführen: kurz nach Lerrschaftsantritt der demokratischen Republik veranstaltete man in einer berühmten deutschen Kunststadt Führungen durch die Museen, für welche sich eine anerkannte Autorität der Kunstwissenschaft und der Ästhetik in den Dienst stellte. Das Ergebnis dieses Anlaufs zur Kunsterziehung war beschämend: nicht mehr als zwölf ganze Personen von den angeblich Tausenden der Kunstsehnsüchtigen dieser Großstadt hatten sich zur festgesetzten Sonntagsvormittags­ stunde eingefunden. Der Rückschluß aus dieser Erfahrung soll nicht über das Ziel hinausschießen: gewiß ist es wün­ schenswert und notwendig, unseren Museen den Charakter als Studienanstalten zu erhalten, in denen die systemati­ schen Zusammenhänge der Epochen und ihrer Stile an typischen Kunstwerken erkennbar werden; aber alles Lehr­ hafte in künstlerischen Darbietungen verfehlt auf die All­ gemeinheit seinen Zweck. Wir sollten das eine tun und daS andere nicht lassen; es wäre gewiß vorteilhaft, wenn unsere Kunstsammlungen weniger bedacht auf ihren exklu­ siven Besitzstand als vielmehr auf möglichst breite Wir­ kungsmöglichkeit ihrer Schätze wären. Wenn sie diese hinausgäben überall dorthin, wo des Lebens Pulse, unter ernster oder heiterer Beeindruckung, gehobener schlagen, damit an diesen Otten, wo um die großen Gegenstände des Lebens gehandelt wird, würdevolle Festlichkeit sich

breite. Mit dieser expansiven Tendenz der Kunstpfiege verträgt sich die andere, für jeden Einsichtigen längst selbst­ verständliche recht wohl, die Künste von allem Schulzwange zu befreien — aber auch von aller Verleitung zur Züch­ tung des künstlerischen Genies. Die zur Gestaltung drän­ genden inneren Anlagen der für die Kunst Entzündeten werden freier und reicher sich entfalten, wenn die Erziehung zur Kunst durch besondere Schulen sich auf die Ausbildung der technischen Fertigkeiten beschränkt. Was Gefühlsgewalt erlangen soll über das Leben, kann nur vom Leben erweckt werden, nicht von einer Lehre. Aber fast gewinnt es den Anschein, als wollten unsere neuen Regierungsgewalten den Acker der Künste der in­ tensiven Wirtschaftsweise gewinnen, um aus ihm möglichst viel zur Bewältigung ihrer Finanzsorgen herauszuschlagen. Man hat hohe Luxussteuern ins Auge gefaßt für die Kunsterzeugnifse höherer Gattung; wichtiger und frucht­ bringender wäre wohl, wenn man gerade die künstlerische Kitschproduktion mit den höchst zulässigen Steuern belegte und sie so allmählich einschränkte; denn in ihr liegt nicht nur eine Gefahr für die Kunstempfänglichkeit im Volke, sondern auch eine unheilvolle Vergeudung an Arbeitswert und infolgedessen an Wohlfahrtsmöglichkeit der Lebens­ haltung überhaupt. Echtem Kulturgut sei jede Bahn frei, jedem Nurzeitvertreib und Zeitverderb unter künstlerischem Aufputz sei sie gesperrt: das wäre die Direktive für eine Neuordnung des künstlerischen Wirtschaftsgebietes; das wäre ein Stück gesunder Kulturpolitik, wie man sie nicht nur den Künstlern, sondern vor allem eben dem Volke schuldig wäre, das vor Verführung zum Llngeschmack ge­ schützt sein muß wie vor der, den gerechten Ertrag seiner Arbeit an Dinge zu vergeuden, die ihm keine Erhöhung des Lebensgefühls schaffen, nur Schaden daran stiften.

Wo der Staat, den wir neu aufbauen wollen, als Verwalter des Volksvermögens — und die Produktions­ kraft eines Volkes ist sein Vermögen — Kulturaufgaben

umfassenderer Art ins Leben zu rufen und aus öffentlichen Mitteln zu unterstützen hat, muß es geschehen aus den,

höchsten Gefühl der Verantwortlichkeit.

Angesichts des

zu erwirkenden Zweckes muß jede Verquickung der zu treffenden Maßnahmen mit selbstischen, privaten Neigun­ gen, mit für nötig empfundenen Konzessionen an kultur­

widrige Gepflogenheiten der Allgemeinheit ausscheiden — auch wenn diese Konzessionen aus finanziellen Gesichts­

punkten im Dienste der Steuerpolitik vorteilhaft erscheinen. Ganz oder gar nicht — heißt das Gesetz für alle

Kulturpolitik.

Eine abgeschwächte, von hundert „wenn"

und „aber" bedingte, allen Standpunkten Rechnung tragen wollende, entmannt sich selbst. Da liegt der Fehler aller Kommissionsarbeit, weil man deren Begriff in falsch ver­

standener demokratischer Grundsätzlichkeit auf den Kopf gestellt hat.

übersetzen Sie daö Wort Kommission in

wörtliches Deutsch und Sie haben die unumstößliche Regel

für alle Kommissionsarbeit: Zusammenwirken — darum handelt es sich — zu einem Ziele hin, das dem allgemeinen Besten dienen soll. Das heißt, die Verantwortlichkeit

jedes einzelnen Gliedes steigern bis zum höchsten Grade, nicht aber jedes Glied der Kommission von dieser Ver­ antwortlichkeit so weit als möglich zu entlasten, wie es bei uns Brauch geworden ist; und über persönliches Mei­ nen und Bedürfen hinaus ist die Verantwortlichkeit zu

suchen, wenn man als Mandatar des Kulturgewiffens bestellt ist.

Man hat eingesehen, daß diese Verantwort­

lichkeit nicht aufgebracht werden kann von zu ganz anderen Leistungen hin aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Volksvertretern, und hat über wichtige Gebiete selbständige SKartevfteij, Da- Thraker im neuen Ltaak. 3

Bevollmächtigte gestellt. Damit aber durchlöchert mari das Prinzip der Demokratie gerade da, wo es sich be­ währen könnte und sollte, wo es erzieherisch wirken könnte zu wirklicher Demokratie. Man sollte nicht stehen bleiben bei der an sich erfreulichen Einsicht, daß der auf die bis­ herige Parlamentspraxis eingeschulte Berufspolitiker — der ja freilich in dieser Eigenschaft häufig genug auch nur Dilettant ist — das „Fach" nicht beherrscht und nicht zu beherrschen braucht und daß es besser ist, ihn davor zu beschützen, daß er sich kompromittiere; aber diese Entsagung unserer Volksvertreter ist leider nur allzu durchsichtig als Ausflucht erkennbar: man bestellt einen Staatskommissar, den man als Sündenbock in die Wüste schicken kann, wenn auch er mit der Anarchie in kulturellen Strebungen nicht fertig wird, die eine ohnmächtige und feige Praxis parla­ mentarischer Gepflogenheit durch Geschlechter hindurch hat hochkommen lassen. Damit ist das Problem sicherlich nicht gelöst. Wie im wirtschaftlichen Leben, so auch im kultu­ rellen drängt alles auf Selbständigmachung der Interessenten­ verbände hin; der unumstößlich kernhafte Gedanke im „Rätesystem", der in vielerlei völlig differenzierten For­ men Gestalt empfangen kann, muß auch hier zu einer neuen Organisation der kulturschaffenden Kräfte führen. Die Künstler selbst, um von ihrem Kulturgebiet zu reden, haben sich freilich bis heute als denkbar ungeeignet er­ wiesen, diese Organisation an und in sich zu vollziehen; ihre wirtschaftlichen Interessen streben allzu schroff aus­ einander statt zusammen, und was an einheitlichem Willen dann noch möglich wäre, wird auseinandergesprengt durch die Gegensätze der Richtungen, Stiltendenzen und „Ismen". Das ist das einstweilen trostlose Ergebnis aller nach der Revolution rasch entstandener Künstler-Reformverbände. Soll die Kunst den ihr unbedingt notwendigen Zu-

sammenhang mit dem Leben wieder finden und dennoch

vor der Gefahr geschützt sein, fich an die trivialen Ten­ denzen der Massenbedürfnisse zu verlieren, so müssen sie die Mitarbeit der kulturbewußten Laien aller Stände emp­ fangen.

Das ist der Sinn jener Bewegung, die auf ein

Rätesystem der Kulturträger im Volke hinauswill, auf

die Bildung einer „Kulturpartei", die jedoch nicht den

billigen Ehrgeiz haben dürfte, neben dem halben Dutzend der politischen Parteien in unseren Parlamenten zu tagen

und zu schwätzen, die aus ihrem erarbeiteten und gereinig­ ten Willen heraus unseren gesetzgebenden Parlamenten

den Stoff zuzuweisen befugt und verfassungsmäßig be­ rechtigt wäre, aus dem jene dann das Gesetz zu formen hätten. Daß dieses Kulturrätesystem ebenso in die Ver­

fassung verankert sein müßte, wie das Betriebsrätesystem, versteht sich von selbst.*) Die tief in den Weltprozeß der sozialen Amlagerung,

in dem wir stehen, hineingreifende Seelenfrage ist min­ destens ebenso wichtig, wie die jetzt noch allein gehörte

Magenfrage. Erst wenn jene gelöst würde, gelangten wir mit der Zeit dahin, daß Wert, kultureller und künstlerischer Wert, nicht länger als Ware behandelt würde. Es ist aber „der Wille zum Wert" (Meininger), der die Kultur eines Volkes bestimmt, nicht der Wille zur Macht und auch nicht der Wille zu „Wohnlichkeit und Schmuck",

wie wir nach dem letzten Programm des demokratischen Parteitages glauben sollen, der letzten Endes doch nur wieder der zu materiellem Behagen wäre und zum Lotter­ bett der Selbstgenügsamkeit. *) Vgl. „Popper-Lynkeus und die soziale Frage" von Hein­ rich Nienkamp im dritten Jahrbuch für geistige Politik „Das Ziel"; Kurt Wolff Verlag, 1919.

Das Theater im neuen Staat Zn der Verfassung von Weimar haben wir den Grundriß festgelegt zum Aufbau des neuen Deutschlands

als demokratisch-soziale Republik. Demokratisch, sozial und Republik — das sind drei Worte, die drei Begriffe scharf umreißen sollten, so daß jeder für sich wie auch in seiner Beziehung zum andern in gemeinsam verstandener Klarheit da stünde. Aus ihrem Zusammenfließen soll sich

dann der höhere, übergeordnete ergeben als das Ziel aller Menschheitsordnung: der Staat. Der Staat, der ein Kulturstaat sein will und sein muß, und anders diesen Namen nicht verdient. Der mehr sein will als nur eine Schutzvorrichtung vor Schädigungen einander widerstreben­ der Kräfte, mehr aber auch als eine Versicherungsgesell­ schaft für die seiner Ordnung sich einfügenden Personen und Gruppen. Der weit über diese engen Aufgaben

hinaus

die Leitung

zu einem Gesellschaftsaufbau

von

wirtschaftlicher und geistiger Schöpfergewalt in die Land nähme und fest darin hielte. Keiner dieser Begriffe ist, nach Inhalt und Wirkungsweite, schon dem Streite dieser

dunkeln und doch lärmerfüllten Tage entrückt — vor allem eben nicht der der zu erfüllenden Staatsform und ihres Aufgabenkreises, wenn es auch so scheinen möchte, als gäbe uns die neue Verfassung da ganz feste Richtlinien

an die Land. Aber man hat uns gesagt, diese Verfassung

sei zunächst nur ein Nahmen, der mit Inhalt nach be­ stimmten Ausmaßen erst erfüllt werden solle. In der Regel verfährt man ja umgekehrt: man schafft erst einen In­ halt oder klärt den, der sich vorfindet, und formt nachher einen Nahmen darum, damit das Ganze zusammengehalten werde als eine untrennbare Einheit. Es sind darum nicht wenige, die meinen, es wäre klüger gewesen, vorerst nur einen Lilfsbau zu errichten, erst die gemeine Not des Tages zu bekämpfen, wie auch, vor allem, erst eine Läute­ rung der revolutionären und sozialen Strömungen herbei­ zuführen oder sich einstellen zu lassen. Doch ist der Be­ weis nicht zu erbringen, daß diese Methode ein besseres Ergebnis gezeitigt hätte. Nun müssen wir, wohl oder Übel, den Willen auszubringen suchen, die starre Form dieser Verfassung mit fruchttreibendem Leben zu erfüllen. Über die wohl kaum mehr zu überbietende Zerrissenheit

dieses Willens im gegenwärtigen Zeitpunkt darf sich der nicht wundern, der nur mit einiger Anvoreingenommenheit auf unsere wirtschaftspolitische Entwicklung zurückzuschauen vermag; ihm stehen die drei schicksalhaften Begebenheiten unseres nationalen Lebens im untrennbaren ursächlichen Zusammenhang: die Reichsbegründung als das Ergeb­ nis einer durch mehr als zwei Jahrzehnte vorher er­ folgten völligen Umgestaltung unserer Wirtschaftsform; dann die Entladung des ganz international-imperialistischkapitalistischen Konfliktsstoffes im Weltkrieg; und endlich die durch ihn bewirkte Katastrophe, welche den Bankrott offenbarte, dem jene Entwicklung zutreiben mußte. Nur fehlt noch jede Verständigung darüber, ob es besser wäre, aus diesem Bankrott nach der alten Methode mit einem geretteten Bettiebsfonds wieder von vorn anzufangen, oder das Chaos hinzunehmen und womöglich noch völliger zu machen als neuen Fruchtboden für utopistische Aussaat.

In einem nur scheint der Wille der gegensätzlichsten Strebungen, der radikalsten und der konservativsten, geeint zu sein: im Bekenntnis zur Kunst. Gleichviel, welche Tiefe man ihrer Bedeutung beimißt im Gesamtbilde der Kultur, man scheint schon ein Letztes, Unveräußerliches sichergestellt zu wähnen, wenn man über aller Armut, Angst und Sorge des Tages das Bedürfnis nach Kunst vorhanden und die sie schaffenden Kräfte in reger Betrieb­ samkeit am Werke sieht. Es wird der wesentliche Sinn dieser Darlegungen sein, diese Meinung auf ihre Stich­ haltigkeit zu prüfen. Von den unseren — vorläufigen — Staat repräsen tierenden Kräften sind es, das ist anzuerkennen, gerade die radikalsten, die ein entschlossenes Bekenntnis zur künst­ lerischen Kultur zuerst abgelegt haben. Wer den sozialen Charakter dieses neuen Staatswesens als den höheren Wert schätzt, muß wünschen, daß die Segnungen der Kunst in breitem Strome dem Volksganzen zugeführt und ihres Charakters als Vorrecht der begüterten Gesellschastsschichten entkleidet werden. Auch hier ist eine Bahn freizulegen zum Aufstieg für alle in eine höhere Lebens­ sphäre, die Freiheit und Würde der Lebensauffassung be­ günstigt. Wie beifällig von der Gesamtheit der künstle­ risch Schaffenden diese erste Frucht der revolutionären Umgestaltung begrüßt wurde, zeigte sich in den rasch und zahlreich allerorten sich bildenden Zusammenschlüssen der Künstler. In zwei, drei Tagen waren da die eine völlige Umgestaltung verkündigenden Programme entworfen und verkündigt, als hätte unsere Künstlerschaft der Revolution nur als Stichwort bedurft, längst vorbereitete Reformen sofort in Taten umzusetzen. Freilich zeigte sich zugleich, wie auch hier die endlichen Ziele vielumstrittene waren und nicht weniger auch die Wege, die zu jenen eingeschlagen

werden sollten. Lier wohnten also nicht einmal die Ge­ danken leicht bei einander und härter noch im Raume stießen sich die Sachen: das heißt, die materiellen Be­ dingungen für Mittel unt> Zweck. Wenn irgendworin, so zeigte sich eben in diesem revolutionären Eifer der Künstler die ganze psychologische Anreise, die falsche psychologische Voraussetzung überhaupt, die im allgemei­ nen das Kennzeichen dieser unserer Revolution war, und der aus ihr überstürzt gezogenen Folgerungen. Die Sorge ist nun nicht unbegründet, daß diese mangelnde Einheit­ lichkeit der künstlerischen Willen zurückwirke auf die Laltung der staatlichen Organe, die in dieser Llneinigkeit gar leicht den Vorwand finden dürften, die Kunstfrage, wie es früher schon üblich war, doch wieder nur so nebenhin zu behandeln. Doch lassen wir von diesen Erscheinungen einstweilen die beiseite, die unser Thema zu weitläufig machen wür­ den, und wenden wir uns dem engeren Gebiete der theatra­ lischen Kunstpflege zu. Auch von diesem ist zu sagen, daß fast von einem zum anderen Tage hier eine vorher im wesentlichen monarchische, jedenfalls autokratische Verfassung sich in eine republikanisch-sozialistische ver­ wandelte. Lier war die Psychologie der Beteiligten schärfer und einheitlicher nach dieser Richtung hin vor­ bereitet; und auch die wirtschaftlich-sozialen Zustände hatten lange Zeit schon einen Amschwung begünstigt. Natürlich weniger von feiten der Arbeitgeber, obwohl auch da eine lange Liste der Beschwerden über mangelnde Einsicht bei den Aufsichtsbehörden und den Verwaltungen, von denen sie abhängig waren, vorbereitet war, als von feiten der Arbeitnehmer, der gesamten Darstellerschaft und der technischen Lilfskräfte im Theaterbetriebe. Zn einem gingen seit langem diese Bestrebungen Land in Land:

man forderte vom Staate oder, wenn dieser nicht zuständig sich erklärte, von den städtischen Verwaltungen die Anterstellung der Theater in den Regiebetrieb. Namentlich die Stadttheater — das sind gemeinhin Theater, die zwar Eigentum der Städte sind, aber von Pächtern betrieben werden — waren lange vor dem Kriege schon in kritische geschäftliche Situationen geraten; die wirtschaftlichen und sozialen Lasten waren derart angewachsen, daß die bisher übliche Verpachtung der Theater als untunlich — eigent­ lich als unmoralisch erkannt werden mußte. Durch den Krieg war diese Frage nur etwas wieder in den Hinter­ grund getreten; denn es wiederholte sich die schon 1870/71 gemachte Erfahrung, daß Krieg und gute Theaterkonjunktur recht wohl zusammengingen. Mit dem Zusammenbruch und mit der Revolution lebte sie jedoch wieder auf: der Kommunalisierung der Theater — Verstadtlichung ist das nicht gerade schön klingende deutsche Wort dafür — wäre, aus Gründen der sozialen Idee und gegenüber den herauf­ kommenden materiellen Sorgen, hieß es nun, nicht länger auszuweichen. Es gälte, eine seit etwa fünfzehn Zähren in Fluß geratene Entwicklung grundsätzlich und syste­ matisch zu Ende zu führen. Aber auch die Widerstände gegen diese Reform, die immer vorhanden gewesen waren, hatten nun eine Verstärkung erfahren; denn angesichts der weitgehenden Emanzipation der Künstlerschaft vermindette sich bei den Stadtverwaltungen die nie sehr bereite Nei­ gung zur Verantwortlichkeit einer Aufgabe gegenüber, von der man wohl wußte, daß ihre ideale Erfüllung einen Gemeinsamkeitswillen voraussetzt, der bei der Aneinigkeit darüber, was man von einem Theater zu verlangen, wel­ cher Mission es zu dienen habe, welchen Geschmack es befriedigen solle, nie aufzubringen sein würde. Da sich in diesen Verwaltungskörpern doch immer die im breiten

Publikum vorhandene Kunstanschauung widerspiegelt, er­ schwert sich ihnen auch jedwede feste und grundsätzliche Zielsetzung für die mit der Schaubühne verknüpfte kultu­ relle Idee; daher die nie endenden Kämpfe, die Krisen­ stimmungen, namentlich in den noch jungen Organisationen städtischer Theaterverwaltungen. Welches ist nun aber diese „Idee"? — Wir wollen es vermeiden, den bei der Erörterung dieser Frage üblichen Weg zu beschreiten. Er führt gewöhnlich vom alten Olympia her an den Blüte- und Verfallsepochen der abendländischen Theaterkultur vorbei zu unserer neuzeit­ lichen Schaubühne und zeigt, wie diese Kultur bei uns zwar in die Breite gewachsen ist, aber kaum in die Tiefe, so daß man auch heute noch das Stichwort vom „Verfall der Schaubühne" in allen Betrachtungen unseres Theater­ wesens wieder hören kann. Es genügt für unseren Zweck die Feststellung, daß wir in etwa tausend Jahren unserer Kultur die Idee einer nationalen Schaubühne, also einer Gesamtkunstübung, die durch den Geist und das Wort des Dichters, durch eine entsprechende ästhetische Form der Wiedergabe dieses Geistes den tiefen Inhalt eines Kultur­ vermögens und Kulturwillens, die Bereitschaft zur sitt­ lichen Erhöhung und Erweiterung der seelischen Kräfte, der Vertiefung des religiösen Erlebens der Welt — daß wir diese Idee dauernd nicht haben befestigen können. Sie ist im wesentlichen immer Ideologie geblieben, das Stieflind der mächtigm Dreieinheit, die jede Kultur reprä­ sentiert: Kunst, Wissenschaft und Religion. Wir wollen uns klar darüber sein, auch wenn es unseren Illusionis­ mus schmerzt, daß Glanzzeiten unserer Schaubühne, wie sie der Antike eigneten, in diesem Sinne nicht einfach zur Wiederholung zu bringen sind. Auch nicht, wenn Dichter, Darsteller und kulturbewußte Theaterleiter gemein-

sam einem solchen Ziele entgegenarbeiteten. Dazu gehörten ganz andere Voraussetzungen, als sie in unserem Volke und in seiner Zusammensetzung, namentlich gegenwärtig, gegeben sind. Wir sind es dem unerbittlichen Ernst dieser Schicksals­ stunde schuldig, klar zu erkennen, wozu unsere Kraft hin­ reicht, wieder emporzukommen, auch im Kulturellen, und das, was über diese Kraft geht, uns also mit aller Zukunft nur beschämende Enttäuschung bringen würde, müssen wir fahren lassen. Wir müssen uns zu dem bekennen, was

ist: und da kann kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Kunst, die durch die Erfüllung der in ihr vorhandenen Möglichkeiten die mächtigste wäre, dem Leben einen großen Inhalt zu geben, Kräfte zu wecken und zu stählen — nicht für ein goldenes Zeitalter der Menschheit, aber für einen

Aufbau sozialer Kultur von Würde, innerer Freiheit und andauernder sittlicher Fruchtbarkeit — daß diese Kunst in unserer Gegenwart nur noch ein Vorwand der Unter­ haltung ist. Wo sie mehr sein will und auch wirklich zu­

weilen mehr ist, fehlt ihr immer doch die Resonanz im weiteren Fruchtboden des Volkes.

Das ist die nackte

Tatsache; und von der aus, nicht von einer zäh fest­ gehaltenen Ideologie her, haben wir aus dem Gegebenen

den Aufstieg zu suchen, zu dem die vorläufig vorgenom­ menen Reformen wie auch die Bestimmungen der neuen Verfassung Stufen sein wollen. Wir fragen:

Trägt an dieser Entwicklung unseres

Theaters der Mangel an künstlerischem Vermögen die

Schuld? And wir antworten, können mit einem sehr be­ rechtigten Stolze sogar antworten: Nein! Unser Reichtum an dramatischer Dichtung und die Bedeutung dieser für die

großen Menschheitsfragen wiegen den jeder anderen euro­ päischen Nation auf. Von Lessing über Goethe, Kleist,

Schiller, Grillparzer bis zu Lebbel haben wir einen Schatz

an dramatischer Poesie gehäuft, der an ästhetischer und ethischer Bedeutung, an Umfang der seelischen Inhalte dem jeder anderen neuzeitigen Ration sich würdigst an die Seite stellen kann. Trotz relativ geringer Begabung unserer Raffe für die Schauspielkunst stehen unsere Theater — wieder relativ, wenn wir den Gesamtzustand betrachten — künstlerisch und technisch, namentlich aber hinsichtlich der zahlreichen Institute mit geordneten Verwaltungsformen — deren in Frankreich und Rußland nur die staatlich und kaiserlich unterstützten Anstalten sich erfreuten; von England und Italien ganz zu schweigen — auf bemerkens­ werter Löhe. Nach einer kurz vor dem Kriege von den zuverlässigsten Stellen beantworteten Umfrage für das „Landbuch der Kommunalwissenschaften" wurden von den Verwaltungen der Städte im Reich ihren Theatern über neun Millionen an Beihilfen geleistet; ungefähr ebenso viel dürften aus den Zivillisten oder den privaten Mitteln der Fürsten den Lostheatern jährlich zugeflossen sein, so daß die deutsche Theaterpflege mit jährlich achtzehn Mil­ lionen hochgehalten war. Eben darum aber bleibt eine Schuld an uns hasten, daß wir mit all diesen begünsti­ genden Mitteln eine bessere Gestaltung der vor etwa anderthalbhundert Jahren begonnenen Entwicklung nicht bewirken konnten. Und dieser Schuld müssen wir nach­ gehen, ein Stück wenigstens zurück in unsere Vergangen­ heit; wir müssen den Punkt feststellen, wo diese ver­ heißungsvolle Entwicklung jäh geknickt worden ist. Die Möglichkeit, an diesem Punkt wieder einzusetzen, von einer geebneten Plattform aus die gröbsten Lemmnisse wegzu­ räumen, die einer Gesundung der verfahrenen Theater­ kultur oder doch wenigstens der Erhaltung ihres Restes von Würde entgegenstehen, das ist die Loffnung, die uns bleibt. Dazu müßten wir aber das Schädliche gründlich

wegräumen können, um überhaupt den Weg freizubekommen zu jenen Stufen erstrebten Aufstiegs. Was heute von der Kommunalisierung der Theater erwartet wird, das war in einer anderen dunklen Stunde des deutschen Lebens auf gutem Wege eines von Grund auf gesetzlich geordneten Werdens. Von Wilhelm von Lumboldt angeregt, legte der Reichsfreiherr vom Stein, der Schöpfer unserer Selbstverwaltungen und Städte­ ordnungen, dem preußischen König Friedrich Wilhelm III., als dieser, nach den Schicksalsschlägen der Jahre 1806 und 1807, von Tilsit aus sein klein gewordenes Preußen­ reich regierte, den Entwurf einer Theatergesetzgebung vor, nach welcher die Gemeinden verpflichtet sein sollten, ihre Theater gleich den Schulen, Kirchen, Museen und anderen Kuliuranstalten im Sinne solcher auszubauen und zu er­ halten unter eigener Bewirtschaftung; ihre Verwaltung der Bühne zu führen nach den in der Staatsverfaffung festgelegten kulturellen Grundzügen. Am 16. Dezember 1808 ist dann von Königsberg auch ein königliches „Publikandum" ergangen, das diese Maßnahmen sanktionierte. Sie sind jedoch nie in Kraft getreten, sind, mit anderen hoch­ sinnig geplanten Reformen dieses unseres kulturbewußtesten Staatsmannes, erstickt worden vom entgegenarbeitenden Geiste der fremden Einflüsse, die von Paris her das Wir­ ken Steins zu unterbinden wußten, nicht minder aber auch — beschämenderweise — von einheimischen reaktionären Wühlern, die wie der Freiherr von Marwitz meinten, es sei ein wahres Glück, daß Napoleon den Reichsfreiherrn vom Stein brachgelegt habe, der würde sonst das ganze Preußen zugrunde richten. Die Reform unterblieb ferner, weil der verkümmerte Kleinmut der damaligen bürgerlichen Gesellschaft, die zwar die Wohltat begrüßte, ihre Geschicke selbst bestimmen zu dürfen, sie aber beschränken zu müssen

meinte auf das zunächst dringend Notwendige, weil diese Gesellschaft von damals für die Idee nicht reif war; und sie ist erstickt schließlich am Widerspruch gerade des Leiters deS jungen deutschen Nationaltheaters in Berlin, am Widerspruch Ifflands, der im immer falschen Dünkel seiner Komödiantenpsychologie eine andere beaufsichtigende Behörde als die in der Gunst der höchsten Herrschaften repräsentierte nicht über sich haben wollte. Durch das Gesetz vom 7. September 1811 wurde dann die beabsich­ tigte Organisation des Theaterwesens für alle spätere Zeit begraben: die Schaubühne wurde als Gewerbe unter die Polizeiaufsicht gestellt. Von diesem Zeitpunkt ab datiert — nicht der „Verfall des deutschen Theaters", denn etwas, daS noch gar nicht da ist, kann ja nicht verfallen — aber die unglückliche und bis zur Stunde nicht wieder umzu­ biegende Entwicklung zu seiner heutigen Form. So blieb die Repräsentation dieser Kultur zunächst bei den Loftheatern, die sich mehr oder weniger der Polizeigewalt zu entziehen verstanden, dafür sich aber mit allerlei Privi­ legien wappneten, z. B. dem, allein die Klassiker und das höhere Drama pflegen zu dürfen, um sich gegen die Kon­ kurrenz, die ihnen in den Großstädten von den neuen freien Theaterbildungen ausgesprochen gewerblichen Cha­ rakters erwuchs, zu wehren. Abgesehen davon, daß diesen Privatgründungen durch die in den Konzessionen aus­ gesprochene Beschränkung der Aufstieg zu höheren Kunst­ gattungen versagt war, empfingen sie das Gesetz ihrer ideellen und materiellen Existenz lediglich von der Nach­ frage der Konsumenten, wie es dem Wesen einer gewerb­ lichen Einrichtung, als welche sie ja ausdrücklich galten, entspricht. Der Auffassung und den Bedürfnissen der breiten Volksschichten bereitwillig entgegenzukommen, war ihnen Lebensinteresse und Notwendigkeit. Der Theater-

enthusiasmus, die Theatromanie, die vom Wiener Kon­ greß ab etwa bis tief in das zweite Drittel des vorigen Jahrhunderts unser Volk, man kann sagen als Krankheit beherrscht hat, konnte den regierenden Gewalten übrigens als Beweis dafür gelten, daß man auf dem richtigen Wege gewesen war, als man die dramatische Kunst zu einer Industrie umwandelte. Zwar lebte in den irgend­ wie enger mit dem Kulturproblem unseres Lebens ver­ knüpften Kreisen die Idee einer höher gerichteten Bühnen­ pflege weiter, bis in die Tage des Frankfurter Parlaments hinein, das sogar einen Preis aussetzte für den Entwurf eines Organisationsgesetzes für ein wirkliches National­ theater. Nur daß nun, im Gegensatz zu dem Vorschlag Steins, nicht die Gemeinden, sondern der Staat selbst Theaterdirektor werden sollte. Der Staat, der freilich noch gar nicht da war, der nicht minder eine Ideologie war, wie das Nationaltheater selbst. Aber auch dieser Reformversuch versandete, wie vorauszusehen war, in Kompromissen mit dem Notbau der erlangten konstitutio­ nellen Verfassung: eine erhebliche Vermehrung derTheaterkonzesfionen, die Abschaffung der Privilegien der Los theater und eine — auf dem Papier verbürgte — Milderung der Theaterzensur, das war das ganze Ergebnis unserer damaligen Revolution für diese Kultur. Der in den folgenden Jahrzehnten dann eintretende viel bestaunte und viel umstrittene Aufschwung unserer Volkswirtschaft, seine industriellen und gewerblichen Ener­ gien rissen nun wohl auch das Theater mit fich fort, aber wie gefährlich diese Entwicklung für das Theater war, das zeigten die häufigen wirtschaftlichen Katastrophen, von denen es in fast unabreißbarer Folge betroffen wurde. Dennoch zeigte unser Theater in all dieser Zeit eine glän­ zende Außenseite — im Innern freilich ebenso traurige

soziale wie beschämende moralische Zustände.

Über die

sah man jedoch hinweg, das gehörte zu den der Notwendig­ keit zu bringenden Opfern der kapitalistischen Entfaltung unter der Ägide des Freihändlertums. Lind so war es nur konsequent, daß, 1869, das Theater völlig in die Ge­ werbeordnung des Norddeutschen Bundes eingespannt wurde, die bekanntlich auch die für das Reich geblieben ist. Alle Klagen über das Theater und die Nicht­ erfüllung seiner Aufgabe werden seitdem immer an die falsche Adresse gerichtet; die richtige ist einzig und allein der Geist der imperialistisch­ kapitalistischen Entfaltung jener Zeit, der auch dem Theater sein Gesetz aufgezwungen hat. Die liberalfreihändlerische Ethik des „Fortschritts" auf allen Ge­ bieten, dieses Ideal der Volkswohlfahrt, wie wir es ver­ standen haben, hat unser Theater zu dem gemacht, was eS heute ist. And nicht nur das Theater — unsere ge­ samte Kunstkultur überhaupt. Je mehr Kunst in allen Winkeln des Lebens, je mehr Schaubuden der spielenden Künste an allen Ecken unserer Laupt- und Industriestädte, um so glänzender standen wir da, um so stolzer waren wir auf unsere Kultur! Es gab in der Lochblüte dieser Entfaltung eine Zeit, wo die Einsicht der um wirkliche Kulturerfüllung Besorgten das Wort Kultur am liebsten nicht mehr über die Lippen brachte. Der Lohn, den unsere Feinde darüber ausgegossen haben, die an das Wort und seinen Begriff jetzt wieder sich anklammernde Loffnung, daß Kultur uns Lelferin werde, aus unserer tiefsten Niederlage uns wieder aufzurichten, bezwingt den Wider­ stand es zu gebrauchen. Aber wir sprechen es jetzt aus, wie in der höchsten Not den Namen Gottes. And darum muß es auch von einem neuen heiligen Sinn erfüllt sein. In ein Leben, wo alles, auch das künstlerische Produkt,

als Ware gilt, in den wilden, feffellosen Kampf älter

gegen alle gehört eS nicht hinein. Der sich in diesem als der „Tüchtigste" sich Bewährende hat mit ihm nichts zu schaffen, welchen Preis er auch sonst davontrage. Gewiß hat sich auch in dem Konkurrenzkämpfe der Theater hier

und da — aber doch nur in sehr seltenen Fällen — wo viele günstige Llmstände zusammentrafen, ein im idealen,

im künstlerischen Sinne Tätiger ebenso als Tüchtiger er­ wiesen, in der weitaus größeren Mehrzahl der Fälle aber

der, der den Lunger der breiten Massen nach Sensationen, nach kitzelnder Sättigung des Allzumenschlichen in uns am besten zu befriedigen verstand. Lassen Sie mich Ihnen, um alles zu oft schon ver­ schwendete Pathos zu vermeiden, aus eigener Erfahrung nur einige Tatsachen vorhalten, die illustrieren mögen, wo

wir heute stehen:

Ich habe zuletzt drei unter städtischer

Verwaltung stehende Theater geleitet — in Leipzig —:

ein großes prunkvolles Laus im wesentlichen für die Oper, ein bescheiden einfaches für das Schauspiel und ein von der Stadt hinzugepachtetes Operettentheater — dieses na­ türlich mit allem „Komfort der Neuzeit", mit üppigen

Restaurationssälen ausgestattet. Dieses Theater sollte die

anderen beiden für ihre Aufgaben freimachen, für die Pflege guter Kunst, und sollte durch die Befriedigung

der breiteren Nachfrage zugleich die Wirtschaftsgestaltung begünstigen. Nun, diese Rechnung war in allem richtig: wir konnten im Opern- wie im Schauspielhause den Dar­

bietungen die denkbar sorgfältigste Pflege angedeihen lassen;

wir waren instand gesetzt, für die Inszenierung eines Klas­ sikers oder auch eines modernen Dramas zehn bis vierzehn

Proben aufzuwenden; und dieser Ehrgeiz wurde wirklich

belohnt: wir erreichten es, daß durchschnittlich drei- bis sechshundert Personen an den Gebilden eines Shakespeare,

Schiller, Goethe, Lebbel, Ibsen oder Strindberg sich er* freuten, an ihnen wuchsen in ihrem Seelenbereich — und daß durchschnittlich an jedem gleichen Abend drüben im Operettenhause einige zweitausend sich unter tosendem Ge­ brüll unverfälschter Indianerbegeisterung am Kitsch der Operetten-Tagesmode mit On-stepp und Two-stepp, Tango und Niggerakrobatik ihr Kulturbedürfnis bestiedigten ... Aber ich tue den Indianern wohl unrecht, ihre Art sich zu begeistern mit der eines deutschen Großstadtpublikums von heute auf die gleiche Stufe zu stellen. Wenn die Völkerkunde uns glaubhaft berichtet, so ist sogar anzu­ nehmen, daß selbst die Feuerländer oder die ehrwürdigen Bewohner der Fidschi-Inseln bei ihren schauspielartigen Vergnügungen noch einem lieferen Sinne nachhängen als wir — entsprechend nämlich ihrem Glauben oder Aber­ glauben an den ihre Welt regierenden Geist, der bei uns ja nicht viel mehr in Betracht kommt. Lassen Sie mich Ihnen, zur Ergänzung dieses Bildes, nun einige Zahlen nennen aus der schon erwähnten Statistik vom Jahre 1913 über vierundsiebzig deutsche Städte. Da spielten in diesen 653 Kinos; für jede 15 000 Einwohner derselben eines. Niemand wird es darum verwundem, daß, wie neulich berechnet worden ist, in der Kinoindustrie acht Milliarden „investiert" seien, daß also diese eminente Schöpfung unseres kulturellen Zeitgenies die nachhaltigste Begünsti­ gung durch den Staat geradezu zur lebenerhaltenden Pflicht mache. Lind nun gehen Sie, bitte, mit der auf diese Seite unserer Kulturbetätigung gelenkten Aufmerk­ samkeit durch die Straßen unserer Städte, betrachten Sie in den Schaufenstern die darin aufgehäuften Berge von erbärmlichem Kunstkitsch, von albernen und lüsternen Bildem, Figuren und Schmuckgegenständen für Körper, Laus und Familie; und wie dieser Schund — das ist das Marterst etg, Daö Theater tm neuen Staat.

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Niederdrückendste, Schamloseste — sich frech und breit neben das Echte und Gediegene von Dichtung, Kunst und Kunstgewerbe hinsiegelt — und sagen Sie sich dann selbst, wohin wir dadurch gekommen sind, daß wir das künstle­ rische Vermögen unseres Volkes unter das Gesetz von Lande! und Gewerbe gestellt und das den Menschen adelnde Bedürfnis hingewiesen haben auf die Befriedi­ gung, die ihm die unersättliche Profitgier des um jeden Preis nur auf Gütervermehrung gerichteten modernen Zeitgeistes gewährt. Die Revolution sollte und wollte das alles ändern; und wenn man gewissen Graphomanen des Amschwungs Glauben schenken mochte, schien sie nur deshalb gemacht worden zu sein. Doch auch von zuständiger, von staat­ licher Seite wurde ein neues Kulturprogramm verkündigt. Wer freilich die Schwierigkeiten ganz erfaßte, die einer Erfüllung sich in den Weg stellen würden, eben weil sie, wie gezeigt wurde, so ganz unvermeidlich aus unserer Wirtschaftsform herausgewachsen waren, konnte sich von der Skepsis nicht freimachen, daß hier eine Geste von schwungvollem Gewicht die peinliche Verlegenheit verdecken sollte, die überall sich einstellte, wo man dem Gedanken der Sozialisierung irgendeiner Wirtschaftsform nachging und doch Scheu trug, an erworbene und durch Geschlechter befestigte Rechte zu rühren. Llnd zudem war diese Geste auch nicht ganz frei von Demagogie. Auch die russischen Bolschewisten haben die furchtbaren Wundmale ihres Ter­ rors unter dem Prunk rauschender künstlerischer Feste zu verdecken verstanden. Zu solcher großzügigen Äberlegenheit haben wir uns nicht aufgeschwungen; wir haben dem arbeitenden Volk in Freikonzerten gute Musik dargeboten und in den Theatern, ebenfalls bei fast freiem Eintritt, das Beste unserer dramatischen Dichtung, und beides ist

mit etwas gleichgültigem Respekt ausgenommen worden als ein Äonneur, das die Republik dem arbeitenden Volke erwies. Man muß indes wünschen, daß die erfahrene Sprödigkeit nicht abschrecke, in diesem Werben fortzufahren; letzten Endes steht alle unsere Äoffnung ja doch auf einen friedlichen Ausgleich der auseinanderfallenden Strebungen — auf den Aufbau einer Pflichten und Rechte gleichmäßig verteilenden sozialen Kultur. Sollten in einer solchen aber auch die Künste zu Freiheit und Würde sich entfalten können, so müßte ihnen in der kommenden Wirtschafts­ form eine ganz andere Basis geschaffen werden. Bei uns ist dieses Problem jetzt scharf zugespitzt — vorhanden aber, wenn auch in nicht so drängender Schärfe, ist es in allen Kulturstaaten des Abendlandes. Im Tempo der Umstellungen zur neuen Zeit haben die deutschen Theater von keiner revolutionären Gruppe sich den Rekord nehmen lassen. Mit den Dynastien wur­ den, mit wenigen Ausnahmen, überall auch deren zu den Leitungen der Loftheater Beauftragte gestürzt, oder sie verließen freiwillig ihre Theaterthrone. Alles das ergab sich mehr aus der Stimmung des Tages als aus aus­ drücklichen Maßnahmen der revolutionären Gewalten. Die vielmehr beschränkten sich zunächst darauf, die die Freiheit der Kunst behemmenden gesetzlichen Knebelungen zu lösen, also zuerst die Theaterzensur abzuschaffen — wovon noch zu reden sein wird an seiner Stelle — im übrigen befestigten sie sich in der vorhin erwähnten Geste, großmütig zu den notwendigen Opfern sich bereit zu erklären, das Bestehende an Kulturgut zu erhalten, wie Sammlungen, Akademien, Schulen, also auch die aus staatlichen oder fürstlichen Mitteln erhaltenen Theater. And das Beispiel der neuen Staatsgewalten wirkte auf die Gemeinden zurück, die unter dem Druck der Forderungen, gern oder ungern, die 4”

Kommunalisierung ihrer Theater ins Auge faßten, so drohend einstweilen auch das Gespenst der finanziellen Überlastung emporsteigen mochte. Man half sich vor der

Land mit Verbürgungen für die weit über das frühere Maß hinaus gewachsenen Ansprüche der Betriebe. And da stehen wir im allgemeinen noch heute, nach mehr als einem Jahre — heute, wo das Ausmaß des mit dieser Reform verknüpften künftigen Geldaufwandes aber noch gar nicht zu übersehen ist und jedenfalls bei weitem unter­ schätzt wird. Denn die Revolutionierung des Theaters konnte — in schroffem und glücklichem Gegensatz zu fast allen anderen Wirtschastsgebilden — eine günstigere Stunde gar nicht antreffen; die deutschen Bühnen haben vom zweiten oder doch vom dritten Kriegsjahre ab durchweg glänzende Geschäfte gemacht: je zahlreicher die Kriegs­ gewinnler, je höher die Arbeitslöhne, je drohender die Sorge emporwuchs vor dem kommenden Steuerdruck und der teilweisen Vermögenseinziehung, desto williger trug unser Volk sein Geld an die Theaterkassen. Unser Volk — das heißt, bis auf den Teil der durch den Krieg in ihrer Existenz nur Geschmälerten, des gebildeten Mittel­ standes also, der Angehörigen der freien Berufe, der Be­ amten und Angestellten, derer also gerade, die der ernst­ wollenden Kunst bis dahin das zwar kleine, aber sichere Kontingent der Besucher und Bezahler gestellt hatten. And auch die wendeten trotz aller Rot das allenfalls noch zu Erübrigende gern an eine innere Aufrichtung durch Kunstgenuß, war es auch nur, um vielleicht einmal in der Woche einige Stunden in einem erwärmten Raume zubringen zu können, wo die Visionen einer anderen, wenn auch fiktiven Welt sie auf ebensolange der nagenden Sorge der Tage, Wochen, Monate und Jahre überhob. Es war dies eine tröstliche Erscheinung selbst noch in der

Zeit nach der Revolution mit ihrer Tanzepidemie, ihrem Lasardspieltaumel und mit dem ganzen Ekel der von der Stunde jedwede Gunst herausschlagenden Gier niedrigster Instinkte. Diese glänzende Konjunktur hält einstweilen auch noch das Lamento zurück der privaten Theater­ unternehmer; die Scham verbietet ihnen, jetzt schon in die bekannte Klage auszubrechen, daß sie zugrunde gerichtet würden durch die neuen Bedingungen des Arbeitsmarktes, weil man ihnen ihren Mehrgewinn der Kriegsjahre jetzt noch zu leicht nachrechnen könnte. Kommen aber wird dieses Lamento, und überall wird es hörbar werden, wo ein neuer Geist zum Schutz bisher schwer kämpfender Strebungen oder zur Eindämmung kulturwidriger Aus­ wüchse im wirtschaftlichen Leben sich durchzusetzen Miene macht. Es fehlt da naturgemäß jede Einsicht und jeder sich bescheidende Wille, dem allgemeinen Besten irgend­ welches Opfer zu bringen: wer auf Grund unserer Ge­ werbeordnung bisher seine ehrliche, ihm gesetzlich gewähr­ leistete Existenz darin fand, dem Volke Steine für Brot darzureichen, Seelen zu verwüsten, Brunnen des öffent­ lichen Wohls zu vergiften, der schreit dennoch entrüstet auf, wenn auch von weitem nur die Androhung einer Beschränkung dieser einträglichen Lizenz erkennbar wird. Dieser ganze Komplex zahlreicher und vielgestaltiger Probleme stellt sich verdichtet zu einer breiten akuten Frage dar — in einem Schulfall quasi — in der um das Kinowesen. Bei ihrer Erörterung ist zunächst zu warum vor sogenannten Reformbewegungen, die von der Kinoindustrie selbst ausgehen; das ist Sand in die Augen der Sehendm. Auch vor den Maßnahmen der öffentlichen Gewalten; denn auch hinter denen steht als treibende Kraft nur die Mutlosigkeit, entschlossen, wenn es sein muß, mit Eisen und Feuer dm Körper des Volkes von

dieser Beulenpest modernster Kulturentwicklung zu befreien. Der Hinweis auf das Riesenkapital, das in dieser In­ dustrie investiert ist, und auf die vielen Tausende, die in ihr ihr Brot finden, singt ja nur das allbekannte Lied, das klagend und drohend oder in künstlicher Entrüstung heulend immer und überall ertönt, wo zum Wohle des Ganzen ein Opfer von Einzelnen oder von Interessen­ verbänden gefordert wird. Es ist die fast lächerliche Praxis unseres Lebens unter dem Zeichen der wirtschaftlichen Entwicklung: erst läßt man die Dinge laufen, wie sie wollen, läßt die Schande groß werden, und will man ihr dann zuleibe gehen um der öffentlichen Wohlfahrt willen, erschrickt man vor der Notwendigkeit, das aus sozialer Pflichtvergessenheit gewordene Anrecht, das sich in der Maske des Rechtes brüstet, wieder auszumerzen. Es gibt aber gar kein Recht, das nicht um eines höheren willen, in der sozialen Ethik begründeten, außer Kraft gesetzt werden dürste und müßte. Es ist dies übrigens die Ethik, die von aller Philosophie der Geschichte nur bestätigt wird. Ich nannte die Kinofrage einen Schulfall für den Komplex der mit ihr weitläufig aber deutlich erkennbar verwandten Kunstsorgen. Nichts, gar nichts, keine andere Verschlampung der künstlerischen Kräfte hat die Keime zu kultureller Befähigung in unserem Volke mit solcher Gründ­ lichkeit und in solchem Amfange über die Millionen hin vergiftet, wie das Kino. Diese auf eine genialische Technik begründete Industrie ist von unendlichem Wert für alle Zwecke der Mehrung unserer Bildungsmöglichkeiten: der Kenntnisse in Natur, Technik, Erd- und Völkerkunde, der Physiologie und Biologie, kurz aller verwandten Gebiete, wo anschauliche Belehrung das hundertfache leisten kann, als es nur theoretischer möglich wäre. Da wäre ihr Reich der ungemeinsten populären Wirksamkeit. DaS Kino als

Kunst hingegen ist frecher Schwindel; der frechste, der im Dienste des Kapitals, mit Lilfe keiner Korruption scheuender Reklame, je einem Kulturvolke aufgeschwatzt worden ist. Wo das die wirkliche Meinung ist, das Kino sei zu einer Kunst zu entwickeln, kann man nur Begriffs­ verwirrung feststellen und beklagen, daß mangels eines echten und angeborenen Gefühls für Kunst ein so elendes Surrogat für vollgültig eingeschätzt wird. Was in der jahrtausendlangen Entwicklung der Menschheit im gött­ lichen Instrument der Sprache Seelenform geworden ist, Geist, das drückt die „Kunst" des Kinos wieder hinab in die stammelnden Aranfänge der Anmündigkeit der rohen Triebhandlung. Das In- und Gegeneinander der seelischen Bewegungen und die durch das Wort vergeistigten Wil­ lensenergien werden wieder verblödet zur grimassierenden Pantomime auf der Stufe zwischen Tierheit und Mensch­ heit. Das brutale Geschehen mit seiner auf die niederen Sinne allein berechneten Sensation, das ist sein Element — ganz abgesehen von dem Inhalt dieses Geschehens, der in neunundneunzig von hundert Fällen um Erotik — ach nein, um lüsterne Sexualität sich dreht. Ein Stück Statistik: Die Prüfung von 250 Filmen durch eine Ber­ liner Zensurstelle ergab als Inhalt: 97mal Mord, 45mal Selbstmord, 51 Ehebrüche, 22 Entführungen, 176 Dieb­ stähle, 52 Dirnenschicksale und daneben die Entrollung des ganzen Registers sonstiger Verbrechen, Folterungen und sexueller irgend nur möglicher Raffiniertheiten. Auf den Anterschied braucht wohl nicht erst hingewiesen zu werden, wie solche Nachtseiten des Lebens als Mittel für die Entwicklung einer sittlichen Idee auch im Drama Ver­ wendung finden, und wie sie hier im Kinodrama nur zur Erregung der bekannterweise bestehenden Gefühlsverbindung zwischen Wollust und Grausamkeit bevorzugt werden. Es

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Das Theater im neuen Staat

hat noch niemand den Stiergefechten in der spanischen Arena, den Lahnenkämpfen der Engländer und den Mar

terpfahlprozeduren der Indianer einen kulturellen Wert

beigemeffen; man hat sie, vor das Forum sittlicher Bil­ dung gefordert, immer als die beklagenswerten Äußerun­ gen unausrottbarer roher Instinkte verurteilt; erst die für das Kino Begeisterten haben einen Wert künstlerischer Kul­ tur darin entdeckt. Wenn von dazu berufen erscheinender

Seite darauf hingewiesen wird, daß die durch die kinemato graphische Aufnahme bewirkte Objektivierung des Gestus

jedweder inneren Bewegung schon an sich einen künstlerischen

Wert darstelle, aus dem sich Offenbarungen der sonst ver­ schlossenen seelischen Prozesse gewinnen ließen, so ist nicht

einzusehen, wie diese nicht auch vom Leben selbst zu ent­ nehmen wären, wo sie sich ohne die gewollte und für die Kinotechnik notwendige Übertreibung (die jeder Kinoschau­

spieler als das besondere Geheimnis seiner „Kunst" betont)

dem echten Künstler als Material darbieten, aus dem er das Wesenhafte der Erscheinungen in ästhetischer Objekti­

vierung schöpferisch gestaltet.

Künstlerisch schaffen unter­

scheidet sich doch von jeher merklich von der Einsammlung

nur naturalistischer Impressionen — die hier nicht einmal mehr das natürliche Objekt treffen, sondern ein bereits absichtsvoll verändertes. Doch unsere Zivilisation hat ihren Ruhen aus dieser

kulturellen Bewertung zu ziehen gewußt: erst mit der Ent­ wicklung des Kinos ist man darauf verfallen, von diesem

Luxusbedürfnis unseres Volkes wenigstens einen gemein­ nützigen Vorteil zu ziehen durch die Erfindung der Lust­ barkeitssteuern. Fast komisch und zur Satire herausfordernd, ein echtes Zeichen aber der doppelbödigen Ethik unserer Zeit ist die Nebenmotivierung, die man dieser Steuer auf den Weg mitgegeben hat: sie solle eben die herabziehenden

Neigungen eindämmen. Da man nun aber auch die Theater mit dieser Steuer beglückt hat, so ergibt sich als Konsequenz die Frage, ob man auch hier zur Enthaltsamkeit erziehen wollte, worauf unser immer korrektes Rechts­ bewußtsein antwortete: nein; aber da das Theater laut Gesetz des Reiches ein Gewerbe ist, muß es auch gleich anderen Gewerben einer gesetzlich verordneten Steuermaß­ nahme sich unterwerfen. And manche Stadt ergab sich gern in diesen Macchiavellismus: sie ließ sich durch die LustbarkeitSsteuer das zurückvergüten, was sie ihrem kom­ munalen Theater als Unterstützung zufließen lassen mußte. Leute diskutiert man nun in verschiedenen Großstädten den Gedanken, das Kino selbst zu kommunalisieren. Als ein Weg zur Sozialisierung wichtiger Industriezweige findet er bei den entsprechenden Parteien Anklang. Man möchte also den heruntergebrachten Geschmack des Publi­ kums vorspannen für sozialpolitische Zwecke und damit zugleich sich das finanzielle Sorgenbündel erleichtern. Als Mittelweg ist man einstweilen auf eine besondere Be­ steuerung des Kinos verfallen. Liergegen hat in München die Kinoindustrie protestiert und eine Probe mit den er­ höhten Steuersätzen angeboten. Sie ergab das Resultat eines stark verminderten Besuchs und die Bedrohung mit Anterbilanzen — worauf denn die Verwaltung, mutig wie der Starke, die Verordnung der höheren Steuer zu­ rückzog: ein so wichtiges Kulturinstitut darf selbstverständ­ lich nicht gefährdet werden!... Ich habe noch von keiner Maßnahme der republikanischen Verwaltungen gehört, die etwa dem geistigen Arbeiter, dem ringenden Künstler, dem auf sein soziales Niveau haltenden Beamten, allen jenen Klassen, die unter der Not jetzigen Lebens — und erst recht bei den kommenden Steuerlasten — nie mehr als das aller­ bescheidenste Maß von Kulturwerten sich werden beschaffen

können; kaum noch ein eigenes Buch, den Besuch von Konzerten und Theatern, geschweige eine Seele und Ge­ sundheit erfrischende Erholungsreise — ich habe noch von keiner Absicht gehört, diesen Lunderttausenden irgendwie zu helfen, damit sie auf ihrem Kulturniveau bleiben und die Forderungen ihrer geistigen Bedürfnisse befriedigen können. Die Kultur des Kinos aber nicht zu schädi­ gen, den Seelen des Volkes diese hohe Kunstbeglückung nicht zu schmälern, verzichtet man auf jede nur leidlich energische Maßnahme, die vielleicht doch dazu helfen würde, einen zur Besinnung noch fähigen Teil des Kinopublikums edleren Anterhaltungen wieder zuzuführen: das investierte Kapital muß geschont werden. Die Statistik freilich fehlt, wieviel von den Erträgnissen dieses Kapitals all denen zufließt, die, ohne Gewissen für das seelische Wohl ihres Volkes, auf Kosten seiner kulturellen Gesundheit sich be­ reichern: die Kapitalisten selbst, die hochbezahlten Schau­ spieler mit berühmten Namen, die sich und ihre Kunst prostituieren, die verehrten Dichter der Nation endlich, die um elenden Mammon die eigenen Kinder ihres Geistes ans Kino verhandeln und verschandeln. Es sollte an diesem einen Beispiel gezeigt werden, wie unheilvoll wir uns die Bahn zu einer wahrhaftigen Kunstpflege verbaut haben. And wie auf diesem Gebiete, so auch auf fast jeglichem der freien, der individuell ge­ übten Künste. Auch deren Schöpfungen werden durch Zwänge ähnlicher Art in ihrer wünschenswerten Entfaltung und Wirkung gehemmt; auch sie sind eingeschachtelt in das verzweigte System der gewerblichen Kunstindustrie und kämpfen den letzten Ende- doch aussichtslosen Kampf gegen das Massengut nichtswürdiger Spekulation mit der Arbeit feiler Talente ohne Gewissen und Scham. Wie soll, wie kann dieses System jemals wieder ab-

gebaut werden? Das ist jetzt die Lebensfrage — nicht nur für unS und nicht für irgendeine andersgeartete Staats­ form — es ist die Lebensfrage für die künstlerische Kultur überhaupt in allen Ländern traditioneller geistiger Entwick­ lung, wo der Widerspruch empfunden wird zwischen ma­ terieller und seelischer Kultur. Der Wille, der dazu in unserer gesetzgebenden Körperschaft latent — aber sehr latent — vorhanden ist, wird zweifellos an seiner Ohn­ macht, das Gewordene beseitigen zu können, scheitern müssen. And ist er überhaupt vorhanden? Wir lesen das vom demokratischen Parteitag in Leipzig aufgestellte Kultur­ programm: „Wohnlichkeit und Schmuck verleihen dem Ge­ bäude des Kulturstaates Wissenschaft, Kunst und Literatur. Frei sollen sie im Leben und in der Presse sich gestalten." Also Wohnlichkeit und Schmuck! Meine Damen und Herren, das ist das Bekenntnis eines Tapezierer-Stand­ punktes, aber nicht das eines Kulturgewissens. Damit kompromittiert man die Kulturpolitik der bürgerlichen Ge­ sellschaft, daß sie zum Gelächter werden muß selbst vor Anmündigen. Diese Kulturpolitik, lesen wir weiter, „ver­ traut darauf, daß jede dieser Lebensmächte ihren besten Schutz vor Verwilderung und Vergiftung in sich selbst trage, will aber, daß der Staat bei ernstem Anlaß seinen starken Schutz der bedrohten Volkssittlichkeit nicht ver­ sage ..." Nun, der Anlaß dazu ist zum Gebirge hoch aufgehäuft: Hie Rhodus, hic salta! kann man den Entwerfem und Bekennern dieses Kulturprogramms nur zu­ rufen. Leider wird es aber damit gute Wege haben, so­ lange unser Staat sich mit keiner anderen Macht umkleiden kann als der, die aus dem Kuhhandel der Parteiwirt­ schaft mit Ach und Krach zustande kommt. Darin hat sich auch im republikanischen Deutschland leider nichts geändett.

Eine Lebensmacht nennt immerhin das demokratische Programm auch die Kunst. Ein Teil dieser Macht ist auch das Theater. So ist es immer eingeschätzt worden und — naturgemäß nicht zum wenigsten — auch von den in ihm und für seine Lebensmission schaffenden Kräften. Das Theater aber — die Schaubühne im alten ideologi­ schen Begriff — wie wir gesehen haben, nur sehr locker und unsachlich den Aufgaben des Staates verknüpft, im unausgetragenen Kompetenzenstreit liegend sowohl mit den Künsten, die ihm die Lauptnahrung liefern sollen, mit den Dichtern, wie auch mit seinen Llnternehmerorganisationen, in offenbarer sozialer Rückständigkeit, was die Lebensansprüche eines großen Teils seiner Arbeiterschaft im weitesten Sinne anbetrifft — das Theater als ein wirtschaftlich zusammengebundener Komplex sehr differen­ zierter Individualitäten — hat nicht gewartet, bis ihm der neue Staat zu Lilfe kam. Es hat sich selbst geholfen, sofort, in der ersten Stunde, die ihm Freiheit kündigte und den Auftuf zu sozialer und — wie seine Revolutio­ näre meinten — auch kultureller Neuordnung. Nach dem Muster der Arbeiter- und Soldatenräte der November­ ereignisse von 1918 organisierten sich an den deutschen Theatern aller Gattungen, der Los-, Stadt- und Privat­ theater, „Künstlerräte", die bis in die wichtigsten Lebensfragen hinein die Führung an sich nahmen, über die Köpfe und den Rat weg ihrer Intendanten, Direk­ toren und städttschen Verwaltungen, oder doch deren Kom­ petenzen wesentlich beschränkend. Wer die psychologische Struktur unserer Theaterleute kennt, war davon nicht überrascht; auch davon nicht, daß diesem „Rätesystem" die öffentliche Sympathie fast ungeteilt und sofort zufiel. Zwischen Theater und Öffentlichkeit schwebte immer eine latente Revolutionsstimmung; und immer sind die führen-

den Autoritäten der Schaubühne, selbst bei anerkannter Leistungstüchtigkeit, der Allgemeinheit wie der Laus­ genossenschaft verdächtig gewesen, ob sie nun als aus­ beuterische Parvenüs galten, ohne eigentlichen Beruf zur Kunst, oder als Tyrannen mit verstiegenen Prinzipien. Jedenfalls hemmten sie immer die freie Entfaltung der Talente — so meinten wenigstens die, deren Talent zu­ meist nur im Selbstbewußtsein besteht. Der mit aller un­ bestreitbaren Triftigkeit aber einen grundzügigen Wandel erheischende Mißstand am Theater war der soziale, war die bei großen Teilen der Darstellerschaft menschenunwürdige wirtschaftliche Situation. So viel auch in der Bahn so­ zialer Billigkeit und Gerechtigkeit in den letzten Jahr­ zehnten geschehen war, die schroffsten Lärten zu mildern, bald in friedlicher Verständigung, bald in Resultaten er­ bitterter Kämpfe zwischen den Organisationen der Arbeit­ geber und Arbeitnehmer, es blieb doch das ganze Theater­ wesen für einen großen Teil der in ihm sein Brot Suchenden ein nach außen hin glänzendes Elend. Der Begriff proletarischer Existenzen in seinem übelsten Sinne war auf ganze Gattungen seiner Angehörigen anwendbar. Nur das brutalste Anternehmergewissen konnte darüber hinwegsehen — aber auch das menschlichste war zur Ohn­ macht verurteilt, da grundzügige Abhilfe zu schaffen. Wir können das Bild der Wirklichkeit mit ein paar Strichen scharf umreißen. Es trifft allgemein — die paar Ausnahmen bestätigen nur die Regel — auf alle Theater zu, die den Ansprüchen des kulturellen Ehrgeizes, wie er von unseren Großstädten — auch von den Gernegroß­ städten — bis herab zu mittleren Provinzstädten erhoben wird, genügen wollen. Diese Ansprüche heißen: Große Oper, Operette, Ballet und Schauspiel aller Gattungen. Das Ergebnis diese- Ehrgeizes prägt sich in der einfachen

kaufmännischen Formel aus: die Herstellungskosten über­

steigen den Verkaufsertrag. Zum guten Teil ist aber daran eine sehr zu billigende Seite dieses Ehrgeizes schuld, nämlich das Bestreben, die — nun, sagen wir bescheiden — Unterhaltungen des Theaters der Bevölkerung zu mäßigen Preisen darzubieten. Sterin spricht sich wirklich etwawie ein Kulturgewiffen bei unserer deutschen Theaterpsiege aus, worin sie die der westlichen und östlichen Nachbarn beschämt: unser Theater will aus kulturellen Gründen billig sein; und war es bis in die jüngste Vergangenheit hinein mit ihren rapiden Steigerungen der Ansprüche der künstlerischen und technischen Kräfte bei gleichzeitiger Ver­ minderung des Geldwertes. Es wurde in Zahlen genannt, was die deutschen Städte bisher diesem in sich eben immer widerspruchs­ vollen Kulturwillen geopfert haben — trotzdem: es hat nie zugereicht. Es hat nicht dahin geholfen, die Ent löhnung der zweiten und dritten Darstellerreihe auch nur einigermaßen in Einklang zu setzen mit den bescheidensten Ansprüchen an eine geordnete, nur bürgerliche, keineswegs auf „künstlerische Lebensauffassung" zugeschnittene Existenz und z. B. die vierzig bis hundert Chorsänger und Chor­ sängerinnen einer Opernbühne aus einem nur proletarischen Dasein zu befreien. Diese proletarische Existenz bedrückt aber hier die zu ihr Verurteilten um so fühlbarer, als ihnen aus ihrer beruflichen Stellung Ansprüche erwachsen, denen sonst gleichbezahlte Arbeiter anderer Berufe, ohne dadurch Einbuße an Lebensgenuß und Würde des Lebens erleiden zu müssen, enthoben sind. Ich will auf andere trübe Erscheinungen mit ihren sittlichen Niedergängen, zu denen die kümmerliche Besoldung die Widerstandslosen allzu leicht herabzieht, weil sie ja Abend für Abend in anreizender Aufmachung sich den Reflektanten aus gewissen

Liebhaberkreisen der „Kunst" zur Schau stellen, nicht näher eingehen, meine übrigens, daß das Theater gegenüber anderen bürgerlichen oder proletarischen Berufsgruppen nur durch seinen öffentlichen Charakter hierin bevorzugt erscheint — nicht durch eine lockerere Moral. Viel verbreitet ist die Meinung, an diesen Miß­ ständen, namentlich der schlechten Bezahlung der Lilfskräfte, trüge die nach bürgerlichem Maßstab ganz un­ sinnige Besoldung der Tenöre, Primadonnen, kurz der „Stars" am Theater die Schuld. Das ist ein Vorder­ grundsurteil: mit den 50000 Mark, die an diesen Posten einzusparen wären, kann die Besoldung von den übrigen drei- bis vierhundert Theaterangehörigen nicht zureichend aufgebeffert werden. ES war also hier wirklich alles gegeben, die Gunst des Augenblicks, wie die Revolution sie bot, entschlossen wahrzunehmen; und die fast ohne Streik, nur durch die Forderung der Stunde bewirkten Errungenschaften: Min­ destgehälter für alle Angestellten und durchschnittliche Lohn­ erhöhungen aller Gattungen der Äilfskräfte, Sicherstellungen in Fällen der Berufsbehinderung und dergleichen wird jeder billig Denkende begrüßen, da sie einen bösen Flecken sozialer Rückständigkeit an diesen nach außen so blenden­ den Schimmer verbreitenden öffentlichen Anstalten endlich tilgten. Nur mit äußerster Besorgnis aber wird der Kenner des Theaters der Aufrichtung einer sozialistisch-republika­ nischen Verfassung für die eigentlichen Fragen der Leitung gegenüberstehen. Was sich die „Künstler-Betriebsräte" in einer beneidenswerten Sicherheit der Zuversicht, daß die Darsteller und sonstigen Theaterleute es doch am besten verstehen müßten, aus ihren Talenten Frucht zu schlagen, was sie sich da an Machtbefugnissen beigelegt haben, das

erregt ernste Bedenken. Die Begabungen, Überzeugungen und Willen einiger hundert Personen zu reifen Kunst­ taten zusammenzufaffen, zu bestimmen, was jeder Einzelne dem Ganzen wert ist, das erfordert einen außerhalb dieser Gemeinschaft stehenden Beurteiler. Es wird sich auch als ein Irrtum erweisen, daß die republikanische Ver­ fassung am zutreffendsten das Bedürfnis, den Geschmack, den Kunstwillen des Publikums feststellen und repräsen­ tieren werde. Jede dieser Annahmen wurzelt in der durch­ aus lockeren, impressioniblen, weil von einem ganz subjek­ tiven Zentrum ausstrahlenden eigenartigen Psychologie des Schauspielers, des darstellenden Künstlers. Die Ge­ schichte aller ähnlichen Versuche warnt vor diesem Experi­ ment. Die Schauspieler freilich glauben diese Warnung, eben weil sie von der Erfahrung bereits gegeben wurde, — es sei an die Sozietätsgründung des Deutschen Theaters in Berlin im Jahre 1883 erinnert und an die völlige Niederlage der sich als Wirtschaftsgenoffenschaft selb­ ständig machenden Gesellschaft von Otto Brahm — zur richtigen Einsicht des Notwendigen gewandelt zu haben. Wir dürfen ihnen außerdem zumuten, daß die sozialistische Idee, die solchen Reformen zugrunde liegt, von ihnen wirklich in einer Art Verklärung, auch auf das Geistige, das Sittlich-Ästhetische sich ausdehnend, ausgenommen wurde. Sie haben sich ja lange genug in den Gefühls­ kreis dieser Weltbewegung einleben, ihm alles ehrliche, aber auch alles berauschende Pathos als innere Schwung­ kraft entlehnen können, die moderne dramatische Literatur war ja jahrzehntelang vom sozialistischen Gedanken durch­ setzt. And in der Tat hat dieser gemeinsame Aufschwung die Anfänge der neuen Ordnung überall ganz glücklich gestaltet. Aber schon lockert sich allerorten das Gefüge dieser Künstlerräte und ein „beauftragter" Führer nach

dem andern reicht seine Demission ein, weil diese Ob­ männer, denen unter irgendeiner Benennung schließlich

doch die Verantwortung zufällt, diese nicht zu tragen ver­ mögen. Am so weniger, wenn sie, wie es die Regel war,

um ihrer sozialen Gesinnung willen an den Platz gestellt worden waren: ein guter Führer der sozialen, der genossen­ schaftlichen Angelegenheiten ist von dieser Qualität her aber noch lange kein guter Theaterleiter. Wir wollen es vermeiden, grundsätzliche Gemeinplätze zu formulieren wie den, daß nur die monarchische Form für die Leitung eines Theaters möglich sei. Es müssen, selbst bei voller wirtschaftlicher Anabhängigkeit, viele gün­ stige Amstände Zusammentreffen — also im sozialen Sinne:

viele ungünstige — wo der Typus des monarchischen, des autokratischen Theaterleiters heute noch möglich ist. Die an vielen Theatern als solche Monarchen figurie­

ren, sind im weitesten Sinne höchstens konstitutionelle Äerrscher — an Verfassungen gebunden, bei denen sich der Vorteil, den sie mit der berühmten englischen gemein

haben, ungeschriebene zu sein, in erhebliche Nachteile ver­ kehrt. Mit dieser ungeschriebenen Verfassung meine ich die ganz schicksalhafte Abhängigkeit von den unberechen­

baren, wechselnden, bald mit dieser, bald mit jener Strö­ mung schwimmenden Einsichten der wirklichen Theater­ herren, mögen diese nun Fürsten sein, Ministerien, Kom­ missionen, Geldgeber — oder endlich die gesamte breite, das Theater immer mitregierende Öffentlichkeit. Auf den Wellen dieses Meeres ist alles Welle und erfordert vor allem anderen die Geschicklichkeit eines tüchtigen Steuer­ mannes, der, unbeeinflußt durch jene Strömungen, kommen

sie woher sie wollen, die Richtung nach seinem Kompaß festzuhalten und, abgetrieben, immer wieder sofort herzu­ stellen imstande ist. Die dazu benötigte Kraft ist aus Marterfteig, Da« Theater im neuen Staat.

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dem Mehrheitswillen einer republikanischen Künstlerver-

faffung ebensowenig wie aus dem kommissarischer Aufsichtsbehörden und am wenigsten aus dem zersplitterten Chaos der öffentlichen Meinung zu schöpfen. Die leitende Persönlichkeit steht gegen alle diese Mächte immer mehr

oder weniger in einem grundsätzlichen Kampfe, den sie mit zäher Überzeugung, mit unbeirrbarem Willen auf bestimmte Ziele hin — aber immer in solchen Formen führen muß, daß der Austrag desselben den Endzweck über die Mittel triumphieren läßt: relativ; denn das Absolute existiert

nicht in diesem Bereiche, wie überhaupt in keinem der Kunst. Geschmacksfragen müssen hier zu Prinzipienfragen

geläutert werden; und wenn das Sprichwort schon lehrt, daß über Fragen des Geschmacks nicht zu streiten sei,

dieser Streit aber dennoch dem Theaterleiter lebenslanges Schicksal ist, so mag man ermessen, unter welchen schwie­ rigen Umständen da Entscheidungen zu fassen sein werden,

wo dem die gesattelten Pferde anmeldenden Dienerdarsteller der gleiche Einfluß auf die Kunstsragen zustehl wie dem Darsteller des Äamlet oder dem Sänger des Tristan.

Nein, wenn Geschmack schon dirigieren soll, so darf eS

nur der einer vollen in sich befestigten künstlerischen Persönlichkeit sein — einer — denn nur in einer Seele, in einem Intellekt ist jene harmonische Einheitlichkeit mög­ lich, die Seele eines Kunstwerkes werden kann. And

ein solches ist — was man auch dawider einwenden mag, was namentlich eben die Eitelkeit des Schauspielers gern dagegen einwendet — das Lebensganze eines Theaters

in richtiger Auffassung und Behandlung. Der Vertreter einer solchen Autorität wird, wenn er kein ausgemachter

Narr ist, aber auch zu hören verstehen, wo ebenso ver­ tiefte Kunsteinsicht aus anderen spricht, und an reifem ürteil anderer das seine stetig berichtigen oder doch Ion-

lrollieren. Mag man nun eine Führerfähigkeit dieser Art aber Geschmack oder sonstwie nennen — eines ist sie im heutigen Sinne ganz gewiß nicht — nämlich demokra­ tisch; und dennoch weiß sie sich im lieferen Sinne wieder ganz demokratisch, weil sie wirklich viele Willen zu einer Einheit emporhebt. Zweifelhafter ist die Frage, wie weit der Theaterleiter sozial sein kann. Die Künstlerräte haben sich nämlich auch die Entscheidung über Annahme und Entlassung des Künstlerpersonals vorbehalten; und es muß das harte, scheinbar fühllose Verdikt diesen» Vor­ behalt gegenüber ausgesprochen werden, daß jedes Theater im Laufe bemessener aber nicht sehr vieler Jahre künstle­ risch zur Llnbedeutendheit, zu minderwertiger Leistung herabsinken wird, wo diese Frage nach soziale»» Rück­ sichten, die schön und sittlich erhebend für den sie Äbenden

sind, und nicht nach sachlichen, von stetem Ehrgeiz be­ dienten Grundsätzen behandelt wird. Es gibt in Deutsch­ land oder sonstwo kein Theater, das nicht noch immer besser werden könnte. Stillstand am Theater, gerade in der Zusammensetzung der Kräfte, ist verdoppelter Rück­ schritt, Rückschritt in geometrischer Progression, denn die Zeit läßt hier nicht nur reifen, sondern auch absterben. Den immer besseren, den immer sich erneuernden Zu­ stand grundsätzlich zu bewirken, muß freilich jeden Theater­ leiter, der sein Gewissen nicht abgetötet hat, immer in harte Konflikte zwischen sachlicher und sozialer Forderung bringen — und hier, nicht in dem Kampfe mit der Vielköpfigkeit des Geschmacks, trägt er sein Berufskreuz, das dem Exekutivbeamten eines Majoritätswillens allerdings abgenommen ist. Der kann sich beim unvermeidlichen Rückgang der künstlerischen Leistungsfähigkeit des Insti­ tutes bei seinem sozialen Gewissen beruhigen. So entschieden man sich also der Humanitären Er5'

I

rungenschasten der Darsteller freuen darf, so besorgt muß man der Auswirkung dieser Einrichtung gegenüberstehen. Die Darsteller, ganz allgemein, wissen nicht, werden und wollen es nie wissen, wie das aus vielen Quellen, klaren und trüben, zusammenfließende Arteil über den Wert, über die besondere und die Gesamtleistung des Einzelnen es im Grunde ist, wodurch das Schicksal ihrer Stellung an dem betreffenden Theater bestimmt wird. Sie glauben immer da an Willkür und persönliches Äbelwollen ihrer bisherigen Leitungen, wo letzten Endes ein ganz objektiver Zwang von außen her die Maßnahmen bestimmt. Ein Zwang, dem sich zu widersetzen, solange sachverständiges Arteil noch auf die volle Entfaltung der künstlerischen Individualität rechnen und eine objektivere Bewertung derselben erwarten kann, jedem anständigen Theaterleiter sittliche Pflicht ist — wie es ihm eine solche aber nicht minder ist, da, wo sich diese Erwartungen nicht erfüllen, nur noch die sachliche Forderung zu hören und ihr nach­ zugeben. And es sind ja nicht tote, willenlose Objekte, die er, so oder so, nach Bedürfnis und Einsicht als Mittel zum Zweck zu formen in seiner Land hat, es sind Men­ schen mit all ihrem Anterworfensein einer nie bis ans Ende zu überschauenden seelischen und körperlichen Ent­ wicklung. Ein allerseltenster Fall, daß ein Sänger es fühlt oder glaubt, wenn Schmelz und Klang seiner Stimme aus irgendwelchen Gründen entschwunden sind, daß sein musikalisches Gehör abgenommen hat. Wer noch imstande ist, zu hören, daß er detoniert, wird es bei einiger Energie bald nicht mehr tun. Aber über alle objektive Beschaffen­ heit dessen, was man zum Talent rechnet, lebt der Besitzer desselben stets und oft in lebenslanger Selbsttäuschung. And blicken wir von hier aus einmal wieder ins All­ gemeine: sind es nicht überall die Irrtümer in den psycho-

logischen Voraussetzungen, wodurch die rasch vollzogenen Umgestaltungen sozialen Charakters das Bild des Tages in so ungewissem Zwielicht erscheinen lassen? Wir stehen überall vor Vorläufigkeiten, die zu Stand und Stich haltenden Wirklichkeiten, zu entschiedenen neuen befriedi­ genden Formen unseres Lebens zu gestalten, die Auf­ gabe vieler Jahre in die Zukunft hinein sein wird. And ihre Erfüllung wird an Kämpfen nicht ärmer sein, als die Vergangenheit sie uns schon auferlegte. Infolge dieser fehlerhaftm psychologischen Voraussetzung würde auch eine plötzliche radikale Änderung unseres Gesellschaftsaufbaus mitsamt seinen wirtschaftlichen Grundlagen, wie sie erträumt und erstrebt wird von politischen und ethisch­ intellektuellen Utopisten, nur die schlimmsten Enttäuschun­ gen im Gefolge haben. Ganz gewiß ist eine Revolutio­ nierung zunächst unserer, der abendländischen Welt im Gange, aber nicht erst seit dem Ausbruch oder dem vor­ läufigen Ende dieses Krieges — sie ist älter als ihre ersten gewaltsamen Eruptionen, die nur Episoden in ihr sind, wie die französische von 1789, wie die deutschen von 1848 und 1918. Sie muß, wenn sie unsere Mensch­ heit auf eine höhere Kulturstufe heben will, statt sie auf eine noch unwahrhaftigere, kraftlosere herunterzubringen, immer nachdrücklicher und immer ausschließlicher zu einer Revolutionierung der Seelen werden. Damit sie das kann, müssen wir zuallererst aus der materiellen Not des Lebens uns herausarbeiten, um wieder zur Freiheit zu kommen unseres Landelns auch in allen geistigen und sittlichen Dingen. Wir müssen entschlossen sein, in wür­ diger Schlichtheit unser Laus zu bestellen und unseren Tag zu leben. Diese Forderung stimmt jedoch schlecht zu denen, die unser Theater auf Grund seiner ReuOrganisation wird erheben müssen. Es sind Zahlen

genannt worden, nach denen unsere größeren Theater werden wirtschaften müssen mit einem um das Doppelte, ja um das Dreifache erhöhten Ausgabenetat. In Leipzig hat man statt des Zuschusses der letzten Jahre von rund einer halben Million einen Fehlbetrag, für das kommende Jahr bereits, von drei und einer halben Million heraus­ gerechnet! Solange die vorhin erwähnte Konjunktur an­ hält, mag es gelingen, diese Lasten annähernd auszugleichen; für eine ganz nahe Zeit aber halte ich das für unmöglich. Was dann? — Dann wachsen die Forderungen an die Städte in solches Äbermaß, das ihnen diese zu erfüllen,

angesichts der ungeheueren Schuldenlasten, die ihnen der Krieg aufgewälzt hat, und der auf allen anderen Gebieten ins Angemessene gesteigerten Inanspruchnahme nicht mög­ lich sein wird. Auch nicht, wenn die Opferwilligkeit der gesamten Bevölkerung sie darin unterstützte. And wird man, angesichts der Verarmung unseres Lebens, auf eine solche überhaupt rechnen dürfen? Ich glaube nicht, daß jemand diese Fragen leichthin mit Ja beantwortet. Vor solchen Schwierigkeiten steht das beabsichtigte „Kommu­ nalisierungsgesetz", so daß die Verzögerung seines Zu­ standekommens eher zu billigen als zu beklagen ist. Am das Mögliche sicherzustellen, um die Last zu vermindern, ist praktische Arbeit nötig nach allen bereits gebahnten und neu zu bereitenden Wegen hin. Die Bildung von Städtebund-Theatern muß auf eine viel breitere Basis gebracht werden. Ansere Stadtbevölkerung und deren Verwaltungen müssen sich die Eitelkeit abgewöhnen, es durchaus den Metropolen gleich tun zu wollen: es braucht nicht jede Stadt von zwei- bis dreimalhunderttausend Einwohnern eine große Oper zu halten, die fünfmal in der Woche doch nur „Walzertraum" und „Dreimäderlnhaus" spielt; es genügt, wenn zwei bis drei benachbart liegende

Städte eine solche Oper gemeinsam unterhalten — aber dann mit wirklichem Opernspielplan. And kein Groschen aus öffentlichen, aus der Steuerkraft des Volkes aufzu­ bringenden Geldern darf künftig mehr für Operetten­ sudeleien, wie sie an der Tagesordnung sind, ausgegeben werden. An die Stelle der „Abonnements" aus ver­ flossener „Bourgeois"°Zeit sollen Theater-Konsumvereine treten, die mit entschiedenem, gereinigtem Kunstwillen, aus einem geschärften Kulturgewissen heraus einen sauberen, aber nicht zahmen noch oberflächlichen Spielplan fordern — sich bestellen. Der deutsche Theaterkultur-Verband, der in seiner Erneuerungsphase die Dunkelmännerei und Muckerei abgeschüttelt hat, ist der gegebene Unterbau für eine solche Organisation, für welche eine unermüdliche und von reinstem wie klarstem Willen getragene Propaganda entfaltet werden muß. Das sind einige Linweise auf mögliche Lilfen unter anderen. Wir haben vor dem Kriege Verwaltungskurse gehabt für Kommunalpolitik und werden sie wieder haben: da ist die gegebene Stätte, die grundzügige Vorbildung für städtische Kulturpolitik und also auch für die Theater­ verwaltung zu erwerben und zu befestigen, damit in den Stadtverwaltungen der zum Erbarmen jämmerliche Dilet­ tantismus in Theatersachen von gestern keinen Raum mehr habe. Die problematische Künstlerratsorganisation soll man ruhig sich ausleben lassen,- sie wird an der Er­ kenntnis ihrer Ohnmacht von selbst absterben, nachdem sie — ich wiederhole es — ihre soziale Mission im wesent­ lichen erfüllt hat. Was am Theater noch sonst an schneller revolutio­ närer Arbeit geleistet worden ist, wird kaum ein langes Leben haben. Die Kattelle, welche die „Deutsche BühnenGenoffenschaft", die Vertretung der Darsteller, der „Deutsche

Bühnenverein", die der Leitungen, und die beiden KorPorationen der dramatischen Autoren und der Tonsetzer geschlossen haben, halte ich in den ihnen jetzt gegebenen Formen nicht für lebensfähig; es muß gewünscht werden, daß solche Zwangsmaßregeln, infolge deren kein Darsteller angestellt, kein Autor mit seinem Werke von der Bühne angenommen werden darf, die nicht vorher die Zugehörig­ keit zu den Kartellverbänden erworben haben, wieder ent­ fallen. Das sind geist- und fachwidrige Nachäffungen des im industriellen und wirtschaftlichen Leben vielleicht Ge­ botenen; damit tut man nur einen Schritt mehr, die Kunst, trotz aller Warnungen der Vergangenheit, wieder in den Mechanismus eines auf ganz anderen Bedingungen aufgebauten Systems einzuspannen. Man überbietet da­ mit übrigens die vom sozialistischen Standpunkt aus stets bekämpften Konkurrenzklauseln noch um ein Bedeutendes. Damit führt uns unsere Betrachtung nun schließlich auch zur Schau über das endlich doch wichtigste Werk­ gebiet der Theaterkultur: zur dramatischen Dichtung und ihrem gegenwärtigen Stand. Ich wage es, so skeptisch oder selbst reaktionär es klingen mag, zu sagen: Was die letzte Vergangenheit und die Gegenwart an dramatischer Dichtung hervorgebracht haben, das waren zumeist ledig­ lich Anläufe aus einer Benommenheit der Geister heraus. And da diese Benommenheit auch die breiten Schichten der Empfangenden beherrscht, finden die am pathologisch­ sten sich äußernden Entladungen des aus dem Gleichgewicht geworfenen Geistes dort das stärkste Echo. Die reine Quelle der pazifistischen Bewegung, aus der diese Dra­ matik ihre sittliche Kraft schöpft, wird getrübt durch ebenso viel blinde wie wehleidige Entrüstung, über welch letztere man ganz und gar die stolze Menschenaufgabe zu vergessen scheint, sich allem Schicksalsmäßigen, das sein

tragisches Antlitz nie in Lächeln der Glückseligkeit wandeln wird, gewachsen zu zeigen. Das ist das Drama der auf­ gepeitschten Nerven, der Kriegs- und Revolutionspsychosen, der auf eben diese pathologischen Stimmungen im Publi­ kum spekulierenden sensationellen Übersteigerungen. Ob dann der eine, von seinen durch die Kriegsgreuel zer­ rütteten Nerven gereizt, den wilden Mann spielt und die sophokleische Antigone, das hohe Kampfspiel zwischen Ethik des Staates und Ethik des Äerzens, das seit mehr als zweitausend Jahren aller Menschlichkeit teuer ist, in unerträglichem Pathos verzerrt zum lärmenden Tendenz­ stück gegen den Militarismus; ob ein anderer aus dem zerstörten Gleichgewicht der seelischen Kräfte die dunklen Probleme des Inzestes, der Blutschande, in das Erleben dieser grauenvollen Gegenwart, die so viele Blasen aus dem Sumpf aufgestörter Llrtriebe aufwirft, flicht; wieder einer die bei uns noch immer sehr problematische Idee der Revolution in einer Reihe von letzten Ekstasen, von denen eine die andere in ihrer übersteigerten Wirkung er­ schlägt — also ganz unkünstlerisch — darstellt — da­ alles würde lediglich als Dokument einer kranken Zeit zu bewerten sein, wenn nicht trotzdem auch ein positives Ele­ ment darin sich verkörperte: der Drang nach Llnmittelbarkeit der Empfindung und ein Sagen der letzten Worte in der Sprache der alle Lemmungen hinter fich werfenden Seele. Auch der Blindeste wird nicht verkennen: in allen diesen Schöpfungen ist irgendwie und -wo einmal ein ganz Großes und Erschütterndes, wie es eben nur eine apoka­ lyptische Zeit der tiefstentsetzten, mißhandelten Seele ent­ reißt, Gestalt geworden; nur daß es leider in keinem aus­ geglichenen Verhältnis steht zu einem als dauernd möglich erfaßten und über die Dichtung zu breitenden Weltbilde. Es ist Chaos in des Wortes eigentlichem Begriff: au-

dem eine organisch lebensfähige Dichtung dann hervor­ gehen wird, wenn die Belastungen des Nurerleidens in den sittlichen Willensenergien ins Gleichgewicht gebracht sind. Indessen machen sich, wie es immer geschieht, die industriell geschulten Dramatiker die pervertierte Stimmung des Tages zunutze: unter Bevorzugung immer gesteigerterer Sensationen, immer schwülerer oder kniffligerer Konflikte und Probleme, mit immer härter an die Grenze des Er­ träglichen heranstreifenden erottschen, zumeist ins dunkle Reich der offenen und verkleideten Prostitution hinab­ tauchenden Verwicklungen einer überständig gewordenen Gesellschaftsmoral verleihen sie ihrer Theatermarktware den Anschein literarischen und kulturpolitischen Gewichts; unser Theater hat zu keiner Zeit so vom Roh-Sensatio­ nellen gelebt wie heute. Ich gehe absichtlich hier nicht auf eine Analyse dessen ein, was man jetzt „expressionistisches Drama" nennt; ich möchte nur darauf Hinweisen, wie billig es ist, in diesen so etikettierten Topf alles zu werfen, was nur spekulativ hemmungslos — und in den meisten Fällen einfach nicht gekonnt ist. Aber auf die Gefahren muß hingewiesen werden, die den ernst ringenden Talenten daraus erwachsen, daß man die treibende Kraft des Ex­ pressionismus, der eine Weltanschauung ist — oder werden möchte — in einer nur manierierten Technik kompromit­ tiert. And diesen Gefahren droht gerade eine Gruppe von jungen Talenten zu verfallen, die am ehrlichsten die Isoliertheit des Individuums im Wirrsal der gesellschaft­ lichen Korruptton zum tragischen Ausdruck bringen möchte. In mancher Linsicht könnte man sagen, hier sei ein ab­ gestorbenes Stück Romantik wieder lebendig geworden: das Künstlerdrama, die Tragödie des ttngend leidenden und verkannten Genies; nur ist in den neueren Dramen

dieser Art die Zerrissenheit der Seelen aller Sentimen­ talität weltenfern, um dafür die Wurzellosigkeit des aus­ gestoßenen Zchs mit häufig zynischer Aufrichtigkeit zur

Welteinsicht zu erheben.

In dieses Genre fließen alle

die Tendenzen ein, die wir in allgemeinerer Färbung aus der Romanliteratur der letzten Jahrzehnte schon kennen: wir erhalten Autobiographien problematischer Naturen in

ihrer kämpferischen Stellung zu Welt und Gesellschaft, in ihrem Suchen nach einem letzten Sinn des Lebens, der

sich vorspiegelt in einer epochemachenden künstlerischen, politischen oder sozialen Tat. Oft hat der Leld für diese Tat nichts einzusetzen als eben seine Zerfallenheit mit Gott und Welt — oft gelangt er zu dieser, um in seinem Erleiden eine Art Selbstvergottung tröstend und sich re­

signierend festzustellen. Slnt diesen Opfer- und Erlöserweg

zu gehen, zerreißt er die heiligsten Bande, die an die nächste Mitwelt ihn knüpfen, opfert er das Glück seines Lerzens im Linundhergezogensein vom Engel zur Dime und erlabt sich geradezu am Ekel sittlicher Niederlagen, durck die er seinem Ziele entgegen zu wachsen meint — weil er Immoralist sein will. Erfolgreiche Krönungen dieser Lebensdränge erleben wir selten in diesen Dramen, desto häufiger den Zusammenbruch in Verödung des see­

lischen Lebens überhaupt.

Lind doch ist diese autobiogra­

phische Selbstbespiegelung im Drama als ein charakteri­

stisches Dokument der Zeit einzuschätzen, wenn es auch als ein Irrweg zum Drama bezeichnet werden muß. Diese Erleidenshelden sind im Grunde wieder Werthernaturen

— nur mit noch verstärktem pathologischen Vorzeichen; und wieder ist das Wertvollste an ihnen die vom Talent mehr als von Formgeschicklichkeit bediente Aufrichtigkeit,

die selbst

die Herausstellung

verstörter Energien

nicht

scheut: die Aufrichtigkeit, mit der man sich dazu bekennt.

den Mahnungen, Lockungen, Bedrohungen des Gegen­ wartlebens sich als Opfer darzubringen — darbringen zu müssen aus Seelenzwang. And das ist jedenfalls der doch nur phrasenhaften ethischen Befreiung vorzuziehen, die in der Dramatik der nachklassischen Epigonen so lange bevorzugt wurde. Wenn man das Expressionismus nennen will, so ist dagegen nichts einzuwenden — freilich ist es ein Expressionismus, aus dem eine neue Weltanschauung kaum gewonnen werden kann. So bekommen wir in der Tat heute im Theater einen reich fassettierten Spiegel gezeigt, in dem uns die Tugend wie die Schmach der Zeit, mit Äamlet zu reden, ihr Körper und der Abdruck ihrer Gestalt lebhaft entgegen­ treten — nur daß die tiefere Bedeutung der Lehre — die Shakespeare-Lamlet seinen Schauspielern klugerweise ver­ schweigt — so gänzlich unerfüllt bleibt. Die nämlich: daß dieser Spiegel der Kunst nicht einfach nur das Ge­ gebene und Vorhandene zurückstrahlen soll, daß er von einer höheren Meisterschaft geschliffen sein muß, die in der Schule des Weltgeistes — nicht in der einer tiefsinnig gewordenen Boheme — zu erlangen ist. Daß dieser Spie­ gel ein Werkzeug des genialen, anschauend und erkennend übergeordneten, nicht des subjektiv erleidenden Weltbetrach­ ters ist. Aber die zum Ausbruch treibende Seele, über

die empfindsame Erleidensfähigkeit, über den Drang, dem Proteus gleich in die Seelen der Erscheinungen zu schlüp­ fen, ist es eines, das erst den Dramatiker macht: der große, immer kühle, klar ordnende Verstand, die Welt­ vernunft, das metaphysische Bewußtsein, das in allem Menschlichen, auch im zufälligen Geschehen das Schicksal­ hafte eines umfassenderen geistigen Werdeprozeffes erkennt. Das fehlt der gesamten Produktion von heute. Fehlt ihr noch — und daß es irgendwann und -wo wieder zum

Vermögen der Zeit werde, das muß, soll unsere Schau­ bühne noch eine kulturelle Bedeutung in der Zukunft haben, unsere innige Loffnung sein. Diesem Jnbanngeschlagensein durch die erregenden Erscheinungen des Lebens, verbunden mit der Anfähigkeit, ihm die klare ethisch-ästhetische Verfassung starker Geistigkeit

entgegensetzen zu können, entspringt nun auch die Ansicher­

heit dem allgemeinen Sittlichkeitsbewußtsein gegenüber. Die geschlossene Persönlichkeit fehlt diesen Werken, die

Sicherheit, die ihr individuelles Gesetz in Einklang zu setzen weiß mit dem allgemein anerkannten, selbst wo sie dieses erweitert; und der Mangel dieser Sicherheit ist es, der unsere jungen Dramatiker so häufig zusammenstoßen

läßt mit dem Sittlichkeitsbegriff der Vielen und diese dann nach Zensur schreien läßt. Es war bekanntlich eine der ersten Taten der Revolution, die Theater­

zensur abzuschaffen.

Mit dem Polizeizensor schien dieses

Fossil aus Vorweltstagen obrigkeitlicher Bevormundung ebenso der Vernichtung überliefert wie weiland der Äanswurst, den die Neuberin verbrannte. Aber wie der Lanswurst behauptet auch die Theaterzensur ein zähes Leben. Dem Polizeizensor mag man ja seine wohlverdiente Ruhe gönnen; denn — um gerecht zu sein — er fühlte

sich in der Regel selbst als das Opfer eines Mißverständ­ nisses: dieser gewöhnlich intellektuell sehr geweckte Herr,

der in seinem Schreibtischfach heimlich einen „Catilina", eine Gracchentragödie oder einen „Konradin von Lohen­ staufen" aus helleren Iugendtagen als die Fundamente aufbewahrte, auf die sich seine Richterqualität in dramaticis aufbaute, ist ja Zeit seines Lebens aus dem in­ neren Widerspruch nicht herausgekommen. Man betrachte

unsere früheren Zensurgesetze: was ist „die Ruhe, die innere Ordnung, die Sittlichkeit bedrohend" in der dra-

malischen Dichtung — wenn nicht alles? Zu allen echten Blütezeiten der Schaubühne hat das Drama das neue Gesetz über die Menschheit verkündet oder doch gefordert. Die Entwicklung des ethischen Gewissens der Völker, die Mehrung ihres Gutes an sittlichem Kulturbewußtsein, das ist immer die Aufgabe des Dramas gewesen und wird es bleiben, wenn es auf seine Mission nicht ver­ zichten will — wie es heute, nur auf Erregung irgend­ welcher sensationeller Teilnahme bedacht, in der Tat dar­ auf zu verzichten scheint. Das ist aber eine Zielsetzung, die ein Obrigkeitsstaat, der sich ein für allemal erfüllt glaubt von der besten Moral, und der seinen Sittlichkeits­ kodex abgeschlossen hat für Gegenwart und Zukunft, der also engherzig nur in der Behauptung seiner Autorität seine Daseinsberechtigung erblickt, nicht in der Erziehung zur sittlichen Selbständigkeit und zu neuen Formen des Kulturbewußtseins — die er, dieser Obrigkeitsstaat, nicht anerkennen darf. Daher allein die amüsante Grotesken­ sammlung, die jede Geschichte der Theaterzensur darstellt. Lier wäre aber auch der Mißstände Erwähnung zu tun, die durch geschickte Ausbeutung der Zensurdummheiten zu Reklamezwecken für geschäftliche Vorteile jedem bekannt sind: ein verbotenes Drama, das war wie ein Treffer in der Lotterie. Denn da das Verbot, infolge mangelnder Übereinstimmung der Zensurgesetze in den verschiedenen

deutschen Staaten, irgendwo und -wann wieder ausgehoben oder durchlöchert wurde, war dem verbotenen Gegenstände das Stigma der Begierde, das Angefochtene, für sittlich gefährlich Gehaltene, kennen zu lernen, mit dem Verbot schon angeheftet. Also auch diese Korruption entfällt; aber was haben wir nun statt dessen? Eine viel be­ schämendere Anfreiheit und Bevormundung; beschämender, weil sie von gänzlich unberufenen Instanzen ausgeübt

wird: ehrsame Gemeinderäte und Stadtverordnetenversamm ­ lungen „beschließen" Aufführungsverbote von Stücken auf Grund von Beschwerden irgendeiner Frau Stadträtin, deren Prüderie bedroht erscheint, eines Oberlehrers, für den die dramatische Literatur mit der „Jungfrau von

Orleans" ein für allemal abgeschlossen ist, oder eines Kaffeekränzchens — heute natürlich bei Malzkaffee und Laferflockenplätzchen —, das über den „Weibsteufel" sich entrüstet hat. Auch diese Frage der „Äauszensur" müßte

in dem zu erwartenden KommunalisierungsgeseH eine be­

friedigende Lösung finden. Welche Vollmachten auch dem Leiter eines städtischen Theaters eingeräumt werden mögen, Äerr desselben bleibt immer die städtische Verwaltung selbst, die ihr Äausrecht nicht wird preisgeben wollen und können. Die Freiheit der Dichtung und ihr An-

spruch auf das Arteil der die kulturellen Rechte repräsentierenden Öffentlichkeit verlangte also auch in dieser Frage

eine übergeordnete Instanz oder ein verfassungsmäßig fest­ gelegtes Schutzrecht, das natürlich nie so weit wird gehen dürfen, den freien Willen der Theaterbetriebsleitung über­ haupt von vomherein zu beschränken. Wo indes jetzt die Behörde dieser Wachsamkeit über

die Sitte ermangeln läßt, besorgt sie der süße Theater­ pöbel selber, wie in München, wo man mit Revolvern und Stinkbomben gegen die Aufführungen Wedekindscher Grotesken protestiert. Auf den problematischen Fall, den Wedekind in unserer ästhetischen Kultur darstellt, soll näher hier nicht eingegangen werden. Das Alfresko seiner Selbstzerfleischungen, die Paradoxien seiner Enthüllungen

sozialer Leuchelei und tierischer Hintergründe in der seeli­ schen Struktur des modernen Menschen — wem das zu­ wider ist, der zeigt zwar nicht gerade großen Mut, die Augen offen zu halten vor dem, was ist, aber man kann

ihm das Recht nicht absprechen, diesen Dingen den Ein­ laß in die Sphäre seiner Weltbewertung zu verwehren. So bleibe er ihren Aufführungen fern; er weiß ja, was sie ihm darbieten werden; er betritt das Theater sicherlich

nicht als ein unbeschriebenes Blatt, er geht also hin, um

zu rüpeln. And würde er tatsächlich überfallen von dem Inhalt und der Ausdeutung dieser Dinge — welches Maß von Anbildung verrät sich in dieser moralischen Entrüstung einem Kunstwerke gegenüber, von dem allemal gilt, was Vischer in „Auch Einer" sagt, daß sich das

Moralische immer von selbst verstehe. Diese rohen Exzesse können wirklich daran zweifeln lehren, daß unser Volk je­ mals die Einfühlungskrast erlangen werde, ohne die der

Mensch vor aller Kunst, vor jedem Kunstwerke, als ein armes, auf sein bißchen gesunden Menschenverstand be­ schränktes — eigentlich nur tierisches Lebewesen steht.

Nur wer ohne Schwindel in die Abgründe zu schauen vermag, dem allein ist der Aufblick auch zu den letzten Löhen des Lebens erschlossen. So sei immer die Mensch­ heit beschaffen und das Theater immer der Schauplatz

gewesen, wo diese beschämenden Dissonanzen der seelischen Bildung sich offenbart hätten, lehrt uns die Sitten­ geschichte: ist das richtig und wiederholt sich nur, was

vor Jahrtausenden schon war, so blicken wir in der Tat, angesichts der gegenwärtigen Verwilderung all dieser In­ stinkte, in eine fast trostlose Zukunft; denn alle Kultur­ hoffnung kann sich doch nur darauf stützen, daß die jetzt durch eine furchtbare Erschütterung ausgelösten Kämpfe der

Zeit die Kluft schließen oder doch verringern werden, die eine Minderheit seelisch erfüllter Menschen von der breiten

Masse seelisch Angeweckter trennt, so daß sie nicht zu­

sammenkommen können, daß sie einander gar nicht hören, gar nicht verstehen. Daß diese Kluft überbrückt werde.

da- ist das viel wichtigere Problem unseres Lebens und der heutigen Aufgabe als jenes, das nur die materielle Angleichheit der Klaffen ins Auge faßt.

Da lassen nun aber gerade die Bestimmungen der neuen Verfassung über Zensur im allgemeinen und Theater­ zensur im besonderen nur trübes Licht auf den Weg in die Zukunft fallen. Schon die Lauptbestimmung, die da lautet: „Die Freiheit von Kunst und Wissenschaft und ihrer Lehren wird gewährleistet", ist anfechtbar und riecht nach schlechtem und flüchtigem Kompromiß. Begriff von

Kunst wie Sprachgefühl hätte schon diese Zusammenkoppe­ lung nicht erlauben dürfen: Kunst wird nicht gelehrt, und ob die Freiheit von dennoch versuchten Kunstlehren ge­

währleistet wird oder nicht, das ist herzlich gleichgültig. Wichtig allein ist, daß dem freien Wirken der Kunst­

werke keine Begrenzungen gezogen werden. Aber da lesen wir in dem angefügten Zusatz der Zensurbestimmung: „sie — die Freiheit — kann durch Gesetz nur zur Wahrung der

öffentlichen

Ordnung, Sicherheit, Gesundheit

Sittlichkeit eingeschränkt werden ...";

es

scheint

oder also,

Madame Angot soll recht behalten: cela ne valait pas la peine, assur&nent, de changer de gouvemement. So ist das Ergebnis dieser Betrachtungen: Die Theaterfrage, soll sie eine ernstliche Klärung und eine gesunde und nachhaltige Förderung erfahren, müßte her­

ausgelöst werden können aus den wirtschaftlichen Ver­ flochtenheiten derselben. Wohin immer man neige, zu dem

Glauben oder zu dem Zweifel an einem möglichen kultu­ rellen Aufstieg in der Zukunft, man schließe die Augen

nicht vor dem, waS ist. Auch zu der Möglichkeit müssen wir uns stellen, daß uns eine große Resignation Pflicht der Wahrhaftigkeit werden könnte hinsichtlich der künstle­

rischen Zukunft Europas.

Vielleicht haben wir hier den 6

Martersteig, Das Theater im neuen Staat.

Gipfel der Beanlagung schon lange hinter uns und wan­ dern jetzt aus seiner Sonnenhelle hinab in die Schatten deAbends, wie Oswald Spengler fast überzeugend es uns in Aussicht stellt. Weit schlimmer aber als diese Resignation wäre, wenn wir uns auch fernerhin in Ideologien ver­ rennen würden. Ehe wir künstlerische Kultur propagieren, wollen wir sorgen, soziale Kultur aufzubauen. Nicht „Wohnlichkeit und Schmuck" sollen unsere Künste und Wissenschaften uns bereiten, vielmehr sollen die Künste unsere seelischen Kräfte stählen, erheben und doch zugleich durchwärmen mit der Liebe zu allem, was Menschenantlitz trägt, mit dem Willen, die eingetrockneten Lerzen aufblühen zu machen zu Würde verleihender sittlicher Frei­ heit; und jene, die Wissenschaften, sollen uns das Dunkel verscheuchen der Vorurteile, der lähmenden Befangenheiten, und, nach wie vor, uns das Werkzeug liefern für die praktische Werte schaffende Arbeit. In diesem Sinne bleibt das Gewährleisten von Freiheit eine Phrase, sofern man nicht auch Mittel schafft, diese Freiheit zu schützen vor Entwürdigung ihrer Energien, vor Beschmutzung und Vergiftung ihrer der Allgemeinheit zugewendeten Leistun­ gen. Von solchem Schutz, auch nur von einem Anlauf zu ihm, ist aber im neuen Deutschland noch nichts, noch gar nichts zu verspüren. Sollte ein Wille dazu vorhanden sein, so zagt er zurück vor der Notwendigkeit, Land an das ganze System zu legen, das den Aufbau unserer Kultur in den Grundmauern schon entstellt. Der Wille zur Kultur müßte aus diesem System erst herausgelöst werden! Daß das nicht leicht ist, wurde dargelegt an nur einigen Erscheinungen, die jedoch aufs engste zusammen­ hängen mit einer ganzen Reihe anderer, ebenfalls der Reform bedürftiger. Wir hätten anzufangen beim Er­ ziehungswesen im weitesten Umfange, die Kunstlüge aus-

zuräuchern aus Laus und Familie und die Kunstpflege innerhalb unserer Stadtkultur all des Parvenuhaften zu entkleiden, das sie noch mitschleppt aus den Zeiten des imperialistischen „Aufstiegs". Wir hätten aber auch an die Künstler zu denken und ihnen gesunde Arbeitslust zu schaffen ebenso wie Schutz vor industrieller Ausbeulung; ihnen wäre in erster Linie die Bahn zum Ausstieg frei zu machen — aber durchaus nicht für alle, die sich für Künstler halten, vielmehr für die nur, die sich als solche durch Leistungen ausweisen. Bei aller Wahrung berech­ tigter Eigentumsbegriffe, auch im materiellen Sinne, wäre dann unsere Llrheberschutzgesetzgebung radikal nach idealen, das heißt, der allgemeinen Bedeutung der Kulturgüter Rech­ nung tragenden Gesichtspunkten umzuordnen, wie auch den sich häufenden Blamagen zu wehren bei Wettbewerbungen und Preisverteilungen für künstlerische Leistungen. Dann würde allmählich der junge Fruchtboden sichtbar für neue Aussaat; aus der, wenn sie aufgeht unter den Augen kommender Geschlechter, diesen die Kraft erwachse zur Entfaltung neuer Inhalte, die dann endlich dauernde Form aus sich heraus zu entwickeln die Kraft haben — und nicht länger in dem Narrenspiel der einander tot­ hetzenden Richtungen und Moden sich vergeuden. Das wäre Kultur: da- ist die Kultur, die uns immer noch möglich sein würde, auch wenn wir der Periode einer Nur-Zivilisation unvermeidlich entgegenreiften — oder entgegensänken.

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