Das tausendjährige Messiasreich der Johannesoffenbarung: Eine Literarkritische Studie Zu Offb 19,11-21,8 [Reprint 2012 ed.] 311019550X, 9783110195507

In der Johannesoffenbarung findet sich die im Neuen Testament singuläre Erwartung eines zeitlich begrenzten, irdischen M

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Das tausendjährige Messiasreich der Johannesoffenbarung: Eine Literarkritische Studie Zu Offb 19,11-21,8 [Reprint 2012 ed.]
 311019550X, 9783110195507

Table of contents :
I. Die Rezeptionsgeschichte der Millenniumsvision
II. Der Stand der Forschung
1. Die Auslegung der Millenniumsvision in der neueren Exegese
2. Desiderate der Forschung und Konzeption der Studie
III. Probleme der Analyse der Johannesoffenbarung
1. Traditions- und Quellenkritik
2. Sprache und Stil
Exkurs: Die Sprach Verhältnisse im Palästina des 1. Jh. n. Chr
IV. Analyse und Interpretation von Offb 19,11-21,8
1. Die Sieben-Schalen-Vision als Rahmen der Millenniumsvision
2. Struktur und Gliederung von Offb 19,11-21,8
3. Analyse der Einzelabschnitte
4. Auswertung und Interpretation
V. Zusammenfassung: Ertrag der Studie
1. Korrekturen an der Auslegung von Offb 19,11-21,8?
2. Einleitungswissenschaftliche Anmerkungen
3. Weiterführende Überlegungen und offene Fragen
Abkürzungen
Literatur
Stellenregister (Auswahl)

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Thomas Johann Bauer Das tausendjährige Messiasreich der Johannesoffenbarung

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche

Herausgegeben von

James D. G. Dunn · Carl R. Holladay Hermann Lichtenberger · Jens Schröter Gregory E. Sterling · Michael Wolter

Band 148



Walter de Gruyter · Berlin · New York

Thomas Johann Bauer

Das tausendjährige Messiasreich der Johannesoffenbarung Eine literarkritische Studie zu Offb 19,11-21,8



Walter de Gruyter · Berlin · New York

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISSN 0171-6441 ISBN 978-3-11-019550-7 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalogue record for this book is available from the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2007 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Umschlaggestaltung: Christopher Schneider, Berlin

Zum
Gedenken
an

M.
Irmingardis
Beck
IBMV (1935 – 1993)

M.
Beatrix
Bergenthal
IBMV (1934 – 1986)

Vorwort Obwohl seit seinem ersten Erscheinen im Jahr 1896 bereits mehr als hundert Jahre vergangen sind, ist der Kommentar des Neutestament‑ lers Wilhelm Bousset (1865–1920) noch heute ein unverzichtbares Hilfs‑ miTel für jeden, der einen wissenschaWlich verantworteten Zugang zu der oW krausen Bilderwelt der Johannesoffenbarung gewinnen will. Auch der Verfasser der vorliegenden Studie zum tausendjährigen Mes‑ siasreich der Johannesoffenbarung hat immer wieder die Erfahrung ge‑ macht, wie leicht eigene begeisterte Interpretationen der Visionen und Mutmaßungen über den Seher und seine BotschaW an den nüchternen methodischen Einsichten Wilhelm Boussets zerbrachen. Das Einge‑ ständnis, viel von Wilhelm Bousset gelernt zu haben, fällt dem Verfas‑ ser der Studie umso leichter, als ihn der eigene Berufs‑ und Lebensweg unerwartet und überraschend an die Universität in Gießen geführt hat, an der Wilhelm Bousset von 1916 bis zu seinem frühen Tod gelehrt und geforscht
hat. Die vorliegende Studie wurde im Sommersemester 2006 vom Fach‑ bereich 04 „Geschichts‑ und KulturwissenschaWen“ der Justus‑Liebig‑ Universität Gießen als Dissertation angenommen und im Sommerse‑ mester 2007 für den Dissertationspreis der Justus‑Liebig‑Universität vorgeschlagen. Ich danke meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Ferdi‑ nand R. Prostmeier für die Begleitung der Arbeit und die Erstellung des Erstgutachtens. Mit seinen kritischen und konstruktiven Rückfra‑ gen hat er viel dazu beigetragen, einzelne Problemstellungen zu vertie‑ fen und das Profil der Arbeit zu schärfen. Herrn Prof. Dr. Horacio E. Lona, Benediktbeuern/Buenos Aires, danke ich für seine BereitschaW zur
Übernahme
des
Zweitgutachtens. Ein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Hans‑Josef Klauck, der mir an der Ludwig‑Maximilians‑Universität München die Bearbeitung der Millenniumsvision der Johannesoffenbarung als Dissertationsthe‑ ma gestellt hat. Auch nach seinem Wechsel an die Divinity School der University of Chicago hat er den Fortgang der Arbeit stets mit Interesse begleitet und für das Promotionsverfahren an der Universität Gießen ein
zusätzliches
Gutachten
eingereicht. In Frau Prof Dr. Ulrike Egelhaaf‑Gaiser, GöTingen, haTe ich eine ebenso kompetente wie hilfsbereite Ansprechpartnerin für alle Fragen

VIII

Vorwort

der Literatur und Kultur der frühen Kaiserzeit. Nicht weniger nützlich waren die Gespräche mit Herrn Dr. Ulrich Hübner, Gießen, zu Pro‑ blemen der griechischen Grammatik. Bei Fragen der Textverarbeitung stand mir mein Studienkollege Herr Kaplan Michael Reißer, Landshut, zur Seite; außerdem war er so freundlich, das Manuskript vor der Drucklegung
noch
einmal
durchzusehen. Herrn Prof. Dr. Michael Wolter, Bonn, und seinen Mitherausgebern danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die „BeiheWe zur ZeitschriW für neutestamentliche WissenschaW“. Herrn Carsten Burfeind und Frau Sabina Dabrowski beim Verlag de Gruyter danke ich für die umsichtige Betreuung
der
Publikation. Die Dissertation wurde durch ein Begabtenstipendium der Hanns‑ Seidel‑StiWung (München) aus MiTeln des Bundesministeriums für Bil‑ dung
und
Forschung
gefördert. Der Rückhalt in meiner Familie hat vieles in den letzten Jahren er‑ leichtert. Dafür danke ich meinen Geschwistern Markus und Gertraud und vor allem meinen Eltern Johann und Rita Bauer, die mir das Studi‑ um
ermöglicht
und
mich
auf
jede
erdenkliche
Weise
unterstützt
haben. Gewidmet ist das Buch dem Andenken an meine verstorbene Tante M. Irmingardis Beck IBMV und ihre Mitschwester M. Beatrix Bergen‑ thal
IBMV.
Ohne
sie
wäre
diese
Dissertation
nie
entstanden.

Gießen/Geisling,
25.
Mai
2007

Inhalt

I.

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision .......................

1

II. Der
Stand
der
Forschung ................................................................. 15 1. Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
 neueren
Exegese ................................................................................ 15 a. Der
Ertrag
der
historisch‑kritischen
Methode ......................... b. Deutungsmodelle
der
Millenniumsvision ............................... c. Probleme
der
Auslegung
der
Millenniumsvision ..................

15 23 32

2. Desiderate
der
Forschung
und
Konzeption
der
Studie ............... 39 III. Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung ......................... 48 1. Traditions‑
und
Quellenkritik ......................................................... 48 a. Vorbemerkungen ......................................................................... b. Kritische
Wertung
literarkritischer
Versuche
zur
 Johannesoffenbarung .................................................................. c. Kriterien
der
Quellenscheidung ................................................

48 52 65

2. Sprache
und
Stil ................................................................................. 71 a. Sprachliche
Probleme
und
Auffälligkeiten .............................. b. Erklärungsversuche ..................................................................... c. Kriterien
der
sprachlich‑stilistischen
Analyse .........................

71 76 84

IV. Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8 ......................... 103 1. Die
Sieben‑Schalen‑Vision
als
Rahmen
der
 Millenniumsvision ............................................................................ 103 2. Struktur
und
Gliederung
von
Op
19,11 – 21,8 ............................. 117 3. Analyse
der
EinzelabschniTe .......................................................... 125 a. 19,11–21:
Der
Reiter
auf
dem
weißen
Pferd ............................. 125 (1) Übersetzung ........................................................................... 125 (2) Sprachlich‑stilistische
Analyse ............................................ 126

X

Inhalt

(3) Struktur .................................................................................. (4) Traditions‑
und
Quellenkritik ............................................. b. 20,1–10:
Die
„tausend
Jahre“ ...................................................... (1) Übersetzung ........................................................................... (2) Sprachlich‑stilistische
Analyse ............................................ (3) Struktur .................................................................................. (4) Traditions‑
und
Quellenkritik ............................................. c. 20,11 – 21,8:
Der
weiße
Thron
und
der
auf
ihm
Sitzende ....... (1) Übersetzung ........................................................................... (2) Sprachlich‑stilistische
Analyse ............................................ (3) Struktur .................................................................................. (4) Traditions‑
und
Quellenkritik .............................................

140 147 163 163 165 175 183 199 199 201 210 219

4. Auswertung
und
Interpretation ...................................................... 236 a. Die
Ergebnisse
der
Analyse
von
19,11 – 21,8 ............................ (1) Das
Millennium
im
Kontext
von
15,1 – 22,9 ...................... (2) Das
Millennium
im
Kontext
von
19,11 – 21,8 .................... (3) Ertrag
der
Traditions‑
und
Quellenkritik .......................... (4) Zusammenfassung ................................................................ b. Das
Millennium
und
die
„BotschaW“
der
 Johannesoffenbarung .................................................................. (1) BeauWragungsvision
und
Sendschreiben
(1,9 – 3,22) ....... (2) GoTes
Zorn
und
Gericht ...................................................... (3) Die
Anbetung
des
„Tieres“
und
 der
Empfang
seines
„Prägemals“ ....................................... (4) Die
Lasterkataloge ................................................................ (5) Der
Thron
und
der
auf
ihm
Sitzende ................................. c. Zur
Funktion
der
Millenniumsvision ....................................... d. Christliche
Gemeinde
und
heidnische
Polis ............................ (1) Kult
und
Loyalität ................................................................. (2) Kult
und
Polis ........................................................................ (3) KulTeilnahme
und
Lebensqualität ..................................... (4) Konflikte
in
den
Gemeinden
Kleinasiens .......................... (5) Die
Johannesoffenbarung
als
innerkirchliche
 KampfschriW .......................................................................... e. Das
theologische
und
literarische
Profil
 des
„Sehers
Johannes“ ................................................................

236 236 244 251 254 257 258 262 264 268 270 274 289 292 296 305 315 321 328

V. Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie ............................................ 348 1. Korrekturen
an
der
Auslegung
von
Op
19,11 – 21,8? ................. 348

Inhalt

XI

2. EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen ................................ 359 a. Verfasser,
Quellen,
theologiegeschichtliche
Einordnung ...... 359 b. Überlegungen
zu
einer
relativen
Datierung
der
 Johannesoffenbarung .................................................................. 363 3. Weiterführende
Überlegungen
und
offene
Fragen ...................... 383

Abkürzungen ............................................................................................ 397 Literatur ..................................................................................................... 398 Stellenregister
(Auswahl) ........................................................................ 436

Exkurs:
Die
Sprachverhältnisse
im
Palästina
des
1. Jh.
n. Chr. .......... 86

I. Die
Rezeptionsgesvivte
der Millenniumsvision

Das 20. Kapitel der Johannesoffenbarung bietet eine im Neuen Tes‑ tament singuläre eschatologische Konzeption. Nach dem Erscheinen des Messias und der Vernichtung der Feinde GoTes in der messiani‑ schen Endschlacht (19,11–21) wird der „Drache“, d. h. der Satan als der letzte Feind GoTes und seiner Gemeinde, für tausend Jahre im Ab‑ grund gefesselt (20,1–3). Die treuen Glaubenszeugen erhalten neues Le‑ ben, um mit dem Messias tausend Jahre auf Erden zu herrschen (20,4– 6). Nach Ablauf der tausend Jahre wird der Satan noch einmal freige‑ lassen und er verführt Gog und Magog, mythische Völker an den vier Ecken der Erde, zum Krieg gegen GoTes Heilsgemeinde (20,7–10). Nach seiner endgültigen Vernichtung folgen der Untergang der alten Schöpfung, die allgemeine Totenauferstehung, das Endgericht (20,11– 15) und die neue Schöpfung als definitiver Heilszustand (21,1–8).1 Das den Christen verheißene eschatologische Heil gliedert sich in zwei auf‑ einander folgende Etappen, die durch Weltuntergang und Neuschöp‑ fung klar voneinander getrennt werden: ein zeitlich begrenztes Reich des Messias auf Erden (20,4–6) und die unmiTelbare und ewige GemeinschaW mit GoT in der neuen Schöpfung (21,1ff.).2 Da dieses Messiasreich in der eschatologischen Konzeption der Johannesoffenba‑ rung somit zwischen der Bedrängnis der alten und dem Heil der neuen Schöpfung situiert ist, spricht man vom „messianischen Zwischen‑

1

2

Diese knappe Paraphrase orientiert sich am common sense der heutigen wissenschaW‑ lichen Auslegung der Johannesoffenbarung; vgl. etwa U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 331–348; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 188–197; Fzy~, Millennium 20–28. StriTi‑ ge Fragen und Detailproblem sowie Einzelheiten der Auslegung im folgenden Ab‑ schniT
II. 1. Einige Exegeten wollen allerdings in 1 Kor 15,23–28 dieselbe eschatologische Kon‑ zeption finden; so z. B. H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 196; W. B•‚yz, Chiliasmus. RAC 2, Sp. 1076. Wƒx„…y, Problem passim, hat diese Sicht überprüW und zurückge‑ wiesen. So auch B•ƒxy~, Reign 170; L•‚†, Chiliasmus I. LThK3 2, Sp. 1045; U. B. Mwx‑ xyz, Offenbarung (ÖTK) 341; anders B‡„ˆyz, Chiliasmus I. TRE 7, 727f., der zudem chiliastische Vorstellungen in Lk 14,14; Mt 27,52f. und noch weiteren Stellen in 2 Petr und
Joh
sieht.

2

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

reich“. Die tausendjährige Dauer (mille anni / χίλια ἔτη) dieses irdischen Messiasreiches („Millennium“) gab der sich daran knüpfenden christli‑ chen
Hoffnung
den
Namen
„Millennarismus“
bzw.
„Chiliasmus“.3 Diese Erwartung eines messianischen Reiches auf Erden als Ab‑ schluss der Geschichte wurde zum Kriterium, an dem sich von früh‑ christlicher Zeit bis heute Akzeptanz und Rezeption der Johannesoffen‑ barung in der Kirche entscheiden.4 Die frühesten sicheren Belege für eine zustimmenden Rezeption der Millenniumsvision finden sich im 2. Jahrhundert bei Justin dem Märtyrer († um 165) und Irenäus von Lyon († um 200). Da ihnen der Herrenjünger und Apostel Johannes als Verfasser der Johannesoffenbarung galt, stand für sie ihre Autorität und Geltung in der Kirche außer Frage (vgl. Just. dial. 81,4; Iren. haer.

3

4

Die deutschsprachige Forschung bevorzugt die Bezeichnung „Chiliasmus“, die eng‑ lischsprachige „Millennarismus“. Im engeren und eigentlichen Sinn ist Chiliasmus nur ein Lehrstück der christlichen Theologie auf der Grundlage von Op 20. Zu‑ nächst dehnte man den Begriff auf verwandte jüdische Vorstellungen aus, auch wenn die Dauer des messianischen Zwischenreiches einen anderen Zeitraum als tausend Jahre annimmt; vgl. B‡„ˆyz, Chiliasmus I. TRE 7, 723f. In der Religionswis‑ senschaW wird der Begriff Chiliasmus bzw. Millennarismus allgemein für alle religi‑ ösen Bewegungen gebraucht, die das (baldige) Hereinbrechen einer fundamental veränderten Welt erwarten; vgl. PyŠŠ|xƒ‑Ox‹ƒ•Œƒ, Chiliasmus I. RGG4 2, Sp. 136. Die chiliastische Erwartung konnte und kann eine große Bandbreite von Formen an‑ nehmen, so dass sich diverse Unterscheidung in Grundtypen eingebürgert haben. Die ältere Forschung unterscheidet einen Chiliasmus crassus, der für das Millennium in erster Linie materiell‑sinnliche Freuden aller Art erwartet, d. h. die Wiederkehr des Paradieses oder eine Art Schlaraffenland, und eine Chiliasmus subtilis, der eher geistig‑geistliche Freuden erho•. Die amerikanische Forschung unterscheidet den Prämillennarismus, der den Beginn des Millenniums mit der AnkunW einer messiani‑ schen ReTergestalt verbindet, d. h. einen entscheidenden EinschniT in der Geschich‑ te für die Inauguration des Millenniums voraussetzt, und den Postmillennarismus, der die AnkunW dieser ReTergestalt für das Ende des Millenniums erwartet, d. h. das Millennium eher als Ergebnis eines innergeschichtlichen Prozesses betrachtet. Da‑ von unterscheidet man den Amillennarismus, der das Millennium nicht in der Zu‑ kunW erwartet, sondern in der Gegenwart schon anwesend sieht. Man spricht hier auch von einen präsentischen Millennarismus im Gegensatz zu einem futurischen. Zu den Unterscheidungen vgl. B•‚„…ˆ•Ž, Chiliasmus IV. TRE 7, 739. Zum amerikani‑ schen Millennarismus, seinen Hintergründen und Formen vgl. B|~yz, Chiliasmus I. RGG4 2, Sp. 140f.; B•‚„…ˆ•Ž, Chiliasmus IV. TRE 7, 737–745; Fzy~, Millennium 63–65. Diese Differenzierung sind meist im Blick auf den neuzeitlichen Chiliasmus mit sei‑ nen religiösen und säkularisierten Formen entstanden. Für die Erforschung des (früh‑)jüdischen und altkirchlichen Chiliasmus sind sie – abgesehen vom Chiliasmus crassus
und
subtilis
–
von
untergeordneter
Bedeutung. Vgl. W. B•‚yz, Chiliasmus. RAC 2, Sp. 1076. Den Grund dafür, dass die Johannes‑ offenbarung in der frühen Kirche so heWig umstriTen war, sieht KzyŒ•„ˆŽ•z, Offen‑ barung 74, ganz allgemein darin, dass ihre Bilder zu unterschiedlich deutbar waren. Die aus der alten Kirche erhaltenen Zeugnisse aber zeigen, dass die Haltung zum Chiliasmus
und
zur
Johannesoffenbarung
durchwegs
einander
bedingen.

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

3

5, 30,1.3).5 Daraus darf man aber wohl keine allgemeine Akzeptanz der Johannesoffenbarung in den Kirchen des 2. Jahrhunderts folgern; denn sowohl Justin als auch Irenäus erwähnen Christen, die die Erwartung eines tausendjährigen irdischen Messiasreiches nicht teilen (vgl. Just. dial. 80,2–5; Iren. haer. 5, 31,1; 32,1). Doch grei•ar wird diese Verwer‑ fung der Johannesoffenbarung bei den Gegnern des Chiliasmus erst im 3. Jahrhundert. Um der chiliastischen Eschatologie das Fundament zu entziehen,
bestriTen
sie
die
Apostolizität
der
Johannesoffenbarung. Erstmals wird die Leugnung der apostolischen VerfasserschaW der Johannesoffenbarung bei Gaius von Rom (um 210) fassbar; in seinem – nicht erhaltenen – antimontanistischen διάλογος πρὸς Πρόκλον nannte er die Johannesoffenbarung ein Werk des gnostischen Ketzers Kerinth (vgl. Eus. h. e. 3, 28,1–4).6 Die Verwerfung der Johannesoffenbarung durch Gaius zielte darauf, eine von Proklos propagierte chiliastische Eschatologie, die sich auf Op 20 berief, zurückzudrängen.7 Anders als Gaius hielt Hippolyt von Rom († 235) sowohl an der Apostolizität der

5

6

7

Die Zuschreibung der Johannesoffenbarung an den Apostel Johannes wird erstmals in diesem Zusammenhang grei•ar bei Justin dial. 81,4; die „johanneische“ Verfas‑ serschaW vertreten außerdem der antimarkionitische Prolog zum Lukasevangelium (Rom um 160–180), Irenäus von Lyon (haer. 4, 30,4; 5, 26,1), Tertullian (adv. Marc. 3, 14; 4, 5), Clemens Alexandrinus (paed. 2, 119,1; q. d. s. 42) und Hippolyt von Rom (antichr. 36; 50). Vgl. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 36f.; A‚•y, Revelation (WBC) x–xƒƒ; U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
43–45. Die Position des Gaius war wohl nicht neu. Die bei Just. dial. 80,2 und Iren. haer. 5, 31,1 genannten „reinen und frommen Christen“, die die chiliastische Erwartung nicht teilten, standen wohl auch der Johannesoffenbarung kritisch gegenüber. In der Auseinandersetzung mit Angriffen Marcions und seinem Bestreben, die Kirche von allem Jüdisch‑Materialistischem zu reinigen, gaben diese Christen das literale und realistische Verständnis von Op 20 preis. Zur Verwerfung der Op vor Gaius G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 80; zu Gaius von Rom ebd. 69–85; C. S„ˆŽƒ€Œ / E. S„ˆ‚xŠ‑Fxw‹yx, Gaius, Antimontanist (von Rom), in: LACL2 277. Der Chiliasmus des um 98–117 in Kleinasien tätigen Cerinth gibt der Forschung Probleme auf, da er von anderer Seite der Gnosis verdächtigt wird; dazu R. H••ƒ‹, Cerinth (Evangeli‑ um). LACL2 145; Cˆz. M•z…•„ˆƒy•, Kerinth. Wer war er und was lehrte er?, in: JAC
41
(1998)
48–76. Im Hintergrund der Erwartung des Proklos (Eus. h. e. 3, 28,2.4; 7,25: ἐπίγειον ἔσεσϑαι τὴν τοῦ Χριστοῦ βασιλείαν bzw. ἐπίγειον εἶναι τὸ βασίλειον τοῦ Χριστοῦ) stand wohl die kleinasiatische Kontroverse um die „neue Prophetie“ des Montanus, die in der Zeit des Papstes Zephyrin (197/8–217) Rom erreichte. Bei dem von Gaius angegriffenen Proklos handelte es sich um einen aus Kleinasien stammenden Montanisten (vgl. Eus. h. e. 2, 25,5ff.; 7, 20,3); vgl. R. H••ƒ‹, Proclus, Montanist, in: LACL2 592. Gaius selbst mag mit den kleinasiatischen „Alogern“ in Zusammenhang stehen, die offen‑ sichtlich auf den krassen Chiliasmus der Montanisten mit einem ebenso rigorosen Spiritualismus antworteten. Als Reaktion auf die montanistische Berufung auf das Joh und die Op verwarfen sie beide SchriWen. Vgl. G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 80–84;
KzyŒ•„ˆŽ•z,
Offenbarung
70;
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
46.

4

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

Johannesoffenbarung als auch am Chiliasmus fest.8 Auf Gaius bezog sich Dionysios von Alexandrien (um 250); in der Auseinandersetzung mit dem chiliastisch gesinnten Bischof Nepos von Arsinoë und seinen Anhängern zeigte er durch eine sprachliche und literarische Untersu‑ chung der Johannesoffenbarung auf, dass sie keinesfalls vom Verfasser des vierten Evangeliums und damit auch nicht vom Apostel Johannes stammen könne (Eus., h. e. 7, 24–25); ihr Verfasser ist zwar nicht Ker‑ inth, aber eben doch ein anderer Johannes (vgl. Eus., h. e. 3, 39,6).9 Dio‑ nysios verwarf zwar die Johannesoffenbarung nicht völlig, untermauer‑ te und legitimierte aber dennoch den Zweifel an ihrer Kanonizität und trug damit entscheidend zu ihrer zögerlichen Rezeption in der östli‑ chen Kirche bei, obwohl sie der 39. Osterfestbrief des Athanasius (367) zu
den
heiligen
SchriWen
zählte.10 Die Ablehnung des Chiliasmus und damit die Verwerfung der Jo‑ hannesoffenbarung im Osten war primär theologisch motiviert; denn die Rezeption der platonischen Philosophie und der damit verbunde‑ nen Geistigkeit ließ die alte realistisch‑materialistische Eschatologie ge‑ radezu als „häretisch“ erscheinen. So hielt Origenes († 254) zwar an der „johanneischen“ VerfasserschaW fest und zählte die Johannesoffenba‑ rung zu den bei den Christen allgemein anerkannten heiligen SchriWen, lehnte aber die traditionelle chiliastische Auslegung von Op 20 als

8

9

10

Aus den Fragmenten von Hippolyts Capita adversus Caium lässt sich entnehmen, dass Gaius gegen die Apostolizität der Johannesoffenbarung argumentierte, sie wi‑ derspreche dem Evangelium, da nach Mt 12,29 der Satan schon jetzt durch Christus gebunden sei und nicht erst in der ZukunW, wie Op 20,2f. behauptet. Die Fragmen‑ te finden sich im Offenbarungs‑Kommentar des Syrers Dionysios Bar Salibi († 1171). Hippolyt selbst ist von Irenaeus abhängig; von seinen Werken sind hier neben den Capita (= fr. in Apocalypsim) die Commentarii in Danielem sowie die Demonstratio de Christo et Antichristo zu nennen; seine Apologia pro apocalypsi et evangelio Ioannis apos‑ toli et evangelistae ist verloren. Vgl. dazu G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 70; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 50–52; KzyŒ•„ˆŽ•z, Offenbarung 75f.; vgl. dazu insgesamt auch B. R. S‚„ˆx•,
Hippolyt.
LACL2
336–339. Zu Dionysios U. H•ŽŽ, Dionysios von Alexandrien. LACL2 201–203. Nepos lehrte nach Eus. h. e. 7, 24,4 τὴν τοῦ Χριστοῦ βασιλείαν ἐπὶ τῆς γῆς ἔσεϑαι und berief sich da‑ für auf die Johannesoffenbarung; sowohl Eusebius selbst als auch das dionysische Fragment lassen den deutlichen Bezug des Nepos auf Op 19–20 erkennen. Bereits die Titel der SchriW des Nepos (Wider die Allegoristen / ἔλεγχος ἀλληγοριστῶν) und der des Dionysios (Über die Verheißungen / περὶ ἐπαγγελιῶν) lassen erkennen, dass im Zen‑ trum der Auseinandersetzung die Frage nach der richtigen SchriWauslegung stand. Nepos war nicht der Ausgangspunkt dieser Bewegung, sondern muss als Anhänger einer auch in Ägypten traditionell verbreiteten chiliastischen Eschatologie gesehen werden. Näheres bei G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 91–94; vgl. auch H•z••„…, Ur‑ christliche
Literatur
2/2,
60
Anm.1. Vgl.
KzyŒ•„ˆŽ•z,
Offenbarung
78f.;
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
47.

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

5

judaisierend und primitiv materialistisch ab (vgl. princ. 2, 11; Prol. in Cant.; Hom. 5 in Ps 36).11 Unter dem Einfluss der Theologie des Orige‑ nes schwindet im Osten das Interesse am Chiliasmus, damit aber auch an der Johannesoffenbarung.12 Erst im 6. Jahrhundert setzte mit Oiku‑ menios und Andreas von Caesarea die Kommentierung der Johannes‑ offenbarung ein; doch verwarfen sie ausdrücklich eine chiliastische Deutung von Op 20. Die „tausend Jahre“ bezieht Oikumenios auf das Erdenwirken Jesu, Andreas auf die Zeit von der Menschwerdung oder Kreuzigung
Jesu
bis
zum
Kommen
des
Antichrist.13 Anders verläuW die Entwicklung im Westen; hier blieb die Verwer‑ fung der Offenbarung durch Gaius weitgehend folgenlos. Viktorin von PeTau († wohl 304) schrieb als erster einen durchgehenden Kommentar zur Johannesoffenbarung in lateinischer Sprache. In Anlehnung an Ire‑ naeus und Hippolyt deutet er das „tausendjährige Reich“ in Op 20 chiliastisch: Es ist die Erfüllung der prophetischen Verheißungen des Alten Testaments (in apoc. 20). Hundert Jahre später kritisierte Hie‑ ronymus († 420) den Chiliasmus Viktorins, überarbeitete seinen Kom‑ mentar und gab ihn vom Chiliasmus gereinigt neu heraus (Recensio Hieronymi).14 Auch Augustinus († 430) erwartete zunächst ein regnum Christi et sanctorum in terra post separationem malorum (vgl. serm. 259,2 [PL 38, 1197f.]); doch scheint er an der Erwartung des Millenniums nur deshalb festzuhalten, weil die Johannesoffenbarung und die kirchliche Tradition davon spricht, nicht weil er dieses Lehrstück als zentral und

11

12

13

14

Nach G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 89, hat Origenes „durchdacht, formuliert und kodifiziert, was gebildete Theologen wenigstens im Osten mehr oder weniger latent dachten und lehrten“. Vgl. auch KzyŒ•„ˆŽ•z, Offenbarung 77f.; Fzy~, Millennium 55f. Dennoch ließ Origenes wenigstens ein geistiges Kommen des Herrn zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte gelten; dazu W. B•‚yz, Chiliasmus. RAC 2, Sp. 1077;
H•€|z•,
Offenbarung
(ThHK)
14;
H. J. V|‹Œ,
Origenes.
LACL2
528–536. G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 105: „Selbst wer, wie Methodius, den Origenismus bekämpWe und am Chiliasmus festhielt, konnte sich von der origenistischen Allego‑ rese nicht ganz lösen. Mit Apollinaris von Laodicea, Ps. Cyrill, Theodor von Mopsue‑ stia, Anastasius Sinaita, Ps. Methodius und Stephan bar Sudaili läuW der theologisch‑ wissenschaWlich vertretene Chiliasmus im Orient allmählich aus.“ Vgl. auch Kyˆx, Chiliasmus
II.
LThK3 2,
Sp. 1046;
Nƒ‹‹,
Reich
72f. Von Oikumenios und Andreas von Caesarea abhängig ist der ebenfalls antichiliasti‑ sche Kommentar des Arethas von Caesarea aus dem 10. Jh.; antichiliastisch ist auch – trotz seiner Abhängigkeit von Hippolyt – der schon genannte Kommentar des Dio‑ nysios bar Silibi aus dem 12. Jh. Vgl. dazu KzyŒ•„ˆŽ•z, Offenbarung 86–90; B|‚••yŒ, Offenbarung
(KEK)
63–65;
K|•z•€,
Chiliasmus
III.
TRE
7, 734. Zum Apokalypsen‑Kommentar des Viktorin von PeTau und der Rezension des Hie‑ ronymus vgl. KzyŒ•„ˆŽ•z, Offenbarung 91–93; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 53–56; K. H. S„ˆ–•zŒy,
Victorinus
von
PeTau,
in:
LACL2
718f.

6

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

theologisch bedeutend ansah.15 Wenn er das Millennium als requies und Genuss geistiger Freuden und das regnare der Heiligen als Erscheinen der Kirche in claritas, dignitas und iustitia interpretiert, wird der Chilias‑ mus spiritualisierend modifiziert.16 Neben der sich bereits hier zeigen‑ den Abneigung des Augustinus gegen alles Fleischliche war der zwi‑ schen 370 und 380 entstandene Kommentar zur Johannesoffenbarung des Donatisten Tyconius († um 390) entscheidend für die Abkehr des Augustinus von der traditionellen Erwartung des „tausendjährigen Reiches“.17 Tyconius sah in Op 20 nicht mehr die Vorhersage einer tau‑ sendjährigen HerrschaW der Gerechten auf Erden; die tausend Jahre von Op 20,4 deutete er als die Zeit zwischen Jesu Auffahrt und Wie‑ derkunW, die erste Auferstehung als die Wiedergeburt des Menschen in der Taufe und das Herrschen mit Christus als den Sieg des GetauWen über die Sünde.18 Augustinus übernimmt diese Deutung des Tyconius in civ. 20, bietet aber eine weitere Deutung der „tausend Jahre“ an: Als numerus
perfectus
bezeichnen
sie
die
Fülle
der
Weltzeit.19 Nicht übersehen werden darf, dass die Auslegung durch Tyconius und Augustinus keineswegs alle Züge der chiliastischen Erwartung spiritualisierte; wesentliche Elemente der alten realistischen Eschatolo‑ gie wurden beibehalten: so vor allem die Parusie Christi, die leibliche 15

16

17

18

19

So G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 138. Der Chiliasmus haTe in Augustinus’ Heimat Nordafrika eine lange Tradition: Tertullian, Cyprian, Commodian, Arnobius, Lak‑ tanz.
Zu
Augustinus
W. Gyyzxƒ•‹•,
Augustinus.
LACL2
78–98. Näheres zu Augustinus’ Deutung des Millenniums in serm. 259,2 bei G. M•ƒyz, Jo‑ hannesoffenbarung 137–139; zur Eschatolgie des frühen Augustinus insgesamt vgl. ebd.
134–141. Der Kommentar des Tyconius ist verloren, lässt sich aber in seinen Grundzügen aus den von ihm abhängigen Kommentaren des Beatus (776 geschrieben) und Primasius († ca. 552) und den unter den Namen des Augustinus überlieferten Homiliae in Apo‑ calypsim B. Ioannis (evtl. von Caesarius von Arles, † 542) rekonstruieren; daneben sind auch die Kommentare des Beda Venerabilis († 735) und Ambrosius Autbertus († 784) sowie die Complexiones apostolorum des Cassiodor († um 580) hilfreich. Vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 56f., KzyŒ•„ˆŽ•z, Offenbarung 95f.; K. P|xxŽ•••, Ty‑ conius.
LACL2
702f. Die Voraussetzung und zugleich besondere Leistung der Auslegung des Tyconius muss mit G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 121, darin gesehen werden, „dass Ticonius [sic] offenbar als erster prominenter Christ des Westens eine damals moderne Her‑ meneutik in systematischer Durchbildung darbot. Der Grundzug dieser Hermeneu‑ tik war die geregelte Möglichkeit, den sensus literalis hinter sich zu lassen und zu geistlichen Wahrheiten vorzudringen, die aus anderen Teilen der Bibel bereits er‑ schlossen waren“. Zu den Grundpositionen der Auslegung des Tyconius und ihren Hintergründen
vgl.
auch
KzyŒ•„ˆŽ•z,
Offenbarung
94–100. Vgl. KzŒy•„ˆŽ•z, Offenbarung 104; nach G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 148, zeigt die doppelte Deutung des Millenniums, dass Augustinus selbst in der Auslegung unsicher
ist.

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

7

Auferstehung, das Jüngste Gericht, die leibliche Seligkeit und die Höl‑ lenstrafen.20 Durch die bei Tyconius gefundene und von Augustinus verbreitete Gleichsetzung des Millenniums mit der Zeit der Kirche wurde das erst für die ZukunW erho•e Heil zum gegenwärtigen Heils‑ besitz der „Kirche“. Dies schuf die Voraussetzung, in der Johannes‑ offenbarung auch unter den seit Konstantin veränderten kirchlichen und gesellschaWlichen Verhältnissen aktuellen Sinn zu finden und si‑ cherte ihr dadurch weiterhin einen Platz im Leben der Kirche; denn angesichts der zunehmenden Verschmelzung von Kirche und Staat war die Hoffnung auf ein kommendes irdisches „Reich der Heiligen“ obso‑ let
geworden.21 Die Auslegung des Tyconius und Augustinus blieb bis ins MiTelal‑ ter prägend. Davon zeugen die Kommentare des Primasius († nach 554), des Cassiodorus († um 580), des Beda Venerabilis († 735), des Bea‑ tus (um 776), des Ambrosius Autpertus († 784) oder des Haimo von Auxerres (9. Jh.).22 Die „Vergegenwärtigung“ des Millenniums bedeute‑ te – wie das hohe MiTelalter zeigte – aber keine Entpolitisierung der Jo‑ hannesoffenbarung. Die auf OTo den Großen (912–973) zurückgehende deutsche Kaiserkrone symbolisiert den Anspruch auf die Gegenwart des Reiches Christi im „Heiligen Römischen Reich“. Gegen diese auf die Johannesoffenbarung gestützte sakrale Überhöhung des Kaiser‑ tums richtete sich der „revolutionäre Protest“ der Gregorianer: In Kir‑ che und PapsTum, nicht in Kaiser und Reich ist das Reich Christi in dieser Welt gegenwärtig. Von der Aktualität der Johannesoffenbarung und ihrer Millenniumsvision im Investiturstreit zeugen die Kommenta‑

20

21 22

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Tyconius und Augustinus in der Auslegung von Op 20 kann hier nur kurz erwähnt werden: Bei Tyconius dient die Deutung der „tausend Jahre“ auf die Zeit zwischen Auffahrt und WiederkunW Jesu der Verknap‑ pung der Endzeit. Tyconius und Augustinus gingen vom sog. Weltwochenschema aus, nach dem die Zeit der Welt sieben „Tage“ von je „tausend Jahren“ umfasst; doch war nach Tyconius, anders als bei Augustin, Christus nicht am Beginn des „6. Tages“ geboren. Nach den in seinem Liber regularum festgelegten Auslegungsregeln kann gelten reliquiae mille annorum mille anni sunt, so dass zwischen Auffahrt und Wieder‑ kunW Christi nicht 1000 Jahre vergehen müssen, es genügen 350 (vgl. die 3½ Zeiten der Op). So stand für ihn das Ende unmiTelbar bevor. Ausführlich bei G. M•ƒyz, Jo‑ hannesoffenbarung 114–125; zum Unterschied zwischen Augustinus und Tyconius ebd. 161–166. Zur eschatologischen Konzeption in Aug. civ. vgl. auch Kyˆx, Eschato‑ logie 201–212; W. Gyyzxƒ•‹•, Augustinus, in: ders. (Hg.), Theologen der christlichen Antike.
Eine
Einführung,
Darmstadt
2002,
148–167,
hier
162–166. Vgl. KzyŒ•„ˆŽ•z, Offenbarung 157; Bx‚Ž, Chiliasmus II. TRE 7, 730; G. M•ƒyz, Jo‑ hannesoffenbarung
120.
161;
Fzy~,
Millennium
56;
Nƒ‹‹,
Reich
124–130. Näheres zu diesen und weiteren Kommentaren KzyŒ•„ˆŽ•z, Offenbarung 107–141; B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
65–72.

8

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

re des Bruno von Segni († 1123) und Rupert von Deutz († 1129) wie auch die SchriWen des Gerhoch von Reichersberg († 1169).23 Zugleich aber machte das in seinen politischen Ambitionen gefangene und im‑ mer mehr verweltlichte PapsTum für viele Christen die Gleichsetzung der Kirche mit dem eschatologischen Reich Christi unglaubwürdig. Die von Augustinus initiierte kirchengeschichtliche Auslegung von Op 20 wurde
damit
zunehmend
problematisch. Unter dem Druck der Zeitgeschichte entwickelte sich deshalb ein neues Verständnis von Op 20, das schließlich die kirchengeschichtli‑ che Deutung des Augustinus ablöste. Der Ausgangspunkt dieser Ent‑ wicklung war die Eschatologie des Joachim von Fiore († 1212). Mit sei‑ ner Lehre von den drei status der Heilsgeschichte – dem Zeitalter des Vaters im alten Bund, dem des Sohnes in der gegenwärtigen Kirche und dem noch ausstehenden, als irdische Vollendung erwarteten Zeit‑ alter des Geistes mit der idealen Kirche – erschien ein „mystisch subli‑ mierter Chiliasmus eigenartiger Prägung“24. Seine Auslegung von Op 20 blieb jedoch Augustinus verhaWet; denn nach seiner Expositio in Apocalypsin beginnen die „tausend Jahre“ vor dem Zeitalter des Geistes mit Kreuz und Auferstehung und dauern bis zum Weltende.25 Unter dem Einfluss des Joachim stehen der Apokalypsen‑Kommentar des Franziskaners Alexander von Bremen (1250) und die Expositio in Apoca‑ lypsin des Berthold von Regensburg (nach 1249). Klar formuliert findet sich der Chiliasmus in den Postilla super Apocalypsim des Petrus Jo‑

23

24

25

Im einzelnen bei KzyŒ•„ˆŽ•z, Offenbarung 140–155. Besondere Bedeutung erlangte für die folgende Auslegung bei den Reformatoren die Frage nach dem Kommen und der Identität des Antichristen; vgl. ebd. 145–148. Unklar ist, ob die Deutung des Augustinus zur Erwartung des Weltendes mit der Jahrtausendwende führte, da die Quellen sich dazu nicht eindeutig äußern; vgl. ebd. 147; ablehnend Fzy~, Millennium 57;
K|•z•€,
Chiliasmus
III.
TRE
7, 734. G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 176; zu Joachim von Fiore und zum Joachimismus ebd. 164–192; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 73–81; KzyŒ•„ˆŽ•z, Offenbarung 158– 160; Kyˆx, Eschatologie 183–193; Nƒ‹‹, Reich 131–152. Die Gedanken Joachims fin‑ den sich bei zahlreichen Theologen des Franziskaner‑ und Dominikanerordens, wie Gherhardino di Borgho San Domino, Hugo von Digne, Johann von Parma, Humbert von Romans, Umbertino von Casale, Petrus Johannis Olivi, Angelo di Clareno, Ste‑ phanus de Salamhaco, Dietrich von Apodala und in gewisser Weise auch bei Bona‑ ventura. Nicht von ungefähr wird mancher Leser sich bei der Auflistung dieser und anderer Namen an Umberto Ecos Roman Der Name der Rose erinnert fühlen, dessen Handlung in dieser Zeit und vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzungen angesiedelt
ist. Vgl. Fzy~, Millennium 57f.; G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 177; K|•z•€, Chiliasmus III. TRE 7, 734f. Hier wäre noch der Kommentar des Nikolaus von Lyra (1329) mit der ersten durchgängigen weltgeschichtliche Deutung der Johannesoffenbarung zu nennen;
vgl.
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
83;
H•€|z•,
Offenbarung
(ThHK)
16.

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

9

hannis Olivi (1297). Doch die Gedanken Joachims wirken weit über die Auslegung der Johannesoffenbarung hinaus. Reformer und revolutio‑ näre Gruppen der nächsten Jahrhunderte lebten von ihnen, so z. B. Fra Dolcino und die von Gherardo Segarelli gegründeten „Apostelbrüder“, aber auch die böhmischen Taboriten und Hussiten sowie die revolutio‑ nären Gruppen der Täufer um Thomas Münzer, Jan Mathys und Jan Beukelzs. Bei ihnen brach sich die Überzeugung Bahn, das theokrati‑ sche Reich, das „driTe Zeitalter“ des Joachim von Fiore, könne und müsse von den Menschen herbeigeführt werden, notfalls – wie nicht wenige meinten – mit Gewalt.26 Die Kritiker der bestehenden Kirche sa‑ hen in der Verheißung des tausendjährigen Reiches die Antwort auf ihre Sehnsucht nach Reform: Das Millennium ist die erneuerte, ideale Kirche. Damit triT erstmals seit dem 3. und 4. Jh. die Johannenoffenba‑ rung wieder als eine prophetisch‑eschatologische SchriW in das Zen‑ trum
kirchlichen
Interesses.27 Dem glühenden Interesse an der Johannesoffenbarung und ihrer chiliastischen Eschatologie in der Zeit vor der Reformation stehen Dis‑ tanz und Ablehnung bei den großen Reformatoren gegenüber.28 Martin Luther folgte in der Auslegung von Op 20 und der Beurteilung des

26

27

28

Die Ereignisse von Münster 1534–35 sind nicht charakteristisch für die Täuferbewe‑ gung insgesamt. Unter den Täufern vertraten nur die revolutionären Gruppen eine derartige radikale Eschatologie; bei den spiritualistischen und anderen Gruppen der Täufer trat dagegen die Eschatologie (und damit auch die Johannesoffenbarung) in den Hintergrund; vgl. G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 202–267; Nƒ‹‹, Reich 197–230. Zum sozial‑revolutionären Chiliasmus des MiTelalters und der frühen Neuzeit vgl. auch K|•z•€, Chiliasmus III. TRE 7, 235f.; B•‚„…ˆ•Ž, Chilasmus IV. TRE 7, 237f.; Fzy~,
Millennium
58f.;
Nƒ‹‹,
Reich
153–168. Die Rolle der Johannesoffenbarung in dieser Epoche fasst G. M•ƒyz, Johannesoffen‑ barung 201f., zusammen: „Dort, wo man abseits des kirchlichen Lehramtes in der SchriW forscht, ergibt sich eine neue Begegnung mit der eschatologischen Hoffnung der apostolischen Christenheit. Von dieser SchriWforschung her speisen sich dann hauptsächlich die apokalyptischen Erwartungen der Vorreformatoren. Als Werk‑ zeug der Kritik an der Papstkirche und im Wachhalten der Hoffnung auf künWige Veränderungen erweist sich die Apokalypse als ein kritisch reformatorisches El‑ ement des Kanons und der Kirche. Insofern ist die Apk ein Wegbereiter der Refor‑ mation.“
Vgl.
auch
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
81–83. Sein schroffes Urteil über die Johannesoffenbarung in der Vorrede zur Ausgabe des NT von 1522, mildert Luther in der Vorrede von 1534; hier stellt er der Johannes‑ offenbarung eine kurze Auslegung voran, damit sie nicht völlig unbrauchbar bleibe. Vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 84. „Luther hat den von ihm geprägten Kirchen je‑ denfalls keine große Liebe zum letzten Bibelbuch mitgegeben. Die Apokalypse blieb in sichtbarer Distanz zu diesem Strom der Reformation, obwohl sie ein Wegbereiter der Reformation gewesen ist“ (G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 300). Ausführlich zum Verhältnis Luthers zur Johannesoffenbarung H|}Ž•••, Luther 620–655; kri‑ tisch
zu
seiner
Auslegung
auch
B‡„ˆyz,
Forschung
3852f.

10

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

tausendjährigen Reiches Augustinus. Den eigentlichen Chiliasmus ver‑ warf er als jüdisch bzw. moslemisch.29 Ähnlich liegen die Dinge bei Philipp Melanchton. Entsprechend verwarf auch die Confessio Augusta‑ na von 1530 in Art. 17 den Chiliasmus.30 Der Chiliasmus als „revolutio‑ näre“ Hoffnung auf die ideale Kirche war durch die Etablierung der protestantischen
Kirchen
überholt.31 Die Wiederbelebung der chiliastischen Erwartung im Pietismus entsprang folgerichtig der eschatologischen Relativierung der Reforma‑ tion: Mit ihr ist nicht die letzte Epoche der Geschichte angebrochen, sie hat nicht die ideale Kirche oder das Reich der Heiligen auf Erden ge‑ bracht. Vorbereitet durch die Apokalypsen‑Auslegungen von Johann Heinrich Alsted (1588–1638), Johannes Coccejus (1603–1669), Georg Lo‑ renz Seidenbecher (geb. 1623), Campegius Vitringa (1659–1722) und Friedrich Adolf Lampe (1603–1729) löste Philipp Jakob Spener (1635– 1705) Op 20 aus der lutherischen und augustinischen Einordnung in die Kirchengeschichte und schuf im Luthertum erneut einer futuri‑ schen und chiliastischen Auslegung Raum.32 In der Tradition Speners steht die Erklärte Offenbarung Johannis oder vielmehr Jesu Christi (1740) von Johann Albrecht Bengel (1687–1752). Durch die Unterscheidung der tausend Jahre von 20,1–3 und 20,4–6 kam Bengel zu einer Doppe‑ lung des tausendjährigen Reiches; mit der kleinen Zeit der Loslassung Satans beginnen die zweiten tausend Jahre.33 Wie das Regieren der Hei‑

29

30

31 32

33

Näheres zu Luthers Eschatologie und ihren Quellen bei G. M•ƒyz, Johannesoffenba‑ rung 269–292; hier auch die wichtigsten Belegstellen zu Auslegung von Op 20 nach der
„Weimarer
Ausgabe“
(WA). So für die Reformierten die Confessio Helvetica posterior Art. 26. Mit G. M•ƒyz, Johan‑ nesoffenbarung 305, gilt am Ende des Zeitalters der Reformation für die Auslegung der Johannesoffenbarung: „Ein weiteres Ergebnis dieser Epoche ist der klare Sieg Augustins über Joachim von Fiore in der Eschatologie. Die Apokalypse wird noch unter das bei Augustin gehaltene Niveau gedrückt, ausgenommen die antipäpstli‑ che Antichristdeutung. War die Apk für Augustin unstreitig ein kirchlich‑kanoni‑ sches Buch und diente sie immerhin als ein Baustein der Eschatologie, so gilt für die [lutherische]
Orthodoxie
weder
das
eine
noch
das
andere“. So
Kyˆx,
Eschatologie
191. Seine Auslegung von Op 20 entfaltet Spener in den Pia Desideria (1675) und in der Behauptung der Hoffnung künQiger besserer Zeiten (1693). Es gibt für ihn ein besonderes Reich Christi auf dieser Erde und in dieser Zeit; die „tausend Jahre“ der Johannes‑ offenbarung haben noch nicht begonnen, geschweige denn ihre Vollendung erfah‑ ren. Spener findet seine Nachfolger bei den Pietisten Johann Heinrich May (1653– 1719), August Herrmann Franke (1663–1727), Nikolaus Ludwig Reichsgraf von Zin‑ zendorf (1700–1760) und bei den Separatisten in Johanna Eleonora von und zu Mer‑ lau (1644–1724). Zur Lehre Speners, ihrer Vor‑ und Wirkungsgeschichte vgl. auch G. M•ƒyz,
Johannesoffenbarung
310–378. Eine Doppelung des Millenniums zuvor schon bei dem englischen Puritaner Tho‑

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

11

ligen unsichtbar im Himmel geschieht, so gehören auch die Gefangen‑ schaW
und
Loslassung
Satans
in
die
unsichtbare
Welt.34 Das 18. Jahrhundert stellte einen Höhepunkt der Apokalypsen‑Aus‑ legung dar; aber an die Stelle einer revolutionär‑prophetischen Anwen‑ dung trat weitgehend eine von den Späthumanisten Luis de Alcazar (1554–1613) und Hugo Grotius (1583–1645) initiierte nüchtern rationa‑ listische, von historischen und literarkritischen Fragen geleitete Kom‑ mentierung der Johannesoffenbarung.35 Deshalb forderten Johann Da‑ vid Michaelis (1668–1738) und Heinrich Corrodi (1752–1793) für die Auslegung der Johannesoffenbarung gründliche philologische und his‑ torische Kenntnisse; damit traten die Welt und Zeit des Verfassers als Schlüssel zum Verständnis der Johannesoffenbarung in den Blick.36 Das 19. Jh. brachte den Sieg dieser zeitgeschichtlichen Erklärung der Johan‑ nesoffenbarung. Der Chiliasmus in Op 20 war für sie ein unverkenn‑ bar gegebenes historisches Faktum, dem keine aktuelle Bedeutung zu‑ kam. Friedrich Lücke (1791–1855) sah in ihm „eine niedere Stufe in der Entwicklung der christlichen Lehre von der Vollendung des göTlichen Gerichts“37. Im Gegensatz zu dieser nüchtern wissenschaWlichen Auseinander‑ setzung wurde Op 20 bei anderen Auslegern in prophetisch‑heilsge‑ schichtlicher Sicht im Sinn des Chiliasmus subtilis gedeutet. Nach Jo‑

34 35 36

37

mas Brightman (1588–1638). Näheres zum Chiliasmus im englischen Puritanismus Fzy~,
Millennium
61f. Zur Auslegung Bengels vgl. G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 393–440; B‡„ˆyz, Johan‑ nesapokalypse
4f. Vgl.
B‡„ˆyz,
Johannesapokalypse
1–6;
G. M•ƒyz,
Johannesoffenbarung
447. Die Jahre 1770–1790 brachten für die Johannesoffenbarung den Durchbruch der his‑ torischen Kritik. Deren Folgen wertet G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 473, deutlich negativ: „Das Ansehen der Apokalypse sank auf den tiefsten Stand, den es seit Lu‑ ther in den reformatorischen Kirchen gehabt hat, tiefer noch als bei Luther selbst. Die Apostolizität wurde nur noch von einer kleinen Minderheit behauptet. Die Apo‑ kalypse erschien als der Protagonist des negativ bewerteten Judenchristentums auf dem Boden des NT. Ja, die Kanonizität erhielt sich großenteils nur noch pragma‑ tisch, wurde aber inhaltlich weithin bezweifelt oder verneint. Infolgedessen trug die Apokalypse für die systematische Theologie – wie auch für die neutestamentliche Theologie – kaum mehr etwas aus.“ Der Sieg der Restauration über Au™lärung und Liberalismus in der zweiten HälWe des 19. Jh.s in der katholischen wie in der protes‑ tantischen Kirche bedeutete für die Auslegung der Johannesoffenbarung eine Rück‑ kehr zu den alten welt‑ und kirchengeschichtlichen Deutungsmodellen; vgl. B‡„ˆyz, Forschung
3857–3859. F. Lw„…y, Versuch einer vollständigen Einleitung in die Offenbarung des Johannes oder Allgemeine Untersuchung über die apokalyptische Literatur überhaupt und die Apokalypse des Johannes insbesondere, Bonn 21852, 919: nach G. M•ƒyz, Johan‑ nesoffenbarung
487f.;
vgl.
auch
B‡„ˆyz,
Johannesapokalypse
7f.

12

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

hann Christian Hoffmann (1810–77) liegt das tausendjährige Reich in der ZukunW; ihm gehen Glaubensabfall und das Erscheinen eines per‑ sönlichen Antichrist voran. Die WiederkunW Christi ereignet sich nicht sichtbar; die erste Auferstehung meint das Entrücken der in Christus Entschlafenen in den Wolken. Auch bei Karl August Auberlen (1824– 64) herrscht die verklärte Gemeinde mit Christus vom Himmel her über Juden und Heiden, unter denen sich das Evangelium verbreitet.38 Auch die am Ende des 19. Jahrhunderts neu entstandene religionsge‑ schichtliche Schule widmete sich der Auslegung der Johannesoffenba‑ rung. H. Gunkel (1862–1932) und W. Bousset (1865–1920) machten auf Berührungen der Johannesoffenbarung mit altorientalischen und helle‑ nistischen Mythen aufmerksam und erwiesen durch die Herleitung des tausendjährigen Reiches aus iranischen, vom Judentum übernom‑ menen Vorstellungen die Notwendigkeit einer chiliastischen Interpre‑ tation
von
Op
20.39 Insgesamt brachte das 19. Jahrhundert im Bereich der wissenschaW‑ lichen Theologie den endgültigen Sieg einer historisch‑kritischen Aus‑ legung der Johannesoffenbarung und damit den Durchbruch der Er‑ kenntnis, dass Op 20 chiliastisch zu verstehen sei. Für die Theologie aber verlor die Johannesoffenbarung damit zunehmend an Bedeutung, nicht nur weil die vorherrschende liberale Theologie die Eschatologie weitgehend ausblendete.40 Auch die sich als Gegenposition formieren‑ de „Konsequente Eschatologie“ wusste mit dem Zwischenreich nichts anzufangen.41 Als die Dialektische Theologie zu Beginn des 20. Jahr‑ hunderts eine bloß historische Erforschung der Bibel als ungenügend

38 39 40

41

Ausführlicher bei G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 484–526; B‡„ˆyz, Johannesapoka‑ lypse
8–11;
hier
auch
weitere
Ausleger
der
Johannesoffenbarung
im
19. Jh. Vgl.
B‡„ˆyz,
Johannesapokalypse
13f.;
G. M•ƒyz,
Johannesoffenbarung
526–536. Zum 19. Jh. G. M•ƒyz, Johannesoffenbarung 546: „Schauen wir auf die genannte Epo‑ che zurück, dann ist der Stern der Apokalypse kurz, wie eine Nova, und nur im Ge‑ biet der Religionsgeschichtlichen Schule aufgegangen. Für die Erforschung der Apo‑ kalypse ergaben sich jedoch wichtige methodische Hilfen und Fragestellungen. Im religionsgeschichtlichen Vergleich konnte sich die Eigenart der christlichen kanoni‑ schen Apokalypse profilierter erfassen lassen. Die Beziehung zum Alten Testament wurde ergänzt durch die Beziehung zur jüdischen Apokalyptik und zum antiken Ju‑ dentum überhaupt. Die zeitgeschichtliche Erklärung verlor ihr Monopol, wenn‑ gleich nicht unbedingt ihre VorherrschaW. Die traditionsgeschichtliche Erklärung stellte die Frage nach mündlichen Traditionen und gewann ein Empfinden für jahr‑ hundertelange Prozesse. Die Frage nach wirklicher Prophetie begann von neuem an‑ zuklingen. … Die biblische Eschatologie begann sich ihr Recht zurückzuerobern. Aber es fehlte die Transmission auf das Gesamte der Theologie und gerade auf das Gebiet
der
Dogmatik.
Hier
fand
die
nächste
Epoche
ein
Stück
weiter.“ Zur
konsequenten
Eschatologie
vgl.
G. M•ƒyz,
Johannesoffenbarung
537–546.

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

13

monierte, haTe jedoch auch sie für die Johannesoffenbarung zur Bewäl‑ tigung konkreter und aktueller Fragen keine Verwendung. Paul Alt‑ haus kann sich schließlich zwar zu einem „aktuellen Chiliasmus“ durchringen, der auf den Realismus der Hoffnung gegen eine spiritua‑ lisierende Preisgabe dieser Welt ziele und daher als „Hoffnung für die‑ se Welt“ bezeichnet werden könne, doch bleibt eine deutlich spürbare Distanz zu Op 20 und den hier formulierten Erwartungen.42 Vor die‑ sem Hintergrund wird die Wiederbelebung der reichs‑ und endge‑ schichtlichen Deutung als Ansage künWiger Ereignisse in Kirche und Welt einschließlich des tausendjährigen Reiches auf Erden im Kom‑ mentar von Theodor Zahn (1839–1933) verständlich: Die chiliastische Erwartung der Johannesoffenbarung sollte mehr sein als bloß gegebe‑ nes historisches Faktum der Vergangenheit.43 Ernst Lohmeyer sucht das Dilemma der durch die historisch‑kritische Exegese geschaffenen Be‑ deutungslosigkeit des Millenniums durch eine übergeschichtliche Aus‑ legung von Op 20 zu lösen: Die Johannesoffenbarung rede nur der Form,
nicht
aber
dem
Inhalt
nach
von
ZukünWigem.44 Anders als die protestantische Exegese hielt die katholische Ausle‑ gung von Op 20 bis ins 20. Jh. hinein an der kirchengeschichtlichen Deutung des Tyconius / Augustinus fest. Dazu trugen vor allem die Verurteilung Joachims von Fiore durch das 4. Laterankonzil (1215) und die Brandmarkung des Chiliasmus als Häresie durch Thomas von Aquin (1225–1274) bei (vgl. S. Theol. III, Suppl. q. 77, a. 1 ad 4; S. c. gent. III, 27; IV, 83).45 Neben der Deutung der „tausend Jahre“ auf die gesam‑ te Zeit der Kirche finden sich – wie in der protestantischen Exegese – solche auf bestimmte Perioden der Kirchengeschichte; so liegen etwa für Franz Sales Tiefenthal (1840–1917) die „tausend Jahre“ zwischen dem Tod ATilas (453) und dem Fall Konstantinopels (1453).46 Seit der

42

43 44 45 46

Althaus schloss noch 1922 seine Auslegung von Op 20 damit, dass der Chiliasmus als Lehre theologisch nicht haltbar ist; vgl. ders., Die letzten Dinge 286–306. Erst im Nachwort zur schwedischen Auflage von 1930 vermag er den Chiliasmus in der Form des „aktuellen Chiliasmus“ teilweise zu bejahen. Näheres zu Althaus und der dialektischen
Theologie
G. M•ƒyz,
Johannesoffenbarung
546–570 Vgl.
G. M•ƒyz,
Johannesoffenbarung
576f.;
B‡„ˆyz,
Johannesapokalypse
16f. Vgl.
G. M•ƒyz,
Johannesoffenbarung
589–593;
B‡„ˆyz,
Johannesapokalypse
16. So K|•z•€, Chiliasmus III. TRE 7, 735; zur katholischen Auslegung der Johannes‑ offenbarung
in
der
Zeit
der
Gegenreformation
auch
Ny–›|zŒ,
Apocalypse
66–90. Im protestantischen Bereich deutete Ernst Wilhelm Hengstenberg (1802–69) die tau‑ send Jahre auf die Zeit des abendländischen Kaisertums, beginnend mit der Kaiser‑ krönung Karls d. Gr. am Weihnachtstag 800. Zuvor schon haTe Coccejus (1665) die tausend Jahre auf die Zeit der „Heuchelkirche“ von Konstantin bis Ludwig den Bay‑ ern
bezogen.

14

Die
Rezeptionsgeschichte
der
Millenniumsvision

Gegenreformation war die katholische Auslegung zudem wesentlich durch die protestantische Polemik bestimmt, die den Antichrist mit dem PapsTum und seine Anhänger mit den Katholiken gleichsetzte.47 Die strikte Ablehnung des Chiliasmus und das Festhalten an traditio‑ nellen Auslegungen einzelner AbschniTe (bes. Op 12) bedeutete je‑ doch keine Verweigerung gegenüber der kritisch wissenschaWlichen Exegese; der schon genannte Kommentar des Katholiken Luis de Alca‑ zar (1614) mit seiner konsequenten zeitgeschichtlichen Auslegung wur‑ de
sogar
für
die
protestantische
Exegese
richtungsweisend.48 Die Geschichte der Auslegung von Op 20 zeigt, wie sehr der je‑ weilige Ausleger durch den zeitgeschichtlichen Hintergrund und des‑ sen Wahrnehmung bestimmt ist. In einer Zeit der gesellschaWlichen In‑ feriorität der Christen oder in einer Zeit des Leidens in und an der Kirche fand man in Op 20 die tröstende Ansage eines radikalen Um‑ schwungs und kommender besserer Zeiten. Eine etablierte und tri‑ umphierende Kirche dagegen wusste mit derartigen Erwartungen nichts anzufangen, gab aber dennoch Op 20 nicht preis, sondern such‑ te eine kreative Neuinterpretation: Das in Op 20 verheißene irdische Reich Christi wandelte sich von der Verheißung zum gegenwärtigen Besitz. Dieser Weg scheint der wissenschaWlich‑nüchternen Auslegung der Neuzeit verwehrt. Doch muss auch sie sich hüten, nicht unter dem Deckmantel der „Aktualisierung“ ähnliche Wege zu gehen: Man redu‑ ziert Chiliasmus auf die allgemeine Hoffnung besserer Zeiten und trägt die Anliegen der eigenen Zeit ein, seien es nun ökologische, soziale, po‑ litische
oder
ökonomische.49

47 48

49

Zur röm.‑kath. Auslegung der Johannesoffenbarung im 16. und 17. Jh. B‡„ˆyz, For‑ schung
3853f. An weiteren wichtigen kath. Kommentatoren sind zu nennen Roberto Bellarmin (1586/93), Francisco de Ribera (1591), Cornelius a Lapide (1625), Johann Stephan Menochius (1630) und Jacobus Tirinius (1632); mit einer kurzen Charakteristik bei B‡„ˆyz,
Offenbarung
1f.
und
13;
ders.,
Forschung
3853f. Dazu
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
144–164
(besonders
im
Blick
auf
P. Althaus
und
E. Brunner).

II. Der
Stand
der
Forsvung 1. Die
Auslegung
der
Millenniumsvision in
der
neueren
Exegese a. Der
Ertrag
der
historisv‑kritisven
Methode Mit dem Durchbruch der historisch‑kritischen Methode im 18. Jh. fragte die Exegese nicht mehr (primär) nach der aktuellen Bedeutung der Jo‑ hannesoffenbarung für das Leben der Kirche und des einzelnen Lesers, sondern danach, wie der Vf. und seine Adressaten den Text verstanden haben. Das Ziel der Auslegung war, die ursprüngliche Funktion und Be‑ deutung der Johannesoffenbarung in ihrer geschichtlichen Entstehungs‑ situation zu erheben. Diese Konzentration auf die Person des Vf.s, den Text und die zeitgeschichtlichen Umstände seiner Abfassung führte zur Ablehnung der mitunter abenteuerlichen Versuche, die Visionen mit Daten und Fakten der Welt‑ und Kirchengeschichte zu verbinden (welt‑ und kirchengeschichtliche Auslegung).1 Zugleich aber zeigte sich im‑ mer mehr, dass die Visionen nicht allein als Spiegelung von Ereignissen der Zeitgeschichte zu erklären sind; denn die Bilder der Johannesoffen‑ barung beziehen sich eben auch auf zukünWige, endgeschichtliche Ereig‑ nisse. Allmählich traten auch neue Fragestellungen und Methoden in den Blick: Die Literarkritik untersuchte Gliederung, Stil, innere Konsis‑ tenz und Widerspruchsfreiheit des Textes. Die traditionsgeschichtliche Analyse fragte nach den Wurzeln der Bilder und Vorstellungen der Jo‑ hannesoffenbarung im Alten Testament und in der Literatur des anti‑ ken Judentums.2 Die religionsgeschichtliche Untersuchung entdeckte Par‑

1

2

Nach B‡„ˆyz, Forschung 3851, ist „die knapp 1900jährige Auslegungsgeschichte der Johannes‑Offenbarung, von der Spätantike bis weit ins 19. Jahrhundert – und teilwei‑ se bis in die Gegenwart – hinein, bis auf wenige Ausnahmen eine erstaunliche Blü‑ tenlese aus Phantasie und Willkür. Offenbar hat die ‚apokalyptische‘ Stilform dieser einzigen prophetischen SchriW des Neuen Testaments von Anfang an dazu verführt, das Buch und seinen Verfasser gleichsam ihres historischen Kontextes zu berauben und [seine Visionen] … ‚entschlüsselnd‘ auf Begebenheiten und ZeitabschniTe der Geschichte zu deuten“. Näheres zur Kritik an der welt‑ und kirchengeschichtlichen Deutung
auch
bei
Sƒ„…y•†yz‹yz,
Johannesapokalypse
23–26. Die literar‑ und quellenkritische Analyse der Johannesoffenbarung begann mit den

16

Der
Stand
der
Forschung

allelen zu den apokalyptischen Vorstellungen und Bildern in der iranischen,
babylonischen
und
hellenistischen
Mythologie.3 In der Kombination dieser Methoden und Fragestellungen und mit ihrer konsequent endgeschichtlichen Deutung der Visionen der Johan‑ nesoffenbarung wurden die Kommentare von W. Bousset (1896, 21906) und R. H. Charles (1920) wegweisend für die wissenschaWliche Ausle‑ gung der Johannesoffenbarung im 20. Jh.4 Mit dem Kommentar von E.‑B. Allo (1921) öffnete sich auch die katholische Exegese diesen Prä‑ missen.5 Hinter diesem Postulat eines Methodenpluralismus blieben dagegen die Kommentare von E. Lohmeyer (1926) und Th. Zahn (1924/26) mit ihrer einseitigen traditions‑ bzw. endgeschichtlichen Aus‑

3

4

5

Arbeiten Daniel Völters (ab 1882); als weitere Vertreter dieser Richtung sind zu nen‑ nen Eberhard Vischer (1865–1946), Carl Heinrich von Weizsäcker (1822–1899), Agus‑ te Sabatier (1839–1901), Gerard Johan Weyland (1860–1924), Friedrich SpiTa (1852– 1924) und Johannes Weiss (1863–1914). Vgl. B‡„ˆyz, Forschung 3859f. (hier sind auch die entsprechenden Arbeiten genannt); zu den Ergebnissen und Positionen der literarkritischen
Erforschung
der
Johannesoffenbarung
AbschniT
III. 1. Als Begründer der religionsgeschichtlichen Schule darf Hermann Gunkel (1862– 1932) gelten, der 1895 in seiner Studie Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit für Gen 1 und Op 12 einen altorientalisch‑babylonischen Hintergrund nachzuweisen versuchte. Mit Julius Wellhausen (1844–1918) legte 1907 ein weiterer AlTestamentler eine religionsgeschichtlich orientierte Analyse der Johannesoffenbarung vor. Hierher gehören unter anderen die Arbeiten von Franz Boll (1867–1924) und Carl Clemens (1865–1940) sowie die Kommentare von W. Bousset, R. H. Charles und E. Lohmeyer. Zur Auslegung der Johannesoffenbarung innerhalb der religionsgeschichtlichen Schule
G. M•ƒyz,
Johannesoffenbarung
526–537;
B‡„ˆyz,
Forschung
3861–3863. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 119, formulierte als methodischen Grundsatz: „Die tra‑ ditionsgeschichtliche und religionsgeschichtliche Betrachtungsweise soll nicht an Stelle, sondern neben die zeitgeschichtliche und literarkritische Methode treten.“ Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „xžžžƒŸ, nennt neben der literarkritischen, traditions‑ und religionsgeschichtlichen Methode noch die philosophical method und die psycholo‑ gical method. Als exemplarisch darf das von KwŽŽyx, Einleitung 418, formulierte me‑ thodische Programm gelten, an dem sich heute jede wissenschaWliche Auslegung der Johannesoffenbarung messen lassen muss: „Freilich ist man sich heute einig über die richtige Methode zur Erklärung der Johannesoffenbarung, zum mindesten überall dort, wo solche Erklärung von wissenschaWlichen Voraussetzungen ausgeht: die Apk kann nur dann den Intention des Verf. und unserem geschichtlichen Abs‑ tand von seiner Zeit entsprechend verstanden werden, wenn man zunächst nach dem traditionellem Sinn der Bilder und Vorstellungen fragt (traditionsgeschichtliche Methode), dann festzustellen sucht, welche Erwartungen für das nahe Ende der Verf. verkündet (endgeschichtliche Methode), und schließlich beachtet, inwieweit durch Hinweise auf unmiTelbar vergangene und gegenwärtige Geschichte die End‑ zeit als bereits in der Gegenwart sich verwirklichend gesehen wird (zeitgeschichtli‑ che Methode).“ Eine kritische Diskussion der notwendigen Kombination dieser drei Zugänge
bei
Wƒ…y•ˆ•‚•yz,
Offenbarung
(RNT)
18–22. Diese methodische Offenheit, die bereits die Bibelenzyklika Divino afflante Spiritu von 1943 vorwegnimmt, prägt auch die eher allgemeinverständlichen Kommentare von
J. Sickenberger
(1940)
und
P. KeTer
(1942);
vgl.
B‡„ˆyz,
Forschung
3864f.

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

17

richtung deutlich zurück.6 Mit seinem materialreichen Kommentar hat D. E. Aune (1997/98) die umfassende Summe der literarkritischen, tradi‑ tions‑ und religionsgeschichtlich orientierten, endgeschichtlichen Aus‑ legung der Johannesoffenbarung im 20. Jh. vorgelegt.7 Deren wichtigste Erkenntnisse für das Verständnis von Op 20 sollen hier kurz zusam‑ mengefasst
werden. (1) Zeitgeschichtlicher Hintergrund: Die Entstehungssituation der Johan‑ nesoffenbarung sieht man traditionell im kleinasiatischen Kaiserkult und in einer damit verbundenen Christenverfolgung unter Kaiser Do‑ mitian in den Jahren 90–95.8 Wie Op 13,11–17 zeige, seien die Christen Kleinasiens durch eine intensive Propagierung des Kaiserkultes in schwere Bedrängnis bis hin zur unmiTelbaren Gefahr eines blutigen Martyriums geraten. In dieser Krisensituation wolle der Vf. seine Adressaten stärken und zur StandhaWigkeit bis in den Tod ermutigen.9 Dazu diene ihm insbesondere die Millenniumsvision in Op 20; denn in 20,4–6 werde denjenigen, die um den Preis des eigenen Lebens dem römischen Kaiser die Verehrung als GoT verweigern (vgl. Op 13), die „erste Auferstehung“ und die Teilnahme am „tausendjährigen Reich“ als besondere Belohnung verheißen. Die neuere Forschung hat aber ge‑ zeigt, dass sich eine allgemeine und systematische Christenverfolgung unter Domitian (81–96) nicht nachweisen lässt, und sieht den Hinter‑ grund der Johannesoffenbarung deshalb in lokal begrenzten Verfolgun‑ gen oder auch spontanen Ausschreitungen der heidnischen Bevölke‑ rung gegen die ihnen verdächtigen Christen (Pogrome).10 Man müsse mit einer ähnlichen Situation rechnen, wie sie einige Jahre später bei Plinius epist. 10, 96f. aufscheint: Die römische Staatsmacht bzw. die

6 7

8

9 10

So B‡„ˆyz, Forschung 3863; kritisch zum Kommentar E. Lohmeyers bereits H•€|z•, Offenbarung
(ThHK)
19. Ein Überblick zur Auslegung der Johannesoffenbarung seit dem 18. Jahrhundert mit Nennung und Charakterisierung der wichtigsten Kommentare findet sich bei B‡‑ „ˆyz, Johannesapokalypse 1–25; für das 20. Jh. ebd. 13–25, ab 1975 bis 1997 ebd. 155– 168. Vgl. den detaillierten Überblick zur Auslegung der Johannesoffenbarung von der
Au™lärung
bis
zur
Gegenwart
bei
G. M•ƒyz,
Johannesoffenbarung
448–618. Erwogen wurde auch eine Christenverfolgung unter Kaiser Nero (Hadorn); zur Fra‑ ge der Datierung und des zeitgeschichtlichen Hintergrundes B‡„ˆyz, Johannesapo‑ kalypse 36–41; A‚•y, Revelation (WBC) xŸƒ–xžž. Weiterführende Überlegungen zur Datierung
der
Johannesoffenbarung
bei
AbschniT
V.
2. So etwa B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 133f.; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 41f.; vgl.
auch
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
12–16. Vgl. Kx•‚„…, Sendschreiben 155f.; Sx•Œyz, SeTing 232–238; gg. R|x|}}, Offenbarung (ZBK)
17f.

18

Der
Stand
der
Forschung

städtische Administration ging nur auf Anzeige hin gegen Christen vor und auch der Kaiserkult stand dabei wohl nicht im Zentrum.11 Dane‑ ben weist man in den letzten Jahren verstärkt auch auf die allgemeine Faszination der hellenistischen Kultur und die Zwänge der heidnischen Umwelt hin.12 Da das gesamte private und öffentliche Leben einer hel‑ lenistisch‑heidnischen Stadt mit religiös‑kultischen Verrichtungen ver‑ bunden war, gerieten die Christen durch ihr monotheistisches Bekennt‑ nis und die damit verbundene Absage an den paganen Kult unter sozialen, politischen und ökonomischen Druck. Die Christen waren folglich nicht nur von außen, sondern auch von innen gefährdet, da in den Gemeinden – wie sich in den Sendschreiben spiegelt – Lösungen gesucht und propagiert wurden, die es Christen möglich machten, eine Totalverweigerung gegenüber dem heidnischen Kult und die damit verbundenen Gefährdungen und persönlichen Nachteile zu umgehen („weicher
Kaiserkult“).13 (2) Religions‑ und traditionsgeschichtliche Forschung: Hinter der tausend‑ jährigen Fesselung des Drachen stehe die alte mythische Vorstellung von der Fesselung der Unheilsmacht, die sich auch im Alten Testament (Jes 24,21f.) und in den frühjüdischen SchriWen (1 Hen 18,12–16; 19,1f.; 21,1–6; TestLev 18,12) findet.14 Genau besehen sind zwei Vorstellungen zu unterscheiden: die Fesselung der gefallenen Engel für das Gericht und die Wiederholung der urzeitlichen Fesselung der Chaosmacht am Ende der Zeit als Akt der Neuschöpfung. D. E. Aune hebt besonders 1 Hen 10,4–6 und 10,11–13 als strukturelle und motivische Parallelen zu Op 20,1–3.7–10 hervor: GoT sendet einen Engel (Raphael / Michael) – Bindung und Einkerkerung des Anführers der Dämonen (Azazel / Se‑ myaza) – beim Endgericht wird dieser ins Feuer geworfen.15 Diese Vor‑

11

12 13

14 15

Vgl. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 29; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 41. Allerdings ist zu beachten, dass der Brief erst aus der Zeit Trajans (112) und nicht unmiTelbar aus derselben Gegend stammt, sondern aus dem benachbarten Pontus und Bithyni‑ en; dazu Kx•‚„…, Sendschreiben 160–164. Zum Vorgehen der römischen Obrigkeit gegen die Christen und den rechtlichen Grundlagen auch C. C|x›y, Christenverfol‑ gungen. KP 1 (1979) Sp. 1161–1164. Zu den Christenbriefen des Plinius vgl. auch bei AbschniT
IV. 4d.,
Punkt
(1). So
z. B.
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
29. Ausführlich dazu bei Kx•‚„…, Sendschreiben 164–170 (hier auch zur Unterschei‑ dung von „hartem“ und „weichem Kaiserkult“); Sx•Œyz, SeTing 238–241; vgl. auch L. L. Tˆ|Ž›•|•,
Tribulation
162. Näheres bei A‚•y, Revelation (WBC) 1082–1084. Zum dahinterstehenden Dualismus und
der
frühjüdischen
Dämonologie
B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••,
Religion
331–342. Vgl.
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1078f.

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

19

stellung hat das Judentum wohl aus der iranischen Mythologie (Parsis‑ mus) übernommen: Die Schlange Azi‑Dahâka wird für tausend Jahre im Berg Demavend gefesselt; am Ende der Tage sprengt sie ihre Fesseln und
wird
nach
kurzer
Zeit
endgültig
vernichtet.16 Mit der Fesselung der dämonischen Macht verbindet der Seher der Johannesoffenbarung die jüdisch‑apokalyptische Erwartung eines zeit‑ lich begrenzten irdischen Messiasreiches (4 Esra 7,26–33; 12,34; 2 Bar 30; 40,3; 74,2; evtl. auch Sib 3, 652–660; 1 Hen 93,1–14 + 91,12–19), dessen Dauer in der jüdischen Tradition unterschiedlich angegeben wird (400 Jahre in 4 Esra 7,28f.).17 In dieser Vorstellung einer zeitlich begrenzten irdischen Heilszeit überlagern sich die universale apokalyptische Erwar‑ tung des Weltuntergangs und der Neuschöpfung mit dem folgenden ewigen GoTesreich („Äonen‑Wechsel“; vgl. Dan 7; 1 Hen 16,1; 18,16; 21,6; Jub 1,29; 2 Hen 65,7f.; 66,6f.) und die nationale Erwartung der Wie‑ derherstellung des Reiches Israels durch einen messianischen König aus
dem
Haus
David
(vgl.
PsSal
17
und
18).18 Die tausendjährige Dauer des Messiasreiches in der Johannesoffen‑ barung könnte sich der Idee der Weltwoche verdanken: Man glaubte, dass die sieben Tage der Weltschöpfung in Gen 1,1 – 2,4a auch die ge‑ samte folgende Weltzeit prägen; denn da nach Ps 90,4 ein Tag tausend Jahren entspricht, vollende sich die Weltgeschichte in sechs Tagen, d. h. in sechstausend Jahren, auf die als siebter Tag die tausend Jahre des Weltsabbats folgen. Letzterem entspräche das Millennium der Johan‑ nesoffenbarung.19 Die Wurzeln dieser Einteilung der Dauer der Welt‑ 16

17

18 19

Vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 436; G‚•…yx, Schöpfung 91–95 (hier die entspre‑ chenden Belege); B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 515–517; BƒyŒy•ˆ•z€, Reich 51f. Zur Abhängigkeit von 1 Hen 10,1–14 von iranischen Vorstellungen mit den entsprechen‑ den Stellen im Bundahišn H‚xŒ‹£z€, Iranische Religion 538–541; zu den iranischen Quellen allgemein ebd. 517f.; vorsichtig hinsichtlich eines direkten iranischen Ein‑ flusses Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 142. L|ˆŽy~yz, Offenbarung (HNT) 161, nennt zudem den ägyptischen Osiris‑Mythos, ähnliche Vorstellungen bei den Mandäern (der gefallene und gefesselte Jošamim) und den nordischen Völkern (Fenriswolf). Rƒ••ƒ, ZukunW 32, verweist auf Ischtar und Bel‑Marduk, die beide in der Unterwelt gefangen gehalten werden. Vgl. dazu auch bei AbschniT V. 1; hier auch Parallelen in der
griechischen
Mythologie. Dauer und entsprechende Belege bei Bill. 3, 824–827; 4/2, 799–976; B|‚••yŒ /Gzy••‑ Ž•••, Religion 286–289; Fzy~, Millennium 40–45. Doch sind sichere Belege für die Zahl
„tausend“
in
diesem
Zusammenhang
sehr
spät
(TestIsaak
8,11.20;
10,10). Vgl.
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
440;
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
334f. Die „tausend Jahre“ des Weltsabbats finden sich erstmals in slavHen 32,2 – 33,2; vgl. auch 2 Petr 3,8; Barn 15,4; Iren. haer. 5, 28,3. Näheres dazu L|ˆ•y, χίλιας κτλ. ThWNT 9 (1973) 196f.; ders., σάββατον. ThWNT 7 (1964) 19f.; BƒyŒy•ˆ•z€, Reich 44–51; Fzy~, Millennium 45–48; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 335. Zu beachten ist die An‑ merkung bei Wƒ…y•ˆ•‚•yz, HerkunW 23: „Wann im Judentum das Schema der Welt‑

20

Der
Stand
der
Forschung

zeit in Zyklen von tausend Jahren liegen nach W. Bousset in der irani‑ schen
(zoroastrischen)
Eschatologie.20 (3) Der al[estamentliche Hintergrund: A. Wikenhauser und K. G. Kuhn er‑ klärten die auffälligen Doppelungen in Op 20–22 – zwei Endschlach‑ ten (19,11–21; 20,7–10), zwei Auferstehungen (20,4; 20,13), zwei Ge‑ richtsszenen (20,4; 20,11–15), zwei Heilszustände (20,4–6; 21,1 – 22,5) – aus dem alTestamentlichen Hintergrund: Op 19–22 sei in der Abfolge der
geschilderten
Ereignisse
von
Ez
37–48
abhängig.21 Ezechiel

Johannesoffenbarung

1. Die
Belebung
der
Totengebeine
 (37,1–14)

1. Die
„erste
Auferstehung“
(20,4)

2. Das
zu
neuem
Leben
erweckte
Is‑ rael
lebt
ungestört
unter
dem
Mes‑ sias
in
Israel
(37,15–28)

2. Die
auferweckten
Märtyrer
herr‑ schen
mit
Christus
„tausend
Jah‑ re“
(20,5f.)

3. Der
erfolglose
Ansturm
des
Hee‑ res
Gogs
von
Magog
gegen
Jerusa‑ lem
(cc.
38f.)

3. Die
anstürmenden
Völkerscharen
 von
Gog
und
Magog
werden
vor
 der
„geliebten
Stadt“
vernichtet
 (20,7–10)

4. Die
Vision
vom
neuen
Jerusalem
 und
vom
neuen
Tempel
(cc.
40–48)

4. Die
Schau
des
vom
Himmel
her‑ abkommenden
neuen
Jerusalem
 (21,1 – 22,5)

20

21

woche mit dem messianischen Sabbat geschaffen worden ist, wissen wir nicht. Da es aber hier keine feste Zahl der Dauer des irdischen Messiasreiches gibt, sondern ne‑ ben der Zahl 1000 auch noch andere kursierten, hängt die Entstehung der Vorstel‑ lung eines messianischen Zwischenreiches nicht damit zusammen, wohl aber der ‚Chiliasmus‘
im
engeren
Sinne
als
1000jährige
Periode.“ Im einzelnen B|‚••yŒ /Gzy••Ž•••, Religion 501–509; zum Einfluss der iranisch‑zo‑ roastrischen Religion allgemein ebd. 478–483; H‚xŒ‹£z€, Iranische Religion 515–522. Zu dem bei Plutarch De Iside et Osiride 45–47 überlieferten Bericht des Theopomp von Chios (geb. 378 v. Chr.) über die zoroastrische Lehre vom zweimal dreitausend Jahre währenden Kampf zwischen Ahriman und Ahura Mazda, dem eine Heilszeit folgt, Fzy~, Millennium 46; zur astral‑mythologischen Weiterentwicklung bei den Magiern der mazdäischen Kolonien des Westen Wƒ…y•ˆ•‚•yz, HerkunW 23f. (unter Berufung
auf
F. Cumont).
Kritisch
W. B•‚yz,
Chiliasmus.
RAC 2,
Sp. 1073f. Die tabellarische Übersicht orientiert sich an Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Problem 14; L‚•Œ, Order 179; Fzy~, Millennium 33; vgl. auch BƒyŒy•ˆ•z€, Reich 33–36; K‚ˆ•, Γὼγ καὶ Μαγώγ. ThWNT 1 (1933) 790–792, hier 790; MyŒŠ‹yz, Zwischenreich 103–111; H•€yz, Sche‑ mata 71–74. Aufschlussreich ist die Liste aller Ez‑Bezüge in Op 18–22 bei L‚•Œ, Or‑ der
180
Anm. 5.

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

21

Nach A. Wikenhauser lasse sich gegen eine solche Orientierung an Eze‑ chiel nicht einwenden, dass Ez 37,1–14 nicht an eine individuelle Aufer‑ stehung denke, sondern die politisch‑nationale Wiederherstellung des Volkes Israel symbolisiere; denn es lasse sich zeigen, dass bereits in der altjüdischen Exegese Ez 37,1–14 im Sinne der Wiederbelebung wirklich Toter verstanden wurde.22 Besonders deutlich werde die Orientierung an Ezechiel – bei aller Freiheit des Vf.s gegenüber seiner Vorlage – in Op 20,7–10 (Gog und Magog) und bei der Schilderung des himmli‑ schen Jerusalem (21,9 – 22,5). Hinsichtlich des Messiasreiches stimmen Ezechiel und die Johannesoffenbarung darin überein, dass seine Dauer zeitlich begrenzt ist, kein Feind ihm zu schaden vermag und Jerusalem sein
Zentrum
bildet.23 Problematisch sei allerdings, dass in Ez 37–48 eine zweite Auferste‑ hung und das Endgericht fehlen (20,11–15). Diese und andere Abwei‑ chungen in Op 19,11 – 22,9 gegenüber der Reihenfolge des heutigen Ezechiel‑Textes erklärt J. Lust damit, dass der Text des Ezechielbuches zur Zeit der Abfassung der Johannesoffenbarung noch nicht endgültig festgelegt war; denn im Papyrus Graecus 967 (saec. II/III) stehe Ez 37 (Totenauferweckung) nach Ez 38f. (Messiasreich).24 Den durch Ez 37–48 vorgegebenen Rahmen habe der Vf. der Johannesoffenbarung mit an‑ deren alTestamentlichen Texten aufgefüllt, so etwa Jes 24,21f. für die Fesselung und Vernichtung des Drachen (Op 20,1–3.10), Dan 7,9–12 für die beiden Gerichtsszenen (Op 20,4.11–15) und Jes 60–65 für die Schilderung der neuen Schöpfung und des neuen Jerusalem (Op 21,1 – 22,5).25 Auch diese und andere Erweiterungen – aus der alTes‑

22

23 24

25

Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Problem 15–18, nennt als Belege Sanh p. 92b; SER c. 5; MTeh zu Ps 78; ShemR 48 (102d); als christl. Belege verweist er auf 1 Klem 50,4 [?], Just. dial. 80,5; ApkPetr 4; OdSal 22,8–10 sowie auf Irenäus, Tertullian und Cyprian. Wenn auch die Datierung der rabbinischen Literatur problematisch ist, so ist dennoch die Vorstel‑ lung einer Wiederbelebung der Toten in der frühjüdischen Apokalyptik mindestens seit
dem
1. Jh.
v. Chr.
verbreitet
(so
etwa
1 Hen
51,1). Vgl.
Wƒ…y•ˆ•‚•yz,
Problem
19f. Ausführlich L‚•Œ, Order 180–182. Die Ordnung Ez 38–39.37.40‑48 bieten auch die be‑ sten Hss. der Vetus Latina, so der Codex Herbipolitanus (Wirceburgensis). Dazu aus‑ führlich ders., Ezechiel 36–40 in the Oldest Greek Manuscript, in: CBQ 43 (1981) 517– 533; ZƒŽŽyzxƒ, Ezechiel (BK) 117*f. Kritisch sei hier angemerkt, dass die Johannes‑ offenbarung auch von der durch den Papyrus Graecus 967 bezeugten Reihenfolge der „Endereignisse“ im Ez abweicht: „erste Auferstehung“ zur Teilnahme am Mes‑ siasreich, zweiter Völkersturm nach der messianischen Zeit und Totengericht. Zur Frage inwiefern Ez als Vorlage der Schlusskapitel der Johannesoffenbarung gelten kann
bei
AbschniT
V. 1. Vgl.
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
36f.;
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
439.

22

Der
Stand
der
Forschung

tamentlichen und frühjüdischen Überlieferung – könnten für Abwei‑ chungen
gegenüber
der
Ezechiel‑Vorlage
verantwortlich
sein.26 (4) Literarkritik: R. H. Charles geht davon aus, dass der Text der Schluss‑ kapitel der Johannesoffenbarung (Kap. 20–22) sich ab 20,4 nicht in der vom Vf. intendierten Ordnung befinde.27 In der heutigen Beschreibung des Jerusalem der neuen Schöpfung (21,9 – 22,5) finden sich seiner An‑ sicht nach Teile einer ursprünglich geplanten Beschreibung des Jerusa‑ lems des Millenniums. Für diese Sicht beruW er sich auf Stellen wie 21,24.27, wo im Kontext der Schilderung des Jerusalems der neuen Schöpfung plötzlich erneut von den „Völkern der Erde“ und den „Kö‑ nigen der Erde“ sowie vom Ausschluss aller unreinen Dinge aus der Stadt die Rede ist. Da nur Christen an der neuen Schöpfung Anteil er‑ halten und es in ihr nichts Schlechtes mehr geben wird (vgl. 21,1–8), können diese Verse nicht Teil der Schilderung des himmlischen Jerusa‑ lem sein; solche Aussagen passen viel eher in eine Schilderung des Mil‑ lenniums
und
seiner
Hauptstadt.28 R. H. Charles nimmt deshalb an, dass der heute vorliegende Text der Schlusskapitel sich nicht in der vom Vf. intendierten Ordnung be‑ finde, und versucht durch Umstellungen des überlieferten Textes die ursprüngliche Abfolge der Endereignisse zu rekonstruieren (20,1–3; 21,9–22,2.14–15.17; 20,14–15): Bereits zu Beginn des Millenniums kom‑ me das neue Jerusalem als Wohnung für die irdische Heilsgemeinde vom Himmel herab; es ist die „geliebte Stadt“, gegen die die Völker‑ scharen „Gog und Magog“ anstürmen (20,7–9). Vor dem Verschwinden der alten Welt wird das neue Jerusalem mit seinen Bewohnern in den Himmel entrückt, um dann von dort auf die erneuerte Welt zurückzu‑ kehren.29 Das Millennium selbst diene der Verkündigung des Evangeli‑ ums an die bisher goTfernen Völker. Den Grund für die „Unordnung“ des Textes ab 20,4 sieht R. H. Charles in dem Umstand, dass der Seher 26

27 28 29

Plädiert man für eine unmiTelbare Ableitung von Op 20–22 aus dem Schema in Ez 37–48, ist m. E. besonders die Abweichung hinsichtlich Gog und Magog zu erklären, denn nach Ez 38f. ist Gog der König von Magog, wovon die Johannesoffenbarung offensichtlich nichts weiß. Gog und Magog werden bereits in der frühjüdischen Tra‑ dition als zwei Völker gedeutet (Sib 3,319.512; TJII Num 11,26); vgl. Bill. 3, 831–840. Auch bezüglich der Totenauferweckung bleibt der Vergleich mit Ez 37 in vielerlei Hinsicht fraglich. Zumindest muss man wie R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 191, mit einem
sehr
freien
Umgang
mit
der
Ezechiel‑Vorlage
rechnen. Zur Textumstellung und ihrer Begründung Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 140–200. Zusätzlich
rechnet
Charles
mit
zahlreichen
Glossen
und
sekundären
Erweiterungen. Vgl.
F|z€,
Revelation
(AB)
344f. Ausführlicher
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
2, 188–190.

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

23

Johannes vor Vollendung seines Werkes gestorben sei. Ein Schüler habe das Werk vollendet, sei aber nicht in der Lage gewesen, das vom Lehrer hinterlassene Material in der von ihm vorgesehenen Weise stimmig zu ordnen. Durch eine ähnliche Umstellung des Textes gewinnt auch P. Gaech‑ ter eine Beschreibung der „geliebten Stadt“ (20,9).30 Doch ist bei ihm dieses irdische Jerusalem nicht der Sitz der Auferweckten; denn 20,4–6 schildere keine Ereignisse auf Erden, sondern blicke auf die himmli‑ sche Belohnung der treuen Christen. Nach P. Gaechter rührt die „Un‑ ordnung“ des Textes daher, dass der Seher Johannes vor seinem Tod einem Schüler seine Visionen berichtete, der sie erst später aus dem Ge‑ dächtnis niederschrieb. Dabei sei es ihm zwar gelungen, den Wortlaut des Gehörten zu wahren, nicht aber die Ordnung. Gegen solche massi‑ ve Eingriffe in den Textzusammenhang der Johannesoffenbarung lässt sich – besonders im Blick auf R. H. Charles – einwenden, dass der Vf. auch an anderen Stellen nicht immer auf logische Stringenz achte, so dass derartige Textumstellungen in den neueren Kommentaren – abge‑ sehen
von
J. M. Ford31
–
keine
Nachfolger
gefunden
haben.32

b. Deutungsmodelle
der
Millenniumsvision Die verschiedenen Auslegungen, die die Johannesoffenbarung im Lau‑ fe der Kirchengeschichte erfahren hat, lassen sich auf einige wenige Grundmodelle reduzieren. Bei einzelnen Fragen freilich können Ausle‑ ger trotz gemeinsamer Grundhaltung und Überzeugungen nicht uner‑

30

31 32

G•y„ˆŒyz, Original Sequence 500f., ordnet folgendermaßen: 20,1–3; 21,9 – 22,2; 20,4– 6; 20,7–10; 20,11–15; 21,1–4c; 22,3–5. Zur Problematik des verbleibenden AbschniTes 21,5–8 und der Einordnung seiner Bestandteile ebd. 501–507; eine Gegenüberstel‑ lung
mit
der
Textanordnung
bei
Charles
ebd.
516f. F|z€, Revelation (AB) 329–370, ordnet: 20,1–3; 21,9–27.8; 22,1–2; 22,14–15; 20,7– 10.11–15;
21,1–4c;
22,3–5;
21,5a.4d.5b.6;
22,6–7a.8–13.7b.17b.18–19. Einen gewissen Nachklang solcher Umstellungen findet man höchsten in der An‑ merkung bei Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 253: „Gegen Ende des Buches macht sich immer stärker die Absicht des Verfassers geltend, noch möglichst viele Einzelheiten der apokalyptischen Erwartung in dem Werk unterzubringen. Dadurch verliert der Au•au an Folgerichtigkeit, und die Einzelberichte werden nach ihrer Form immer summarischer. B|ƒ•Ž•z€, L’Apocalypse 522–528, erklärt die Doppelung der End‑ schlacht (19,19–21 und 20,7–10), der Gerichtsszene (20,11–12 und 20,13–15) und des künWigen Jerusalem (21,1–4; 22,3–5 und 21,9 –22,2.6‑15) durch das Ineinander‑Arbei‑ ten zweier inhaltlich paralleler Apokalypsen. Da aber 20,1–10 nach Boismard gänz‑ lich einer einzigen der beiden angehört und folglich keine Brüche enthält, kann seine Theorie
hier
unberücksichtigt
bleiben.

24

Der
Stand
der
Forschung

heblich divergieren. Einen Ansatzpunkt für die Klassifizierung bietet die Frage, ob in der Sicht des Auslegers die von den Visionen der Jo‑ hannesoffenbarung in reicher Bildersprache geschilderten Ereignisse in der Vergangenheit, Gegenwart oder ZukunW liegen. So nimmt die von Tyconius und Augustinus begründete welt‑ und kirchengeschichtliche Deutung an, dass die Visionen zumindest in Teilen bereits eingetreten sind, zum Teil aber auch noch ausstehen. Die zeitgeschichtliche Deutung dagegen sieht in den Visionen Verschlüsselungen vergangener Ereig‑ nisse aus Welt und Zeit des Vf.s und seiner Adressaten; die bezeichne‑ ten Ereignisse liegen also aus der Sicht des heutigen Auslegers alle in der Vergangenheit. Die endgeschichtliche Deutung schließlich sieht die Visionen der Johannesoffenbarung durchgehend als Vorhersage von zukünWigen eschatologischen Ereignissen, d. h. die Visionen „enthül‑ len“, was vor dem Ende dieser Welt und mit dem Beginn der neuen Welt
zu
erwarten
ist.33 Damit verbunden ist die Frage, ob die Visionen wörtlich oder sym‑ bolisch zu verstehen sind. Der Durchbruch der historischen Kritik in der Exegese des 19. Jh.s brachte zunächst eine Rückkehr zum literal‑rea‑ listischen und damit chiliastischen Verständnis von Op 20, wie es sich bereits bei den frühchristlichen Theologen findet (Just., Iren.); damit verband sich eine entschiedene Absage an das symbolische und anti‑ chiliastische Verständnis der welt‑ und kirchengeschichtlichen Ausle‑ gungen. Bald aber tauchte von neuem die Frage auf, wie realistisch der Vf. der Johannesoffenbarung das Millennium verstehe, ob er tatsächlich mit seiner Realisierung auf Erden rechne oder es lediglich als Symbol/ Metapher gebrauche. Entsprechend lassen sich in der neueren wissen‑ schaWlichen Auslegung die folgenden Grundmodelle der Deutung von Op
20
unterscheiden:34

33

34

Zur Klassifizierung der Zugriffe auf die Johannesoffenbarung vgl. Sƒ„…y•†yz‹yz, Jo‑ hannesapokalypse 22–29; eine ähnliche Klassifizierung legt B‡„ˆyz, Johannesapoka‑ lypse 1–25, seinem Forschungsüberblick zugrunde. Auch die von C|‚zŒ, Myth and History 1–19, aufgelisteten Zugänge – chiliastic, Recapitulation theory (spiritual or alle‑ gorical), historical applications, eschatological, contemporary historical, literary analysis, comparativ studies – zielen letztlich auf diese drei Klassifizierungen der Deutung. By‑ •xy, Revelation (NIGTC) 44–49, unterscheidet preterist, historicist, futurist und idealist view. Die ersten beiden entsprechen der welt‑ bzw. kirchengeschichtlichen Deutung und der driTe der endgeschichtlichen Deutung; vgl. auch M•ŠŠ•}yzzƒ, Genre 33f. Ob sich eine rein symbolische Deutung als Bild des zeitlosen Kampfes zwischen GoT und Satan von diesen tatsächlich abheben lässt, ist fraglich. Die genannten Zugänge zur
Johannesoffenbarung
liegen
freilich
meist
nicht
in
„Reinform“
vor. Der Überblick beschränkt sich auf diejenigen Kommentare, die nach den Ansprü‑ chen heutiger Exegese als „wissenschaWlich“ bezeichnet werden können, ohne An‑

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

25

(1) Literal‑realistische endgeschichtliche Deutung: Im 20. Jahrhundert fin‑ det sich diese Deutung – mit kleineren Modifikationen – in der Mehr‑ zahl der wissenschaWlichen Kommentare. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Verfasser wie W. Bousset (1896, 21906), R. H. Charles (1920), W. Hadorn (1928), E. Lohse (1960, 81993), G. B. Caird (1966), J. M. Ford (1975), H. KraW (1974), J. Roloff (1984, 21987), U. B. Müller (1984, 21995) oder D. E. Aune (1997/98) der heute üblichen Kombination traditions‑, end‑ und zeitgeschichtlicher Fragestellungen verpflichtet fühlt, oder ob er wie E. Lohmeyer (1926, 31970) primär traditionsgeschichtlich oder wie Th. Zahn (1924/26) einseitig endgeschichtlich interessiert ist. Alle diese Exegeten sind sich darin einig, dass der Vf. der Johannesoffenba‑ rung tatsächlich mit einem tausendjährigen Messiasreich am Ende der Weltgeschichte
rechnet. Die Fesselung des Drachen bilde die Voraussetzung für das irdi‑ sche Messiasreich (20,1–3), das mit seiner erneuten Loslassung und dem Ansturm der von ihm verführten Völkerheere sein Ende finde (20,7–10). Dann erst folgen der Untergang der alten Schöpfung (20,11) und das allgemeine Totengericht (20,12–15). Während des Millenniums befinde sich Christus mit den auferweckten Christen auf der Erde (20,4); die „geliebte Stadt“ und das „Lager der Heiligen“ in 20,9 be‑ zeichnen das irdische Jerusalem mit seinen Bewohnern als Zentrum des Millenniums.35 Die „erste Auferstehung“ (ἔζησαν in 20,4) bedeute daher nicht die Entrückung oder den Einzug der Gerechten in den Himmel und schon gar nicht die Taufe, sondern die endgültige leibli‑ che Auferstehung.36 Die Auferweckten erhalten Anteil an Christi Herr‑ schaW (auf Erden) und werden Priester GoTes und des Messias genannt (20,6). Die Teilnahme am Millennium sei als Rehabilitierung und Beloh‑ nung der Märtyrer sowie als Aufforderung und Ermutigung zur Glau‑ benstreue zu verstehen, da nur die getreuen und standhaWen Christen an
der
ersten
Auferstehung
teilnehmen
werden.37 Indirekt fordere deshalb die Millenniumsvision – wie der Makaris‑ mus in 20,6 zeige – die Adressaten auf, so zu leben, dass ihnen dieses besondere Heil zuteil werde.38 Der Vf. der Johannesoffenbarung erwar‑

35 36 37 38

spruch auf Vollständigkeit zu erheben. Populäre und erbauliche Auslegungen wer‑ den
nicht
beachtet. Vgl.
z. B.
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
27. Vgl.
etwa
Kz•}Œ,
Offenbarung
(HNT)
253;
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
338. R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 191; vgl. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 338f.; A‚•y, Revelation
(WBC)
1090. Vgl.
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
339f.

26

Der
Stand
der
Forschung

te demnach einen besonderen, zeitlich begrenzten, irdischen Heilszu‑ stand als Abschluss der Geschichte; die „tausend Jahre“ sind eindeutig temporal zu verstehen, egal ob wortwörtlich oder im Sinne eines idea‑ len Zeitraumes.39 Die soteriologischen sowie geschichts‑ und schöp‑ fungstheologischen Implikationen des irdischen und innergeschichtli‑ chen
Messiasreiches
fasst
J. Roloff
folgendermaßen
zusammen: „Heil kann für Johannes niemals nur jenseitig und spirituell sein; es ist immer auch welthaW, ja politisch, weil GoT für ihn der Herr der Welt und der Geschichte ist. Das Ziel GoTes ist auch für Johannes die Schaffung einer neuen Welt, aber ihm ist darüber hinaus gewiß, daß GoT diese alte Welt nicht völlig preisgibt, sondern sie zunächst auch voll unter seine HerrschaW heimholt und zugleich den ihm zugehöri‑ gen
Menschen
ihr
Recht
auf
diese
alte
Welt
zuteil
werden
läßt.“40

(2) Symbolisch‑endgeschichtliche Deutung: MiTe des 20. Jh.s setzte eine Erneuerung der symbolischen Deutung der Millenniumsvision ein, die die literal‑realistische Deutung zwar voraussetzte, sie aber zugleich modifizierte.41 Diese Deutung findet sich in den Kommentaren von A. Wikenhauser (1947, 31959), P. Prigent (1981), H. Giesen (1986 [SKK]; 1997 [RNT]), E. Schüssler Fiorenza (1991) und W. J. Harrington (1993) sowie in der Auslegung von M. Rissi (1966).42 Sie stimmen mit den lite‑

39 40

41

42

Vgl.
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
338. R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 191; U. B. Mwxxyz, 338–342. Nach BƒyŒy•ˆ•z€, Reich 80, bedeutet das „tausendjährige Reich“ die Verklärung der Gemeinde und damit die Vollendung des in Christus begonnenen Heilswerkes. Einer solchen weitergehenden theologischen Deutung enthalten sich die Kommentare von Bousset (KEK), Lohmey‑ er
(HNT),
Hadorn
(ThHK),
Lohse
(NTD),
KraW
(HNT)
und
Aune
(WBC). Anlass dieser Deutung mag sein, dass die katholische Exegese sich einerseits nicht länger der religions‑ und traditionsgeschichtlichen Forschung verschließen konnte und wollte, aufgrund lehramtlicher Vorgaben andererseits aber nicht einfach ein rea‑ listisches und damit chiliastisches Verständnis von Op 20 übernehmen konnte. Vgl. die Verwerfung eines auf der SchriW Venida del Mesías en gloria y maiestad des Manuel de Lacunza y Díaz (Pseudonym: Juan Josafat Ben‑Ezra) au•auenden „Millennaris‑ mus mitigatus“ durch Decr. S. Officii vom 19. (21.) Juli 1944 (DS 3839). Folglich unter‑ schied man in der Auslegung von Op 20 zwischen der Textebene und der Intention des Vf.s. Eine ähnliche Wirkung haTe auf protestantischer Seite bei kirchlich gebun‑ denen
Exegeten
die
Verwerfung
des
Chiliasmus
durch
die
CA 17. Sicherlich lässt sich streiten, ob die genannten Kommentare sich in dieser Weise mit‑ einander verbinden lassen. Von den beiden Kommentaren H. Giesens scheint sich der im Rahmen des RNT erschienene einer Zuordnung zu widersetzen; aufgrund gewisser Inkonsistenzen der Auslegung lässt sich nicht immer eindeutig sagen, ob er einzelne AbschniTe der Johannesoffenbarung realistisch oder symbolisch versteht. Doch geht Giesen letztlich auch hier – wie Wikenhauser und Schüssler Fiorenza – davon aus, dass der Vf. der Johannesoffenbarung sich der mythischen Sprache und ihrer Bilder bediene, um damit theologische Aussagen zu machen, ohne dabei sagen

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

27

ral‑realistischen Auslegern meist zwar darin überein, dass der Vf. auf der Textebene von einem kommenden messianischen Zwischenreich auf dieser Erde spreche oder eine derartige Vorstellung seiner Darstellung wenigstens zugrunde lege, die Intention des Vf.s aber sei nicht, einen „Endzeitfahrplan“ im Sinne einer genaue Schilderung der Abfolge der Endzeitereignisse zu bieten. MiTels der überkommenen mythischen Bilder und Vorstellungen wolle er eine theologische Sachaussage ma‑ chen.43 Der Seher schaut zwar – so A. Wikenhauser – wirklich das Herr‑ schen der Auferweckten mit Christus auf der vom Satan befreiten Erde, aber dennoch „nötigt uns nichts zu der Annahme, daß nach des Sehers Meinung ein solches irdisches Christusreich einmal Wirklichkeit wer‑ den solle“44. Die Visionen der Johannesoffenbarung schreiten nämlich nicht zeitlich, sondern sachlich voran: Die „erste Auferstehung“ ist ein Bild dafür, dass die treuen Christen belohnt werden, bevor das Gericht über die übrigen Menschen ergeht.45 Auch das „Herrschen“ der Aufer‑ weckten darf demnach nicht als irdischer Vorgang verstanden werden, wie
H. Giesen
betont: „Es ist ein Herrschen gemeint, daß jedwedes Konkurrenzdenken eben‑ so ausschließt, wie es keinen Beherrschten kennt. Die Metapher ‚Herr‑ schaW‘ beschreibt vielmehr das unbegrenzte Glück in einer Gemein‑ schaW, in der es keine Spannungen gibt, weil jeder jeden so annimmt, wie er ist. In diesem Sinne ist sie zugleich Ausdruck grenzenloser Frei‑ heit, die der irdischen Erfahrung der Bedrängnis durch die HerrschaW des
Römischen
Reiches
kontrastvoll
gegenübersteht.“46

43

44

45 46

zu wollen, die Endzeitereignisse würden in der geschilderten Weise ablaufen. Es handle
sich
um
einen
bewussten
symbolischen
Gebrauch
dieser
Vorstellungen. Schüssler Fiorenza stellt ihrem Kommentar einen EinleitungsabschniT voran, der Re‑ chenschaW über ihre Auslegungsmethode und ihr Textverständnis geben soll (dies., Offenbarung 17–58). Das Grundprinzip ihrer Auslegung fasst sie folgendermaßen zusammen: „Es geht nicht darum, die Bilder und Symbole der Offenbarung oder des ganzen Buches in logische referentiale behauptende Sprache zu dekodieren, sondern es ist darauf zu achten, welche Funktion ein Bild oder Symbol in der Gesamtkonzep‑ tion der mythologischen Symbolisierung der Johannesoffenbarung besitzt“ (ebd. 39). Skeptisch im Blick auf eine Dekodierung der Bildersprache der Johannesoffenba‑ rung
Wƒ…y•ˆ•‚•yz,
Offenbarung
(RNT)
149. Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 150; vgl. auch Rƒ••ƒ, ZukunW 41; Gƒy•y•, Offenba‑ rung (RNT) 432f. Schüssler Fiorenza geht konsequent einen SchriT weiter: „Die in dieser Vision geschauten ‚Ereignisse‘ finden nicht in Raum und Zeit staT, sondern gehören in das ‚Jenseits‘ menschlicher Geschichte und werden daher in antiker my‑ thologischer Sprache und Bildwelt dargestellt“ (dies., Offenbarung 131). Kritisch zu dieser
Trennung
von
Bild
und
Sache
bei
Wikenhauser
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
132–134. Vgl.
Gƒy•y•,
Johannes‑Apokalypse
(SKK)
159;
RƒŒŒ,
Offenbarung
(NEB)
99. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 433. Da die Auslegung Giesens im Rahmen des RNT merkwürdig zwischen einem realistischen und einem symbolischen Verständnis

28

Der
Stand
der
Forschung

Die Zahl „tausend“ sei Symbol für die Fülle des eschatologischen Heils, nicht Angabe der Dauer eines Zwischenreiches.47 Wie die realistisch‑ endgeschichtliche Auslegung sieht auch die symbolisch‑endgeschichtli‑ che die primäre Funktion der Millenniumsvision darin, die Adressaten durch die Zusage einer besonderen Belohnung zur Glaubenstreue in schwerer Zeit zu ermutigen.48 Der Wert der symbolischen Auslegung besteht darin, dass der Bildcharakter der apokalyptisch‑mythischen Sprache mehr berücksichtigt wird als in der realistisch‑endgeschichtli‑ chen Auslegung; ihre Schwäche aber ist, keine Anhaltspunkte im Text der Johannesoffenbarung bieten zu können, dass der Vf. seine chrono‑ logischen Aussagen allein oder doch vorwiegend symbolisch verstan‑ den
wissen
will.49 (3) Realistisch‑„postmillennaristische“ 50 Deutung: Eine eigenständige Va‑ riante stellt die Auslegung von J. Sickenberger (1922; 1940) dar, die als realistisch‑endgeschichtlich bezeichnet werden kann, sich aber von den unter (1) genannten Vertretern einer solchen Auslegung in der Deutung

47

48 49

50

schwankt, ist er in diesem Zusammenhang gezwungen, darauf hinzuweisen, dass es nicht um eine HerrschaW auf Erden gehe (Offenbarung [RNT] 432f.), dass diese HerrschaW nach der Parusie liege (ebd. 434), dass 20,4–6 denselben Heilszustand wie 21,1ff.
schildere
(ebd. 429)
etc. Dazu Gƒy•y•, Johannes‑Apokalypse (SKK) 162; ders., Offenbarung (RNT) 434f.; S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Offenbarung 131f. Ausführliche Überlegungen zu den „chrono‑ logischen“ Aussagen der Johannesoffenbarung bei Pzƒ‹y•Œ, L’Apocalypse (CNT[N]) 305–307.
Dagegen
B‡„ˆyz,
Johannesapokalypse
104f. Vgl.
etwa
Wƒ…y•ˆ•‚•yz,
Offenbarung
(RNT)
150;
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
434. Die methodischen Überlegungen und der Hinweis auf die gewollte Polyvalenz von Bildern im EinleitungsabschniT bei Schüssler Fiorenza bleiben doch zu vage; vgl. etwa
dies.,
Offenbarung
38–41. „Postmillennaristisch“ meint, dass das Millennium der Parusie vorausgeht, also nicht ihr Ergebnis ist. Diese Qualifizierung tri• auf die Deutung J. Sickenbergers al‑ lerdings nur mit Vorbehalt zu; denn dem Millennium geht bei ihm ein Erscheinen Christi zum Kampf mit dem Drachen voraus, dass er aber nicht als Parusie verstan‑ den wissen will, da dies kein irdisches Ereignis ist und Christus anschließend nicht auf Erden gegenwärtig ist. Die Parusie folgt erst nach dem Millennium; vgl. ders., Reich 312f.; Johannesapokalypse 178. BƒyŒy•ˆ•z€, Reich 29, ordnet Sickenbergers Deutung dem Chiliasmus subtilis zu, womit allerdings eher die Erwartung geistig‑ spiritueller Freuden im Millennium bezeichnet wird (was Sickenberger ablehnt). Streng genommen ist J. Sickenbergers Auslegung als amillennaristisch zu bezeichnen, da er jede chiliastische Deutung von Op 20 ablehnt, auch die im Sinne des Augusti‑ nus. Die Bezeichnung als realistisch „postmillennaristisch“ ist m. E. aber insofern zuläs‑ sig, weil J. Sickenberger die tausend Jahre realistisch versteht als noch ausstehende letzte Periode der alten Schöpfung, in der der Teufel nicht mehr wirken kann und die Kirche durch die Fürsprache der nun in den Himmel eingezogenen Märtyrer eine besondere Förderung erhält, und weil erst nach dieser Heilsperiode die Parusie erwartet
wird.

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

29

der „ersten Auferstehung“ unterscheidet. J. Sickenberger hält entschie‑ den daran fest, dass der Seher in Op 20 zukünWige Ereignisse schaut, die sich vor dem Ende der ersten Schöpfung ereignen werden.51 Wäh‑ rend die in 20,1–3 geschilderte Fesselung des Satans und seine erneute Loslassung in 20,7–10 auf Erden staTfinden, berichte 20,4–6 ein Gesche‑ hen im Himmel: den Einzug der Seelen der Märtyrer in den Himmel.52 Dies sei eine indirekte Weissagung auch über das Geschick der Kirche auf der Erde in dieser Zeit: Sie ist befreit von satanischen Anfeindun‑ gen und erlebt deshalb eine Zeit der Ruhe und des Friedens; ihr Leben auf Erden werde dadurch gefördert, dass die Märtyrer nun mit Chris‑ tus im Himmel herrschen.53 Nach dieser Periode folge die endgültige Parusie,
das
Gericht
und
die
Neuschöpfung.54 J. Sickenberger kann sicherlich in dem Punkt nicht widersprochen werden, dass aus dem Text nicht klar hervorgeht, ob der Schauplatz von 20,4–6 der Himmel oder die Erde ist. Ein irdischer Schauplatz er‑ gibt sich nur indirekt durch die Annahme, das „Lager der Heiligen“ in 20,9 verweise auf die Auferweckten aus 20,4. ZweifelhaW ist allerdings, ob ἔζησαν den Einzug der Seelen in den Himmel bezeichnen kann. Am schwersten allerdings wiegt, dass Op 20 keine Parusie nach dem Mil‑ lennium kennt; eine Schilderung der Parusie findet sich allein in 19,11– 21,
d. h.
vor
dem
Millennium.55 51

52

53

54 55

Sickenberger geht von einem Nebeneinander symbolischer und direkter Vorhersage von einzelnen Ereignissen in der Johannesoffenbarung aus. Da sich diese Weissa‑ gungen aber grundsätzlich auf zukünWige Ereignisse beziehen (vgl. 1,1.19; 22,6), lehnt er sowohl die kirchengeschichtliche als auch die zeitgeschichtliche Auslegung ab;
vgl.
ders.,
Offenbarung
22–27;
ders.,
Reich
312f. Vgl. Sƒ„…y•†yz‹yz, Reich 306f.; ders., Offenbarung 174f. Ähnliche Deutungen bei G|‚z‹‚y•, Reign 679–681; Gƒ†xƒ•, Revelation 186f. Schon Johannes Piscator, Bengel und Oetinger haben eine ähnliche Sicht vertreten. Kritisch zur Deutung Sickenber‑ gers
und
seiner
Vorgänger
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
27–29. Ausführlicher Sƒ„…y•†yz‹yz, Reich 309–311; ders., Offenbarung 174–177. Die im Kommentar von 1940 gegenüber seiner Auslegung von 1922 gesteigerte eschatolo‑ gisch‑paränetische und zugleich tröstende Tendenz muss – wie B‡„ˆyz, Forschung 3865, zu Recht anmerkt – als Antwort auf die historischen Entstehungsbedingungen des Kommentars gesehen werden: die Erfahrung des DriTen Reiches und des Zwei‑ ten Weltkrieges. Von diesem Hintergrund sind auch die erbaulichen Auslegungen der
protestantischen
Exegeten
H. Lilje
(1940)
und
Ch. Brütsch
(1940)
geprägt. Vgl.
Sƒ„…y•†yz‹yz,
Offenbarung
178. Sƒ„…y•†yz‹yz, Reich 313, sieht allerdings in 19,11–21 keine Schilderung der Parusie, dafür aber in 20,11. Da man ihm hierin jedoch kaum zustimmen wird, bleibt das Problem bestehen, sofern man also die Ereignisse nicht – wie etwa S„ˆw••xyz Fƒ|‑ zy•Š•, Offenbarung 128f. – insgesamt in einem transgeschichtlichen Raum ansiedelt, womit sich letztlich die Frage nach der linear‑chronologischen Abfolge der Ereignis‑ se erübrigt. Inwiefern aber dennoch an einer linear‑chronologischen Geschehensab‑ folge für 19,11 – 21,8 festzuhalten ist und welche chronologischen Linien sich im nä‑

30

Der
Stand
der
Forschung

(4) Erneuerung der kirchengeschichtlichen Deutung: Der Kommentar von G. K. Beale (1999) überrascht durch die erneute Gleichsetzung des Mil‑ lenniums mit der Zeit der Kirche, d. h. durch die Erneuerung der von Tyconius/Augustinus begründeten kirchengeschichtlichen Deutung.56 Die Fesselung Satans als Folge von Kreuz und Auferstehung Jesu be‑ deute aber nur eine Beschränkung seiner Verführungstätigkeit, nicht deren völlige Unterbindung.57 Der Grund der Fesselung und Loslas‑ sung Satans sei in der Sammlung des GoTesvolkes zu sehen; wenn die Vollzahl seiner Getreuen erreicht sei (vgl. 6,9–11), werde dem Satan der Rest der Menschheit überlassen.58 Während 20,1–3 schildere, was im „Abyssos“ geschehe, berichte 20,4–6, was sich gleichzeitig im Himmel ereigne: Die hier geschilderte „erste Auferstehung“ meine den Einzug der Märtyrer in den Himmel (bei Augustinus war es die Taufe). Die tausendjährige HerrschaW mit Christus meine nichts anderes als den himmlischen Zwischenzustand der Seelen der Märtyrer.59 Die „tausend Jahre“ seien zwar zeitlich, nicht aber als exakte Zeitangabe zu verste‑ hen. Die sehr ähnliche Deutung J. Sickenbergers unterscheidet sich von

56

57

58 59

heren Kontext dieses AbschniTes sonst ausmachen lassen, wird der AbschniT IV. 2 zeigen. By•xy, Revelation (NIGTC) 48, bezeichnet seine Methode selbst als eclecticism bzw. als redemptive‑historical form of modified idealism und charakterisiert sie folgender‑ maßen: „Accordingly, no specific prophesied historical events are discerned in the book, except for the final coming of Christ to deliver and judge and to establish the final form of the kingdom in a consumated new creation – though there are a few ex‑ ceptions to this rule. The Apocalypse symbolically portrays events throughout histo‑ ry, which is understood to be under the souvereignty of the Lamb as a result of his death and resurrection. He will guide the events depicted untill they finally issue in the last judgment and the definitive establishment of his kingdom. This means that specific events throughout the age extending from Christ’s first coming to his second may be identified with one narrative or symbol. We may call this age inaugurated by Christ’s first coming and concluded by his final appearance ‘the church age’, ‘the in‑ teradventual age’, or ‘the laTer days’. The majority of the symbols in the book are transtemporal in the sense that they are applicable to events throughout the ‘church age’“
(ebd.). So By•xy, Revelation (NIGTC) 985: „… the binding and the millennium are best un‑ derstood as Christ’s authority restraining the devil in some manner during the church age. This means the restraint of Satan is a direct result of Christ’s resurrecti‑ on.“ Dass es nicht um eine völlige Verunmöglichung der Verführungstätigkeit Sa‑ tans gehe, begründet By•xy, Revelation (NIGTC) 986, mit dem Verweis auf die Paral‑ lelität zu 9,1–10; hier werde unterschieden zwischen denen, die der Satan verführen darf,
und
denen,
die
er
nicht
verführen
darf. Ausführlicher
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
986–991. By•xy, Revelation (NIGTC) 1003: „Just as the devil’s captivity is limited to a thou‑ sand years, so the saints’ intermediate reign is limited, but it is followed by the con‑ summate
reign
in
eternity.“
Zur
Begründung
dieser
Sicht
vgl.
ebd.
991–1007.

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

31

dieser Sicht dadurch, dass bei G. K. Beale das Millennium schon begon‑ nen hat, es bei J. Sickenberger dagegen zur Gänze noch in der ZukunW liegt. Zusammenfassung: Der Überblick über die Auslegungsmodelle von Op 20 in der Exegese des 20. Jh.s zeigt, dass zwar die realistisch‑endge‑ schichtliche Auslegung und damit ein chiliastisches Verständnis dieses Textes vorherrschend ist, diesem aber durch eine symbolisch‑endge‑ schichtliche Auslegung mehr und mehr Konkurrenz erwächst. Auch die Deutungen von J. Sickenberger und G. K. Beale, die keiner dieser beiden großen Gruppen zugeordnet werden können, lassen sich trotz berech‑ tigter Einwände nicht einfach als nicht textgemäß abtun. Nicht zuletzt die spezifische Bildsprache der Visionen ermöglicht diese divergieren‑ den Deutungen. Der Text selbst bietet dem Leser keine Kriterien, ob eine seiner Aussagen realistisch oder symbolisch zu verstehen ist. Da‑ für, dass der Vf. die verwendeten Bilder zumindest auch symbolisch versteht, spricht die Beobachtung, dass die Fülle der Einzelmotive sei‑ ner Visionsberichte, mit sich zum Teil ausschließenden und widerspre‑ chenden Zügen, eine direkte bildliche Umsetzung, etwa als Gemälde oder Plastik, unmöglich machen (vgl. 1,9–20; 4–5; 19,11–16).60 Dies be‑ dingt zahlreiche Inkonsistenzen in den einzelnen Auslegungen. Eine realistisch‑endgeschichtliche Auslegung, die von der logisch‑chronolo‑ gischen Abfolge der geschilderten Ereignisse ausgeht, muss nicht selten bei einzelnen Zügen der Vision zu einer metaphorischen oder symboli‑ schen Deutung Zuflucht nehmen, um Brüche und Inkonsequenzen des Textes
erklären
zu
können. Bei solchen Problemen – die HerkunW und die Identität von Gog und Magog in 20,8f., das erneute AuWauchen der Heidenvölker und der Könige der Erde in der neuen Welt in 21,24 etc. – setzen die Ausle‑ ger an, die für ein grundsätzlich metaphorisches oder allegorisches Verständnis der Johannesoffenbarung plädieren. Umgekehrt verstehen auch die Vertreter einer symbolischen Auslegung den einen Teil der Aussagen symbolisch, den anderen realistisch, ohne dafür im Text kla‑ re Signale benennen zu können, die in die eine oder andere Richtung deuten. Zudem bleiben die verwendeten Bilder polyvalent.61 Die in an‑

60 61

Vgl.
S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•,
Offenbarung
49f. Zum Problem der Bildsprache der Johannesoffenbarung und ihrer „Entschlüsse‑ lung“ vgl. etwa By•xy, Revelation (NIGTC) 50–69. S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Offenbarung 38–41, geht dabei so weit zu folgern, dass aufgrund der Bedeutungsvielfalt der Bil‑ der eine eindeutige und endgültige Auslegung geradezu unmöglich ist; ähnlich

32

Der
Stand
der
Forschung

deren Apokalypsen symbolischen Visionen beigegebenen Deutungen fehlen in der Johannesoffenbarung fast vollständig bzw. sind nicht we‑ niger
rätselhaW
als
das,
was
sie
erklären
wollen
(so
in
Op 17).

c. Probleme
der
Auslegung
der
Millenniumsvision Unabhängig von der Gesamtdeutung gibt Op 20 zahlreiche Fragen und Probleme logisch‑inhaltlicher Art auf. So überrascht es etwa, dass zur Fesselung des Satans bzw. Drachen, der eigentlichen widergöTli‑ chen Macht, das Au•ieten eines Engels genügt, während seine beiden Repräsentanten, „Tier“ und „Lügenprophet“, durch ein unmiTelbares Eingreifen GoTes selbst beseitigt wurden (19,19–21).62 Nach 20,3 wird der Drache gefesselt, damit er die Völker nicht weiter verführen könne; doch bleibt offen, wer die Völker sein sollen, die er verführen könnte, da die Endschlacht von 19,19–21 niemand überlebt hat.63 Dieses Pro‑ blem stellt sich erneut in 20,7–10, wenn der Drache nach seiner Freilas‑ sung die Völker zum Krieg gegen die Heilsgemeinde verführt und „Gog und Magog“ gegen „die geliebte Stadt und das Lager der Heili‑ gen“ marschieren (s. u.).64 Auch der Grund für die erneute Freilassung des Drachen wird nur durch ein simples δεῖ (20,3) angegeben. Damit bleibt offen, warum die Fesselung des Drachen und die dadurch er‑ möglichte
irdische
Heilszeit
auf
tausend
Jahre
begrenzt
ist. Genauso fehlt jede nähere Beschreibung der durch die Fesselung des Drachen initiierten irdischen Heilszeit, abgesehen von dem unbe‑ stimmten βασιλεύειν μετὰ τοῦ χριστοῦ (20,4.6) und der Bezeichnung der Auferweckten als ἱερεῖς τοῦ ϑεοῦ καὶ τοῦ χριστοῦ (20,6); es sei denn man

62

63

64

S„ˆy•…y / Fƒ•„ˆyz, Einleitung 279. Damit kann in letzter Konsequenz – wie sich bei KzyŒ•„ˆŽ•z, Offenbarung 67, zeigt – die Johannesoffenbarung nur der Leser verste‑ hen, der wie der Seher inspiriert ist. Hierin widerspricht By•xy, Revelation (NIGTC) 68f.;
vgl.
auch
Sƒ„…y•†yz‹yz,
Offenbarung
23. Das Faktum selbst ist an sich nicht ungewöhnlich, denn in der frühjüdischen Traditi‑ on erscheinen GoT (TestDan 5; TestSeb 9), Engel (TestLev 3; 1 Hen 54,4ff.) oder der Messias (1 Hen 54,4; 69,27; TestLev 18) als Vollstrecker des Gerichts am Satan; vgl. Bill. 2, 168. Überraschend aber ist es in der Johannesoffenbarung allemal, nachdem in 19,20 nicht einmal der Messias‑Christus genügte, um Tier und Lügenprophet zu ver‑ nichten. Wohl auch deswegen setzen immer wieder Exegeten den Engel in 20,1 mit Christus
gleich;
vgl.
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
19f. So R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 192f.; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 431; Rƒ••ƒ, ZukunW 35; A‚•y, Revelation (WBC) 1084f.; gegen Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 149; U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
343. Zur Ereignisabfolge und den Inkonsistenzen innerhalb der Visionen von Op 19,11 – 22,5
vgl.
Fzy~,
Millennium
28–32.

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

33

gewinnt – wie R. H. Charles und J. M. Ford – durch Textumstellungen eine Schilderung des Jerusalems des Millenniums (s. o.).65 Kaum hat der Leser/Hörer in 20,1–6 die Anfänge des Millenniums vernommen, er‑ fährt er in 20,7–10 schon von seinem Ende. Das Millennium der Johan‑ nesoffenbarung bleibt vage und unbestimmt; es wird nicht einmal ex‑ plizit gesagt, dass sich die Auferstandenen und der Messias auf der Erde
befinden. Zu dieser blassen Schilderung will letztlich die Behauptung nicht passen, der Vf. stelle mit der Millenniumsvision seinen Adressaten eine besondere Belohnung in Aussicht, um sie in der Verfolgung zu trösten oder sogar zur TodesbereitschaW zu ermutigen. Auch für weiterreichen‑ de schöpfungs‑ und geschichtstheologische Deutungen bietet der Text keine unmiTelbaren Anhaltspunkte. Blickt man auf das Gesamt der Jo‑ hannesoffenbarung, ergibt sich eine merkwürdige dreistufige Konzep‑ tion des Heils und der Belohnung der getreuen Christen: (1) Nach 6,9– 11 rechnet der Seher offensichtlich mit einem himmlischen Verwah‑ rungsort der Seelen der ermordeten Glaubenszeugen während der Zeit der Bedrängnis und der endzeitlichen Plagen.66 (2) Danach erhalten sie Anteil am Millennium (6,9 u. 20,4) und (3) schließlich an der neuen Schöpfung und am himmlischen Jerusalem. Diese drei „Stufen“ des Heils werden nirgends gegeneinander abgegrenzt oder miteinander in Verbindung gesetzt, so dass sich Sinn und Zweck ihrer Abfolge irgend‑ wie bestimmen ließen. Damit bleibt aber auch völlig unklar, welche Funktion dem Millennium in der eschatologischen Konzeption der Jo‑ hannesoffenbarung
zukommt. Hinzu kommen Detailprobleme der Auslegung von Op 20, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Gesamtverständnis der Mil‑ lenniumsvision haben. Zentral ist das Problem der Identität der in 20,4 Auferweckten und damit die Frage, wer überhaupt am Millennium teilnimmt. Dabei geht es um die Frage, ob die grammatisch schwierige

65

66

Vgl. G|‚z‹y•, Reign 677f.; Fzy~, Millennium 48. H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 197f., hebt diesen Zug der Millenniumsvision der Johannesoffenbarung als besonderen Vorzug
gegenüber
verwandten
Vorstellungen
heraus,
erklärt
ihn
aber
nicht. Die Glaubenstreue wird in Op 6,9–11 wie auch sonst in der Johannesoffenbarung durch die Formel διὰ τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ καὶ διὰ τὴν μαρτυρίαν ἣν εἶχον ausgedrückt; vgl. 1,[2.]9; 11,7; 12,11.17; 19,10; 20,4. Der Begriff des „Zeugnisses“ (μαρτυρία) bzw. des „Zeugen“ (μάρτυς) ist in der Johannesoffenbarung zwar inhaltlich klar auf die ChristusbotschaW bezogen, es ist aber noch keine zwingende Konnotation des Zeu‑ gen‑/Zeugnisbegriffs mit „Tod“ gegeben (im Sinne des späteren terminus technicus „Märtyrer“, „Martyrium“), wenn sich auch bereits eine Tendenz in diese Richtung abzeichnet.
Vgl.
Bz|ž,
Zeuge
und
Märtyrer
92–105.

34

Der
Stand
der
Forschung

Formulierung in 20,4 nur eine einzige Gruppe der Auferweckten be‑ zeichnet
oder
ob
zwei
Gruppen
unterschieden
werden
sollen. (1) τὰς ψυχὰς τῶν πεπελεκισμένων διὰ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ καὶ διὰ τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ (2) καὶ οἵτινες οὐ προσεκύνησαν τὸ ϑηρίον οὐδὲ τὴν εἰκόνα αὐτοῦ καὶ οὐκ ἔλαβον τὸ χάραγμα ἐπὶ τὸ μέτωπον καὶ ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτῶν (20,4d.e)

Da die neueren Kommentare die theologische Aussageabsicht von Op 20 in der Zusage einer besonderen Belohnung und Rehabilitierung der standhaWen Glaubenszeugen sehen und folglich die paränetische Spitze der Millenniumsvision in der Mahnung zu einem Verhalten ge‑ sehen wird, das die Teilnahme am Millennium ermöglicht, ist die Be‑ antwortung der Frage nach der Identität der Auferweckten von 20,4–6 wichtig im Blick darauf, wozu konkret der Vf. seine Adressaten auffor‑ dern will. Mitunter würde er sie nicht nur zur unbedingten Glaubens‑ treue im Alltag ermahnen, sondern sie aufrufen, das blutige „Martyri‑ um“
aktiv
zu
suchen.67 Sollte 20,4 nur eine Gruppe bezeichnen – so etwa R. H. Charles68, H. KraW69 und D. E. Aune70 –, gäbe der οἵτινες‑Satz an, worin die Treue der Auferweckten zum „Zeugnis Jesu“ und zum „Wort GoTes“ be‑ stand. Diejenigen, die am Millennium Anteil erhalten, wären dann durchwegs „Blutzeugen“ und sie alle häTen GoT in der Verfolgung durch das „Tier“ und den „Lügenpropheten“ bis in den Tod die Treue gehalten (vgl. 13,11–18). Werden in 20,4 jedoch zwei Gruppen unter‑ schieden (die τὰς ψυχὰς κτλ. einerseits und die καὶ οἵτινες κτλ. anderer‑ 67

68 69 70

Dabei darf nicht übersehen werden, dass die rigorosen Deutungen von Op 20,4–6 den zeitgeschichtlichen Hintergrund der Offenbarung in einer aktuellen Verfol‑ gungssituation sehen wollen, in der die Gefahr des Martyriums zur Alltagserfah‑ rung der Gemeinde gehört. Vor diesem Hintergrund sieht B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 438, die Intention des Vf.s in der Ermutigung zum Martyrium und die erwar‑ tete Reaktion bei den Adressaten in „wilder Todesfreudigkeit“. Ähnlich U. B. Mwx‑ xyz, Offenbarung (ÖTK) 340. Damit triT die Problematik der konkreten Situation, in die hinein der Vf. spricht, als Interpretationshintergrund in den Blick: Geht es tat‑ sächlich um eine akute Verfolgungssituation, in der mit dem Bekenntnis tatsächliche Lebensgefahr verbunden ist, oder bringt das Bekenntnis soziale und ökonomische Nachteile mit sich, ohne schon zwingend lebensgefährlich zu sein. Näheres zu dieser
Frage
bei
AbschniT
IV. 4d. Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 180f., sieht allerdings οἵτινες κτλ. als sekundären Ein‑ schub
an. So
Kz•}Œ,
Offenbarung
(HNT)
256f. „During the temporary restraint of Satan (20:1–3), the martyrs alone are raised from the dead in the first resurrection (20:5) and reign with Christ on earth for a thousand years (this millennial reign is also described in a variety of ways in Rev 2:26–27; 7:15–17;
14,1–5)“
(A‚•y,
Revelation
[WBC]
1104).

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

35

seits), muss man entweder mit W. Bousset71 zwei Klassen von „Blutzeu‑ gen“ annehmen, nämlich Opfer im Rahmen des „Tierkultes“ und sonstige Märtyrer früherer (oder späterer) Verfolgungen. Oder man geht wie U. B. Müller72 und H. Giesen73 davon aus, dass neben den tat‑ sächlichen Blutzeugen auch all diejenigen am Millennium teilnehmen, die den Verlockungen und Vorteilen der Teilnahme am Kult des „Tie‑ res“ widerstanden, diese Verweigerung aber nicht mit dem Leben be‑ zahlen mussten; gemeint wären also „Bekenner“. Fraglich bleibt, ob man wie W. Bousset74 alle andere Christen – d. h. diejenigen, die sich zwar durch ein tadelloses Leben bewährt haben, ihren Glauben aber nicht in einer Krisensituation, wie sie die Johannesoffenbarung voraus‑ setzt, bewähren mussten – von der Teilnahme am Millennium aus‑ schließen kann und darf, zumal der Vf. offenbar davon ausgeht, dass alle Christen in eine Situation kommen werden, in der sie um den Preis ihres Lebens ihre Treue zu GoT erweisen können und müssen.75 Unter diesen Vorzeichen erübrigt sich – auf der Ebene des Textes – die von U. B. Müller und H. Giesen vorgenommene Unterscheidung in Blutzeu‑ gen
und
sonstige
treue
Christen. Unklar bleibt ferner, wer auf den Thronen Platz nimmt, die der Se‑ her zu Beginn der Millenniumsvision in 20,4 schaut; heißt es doch im Text
nur: (1) (2) (3) (4)

καὶ εἶδον ϑρόνους καὶ ἐκάϑισαν
ἐπ’ αὐτοὺς καὶ κρίμα ἐδόϑη αὐτοῖς καὶ τὰς ψυχὰς τῶν πεπελεκισμένων κτλ.
(20,4a–d)

Die meisten der neueren Auslegungen tendieren dazu, diejenigen, die auf den Thronen Platz nehmen, mit den auferweckten Märtyrern zu identifizieren.76 Denn auch in 4,2.4 werden zuerst der Thron bzw. die 71 72 73 74

75 76

So
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
437f.;
auch
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
23. Vgl.
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
337f.;
so
auch
By„…–ƒŒˆ,
Revelation
740. Vgl. Gƒy•y•, Johannes‑Apokalypse (SKK.NT) 160–162; ders., Offenbarung (RNT) 433f. „Alle übrigen – also auch jene Christen, die eines ruhigen Todes sterben – werden zunächst nicht auferstehen“ (B|‚••yŒ, Offenbarung [KEK] 438). Vgl. auch Cˆ•zxy•, Revelation
(ICC)
2, 184. Dazu
R|x|}},
Offenbarung
(ZBK)
193;
vgl.
auch
Kz•}Œ,
Offenbarung
(HNT)
257. So R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 193; H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 195f.; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 182. Als neutestamentliche Parallelen werden Mt 19,28; 1 Kor 6,2f. genannt. Wäre hier an die Auferweckten und deren Rehabilitation gedacht, erwarte‑ te man eine Inthronisationsszene, d. h. καϑίζω müsste nicht intransitiv, sondern tran‑ sitiv konstruiert sein, häTe also das entsprechende Akkusativobjekt αὐτούς. Zu Kon‑ struktion und Verwendung von καϑίζω B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 791f. Fraglich ist der Hinweis bei Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 431, ϑρόνος würde in der Johannes‑

36

Der
Stand
der
Forschung

Throne und dann der bzw. die darauf Sitzenden genannt.77 Bei genau‑ erem Zusehen liegt hier aber keine Parallele vor; denn um die Thronen‑ den in 20,4 in Analogie zu 4,2.4 mit den Auferweckten identifizieren zu können, müsste in 20,4 stehen: „… und ich sah Throne und die Seelen derer … darauf sitzend; und ihnen wurde das Gericht gegeben …“. Dem Vf. scheint demnach wenig an einer Identifizierung der Thronen‑ den zu liegen – wie auch W. Bousset78 und U. B. Müller79 anmerken –, sondern im Hintergrund steht wohl die bloße Reminiszenz an den himmlischen
Gerichtshof,
wie
er
sich
in
Dan
7,9f.
findet.80 Mit der Frage nach der Identität der Thronenden hängt zusammen, wie κρίμα ἐδόϑη αὐτοῖς in 20,4 zu verstehen ist. Mit κρίμα kann sowohl der Urteilsspruch als auch das Strafgericht bezeichnet werden.81 Handelt es sich bei denen, die auf den Thronen Platz nehmen, um die Aufer‑ weckten, kann damit nicht die Ermächtigung und der AuWrag zum Ge‑ richt gemeint sein, da es nach 19,11–21 offensichtlich niemanden mehr gibt, den sie richten könnten und die Richterfunktion in der Johannes‑ offenbarung zudem exklusiv GoT vorbehalten ist. Demnach müsste die Übergabe des κρίμα an die Thronenden als „Recht verschaffen“ oder „einsetzen in königliche Macht“ verstanden werden. Problematisch ist auch die Alternative, es handle sich um die Einsetzung eines Richter‑ kollegiums, da dieses zum einen im folgenden nicht tätig wird und zum anderen, würde es tätig, in Konkurrenz zu GoT, dem einzigen Richter träte. Auch dies deutet also letztlich auf bloße Reminiszenz an die
Gerichtsszene
in
Dan
7,9f.82 Für ein angemessenes Verständnis von Op 20 ergibt sich zudem das Problem, ob außer den Auferweckten aus 20,4 auch andere Men‑ schen – Christen und Heiden, die bei Beginn des Millenniums noch am

77

78 79 80 81 82

offenbarung sonst nur als HerrschaWssymbol gebraucht (vgl. 4,4; 11,16); auch lassen sich Herrschen und Richten nicht trennen; vgl. D. S§•‹yz, ϑρόνος. EWNT 2 (21992) Sp. 387–391;
B•‚yz / Ax••€,
WB. NT
Sp. 740f. Zur Argumentation vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1084f. Auch L|ˆŽy~yz, Offenba‑ rung (HNT) 162, sieht in den Inthronisierten die auferweckten Märtyrer und folgert für die Deutung der Millenniumsvision: „Sie sind im messianischen Reich Richter und Könige und Priester; sie haben also die drei Funktionen, die auch Christus hat, und nur sie haben sie.“ Dagegen ist einzuwenden, dass die Johannesoffenbarung an keiner Stelle diese drei Ämter Christi thematisiert, vor allem ein priesterliches Amt Christi
wird
nicht
genannt. So
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
437. Vgl.
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
335–337. Gegen
R|x|}},
Weltgericht
120f. Vgl.
Rƒ••ƒ,
κρίμα.
EWNT
2
(21992)
Sp. 785f.;
B•‚yz / Ax••€,
WB. NT
Sp. 915f. B‡„ˆyz,
Johannesapokalypse
105;
gegen
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
431.

Die
Auslegung
der
Millenniumsvision
in
der
neueren
Exegese

37

Leben sind – in das Millennium gelangen.83 Ist also das Millennium ein Reich nur der Auferweckten oder auch der „Überlebenden“? Für einige Ausleger – wie W. Hadorn und U. B. Müller – setzen die Verführung der Völker durch den Drachen (20,3.7) und das AuWreten der feindlichen Völkerscharen Gog und Magog in 20,8f. die Weiterexistenz eines Teils der Menschheit voraus.84 Dabei handle es sich um Menschen an den entfernten Rändern der Erde, die nicht in den Einflussbereich der wi‑ dergöTlichen Trias85 aus Drache, Tier und Lügenprophet gelangten und deshalb auch nicht in die Endschlacht in 19,19–21 verwickelt waren. R. H. Charles deutet von hier aus auch das Priestersein der Auferweck‑ ten: Sie sollen während des Millenniums diesen noch lebenden Heiden‑ völkern das Evangelium verkünden; diese Aufgabe ist aber nur teilwei‑ se erfolgreich, wie der Angriff von Gog und Magog auf die Heiligen zeigt.86 Dies lässt sich jedoch – selbst wenn man die Umstellungen von R. H. Charles
akzeptiert
–
am
Text
kaum
erweisen. Geht man davon aus, dass im eschatologischen Endkampf alle Menschen ihr Ende gefunden haben (s. o.), kann sich während des Mil‑ lenniums außer den Auferweckten und Christus selbst niemand mehr auf der Erde befinden. Wer aber sind dann „Gog und Magog“? Soll man in ihnen mit J. Roloff und H. Giesen mythische Völker aus der Un‑ terwelt sehen?87 Vielleicht müssen auch alle logischen Fragen hintange‑ 83

84

85

86

87

Dieses Frage stellt sich im Grunde nur für diejenigen, die Op 20,1–10 realistisch‑end‑ geschichtlich deuten. Obsolet ist sie für die von G. K. Beale vertretene kirchengeschicht‑ liche Deutung wie auch für die postmillennaristische Deutung J. Sickenbergers. Diffus ist
der
Befund
bei
Vertretern
der
symbolisch‑endgeschichtlichen
Deutung. H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 194, spricht von einem problematischen „räumlichen Nebeneinander von einer erlösten und einer noch nicht erlösten Menschheit“. Nach U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 343, spricht 19,18.19–21 nur von der Vernichtung der Bewohner des römischen Reiches und seiner Verbündeten; Gog und Magog sind die Völker jenseits der Grenzen des römischen Reiches. Vgl. auch Cˆ•zxy•, Revelati‑ on
(ICC)
2, 143;
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
43f. Die in der Auslegung der Johannesoffenbarung gebräuchlichen Bezeichnung „wie‑ dergöTliche Trinität“ sollte man vermeiden, da sie die falsche Vorstellung weckt, der Vf. habe diese dämonische Dreiergruppe als Gegenbild zur göTlichen Trinität aus Vater, Sohn und Geist geschaffen; dies ist aus dem einfachen Grund unzutreffend, dass die Johannesoffenbarung die „driTe Person“ der Trinität, den Heiligen Geist nicht kennt (das πνεῦμα bzw. die πνεύματα sind ganz im atl. Sinn gebraucht). Anders zuletzt allerdings F. Byƒ••yz, Trinitätsaussagen in der Offenbarung des Johannes, in: Horn / Wolter,
Studien
120–135. Ausführlicher Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 186f. Ähnlich deutet H•€|z•, Offenba‑ rung (ThHK) 200, den Ansturm der entfernten Völker: „Die Welt ändert ihre Hal‑ tung
nicht.“ Vgl. dazu R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 194; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 436f.; Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 258f.; L|ˆ•y, Offenbarung (NTD) 107. Zur Begründung verweist S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Offenbarung 130f., auf die „vier Ecken der Erde“, da sich nach

38

Der
Stand
der
Forschung

stellt werden, da es dem Vf. allein auf die theologische Aussage dieses Bildes ankommt: Den Auferweckten kann nichts mehr schaden.88 Oder muss man letztlich D. E. Aune zustimmen, der im AuWreten der Völker‑ scharen Gog und Magog nach der Vernichtung aller Menschen in 19,11–21
nicht
mehr
als
eine
logische
Inkonsequenz
des
Vf.s
sieht?89 An weiteren Problemen lässt sich anführen, dass Op 20 zwar von der „ersten Auferstehung“ und dem „zweiten Tod“ spricht, nirgends aber, auch nicht im restlichen Werk, ein „erster Tod“ und eine „zweite Auferstehung“ genannt werden.90 Auch in der Gerichtsszene in 20,11– 15 fallen etliche Inkonsequenzen auf: Die Toten kommen erst in 20,13 aus ihren Verwahrungsorten hervor, obwohl der Seher sie in 20,12 bereits vor GoTes Thron stehen sah.91 Das Gericht findet zudem nach dem Weltuntergang und vor der Neuschöpfung staT, so dass nicht er‑ sichtlich ist, an welchem „Ort“ diese Szene überhaupt staTfinden soll.92 Außerdem finden sich nebeneinander zwei verschiedene Typen von Büchern und zwei mit ihnen verbundene Gerichtskriterien: die Bücher mit den Werken aller Menschen und das Buch des Lebens mit den Na‑ men der „Heiligen“.93 In 20,13 erscheinen Tod und Hades als Verwah‑ rungsort der Toten, in 20,14 als die personifizierte Todesmacht. Auch gibt der Text keine explizite AuskunW darüber, was zwischenzeitlich mit dem Messias und denjenigen passiert, die in 20,4 zum Millennium auferweckt wurden; das Millennium samt der Millenniums‑Gemeinde scheint
ab
20,11
völlig
vergessen.

88 89 90 91 92

93

mythischer Vorstellung hier die Tore zur Unterwelt befinden. Im sonstigen Sprach‑ gebrauch der Johannesoffenbarung aber lassen πλανάω und ἔϑνη kaum an dämoni‑ sche
Mächte
denken. So
letztlich
Pzƒ‹y•Œ,
L’Apocalypse
(CNT[N])
313–315. A‚•y, Revelation (WBC) 1084f.: „The previous destruction of the hostile nations in Rev.
19:11–21
has
apparently
been
forgoTen.“ Nach
R|x|}},
Weltgericht
118f.,
vermeidet
er
diese
Begriffe
bewusst. Vgl.
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
346. Es sei denn man behilW sich mit Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 446, der symbolischen Deutung: Der Vf. benutzt die kosmische Metapher des Weltuntergangs, „um die überwältigende
Hoheit
des
zum
Gericht
erscheinenden
Herrn
zu
unterstreichen“. Gerade protestantische Ausleger wollen im Buch des Lebens neben dem Buch mit den Werken eine Hinweis auf den Erwählungsgedanken sehen: ReTung im Gericht sei nicht Verdienst des Menschen, sondern Folge göTlicher Erwählung. Exempla‑ risch U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 346f.; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 196. Gƒy‑ •y•, Offenbarung (RNT) 447, löst die Spannung zwischen beiden Arten von Bü‑ chern,
indem
die
Werke
entscheiden,
wer
im
Buch
des
Lebens
steht.

Desiderate
der
Forschung
und
Konzeption
der
Studie

39

2. Desiderate
der
Forschung
und Konzeption
der
Studie Die Auslegung der Millenniumsvision in der neueren Exegese doku‑ mentiert exemplarisch den Stand der historisch‑kritischen Forschung an der Johannesoffenbarung. Am Anfang des 20. Jh.s schien der Kom‑ mentar von W. Bousset (1896, 21906) einen wohl begründeten Konsens in der Auslegung der Johannesoffenbarung zu formulieren:94 Die Visio‑ nen der Johannesoffenbarung sind endgeschichtlich zu verstehen, sie sprechen also von zukünWigen, näherhin eschatologischen Ereignissen. Für das rechte Verständnis der Visionen ist ferner der zeitgeschichtliche Hintergrund zu beachten, der in einem durch den Kaiserkult ausgelös‑ ten Konflikt der Christen mit dem römischen Staat am Ende der Regie‑ rung des Domitian (81–96) besteht. Das Ziel des Vf.s ist es, die Gläubi‑ gen in diesem Kampf zu stärken und zu trösten. Spannungen und Brüche in der Komposition der Visionen zeigen, dass der Vf. sich bei der Abfassung seines Werkes in hohem Maße traditionellen Materials be‑ dient hat, dass ihm bereits schriQlich vorlag. Für W. Bousset bestand deshalb die doppelte Aufgabe der Erklärung der Johannesoffenbarung 1. „in der genaueren Erforschung der Quellen des Apokalyptikers“, um 2. „festzustellen, was der Apokalyptiker selbst aus seinem Stoff ge‑ macht hat“.95 Damit dient die Literarkritik entscheidend dem Ziel jeder Erklärung der Johannesoffenbarung: „eine lebendige Vorstellung von dem Charakter des Apokalyptikers selbst, seiner Frömmigkeit und der Situation,
in
der
er
schreibt,
möglichst
annähernd“96
zu
erreichen. Ohne Zweifel prägte der Kommentar von W. Bousset methodisch und inhaltlich die weitere Auslegung der Johannesoffenbarung. Zu‑ gleich aber wichen die späteren Kommentare mehr und mehr von ihm ab. Für den deutschen Sprachraum war dafür der Kommentar von E. Lohmeyer (1926) von entscheidender Bedeutung – trotz einer über‑ aus kritischen Rezension von R. Bultmann (in der ThLZ von 1927).97 Vor allem die Berechtigung der literarkritischen Fragestellung wurde zu‑ gunsten der literarischen und sprachlichen Einheitlichkeit des Werkes zunehmend bestriTen. Die sprachlich‑stilistischen Härten und logisch‑ inhaltlichen Brüche wurden nun als Charakteristika eines expressiven

94 95 96 97

Vgl.
dazu
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
119–148. Beide
Zitate
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
141. B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
140. Zu
Eigenart
und
Bedeutung
von
Lohmeyers
Kommentar
B‡„ˆyz,
Forschung
3862.

40

Der
Stand
der
Forschung

Gestaltungswillens des Vf.s interpretiert.98 Die Auslegung der Johan‑ nesoffenbarung entdeckte es geradezu als ihre Aufgabe, das „Genie“ des Vf.s offen zu legen.99 Im Kommentar von R. H. Charles (1920) ver‑ band sich diese Tendenz noch mit einer positiven Wertung der Literar‑ kritik. Er war der festen Überzeugung, aus der von einem unfähigen Schüler vollendeten Johannesoffenbarung den originären Entwurf des genialen
Lehrers
rekonstruieren
zu
müssen
und
zu
können.100 Ausgehend von der hohen Wertschätzung für die literarische Leis‑ tung des Vf.s konzentrierte sich die Forschung nun auf die Struktur der Johannesoffenbarung. Dabei ging es nicht nur darum, ob die in der Jo‑ hannesoffenbarung geschilderten Ereignisse streng linear aufeinander folgen oder ob dieselben Ereignisse immer wieder neu erzählt werden (Rekapitulationstheorie).101 Ausgehend von den explizit durchgezähl‑ ten Siebener‑Zyklen (Sendschreiben, Siegel, Posaunen, Schalen) suchte man in zahlreichen Studien nachzuweisen, dass die Gliederung des ganzen Werkes sich in irgendeiner Form an der Zahl Sieben orientie‑ re.102
Derartige
Überlegungen
finden
sich
bei
W.
Bousset
noch
nicht. In der Auslegung der Millenniumsvision zeigt sich dieser exegeti‑ sche Paradigmenwechsel in einer allmählichen Abkehr von einer streng endgeschichtlichen Auslegung. Am entschiedensten ist hier der Kom‑ mentar von G. K. Beale (1999), für den das Millennium nicht mehr in der ZukunW liegt, sondern – wie schon bei Tyconius und Augustinus – mit Kreuz und Auferstehung Jesu bereits begonnen hat (kirchenge‑ schichtliche Deutung). Insgesamt lässt sich in den neueren Kommenta‑ ren die Tendenz beobachten, die Millenniumsvision symbolisch zu deuten, um die bleibende, gleichsam „zeitlose“ Bedeutung der Vision und damit ihre Aktualität für den heutigen Leser herauszustellen (so z. B. in den Kommentaren von P. Prigent 1981 und H. Giesen 1996). Da‑ mit triT auch die Frage der zeitgeschichtlichen Bedingtheit der Visio‑ nen der Johannesoffenbarung in den Hintergrund. Deshalb begnügt man sich auch nicht damit, wie noch bei W. Bousset, das Millennium

98 99

Vgl.
L|ˆŽy~yz,
Offenbarung
(HNT)
194;
ausführlich
dazu
bei
AbschniT
III.
2b. So in den Arbeiten von P. Gaechter, R. H. Charles (ICC), E. Lohmeyer (HNT) und Montgomery
[Literaturverzeichnis]. 100 Vgl. Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, xƒ–xŸƒƒƒ; ausführlich bei AbschniT III. 1a und b, Punkt
(3). 101 Die Rekapitulationstheorie findet sich erstmals im Kommentar des Viktorin von PeTau, der in ihr das Grundprinzip der Auslegung der Johannesoffenbarung sieht; dazu
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
54;
Wƒ…y•ˆ•‚•yz / S„ˆŽƒ€,
Einleitung
655f. 102 Exemplarisch sei verwiesen auf die Gliederungsversuche von E. Lohmeyer (HNT), W. Bowman
und
A. Y. Collins
[Literaturverzeichnis].

Desiderate
der
Forschung
und
Konzeption
der
Studie

41

nur als Lohn für die bis in den Tod standhaWe Verweigerung gegen den Kaiserkult zu verstehen.103 Man sucht vielmehr nach seinem tieferen theologischen Sinn und findet ihn in schöpfungs‑ und geschichtstheo‑ logischen Aussagen: Das Millennium ist die Heilsvollendung von Schöpfung und Geschichte und wird zum Ausdruck einer vergessenen irdisch‑leiblichen
Dimension
der
christlichen
Heilserwartung.104 Die kontinuierlich Abkehr der Auslegung der Johannesoffenbarung seit etwa der MiTe des 20. Jahrhunderts von einer realistisch‑endge‑ schichtlichen Deutung hin zu einem eher symbolischen Verständnis der Visionen ist insofern befremdlich, als es zu Beginn des 20. Jahrhunderts als eine der grundlegenden Einsichten der historisch‑kritischen For‑ schung gefeiert worden war, dass die Johannesoffenbarung am Ende der Geschichte tatsächlich ein zeitlich begrenztes, irdisches Messias‑ reich erwartet.105 Man wird deshalb durchaus fragen dürfen, ob die rea‑ listisch‑endgeschichtliche Auslegung heute mit Recht in Richtung auf eine symbolisch‑endgeschichtliche Deutung modifiziert oder sogar durch eine kirchengeschichtliche Deutung, wie sie G. K. Beale vorgelegt hat, ersetzt werden darf. Oder war die realistisch‑endgeschichtliche Auslegung eventuell nur eine Art „Überreaktion“ auf eine jahrhunder‑ telange, durch die kirchlichen Autoritäten sanktionierte symbolische Auslegung und Ausdruck einer Exegese, die ihre Freiheit von kirch‑ lich‑autoritären Zwängen und ihre damit errungene neue Wissen‑ schaWlichkeit demonstrieren wollte? Ebenso wäre zu fragen, ob die Mil‑ lenniumsvision der Johannesoffenbarung heute zu Recht als Ausdruck der christlichen Hoffnung auf Heil für die Welt und Heil in der Welt verstanden
wird. Bei der Bestimmung der Funktion der Millenniumsvision folgen die neueren Kommentare meist W. Bousset, sofern sie sich nicht einer expliziten Aussage darüber enthalten: Die Verheißung der „tausendjäh‑ rigen HerrschaW mit Christus“ soll die Gläubigen in der Bedrängnis

103 Vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 437f. 442; so auch bei S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Offen‑ barung
131f. 104 So z. B. bei R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 191f.; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 340. Daneben findet sich eine soteriologisch‑anthropologische Deutung des Millenniums als Vollendung der in der Taufe begonnenen GemeinschaW mit GoT und Christus; vgl. RƒŒŒ, Offenbarung (NEB) 101; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 436. Dazu sei ange‑ merkt, dass die Taufe nirgends in der Johannesoffenbarung explizit benannt wird; es sei denn, man sieht die ‚im Blut des Lammes weiß gemachten Kleider‘ in 7,9.13f. als Symbol der Taufe (vgl. auch 3,4.5.18). Doch deutet der Text, ausgehend auch von Op
6,9–11,
auf
die
Treue
der
weiß
Gekleideten
im
blutigen
Martyrium. 105 Vgl.
dazu
bei
AbschniT
I.

42

Der
Stand
der
Forschung

trösten und sie zur Glaubenstreue bis hin zur TodesbereitschaW ermuti‑ gen.106 Dies setzt eine Krisensituation voraus, in der für jeden Christen eine reale Todesgefahr bestand. Für W. Bousset resultierte diese Gefahr aus der Forcierung des Kaiserkultes unter Domitian.107 Die neuere For‑ schung hat allerdings gezeigt, dass es eine mit dem Kaiserkult verbun‑ dene Christenverfolgung in Kleinasien im 1. Jahrhundert nicht gegeben hat.108 Deshalb nimmt beispielsweise U. B. Müller an, dass es am Ende des 1. Jahrhunderts in Kleinasien auf Eigeninitiative der Lokalautoritä‑ ten und nicht auf kaiserlichen Befehl hin zu lokal begrenzten Christen‑ verfolgungen kam.109 Allerdings ist nach dem Zeugnis der sieben Send‑ schreiben bisher nur der gewaltsame Tod eines einzigen Christen zu beklagen, des „treuen Zeugen Antipas“ in Pergamon (2,13); und die Mahnung zur Treue bis in den Tod (2,10) bedeutet nicht zwangsläufig die
Aufforderung
zum
blutigen
Martyrium. Überhaupt sprechen die Sendschreiben weniger von einer äußeren als von einer inneren Bedrohung der kleinasiatischen Gemeinden durch Irrlehren und Glaubensabfall.110 Die Adressaten der Johannes‑ offenbarung sind für H. Giesen demnach nicht durch Verfolgungen und Todesgefahr bedroht, sondern durch die BereitschaW, am Kaiser‑ kult teilzunehmen, um die gesellschaWliche Isolierung und damit ver‑ bundene persönliche Nachteile zu vermeiden.111 Welche Funktion aber hat die Millenniumsvision in einer solchen innergemeindlichen Krise? Will sie die sozial und ökonomisch benachteiligten Christen durch den Hinweis auf das kommende irdische Heil zum standhaWen Durchhal‑ ten ermutigen? Verheißt sie ihnen eine irdische Kompensation für ge‑ sellschaWliches Ansehen und materielle Güter, auf die sie in der gegen‑ wärtigen Zeit um Christi willen verzichten? Oder macht die Einsicht, dass die Johannesoffenbarung auf eine innergemeindliche Krisensitua‑ tion antwortet und nicht auf eine Bedrohung von außen, auch eine grundlegende
Neuorientierung
in
der
Auslegung
von
Op
20
nötig?

106 Vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 438; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 339–341; RƒŒŒ,
Offenbarung
(NEB)
102;
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
435. 107 Dazu B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 131–134; unter den neueren Kommentaren ist vor allem
R|x|}},
Offenbarung
(ZBK)
17f.,
zu
nennen. 108 Vgl.
L. L. Tˆ|Ž›•|•,
Revelation
95–115;
Kx•‚„…,
Sendschreiben
155. 109 So
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
41f.
382. 110 Vgl. L. L. Tˆ|Ž›•|•, Revelation 95–197; B•‚„…ˆ•Ž, Theology 1–22; bereits auch S–y‑ Œy, Revelation 21–35; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, 43–47; vorsichtiger Sx•Œyz, Social SeTing
238–241
und
254–256. 111 Vgl. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 34–36; mit stärkerer Betonung einer reichsweiten systematischen
Propagierung
des
Kaiserkultes
RƒŒŒ,
Offenbarung
(NEB)
7.

Desiderate
der
Forschung
und
Konzeption
der
Studie

43

Zusammenfassend lässt sich der gegenwärtige Stand der Ausle‑ gung der Johannesoffenbarung und der Millenniumsvision so beschrei‑ ben: Im Wesentlichen bleibt auch noch die neuere Exegese den Ergeb‑ nissen der historisch‑kritischen Forschung verpflichtet, wie sie bereits im Kommentar von W. Bousset exemplarisch und mustergültig festge‑ halten sind. Die für W. Bousset und die ältere Forschung zentrale Frage nach dem zeitgeschichtlichen Hintergrund trat aber im Laufe des 20. Jahrhunderts zurück; die Exegese widmete sich staTdessen primär dem Problem der bleibenden Bedeutung und der Aktualität der Johan‑ nesoffenbarung. Dies bedeutete eine Abkehr von einem streng endge‑ schichtlichen Verständnis ihrer Visionen. Erst als in den letzten Jahr‑ zehnten des 20. Jahrhunderts die altertumswissenschaWliche Forschung das traditionelle Bild des Kaisers Domitian grundlegend revidiert hat, gewann die Frage nach dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der Jo‑ hannesoffenbarung
wieder
neues
Interesse.112 Die damit verbundene Erkenntnis, dass die Johannesoffenbarung nicht auf die Bedrohung durch den Kaiserkult und eine Christenverfol‑ gung, sondern auf eine innergemeindliche Krisensituation antwortet, führte aber nicht dazu, den bisherigen Konsens der historisch‑kriti‑ schen Forschung zu hinterfragen; es blieb bei leichten Modifikationen. Demgegenüber ist jedoch zu fragen, inwiefern die Funktion und Ab‑ sicht der Johannesoffenbarung und damit der Millenniumsvision grundlegend zu überdenken und neu zu bestimmen ist, wenn der zeit‑ geschichtliche Hintergrund der Johannesoffenbarung nicht in einer durch die Forcierung des Kaiserkultes ausgelösten Christenverfolgung, sondern in einer inneren Krise der Gemeinden besteht. Auf diese Frage versucht die vorliegende Studie zur Millenniumsvision der Johannes‑ offenbarung
eine
befriedigende
Antwort
zu
geben. Aus dieser Zielsetzung ergeben sich für die Untersuchung folgende Fragestellungen: (1) Wie lässt sich die Situation der kleinasiatischen Chris‑ ten, an die sich der Seher Johannes wendet, beschreiben? In welchem Verhältnis standen sie zu ihrer paganen Umwelt? Inwiefern kam es zu

112 Hier ist vor allem die Studie von L. L. Thompson The Book of Revelation: Apocalypse and Empire [Literaturverzeichnis] zu nennen; kritisch dazu Sx•Œyz, Social SeTing 232–238. Zu Domitian H. W. Pxy…yŒ, Domitian, the Senate and the Provinces, in: Mn. 14 (1961) 296–315; B. W. J|•y•, The Emperor Domitian, London 1992; Cˆz. Uz‑ •yz, Kaiser Domitian im Urteil antiker literarischer Quellen und moderner For‑ schung, Augsburg Univ. Diss. 1993; Cˆ. WƒŒ•„ˆyx, Domitian, in: M. Clauss (Hg.), Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian, München 32005, 98–110; Cˆzƒ•Œ, Kaiserzeit 283f.; vgl. auch den Überblick bei M. A. LyŸƒ, I Flavi, in: ANRW
II. 2
(1975)
177–207.

44

Der
Stand
der
Forschung

Konflikten zwischen Christen und Heiden? Inwieweit ergab sich dar‑ aus eine reale Gefährdung der Christen? (2) Lässt sich die Funktion der Millenniumsvision aus einer wie auch immer gearteten Bedrohung durch die pagane Umwelt herleiten? (3) Welche Rolle spielt für das Verständnis der Millenniumsvision die innere Gefährdung der Gemeinden durch Lax‑ heit, Glaubensabfall und Irrlehrer, wie sie in den sieben Sendschreiben erkennbar ist? Gibt es auch in der Millenniumsvision konkrete Anhalts‑ punkte für eine Auseinandersetzung des Vf.s mit innergemeindlichen Gegnern? Die Studie versucht also die Funktion und Intention der Millen‑ niumsvision sowohl (a) im Blick auf die Lebensbedingungen einer christlichen Minderheit innerhalb einer ihnen ablehnend begegnenden heidnischen Umwelt als auch (b) im Blick auf den inneren Zustand der Gemeinden zu bestimmen. Möglicherweise ergeben sich ausgehend von der ursprünglichen Funktion und Intention der Vision Aufschlüsse darüber, ob der Vf. tatsächlich ein zeitlich begrenztes irdisches Messias‑ reich als Abschluss der Geschichte erwartete oder ob die Aussagen über das Millennium eher symbolisch verstanden werden wollen. Dies impliziert auch die Frage, inwiefern aktualisierende geschichts‑ und schöpfungstheologische Deutungen der Millenniumsvision zulässig sind. Neben der Frage, inwieweit die Millenniumsvision realistisch oder symbolisch zu deuten ist, wird sich die Studie auch den zahlreichen lo‑ gisch‑inhaltlichen Problemen von Op 20 stellen müssen: Wer nimmt in 20,4 auf den Thronen Platz? Wer sind die Völker, die der Drache nach seiner Loslassung zum Ansturm auf die Heilsgemeinde verführt? Was wird aus dem Messias und den Auferweckten am Ende des Millenni‑ ums?113 … Logisch‑inhaltliche Brüche und Spannungen, wie sie sich in Op 20 finden, werden in der Regel als Indizien für die literarische Uneinheitlichkeit eines Textes gewertet. Die neueren Kommentare be‑ tonen demgegenüber mit Nachdruck die Einheitlichkeit des Werkes.114 Müssen also die früheren literarkritischen Untersuchungen, wie sie

113 Ausführlich
bei
AbschniT
II. 1c. 114 Hier wiederholt sich eine Entwicklung, wie sie sich bereits zu Beginn der kritischen Auslegung der Johannesoffenbarung feststellen lässt: Nach ersten Versuchen bei H. Grotius (1644) und H. Hammond (1653) wurde die Literarkritik/Quellenschei‑ dung in der Auslegung der Johannesoffenbarung von Vogel (1811/6) wieder eta‑ bliert. Dagegen wandte sich Bleek (1820 und 1846). Erst mit den Studien von D. Völ‑ ter (ab 1882) etablierte sich die Literarkritik/Quellenscheidung erneut. Es folgten C. Weizsäcker (1886), E. Vischer (1886), G. J. Weyland (1888), F. SpiTa (1889 und 1907), H. J. Holtzmann (1891) und J. Weiß (1904 und 1907). Vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK)
108–118;
B‡„ˆyz,
Johannesapokalypse
11f.

Desiderate
der
Forschung
und
Konzeption
der
Studie

45

auch den Kommentar von W. Bousset bestimmen, heute als überholt gelten? Auffällig ist, dass zumindest der Kommentar von D. E. Aune der Literarkritik zumindest wieder ein gewisses Recht zugesteht, wenn er damit rechnet, dass der Vf. älteres eigenes Material in sein Werk in‑ tegriert
hat.115 Zu den zahlreichen logisch‑inhaltlichen Brüchen und Spannungen kommen grammatische und stilistische Auffälligkeiten, so dass der Text insgesamt einen sehr inhomogenen Eindruck hinterlässt (vgl. 20,4.6.8). Es entsteht geradezu der Eindruck, hier sei ein Vf. am Werk, der ge‑ zwungen ist, sich in einer Sprache auszudrücken, in der er nicht wirk‑ lich versiert ist, mögen seine Griechischkenntnisse auch für die alltägli‑ che Verständigung genügt haben, zumal sich stilistische Härten und Verstöße gegen die griechische Grammatik, von simplen Inkongruen‑ zen bis hin zu unübersetzbaren Konstruktionen, nahezu in jedem Satz der Johannesoffenbarung finden. Für die eine oder andere gibt es zwar Parallelen in den Alltagstexten der griechischen Papyri (nichtliterari‑ sche/dokumentarische Papyri), dennoch bleiben sie in ihrer großen Zahl und Schwere erklärungsbedürWig. Zum „Stammelstil“ der Johan‑ nesoffenbarung finden sich letztlich weder in der jüdischen und früh‑ christlichen noch in der paganen Gräzität Parallelen. Deshalb vermuten einige neuere Kommentare, dass sich die eigentümliche Sprache der Jo‑ hannesoffenbarung nicht den ungenügenden Sprachkenntnissen ihres Vf.s
verdanke,
sondern
ein
gesuchtes
StilmiTel
sei.116 Für ein angemessenes Verständnis der Millenniumsvision ist des Weiteren die Frage nach der genauen Ausgrenzung der zu untersuchenden Texteinheit und ihrer kontextuellen Einbindung zu beachten. Der Gliede‑ rung und Komposition des Gesamtwerkes galt in den letzten Jahrzehn‑ ten das besondere Interesse der Forschung zur Johannesoffenbarung. Der Struktur der einzelnen Visionen (Texteinheiten) dagegen widmen die Kommentaren nur geringe Aufmerksamkeit.117 Eine Analyse der Millenniumsvision ist also unweigerlich mit den drei zentralen, wenn auch in den neueren Kommentaren und Untersuchungen nicht immer gebührend berücksichtigten Problemen der Auslegung der Johannes‑

115 Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) „Ÿ–„žžžƒŸ; eine kritische Wertung bei AbschniT III. 2b. Punkt
(4). 116 So Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 15–17; weitere Thesen zur Sprache der Johannesoffen‑ barung
und
ihre
kritische
Wertung
bei
AbschniT
III. 2b. 117 Eine gewisse Ausnahme ist der Kommentar von D. E. Aune, der der Auslegung eines jeden AbschniTs eine sehr detaillierte Gliederungsübersicht voranstellt. Bei der Aus‑ legung
selbst
findet
die
Struktur
aber
oW
nur
geringe
Beachtung.

46

Der
Stand
der
Forschung

offenbarung konfrontiert: (1) Gliederung und Struktur des Textes, (2) Spra‑ che und Stil und (3) benutzte Traditionen und Quellen.118 Für die Frage der Strukturierung der Johannesoffenbarung hat bereits U. Vanni (1972; 2 1980) die bisherigen Vorschläge der Forschung kritisch gesichtet; er119 und R. Bauckham120 (1993) haben Kriterien für die Gliederung des Wer‑ kes benannt, die C. H. Giblin121 (1974) überzeugend auf Op 17–22 an‑ gewandt hat: StaT a priori von einer übergeordneten theologischen Idee (Rekapitulation) oder einem universalen Gliederungsprinzip (Sie‑ bener‑Schema) auszugehen, gilt es eindeutige Textsignale zu sammeln und
für
die
Gliederung
auszuwerten.122 Ähnlich überzeugende Lösungen stehen für die von der Johannes‑ offenbarung aufgeworfenen literarkritischen und sprachlichen Pro‑ bleme noch aus. Die in den neueren Kommentaren gebotenen Theorien zur Frage der Benutzung literarischer Quellen sind in sich selbst und untereinander ebenso widersprüchlich wie die Theorien zur Sprache der Johannesoffenbarung. In beiden Fällen ist der Konsens ein ober‑ flächlicher und vermeintlicher. Die nicht zu leugnenden logisch‑inhalt‑ lichen Brüche und die sprachlichen Härten konstituieren eine Art „Skizzenstil“, der einer Erklärung bedarf: Entsteht er durch Benutzung literarischer Quellen und mangelhaWe sprachlich‑literarische Fähigkei‑ ten des Vf.s, oder verdankt er sich absichtsvoller Planung? Diese Frage ist mit entscheidenden Implikationen für die Auslegung verbunden.

118 Dazu A‚•y, Johannes‑Apokalypse. RGG4 4, Sp. 545–547. Die Ausführungen von SŒz|†yx, Apokalypse des Johannes (TRE) 180–187, dagegen erwecken den Eindruck, die neuere Forschung habe alle derartigen Fragen hinreichend beantwortet. Vgl. auch die Anmerkungen zu den aktuellen Fragen und Problemen der Auslegung der Johannesoffenbarung
bei
B‡„ˆyz,
Forschung
3883–3886. 119 Vgl. V•••ƒ, StruTura 103–105. Die Gliederung des Textes habe von „elementi struTurali rilevabili“ (ebd. 105) ausgehend deduktiv zu erfolgen, nicht induktiv im Blick
auf
ein
vorgefasstes
formales
oder
thematisches
Gliederungsprinzip. 120 B•‚„…ˆ•Ž, Structure 1–3, hebt hervor, dass die Johannesoffenbarung ursprünglich für den mündlichen Vortrag gedacht war und ihre Gliederungssignale deshalb auch „hörbar“ sein müssen. Dies gilt nicht für diverse Inklusionen, komplizierte chiasti‑ sche
Strukturen
und
nicht
gezählte
Siebener‑Reihen. 121 Gƒ†xƒ•, Correlations 487f., betont den methodischen Anschluss an die Studie Vannis. Zur Akzeptanz seiner Gliederung von Op 17–22 in der Forschung A‚•y, Revelation (WBC)
ž„Ÿ–ž„Ÿƒƒ;
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
109f. 122 Überblicke zu den Gliederungsversuchen der Johannesoffenbarung finden sich bei V•••ƒ, StruTura 7–104; S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Composition 345–358; vgl. auch L•Ž‑ †zy„ˆŒ, Structuration 82–85. S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Composition 358–366, dagegen sucht für die gesamte Johannesoffenbarung eine konzentrische Struktur aufzuwei‑ sen. Nach A. Y. C|xxƒ••, Combat Myth 13–19, wiederum erweist sich die Sieben‑Zahl als durchgängiges Gliederungsprinzip, auch dort, wo die Visionen nicht explizit durchgezählt
werden
(12,1 – 15,4
und
19,11 – 21,8).

Desiderate
der
Forschung
und
Konzeption
der
Studie

47

Denn sind die Brüche und Härten des Textes künstlich und geplant, müssen sie als Bedeutungsträger und Elemente der Textstrategie ernst genommen werden.123 Andernfalls liefern sie Hinweise auf die soziale HerkunW des Vf.s und die „Vorgeschichte“ des Textes, sind aber keine Konstituenten der Intention des Textes.124 Da die richtige Wertung der logisch‑inhaltlichen Brüche und sprachlich‑stilistischen Härten zentral für das Verständnis des Textes ist, darüber in der Forschung aber kein Konsens besteht, ist es vor der Textanalyse nötig, die in der Forschung vertretenen Positionen zu beiden Problemfeldern zu sichten und auf ihre Tragfähigkeit hin zu prüfen, um daraus Kriterien für eine eigene verantwortete
Wertung
zu
gewinnen.

123 Der „Skizzenstil“ der Johannesoffenbarung wäre dann als ein stilistisches MiTel der Präsentation und Inszenierung des Vf.s zu verstehen, wodurch einerseits die Relati‑ on zwischen Vf. und Adressaten determiniert, andererseits der Text und sein Inhalt qualifiziert
werden
soll. 124 Die sprachlich‑stilistischen Härten und logisch‑inhaltlichen Brüche tragen dann nicht
unmiTelbar,
sondern
miTelbar
zum
Verständnis
des
Textes
bei.

III. Probleme
der
Analyse
der Johannesoffenbarung 1. Traditions‑
und
Quellenkritik a. Vorbemerkungen Seit der MiTe des 19. Jh.s war die Johannesoffenbarung Gegenstand von literarkritischen Überlegungen und Untersuchungen.1 Anlass dazu waren die zahlreichen Wiederholungen, DubleTen und Widersprüche innerhalb des Werkes sowie der Eindruck, einige AbschniTe befänden sich nicht am rechten Platz oder fügten sich nur schwer in ihren Kon‑ text. Man versuchte diese Beobachtungen durch die Benutzung (schriW‑ licher) Quellen zu erklären. Von der Rekonstruktion dieser Quellen er‑ ho•e man sich außerdem einen Beitrag zur Klärung ihrer inhaltlichen Probleme. Dabei wurden verschiedene Modelle für die Entstehung der Johannesoffenbarung entwickelt, die sich in drei Gruppen zusammen‑ fassen
lassen.2 (1) Die Kompilationshypothese geht davon aus, dass zwei oder meh‑ rere Apokalypsen (QuellenschriWen) durch einen Redaktor so mitein‑ ander verbunden wurden, dass man sie noch heute zumindest in ihrem Grundbestand rekonstruieren kann. Nach D. Völter (1882) habe ein Re‑ daktor unter Trajan in die bald nach 60 n. Chr. entstandene Urapoka‑ lypse des Sehers Johannes Teile einer SchriW des Kerinth (um 70) und eigenes Material eingearbeitet.3 G. J. Weyland (1888) nahm zwei jüdi‑ sche Apokalypsen an, bei deren Verbindung der christliche Redaktor neben der Einleitung und dem Schluss auch die Sendschreiben hinzu‑ 1

2

3

Vorausgingen die Adnotationes von Grotius (1644), die Commentationes von Vogel (1811–16) und einige andere; entscheidenden Einfluss haTe die Einleitung in das NT von
Schleiermacher
(publiziert
1852). Diese Einteilung folgt By„…–ƒŒˆ, Apocalypse 237f.; Vƒyxˆ•‚yz, Urchristliche Litera‑ tur 500; A‚•y, Revelation (WBC) „ž. Eine kurze Darlegung der im folgenden ge‑ nannten Positionen mit kritischer Wertung bei B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 108–118; By„…–ƒŒˆ,
Apocalypse
224–239;
M•ŠŠ•}yzzƒ,
Genre
8–32. V‡xŒyz, Entstehung der Apokalypse; er hat seine Theorie in den folgenden Jahren in mehreren Studien und Artikeln immer wieder modifiziert. Ihm folgt Ez†y•, Die Offenbarung
des
Johannes
(1891).

Traditions‑
und
Quellenkritik

49

fügte.4 F. SpiTa (1889) schließlich glaubte, neben der christlichen Urapo‑ kalypse
zwei
jüdische
Apokalypsen
rekonstruieren
zu
können.5 (2) Die Vertreter der Erweiterungshypothese nehmen eine oder meh‑ rere Überarbeitungen einer Urapokalypse (GrundschriW) in Form von späteren Erweiterungen und Einschüben an. E. Vischer (1886) sah in der Johannesoffenbarung eine ursprünglich jüdische SchriW mit spä‑ teren christlichen Einschüben; dabei geht er von der Beobachtung aus, dass die Johannesoffenbarung an vielen Stellen nicht oder kaum chris‑ tianisiert wirke und man die christlichen Zusätze streichen könne, ohne dass der Gesamtzusammenhang verloren gehe.6 A. Sabatier (1887) da‑ gegen plädierte für eine christliche GrundschriW mit jüdischen Ein‑ schüben.7 (3) W. Bousset (1896) dagegen ging davon aus, dass der Verfasser der Johannesoffenbarung eine unbekannte Zahl von mehr oder weni‑ ger umfangreichen QuellenschriWen benutzte, von denen sich keine ganz oder zumindest noch in ihren Grundzügen rekonstruieren lasse, da er aus ihnen nur unterschiedlich lange AbschniTe („Fragmente“) in sein Werk übernommen habe; man spricht deshalb auch von der Fragmentenhypothese.8 Im Anschluss an den Kommentar von E. Lohmeyer (1926) setzte sich endgültig die Ansicht durch, die von den Vertretern einer Quellen‑ scheidung vorgebrachten Argumente ermangelten der Eindeutigkeit; die Johannesoffenbarung erweise sich hinsichtlich Sprache und Stil als ein einheitliches Werk und zeige eine planvolle und sorgfältige Kompo‑ sition.9 DubleTen und Unstimmigkeiten seien traditions‑ und überliefe‑

4

5 6

7 8

9

Wy~x••€, Omwerkings‑en Compilatie‑Hypothesen toegepast on de Apokalypse van Johan‑ nes. Der christliche Redaktor sei mechanisch vorgegangen, wie die fehlende Einheit‑ lichkeit
des
Werkes
und
sein
oW
nur
oberflächlich
christlicher
Charakter
zeigen. S›ƒŒŒ•,
Die
Offenbarung
des
Johannes. Vƒ•„ˆyz, Die Offenbarung Johan, eine jüdische Apocalypse in christlicher Bearbeitung. Sei‑ nem Ansatz folgt R•‚„ˆ, Die Offenbarung des Johannes untersucht nach ihrer Zusam‑ mensetzung
und
der
Zeit
ihrer
Entstehung
(1894). S•†•Œƒyz, Les Origines Li[éraires et la Composition de l’Apocalypse de Saint Jean. Auf Sa‑ batier
baut
S„ˆ|y•,
L’Origine
de
l’Apocalypse
des
Saint
Jean
(1887)
auf. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 116. Als Vorgänger Boussets können in gewisser Weise WyƒŠ•§„…yz, Das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche (1886) und S„ˆŽƒ€Œ, An‑ merkungen über die Composition der Offenbarung Johannis (1891) gelten; ähnlich auch Bzƒ‹‹•,
The
Messiah
of
the
Apostels
(1895). So Axx|, L’Apocalypse (EtB) „xžƒŸ u. „xžƒžf.; L. L. Tˆ|Ž›•|•, Revelation 37–73; S–y‑ Œy, Revelation žxŸƒ–xƒŸ; M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 145f.; L|ˆ•y, Entstehung 141f.; ders., Offenbarung (NTD) 7; ähnlich H. E. Weber (1922), Th. Zahn (31924), F. D. Maz‑ zaferri (1989) und R. Bauckham (1993). A‚•y, Revelation (WBC) „ƒž, bemerkt dazu: „In recent years it has been claimed that analysis of language and style indicates that

50

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

rungsgeschichtlich zu erklären.10 Mehrere Ausleger versuchten eine Er‑ klärung, die sowohl dem Anliegen der Literarkritik als auch der dagegen angeführten sprachlichen und stilistischen Einheitlichkeit ge‑ recht werden sollte. Deshalb nimmt M. É. Boismard an, ein späterer Re‑ daktor habe zwei verschiedene Apokalypsen desselben Verfassers zu‑ sammengearbeitet und um die Sendschreiben ergänzt.11 H. KraW (1974) geht von der Überarbeitungshypothese (Erweiterungshypothese) aus, jedoch habe der Verfasser selbst sein Werk mehrfach überarbeitet und so einer jeweils neuen Situation angepasst.12 Hierher gehört auch der Versuch von P. Gaechter; nach ihm habe der Seher einem Schüler seine Visionen zusammenhängend mitgeteilt, der sie dann aus dem Gedächt‑

10

11

12

the linguistic peculiarities of Revelation are not restricted to particular sections of the composition but permeat the book. If true, this means that there is no firm linguistic or stylistic basis on which to base theories of extensive earlier sources by different authors that have somehow been combined to form Revelation in its present state.“ Allerdings muss – wie auch Aune festhält – gefragt werden, ob diese behauptete sprachliche (und kompositorische) Einheitlichkeit nicht übertrieben wird. Auf die‑ sen Punkt und, inwiefern eine mögliche sprachliche Homogenität der Johannes‑ offenbarung die Benutzung schriWlicher (!) Quellen tatsächlich in Frage stellt, wird im
Folgenden
zurückzukommen
sein. Vgl. L|ˆŽy~yz, Offenbarung (HNT) 191f. In diese Richtung tendieren etwa die Kom‑ mentare von J. Roloff (1984) und U. B. Müller (1984). H. Giesen (1986 und 1997) lässt die Frage offen, scheint aber zu einer traditionsgeschichtlichen Erklärung zu ten‑ dieren; so etwa ders., Offenbarung (RNT) 295–299, zu Op 12. Vgl. auch SŒz|†yx, Apokalypse. TRE 3, 181; S„ˆ•yxxy, Einleitung 537. Nach Wƒ…y•ˆ•‚•yz / S„ˆŽƒ€, Ein‑ leitung 641, müssen die literarkritischen Versuchen zur Johannesoffenbarung schon deshalb scheitern, „weil der Verfasser, wenn er wirklich schriWliche Quellen verwer‑ tet haben sollte, diese sprachlich umgegossen und in ihrem theologischen Gehalt ganz in sein Werk eingearbeitet hat“; ähnlich Bz|yz, Einleitung (NEB) 664; KwŽŽyx, Einleitung
409;
By„…–ƒŒˆ,
Apocalypse
220–222. B|ƒ•Ž•z€, L’Apocalypse 505–510, geht von der Beobachtung aus, dass sich zwischen den Kap. 4–9 einerseits und den Kap. 12–16 andererseits ein strikter Parallelismus be‑ obachten lässt. „On en vient alors à se demander si l’Apocalypse, telle que nous la lisons actuellement, ne serait pas en fait la fusion de deux séries parallèles de visions prophétiques (1). CeTe hypothèse semble se heurter à une très grave objection: les commentateurs modernes abandonnent de plus en plus ces théories qui tendent à distinguer des éscrits différents combinés par un rédacteur; l’unité de style en effet, ce style inimitable de l’Apocalypse, oblige à reconnaître qu’une même main a rédigé l’ouvrage dans sa totalité (2). Cʹest vrai; mais une distinction de deux séries par‑ allèles de visions prophétiques n’entraîne pas une distinction de leurs auteurs; on peut les supposer toutes deux écrites par la même plume, bien qu’à des époques différents, et l’objection tirée de l’unité de style ne vaut plus contre la distinction des deux
écrits
primitifs“
(ebd.
509).
Zur
Kritik
M•ŠŠ•}yzzƒ,
Genre
14–22. Im einzelnen Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 11–15. Allerdings bleibt KraWs Theorie recht vage; offensichtlich nimmt er an, dass die Überarbeitung in drei Hauptphasen erfolgte. Im Blick auf die Traditionsgebundenheit des Verfassers äußert er sich wi‑ dersprüchlich.
Vgl.
A‚•y,
Revelation
(WBC)
„žŸf.

Traditions‑
und
Quellenkritik

51

nis niederschrieb. Die inhaltlich‑logischen Störungen seien zum einen auf die erzählerischen Eigenarten des Sehers, zum anderen auf das Ver‑ sagen
der
Erinnerung
des
Schülers
zurückzuführen.13 Liegt die Lösung der literarkritischen Frage also darin, Quellen oder Überarbeitungen zwar anzunehmen, sie aber einem einzigen Au‑ tor zuzuschreiben? Oder müssen alle literarkritischen Versuche, die meinen, in der Johannesoffenbarung verschiedene „Hände“ unterschei‑ den oder gar Quellenschichten isolieren zu können, heute als erledigt gelten?14 Man sollte jedoch nicht übersehen, dass konkrete Beobachtun‑ gen am Text, d. h. logisch‑inhaltliche, aber auch formale Brüche und Spannungen, zur Vermutung geführt haben, die Johannesoffenbarung enthalte in größerem Umfang älteres schriWliches Material. Finden die Problem der Kap. 7; 11; 12; 13; 17f. tatsächlich allein vor dem Hinter‑ grund mündlicher Traditionen eine hinreichende Erklärung?15 Es emp‑ fiehlt sich daher zunächst eine kurze kritische Überprüfung exemplari‑ scher literarkritischer Versuche zur Johannesoffenbarung im Hinblick darauf, welche ihrer Argumente tatsächlich widerlegt und welche noch immer Geltung besitzen, sowie welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.16 Im Anschluss daran gilt es Kriterien für die literarkritische Un‑

13

14

15

16

Zur Begründung der Hypothese G•y„ˆŒyz, Memory 220–225. Dass der „Herausge‑ ber“ die Johannesoffenbarung aus der Erinnerung an die Erzählungen seines Leh‑ rers schreibt, dient auch zur Erklärung der im Anschluss an Charles angenommenen „Unordnung“ der Kap. 20–22; vgl. G•y„ˆŒyz, Original Order 516–521. Von Charles und Gaechter abhängig ist auch die eigenartige Theorie von F|z€, Revelation (AB) 30–46, die die Johannesoffenbarung auf Johannes den Täufer und seinen Jüngerkreis zurückführen
möchte;
zur
Kritik
an
Ford
M•ŠŠ•}yzzƒ,
Genre
26–29. Geradezu apodiktisch formuliert dies zuletzt O•†|z•y, Revelation (BECNT) 29: „The structure as it is makes a great deal of sense and fits together rather well. Thus there is no need to develope a complicated theorie of editorial strata. The unity of the book, both in language and in structure, seems evident from the data, and theories of
composition
are
ultimately
unnecessary.“ Eine Zusammenstellung derjenigen AbschniTe der Op, die immer wieder zum Ausgangspunkt literarkritischer Überlegungen genommen werden, findet sich z. B. bei Wƒ…y•ˆ•‚•yz / S„ˆŽƒ€, Einleitung 640f.; S„ˆ•yxxy, Einleitung 537; Vƒyxˆ•‚yz, Urchristliche
Literatur
500. Eine nochmalige Überprüfung der literarkritischen Versuche ist berechtigt und ge‑ boten, da entgegen dem von manchen neueren Kommentaren erweckten Eindruck die Quellenscheidung, zumal in Form der Fragmententheorie, noch immer etliche Vertreter hat. Vƒyxˆ•‚yz, Urchristliche Literatur 500f., geht davon aus, dass die Op etliche nach Art und HerkunW verschiedene Fragmente enthält, die der Seher teils gar nicht, teils verschieden stark überarbeitet hat; nicht klar allerdings sei, ob ihm diese Fragmente schriWlich oder mündlich vorlagen. S„ˆy•…y / Fƒ•„ˆyz, Einleitung 2, 288f., sind der Meinung, dass man zumindest innerhalb der AbschniTe 7,1–8; 11,1– 13; 12,1–17; 13; 17–18 ohne die Annahme von schriWlichen Quellen nicht auskommt. In dieselbe Richtung weisen auch die Untersuchungen von Bergmeier, auf die noch

52

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

tersuchung von Op 20 (und der Johannesoffenbarung insgesamt) zu formulieren.

b. Kritisve
Wertung
literarkritisver
Versuve
zur Johannesoffenbarung Zuerst sollen die älteren literarkritischen Versuche von J. Weiß (1904), J. Wellhausen (1907) und R. H. Charles (1920) herangezogen werden. Diese Auswahl mag willkürlich scheinen, doch ist sie insofern gerecht‑ fertigt, als die genannten Vertreter ihre Positionen in Auseinanderset‑ zung mit der vorausgegangenen Forschung formulierten und deshalb eine Art kritische Synthese der älteren literarkritischen Forschung bil‑ den. Dies leistet für die neuere Forschung der Kommentar von D. E. Aune (1997/98). Mit R. Bergmeier (1984/85/88) soll abschließend ein neuerer Vertreter der Fragmententheorie zu Wort kommen, da ihr – sogar von gegenüber der Literarkritik eher skeptischen Forschern – heute
noch
am
ehesten
ein
gewisses
Recht
zugestanden
wird.17 (1) J. Weiß geht von einer auf der mündlichen Überlieferung fußenden GrundschriW aus, die ein späterer Redaktor überarbeitet und durch Einschübe erweitert hat; dabei benutzte er wohl Teile eine „Tier‑Apoka‑ lypse“. Er wendet sich explizit gegen eine Literarkritik, die sich damit begnügt, Widersprüche und Brüche aufzudecken und daraus auf Quel‑ len und Überarbeitungen zu schließen. Es gehe vielmehr darum, den Redaktor nicht nur als einen mechanischen Kompilator, sondern als

17

gesondert einzugehen ist. Auch die Positionen neuerer Kommentare bleiben trotz ih‑ res Votums für literarische Einheitlichkeit letztlich widersprüchlich. Was etwa hat man sich bei R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 21f., unter einer „vorgeprägten Tradition“, „vorgegebenem Material“ und Überlieferungen, die „unter der dünnen Decke der Interpretation gleichsam noch ihr Eigenleben“ führen, vorzustellen. Auch U. B. Mwx‑ xyz, Offenbarung (ÖTK) 38f., lehnt zunächst die traditionellen Hypothesen ab, ge‑ steht aber zugleich dem Urteil Bultmanns volles Recht zu, dass es noch immer me‑ thodisch geboten sei, mit schriWlichen Quellen zu rechnen. Ähnlich Mwxxyz‑Fƒy†yz‹, Jerusalem 142f., die jedoch die Entscheidung offen lässt, zumal sie den Wert einer li‑ terarkritischen Analyse für die Interpretation als eher fraglich beurteilt. Die Frage nach Umfang und Art der Benutzung vorgängiger Literatur (Prätexte) ist jedoch für das besser Verständnis eines literarischen Werkes und der Eigenart seines Vf.s kei‑ neswegs nebensächlich, selbst wenn der Ertrag nicht mehr sein sollte, als dass der Vf. literarische Vorlagen benutzt hat und es ihm nicht an allen Stellen seines Werkes gelang,
diese
widerspruchsfrei
zu
verbinden. So bei U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 39; Wƒ…y•ˆ•‚•yz / S„ˆŽƒ€, Einleitung 641f.; S„ˆ•yxxy,
Einleitung
535;
A‚•y,
Johannes‑Apokalypse.
RGG4
4,
Sp. 546f.
u. a.

Traditions‑
und
Quellenkritik

53

eigene künstlerische Persönlichkeit zu erfassen und die Motive aufzu‑ decken,
die
hinter
seiner
Arbeit
stehen.18 Den Grund für die Überarbeitung sieht J. Weiß in einer veränderten zeitgeschichtlichen Situation und in der Absicht des Redaktors, die überkommene „Prophetie“ zu aktualisieren und auf seine Gegenwart zu beziehen. Die Ur‑Apokalypse wisse noch nichts von einer Verfol‑ gung; sie beruhe auf erlebten Visionen, die der „Seher“ nach alTes‑ tamentlichen und apokalyptischen Vorbildern stilisiert haTe. Da sie die Existenz Jerusalems voraussetzt, muss sie noch vor dem Ende des jüdi‑ schen Krieges, also Anfang der 60er Jahre geschrieben sein. Die Bear‑ beitung dagegen gehe von einer Situation der Verfolgung aus, die J. Weiß in der Zeit Domitians (81–96) gegeben sieht.19 Diese beiden ver‑ schiedenen zeitgeschichtlichen Situationen dienen als Kriterium der Scheidung von GrundschriW und Bearbeitung. Auf dieser Grundlage gewinnt J. Weiß als weiteres Unterscheidungskriterium die Persönlich‑ keit des Sehers und des Redaktors. Die Ur‑Apokalypse sieht er als „Werk eines jüdischen Apostels, der durch die Schule des Paulus hin‑ durchgegangen ist“20. Typisch für den Redaktor dagegen sind drängen‑ de Naherwartung, Märtyrertheologie und glühende FeindschaW gegen Rom. Führt man anhand dieser Kriterien eine Quellenscheidung durch, gewinne man Disposition und Umfang der ursprünglichen Apokalyp‑ se, die sich nicht nur als Fragment, sondern als „wohlabgerundetes Ganzes“
präsentiert.21 Der Entwurf von J. Weiß belegt, dass – entgegen der Behauptung vieler Gegner der Literarkritik – die redaktionelle Verbindung von QuellenschriWen und ein geplant durchgestaltetes Werk einander nicht ausschließen müssen.22 Der Redaktor gewinnt bei J. Weiß durchaus ein 18

19 20 21 22

So Wyƒ••, Offenbarung 1. Die Arbeit des Herausgebers/Redaktors charakterisiert er entsprechend so: „Denn die Arbeit des Redaktors war eben kein so mechanisches Flickwerk, daß durch Entfernung einiger Worte die Vorlage leicht hergestellt werden könnte. … Denn es ist ja gerade ein Hauptcharakteristikum des Herausgebers, daß er im Allgemeinen die verschiedenartigen und fragmentarischen Bilder aus‑ und an‑ zugleichen sucht, indem er eine gewisse Einheitlichkeit der Darstellung und des Stils durchführt“ (ebd. 71). Dabei hat er nicht nur in die GrundschriW, sondern auch in das daneben benutzte (schriWliche) Material eingegriffen. Freilich bleibt sein Ver‑ fahren dennoch weitgehend kompilierend und kombinierend, so dass seine Einfü‑ gungen und Überarbeitungen oW den ursprünglichen Zusammenhang deutlich stö‑ ren;
vgl.
ebd.
114f. Zu den beiden unterschiedlichen zeitgeschichtlichen Hintergründen im einzelnen vgl.
etwa
Wyƒ••,
Offenbarung
38–42
u.
45–50 Wyƒ••,
Offenbarung
112. Vgl.
Wyƒ••,
Offenbarung
111f. Allerdings ist an diejenigen, die unter Verweis auf die „kompositionelle und struk‑

54

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

eigenes Profil und er zeigt eine eigene Intention; durch seine redaktio‑ nelle Bearbeitung gibt er dem Werk ein eigenes und neues Gepräge. Die Kleinteiligkeit der von J. Weiß angenommenen Bearbeitungsschich‑ ten sowie die oW weitgehenden Eingriffe des Redaktors in die Grund‑ schriW bis hin zur Umformulierung ganzer AbschniTe lassen fragen, in‑ wiefern eine solche GrundschriW überhaupt noch rekonstruierbar sein kann.23 Das von J. Weiß erschlossene Traditionsgut lässt sich insgesamt kaum
zwingend
zu
einer
zusammenhängenden
SchriW
verbinden. Da J. Weiß zudem die synoptische Apokalypse (Mk 13 parr.) und apokalyptische Aussagen bei Paulus als Modell für die Rekonstruktion der GrundschriW dienen, besteht die Gefahr, dass hier nicht die Grund‑ schriW, sondern eine Wunsch‑Apokalypse rekonstruiert wird.24 Fraglich ist auch, ob sich durch einen a priori postulierten gemeinsamen zeitge‑ schichtlichen Hintergrund eine GrundschriW konstituieren und von einer Bearbeitung mit wieder eigenem zeitgeschichtlichen Hintergrund trennen lässt.25 Die Konstruktion der Persönlichkeit des Sehers und des Redaktors als Differenzierungskriterium birgt die Gefahr der Psycholo‑ gisierung in sich. Dies heißt aber nicht, dass auch die zugrunde liegen‑ den Beobachtungen am Text zu verwerfen sind. Der Text der Johannes‑ offenbarung bietet zahlreiche Auffälligkeiten, die seine literarische

23 24

25

turelle Einheitlichkeit“ der Johannesoffenbarung die quellenkritische Frage strikt ab‑ lehnen, die Frage zu stellen, worin den eigentlich genau diese Einheitlichkeit beste‑ he. Darauf hat A‚•y, Revelation (WBC) „Ÿƒƒ–„ƒž, gegen Weber, Mazzaferri und Bauckham hingewiesen; die Johannesoffenbarung besitze nicht „the kind of narrati‑ ve unity oWen presupposed by narrative critiques. There is, for example, liTle or no continuity in the dramatis personae that appear in the embedded episodic narratives [i. e. AbschniTe wie Op 12]. What Revelation does possess is a plethora of literary devices linking the various parts of the text together, though not always in a comple‑ tely successful manner. Revelation is a ‘unity’ because the author has worked dili‑ gently, even ingeniously, at the task of linking units of text that were not originally designed to fit together“ (ebd. „Ÿƒƒƒ). Diese Beobachtung hindert ihn später aber nicht, seine eigene Entstehungshypothese auf der Annahme stilistischer und kompo‑ sitorischer
Einheitlichkeit
der
Johannesoffenbarung
aufzubauen. So
z. B.
Wyƒ••,
Offenbarung
53–57,
zu
Op
4–5. Hier zeigt sich die Zeitbedingtheit des Entwurfs von J. Weiß; im Hintergrund steht die sog. Konsequente Eschatologie, die von einer einheitlichen eschatologischen Stimmung des Urchristentums ausgeht. Was nicht auch in den Evangelien und bei Paulus steht, kann demnach auch ursprünglich nicht in der Op gestanden haben. Zur
Konsequenten
Eschatologie
G. M•ƒyz,
Johannesoffenbarung
116–128. Damit erweist sich die im 19. Jh. vorherrschende zeitgeschichtliche Erklärung der Jo‑ hannesoffenbarung als eine Wurzel literarkritischer Fragen, da sich bei der Analyse zeigte, dass die Johannesoffenbarung sich vor einem einzigen zeitgeschichtlichen Hintergrund nicht stimmig erklären lässt. Verschiedene zeitgeschichtliche Hinter‑ gründe aber deuten auf verschiedene Entstehungszeiten und damit letztlich auch auf
verschiedene
Schichten
innerhalb
des
Werkes.

Traditions‑
und
Quellenkritik

55

Integrität in Frage stellen und damit literar‑ und quellenkritische Über‑ legungen zumindest rechtfertigen. Der Befund ist bei J. Weiß also zwar durchgehend stimmig, die Lösung der Probleme aber nicht immer überzeugend. (2) J. Wellhausen ist primär ein Vertreter der Fragmententheorie. „Der Verfasser, der sich Johannes nennt, hat vielfach Vorlagen benutzt. Er hat sie jedoch nicht unverändert aufgenommen, sondern seinem Werk assimiliert, nicht bloß durch Einleitungen, Zwischenstücke und Auslei‑ tungen, sondern auch durch innere Überarbeitung. Und noch nach ihm scheint eine Überarbeitung in anderer Weise und kleinerem Maßstab sich fortgesetzt zu haben.“26 Unter dem aufgenommenen Material be‑ fanden sich bereits längere zusammenhängende Stücke, wie die Send‑ schreiben und die drei Plagen‑Hebdomaden, die vom Verfasser erwei‑ tert und stellenweise umgearbeitet wurden.27 Die heutige Apokalypse sei in der Zeit der Christenverfolgung unter Domitian entstanden, da für Christen nur vor diesem Hintergrund der grimmige Römerhass der SchriW motiviert sein kann. Die aufgenommenen Stücke zeigen davon noch nichts, sind demnach also wohl älter, wenn sie auch, abgesehen von 11,1.2 und 12,1–17, bereits auf die Zerstörung Jerusalems zurück‑ blicken.28
Ein
Teil
der
Vorlagen
zeige
unstriTig
jüdischen
Charakter. Wenn auch die Ausführungen von J. Wellhausen sehr knapp blei‑ ben, gewinnt man bei der Lektüre doch den Eindruck, dass man bei der Analyse der Johannesoffenbarung letztlich ohne die Annahme schriWli‑ cher Vorlagen nicht auskommt; besonders eindringlich zeigt dies seine Analyse von Op 12, wo sich eindeutig jüdische Quellenschichten und christianisierende Zusätze deutlich voneinander unterscheiden lassen.29 Insgesamt scheint J. Wellhausen einen gangbaren Weg aufzuzeigen, wenn auch eine methodische Präzisierung notwendig ist. Problema‑

26 27 28 29

Wyxxˆ•‚•y•,
Offenbarung
3. Näheres
zu
diesen
AbschniTen
Wyxxˆ•‚•y•,
Offenbarung
4–9. 10–12. 12–14. 25f. Vgl.
Wyxxˆ•‚•y•,
Offenbarung
3f. Die vv. 1–6 (A) und vv. 7–9.13–14 (B) erweisen sich als zwei parallele Varianten einer Tradition, die in den gemeinsamen Schluss vv. 15–17 (C) münden. B kann nicht die Fortsetzung von A sein, da er uns nach dem Drachensturz erneut in den Himmel versetzt. Die vv. 10–12 zeigen die Phraseologie des Vf.s, der auch in den vv. 3.5.9.17 Zusätze gemacht hat. Insgesamt sind die Übergänge so hart und bleibt der Charak‑ ter des AbschniTes so stark jüdisch, dass er auf der Basis eines bloßen Rückgriffs auf die allgemeine mythische Überlieferung kaum erklärbar ist. Alles deutet letztlich auf die Benutzung literarischer Quellen. Im einzelnen bei Wyxxˆ•‚•y•, Offenbarung 18– 21. Die Analyse Wellhausens zeichnet sich gegenüber Wyƒ••, Offenbarung 82–91, durch
ihre
Klarheit
und
Einfachheit
aus.

56

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

tisch ist – wie schon bei J. Weiß – die starke Betonung der zeitgeschicht‑ lichen Fragestellung als Kriterium der Scheidung von Quellenmaterial und Bearbeitung.30 Bei einem Großteil des verarbeiteten Materials wird schon aufgrund des fragmentarischen Charakters die Bestimmung der Entstehungssituation und damit eine Datierung kaum mehr möglich sein; außerdem wird ein Teil des aufgenommenen Materials selbst eine längere Geschichte hinter sich haben. Damit scheint es fraglich, mit J. Wellhausen die Entstehungszeit des aufgenommenen Materials auf die
Jahre
von
60
bis
70
n. Chr.
zu
beschränken. (3) Nach R. H. Charles zeigt die Johannesoffenbarung bis 20,3 große Einheitlichkeit und kontinuierliche Entwicklung des Gedankens; ab 20,4 finden sich Unordnung und Widersprüche. Daraus folgert er, dass ein Schüler nach dem Tod des Verfassers dessen Werk vollendete, wozu er von seinem Lehrer vorbereitetes Material benutzte. Da er aber die Konzeption seines Lehrers nicht verstanden habe, sei es ihm nicht ge‑ lungen, das hinterlassene Material in die richtige Ordnung zu brin‑ gen.31 Störungen und Unebenheiten im Rest des Werkes rühren zum einen von Interpolationen dieses Schülers her zum anderen davon, dass auch schon der Lehrer (Verfasser) für sein Werk Quellen benutzte, die er weitgehend ihrem neuen Kontext anpasste, jedoch vor der defini‑ tiven Überarbeitung seines Werkes starb. R. H. Charles nennt sprachli‑ che und stilistische Kriterien, miTels derer sich die Hand des Verfassers und
die
seines
Schülers
unterscheiden
lassen.32 Die vom Verfasser benutzten Quellen unterscheidet R. H. Charles hinsichtlich ihrer Sprache: Es sei davon auszugehen, dass der Verfasser einen Teil der Quellen bereits in Griechisch vorfand und andere ins Griechische übertrug; bei manchen AbschniTen, wird man nicht mehr entscheiden können, ob sie griechisch oder hebräisch vorlagen.33 Wenn

30

31 32

33

Wyxxˆ•‚•y•, Offenbarung 34, ist sich dieses Problems durchaus bewusst und weist deshalb darauf hin, „dass es für die Analyse der Apokalypse nichts ausmacht, wenn eine allgemeine Christenverfolgung erst später als Domitian eingetreten ist – wenn nur
nicht
früher“. Vgl.
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, xf. Die Interpolationen des Schülers zeigen, dass er zwar besser Griechisch konnte als sein Lehrer, ihn aber nicht verstanden hat; vgl. Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, xƒ–xŸƒƒƒ, hier auch eine Liste der Interpolationen. Zur Diktion des Schülers im Unterschied zu seinem
Lehrer
vgl.
die
Liste
ebd.
1, xƒ. So Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, xžƒƒ: „Nearly one‑fiWh of his text appears to be based on sources, i. e. 7 1–8 11 1–13 12–13 (15 5–8 ?) 17–18. These sources he has adapted to his own purposes, and in the course of such adaption has, except in certain details, transformed their meaning. (a) Sources he found in Hebrew or Greek. (b) Sources he

Traditions‑
und
Quellenkritik

57

man die Eingriffe des Schülers in 1,1 – 20,3 beseitige und 20,4 – 22,21 in die vom Verfasser beabsichtigte Ordnung bringe, zeichne sich die Jo‑ hannesoffenbarung gegenüber allen jüdischen Apokalypsen durch größere Einheitlichkeit des Gedankens und der Sprache aus.34 Hier zeigt sich letztlich eine analoge Problematik wie bei der Rekonstruktion einer Ur‑Apokalypse: Der dem Verfasser kongeniale Ausleger entdeckt dessen ursprünglich intendiertes Werk wieder und verscha• ihm Gel‑ tung
und
Anerkennung.35 Fraglich scheint, inwieweit die behauptete sprachlich‑stilistische Einheitlichkeit der „ursprünglichen“ Johannesoffenbarung nicht erst das Ergebnis einer „Bereinigung“ durch den Ausleger ist, da ihr er‑ schlossener genialer Verfasser für R. H. Charles auch zum Kriterium der Textkritik bis hin zu Emendationen wird.36 Da R. H. Charles bei seiner literarkritischen Analyse von einer positiven Grundeinstellung gegen‑ über dem Verfasser und seinem Werk geleitet wird und er die Homo‑ genität und Konsistenz der Johannesoffenbarung aufzeigen will, ist es umso bedeutender, dass er dennoch auch in der rekonstruierten Ideal‑ Apokalypse gewisse Unstimmigkeiten sieht, die auf die Benutzung (schriWlicher) Quellen durch den Verfasser schließen lassen. Entschei‑ dend ist der Hinweis, es sei damit zu rechnen, dass dem Verfasser Quellen in unterschiedlichen Sprachen vorlagen. Man wird hier aller‑ dings weiter differenzieren müssen: in griechische, bibelhebräische, mischnahebräische und aramäische Texte.37 Bei den griechischen Texten wird es sich sowohl um ursprünglich griechisch komponierte als auch um
Übersetzungen
aus
dem
Aramäischen
und
Hebräischen
handeln. (4) D. E. Aune steht mit seiner Lösung in der Tradition von H. KraW. Der Verfasser selbst habe sein Werk mehrmals überarbeitet. Er komponierte

34 35

36

37

found in Greek. (c) Sources he found in Hebrew.“ Zu (a) 7,1–8 vor 70 n.; zu (b) 7,1– 3.4–8; 11,1–3 vor 70, aus zwei älteren Frg.s; 12 aus zwei jüd. Quellen; 17–18 bereits aus
zwei
hebr.
Quellen
übersetzt;
zu
(c)
13
aus
drei
hebr.
Quellen;
evtl.
auch
15,5–8. Im
einzelnen
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, xžžžŸƒƒ–xžžžƒž. Näheres zu dieser hermeneutischen Problematik und ihren geistesgeschichtlichen Wurzeln OyŽƒ•‹, Hermeneutik 15f.; der wichtigste Theoretiker einer solchen „Au‑ tor‑Hermeneutik“ ist F. D. E. Schleiermacher (1768–1834). Vgl. auch A‚•y, Revelation (WBC)
„žŸƒƒƒf. So auch A. Y. C|xxƒ••, Combat Myth 11; M•ŠŠ•}yzzƒ, Genre 11. Kritisch wäre zudem anzumerken, dass es sich bei dem von Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, xžžžŸƒƒƒ, als Be‑ leg für die sprachlich‑stilistische Einheitlichkeit der Johannesoffenbarung aufgeliste‑ ten
Material
meist
um
Wiederholungen
oder
parallele
Konstruktionen
handelt. Mit Quellen in diesen Sprachen ist wegen der Mehrsprachigkeit Palästinas im 1. Jh. n. Chr.
zu
rechnen;
vgl.
den
Exkurs:
„Sprachen
in
Palästina
im
1.
Jh. n. Chr.“.

58

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

um 50/60 zwölf eigenständige kurze apokalyptische Texte, die jetzt in 4,1 – 22,9 verarbeitet sind: 7,1–17; 10,1–11; 11,1–13; 12,1–18; 14,1–20; 17,1–18; 18,1–24; 19,11–16; 20,1–10; 20,11–15; 21,9 – 22,5. Ihre isolierte Stellung und die sich in ihnen zeigenden divergierenden zeitgeschicht‑ lichen Hintergründe lassen erkennen, dass sie nicht für ihren heutigen Kontext konzipiert wurden.38 Einige davon zeigen noch einen starken jüdischen Charakter; dies mag zum Teil auf der Überarbeitung älterer Texte beruhen, zum Teil darauf, dass der Verfasser sie vor seiner Kon‑ version zum Christentum schrieb.39 Für diese schuf er nach dem Fall Jerusalems einen größeren narrativen Rahmen in Form eines übergrei‑ fenden eschatologischen Szenarios; dabei fügte er in die zwölf vorlie‑ genden Texte verklammernde und christianisierende Erweiterungen ein.40 In den Jahren zwischen 90 und 110 stellte er seinem Werk das Ein‑ leitungskapitel und die sieben Sendschreiben (cc. 1–3) voran und fügte den SchlussabschniT 22,5–21 an; diese Erweiterungen unterscheiden sich
theologisch
deutlich
vom
Rest
des
Werkes.41 Wie schon bei H. KraW gilt für den Versuch D. E. Aunes, dass er so‑ wohl dem offensichtlich berechtigten literarkritischen Anliegen als auch einer behaupteten sprachlich‑stilistischen Einheitlichkeit der Jo‑ hannesoffenbarung gerecht werden will; dies überrascht, da er zuvor die sprachliche Homogenität des Werkes deutlich relativierte.42 Fraglich ist auch, ob diese Theorie tatsächlich dem von D. E. Aune geforderten

38

39 40 41

42

Diese zwölf ehemals selbständigen in sich geschlossenen Einheiten sind daran zu er‑ kennen, dass sie im Kontext isoliert sind; die Verbindungen zum Gesamtwerk sind sekundär. Methodisch liegt hier allerdings ein Zirkelschluss vor: Aune scheidet alles Verbindende als sekundär aus, um dann die Isolierung im Kontext zu konstatieren. Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) „žƒžf. u. „žžƒƒf.; ders., Johannes‑Apokalypse. RGG4 4, Sp. 544f. Zu den unterschiedlichen zeitgeschichtlichen Hintergründen und dem dar‑ aus
gefolgerten
längeren
Entstehungsprozess
des
Wekes
vgl.
A‚•y,
ebd.
Sp. 542. Vgl.
A‚•y,
Revelation
(WBC)
žxƒžf.
und
„žžƒf. Zur
zweiten
Ausgabe
und
ihrer
Eigenart
vgl.
A‚•y,
Revelation
(WBC)
„žžƒƒƒ–„žžžƒƒ. Obwohl Aune wegen der relativen Einheitlichkeit gegen QuellenschriWen unter‑ schiedlicher Vf.s und gegen einen vom ursprünglichen Autor verschiedenen Redak‑ tor votiert, spricht er nun von einem „strikingly different theological character“ der ersten Ausgabe gegenüber den Erweiterungen der zweiten und von stilistischen Un‑ terschieden dieser Erweiterungen (Op 2–3) bis hin zu ihrer paränetischen Termino‑ logie; vgl. A‚•y, Revelation (WBC) „žžžƒƒ–„žžžƒŸ; so auch M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 146. Nach U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 39f., hingegen stimmen Sendschrei‑ ben und apokalyptischer HaupTeil sprachlich überein und eine unterschiedliche his‑ torische Situation beider Teile sei nicht feststellbar. Zur ursprünglichen Zusammen‑ gehörigkeit der sieben Sendschreiben mit dem apokalyptischen HaupTeil vgl. auch bei
AbschniT
IV. 4b. Vgl.
A‚•y,
Revelation
(WBC)
„ƒž.

Traditions‑
und
Quellenkritik

59

Kriterium der Einfachheit und Durchsichtigkeit gerecht wird.43 Denn ist es letztlich vorstellbar, dass sich Sprache und Stil des Verfassers bei einer Entstehungszeit von immerhin zwischen 30 und 60 Jahren nur unwesentlich verändert haben; oder will man annehmen, dass er das ältere Material jedesmal einer sprachlichen Überarbeitung unterzog? Hinzu käme im Fall der Johannesoffenbarung, dass es dem wohl aus Palästina stammenden Verfasser im Laufe eines zwanzig‑ bis fünfzig‑ jährigen Aufenthalts in Kleinasien nicht gelungen ist, seine Griechisch‑ kenntnisse
merklich
zu
verbessern. Will man sich nicht in einen gesuchten heiligen Stil flüchten, bliebe nur noch, um die Hypothese zu reTen, die sprachlich‑stilistische Ein‑ heitlichkeit zu relativieren. Aber warum hält man dann nicht an der wesentlich einfacheren Fragmentenhypothese fest? D. E. Aune selbst übersieht, dass seine Entstehungshypothese letztlich nur die isolierte Stellung der genannten zwölf AbschniTe sowie gewisse inhaltliche Ab‑ weichungen in den Anfangskapiteln und im SchlussabschniT erklären kann. Wie aber erklären sich störende Spannungen und Brüche inner‑ halb eng umgrenzter Texteinheiten? Spätestens hier drängt sich wieder die Annahme der Benutzung schriWlicher oder zumindest relativ fest geprägter mündlicher Vorlagen für die Komposition der einzelnen Ab‑ schniTe auf. Was aber gewinnt man dann durch die Annahme späterer Überarbeitungen durch den Vf. selbst? Dafür ließe sich einzig anfüh‑ ren, dass gewisse AbschniTe – gerade unter den zwölf genannten selb‑ ständigen Einheiten – eine andere Entstehungssituation vorauszuset‑ zen
scheinen
als
das
Gesamtwerk. (5) R. Bergmeier beschränkt sich auf die – dafür umso eingehendere – Analyse einzelner AbschniTe der Johannesoffenbarung. Dabei geht es ihm stets um die Frage, ob der jeweilige AbschniT mit seinen logisch‑ inhaltlichen und sprachlichen Auffälligkeiten sich allein auf der Basis der selbständigen Verarbeitung eines (jüdischen) Traditionsstoffes er‑ klären lässt oder ob die Annahme der Einarbeitung einer literarischen Vorlage zwingend gefordert ist.44 Wie lässt sich auf rein traditionsge‑ schichtlicher Ebene erklären, dass Op 12 außer in v. 11 nichts Christli‑ ches enthält? Warum ersetzt der Verfasser den Engel Michael der Tradi‑ tion nicht durch Christus (vgl. 2 Kor 6,14 – 7,1), zumal die Einfügung

43 44

A‚•y, Revelation (WBC) „žŸƒƒƒ: „The more complex the theory, the less convincing it will
be,
and
the
less
credible
it
will
ultimately
appear.“ So
Byz‹Žyƒyz,
Sonnenfrau
98;
ders.,
Buchrolle
225f.;
ders.,
Jerusalem
90.

60

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

von v. 11 zeigt, dass der Verfasser die Konkurrenz zwischen Christus und Michael sehr wohl wahrgenommen hat? Warum erhält die Frau mit keinem Wort eine christliche Deutung?45 Die von Ez 2,8 – 3,3 abhän‑ gigen Buchrollenvisionen in Op 5 und Op 10 erweisen sich nicht nur inhaltlich als DubleTen, sondern zeigen bis ins sprachliche Detail ge‑ hende Übereinstimmungen, denen aber inhaltlich gegenläufige Ten‑ denzen gegenüberstehen, die die Annahme wenig wahrscheinlich ma‑ chen, der Verfasser selbst habe beide Kapitel nach der ezechielischen Vorlage gebildet.46 „Vor allem die 5,2 auffällige Einführung des ‚starken Engels‘ weist gebieterisch auf Abhängigkeit von einer Szene wie der in c. 10 geschilderten, zumal Ez 2,8 – 3,3 von einem Engel nichts verlauten lässt. Literarische und inhaltliche Merkwürdigkeiten des 10. Kapitels bestärken
die
eingeschlagene
Fragerichtung.“47 Ebenso rekonstruiert R. Bergmeier anhand von Parallelen zwischen 7,13–17 und 21,1 – 22,5 einen beiden AbschniTen zugrunde liegenden jüdischen Quellentext und dessen christliche Redaktion.48 Aufgrund ex‑ egetischer Probleme, literarisch‑logischer Spannungen und Brüche las‑ sen sich auch in Op 12,18 – 13,18 und in Op 17f. die Grundlinien eines
Quellentextes
und
eine
johanneische
Redaktion
unterscheiden.49

45

46

47 48 49

Zu den Problemen von Op 12 im einzelnen Byz‹Žyƒyz, Sonnenfrau 97–99. Gegen eine rein traditions‑ und religionsgeschichtliche Erklärung gibt Bergmeier zu beden‑ ken: Wenn man „annimmt, Apk 12,1–6 könne ein international bekannter Mythos von der wunderbaren Geburt eines himmlischen ReTerkindes zugrundeliegen, den der christliche Apokalyptiker aber selbständig verarbeitet und mit eigenen christli‑ chen Aussagen gefüllt hat, müßte eine ganz andere Geschichte herausgekommen sein, die man sich leicht ausmalen kann: MuTer und Kind würden wie im heidni‑ schen Mythos miteinander bewahrt, bis das Kind zum Mann geworden wäre und den
Kampf
mit
dem
Drachen
häTe
aufnehmen
können“
(ebd.
99). Byz‹Žyƒyz, Buchrolle 235, macht in einer Synopse die bis ins sprachliche Detail ge‑ henden Gemeinsamkeiten bei sachlich‑inhaltlichen Unterschieden von Op 5 und Op 10 anschaulich. An Unterschieden nennt Bergmeier: „Dort kann nur das Lamm die SchriWrolle empfangen, hier empfängt sie der Visionär; dort sollen die sieben Sie‑ gel gebrochen werden, hier soll die Rede der sieben Donner versiegelt werden; dort ist
die
Buchrolle
verschlossen,
hier
geöffnet“
(ebd.). Byz‹Žyƒyz,
Buchrolle
235f.;
zu
Op
10
ebd.
236–238. Ausführlicher Byz‹Žyƒyz, Jerusalem 86–92; auch hier zeigt eine Synopse (ebd. 86) die deutlichen
sprachlichen
Gemeinsamkeiten
beider
AbschniTe. Zu den Spannungen und Brüchen in Op 13 und 17 Byz‹Žyƒyz, Erzhure 3900–3904. Den Angelpunkt der literarkritischen Lösung sieht Byz‹Žyƒyz, ebd. 3905, in 17,7: „Hier werden zwei Deutungen miteinander verknüpW, die so nicht ursprünglich zu‑ sammengehören: die Deutung des Tieres von c. 13 und, vorbereitet durch das in 17,5 hineinkomponierte μυστήριον, die Deutung des Geheimnisses der Frau von c. 17, die jedoch in ihrem Schwerpunkt eine Drohweissagung gegen die Hure Babylon dar‑ stellt. Tatsächlich dürWen die ursprünglichen Eröffnungsformeln beider Einheiten in c. 17 noch erhalten sein: ἐγὼ ἐρῶ σοι τὸ μυστήριον ‹ › τοῦ ϑηρίου ‹ › τοῦ ἔχοντος τὰς κτλ.

Traditions‑
und
Quellenkritik

61

Mag man R. Bergmeier bei Einzelheiten seiner Quellenrekonstruk‑ tionen auch widersprechen, zur Gänze zurückweisen lassen sie sich nicht. Die unbestreitbar gegebenen Schwierigkeiten der Texte dürWen kaum in diesem Umfang und nicht in dieser Form auWreten, wenn der Verfasser hier lediglich mündliches jüdisches Traditionsgut eigenstän‑ dig gestaltet häTe. In den untersuchten Texten zeigen sich in der Tat Brüche und harte Übergänge sowohl auf der Ebene der Logik als auch der Syntax, die auf die Verarbeitung literarischer Quellen weisen; sie resultieren weitgehend aus dem Konservativismus des Verfassers im Umgang mit seinen Quellentexten, der es ermöglicht, diese weitgehend zu rekonstruieren.50 Die literarkritische Arbeit von R. Bergmeier steht deutlich in der Tradition von W. Bousset und J. Wellhausen. Er zeigt, dass deren Fragmententheorie keineswegs überholt ist, wenn sie auch einer
genaueren
methodischen
Fassung
bedarf. Zusammenfassung: Überblickt man die hier vorgestellten Versuche, zeigt sich ein relativ deutlicher Konsens, für welche AbschniTe der Johannes‑ offenbarung die Benutzung literarischer Vorlagen als immerhin mög‑ lich erwogen wird: Kap. 7; 11; 12; 13; 17f. R. Bergmüller hat gezeigt, dass auch die Kap. 4f. und 10 sowie die Kap. 21f. sich mit Erfolg für li‑ terarkritische Untersuchungen heranziehen lassen. Einigkeit besteht auch darin, dass der Verfasser bzw. Redaktor seine Vorlagen nicht un‑ bearbeitet übernommen hat. Die Vorlagen wurden vielfach gekürzt und mit Material aus anderen literarischen Werken und eigenen Ergän‑ zungen des Verfassers verbunden, und zwar in einer Weise, dass der Textbefund durch Verarbeitung mündlicher Traditionen allein nicht er‑ klärt werden kann.51 Quellenkritische Hypothesen lassen sich nicht durch den Hinweis widerlegen, dass es sich bei der Johannesoffenba‑

50 51

V. 7 leitet die Deutung der Tiervision von c. 13 ein, δεῦρο δείξω σοι τὸ κρίμα τῆς πορνῆς τῆς μεγάλης V. 1 eröffnet die Gerichtsweissagung im Anschluß an die Babylon‑Vision von c. 17. In der vermuteten Quelle müssen demgemäß die Kapitel 13 und 17 un‑ miTelbar aufeinander gefolgt sein und zusammen mit c. 18 eine große Einheit gebil‑ det haben. Darauf lassen auch die redaktionellen Vorankündigungen in Apk 11,7; 14,8; 16,19 schließen, die je schon in Kenntnis der Texte über das Tier und über Baby‑ lon formuliert sind. Indem Johannes den Zusammenhang dieser Quellentexte aufge‑ schniTen hat, hat er genau die Probleme geschaffen, vor denen die Exegese heute steht.“
Zur
Rekonstruktion
des
Quellentextes
vgl.
ebd.
3908–3916. Vgl.
Byz‹Žyƒyz,
Buchrolle
242;
vgl.
auch
Wyƒ••,
Offenbarung
84. Ein Punkt, auf den besonders die Arbeiten Bergmeiers abheben. Dass eine rein tradi‑ tions‑ und religionsgeschichtliche Erklärung genügt, meinen unter anderem L|ˆ•y, Offenbarung (NTD) 7; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 22; S„ˆ•yxxy, Einleitung 537; SŒz|†yx,
Apokalypse.
TRE
3, 181.

62

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

rung um ein „einheitliches, konsequent aufgebautes Werk“ handle.52 Denn auch die Annahme von Quellen schließt einen planenden und be‑ wusst
gestaltenden
Autor
nicht
aus. Man muss sich hüten, auf die Johannesoffenbarung, wie auf die an‑ tike Literatur allgemein, ein neuzeitliches Konzept der Originalität und Genialität zu übertragen.53 Apokalyptische Literatur – frühjüdische wie christliche – ist Traditionsliteratur, die deshalb nicht selten Spuren der Benutzung älterer literarischer Quellen und einer mehr oder weniger tiefen Bearbeitung zeigt.54 Aus der Tatsache, dass sich in der Johannes‑ offenbarung keine direkte Benutzung einer der (bisher) bekannten jüdi‑ schen Apokalypsen nachweisen lässt, sollte man keine weitergehenden Folgerungen ziehen, da von der (älteren) apokalyptischen Literatur des Frühjudentums nur wenig überliefert ist.55 Den literarkritischen Hypo‑ thesen steht damit letztlich nicht mehr als die behauptete Einheitlich‑ keit von Sprache und Stil entgegen. Die darauf reagierende Bearbei‑ tungshypothesen von H. KraW und D. E. Aune lösen dieses Problem nicht, sondern verdecken nur das eigentliche Problem: die Entstehung

52

53

54

55

So zuletzt auch T•y‹yz, Offenbarung 179; gegen R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 21. Zu Recht bemerkt G•y„ˆŒyz, Memory 420: „… it seems dangerous to stress the unity of the apocalypse and take it as a lead for literary criticism and interpretation. Before this could be done one should first prove that unity is realy the author’s and not the commentator’s. And this is an impossible task.“ Vgl. auch B‚xŒŽ•••, Rz. Lohmeyer Sp. 507;
KzyŒ•„ˆŽ•z,
Johannesoffenbarung
27;
U. B. Mwxxyz,
Bestimmung
613. Für das Verhältnis von Individualität und Stil in der (klassischen) antiken Literatur gilt nach N|z€y•, Kunstprosa 11f.: „Der Stil war damals eine erlernte Kunst, deren Regeln im allgemeinen keiner seiner Individualität zuliebe übertreten durWe, wie ja überhaupt das Altertum in viel höherem Maße als die moderne Zeit vom Individu‑ um die Unterordnung seiner Eigenart unter die Autorität der von hervorragenden Kunstrichtern sanktionierten Tradition, die Zurückdrängung des Genialischen, ver‑ langt hat.“ Vgl. dazu die Anweisungen bei Ps.‑Longinus, περὶ ὕψους 14, 1f. (187r/ 187v). Bei allen Unterschieden zwischen christlicher und hellenischer Literatur (vgl. etwa N|z€y•, Kunstprosa 452–460) gilt dies prinzipiell auch für die SchriWen des Neuen Testaments. Zudem ist das hier angenommene Ineinander‑Arbeiten schriWli‑ cher Vorlagen keine Besonderheit der biblisch‑jüdischen Literatur, sondern findet sich in der Antike beispielsweise auch in Babylonien und in der hellenistischen Ge‑ schichtsschreibung über Alexander d. Gr.; vgl. dazu K|„ˆ, Formgeschichte 96 (wei‑ terführende
Literatur);
S‡€ƒ•‹,
SchriWauslegung
190–192. Dazu A‚•y, Revelation (WBC) „Ÿƒf. Dies tangiert die Frage der sog. Erlebnisechtheit apokalyptischer Literatur im allgemeinen und der Johannesoffenbarung im Beson‑ deren;
vgl.
Gz‚y•–•x€,
Literature
91–94. Vgl. S„ˆy•…y / Fƒ•„ˆyz, Einleitung 2, 288f. Wenig wahrscheinlich ist die Annahme von Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 12, der Vf. gewinne seine Erwartungen allein aus den Weissagungen der atl. Prophetie und benutze nur sehr selten außerkanonische Überlieferungen. Die direkte Abhängigkeit der Johannesoffenbarung von jüdischen Apokalypsen
bestreitet
auch
B•‚„…ˆ•Ž,
Climax
38–40.

Traditions‑
und
Quellenkritik

63

der „GrundschriW“ bzw. der ursprünglich selbständigen Einheiten. Es wäre aber sehr wohl zu prüfen, worin eigentlich die behauptete Ein‑ heitlichkeit
von
Sprache
und
Stil
besteht.56 Auch die Einheitlichkeit von Sprache und Stil – so sie wirklich ge‑ geben ist – spricht nicht zwingend gegen die Benutzung von Quellen. Zu Recht weist R. H. Charles darauf hin, dass der Verfasser nicht nur griechische Quellen benutzt hat; einen Teil seiner Vorlagen hat er wohl erst selbst ins Griechische übersetzt; dies mag auch für die Zitate aus dem Alten Testament gelten.57 Außerdem ist damit zu rechnen, dass er sich sowohl bei der Übersetzung als auch bei den selbständig kom‑ ponierten Teilen seines Werkes an der Sprache seiner griechischen Vor‑ lagen orientierte; des Weiteren wird er in seinen griechischen Quellen einzelne Begriffe und Wendungen ersetzt und diese auch sonst überar‑ beitet haben.58 Zudem ist mit einer relativ fest geprägten Vorstellungs‑ welt und Begrifflichkeit der Apokalyptik zu rechnen; apokalyptische Konventikel kommen als Ort in Frage, wo der Verfasser damit vertraut werden konnte.59 Auch sollte man den relativ einfachen Stil und die weitgehende FormelhaWigkeit der Sprache der Johannesoffenbarung

56

57 58 59

Zu bedenken ist, dass nach Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, xŸƒ–xŸƒƒƒ, Interpolationen auch an ihrem vom Vf. abweichenden Stil zu erkennen seien. Vgl. auch S. Tˆ|Ž›•|•, Semitic Syntax 107f., der darauf hinweist, dass sich die „Semitismen“ in der Johan‑ nesoffenbarung keinesfalls in einer gleichmäßigen Dichte und Verteilung finden. Auch Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 39, der von der literarischen Einheitlichkeit der Jo‑ hannesoffenbarung ausgeht, nimmt an, dass sich im Werk mindestens zwei sprachli‑ che Niveaus deutlich unterscheiden lassen; manche Stellen nämlich deuten darauf hin, dass der Vf. „offenkundig hebr. [denkt], auch wenn er griech. schreibt“, wäh‑ rend sich an anderen Stellen erkennen lasse, dass der Vf. „die griech. Sprache ziem‑ lich gut beherrscht“. So auch R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 30. Kritisch zum Zusam‑ menhang zwischen der Behauptung literarischer Integrität der Johannesoffenbarung und provokanten Theorien über ihre Sprache P|zŒyz, Langugage 599 (Näheres dazu im
folgenden
AbschniT). So
auch
M|‚xŒ|• / H|–•z€,
Gr. NT
2, 485. Vgl.
Tz‚€ƒ•‹yz,
Observations
82–88;
ders.,
Ο ΑΜΗΝ
278. Mit einem solchen Zirkel („Prophetenkreis“; vgl. Op 22,6–21) als sozialen Hinter‑ grund und VermiTler von Traditionsmaterial rechnet etwa U. B. Mwxxyz, Bestim‑ mung 616–618. Hierzu auch A‚•y, Environment 227–238; H•ˆ•, Apokalyptik 1–7. A‚•y, Johannes‑Apokalypse. RGG4 4, Sp. 545, listet mit zeitgleichen Apokalypsen (Bildreden des 1 Hen; 4 Esra; 2 Bar) gemeinsame Motive auf, die zeigen, dass der Vf. „sich, bevor er in die röm. Asia auswanderte, in paläst. apokalyptischen Kreisen be‑ wegte“. Bezüglich des Vokabulars der Johannesoffenbarung kommt Axx|, L’Apoca‑ lypse (EtB) „žxŸ–„x, zu dem Schluss, dass es nicht ungewöhnlich ist und auch die ntl. und bibl. Hapaxlegomena weitgehend der Alltagssprache entnommen sind. Dies lässt per se nicht schon auf einen einzigen Verfasser schließen, sondern zeigt zu‑ nächst lediglich den einheitlichen sprachlichen Hintergrund des in der Johannes‑ offenbarung
rezipierten
traditionellen
Materials.

64

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

nicht außer Acht lassen.60 An der Annahme der Benutzung schriWlicher Quellen
führt
letztlich
kein
Weg
vorbei.61 Der Behauptung, die offensichtlichen logisch‑inhaltlichen Brüche und Spannungen in der Johannesoffenbarung sowie andere Auffällig‑ keiten ließen sich allein durch die Annahme festgefügter mündlicher Traditionsstücke erklären, steht die Tatsache gegenüber, dass die Apo‑ kalyptik eine literarische Bewegung ist, d. h. SchriWstudien betrieb und selbst Literatur produzierte. Die apokalyptische Literatur insgesamt – mögen auch zumindest ihre christlichen Texte im goTesdienstlichen Rahmen verlesen worden sein – zielt primär auf Rezeption im Akt des Lesens und schriWgelehrten Textstudiums.62 Außerdem lässt sich das Judentum der nachexilischen und neutestamentlichen Zeit, das wesent‑ lich durch SchriWvortrag, SchriWauslegung und SchriWstudium geprägt ist,
kaum
als
„mündliche
GesellschaW“
bezeichnen.63 60

61

62

63

Man beachte dazu etwa die Ausführungen zum Stil der Johannesoffenbarung bei Axx|, L’Apocalypse (EtB) „xƒŸ–„xžž; vgl. auch B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 176f.; S„ˆŽƒ€,
Apokalypse‑Text
2, 226–230. So schon B‚xŒŽ•••, Rz. Lohmeyer Sp. 506: „Mir scheint es methodisch geboten zu sein, für die Analyse der apk [sic] mit schriWlichen Quellen zu rechnen, freilich ohne die Zuversicht, daß wir sie sicher rekonstruieren können. Denn die Apokalyptik ist eine literarische Bewegung, die damals wie heute und zu allen Zeiten wesentlich im Bücherschreiben und Bücherlesen bestand. Sie unterscheidet sich dadurch von der Prophetie. Sie verband sich freilich im Urchristentum mit der Prophetie, und auch der Joh.‑Apokalyptiker ist nicht nur Literat, sondern auch Prophet und Dichter. Aber dass [sic] die Tradition, aus der er schöpWe, wesentlich in schriWlicher Form existierte,
erscheint
mir
sicher.“
Vgl.
auch
T•y‹yz,
Offenbarung
178f. Vgl. Ly†z•Ž, Piety 172f.; U. B. Mwxxyz, Strömungen 217f.; den literarischen Charak‑ ter der apokalyptischen Bewegung zeigen auch die Versuche einer GaTungsdefiniti‑ on bei A‚•y, Literary Environment 227–238; D|zŽy~yz, Literaturgeschichte 233; vgl. dazu auch J. S„ˆzyƒ•yz, Die apokalyptische Bewegung, in: Maier / Schreiner, Litera‑ tur 214–253. H. SŒy‹yŽ•••, Die Bedeutung der Qumranfunde für die Erforschung der Apokalyptik, in: Hellholm, Apocalypticism 495–530, hier 526–528; J. J. C|xxƒ••, Introduction. Toward the Morphology of a Genre, in: Semeia 14 (1979) 1–20; A‚•y, Problem of Genre 76–91; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 1–19. Die Johannesoffenba‑ rung selbst ist sich dieses literarischen Moments der Apokalyptik bewusst; for‑ muliert doch bereits in 1,3 der erste der sieben Makarismen μακάριος ὁ ἀναγινώσκων; das damit verbundene „Hören der prophetischen Worte“ steht dem nicht entgegen, da dies als traditioneller bibl. Topos zu verstehen ist; dazu G. S„ˆ•yƒ€yz, ἀκούω. EWNT 1
(21992)
Sp.
126–131.
Vgl.
H•€|z•,
Offenbarung
(ThHK)
6–8. Ausführlich zum Problem Mündlichkeit – SchriWlichkeit im Blick auf die Interpreta‑ tion antiker Texte S„ˆŽƒŒŠ, Literaturtheorie 111–125, der freilich zu Recht darauf hinweist, dass Mündlichkeit und SchriWlichkeit nicht als einander ausschließende Gegensätze gesehen werden dürfen. So ist auch für das nachexilische und neutes‑ tamentliche Judentum weiterhin eine gewisse Mündlichkeit anzunehmen, sei es in der Predigt, der Gesetzesauslegung etc. Zugleich aber ist dieses Judentum zum einen durch einen hohen Alphabetisierungsgrad bestimmt, da Lesen geradezu eine religiöse Verpflichtung war (Vorlesen im GoTesdienst und privates Torastudium).

Traditions‑
und
Quellenkritik

65

Des Weiteren ist anzumerken, dass diejenigen, die jede Benutzung literarischer Vorlagen durch den Vf. der Johannesoffenbarung bestrei‑ ten, ganz unbestimmt von der Benutzung „mündlicher Traditionen“64 sprechen, ohne zu klären, wie man sich diese vorzustellen hat und wie sich ausgehend davon Genese und Endgestalt der Johannesoffenba‑ rung erklären lassen, deren literarische Integrität paradoxerweise letzt‑ lich darin gründet, dass sie in all ihren Teilen nicht frei ist von oWmals unerklärlichen
Spannungen,
Brüchen
und
Wiederholungen.

c. Kriterien
der
Quellensveidung Die Analyse der Johannesoffenbarung muss für jeden einzelnen Ab‑ schniT klären, ob er Anzeichen der Benutzung literarischer Quellen zeigt, d. h. für jeden AbschniT ist die literarische „Einheitlichkeit“ bzw. „Uneinheitlichkeit“ festzustellen. Als „einheitlich“ kann ein Text dann gelten, wenn er frei ist von unvereinbaren Spannungen und störenden Wiederholungen. Der Text muss sich also als ein relativ geschlossenes Ganzes erweisen, das einen bestimmten Au•au erkennen lässt und in seinem Gedankengang durchschaubar ist.65 Finden sich dagegen in einem Text unvereinbare Spannungen und störende Wiederholungen,

64

65

Zum anderen beziehen sich diese mündlichen „Texte“ als Auslegungen per definition‑ em
auf
das
geschriebene
Wort
der
„SchriW“. Nach B•‚„…ˆ•Ž, Climax 39, etwa kann nicht geleugnet werden, dass in der Johan‑ nesoffenbarung Themen der apokalyptischen Tradition vorkommen, die sich auch sonst in in jüdischen Apokalypsen finden. Es sei deshalb sehr wahrscheinlich, dass der Vf. einige der auch uns noch erhaltenen jüdischen Apokalypsen gelesen habe, eine direkte literarische Abhängigkeit aber sei auszuschließen. Die Gemeinsamkei‑ ten seien auf „traditions which were known, independently of their use in particular apocalypses, in circles, Jewish and Christian, which studied and produced apocalyp‑ tic literature“ (ebd.) zurückzuführen. Was hat man sich unter solchen Traditionen vorzustellen? Diese unspezifische Verwendung des Begriffs „Tradition“ für jede Art von nur mündlich in einem Tradentenkreis in Umlauf befindlichem Material findet sich auch in neueren Methodenbüchern; exemplarisch S‡€ƒ•‹, SchriWauslegung 190–207. Dies führt dazu, dass in der „Traditionskritik“ drei methodisch zu trennen‑ de Fragestellungen vermischt werden: (1) Die Frage nach schriWlichen Vorlagen oder Vorformen einer Texteinheit (Literarkritik), (2) die Frage nach ihrer mündlichen Vor‑ geschichte bzw. die ihrer Teile (Überlieferungskritik) und (3) die Frage nach enthal‑ tenen geprägten Bildern, Themen und Zügen (Motiv‑ und Traditionskritik). Nach F|ˆzyz, Exegese 102–119, sind Motive und Traditionen „geprägte Bedeutungssyn‑ drome“, d. h. geprägte Gedanken und Themen für bestimmte Sprachsituationen. Während Motive frei umlaufend, d. h. nicht mit einem festen Personenkreis verbun‑ den sind (z. B. GoT als Fels), lässt sich bei Traditionen das Überlieferungsinteresse eines
Tradentenkreises
erkennen
(z. B.
Exodus‑Tradition). Vgl.
H. S„ˆ–yƒŠyz,
Literarkritik
26–28.

66

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

so ist er als „uneinheitlich“ zu bezeichnen und in seine Schichten (Stra‑ ta)
zu
zerlegen.66 Die Schwierigkeit und Problematik der literarkritischen Methode besteht allgemein in der Bestimmung und Feststellung von „unverein‑ baren Spannungen“ und „störenden Wiederholungen“. Allzu großer Raum bleibt hier für das subjektive Empfinden und damit die Beliebig‑ keit. Andererseits hat der Ausleger zwar immer auch die kulturelle und historische Differenz gegenüber seinem Text und dessen Verfasser zu bedenken, muss sich aber davor hüten, grundsätzlich jede von einem modernen Leser störend empfundene Unebenheit des Textes durch den Verweis auf eine angeblich von der neuzeitlichen grundlegend ver‑ schiedene antike Logik oder das weniger systematische Denken der Se‑ miten „wegzuerklären“.67 Außerdem hat man damit zu rechnen, dass logische Störungen und formale Unebenheiten eines Textes auch in un‑ genügenden literarischen Fähigkeiten seines Verfassers und durch das Zusammenfließen heterogener mündlicher Traditionen begründet sein können.68 Deshalb gilt es für die Analyse der Johannesoffenbarung nach Kri‑ terien zu suchen, anhand derer sich Quellenstücke isolieren lassen, d. h. zu fragen, welche Auffälligkeiten eines Textes auf das Zusammensto‑ ßen verschiedener literarischer Schichten schließen lassen.69 Textsignale 66

67

68

69

Zur Methodik und Zielsetzung der Literarkritik F|ˆzyz, Exegese 45f.; E†•yz / Hyƒ‑ •ƒ•‹yz, Exegese 157–178. Nach K|„ˆ, Formgeschichte 87, heißt Literarkritik. „Bibli‑ sche Bücher analysieren unter Beachtung von fehlenden Gedankenverbindungen, Doppelungen, Widersprüchen und individuellem Sprachgebrauch mit dem Ziel, den Anteil der einzelnen Verfasser und Redaktoren sowie Ort und Zeit der Entste‑ hung
genau
abzugrenzen.“ Dies gilt unbeschadet der berechtigten kritischen Anmerkungen bei Byz‹yz, Exegese 28f. N|z€y•, Kunstprosa 492–510, gibt zwar zu, dass er Paulus – im Unterschied zum Hebr – aufgrund seiner fremden Art des Argumentierens und seines unhelleni‑ schen Stils nur schwer verstehe, hebt aber zugleich hervor, dass Paulus sich in seinen Briefen dennoch als von der griechischen Rhetorik in Stil und Argumentation nicht gänzlich unberührt zeige. Denn trotz aller Versuche der Abgrenzung haTe die grie‑ chisch‑hellenistische Kultur die Juden nicht nur in der Diaspora, sondern auch in Pa‑ lästina
in
erheblichem
Umfang
durchdrungen;
dazu
S„ˆwzyz,
Geschichte
2, 27–95. Auf Spannungen und Wiederholungen als Ergebnis eines Sammlungsprozesses und der Komposition mündlicher Überlieferungsstücke verweist K|„ˆ, Formgeschichte 90f. Deshalb ist jede unvereinbare Spannung und störende Wiederholung zuerst ge‑ nau zu untersuchen und zu beschreiben und dann im Blick auf den sprachlich‑stilis‑ tischen Gesamtcharakter eines Werkes zu werten: Finden sich derartige Auffälligkei‑ ten öWer, sind sie eine stilistische Eigenart des Vf.s, zeigt sich hierin die literarische Ungeübtheit
eines
Vf.s
etc.
Dazu
auch
Byz‹yz,
Exegese
30–32. Der Kriterienkatalog für die literarkritischn Analyse der Johannesoffenbarung orien‑ tiert sich – neben den „klassischen“ Methodenbüchern – an A‚•y, Revelation (WBC) „žŸƒƒƒf.

Traditions‑
und
Quellenkritik

67

dafür sind zum einen durch eine formal‑stilistische, zum anderen durch eine logisch‑inhaltliche Analyse zu gewinnen, d. h. durch eine Untersuchung des Textes hinsichtlich seiner Semantik und Syntax, das Erheben seiner formalen Gliederungssignale und das Erfassen seines Gedankenganges.70 A: Formal‑stilistische Kriterien: (1) Auf die Benutzung einer schriWlichen Vorlage kann weisen, wenn ein noch nicht genannter Gegenstand oder eine neu auWretende Person mit dem bestimmtem Artikel eingeführt und damit als bereits bekannt vorausgesetzt wird. Für die Johannes‑ offenbarung mit ihrer festen Bindung an die traditionelle apokalypti‑ sche Vorstellungswelt ist dieses Kriterium allerdings nur bedingt aus‑ sagekräWig, da der Artikel hier lediglich den Rekurs auf diese Tradition signalisieren kann: Personen, Gegenstände etc., die bei allen Lesern als bekannt vorausgesetzt werden können und müssen.71 — (2) Auf sekun‑ däre Einschübe deuten verschiedene Textsignale: Störungen grammati‑ scher und syntaktischer Bezüge, besonders bei rückbezüglichen und vorausweisenden Pronomina und Pronominaladverbien, d. h. der un‑ miTelbare Bezug wird durch dazwischentretende Sätze oder Satzteile „zerrissen“; auffällige Wiederholungen nach einem (vermuteten) Ein‑ 70

71

Hier sei auf ein Problem hingewiesen, dass für die Johannesoffenbarung wie für die ntl. und antike Literatur insgesamt gilt: Keines der literarischen Werke der Antike ist als Autograph auf uns gekommen, sondern nur in oW zahlreichen AbschriWen, die zudem meist mehr als eine Stufe vom Autographen entfernt sind. Selbst wenn sich die älteste Lesart eindeutig bestimmen lässt, heißt das noch nicht, dass sich diese Lesart auch im Autographen fand. Dies belastet – im Blick auf die vorliegende Stu‑ die zur Johannesoffenbarung – sowohl die literar‑ und quellenkritische Untersu‑ chung als auch die sprachlich‑stilistische Analyse, da gerade sprachlich gebildete Abschreiber dazu neigen, ihre Vorlage zu „verbessern“. Wenn auch dank der Studi‑ en von H. C. Hoskier (1929) und J. Schmid (1955) das Urteil von B. Weiss (1891), dass der Text der Johannesoffenbarung extrem unsicher ist, heute nicht mehr zutri•, so gilt dennoch, dass etliche Textstellen wohl immer unsicher bleiben werden (S„ˆŽƒ€, Apokalypse‑Text 2, 249–251). Zum Text der Johannesoffenbarung zusammenfassend A‚•y,
Revelation
(WBC)
„žžžƒŸ–„xž. Der Gebrauch des Artikels stellt in der Johannesoffenbarung ein schwieriges Pro‑ blem dar; bestimmte „Dinge“ werden immer, auch schon bei ihrer ersten Nennung, mit Artikel angeführt. Insgesamt scheint der Gebrauch bzw. Nichtgebrauch des Arti‑ kels in der Johannesoffenbarung ein eher mechanischer; vgl. Axx|, L’Apocalypse (EtB) „xƒƒf.; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 173–175; A‚•y, Revelation (WBC) „xžƒƒƒ– „x„Ÿƒ; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žƒž–„žžƒ. Hinzukommt, dass aufgrund der Text‑ überlieferung an einigen Stellen – trotz einer gewissen Regelmäßigkeit im Gebrauch des Artikels – nicht immer eindeutig festzustellen ist, ob ursprünglich ein Artikel stand oder nicht, d. h. ob ein späterer Abschreiber den Artikel aus logisch‑inhaltli‑ chen Gründen eingefügt oder ehedem vorhandenen Artikel getilgt hat; im einzelnen S„ˆŽƒ€,
Apokalypse‑Text
2, 190–199.

68

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

schub zur Fortsetzung der Darstellung oder die abrupte Wiederauf‑ nahme und Fortsetzung eines zuvor abgebrochenen Gedankens; „nach‑ lappende“ Phrasen, besonders wenn sie Erwartetes nachtragen oder vorausgehende Aussagen sonst irgendwie korrigieren (s. u.). — (3) Die Verbindung zweier Traditionsstücke lässt sich häufig an Brüchen in der Konstruktion (Anakoluth)72 oder an anderen syntaktischen Störungen erkennen, z. B. fehlende, überzählige oder unpassende Subjekte, Objek‑ te oder Prädikate sowie auffällige und unerklärliche Tempus‑ und Sub‑ jektwechsel. Hinzu kommen Inkonzinnitäten und Asymmetrien, d. h. Störungen bei Konstruktionen, die an sich eine gewisse Regelmäßigkeit fordern, so dass der Eindruck entsteht, die Konstruktion sei nicht „ge‑ rundet“, z. B. Fehlstellen oder Überschüsse bei Listen und sonstigen Reihenbildungen, Abweichungen beim Parallelismus oder Chiasmus sowie eine asymmetrische oder unvollständige Inclusio (Ringkomposi‑ tion). — (4) Ein stark subjektiv belastetes Kriterium zur Quellenschei‑ dung sind sprachliche und stilistische Unterschiede zwischen verschie‑ denen Teilen eines AbschniTes.73 Ein gewisses Maß an Objektivität beanspruchen können immerhin statistische Untersuchungen zu den verwendeten Wörtern und grammatischen Formen.74 Doch ist bei der Johannesoffenbarung zum einen die relativ schmale Textbasis zu be‑ denken und zum anderen muss mit sekundären Eingriffen in der Vor‑ lage gerechnet werden. Das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Worte oder Formen in einem AbschniT oder (Teil‑)Satz ist deshalb nur

72

73

74

Allerdings ist zu beachten, dass der Anakoluth auch durch wirkliche Mündlichkeit und Umgangssprache sowie deren gesuchte literarische Nachahmung bedingt sein kann. Bei Thukydides erscheint er geradezu als Akt der bewussten Opposition ge‑ gen die Konventionen zeitgenössischen Satzbaus. Vgl. L••€}y•Œyz, Stilistik 137f.; S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 704f.; zum Problem von Sprache und Stil des Thukydides auch N|z€y•,
Kunstprosa
1, 95–101. Mehrfach wurde schon darauf hingewiesen, dass (1) keineswegs alle Ausleger der Johannesoffenbarung zu dem Ergebnis kommen ihre Sprache und ihr Stil seien ein‑ heitlich (so etwa Charles, Turner) und (2) in der neueren Forschung die Behauptung ihrer Einheitlichkeit durchaus relativiert wird (so bei Aune). Folglich kann eine sprachlich‑stilistische Analyse der Johannesoffenbarung durchaus Indizien für eine Quellenscheidung liefern. Negativ äußert sich in dieser Hinsicht M‚••ƒy•, Morpho‑ logy 351, obwohl er in der Johannesoffenbarung durchaus sprachlich‑stilistische Un‑ terschiede sieht: „In conclusion we may say that we do not see any reason for ques‑ tioning the unity of the Apc. on linquistic grounds. As to the many interpolations which Charles has assumed because of some linquistic‑stylistic unevenness we reject the underlying idea that an author’s style must be so rigid as not to allow of the slightest
exception.“ Zu Ertrag und Problematik dieses Kriteriums vgl. auch Byz‹yz, Exegese 212–214; E†‑ •yz / Hyƒ•ƒ•‹yz,
Exegese
164.

Traditions‑
und
Quellenkritik

69

wenig aussagekräWig.75 Ein deutlicheres Indiz sind signifikante Abwei‑ chungen im Wortgebrauch und unterschiedliche stilistische Niveaus in einer Texteinheit.76 Unterschiede im stilistischen Niveau lassen sich an den verwendeten grammatikalischen Konstruktionen sowie an der Art und Häufigkeit verwendeter „StilmiTel“ festmachen.77 — (5) Grund‑ sätzlich ist zu bedenken, dass ein Autor einzelne dieser formal‑stilisti‑ schen Auffälligkeiten bewusst als MiTel des sprachlichen Ausdrucks in den Dienst genommen haben kann; einen je gesuchteren und gezwun‑ generen Eindruck aber eine inhaltliche Erklärung der entsprechenden Auffälligkeit
macht,
desto
wahrscheinlicher
ist
eine
literarkritische. B: Logisch‑inhaltliche Kriterien: (1) Unnötige Wiederholungen in einem AbschniT oder einem Werk können durch die Verarbeitung zweier par‑ alleler Vorlagen bedingt sein, zumal wenn etwas beim zweiten Mal so berichtet wird, als wäre es noch nicht erwähnt worden. — (2) Phrasen, die der Verklammerung mit anderen AbschniTen dienen (Analepsen und Prolepsen) und innerhalb eines Werkes formelhaW immer wieder‑ kehren, können als Interpolationen eines Bearbeiters gelten, wenn sie sich schwer in ihren unmiTelbaren Kontext fügen. — (3) Auf die Bear‑ beitung einer Vorlage weisen interpretierende und theologisch korri‑ gierende Erweiterungen, z. B. offensichtlich christianisierende Einschü‑ be in einem kaum christlichen Kontext, Eintragungen von für das Werk zentralen theologischen Begriffen und Vorstellungen, die innerhalb des AbschniTes sonst nicht begegnen. Solche Einschübe finden sich meist 75

76

77

Vom Vf. der Johannesoffenbarung – seine Identität mit dem Vf. des Joh und/oder 1– 3 Joh scheint definitiv ausgeschlossen – steht uns nur dieses eine Werk miTleren Um‑ fangs zur Verfügung, dass in seiner Gesamtgestalt deutliche Spuren der Benutzung literarischer Vorlagen zeigt und im sprachlich vorgeprägten Traditionszusammen‑ hang der Apokalyptik steht. Wie will man vor diesem Hintergrund Vorzugswörter des Vf.s ausmachen? Hinzu kommt die eigentümliche Sprache mit ihren zahlreichen Inkongruenzen und Solözismen; vgl. unter AbschniT III. 2. Positiv zum Zusammen‑ hang der Johannesoffenbarung mit den johanneischen SchriWen Fzy~, Erwägungen; kritisch
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
386–390,
vgl.
auch
ebd.
46–49. Freilich müssen bei ein und demselben Autor selbst für ihn typische und inhaltlich wichtige Wörter nicht an allen Stellen seines Werkes die gleiche Bedeutung haben; vgl.
Byz‹yz,
Exegese
214. Zum Zusammenhang zwischen den verwendeten Formen des sprachlichen Aus‑ drucks (»StilmiTel«) und dem sprachlich‑stilistischem Niveau eines Textes L••€}y•‑ Œyz, Stilistik 29–37. Zu beachten ist allerdings, dass Stil‑/Niveauwechsel innerhalb eines Textes vom Vf. auch gewollt und bewusst inszeniert sein können. Ein Stilwech‑ sel kann also nur dann als Grundlage einer literarkritischen Entscheidung dienen, wenn wenn er nicht inhaltlich motiviert ist. Inhaltlich motiviert wären z. B. Stil‑/Ni‑ veauwechsel als MiTel zur (indirekten) Charakterisierung von Sprechern innerhalb eines
Werkes
(so
im
Satyricon
des
Petron).

70

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

als Apposition oder ATribut (Adjektiv, Substantiv, Relativsatz, Parti‑ zip). — (4) Auch das Nebeneinander unterschiedlicher, mitunter unver‑ einbarer theologischer Konzeptionen und Vorstellungen ist häufig durch die Verarbeitung verschiedener Vorlagen bedingt. Diese und an‑ dere inhaltliche Widersprüche und Spannungen rühren daher, dass die benutzten Vorlagen weder untereinander noch mit den Vorstellungen des Bearbeiters hinreichend abgeglichen wurden. — (5) Inhaltliche Un‑ gereimtheiten eines AbschniTes können ebenfalls auf Quellenbenut‑ zung zurückzuführen sein. Durch Kürzungen oder Einschübe kann es zu Unklarheiten über das handelnde Subjekt oder von der Handlung direkt oder indirekt betroffener Objekte kommen, etwa wenn diese durch ein Pronomen angegeben sind, dem nun ein Bezugswort fehlt. Auch das unvorbereitete AuWauchen von Personen, Gegenständen und Orten deutet in diese Richtung, obschon hierbei die allgemeine apoka‑ lyptische Vorstellungswelt eine gewisse Rolle spielen mag. Auch logi‑ sche Inkonsequenzen der Darstellung, wie etwa fehlende oder deplat‑ zierte Konklusionen oder Unstimmigkeiten im zeitlichen Zueinander geschilderter Ereignisse, sind oW nur durch die Annahme der Benut‑ zung
literarischer
Vorlagen
erklärbar. Lässt sich anhand dieser Kriterien in einem AbschniT die Benutzung schriWlicher Vorlagen feststellen, sind diese auszugrenzen und auf Ein‑ griffe des Bearbeiters (Redaktors) zu untersuchen. Solche redaktionel‑ len Eingriffe geben sich in der Regel durch ihre Funktion im Blick auf die Vorlage zu erkennen; meist dienen sie dazu, Name, Begriffe, Phra‑ sen und Vorstellungen der Vorlage zu erklären, die Vorlage zu aktuali‑ sieren, für den Redaktor zentrale Themen und Begriffe zu ergänzen, theologische Konzepte der Vorlage zu korrigieren, sie mit anderen Vor‑ lagen zu einer Einheit zu verbinden und mit dem Gesamtwerk zu ver‑ knüpfen.78 Auch bei diesen Erweiterungen ist nach ihrer HerkunW zu fragen: Der Bearbeiter kann sie selber geschaffen oder literarischen Quellen entnommen haben. So gewinnt man ein Bild der Genese eines AbschniTes: Der Autor kann eine einzige Vorlage bearbeitet, zwei oder mehr (gleichartige) Vorlagen verbunden oder aus Fragmenten unter‑ schiedlicher
HerkunW
eine
neue
Einheit
komponiert
haben.

78

F|ˆzyz, Exegese 139–147, fasst diesen SchriT als Kompositions‑ und Redaktionskri‑ tik; zur Zusammengehörigkeit von Literarkritik und Redaktionsgeschichte K|„ˆ, Formgeschichte
95;
S‡€ƒ•‹,
SchriWauslegung
193f.

Sprache
und
Stil

71

2. Sprache
und
Stil a. Spravlive
Probleme
und
Auffälligkeiten Aussagen über Sprache und Stil der Johannesoffenbarung finden sich erstmals bei Dionysios von Alexandrien (um 250). Er verwies auf die Sprache der Johannesoffenbarung, um zu zeigen, dass sie nicht vom selben Vf. wie das Johannesevangelium stammen könne.79 Denn wäh‑ rend das Evangelium „in fehlerlosem Griechisch“ und „mit höchster Gewandtheit im Ausdruck“ geschrieben ist, sei die Sprache der Johan‑ nesoffenbarung „nicht rein griechisch“ und enthalte „Barbarismen“ und „Solözismen“, d. h. schwere Verstöße gegen die Wortwahl und die Syntax der griechischen Sprache (Eus. h. e. 7, 25,25: ἰδιώμασίν τε βαρβαρικοῖς χρώμενον [i. e. Barbarismen] καί που καὶ σολοικίζοντα [i. e. Solözis‑ men]).80 Und in der Tat: In keiner anderen neutestamentlichen SchriW, in keinem anderen griechischen Dokument dieser Welt und Zeit – selbst unter den nichtliterarischen Papyri – finden sich so viele Verstöße ge‑ gen
die
griechische
Grammatik
wie
in
der
Johannesoffenbarung.81 Dies gilt nicht nur, wenn man in anachronistischer Weise der Ana‑ lyse und Bewertung der Sprache der Johannesoffenbarung eine an der Sprache Platons orientierte Grammatik des klassischen aTischen Grie‑ chisch zugrunde legt, die vielleicht zusätzlich noch die Sprache des Thukydides als legitime Varietäten mit einbezieht. Denn Maßstab einer sprachlichen Untersuchung der Johannesoffenbarung kann nur das mit ihr zeitgleiche Griechisch sein. Das ist zunächst die κοινὴ διάλεκτος (Koine), die hellenistische Gemeinsprache, die sich unterteilt in die volkssprachliche Koine, d. h. die gesprochene Umgangssprache mit ihren

79 80

81

Überliefert
bei
Eus.
h. e.
7,
24–25. Die ἰδιώματα βαρβαρικά und das σολοικίζειν zeigen, dass das Urteil des Dionysios von Alexandrien auf den Prinzipien der antiken Grammatik und Rhetorik (d. h. „Spach‑ und LiteraturwissenschaW“) gründet. Die Barbarismen und Solözismen wurden zu den Verstößen gegen die Stilqualitäten (ἀρεταὶ τῆς λέξεως bzw. virtutes di‑ cendi) gerechnet, zu denen unter anderem die Sprachreinheit (Ἕλληνισμός bzw. Lati‑ nitas) gehörte. Ausführlich L•‚•†yz‹, Rhetorik 249–274. Dieses Urteil des Dionysios über die Sprache der Johannesoffenbarung hat Bestand, auch wenn seine Untersu‑ chung und sein Urteil zweifelsohne nicht vorurteilsfrei sind. Dies zeigt schon die übertrieben positive Beurteilung der sprachlich‑stilistischen Qualitäten des Johan‑ nesevangeliums. Zur Geschichte der Erforschung von Sprache und Stil der Johan‑ nesoffenbarung seit der Antike vgl. M‚••ƒy•, Morphology 3–12; für das 20. Jh. auch S. Tˆ|Ž›•|•,
Semitic
Syntax
2–7. So etwa B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 159; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žxƒƒƒ; Axx|, L’Apocalypse
(EtB)
„žxƒŸ;
H•€|z•,
Offenbarung
(ThHK)
20.

72

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

regionalen und sozialen Unterschieden, und in die literarische Koine, die in unterschiedlichem Maß von der aTischen Literatur beeinflusst ist und verschiedene Stilebenen zeigt.82 Daneben aber gibt es bereits auch in neutestamentlicher Zeit eine deutliche Tendenz zum a[izistischen Griechisch, d. h. zu einer „überkorrekten“ Wiederbelebung des aTischen Griechisch des 5. und 4. Jh. v. Chr, die nicht nur die gehobene Literatur bestimmte.83 Welche Auffälligkeiten aber sind es, die der Sprache der Johannes‑ offenbarung einen – um mit Dionysios zu sprechen – „barbarischen“,

82

83

Ein Überblick zu Entstehung und Verbreitung der Koine mit Literaturangaben bei S„ˆ–~Šyz, Gr. 1, 116–130. Auf die gesprochene bzw. nicht‑literarische Koine erlauben Papyri und InschriWen gewisse Rückschlüsse. Zur Differenzierung der literarischen Koine und zur Problematik der „Volkssprache“ im Blick auf das ntl. Griechisch R~€‑ †y„…,
Fachprosa
13–18;
vgl.
Fz‡•·•,
Prolegomena
92–94;
Ryƒ•yz,
Syntax
32–35. Dabei sollte man nicht übersehen, dass die bedeutendsten Vertreter des ATizismus – Dionysios von Halikarnass, Dion Chrysostomos aus Prusa, Galen aus Pergamon, Ae‑ lius Aristides aus Mysien, Lukian aus Samosata u. a. – den ntl. SchriWen nicht nur zeitlich, sondern auch geographisch nahe stehen; entstammen viele von ihnen doch dem kleinasiatischen und syrischen Raum. Für Palästina sind neben Flavius Jo‑ sephus Menippus, Meleager, Philodemus und Theodorus aus Gadara sowie Ptole‑ mäus und Dorotheus aus Gadara zu nennen; vgl. M‚••ƒy•, Greek in Palestine 1047– 1050. Zu Wesen und Bedeutung des ATizismus S„ˆ–~Šyz, Gr. 1, 130f.; N|z€y•, Kunstprosa 357–361. H|z•xy~, Koine 44, hat sicherlich recht, dass die scharfe Tren‑ nung entweder Koine oder aTizistisch zu rigoros und künstlich ist und dass das Spektrum sprachlichen Ausdrucks mehr als diese beiden „Register“ umfasst; beide umfassen unterschiedliche Niveaus und beeinflussen sich gegenseitig. Dennoch gilt: Der ATizismus ist eine Kunst‑ und Literatursprache, die gegenüber der Koine deut‑ liche Unterschiede in Aussprache, Lexikon, Morphologie und Syntax aufweist. Zur gaTungsspezifischen Ausdifferenzierung der griechischen Literatursprachen in der klassischen Zeit und zur Vereinheitlichung der prosaischen sprachlichen Formen im Hellenismus jedoch L••€}y•Œyz, Stilistik 34f.; vgl. auch Fz‡•·•, Prolegomena 171f. Das aTizistische Programm als sprachlich‑stilistische (und inhaltliche) Rückwärtsge‑ wandtheit wurde im Laufe des 1. Jh. n. Chr. zur Norm, die für die nächsten fün¸un‑ dert Jahre eine „kulturelle GemeinschaW der griechischsprachigen Oberschicht von Südfrankreich bis zum Euphrat“ sicherte; vgl. H|•y, Griechische Literaturgeschichte 167–169. In diesem Zusammenhang ist auch auf die sog. „Zweite Sophistik“ als das ganze römische Imperium prägende intellektuelle und literarische „Bewegung“ zu verweisen, deren „Konzertredner“ mit ihren öffentlichen Prunkdeklamtionen in al‑ len Städten des Reiches eine Omnipräsenz von Bildung schufen und das intellektu‑ elle Unterhaltungsprogramm bestimmten; vgl. ebd. 169–184. Jüdische Gelehrte und Intellektuelle wie Flavius Josephus, Rabbi Jochanan ben Zakkai und Gamaliel zei‑ gen, dass das Judentum des 1. Jh. Chr. von diesen Entwicklungen keineswegs unbe‑ rührt blieb und deshalb ein Blick auf ATizismus und „Zweite Sophistik“ bei der Fra‑ ge nach einer literarischen Positionierung ntl. SchriWen keineswegs abwegig ist, denn auch das Fehlen vorgegebener literarischer Standards lässt auf das Profil eines Autors schließen. Zur Begegnung von Judentum und hellenistischer Kultur in Paläs‑ tina Dyxxƒ•‹, Begegnung 21–39. Näheres zum „neutestamentlichen Griechisch“ in‑ nerhalb
der
zeitgleichen
Gräzität
bei
V|yxŠ,
Language
931–937.

Sprache
und
Stil

73

d. h. ungriechischen Eindruck verleihen? Primär sind es die Verstöße gegen das grammatische System der griechischen Sprache, insbesonde‑ re gegen die unverzichtbare nominale Kongruenz in Kasus, Genus und Numerus und die nominal‑verbale in Person und Numerus.84 An dieser Stelle kann und soll keine systematische Zusammenstellung aller gram‑ matischen, lexikalischen und stilistischen Schwierigkeiten der Johan‑ nesoffenbarung geboten werden.85 StaTdessen sollen die sprachlich‑sti‑ listischen Probleme exemplarisch anhand ausgewählter AbschniTe in knappen Zügen veranschaulicht werden, um zu zeigen, wie hoch in oW nur
wenigen
Worten
die
Dichte
derartiger
Auffälligkeiten
sein
kann.86 1,4–6:

… χάρις ὑμῖν καὶ εἰρήνη ἀπὸ ὁ ὦν καὶ ὁ ἦν καὶ ὁ ἐρχόμενος καὶ ἀπὸ τῶν ἑπτὰ πνευμάτων ἃ ἐνώπιον τοῦ ϑρόνου αὐτοῦ καὶ ἀπὸ Ἰησοῦ Χριστοῦ ὁ μάρτυς, ὁ πιστός, ὁ πρωτότοκος τῶν νεκρῶν καὶ ὁ ἄρχων τῶν βασιλέων τῆς γῆς. τῷ ἀγαπῶντι ἡμᾶς καὶ λύσαντι ἡμᾶς ἐκ τῶν ἁμαρτίων ἡμῶν ἐν τῷ αἵματι αὐτοῦ, καὶ ἐποίησεν ἡμᾶς βασιλείαν, ἱερεῖς τῷ ϑεῷ καὶ πάτρι αὐτοῦ, αὐτῷ ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας [τῶν αἰώνων]· ἀμήν.

Auf die Präposition ἀπό folgt staT des Genitivs ein Nominativ. Das zweite Glied der dreigliedrigen Formel des GoTesnamens ist das durch Voranstellen des maskulinen Artikel substantivierte Imperfekt (1. oder 3. Person) von εἰμί.87 Der Genitiv Ἰησοῦ Χριστοῦ wird durch eine mehrgliedrige Apposition im Nominativ ergänzt; solche Appositionen im Nominativ zu einem obliquen Ka‑

84

85

86

87

Im einzelnen aufgelistet bei M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 146f.; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 160f.; Cˆ•zxy•, Revelation 1, „žxƒƒƒ; S„ˆŽƒ€, Apokalypse‑Text 2, 230–239. Die Kongruenz muss im Griechischen keineswegs immer eine totale sein; sie kann auch eine partielle sein, etwa Kongruenz nur im Kasus, nicht in Genus oder Numerus bei nominaler Kongruenz oder nur in der Person, nicht im Numerus bei nominal‑verba‑ ler; ausführlich zur Kongruenz im Griechischen S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 602–610. Bei partiel‑ ler Kongruenz „triumphiert“ in der Regel der Sinn über die grammatische Logik; nur in diesen Fällen ist es möglich von einer constructio ad sensum zu sprechen. Vgl. L••€}y•Œyz,
Stilistik
138;
BDR
§ 134. Weitgehend vollständige Überblicke über die „schweren Verstöße“ gegen die grie‑ chische Grammatik in der Johannesoffenbarung bei B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 159–161; Cˆ•zxy•, Revelation 1, „xƒƒ–„xƒŸ; Axx|, L’Apocalypse (EtB) „žxƒŸ–„xžŸ; A‚•y,
Revelation
(WBC)
„„ƒƒƒ. Neben den angeführten Stellen sei besonders noch auf 7,9; 9,7; 10,8; 11,1.4.18; 14,1–5; 15,9; 19,20; 21,8; 21,14.27; 22,2.5 verwiesen; vgl. auch die Auflistungen bei Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) „xƒƒƒf.; S„ˆŽƒ€, Apokalypse‑Text 244–249; A‚•y, Revelation (WBC) „„ƒƒƒf. Zumindest an diesen Stellen greifen Erklärungsversuche wie die constructio ad sensum
nicht;
dazu
auch
Axx|,
L’Apocalypse
(EtB)
„xžƒƒ. Zu dieser GoTesbezeichnung und ihrer indeklinablen Verwendung in der Johannes‑ offenbarung
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, „xƒƒ;
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
188f.

74

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

sus finden sich in der Johannesoffenbarung öWer (2,13.20, 3,12; 7,4; 9,11.14 u. ö.).88 Der Dativ der beiden substantivierten Partizipien τῷ ἀγαπῶντι ἡμᾶς καὶ λύσαντι ἡμᾶς ist grammatisch nicht motiviert89 (vgl. 21,8) und zudem werden diese Partizipien durch das mit καί gleichgeordnete finite Verb ἐποίησεν fortge‑ führt
(vgl.
1,17f.;
2,2.9.20;
3,9;
7,14;
12,2;
14,2f.;
15,2f).90 14,14:

καὶ εἶδον, καὶ ἰδοὺ νεφέλη λευκή, καὶ ἐπὶ τὴν νεφέλην καϑήμενον ὅμοιον υἱὸν ἀνϑρώπου, ἔχων ἐπὶ τῆς κεφαλῆς αὐτοῦ στέφανον χρυσοῦν κτλ.

Ohne Grund wechselt der Vf. vom Nominativ (νεφέλη λευκή) in den Akkusativ (καϑήμενον κτλ.) und dann wieder zurück in den Nominativ (ἔχων). Das Parti‑ zip ἔχων scheint hier zudem – in ungriechischer Weise – die Funktion eines fi‑ niten Verbs zu übernehmen.91 Völlig unerklärbar ist auch der Akkusativ υἱόν in ὅμοιον υἱὸν ἀνϑρώπου
(so
auch
1,13).92 14,19:

…
καὶ ἐτρύγησεν τὴν ἄμπελον τῆς γῆς καὶ ἔβαλεν εἰς τὴν ληνὸν τοῦ ϑυμοῦ τοῦ ϑεοῦ τὸν μέγαν

Warum steht das offensichtlich zu τὴν ληνόν gehörige adjektivische ATribut τὸν μέγαν
im
Maskulin
staT
im
Feminin? 17,3–5: καὶ εἶδον γυναῖκα καϑημένην ἐπὶ ϑηρίον κόκκινον, γέμοντα ὀνόματα βλασφημίας, ἔχων κεφαλὰς ἑπτὰ καὶ κέρατα δέκα. καὶ ἡ γυνὴ ἦν περιβεβλημένη … ἔχουσα ποτήριον χρυσοῦν ἐν τῇ χειρὶ αὐτῆς γέμον βδελυγμάτων καὶ τὰ ἀκάϑαρτα τῆς πορνείας αὐτῆς Kann das zum Neutrum ϑηρίον gehörige Partizip maskulin γέμοντα wirklich als constructio ad sensum erklärt werden? Außerdem ist γέμω mit Akkusativ staT mit Genitiv konstruiert.93 Das auf ϑηρίον zu beziehende maskuline Partizip

88

89 90

91

92 93

Vgl. Cˆ•zxy•, Revelation 1, „žxƒž; S„ˆŽƒ€, Apokalypse‑Text 2, 239–241; A‚•y, Revela‑ tion (WBC) „xžƒž; BDR §§ 136,1; 137,3. Die substantivische Apposition verlangt im Griechischen Übereinstimmung im Kasus; Inkongruenz findet sich in archaischen Quellen;
vgl.
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2,
613–618. Zur
Konstruktion
und
ihrer
Erklärung
A‚•y,
Revelation
(WBC)
42. Vgl. Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žxƒŸ–„žxŸƒ; S„ˆŽƒ€, Apokalypse‑Text 2, 242f.; Axx|, L’Apocalypse (EtB) „xžƒƒƒ; S. Tˆ|Ž›•|•, Semitic Syntax 66f.; M‚••ƒy•, Morpho‑ logy 326–328; A‚•y, Revelation (WBC) „„. Zum Partizip in der Funktion eines finiten Verbs
in
der
Johannesoffenbarung
s. o.
bei
14,14. So auch in 1,16; 4,2.4; 10,2.8; 14,1.4; 21,14; besonders häufig bei ἔχω 1,16; 4,7.8; 6,2.5; 9.17.19; 10,2; 12,2; 19,12; 21,12. Vgl. Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžƒŸ; Axx|, L’Apo‑ calypse (EtB) „xž; A‚•y, Revelation (WBC) „„; M‚••ƒy•, Morphology 325; S. Tˆ|Ž›‑ •|•, Semitic Syntax 67–69 und 109f. Im Griechischen kommt zwar der Nominativ eines Partizips bezogen auf einen obliquen Kasus vor (S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 403f.; Kwˆ‑ •yz / GyzŒˆ, Gr. II/2, § 493), aber nicht ein isoliertes Partizip im Nominativ in der Funktion eines finiten Verbs (S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 406f.); zu diesem Ergebnis kommt auch M•~•yz, Gr. Pap. 2, 1§ 51,3, für das Griech. der Papyri; gegen M|‚xŒ|•, Einlei‑ tung
284–288.
352–356. Vgl.
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
160;
Axx|,
L’Apocalypse
(EtB)
„xŸƒƒƒ. Vgl.
B•‚yz / Ax••€,
Wb. NT
Sp. 307f.;
BDR
§ 172;
M|‚xŒ|• / T‚z•yz,
Gr. NT
4, 147.

Sprache
und
Stil

75

ἔχων ist offensichtlich im Sinne eines finiten Verbs gebraucht (dies legt der Wechsel vom geforderten Akkusativ in den Nominativ nahe), wie auch etwas später das auf γυνή bezogene ἔχουσα. Das Partizip γέμον ist sowohl – korrekt – mit Genitiv als auch mit Akkusativ konstruiert (oder hält die „Frau“ neben einem
Becher
auch
τὰ ἀκάϑαρτα
in
ihren
Händen?). 21,9:

καὶ ἦλϑεν εἷς ἐκ τῶν ἑπτὰ ἀγγέλων τῶν ἐχόντων τὰς ἑπτὰ φιάλας τῶν γεμόντων τῶν ἑπτὰ πλήγων τῶν ἐσχάτων κτλ.

Grammatisch ist das aTributive Partizip τῶν γεμόντων auf τῶν ἑπτὰ ἀγγέλων bezogen. Inhaltlich macht aber nur der Bezug auf den Akkusativ τὰς ἑπτὰ φιάλας Sinn (so in 15,7). Ausserdem wird εἷς hier im Sinne des Indefinitpro‑ nomen
τίς
verwendet
(so
auch
7,13;
17,1;
18,21).94

Diese Beispiele zeigen, dass der Vf. der Johannesoffenbarung nicht nur die Kongruenz in einer Weise vernachlässigt, die über das hinausgeht, was sich unter dem Stichwort constructio ad sensum subsumieren ließe. Für das im Sinne eines finiten Verbs gebrauchte Partizip, das (schein‑ bar) indeklinable λέγων bzw. λέγοντες (4,1; 13,14; 14,6)95 oder für das Pronomen abundans im Relativsatz (3,8; 7,2.9; 13,8.12; 20,8; auch 12,14; 17,9)96 mag der semitische Sprachhintergrund des Vf.s verantwortlich zeichnen. Dies gilt auch für bestimmte stilistische Eigenheiten, wie die simple und monotone Reihung der Sätze mit καί, das Fehlen bzw. der eingeschränkte Gebrauch sonst häufiger Partikel (δέ in 1,14; 2,5.16.24; 10,2; 19,12; 21,8; οὖν in 1,19; 2,5.16; 3,2.19)97 sowie das Fehlen des Geniti‑ vus absolutus und den restriktiven Gebrauch des Accusativus cum infini‑ tivo,
da
beide
Konstruktionen
keine
semitische
Entsprechung
haben.98 Vieles jedoch bleibt eine unerklärliche Abweichung von der griechi‑ schen Syntax, die nur als „Fehler“ gewertet werden kann. Dies kann so weit gehen, dass der griechische Text keinen Sinn mehr macht; der Text wird im Grunde weniger „verstanden“, als dass man aus Vertrautheit mit der zugrunde liegenden Tradition seinen Sinn erschließt (vgl. 11,18; 19,20; 21,27). Hierher gehört auch die Verwendung der Präposition μετά mit Genitiv bei πολεμέω, womit eigentlich der Kampfgenosse und nicht wie in der Johannesoffenbarung der Gegner angegeben wird

94 95 96 97 98

Diese Verwendung im Sinne eines unbestimmten Artikels findet sich im Griechi‑ schen
allerdings
seit
Aristophanes;
vgl.
B•‚yz / Ax••€,
Wb. NT
Sp.
466. Zu indeklinablem λέγων S. Tˆ|Ž›•|•, Semitic Syntax 69f. Jedoch korrekt angegli‑ chen
etwa
in
6,7;
12,10
(14,13);
unerklärbar
bleiben
1,11;
10,8;
11,1. Vgl.
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, „žxƒž;
Axx|,
L’Apocalypse
(EtB)
„xžƒƒƒ. Ausführlich zum Gebrauch der Partikel in der Johannesoffenbarung B|‚••yŒ, Offen‑ barung
(KEK)
172f.;
A‚•y,
Revelation
(WBC)
„ž„ƒ–„ž„Ÿƒ. So
M‚••ƒy•,
Greek
of
Revelation
167f.
und
170f.

76

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

(2,16; 12,7; 13,4; 17,14; entsprechend bei [ποιεῖν] τὸν πόλεμον 11,7; 12,17; 13,7; 19,19); korrekt wäre zur Angabe des Gegners der bloße Dativ oder πρός / ἐπί mit Akkusativ.99 Auch bei λαλέω wird der Angesprochene kor‑ rekt mit Dativ oder πρός mit Akkusativ und nicht mit μετά mit Genitiv (1,12;
4,1;
17,1;
21,9.15)
angegeben.100 Als Ergebnis dieses kurzen Überblicks zur Sprache der Johannes‑ offenbarung lässt sich folgendes festhalten: Der Vf. der Johannesoffen‑ barung bedient sich der griechischen Koine, zeigt sich aber zugleich auffällig nachlässig gegenüber ihrem grammatikalischen System, was sich in der Vernachlässigung der Kongruenz und dem Gebrauch der Partizipien zeigt. Manches mag ein anzunehmender semitischer Sprachhintergrund des Vf.s erklären, anderes ist einfach nur unerklär‑ lich oder „falsch“. Wie kommt es zu dieser Sprache, die schon Dionysi‑ os von Alexandrien als voller Barbarismen (Fehler in der Wortwahl) und
Solözismen
(Fehler
in
der
Syntax)
bezeichnete?

b. Erklärungsversuve Aus den in der historisch‑kritischen Forschung erwogenen Theorien zur Sprache der Johannesoffenbarung lassen sich zwei zentrale Kriteri‑ en erheben, die eine gewisse Ordnung der oW sehr konträren Positio‑ nen erlauben.101 Das erste Kriterium setzt den Textbefund in Relation Dazu Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžžƒƒƒ; Axx|, L’Apocalypse (EtB) „xŸƒ; zu μετά mit Genitiv S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 484f.; BDR § 227 (doch bereits in Ri 5,19 LXX findet sich πολεμέω μετά τινος zur Angabe des Kriegsgegners; vgl. L‚•Œ / E~•ƒ…yx / H•‚•›ƒy, Le‑ xicon
LXX
503). 100 Vgl. Axx|, L’Apocalypse (EtB) „xŸƒ. B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 941, nennt als weitere ntl. Belege dieser Konstruktion Mk 6,50; Joh 4,27; 9,37; vgl. auch Cˆ•zxy•, Revelation (ICC)
1, „žžžƒƒƒ. 101 A‚•y, Revelation (WBC) „ž„ƒž, unterscheidet drei Grundtypen für die Erklärung des eigenartigen Griechisch der Johannesoffenbarung, gibt aber keine Kriterien für seine Systematisierung an: „There are several possible explanations for this peculiar Greek: (1) Revelation ist a translation of a work originally wriTen in a Semitic lan‑ guage, Hebrew (ScoT, Apocalypse) or Aramaic (Torrey, Apocalypse). (2) The author wrote in Greek but thought in Hebrew or Aramaic (Charles; Mussies, Morphology). (3) Biblical Hebrew served as a modell for the language of Revelation (S. Thompson, Apocalypse …). (4) The author was secondary [korrekt wäre primary, vgl. H|z•yxy~, Fiction 24; Anm. d. Vf.s] bilingual (i. e., he had no formal instruction in Greek, Hors‑ ley …), and he was probably able to speak as well as write Greek; the Semitisms that undoubtedley exist in Revelation are the result of bilingual interference.“ Auch P|z‑ Œyz, Language 582–584, teilt die Forschungspositionen in drei Gruppen, ohne für sei‑ ne Einteilung Kriterien zu benennen: (1) kein semitischer Einfluss, (2) Übersetzung aus dem Aramäischen und (3) „Heilig‑Geist‑Griechisch“; ähnlich C•xx•ˆ••, Lan‑ 99

Sprache
und
Stil

77

zur sprachlichen Umwelt der Johannesoffenbarung und versucht die sprachlichen Auffälligkeiten im Blick auf das zeitgenössische Grie‑ chisch und die zu vermutende semitische MuTersprache des Verfassers zu erklären, d. h. zu klären, inwiefern semitischer Einfluss für Verstöße gegen die griechische Syntax verantwortlich zu machen ist. Das zweite Kriterium ist der Vf. der Johannesoffenbarung, d. h. die Frage, ob er absichtlich oder unabsichtlich gegen die griechische Grammatik „verstößt“. (1) Die Tatsache, dass die Sprache der Johannesoffenbarung zahlreiche harte Verstöße gegen die griechische Grammatik aufweist, die sich zu einem erheblichen Teil als Semitismen erklären lassen, bedeute nach R. H. Charles, dass ihr Vf. ein Semit ist, der nie eine idiomatische Be‑ herrschung des Griechischen erlangt hat. Nach R. H. Charles’ viel zitier‑ tem Dictum „denkt er hebräisch, während er griechisch schreibt“, d. h. er folgt oW mehr der hebräischen als der griechischen Syntax und über‑ trägt zahlreiche Wendung wortwörtlich ins Griechische.102 Diese Sicht hat zahlreiche Nachfolger gefunden und dürWe heute die am meisten vertretene sein.103 Diskutiert wird unter den Vertretern dieser Theorie allerdings die Frage, welcher Art der semitische Sprachhintergrund des Vf.s ist, d. h. ob der Vf. – wie R. H. Charles meinte – „hebräisch“ oder doch eher „aramäisch dachte“; so plädierte bereits E.‑B. Allo für Ara‑ mäisch.104 In der Tat liegt ein großes Defizit der sprachlichen und stilis‑ tischen Analyse R. H. Charles’ darin, dass er vom „hebräischen Stil“ der guage 454. S. Tˆ|Ž›•|•, Semitic Syntax 106f., unterscheidet de facto nur zwei Kate‑ gorien: (1) Übersetzung hebräischer oder/und aramäischer Vorlagen und (2) beson‑ derer
individueller
Stil
des
Vf.s. 102 So Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žxƒƒ–„žxƒŸ; im Grammatik‑AbschniT seines Kom‑ mentars unterscheidet er hinsichtlich der sprachlichen Auffälligkeiten: „The Hebraic Style of the Apocalypse“, „Unique Expressions in our Author“ und „Solecisms due to
slips
on
the
part
of
our
author“. 103 Vgl. etwa H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 20f.; Wƒ…y•ˆ•‚•yz / S„ˆŽƒ€, Einleitung 650; SŒz|†yx, Apokalypse. TRE 3, 180f.; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 51; diese Sicht scheinen auch die Kommentare von Bousset (KEK) und Aune (WBC) zu vertreten, die sich jedoch einer eindeutigen Wertung enthalten. S–yŒy, Revelation „žžŸ, vertriT prinzipiell auch diese Theorie, sieht daneben aber auch die Gestaltungsabsicht des Vf.s
am
Werk
(bewusster
„Skizzenstil“). 104 Axx|, L’Apocalypse (EtB) „xžŸ: „Nous admeTerons sans difficulté, avec Swete, Charles et les autres (quoique Charles trouve trop facilement, croyons‑nous, des consécutions hébraïques), que Jean, qui a un style plus ‘hébraïque’‚ que celui des Septante, qui sait si peu user de sa propre période, et cela en dépit de la richesse d’un vocabulaire acquis seulement par la conversation. Comme il avait parlé ara‑ méen la plus grande partie de sa vie, il pensait encore en araméen, tout en écrivant en
grec.“

78

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

Johannesoffenbarung und von „Hebraismen“ spricht und dabei über‑ sieht, dass das biblische Hebräisch, an das er offensichtlich denkt, zu dieser Zeit – anders als das Aramäische – keine gesprochene Sprache mehr ist.105 Zu Recht differenziert deshalb G. Mussies bei der Frage nach dem sprachlichen Hintergrund der Johannesoffenbarung, ausge‑ hend von den sprachlichen Verhältnissen in Palästina zur Zeit der Ab‑ fassung der Johannesoffenbarung, zwischen biblischem Hebräisch, dem zeitgenössischen Hebräisch („Mischna‑Hebräisch“) und Aramä‑ isch (vgl. den Exkurs); er kommt zu dem Schluss, dass die „Semitis‑ men“ der Johannesoffenbarung sich einerseits nicht aus dem biblischen Hebräisch erklären106, andererseits aber eine eindeutige Entscheidung zwischen Mischna‑Hebräisch und Aramäisch aufgrund der großen Nähe
in
der
Struktur
beider
Sprachen
kaum
möglich
ist.107 (2) Hierher gehört letztlich auch die von N. Turner vertretene These, die zahlreichen Semitismen und sprachlichen Härten der Johannesoffenba‑ rung seien nicht die Folge mangelhaWer griechischer Sprachkenntnisse ihres Vf.s.108 Die Sprache der Johannesoffenbarung spiegle vielmehr einen im 1. Jh. n. Chr. in Palästina (und unter den Juden allgemein) ge‑ sprochenen „judengriechischen Dialekt“, der auch in den biblischen SchriWen (LXX und NT) seinen literarischen Niederschlag gefunden habe.109 Auch S. Thompson geht von der Existenz eines „Judengrie‑

105 In diesem Sinne versteht auch S. Tˆ|Ž›•|•, Semitic Syntax 3, R. H. Charles; anders M‚••ƒy•, Morphology 9, nach dem Charles „the Hebrew vernacular“ meint, wofür sich
aber
m. E.
im
Kommentar
von
Charles
kein
Hinweis
findet. 106 Exemplarisch zeigt dies M‚••ƒy•, Greek of Revelation 168, etwa am Gebrauch des In‑ finitivs: „Another use of the infinitive which was especially frequent in Hellenistic Greek is that of the substantivized (accusative plus) infinitive preceded by a preposi‑ tion. Now the curious thing here is that, apart from the article, there were similar constructions in Biblical Hebrew, but no longer so in Mishnaic Hebrew and Galilaen Aramaic. In both the preposition le‑ is the only one that can be placed with an infini‑ tive, which is quite naturally represented in the Apocalypse by the final infinitive, or by
τοῦ with
infinitive
…
For
the
rest
substantivized
infinitives
are
wholly
absent.“ 107 So M‚••ƒy•, Morphology 352f., der dazu anmerkt: „It is even highly probable that our phrase ‘Hebrew or Aramaic’ suggests a problem which does not exist: both lan‑ guages most likely influenced an author who was so well versed in Ezekiel and Daniel, and who lived in a period when both languages were used by each other’s side.“ Mussies selbst tendiert hier in Richtung (Mischnah‑)Hebräisch, später („Greek of
Revelation“)
scheinbar
doch
eher
Richtung
Aramäisch. 108 Allerdings erklärt M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 146f., diejenigen Verstöße gegen die griechische Grammatik, die sich nicht als Semitismen erklären lassen, damit, dass ein „ungebildeter“ Vf. wie der der Johannesoffenbarung Entwicklungen des spä‑ teren
Griechisch
vorwegnimmt. 109 M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 149: „What made the style of Revelation appear unique

Sprache
und
Stil

79

chisch“ aus, dessen sich der Vf. der Johannesoffenbarung bedient. Al‑ lerdings geht er zusätzlich davon aus, dass die Verwendung dieses se‑ mitisierenden Griechisch theologisch motiviert ist: Nur so sei es für den Verfasser und seine Adressaten erträglich, den heiligen Inhalt in der Sprache
der
Heiden
auszudrücken.110 (3) E. Lohse sieht das Griechisch der Johannesoffenbarung als Nachah‑ mung der Sprache der alTestamentlichen Propheten; indem er ihre Sprache wortwörtlich ins Griechische übertrug, erzeugte er geradezu einen „heiligen Stil“, der ihm als die seiner BotschaW „allein angemes‑ sene Ausdrucksweise“111 erschien. Da sich der Vf. an zahlreichen Stel‑ len seines Werkes der korrekten griechischen Ausdrucksweise bediene, könne man – so J. Roloff und H. Giesen – nicht mangelnde griechische Sprachkenntnisse für den semitisierenden Stil der Johannesoffenbarung verantwortlich machen, sondern allein den Willen des Vf.s, „biblisch“ zu sprechen.112 C. C. Torrey geht noch weiter: Die Johannesoffenbarung sei die Übersetzung eines semitischen – näherhin eines aramäischen – Originals; ihre sprachlichen Härten seien der Versuch, die „heilige Vor‑ lage“
so
getreu
als
möglich
wiederzugeben.113

110 111 112 113

to Dr. Charles and others is a Semitic quality of Greek, which however is only a maTer of degree, not kind, in its difference from that of other Biblical Greek authors. The author uses the idioms more frequently, and I suggest that in his case the service of the usual amanuensis, or some other kind of reviser, were not avalable, especially if he really were on the remote island of Patmos.“ Zur Idee eines „Jewish‑Greek“ als gesprochene Umgangssprache unter den Juden GyˆŽ•••, Hebraic Character 92. 98. 101; BDR § 4, 3; T‚z•yz, Christian Words; zur Problematik der Annahme eines „ju‑ dengriechischen Dialekts“ P|zŒyz, Language 592–603; H|z•xy~, Fiction 26–37; L‚•Œ / E~•ƒ…yx / H•‚•›ƒy, Lex. LXX žžf.; s. zu den Arbeiten Turners H|z•xy~, Syntax Volume bes.
55–60;
ders.,
View
396–399;
SƒxŸ•,
Bilingualism
202–204. Vgl.
S. Tˆ|Ž›•|•,
Semitic
Syntax
108;
gegen
Thompson
H|z•xy~,
Fiction
34f. L|ˆ•y,
Sprache
122f.;
im
Kommentar
(NTD)
äußert
er
sich
zu
dieser
Frage
nicht. So R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 20f.; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 39; auch S„ˆw••‑ xyz
Fƒ|zy•Š•,
Offenbarung
47;
Mwxxyz‑Fƒy†yz‹,
Jerusalem
54–58. Nach T|zzy~, Apocalypse 19, versucht der Autor der Johannesoffenbarung, der das Griechische meisterhaW beherrscht, „to produce a text which could be understood by the Greek reader and at the same time should mirror faithfully every word and phrase of the sacred original“. Die Solözismen seien folgendermaßen zu verstehen: „It is to be noted that where Greek grammar is ignored, the eye ot the translator being on gender, cases, or other syntactical features of his Aramaic original, it never results that the sense of the passage is altered or obscured. The irregularity simply means: See the original text!“ (ebd. 49). Torrey folgt mit dieser Sicht R. B. Y. ScoT, wi‑ derspricht ihm aber darin, dass die Sprache des Originals Aramäisch und nicht He‑ bräisch ist. Zum Nachweis eines aramäischen Originals T|zzy~, Apocalypse 39–48. L••„yxx|ŒŒƒ,
Sintassi
122,
lehnt
solche
Theorien
entschieden
ab.

80

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

(4) Auch E. Lohmeyer sieht die grammatischen Unregelmäßigkeiten der Johannesoffenbarung darin begründet, dass ihr Vf. die griechische Koi‑ ne den Gesetzmäßigkeiten der hebräischen Sprache unterwirW und da‑ bei selbst vor äußersten Härten nicht zurückschreckt, um dadurch einen heiligen Stil, das ϑεῖον der apokalyptischen Rede zu erzeugen.114 Doch sehen er und H. KraW – offensichtlich angeregt durch E. Nor‑ den115 – den Grund dafür nicht allein im Versuch, biblisch zu reden. Der Vf. der Johannesoffenbarung habe bewusst ein künstliches Gebilde geschaffen, das so nie gesprochen wurde und deshalb des heiligen In‑ halts
allein
würdig
ist.116 (5) Die Auseinandersetzung mit der Sprache der nichtliterarischen grie‑ chischen Papyri Ägyptens im späten 19. Jh. – insbesondere die Arbeiten von A. Deissmann117 – zeigte, dass sich dort viele Wörter und syntakti‑ sche Strukturen finden, die bisher als Semitismen bzw. exklusiv „bibel‑ griechisch“ galten. Das neutestamentliche bzw. biblische Griechisch scheint demnach nichts anderes zu sein als die griechische Umgangs‑ sprache der Zeit. Für die Solözismen der Johannesoffenbarung finden sich zahlreiche Parallelen in jenen Papyri, die aus der Hand eines we‑ nig gebildeten Schreibers stammen. So kam J. H. Moulton für den Vf. der Johannesoffenbarung zu dem viel zitierten und kritisierten Urteil: „Apart from places where he may be definitely translating a Semitic document, there is no reason to believe that his grammar would have been materially different had he been a native of Oxyrhynchus“118. In 114 So L|ˆŽy~yz, Offenbarung (HNT) 194. UnmiTelbar nachdem er von hebräischem Einfluss und bewusstem heiligem Stil gesprochen hat, meint er jedoch, die Sprache der Johannesoffenbarung verrate einen Schreiber, der von aramäischem Sprachemp‑ finden
geprägt
und
des
Griechischen
nicht
völlig
mächtig
ist
(ebd.
195). 115 N|z€y•, Agnosts Theos 382f., vermutet nämlich, der Vf. der Johannesoffenbarung „vergewaltige“ die griechische Grammatik und Sytnax „sichtlich mehr aus Demon‑ stration gegen alles Hellenische als aus Unfähigkeit, da er dieselben Strukturen, die er gelegentlich barbarisiert, an anderen Stellen regulär braucht“. So auch Y•†z| C|x‑ xƒ••,
Crisis
47;
H•zzƒ•‹Œ|•,
Revelation
(SacrP)
17. 116 Vgl. L|ˆŽy~yz, Offenbarung (HNT) 194; Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 16. Anders als Lohmeyer meint KraW, die Griechischkenntnisse des Vf.s der Johannesoffenbarung häTen „ausgereicht, sich flüssig und unanstößig auszudrücken, wenn er gewollt häTe“ (ebd. 15); man könne geradezu „von einen spielerischen Umgang mit der griechischen
Sprache“
sprechen
(ebd.).
Ähnlich
C•xx•ˆ••,
Language
459–462. 117 Exemplarisch seien genannt: „Bibelstudien“ (1895), „Neue Bibelstudien“ (1897), „Die sprachliche Erforschung der griechischen Bibel“ (1898), „Licht vom Osten“ (1908); zu A. Deissmann M|‚xŒ|•, Gr. NT 1, 3f.; SƒxŸ•, Bilingualism 198–204; H|z•xy~, Ficti‑ on
37–39;
V|yxŠ,
Language
906–919. 118 M|‚xŒ|•, Gr. NT 1, 9. Kritik: M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 148–150; Cˆ•zxy•, Revela‑ tion
(ICC)
1, „žxƒƒf.;
Axx|,
L’Apocalypse
(EtB)
„xžƒŸf.;
H|–•z€,
Semitisms
413–416.

Sprache
und
Stil

81

leicht abgeschwächter Form, aber bei deutlicher Relativierung des se‑ mitischen Elements der Johannesoffenbarung und entschiedener Ab‑ lehnung eines „judengriechischen“ Dialekts, vertriT heute z. B. S. F. Por‑ ter
diese
Position.119 (6) G. K. Beale sieht in den Solözismen und sprachlichen Unregelmäßig‑ keiten der Johannesoffenbarung vom Vf. bewusst gesetzte Signale für den Leser, die ihn auf alTestamentliche Zitate und Anspielungen auf‑ merksam machen und zum Nachdenken über den originalen Wortlaut anregen sollen.120 Ein Teil von ihnen entstand durch die direkte Über‑ nahme von AbschniTen aus verschiedenen griechischen Versionen der alTestamentlichen SchriWen ohne Anpassung an den Kontext der Jo‑ hannesoffenbarung oder durch ihre direkte Übersetzung aus dem He‑ bräischen. OW handelt es sich nur um „stilistische Semitismen“ oder „Septuagintismen“.121 Diese liegen zwar im Bereich dessen, was – nach den Zeugnis der nichtliterarischen Papyri – innerhalb des zeitgenössi‑ schen Griechisch möglich ist, erzeugen beim Hörer aber dennoch einen „biblischen“ Eindruck.122 G. K. Beale versucht so die Theorie eines be‑ wussten biblischen Stils der Johannesoffenbarung (E. Lohse u. a.) im Blick auf die von J. H. Moulton und S. F. Porter formulierten Vorbehalte zu modifizieren. Die Annahme eines „Judengriechisch“ oder einer Kunstsprache lehnt er ebenso ab wie den Verweis auf mangelhaWe Sprachkenntnisse
des
Vf.s.123

119 P|zŒyz, Language 599f., bestimmt seine Position im Blick auf vorausgehende Studi‑ en (bes. S. Thompson): „I have aTempted to show that a more principled standard of classification of the data leaves liTle doubt that Semitic interference in the language of the Apocalypse cannot be proved. The most that can be argued for is Semitic en‑ hancement at points. … There is no compelling reason to believe that even if there is a particularly large number of linguistically odd examples that this points to Semitic influence, especially since so many can be paralleled in extra‑biblical Greek. It just as logically points to the conclusion that so many try to avoid: the author of the Apoca‑ lypse was not particularly competent in Greek, i. e. the book is wriTen in an idiolect that
departs
significantly
from
established
norms.“ 120 So
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
102. 121 Vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 101; zu „stilistischen Semitismen“ und „Septuagin‑ tismen“ im Unterscheid zu „echten“ Semitismen vgl. ebd. 103f.; Wƒx„|ž, Semitisms 981–983. 122 Ausführlich
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
102f. 123 Ähnlich wie G. K. Beale auch Fzy~, Erwägungen 359–380. Dem Ansatz von G. K. Bea‑ le steht auch die Wertung der Sprache der Johannesoffenbarung bei T. H|xŒŠ, Spra‑ che als Metapher. Erwägungen zur Sprache der Johannesapokalypse, in: Horn / Wol‑ ter,
Studien
10–19,
nahe.

82

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

Zusammenfassung: In den Theorien zur Sprache der Johannesoffenba‑ rung spiegelt sich die DebaTe um Wesen und Eigenart des neutes‑ tamentlichen bzw. biblischen Griechisch insgesamt.124 Inwiefern zeigt dieses Griechisch semitischen Einfluss oder bleibt es im Rahmen der allgemeinen zeitgleichen Gräzität? Inwiefern prägt die Tatsache, dass es sich bei vielen dieser SchriWen um Übersetzungen semitischer, meist hebräischer Originale handelt, diese Sprache? Entspricht ihr eine unter den Juden gesprochene Umgangssprache oder ist es eine reine „Litera‑ tursprache“? Welchen Einfluss hat die Zweisprachigkeit der biblischen Autoren und welches Verhältnis haben sie zur hellenistischen Kultur? Diese Kontroverse wird von zwei bis heute wirksamen Extremen be‑ stimmt: Die „Hebraisten“ führen jede Abweichung gegenüber der grie‑ chischen Syntax – sei es nun die des aTischen Griechisch oder die der (literarischen) Koine – auf semitischen Einfluss zurück, die „Puristen“ wollen durch Parallelen zumindest in den nichtliterarischen Papyri zei‑ gen, dass das biblische Griechisch durchgängig innerhalb der Möglich‑ keiten
der
zeitgleichen
griechischen
Alltagssprache
bleibt.125 Da beide Positionen bis heute sowohl im Blick auf das biblische Griechisch insgesamt als auch auf die Sprache der Johannesoffenba‑ rung im Besonderen mit differenzierten Argumentationen und einer nahezu unüberschaubaren Fülle von Textbelegen propagiert werden, ist es ratsam, sich nicht im Voraus auf eine Position festzulegen, son‑ dern im Durchgang durch den zu untersuchenden Text der Johannes‑ offenbarung Satz für Satz zu prüfen, ob semitischer Einfluss zwingend anzunehmen ist oder definitiv ausgeschlossen werden kann. Dazu be‑ darf es der Differenzierung des Begriffs „Semitismus“ hinsichtlich Art und sprachlichem Hintergrund (primäre und sekundäre, Aramaismen, Hebraismen etc.).126 Dies scheint um so mehr erforderlich im Blick auf die Überlegungen zur Textgenese der Johannesoffenbarung. Denn soll‑

124 Hierher gehört die schon genannte Kontroverse um Deissmann und Moulton. Zur DebaTe um die Eigenart des biblischen und neutestamentlichen Griechisch und ih‑ ren Hintergründen V|yxŠ, Language 894–930; Tˆ•„…yzy~, Grammar LXX 25–31; R•‑ €yŽ•„ˆyz,
Grammatik
17–29;
H|z•xy~,
Views
393–396;
ders.,
Fiction
38–40. 125 Die Bezeichnungen „Hebraisten“ und „Puristen“ entstammen zwar dem ersten Hö‑ hepunkt dieser Kontroverse im 18. Jh., treffen aber auch den Kern der heutigen Aus‑ einandersetzung,
weshalb
sie
hier
ihrer
AussagekraW
wegen
verwendet
werden. 126 Zur Differenzierung der ntl. Semitismen vgl. M|‚xŒ|• / H|–•z€, Gr. NT 2, 14–16 und 414–485, bes. 477–480; Wƒx„|ž, Semitisms 978–995; BDR § 4. Zur Johannesoffen‑ barung P|zŒyz, Language 586–592; M‚••ƒy•, Greek of Revelation 165; C•xx•ˆ••, Language 454–456; M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 150–158, der eine detaillierte Aufli‑ stung nach Aramaismen, Hebraismen und Semitismen (d. h. von beiden her mög‑ lich)
bietet.

Sprache
und
Stil

83

te ihr Vf. – wie schon R. H. Charles127 vermutete – verschiedensprachige (literarische) Vorlagen benutzt haben, darunter griechische Übersetzun‑ gen semitischer Originale sowie ursprünglich griechisch abgefasste Texte, ist damit zu rechnen, dass es die Sprache der Johannesoffenba‑ rung nicht gibt und eine Theorie nicht genügt. Eine derartige sprach‑ lich‑stilistische Analyse der Johannesoffenbarung kann demnach zur Identifizierung
von
Quellenstücken
beitragen. Die Theorien zur Sprache der Johannesoffenbarung beschränken sich jedoch nicht auf die Frage des semitischen Einflusses. Etliche Aus‑ leger sind überzeugt, dass sich diese Sprache dem bewussten Gestal‑ tungswillen des Vf.s verdankt – entweder als gesuchter semitisierender Stil oder als gezielte Missachtung griechischer Grammatik. Können sol‑ che Behauptungen mehr sein als eine Psychologisierung des Befunds und reine Spekulation? Die Psyche des Vf.s ist für den heutigen Ausle‑ ger eine problematische Größe. Deshalb empfiehlt es sich, anders zu fragen: Unter welchen Voraussetzungen konnten die Adressaten die Sprache der Johannesoffenbarung im Sinne dieser Theorien als „bibli‑ sche“ Sprache oder heilige Kunstsprache wahrnehmen?128 Dazu ist es nötig, dass sich zeitgleiche Parallelen zur Sprache der Johannesoffenba‑ rung finden lassen, die zeigen, dass dies ein damals gebräuchliches lite‑ rarisches
DarstellungsmiTel
war. Im Blick auf eine „biblische Sprache“ der Johannesoffenbarung ge‑ nügt nicht ein einfacher Vergleich mit den griechischen Bibelüberset‑ zungen (Septuagintismen129); es sind auch die dahinterstehenden Über‑ setzungstechniken und damit die Frage nach der Existenz der Theorie einer griechischen „heiligen Sprache“ im Judentum in den Blick zu nehmen.130 Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Johan‑ 127 Vgl.
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, xžƒƒ. 128 Dahinter steht noch ein weiteres Problem: Eine heilige Sprache setzt so etwas wie heilige SchriWen voraus. Was zählt im Judentum überhaupt dazu? War dieser Zyklus von SchriWen überhaupt erweiterbar? Was konnte man dann mit so einer Sprache überhaupt erreichen? Vgl. dazu H. B‚z…ˆ•z€, Die Inspiration heiliger SchriWen bei Philon von Alexandrien, Gießen 21992; Tˆ. S‡€ƒ•‹, Einheit der Heiligen SchriW? Zur Theologie des biblischen Kanons (QD 211), Freiburg u. a. 2005; F. R. Pz|•ŒŽyƒyz, Was bedeutet
die
Autorität
der
SchriW
bei
Paulus?,
in:
QD
215
(2005)
97–130. 129 Als Septuagintismen bezeichnet man „semitisierende“ neutestamentliche Konstruk‑ tionen, die nicht auf einen semitischen Sprachhintergrund des jeweiligen Vf.s, son‑ dern auf bewusste oder unbewusste Anlehnung an den Stil der LXX hinzudeuten scheinen.
Vgl.
Wƒx„|ž,
Semitisms
981–986;
S„ˆŽƒ€Œ,
Semitisms
592–594. 130 Die Bücher des AT wurden von verschiedenen Männern zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlicher Weise ins Griechische übertragen; von einzelnen Büchern waren verschiedene Übersetzungen und Rezensionen in Umlauf. Hinzukommt, dass die Übersetzung fremdsprachlicher Texte ins Griechische im vorchristlichen Zeital‑

84

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

nesoffenbarung – wie bereits R. H. Charles betonte – sich durch die Dichte und Schwere ihrer Verstöße gegen die griechische Grammatik sowohl von allen griechischen Übersetzungen des Alten Testaments als auch von der griechischen Literatur insgesamt – paganer wie jüdi‑ scher – und sogar von den nichtliterarischen Papyri unterscheidet.131 Diese Singularität von Sprache und Stil wiegt schwer gegen die von E. Norden formulierte Vermutung, der Vf. der Johannesoffenbarung wolle durch die Missachtung der griechischen Grammatik seine Ver‑ achtung gegen alles Hellenische ausdrücken. Derartige Theorien sind mangels einer eindeutiger Vergleichsbasis ebenso wenig beweisbar wie widerlegbar, denn was der Vf. der Johannesoffenbarung dachte, kön‑ nen
wir
heute
nicht
mehr
wissen.132

c. Kriterien
der
spravliv‑stilistisven
Analyse Die BeschäWigung mit Texten der Johannesoffenbarung verlangt vom Ausleger auch ein Urteil über die Eigenart ihrer Sprache. Da ein Kon‑ sens der Forschung bis heute nicht gegeben ist, ist jeder Ausleger ge‑ zwungen, durch eine eigene sprachlich‑stilistischen Analyse zu einem begründeten und kritischen Urteil zu gelangen. Dabei bestimmt und strukturiert der Dissens der Forschung mit seinen offenen Fragen das

ter keine große Rolle spielt. Dies hat zur Folge, dass entsprechende systematische Grundlegungen für ein derartiges „Übersetzungsprojekt“ fehlten. Vgl. U•y•yz, Sep‑ tuaginta 83f. Näheres zur Frage der Übersetzungstechnik der LXX T|Ÿ, Greek and Hebrew Bible 239–246. Zu beachten ist, dass die Übersetzungstechnik die Funktion und Bedeutung der jeweiligen Übersetzung bestimmt; dasselbe gilt auch vice versa. So zum Unterschied zwischen der LXX und der griechischen Übersetzung Aquilas VyxŒzƒ, Targum Aquilas 106–113. Zur Frage der Existenz eine bewusst semitisieren‑ den
griechischen
Literatursprache
im
Judentum
M‚••ƒy•,
Greek
in
Palestine
1049. 131 So Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žxƒƒf.; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 159; Axx|, L’Apocalypse (EtB) „žxŸ. Auch P|zŒyz, Language 600, muss dies zugeben, wenn er auch
bemüht
ist,
dies
erklärend
zu
relativieren. 132 N|z€y•, Agnostos Theos 383 Anm. 1, nennt an Vergleichsmaterial allein den Zau‑ berpapyrus pap. Leid. V, der XI 17ff. aus dem Akk. in den Nom. wechselt, während der parallele AbschniT XV 21ff. korrekt im Akk. fortfährt. Er merkt dann aber selbst an: „An der ersten Stelle sind die Nominative wohl aus einem anderen, festgefügten Zusammenhange herübergenommen worden.“ Gegen die Theorie Nordens spricht, dass dort, wo man eine derartige Aversion gegen das Griechische und Hellenische vermuten sollte, nämlich in den Kreisen um Bar Kochba zu Beginn der 2. Jh.s n. Chr., sich nichts derartiges findet, im Gegenteil; vgl. dazu SyŸy••Œyz, Greek 170–172; M‚•‑ •ƒy•, Greek in Palestine 1052–1055; Tzy‚, Bedeutung 131. Man könnte hier auch auf die Makkabäerbücher verweisen; 1 Makk Übersetzung; 3/4 Makk aTizistisch; 2 Makk ohne
klare
Semitismen
und
ATizismen;
vgl.
M‚••ƒy•,
Greek
in
Palestine
1049f.

Sprache
und
Stil

85

Vorgehen: 1. Bleiben die sprachlichen Auffälligkeiten der Johannes‑ offenbarung innerhalb der Möglichkeiten der zeitgleichen griechischen Umgangssprache oder sind sie nur durch semitischen Einfluss erklär‑ bar? 2. Wenn ein semitischer Einfluss anzunehmen ist, ist dieser hebrä‑ isch oder aramäisch? 3. Verdanken sich die sprachlichen Besonderhei‑ ten der Johannesoffenbarung – seien sie semitischen Ursprungs oder nicht
–
einer
theologischen
oder
literarischen
Intention
des
Vf.s? Die beiden ersten Fragen scheinen sich leicht lösen zu lassen. Man sammelt alle sprachlichen Auffälligkeiten und überprüW zunächst, ob sich dazu Parallelen in anderen griechischen Texten finden, wenn nicht in literarischen Texten, so doch wenigstens in den nichtliterarischen Pa‑ pyri. Bleiben Abweichungen von der griechischen Grammatik oder auffällige Wortverwendungen, ist zu prüfen, ob sie sich auf den Ein‑ fluss des Hebräischen oder Aramäischen zurückführen lassen. Doch wirW dieses Programm neue Fragen auf. Genügt es, dass eine sprachli‑ che Auffälligkeit auch in anderen griechischen Texten belegt ist, um se‑ mitischen Einfluss auszuschießen? Wie lässt sich unterscheiden, ob ara‑ mäischer oder hebräischer Einfluss vorliegt und was ist durch eine solche Unterscheidung für das Textverständnis gewonnen? Schließlich: Anhand welcher Kriterien lässt sich überhaupt ein „heiliger Stil“ oder eine „Kunstsprache“ ausweisen? Ist jedes semitisierende Griechisch schon der Versuch biblischen Sprechens und jede „Vergewaltigung“ der griechischen
Grammatik
schon
absichtsvolle
Kunstsprache? Zur Beantwortung derartiger Fragen sind die Verwendung und Funktion der drei genannten Sprachen – Hebräisch, Aramäisch und Griechisch – im Umfeld des Vf.s der Johannesoffenbarung einzubezie‑ hen, d. h. wie verbreitet waren hier Kenntnisse dieser Sprachen, in wel‑ chen Kontexten wurden sie verwendet und welche Stellung haTen sie. Da die Forschung sich einig ist, dass der Vf. dem palästinischen Juden‑ tum entstammt, ist zunächst von den Sprachverhältnissen im Palästina des 1. Jh. n. Chr. auszugehen. Zugleich aber ist zu bedenken, dass eine palästinisch‑jüdische HerkunW des Vf.s nicht zwingend ist.133 Das Vor‑ handensein echter Semitismen (insbesondere von Aramaismen) darf je‑ doch als starker Hinweis für seine palästinische HerkunW gelten, da in

133 Die palästinische HerkunW des „Sehers Johannes“ wurde in der neueren Forschung nicht ernsthaW in Frage gestellt. Die Johannesoffenbarung selbst enthält jedoch keine direkten Hinweise auf die HerkunW ihres Vf.s. Die Annahme, dass der Seher aus Pa‑ lästina stamme, verdankt sich zu einem erheblichen Teil auch den altkirchlichen Zeugnissen, die ihn mit dem Zebedaiden Johannes identifizierten, den man auch für den
geliebten
Jünger
und
Vf.
des
Joh
hielt.
Näheres
bei
AbschniT
IV. 4c.

86

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

Kleinasien in dieser Zeit das Griechische die alten epichorischen Spra‑ chen
–
bis
auf
kleinere
Sprachinseln
–
schon
lange
verdrängt
haTe.134

Ež…‚z•: Die
Sprachverhältnisse
im
Palästina
des
1. Jh.
n. Chr. 1.
Historisve
Hintergründe Die Sprache der Juden war bis zur Zeit des babylonischen Exils ausschließlich das Hebräische, das in den ältesten Schichten der alTestamentlichen SchriWen seinen literarischen Ausdruck gefunden hat; über die Gestalt der gesprochenen Umgangssprache dieser Zeit sind keine Angaben mehr möglich. Mit dem baby‑ lonischen Exil wurden die Juden mit dem Reichsaramäisch als offizieller Verwal‑ tungs‑ und Verkehrssprache des neuassyrischen und des persischen Reiches vertraut und brachten sie aus dem Exil (537 v. Chr.) nach Palästina mit.135 Pro‑ blematisch ist, ob und wie lange Hebräisch in nachexilischer Zeit im Alltag ge‑ sprochen oder nur für religiöse Unterweisung und den Kult verwendet wurde. Jedenfalls blieb es (religiöse) Literatursprache. Seit den Eroberungen Alexan‑ ders des Großen (Schlacht bei Issos 333 v. Chr.) und den Diadochen‑Reichen standen weite Teile des Orients unter dem Einfluss der hellenistischen Kultur und Sprache. Auch in Palästina, das unter der HerrschaW der Seleukiden bzw. der Ptolemäer stand, löste die Koine, die griechische Einheitssprache, das Ara‑ mäische als Verkehrs‑ und Verwaltungssprache ab. Prestige und Faszination der griechischen Sprache und Kultur führten zu einer nicht nur die Oberschicht erfassenden Hellenisierung des palästinischen Judentums, gegen die konserva‑ tive religiöse Kreise heWig protestierten; dieser Protest scheint sich primär ge‑ gen bestimmte Aspekte der griechischen Kultur und Lebensart (Gymnasien, Theater
etc.),
nicht
gegen
die
griechische
Sprache
gerichtet
zu
haben. Infolge der forcierten Hellenisierung und der Religionsgesetzgebung unter Antiochus IV. Epiphanes (175–164) führte dieser Protest zu den Aufständen der Makkabäer (164–142), in denen es den Juden gelang, eine relative Selbständig‑ keit zu erringen. Ob und inwiefern diese nationalistische und anfangs religiös motivierte Erhebung Folgen für die SprachlandschaW Palästinas haTe, lässt sich nicht eindeutig erheben. Jedenfalls lassen sich keine Auswirkung auf die Ver‑ wendung des Griechischen unter den Juden Palästinas feststellen.136 Die Frage,

134 Zu den Sprachverhältnissen in Kleinasien G. Ny‚Ž•••, Kleinasien, in: ders. / J. Un‑ termann (Hg.), Die Sprachen im römischen Reich der Kaiserzeit 167–185. Vgl. auch R. S„ˆŽƒŒŒ,
Sprachverhältnisse
565–570. 135 Das Aramäische kam bereits 721 v. Chr. mit den von den assyrischen Eroberern im ehem. Nordreich Israel angesiedelten Exulanten aus dem südl. Mesopotamien nach Palästina;
vgl.
R•†ƒ•,
Hebrew
1013. 136 Vgl.
M‚••ƒy•,
Greek
in
Palestine
1053–1055;
ders.,
Early
Christianity
357f.

Sprache
und
Stil

87

ob mit dem Aufstand eine Wiederbelebung des Hebräischen als gesprochener Alltagssprache einherging, ist schon allein deshalb schwierig zu beantworten, weil nicht klar ist, in welchem Umfang es zuvor noch in Gebrauch war. Die Ein‑ gliederung Palästinas in das Imperium Romanum 63 v. Chr. durch Pompeius Magnus brachte als weitere Sprache Latein, änderte aber an den sprachlichen Verhältnissen insgesamt nichts, da im gesamten Osten des Reiches Griechisch die vorherrschende Sprache blieb.137 Die HerrschaW der Herodianer stand unter dem
Vorzeichen
der
Förderung
der
hellenistischen
Kultur. Im 1. Jh. n. Chr. sind folglich in Palästina Kenntnisse von zwei semitischen Sprachen – Hebräisch und Aramäisch – sowie des Griechischen und – in be‑ schränktem Umfang – des Lateinischen zu erwarten (andere Sprachen wie das Nabatäische, protoarabische Dialekte etc., die von kleineren Bevölkerungsteilen gesprochen wurden, müssen hier außer Acht gelassen werden)138. Jedoch sind Art und Umfang der Verwendung der genannten Sprachen zu klären.139 Dabei sind folgende drei Fragen relevant: (1) Gab es im 1. Jh. n. Chr. eine hebräische Alltagssprache? (2) War Aramäisch die MuTersprache aller Juden in Palästina? (3) In welchem Umfang kann man in den verschiedenen Bevölkerungsschich‑ ten Griechischkenntnisse annehmen? (4) In welchen Kontexten wurden die ver‑ schiedenen
Sprachen
verwendet? (1) Jw€ƒ•„ˆ‑›•x§•Œƒ•ƒ•„ˆy LƒŒyz•Œ‚z140: hebr. Bücher des AT; aram. AbschniTe in Esra und Dan; hebr./aram. SchriWen aus Qumran; griech. Übersetzung von Teilen des AT (LXX); hebr./griech. (aram.?) Texte der Pseudepigraphen/Apokry‑ phen und deuterokanonischen Bücher des AT („zwischentestamtarische Litera‑ tur“)141; griech. historische SchriWen des Flavius Josephus (sein Bellum Iudaicum auch in einer aram. Fassung; Josephus schrieb zwar seine Werke erst im letzten Viertel
des
1.
Jh.s
in
Rom,
war
aber
in
Palästina
geboren
und
aufgewachsen)142.

137 Vgl.
Tzy‚,
Bedeutung
123f.;
R. S„ˆŽƒŒŒ,
Sprachverhältnisse
559. 138 Zu
den
Bevölkerungsminderheiten
und
ihren
Sprachen
R•†ƒ•,
Hebrew
1009–1012. 139 Ganz allgemein stellt sich hier das Problem, dass historische Dokumente nur selten darüber AuskunW geben, welche Sprache an bestimmten Orten und in bestimmten Milieus gesprochen wurden. Selbst wenn sie es tun, sind ihre Angaben schwer zu bewerten, da die Bezeichnungen der Sprachen in der Antike meist sehr vage sind. Außerdem ist mit massiven Unterschieden zwischen gesprochener und geschriebe‑ ner
Sprache
zu
rechnen. 140 Neben der durch den Eifer der Juden, Samaritaner und Christen überlieferten religi‑ ösen hebr., aram. und griech. Literatur aus dem jüdischen Palästina ist auch mit der Existenz profaner jüdischer Literatur in diesen Sprachen zu rechnen. Wir haben also nur Literatur in den sprachlichen Registern zur Verfügug, die als den religiösen In‑ halten
angemessen
galten.
Vgl.
R•†ƒ•,
Hebrew
1011f. 141 Die semitischen, d. h. hebräischen oder aramäischen, Originale dieser Werke (1 Hen; 4 Esra; 2 Bar etc.) sind jedoch (meist) nicht erhalten. Man muss deshalb in den über‑ lieferten Übersetzungen bzw. Tochterübersetzungen nach Indizien zu suchen, die einen Rückschluss auf die Originalsprache erlauben. Sofern sich keine Fragmente er‑ halten
haben,
ist
jedoch
ein
definitives
und
eindeutiges
Urteil
kaum
möglich. 142 Josephus BJ 5. 9,2 sagt nur, er habe das Werk in der Sprache seiner Vorfahren ver‑ fasst; doch deuten die aramäischen Formen der jüdischen termini technici im BJ auf eine
ursprgl.
aram.
Fassung;
vgl.
R•†ƒ•,
Hebrew
1029.

88

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

(2) I••„ˆzƒ}Œy•:143 hebr., aram. und griech. SynagogeninschriWen (vor 70 n. Chr. sogar in Jerusalem eine in Griech.); griech. und lat. DedikationsinschriWen; Meilensteine mit griech. und lat. AufschriW; hebr., aram. und griech. Grab‑ und OssuarinschriWen; griech. carmina sepulcralia; griech. Graffiti; offizielle Rechtsin‑ schriWen
in
Griech.
und
Lat. (3) P•›~zƒ, O•Œz•…• yŒ„.:144 hebr. und aram. literarische Texte in Qumran (vor 73 n. Chr.; nur literarische Texte; zwei Frg.s der LXX in 7Q; drei in 4Q); griech., hebr. und aram. literar. und nichtliterar. Texte aus Masada (1. Jh. n. Chr.; aber unklar, ob jüdisch); hebr., aram., griech. und lat. nichtliterar. Texte aus Murab‑ baʾât (Anfang 2. Jh. n. Chr.); aram., griech. und nabatäische Rechtsdokumente aus der „Höhle der Briefe“ in Naḥal Ḥever (Wādi el‑Ḥabra; „Babatha‑Archiv“; vom Ende des 1. bis zum Anfang de 2. Jh. n. Chr.); die hebr., aram. und griech. verfassten Bar‑Kochba‑Briefe (132–135); griech. und aram. Rechtsdokumente jüdischer
Behörden
in
Naḥal
Seelim
(Zeit
des
Bar‑Kochba‑Aufstandes). (4) S|••Œƒ‹y•: griech. Lehnwörter (etwa in Qumran‑Texten, der talmudischen Literatur und in den hebr. Fragmenten des Sir); griech. Namen bei Juden (hebr.‑ griech./lat. Doppelnamen); MünzaufschriWen (seit Alexander Jannäus griech. neben
hebr.;
unter
Herodes
I.
nur
griech.;
im
2.
Jüd.
Aufstand
nur
hebr.).

2.
Die
Spraven
der
Juden
Palästinas
im
1. Jh.
n. Chr. (1) Hebräisch: Das Hebräische ist die Sprache der Tora und der (meisten) an‑ deren SchriWen des Alten Testaments und nimmt deshalb den Charakter einer „heiligen Sprache“ (ׁ‫ )לְשׁוׂן קוׂדֵ ש‬an, da es seit der Zeit des Exils als gesprochene Sprache mehr und mehr in den Hintergrund triT. Dennoch bleibt es die Spra‑ che der religiösen Literatur. Die nachexilischen SchriWen des Alten Testaments versuchen das klassische Bibelhebräisch nachzuahmen, zeigen aber deutliche Anzeichen der Wiederbelebung einer nicht mehr gesprochenen Sprache, wie die Aufgabe der ursprünglichen Unterschiede zwischen Prosa und Poesie in Vokabular und Syntax. Literatur in diesem „späten Bibelhebräisch“ (late biblical Hebrew) entsteht bis in das 1. Jh. v. Chr. (Ben Sirach; hebr. Frg.s der Jub, TestXII [Q]; wohl auch die meisten deuterokanonischen und apokryphen SchriWen ursprgl.
in
dieser
Sprache).145 Das Hebräisch der in Qumran gefundenen Texte zeigt gegenüber dem He‑ bräisch der späten alTestamentlichen SchriWen eine leichte Weiterentwicklung, weshalb man von „neuklassischem Hebräisch“ (neoclassical Hebrew) spricht. Die

143 Zusammengestellt bei D. N|~ / A. P•••~|Œ|Ÿ / H. Bx|y€ˆ|z• / W. AŽyxƒ•‹, Inscritio‑ nes
Judaicae
Orientis,
3
Bde.
(TSAJ
99.
101.
102),
Tübingen
2004. 144 Ediert bei V. A. T„ˆyzƒ…|Ÿyz / A. F‚…• u. a., Corpus Papyrorum Judaicarum, 3 Bde., Cambridge 1957–1964; Y. Y•€ƒ• u. a., The Documents from the Bar Kokhba Period in the Cave of LeTers, 2 Bde., Jerusalem 2002; teilweise auch in der Reihe „Discoveries in
the
Judaean
Desert“
(zusammen
mit
den
Funden
aus
Qumran). 145 Vgl.
R•†ƒ•,
Hebrew
1015.

Sprache
und
Stil

89

Kupferrolle von Qumran bietet dagegen ein Hebräisch, das bereits dem der Mischnah (im 3. Jh. n. Chr. niedergeschrieben) sehr nahe steht; dieses Hebräisch findet sich auch in den hebr. Bar‑Kochba‑Briefen (132–135) und anderen Texten der Höhlen von Murabbaʾât und Naḥal Ḥever. Es ist umstriTen, ob dieses sog. Mischna‑Hebräisch sich aus einer gesprochenen hebräischen Alltagssprache heraus entwickelte oder als Kunstsprache für die gelehrte Gesetzesdiskussion mit hebr. und aram. Elementen entstand. Ein öWer in den Qumran‑Dokumen‑ ten zu beobachtendes Abweichen von der Grammatik des bibl. Hebräisch hin zum Mischna‑Hebräisch könnte ein Hinweis darauf sein, dass dieses Hebräisch tatsächlich
gesprochen
wurde.146 (2) Aramäisch: Für das im 1. Jh. n. Chr. in Palästina geschriebene und gesproche‑ ne Aramäisch gibt es keine unmiTelbaren Zeugnisse. Die Texte aus dem Wadi Murabbaʾât (Bar‑Kochba‑Briefe) und von Naḥal Ḥever (Babata‑Archiv) stam‑ men aus dem frühen 2. Jh. n. Chr., stehen sprachlich aber den nicht eindeutig datierbaren aramäischen Qumran‑Texten (bes. GenApokr) nahe, deren Sprache sich noch immer am biblischen Aramäisch orientiert.147 Sie markieren eine spä‑ te Übergangsphase vom Reichsaramäisch zum MiTelaramäischen, dessen aus‑ differenzierte Dialekte im 2. Jh. n. Chr. Literatursprachen werden (Syrisch; jü‑ disch‑babylonisches Aramäisch etc.).148 Unsicher ist, ob Aramäisch im 1. Jh. n. Chr. von den palästinischen Juden als Literatursprache verwendet wurde; die einzigen Belege dafür wären die in ihrer Datierung unsicheren aramäischen SchriWen aus Qumran sowie der Hinweis des Josephus, er habe sein Bellum Iudaicum
ursprünglich
aramäisch
verfasst. Die aramäischen Urkunden von Wadi Murabbaʾât und von Naḥal Ḥever zeigen, dass es als Verwaltungs‑ und Amtssprache verwendet wurde. Dass Aramäisch eine gesprochene Umgangssprache war, ist durch Einlassungen bei Flavius Josephus und im Neuen Testament eindeutig belegt. Im religiösen Bereich wurde Aramäisch im Bereich der SchriWauslegung verwendet (Targu‑

146 R•†ƒ•, Hebrew 1017–1025 und 1033–1037, nimmt an, dass das „Mischna‑Hebräisch“ ab dem 3. Jh. v. Chr. in Palästina eine gesprochene Sprache war. Bedeutung erlangte es im Kampf der Makkabäer gegen den hellenistisch‑griechischen Einfluss und blieb in Jerusalem (und Judäa) wohl die vorherrschende Sprache. Die Beschränkung des Hebräischen auf Jerusalem und Umland sowie das Vorherrschen des Aramäischen in Galiläa und den anderen Gebieten Palästinas erkläre sich durch das Zusammen‑ ziehen der jüdischen Bevölkerung in Judäa am Anfang der makkabäischen Erhe‑ bung durch Simeon und Judas (165 v. Chr.) und die spätere Eroberung Idumäas durch Johannes Hyrkan (135–104) und Galiläas und Teilen Ituräas durch Aristobul (104/3) mit Zwangsjudaisierung der aramäisch sprechenden Bevölkerung. Ähnlich FƒŒŠŽ~yz, Languages 528–530; vorsichtiger M‚••ƒy•, Early Christianity 362–264. R|•·•, Sprachsituation 225f., geht von einer nationalistisch motivierten Wiederbele‑ bung
des
Hebr.
als
gesprochener
Alltagssprache
aus. 147 Es gibt keine Hinweise, dass ein miTelaramäischer Dialekt im 1. und frühen 2. Jh. n. Chr. in Palästina bereits geschrieben wurde. Ohne die Qumran‑Funde wäre für den Zeitraum zwischen der Endredaktion des Dan (165 v. Chr.) und den SchriWen der Tannaiten (spätes 1. Jh. n. Chr.) keine aram. Literatur in Palästina belegt; vgl. FƒŒŠŽ~yz,
Languages
518–521. 148 Näheres
R•†ƒ•,
Hebrew
1026f.;
vgl.
auch
R. S„ˆŽƒŒŒ,
Sprachverhältnisse
576.

90

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

me); dies hat seinen Grund darin, dass eine Auslegung in Mischna‑Hebräisch (oder einer anderen damals gebräuchlichen Variante des Hebräischen) allzu leicht für einen Teil des heiligen Textes gehalten häTe werden können.149 Insge‑ samt aber gilt, dass weder das literarische noch das gesprochene Aramäisch in dieser
Zeit
als
Träger
besonderen
kulturellen
Prestiges
erachtet
wurde.150 (3) Griechisch: Griechisch war die Sprache der Seleukiden und Ptolemäer, aber auch der römischen Verwaltung und der Herodianer. Griechische Literatur und Übersetzungstätigkeit hat in Palästina eine lange Tradition; auch die heiligen SchriWen wurde im 2. Jh. v. Chr. möglicherweise in Palästina, nicht (nur) in der (alexandrinischen) Diaspora ins Griechische übersetzt (LXX).151 Neben stark se‑ mitisierenden Werken (vgl. auch Weish, Henoch‑Literatur etc.), die zumindest teilweise auf ein hebr./aram. Original zurückgehen, entsteht in Palästina aber auch Literatur, die keinen semitischen Einfluss (Ps.‑Hekataios; Aristobul; Ps.‑ Aristeas; 2 Makk etc.) oder sogar aTizistische Tendenzen (3 und 4 Makk; außer‑ halb
Palästinas
Philon,
Flavius
Josephus)
zeigt. Den hohen Verbreitungsgrad der Griechischkenntnisse belegen die jüdi‑ schen griechischen InschriWen (ca. 440; in Joppe, Beth Schearim, Jerusalem etc.) sowie Papyri und Ostraka. Nicht nur offizielle InschriWen wie das Augustus‑ edikt in Nazaret (SEG VIII 13), die InschriW der Tempelschranken in Jerusalem (SEG VIII 169; XX 477; vgl. J. AJ 6. 2,4) oder die der Tempelsynagoge (SEG VIII 170; XX 478) waren in Griechisch abgefasst, sondern auch private, eindeutig jü‑ dische GrabinschriWen (z. B. der Hymnus in der Nekropole von Marisa SEG VIII 244). Von diesen griechischen GrabinschriWen sind viele nicht von profes‑ sionellen Steinmetzen ausgeführt; dies belegt die niedere soziale HerkunW der Toten und ihrer Familien. Griechischkenntnisse waren also keineswegs auf die gebildete Oberschicht und nicht einmal auf die städtische Bevölkerung be‑ schränkt, wie aus der geographischen Verteilung der Inschriften hervorgeht.152 Graffiti finden sich nur in griechischer Sprache. Auch die griechischen Urkun‑ den des Babatha‑Archivs, zwei griechische Briefe Bar Kochbas aus den Murab‑ baʾât‑Höhlen und griechische Texte aus Masada lassen eine weite Verbreitung und
breite
Verwendung
des
Griechischen
im
1. Jh.
n. Chr.
erkennen. Griechisch war wohl für einen Großteil der Juden Palästinas im 1. Jh. n. Chr. zumindest die zweite Sprache, unbeschadet der Aussage des Flavius Josephus (AJ 20, 12,1), dass das Erlernen des Griechischen ihn Mühe gekostet habe, dass bei seinen Landsleuten Griechisch Lernen weniger angesehen sei als das Tora‑ studium und dass nur wenige Juden ein gutes Griechisch sprechen.153 Eine re‑ lativ weite Verbreitung von Griechischkenntnissen unter der jüdischen Bevöl‑ kerung ist auch deshalb wahrscheinlich, weil Palästina im 1. Jh. n. Chr. kein

149 150 151 152 153

Ausführlich
R•†ƒ•,
Hebrew
1030–1032. So
R•†ƒ•,
Hebrew
1032. So
M‚••ƒy•,
Greek
in
Palestine
1055. Vgl.
SyŸy••Œyz,
Greek
1080–186. Vgl. M‚••ƒy•, Greek in Palestine 1056. Nach SyŸy••Œyz, Greek 70, besagt die Einlas‑ sung des Josephus implizit, dass für jeden Bewohner Palästinas im 1. Jh. n. Chr. die Möglichkeit bestand, hinreichend Griechisch zu lernen; vgl. dazu auch FƒŒŠŽ~yz, Languages
510f.

Sprache
und
Stil

91

einheitlich jüdischer Siedlungsraum war; Judäa und Galiläa grenzten an nicht‑ jüdische, hellenisierte Gebiete und waren selbst von hellenistischen Städten mit überwiegend nichtjüdischer Bevölkerung durchsetzt (Städte der Dekapolis, Se‑ baste, Caesarea maritima etc.)154. Jeder, der in Handel und Gewerbe tätig war, eignete sich deshalb zwangsläufig Grundkenntnisse der griechischen Sprache an. Hinzu kamen Kontakte mit hellenisierten Juden der westlichen Diaspora, von denen etliche nicht nur als Festpilger nach Jerusalem kamen, sondern sich auch in Jerusalem und Judäa niederließen; sie sind wohl die in Apg 6,1 genann‑ ten Ἑλληνισταί in Jerusalem.155 Auffällig ist, dass die Evangelien beim Zusam‑ mentreffen Jesu mit Nichtjuden bis hin zum Prozess vor Pontius Pilatus keinen Dolmetscher
erwähnen.156 (4) Latein: Das Lateinische ist in Palästina hauptsächlich durch InschriWen be‑ legt: DedikationsinschriWen auf Gebäuden; die InschriW auf den Tempelschran‑ ken in Jerusalem (parallel mit einer griechischen Fassung); als InschriWen ver‑ öffentlichte kaiserliche Dekrete; InschriWen auf Meilensteinen, Ziegeln und Grabsteinen. Unter den Texten der Murabba῾ât‑Höhlen fand man vier (oder fünf) Fragmente offizieller lateinischer Dokumente. Über Art und Umfang des Gebrauchs des Lateinischen im Palästina des 1. Jh. n. Chr. sind deshalb kaum Aussagen möglich; Latein bleib wohl auf den militärischen Bereich und die rö‑ mische
Provinzverwaltung
beschränkt.157 Zusammenfassung: Für einen Großteil der jüdischen Bevölkerung Palästinas im 1. Jh. n. Chr. war wohl Aramäisch die MuTersprache. Man kann annehmen, dass sich in diesem gesprochenen Aramäisch schon viele Züge des ab dem 2. Jh. geschriebenen galiläischen Aramäisch fanden. Verwendet wurde das Aramäi‑ sche als Umgangssprache, für Rechtsdokumente und bei der SchriWauslegung (Targume, aram. Qumran‑Texte). Für das Hebräische sind verschiedene Sprach‑ stufen mit festen Verwendungen und Funktionen zu unterscheiden: Das nicht mehr gesprochene biblische Hebräisch des Tanach (biblical Hebrew und late bibli‑ cal Hebrew) war die Sprache der „Heiligen SchriW“ und der religiösen Literatur (Qumran‑Texte). Für die gelehrte Gesetzesdiskussion (und die Predigt) wurde ein syntaktisch und lexikalisch stark vom Aramäischen beeinflusstes Hebräisch verwendet, wie es am Ende des 2. Jh. n. Chr. in der Mischna literarisch belegt ist. Im frühen 2. Jh. n. Chr. findet es in Briefen und Urkunden Verwendung, doch mag dies eine kurzfristige, durch die nationale Erhebung unter Bar Koch‑ ba bedingte Erscheinung gewesen sein. Für die Gebete im synagogalen GoTes‑ dienst wurde ein Hebräisch verwendet, das im Vokabular noch stark am bibli‑ schen orientiert ist, aber bereits syntaktische Erscheinungen des Mischna‑

154 Eine Auflistung der hellenistischen Städte und Gebiete Palästinas M‚••ƒy•, Greek in Palestine
1057f.;
vgl.
auch
SyŸy••Œyz,
Greek
96–113;
FƒŒŠŽ~yz,
Languages
507f. 155 Vgl.
dazu
M‚••ƒy•,
Greek
in
Palestine
1057;
SyŸy••Œyz,
Greek
28–38. 156 Nach SyŸy••Œyz, Greek 23–28, ist dies um so auffälliger, als die ntl. Vf. sich der ver‑ schiedenen Sprachen Palästinas durchaus bewusst sind und die Notwendigkeit von Übersetzungen in ihrem Umfeld kennen. Vgl. auch FƒŒŠŽ~yz, Languages 516; M‚•‑ •ƒy•,
Greek
in
Palestine
1056. 157 Vgl.
R|•·•,
Sprachsituation
219f.

92

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

Hebräisch zeigt („gemischter Stil“); Zitate verlorener Geschichtswerke über die Hasmonäerzeit bei späteren Rabbinen belegen eine literarische Verwendung dieser
Sprache.158 Zumindest für die alltägliche Verständigung ausreichende Griechisch‑ Kenntnisse sind bei allen Bevölkerungsschichten vorauszusetzen. Das Griechi‑ sche ist im palästinischen Judentum aber auch Literatursprache, was auf eine Kenntnis hellenistisch‑griechischer Literatur zumindest in gebildeteren Kreisen schließen lässt.159 Nationalistisch bedingte Aversionen gegen das Griechische lassen sich nicht feststellen. Sogar aus der Hand von Simon Bar Kochba, dem Anführer der zweiten jüdischen Erhebung (132–135), sind zwei griechische Briefe erhalten (Nr. 3 und 6; intern jüd.). Wäre das Griechische negativ besetzt, wäre kaum zu erklären, warum auch Mitglieder sozial niedriger Schichten ihre Gräber mit griechischen InschriWen (sogar griech. carmina sepulcralia) versehen. Wie Frg.s in den Qumran‑Höhlen belegen, war auch die LXX in Palästina ver‑ breitet und in Gebrauch. Die verschiedenen Sprachen unterscheiden sich also hinsichtlich der Verwendungssituationen und ihres Prestiges.160 Prestige genoss das Hebräische als Sprache der heiligen SchriWen, der religiösen Literatur und der nationalen Tradition. Prestige und Faszination besaß offensichtlich ebenso das Griechische als Sprache der dominanten hellenistischen Kultur und Litera‑ tur; außerdem haTe es durch die LXX und eine reiche, griech. verfasste religi‑ öse und profane Literatur im Judentum seit dem 2. Jh. v. Chr. einen festen Platz gefunden.161 Im Gegensatz zum Aramäischen war es also mehr als nur ein MiTel
der
alltäglichen
Kommunikation.

3.
Zweispravigkeit
und
„Judengrievisv“ Die meisten palästinischen Juden des 1. Jh.s n. Chr. waren also „zweisprachig“ (bilingual) und sprachen neben ihrer aramäischen – oder in manchen Gebieten auch hebräischen – MuTersprache auch das Griechische. Für einen Teil dieser Juden, nämlich Einwanderer aus der westlichen Diaspora und einen Teil der jü‑ dischen Bevölkerung der hellenistischen Städte Palästinas, dürWe das Griechi‑ sche sogar die MuTersprache gewesen sein und das Hebräische oder Aramäi‑ sche die zweite Sprache (sofern sie es überhaupt gebrauchten). Dies bedeutet aber nicht, dass alle Juden Palästinas Griechisch gleich gut beherrschten und in

158 Vgl.
R•†ƒ•,
Hebrew
1015–1017. 159 Dazu
R|•·•,
Sprachsituation
236–238;
vgl.
auch
R. S„ˆŽƒŒŒ,
Sprachverhältnisse
576. 160 Zum Prestige oder Status der in Palästina gesprochenen Sprachen vgl. H|z•xy~, Fic‑ tion
22f.;
R•†ƒ•,
Hebrew
1036. 161 Neben den genannten 2–4 Makk seien als Beispiel für die vielfältige jüdisch‑griechi‑ sche Literatur die in Hexametern verfassten Sib, die ἐξαγωγή des Dichters Ezechiel (ein Drama über den Auszug aus Äypten im Stil des Sophokles) und die Geschichts‑ werke des Eupolemos, Philons d. Ä. (in Hexametern), des Samaritaners Theodotos, des Nikolaus von Damaskus, des Ps.‑Hekataios und des Justus von Tiberias ge‑ nannt; vgl. Dƒˆxy, Griechische Literaturgeschichte 343–352. In dieser Tradition steht natürlich auch Flavius Josephus, obgleich er sein umfangreiches Geschichtswerk nicht
in
Palästina,
sondern
in
Rom
verfasst
hat.

Sprache
und
Stil

93

gleichem Umfang benutzten. Die nicht‑offiziellen InschriWen und die Papyri Palästinas deuten mitunter auf eher rudimentäre Griechischkenntnisse. Aber aus der Tatsache, dass sich jemand in einer Sprache schriWlich nicht korrekt auszudrücken vermag und vielfach gegen Grammatik und Orthographie ver‑ stößt (dies gilt bei vielen auch für die MuTersprache), folgt nicht zwingend, dass
er
die
Sprache
nicht
hinreichend
sprechen
und
verstehen
kann.162 Des Weiteren ist zwischen rezeptiver (passiver) und produktiver (aktiver) Zweisprachigkeit zu unterscheiden; ein Person kann in der Lage sein, eine Sprache zu verstehen, ohne sie sprechen zu können. Man muss also die Fähig‑ keiten des Verstehens, Sprechens und Schreibens einer Sprache unterscheiden. Es ist nicht damit zu rechnen, dass alle zweisprachigen Juden das Griechische durch systematische Ausbildung erlernt haben (sekundärer Bilingualismus); vielmehr wird ein Großteil von ihnen mit der griechischen Sprache aufgrund der alltäglichen Lebensumstände vertraut geworden sein und sie sich durch Gebrauch von früher Kindheit an allmählich selbst angeeignet haben (primärer Bilingualismus). Diejenigen, die das Griechische in systematischer Unterwei‑ sung erworben haben, werden sich durch korrekteren sprachlichen Ausdruck und höhere produktive Fähigkeiten in dieser Sprache auszeichnen. Solche sys‑ tematische schulische Unterweisung ist freilich primär für sozial höhere Schich‑ ten
anzunehmen. Da im Palästina des 1. Jh.s n. Chr. das Griechische schon mehrere Jahrhun‑ derte offizielle Amts‑ und Verwaltungssprache war und die Juden auf engstem Raum mit bedeutenden nicht aramäisch bzw. hebräisch sprechenden Bevölke‑ rungsgruppen zusammenlebten, rückte Griechisch von selbst in die Rolle der Verkehrssprache zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Für die sozial höher stehenden Gruppen kam als weiterer Faktor das Prestige der grie‑ chischen Sprache und Kultur hinzu. Kenntnisse in der griechischen Sprache, Kultur und WissenschaW waren Vorraussetzung für die Anerkennung inner‑ halb der Eliten zunächst des Seleukiden‑ und Ptolemäerreiches dann des Impe‑ rium Romanum. Dies erklärt, warum bei vielen Bilingualen MuTersprache und dominante
oder
bevorzugte
Sprache
nicht
identisch
sind.163 Immer wieder wurde vermutet, dass das semitisierende Griechisch der LXX entweder selbst Niederschlag eines gesprochenen „judengriechischen Dia‑ lekts“ ist oder doch zumindest das von den Juden gesprochene Griechisch in diese Richtung beeinflusst hat (J. Wellhausen, J. Vergote, S. Gehman und N. Tur‑ ner).164 Dazu ist anzumerken, dass sich in der Sicht der klassischen Philologie ein „Dialekt“ durch Unterschiede in Phonologie, Morphologie und Syntax ge‑ genüber einer Bezugssprache konstituiert, während in der modernen Linguis‑ tik schon kleinere phonetische Abweichungen genügen. Entscheidend aber ist,

162 Vgl.
Tzy‚,
Bedeutung
129. 163 Hinsichtlich der Zweisprachigkeit wäre zwischen Bi‑/Multilingualismus, lingua franca und Diglossia zu unterscheiden; vgl. R•†ƒ•, Hebrew 1007–1010. Zur „Zweisprachig‑ keit“ (Bilingualismus) allgemein und ihren Implikationen SƒxŸ•, Bilingualism 206– 209;
H|z•xy~,
Fiction
6–19
und
23–25. 164 Vgl. dazu den aktuellen Forschungsbericht von M. Ryƒ•yz, Die Quellen des neutes‑ tamentlichen Griechisch und die Frage des Judengriechischen in der Forschungsge‑ schichte
von
1689–1989,
in:
BZ.NF
49
(2005)
46–59.

94

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

dass diese Abweichungen nicht nur okkasionell, sondern usuell sind.165 Da sich signifikante Unterschiede in diesen Bereichen innerhalb der Koine nicht nach‑ weisen lassen, verbietet sich die Annahme der Existenz von Dialekten im klas‑ sischen
Sinn.166 Dies betri• auch das von den Juden gesprochene Griechisch, wenn auch nicht bestriTen werden kann, dass besonders bei wenig gebildeten, also sekun‑ där bilingualen Juden die aram./hebr. MuTersprache ihr Griechisch vielfältig beeinflusste und sie sicher auch an ihrer Aussprache als Nicht‑MuTersprachler erkennbar waren.167 Doch konstituiert dies noch keinen judengriechischen Dia‑ lekt im Sinne der neueren Linguistik, da diese alltagssprachlichen und sponta‑ nen „Semitismen“ wie auch die in der LXX und anderen literarischen oder nichtliterarischen jüdischen Dokumenten keine allgemeine jüdische Sprachge‑ wohnheit ausdrücken (man kann also höchstens vom Idiolekt der einzelnen Verfasser/Übersetzer sprechen).168 Gebildete und sozial höher stehende Juden bemühten sich – wie das Beispiel des Flavius Josephus und des Philon von Alexandrien zeigen – wohl nicht nur für den literarischen Gebrauch um ein ge‑ hobenes und aTizistisches Griechisch. In je höherem Maß also ein Jude des 1. Jh. n. Chr. sich Griechisch durch formale Ausbildung aneignete, desto weni‑ ger „Semitismen“ wird man in seiner Sprache erwarten dürfen. Die Frage eines semitisierenden Griechisch der Juden (Palästinas) ist also auf der Ebene des Stils und verschiedener sprachlicher Register, nicht eines Dialektes zu entschei‑ den. Da den Griechen und Römern an den Juden vieles auffiel – Sabbat, Speise‑ vorschriWen, Beschneidung etc. – und ihre Literaten diese Auffälligkeiten auch niederschrieben, häTen sie es jedenfalls auch vermerkt, wenn die Juden ein si‑ gnifikant
abweichendes
Griechisch
gesprochen
häTen.

Vor dem Hintergrund der Sprachverhältnisse Palästinas im 1. Jh. n. Chr. ergibt sich folgendes Programm einer sprachlich‑stilistischen Analyse
der
Johannesoffenbarung: (1) Als erstes sind grammatische Auffälligkeiten darau¸in zu über‑ prüfen, ob sich nicht doch Parallelen in der zeitgleichen Gräzität fin‑ den. Dabei ist festzuhalten, wo sich solche Parallelen finden, d. h. in li‑ terarischen Werken oder in nichtliterarischen Papyri. Die Parallelen in den griechischen Papyri sind nicht unproblematisch, da nicht immer eindeutig festgestellt werden kann, wann die Texte entstanden sind

165 Vgl. H|z•xy~, Fiction 9f.; zum Konzept des „Dialekts“ und seiner Problematik SƒxŸ•, Bilingualism
204–206;
P|zŒyz,
Languages
594–598. 166 Zu
dieser
Problematik
vgl.
Tˆ‚Ž†,
Griechische
Sprache
162–174. 167 Näheres SƒxŸ•, Bilingualism 213–216; H|z•xy~, Fiction 26–37. Zum Verhältnis der Sprache der LXX zum von den Juden gesprochenen Griechisch Tˆ•„…yz•~, Gram‑ mar
26–29;
Tˆ‚Ž†,
Griechische
Sprache
175–187. 168 Vgl.
SƒxŸ•,
Bilingualism
208f.

Sprache
und
Stil

95

und über welche Griechischkenntnisse ihre Vf.s verfügten.169 Denn die meisten Papyri stammen aus Ägypten, wo Griechisch für einen großen Teil der Bevölkerung nicht die MuTersprache ist.170 Grundsätzlich sind zwei Engführungen zu vermeiden: Zum einen wird eine sprachliche Auffälligkeit der Johannesoffenbarung nicht schon dadurch zur „legi‑ timen“ Variante, dass sich eine Parallele in den nichtliterarischen Papy‑ ri vorweisen lässt, wie umgekehrt nicht schon jeder echte Fehler als Se‑ mitismus „geadelt“ werden darf.171 Zum anderen schließt eine Parallele in den nichtliterarischen Papyri nicht automatisch aus, dass sich eine sprachliche Auffälligkeit in der Johannesoffenbarung semitischem Ein‑ fluss verdankt, gesetzt den Fall, dass sie sich aus der hebräischen oder aramäischen
Grammatik
herleiten
lässt.172 (2) Die Identifizierung eines semitischen Einflusses im Griechisch der Johannesoffenbarung kann sich folglich nicht auf diejenigen Auffäl‑ ligkeiten beschränken, für die sich keine Parallelen in anderen genuin griechischen Texten finden lassen und die sich gleichzeitig als Wieder‑ gabe einer hebräischen oder aramäischen Konstruktion erklären lassen (primäre Semitismen). Man hat auch darauf zu achten, ob sonst seltene griechische Konstruktionen, die einer geläufigen semitischen Konstruk‑ tion entsprechen, gehäuW auWreten (sekundäre Semitismen) oder ob umgekehrt typisch griechische Konstruktionen, die kein semitisches Äquivalent haben, fehlen oder nur sehr selten vorkommen (Absenz‑Se‑ mitismen).173 Semitischer Einfluss kann bei einem palästinischen Juden des 1. Jh.s n. Chr. auf das biblische Hebräisch (in den verwandten For‑ 169 R~€†y„…, Fachprosa 194–196, weist m. E. gegen Deissmann und seine Nachfolger zu Recht darauf hin, dass auch die nichtliterarischen Papyri nicht die alTägliche Spra‑ che des Volkes wiedergeben, die sich aus ihnen deshalb auch nicht rekonstruieren lässt. Da die nichtliterarischen Papyri außerdem ein breite Skala von feierlichen Ur‑ kunden bis hin zu GeschäWs‑ und Privatbriefen umfassen, besagt die Tatsache, dass sich für eine grammatische oder lexikalische Eigenart der Johannesoffenbarung oder einer anderen ntl. SchriW eine Parallele in den Papyri findet noch nicht, dass es sich um ein „volkssprachliches“ Element handelt. Insgesamt sind die nichtliterarischen Papyri für die Frage nach dem sprachlichen Niveau des Neuen Testaments keine un‑ problematische
Größe. 170 Näheres zur ethnischen und sozialen Struktur der ägyptischen Bevölkerung von der Ptolmäer‑ bis zur byzantinischen Zeit und die Folgen für eine Auswertung der Papy‑ ri
bei
R‚››zy„ˆŒ,
Papyruskunde
154–171. 171 Als „echte“ Fehler sind sprachliche Verstöße zu bezeichnen, die die Grundstruktur des Griechischen tangieren, so z. B. Verstöße im Bereich der Kasus und Genera, in der
Kongruenz,
im
Tempussytem
etc. 172 So
Wƒx„|ž,
Semitisms
981. 173 Zur Differenzierung der Semitismen M|‚xŒ|• / H|–•z€, Gr. NT 2, 413f. und 477– 479; Wƒx„|ž, Semitisms 979–986; vgl. auch M‚••ƒy•, Greek of Revelation 167; P|zŒyz, Language
587f.;
D. D. S„ˆŽƒ€Œ,
Semitisms
592–594.

96

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

men des biblical, late biblical und neoclassical Hebrew), das Hebräisch des „gemischten Stils“, das Mischna‑Hebräisch (bzw. seine Vorform) oder das Aramäische174 zurückzuführen sein (vgl. den Exkurs). Doch stim‑ men das Hebräisch des „gemischten Stils“ und das Mischna‑Hebräisch in der Syntax weitgehend mit dem Aramäischen überein, so dass ihr Einfluss
vom
einem
aramäischen
nicht
immer
zu
unterscheiden
ist.175 Daneben ist mit bewusstem und unbewusstem Einfluss der Spra‑ che der LXX zu rechnen (Septuagintismen); wo sich zu einem „Semitis‑ mus“ eine Parallele in der LXX findet, ist unmiTelbarer semitischer Einfluss nicht zwingend.176 Bei deutlichem semitischem Einfluss wird sich die Frage stellen, ob es sich bei der Johannesoffenbarung um die Übersetzung eines semitischen Originals handelt, zumal wenn sich sprachliche Eigenheiten finden sollten, die auch sonst für griechische Übersetzungen semitischer Werke typisch sind.177 Ohne das entspre‑ chende semitische Original kommt man jedoch über Vermutungen nicht hinaus.178 Außerdem sind die unterschiedlichen Übersetzungs‑ techniken zu bedenken; neben einer wörtlichen Übersetzung muss auch mit einer freien, idiomatischen Übertragung gerechnet werden, die sich durch nichts als Übersetzungstext zu erkennen gibt.179 Des Wei‑ teren muss bedacht werden, dass ein Vf. sich bewusst oder unbewusst an der Sprache und am Stil vorhandener Übersetzungstexte – im Fall

174 Auch für das Aramäische wären weitere Differenzierungen nötig, doch stehen für das im fraglichen Zeitraum in Palästina gesprochene Aramäisch keine Zeugnisse zur Verfügung. Die schriWlichen Zeugnisse (z. B. die Texte aus Murrabaʾat und Naḥal Ḥever) vom Anfang des 2. Jh. n. Chr. zeigen gegenüber dem aramäischen Qumran‑ Texten, die ihrerseits dem biblischen Aramäisch nahe stehen, kaum eine Weiterent‑ wicklung. Dass die späteren westlich‑aramäischen Dialekte, und damit auch das pa‑ lästinisch‑jüdische und galiläische Aramäisch, in dieser Zeit bereits gesprochen wur‑ de,
lässt
sich
nur
vermuten.
Vgl.
M. G‡z‹,
Aramäisch,
in:
NBL 1
(1991)
Sp. 148–150. 175 Vgl. R•†ƒ•, Hebrew 1020f.; hier eine Liste der grammatischen Unterschiede zwi‑ schen biblischem und Mischna‑Hebräisch. Zur Möglichkeit der Unterscheidung von aramäischem
und
mischna‑hebräischem
Einfluss
vgl.
Wƒx„|ž,
Semitisms
993–995. 176 Ausführlich
Wƒx„|ž,
Semitisms
982–986. 177 Eine Liste solcher Kennzeichen von „Übersetzungsgriechisch“ bei M‚••ƒy•, Greek in Palestine
1048f. 178 Durch Beispiele aus der LXX zeigt Rƒ€€xy, Logic 21–25, dass sich auf der Basis der Theorie des Übersetzungsgriechisch aus dem griechischen Text das semitische Origi‑ nal nicht erschließen lässt; denn Übersetzen ist nie ein rein mechanischer Vorgang. Das Vorhandensein von Semitismen und (vermeintlichen) Fehlübersetzungen reicht seiner Ansicht nach nicht aus, um ein griechisches Werk als Übersetzung eines semi‑ tischen
Originals
zu
deklarieren.
Vgl.
auch
M‚••ƒy•,
Greek
in
Palestine
1049. 179 Nach Rƒ}y, Mechanics 246, konstituieren das Festhalten an der Wortstellung der Vor‑ lage und der Versuch „systematischer Repräsentation“ (Gebrauch fester griechischer Äquivalente)
die
„Wörtlichkeit“
einer
Übersetzung.

Sprache
und
Stil

97

der Johannesoffenbarung besonders der LXX – orientieren kann, gleich‑ gültig ob es sich bei seinem Werk um einen Übersetzungstext oder eine freie
Komposition
handelt. (3) Abschließend gilt es, den Befund zu interpretieren. Zunächst muss geklärt werden, ob sich ein eindeutiger semitischer sprachlicher Hintergrund erheben lässt und welcher Art er ist. Lassen sich keine ein‑ deutigen Semitismen erheben und bleiben die sprachlichen Auffällig‑ keiten zumindest im Rahmen dessen, was sich an vom literarischen Griechisch abweichenden Konstruktionen oder auch grammatischen „Fehlern“ in den dokumentarischen Papyri findet, ist die Sprache der Johannesoffenbarung auf dem Niveau dieser Texte einzuordnen: Sie ist das Werk eines Vf.s, der über keine griechische literarische Bildung ver‑ fügt und in der vulgären griechischen Alltagssprache schreibt.180 Zur Erklärung eines deutlichen semitischen Einflusses im Griechisch der Jo‑ hannesoffenbarung genügt es nicht, darauf zu verweisen, ihr Vf. sei ein palästinischer Jude; denn auch bei den Juden Palästinas im 1. Jh. n. Chr. ist die Vertrautheit mit dem Griechischen als zweiter Sprache nicht un‑ gewöhnlich (primärer Bilingualismus) und eine formale Ausbildung in dieser Sprache ist in sozial höheren Schichten nicht unwahrscheinlich (sekundärer Bilingualismus).181 Es gilt also ein Kriterium zu finden, an‑ hand dessen sich entscheiden lässt, ob Semitismen in der Johannes‑ offenbarung sich den mangelnden Griechischkenntnissen des Vf.s oder seiner literarischen Absicht verdanken. Hier kann die Tatsache weiter‑ helfen, dass im Palästina des 1. Jh. n. Chr. verschiedene semitische Spra‑ chen gebräuchlich, in ihrer Verwendung aber auf feste Kontexte und Funktionen
festgelegt
waren. Das biblische Hebräisch (biblical, late biblical und neoclassical Hebrew) ist zu dieser Zeit schon lange keine gesprochene Sprache mehr, son‑ dern in seiner Verwendung allein auf den religiösen Bereich und den li‑ terarischen Gebrauch beschränkt (alTestamentliche SchriWen und Apo‑ kryphen, sonstige religiöse Literatur). Nur wenn sich eindeutig zeigen sollte, dass der Vf. der Johannesoffenbarung sein Griechisch der Gram‑ matik des biblischen Hebräisch unterwirW, ist die Annahme plausibel, dass er so etwas wie einen „heiligen“, d. h. einen biblischen Stil inten‑

180 Allerdings muss hier darauf verwiesen werden, dass auch die nichtliterarischen Pa‑ pyri die gesprochene Alltagssprache nicht eins zu eins abbilden, sondern in ihrer Sprache ebenfalls Konventionen folgen, die sich aus ihrer Funktion ergeben; dies gilt für
Privatbriefe
ebenso
wie
für
Urkunden.
Dazu
Fz‡•·•,
Prolegomena
46–49. 181 Zum Zusammenhang von sozialer HerkunW, Bildung und semitischem Einfluss im von
Juden
gesprochenen
Griechisch
vgl.
bereits
R•€yzŽ•„ˆyz,
Grammatik
29.

98

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

diert hat, da den palästinischen Juden einzig das „Hebräische“ als „hei‑ lige Sprache“ galt.182 Da das Aramäische in seinen literarischen und nichtliterarischen Varianten bei den Juden Palästinas im 1. Jh. n. Chr. keinen dem Hebräischen vergleichbaren Status genoss, sondern als rei‑ nes „Kommunikations‑MiTel“ gesehen wurde, lässt sich ein aramaisie‑ rendes Griechisch kaum als Versuch einer „heiligen“ Sprache interpre‑ tieren, nicht einmal, wenn es vom biblischen Aramäisch beeinflusst sein sollte.183 Da die MuTersprache der meisten Juden Palästinas im 1. Jh. n. Chr. Aramäisch war, muss ein aramäischer Einfluss im Griechisch der Jo‑ hannesoffenbarung in erster Linie als unbeabsichtigter muTersprachli‑ cher Einfluss auf die zweite Sprache bei einem Bilingualen interpretiert werden.184 Dieser Einfluss ist umso stärker, je weniger ein Sprecher und erst recht ein Schreiber in seiner zweiten Sprache geschult und versiert ist (primärer Bilingualismus). Auch der nachweisbare Einfluss des He‑ bräischen des „gemischten Stils“ oder des Mischna‑Hebräischen (bzw. seiner Vorform) ist im Rahmen des Bilingualismus zu verstehen. Dies

182 Zum Status des Hebräischen als „heiliger Sprache“ (ׁ‫ )לְשׁוׂן קוׂדֵ ש‬R. S„ˆŽƒŒŒ, Sprach‑ verhältnisse
575. 183 Die aramäischen AbschniTe Esra 4,8 – 6,18; 7,12–26 und Dan 2,4b – 7,28 können nicht als Indiz dafür gewertet werden, dass das aramäische als eine „biblische“ Sprache gesehen wurde. Denn die aramäischen AbschniTe in Esra geben offizielle Dokumen‑ te wieder, die in Dan sollen den Ereignissen am Königshof in Babylon Lokalkolorit verleihen. Zum biblischen Aramäisch vgl. Dy‹y•, Aramäisch I. TRE 3 (1978) 599–602. Bezeichnend ist die rabbinische Abwertung des Aramäischen gegenüber dem He‑ bräischen und (!) dem Griechischen in Sota 49b. Da Aramäisch anders als Hebräisch und Griechisch bei den Juden des 1. Jh. n. Chr. keinen hohen Status haTe (vgl. H|z•‑ xy~, Fiction 22), ist es kaum wahrscheinlich, dass ein Autor ein aramaisierendes Grie‑ chisch schrieb, um dadurch seinem Werk Prestige zu verleihen. So verwundert es nicht, dass sich aus dem 1. Jh. n. Chr. in Palästina keine aramäische Literatur erhalten hat. Die in Qumran gefundenen aramäischen Texte entstanden wahrscheinlich bereits im 1. Jh. v. Chr. (unter den Qumran‑Texten überwiegen die hebräischen bei weitem die aramäischen). Das Bellum Iudaicum des Flavius Josephus war zwar ursprünglich wohl in Aramäisch abgefasst (vgl. BJ 1, 3), doch waren dessen Adressa‑ ten nach 1, 6 nicht die Juden Palästinas, sondern die der aramäisch sprechenden öst‑ lichen Diaspora (Babylon). Auch die aramäischen Texte aus Qumran (GenAp, 1 Hen, astronomische SchriWen) scheinen sich an ein solches Publikum zu richten. Vgl. dazu R•†ƒ•, Hebrew 1028f.; Byz‹yz, Qumran 28f.; gegen FƒŒŠŽ~yz, Languages 520f. Auch die (ursprünglich nur mündlichen) Targume sind kein Gegenargument, da sie der (mündlichen) Übersetzung und Auslegung der Tora im SynagogengoTesdienst dienten und deshalb eine allgemein verständliche Sprache erforderten, jedoch kei‑ nen eigenen religiösen Wert haTen, sondern nur in ihrem Verweis auf den hebräi‑ schen
Text.
Im
einzelnen
R•†ƒ•,
Hebrew
1029–1032 184 Zu den Interferenz‑Phänomenen bei einem mehrsprachigen Individuum H|z•xy~, Fiction
6–8.

Sprache
und
Stil

99

gilt für das Mischna‑Hebräische umso mehr, wenn es keine Kunstspra‑ che, sondern eine im 1. Jh. n. Chr. tatsächlich gesprochene Sprache sein sollte. Aber auch wenn beide Sprachen nicht im Alltag gesprochene wurden, so setzte ihre Verwendung für die frei formulierten Gebete des Synagogen‑GoTesdienstes bzw. die Predigt und gelehrte Gesetzesdis‑ kussion
dennoch
eine
aktive
Sprachbeherrschung
voraus.185 (4) Allerdings bleibt die grundsätzliche Frage, ob es so etwas wie einen „griechischen heiligen Stil“ im zeitgenössischen Judentum (und Christentum) überhaupt gab. Spontan denkt man dabei an die LXX. Eine Orientierung an ihrer Sprache und ihrem Stil böte sich an, um den Inhalt des eigenen Werkes religiös zu überhöhen und zu autorisieren. Doch gibt es überhaupt ein in Syntax und Semantik signifikant vom sonstigen griechischen Sprachgebrauch abweichendes, eigenständiges LXX‑Griechisch und wurde das Griechisch der LXX als „heilige Spra‑ che“ empfunden? Die Grundlage für die Sprache der LXX bildet die zeitgenössische Koine und für vieles, was man früher ganz selbstver‑ ständlich als Hebraismen erachtete, fanden sich Parallelen in den grie‑ chischen Papyri.186 Obgleich ein hebraisierender Charakter der Sprache der LXX nicht geleugnet werden kann, versuchen ihre „Hebraismen“ so nah als möglich am Griechischen zu bleiben.187 Als Übersetzungs‑ 185 Eine religiöse Konnotation ließe sich auch beim Hebräisch des „gemischten Stils“, das in den Gebeten des synagogalen GoTesdienstes und literarisch für Geschichts‑ schreibung verwendet wurde, sowie beim Mischna‑Hebräisch, das in Gesetzesdis‑ kussion und Predigt verwendet wurde, sehen (vgl. R•†ƒ•, Hebrew 1015–1025). Doch ist diese weniger eindeutig und zwingend als beim biblischen Hebräisch. Zudem setzen die Verwendungssituationen dieser beiden Varianten – anders als das bibli‑ sche Hebräisch – eine aktive Sprachbeherrschung voraus. Bei Predigt und Gesetzes‑ diskussion ist dies selbstredend und auch bei den synagogalen Gebete waren nur die Einleitungsformeln vorformuliert. Deshalb ist auch hier ein unbeabsichtigter Einfluss auf das Griechisch eines mehrsprachigen Vf.s nicht auszuschließen, um so mehr
als
beide
in
der
Syntax
stark
vom
Aramäischen
beeinflusst
sind. 186 Vgl. Tˆ•„…yz•~, Grammar LXX 16; Tˆ‚Ž†, Griechische Sprache 175f.; T|Ÿ, Überset‑ zungen
151f. 187 „There are well marked limits to the literalism of the Pentateuch translators. Seldom do they imitate a Hebrew locution without adapting and accommodating it in some way to the spirit of the Greek language, if they fail to find an exact equivalent in the vernacular“ (Tˆ•„…yz•~, Grammar LXX 30). Vgl. L‚•Œ / E~•ƒ…yx / H•‚•›ƒy, Lex. LXX žŸƒƒƒ. Hyxxyz, Grenzen 236, verweist zu Recht auf die „grammatikalischen Kategori‑ en des Hebräischen und Griechischen, die in ihrer Verschiedenheit oder Ähnlichkeit die Übersetzung der Begriffe und Wendungen bestimmen“ und damit darüber ent‑ scheiden, inwieweit überhaupt eine wörtliche Übersetzung möglich ist. Die größten Unterschiede zwischen Griechisch und Hebräisch und damit die größten Überset‑ zungsschwierigkeiten liegen im Verbalsystem. Allerdings nimmt bei den späteren Übersetzern (bes. Königs‑Bücher) aufgrund einer wachsenden Ehrfurcht vor dem hebräischen Text die BereitschaW zu, mit der griechischen Sprache freier umzuge‑

100

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

griechisch erweist die Sprache der LXX sich meist nur durch die Wort‑ stellung und die auffällige Häufung griechisch zwar möglicher, aber seltener oder ungebräuchlicher Wendungen, die jedoch hebräischen Konstruktionen
nahe
stehen
(sekundäre
Hebraismen).188 Die einzelnen Bücher der LXX unterscheiden sich allerdings stark hinsichtlich der Übersetzungstechnik, so dass man von der Sprache der LXX nicht sprechen kann.189 Diese Uneinheitlichkeit der Sprache der LXX zeigt, dass im Judentum eine ausgearbeitete Theorie einer griechi‑ schen „heiligen Sprache“ oder eines „biblischen Griechisch“ nicht gege‑ ben war. Auch die mit dem Namen Aquila (Anfang des 2. Jh. n. Chr.?)190 verbundene „etymologisierende“ Wort‑für‑Wort‑Übertragung des MT kann nicht als Entwicklung einer derartigen Theorie gedeutet werden, da es sich dabei nach dem Verständnis der Rabbinen nicht wie bei der LXX um eine Übersetzung handelt, die das Wort der Tora selbständig und unmiTelbar verständlich machen soll, sondern um einen Targum, d. h. eine erklärende „Wiedergabe“, die parallel zum hebräischen Text verwendet werden soll und ohne den hebräischen Originaltext nicht denkbar ist.191 Dennoch zeigen die SchriWen des Neuen Testaments (besonders Lk und Apg), dass Autoren des 1. Jh.s n. Chr. sich – bewusst oder unbewusst – am „Übersetzungsgriechisch“ der LXX orientierten und
dadurch
eine
Art
„biblisches
Kolorit“
erzeugten.192

188

189 190 191

192

hen. Den Abschluss dieser Entwicklung bildete Aquila (2. Jh. n. Chr.). Neben dem Wunsch nach größerer „Wörtlichkeit“ der Übersetzung darf die Festlegung des ma‑ soretischen Kanons und der endgültigen Textgestalt des hebräischen Textes am Ende des 1. Jh. n. Chr. als Anlass solcher Rezensionen nicht außer Acht gelassen werden. Zu
den
späteren
Rezensionen
der
LXX
vgl.
T|Ÿ,
Übersetzungen
171–184. Vgl. Tˆ•„…yz•~, Grammar LXX 29f. Die meisten „hebraisierenden“ Konstruktionen haben Parallelen zumindest in den nichtliterarischen Papyri; doch nirgends finden sie sich so gehäuW wie in der LXX (und davon abhängigen SchriWen). Vgl. auch T|Ÿ, Übersetzungen
151f.;
für
das
ntl.
Griechisch
P|zŒyz,
Language
596–599. Zusammenfassend Hyxxyz, Grenzen 248; T|Ÿ, Übersetzungen 135–137. Zur Überset‑ zungstechnik
der
LXX
T|Ÿ,
Greek
and
Hebrew
Bible
239–246. Zur
Problematik
der
„historischen
Gestalt“
Aquilas
VyxŒzƒ,
Targum
Aquilas
94–98. Ausführlich zu diesem Unterschied zwischen LXX und Aquila VyxŒzƒ, Targum Aqui‑ las 106–113. Mit VyxŒzƒ, ebd. 111–113, wird Targum hier nicht nur für die aramäische „Übersetzung“, sondern auch für die „griechische (mündliche) Übersetzung rabbini‑ scher Prägung“ (111) verwandt. Das traditionelle engere Verständnis entstammt der babylonischen Tradition. Die palästinische Tradition dagegen bezeugt auch die Exis‑ tenz griechischer targumischer Übersetzungen (y Meg 1,11). P•‚x, Aquila 244f., sieht den Ersatz der LXX durch die Übersetzung Aquilas im Verlangen nach mehr „Wört‑ lichkeit“ („vérité hyper‑hébraïque“) begründet. Dies muss der Sicht Veltris nicht wi‑ dersprechen; denn die Konzentration auf den hebräischen Text verlangt eine ganz auf
diesen
Text
hingerichtete
Übersetzung,
keine,
die
Selbständigkeit
beansprucht. Wƒx„|ž, Semitisms 982, weist darauf hin, dass manche stilistische und sprachliche Eigenheiten des NT semitisch sein mögen, sich aber nicht unmiTelbarem Einfluss

Sprache
und
Stil

101

(5) Die Überlegungen zur Literarkritik (Benutzung griechischer, aramäischer und hebräischer Quellen sowie griechischer Übersetzun‑ gen semitischer Originale) geben Anlass, nicht mit einem einheitlichen Befund zu rechnen; vielmehr ist damit zu rechnen, dass in den zu un‑ tersuchenden AbschniTen einige Stellen auf einen hebräischen Sprach‑ hintergrund deuten, während andere eine aramäische MuTersprache nahe legen. Manche Stellen mögen wie die wörtliche Übersetzung eines semitischen Originals, andere dagegen wie ursprünglich in Griechisch komponiert wirken. Auch mag zwischen einzelnen Stellen des Ab‑ schniTes ein erheblicher Unterschied in der sprachlichen Qualität be‑ stehen. Der Befund der sprachlich‑stilistischen Analyse vermag deshalb durchaus auch literarkritische Überlegungen zu stützen. Umgekehrt kann die Literarkritik für manche sprachliche oder stilistische Härte eine
plausible
Erklärung
bieten. (6) Da die Unterscheidung von Hebraismen und Aramaismen nicht in jedem Fall eindeutig möglich ist und nicht von vornherein ausge‑ schlossen werden kann, dass der Vf. durch ein absichtlich verfremdetes Griechisch Aufmerksamkeit oder durch skizzenhaWe Flüchtigkeit den Eindruck des Inspiriertseins wecken wollte, sind Fragen der Stilistik einzubeziehen, um das aus den sprachlichen Beobachtungen gewonne‑ ne Urteil zu untermauern.193 Denn bestimmte MiTel des sprachlichen Ausdrucks auf der Ebene der Wörter, des Satzes und des Textes sind beschränkt auf die „Literatursprache“, während andere für „volkstüm‑ liches“194 Erzählen typisch sind. So ist jeder AbschniT der Johannes‑ offenbarung darau¸in zu überprüfen, ob er nach Art und Zahl seiner stilistischen AusdrucksmiTel der Literatur‑, der Standard‑ oder der Umgangssprache zuzuordnen ist.195 Je mehr stilistische Merkmale der

des Aramäischen oder Hebräischen verdanken, sondern eine bewusste oder unbe‑ wusste Orientierung am vertrauten Stil der LXX sein mögen; vgl. auch ebd. 1019; SƒxŸ•, Semantic Borrowing 105. Silva setzt jedoch den Einfluss der gesprochenen se‑ mitischen
Sprachen
auf
das
ntl.
Griechisch
höher
an
als
den
der
LXX;
vgl.
ebd.
109f. 193 Die Stilistik ist auch deshalb einzubeziehen, da man davon ausgehen kann, dass in nachklassischer Zeit jeder, der literarisch tätig ist, eine weitgehend standardisierte grammatische und rhetorische Ausbildung durchlaufen hat; vgl. Fz‡•·•, Prole‑ gomena 113. Das Fehlen der hier vermiTelten Stilanforderungen in einem „literari‑ schen“ Werk erlaubt deshalb Rückschlüsse auf die soziale HerkunW des Verfassers. Zu
den
Standards
der
nachklassischen
griechischen
Literatursprache
ebd.
163–175. 194 Zur Problematik der in grammatischen Darstellungen immer wieder gebrauchten Begriffe
„Volkssprache“
und
„volkstümlich“
R~€†y„…,
Fachprosa
188. 195 Zum Zusammenhang zwischen den sprachlichen AusdrucksmiTeln und den Ebe‑ nen von Sprache und Stil eines Textes L••€}y•Œyz, Stilistik 26–37; vgl. auch Fz‡•·•, Prolegomena
97
und
107–114.


102

Probleme
der
Analyse
der
Johannesoffenbarung

Umgangssprache und des volkstümlichen Erzählens sich zeigen, desto weniger wird man geneigt sein, ihre „ungriechische“ Sprache als be‑ wusst gestalteten „heiligen“ Stil oder „absichtsvolle Fremdheit“ zu werten. Weitere Hinweise kann die Komposition des Textes liefern. Hier zeigt sich, in welchem Maße der Vf. in der Lage ist, seinen Stoff zu strukturieren und aus überkommenem Material eine neue Einheit zu schaffen. Da die Komposition und Struktur eines Textes die durch Aus‑ bildung und Übung erworbene literarische Kompetenz eines Autors spiegeln, wird man von einem Vf., der – trotz eines erkennbaren Ge‑ staltungswillens – hier unbeholfen agiert, keinen bewusst gestalteten Kunststil erwarten. Bei dieser Bewertung von Komposition und Stil der Johannesoffenbarung muss man sich davor hüten, in anachronistischer Weise neuzeitliche expressionistische Sprach‑ und Literaturtheorien auf einen
Text
des
1. Jh.s
n. Chr.
anzuwenden. (7) Durch diese sprachlich‑stilistische Untersuchung lassen sich auch Erkenntnisse über den Vf. und sein Werk gewinnen. Da man im Palästina des 1. Jh. n. Chr. Griechisch lernen und die Fähigkeit, sich in dieser Sprache auch schriWlich auszudrücken, erwerben kann und sich keine religiös und national motivierte Opposition gegen das Griechi‑ sche nachweisen lässt, ist es umso gewichtiger, wenn man die sprach‑ lich‑stilistischen Eigenheiten der Johannesoffenbarung auf mangelhaWe Griechischkenntnisse ihres Vf.s zurückführen muss. Der Vf. wäre da‑ mit als primär bilingual und Mitglied der unteren sozialen Schichten erwiesen. Diese soziale Zugehörigkeit des Vf.s könnte allerdings zei‑ gen, dass theologische Reflexion im frühen Christentum nicht auf eine sozial höhere Schicht, die eine formale Ausbildung durchlaufen hat, be‑ schränkt ist. Da der Vf. für sich eine autoritative Stellung gegenüber den angeschriebenen Gemeinden in Anspruch nimmt, würde dies zu‑ dem zeigen, dass in dieser Zeit die Inanspruchnahme und das Ausüben von Autorität in den christlichen Gemeinden nicht an soziale HerkunW und
Bildung
gebunden
ist.

IV. Analyse
und
Interpretation
von Op
19,11 – 21,8 1. Die
Sieben‑Schalen‑Vision
als
Rahmen der
Millenniumsvision Die Gliederungsversuche und Strukturanalysen zur Johannesoffenba‑ rung beachten kaum, dass die Schlusskapitel der Johannesoffenbarung ab Kap. 15 trotz ihrer inhaltlichen Vielfalt durch deutliche Textsignale und inhaltliche Bezüge formal als zusammengehörige Einheit ausge‑ wiesen sind, die sich in vier aufeinander bezogene Blöcke gliedert: 15,1 – 16,21 [A]; 17,1 – 19,10 [C1]; 19,11 – 21,8 [B]; 21,9 – 22,9 [C2].1 Die Mil‑

1

Die meisten Gliederungsversuche der Johannesoffenbarung achten – wie bereits bei AbschniT II. 2 angemerkt – nicht hinreichend auf textimmanente Gliederungssignale und suchen staTdessen nach übergeordneten thematischen und strukturellen Glie‑ derungsprinzipien. Verleitet durch die drei nummerierten Siebener‑Reihen (Siegel, Posaunen, Schalen) versucht man dieses Gliederungsprinzip auf die nicht num‑ merierten AbschniTen der Johannesoffenbarung zu übertragen. Meist kommt man zu einer Abfolge von siebenmal sieben Visionen. Exemplarisch seien hierfür genannt die Gliederungsvorschläge von A. Y. C|xxƒ••, Combat Myth 5–42; L|ˆŽy~yz, Offen‑ barung (HNT) 1f. und 185–187; B|–Ž••, Revelation 440–443; F|z€, Revelation (AB) 46–50. Eine genaue Textanalyse ermahnt solchen Gliederungsversuchen gegenüber zur Vorsicht; denn es ergäbe sich das Paradoxon, dass sich dann, wenn der Vf. expli‑ zit durchzählt, mehr als sieben Visionen finden (alle Siebener‑Reihen haben eine Er‑ öffnungsvision und bei den Siegeln und Posaunen, evtl. auch bei den Schalen, sind vor dem siebten Element weitere Visionen eingeschoben etc.), wenn er nicht zählt, lägen dagegen genau sieben Visionen vor. Andere versuchen deshalb eine das ganze Werk umfassende konzentrische Struktur auszumachen. Dies setzt voraus, dass sich eindeutige strukturelle und inhaltliche Entsprechungen zwischen einzelnen Visio‑ nen und AbschniTen wie auch ein MiTelpunkt, das Zentrum der Komposition, be‑ nennen lassen. Mögen zwischen einzelnen Elementen solche Entsprechungen er‑ kennbar sein, so wirken doch die entsprechenden Versuche meist eher künstlich und wenig überzeugend. Vgl. die Gliederungsversuche von S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Compo‑ sition 358–366 (ähnlich, aber ohne die Betonung der konzentrischen Struktur dies., Eschatology 560–569); Lyy, Martyrdom 174–192; Gƒ†xƒ•, Recapitulation 94f. L•Ž‑ †zy„ˆŒ, Structuration 85–95, setzt bei seiner Gliederung von Op 4–22 bei den drei nummerierten Siebener‑Reihen an; der Inhalt des siebten Siegels, der siebten Posau‑ ne und der siebten Schale sei jeweils der gesamte Rest des Buches. Dabei übersieht seine Gliederung der Schlusskapitel (16,17 – 19,10; 19,11 – 20,15; 21,1 – 22,5; vgl. ebd. 86) – wie nahezu alle anderen – den mit 12,1.3 parallelen Neueinsatz in 15,1 und die Rückbindung der folgenden Visionen an diesen Einleitungsvers 15,1 (vgl. 17,1; 21,9).

104

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

lenniumsvision (20,1–10) ist folglich Teil der „Sieben‑Schalen‑Vision“, die in 15,1 mit dem Erscheinen der „sieben Engel mit den sieben letzten Plagen“ beginnt und mit dem Ausgießen der sechsten Schale in 16,17– 21 noch nicht zu Ende ist, wie der explizite Rückverweis auf die sieben Plagen‑Engel in 17,1 und 21,9 erkennen lässt. Wie die Millenniumsvi‑ sion als Teil von 19,11 – 21,8 [B] innerhalb der gesamten Sieben‑Schalen‑ Vision
verortet
ist,
gilt
es
im
einzelnen
aufzuzeigen. (1) Der AbschniT 19,11 – 21,8 [B] wird – wie C. H. Giblin2 überzeu‑ gend nachgewiesen hat – durch zwei formal parallele und auch inhalt‑ lich aufeinander bezogene AbschniTe 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,93 [C2] gerahmt, die als jeweils einheitliche Visionen gestaltet sind. Zu Be‑ ginn der beiden AbschniTe triT jeweils einer der sieben Schalen‑Engel auf, der das „Thema“ der folgenden Vision angibt (17,1f.; 21,9). Auf die anschließende Entrückung des Sehers (17,3; 21,10) folgt die angekün‑ digte Vision von der „Hure Babylon“ bzw. der „Braut des Lammes“, in der der Offenbarungsengel mit Deutungen und Kommentaren in Er‑ scheinung triT (17,7–18; 19,9–10; 21,15.17; 22,1.6.8–9). Beide Visionen schließen mit der Zusicherung ihrer Gewissheit und Zuverlässigkeit durch den Offenbarungsengel (19,9b; 22,6), einem Makarismus (19,9a; 22,7), der versuchten Proskynese des Sehers vor dem Engel und ihrer Zurückweisung durch den Engel (19,10; 22,8f.). Anfang und Ende der beiden Visionen stimmen dabei – wie sich aus der folgenden tabellari‑ schen Übersicht leicht erkennen lässt – in den Formulierungen nahezu wörtlich
überein.

2

3

Weiterführende Ansätze finden sich in den Versuchen von V•••ƒ, StruTura 169–205, und B•‚„…ˆ•Ž, Climax 1–37, bes. 21f., die Johannesoffenbarung anhand textimma‑ nenter Signale zu gliedern. Ein kritischer Überblick zu den wichtigsten Gliederungs‑ vorschlägen bei V•••ƒ, StruTura 19–104 und 259–286; vgl. auch T. T|Ÿ|, The Struc‑ ture
of
the
Apocalypse.
Re‑Examining
a
Perennial
Problem,
in:
NovT 47
(2005)
47–68. Gƒ†xƒ•, Correlations 488f.491; vgl. auch F•zzyz, Rebirth 55–58; A. Y. C|xxƒ••, Combat 14f.; zustimmend By•xy, Revelation (NIGTC) 109f.; B•‚„…ˆ•Ž, Climax 4f. und 338f.; A‚•y, Revelation (WBC) ž„Ÿ–ž„Ÿƒƒ und 1020f. 1143–1149; S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Com‑ position 361. Eine kritische Wertung der Gliederung Giblins auch bei V•••ƒ, StruTu‑ ra 283–286. In den deutsch‑sprachigen Kommentaren wurde diese Beobachtung bis‑ her nicht berücksichtigt; so z. B. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 48–53; U. B. Mwxxyz, Offenbarung
(ÖTK)
28–36;
R|x|}},
Offenbarung
(ZBK)
23–25. Op 22,6–9 dient sowohl als Abschluss von 21,9 – 22,9 als auch als Einleitung (Über‑ leitung) zum Buchschluss in 22,10–20(21). Op 19,1–10 hat letztlich eine ähnliche doppelte Funktion: Abschluss von 17,1 – 19,10 und Vorbereitung von 21,9 – 22,9. Dazu ausführlich Gƒ†xƒ•, Correlations 491–498; B•‚„…ˆ•Ž, Climax 5; A‚•y, Revela‑ tion
(WBC)
1148f.

Die
Sieben‑Schalen‑Vision
als
Rahmen
der
Millenniumsvision

17,1

καὶ ἦλϑεν εἷς ἐκ τῶν ἑπτὰ ἀγγέλων

τῶν ἐχόντων τὰς ἑπτὰ φιάλας, καὶ ἐλάλησεν μετ’ ἐμοῦ λέγων·

17,2 17,3

19,9

δεῦρο, δείξω σοι τὸ κρίμα τῆς πόρνης τῆς μεγάλης τῆς καϑημένης ἐπὶ ὑδάτων πολλῶν […] καὶ ἀπήνεγκέν με εἰς ἔρεμον ἐν πνεύματι.

105

21,9 καὶ ἦλϑεν εἷς ἐκ τῶν ἑπτὰ ἀγγέλων τῶν ἐχόντων τὰς ἑπτὰ φιάλας, τῶν γεμόντων τῶν ἑπτὰ πληγῶν τῶν ἐσχάτων, καὶ ἐλάλησεν μετ’ ἐμοῦ λέγων·

δεῦρο, δείξω σοι τὴν νύμφην τὴν γυναίκα τοῦ ἀρνίου

21,10 καὶ ἀπήνεγκέν με ἐν πνεύματι ἐπὶ ὄρος μέγα καὶ ὑψηλόν,

καὶ εἶδον τὴν γυναῖκα καϑημένην ἐπὶ ϑηρίον κόκκινον …

καὶ ἔδειξέν μοι τὴν πόλιν τὴν ἁγίαν Ἰερουσαλὴμ καταβαίνουσαν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ ϑεοῦ
…

Vƒ•ƒ|••†yzƒ„ˆŒ: Die
„große
Hure“
— die
große
Stadt
Babylon

Vƒ•ƒ|••†yzƒ„ˆŒ: Die
Braut
des
Lammes
— das
himmlische
Jerusalem

... καὶ λέγει μοι· οὗτοι οἱ λόγοι ἀληϑινοὶ τοῦ ϑεοῦ εἰσιν.

19,10 καὶ ἔπεσα

ἔμπροσϑεν τῶν ποδῶν αὐτοῦ προσκυνῆσαι αὐτῷ. καὶ λέγει μοι· ὅρα μή· σύνδουλός σού εἰμι καὶ τῶν ἀδελφῶν σου τῶν ἐχόντων τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ τῷ ϑεῷ προσκύνησον. ἡ γὰρ μαρτυρία Ἰησοῦ ἐστιν τὸ πνεῦμα τῆς προφητείας

22,6 καὶ εἶπεν μοι· οὗτοι οἱ λόγοι πιστοὶ καὶ ἀλϑινοὶ … 22,8 … καὶ ὅτε ἤκουσα καὶ ἔβληψα ἔπεσα προσκυνῆσαι ἔμπροσϑεν τῶν ποδῶν τοῦ ἀγγέλου τοῦ δεικνύοντός μοι ταῦτα. 22,9 καὶ λέγει μοι·

ὅρα μή· σύνδουλός σού εἰμι καὶ τῶν ἀδελφῶν σου τῶν προφητῶν καὶ τῶν τηρούντων τοὺς λόγους τοῦ βιβλίου τούτου τῷ ϑεῷ προσκύνησον.

106

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Mehr oder weniger wörtliche Wiederholungen finden sich in der Johannesoffenbarung zahlreich4, doch nur hier und in den sieben Send‑ schreiben ist damit eine deutliche strukturelle und funktionale Entspre‑ chung verbunden.5 Die auffällige Parallelisierung von Anfang und Schluss der beiden Visionsberichte 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,9 [C2] muss demnach als bewusstes Gliederungssignal des Vf.s gewertet wer‑ den.6 Der zwischen den beiden parallelen Visionen gelegene AbschniT 19,11 – 21,8 [B] erhält dadurch eine deutliche Rahmung und eine klare Ausgrenzung. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass der Vf. in 19,2.7, also am Ende der ersten der beiden rahmenden Visionen (19,1–10), auf die zweite voraus weist, indem er die Hure Babylon mit der Braut des Lammes, d. h. dem himmlischen Jerusalem, kontrastiert und dadurch das Aufeinander‑Bezogen‑Sein der beiden Visionen betont: Dem Ge‑ richt über die „große Hure“ entspricht gegenbildlich die Hochzeit des Lammes.7 (1) 17,1 …
δεῦρο, δείξω σοι τὸ κρῖμα τῆς πόρνης τῆς μεγάλης … 19,2 …
ὅτι ἔκρινεν τὴν πόρνην τὴν μεγάλην …

⎫ ⎬ →
17,1 – 19,10
[C1] ⎭

19,7 …
ὅτι ἦλϑεν ὁ γάμος τοῦ ἀρνίου καὶ ἡ γύνη αὐτοῦ ἡτοίμασεν ἑαυτήν (2) 21,9 …
δεῦρο, δείξω σοι τὴν νύμφην τὴν γυναῖκα τοῦ ἀρνίου …

⎫ 2 ⎬ →
21,9 – 22,9
[C ] ⎭



Da die Bilder der „Hochzeit des Lammes“ und „seiner Frau“ in 19,7 ohne jede Vorbereitung erscheinen und auch nicht erklärt werden, bleibt dem Leser/Hörer ihr Sinn zunächst unklar; dieser erhellt sich erst in 21,9f., wo die „Braut, die Frau des Lammes“ als das vom Himmel herabkommende, neue Jerusalem entschlüsselt wird.8 Indem 21,9f. das

4 5 6

7

8

Vgl.
die
Auflistung
bei
B•‚„…ˆ•Ž,
Climax
22–29. Gƒ†xƒ•, Correlations 489: „… where else in Rev, apart from the seven leTers, is the verbal
formulation
so
closely
and
extensively
paralleled
in
two
or
more
instances?“ B•‚„…ˆ•Ž, Climax 4: „These structural markers deliminating two parallel sections – 17:1–19:10 and 21:9–22:9 – are so clear that it is astonishing that so many aTempts to discern
the
structure
of
Revelation
have
ignored
them.“ Vgl. V•••ƒ, StruTura 166; B•‚„…ˆ•Ž, Climax 5; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 315; zur formalen und inhaltlichen Kontrastierung der beiden Visionen auch R|x|}}, Neuschöpfung 131–133. A‚•y, Revelation (WBC) 1021f., bezeichnet 19,1–8 deshalb als „intermezzo, composed to connect two sections of the composition by concluding 17:1–18:24 and introducing 21:9–22:9 (n.b. that it does not introduce 19:11–21:8, the section
that
immediately
follows!)“.
Vgl.
Axx|,
L’Apocalypse
(EtB)
xžžžŸ. Vgl. dazu A‚•y, Revelation (WBC) 1029. Da „Hochzeit“ traditionell als Bild für das

Die
Sieben‑Schalen‑Vision
als
Rahmen
der
Millenniumsvision

107

„Rätselwort“ aus 19,7 löst, lenkt der Vf. den aufmerksamen Leser/Hö‑ rer zu Beginn der Vision der „Braut des Lammes“ über die Visionsfolge 19,11 – 21,8 [B] auf 19,1–10 zurück und erinnert ihn so nochmals an das Gegenbild
der
„großen
Hure“. (2) Nach dem Ausgießen der letzten Zornes‑Schale in 16,17 lässt der Vf. in 17,1 und 21,9 erneut einen der sieben Schalen‑Engel auWreten und bindet damit die parallelen Visionen 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,9 [C2] sowie den von beiden gerahmten AbschniT 19,11 – 21,8 [B] an die Sieben‑Schalen‑Vision zurück.9 Dass es sich hier um ein bewusstes Textsignal handelt, zeigt sich daran, dass in 21,9 zusätzlich nochmals der Inhalt der Schalen genannt wird (zumal in grammatisch problema‑ tischer Form): εἷς ἐκ τῶν ἑπτὰ ἀγγέλων τῶν ἐχόντων τὰς ἑπτὰ φιάλας τῶν γεμόντων τῶν ἑπτὰ πληγῶν τῶν ἐσχάτων.10 Dadurch verweist der Vf. nicht nur auf die Reihe der sieben Plagen zurück (Kap. 16), sondern greiW dezidiert nochmals das vorangestellte Kap. 15 auf, wo die sieben Engel eingeführt werden (15,1 ἀγγέλους ἑπτὰ ἔχοντας πληγὰς ἑπτὰ τὰς ἐσχάτας …; vgl. 15,6.8) und die goldenen Zornes‑Schalen erhalten (15,7 ἑπτὰ φιάλας χρυσᾶς γεμούσας τοῦ ϑυμοῦ τοῦ ϑεοῦ), die sie über die Erde ausgießen
sollen
(16,1.2.3.4.8.10.12.17). (3) Für die Zusammengehörigkeit von 15,1 – 22,9 spricht auch der analoge Anschluss der beiden parallelen Visionen 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,9 [C2] an den jeweils vorhergehenden AbschniT 15,1 – 16,21 [A] bzw. 19,11 – 21,8 [B]: Das Gericht über die „große Hure“ wird bereits in 16,19 als vollendet berichtet, wie auch in 21,2 die himmlische GoTes‑ stadt Jerusalem bereits auf die Erde herabgekommen ist.11 Damit ist beide Male ein Erfüllungsvermerk (γέγονεν in 16,17 bzw. γέγοναν in

9

10 11

eschatologische Heil gebraucht wird und der Ausdruck die „Frau des Lammes“ das traditionell für Jerusalem/Israel gebrauchte Bild der „Braut“ evoziert, wird das Vor‑ wissen der Hörer/Leser aufgerufen; doch wird durch die Verbindung dieser traditio‑ nellen Bilder mit dem Lamm ein neuer, „rätselhaWer“ Zug eingetragen, der Klärung verlangt. Der Beginn des großen SchlussabschniTes wird durch den mit 12,1.3 parallelen Neu‑ einsatz καὶ εἶδον ἄλλο σημεῖον ἐν τῷ οὐρανῷ μέγα καὶ ϑαυμαστόν in 15,1 angezeigt. Auf die anschließend genannten ἀγγέλους ἑπτὰ ἔχοντας πληγὰς ἑπτὰ τὰς ἐσχάτας wird im folgenden mehrmals zurückverwiesen, so: 15,6.7.8; 16,1.2.3.4.8.10.12.17, 17,1[.7.15; 19,9.10]; 21,9[.15; 22,1.6.8.9]. By•xy, Revelation (NIGTC) 785, konstatiert zwar die Parallele zwischen 12,1.3 und 15,1, erklärt sie jedoch nicht und leitet daraus auch keine
Konsequenzen
für
eine
Strukturierung
der
Schlusskapitel
ab. Schon B|z•…•ŽŽ, Komposition 217, deutet das AuWreten des Schalen‑Engel in 21,9 als
bewussten
Anschluss
an
16,21.
Vgl.
auch
Gƒ†xƒ•,
Correlations
499 Vgl. B•‚„…ˆ•Ž, Climax 7 und 18; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 34.284, bestimmt zwar korrekt die Anbindung von 17,1 – 21,8 an 16,17–21, übersieht aber die analoge Anbindung
von
21,9 – 22,9
an
21,1–8.

108

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

21,6) verbunden, der den Vollzug und Abschluss von GoTes Zorn und Gericht bzw. die Vollendung des Heils konstatiert.12 Zudem findet sich in der Johannesoffenbarung nur an diesen beiden Stellen ein Verweis auf
eine
gewaltige
Stimme,
die
vom
Thron
her
ergeht.13 16,17

16,19

17,1ff.

… καὶ ἐξῆλϑεν φωνὴ μεγάλη ἐκ τοῦ ναοῦ ἀπὸ τοῦ ϑρόνου λέγουσα· γέγονεν. καὶ ἐγένετο ἡ πόλις ἡ μεγάλη εἰς τρία μέρη … καὶ Βαβυλὼν ἡ μεγάλη ἐμνήσϑη ἐνώπιον τοῦ ϑεοῦ δοῦναι αὐτῇ τὸ ποτήριον τοῦ οἴνου τοῦ ϑυμοῦ τῆς ὀργῆς αὐτοῦ 1444442444443 D••
Gyzƒ„ˆŒ
w†yz
€ƒy „Gz|••y
H‚zy“

21,3 21,6 21,2

21,9ff.

καὶ ἤκουσα φωνῆς μεγάλης ἐκ τοῦ ϑρόνου λεγούσης· … καὶ εἶπέν μοι· γέγοναν καὶ τὴν πόλιν τὴν ἁγίαν Ἰερουσαλὴμ καινὴν εἶδον καταβαίνουσαν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ ϑεοῦ ἡτοιμασμένην ὡς νύμην κεκοσμένην τῷ ἀνδρὶ αὐτῆς 1444442444443 Dƒy
Bz•‚Œ, €ƒy
Fz•‚
€y•
L•ŽŽy•

Beide Visionen sind demnach als eine nachträgliche Entfaltung und Deutung des kurz zuvor Erwähnten – des Falls Babylons bzw. der Her‑ abkunW
des
himmlischen
Jerusalem
–
zu
verstehen.14 (4) Zudem enthält die eigentliche Sieben‑Schalen‑Vision 15,1 – 16,21 [A] bereits einen Vorverweis auf die in 19,11 – 21,8 [B] geschilderten Er‑ eignisse. Bei der sechsten Schale (16,12) trocknet der Euphrat aus und gibt den „Königen des Ostens“ den Weg frei.15 Anschließend sammeln

12 13 14 15

So
Gƒ†xƒ•,
Correlations
502f.
Vgl.
B•‚„…ˆ•Ž,
Climax
7. In 19,5 dagegen nur καὶ φωνὴ ἀπὸ τοῦ ϑρόνου ἐξῆλϑεν λέγουσα; vgl. By•xy, Revelation (NIGTC)
842;
V•••ƒ,
StruTura
129f.,
B•‚„…ˆ•Ž,
Climax
20. Gƒ†xƒ•, Recapitulation 90, bezeichnet beide Visionen deshalb als „retrospective inter‑ pretation
scenes“. Wenn auch in ihrer heutigen Textgestalt die sechste Schale nicht mehr unmiTelbar als Plage konzipiert ist, so mag dies durchaus in ihrer ursprünglichen Gestalt der Fall gewesen sein. Dies zeigt die mit den sieben Schalen weitgehend parallele Reihe der sieben Posaunen (8,6 – 9,20; 11,15–19); vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 808–812; B|z•…•ŽŽ, Komposition 205f. Bei der sechsten Posaune werden die durch Engel symbolisierten dämonische Heere am Euphrat losgebunden (9,14). Da die Ostgrenze des römischen Reiches in dieser Zeit ständig durch die Parther bedroht war, könnte bei der sechsten Posaune an die gegen Rom ziehenden Partherheere gedacht sein. Dies könnte ursprünglich auch bei den „Könige des Ostens“ in 16,12 der Fall gewe‑ sen sein. Durch das Anfügen von 16,13–14.16 jedoch wurde aus der Plage die Samm‑ lung aller Könige der bewohnten Welt (ἐπὶ τοὺς βασιλεῖς τῆς οἰκουμένης ὅλης). Im Vordergrund steht nun der Gedanke, dass durch das Austrocknen des Euphrat vor Beginn der Endschlacht auch die Könige des Ostens zum goTfeindlichen Heer der „Könige der Erde“ stoßen können; vgl. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 281f. Angesichts aktueller zeitgeschichtlicher Ereignisse mögen die Adressaten der Johan‑

Die
Sieben‑Schalen‑Vision
als
Rahmen
der
Millenniumsvision

109

der Drache, das Tier und der Lügenprophet die „Könige der Erde“16 zur Endschlacht (16,13–14.16), die in Anlehnung an alTestamentliche Terminologie als „Schlacht des großen Tages GoTes des Allherrschers“ (vgl. Joël 2,11; 3,4; Zeph 1,14f.; Nah 1,6; Jes 13,4ff.) umschrieben wird.17 Als Ort der Schlacht wird zwar „Harmagedon“ genannt, die eigentliche Schlacht aber wird nicht berichtet. Diese trägt der Vf. in 19,11–21 nach, wo er der Sammlung der „Könige der Erde“ und ihrer Heere zunächst den Aufmarsch des Reiters auf dem weißen Pferd mit seinen Heeren (19,11–16) gegenüberstellt, bevor er das Aufeinandertreffen der beiden Streitmächte und den Ausgang der Schlacht berichtet (19,17f.19–21).18 Wenn auch der Vf. nun nicht mehr vom „großen Tag GoTes des All‑

16

17 18

nesoffenbarung bei den „Königen des Ostens“ sicher auch an die Parther gedacht haben. Zur literarischen Uneinheitlichkeit von Op 16,12–14.15.16 vgl. Wyxxˆ•‚•y•, Offenbarung 26; Wyƒ••, Offenbarung 125f.; A‚•y, Offenbarung (WBC) 866f.; G•y„ˆ‑ Œyz, Memory 440. Zutreffend mag die Sicht von Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 207–210, sein, dass 16,12 und 16,13–14.16 nicht vorschnell verbunden werden dürfen; ersteres bereite den Sturm auf die „große Stadt“ vor (vgl. 17,16) und zweiteres die End‑ schlacht in 19,11–21 (vgl. 17,12–14). Unzutreffend ist die Deutung bei R|x|}}, Offen‑ barung (ZBK) 164, dass die Könige des Ostens und die von der widergöTlichen Trias verführten Könige des ganzen Erdkreises in einer Schlacht aufeinander treffen. Dies muss zwar nicht dem durch das Stichwort „großer Tag GoTes des Allherrscher“ auf‑ gerufenen eschatologischen Horizont widersprechen. Doch soll im heutigen Kontext die Nennung der Könige aus dem Osten, die den (nördlich von Israel gelegenen) Eu‑ phrat überschreiten, an die Tradition des Feindes aus dem Norden erinnern, der ge‑ gen Israel in den Krieg zieht (vgl. Jes 5,26–29; 7,20; 8,7–8; 14,29–31; Jer 1,14–15; 4,6– 13; 6,1.22; 10,22; 13,20; Ez 38,6.15; 39,2; Joël 2,1–11.20–25). Vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 827. Dass hier an die Trockenlegung des Euphrat bei der Eroberung Baby‑ lons durch Kyros (Hdt. 1, 190f.; Xen. Cyr. 7. 5,1–36; vgl. Jes 44,27f.) gedacht ist, die den Juden die Rückkehr aus dem babylonischen Exil ermöglichte, ist zwar nicht aus‑ zuschließen, aber wohl doch zu weit hergeholt; gegen By•xy, Revelation (NIGTC) 827
und
838. Dass die „Könige“ in 16,14 βασιλεῖς τῆς οἰκουμένης ὅλης staT wie sonst βασιλεῖς τῆς γῆς (vgl. 1,5; 6,15; 17,2.18; 18,3.9; 19,19; 21,24) genannt werden, dürWe ein bewusster Rückverweis auf Op 12 sein: In 12,9 wurde der Drache/Satan als ὁ πλανῶν τὴν οἰκουμένην ὅλην tituliert und in 12,17 sein Bestreben mit ποιῆσαι τὸν πόλεμον μετὰ τῶν λοιπῶν τοῦ σπέρματος αὐτῆς
angegeben. Mit By•xy, Revelation (NIGTC) 835f., gegen Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 362, der diesen
atl.
Topos
verkennt. „Symbolisch“ wird die Schlacht von 19,11–21 innerhalb der Deutung des ReiTieres der „großen Hure“ in 17,12–14 vorweggenommen, wo die zehn Hörner des Tieres als zehn Könige gedeutet werden, die unter der Führung des Tieres mit dem Lamm Krieg führen und vom Lamm besiegt werden. Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 953. Den Zusammenhang zwischen 19,11–21 und 17,12–14 macht der Vf. dadurch expli‑ zit, dass er das Lamm in 17,14 wie den Reiter auf dem weißen Pferd in 19,16 κύριος κυρίων und βασιλεὺς βασιλέων nennt. Diese erste Deutung der zehn Hörner konkur‑ riert mit einer zweiten in 17,16–18, nach der das Tier mit zehn Königen die große Stadt erobern wird. Mit U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 296f., lässt sich 17,12–14 als
Weiterleitung
zu
19,11–21
und
17,16–18
als
Vorbereitung
von
Op
18
sehen.

110

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

herrschers“ spricht und auch den Namen des Schlachtortes „Harmage‑ don“ nicht wiederholt, so sprechen doch die wörtlichen Berührungen zwischen beiden Stellen dafür, dass er 19,11 – 21,8 als die Fortsetzung der
sechsten
Schale
verstanden
wissen
will.19 16,12–16 Drache,
Tier,
Lügenprophet πνεύματα δαιμονίων ποιοῦντα σημεῖα

19,11–21 Tier,
Lügenprophet
(Drache:
Kap.
20) ὁ ποιήσας τὰ σημεῖα ἐνώπιον αὐτοῦ

ἐπὶ τοὺς βασιλεῖς τῆς οἰκουμένης ὅλης

τοὺς βασιλεῖς τῆς γῆς κτλ.

συνάγεν αὐτοὺς εἰς τὸν πόλεμον κτλ. συνήγαγεν αὐτοὺς εἰς τὸν τόπον κτλ.

συνηγμένα ποιῆσαι τὸν πόλεμον κτλ.

Hinzu kommt, dass in 16,13 das ἄλλο ϑηρίον aus 13,11–17 wie in 19,20 und 20,10 als ψευδοπροφήτης bezeichnet wird und nur in 16,14 und 19,15 die GoTestitulatur ὁ ϑεὸς ὁ παντοκράτωρ erscheint.20 Jeder der bei‑ den AbschniTe ist offensichtlich gezielt im Blick auf den anderen for‑ muliert. Was in 16,12–16 beginnt, findet demnach in 19,11–21 seine Fortsetzung
und
seinen
Abschluss. 15,1!–!16,21 Die sieben Schalen

A

16,12–14.16

19,11!–!21,8 B Von der Endschlacht zur neuen Welt 19,11–21

16,17 !"!#$&$ 16,19 Vorwegnahme 17,1–3 C1 Schalenengel Visionsankündigung Entrückung 17,4!–!19,8 Gericht über die Große Hure 19,9f. Makarismus Bestätigungsformel Versuch der Proskynese Zurückweisung durch Engel

19

20

21,2 Vorwegnahme 21,6 !"!#$%$

19,6–8

21,9f. C2 Schalenengel Visionsankündigung Entrückung 21,11!–!22,5 Die Braut des Lammes 22,6.8f. Bestätigungsformel Makarismus Versuch der Proskynese Zurückweisung durch Engel

So A‚•y, Revelation (WBC) 866; Gƒ†xƒ•, Recapitulation 91; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 359f.; B•‚„…ˆ•Ž, Climax 33; vgl. auch By•xy, Revelation (NIGTC) 838, Axx|, L’Apocalypse
(EtB)
xžžžŸ. Vgl. B•‚„…ˆ•Ž, Climax 33; hier auch Belege für παντοκράτωρ allein und in anderen Verbindungen.

Die
Sieben‑Schalen‑Vision
als
Rahmen
der
Millenniumsvision

111

Aus den Beobachtungen zur Komposition der Sieben‑Schalen‑Visi‑ on in ihrer Gesamtheit (15,1 – 22,9) ergibt sich die Frage nach dem zeitli‑ chen Zueinander der einzelnen VisionsabschniTe („Ereignisabfolge“). Die bisherigen Überlegungen verbieten es per se, von einem simplen Nacheinander der geschilderten Ereignisse auszugehen, da zumindest die AbschniTe 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,9 [C2] nachgetragene Entfal‑ tungen und Deutungen vorausgegangener Ereignisse darstellen. Doch auch 19,11 schließt – unter Ausklammerung der beiden AbschniTe C1 und C2 – nicht nahtlos an 16,21 an und setzt die in A geschilderten Er‑ eignisse nicht fort.21 Denn auf die Sammlung der „Könige der Erde“ zur Endschlacht nach der sechsten Schale folgt mit der siebten Schale unmiTelbar der Weltuntergang, symbolisiert durch das Zerbrechen der „großen Stadt“ in drei Teile unter Begleitung kosmischer Auflösungser‑ scheinungen (vgl. 6,12–17; 20,11).22 Der Fall der „großen Stadt“ – im Bild: der Empfang des Zornesbechers aus der Hand GoTes (16,19: δοῦναι αὐτῇ τὸ ποτήριον τοῦ οἴνου τοῦ ϑυμοῦ τῆς ὀργῆς αὐτοῦ; vgl. 14,10) – meint nicht nur einen innergeschichtlichen und partiellen Gerichtsakt GoTes, sondern das universale Endgericht.23 Deshalb geht der Unter‑ gang Babylons mit der ErschüTerung der kosmischen Ordnung einher (16,20).24

21

22

23

24

Gegen B•‚„…ˆ•Ž, Climax 5, der die Endschlacht in 19,11–21 zeitlich nach dem Fall Babylons ansetzt; der zusammengehörige AbschniT 19,11 – 21,8 beschreibt seiner Meinung nach die Ereignisse, die zwischen dem Fall Babylons und der HerabkunW des
himmlischen
Jerusalems
liegen.
So
auch
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
949. Vgl. Gƒ†xƒ•, Correlations 502; By•xy, Revelation (NIGTC) 842–844; R|x|}}, Offenba‑ rung (ZBK) 165. Die in 4,5; 8,5; 11,19 genannten ἀστραπαὶ καὶ φωναὶ καὶ βρονταί in Verbindung mit σεισμός (vgl. 6,12; 8,5; 11,13.19) sind Theophanie‑Elemente (vgl. Ex 19,16). Da GoTes Erscheinen negative Folgen für seine Feinde birgt, ist das Erdbeben zunächst genereller Hinweis auf sein strafendes Eingreifen (vgl. Ex 9,24), dann aber auch Anzeichen des eschatologischen Strafgerichts (vgl. Joël 2,30). In 16,18–21 dient die Formel ἀστραπαὶ καὶ φωναὶ καὶ βρονταί zudem dem Rückbezug auf die Kap. 4–5: GoT hat im eschatologischen Gericht seine universale HerrschaW durchgesetzt. Vgl. V•••ƒ,
StruTura
141–148;
B•‚„…ˆ•Ž,
Climax
8;
L•Ž†zy„ˆŒ,
Structuration
93–95. Die Blasphemie der von der letzten Plage Betroffenen darf nach By•xy, Revelation (NIGTC) 842, nicht dahingehend verstanden werden, dass irgendwelche übrig gelas‑ sen werden. Vielmehr erfolgt sie während der Plage. Möglicherweise ist 16,21 Teil einer vom Vf. benutzten literarischen Vorlage, die mit der siebten Plage noch nicht das absolute Ende gekommen sah. Dass der Vf. der Johannesoffenbarung sie univer‑ sal verstand, zeigt die insgesamt universalistische Tendenz der Reihe der sieben Schalen‑Plagen (vgl. 15,1: πληγὰς ἑπτὰ τὰς ἐσχάτας). Vgl. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK)
278. Das Verschwinden der Berge wird in der jüdischen Apokalyptik exemplarisch für die eschatologischen Auflösung der gesamten kosmischen Ordnung gebraucht (vgl. 1 Hen
1,6;
AssMos
10,4;
Sib
8,234f.).

112

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Diese eschatologischen Dimension ergibt sich auch aus dem Ab‑ schluss der Vision 17,1 – 19,10, die das Gericht an Babylon, der „großen Hure“ entfaltet: Mit dem Fall Babylons hat sich GoTes Königsherr‑ schaW endgültig durchgesetzt und die „neue Welt“ bricht an, wie der gesteigerte eschatologische Jubel signalisiert (vgl. 19,1–10).25 Symboli‑ siert wird der radikale Neubeginn in den Bildern der „Hochzeit“ und der „Frau“ des Lammes (vgl. 21,2.9 – 22,9). Mit 19,11 geht der Vf. erneut hinter diesen bereits erreichten „Zeitpunkt“ zurück, indem er nochmals die EndschlachTradition aufgreiW und nachträgt, was in 16,12–16 fehl‑ te: das Aufeinandertreffen der feindlichen Heere und die eschatologi‑ sche Schlacht. In Kap. 20 folgen weitere Endzeitereignisse bis hin zu Weltuntergang und Totengericht, die weder bei den Ereignissen der siebten Schale (16,17–21) noch in der anschließenden Vision vom Ge‑ richt über die „große Hure“ (17,1 – 19,10) erwähnt und ausgeführt wur‑ den. In 21,1–8 schließt sich die in 19,7f. („Hochzeit des Lammes“) ange‑ deutete „Neuschöpfung“ an. Diese wird in 21,9 – 22,9 in einer Art Nachtrag
nochmals
entfaltet
und
gedeutet.26 Somit erreicht der Vf. innerhalb der Schlusskapitel dreimal das „Ende“, d. h. den Untergang der Welt, dreimal aber anders geschildert: Beim Ausgießen der siebten Schale (16,17–21 = Ende von AbschniT A) lässt ein gewaltiges Erdbeben die „große Stadt“ in drei Teile zerbrechen und bewegt Berge und Inseln von ihren Plätzen; und in 17,1 – 19,10 [C1] geht die „große Stadt“ im Feuer zugrunde (vgl. 18,9; 19,3). Dagegen schildert 19,11 – 21,8 [B] die messianische Endschlacht, die Totenaufer‑ weckung und das Totengericht, ohne dass dabei die „große Stadt“ noch einmal erscheinen würde. Der Vf. geht also zweimal hinter das bereits erreichte „Ende“ zurück, um in Nachträgen weitere Aspekte der Ender‑

25

26

In 19,1–10 findet sich die letzte „himmlische Liturgie“ in der Johannesoffenbarung („hymnisches Finale“). Nur hier begegnet der Ruf „Halleluja“: Er „charakterisiert den Lobpreis als eschatologisch, als Jubel, der in der anbrechenden Heilszeit er‑ klingt“ (U. B. Mwxxyz, Offenbarung [ÖTK] 315). Dies entspricht jüdischer Tradition: Tob
13,17f.;
Ber
9 b.
Vgl.
Bill.
2, 725;
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
408. Die klar erkennbare Struktur der Kapitel 15–22 mit ihren parallelen Einschüben in 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,9 [C2] steht allen Umstellungs‑Hypothesen entgegen, obgleich die dafür angeführten logisch‑inhaltlichen Problem des Textes nicht zu be‑ streiten sind. Zu den Gründen für eine Textumstellung Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 144–154; F|z€, Revelation (AncB) 38f.; G•y„ˆŒyz, Sequence 516–521. Auch die von Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 11–15, vertretene These, dass der Johannesoffenbarung kein einheitlicher Entwurf zugrunde liege, sondern dass ihr der Vf. sukzessiv neues Material eingefügt habe, lässt sich angesichts dieser planvollen Gestaltung der Kapi‑ tel 17–22 nur sehr bedingt aufrecht erhalten; es sei denn, man nimmt an, der Vf. habe
dabei
jedes
Mal
das
gesamte
Werk
gründlich
neu
geordnet.

Die
Sieben‑Schalen‑Vision
als
Rahmen
der
Millenniumsvision

113

eignisse zu entfalten, wobei 19,11 – 21,8 [B] weiter zurückgreiW als 17,1 – 19,10 [C1]. Die Schilderung des neuen Jerusalem, der Braut des Lammes, in 21,9 – 22,9 [C2] führt in der zeitlichen Abfolge sowohl 17,1 – 19,10 [C1] (Ankündigung der Hochzeit des Lammes in 19,6–8) als auch 19,11 – 21,8 [B] (HerabkunW des himmlischen Jerusalem in 21,2) fort. Ereignisse der Endzeit A 15,1!–!16,21 C1 17,1!–!19,10 B 19,11!–!21,8 C2 21,9!–!22,9

15,1–8

16,1–16 16,12–16

16,17–21 16,19 17–18

19,11!–!20,15

Neue Welt

19,1–10 19,6–8 21,1–8 21,9!–!22,9

Die Abfolge der Endereignisse ist demnach weder zeitlich völlig ungeordnet noch streng linear. Dennoch will der Vf. beim Hörer/Leser den Eindruck einer zeitlich‑linearen Abfolge der Ereignisse von der Endschlacht bis zur Neuschöpfung erwecken, ohne in seiner Darstel‑ lung
diesem
impliziten
zeitlichen
Raster
streng
zu
folgen27: (1) Das neue Jerusalem, die „Frau des Lammes“ (21,2.9ff.), kommt nach dem
Fall
der
„großen
Stadt“
vom
Himmel
herab
(vgl.
19,1–8). (2) Die erst in 19,11–21 berichtete Endschlacht (vgl. 16,12–14.16) geht wie der Fall der „großen Stadt“ Babylon (16,17–21 und 17,1 – 19,10) dem Weltuntergang (20,11; 21,8) voraus (vgl. die Abfolge der Ereignisse in 19,11 – 21,8). (3) Mit dem Erscheinen des neuen, himmlischen Jerusalem (21,2.9ff.) beginnt
die
„neue
Schöpfung“. Genauer jedoch lässt sich die zeitliche Abfolge aller Endzeit‑Ereig‑ nisse nicht angeben. Probleme bereitet insbesondere die Frage, wo der Untergang der „großen Stadt“ innerhalb der Endzeit‑Ereignisse zu ver‑

27

Diese innere Logik des Textes widerspricht einer Deutung der Abfolge der Visionen in 19,11 – 21,8, wie sie z. B. S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Offenbarung 128, formuliert: „Die Reihe liefert ein Spektrum verwandter Bilder, das die endgültige ReTung darstellt, die dem letzten Gericht folgt. Diese Reihe möchte keine chronologischen Informatio‑ nen geben. Vielmehr ist sie topisch orientiert, da sie auf verschiedene Weise die un‑ terschiedlichen Aspekte der endzeitlichen ReTung beschreibt.“ Eine teilweise ähnli‑ che
Deutung
bei
Pzƒ‹y•Œ,
L’Apocalypse
(CNT[N])
305–307.

114

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

orten ist, da die „große Stadt“ nach 19,1–10 nicht mehr genannt wird und
19,11 – 21,8
für
ihren
Untergang
keinen
Raum
lässt. Der Grund für die merkwürdige, einerseits zwar lineare, anderer‑ seits aber im zeitlichen Ablauf immer wieder zurückschreitende und dann erneut variierend und modifizierend voranschreitende Komposi‑ tion von 15,1 – 22,9 liegt wohl in der Verbindung heterogener Traditio‑ nen, die nicht in allen Teilen miteinander kompatibel sind.28 Dass hier verschiedene Traditionskomplexe zusammengefügt wurden, lässt sich deutlich erkennen; denn der Drache, das Tier und der Lügenprophet haben in der Johannesoffenbarung trotz Kapitel 17 mit den beiden Städten
letztlich
nichts
zu
tun. (1) Mit der widergöTlichen Trias aus Drache, Tier und Lügenprophet verbindet sich der Krieg gegen die endzeitliche Heilsgemeinde, eine messianische Gestalt und der Sieg über die eschatologischen Gegen‑ spieler GoTes. Dieser Komplex wurde wohl erst vom Vf. selbst aus ursprünglich getrennten Traditionen zusammengearbeitet. Dies zeigt unter anderem der Wechsel in der Bezeichnung des zweiten Tieres als „Lügenprophet“
ab
16,13. (2) Der ausgeführte Städte‑Dualismus, wie er sich in der Johannesoffen‑ barung findet, war dem Vf. sicher nicht vorgegeben. Ansonsten ließe sich kaum erklären, dass die parallelen Visionen 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,9 [C2] abgesehen von Anfang und Schluss im Detail so unter‑ schiedlich sind und dass ihre Parallelisierung insgesamt gewaltsam und künstlich wirkt.29 Dies gilt umso mehr, als nur die „große Hure“ in 28

29

Einen Eindruck über den differenzierten Traditionshintergrund der Schlusskapitel der Johannesoffenbarung bietet H•€yz, Eschatologische Schemata 83–87, der hinter Op 15,1 – 22,9 das Plagenschema, das Städteschema, das Ezechiel‑Schema (Ez 37– 39.40ff.), das mythologische Schema und das Schema des göTlichen Endgerichts sieht. Gƒ†xƒ•, Recapitulation 91, sieht das Millennium in 20,1–10 als zentrale Störung der zeitlichen Abfolge der Ereignisse und als Grund für das Durchbrechen einer rein linearen Abfolge: „Perhaps the cause of truth is best served, paradoxically (as the death knell of millenniarism), in recognizing that this scene of heavenly beatitude is the climactic recapitulation of a major theme, indeed of a specific eschatological event, for this scene of the millennial kingdom (20:4–6) restates an announced major image
of
Revelation,
that
of
the
heavenly
priestly
kingdom
[vgl.
1,5b–6;
5,9–10].“ Auch B•‚„…ˆ•Ž, Climax 339, hebt hervor, dass die beiden Visionen 17,1 – 19,10 und 21,9 – 22,9 zwischen dem parallelen Anfang und Schluss reichlich verschieden sind. Allerdings sind neben den Parallelen in Einleitung und Schluss der beiden Visionen Berührungen in den Motiven und im Vokabular zu nennen, z.B.: οἱ βασιλεῖς τῆς γῆς (17,2.18; 18,3.9; 21,24); λίϑος τιμίος/τιμιωτάτος (17,4; 18,12.16; 21,19); μαγαρῖται (17,4; 18,12.16; 21,21); πόλις (17,18; 18,10.16.18.19; 21,10.14.15.16.18.19.21.23); vgl. By•xy, Re‑ velation (NIGTC) 1064 und 1117–1121. Die inhaltlichen Entsprechungen zwischen den Visionen von der „Großen Hure“ und der „Braut des Lammes“ betont PyŠŠ|xƒ‑ Ox‹ƒ•Œƒ, Gericht und Heil 85–87; vgl. auch Ry•€yz, Stadt GoTes 264–282. Die Ein‑

Die
Sieben‑Schalen‑Vision
als
Rahmen
der
Millenniumsvision

115

der Vision im Bild der Frau in Erscheinung triT. Auch die eindeutige Verbindung von Babylon und Jerusalem mit den Bildern der „Hure“ und
der
„Braut“
findet
sich
noch
nicht
im
Alten
Testament.30

30

griffe des Vf.s in seine Vorlagen beschränkten sich demnach nicht auf die Anfügung der parallelen Anfangs‑ und SchlussabschniTe. A‚•y, Revelation (WBC) ž„Ÿƒƒ, merkt zur Entstehung beider Visionen an: „It seems probable that since both texts are in‑ troduced by refering to an angelic guide who is explicitly said to be one of the seven bowl angels (17:1; 21:9), the final editing of these texts took place aWer the section on the seven bowl plagues in Rev 15:1 – 16:20 had been completed. Further, since the parallels between 17:1 – 19:10 and 21:9 – 22:9 involve only the beginning and ending sections of both textual units, it is likely that the texts they frame were composed earlier (and independently) of those frameworks and that the author‑editor used these framing structures to weld together originally discrete materials. It also ap‑ pears likely, in my view, that Rev 21:9 – 22:9 was consciously structured in imitation of 17:1 – 19:10 (rather than the revers), but only aQer Rev 21:5 – 22:2 had been inserted between 21:3–4 and 22:3–5.“ Zur Enstehung von 21,9 – 22,9 auch M. Wƒx„|ž, Traditi‑ on and Redaction of Rev 21,9–22,5, in: Lambrecht, L’Apocalypse 205–215. Byz‹Žyƒyz, Jerusalem 88f., dagegen sieht mit B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 455, die Kap. 17.18.22 als „ursprünglichen Zusammenhang“ (wenn auch der heutige Text Eingriffe des christlichen Redaktors zeigt). Und H•€yz, Eschatologische Schemata 85, nimmt die Verarbeitung eines vorgegebenen Schemas der beiden Städte an (14,8; 16,17–21; 17; 18; 21,2.2–27). Gegen all diese Annahmen aber spricht die inhomogene Gestalt jeder der beiden Visionen und ihre insgesamt nur partielle Parallelität (primär formal durch
eine
identische
Rahmung).
Vgl.
auch
B•‚„…ˆ•Ž,
Climax
339. Im AT wird „Hure“ vornehmlich als Bezeichnung für das von GoT abgefallenen Je‑ rusalem bzw. Juda und Israel gebraucht (vgl. Jes 1,21; Jer 3,3; Ez 16,30f.). Vgl. S. Ez‑ x••€••|•, ‫ ז ָנ ַה‬zānāh. ThWAT 2 (1977) Sp. 612–619; F. H•‚„… / S. S„ˆ‚xŠ, πόρνη κτλ. ThWNT 6 (1959) 579–595. In Nah 3,4 wird die goTfeindliche Stadt Ninive als „Hure“ bezeichnet; der Vers erinnert deutlich an Op 17,4. Auch sonst finden sich in Op 17f. Anklänge an Nah 3. Babylon (Babel) ist im AT die Vollstreckerin des göTlichen Gerichts an Jerusalem (vgl. Mi 4,10; Jer 20,4–6; Ez 12,13; 17,12), aber als stolze und übermütige Stadt auch selbst Adressatin des Zornes GoTes, der sie vernichten wird (vgl. Jes 13–14; 43,14; 48,14; Jer 50–51). Nach Ez 23,15.17 hat Jerusalem (Oholiba) mit Babel Unzucht getrieben. Vgl. H. Rƒ•‹‹zy•, ‫בָּבֶל‬. ThWAT 1 (1973) Sp. 503–507. Der Name der Stadt war aufgrund der Exils‑Erfahrung Israels in der jüdischen und früh‑ christlichen Literatur negativ besetzt und diente als Chiffre für die goTlose Welt‑ macht (vgl. 1 Petr 5,13: Rom). Vgl. K. G. K‚ˆ•, Βαβυλών. ThWNT 1 (1933) 512–514; A. SŒz|†yx, Βαβυλών. EWNT 1 (21992) Sp. 451–453. Das Bild der sich schmückenden Braut drückt in Jes 49,18; 61,10 die wiedererlangte Ehrenstellung Jerusalems aus, wie im Bild der Braut überhaupt die emotionale Bindung und auch die Entfremdung zwischen Israel und JHWH umschrieben werden kann (vgl. Jer 2,2.32; Jes 62,5). Vgl. J. C|•z•€, ‫ כַּלָּה‬kallāh. ThWAT 4 (1984) Sp. 174–178, bes. 175f. Zur Anwendung des Bildes von Braut und Bräutigam auf Christus und die Kirche im NT (vgl. 2 Kor 11,2; Eph 5,22–33; Mk 2,20 parr.) J. JyzyŽƒ••, νύμφη, νυμφίος. ThWNT 4 (1942) 1092–1099, hier 1097f. Zur Identifikation Roms mit Babylon vgl. auch C. H. H‚•Šƒ•‹yz, Babylon als Deckname für Rom und die Datierung des 1. Petrusbriefes, in: H. Reventlow (Hg.), GoTes Wort und GoTes Land (FS H.‑W. Hertzberg), GöTingen 1965, 67–77. Zur Symbolisierung der Stadt im Bild der Frau und insbesondere der Hure noch eine Anmerkung: Seit dem späten 5. Jh. v. Chr. wurde in den griechischen Städten und dann auch in den Neugründungen des Hellenismus die Τύχη τῆς πόλεως ver‑

116

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Eine Verbindung zwischen dem Städte‑Dualismus und dem End‑ zeitszenarium um Drache, Tier und Lügenprophet wird hergestellt, in‑ dem das ReiTier der „großen Hure“ in Op 17 mit dem „Tier“ aus Op 13 identifiziert wird (vgl. 13,1 und 17,3.7). Doch ergibt sich dadurch das Problem, dass entgegen der Ankündigung des angelus interpres in 17,1f. nicht die Hure, sondern ihr ReiTier ins Zentrum der Darstellung rückt (17,8–14).31 Außerdem wird in 17,12–14 das Tier zunächst mit den Mächten in Verbindung gebracht, die gegen das Lamm in den Krieg ziehen. In 17,15 jedoch schwenkt der Vf. zur „Hure“ zurück und deutet das Tier und seine Köpfe als ihre Feinde: Sie ziehen gegen die „Hure“, d. h. gegen Rom, in den Krieg und bereiten ihr den Untergang.32 An Kap. 17 sind deutlich die Schwierigkeiten des Vf.s erkennbar, die „Hure Babylon“ mit der Trias aus Drache, Tier und Lügenprophet als Reprä‑ sentanten der goTfeindlichen Welt zu verbinden und beide Überliefe‑

31 32

ehrt; sie wird häufig auf Münzen und auch als Standbild mit der Mauerkrone auf dem Haupt dargestellt. Vgl. C. J. Cx•••y•, StadtgöTin. LAW 3, Sp. 2900. Die Schilde‑ rung der „Hure Babylon“ in Op 17 könnte auf bildliche Darstellungen der Dea Roma zurückgehen: Die seit dem 2. Jh. v. Chr. in Kleinasien verehrte GöTin wurde (z. B. auf Münzen) zusammen mit den sieben Hügeln Roms, dem FlussgoT Tiber und der römischen Wölfin (lat. lupa) dargestellt. Letzteres ist für Op 17,1 – 19,10 von Interesse, da im Lateinischen lupa auch die (umgangssprachliche) Bezeichnung für eine Prostituierte ist. Vgl. dazu Kx•‚„…, Johannesoffenbarung 5 [Manuskript des Vf.s]; A‚•y, Revelation (WBC) 320–323; Byz‹Žyƒyz, Erzhure Tafel I (bei S. 3910/3911); R. By•‚Ÿyz~, L’Apocalypse au risque de la numismatique. Vespasian et la déesse Rome, in: RB 90 (1983) 243–261. Ausführlich zur Dea Roma R. Myxx|z, ΘΕΑ ΡΟΜΗ. The Worship of the Goddess Roma in the Greek World (Hyp. 42), GöTingen 1975; ders., The Goddess Roma, in: ANRW II. 17.2 (1981) 950–1030. Zur „Hure Babylon“ auch H. R||•y, The Fall of the “Great Harlot” and the Fate of the Aging Prostitute. An Iconographic Approach to Revelation 18, in: A. Weissenrieder u. a. (Hg.), Pictu‑ ring the New Testament. Studies in Ancient Visual Images (WUNT 2/193), Tübingen 2005,
228–252. So
auch
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
847;
vgl.
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
2,55. Dies ist die einzige Stelle der Johannesoffenbarung, die von der Eroberung Roms durch fremde Könige spricht; vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 956f. Möglicherweise hat sich hier die ältere Deutung des Tieres als Nero redivivus/redux erhalten, der zusam‑ men mit den Parthern (die zehn Hörner) gegen Rom zieht; vgl. Sib 4,119–124.137– 139; 5,214–227.261ff.; Tac. hist. 2,8; Zon. 11,18. Die erste Deutung der zehn Hörner in 17,12–14 dagegen dürWe der Vf. im Blick auf 16,12–14.16 und 19,11–21 in seine Vorla‑ ge (bzw. eine frühere Fassung seiner Vision) eingetragen haben. Näheres bei A‚•y, Revelation (WBC) 917–919; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 410–418; vgl. Wyxxˆ•‚•y•, Offenbarung 26–29; Wyƒ••, Offenbarung 121f.; Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 223–225; Rƒ••ƒ, Babylon 61–73. Zur Nero‑Legende bei V|xŠ, Eschatologie 281f.; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 297–300; H.‑J. Kx•‚„…, Do They Never Come Back? Nero Redivi‑ vus and the Apocalypse of John, in: ders., Religion und GesellschaW im frühen Chris‑ tentum (WUNT 152), Tübingen 2003, 268–289; B. Ryƒ„…y, Die jüdische Apokalyptik und
die
johanneische
Tiervision,
in:
RSR 60
(1972)
173–192.

Struktur
und
Gliederung
von
Op
19,11 – 21,8

117

rungskomplexe zu harmonisieren. Dieses Problem sucht er durch die genannten RückschriTe und Neueinsätze sowie durch die großen „Ex‑ kurse“
in
17,1 – 19,10
[C1]
und
21,9 – 22,9
[C2]
zu
umgehen.
 Um der Babylon‑Tradition willen dürWe der Vf. auch bei der sieb‑ ten Schale von dem bei den ersten sechs Schalen – direkt oder indi‑ rekt – gegebenen Bezug auf Drache, Tier und Lügenprophet abgewi‑ chen sein und staT der eigentlich zu erwartenden Vernichtung dieser widergöTlichen Trias die Zerstörung Babylons als Vorbereitung für 17,1 – 19,10 (und damit auch 21,9 – 22,9) gesetzt haben. Die in 19,11 – 21,8 geschilderten Ereignisse erscheinen dadurch isoliert und losgelöst; sie schließen logisch zwar an 16,12–14.16 an, sind davon aber durch die beiden langen Kap. 17 und 18 getrennt. Zudem klingt von den in 19,11 – 21,8 geschilderten Ereignissen allein die Endschlacht bereits in der Reihe der sieben Plagen an. Der Vf. der Johannesoffenbarung er‑ weist sich also durchaus um eine klare Gliederung seines Stoffes be‑ müht; dabei gelingt es ihm aber nicht, die aufgenommenen divergie‑ renden Traditionen widerspruchsfrei und harmonisch zu verbinden. Letztlich entsteht der Eindruck eines Vf.s, der von der Fülle des man‑ nigfaltigen,
traditionellen
Materials
überfordert
wird.

2. Struktur
und
Gliederung
von
Op
19,11 – 21,8 Da sich 19,11 – 21,8 als zusammengehörige, klar ausgegrenzte Einheit erwiesen hat, die strukturell und inhaltlich integriert ist in den großen SchlussabschniT 15,1 – 22,9, ist allen Gliederungs‑ und Auslegungsver‑ suchen mit Vorsicht zu begegnen, die diese Ausgrenzung und die Ein‑ beTung in den Kontext nicht beachten.33 Einen ersten Anhaltspunkt für die Untergliederung von 19,11 – 21,8 bietet die Visionseinleitungsformel καὶ εἶδον (19,11.17.19; 20,1.4.11.12; 21,1[.2]).34 Dabei ist jedoch zu beach‑

33

34

Die meisten Kommentare berücksichtigen zu wenig die klare Ausgrenzung von 19,11 – 21,8 [B] durch die beiden parallelen Visionen 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,9 [C2], weswegen sie zwischen 20,15 und 21,1 einen EinschniT sehen und 21,1–8 zur folgenden Vision vom himmlischen Jerusalem rechnen; so z. B. bei H•zzƒ•‹Œ|•, Re‑ velation (SacrP) 23; RƒŒŒ, Offenbarung (NEB) 11f. Dies ist auch der Grund, warum oW der EinschniT zwischen 21,8 und 21,9 zu gering veranschlagt wird und man bereits mit 19,11 den letzten AbschniT der Johannesoffenbarung beginnen lässt; so z. B. bei H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 188; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 52. 417f.; U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
321;
L|ˆ•y,
Offenbarung
(NTD)
103. Der häufige Neueinsatz mit καὶ εἶδον macht einen kontinuierlichen Geschehensab‑ lauf
zwischen
den
Visionen
unnötig;
vgl.
Byz‹yz,
Formgeschichte
320.

118

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

ten, dass mit dieser Formel nicht immer ein neuer AbschniT beginnt, sondern dass sie auch lediglich der Rückbindung an den Anfang eines AbschniTes
dienen
kann
(so
auch
in
21,2;
vgl.
5,2.11;
7,2;
17,6).35 Berücksichtigt man zusätzlich die inhaltlichen Bezüge zwischen den mit καὶ εἶδον eingeleiteten AbschniTen, ergibt sich für 19,11 – 21,8 folgende
Struktur: (1) 19,11–21: Nach der Öffnung des Himmels sieht der Seher einen Rei‑ ter auf weißem Pferd und die himmlischen Heere (19,11–16). Es folgt die Vision eines Engels, der die Vögel des Himmels zu einem Leichen‑ schmaus zusammenruW (19,17f.). Beide Visionen verbindet die End‑ schlachtvision: Die vom Engel herbeigerufenen Vögel säTigen sich am Fleisch der vom Reiter auf dem weißen Pferd ermordeten goTfeindli‑ chen
Streitmacht
(19,19–21).36 (2) 20,1–10: Die Vision von der Fesselung des Drachen (20,1–3) hebt sich inhaltlich von den vorhergehenden Visionen ab. Der Schluss der Vision kündigt die erneute Loslassung des Drachen nach tausend Jah‑ ren an, die in 20,7–10 geschildert wird. Die Zusammengehörigkeit der beiden Visionen wird dadurch unterstrichen, dass in 20,7 die Visi‑ onseinleitung καὶ εἶδον fehlt und staTdessen 20,3 variierend wiederholt wird.37 Zwischen der Fesselung des Drachen und seiner erneuten Los‑ lassung liegt die Vision der „ersten Auferstehung“ und des Millenni‑ ums
(20,4–6).38 (3) 20,11 – 21,8: Mit 20,11 – Weltuntergang und Erscheinen des Thrones GoTes – wird das die beiden folgenden Visionen verbindende Szenario vorgegeben39: Vor GoTes Thron findet das Gericht über die Toten staT (20,12–15). Die Neuschöpfung (21,1–8) setzt den Weltuntergang voraus; auch GoTes Thron erscheint hier erneut. Das Motiv des Weltunter‑ 35

36 37 38

39

Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 279f. und 338. Innerhalb einer längeren Vision kann die Formel καὶ εἶδον eine Art Erinnerungs‑Marke darstellen. Vgl. den Gebrauch der Formel
‫(
חָז ֵה
הֲו ֵית‬griech.
ἐϑεώρουν
bzw.
εἶδον)
im
Danielbuch. So auch By•xy, Revelation (NIGTC) 948; Axx|, L’Apocalypse (EtB) 302; U. B. Mwxxyz, Offenbarung
(ÖTK)
323. Vgl. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 333; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 429f.; Axx|, L’Apocalypse
(EtB)
308. Man kann 20,4–6 nicht mit S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, HerrschaW 114, als ein „Zwischen‑ stück“ sehen, das „den Zusammenhang der Vision über die Bestrafung des Drachen zerreißt“ bzw. „den Handlungsablauf der Visionen unterbricht, um ein eigenes theo‑ logisches Thema einzuführen“. Denn dies übersieht, dass die beiden korrespondie‑ renden Visionen 20,1–3 und 20,7–10 formal und inhaltlich voraussetzen, dass „et‑ was“ zwischen ihnen liegt, nämlich was sich in den „tausend Jahren“ zwischen der Fesselung
und
erneuten
Loslassung
des
Drachen
ereignet. A‚•y, Revelation (WBC) 1081, erkennt zwar die Unterteilung in v. 11 und vv. 12–15, übersieht
aber,
dass
die
Einleitungsfunktion
von
v. 11
sich
auch
auf
21,1–8
erstreckt.

Struktur
und
Gliederung
von
Op
19,11 – 21,8

119

gangs und des Thrones unterscheidet 20,11 – 21,8 inhaltlich von den vorausgehenden
Visionen. Zur Rechtfertigung der Unterteilung in diese drei AbschniTe lassen sich zwei weitere Punkte anführen. Zum einen lässt sich für jeden dieser Blöcke eine Art Leitmotiv ausmachen, dass sich in den anderen AbschniTen nicht findet: „das weiße Pferd und der auf ihm Sitzende“ in 19,11–21, die „tausend Jahre“ in 20,1–10 und „der große weiße Thron und der auf ihm Sitzende“ in 20,11 – 21,8.40 Zum anderen endet jeder dieser drei Blöcke mit dem Hinweis auf den „Pfuhl von Feuer und Schwefel“ (19,20;
20,10;
21,8). Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass in 20,12–15 mehrmals der Pfuhl von Feuer genannt wird, denn er erscheint hier stets in der um den Schwefel reduzierten Form (ἡ λίμνη τοῦ πύρος). Zu beachten ist außerdem, wer jeweils sein Ende im Feuer‑ und Schwefelpfuhl findet: in 19,20 sind es das Tier und der Lügenprophet, in 20,10 der Drache und in 21,8 ihre Anhänger, die von ihnen verführten Menschen (vgl. dazu 20,12 mit
13,8
und
3,5).41 19,20 καὶ ἐπιάσϑη τὸ ϑηρίον καὶ μετ’ αὐτοῦ ὁ ψευδοπροφήτης … ζῶντες ἐβλήϑησαν οἱ δύο εἰς τὴν λίμνην τοῦ πύρος τῆς καιομένης ἐν ϑείῳ 20,10 καὶ ὁ διάβολος ὁ πλανῶν αὐτοὺς ἐβλήϑη εἰς τήν λίμνην τοῦ πύρος καὶ ϑείου … 21,8

40 41

τοῖς δὲ δειλοῖς καὶ ἀπίστοις καὶ ἐβδελυγμένοις καὶ φονεῦσιν καὶ πόρνοις καὶ φαρμάκοις καὶ εἰδωλολάτραις καὶ πᾶσιν τοῖς ψευδέσιν τὸ μέρος αὐτῶν ἐν τῇ λίμνῃ τῇ καιομένῃ πύρι καὶ ϑείῳ
…
[vgl.
20,14f.]

Vgl.
Gƒ†xƒ•,
Correlations
500;
ders.,
Revelation
(GNS)
177. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 345: „Bisher war über die ewige Verdammnis der irdischen Repräsentanten des Satans, des Tieres und des falschen Propheten (19,20), und den Satan selbst (20,10) entschieden worden; die Anhänger des Tieres aber (19,21) und die vom Satan verführten Völkerscharen (20,10) haTen nur den Tod er‑ fahren, nicht aber ihre endgültige Bestrafung. Dies ist nun das Hauptziel des Weltge‑ richts 20,11–15.“ Dass in 20,14 und in 21,8 dieselbe Gruppe bezeichnet wird, die ihr Ende im Feuerpfuhl findet, d. h. den „zweiten Tod“ erleidet, ergibt sich aus 21,27: καὶ οὐ μὴ εἰσέλϑῃ εἰς αὐτὴν [i. e. das neue Jerusalem] πᾶν κοινὸν καὶ ποιῶν βδέλυγμα καὶ ψεῦδος, εἰ μὴ οἱ γεγραμμένοι ἐν τῷ βιβλίῷ τῆς ζωῆς τοῦ ἀρνίου. Der Lasterkatalog ent‑ spricht dem in 21,8; die damit bezeichnete Gruppe sind diejenigen, die nicht im Buch des Lebens verzeichnet sind und deshalb ihr Ende im Pfuhl von Feuer und Schwefel finden (20,15). Die, die nicht im Lebensbuch stehen, aber sind diejenigen, die das Tier anbeten (13,8), also Götzenkult betreiben. Auf den Götzenkult weisen auch die Lasterkataloge in 21,8.27; dazu ausführlich bei AbschniT IV. 4b Punkt (4). Vgl.
auch
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
353.

120

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Der Vf. grenzt die drei AbschniTe aber nicht nur gegeneinander ab, sondern
stellt
zwischen
ihnen
auch
strukturrelevante
Bezüge
her.42 (1) Die beiden rahmenden AbschniTe sind durch ihr korrespondie‑ rendes Leitmotiv aufeinander bezogen: Dem „auf dem weißen Pferd Sitzenden“ entspricht der „auf dem großen weißen Thron Sitzende“. Dies
wird
umso
deutlicher
als
nur
hier
der
Thron
weiß
ist.43 19,11 20,11

καὶ ἰδοὺ καὶ εἶδον

ἵππος λευκός ϑρόνον μέγαν λευκόν

καὶ ὁ καϑήμενος ἐπ’ αὐτόν καὶ τὸν καϑήμενον ἐπ’ αὐτόν

… …

Mit beiden Gestalten wird das Gericht über die goTfeindlichen Men‑ schen verbunden: Der Reiter beendet ihr irdisches Leben (19,21a), vor dem göTlichen Richter finden sie den zweiten, d. h. ewigen Tod (20,14f.).44 Indem der Vf. in 20,10 auf 19,20 Bezug nimmt, unterstreicht er, dass innerhalb 19,11 – 21,8 ein zeitlich linearer Geschehensverlauf in‑ tendiert ist: Der Drache findet um „tausend Jahre“ versetzt das gleiche Schicksal
wie
das
Tier
und
der
Lügenprophet.45 (2) Durch das Motiv der Anbetung des Tieres und seines Bildes und des Empfangs seines Prägemals in 19,20 und 20,4 kontrastiert er die Bestrafung des Tieres und des Lügenpropheten mit der Rehabilitie‑ rung ihrer Opfer. Dies erschließt sich im Blick auf Kap. 13, wo dieses Motiv verankert ist (bes. 13,14.15–17): Wer die Anbetung des Tieres ver‑ weigert, wird auf die Initiative des Lügenpropheten, des „anderen Tie‑ res“, hin getötet.46 Das Tier und der Lügenprophet finden nun ihr Ende im Pfuhl von Feuer und Schwefel, während ihre Opfer wieder zum Le‑

42 43 44 45

46

Dazu
auch
Gƒ†xƒ•,
Revelation
(GNS)
178. So
auch
Gƒ†xƒ•,
Correlations
500;
H•zzƒ•‹Œ|•,
Revelation
(SacrP)
203. Vgl.
dazu
auch
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
331. Gegen H•zzƒ•‹Œ|•, Revelation (SacrP) 199: „The difficulty in our passage is due to the fact that the ‘thousand years’, though it is a symbol without time value, is liguis‑ tically cast in time mode; it invites, indeed demands, chronological phraseology. Hence the phrases: ‘until [when] the thousand years were ended’ (12:2, 5, 7 [fälsch‑ lich staT 20,2.5.7]), ‘aWer that’ (20:3).“ Aufgrund dieses „unzeitlichen“ Verständnisses der tausend Jahre kommt er zu einer Deutung von 20,7, die sich am Text nicht mehr erweisen lässt: „If we take the ‘thousand years’ as a symbol, without chronological value, then the phrase, ‘when the thousand years are ended’, does not mean at all that the ‘loosing’ of Satan comes aWer his internment. His ‘binding’ is strictly in rela‑ tion to those who reign with Christ. … The ‘loosing’ of Satan is required by the li‑ terary
construction
of
the
passage“
(ebd.
200). Das in 20,4 gebrauchte πελεκίζω bedeutet „mit dem Beil (πέλεκυς) den Kopf abschla‑ gen“ und wird auch für gerichtliche Hinrichtungen verwandt; vgl. Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 1357; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1293. Insofern passt 20,4 zu den in 13,15–17 an‑ gedrohten
Sanktionen
für
die
Verweigerung
gegenüber
dem
Tierkult.

Struktur
und
Gliederung
von
Op
19,11 – 21,8

121

ben kommen (ἔζησαν). Zugleich deutet sich hier ein weiterer Gegensatz an, nämlich zwischen denjenigen, die der Verführung des Lügenpro‑ pheten erlagen, das Tier anbeteten und sein Prägemal empfingen, und den StandhaWen, die beides um den Preis ihres Lebens verweigert haben. Diesen Gegensatz greiW der Makarismus in 20,6 auf, indem er über das Stichwort des „zweiten Todes“ das Schicksal der treuen Glau‑ benszeugen mit dem in 20,12–15 und 21,8 geschilderten Schicksal der von GoT abgefallenen Menschen, d. h. derjenigen, die der Verführung des
Tier‑Kultes
erlegen
sind
(vgl.
19,20),
kontrastiert.47 19,11–21

19,20

(a) … ὁ ψευδοπροφήτης ὁ ποιήσας τὰ σημεῖα ἐν οἷς ἐπλανήσεν τοὺς λαβόντας τὸ χάραγμα τοῦ ϑηρίου καὶ τοὺς προσκυνοῦντας τῇ εἰκόνι αὐτοῦ …

20,1–10

20,4

(a) … οἵτινες οὐ προσεκύνησαν τὸ ϑηρίον οὐδὲ τὴν εἰκόνα αὐτοῦ καὶ οὐκ ἔλαβον τὸ χάραγμα ἐπὶ τὸ μέτωπον καὶ ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτῶν

20,6

(b) μακάριος καὶ ἅγιος ὁ ἔχων μέρος ἐν τῇ ἀναστάσει τῇ πρώτῃ· (c) ἐπὶ τούτων ὁ δεύτερος ϑάνατος οὐκ ἔχει ἐξουσίαν, ἀλλ’ ἔσονται ἱερεῖς τοῦ ϑεοῦ καὶ τοῦ χριστοῦ καὶ βασιλεύσουσιν μετ’ αὐτοῦ τὰ χίλια ἔτη.

20,15 – 21,8 20,14f. (c) … οὗτος ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερός ἐστιν, ἡ λίμνη τοῦ πυρός καὶ εἴ τις οὐχ εὑρέϑη ἐν τῇ βίβλῳ τῆς ζωῆς γεγραμμένος, ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός 21,8

(b) … τὸ μέρος αὐτῶν ἐν τῇ λίμνῃ τῇ καιομένῃ πυρὶ καὶ ϑείῳ, (c) ὅ ἐστιν ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερος.

Daraus ergibt sich für 19,11 – 21,8 eine konzentrische Struktur, in deren Zentrum der AbschniT 20,4–6 mit dem Millennium als Beloh‑ nung der treuen Glaubenszeugen steht. Dieser AbschniT wird gerahmt durch die auf zwei „Akte“ verteilte Bestrafung des Drachen, die mit seiner zeitlich begrenzten Fesselung in 20,1–3 und seiner erneuten Los‑ lassung in 20,7–10 Anfang und Ende dieser „tausendjährigen“ Heilszeit markiert.48 47 48

Ähnlich
S„ˆw••xyz
Fƒ|zy•Š•,
Offenbarung
130. A. Y. C|xxƒ••, Combat 15, erkennt zwar die Zusammengehörigkeit von 19,11 – 21,8; da sie jedoch von einer durchgehenden Gliederung der Johannesoffenbarung in Rei‑ hen von je sieben Visionen ausgeht, ist sie gezwungen (ohne Beachtung der Gliede‑ rungssignale des Textes) 19,11 – 21,8 in genau sieben Visionen einzuteilen. Deshalb verkennt sie (1) den EinschniT zwischen 20,4–6 und 20,7–10, (2) die Verbindung von

122

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

A: 19,11–21

Dyz
RyƒŒyz
•‚}
€yŽ
–yƒ••y•
P}yz€

a

19,11–16 Erscheinen
des
Reiters
und
seines
Heeres

b

19,17f.

Einladung
an
die
Vögel
zum
Leichenschmaus

ab 19,19–21 Die
Gegner
des
Reiters —
Bestrafung
von
Tier
und
Lügenprophet B: 20,1–10

Dƒy
„Œ•‚•y•€
J•ˆzy“

a

20,1–3

Bestrafung
des
Drachen
(1) —
Fesselung
und
Einkerkerung
für
tausend
Jahre

b

20,4–6

Die
„erste
Auferstehung“
und die
tausendjährige
HerrschaW
mit
dem
Messias

a

20,7–10

Bestrafung
des
Drachen
(2) —
Sturz
in
den
Pfuhl
von
Feuer
und
Schwefel

C: 20,11 – 21,8 a

20,11

Dyz
‹z|••y
–yƒ••y
Tˆz|•
‚•€
€yz
•‚}
ƒˆŽ
SƒŒŠy•€y Das
Erscheinen
des
Thrones
und
des
auf
ihm
 Sitzenden —
Verschwinden
von
Himmel
und
Erde

b1 20,12–15 Das
Gericht
über
die
Toten b2 21,1–8

Der
neue
Himmel
und
die
neue
Erde —
Das
neue
Jerusalem

Diese konzentrische Struktur des AbschniTes 19,11 – 21,8 wird von einem
linearen
Voranschreiten
der
Ereignisse
überlagert: (1) Die Fesselung des Drachen in 20,1–3 wird mit seiner erneuten Los‑ lassung und seiner anschließenden endgültigen Vernichtung in 20,7–10 fortgesetzt (20,7 καὶ ὅταν τελεσϑῇ τὰ χίλια ἔτη, λυϑήσεται ὁ σατανᾶς ἐκ τῆς φυλακῆς αὐτοῦ); zeitlich liegt zwischen beiden Ereignissen 20,4–6 (20,4 …
καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ χριστοῦ [τὰ] χίλια ἔτη). (2) Die Vernichtung des Drachen in 20,1–10 greiW ausdrücklich auf die Bestrafung von Tier und Lügenprophet in 19,11–21 zurück (20,10 ὁ διάβολος … ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρὸς καὶ ϑείου ὅπου καὶ τὸ ϑηρίον καὶ ὁ ψευδοπροφήτης).49

49

20,11 – 21,8 durch den einleitenden Vers 20,11 und (3) die konzentrische Struktur des GesamtabschniTes. Gegen
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
972.974–983.

Struktur
und
Gliederung
von
Op
19,11 – 21,8

123

(3) 20,11 (vgl. auch 21,1) nennt den Weltuntergang50 und 21,1.5 die Neuschöpfung, während in 19,11 – 20,10 der Bestand der alten Welt vor‑ ausgesetzt
ist. (4) Die partielle „erste Auferstehung“ in 20,5f. blickt auf die allgemeine „Auferstehung“ mit anschließendem Totengericht in 20,12–15 voraus (οἱ λοιποὶ τῶν νεκρῶν οὐκ ἔζησαν ἄχρι τελεσϑῇ τὰ χίλια ἔτη). Aufgrund dieser klaren Textsignale kann nicht bestriTen werden, dass die erzählerische und die chronologische Abfolge der Ereignisse in 19,11 – 21,8 übereinstimmen und der Vf. folglich die „tausend Jahre“ als
tatsächliche
Zeitangabe
verstanden
wissen
will.51 Einen besonderen Akzent legt der Vf. auf den Endpunkt dieser Er‑ eignisabfolge und markiert ihn als Höhepunkt der gesamten Johannes‑ offenbarung, indem er in 21,5–8 das einzige Mal in seinem Werk – abgesehen von der kurzen Selbstvorstellung als τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ in 1,8, die in 21,6 wieder aufgegriffen wird (!) – den auf seinem Thron sitzen‑ den GoT selbst sprechen lässt.52 Diese GoTesrede gibt die neue Schöp‑ fung mit der unmiTelbaren GoTesgemeinschaW als Zentrum der Johan‑ nesoffenbarung zu erkennen. Damit erhält der AbschniT 19,11 – 21,8 entgegen seiner konzentrischen Struktur ein deutliches „Achterge‑ wicht“, d. h. nicht die zentrale Millenniumsvision in 20,4–6 bildet den inhaltlichen (und theologischen) Höhepunkt von 19,11 – 21,8, sondern die abschließende Vision der neuen Schöpfung in 21,1–8.53 Formal wird dies auch dadurch unterstrichen, dass 21,7 mit dem einzigen „Über‑ winderspruch“ außerhalb der sog. „Sendschreiben“ eine typische Re‑ deform dieser großen Mahnrede des „Menschen‑Sohn‑Gleichen“ an die sieben
Gemeinden
(1,9 – 3,22)
wieder
aufnimmt.54

50

51

52

53 54

So R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 195. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 345f., dagegen sieht in den kosmologischen Aussagen von 20,11 nur „Metaphern für die schrecken‑ erregende
Größe
des
richtenden“
GoTes;
ähnlich
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1101. So auch U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 338; gegen By•xy, Revelation (NIGTC) 995.1017–1021; S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Eschatology 555; Rƒ••ƒ, ZukunW 35. Auch wenn Fzy~, Millennium 31f., zu Recht zahlreiche Inkonsequenzen und Brüche in der Ab‑ folge der Visionen in 19,11 – 21,8 benennt, ist aufgrund der genannten Textsignale (bes. der Rückverweis auf 19,20 in 20,10) seiner Folgerung zu widersprechen, dass die Visionen in 19,11–21 und 20,1–10 nicht als „logisch‑chronologische Handlungs‑ folge“
zu
lesen
sind. Dazu auch Rƒ••ƒ, ZukunW 63; S–yŒy, Revelation 279; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 456; Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 155. Zur „GoTesrede“ vgl. auch Byz‹yz, Formge‑ schichte
257f. Vgl.
Gƒ†xƒ•,
Correlations
501. Vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 1057f.; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 200f.; U. B. Mwx‑ xyz,
Offenbarung
(ÖTK)
353.

124

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Insgesamt fallen in 20,11 – 21,8 die zahlreichen Bezüge zu den sie‑ ben „Sendschreiben“ auf: die Bewahrung vor dem „zweiten Tod“ (2,7; 20,6.14f.; 21,8), das Verzeichnet‑Sein im Buch des Lebens (3,5; 20,12.15), das neue Jerusalem, das vom Himmel herabkommt (3,12; 21,2.9ff.), so‑ wie die Werke als Gerichtskriterium (2,2.5.6.19 u. ö.; 20,12f.). Die Vision vom neuen Jerusalem und der neuen Schöpfung in 21,1–8 mit ihrer nachträglichen Entfaltung in 21,9 – 22,9 erscheint dadurch als das von Anfang an intendierte Ziel der Johannesoffenbarung.55 Doch wie die „Sendschreiben“ bereits die Möglichkeit des Scheiterns mit einbeziehen (ἔργα und νικάω), so steht auch in 21,1–8 denen, die die Heilsgüter der neuen Schöpfung erben, die Gruppe derjenigen gegenüber, die davon ausgeschlossen
sind
und
den
„zweiten
Tod“
erleiden
(21,7f.). Aus der Strukturierung des Textes ergibt sich die Frage, warum der Vf. die Millenniumsvision so sehr in den MiTelpunkt der Darstellung rückt und welche Bedeutung und Funktion sie für die Johannes‑Offen‑ barung hat. Im Unterschied zu den rahmenden AbschniTen ist die Mil‑ lenniumsvision (20,1–10) in der Sieben‑Schalen‑Vision nicht vorbereitet worden. Außerdem könnte der Vf. im Grunde – wie es ähnlich in der jüdischen Eschatologie belegt ist56 – das Totengericht (20,11–15) un‑ miTelbar an die Messiasschlacht (19,11–21) anschließen, ohne dass der Hörer/Leser
Wesentliches
vermissen
würde. Von den spezifischen Inhalten dieses AbschniTs her liegen zu‑ nächst zwei Lösungen des Problems nahe: Zum einen klärt der Vf. miTels der Millenniumsvision, was aus dem Drachen wird, der ja in Kap. 12 als Verursacher der Bewährungssituation der Gemeinde einge‑ führt wurde; zum anderen würden ohne die Millenniumsvision nähere Angaben zum Geschick der in der Bewährung standhaWen Christen fehlen (trotz 21,1–8). Doch darf dabei nicht übersehen werden, dass der Vf. beide Fragen auch anders häTe beantworten können und dass die gewählte Lösung zu erheblichen inhaltlichen Unstimmigkeiten führt. Insofern lässt sich vermuten, dass die gewählte Lösung auch durch die Bindung des Vf.s an einen bestimmten Traditionshintergrund und/oder durch bestimmte Erwartungen auf Seiten seiner Adressaten motiviert ist.
Näheres
muss
die
Analyse
des
AbschniTes
selbst
erweisen.

55 56

Ähnlich
R|x|}},
Offenbarung
(ZBK)
197. Dazu
V|xŠ,
Eschatologie
161–163;
hier
auch
Belege
in
der
frühjüdischen
Literatur.

Analyse
der
EinzelabschniTe

125

3. Analyse
der
EinzelabschniTe a. 19,11–21:
Der
Reiter
auf
dem
weißen
Pferd (1) Übersetzung [vgl.
4,1]

11a

Und ich sah den Himmel geöffnet. Und siehe: ein weisses Pferd c und der auf ihm Sitzende, treu [gerufen werdend] und wahrhaftig.

vgl.
Ez
1,1

b

6,2 (vgl.
14,14) 3,14

d

1,14;
2,18 vgl.
12,3;
13,1

Und in Gerechtigkeit richtet und kämpft er.

12a b

Seine Augen aber [wie] eine Flamme von Feuer; und auf seinem Haupt viele Diademe;

vgl.
2
Makk
 3,25–29;
11,8 vgl.
Ps
9,9;
 71,2;
95,13;
 97,9
LXX Dan
10,6
(7,9) vgl.
Jes
62,2

c

2,17;
19,16a

habend einen Namen geschrieben, den keiner weiß außer er selbst; 13a

vgl.
1,2.9;
6,9; 20,4
(17,17; 19,10;
22,6)

19,8 (18,12.16)

1,16;
2,12; 19,21b

2,27;
12,5 vgl.
14,19f. (1,3;
4,8
u. ö.)

vgl.
2,17; 14,1;
17,5; 19,12c 17,14;
vgl.
1,5 vgl.
7,2;
10,1; 18,1
u. ö. 8,13;
14,6

b

und umgeworfen einen Mantel, getaucht in Blut;

und gerufen ist sein Name: das Wort Gottes.

14a

vgl.
Jes
63,1–3 1 Sam
1,20;
 Hos
1,4.6
+
 Weish
18,14f.

Und die Heere, [die] im Himmel, folgten ihm auf weißen Pferden, b sich angezogen habende Byssosleinen, weiß (und) rein. 15a

Und aus seinem Mund kommt heraus ein scharfes Schwert, b damit er mit ihm schlage die Völker; c und er selbst wird sie weiden mit eisernem Stab; d und er selbst tritt die Kelter des Weines der Leidenschaft des Zorns Gottes, des Allherrschers.

vgl.
Jes
11,4;
 49,2
LXX Ps
2,9
LXX;
 PsSal
 17,26f.39 Jes
63,1–3 (Klgl
1,15)

16a

Und er hat auf den Mantel und seinen Schenkel einen Namen geschrieben: b

König der Könige und Herr der Herren.

17a

Und ich sah einen Engel, stehend in der Sonne. Und er rief mit gewaltiger Stimme, c sagend allen Vögeln, die im Mittelhimmel fliegen: b

d

„Kommt! Lasst euch zusammenführen zum großen Mahl Gottes,

Dtn
10,17
 LXX
+
2
Makk 13,4

126

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8 18a

vgl.
6,15 vgl.
13,16; 11,18;
19,5; 20,12 →
Kap.
13 →
16,13–16 vgl.
12,7.17; 11,7;
13,4.7; 17,14;
9,7.9

damit ihr esst Fleisch von Königen und Fleisch von Tausendführern und Fleisch von Starken b und Fleisch von Pferden und den auf ihnen Sitzenden c und Fleisch aller, von Freien und Sklaven und von Kleinen und Großen.“ 19a Und ich sah das Tier b

vgl. Ez
39,4.17–20

vgl.
Dan
7,11

c

und die Könige der Erde und ihre Heere, zusammengeführt, den Krieg zu machen mit dem auf dem Pferd Sitzenden und mit seinem Heer.

vgl.
Ps
2,2

20a

vgl.
16,13 13,13–14 13,12–17; 14,9.11;
15,2; 16,2;
20,4e vgl. 20,10.14f.; 21,8

Und ergriffen wurde das Tier und mit ihm der Lügenprophet, der gemacht hatte die Zeichen vor ihm, d mit denen er die verführte, die empfangen hatten das Prägemal des Tieres und anbeteten sein Bild. e Lebend wurden die zwei geworfen in den Pfuhl von Feuer, brennend im Schwefel. b

vgl.
Dan
7,11

(vgl.
Num
 16,33)

21a

vgl.
bei 19,15a

Und die übrigen wurden getötet mit dem Schwert des auf dem Pferd Sitzenden, das herauskam aus seinem Mund. b

vgl.
bei
 19,15a.b

Und alle Vögel wurden gesättigt von ihrem Fleisch.

A•Žyz…‚•‹: kursiv
–
atl.
Zitate,
Paraphrasen
und
Anspielungen
(rechts
notiert) unterstrichen – wörtliche und freie Wiederaufnahme aus anderen AbschniTen der
Op
(links
notiert)

(2) Sprachlich‑stilistische
Analyse 19,11: a καὶ εἶδον τὸν οὐρανὸν ἠνεῳγμένον: Der Beginn eines neuen Ab‑ schniTes mit der kopulativen Partikel καί ist zwar im klassischen Grie‑ chisch ungewöhnlich, findet sich aber in der Johannesoffenbarung wie im biblischen Griechisch (NT und LXX) sehr häufig.57 Von εἶδον als Verb der (sinnlichen) Wahrnehmung ist korrekt griechisch ein Akkusa‑

57

Zu καί in der Johannesoffenbarung vgl. A‚•y, Revelation (WBC) „ž„ƒ–„ž„Ÿ; zu καί allgemein BDR § 442; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 795–799; zum semitischen Hinter‑ grund
des
häufigen
Gebrauchs
von
καί
im
biblischen
Griechisch
BDR
§ 107.

Analyse
der
EinzelabschniTe

127

tiv mit Partizip abhängig.58 Das häufige Vorkommen dieser Konstrukti‑ on in der Johannesoffenbarung (vgl. 4,1, 5,1; 6,1.9; 7,1.2.9 u. ö.) und das Fehlen der Alternativkonstruktion eines mit ὅτι / ὡς eingeleiteten ab‑ hängigen Aussagesatzes könnte dadurch bedingt sein, dass sich eine dem AcP ähnliche Konstruktion auch im Hebräischen und Aramäi‑ schen findet.59 Zum Augment bei ἀνοίγνυμι vgl. 20,12b. — b καὶ ἰδοὺ ἵππος λευκός: Die Einleitung mit καί und der Demonstrativpartikel ἰδού gibt das hebräische ‫ וְהִנ ֵּה‬wieder; in Nachahmung einer hebräischen Konstruktion folgt darauf ein bloßer Nominativ (so auch in 4,1; 6,2.5.8; 7,9; 11,14; 12,3; 14,1.14; 21,3).60 — c καὶ ὁ καϑήμενος ἐπ’ αὐτὸν [καλούμενος]61 πιστὸς καὶ ἀληϑινός: Grammatisch handelt es sich um einen Nominalsatz mit fehlender Kopula; das Partizip καλούμενος ist Prädi‑ kativum.62 Da die im Griechischen mögliche expressive Umschreibung (kopulatives Verb mit Partizip) des Verbum finitum im Präsensstamm ein semitisches Äquivalent besitzt, triT sie im biblischen Griechisch ge‑ häuW auf.63 Die Phrase καϑήμενος ἐπί findet sich in der Johannesoffen‑ barung relativ häufig (vgl. 4,2.4; 6,2.3.5.8; 9,14; 14,14 u. ö.); vgl. dazu bei 20,11a. In der Johannesoffenbarung steht, wie auch sonst im NT, nach ἐπί ohne erkennbaren Unterschied in der Bedeutung der Genitiv, Dativ

58 59

60

61

62

63

Vgl.
BDR
§ 416,1;
Kwˆ•yz / GyzŒˆ,
Gr.
II/2
§ 482,1. So M‚••ƒy•, Greek of Revelation 168; Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, Hebr. § 117 h. Ein eindeu‑ tiger Hebraismus ist die verwandte Konstruktion καὶ εἶδον καὶ ἰδού, da das Hebr. das Partizip gerne mit ‫ הִנ ֵּה‬an Verben der Wahrnehmung anschließt; vgl. dazu My~yz, Hebr.
§ 104,3b. Zu ‫ הִנ ֵּה‬+ Nominativ im Hebräischen (aram. ‫ )הָא‬Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, BHebr. § 147 b; K‡ˆxyz / B•‚Ž‹•zŒ•yz, Wb. AT 1, 242. Vgl. auch BDR § 128,7 (Anm. 12); zu ergänzen ist ein Präs. oder Impf. (oder auch ein Fut. oder Aor.) von εἶναι, παρεῖναι bzw. (παρα-) γίνεσϑαι. Vgl. dazu auch Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžŸƒƒ; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 753f.; BDR § 442,5a. ἰδού mit folgendem Nomen (oder Pronomen) ist auch außer‑ halb
des
biblischen
Griechisch
belegt;
vgl.
Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ,
Lex.
819. Das Partizip καλούμενος fehlt in einigen Textzeugen (A ˜A Hipp); da andere wichti‑ ge Textzeugen (ℵ [1006]. 1611. 1841. 1854. 2053. 2062 ˜K vgcl sy; Irlat Or) – trotz unter‑ schiedlicher Wortstellung – καλούμενος haben und eine nachträgliche Einfügung des Partizips schwerer erklärbar ist als eine Streichung, muss man es als zum ursprüng‑ lichen Text gehörend betrachten. Vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 951. Das Argument von A‚•y, Revelation (WBC) 1042, eine Namensnennung an diese Stelle stünde in Spannung zu v. 12c, d. h. dem unbekannten Namen des Reiters, greiW nicht, da auch vv. 13.16
einen
Namen
des
Reiters
nennen;
so
auch
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
951. Bei den Nominalsätzen im Griechischen fehlt die Kopula relativ häufig; vgl. B|z•y‑ Ž••• / Rƒ•„ˆ, Gr. § 255f.; M•~•yz, Gr. Pap. 2, 3 § 146; dazu auch B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK)
170f.;
BDR
§ 127f. Vgl. BDR § 353; S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 407f.; auch 1, 811–813. Zum Partizip nach einem Perf./Impf. von ‫ היה‬im Hebr. bzw. ‫ הוא‬im Aram. Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, Hebr. § 116; Sy‹•x, MHebr. §§ 324–327; B•‚yz / Ly••€yz, BAram. §§ 81f.; SŒyŸy••|•, PAram. § 22. Nicht
selten
fehlt
‫
הוא‬/
‫היה‬.

128

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

oder Akkusativ; der Akkusativ steht dabei nicht mehr nur auf die Frage „wohin?“, sondern auch auf die Frage „wo?“.64 19,11b.c hat eine auffäl‑ lige Parallele in 6,2. — d καὶ ἐν δικαιοσύνῃ κρίνει καὶ πολεμεῖ: Mit καί wird hier eine Begründung für die Aussage des vorangehenden Verses angeschlossen; dies entspricht semitischer Syntax.65 Doch ist das Ver‑ meiden der Hypotaxe allgemein typisch für volkstümliches Erzählen. Die Umschreibung ἐν δικαιοσύνῃ staT des Adverbs δικαίως deutet auf semitischen Einfluss, da den semitischen Sprachen ein vom Adjektiv abgeleitetes Adverb fehlt (ἐν δικαιοσύνῃ [κρίνει] für ‫ בְּצֶדֶ ק‬Ps 9,9; 71,2; 95,13; 97,9 LXX).66 Der instrumentale Gebrauch von ἐν im biblischen Griechisch (LXX) mag auf semitischen Einfluss zurückgehen (in Anleh‑ nung an das hebr./aram. ְ‫)בּ‬, doch findet er sich allgemein im späten Griechisch.67 Der Wechsel vom Aorist in v. 11a in das Präsens ist nicht motiviert;
evtl.
handelt
es
sich
um
ein
generelles
Präsens.68 19,12: a οἱ δὲ ὀφϑαλμοὶ αὐτοῦ [ὡς]69 φλὸξ πυρός: Die häufige griechi‑ sche Partikel δέ findet sich in der Johannesoffenbarung nur siebenmal

64

65 66 67

68

69

Die klassische Unterscheidung im Kasusgebrauch bei ἐπί scheint dem Vf. der Johan‑ nesoffenbarung nicht mehr bewusst zu sein; dies lässt sich auch sonst im neutes‑ tamentlichen Griechisch beobachten. Vgl. B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 579‑587; BDR §§ 233–235; für die Johannesoffenbarung B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 165f.; S„ˆŽƒ€, Apokalypse‑Text 2, 209–213. Die Vermischung der Kasus nach ἐπί findet sich allge‑ mein in der Koine (Papyri); ausführlich dazu M•~•yz, Gr. Pap. 2, 2 § 125. Zum Kasus‑ gebrauch nach κάϑημαι ἐπί in der Johannesoffenbarung und im NT B•‚yz / Ax••€, Wb. NT
Sp.
790. Dazu
Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ,
Hebr.
§ 158. Vgl.
BDR
§ 219,4
und
Anm. 4. Vgl. BDR § 219,4; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 525f.; zum Gebrauch von ἐν in der Jo‑ hannesoffenbarung A‚•y, Revelation (WBC) „xžžŸf. „xžžžƒ; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 167. Zum späten Griechisch und den Papyri M•~•yz, Gr. Pap. 2, 2 § 109,4. U•y‑ •yz, Septuaginta 106, ist eher zurückhaltend hinsichtlich eines semitischen Einflus‑ ses bei der Umschreibung des Instrumentalis durch ἐν + Dat., da sich diese vereinzelt bereits seit Homer finde. Zum instrumentalen ְ‫ בּ‬im Hebr. K‡ˆxyz / B•‚Ž‹•zŒ•yz, Wb. AT
1, 100,
im
Aram.
ebd.
2, 1677. Im Präsens stehen im Griechischen Aussagen, die als für alle Zeitstufen gültig erach‑ tet werden; vgl. dazu B|z•yŽ••• / Rƒ•„ˆ, Gr. § 213. Deshalb muss hier nicht in Art volkstümlicher Redeweise ein futurales Präsens (BDR § 323) angenommen werden. Zu einem möglichen futuralen Gebrauch des Präsens in den Papyri M•~•yz, Gr. Pap. 2, 1
§ 33,3. Die Partikel ὡς fehlt in ℵ 051 ˜; Hipp; sie steht A 1006. 1841 al laT sy samss bo; Irlat Or. Aus der Textüberlieferung lassen sich für keine der beiden Lesarten zwingende Gründe erheben. Deshalb wird meist inhaltlich argumentiert: Da in den beiden par‑ allelen Versen 1,14; 2,18 jeweils ὡς stehe, sei eine nachträgliche Einfügung als An‑ gleichung leichter zu erklären als eine Streichung; so A‚•y, Revelation (WBC) 1042. Jedoch ist zu fragen, warum der Vf. ὡς in einer so deutlichen wörtlichen Wiederho‑ lung weglassen sollte, zumal die Vergleichspartikel auch in der atl. Vorlage Dan 10,6 steht.
Vorsichtiger
S„ˆŽƒ€,
Apokalypse‑Text
2, 225f.

Analyse
der
EinzelabschniTe

129

(1,14; 2,5.16.24; 10,2; 21,8).70 Es handelt sich um einen Nominalsatz ohne Kopula (Ellipse), wobei ὡς φλὸξ πυρός das Prädikativum bildet.71 Die Verwendung von ὡς zum Vergleich zweier Substantive geht auf semiti‑ schen Einfluss zurück; griechisch korrekt wäre ὅμοιοι mit Dativ.72 Der Vers wiederholt wörtlich 1,14 (2,18) und zitiert Dan 10,6 (er folgt aber weder LXX noch Theod.; vgl. auch Dan 7,9). — b καὶ ἐπὶ τὴν κεφαλὴν αὐτοῦ διαδήματα πολλά: Der Satz ist unvollständig; es fehlt ein Verb des „Sich‑Befindens“. Eine solche abkürzende Redeweise (Brachylogie) ist typisch für den volkstümlichen Stil („Umgangssprache“).73 Zum Kasus‑ gebrauch nach ἐπί vgl. bei v. 11c. — c ἔχων ὄνομα γεγραμμένον ὃ οὐδεὶς οἶδεν εἰ μὴ αὐτός: Das Partizip ἔχων steht in ungriechischer Weise ohne Bezugswort im Satz und ist im Sinne eines finiten Verbs gebraucht („fi‑ nites Partizip“); diese Verwendung des Partizips findet sich (hauptsäch‑ lich) im Mischna‑Hebräischen und Aramäischen.74 Mit ἔχων ist in der Art der griechischen periphrastischen Konjugation das Part. Perf. Pass. γεγραμμένον verbunden (vgl. 12,6; 14,1; 19,16; 21,12).75 αὐτός ist hier nicht als Personalpronomen der 3. Person Sing. (Emphase) gebraucht, 70

71

72

73 74

75

Zu δέ in der Johannesoffenbarung vgl. A‚•y, Revelation (WBC) „ž„Ÿ; Cˆ•zxy•, Re‑ velation (ICC) 1, „žžžŸ; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 172; vgl. BDR § 447; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 342f. Auch noch in den Papyri ist δέ nach καί die weitaus häufig‑ ste
Partikel;
vgl.
M•~•yz,
Gr. Pap.
2, 3
§ 125,6. „In klassischer und späterer Zeit wurde der reine Nominalsatz als Ellipse empfun‑ den.“ Der reine Nominalsatz (ohne Kopula) wurde zu einem „poetischen Anarchis‑ mus“, zu einer „Ausdrucksform mit besonderem stilistischen Wert“ und zu einer „Kurzform der Amtssprache“ (S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 623). Vgl. M•~•yz, Gr. Pap. 2, 3 § 146. Zum häufigen Fehlen der Kopula in der Johannesoffenbarung B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK)
170;
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, „žžŸƒƒ;
Axx|,
L’Apocalypse
(EtB)
„xž. Dazu B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1790f. Zum Gebrauch des hebr. ְ‫ כּ‬Gy•y•ƒ‚• / K•‚‑ ŒŠ•„ˆ, Hebr. § 118 s–x; analog im Aram. Ist im klassischen Griechisch ὡς mit einem Substantiv verbunden, so liegt ein (verkürzter) Komparativsatz zugrunde. Diese Möglichkeit scheidet in 19,12a aus, da hier durch ὡς zwei Substantive hinsichtlich Qualität und Beschaffenheit verglichen werden, der Komparativsatz aber dem Ver‑ gleich
des
Prädikatsbegriffs
dient;
vgl.
Kwˆ•yz / GyzŒˆ,
Gr.
II/2
§§ 579f. Näheres
L••€}y•Œyz,
Stilistik
134–137;
vgl.
BDR
§§ 479f.;
M•~•yz,
Gr. Pap.
2, 3
§ 144. Näheres M‚••ƒy•, Morphology 324; Sy‹•x, MHebr. § 404; SŒyŸy••|•, PAram. § 21,12; Bz|„…yxŽ•••, Syntax § 44d. Das Partizip drückt das Präsens aus; in der 3. Person wird das pronominale Subjekt oW ausgelassen. In der Op findet sich dieser Ge‑ brauch des Partizips etwa in 1,16; 4,2; 10,8; 14,1.6; 21,14. Vgl. auch BDR § 468 (bes. Anm. 2); Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžƒŸ; Axx|, L’Apocalypse (EtB) „xžf. Diese Verwendung des Partizips lässt sich nicht dem bei Kwˆ•yz / GyzŒˆ, Gr. II/2 § 493, ge‑ nannten Gebrauch des Nom. des Partizips staT des obliquen Kasus seines Bezugs‑ wortes zurechnen. Ob sich das Partizip staT eines finiten Verbs auch in den Papyri findet, ist umstriTen. Vgl. Wƒx„|ž, Semitisms 1016; skeptisch M•~•yz, Gr. Pap. 2, 1 § 51,3;
gegen
M|‚xŒ|•,
Einleitung
284–288
und
352–356. Zur Umschreibung des Perf. Akt. durch ἔχω mit Partizip vgl. S„ˆ–~Šyz, Gr. 1, 812f.; Kwˆ•yz / GyzŒˆ,
Gr.
II/2
§ 482,11.

130

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

sondern ist auf das Subjekt bezogen und bedeutet „selbst“ (vgl. v. 15c).76 Eine 19,12c ähnliche Formulierung findet sich in Bezug auf die Adres‑ saten
in
2,17. 19,13: a καὶ περιβεβλημένος ἱμάτιον βεβαμμένον77 αἵματι: περιβεβλημένος ist wieder „finites Partizip“ (vgl. bei v. 12c). Die Konstruktion von βάπτω mit Dativ ist zwar im biblischen Griechisch belegt (2 Kön 8,15 LXX vl); gewöhnlich wäre die Konstruktion τὶ εἴς τι bzw. ἔν τινι.78 — b καὶ κέκληται τὸ ὄνομα αὐτοῦ ὁ λόγος τοῦ ϑεοῦ: Die Formel καλεῖν τὸ ὄνομά τινος steht in der LXX zur Wiedergabe des hebr. ‫( קרא שֵׁם‬vgl. 1 Sam
1,20;
Hos
1,4.6
u. ö.).79 19,14: a καὶ τὰ στρατεύματα [τὰ]80 ἐν τῷ οὐρανῷ ἠκολούϑει αὐτῷ ἐφ’ ἵπποις λευκοῖς81: Nach dem Subjekt im Neutrum Plural steht klassisch

76 77

78

79

80

81

Gegen
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1042. Die Lesart βεβαμμένον ist bezeugt von A 051 ˜; ῥεραντισμένον in P (1006. 1841) 2329 al; Hipp; περιρεραμμένον in ℵ(2); ἐρραμμένον in (1611). 2053. 2062; weitere Varianten bei A‚•y, Revelation (WBC) 1043. Die Änderung von βεβαμμένον zu Formen von ῥαίνειν und ῥαντίζειν könnte durch Jes 63,1–3 motiviert sein, wo bei Aquila und Symmachus (nicht in LXX) ῥαντίζειν steht. By•xy, Revelation (NIGTC) 960, und A‚•y, a. a. O., weisen darauf hin, dass eine Änderung zu βεβαμμένον aus den an‑ deren Varianten nicht erklärbar wäre. Das Argument, der hebr. Text von Jes 63,3 (und bestimmte griech. Übersetzungen) könnten eine Änderung in Richtung ῥεραντισμένον, ἐρραμμένον o. ä. begünstigt haben, ist nicht zwingend. Es kann auch gegen βεβαμμένον angeführt werden, zumal wenn Tz‚€ƒ•‹yz, Observations 84; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, xžŸƒ, damit Recht haben, dass der Vf. der Johannesoffenbarung seinen atl. Zitaten den hebr. Text zugrunde legt. In einem Majuskeltext sind die Un‑ terschiede zwischen ΒΕΒΑΜΜΕΝΟΝ, ΕΡΡΑΜΜΕΝΟΝ und ΡΕΡΑΜΜΕΝΟΝ (fam. 16111611) im SchriWbild nicht allzu groß, so dass Verwechslungen durch den Abschreiber leicht möglich sind. Allerdings ist zu bedenken, dass ῥαίνω und ῥαντίζω – anders als βάπτω
–
mit
instrumentalem
Dat.
konstruiert
werden. Belege für die Konstruktion mit Dativ im biblischen Griechisch bei B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 266; keine Belege bei Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 307. Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžžƒž,
spricht
von
einem
Dat.
instrumentalis. Vgl. B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 819; Doch findet sich dabei nie das Perf.; vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1043. Vielleicht erklärt sich so die vl καλεῖται (051. 2344 ˜A; Irlat). Zur
hebr.
Formel
vgl.
K‡ˆxyz /
B•‚Ž‹•zŒ•yz,
Wb. AT
2, 1054. Wird das präpositionale ATribut dem Bezugswort nachgestellt, wird zur Verdeutli‑ chung der Artikel wiederholt; vgl. BDR § 272; B|z•yŽ••• / Rƒ•„ˆ, Gr. § 259,3. In der Johannesoffenbarung ist das präpositionale ATribut stets mit wiederholtem Artikel nachgestellt (1,4; 2,24; 5,5; 11,16.19; 14,17; 16,3.12; 19,21; 20,8.13; in 2,9 kein präposi‑ tionales ATribut); vgl. Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žž; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 174. Deshalb plädiert man trotz der unsicheren Bezeugung meist für die Ursprüng‑ lichkeit des τά (fehlt in ℵ A 046. 1611. 2053. 2062. 2329. 2344 ˜A gig; bezeugt P 051. 1006.
1841.
1854.
2030
˜K
lat
sa;
Cyp).
Vgl.
auch
S„ˆŽƒ€,
Apokalypse‑Text
196f. Zu ἐφ’ ἵπποις λευκοῖς finden sich die Varianten ἐπὶ ἵπποις πολλοῖς (pc) und ἔφιπποι πολλοί (051* [2344] ˜A). Die letzte Variante könnte durch das folgende Part. ἐνδεδυμένοι bedingt sein, dessen Bezugswort ein Abschreiber vermisste; λευκοῖς häTe er dabei wegen der Doppelung in πολλοῖς geändert. Ein weiterer Abschreiber könnte

Analyse
der
EinzelabschniTe

131

griechisch das Prädikat im Singular (so auch 8,3; 13,14; 14,13; 20,3.4.7; 21,12); insgesamt schwankt die Johannesoffenbarung regellos zwischen Singular und Plural, bei einem deutlichen Übergewicht des Plurals.82 Mit dem Imperfekt ἠκολούϑει nimmt der Vf. das ab 19,11d aufgegebene Präteritum wieder auf.83 Zum schwankenden Kasusgebrauch der Jo‑ hannesoffenbarung nach ἐπί vgl. bei 19,11c. — b ἐνδεδυμένοι84 βύσσινον λευκὸν καϑαρόν: Die Vernachlässigung der Kongruenz beim Partizip lässt sich als constructio ad sensum erklären, d. h. der Vf. sieht die „Hee‑ re“ als ein Kollektiv von Einzelpersonen.85 Das Partizip ist hier dem‑ nach
kein
„finites
Partizip“. 19,15: a καὶ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ ἐκπορεύεται ῥομφαία ὀξεῖα86: Das in der LXX häufige ῥομφαία ist im außerbiblischen Griechisch selten ge‑ braucht.87 Wie schon in 19,11d wechselt der Vf. erneut ohne erkennba‑ ren Grund vom Präteritum zum Präsens. — b ἵνα ἐν αὐτῇ πατάξῃ τὰ ἔϑνη: Nach ἵνα steht hier korrekt der Konjunktiv, daneben verwendet der Vf. nach ἵνα auch Ind. Präs./Fut.88 Die nicht klassische Konstruktion

82

83

84 85

86

87 88

ἔφιπποι πολλοί beim Vergleich mit einer nicht verderbten Hs. in ἐπὶ ἵπποις πολλοῖς ge‑ ändert
haben. Vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 164f.; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žxƒ. Das starke Schwanken zwischen Singular und Plural nach Subjekt im Neutrum Pl. – unabhän‑ gig, ob es sich dabei um einen Sachbegriff oder um Personen bzw. Lebewesen han‑ delt
–
teilen
das
NT
und
die
LXX
mit
den
Papyri.
Vgl.
M•~•yz,
Gr. Pap.
2, 3
§ 28. Dass in 19,11a der Aor. und in 19,14a das Imperf. steht, spricht nicht dagegen. Auch klassisch griechisch findet das Imperf. neben dem Aor. (narrativer Aor.) als Erzähl‑ tempus Verwendung, besonders bei Verben der Bewegung; vgl. B|z•yŽ••• / Rƒ•„ˆ, Gr. §§ 211a; 214,2. Zum Imperf. in der Op A‚•y, Revelation (WBC) „xžžžŸf. Das Imperf. von ἀκολουϑέω (6,8) mag dem Vf. auch einfach nur vertrauter gewesen sein als der Aorist, der sich bei ihm nicht findet. Insgesamt ist der Gebrauch des Imperf. in
der
Johannesoffenbarung
nicht
sehr
häufig;
vgl.
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
169. Die vl ἐνδεδυμένοις (ℵ* pc Or) ist ein Hör‑/Lesefehler, der sich dem vorausgehenden ἵπποις λευκοῖς
verdankt. Zur constructio ad sensum BDR § 134; B|z•yŽ••• / Rƒ•„ˆ, Gr. § 257,5; in der Johannes‑ offenbarung B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 160f.; M‚••ƒy•, Morphology 138, A‚•y, Re‑ velation (WBC) „„ƒŸ–„„Ÿƒ; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žxƒƒ; in den Papyri M•~•yz, Gr. Pap. 2, 3 § 149. Die constructio ad sensum kennen auch die semitischen Sprachen; vgl.
z. B.
Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ,
Hebr.
§ 145. Das in einem Teil der Überlieferung bezeugten δίστομος vor ὀξεῖα (1006. 1841. 1854. 2030. 2329 ˜K vgcl syph** Ambr Prim) könnte eine nachträgliche Ergänzung im Blick auf
den
parallelen
Vers
1,16
sein. Vgl.
W. Mƒ„ˆ•yxƒ•,
ῥομφαία.
ThWNT 6
(1959)
993–998,
hier
993–995. Vgl. BDR § 369; zum Modus des Finalsatzes vgl. B|z•yŽ••• / Rƒ•„ˆ, Gr. § 276; Kwˆ‑ •yz / GyzŒˆ, Gr. II/2 § 553,2. Da auch die ägyptischen Papyri ein eindeutiges Überge‑ wicht des Konj. im Finalsatz belegen, lässt die Wahl des Konj. keine Schlüsse auf die sprachlichen Fähigkeiten des Vf.s zu; dazu M•~•yz, Gr. Pap. 2, 1 § 45 (bes. VII.3). Die Op gebraucht nach ἵνα (μή) außer dem Konj. auch Präs. Ind. und Ind. Fut. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 171f., meint das konkrete Verb des übergeordneten Satzes be‑

132

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

von πατάσσω mit instrumentalem ἐν staT mit bloßem instrumentalem Dativ findet sich bereits in der LXX (Jer 18,18).89 Zum instrumentalen ἐν vgl. 19,11d. 19,15a.b hat Berührungen mit Jes 11,4 (LXX). — c καὶ αὐτὸς ποιμανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ: Der Nominativ des Pronomens αὐτός muss hier nicht wie sonst im biblischen Griechisch als Emphase ver‑ standen werden, sondern kann wie klassisch griechisch auf die Person des Subjekts bezogen „selbst“ bedeuten.90 Allerdings könnte bei καὶ αὐτός auch eine wörtliche Wiedergabe des verstärkten Personalpro‑ nomens im Mischna‑Hebräischen vorliegen (‫)אַף הוּ‬.91 Der durch die ad‑ verbiale Bestimmung ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ angezeigte negative Sinn des Verbs ποιμαίνω ist auf die LXX zurückzuführen; dennoch ist keine se‑ kundäre „hebräische“ Bedeutung des Verbs anzunehmen.92 Zum in‑ strumentalen ἐν vgl. 19,11d. Das auffällige Futur ποιμανεῖ angesichts des Präsens im vorausgehenden und folgenden Satz (19,15a.d) mag durch das wörtliche Zitat von Ps 2,9 LXX (Wechsel von der 2. Sg. in die 3. Sg.) bedingt sein (vgl. auch PsSal 17,26f.39). Der Rückbezug auf τὰ ἔϑνη mit αὐτούς unter Vernachlässigung der Kongruenz ist als construc‑ tio ad sensum zu erklären (auch dies schon in Ps 2,8f.). Ps 2,9 wurde bereits in 2,7 (als Verheißung an die Adressaten) und 12,5 (in Bezug auf den Sohn der „Frau“) zitiert. — d καὶ αὐτὸς πατεῖ τὴν ληνὸν τοῦ οἴνου τοῦ ϑυμοῦ τῆς ὀργῆς τοῦ ϑεοῦ τοῦ παντοκράτορος: Zu (καὶ) αὐτός vgl. bei v. 15c. Diese Reihung von Genitiven ist die längste in der Johannes‑ offenbarung; sie verdankt sich der Kombination des Bildes der Zornes‑ kelter (14,19 τὴν ληνὸν τοῦ ϑυμοῦ τοῦ ϑεοῦ) mit dem Bild des Zornwei‑

89

90 91 92

stimme Zeit und Modus im ἵνα-Satz. Doch zeigen die Auflistungen bei Cˆ•zxy•, Re‑ velation (ICC) 1, „žžžŸf., und A‚•y, Revelation (WBC) „ž„Ÿƒ–„ž„Ÿƒƒƒ, ein so deutli‑ ches Übergewicht des Konj. Aor. – unabhängig vom übergeordneten Satz –, dass die Schwankungen eher für die Fremdheit des Vf. gegenüber dem griech. Modus‑ und Tempussystem als für bewusste Wahl sprechen – zumal damit offenbar keine inhalt‑ liche Differenzierung verbunden ist. Alle diese Versuche sind darüber hinaus durch Schwankungen
der
Textüberlieferung
belastet. Vgl. Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 1347; L‚•Œ / E~•ƒ…yx / H•‚•›ƒy, Lex. LXX 475; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1280. Andere Konstruktionen von πατάσσω: mit Akkusativ der Sache, die in
Bewegung
gesetzt
wird,
oder
der
Person,
der
ein
Schlag
versetzt
wird. Vgl. S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 211f.; gegen Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžƒƒ; M‚••ƒy•, Mor‑ phology
169f.;
vgl.
auch
BDR
§ 277,3. Näheres Sy‹•x, MHebr. § 404. Unterstreichend ‫ אַף אֲנ ִי‬aber auch schon in Ps 89,28; vgl.
K‡ˆxyz /
B•‚Ž‹•zŒ•yz,
Wb. AT
1, 74. ποιμαίνω in Ps 2,9 ist wohl auf die Verwechslung von ‫„ רעע‬Böses tun“ mit dem laut‑ gleichen ‫„ רעה‬weiden“ zurückzuführen; vgl. dazu Bx•„…, Greek Words 136f.; Rƒ••ƒ, ZukunW 24 Anm. 50; dagegen Tˆ|Ž›•|•, Syntax 16. Die LXX verwendet ποιμαίνω al‑ lerdings auch an anderen Stellen in diesem negativen Sinn (vgl. Jer 22,22). Zu ποιμαίνω
L‚•Œ / E~•ƒ…yx / H•‚•›ƒy,
Lex. LXX
503;
B•‚yz / Ax••€,
Wb. NT
Sp. 1371.

Analyse
der
EinzelabschniTe

133

nes bzw. ‑bechers (14,10 τοῦ οἴνου τοῦ ϑυμοῦ τοῦ ϑεοῦ τοῦ κεκερασμένου ἀκράτου ἐν τῷ ποτηρίῳ τῆς ὀργῆς αὐτοῦ; 16,19 τὸ ποτήριον τοῦ οἴνου τοῦ ϑυμοῦ τῆς ὀργῆς αὐτοῦ). Der Vers mag sich an Jes 63,1–3 anlehnen (so evtl.
schon
19,13a)
und
erinnert
an
14,19f.;
vgl.
auch
Klgl
1,15. 19,16: a καὶ ἔχει ἐπὶ τὸ ἱμάτιον καὶ ἐπὶ τὸν μηρὸν αὐτοῦ ὄνομα γεγραμμένον: Zur Umschreibung des Perf. Akt. durch ἔχω mit Partizip (peri‑ phrastische Konjugation) vgl. bei 19,12c; zum schwankenden Kasusge‑ brauch nach ἐπί bei 19,11c. Das καί in ἐπὶ τὸ ἱμάτιον καὶ ἐπὶ τὸν μηρὸν αὐτοῦ könnte epexegetisch (explikativ) gebraucht sein.93 — b βασιλεὺς βασιλέων καὶ κύριος κυρίων: Dieser Titel wiederholt 17,14.94 Bei Titeln, die Eigennamen nahe kommen, fehlt im Griechischen der Artikel.95 Als Apposition zum Akkusativ ὄνομα müsste βασιλεὺς κτλ. eigentlich im Akkusativ stehen; doch ist auch klassisch griechisch der Nominativ be‑ legt.96 Die Verbindung eines Nomens mit dem Genitiv Plural desselben Nomens dient in den semitischen Sprachen zur Umschreibung des Superlativs.97 Ähnliche Formeln finden sich auch in der LXX als wörtli‑ che Übertragung des hebräischen Originals (vgl. Dtn 10,17 ϑεὸς τῶν ϑεῶν καὶ κύριος κυρίων);
vgl.
auch
2 Makk
13,4;
1 Hen
9,4. 19,17: a καὶ εἶδον ἕνα ἄγγελον ἑστῶτα ἐν τῷ ἡλίῳ: Zum AcP nach den Verben der sinnlichen Wahrnehmung und der entsprechenden aramäi‑ schen Konstruktion vgl. bei 19,11a. Der Gebrauch von εἷς als unbe‑ stimmter Artikel, nicht als Zahlwort findet sich erst im späten Grie‑ chisch, gelegentlich in den Papyri.98 Doch verwendet das palästinische

93

94

95 96 97

98

So A‚•y, Revelation (WBC) 1044; vgl. BDR § 442,6a; Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 857; M•~‑ •yz, Gr. Pap. 2, 3 § 164,12 (I.1.a). Zur Frage, wo der Name stehen könnte, ausführlich A‚•y,
a. a. O.
1062f. Der Titel βασιλεὺς βασιλέων καὶ κύριος κυρίων in 17,14 und 19,16 könnte ein direktes Zitat aus Dan 4,37 (LXX; ohne Entsprechung im MT) sein. Vgl. dazu G. K. By•xy, The Origin ot the Title “King of Kings and Lord of Lords” in Revelation 17.14, in: NTS 31 (1985) 618–620; Tˆ. B. Sx•Œyz, ‘King of Kings and Lord of Lords’ Revisited, in: NTS 39 (1993)
159f. Vgl.
M‚••ƒy•,
Morphology
190f. 195f.;
BDR
§ 254,
B|z•yŽ••• / Rƒ•„ˆ,
Gr.
§ 149,2. Zum Nominativ bei Verben und Ausdrücken der Namensnennung/‑gebung im Grie‑ chischen
vgl.
Kwˆ•yz /
GyzŒˆ,
Gr.
II/1 § 45,2;
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, „žžžŸƒƒƒ. Vgl. Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, Hebr. § 133 i. Zum semitischen Hintergrund vgl. M|‚x‑ Œ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 153. Bei Kwˆ•yz / GyzŒˆ, Gr. II/1 § 414,5b, Belege für analoge Steigerungen der Adjektive (!) im Griechischen. Dabei handelt es sich um eine Son‑ derform des Polyptoton; vgl. L••€}y•Œyz, Stilistik 104. Nach M‚••ƒy•, Morphology 96f., reflektiert die Formel orientalische GoTestitulaturen und den vom Perserkönig Dareios I. gebrauchten Titel βασιλεὺς βασιλέων. Vgl. dazu auch M|‚xŒ|• / H|–•z€, Gr. NT
2, 443. Vgl.
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 27;
M•~•yz,
Gr. Pap.
2, 2
§ 69
Anm. 1.

134

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Aramäisch das Zahlwort ‫„( הַד‬eins“) als unbestimmten Artikel.99 — b καὶ ἔκραξεν [ἐν]100 φωνῇ μεγάλῃ λέγων πᾶσιν τοῖς ὀρνέοις τοῖς πετομένοις ἐν μεσουρανήματι: Zum instrumentalen ἐν vgl. bei 19, 11d. 19,17b–18 ist zwar deutlich im Anschluss an Ez 39,4.17–20 formuliert, stimmt aber nur teilweise mit dem hebräischen Text und der LXX überein (vgl. die traditions‑ und quellenkritischen Anmerkungen zu 19,17f.).101 — c δεῦτε συνάχϑητε εἰς τὸ δεῖπνον τὸ μέγα τοῦ ϑεοῦ: δεῦτε mit folgendem Impera‑ tiv Plural ist griechisch, doch finden sich ähnliche Verbindungen auch in
den
semitischen
Sprachen.102 19,18: a ἵνα φάγητε σάρκας βασιλέων καὶ σάρκας χιλιάρχων καὶ σάρκας ἰσχυρῶν: συνάγω (v. 17c) ist griechisch korrekt mit Finalsatz konstruiert (in 19,19b mit finalem Infinitiv). Zum Gebrauch des Konjunktivs im Fi‑ nalsatz in der Johannesoffenbarung vgl. 19,15b. Auffällig ist der Plural σάρκας staT des eigentlich zu erwartenden Singulars; eventuell möchte der Vf. dadurch die Vielzahl innerhalb der Gruppen betonen.103 — b καὶ σάρκας ἵππων καὶ τῶν καϑημένων ἐπ’ αὐτῶν: Zu καϑήμενος ἐπί vgl. 19,11c und 20,11a, zum schwankenden Kasusgebrauch nach ἐπί 19,11c. — c καὶ σάρκας πάντων ἐλευϑέρων τε καὶ δούλων καὶ μικρῶν καὶ μεγάλων: Auffäl‑ lig ist der Gebrauch von -τε, das in der späteren (gesprochenen) Koine vor καί zunehmend verschwindet.104 Zu πάντων κτλ. siehe 13,16, zu μικροί und μεγάλοι auch 11,18; 19,5; 20,12. Eine 19,18a.c vergleichbare Liste
findet
sich
in
6,15. 19,19: a καὶ εἶδον τὸ ϑηρίον καὶ τοὺς βασιλεῖς τῆς γῆς b καὶ τὰ στρατεύματα αὐτῶν συνηγμένα ποιῆσαι τὸν πόλεμον μετὰ τοῦ καϑημένου ἐπὶ τοῦ ἵππου

99

100

101

102 103 104

Vgl. SŒyŸy••|•, PAram. § 8,2; D•xŽ••, PAram. § 20,1. Dazu auch A‚•y, Revelation (WBC) „xžŸƒƒƒ; M|‚xŒ|• / H|–•z€, Gr. NT 2, 432f.; M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 157; M‚••ƒy•,
Morphology
183. Da sich in der Johannesoffenbarung sowohl ἐν φωνῇ μεγάλῃ (5,2; 14,7.9.15; 16,17) als auch nur φωνῇ μεγάλῃ (5,12; 6,10; 7,2.10; 8,13; 10,3; 14,8) findet, ist nicht zu entschei‑ den, ob das nicht eindeutig bezeugte ἐν (ℵ 1854. 2030 ˜K) hier wie auch in 18,2 ursprünglich ist. Das Argument bei A‚•y, Revelation (WBC) 1044, ἐν in 18,2; 19,17 sei eine Einfügung, da nach κράζω sonst bloßer Dat. instrumentalis steht, ist nicht zwingend. Denn ebenso könnte ein späterer Abschreiber im Blick auf den vorherr‑ schenden Sprachgebrauch der Johannesoffenbarung ἐν in 18,2 und 19,17 gestrichen haben.
Vgl.
auch
S„ˆŽƒ€,
Apokalypse‑Text
2, 215f. Nach Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 138, handle es sich um eine unabhängige Wieder‑ gabe des hebr. Textes; aufgrund der (im Unterschied zur LXX) erheblichen Abwei‑ chungen von Op 19,17f. gegenüber dem hebr. Text müsste man allerdings eine sehr freie
Wiedergabe
annehmen. Vgl.
Tˆ|Ž›•|•,
Syntax
60;
zur
Konstruktion
von
δεῦτε
Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ,
Lex.
381. Vgl.
M‚••ƒy•,
Morphology
84. Dazu
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 573f.

Analyse
der
EinzelabschniTe

135

καὶ μετὰ τοῦ στρατεύματος αὐτοῦ: εἶδον ist hier mit zwei Akkusativ‑Ob‑ jekten und einem AcP konstruiert; zum AcP nach Verben der sinnlichen Wahrnehmung und der entsprechenden aramäischen Konstruktion vgl. bei 19,11a. Von συνάγω ist ein finaler Infinitiv staT des klassischen Finalsatzes abhängig (vgl. 19,18a). Die Präposition μετά gibt bei πολεμέω bzw. πόλεμον ποιέω eigentlich nicht den Gegner, sondern den Kampfgenossen an; der Gegner wird mit τινί, πρός τινα oder ἐπί τινα angegeben.105 Die Johannesoffenbarung verwendet durchgängig μετά τινος zur Angabe des Gegners (2,16; 12,7; 13,4; 17,14; bzw. 11,7; 12,17; 13,7; 19,19); dies findet sich auch in der LXX (Gen 14,2; 1 Chr 5,19; bei πολεμέω:
Ri
5,20;
8,1;
11,4f.;
1 Sam
17,32f.
u. ö.).106 19,20: a καὶ ἐπιάσϑη τὸ ϑηρίον καὶ μετ’ αὐτοῦ ὁ ψευδοπροφήτης: Das im NT öWer gebrauchte πιάζω ist volkstümlich für πιέζω.107 — b ὁ ποιήσας τὰ σημεῖα ἐνώπιον αὐτοῦ: Die uneigentliche Präposition ἐνώπιον fin‑ det sich zahlreich in der LXX, der jüdisch‑griechischen Literatur und im NT; sie dient der Wiedergabe der hebräischen präpositionalen Um‑ schreibung ‫( לִפְנ ֵי‬bzw. ‫מפְּנ ֵי‬, ‫ עַל־פְּנ ֵי‬o. ä.).108 Der Vers fasst 13,13–14 zu‑ sammen. — c ἐν οἷς ἐπλάνησεν τοὺς λαβόντας τὸ χάραγμα τοῦ ϑηρίου καὶ τοὺς προσκυνοῦντας τῇ εἰκόνι αὐτοῦ: Zum instrumentalen ἐν vgl. 19,11d. Das Nebeneinander des Part. Aor. λαβόντας und des Part. Präs. προσκυνοῦντας deutet auf eine bewusste Unterscheidung des punktuell‑abge‑ schlossenen und durativen Aspekts. Nach προσκυνέω steht in der Jo‑ hannesoffenbarung sowohl Dativ als auch Akkusativ.109 Ähnliche for‑ 105 Vgl.
Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ,
Lex.
1432;
dazu
auch
M|‚xŒ|• / H|–•z€,
Gr. NT
2, 466f. 106 Vgl. L‚•Œ / E~•ƒ…yx / H•‚•›ƒy, Lex. LXX 503f. Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžžƒƒƒ, sieht
darin
einen
Hebraismus. 107 Vgl. B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1322f.; in der LXX findet sich zweimal πιάζω (Hld 2,15;
Sir
23,21),
einmal
πιέζω
(Mi
6,15);
vgl.
L‚•Œ / E~•ƒ…yx / H•‚•›ƒy,
Lex. LXX
492. 108 Das Präpositionsadverb ἐνώπιον findet sich erst seit hellenistischer Zeit und ist bei aTizistischen SchriWstellern völlig unbekannt. Am häufigsten findet es sich in der LXX und im NT, weshalb ein semitischer Ursprung nicht auszuschließen ist. Ob aber das Vorkommen von ἐνώπιον in den ägyptischen Papyri als Semitismus zu werten ist, bleibt fraglich. Näheres M•~•yz, Gr. Pap. 2, 2 § 134,7. Vgl. auch BDR § 214,5 (Anm. 7); B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 546f.; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžžƒ. Zu ‫ לִפְנ ֵי‬vgl. Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, Hebr. §§ 119c; 130a; Sy‹•x, MHebr. § 301; K‡ˆxyz / B•‚Ž‹•zŒ‑ •yz, Wb. AT 2, 888f. Fraglich ist, ob sich die von A‚•y, Revelation (WBC) 1045, ange‑ gebene Bedeutung von ἐνώπιον αὐτοῦ als „im AuQrag von“ aus dem Hebräischen her‑ leiten lässt; vgl. dazu H. Kz§Žyz, ἐνώπιον. EWNT 1 (21992) Sp. 1130f.; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT
Sp. 547. 109 Nach B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 163, stehen in der Johannesoffenbarung ϑέος und δράκων nach προσκυνέω immer im Dativ, ϑηρίον dagegen im Akkusativ. Vgl. auch Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žxƒ; Axx|, Apocalypse (EtB) „xŸ. Ein Blick in den Text jedoch zeigt, dass ein solches Schema nicht durchgehalten wird: In 19,20 steht das Bild des Tieres im Dativ (vl Akk.), in 20,4 dagegen stehen das Tier und sein Bild im

136

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

melhaWe Zusammenfassung von 13,12–17 finden sich 14,9.11; 15,2; 16,2; 20,4e. — d ζῶντες ἐβλήϑησαν οἱ δύο εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρὸς τῆς καιομένης ἐν ϑείῳ: Das aTributive Partizip καιομένης gehört dem Genus nach zu τὴν λίμνην, dem Kasus nach zu τοῦ πυρός. Diese Inkongruenz ist von der griechischen Syntax her nicht erklärbar. Semitischer Einfluss wäre denkbar, da in den semitischen Sprachen Stopezeichnungen, wie auch Feuer, immer „weiblich“ sind.110 Warum aber steht dann bei πυρός kein femininer Artikel? Vgl. die ähnlichen Sätze in 20,10a.14a.15b. Auch der
syntaktische
Anschluss
von
ἐν ϑείῳ bleibt
unklar. 19,21: a καὶ οἱ λοιποὶ ἀπεκτάνϑησαν ἐν τῇ ῥομφαίᾳ τοῦ καϑημένου ἐπὶ τοῦ ἵππου τῇ ἐξελϑούσῃ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ: Zum instrumentalen ἐν vgl. bei 19,11d; zu καϑήμενος ἐπί 19,11c; 20,11a; zum schwankenden Ka‑ susgebrauch nach ἐπί 19,11c. — b καὶ πάντα τὰ ὄρνεα ἐχορτάσϑησαν ἐκ τῶν σαρκῶν αὐτῶν: Beim Subjekt im Neutrum Plural steht seit hellenis‑ tischer Zeit häufig auch das Prädikat im Plural, zumal wenn es sich um Lebewesen handelt.111 In 19,14a stand dagegen das Prädikat nach klas‑ sischer Regel im Singular. Derartiges Schwanken findet sich auch in der LXX und in den Papyri. Der Ersatz des partitiven Genitivs (hier abhän‑ gig von χορτάζω) durch die Präposition ἐκ und das außerhalb des NT weit häufigere ἀπό ist typisch für das nachklassische Griechisch.112 Dies entspricht auch semitischem Sprachgefühl, da hebräisch und aramäisch der Partitivus durch die ἐκ entsprechende Präposition ‫ מִן‬ausgedrückt wird.113
Zum
Plural
τῶν σαρκῶν
vgl.
19,18a.

110

111 112 113

Akkusativ; nach προσκυνέω steht auch in 13,4 τῷ ϑηρίῳ (vl τὸ ϑηρίον), in 13,15; 16,2 τῇ εἰκόνι (vl τὴν εἰκόνα) wie in 19,20; vl αὐτῷ [i. e. das erste Tier] in 13,8 (vgl. 14,9). Andererseits findet sich vl [αὐτὸν] τὸν ποιήσαντα κτλ. [i. e. GoT] in 14,7. Das Schwan‑ ken der Textüberlieferung zeigt, dass bereits sehr früh Abschreiber versucht haben, ein Schema im Text zu erkennen und deshalb korrigiert haben. Aus diesem Grund kann ein solches Schema nicht als Kriterium der Textkritik verwendet werden. Zu Recht deshalb kritisch S„ˆŽƒ€, Apokalypse‑Text 2, 200–203. Im klassisch Griechisch steht nach προσκυνέω der Akkusativ; doch steht in der Koine und entsprechend auch im biblischen Griechisch zunehmend der Dativ. Vgl. Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 1518f.; L‚•Œ / E~•ƒ…yx / H•‚•›ƒy,
Lex. LXX
526;
B•‚yz / Ax••€,
Wb. NT
Sp. 1434–1436. So Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „xƒŸ. BDR § 423 Anm. 10; A‚•y, Revelation (WBC) 1045, halten es für möglich, dass τῆς hier für αὐτῆς steht; τῆς καιομένης ἐν ϑείῳ wäre dann ein Genitivus absolutus. Dies wäre allerdings der einzige in der gesamten Johan‑ nesoffenbarung
(vgl.
M‚••ƒy•,
Greek
in
Revelation
167). Vgl.
BDR
§ 133;
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 607f. Vgl.
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 116f.;
BDR
§ 169;
M•~•yz,
Gr. Pap.
2, 2
§ 108 g
(2.). Im Hebräischen und Aramäischen wird der Partitivus durch die ἐκ entsprechende Präposition ‫ מִן‬ausgedrückt; vgl. dazu Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, Hebr. § 119 v–z; K‡ˆxyz / B•‚Ž‹•zŒ•yz,
Wb. AT
1, 566;
Sy‹•x,
MHbr.
§ 362
(iii).

Analyse
der
EinzelabschniTe

137

Auswertung: Der AbschniT 19,11–21 besteht fast ausschließlich aus ein‑ fachen Hauptsätzen, die mehrheitlich durch καί verbunden werden.114 An hypotaktischen Verbindungen finden sich lediglich zwei Relativsät‑ ze (19,12cβ.20c) und zwei mit ἵνα eingeleitete Finalsätze. Das Vorherr‑ schen der Parataxe mag durch semitischen Einfluss bedingt sein, ist aber auch ein typisches Merkmal volkstümlicher und umgangssprach‑ licher Rede.115 Die Semitismen in 19,11–21 verdanken sich meist direk‑ ten Zitaten (19,11d.12a[.16b]), Paraphrasen (19,15a.b.16b.17f.[13a.15d]) und typischen Wendungen (19,11b.13b.19b) aus der SchriW. Die Johan‑ nesoffenbarung steht hier – abgesehen von 19,17f. – deutlich dem Text der LXX nahe, so dass nichts für die Annahme spricht, der Vf. überset‑ ze hier unmiTelbar aus dem hebräischen (bzw. aramäischen) Text des Alten Testaments.116 Mehr oder weniger freie Zitate und die Über‑ nahme biblischer Wendungen aus der LXX rechtfertigen für sich allein noch
nicht
die
Annahme
eines
gesuchten
biblischen
Stils. Was sich außerhalb der Zitate und Paraphrasen aus der SchriW in 19,11–21 an Semitismen findet, kann kaum als gezielter Versuch gewer‑ tet werden, das Griechische der biblisch‑hebräischen Syntax zu unter‑ werfen; die ohne Zweifel vorhandenen Semitismen deuten eher auf muTersprachlichen Einfluss bei einem primär bilingualen Semiten. Dies zeigt vor allem die ungriechische Verwendung von Partizipien in der Funktion eines finiten Verbs (19,[11c.]12c.13a), die im Aramäischen oder Mischna‑Hebräischen üblich ist. Eindeutige Hinweise darauf, wel‑ che der beiden Sprachen die MuTersprache des Vf.s ist, lassen sich die‑

114 A‚•y, Revelation (WBC) „ž„ƒ: „A larger percentage of clauses and sentences in Reve‑ lation are introduced with καί than is the case with any other early Christian compo‑ sition.“ Dennoch hat Aune Recht, dass daraus nicht geschlossen werden kann, dass es sich bei der Johannesoffenbarung um eine Übersetzung aus dem Hebräischen oder
Aramäischen
handle. 115 Zur Parataxe als Charakteristikum volkstümlichen Erzählens S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 631– 634; M•~•yz, Gr. Pap. 2, 3 § 167. Vgl. auch Axx|, L’Apocalypse (EtB) „xƒž; M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 154. Das Polysyndeton ist auch typisch für den Erzählstil der histo‑ rischen Prosa; vgl. dazu L••€}y•Œyz, Stilistik 127f. Der kunstvolle und komplexe Pe‑ riodenbau
dagegen
ist
das
Ideal
der
griechischen
Kuntprosa;
vgl.
ebd.
124–126. 116 Der Vergleich der atl. Zitate in 19,11–21 mit der LXX und dem MT bestätigt dem‑ nach nicht die These von Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, xžŸƒf., dass der Vf. direkt aus dem hebr. Text des AT übersetzt und keine griechischen Übersetzungen zitiert (eine Auflistung der Zitate aus dem hebr. AT in 19,11–21 ebd. xžžŸ). Für das Zitat von Jes 11,4 in 19,15 hält er immerhin einen Einfluss der LXX für möglich; vgl. ebd. xžžƒž. Direkten Gebrauch der LXX vermutet dagegen S–yŒy, Revelation „xŸ. Keine Bestäti‑ gung findet auch die Hypothese von Tz‚€ƒ•‹yz, Observations 88, dass der Vf. eine vom MT abweichende hebräische TexTradition des AT (die sich in den palästin. Tar‑ gumim
spiegelt)
kannte.

138

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

sem AbschniT jedoch nicht entnehmen. Ein Einfluss des Mischna‑He‑ bräischen zeigt sich eventuell bei καὶ αὐτός in 19,15c.d; allerdings liegt hier kein Verstoß gegen die griechische Syntax vor. Semitisch ist die Verwendung von εἷς als Indefinitpronomen und der instrumentale Ge‑ brauch von ἐν, der sich aber auch außerhalb des biblischen Griechisch findet. Als sekundärer Semitismus (Aramaismus) kann der Akkusativ mit Partizip (AcP) nach καί εἶδον (19,11a.17a.19[a.]b) gelten, dessen ge‑ häuWes Vorkommen in der Johannesoffenbarung sich einer äquivalen‑ ten aramäischen Konstruktion verdankt. Semitisch bedingt mag auch die durchgängige Nachstellung von adjektivischen, partizipialen, prä‑ positionalen
und
GenitivaTributen
sein.117 Die Tendenz zur Voranstellung des Subjekts im Nominalsatz bzw. des Prädikats im Verbalsatz entspricht der Satzstellung des Bibel‑ und Mischna‑Hebräischen.118 Abweichungen von dieser hebräischen Nor‑ mal‑Stellung lassen nicht die Absicht des Vf.s erkennen, das betonte Glied an die Satzspitze zu stellen. Außerdem ist zu bedenken, dass der Vf. in biblischen Zitaten die Wortstellung seiner Vorlage übernimmt. Zudem scheint an den Stellen, wo kein Zitat vorliegt, das betonte Glied am Ende des Satzes zu stehen (vgl. 19,11c[.d].12b.c.13a.b.14a.16). Letz‑ teres spricht dafür, dass Aramäisch die MuTersprache des Vf.s ist, da hier
die
Wortstellung
im
Satz
freier
ist
als
im
Hebräischen.119 Auch ansonsten lässt der AbschniT erkennen, dass Griechisch nicht die MuTersprache des Vf.s ist, und dass er nie systematisch in der grie‑ chischen Sprache unterrichtet wurde und auch über keine literarische Ausbildung verfügte.120 Dies zeigt sich im schwankenden und undiffe‑ renzierten Kasusgebrauch nach ἐπί (Akk. 19,11c.12b.16a; Dat. 19,14a; Gen. 19,18b.19b.21a), der offensichtlich durch eine gewisse Fremdheit gegenüber dem griechischen Kasussystem bedingt ist; dies gilt umso

117 Vgl. M‚••ƒy•, Greek of Revelation 172f.; M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 157. Zur Stel‑ lung
der
ATribute
im
Griechischen
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 692f. 118 So M‚••ƒy•, Greek of Revelation 173–176; vgl. auch Tˆ|Ž›•|•, Syntax 88. Zur Nor‑ malstellung im hebr. Nominal‑ und Verbalsatz My~yz, Hebr. §§ 90f.; Gy•y•ƒ‚• / K•‚‑ ŒŠ•„ˆ, Hebr. §§ 141f. Das semitisch beeinflusste Vorherrschen der Anfangsstellung des Verbums unterscheidet das ntl. vom sonstigen Griechisch; vgl. BDR § 472. Zur Wortfolge
im
Griechischen
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 693–696. 119 Zur Wortfolge im aramäischen Satz, bei dem zudem gegenüber dem Hebräischen die Unterscheidung von Nominal‑ und Verbalsatz stark zurücktriT, B•‚yz / Ly••€yz, Aram.
§§ 97–101. 120 Ähnlich M‚••ƒy•, Greek of Revelation 170f.; P|zŒyz, Language 600. Auch M|•Œ‑ ‹|Žyz~, Education 80, der dazu tendiert, die poetisch‑literarischen Fähigkeiten des Vf.s und die Qualität seines Werkes sehr hoch anzusetzen, gesteht zu, dass der Vf. nie
zu
einer
vollen
Beherrschung
des
Griechischen
gelangte.

Analyse
der
EinzelabschniTe

139

mehr, sollte sich der Vf. bei ἐπί am Kasus des vorausgehenden καϑήμενος orientieren.121 Des Weiteren lassen sich anführen: die Konstrukti‑ on von βεβαμμένον mit einem Dativ (19,13a), der Solözismus in 19,20d, die Nominativ‑Apposition in 19,16, die durchgehende Umschreibung des instrumentalen Dativs122 mit ἐν (19,11d.15b.c.17b.20c.21a) und der Ersatz des partitiven Genitivs durch ἐκ in 19,21b. Ungriechisch ist die Verbindung von ποιέω τὸν πόλεμον mit μετά + Genitiv zur Angabe des Kriegsgegners (19,19b). Umständlich und ungelenk wirken die Kon‑ struktionen
in
19,15d.16a.21a. Neben der bereits genannten einfachen Reihung der kurzen Sätze mit καί sind die zahlreichen Ellipsen/Brachylogien (19,11b.c.12a.b), die constructio ad sensum (19,14b) und die Anapher (19,15c.d) als Figuren der Wiederholung typisch für volkstümliche Sprache und Literatur.123 Auch die verwendeten Formen bildlicher Rede (Metaphern/Vergleiche in 19,12a.b.15.21a) sind kein Zeichen gehobenen Stils.124 Neben den ge‑ häuW gebrauchten Ellipsen und der vorherrschenden Parataxe trägt in 19,11–16 der weitgehende Verzicht auf alle unnötigen adjektivischen ATribute125 zu einer trotz der Fülle der einzelnen Züge sehr gera• wir‑ kenden, geradezu skizzenhaWen Darstellung bei. Dem steht eine gewis‑ se Breite der Schilderung in 19,17f. und 19,19–21 gegenüber, die sich der Menge ausdifferenzierender, aber auch tautologischer Glieder in der Aufzählung in 19,18, den Wiederholungen in 19,19b.21a und den breiten
aTributiven
Charakterisierungen
in
19,17b.20b.c
verdankt. Insgesamt ist auffällig, dass nahezu der gesamte AbschniT aus mehr oder weniger wörtlichen Wiederholungen (vgl. 19,11b.c.12a.[b.]c. 15a.c.d.17a.b.18a.20b.c) und formelhaW wiederkehrenden Phrasen (vgl. 19,11c.15d.18b.c.19a.c.20d) sowie aus alTestamentlichen Zitaten und Anspielungen (s. o.) besteht.126 Dabei zeigt sich kaum die Absicht, die

121 Vgl.
Axx|,
L’Apocalypse
(EtB)
„xŸƒ;
dazu
auch
die
Anmerkungen
bei
Op
20,11a.b. 122 Der bloße instrumentale Dativ findet sich in der Johannesoffenbarung nur sehr sel‑ ten; vgl. dazu B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 164. 167. Zu seiner Umschreibung mit ἐν merkt Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžž, an: „But even though the instrumental ἐν does occur in the papyri sporadically …, this fact cannot account in any case for the preponderating
use
of
ἐν
in
our
author.“
Vgl.
dazu
M|‚xŒ|• / T‚z•yz,
Gr. NT
4, 156. 123 Zu den Charakteristika der Umgangssprache im Unterschied zu den Literaturspra‑ chen
L••€}y•Œyz,
Stilistik
31–34. 124 Ausführlich
L••€}y•Œyz,
Stilistik
88–91. 125 Der eingeschränkte Gebrauch adjektivischer ATribute ist ein Kennzeichen der prosa‑ ischen
im
Unterschied
zur
poetischen
Sprache;
vgl.
L••€}y•Œyz,
Stilistik
111. 126 Detaillierte Auflistungen der in der Johannesoffenbarung immer wiederkehrenden geprägten Wendungen und Formeln finden bei B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 176f.; Axx|,
L’Apocalypse
(EtB)
„xžŸf.;
S„ˆŽƒ€,
Apokalypse‑Text
226–230.

140

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

einzelnen Elemente aufeinander abzustimmen, so dass der AbschniT insgesamt eher inhomogen und wenig geschlossen wirkt. Dies spiegelt sich auch im Tempusrelief: Vom Aorist (19,11a) wechselt der Vf. in das Präsens (19,11d), dann in das Imperfekt (19,14a), wieder in das Präsens (19,15a), in das Futur (19,15c), noch einmal in das Präsens (19,15d) und kehrt mit 19,17a endgültig zum Aorist zurück. Dieser Tempuswechsel bedarf keiner Erklärung auf der Basis des hebräischen oder aramäi‑ schen „Tempus“‑Systems oder aus der Psychologie des Visionsemp‑ fangs und seiner nachfolgenden VerschriWlichung, da das Futur in 19,15c aus Ps 2,9 (LXX) übernommen ist und die präsentischen Tempo‑ ra
sich
als
generelles
Präsens
erklären
lassen.127

(3) Struktur Die Untergliederung von 19,11–21 durch die Visionseinleitungsformel καὶ εἶδον in die drei AbschniTe vv. 11–16.17f.19–21 sowie ihre Verknüp‑ fung durch Wiederaufnahmen (19,11a.b in 19,19b.21a; 19,15a in 19,21a), Vorankündigung und Erfüllungsvermerk (19,18 und 19,21b) wurde bereits dargelegt (AbschniT IV. 2), so dass hier primär der Gliederung dieser
drei
UnterabschniTe
nachgegangen
werden
kann. 19,11–16: Die Visionseinleitungsformel καὶ εἶδον128 mit dem folgenden AcP gibt eine minimale szenische Einleitung der folgenden Vision, die gegenüber der vorausgehenden Vision (19,1–10) einen Neueinsatz mar‑ kiert. Mit καὶ ἰδού wird in 19,11b.c ein neues Objekt der Vision einge‑ führt, ohne dass eine inhaltlich‑logische Beziehung zur Aussage des vorausgehenden Verses hergestellt würde. Dass sich der Himmel für den Reiter auf dem weißen Pferd öffnet, liegt zwar nahe, steht so aber nicht im Text. Mit 19,11c setzt die Beschreibung (Ekphrasis) des Reiters 127 Den Einfluss der hebräischen (semitischen) „Tempora“ hinter dem scheinbar regello‑ sen Schwanken der Tempora innerhalb eines AbschniTes vermuten Cˆ•zxy•, Revela‑ tion (ICC) 1, „žžƒƒƒf.; Tˆ|Ž›•|•, Syntax 47–50. Eine eher „psychologische“ Erklärung bei
M‚••ƒy•,
Morphology
334–336. 128 Zur Eröffnungsformel „ich schaute“ als GaTungskonstitutivum des Visionsberichtes vgl. K|„ˆ, Visionsbericht 426; Byz‹yz, Visionsberichte 202. „Was die Vision oder Au‑ dition ausmacht, ist nur die Schaltstelle, die selbst auf der Ebene der Rahmenerzäh‑ lung liegt und die die neue Ebene einleitet; häufig als Ich‑Bericht: ‚ich sah …‘, ‚mir erschien‘, aber auch als Er‑Bericht: ‚stand bei ihm und sagte‘ (gr.: e¸istēmi); ‚kam‘, ferner: ‚sich umwenden und sehen‘ (Joh 20,14; Apk 1,12); zu jemand ‚sprechen‘, ‚ge‑ sandt sein‘ zu jemandem, ‚im Traum geschah …‘; ‚kam in Verzückung‘, ‚nachts (war) ein
Gesicht‘,
‚sie
sahen‘“
(Byz‹yz,
Formgeschichte
281).

Analyse
der
EinzelabschniTe

141

ein. Diese Beschreibung beansprucht den gesamten Rest des Ab‑ schniTes und wird lediglich in 19,14 mit dem AuWreten der himmli‑ schen
Heere
durch
ein
narratives
Element
unterbrochen. Dass die Begleitung des Reiters durch die himmlischen Heere nicht als weiterer Zug in dessen Beschreibung zu sehen ist, zeigt sich daran, dass zum einen in 19,14b diesen Heeren eine eigene Kurzcharakteristik beigegeben ist und zum anderen 19,14a mit dem Imperfekt ἠκολούϑει an den Aorist εἶδον in 19,11a anschließt, wohingegen die Beschreibung des Reiters sonst im Präsens formuliert ist (abgesehen von einem Futur in 19,15c). Das Tempusrelief von 19,11–16 zeigt demnach die AuWei‑ lung in narrative und deskriptive AbschniTe an, wobei 19,11c als Über‑ gang fungiert. Auffällig ist die durch den narrativen Vers 19,14 mar‑ kierte Unterteilung der Beschreibung des Reiters in zwei Blöcke.129 Einen weiteren EinschniT in der Beschreibung markiert die Unterbre‑ chung der sonst gleichmäßigen Reihung der Sätze mit καί durch die in der
Johannesoffenbarung
selten
gebrauchte
Partikel
δέ
in
19,12a. Die beiden so ausgegrenzten Blöcke 19,12–13 und 19,15–16 sind in‑ haltlich parallel aufgebaut: Beide Blöcke beginnen mit einer wörtlichen Wiederholung aus dem Komplex der BeauWragungsvision mit den sie‑ ben Sendschreiben (19,12a ǁ 1,14; 2,18 und 19,15 ǁ 1,16; 2,12) und enden mit der Nennung eines Namens des Reiters (19,13b.16b).130 Auch die dazwischen liegenden Teile zeigen inhaltliche Bezüge: Die vielen Dia‑ deme auf dem Haupt des Reiters in 19,12b sind Zeichen seines Herr‑ schaWsanspruchs über alle Völker.131 Denselben Anspruch artikuliert das Zitat aus Ps 2,9 in 19,15c.132 Die Verse 19,13a und 19,15d verbindet

129 Vgl.
Rƒ••ƒ,
ZukunW
14. 130 Die Streichung von 19,13b bei B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 431, und U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 323f., ist aufgrund der Parallelisierung der vv. 12–13 und 15–16 nicht
gerechtfertigt. 131 Zu den vielen Diademen als Zeichen der unbegrenzten Macht des Parusie‑Christus vgl. Rƒ••ƒ, ZukunW 20; Axx|, L’Apocalypse (EtB) 303; A‚•y, Revelation (WBC) 1054f. S–yŒy, Revelation 251, verweist auf 1 Makk 11,13 als Beispiel für Diademe als Zei‑ chen für die Vielzahl der HerrschaWsgebiete. Ob die unbestimmte Vielzahl vom Vf. als Kontrast zu den sieben Diademen auf den Häuptern des Drachen und den zehn Diademen auf den Hörnern des Tieres intendiert ist, wie z. B. By•xy, Revelation (NIGTC) 942f., meint, muss offen bleiben. So auch Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 248. Zu
Diademen
in
der
biblischen
Tradition
M. G‡z‹,
Diadem,
in:
NBL 1
(1991)
Sp. 418. 132 Aus Op 12 lassen sich eventuell weitere Hinweise für eine bewusste Parallelisie‑ rung der Diademe in 19,12b und des Zitates aus Ps 2,9 in 19,15c gewinnen: In 12,5 wird dasselbe Zitat auf das Kind angewandt, das der Drache mit den sieben Diade‑ men auf seinen Häuptern (12,3) bei seiner Geburt verschlingen will. Durch den Ge‑ brauch desselben SchriWzitats an beiden Stellen will der Vf. wohl den Leser/Hörer auf
die
Gegenbildlichkeit
von
Drache
und
Reiter
aufmerksam
machen.

142

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

der Bezug zu Jes 63,1–3, wodurch der Reiter als Vollstrecker des göTli‑ chen Zornes‑ und Vergeltungsgerichts ausgewiesen wird.133 Der ver‑ bleibende Vers 19,12c muss wohl zum vorangehenden gezogen wer‑ den, was das Fehlen des sonst durchgängigen καί bedingen könnte.134 Ein inhaltlicher Zusammenhang beider Verse ist insofern gegeben, als die Kenntnis des Namens einer Person oder Sache im Verständnis der antiken Kulturen Macht über sie bedeutet.135 Dass niemand den Namen des Reiters kennt, weist also ebenso auf seine Machtstellung wie die vielen Diademe.136 Den beiden parallelen Reihen 19,12f.15f. ist 19,11c.d als eine Art ÜberschriW oder Zusammenfassung der gesamten Vision vorangestellt. Dƒy
Q‚•xƒ}ƒŠƒyz‚•‹
€y•
„P•z‚•ƒy„ˆzƒ•Œ‚•“ 19,11

…
καὶ ἰδοὺ ἵππος λευκός καὶ ὁ καϑήμενος ἐπ’ αὐτὸν [καλούμενος] πιστὸς καὶ ἀληϑινός, καὶ ἐν δικαιοσύνῃ κρίνει
καὶ πολεμεῖ

133 Aufgrund der Parallelisierung der beiden Verse 19,12f. und 19,15f. steht der Bezug von 19,13 auf Jes 63,1–3 außer Frage. Vgl. auch B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 431; H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 190; Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 249; Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 143; Pzƒ‹y•Œ, L’Apocalypse (CNT[N]) 297. Ablehnend Rƒ••ƒ, Zu‑ kunW 21f., der das Blut als das Blut Christi, des geschlachteten Lammes, sieht. Gƒy‑ •y•, Offenbarung (RNT) 422, deutet aus demselben Grund das blutgetränkte Ge‑ wand als Hinweis darauf, dass der Sieg im Kreuz Christi schon errungen ist. Kritisch By•xy, Revelation (NIGTC) 957–960. Axx|, L’Apocalypse (EtB) 304, hält beide Deu‑ tungen für möglich; ähnlich S–yŒy, Revelation 252. Nach Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 133, ist es das Blut der Partherkönige, die der Messias bereits vorweg vernichtet hat (vgl. 17,14). Zum „roten Gewand“ GoTes (Jes 63,2) als Zeichen der Rache an Is‑ raels
Feinden
in
der
rabbinischen
Literatur
Bill.
3, 823. 134 Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 132, will diesen Vers als spätere Glosse streichen; A‚•y, Revelation
(WBC)
1055,
weist
dies
mit
Recht
zurück. 135 Vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 431; Rƒ••ƒ, ZukunW 20f.; A‚•y, Revelation (WBC) 1055–1057; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 422. Aus dem nicht‑biblischen Bereich sei auf die als Beschwörungsformeln gebrauchten geheimen GoTesnamen in den griechi‑ schen Zauberpapyri (PGM) verwiesen; vgl. dazu F. Gz•}, GoTesnähe und Schadens‑ zauber. Die Magie in der griechisch‑römischen Antike, München 1996; C. A. F•z•|‑ •y / D. O††ƒ•… (Hg.), Magika Hiera. Ancient Greek Magic and Religion, New York / Oxford 1991; A. M. T‚›yŒ, Rite magiques dans l’Antiquité romaine, in: ANRW II. 16.3 (1986)
2591–2675. 136 Der abschließenden Vers 19,16 bestimmt möglicherweise in genau umgekehrter Wei‑ se einen Zusammenhang zwischen Machtanspruch und Offenbaren des Namens: Der Name „König der Könige und Herr der Herren“ schreibt dem Reiter als atl.‑bibl. Bezug göTlichen Status zu. Dieser göTliche Status könnte durch den Verweis auf den Schenkel als Ort, wo der Name geschrieben steht, nochmals unterstrichen wer‑ den. Denn Diogenes Laertios spricht davon, dass Pythagoras von seinen Schülern für einen GoT (Apollon) gehalten wurde, und nennt in diesem Zusammenhang sei‑ nen
goldenen
Oberschenkel
(vgl.
D. L.
8, 11).

Analyse
der
EinzelabschniTe

143

1. Rückbezug
auf
BeauQragungsvision
und
Sendschreiben: Der
„Herr
der
Gemeinden“ 19,12

οἱ δὲ ὀφϑαλμοὶ αὐτοῦ [ὡς] φλὸξ πυρός

19,12

καὶ ἐπὶ τὴν κεφαλὴν αὐτοῦ διαδήματα πολλά, ἔχων ὄνομα γεγραμμένον ὃ οὐδεὶς οἶδεν εἰ μὴ αὐτός

19,15 καὶ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ ἐκπορεύεται ῥομφαία ὀξεῖα, ἵνα ἐν αὐτῇ πατάξῃ τὰ ἔϑνη

2. Der
Träger
universaler
Macht
und
HerrschaQ 19,15 καὶ αὐτὸς ποιμανεῖ αὐτοὺς ἐν ῥάβδῳ σιδηρᾷ

3. Jes
63,1–3:
Der
Vollstrecker
von
Go[es
(endzeitlichem)
Vergeltungsgericht 19,13

καὶ περιβεβλημένος ἰμάτιον βεβαμμένον αἵματι

19,15 καὶ αὐτὸς πατεῖ τὴν ληνὸν τοῦ οἴνου τοῦ ϑυμοῦ τῆς ὀργῆς τοῦ ϑεοῦ τοῦ παντοκράτορος

4. Der
Name
des
Reiters
auf
dem
weißen
Pferd
als
Offenbarung
seines
Anspruchs 19,13

καὶ κέκληται τὸ ὄνομα αὐτοῦ ὁ λόγος τοῦ ϑεοῦ

19,16 καὶ ἔχει ἐπὶ τὸ ἰμάτιον καὶ ἐπὶ τὸν μηρὸν αὐτοῦ ὄνομα γεγραμμένον· βασιλεὺς βασιλέων καὶ κύριος κυρίων

Vergleicht man die beiden parallelen Reihen der Beschreibung, fällt auf, dass in 19,12f. außer in 19,13b keine finiten Verbformen stehen; es handelt sich durchgängig um Nominalsätze (Ellipse des Prädikats oder „Partizipialsätze“). In 19,15f. dagegen finden sich nur Verbalsätze. Ob man daraus weitergehende Folgerungen ziehen will, hängt davon ab, wie hoch man den hebräischen Einfluss auf Sprache und Stil der Johan‑ nesoffenbarung ansetzt. Im Hebräischen nämlich ist die Unterschei‑ dung zwischen Nominal‑ und Verbalsatz keine bloß formale; vielmehr drückt der Nominalsatz das statisch Starre aus, während der Verbalsatz Geschehen und Handeln betont.137 Im Blick auf den Inhalt lässt sich je‑ denfalls mit gewissen Einschränkungen (19,13b.16) sagen, dass 19,12f. mehr die Gestalt des Reiters und 19,15f. mehr sein Handeln in den Blick
nimmt.

137 Zur Unterscheidung Nominal‑ und Verbalsatz im Hebräischen Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, Hebr. § 140. Im Aramäischen triT diese Unterscheidung stark zurück; vgl. B•‚yz / Ly‑ ••€yz, Aram. § 97. Eine ähnliche Unterteilung von 19,11–16 in „Beschreibung“ und „Handlung“ des Reiters, allerdings ohne Verweis auf den hebräischen Verbal‑ und Nominalsatz
bei
O•†|z•y,
Revelation
(BECNT)
678f.

144

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Aufgrund der hier aufgezeigten Struktur von 19,11–16 ist eine ge‑ zielte und bewusste gestalterische Absicht des Vf.s nicht zu leugnen.138 Eine solche allein genügt aber nicht, um ihn als einen Literaten oder „SchriWgelehrten“ zu sehen. Denn die Trennung der beiden parallelen deskriptiven Blöcke durch den narrativen Vers 19,14 wirkt wenig ge‑ glückt, da zum einen nicht ersichtlich wird, warum nach dieser Unter‑ brechung die Beschreibung des Reiters fortgesetzt werden soll, und zum anderen die Wiederaufnahme des Reiters durch das possessive αὐτοῦ in 19,15a nach der Unterbrechung in 19,14 formal nicht befrie‑ digt. Zugleich sind die Gliederungssignale so unspezifisch, dass der Text auf den ersten Blick wie eine lose Aneinanderreihung heterogener Glieder wirkt. Dies wird dadurch verstärkt, dass die einzelnen Züge der Beschreibung in ihrer Fülle letztlich kein stimmiges „Bild“ des Rei‑ ters ergeben und sich mitunter sogar widersprechen.139 Zunächst ist auf ihm ein Namen geschrieben, den niemand kennt (19,12c), dann aber lautet dieser Name „König der Könige und Herr der Herren“ (19,16b); zu‑ gleich aber ist sein Name „das Wort Go[es“ (19,13b).140 Sein Gewand ist „mit Blut getränkt“ (19,13a), zugleich aber mit dem Titel „König der Köni‑ ge
und
Herr
der
Herren“
beschriWet
(19,13). Dies alles bedingt eine merkwürdige „Unanschaulichkeit“ der Visi‑ on, zumal etliche der aufgelisteten Charakteristika des Reiters Deutun‑ gen sind und nicht unmiTelbarer Gegenstand einer visionären Schau

138 Die Gliederung von 19,11–16 in fünf Strophen zu je drei Zeilen bei U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 324f., wirkt willkürlich, da sie letztlich keine Anhaltspunkte im Text hat. Rƒ••ƒ, ZukunW 14–16, sieht 19,11–16 durch v. 14 in zwei Gruppen zu sieben und vier Elementen geteilt. Die Sieben‑Zahl der ersten Gruppe verweise auf die Be‑ deutung des Parusie‑Christus für die Gemeinden (vgl. die sieben Kirchen der Send‑ schreiben), die Vier‑Zahl der zweiten Gruppe zeige die Bedeutung der Parusie für die Welt an. Er übersieht dabei aber den EinschniT zwischen 19,11 und 19,12, sowie die Parallelisierung von 19,12a und 19,15a durch den Bezug zur BeauWragungsvisi‑ on. Dies gilt auch für die Annahme von zwei siebenzeiligen Strophen bei Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 247, oder die Gliederung in vier Strophen zu je sechs Zeilen bei L|ˆŽy~yz,
Offenbarung
(HNT)
157. 139 Vgl.
Z•ˆ•,
Offenbarung
586;
L|ˆŽy~yz,
Offenbarung
(HNT)
157;
Rƒ••ƒ,
ZukunW
14. 140 Vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 431; H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 190. Keinen Widerspruch zwischen den drei Aussagen sehen Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 422f.; By•xy, Revelation (NIGTC) 955f. Aufgrund der Bezeichnung des Reiters als ὁ λόγος τοῦ ϑεοῦ hat man eine Beziehung der Johannesoffenbarung zum Johannesevangeli‑ um (Joh 1,1) und zum johanneischen Kreis behauptet. So O. B‡„ˆyz, Johanneisches in der Apokalypse des Johannes, in: ders., Kirche 1–12; kritisch U. B. Mwxxyz, Wort 476–478. Die Bezeichnung des Reiters als „Wort GoTes“ in Op 19,13 dürWe sich aus der traditionsgeschichtlichen Verbindung der Parusieschilderung in Op 19,11–21 mit Weish 18,14–16 erklären; Näheres dazu bei den traditions‑ und quellenkritischen Überlegungen
zu
Op
19,11–21.

Analyse
der
EinzelabschniTe

145

sein können. Damit unterläuW der Vf. selbst die durch εἶδον in 19,11a signalisierte GaTungswahl, da solche Deutungen im Visionsbericht eigentlich durch einen angelus interpres vermiTelt werden müssten.141 Dieser Punkt darf bei der Auslegung ebenso wenig übersehen werden wie die Tatsache, dass die Beschreibung des Reiters nahezu mit jedem Vers direkt oder indirekt auf vorhergehende AbschniTe der Johannes‑ offenbarung Bezug nimmt, d. h. der Reiter wird aus dem Kontext des Buches heraus charakterisiert und dadurch identifiziert.142 Er ist der „Menschensohngleiche“, der „Herr der Gemeinden“ und damit der Messias/Christus Jesus. Dies ist umso wichtiger, als der Titel Messias/ Christus
in
19,11–21
nicht
genannt
wird.143 19,17f.: Auch hier bildet die Visionseinleitungsformel καὶ εἶδον mit fol‑ gendem Akkusativ mit Partizip die Exposition der Vision (19,17a). Es folgt eine Redeeinleitungsformel (19,17b), die die Adressaten der fol‑ genden direkten Rede (19,17c.18) nennt. Die Rede selbst besteht aus einer Aufforderung (19,17c: δεῦτε + Imp.) und deren finaler Begrün‑ dung (19,18: ἵνα). Der Finalsatz besitzt ein fünffaches Objekt, das je‑ weils aus dem Akkusativ σάρκας und einem possessiven Genitiv be‑ steht. Es lassen sich hier formal drei Gruppen unterscheiden, die eine schriTweise
Ausweitung
des
betroffenen
Personenkreises
beinhalten. Die erste Gruppe umfasst die ersten drei Glieder der Aufzählung, die jeweils nur aus σάρκας mit einem einzelnen GenitivaTribut beste‑ hen. Diese drei Glieder verbindet, dass es sich um Anführer oder her‑ ausragende Mitglieder eines Heeres handelt; zugleich aber vollzieht sich innerhalb dieser Gruppe von Glied zu Glied eine Ausweitung nach unten. Auf einen eindeutig militärischen Kontext verweist nur das zweite Glied (χιλιάρχοι).144 Die zweite Gruppe besteht aus σάρκας und

141 Merkmale der GaTung „Visionsbericht“ und Differenzierungen bei Byz‹yz, Visions‑ berichte
201–211;
ders.,
Formgeschichte
280–295. 142 Deshalb zu Recht Rƒ••ƒ, ZukunW 13: „Kaum ein anderer AbschniT ist ja so vielfältig verklammert mit allen Teilen des Buches.“ Vgl. auch B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 435;
Wƒ…y•ˆ•‚•yz,
Offenbarung
(RNT)
141f.;
L|ˆ•y,
Offenbarung
(NTD)
103. 143 Zum Christus‑Titel in der Johannesoffenbarung vgl. M. €y J|•‹y, The Use of ὁ χριστός
in
the
Apocalypse
of
John,
in:
Lambrecht,
L’Apocalypse
johannique
267–281. 144 Zu χιλιάρχος (eigtl. „Führer einer TausendschaQ“, lat. tribunus militum) als Bezeichnung für höhere Militärs B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1759; H. B•xŠ, χιλιάρχος. EWNT 3 (21992) Sp. 1118f. Der χιλιάρχος ist seit Alexander dem Großen und den Diadochen ein hohes Hofamt; vgl. A. Ny‚Ž•••, Chiliarchos (χιλιάρχος). KP 1 (1979) Sp. 1146; zum Militärtribun / tribunus militum ders., Tribunus 2.–4. KP 5 (1979) Sp. 947f. Dage‑ gen bezeichnet ἰσχυρός ganz allgemein physische Stärke und Überlegenheit B•‚‑ yz / Ax••€,
Wb. NT
Sp. 776f.;
H. P•‚x•y•, ἰσχυρός.
EWNT 2
(21992)
Sp. 509–511.

146

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

zwei durch καί verbundene possessive Genitive. Die Heerführer wer‑ den damit um ein Reiterheer ergänzt (Pferde und die auf ihnen Sitzen‑ den). Die driTe Gruppe schließlich enthält σάρκας und einen possessi‑ ven Genitiv, der durch eine viergliedrige Apposition ergänzt ist. Diese Apposition entfaltet durch zwei polare Paare das Bezugswort πάντων (Sklaven und Freie, Kleine und Große). Die dadurch intendierte Uni‑ versalität der Betroffenen legt nahe, dass das Reiterheer in 19,17f. als mit
der
gesamten
Menschheit
identisch
gedacht
ist. An sich besitzt die kurze Vision 19,17f. weder inhaltlich noch for‑ mal einen unmiTelbaren Bezug zur vorangehenden (19,11–16); ein sol‑ cher ergibt sich erst in 19,21b. Damit erschließt sich aber auch ihr Sinn erst im Rückblick. Deshalb wirkt die Vision auf einen unbefangenen Leser oder Hörer zunächst als retardierendes Moment. Verstärkt wird dies dadurch, dass mit der Visionseinleitung (19,17a) ein abrupter sze‑ nischer
Wechsel
verbunden
ist. 19,19–21: Von der Visionseinleitungsformel sind zwei Akkusativobjekte und ein AcP abhängig, dessen Partizip um einen finalen Infinitiv erwei‑ tert ist. Diese Erweiterung signalisiert durch die Wiederaufnahme des Reiters auf dem weißen Pferd und seines Heeres (hier im Singular staT des Plurales in 19,14a) den Anschluss an 19,11–16. In dieser Exposition verdichtet sich die in 19,11d (πολεμεῖ) angeklungene Kriegsthematik: ποιῆσαι τὸν πόλεμον. StaT der zu erwartenden Schilderung des Aufein‑ andertreffens der beiden Kriegsparteien – des Reiters auf dem weißen Pferd mit seinem Heer und der Könige der Erde mit ihren Heeren – folgt
in
19,20
die
Beseitigung
des
Tieres
und
des
Lügenpropheten.145 Auffällig ist, dass der Lügenprophet zwar nicht zusammen mit dem Tier in 19,19 eingeführt wurde, ihm dafür aber in 19,20 eine aus‑ führliche Charakterisierung beigegeben wird, die auf 13,11–18 zurück‑ weist und den Lügenpropheten mit dem dort genannten zweiten Tier (ἄλλο ϑηρίον) identifiziert. Diese Charakterisierung verortet 19,19–21 im Kontext der Johannesoffenbarung und fungiert innerhalb des Ab‑ schniTes als Schuldaufweis, der das Vorgehen gegen Tier und Lü‑ genprophet begründet und als (göTlichen) Strafakt deutet. Nach der Bestrafung des Tieres folgt in 19,21a das Geschick der in 19,19 neben dem Tier genannten Könige der Erde und ihrer Heere (οἱ λοιποί). In‑ dem sie durch das Schwert aus dem Mund des Reiters getötet werden, stellt der Vf. nochmals einen Bezug zu 19,11–16 her. Mit dem Verzehr

145 Vgl.
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
426.

Analyse
der
EinzelabschniTe

147

des Fleisches der Getöteten schließt die Vision. Dadurch wird die Visi‑ on
zur
„Erfüllung“
der
Einladung
zum
„großen
Mahl
GoTes“
in
19,17f. 19,19

(1) Das
Tier (2) Die
Könige
der
Erde
und
ihre
Heere
versammelt
zum
Krieg
gegen den
Reiter
und
sein
Heer

19,20

(1) Die
Bestrafung
von
Tier
und
Lügenprophet
durch
GoT Vorbereitung:
Ergreifen Schuldaufweis:
Rekurs
auf
Kap. 13 Bestrafung:
Sturz
in
den
Feuerpfuhl

19,21

(2) Die
Vernichtung
der
Gegner
des
Reiters

Dadurch ergibt sich eine konzentrische Struktur der vv. 19–21. Im Zentrum steht der Schuldaufweis, der 19,11–21 an 13,11–18 zurückbin‑ det und fast wortgleich nochmals in 20,4 erscheint. Um ihn legen sich korrespondierende Handlungen als doppelter Rahmen: (1) das Ergrei‑ fen von Tier und Lügenprophet und ihr Sturz in den Pfuhl von Feuer und Schwefel; (2) der Aufmarsch der Feinde des Reiters auf dem weißen Pferd und ihre Vernichtung. Formal bildet also die Bestrafung des Tieres und des Lügenpropheten eindeutig das Zentrum von 19,19– 21.146 Auf dieses Zentrum weist gleich zu Beginn das isolierte τὸ ϑηρίον (19,19). Dem Vf. kommt es demnach nicht auf die Schlacht an, sondern auf die Beseitigung des Tieres und des Lügenpropheten.147 Die beiden vorangehenden AbschniTe 19,11–16 und 19,17f. bereiten den Leser/Hö‑ rer jedoch nicht auf diese formale und inhaltliche MiTe von 19,19–21 vor.148 Mit der Marginalität des Reiter in 19,19–21 kontrastiert seine auf‑ wändige
und
detailreiche
Ekphrasis
in
19,11–16.149

(4) Traditions‑
und
Quellenkritik Die Analyse der Struktur von 19,11–21 bringt eine auffällige Diskre‑ panz zwischen den vv. 11–18 und den vv. 19–21 zu Tage: Obwohl der AbschniT zunächst den Eindruck erweckt, der Akzent liege auf dem Aufeinandertreffen des Reiters auf dem weißen Pferd und seiner Heere

146 147 148 149

Ähnlich
auch
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
433;
H•€|z•,
Offenbarung
(ThHK)
192f. Dazu
auch
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
330f. Vgl.
L|ˆŽy~yz,
Offenbarung
(HNT)
160. Dazu
Kz•}Œ,
Offenbarung
(HNT)
245f.;
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
427.

148

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

mit den Königen der Erde und ihren Heeren, wird auf eine Schilderung der „Endschlacht“ weitgehend verzichtet. StaTdessen triT die Bestra‑ fung von Tier und Lügenprophet in den Vordergrund, auf die der Vf. die Leser/Hörer in den vorausgehenden Versen 19,11–18 nicht vorberei‑ tet hat. Da der Reiter und seine Heere trotz der breiten Einführung in 19,11–16 an der Bestrafung von Tier und Lügenprophet keinen Anteil haben, stehen in 19,19–21 unverbunden zwei Gruppen von Gegnern nebeneinander. 19,19.20 τὸ ϑηρίον
 +
ὁ ψευδοπροφήτης 19,11.14 ὁ καϑήμενος ἐπὶ τὸν ἵππον λευκόν
+
τὰ στρατεύματα τὰ ἐν τῷ οὐρανῷ



19,20

ζῶντες ἐβλήϑησαν
(passivum
 divinum)
οἱ δύο
εἰς τὴν λίμνην κτλ.



19,19

οἱ βασιλεῖς τῆς γῆς
 +
τὰ στρατεύματα αὐτῶν

Der Vf. scheint hier zwei verschiedene Traditionen ineinander zu schie‑ ben: die Tradition der (messianischen) Endschlacht und den Abschluss der bereits in Op 13 aufgenommenen Tier/Lügenprophet‑Überliefe‑ rung.150 An die Bestrafung des Tieres und des Lügenpropheten schließt er die Endschlacht‑Tradition nur locker an, indem er in 19,21a die Köni‑ ge der Erde mit ihren Heeren in einem simplen οἱ λοιποί zusammen‑ fasst,
um
19,19
fortzusetzen. Damit stellt sich die Frage, ob sich die Vermutung erhärten lässt, dass der Vf. dem AbschniT 19,11–21 eine überkommene Endschlacht‑ Tradition zugrunde legt, in die er – mehr oder weniger geschickt – die Bestrafung von Tier und Lügenprophet einbaut.151 Dazu ist zu prüfen, ob sich aus dem vorliegenden Text die Grundgestalt – und eventuell auch der Wortlaut – dieser Tradition rekonstruieren lässt. Da der Ab‑ schniT 19,11–21 noch weitere inhaltliche Brüche und Spannungen zeigt, dürWe eine Rekonstruktion durchaus möglich sein. Ein Anhaltspunkt bei der Rekonstruktion könnten die zahlreichen Wiederholungen und Anspielungen auf frühere AbschniTe der Johannesoffenbarung sein, die mehr als die HälWe des Textes von 19,11–21 ausmachen. Ihr mehr‑ maliges Vorkommen in der Johannesoffenbarung legt nahe, dass sie

150 Auch L|ˆŽy~yz, Offenbarung (HNT) 160, erklärt die sich aus 19,19 ergebenden in‑ haltlichen Spannungen durch das „Zusammenwachsen verschiedener Traditionen“. BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
18,
dagegen
weist
diese
Annahme
entschieden
zurück. 151 Byz‹yz, Formgeschichte 319f., dagegen erhebt die inhaltlichen und kompositori‑ schen
Auffälligkeiten
des
AbschniTes
19,11–21
zu
„rhetorischen“
Qualitäten.

Analyse
der
EinzelabschniTe

149

nicht alle zwingend ursprüngliche Bestandteile der in 19,11–21 vermu‑ teten
Endschlacht‑Tradition
sind. 19,11–16: Für die vv. 11–16 wurde bereits auf die widersprüchliche Fül‑ le der Einzelzüge der Beschreibung des Reiters verwiesen, die kein stimmiges Gesamtbild ergeben und eine bildliche Vorstellung des Rei‑ ters unmöglich machen.152 Hinzu kommt, dass die Beschreibung in zwei symmetrisch gebauten Blöcken angeordnet ist (vv. 12–13 und 15– 16), die wenig organisch durch das AuWreten der himmlischen Heere (v. 14) voneinander getrennt werden. Eine weitere Auffälligkeit der Be‑ schreibung des Reiters ist, dass sie im Gegensatz zu den umgebenden AbschniTen präsentisch formuliert ist. Da zudem die einzelnen Züge der Beschreibung mehrheitlich frühere AbschniTe der Johannesoffen‑ barung beinahe wörtlich zitieren oder zumindest deutlich wahrnehm‑ bar auf solche Bezug nehmen, liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei den vv. 12–13.15–16 nicht um einen ursprünglichen Bestandteil der zu‑ grunde liegenden Endschlacht‑Tradition handelt, zumal diese Bezüge dazu dienen, den in 19,11 nicht eindeutig als Messias bezeichneten Rei‑ ter
aus
dem
Kontext
der
Johannesoffenbarung
zu
identifizieren.153 Außerdem wird aus der Beschreibung des Reiters im Folgenden le‑ diglich das „scharfe Schwert, das aus seinem Mund hervorkommt“ (19,15a) als Waffe bei der Vernichtung der Könige der Erde und ihrer Heere (19,21a) wieder aufgenommen. Da dieses Motiv fast wörtlich aus der BeauWragungsvision (1,16; vgl. 2,12) übernommen und seine Wie‑ deraufnahme im Kontext von 19,20–21 problematisch ist, dürWe auch das aus dem Mund des Reiters hervorkommende Schwert nicht der vom Vf. aufgenommenen Endschlacht‑Tradition angehört haben.154 Teil 152 G•y„ˆŒyz, Memory 441f., folgert aus der „Unanschaulichkeit“ der Beschreibung des Reiters in 19,11–16, dass der Bericht nicht vom selben stammen könne, der die Visio‑ nen haTe. Vielmehr habe sie ein Schüler aus der Erinnerung an die Erzählung seines Meisters rekonstruiert und niedergeschrieben, wobei sich der Wortlaut der Erzäh‑ lung
des
Meisters
mit
ungefähren
Erinnerungen
und
eigenen
Ergänzungen
mischte. 153 Aufgrund der oben aufgezeigten Parallelisierung der vv. 12–13 und 15–16 ist gegen Wyxxˆ•‚•y•, Offenbarung 30, festzuhalten, dass die vv. 12–13 von derselben Hand wie die vv. 15–16 eingefügt wurde und dass diese Hand für die Gesamtkomposition von 19,11–21 verantwortlich zeichnet, wenn ihr auch die einzelnen Bestandteile (auch
in
ihrer
Formulierung)
aus
der
Tradition
vorgegeben
waren. 154 Ähnlich Wyƒ••, Offenbarung 143: „Die Vermutung, daß V. 15a von der Hand des Herausgebers eingefügt ist, liegt nahe, da 15b von dem Schwert keine Rede mehr ist. Hier triT das Bild aus 12,3 wieder auf: er wird die Heiden weiden mit ehernem Sta‑ be, und 15c ist das Bild von der Zorneskelter aus 14,20 benutzt. Erst V. 21 lesen wir wieder von dem Schwert aus dem Munde, aber hier ist zweifellos der Herausgeber tätig gewesen.“ W. Mƒ„ˆ•yxƒ•, ῥομφαία. ThWNT 6 (1959) 993–998, hier 997f., sieht das

150

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

dieser Tradition könnte allerdings v. 13b sein, bei dem sich kein Bezug zu anderen AbschniTen der Johannesoffenbarung erkennen lässt; denn der Vf. verwendet sonst nie die alTestamentliche Formel κέκληται τὸ ὄνομα αὐτοῦ und die Bezeichnung ὁ λόγος τοῦ ϑεοῦ für den Messias.155 Auch v. 16 wird dem Vf. zuzuschreiben sein, da seine inhaltlich schwie‑ rige erste HälWe156 zwar auf keine andere Stelle der Johannesoffenba‑ rung Bezug nimmt, aber die Diktion des Vf.s zeigt (καὶ ἔχει ἐπὶ τὸ ἱμάτιον καὶ ἐπὶ τὸν μηρὸν αὐτοῦ ὄνομα γεγραμμένον); die zweite HälWe zitiert die bereits in 17,14 verwendete Tradition (βασιλεὺς βασιλέων καὶ κύριος κυρίων).157 Als Teile der ursprünglichen Endschlachtvision kommen in 19,11– 16 also zunächst nur die vv. 11.14 und eventuell v. 13b in Frage; doch geben auch die vv. 11.14 Probleme auf. So hat v. 11 eine weitgehend wörtliche
Entsprechung
in
6,2
(vgl.
auch
6,5.8). 19,11

καὶ εἶδον

6,2

καὶ εἶδον

οὐρανὸν ἠνεῳγμένον καὶ ἴδου ἵππος λευκός, καὶ ὁ καϑήμενος ἐπ’ αὐτὸν

καὶ ἴδου ἵππος λευκός, καὶ ὁ καϑήμενος ἐπ’ αὐτὸν

[καλούμενος] πιστὸς καὶ ἀληϑινός κτλ.

ἔχων τόξον κτλ.

aus dem Mund hervorkommende Schwert als „geistiges Eigentum des Verfassers“. Da es keinesfalls Bestandteil der in 19,11–21 benutzten Vorlage war, ist es für die hier interessierende Frage zweitrangig, ob der Vf. diese Vorstellung selbst gebildet oder
aus
der
Tradition
übernommen
hat. 155 Die Verbindung von GoTes Wort mit einem vom Himmel herabkommenden Krieger findet sich auch in Weish 18,14–16: ἡσύχου γὰρ σιγῆς περιεχούσης τὰ πάντα καὶ νυκτὸς ἐν ἰδίῳ τάχει μεσαζούσης ὁ παντοδύναμός σου λόγος ἀπ’ οὐρανῶν ἐκ ϑρόνων βασιλείων ἀπότομος πολεμιστὴς εἰς μέσον τῆς ὀλεϑρίας ἥλατο γῆς ξίφος ὀξὺ τὴν ἀνυπόκριτον ἐπιταγήν σου φέρων καὶ στὰς ἐπλήρωσεν τὰ πάντα ϑανάτου καὶ οὐρανοῦ μὲν ἥπτετο βεβήκει δ’ ἐπὶ γῆς (vgl. auch 1 Chr 21,16). Zur Stelle S„ˆŽƒŒŒ, Weisheit 135. Man muss S–yŒy, Revelation 253, zustimmen: „it is difficult to resisit the impression that there is some connexion between the present passage and the teaching of the Alexandrine book
of
Wisdom;
cf.
Sap.
Ÿžƒƒƒ. 15“.
Vgl.
auch
Pzƒ‹y•Œ,
L’Apocalypse
(CNT[N])
295. 156 Wyxxˆ•‚•y•, Offenbarung 30, schlägt deshalb eine Emendation vor: „StaT ἐπὶ τὸ ἱμάτιον muß man lesen ἐπὶ τὸ ἵππον, damit der Genitiv αὐτοῦ hinter μηρὸν auf das Roß bezogen werden kann. Denn es soll doch unmöglich dem Messias selber ein Name auf den Schenkel gestempelt werden; man würde denselben ja gar nicht se‑ hen, da doch sein Schenkel nicht unverhüllt sein kann.“ Zu weiteren Emendationen (Torrey, KraW, Charles) By•xy, Revelation (NIGTC) 964; A‚•y, Revelation (WBC) 1044. 157 Wyƒ••, Offenbarung 143, lässt offen, ob 19,16 „vom Herausgeber oder aus der Vorla‑ ge
stammt“.

Analyse
der
EinzelabschniTe

151

Diese Parallele ist umso auffälliger, als in 6,2 der Reiter offensicht‑ lich nicht Christus ist, sondern im Gegenteil eine Endzeit‑Plage symbo‑ lisieren soll.158 Da sich die Visionseinleitung καὶ εἶδον καὶ ἴδου mehrmals in der Johannesoffenbarung findet (4,1; 6,5.8; 7,9f.; 14,1.14), ist nicht auszuschließen, dass der Vf. auch bei ihm vorgegebenen Traditionen den Visionsanfang nach einem festen Schema gestaltete, das er mögli‑ cherweise dem von ihm auch sonst häufig benutztem Ezechiel‑Buch (vgl. Ez 1,15; 2,9; 8,2.10) und auch dem Daniel‑Buch entnimmt (Dan 8,3 [Theod.]; 10,5 [LXX; Theod.]).159 Die Visionseinleitung in 19,11 unter‑ scheidet sich aber signifikant von allen anderen der Johannesoffenba‑ rung, da nur hier zwischen καὶ εἶδον und καὶ ἴδου ein Akkusativ mit Partizip (AcP) eingeschoben ist. Dies spricht dafür, dass die in 19,11 be‑ nutzte Tradition mit einem Verweis auf das Sich‑Öffnen des Himmels begann.160 Es ist möglich, dass sich daran mit καὶ ἴδου (bzw. hebr. ‫וְהִנ ֵּה‬ oder aram. ‫ )הָא‬das Erscheinen des Reiters anschloss. Fraglich ist, ob die Bezeichnung des Reiters als πιστὸς καὶ ἀληϑινός Teil der ursprünglichen Tradition ist, da sich diese Bezeichnung bereits in der Selbstvorstellung des Herrn der Gemeinden in 3,14 findet und 19,11–16 auch sonst durch solche Wiederaufnahmen den Reiter mit dem Herrn der Gemeinden identifiziert.161 158 Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 247, geht davon aus, dass „der Wortlaut von 6,1ff. die Gestaltung unseres Textes beeinflußt hat“. Vgl. auch V•••ƒ, StruTura 209f. Die Par‑ allele in 6,2 spricht nicht dagegen, dass das Pferd und der Reiter in 19,11 bereits Teil der vom Vf. benutzten Vorlage waren. Denn die Bestrafung des Tempelräubers He‑ liodor durch einen „himmlischen“ Reiter in 2 Makk 3,25–29 steht Op 19,11ff. hin‑ sichtlich der Motive und der Formulierung nahe (3,25 ὦφϑη γάρ τις ἵππος αὐτοῖς φοβερὸν ἔχων τὸν ἐπιβάτην καὶ καλλίστῃ σαγῇ διακεκοσμημένος φερόμενος δὲ ῥύδην ἐνέσεισεν τῷ Ἡλιοδώρῳ τὰς ἐμπροσϑίους ὁπλάς ὁ δὲ ἐπικαϑήμενος ἐφαίνετο χρυσῆν πανοπλίαν ἔχων). In 2 Makk 11,8 erscheint auf das Gebet des Judas Makkabäus hin (11,6) ein Reiter in weißem Gewand als himmlischer Beistand der Juden (αὐτόϑι δὲ πρὸς τοῖς Ἱεροσολύμοις ὄντων ἐφάνη προηγούμενος αὐτῶν ἔφιππος ἐν λευκῇ ἐσϑῆτι πανοπλίαν χρυσῆν κραδαίνων).
Vgl.
auch
B•„ˆŽ•••,
Reiter
271f. 159 A‚•y, Revelation (WBC) 393: „The phrase [καὶ] εἶδον [= ἴδον] καὶ ἴδου does occur in the LXX (where it translates the Hebrew phrases ‫ וארא רהנה‬wāʾēreʾ wĕhinnēh or ‫ ראיתי והנה‬rāʾîtî wĕhinnēh), particularly in Ezekiel (1:4, 15; 2:9; 8:7, 10; 10:1, 9; 37:8; 44:4; cf. Gen 33:1; Jer 4:2; 2 Chr 23:13), though it is relatively rare in Jewish‑Greek lite‑ rature (see Jos. As. 10:16; 14:9). It is possible that the author is imitating the LXX style of
Ezekiel.“ 160 Zum Motiv des geöffneten Himmels in der jüdischen Apokalyptik A‚•y, Revelation (WBC)
1052. 161 In 3 Makk 2,11 wird in einem Gebet GoT, der immer wieder Israel gegen seine Fein‑ de beistand, als πιστὸς καὶ ἀληϑινός angesprochen. Vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 950. Dies lässt eine traditionelle Verwendung dieser Titulatur in einer apokalypti‑ schen Kriegsschilderung durchaus plausibel erscheinen. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 434, verweist darauf, dass die Formel πιστὸς καὶ ἀληϑινός auf den Sprachge‑

152

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Der Schluss von 19,11 könnte ein Bestandteil der ursprünglichen Tradition gewesen sein, da sich δικαιοσύνη nur noch einmal in der Jo‑ hannesoffenbarung findet (22,11) und der Vf. κρίνει nie mit Christus als Subjekt verwendet; auch wird die Richterfunktion des Reiters in der folgenden Vision nicht eingelöst. Allerdings stört das Präsens der bei‑ den Verben κρίνει und πολεμεῖ. Wenig wahrscheinlich ist, dass der Vf. hier bewusst an das Tempus der folgenden Beschreibung angleicht, da ihn derartige Tempusschwankungen an anderen Stellen nicht stören (vgl. 20,7–10). Auffällig ist, dass im vorliegenden Text in 19,11 dem Rei‑ ter kein Titel beigegeben ist, der ihn mit einer der traditionellen end‑ zeitlichen ReTergestalten „identifiziert“ und seine Funktion bestimmt (Messias, Menschensohn o. ä.); vielleicht wurde ein solcher vom Vf. ge‑ tilgt, um den Reiter durch die von ihm angefügten vv. 12–13.15–16 als den
Herrn
der
Gemeinden
ausweisen
zu
können.
 Die vom Vf. benutzte Tradition dürWe also mit dem Kommen eines Reiters aus dem geöffneten Himmel begonnen haben.162 Möglicherwei‑ se enthielt die Tradition auch einen Verweis auf den Namen des Reiters (19,13b); ob seine Funktion als Richter und Krieger (19,11d) bereits Teil dieser Tradition war, muss offen bleiben. Sicherlich aber dürWen die himmlischen Heere einschließlich ihrer ReiTiere (19,14) aus der Traditi‑ on stammen, da der Vf. die Bezeichnung τὰ στρατεύματα τὰ ἐν τῷ οὐρανῷ sonst nicht verwendet und er nur sehr selten das Imperfekt einsetzt (ἠκολούϑει). Ob ihre Beschreibung ursprünglich ist, lässt sich nicht ein‑ deutig bestimmen, da bereits in 19,8 vom βύσσινον λαμπρὸν καϑαρόν der „Frau des Lammes“ die Rede war und das βύσσινον λευκὸν καϑαρόν von hier in 19,14 eingedrungen sein könnte. Dafür, dass die Beschrei‑ bung des himmlischen Heeres zumindest in Teilen bereits vorgegeben war, könnte die Verwendung von ἐνδύω staT des in der Johannesoffen‑ barung
häufigeren
περιβάλλω
sprechen. 19,17–18: Die vv. 17–18 zeigen keine inhaltlichen Spannungen und Brü‑ che. Man vermisst höchstens eine Angabe, warum der Engel ἐν τῷ ἡλίῳ steht und die Vögel ἐν μεσουρανήματι fliegen; doch mag dies lediglich aufgrund ihrer kulturellen Distanz zum Text für heutige Leser nicht auf

brauch des „Apokalyptikers letzter Hand“ deutet (1,5; 3,7.14), und scheidet sie des‑ halb
aus
einer
möglichen
Vorlage
aus. 162 Hier zeigt sich der eindeutig jüdische Charakter von 19,11a.b, da in keiner anderen frühchristlichen Schilderung der Parusie‑Christus auf einem Pferd erscheint; vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1053; Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 247. Auch dies spricht für die
Benutzung
einer
Vorlage
durch
den
Vf.

153

Analyse
der
EinzelabschniTe

Anhieb verständlich sein. Die Angelophanie und die Einleitungsformel der Engelrede hat deutliche Entsprechungen in 7,2; 10,1; 18,1 (vgl. auch 5,2;
14,6;
14,15.18). 19,17

καὶ εἶδον ἕνα ἄγγελον ἑστῶτα ἐν τῷ ἡλίῳ καὶ ἔκραξεν ἐν φωνῇ μεγάλῃ λέγων πᾶσιν τοῖς ὀρνέοις τοῖς πετομένοις ἐν μεσουρανήματι

7,2

καὶ εἶδον ἄλλον ἄγγελον ἀναβαίνοντα ἀπὸ τῆς ἀνατολῆς ἡλίου ἔχοντα σφραγῖδα ϑεοῦ ζῶντος καὶ ἔκραξεν φωνῇ μεγάλῃ τοῖς τέσσαρσιν ἀγγέλοις κτλ. λέγων

10,1

18,1

καὶ εἶδον ἄλλον ἄγγελον

μετὰ ταῦτα εἶδον ἄλλον ἄγγελον

καὶ ἔκραξεν φωνῇ μεγάλῃ ὥσπερ λέων μυκᾶται

καὶ ἔκραξεν ἐν ἰσχυρᾷ φωνῇ λέγων

Auch hier scheint der Vf. überkommenes Material einem von ihm prä‑ ferierten Schema anzugleichen.163 Dies macht wiederum die Entschei‑ dung schwierig, ob die vv. 17–18 der vorgegebenen Endschlacht‑Tradi‑ tion
zuzurechnen
sind.
 Erschwerend kommt hinzu, dass die Engelrede in 19,17c–18 eine deutliche Parallele in Ez 39,17–20 besitzt. Jedoch weicht die Johannes‑ offenbarung erheblich vom Ez‑Text (LXX und MT) ab: So spricht Op 19,17f. im Unterschied zu Ez 39,17–20 von einem δεῖπνον, nicht von einem Opfermahl (ϑυσία/‫)זבח‬, staT κρέας steht σάρξ und vom Blut, das die Vögel trinken sollen, ist gar nicht die Rede. Auch die Liste derjeni‑ gen, die den Vögeln zum Mahl werden sollen, unterscheidet sich von Ezechiel; dieselbe Liste wie in 19,17c–18 aber hat der Vf. schon in 6,15 beim Öffnen des sechsten Siegels benutzt.164 Wenn also der Vf. die Rede des Engels direkt aus Ez 39,17–20 entnommen haben sollte, hat er seine

163 By•xy, Revelation (NIGTC) 965, sieht die parallele Gestaltung der Eingänge dieser Angelophanien (insbesondere 19,17 und 18,1–2) als bewusste Intention des Vf.s, die entsprechenden Stellen kompositorisch aufeinander zu beziehen. Die gehäuWe, weit‑ gehend stereotype Wiederholung dieses Schemas (wie auch bei anderen Visionsein‑ gängen in der Johannesoffenbarung) lässt dies aber eher als eine Art „Rationalisie‑ rung
der
Textproduktion“
erscheinen. 164 Zu den Parallelen zwischen den Listen in 6,9 und 19,18 vgl. auch A‚•y, Revelation (WBC)
1064.

154

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Vorlage erheblich verändert. Gründe für die Abweichungen lassen sich nicht erkennen.165 Sollte er eine von Ezechiel abhängige Tradition be‑ nutzen, so ist dennoch die Liste aufgrund der für ihn typischen Formel‑ sprache als Einfügung des Vf.s zu werten (vgl. σάρκας πάντων ἐλευϑέρων τε καὶ δούλων καὶ μικρῶν καὶ μεγάλων).166 Durch die Aufnahme der Liste aus 6,15 will der Vf. anzeigen, dass mit der „Schlacht“ in 19,11–21 der beim sechsten Siegel (6,12–17) angebrochene Tag des Zornes GoTes jetzt seine Vollendung findet (6,17 ὅτι ἦλϑεν ἡ ἡμέρα ἡ μεγάλη τῆς ὀργῆς αὐτῶν, καὶ τίς δύναται σταϑῆναι …). Nimmt man an, dass der Vf. eine von Ezechiel abhängige Tradition benutzt und nicht unmiTelbar den hebräischen oder griechischen Eze‑ chiel‑Text, stellt sich die Frage, ob er diese in Verbindung mit der End‑ schlacht‑Tradition vorfand oder ob er beide Traditionen erst selbst mit‑ einander verbunden hat. Der Erfüllungsvermerk in 19,21b könnte dafür sprechen, dass beide Traditionen bereits miteinander verbunden vorla‑ gen; doch setzt 19,21b in seiner allgemeinen Formulierung die Einla‑ dung an die Vögel nicht zwingend voraus.167 Umgekehrt könnte auch 19,21b Anlass für die Aufnahme von 19,17–18 gewesen sein. Dafür, dass 19,21b nicht erst vom Vf. gebildet wurde, spricht das in der Johan‑ nesoffenbarung singuläre Verb χορτάζω. Eine Entscheidung ergibt sich vielleicht aus den Parallelen zu der in 19,11–21 benutzten Endschlacht‑ Tradition; findet sich hier ein äquivalentes Motiv, erhärtet dies die An‑ nahme, dass die Einladung an die Vögel zum Leichenfraß bereits Teil dieser
EndschlachTradition
war.

165 Die Abweichungen werden auch nicht gemildert, wenn man annimmt, der Vf. über‑ setze hier direkt aus dem hebräischen Text. Gegen Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 128; BƒyŒy•ˆ•z€, Reich 17. Man müsste vielmehr annehmen, der Vf. zitiere Ez 39,17–20 lediglich vage aus dem Gedächtnis. A‚•y, Revelation (WBC) 1047f., spricht davon, dass Op 19,17–18 deutlich von Ez 39,17–20 beeinflusst ist; die Frage nach der Art des literarischen Verhältnisses zwischen beiden Texten lässt er offen. Ähnlich auch By•xy, Revelation (NIGTC) 965f. Nach B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 433, hat der Vf. in 19,17–21 „die Ezechielstelle mit der ihm sonst geläufigen Aufzählung (vgl. 6,15 u. ö.)
zusammengewoben“. 166 Für die Überarbeitung einer Vorlage durch den Vf. spricht das Nebeneinander von für den Vf. der Johannesoffenbarung typischer Diktion (ἵππων καὶ τῶν καϑημένων ἐπ’ αὐτῶν, ἐλευϑέρων / δούλων, μικρῶν / μεγάλων) und in der Johannesoffenbarung nur hier
und
in
6,15f.
zu
findender
Wörter
(ἰσχυρῶν, χιλιάρχων). 167 Es ist auffällig, dass in 19,21b abweichend von 19,17 von πάντα τὰ ὄρνεα die Rede ist. Außerdem heißt es nicht nur, dass die Vögel das Fleisch der Getöteten fressen, son‑ dern es wird beton gesagt, dass sie alle von dem Fleisch saT werden. 19,21b ist also mehr
als
nur
die
Ausführung
der
Einladung
von
19,17–18.

155

Analyse
der
EinzelabschniTe

19,19–21: Zu den vv. 19–21 ist das Wesentliche bereits gesagt. Das eigentliche Schlachtgeschehen wurde durch die Bestrafung von Tier und Lügenprophet ersetzt (19,20) und zur Rückbindung an 19,11–16 wird das Schwert aus dem Mund des Reiters als Waffe, mit der die ge‑ samte feindliche Heeresmacht vernichtet wird, aufgenommen (19,21a). Auch beim Aufmarsch dieser feindlichen Heeresmacht in 19,19 ist da‑ mit zu rechnen, dass der Vf. die Tradition im Blick auf die von ihm be‑ vorzugte Visionseinleitung καὶ εἶδον modifiziert hat. Die nachhinkende und unmotivierte Erwähnung des Lügenpropheten gibt den Vers 19,20 als nachträgliche Einfügung des Vf.s zu erkennen.168 Zudem benutzt er für die Charakterisierung des Tieres eine Zusammenfassung von 13,11– 17, die in modifizierter Form auch in 14,9.11; 15,2; 20,4 verwendet wird. Die Bestrafung, d. h. der Sturz in den Pfuhl von Feuer und Schwefel, gehört ursprünglich zu der 20,1–3.10 zugrunde liegenden Tradition und
ist
wohl
aus
20,10
eingetragen
(vgl.
bei
AbschniT
IV. 3b).169 Damit ergibt sich für die vom Vf. in 19,11–21 benutzte Endschlacht‑ Tradition
folgende
Grundgestalt: A: Aus
dem
geöffneten
Himmel
kommt
eine
kriegerische
Gestalt
 19,11 (wohl
auf
einem
weißen
Pferd). B: Dieser
Krieger
wird
von
himmlischen
Heeren
begleitet. [Einladung
an
die
Vögel
des
Himmels
zum
Leichenfraß]

19,14 19,17f.

C: Der
Aufmarsch
der
feindlichen
Heere.

19,19

D: Die
Schlacht,
bei
der
dem
himmlischen
Krieger
eine
hervorra‑ gende
Rolle
zukommt.

19,21a

E: Die
totale
Vernichtung
der
feindlichen
Heere:
 Alle
Vögel
werden
saT
vom
Fleisch
der
Leichen.

19,21b

Ein ähnliches Schema findet sich auch in anderen frühjüdischen und frühchristlichen Texten, so z. B. in 4 Esra 12,31–34; 13,2–13; 2 Bar 39–40; 72–73; Sib 3,652–697; 5,101–110.414–433; 2 Thess 1,7f.; Mk 13,27; Mt 25,31. Davon seien exemplarisch drei Texte herausgegriffen, die eine besondere
Nähe
zu
Op
19,11–21
zeigen.

168 So auch Wyƒ••, Offenbarung 144: „In dem ursprünglichen Entwurf richtete sich der Kampf und das Gericht des Messias gegen die Heiden überhaupt und gegen die Kö‑ nige
der
Erde
und
ihre
Heere.“ 169 Da 19,20d in der Formulierung 1 Hen 10,1–8 näher steht als Dan 7,9–11, überzeugt die von By•xy, Revelation (NIGTC) 969f., behauptete direkte Herleitung von 19,20d aus
Dan
nicht.

156

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

2 Bar
70–73

4 Esra
13,2–13.25–50

Sib
5,101–110

C: GoT
gewirkter
Aufruhr
 [Sammlung
der
Men‑ und
Krieg
der
Nationen
 schen
zum
Krieg
gegen am
Ende
der
Weltzeit
 den
„Menschen“;
s. u.] (vgl.
70,2.7;
72,2)

Der,
der
das
persische
 Land
hat,
kommt
von
 Westen,
belagert
die
 „Stadt
der
Seligen“
 und
will
sie
zerstören
 (101–107). A: Erscheinen
des
Messias
 Aus
dem
Meer
kommt
 Ein
von
GoT
gesandter (vgl.
70,9;
72,2) etwas
wie
die
Gestalt
 König
erscheint
(108). eines
Menschen;
fliegt
 auf
den
Wolken
des
 Himmels
(13,3.26.32). D: Diejenigen,
die
dem
 Die
Menschen
sam‑ Er
vernichtet
alle
Köni‑ Krieg
und
den
folgen‑ meln
sich,
um
ihn
zu
 ge
und
die
besten
Hel‑ den
Naturkatastrophen
 bekämpfen. den
(109). entronnen
sind,
tötet
 Er
schlägt
einen
Berg
 der
Messias
(70,9). los
und
fliegt
auf
ihm. [Die
Feinde
Israels
ver‑ Die
Menschen
kämp‑ fallen
dem
Schwert
(vgl. fen
gegen
ihn.
(13,5– 72,6).] 8.31–36). [Eine
Art
Gericht
findet
 Aus
seinem
Mund
 Gericht
wird
gehalten
 staT:
Völker
werden
 kommt
etwas
wie
Feu‑ über
die
Menschen
 nach
ihrem
Verhalten
Is‑ erwogen
und
ver‑ (110) rael
gegenüber
getötet
 brennt
alle
Menschen
 oder
am
Leben
gelassen
 (13,9–11.37f.). (72).]170 [Es
folgt
eine
paradiesi‑ Er
steigt
von
dem
Berg
 sche
Zeit
des
Friedens
 herab
und
ruW
andere
 (73f.).] Menschen (13,12f.39–50).

Die genannten Texte stimmen mit Op 19,11–21 darin überein, dass (1) sich die Völker oder Könige zum Krieg versammeln und (2) eine „über‑ menschliche“ bzw. gö[lich autorisierte Gestalt erscheint, die (3) mühelos die Völker oder Könige vernichtet.171 Die „übermenschliche“ Gestalt ist in al‑ len Texten als Krieger gezeichnet, der die feindlichen Völker und Köni‑ ge vernichtet. Die Züge des Kriegers werden aber in den frühjüdischen Texten in unterschiedlichem Ausmaß von einer forensisch‑richterlichen

170 Der Text von 2 Bar 70–72 zeigt hier sehr deutliche Kennzeichen, dass verschiedene Traditionen miteinander verbunden wurden, ohne dass sie in allen Punkten abgegli‑ chen wurden. Denn nach Kap. 70 können eigentlich keine Völker mehr am Leben sein
(vgl.
70,9f.),
die
der
Messias
richtet. 171 Die selbe Grundstruktur lässt sich auch noch in 1 Hen 38; 46 erkennen, wo das Motiv des
Völkersturms
und
der
Messias‑Schlacht
fast
völlig
verblasst
ist.

Analyse
der
EinzelabschniTe

157

Tätigkeit überlagert172: In den Sib übt der goTgesandte König allein die Funktion des Kriegers aus und GoT selbst erscheint am Ende als Rich‑ ter. In 4 Esra zeigt sich die Tendenz, die kriegerischen Handlungen des „Menschen aus dem Meer“ in forensisch‑richterliche umzudeuten. So wird eigens betont, dass er nicht zum Schwert greiW (13,9), sondern Feuer aus seinem Mund kommt (13,10), das anschließend als vernich‑ tende Worte der richterlichen Zurechtweisung gedeutet wird (13,37f.). Doch lässt sich hier wie in 2 Bar 70–73 erkennen, dass ein ursprünglich rein kriegerisches AuWreten der „messianischen“ Gestalt durch das fo‑ rensisch‑richterliche
überlagert
und
zurückgedrängt
wird. Auch der „übernatürliche“ Charakter des Kriegers/Richters wird in unterschiedlichem Maße betont: Die Sib sprechen von einem „goTge‑ sandten König“, 2 Bar vom „Messias“ und 4 Esra von dem, „den der Höchste für lange Zeit au•ewahrt hat, durch den er seine Schöpfung erlösen will“ (13,26). Dass himmlische HerkunW eine Erweiterung der traditionellen Vorstellung vom Messias als leiblicher Nachkomme Da‑ vids ist, zeigt sich in 4 Esra 12,32, wo die endzeitliche ReTergestalt als „Messias, den der Höchste bis zum Ende der Tage au•ewahrt, der aus dem Samen Davids hervorgeht und kommen wird“ bezeichnet wird.173 Seine HerkunW aus dem Himmel wird neben Op 19,11 auch in Sib 3,286f.; 5,414 (vgl. auch 3,652) erwähnt.174 Die himmlischen Heere (d. h. Engelsheere), die die endzeitliche ReTergestalt begleiten, finden sich außer in Op 19,14 z. B. auch in 2 Thess 1,7f. und Mk 13,27 (vgl. 4 Esra 7,28). So darf 19,14 als traditioneller Bestandteil der Op 19,11–21 zu‑ grunde liegenden Tradition gelten, obwohl sich dieses Motiv in den drei
exemplarisch
angeführten
Texten
nicht
findet.175

172 Zu den kriegerischen und richterlichen Tätigkeiten und Aufgaben der eschatologi‑ schen Heilspersönlichkeit V|xŠ, Eschatologie 212–216; zum Zurückdrängen des Kampfmotives durch das Gerichtsmotiv in der „eschatologischen“ Erwartung des (Früh‑)Judentums
auch
B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••,
Religion
220–222. 173 Die ältere Erwartung eines irdischen, national‑politischen „Messias“ übernimmt all‑ mählich Züge der jüngere Erwartung des himmlischen „Menschen‑Sohns“ (vgl. Ps‑ Sal 17,32; 18,5.7; 1 Hen 48,10; 52,4; 4 Esra 7,28f.; 12,32; 2 Bar 29,3; 30,1). Je nach der theologischen Ausrichtung eines Werkes treten die Züge der einen oder anderen „Person“ stärker in den Vordergrund; dazu V|xŠ, Eschatologie 204–208. Zur Vermi‑ schung beider Gestalten in der Apokalyptik U. B. Mwxxyz, Messias 107–155; dazu auch K. Mwxxyz, Apokalyptik 279–322; R‚••yxx, Method 304–352; F. H•ˆ•, Χριστός. EWNT
3
(21992)
Sp. 1147–1165. 174 Die eschatologische HerabkunW vom Himmel findet sich sowohl beim Menschen‑ Sohn als auch beim Messias. Dahinter steht entweder der Gedanke der Präexistenz oder der Entrückung und Au•ewahrung für das Ende. Vgl. V|xŠ, Eschatologie 209f.;
B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••,
Religion
226–230. 175 Weitere Belege für das Motiv der „himmlischen Heere“ in der jüdischen Überliefe‑

158

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

In Sib 3,652–697 und 5,101–107 geht dem Erscheinen der „messiani‑ schen“ ReTergestalt der Ansturm der feindlichen Heerscharen (βασιλῆες ἐϑνῶν 3,663–668; ὃς Περσῶν ἔλαχε γαῖαν 5,101.104f.) voran, der auf Jerusalem zielt (σηκὸν γὰρ μεγάλοιο ϑεοῦ καὶ φῶτας ἀρίστους πορϑεῖν βουλήσονται 3,665f.; μακάρων ἐϑέλων πόλιν ἐξαλαπάξαι 5,107). Die „Kö‑ nige der Erde“ erscheinen bereits in Ps 2,2f. als Gegner GoTes und sei‑ nes Messias (vgl. auch PsSal 17,12). In 4 Esra 13,2–13.25–50 sammeln sich alle Völker bzw. eine unzählbare Menschenmenge und stürmen ge‑ gen den „Menschen“, um ihn zu bekämpfen (vgl. 13,5.8.33f.). In 2 Bar 70–72 findet sich kein Ansturm der GoT feindlichen Macht gegen den Messias; staTdessen wiegelt GoT selbst vor dem Erscheinen des Messi‑ as die Völker der Erde gegen einander auf, damit sie sich gegenseitig vernichten
(vgl.
70,2–6). Das Fehlen eines Ansturms von Kriegsscharen ist hier wie auch in 2 Bar 39–40 dadurch bedingt, dass das kriegerische Handeln des Messi‑ as durch ein rein richterliches ersetzt ist. Entsprechend erscheinen die Völker der Erde auf den Ruf des Messias hin zum Gericht (vgl. 72,2; in Andeutung 40,1). Auf die Vernichtung der GoT feindlichen Menschen folgt in Sib, 4 Esra und 2 Bar eine Heilszeit für das Volk GoTes (Sib 3,702–709; 5,429–434; 4 Esra 7,28; 12,34; 13,12f.39–49; 2 Bar 29; 40,2f.; 73– 74).176 Da sich die Sammlung der GoT feindlichen Menschen und die abschließende Heilszeit als fester Bestandteil in all diesen Texten findet, stellt sich die Frage, ob auch das vom Vf. der Johannesoffenbarung in Op 19,11–21 benutzte Traditionsstück mit der Sammlung der Könige der Erde und ihrer Heere zur Endschlacht begann und mit einer Schil‑ derung der irdischen Heilszeit endete, d. h. ob sich die entsprechenden zugehörigen Elemente an anderen Stellen der Johannesoffenbarung er‑ halten
haben.177

rung bei A‚•y, Revelation (WBC) 1059f. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 423f., deutet die „himmlischen Heere“ in 19,14 auf die Christen in der Heilsvollendung; Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 250, hingegen deutet sie als Engel. Vgl. auch S–yŒy, Revelation 253. Eine eindeutige Entscheidung über die Identität dieser Heere ist hier ebenso wenig
möglich
wie
in
4 Esra
7,28
und
13,52;
zu
diesen
Stellen
V|xŠ,
Eschatologie
210. 176 Zur Aufrichtung einer irdischen Heilszeit durch die eschatologische ReTergestalt und zu den Motiven dieser irdisch‑nationalen Heilszeit (Sammlung der zerstreuten Stämme Israels, Erneuerung Jerusalems und des Tempels etc.) im einzelnen V|xŠ, Eschatologie 216f.; B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 233–242; R‚••yxx, Method 285– 303. 177 Dazu passt, dass in der jüdischen Tradition die transzendente Messiasgestalt zwar als Friedenskönig gezeichnet wird, dieses Bild aber oW mit dem des Kriegshelden verbunden ist, der durch die Vernichtung seiner Feinde den Frieden scha•; vgl. B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 259f. Die erschlossenen Vorlage entspricht in den

Analyse
der
EinzelabschniTe

159

Bereits bei der sechsten Schale in 16,12–16 werden die Könige des gesamten Erdkreises von drei dämonischen Geistern, die die Gestalt von Fröschen haben und aus den Mündern des Drachen, des Tieres und des Lügenpropheten hervorkommen, zur Endschlacht in „Harma‑ gedon“ zusammengerufen. Möglicherweise enthält dieser AbschniT, der im Kontext der Sieben‑Schalen‑Vision (15,1 – 22,9) als Vorverweis auf 19,19–21 dient (vgl. AbschniT IV. 1), Teile der in 19,11–21 verwende‑ ten EndschlachTradition.178 Allerdings ist auch hier mit Eingriffen des Vf.s zu rechnen, so z. B die Einfügung der anti‑göTlichen Trias aus Dra‑ che, Tier und Lügenprophet, so dass nicht mehr zu sagen ist, wer ursprünglich hinter der Sammlung der Könige zum Krieg stand. Da die dämonischen Geister in Gestalt von Fröschen in der Johannesoffenba‑ rung sonst nicht begegnen, könnten sie zur ursprünglichen Tradition gehören. Dies könnte auch für den ebenfalls nur in 16,12–16 genannten Schlachtort
„Harmagedon“
gelten.179 Anders als in den genannten AbschniTen aus 4 Esra und 2 Bar er‑ scheint in Sib 3,652–697 und 5,101–107 ganz offensichtlich Jerusalem als Ziel des Völkersturms und damit als Ort der Schlacht.180 Ob sich in der Op 19,11–21 zugrunde liegenden Tradition ein Hinweis auf Jerusalem als Ort der Endschlacht fand, lässt sich nicht mehr erschließen. Denk‑ bar wäre, dass die der Völkersturm‑Tradition zugehörigen, im Kontext von 20,1–10 problematischen Verse 20,8–9 dieser Vorlage entstammen: der Ansturm der Völker von den vier Ecken der Erde gegen das Lager der Hei‑ ligen und die geliebte Stadt und die Vernichtung der Angreifer durch Feuer vom Himmel.181 Gegen diese Annahme spricht nicht, dass sich durch die

178 179

180

181

zentralen Punkten der „Struktur“ der „apokalyptische Kriegsschilderung“ bei Byz‑ ‹yz,
Formgeschichte
301f. Vgl.
A‚•y,
Revelation
(WBC)
866f. Zu „Harmagedon“ vgl. C. C. T|zzy~, Armageddon, in: HTR 31 (1938) 237–248; Gƒy‑ •y•, Offenbarung (RNT) 360–363; A. SŒz|†yx, Ἁρμαγεδών. EWNT 1 (21992) Sp. 366f.; J.
JyzyŽƒ••, Ἁρ Μαγεδών.
ThWNT
1
(1933)
467f. Als wiederkehrende Momente des „Völkersturms“ lassen sich benennen der Aufruhr der Völker gegen GoT, ihr Ansturm auf Jerusalem und ihre plötzliche wunderbare Ver‑ nichtung vor der Stadt (vgl. 1 Hen 56,4–8). Näheres bei V|xŠ, Eschatologie 149–152. Der Ursprung dieser Vorstellung in der wunderbaren ErreTung Jerusalems vor den Heeren Sanheribs (Jes 37,36–38; 2 Kön 19,35–37; 2 Chr 32,21–22; Sir 48,21) ist noch deutlich erkennbar. Von dieser „historischen Erfahrung“ ist auch die Verheißung einer wunderbaren ErreTung Jerusalems in Sach 12 (vgl. auch Ez 38f.) beeinflusst. Diese Tradition dürWe auch hinter Op 16,14; 19,19.21 stehen. Zur Entwicklung der Völkersturmtradition
auch
B‡„ˆyz,
Heilige
Stadt
115–122. Gegen eine Einordnung von 20,8–9 in den Zusammenhang der Vorlage von 19,11–21 spricht nicht die Beobachtung bei G. K‚ˆ•, Γὼγ καὶ Μαγώγ. ThWNT 1 (1933) 790–792, der traditionelle Platz des Ansturms von Gog und Magog wäre erst nach dem mes‑

160

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Verbindung von 19,11.14.19.21 mit 20,8f. ein merkwürdiges, unausge‑ glichenes Nebeneinander von kriegerischem Wirken des Messias und Vernichtung der anstürmenden Heere durch Feuer und Schwefel (oder ähnliches) vom Himmel ergibt, da sich dies ähnlich auch in Sib 3,652– 697
findet. Der mit seinem Kontext in Spannung stehende Schlussvers der Ge‑ richts‑Vision in Op 14,14–20 könnte ebenfalls Fragmente aus diesem Zusammenhang enthalten, nämlich den Verweis darauf, dass die Kelter „außerhalb der Stadt“ getreten wird und das herausfließende „Blut ein‑ tausendsechshundert Stadien weit bis zum Zaumzeug der Pferde“ reicht (14,20).182 Ähnlich spricht Sib 3,695–697 davon, dass die Angreifer „laut‑ los im Blut baden“ und „die Erde selbst das Blut der Zugrundgehen‑ den trinkt“. Da Sib 3,695–697 damit schließt, dass „die wilden Tiere sich am Fleisch [der Gefallenen] säTigen“, ergäbe die Verbindung von Op 14,20 mit 19,21b einen analogen Abschluss der Messias‑Schlacht. Die Tatsache, dass Sib 3,697 keine Einladung an die wilden Tiere zum Fraß der Leichen vorausgeht, zeigt, dass aus Op 19,21b die Zugehö‑ rigkeit von 19,17f. zu der vom Vf. der Johannesoffenbarung verwende‑ ten
Endschlacht‑Tradition
nicht
abgeleitet
werden
kann. Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, ob sich Reste einer zuge‑ hörigen Schilderung der abschließenden Heilszeit erhalten haben. In Frage kommt dafür der Verweis auf die „tausendjährige HerrschaW mit dem Messias“ in 20,4. Da auch in 4 Esra 7,26–29; 12,34 und 2 Bar 29–30; 40 (72–74?) auf das Erscheinen des „Messias“ eine zeitlich begrenzte ir‑ sianischen Reich. Vor der Johannesoffenbarung ist diese Einordnung lediglich in Ez 38f. belegt. Die übrigen Belege stammen aus der späteren rabbinischen Literatur. Der Überblick bei Bill 3, 831–840 zeigt zudem, dass der Ansturm von Gog und Magog auch in der rabbinischen Literatur keineswegs immer nach dem Messiasreich einge‑ ordnet ist. Und bereits in Sib 3,319.512 stehen Gog und Magog im Kontext von Drohsprüchen gegen verschiedene Völker. Die einzigen jüdischen Belege für ein zeitlich begrenztes irdisches Messiasreich vor der rabbinischen Literatur (4 Esra; 2 Bar) nennen Gog und Magog nicht. Da Op 20,1–10 Anzeichen für das Zusammen‑ wachsen aus verschiedenen (schriWlichen) Vorlagen zeigt, lässt sich nicht ausschlie‑ ßen, dass der Vf. selbst Gog und Magog nach dem „tausendjährigen“ Messiasreich eingeordnet hat. Das „ezechielische Schema“, das H•€yz, Schemata 71–73, als Grundlage der Komposition von Op 19,11 – 21,8 bezeichnet, lässt sich jedenfalls vor Abfassung
der
Johannesoffenbarung
nicht
nachweisen. 182 Bereits B|z•…•ŽŽ, Komposition 214, erkannte, dass sich der Sinn von 14,20 erst von 19,11–21 her, erhellt, und verwies auf jüdische Parallelen (1 Hen 100,3); vgl. auch B•‚„…ˆ•Ž, Climax 19 und 40–48. Der Abschluss des Völkersturms der Vorlage könnte aufgrund der auch am Bild der Weinkelter in 19,13a.15c erkennbaren Absicht des Vf.s, zwischen 14,14–20 und 19,11–21 Beziehungen herzustellen, nach 14,20 gelangt sein. Vielleicht sind analog 19,13a.15c als ursprüngliche Bestandteile einer in 14,14–20
verwendeten
Vorlage
zu
sehen.

Analyse
der
EinzelabschniTe

161

dische Heilszeit folgt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Vf. das „tausendjährige Reich“ in 20,4 bereits in Verbindung mit der 19,11– 21
zugrunde
liegenden
Endschlacht‑Tradition
vorfand. Für eine traditionelle HerkunW von ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ χριστοῦ in 20,4d spricht formal, dass χριστός in der Johannesoffenbarung außer in 20,4.6 nur in 11,15 und 12,10 verwendet wird; inhaltlich kann dafür angeführt werden, dass im heutigen Kontext nicht mehr ersichtlich ist, wer Objekt des „Herrschens“ der Auferweckten sein soll.183 Da in 4 Esra und 2 Bar dieser zeitlich begrenzten irdischen Heilszeit weder eine par‑ tielle Totenauferstehung vorausgeht, noch sich eine vorhergehende Fes‑ selung der dämonischen Macht und ihre erneute Loslassung als Rahmen dieser vorläufigen irdischen Heilszeit findet, scheint es wahr‑ scheinlich, dass erst der Vf. das „tausendjährige Reich“ in Op 20,4 mit der „ersten Auferstehung“ (20,4–6) und der Fesselung und erneuten Loslassung des Drachen (20,1–3.7–10) verbunden hat. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die in 19,11–21 verwendete Endschlacht‑Tra‑ dition ursprünglich nicht explizit von einer zeitlichen Begrenzung der Heilszeit
sprach
(vgl.
Sib
3,702–709;
5,429–434).184 Die Art der inhaltlich‑logischen Spannungen in 19,11–21 sowie die blockartigen Erweiterungen der Endschlacht‑Tradition in 19,12–13.15– 16 und 19,20 (evtl. auch 19,17f.) sprechen dafür, dass der Vf. der Johan‑ nesoffenbarung hier nicht nur auf mündliche Überlieferungen, sondern auf eine schriWliche Vorlage zurückgreiW. Aufgrund der Eingriffe des Vf.s lässt sich aber diese Vorlage nicht mehr in allen Teilen rekonstru‑ ieren.185 Der folgende Versuch einer Rekonstruktion der Vorlage kann deshalb nicht mehr als eine Hypothese sein; für ihn spricht jedoch, dass er die Spannungen des Textes der Johannesoffenbarung ernst nimmt und sich lediglich durch die Herausnahme der blockartigen Erweite‑ rungen ein weitgehend stimmiger Text ergibt. Nicht mehr rekonstruier‑ bar ist die ursprüngliche sprachliche Gestalt der vv. 11[.17].19, da der 183 Wo in jüdischen SchriWen eine irdische Heilszeit erwartet wird, stellt sich die Frage nach dem Schicksal der Heidenvölker. Diese wird entweder dahingehend beantwor‑ tet, dass sie alle vernichtet werden, oder dass sie Israels Untertanen werden. Zum Schicksal der Völker in der Endzeit B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 234–236. Objekt zu ἐβασίλευσαν (20,4) könnten in der Vorlage demnach am Leben gelassene Heiden gewesen
sein. 184 Da in 4 Esra 13,36 in Verbindung mit dieser Heilszeit das Kommen und Sichtbarwer‑ den des (neu) erbauten Zion erscheint, wäre denkbar, dass eventuell auch die Herab‑ kunW des himmlischen Jerusalem in Op 21,2 auf die in 19,11–21 verwendete End‑ schlacht‑Tradition
zurückgeht. 185 Insofern hat B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 434f., mit seiner kritischen Durchsicht älte‑ rer
Versuche
einer
Quellenscheidungen
recht.

162

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Vf. hier Angleichungen an die von ihm präferierte Form der Visionsein‑ leitung vornimmt (in der Rekonstruktion stehen sie deshalb in eckigen Klammern). Ebenso lässt sich die vom Vf. nahezu ersatzlos gestrichene eigentliche Schlacht nicht mehr rekonstruieren; dass 20,8–9 und 14,20 hierher gehören könnten, scheint aufgrund der Parallele in Sib 3,652– 697 plausibel, lässt sich aber nicht zwingend beweisen (auch diese Teile erscheinen deshalb in eckigen Klammern). Dasselbe gilt für den aus den Parallelen in 4 Esra, 2 Bar und Sib erschlossenen Einleitungs‑ und SchlussabschniT
der
Vorlage
(16,12–16
und
20,4). 16,13–16 [… πνεύματα τρία ἀκάϑαρτα ὡς βάτραχοι· εἰσὶν γὰρ πνεύματα δαιμονίων ποιοῦντα σημεῖα, ἃ ἐκπορεύεται ἐπὶ τοὺς βασιλεῖς τῆς οἰκουμένης ὅλης συναγαγεῖν αὐτοὺς εἰς τὸν πόλεμον τῆς ἡμέρας τῆς μεγάλης τοῦ ϑεοῦ τοῦ παντοκράτορος … καὶ συνήγαγεν αὐτοὺς εἰς τὸν τόπον τὸν καλούμενον Ἑβραϊστὶ Ἁρμαγεδών.]

19,11

[… πλανῆσαι τὰ ἔϑνη τὰ ἐν ταῖς τέσσαρσιν γωνίαις τῆς γῆς, τὸν Γὼγ καὶ Μαγώγ, συναγαγεῖν αὐτοὺς εἰς τὸν πόλεμον, ὧν ὁ ἀριϑμὸς αὐτῶν ὡς ἡ ἄμμος τῆς ϑαλάσσης 20,9a καὶ ἀνέβησαν ἐπὶ τὸ πλάτος τῆς γῆς καὶ ἐκύκλευσαν τὴν παρεμβολὴν τῶν ἁγίων καὶ τὴν πόλιν τὴν ἠγαπημένην,] 20,8

[καὶ εἶδον] τὸν οὐρανὸν ἠνεῳγμένον, καὶ ἰδοὺ ἵππος λευκός καὶ ὁ καϑήμενος ἐπ’ αὐτὸν [καλούμενος πιστὸς καὶ ἀληϑινός,]

19,13b 19,14

19,17f.

καὶ ἐν δικαιοσύνῃ κρίνει καὶ πολεμεῖ. [καὶ κέκληται τὸ ὄνομα αὐτοῦ ὁ λόγος τοῦ ϑεοῦ] καὶ τὰ στρατεύματα τὰ ἐν τῷ οὐρανῷ ἠκολούϑει αὐτῷ ἐφ’ ἵπποις λευκοῖς, ἐνδεδυμένοι βύσσινον λευκὸν καϑαρόν. { καὶ εἶδον ἕνα ἄγγελον ἑστῶτα ἐν τῷ ἡλίῳ καὶ ἔκραξεν ἐν φωνῇ μεγάλῃ λέγων πᾶσιν τοῖς ὀρνέοις τοῖς πετομένοις ἐν μεσουρανήματι· δεῦτε συνάχϑητε εἰς τὸ δεῖπνον τὸ μέγα τοῦ ϑεοῦ ἵνα φάγητε σάρκας (βασιλέων καὶ σάρκας χιλιάρχων καὶ σάρκας ἰσχυρῶν καὶ σάρκας ἵππων καὶ τῶν καϑημένων ἐπ’ αὐτῶν καὶ σάρκας πάντων ἐλευϑέρων τε καὶ δούλων καὶ μικρῶν καὶ μεγάλων) }

163

Analyse
der
EinzelabschniTe

[καὶ εἶδον] τοὺς βασιλεῖς τῆς γῆς καὶ τὰ στρατεύματα αὐτῶν συνηγμένα ποιῆσαι τὸν πόλεμον μετὰ τοῦ καϑημένου ἐπὶ τοῦ ἵππου καὶ μετὰ τοῦ στρατεύματος αὐτοῦ [… καὶ οἱ λοιποὶ] ἀπεκτάνϑησαν 20,9b [καὶ κατέβη πῦρ ἐκ τοῦ [ἐν τῇ ῥομφαίᾳ τοῦ καϑημένου οὐρανοῦ ἐπὶ τοῦ ἵππου καὶ κατέφαγεν αὐτούς.] τῇ ἐξελϑούσῃ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ]

19,19

19,21a

14,20

[… ἔξωϑεν τῆς πόλεως καὶ … αἷμα … ἄχρι τῶν χαλινῶν τῶν ἵππων ἀπὸ σταδίων χιλίων ἑξακοσίων]

19,21b

καὶ πάντα τὰ ὄρνεα ἐχορτάσϑησαν ἐκ τῶν σαρκῶν αὐτῶν

20,4

[…
καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ Χριστοῦ χίλια ἔτη …]

(Da nicht mehr geklärt werden kann, ob die Völkersturm‑Überlieferun‑ gen in 16,13–16 und 20,8–9 in der vom Vf. der Johannesoffenbarung be‑ nutzten Vorlage eine Einheit bildeten oder ob der Vf. den Völkersturm in 20,8–9 einer zweiten Quelle entnommen hat, wurden sie in der Über‑ sicht
nebeneinander
gestellt.)

b. 20,1–10:
Die
„tausend
Jahre“ (1) Übersetzung 20,1a

Und ich sah einen Engel, vgl.
10,1; 18,1;
7,2; b herabsteigend aus dem Himmel, u.
ö. c vgl.
9,1.2.11; habend den Schlüssel des Abgrunds 11,7.8;
20,3a 12,9

vgl.
9,1.2.11; 11,7.8;
20,1c

und eine gewaltige Kette auf seiner Hand. 2a Und er bezwang den Drachen, b die alte Schlange, die ist Verleumder und der Satan, c und band ihn tausend Jahre 3a und warf ihn in den Abgrund b und verschloss und versiegelte hinter ihm,

→
20,8 c vgl.
12,9 damit d

→
20,7 e

vgl.
Jes
24,21f.

er die Völker nicht mehr verführe,

bis vollendet seien die tausend Jahre. Danach muss er losgelassen werden, eine kleine Zeit.

4a

Und ich sah Throne. Und sie setzten sich auf sie c und richterliches Urteil wurde ihnen gegeben. b

vgl.
Dan
 7,9.22
Theod.

164

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

6,9
und 1,2;
12,11.17; 19,10

(Und ich sah) die Seelen derer, die enthauptet worden sind wegen des Zeugnisses von Jesus und wegen des Wortes von Gott; e

13,12–17; 14,9.11;
15,2; 16,2;
19,20

und die haben nicht angebetet das Tier und nicht sein Bild und nicht haben sie empfangen das Prägemal auf ihrer Stirn und Hand. f

Und sie kamen zum Leben herrschten zusammen mit dem Gesalbten tausend Jahre. 5a Die übrigen der Toten kamen nicht zum Leben, b bis die tausend Jahre vollendet waren.

(2,8;
1,5.18; 13,14) g und 1,6;
5,10

→
20,3.7

[→
20,14b] c Diese vgl.
1,3; 6a

vgl.
Ez
37,10
 LXX

(ist) die erste Auferstehung.

Selig und heilig

14,13;
16,15; 19,9;
22,7.14 der Anteil habende an der ersten Auferstehung. →
20,15;
21,8 b vgl.
2,11 Über diese hat der zweite Tod keine Macht, c

vgl.
1,6;
5,10

sondern sie werden Priester Gottes und des Gesalbten sein d und sie werden herrschen mit ihm [die] tausend Jahre.

Ex
19,6;
23,22
 (1 Petr
2,9)

7a

→
20,3d.e →
20,3c (vgl.
12,9)

Und wenn beendet sind die tausend Jahre, wird losgelassen werden der Satan aus seinem Gewahrsam. 8a Und er wird hinausgehen, b zu verführen die Völker, die an den vier Ecken der Erde, den Gog und Magog, b

vgl. 16,14.16; c sie 19,19c d

zusammenzuführen in die Schlacht;

deren Zahl (wird sein) wie der Sand des Meeres.

9a

Und sie stiegen herauf auf die Breite der Erde

b

vgl.
11,5; 13,13 vgl.
12,9 19,20e; 20,14f. →
19,20

und kreisten ein das Lager der Heiligen und die Stadt, die geliebte. c Und Feuer stieg herab aus dem Himmel d und verzehrte sie. 10a Und der Verleumder, der sie verführt hatte, wurde in den Pfuhl von Feuer und Schwefel geworfen, b

Ez
38–39

wo auch das Tier und der Lügenprophet (sind).

Gen
22,7;
 32,13
LXX vgl.
Dan
12,2
 LXX;
Hab
1,6; Sir
1,3 vgl.
2
Kön
 6,14
(Ex
29,14; Lev
4,12.21) 2
Kön
1,10.12
 LXX
(Ez
 38,22)

Analyse
der
EinzelabschniTe

vgl.
14,10f.; 18,7.10;
19,3

165

c

Und sie werden gequält werden Tag und Nacht in die Weltzeiten der Weltzeiten.

A•Žyz…‚•‹: kursiv
–
atl.
Zitate,
Paraphrasen
und
Anspielungen
(rechts
notiert) unterstrichen
–
wörtliche
und
freie
Wiederaufnahme
aus
anderen
AbschniTen
 der
Op
(links
notiert)

(2) Sprachlich‑stilistische
Analyse 20,1: a καὶ εἶδον ἄγγελον καταβαίνοντα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ: Zum AcP nach Verben der sinnlichen Wahrnehmung und der entsprechenden aramäi‑ schen Konstruktion vgl. 19,11a. Parallele Formulierungen finden sich in 10,1; 18,1. — b ἔχοντα τὴν κλεῖν τῆς ἀβύσσου καὶ ἅλυσιν μεγάλην ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτοῦ: 20,1a.b ist eine der wenigen Stellen der Johannesoffenba‑ rung, wo von einem Partizip eine weitere Partizipialkonstruktion (ein adverbiales Partizip bzw. Participium coniunctum) abhängig ist (7,1.2; 10,1; [13,1;] 14,6; 15,2; 18,1).186 Der ältere aTische Akkusativ κλεῖν wird auch sonst im späthellenistischen Griechisch zunehmend staT κλεῖδα gebraucht.187 Ungewöhnlich ist die Konstruktion von ἔχω mit ἐπί + Ak‑ kusativ staT mit ἐν + Dativ.188 Zum schwankenden Kasusgebrauch nach ἐπί
vgl.
19,11c. 20,2: a καὶ ἐκράτησεν τὸν δράκοντα b ὁ ὄφις ὁ ἀρχαῖος, ὅς189 ἐστιν διάβολος καὶ ὁ Σατανᾶς190: Die 12,9 wiederholende Apposition zu τὸν δράκοντα müsste griechisch korrekt im Akkusativ stehen; diese Art der In‑ kongruenz findet sich mehrmals in der Johannesoffenbarung (so 1,5; 2,13).191 Auffällig ist, dass bei διάβολος im Gegensatz zu Σατανᾶς der Ar‑

186 M‚••ƒy•,
Greek
of
Revelation
172. 187 Vgl.
BDR
§ 47, 3;
Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ,
Lex.
957;
Axx|,
L’Apocalypse
(EtB)
308. 188 Klassisch ἔχω χερσίν, ἐν χερσίν, μετὰ χερσίν etc., aber ἐπ’ ὦμων πατέρα (S. Fr. 373; vgl. Num 7,9); vgl. Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 749f.; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 670. Die Lesart ἐν τῇ χείρι αὐτοῦ (ℵ 1611 pc) ist deshalb als Verbesserung der ursprünglichen, gram‑ mat. schwierigen Lesart ἐπὶ τὴν χείρα zu werten. Evtl. verdankt sich ἐπὶ τὴν χείρα mischna‑hebräischem Einfluss, da die Präposition ‫ עַל‬hier auch zur Angabe von Ver‑ ursacher und Grund und gleichsam instrumental verwendet wird; vgl. dazu Sy‹•x, MHebr.
§§ 301. 363 (v). 189 Das
Relativpronomen
ntr.
Sg.
ὅ
staT
msk. Sg.
ὅς
ist
nur
schlecht
bezeugt
(ℵ
2050
pc). 190 ὁ πλανῶν τὴν οἰκουμένην ὅλην (051. 2030. 2377 ˜K [syh]) ist aus dem parallelen Vers 12,9
hier
eingedrungen
(möglicherweise
eine
frühe
Glosse). 191 Vgl. M‚••ƒy•, Morphology 92f.; BDR § 136,1; S„ˆŽƒ€, Apokalypse‑Text 2, 239f. Zur Kasusangleichung bei der Apposition im Griechischen S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 613f. Die Lesart τὸν ὄφιν τὸν ἀρχαῖον (ℵ 051 ˜) muss als Korrektur der ursprünglichen Lesart

166

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

tikel fehlt (so auch in 12,9), zumal beide (im NT) gewöhnlich den Arti‑ kel haben.192 In der Johannesoffenbarung steht vor Σατανᾶς immer der Artikel. Hier mag sich hebräischer Einfluss spiegeln, da auch im He‑ bräischen Satan immer mit Artikel steht (‫)הַשָּׂטָן‬.193 — c καὶ ἔδησεν αὐτὸν χίλια ἔτη: Der (präpositionslose) Accusativus temporis, hier χίλια ἔτη, gibt den Zeitraum an, über den sich eine Handlung erstreckt.194 δέω kann demnach hier nicht als „fesseln, binden“ verstanden sein, sondern nur als „gebunden halten“ (ἔδησεν als komplexiver Aor.).195 Denkbar wäre auch, dass eine stark abkürzende Ausdrucksweise vorliegt („er band ihn [und dann blieb er] tausend Jahre [gefesselt]“), da fraglich ist, ob der Vf. der Johannesoffenbarung die Wortbedeutung und den Verbalaspekt so prä‑ zise erfasste. Auch deutet der Kontext eher in diese Richtung. Vgl. auch die
Verwendung
des
Accusativus
temporis
in
20,3e.4f. 20,3: a καὶ ἔβαλεν αὐτὸν εἰς τὴν ἄβυσσον b καὶ ἔκλεισεν καὶ ἐσφράγισεν ἐπάνω αὐτοῦ: Zu σφραγίζω fehlt das Akkusativ‑Objekt, d. h. eine Anga‑ be, worauf das Siegel angebracht wird.196 Es steht nur die allgemeine Angabe ἐπάνω αὐτοῦ. Demnach liegt eine stark abkürzende Ausdrucks‑ weise vor; gemeint ist: Das Siegel wird auf dem Verschluss des Ab‑ grundes „oberhalb“ des Drachen angebracht. ἐπάνω begegnet in der Jo‑ hannesoffenbarung als uneigentliche Präposition nur noch in 6,8, aber abweichend von der griechisch üblichen Konstruktion mit Dativ.197 — c ἵνα μὴ πλανήσῃ ἔτι τὰ ἔϑνη: Zum Modusgebrauch im Finalsatz in der Johannesoffenbarung vgl. bei 19,15b; hier steht korrekt der Konjunk‑

192

193 194

195 196 197

gewertet werden. By•xy, Revelation (NIGTC) 994, sieht die „Irregularität“ als Ab‑ sicht, die die Aufmerksamkeit des Lesers auf 12,9 zurücklenken soll. Dazu ist es aber nicht nötig, die Apposition in 20,2b im Nominativ zu belassen, da sich diese aus‑ führliche
Titulatur
des
Drachen
ohnehin
nur
an
diesen
beiden
Stellen
findet. Vgl. BDR § 254,2, διάβολος ohne Artikel Apg 13,10; 1 Petr 5,8; σατανᾶς ohne Artikel Mk 3,23; Lk 22,3; 2 Kor 12,7. Zu 20,2 auch M‚••ƒy•, Morphology 196f. Die Lesart ὁ διάβολος
(ℵ
250
pc)
ist
demnach
wohl
Korrektur. So M‚••ƒy•, Morphology 193; vgl. K‡ˆxyz / B•‚Ž‹•zŒ•yz, Wb. AT 2, 1228. Deshalb ist
die
Lesart
Σατανᾶς
ohne
Artikel
(051.
1854
[2050]
˜A)
wohl
kaum
ursprünglich. Vgl. S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 68–70; BDR § 161,2. Zur Verdeutlichung des sich in die ZukunW ersteckenden Zeitraums wäre die Präposition εἰς oder ἐπί vor dem Akk. zu erwarten; so in der Regel auch in den Papyri. Vgl. M•~•yz, Gr. Pap. 2, 2 § 105 (II.b). Den Accusa‑ tivus temporis kennen (der Sache nach) auch die semitischen Sprachen; vgl. Gy•y•ƒ‑ ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ,
Hebr.
§ 118 i–k;
Sy‹•x,
MHebr.
§ 355. δέω umfasst beide Bedeutungen; vgl. auch Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 383; ungenau B•‚yz / Ax••€,
Wb. NT
Sp. 355f. Zur Konstruktion von σφραγίζω Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 1742; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1588f.
(hier
auch
zur
Stelle). Zum auch aTisch als Adverb und uneigentliche Präposition gut bezeugten ἐπάνω vgl. M•~•yz, Gr. Pap. 2, 2 § 135,5; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 573; BDR § 215; Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ,
Lex.
609.

Analyse
der
EinzelabschniTe

167

tiv. — d ἄχρι τελεσϑῇ τὰ198 χίλια ἔτη: Zwar kann griechisch im temporalen Nebensatz eigentlich nur der Indikativ oder der Konjunktiv mit der Moduspartikel ἄν (prospektiver Konjunktiv) stehen, doch findet sich auch klassisch nach ἄχρι (bzw. ἄχρις οὗ) der bloße Konjunktiv (in der Op: 7,3; 15,8; [17,17 vl;] 20,3.5).199 Korrekt ist die Verwendung des Ao‑ riststamms zum Ausdruck der „Abgeschlossenheit“ der Verbalhand‑ lung des temporalen Nebensatzes.200 Das Prädikat steht bei Subjekt im Neutrum Plural gut griechisch im Singular; vgl. bei 19,14a. Der Vers wird wiederholt in 20,5b; ähnliche Formulierungen finden sich in 15,8 und 17,17. — e μετὰ ταῦτα δεῖ λυϑῆναι αὐτὸν μικρὸν χρόνον: Hier liegt einer der in der Johannesoffenbarung seltenen Akkusative mit Infinitiv (AcI) vor; der restriktive Gebrauch dieser im Griechischen sehr häufi‑ gen Konstruktion mag dadurch bedingt sein, dass das Hebräische und Aramäische keine entsprechende Konstruktion kennen.201 Auch hier liegt eine abkürzende Ausdrucksweise vor, da der (präpositionslose) Accusativus temporis μικρὸν χρόνον eigentlich die Dauer der Verbal‑ handlung angibt. Gemeint ist: „Der Drache muss losgelassen werden (und) kurze Zeit (frei sein).“ Vgl. bei 20,2c. Der abrupte Wechsel in das Präsens zeigt
evtl.
einen
Kommentar
des
Vf.s
an.202 20,4: a καὶ εἶδον ϑρόνους b καὶ ἐκάϑισαν ἐπ’ αὐτοὺς: Ein explizites Subjekt zu ἐκάϑισαν fehlt und lässt sich auch nicht aus dem Kontext erschlie‑ ßen.203 Der parataktische Anschluss mit καί (staT eines Relativsatzes mit 198 Der Artikel τά fehlt in 051, 1154, ˜A. Zum Artikel bei χιλία ἔτη in Op 20 merkt A‚•y, Revelation (WBC) 1072, an: „The first occurrence of χιλία ἔτη is anarthrous as one might expect in the case of a new apocalyptic concept that the author assumes is unknown to the readers. The expression ‘a thousand years’ occurs six times in Reve‑ lation (20:2, 3, 4, 5, 6, 7), though in v 4 the phrase is unexpected unarthrous, and in v 6 the
presence
of
τά
is
problematic
…“ 199 Dazu BDR § 383,2; Belege bei B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 259; S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 658; Näheres zum temporalen Nebensatz ebd. 648–661; zu konjunktivischen temporalen Nebensätzen
in
den
Papyri
M•~•yz,
Gr. Pap.
2, 1
§ 47
(bes.
I.B.2). 200 Vgl.
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 299–301. 201 So M‚••ƒy•, Greek of Revelation 167f. Der AcI findet sich in der Johannesoffenba‑ rung – von drei Ausnahmen abgesehen (2,2.9; 3,9) – nur nach δεῖ, wo eine alternative Konstruktion nicht möglich ist (1,1; 4,1; 10,11; 11,5; 13,10; 17,10; 20,3; 22,6). Zum Infi‑ nitiv
nach
unpersönlichen
Ausdrücken
BDR
§ 393,1;
auch
M•~•yz,
Gr. Pap.
2, 1
§ 50.B. 202 Dazu
M‚••ƒy•,
Morphology
333. 203 Es kann hier kein unbestimmter Gebrauch der 3. Pers. Pl. („man“) vorliegen, wie er sich hebräisch und aramäisch findet (vgl. Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, Hebr. § 114 d–k; B•‚‑ yz / Ly••€yz, BAram. § 99 d); gegen A‚•y, Revelation (WBC) 1073; M‚••ƒy•, Morpho‑ logy 231. Denn 20,5c nimmt das Subjekt von 20,4b mit αὐτοῖς auf, denkt also an eine bestimmte Gruppe. Auch wenn man einen unpersönlichen Gebrauchs der 3. Pers. Pl. annimmt,
bleibt
die
Frage,
wer
sich
hier
setzt.

168

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

ἐφ’ οὗς) ist typisch für volkstümliches Erzählen.204 Der Vers erinnert zwar an Dan 7,9, weicht aber von LXX und Theod. ebenso ab wie von MT. — c καὶ κρίμα ἐδόϑη αὐτοῖς: Das Personalpronomen αὐτοῖς bezieht sich auf das (implizite) Subjekt von ἐκάϑισαν zurück, weshalb auch hier eine Identifizierung unmöglich ist.205 Der Vers könnte sich an Dan 7,22 anlehnen, wo sich bei Theod. κρίμα und δίδωμι finden. — d καὶ τὰς ψυχὰς τῶν πεπελεκισμένων διὰ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ καὶ διὰ τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ: Unklar ist, wovon der Akkusativ τὰς ψυχὰς abhängt; dem Sinn nach ist καὶ εἶδον zu ergänzen.206 Der Vers wiederholt (fast) wörtlich 6,9; διὰ τὴν μαρτυρίαν κτλ. findet sich auch 1,2.9 und 12,11. — e καὶ οἵτινες οὐ προσεκύνησαν τὸ ϑηρίον οὐδὲ τὴν εἰκόνα αὐτοῦ καὶ οὐκ ἔλαβον τὸ χάραγμα ἐπὶ τὸ μέτωπον καὶ ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτῶν: Aufgrund des καί vor dem (in‑ definiten)207 Relativpronomen οἵτινες ist der Bezug des Relativsatzes unklar. Ein syntaktisch paralleler Satz findet sich in 1,7. An beiden Stel‑ len scheint mit καί οἵτινες eine nähere Bestimmung einer zuvor genann‑ ten „Gruppe“ syntaktisch locker angeschlossen208, wobei das Relativum beinahe den Wert eines Demonstrativums annimmt.209 StaT οὐ … καὶ οὐκ stünde klassisch οὔτε … οὔτε, sowie καί staT οὐδέ.210 Zum formel‑ haWen Charakter der Phrase und zum Gebrauch von Akkusativ und Dativ nach προσκυνέω vgl. 19,20c. — f καὶ ἔζησαν καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ χριστοῦ χίλια ἔτη: Der Aorist ἔζησαν kann aufgrund des Kontextes 204 Nach A‚•y, Revelation (WBC) 1073, leitet καί hier einen Relativsatz ein (vgl. BDR § 442,4c); doch leitet καί niemals einen Relativsatz ein. Der mit καί angeschlossene Hauptsatz
ersetzt
einen
Relativsatz. 205 Nach By•xy, Revelation (NIGTC) 997, handelt es sich bei αὐτοῖς um einen Dativus commodi („zu ihren Gunsten wurde das Gericht gegeben“), mit dem die auferweckten Heiligen bezeichnet werden, die auf den Thronen sitzen. Dagegen spricht, dass die Heiligen
erst
anschließend
eingeführt
werden
(v. 4d.e). 206 Bei den von M‚••ƒy•, Morphology 100, genannten Stellen 1,20; 4,4; 14,1, liegt höchs‑ tens in 4,4 ein ähnlicher Fall vor. Das εἶδον vor ψυχάς in einigen Hss (1006. 1841. [2050] pc a) muss als spätere Einfügung gewertet werden, die diese Schwierigkeit be‑ heben
soll.
So
auch
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1073. 207 Zwischen dem individuell bestimmenden Relativpronomen ὅς und dem unbe‑ stimmt verallgemeinernden ὅστις wird im nachklassischen Griechisch nicht mehr klar
unterschieden;
vgl.
M•~•yz,
Gr. Pap.
2, 1
§ 18,1. 208 Gegen einen Bezug auf τὰς ψυχάς spricht grundsätzlich nicht das Maskulin des Rela‑ tivpronomens, da eine constructio ad sensum vorliegen kann. Analog nimmt in 1,7 καί οἵτινες
auf
πᾶς ὀφϑαλμός Bezug.
Anders
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
1001. 209 Zur Konstruktion von 20,4e vgl. auch B‚z•y~, Construction 376, der den Vers auf der Basis der hebr. Syntax erklärt; M|‚xŒ|• / H|–•z€, Gr. NT 2, 428f. Relativische Anknüpfung in demonstrativer Bedeutung findet sich sowohl im klassischen als auch nachklassischen Griechisch; vgl. M•~•yz, Gr. Pap. 2, 1 § 18,4. καί („auch“) steht in
solchen
Fällen
jedoch
auch
in
den
Papyri
nach
dem
Relativpronomen. 210 Vgl. BDR § 445; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1196f.; S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 537 und 597. Zu Abweichungen
in
der
Korrelation
in
den
Papyri
M•~•yz,
Gr. Pap.
2, 3
§ 165,7.

Analyse
der
EinzelabschniTe

169

nur ingressiv verstanden sein.211 Bei ἐβασίλευσαν dagegen handelt es sich aufgrund des damit verbundenen (hier korrekt präpositionslosen) Accusativus temporis um einen komplexiven Aorist. Das beweist jedoch nicht, dass der Vf. zumindest über ein grundsätzliches Verständnis des mit den griechischen Tempusstämmen verbundenen Aspekts verfügte. Das ingressive ἔζησαν kann auch aus Ez 37,10 (LXX) übernommen sein (worauf 20,4f anspielen könnte). Bei χίλια ἔτη wäre ein Artikel zu er‑ warten,
da
diese
bereits
aus
v. 2c
bekannt
sind.212 20,5: a οἱ λοιποὶ τῶν νεκρῶν οὐκ ἔζησαν213: Zu ἔζησαν vgl. 20,4f. — b ἄχρι τελεσϑῇ τὰ χίλια ἔτη: Der Vers wiederholt 20,3d; zum Problem des Konjunktivs im temporalen Nebensatz vgl. dort. — c αὕτη ἡ ἀνάστασις ἡ πρώτη: StaT αὕτη müsste eigentlich das Neutrum τοῦτο stehen, da das pronominale Subjekt nur dann im Genus an das substantivische Prädi‑ kat angeglichen wird, wenn es um die Beschaffenheit, nicht um die De‑ finition einer Sache geht; bei einer Definition steht es im Neutrum.214 Zum
Fehlen
der
Kopula
vgl.
19,12a. 20,6: a μακάριος καὶ ἅγιος ὁ ἔχων μέρος ἐν τῇ ἀναστάσει τῇ πρώτῃ: Wei‑ tere Makarismen in 1,3; 14,13; 16,15; 19,9; 22,7.14, doch nur hier μακάριος καὶ ἅγιος. Zum Fehlen der Kopula (Ellipse) vgl. bei 19,12a. Un‑ gewöhnlich ist die Formulierung ἔχων μέρος ἐν τῇ ἀνασατάσει τῇ πρώτῃ. μέρος bezeichnet eigentlich den Teil im Gegensatz zum Ganzen (ding‑ lich und quantitativ); davon ausgehend kann es „Anteil“ und dann „Los, Geschick“ bedeuten.215 — b ἐπὶ τούτων ὁ δεύτερος ϑάνατος216 οὐκ ἔχει ἐξουσίαν: Das Objekt, über das Vollmacht ausgeübt wird, drückt im 211 So auch A‚•y, Revelation (WBC) 1073. Der Aor. ἔζησαν wird auch sonst im NT in‑ gressiv
gebraucht
(vgl.
Röm
14,9). 212 Daher
tragen
einige
Textzeugen
den
Artikel
nach
(1006.
1841.
2030.
2377
˜K
syh). 213 Der ganze v. 5a fehlt in einigen Hss (ℵ 2030. 2053. 2062. 2377 ˜K syph; Vic Bea). Die Auslassung könnte dadurch bedingt sein, dass der unmiTelbar vorausgehende Satz (v. 4f) ebenfalls mit χίλια ἔτη endet und ein Abschreiber deshalb ein „Rutschen“ im Text nicht bemerkte. Jedoch könnte v. 5a auch bereits im ursprünglichen Text gefehlt haben. Eventuell könnte ihn ein späterer Abschreiber im Blick auf 20,3 und 20,12 eingefügt haben. Bei der Formulierung könnte er sich an dem sehr ähnlichen Vers 19,21a
orientiert
haben. 214 Vgl.
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 606f. 215 Zu Bedeutung und Konstruktion von μέρος Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 1104f.; G. Ny†y, μέρος. EWNT 2 (21992) Sp. 1007–1009. Nach D•xŽ••, Worte 103f., gibt ἔχειν μέρος ἐν das hebr. ְ‫ י ֵשׁ לְ … חֵלֶק בּ‬bzw. aram. ְ‫ אִית לְ … חֻלָקָא ב‬wieder; vgl. auch Synes. ep. 58 p. 203 A οὐκ ἔστιν τῷ διαβόλῳ μέρος ἐν παραδείσῳ (B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1024– 1026).
Zur
hebr. / aram.
Konstruktion
auch
K‡ˆxyz / B•‚Ž‹•zŒ•yz,
Wb. AT
1, 310f. 216 Die Lesart ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερος (051 ˜A) ist durch Angleichung an das vorausgehen‑ de ἐν τῇ ἀναστάσει τῇ πρώτῃ entstanden. Fraglich ist ein Einfluss des im Text späteren ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερος in 20,14b; 21,8c; zudem ist für beide Stellen die Lesart ὁ δεύτερος ϑάνατος
bezeugt.

170

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

biblischen Griechisch bei ἐξουσία (wie klassisch griechisch) meist der Genitivus obiectivus aus (vgl. Ps 135,8.9, Weish 10,24; Mt 10,1; Mk 6,7), doch findet sich daneben ἐπί + Akk. (vgl. Sir 33,20; Lk 9,1; Op 6,8; 13,7; 16,9; 22,14) und ἐπί + Gen. (Dan 3,97; Mt 9,6; Lk 5,24; Op 2,26; 11,6; 14,18).217 Zum schwankenden Kasusgebrauch nach ἐπί vgl. 19,11c. StaT des Plurals bei ἐπὶ τούτων wäre aufgrund des Rückbezugs auf den Sin‑ gular ὁ ἔχων κτλ. eigentlich ein Singular zu erwarten (Anakoluth). Bei dieser Inkonzinnität handelt es sich nicht im eigentlichen Sinn um eine constructio ad sensum.218 Auffällig ist der Wechsel vom Aorist (20,4f.) in das Präsens. — c ἀλλ’ ἔσονται ἱερεῖς τοῦ ϑεοῦ καὶ τοῦ χριστοῦ: Vom Prä‑ sens wechselt der Vf. nun in das Futur. Was in 20,4f als bereits vollen‑ det geschaut wurde (ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ χριστοῦ χίλια ἔτη), wird nun in der ZukunW erwartet (vgl. 20, 6d). — d καὶ βασιλεύσουσιν μετ’ αὐτοῦ [τὰ]219 χίλια ἔτη: Wie in 20,4f ist der (präpositionslose) Accusativus tempo‑ ris
korrekt
gebraucht. 20,7: a καὶ ὅταν τελεσϑῇ τὰ χίλια ἔτη: Klassisch griechisch stünde staT καί ὅταν wohl eher ὅταν δέ.220 Bei einem Nachsatz im Indikativ Futur steht im nachklassischen wie auch schon im klassischen Griechisch ὅταν mit Konjunktiv (prospektiver Konjunktiv) um eine Einzelhandlung auszu‑ drücken, die in der ZukunW liegt und vor der Handlung des Hauptsat‑ zes abgeschlossen ist (vgl. 11,7; 12,4).221 — b λυϑήσεται ὁ σατανᾶς ἐκ τῆς φυλακῆς αὐτοῦ: Das Futur λυϑήσεται setzt das Futur von v. 6c.d fort. Zum
Artikel
bei
Σατανᾶς
vgl.
bei
v. 2b.

217 Vgl. B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 563; Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 599; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžžƒƒƒ; M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 157. Der Gebrauch von ἐπί nach ἐξουσία mag durch die hebr. Präposition ‫ עַל‬angeregt sein; vgl. Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, Hebr. § 119 aa–dd;
Sy‹•x,
MHebr.
§ 363. 218 Gegen A‚•y, Revelation (WBC) 1073. Zur constructio ad sensum vgl. L••€}y•Œyz, Sti‑ listik
138. 219 Der Artikel ist nur unsicher bezeugt (fehlt in A 051 ˜). Da die „tausend Jahre“ durch mehrmalige Erwähnung bereits bekannt sind, wäre der Artikel zu erwarten; doch ist der
Artikel
vor
χίλια ἔτη
in
20,1–6
durchgängig
unsicher
belegt.
Vgl.
bei
v. 3d. 220 Fraglich ist, ob in καὶ ὅταν mit Tˆ|Ž›•|•, Syntax 96f., ein unmiTelbarer Einfluss des hebräischen Temporalsatzes zu sehen ist. Hier mag sich lediglich eine fehlende sys‑ tematische Unterweisung des Vf.s im (literarischen) Griechisch zeigen. Der Tempo‑ ralsatz wird im Hebr. und Aram. entweder beigeordnet (mit Einschub einer das Zeitverhältnis verdeutlichenden Partikel) oder mit Hilfe von Präposition + Relativ‑ partikel untergeordnet; zum temporalen Satzgefüge im Hebr. und Aram. vgl. My~yz, Hebr.
§ 121;
B•‚yz / Ly••€yz,
Aram.
§ 109. 221 Vgl. B|z•yŽ••• / Rƒ•„ˆ, Gr. § 286,2; M•~•yz, Gr. Pap. 2, 1 § 47 (I.B.a). Zu Problemen beim
Gebrauch
von
ὅταν
in
der
Johannesoffenbarung
M‚••ƒy•,
Morphology
344f.

Analyse
der
EinzelabschniTe

171

20, 8: a καὶ ἐξελεύσεται b πλανῆσαι τὰ ἔϑνη τὰ222 ἐν ταῖς τέσσαρσιν γωνίαις τῆς γῆς, τὸν Γὼγ καὶ Μαγώγ c συναγαγεῖν αὐτοὺς εἰς τὸν πόλεμον: Der Anschluss mit καί staT einer Hypotaxe (Finalsatz) ist Kennzeichen volkstümlichen Erzählens.223 Die Konstruktion des Satzes ist nicht ganz durchsichtig. Da συναγαγεῖν grammatisch nicht von πλανῆσαι abhängig sein kann, müssen beide Infinitive unmiTelbar von ἐξελεύσεται abhän‑ gig sein (finale Infinitive).224 Allerdings wäre ein καί vor συναγαγεῖν zu erwarten. Auch inhaltlich sind beide Infinitive parallel zu verstehen, d. h. sie ergänzen und erklären sich gegenseitig. Die Apposition τὸν Γὼγ καὶ Μαγώγ ist hier korrekt im Kasus ihrem Bezugswort τὰ ἔϑνη κτλ. angeglichen; vgl. dagegen 20,2b. Der nur vor Γώγ stehende Artikel soll offensichtlich anzeigen, dass es sich bei „Gog und Magog“ um eine un‑ trennbare Einheit handelt; vgl. bei 20,10a. Bei der Wiederaufnahme von τὰ ἔϑνη κτλ. mit αὐτοὺς liegt eine constructio ad sensum vor; vgl. dazu 19,14b. — d ὧν ὁ ἀριϑμὸς αὐτῶν ὡς ἡ ἄμμος τῆς ϑαλάσσης: Die pleonasti‑ sche Setzung des Personalpronomens nach dem Relativpronomen (Pro‑ nomen abundans) mag sich semitischem Einfluss verdanken. Sie dient in der LXX als Nachahmung der hebräischen Konstruktion (gewisse Par‑ allelen lassen sich jedoch auch im klassischen und späten Griechisch beobachten).225 Die Verwendung von ὡς beim Substantiv ist hier kor‑ rekt (anders als in 19,12a), da beide Substantive im Blick auf den (zu er‑ gänzenden) Prädikatsbegriff verglichen werden: „… deren Zahl [so groß ist] wie …“. Zum Fehlen der Kopula (Ellipse) vgl. bei 19,12a. Die stark verkürzende Ausdrucksweise ist typisch volkstümlich bzw. umgangs‑

222 Da in der Johannesoffenbarung das präpositionale ATribut stets mit wiederholtem Artikel nachgestellt ist, ist die Lesart ohne Artikel (A 051 ˜) wohl nicht die ur‑ sprüngliche.
Dazu
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1074;
vgl.
auch
bei
19,14a. 223 Das καί impliziert hier sicher einen final‑konsekutiven Sinn; vgl. zum καί finale BDR § 442,3. Dennoch muss man daraus nicht, wie Tˆ|Ž›•|•, Syntax 99, den Einfluss des biblischen Hebräisch folgern (Wiedergabe eines semitischen Finalsatzes; vgl. 4,1; 5,10;
9,19;
11,7[?];
13,7f.;
15,4;
20,10[?]). 224 Zu
Konstruktion
und
Bedeutung
von
πλανάω
Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ,
Lex.
1411. 225 Vgl. BDR § 297,1. M‚••ƒy•, Morphology 177, sieht darin eine semitische Besonderheit der Johannesoffenbarung. Dazu auch A‚•y, Revelation (WBC) „xžŸƒf.; Axx|, Apoca‑ lypse (EtB) „xžƒƒƒ; M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 156. Im Hebräischen und Aramäi‑ schen ist das Personalpronomen zur genaueren Bestimmung nötig, da das hebr. ְ‫ שׁ‬/ ‫ אֲשֶׁר‬und das aram. ְ‫ דּ‬/ ‫ דִּי‬reine Relativpartikel sind und keine Angabe über Kasus, Genus und Numerus enthalten. Vgl. Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, Hebr. § 138; Sy‹•x, MHe‑ br. § 420; SŒyŸy••|•, PAram. § 7; M|‚xŒ|• / H|–•z€, Gr. NT 2, 434f. Doch wird auch im Semitischen das Personalpronomen meist weggelassen. Es ist fraglich, ob die bei Kwˆ•yz / GyzŒˆ, Gr. II/2 § 561 Anm. 2, aufgeführten Beispiele als Belege für das Pro‑ nomen abundans im außerbiblischen Griechisch gelten können. Die Auslassung von αὐτῶν
(051.
1611
˜2)
ist
jedenfalls
als
spätere
„Textverbesserung“
zu
werten.

172

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

sprachlich. Die Wendung ὡς ἡ ἄμμος τῆς ϑαλάσσης findet sich auch in der LXX (Gen 22,7; 32,13; Jos 11,4; Hos 2,1; Jes 10,22 u. ö.), neben (der lo‑ gisch korrekteren) ἡ ἄμμος ἡ παρὰ τὴν ϑάλασσαν (1 Kön 2,35) und ähnlichen. 20,9: a καὶ ἀνέβησαν ἐπὶ τὸ πλάτος τῆς γῆς: Der Vf. wechselt vom Fu‑ tur völlig unvermiTelt in den Aorist und nimmt damit die Ebene des καὶ εἶδον in den vv. 1a.4a wieder auf. Zum schwankenden Kasusge‑ brauch nach ἐπί vgl. 19,11c; der Akkusativ zur Angabe der Richtung ist auch klassisch‑griechisch korrekt. Die Wendung τὸ πλάτος τῆς γῆς fin‑ det sich bereits in der LXX (Dan 12,2 LXX; vgl. Hab 1,6; Sir 1,3); doch ist der Sinn der Stelle unklar.226 Gemeint ist möglicherweise die (glaTe) Oberfläche der Erde. — b καὶ ἐκύκλευσαν τὴν παρεμβολὴν τῶν ἁγίων καὶ τὴν πόλιν τὴν ἠγαπημένην: κυκλεύω begegnet in der LXX nur einmal (2 Kön 3,25), im Gegensatz zu den 95 Belegen für das verwandte κυκλόω; zudem ist κυκλεύω eher neutral, während κυκλόω auch feindlich‑ militärisch gebraucht wird.227 Das καὶ in τὴν παρεμβολὴν τῶν ἁγίων καὶ τὴν πόλιν τὴν ἠγαπημένην kann zwar ein explikatives / epexegetisches228 sein, doch gibt der Text keinen Hinweis, dass das zweite Glied das erste näher bestimmen soll. Das in der LXX zahlreich belegte παρεμβολή ist ein militärischer terminus technicus, bezeichnet aber auch das Lager der Israeliten beim Zug durch die Wüste (Ex 29,14; Lev 4,12.21 u. ö.).229 — c καὶ κατέβη πῦρ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ d καὶ κατέφαγεν αὐτούς: Der Vers ist ein leicht
modifiziertes
Zitat
von
2 Kön
1,10.12
(LXX). 20,10: a καὶ ὁ διάβολος ὁ πλανῶν αὐτοὺς ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρὸς καὶ ϑείου: Das Weglassens des Artikels bei ϑείου ist gut griechisch und drückt die enge Zusammengehörigkeit mit πυρός aus.230 — b ὅπου καὶ τὸ ϑηρίον καὶ ὁ ψευδοπροφήτης: Dem Satz fehlt das Prädikat (Ellip‑ se).231 Zur derartig verkürzten Ausdrucksweise als Kennzeichen volks‑

226 So B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1341. πλάτος meint an sich die Breite oder Weite, aber auch
die
glaTe
Oberfläche
u. ä.;
vgl.
Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ,
Lex.
1413. 227 Vgl. L‚•Œ / E~•ƒ…yx / H•‚•›ƒy, Lex. LXX 359; Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ 1006. 1007; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 927f. Die Lesart ἐκυκλεύσαν ist demnach gegenüber ἐκυκλώσαν (ℵ 051. 1854. 2050. 2053. 2062 ˜A) die schwierigere und damit die wahrscheinlichere. Nach A‚•y, Revelation (WBC) 1074, ist κυκλόω zudem das gebräuchlichere und damit auch das dem Abschreiber geläufigere Wort, was ihn zu einer unbewussten Ände‑ rung
verleitet
haben
kann. 228 Zurückhaltend auch A‚•y, Revelation (WBC) 1074. Zum καί epexegeticum / explicati‑ vum
BDR
§ 442,6a;
Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ,
Lex.
857. 229 Vgl. B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1263; Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 1335; L‚•Œ / E~•ƒ…yx / H•‚•›ƒy,
Lex.
LXX
470. 230 Vgl.
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 24. 231 Vgl.
auch
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
1031.

Analyse
der
EinzelabschniTe

173

tümlicher Sprache (Umgangssprache) vgl. bei 19,12b. — c καὶ βασανισϑήσονται ἡμέρας καὶ νυκτὸς εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων: Die einfache Pa‑ rataxe mit καί ersetzt einen finalen bzw. konsekutiven Nebensatz (vgl. 20,8a).232 Der undeterminierte Genitivus temporis ἡμέρας καὶ νυκτός zur allgemeinen Zeitangabe ist gut griechisch.233 Bei εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων liegt eine semitische Steigerung vor (vgl. dazu bei 19,16b); die Phrase findet sich auch 1,6.18; 4,9.10; 5,13; 7,12; 10,6; 11,15; 19,3; 22,5. Vers
20,10c
hat
eine
Parallele
in
14,10f. Auswertung: Wie in 19,11–21 überwiegt auch in 20,1–10 die Parataxe, wobei die einfachen und kurzen Hauptsätze mit καί aneinander gereiht werden; ein expliziter adversativer Anschluss (ἀλλά) findet sich in 20,6c. Hypotaktische Verbindungen sind selten: eine aufwändigere in 20,3, wo von einem finalen Nebensatz (ἵνα) ein temporaler Nebensatz (ἄχρι) abhängig ist; einfachere als temporale Nebensätze in 20,5b (ἄχρι) und 20,7a (ὅταν), als Relativsätze in 20,8d.10b. Das Vorherrschen der Parataxe und die zahlreichen Ellipsen (20,5b.6a.8d.10b) sind Kennzei‑ chen eines volkstümlichen Stils. Insgesamt fehlen Formen des sprachli‑ chen Ausdrucks, die für eine höhere Stilebene typisch wären. Wortfolge und Satzbau entsprechen in der Regel der einfachsten (habituellen) griechischen
Ordnung.234 Semitischem Einfluss verdankt sich das Pronomen abundans im Rela‑ tivsatz in 20,8d und die Steigerung εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων in 20,10c, eventuell auch die Formulierungen ἔχειν τίνα ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτοῦ (20,1b), ἔχειν μέρος ἐν τῇ ἀναστάσει τῇ πρώτῃ (20,6a) und ἔχειν ἐξουσίαν ἐπί τινος (20,6b). Nichts davon deutet auf einen exklusiv biblisch‑he‑ bräischen Hintergrund und damit auf einen gesucht biblischen Stil. Die sprachlichen und inhaltlichen Probleme in 20,4 lassen sich auf der Basis der semitischen Syntax nicht befriedigend erklären. Vielmehr zeigt sich hier wie schon in 19,11–21, dass der Vf. im Griechischen nur über be‑ grenzte sprachlich‑literarische Ausdrucksfähigkeiten verfügte. Dies be‑

232 Zur Parataxe mit καί staT eines final‑konsekutiven Nebensatzes A‚•y, Revelation (WBC) 1074 (Literatur); BDR § 442,3; Tˆ|Ž›•|•, Syntax 99. Man muss hier nicht, wie M‚••ƒy•, Morphology 342, bei dem mit καί angeschlossenen Futur die Wiedergabe eines
hebr.
Impf.
in
Erwägung
ziehen. 233 Vgl.
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 112f.;
BDR
§ 186,2. 234 Die habituelle (oder usuelle) Wortfolge, die in der „kunstlosen“, alltäglichen Rede im Unterschied zur okkasionellen der Literatursprachen, insbesondere der Kunst‑ prosa vorherrscht, ist im Griechischen Subjekt (sofern nicht im Verb enthalten), Prä‑ dikat, Objekte und adverbiale Bestimmungen. Ausführlich zur Wortstellung im grie‑ chischen
Satz
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 690–698.

174

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

legen die Nominativ‑Apposition in 20,2b, der bloße Konjunktiv im Temporalsatz (20,3d.5b; als prospektiver Konjunktiv in 20,7a) und an‑ dere kleinere Auffälligkeiten (vgl. 20,3.5c.8a–c.9a). Dies alles spricht für einen muTersprachlichen Einfluss bei einem primär bilingualen Semi‑ ten. Für die Beantwortung der Frage, ob es sich bei dessen MuTerspra‑ che um Aramäisch oder Mischna‑Hebräisch handelt, lassen sich auch aus
diesem
TextabschniT
keine
eindeutigen
Hinweise
gewinnen. Biblische Zitate sind in 20,1–10 weit seltener als in 19,11–21. Hinter der undurchsichtigen Stelle 20,4a–c scheint möglicherweise Dan 7,9.22 (Theod.?) auf und 20,9c zitiert 2 Kön 1,10.12 (LXX); weitere der LXX entnommene Phrasen finden sich in 20,8d.9a.235 Dies deutet darauf hin, dass der Vf. mit der TexTradition der LXX vertraut ist.236 Außerdem wiederholen einige Verse nahezu wörtlich frühere AbschniTe (20,1a.2b. 4d.e.8c.10a.c). Auffällig ist, dass sich in 20,2b und 20,4d.e derartige wörtliche Wiederholungen mit sprachlichen Problemen überschneiden. Da es sich bei beiden Stellen um inhaltlich zentrale Aussagen handelt, scheint dies die Annahmen von G. K. Beale zu bestätigen, dass die sprachlichen Auffälligkeiten und Härten in der Johannesoffenbarung als Textsignale zu verstehen sind.237 Doch spricht dagegen, dass nahezu jeder Satz irgendeine sprachliche Auffälligkeit aufweist, was die These von G. K. Beale ad absurdum führt, da nur noch der Schluss möglich ist: Alles
ist
wichtig! Auffällig aber bleibt, dass sprachliche und inhaltliche Probleme ge‑ häuW an den Übergängen von 20,3 zu 20,4 und von 20,6 zu 20,7 auWre‑ ten. Vor allem ist hier das Futur in 20,7f. zu nennen, das die Weissa‑ gung aus 20,6 fortzusetzen scheint, bevor der Vf. in 20,9f. – ohne erneute Einleitung mit καὶ εἶδον – in den Aorist und damit den Stil der Visionsberichte (vgl. 20,1–3.4f.) wechselt. Eine Erklärung dieses Tem‑ puswechsels auf der Basis semitischer Syntax befriedigt ebenso wenig wie eine psychologische.238 Der Wechsel vom Aorist in das Präsens in

235 Nach Cˆ•zxy•, Revelation 1, xžžŸf., ist 20,4 eine unmiTelbare Übersetzung des ara‑ mäischen Textes von Dan 7,9.22.26; für die beiden Zitate in 20,9 (Hab 1,6; 2 Kön 1,10) hält
er
zumindest
einen
Einfluss
der
LXX
für
möglich
(ebd.
xžžƒž). 236 Mit
S–yŒy,
Revelation
„xŸ;
gegen
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, xžŸƒ–xžŸƒƒƒ. 237 Ausführlich
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
100–103. 238 Gegen die „semitische“ Erklärung bei Tˆ|Ž›•|•, Syntax 49, und die „psychologi‑ sche“ bei M‚••ƒy•, Morphology 334–336. Zu Recht merkt deshalb B|‚••yŒ, Offenba‑ rung (KEK) 168f., an: „Da in der Apk die Fiktion festgehalten wird, daß der Apok. die Dinge, die er weissagt, vor Augen sieht, so ist die Schilderung im Futur eigent‑ lich jedesmal eine Inkonsequenz, ein Aus‑der‑Rolle‑fallen, und deshalb wird diesel‑ be
auch
niemals
konsequent
durchgeführt.“

Analyse
der
EinzelabschniTe

175

20,3e und vom Aorist in das Präsens bzw. Futur in 20,6 dagegen lässt sich unproblematisch erklären: An beiden Stellen wechselt der Vf. von einem Visionsbericht zu einem Verfasserkommentar.239 Zu den sprach‑ lichen Problemen kommen in 20,1–10 verstärkt inhaltliche, die ein Ver‑ ständnis des Textes an einigen Stellen unmöglich machen. Besonders sind hier 20,4 und 20,8f. zu nennen. Auf dieses Problem wird nochmals genauer
einzugehen
sein.

(3) Struktur In 20,1–10 beginnen nur die beiden ersten AbschniTe mit der Visi‑ onseinleitungsformel καὶ εἶδον (20,1a.4a). Beim driTen AbschniT be‑ dient sich der Vf. der Technik der Wiederaufnahme (20,3c–e und 20,7f.), um den ersten und driTen AbschniT (20,1–3.7–10) besonders eng mit‑ einander zu verknüpfen und einen deutlich erkennbaren Rahmen für den
miTleren
AbschniT
(20,4–6)
zu
schaffen.240 20,1–3: Die Visionseinleitungsformel καὶ εἶδον mit folgendem AcP (20,1a) und davon abhängigem adverbialen Partizip (20,1b) bildet die Exposition der Vision 20,1–3. Sie nennt den Akteur und die Requisiten der folgenden Handlung. Die beiden Requisiten – der „Schlüssel des Abgrunds“ und die „große KeTe“ in der Hand des Engels – weisen auf die beiden zentralen Handlungen der Vision voraus, das Binden des Drachen (20,2c) und Verschließen des gebundenen Drachen im Ab‑ grund (20,3bα). Dabei erscheinen die beiden Werkzeuge in der umge‑ kehrten Reihenfolge der ihnen zugehörigen Handlungen und werden bei diesen nicht nochmals genannt. Den beiden Haupthandlungen geht jeweils eine vorbereitende Handlung voran: das Ergreifen des Drachen (20,2a) vor dem Binden und das Werfen des Drachen in den Abgrund (20,3a) vor dem Verschließen. Dem Verschließen des Abgrundes folgt als fünWe Handlung die Versiegelung des Abgrunds, d. h. seiner Öff‑ nung (20,3bβ); dadurch soll das vorhergehende Versperren bekräWigt werden. Das dafür notwendige Siegel wird im Unterschied zu KeTe und
Schlüssel
in
20,1
nicht
genannt. Die im ἵνα‑Satz (20,3c) gegebene finale Begründung bezieht sich nicht nur auf das unmiTelbar vorangehende ἐσφράγισεν, sondern auf

239 Zum
Verfasserkommentar
(Kommentierung)
Byz‹yz,
Formgeschichte
247–249. 240 Vgl.
Gƒ†xƒ•,
Revelation
(GNS)
185.

176

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

die Gesamtheit der fünf genannten Handlungen. Durch einen tempora‑ len Nebensatz (ἄχρι 20,3d) wird dieser Zweck auf „tausend Jahre“ be‑ grenzt. Das darin implizierte „Danach“ macht der Vers 20,3e in einem durch den Wechsel in das Präsens angezeigten Vf.‑Kommentar explizit, der eine „theologische“ Begründung der zeitlichen Beschränkung der Fesselung
des
Drachen
auf
„tausend
Jahre“
geben
soll
(δεῖ).241 20,1 ἔχοντα (a) τὴν κλεῖν τῆς ἀβύσσου (b) καὶ ἅλυσιν μεγάλην ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτοῦ 20,2 Vorbereitung: καὶ ἐκράτησεν τὸν δράκοντα
… Verweis
auf
12,9 (b) Ausführung: καὶ ἔδησεν αὐτὸν χίλια ἔτη 20,3

Vorbereitung: καὶ ἔβαλεν αὐτὸν εἰς τὴν ἄβυσσον (a) Ausführung: καὶ ἔκλεισεν καὶ ἐσφράγισεν ἐπάνω αὐτοῦ, Begründung: ἵνα μὴ πλανήσῃ ἔτι τὰ ἔϑνη ἄχρι τελεσϑῇ τὰ χίλια ἔτη …

Verweis
auf
12,9

Da die Nennung der zeitlichen Begrenzung der Fesselung des Drachen in 20,2c inhaltlich überflüssig ist, könnte die – grammatisch auffällige – Einfügung von χίλια ἔτη formale Gründe haben. Eventuell soll damit die
erste
Haupthandlung
(ἔδησεν αὐτόν)
akzentuiert
werden. Der AbschniT 20,1–3 ist in sich formal und inhaltlich zwar weitge‑ hend stimmig. Doch taucht der Drache in 20,2a ähnlich unvorbereitet auf wie das Tier in 19,19a und der Lügenprophet in 19,20a. Dem steht – analog zum Lügenpropheten – seine Charakterisierung miTels einer Apposition gegenüber, die ihn im Kontext des Gesamtwerkes verortet. Denn diese Apposition wiederholt wörtlich 12,9 und erinnert damit an den Sturz des Drachen vom Himmel auf die Erde und die damit ver‑ bundene Verfolgung der endzeitlichen Heilsgemeinde (12,7–17).242 Wie in 19,20 dient auch hier die Charakterisierung als Schuldaufweis und Begründung der Bestrafung des Drachen. Unverständlich bleibt die zeitliche Begrenzung der Fesselung des Drachen auf „tausend Jahre“,

241 So H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 194; S–yŒy, Revelation 261. Dazu auch Byz‹yz, Formgeschichte 291: „Besondere Beachtung verdienen auch Vaticinien, die mit gr. ‚dei‘ (‚es ist notwendig, daß‘) formuliert sind (z. B. Lk 13,33; Act 27,24; Apk 20,3b). Ein Zitat aus Dan 2,28f. LXX liegt bei dieser Verwendung nicht vor, vielmehr ist die Wendung über apokalyptische SchriWen des Judentums aus der Geschichtsanschau‑ ung Herodots und der Tragödie herzuleiten und dort auch im entsprechenden Sinn belegt:
Was
notwendig
geschieht,
entspricht
und
entspringt
dem
Willen
der
GöTer.“ 242 Vgl.
Kz•}Œ,
Offenbarung
(HNT)
235f.

Analyse
der
EinzelabschniTe

177

da davon bisher in der Johannesoffenbarung noch nicht die Rede war und auch hier jede Erklärung fehlt. Das simple δεῖ ist bestenfalls Re‑ kurs
auf
den
unergründlichen
göTlichen
Willen. 20,4–6: Der Anfang dieses AbschniTes birgt – wie schon erwähnt – eini‑ ge sprachliche und inhaltliche Probleme. Von καὶ εἶδον ist nur das Ak‑ kusativobjekt ϑρόνους abhängig (20,4a). UnmiTelbar anschließend ist von nicht näher bestimmten Personen die Rede, die auf ihnen Platz nehmen und die mit richterlichen Kompetenzen (κρίμα) ausgestaTet werden (20,4b.c). An wen hier gedacht ist, wird auch im weiteren Ver‑ lauf der Vision nicht einsichtig.243 In grammatisch undurchsichtiger Weise folgt in 20,4d ein weiterer „Gegenstand“ der Vision: die „See‑ len“, die GoT und Jesus bis in den Tod die Treue bewahrt haben (τὰς ψυχὰς τῶν πεπελεκισμένων διὰ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ καὶ διὰ τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ κτλ.)244. Der Vf. stellt hier einen zweifachen Bezug zum Gesamtwerk her. Denn zunächst bezeichnet der Vf. die „Seelen“, die er schaut, mit bei‑ nahe denselben Worten wie in 6,9 die „Seelen“, die unter dem himmli‑ schen Rauchopferaltar von GoT Vergeltung forderten. Damit wird an‑ gedeutet, dass GoT ihren Ruf erhört hat und ihnen nun durch ihre Teilnahme an der „ersten Auferstehung“ Recht scha•. Die folgende zusätzliche Charakterisierung greiW wie schon 19,20b.c auf 13,11–18 zurück. Dadurch werden die „Seelen“ als diejenigen ausgewiesen, die der Propaganda des zweiten Tieres, d. h. des Lügenpropheten, um den Preis ihres Lebens widerstanden. Wie diese formelhaWe Phrase in 19,19–21 als Schuldaufweis den Grund für die Bestrafung von Tier und Lügenprophet angab, so gibt sie nun den Grund einer besonderen Be‑ lohnung an (20,4). Diese Belohnung besteht in neuem Leben (ἔζησαν) und
in
der
HerrschaW
mit
dem
Messias.
 Dieser Belohnung wird in 20,5a das Geschick der „übrigen Toten“ gegenübergestellt (οὐκ ἔζησαν). Auch hier wird wie bei der Fesselung

243 Eine Identifizierung der auf den Thronen Sitzenden mit den im Folgenden genann‑ ten Auferweckten bei Gƒ†xƒ•, Revelation (GNS) 185; H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 195; Z•ˆ•, Offenbarung 594; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 431f. Gegen diese Deutung B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 437; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 335f.; Wƒ…y•‑ ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 147. Vgl. auch Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 256f. Nach Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 182f., ist καὶ εἶδον τοὺς ϑρόνους καὶ ἐκάϑισαν ἐπ’ αὐτούς καί κρίμα ἐδόϑη αὐτοῖς entweder eine auf Dan beruhende Randglosse oder die beiden Sätze
standen
ursprünglich
erst
nach
ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτῶν. 244 Zu διὰ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ καὶ διὰ τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ als Bezeichnung der stand‑ haWen
Christen
D. Hƒxx,
Prophecy
411–414;
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1085–1088.

178

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

des Drachen eine Beschränkung auf „tausend Jahre“ eingeführt, die den Blick auf das „Danach“ öffnet. Ob es sich um dieselben „tausend Jahre“ wie in 20,1–3 handelt, lässt sich aus 20,4f., trotz der mit 20,3d identischen Formulierung ἄχρι τελεσϑῇ τὰ χίλια ἔτη in 20,5b, nicht mit Sicherheit schließen. Allerdings zwingt die Stellung des AbschniTes zwischen 20,1–3 und dessen Fortsetzung in 20,7–10 zu der Annahme, dass die „tausend Jahre“ der HerrschaW der Auferweckten mit Christus gleichzeitig sind mit den „tausend Jahren“ der GefangenschaW des Dra‑ chen.245 Die eigentliche Vision schließt in 20,5c mit einem Kommentar, der das Geschaute in einer Definition deutend zusammenfasst. Ein Ma‑ karismus setzt in 20,6a den Kommentar fort und stellt als implizite An‑ rede eine unmiTelbare Verbindung zwischen der Vision in 20,4f. und den Lesern/Hörern her. Der Makarismus geht in eine futurisch for‑ mulierte Verheißung über, die das zukünWige Heil zunächst ex negativo (20,6b), dann ex positivo (20,6c.d) formuliert. Inhaltlich zeigt der Maka‑ rismus eine gewisse „Asymmetrie“: Den Gegensatz zum „zweiten Tod“ bildet streng logisch eigentlich nicht die „erste Auferstehung“, sondern die
Teilnahme
am
Heil
der
neuen
Schöpfung
in
21,1–8. Für das Verständnis von Inhalt und Struktur von 20,4–6 ist wichtig, dass ein Makarismus immer eine (indirekte) Mahnung oder gar War‑ nung an die Adressaten beinhaltet: Er ist eine Aufforderung an die Leser/Hörer, so zu leben, dass sie selig (μακάριος) gepriesen werden können, d. h. den Zustand des Heils erlangen.246 Die Voraussetzungen für den Heilsgewinn nennt der Makarismus in 20,6 nur indirekt: Selig ist, wer die „erste Auferstehung“ erlangt. Die Voraussetzung für die Teilnahme an der „ersten Auferstehung“ formuliert aber die vorausge‑ hende Vision in 20,4d.e: die Verweigerung der Anbetung des Tieres bzw. seines Bildes und des Empfangs seines Zeichens (χάραγμα) bis hin zum Einsatz des eigenen Lebens (ψυχὰς τῶν πεπελεκισμένων κτλ.). Ge‑ genüber dieser Charakterisierung der Auferweckten treten alle anderen Elemente der Vision in den Hintergrund, so dass die Vision seltsam farblos und unanschaulich wirkt. Dieses zentrale Element, d. h. die Identifizierung der „Seelen“, kann jedoch nicht unmiTelbar Gegen‑ stand der Schau sein, sondern bedürWe an sich der VermiTlung durch eine Art angelus interpres; auch hier unterläuW der Vf. also wieder seine Wahl
der
GaTung
„Visionsbericht“
(so
schon
bei
19,11–16).

245 Ähnlich
S–yŒy,
Revelation
261;
H•zzƒ•‹Œ|•,
Revelation
(SacrP)
199. 246 In diesem Sinn auch U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 339f.; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT)
435;
ders.,
Gericht
44–46.

Analyse
der
EinzelabschniTe

179

Für die eigentliche „Handlung“ der Vision, die immerhin einen Zeitraum von „tausend Jahren“ umfasst, genügen zwei Verben mit einer präpositionalen Erweiterung: ἔζησαν καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ χριστοῦ (20,4). Über die näheren Umstände und die Art dieses „Herr‑ schens“ erfährt man nichts, so dass sich der Leser/Hörer letztlich auch kein Bild dieser Heilszeit machen kann.247 Dies zeigt, dass die GaTung Visionsbericht letztlich nicht konsequent durchgeführt wird. Denn die Vision selbst hat kein Gewicht; es kommt allein auf die als Mahnung an die Adressaten intendierte Charakterisierung der Auferweckten an.248 Vielleicht ist deshalb eine genaue Identifizierung derer, die in 20,4a–c auf den Thronen Platz nehmen, für den Vf. nicht relevant. Für ihn zählt allein, durch den ungefähren Anklang an Dan 7 das Bild des göTlichen Gerichtshofes zu evozieren, vor dem sich der im Makarismus angere‑ dete Hörer/Leser gestellt wissen soll.249 Dies soll nicht die offenkundi‑ gen kompositorischen und stilistischen Mängel des Textes beschönigen; denn am Text ist das Ziel des Vf.s ebenso erkennbar wie auch sein Scheitern
an
den
eigenen
sprachlichen
und
literarischen
Fähigkeiten. 20,7–10: Der unmiTelbare Anschluss an 20,4–6 durch Wiederaufnahme des abschließenden Stichworts χίλια ἔτη zeigt, dass der Vf. die „tausend Jahre“ der Fesselung des Satans und die „tausend Jahre“ der Herr‑ schaW der Auferweckten mit Christus als identisch ansieht. Die Aufer‑ weckten herrschen, während und solange der Drache im Abgrund ge‑ fesselt ist. Zugleich stellt 20,7 durch die Wiederaufnahme von 20,3d.e die Verbindung zur Fesselung des Drachen (20,1–3) her. Formal zerfällt der AbschniT in zwei Blöcke, eine Vorhersage im Futur (20,7–8) und einen Visionsbericht im Aorist (20,8–9), letzterer allerdings ohne das einleitende Signalwort εἶδον.250 Formal setzt das Futur in 20,7–8 die Vorhersage in 20,6 fort, inhaltlich aber bilden die Verse 20,7–8 die Expo‑ sition einer neue „Szene“.251 Sie ordnen die Handlung zeitlich ein (20,7a ὅταν) und nennen den Protagonisten und die „Voraussetzungen“ der folgenden
Vision
(20,7b.8).

247 Dazu S–yŒy, Revelation 264–267; Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 148. Dass die „tausendjährige HerrschaW“ auf Erden erfolgt, wie unter anderen H•€|z•, Offenba‑ rung
(ThHK)
196,
vermutet,
ist
zwar
plausibel,
davon
aber
steht
nichts
im
Text. 248 Ähnlich
schon
H•€|z•,
Offenbarung
(ThHK)
196. 249 Eine Reminiszenz an den himmlischen Gerichtshof sehen in 20,4a–c auch B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 437; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 335f.; Sƒ„…y•†yz‹yz, Jo‑ hannesapokalypse
174. 250 Vgl.
auch
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
438. 251 Vgl.
S–yŒy,
Revelation
267.

180

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Diese Exposition ist auffallend ausführlich. Indem am Satan, dem Protagonisten der Vision, gehandelt wird (Passiv: λυϑήσεται), bevor er selbst aktiv werden kann (Aktiv: ἐξελεύσεται), kommt zum Ausdruck, dass er nur miTelbar Handelnder ist, d. h. er kann nur tätig werden, weil man ihn gewähren lässt. Der eigentlich Handelnde wird durch das Passiv zwar verhüllt, doch ist dabei wohl am GoT gedacht (Passivum di‑ vinum). Der Satan kann so seine durch die Fesselung im Abgrund un‑ terbrochene Verführungstätigkeit wieder aufnehmen (πλανῆσαι τὰ ἔϑνὴ vgl. 20,3). Die vom Satan verführten Völker werden durch ihre geogra‑ phische Verortung („an den vier Ecken der Erde“) und die Nennung ih‑ res Namens („Gog und Magog“) zunächst näher bestimmt (20,8a). An‑ schließend wird die Verführungstätigkeit des Satan als συναγαγεῖν εἰς τὸν πόλεμον präzisiert (20,8b). Der folgende Verweis auf die große Zahl der anstürmenden Völker („wie der Sand des Meeres“) konstatiert den Erfolg
des
Satans
und
leitet
zur
eigentlichen
Vision
über
(20,8c). Zunächst steht das Scheitern der vom Satan verführten Völker im MiTelpunkt. Dieses wird auch grammatisch umgesetzt (vgl. die folgen‑ de Übersicht): Vom Subjekt (20,9a.b ἐκύκλευσαν) werden die Völker zum Objekt (20,9c.d κατέφαγεν αὐτούς). Hinzu kommt der symmetri‑ sche Bau von 20,9: Den beiden zentralen Handlungen ἐκύκλευσαν und κατέφαγεν gehen die beiden korrespondierenden Prädikate ἀν-έβησαν und κατ-έβη voran. Dieser in den vier Verben ausgedrückte Gegensatz signalisiert den Umschwung innerhalb 20,7–10, der auch den Satan be‑ tri•: Die ihm in 20,7 zugestandene Handlungsfähigkeit wird in 20,10 wieder aufgehoben. Erneut wird er zum Subjekt eines passiven Verbs: ἐβλήϑη. Nach Art eines Schuldaufweises wird der Satan in 20,10a im Rückgriff auf den von ihm initiierten Völkersturm (20,8) als ὁ πλανῶν αὐτούς (i. e. τὰ ἔϑνη, die Heiden) apostrophiert.252 Die Ewigkeit und Un‑ ablässigkeit seiner Strafe kontrastiert der in 20,7 erinnerten tausendjäh‑ rigen Dauer der vorangegangenen Fesselung. Der nachdrückliche Hin‑ weis, dass er sein Geschick mit Tier und Lügenpropheten teilt (vgl. 19,20), dient kompositorisch der Verklammerung von 20,1–3.7–10 mit 19,11–21. Darüber hinaus wird durch die Nennung von Tier und Lü‑ genprophet nochmals Op 13 in Erinnerung gerufen: In Tier und Lü‑ genprophet manifestierte sich die FeindschaW des Drachen gegen

252 Objekt zu πλανᾶν sind in der Johannesoffenbarung – mit Ausnahme von 2,20 – die Heidenvölker bzw. die Welt, nicht die Christen. Dennoch bedeutet die mit πλανᾶν bezeichnete Schuld des Drachen 20,8.10 (vgl. 12,9) seine FeindschaW gegen GoT, weil Ziel seiner Verführung der Krieg der Heidenvölker gegen GoTes Heilsgemeinde ist. Vgl.
H. Bz•‚•,
πλανάω κτλ.
ThWNT
6
(1959)
230–254,
hier
248f.

Analyse
der
EinzelabschniTe

181

GoTes eschatologische Heilsgemeinde, der nun durch GoTes Eingriff ein
definitives
Ende
gesetzt
ist. Damit ergibt sich eine konzentrische Struktur des AbschniTes 20,7– 10, bei der die Freilassung und Ermächtigung des Satan (20,7–8) seiner Ohnmacht und Bestrafung (20,10) gegenüberstehen. Zwischen beiden liegt
der
gescheiterte
Völkersturm
(20,9). (a) καὶ ὅταν τελεσϑῇ τὰ χίλια ἔτη (b) λυϑήσεται ὁ σατανᾶς ἐκ τῆς φυλακῆς αὐτου 20,8 καὶ ἐξελεύσεται πλανῆσαι τὰ ἔϑνη κτλ. 20,9 (c) καὶ ἀνέβησαν ἐπὶ τὸ πλάτος τῆς γῆς καὶ ἐκύκλευσαν τὴν παρεμβολὴν τῶν ἁγίων καὶ τὴν πόλιν τὴν ἠγαπημένην (c) καὶ κατέβη πῦρ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καὶ κατέφαγεν αὐτούς 20,10 (b) καὶ ὁ διάβολος ὁ πλανῶν αὐτοὺς ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρὸς καὶ ϑείου κτλ. (a) καὶ βασανισϑήσονται ἡμέρας καὶ νυκτὸς εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων. 20,7

Da der zentrale AbschniT 20,9 in zwei symmetrische AbschniTe zer‑ fällt, markiert τὴν παρεμβολὴν τῶν ἁγίων καὶ τὴν πόλιν τὴν ἠγαπημένην gleichsam das Zentrum der Komposition. Dies verdeutlicht, dass die Verführung des Satans keine allgemeine und unbestimmte ist, sondern auf den „Krieg“ gegen GoTes Heilsgemeinde zielt (vgl. 12,9.17). Darin liegen seine Schuld und damit der Grund seiner Bestrafung. Damit schließt sich ein inhaltlicher Bogen zu 20,1–3: Der Satan exerziert seine FeindschaW gegen GoTes endzeitliche Heilsgemeinde, indem er sich der Völker bedient (πλανᾶν in 20,3.8). Dieses Thema, das erstmals in Kap. 12
anklang,
schließt
20,1–3.7–10
auch
mit
20,4–6
zusammen. Da der Drache oder Satan, solange er frei ist, die Völker zum Krieg gegen die Heilsgemeinde verführt, kann diese nur dann in Ruhe und Frieden auf der Erde wohnen, wenn der Satan gefangen ist, d. h. seine Verführungstätigkeit nicht ausüben kann.253 Deshalb ist die Fesselung des Drachen für „tausend Jahre“ Voraussetzung eines tausendjährigen irdischen Friedensreiches und deshalb sind die „tausend Jahre“ in 20,1–3.7–10 und 20,4–6 identisch. Doch von einem derartigen Friedens‑ reich findet sich in 20,4–6 nicht mehr als ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ χριστοῦ χίλια ἔτη (20,4). Außerdem darf nicht übersehen werden, dass an der „tausendjährigen HerrschaW mit Christus“ nur die Auferweckten teil‑ nehmen (20,4). Dadurch gibt der Vf. der Johannesoffenbarung seinen Adressaten zu verstehen, dass sie in ihrem jetzigen Leben und in dieser

253 Vgl.
Wƒ…y•ˆ•‚•yz,
Offenbarung
(RNT)
145.

182

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Welt nicht mit einem definitiven Umschwung rechnen können und dürfen, nicht einmal in der irdischen Heilszeit des Millenniums (20,2– 10); denn der Satan kommt noch einmal frei und nimmt seine Verfüh‑ rungstätigkeit wieder auf. Erst die „neue Schöpfung“ (21,1–8) bringt einen radikalen Umschwung. Im Vordergrund steht – wie auch der Makarismus in 20,6 zeigt – die Frage der Heilsbewährung: Letztlich geht es nicht um die „tausend Jahre“, sondern um die Bewahrung vor dem „zweiten Tod“.254 Diese Beobachtung ist entscheidend für die Fra‑ ge nach der Funktion der Millenniumsvision; durch den Makarismus jedenfalls ist ein starker Akzent auf das Moment der Ermahnung, nicht der
Tröstung
der
Adressaten
gelegt.255 An 20,7–10 zeigt sich zudem deutlich, dass der Vf., obwohl er die einzelnen Visionen zueinander sehr wohl in Beziehung setzt, im Detail nicht auf Stimmigkeit achtet. In 20,8 werden völlig unvermiTelt Gog und Magog, die Völker an den vier Ecken der Erde, eingeführt. Wer sie sind und wo sie während der „tausend Jahre“ waren, spielt keine Rol‑ le.256 Mögen diese Völker und ihre Bedeutung den Adressaten auch aus der allgemeinen apokalyptischen Überlieferung bekannt sein, so bleibt dennoch unklar, ob der Vf. für die „tausend Jahre“ auf der Erde ein Ne‑ beneinander von Auferweckten und Noch‑Lebenden annimmt und wie sich
dieses
gegebenenfalls
gestaltet. Unklar ist auch, was sich der Hörer/Leser unter ἡ παρεμβολὴ τῶν ἁγίων καὶ ἡ πόλις ἡ ἠγαπημένη vorzustellen hat. Dass es sich um die „Wohnungen“ der Heilsgemeinde aus 20,4–6 handelt, lässt sich nur vermuten.257 Der Text lässt alle diese Fragen offen. Dafür mag sicherlich zum Teil die Gleichgültigkeit des Vf.s gegenüber allem Nebensächli‑ chen verantwortlich sein. In gleichem Maße sind dafür aber auch die begrenzten sprachlichen und literarischen Fähigkeiten des Vf.s verant‑ wortlich zu machen, was sich z. B. an dem unerklärlichen Wechsel vom Futur in den Aorist zeigt. Insgesamt gewinnt man – wie bereits in 254 Deshalb kann man nicht wie Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 418, sagen, dass der Vf. die „Vorstellung der tausendjährigen MitherrschaW der vollendeten Heilsgemeinde“ be‑ nutzt, um die „Aufmerksamkeit [seiner Adressaten] auf die Vollendung des Heils“ zu
lenken. 255 Ausführlich
dazu
bei
AbschniT
IV. 4c. 256 Rƒ••ƒ, ZukunW 38, deutet „Gog und Magog“ als ein Heer der Toten oder Dämonen; vgl. auch Gƒ†xƒ•, Revelation (GNS) 188. Der Text selbst bietet dafür jedoch keine ein‑ deutigen Anhaltspunkte. Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 151, denkt an Völker, die „außerhalb des ehemaligen Machtbereichs der großen Stadt Babylon wohnen“; ähnlich
H•€|z•,
Offenbarung
(ThHK)
200. 257 So deutet neben anderen Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 151, τὴν παρεμβολὴν τῶν ἁγίων καὶ τὴν πόλιν τὴν ἠγαπημένην.

Analyse
der
EinzelabschniTe

183

19,11–21 – den Eindruck, dass der Vf. sehr wohl klare Vorstellungen hat, bei ihrer Umsetzung aber immer wieder an seinen literarischen und
sprachlichen
Fähigkeiten
scheitert.

(4) Traditions‑
und
Quellenkritik Der in 19,11–16 ausführlich charakterisierte Messias verschwindet in 20,1–10 weitgehend aus dem Blickfeld; er wird nur in 20,4f.6d in Zu‑ sammenhang mit dem Herrschen der Auferweckten erwähnt (ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ χριστοῦ bzw. βασιλεύσουσιν μετ’ αὐτοῦ). Auch die „End‑ schlacht“ in 19,19–21 scheint völlig vergessen. Dafür triT erneut der Drache auf; doch überrascht es, dass seine beiden Helfer, Tier und Lü‑ genprophet, in 19,20 von GoT selbst beseitigt wurden, wohingegen für die Ausschaltung des Drachen ein Engel genügt. Auch wird der Drache anders als Tier und Lügenprophet nicht sofort vernichtet, sondern zu‑ erst in den Abgrund (ἀβύσσος) gesperrt, was damit begründet wird, dass seine Tätigkeit als Verführer der Völker für tausend Jahre unter‑ bunden
werden
soll. Der Drache wurde zwar in 12,9 ὁ πλανῶν τὴν οἰκουμένην ὅλην ge‑ nannt, doch erscheint er nirgends unmiTelbar in dieser Tätigkeit. Der eigentliche Verführer ist das zweite Tier, d. h. der Lügenprophet (13,14; 19,20). Außerdem stellt sich die Frage, ob nach der Endschlacht in 19,19–21 überhaupt noch Menschen auf Erden am Leben sind, die der Drache verführen könnte.258 Deshalb überrascht es, wenn der Drache nach seiner Freilassung Völker verführt, die sich „an den vier Ecken der Erde“ befinden, den Namen „Gog und Magog“ tragen und zahl‑ reich sind „wie der Sand am Meer“ (20,8–9). Diese Völker ziehen gegen das „Lager der Heiligen“ und die „geliebte Stadt“ (20,9). Dabei ist wohl an Jerusalem zu denken, doch war in 20,4–6 von Jerusalem oder über‑

258 By•xy, Revelation (NIGTC) 980f., sieht darin, dass der Satan daran gehindert werden soll, weiterhin Völker zu verführen, obwohl nach 19,19–21 niemand mehr am Leben zu sein scheint, den entscheidenden Hinweis für eine nicht‑zeitliche Abfolge von Op 19,11–21 und 20,1–10. 20,4–6 mit der Unterscheidung in solche, die auferstehen, und solche, die nicht auferstehen, verbunden mit der Alternative „erste Auferste‑ hung“ und „zweiter Tod“, legt jedoch nahe, dass vor Beginn des Millenniums alle Menschen tot und folglich in 20,1–3 keine Menschen mehr am Leben sein können. Vgl. dazu auch Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 434f. H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 194f., nimmt aufgrund der Bemerkung über die erneute Verführung der Völker durch den Satan an, dass im Millennium erlöste und unerlöste Menschen zusammen leben.
Vgl.
auch
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
2, 143.

184

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

haupt einer Stadt als Wohnort der zur Teilnahme am Messiasreich Auf‑ erweckten
nicht
die
Rede.259 Ein Angriff der vom Satan verführten Völker, selbst wenn es sich bei ihnen um dämonische Mächte handeln sollte, auf die Auferweckten ergibt jedoch wenig Sinn, da der Makarismus in 20,6 ausdrücklich be‑ tont, dass die Auferweckten endgültig im Heil sind. Möglich wäre, dass außer den Auferweckten auch andere weiterhin sterbliche Menschen am Messiasreich teilhaben und ihnen der Angriff gilt; doch auch von solchen „Überlebenden“ ist in 20,4–6 nicht die Rede. So bliebe höchs‑ tens noch die Vermutung, der erneute Krieg des Drachen und seiner Verbündeten gegen die Heiligen solle den Wahnsinn, die Verblendung und den Aberwitz der GoT feindlichen Mächte zum Ausdruck bringen; aber
auch
dafür
gibt
die
Johannesoffenbarung
keine
Hinweise. Diese Beobachtungen legen es nahe, dass sich der AbschniT 20,1–10 aus verschiedenen Traditionsstücken zusammensetzt, die kaum mitein‑ ander abgeglichen sind.260 Für diese Annahme sprechen auch gramma‑ tische Beobachtungen. Der UnterabschniT 20,1–3 weist keine größeren grammatischen Probleme auf. Der daran anschließende Vers 20,4 hin‑ gegen lässt sich weder grammatisch noch inhaltlich befriedigend erklä‑ ren.261 Ein Subjekt des Verbes ἐκάϑισαν (20,4b) und damit auch ein Be‑ zugswort für das darauf bezogene Pronomen αὐτοῖς (20,4c) ist nicht zu erkennen.262 Der Akkusativ τὰς ψυχάς (20,4d) ist offensichtlich über die

259 Die Rede von Jerusalem als geliebter Stadt knüpW an atl. Aussagen wie Sir 24,11; Jer 11,15; Ps 78,68; 87,2 an; vgl. Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 151; A‚•y, Revelation (WBC) 1098. In 2 Bar 40,1 und 4 Esra 13 erscheint Jerusalem als Sitz der HerrschaW der eschatologischen ReTergestalt (Messias). In PsSal 17; 1 Hen 90; 4 Esra 7,28; Sib 3; 5 wird der Ort seiner HerrschaW zwar nicht ausdrücklich genannt, doch legt der Kontext Israel und Jerusalem nahe. In anderen Texten erscheint die gesamte Erde (1 Hen 45,4f.; 52,4) oder auch der Himmel (1 Hen 48,6; 61,1ff.) als Ort der Tätigkeit der endzeitlichen ReTergestalt. Näheres V|xŠ, Eschatologie 225f. Cˆ•zxy•, Revelati‑ on (ICC) 2, 150f., sieht in dem unvorbereiteten AuWauchen Jerusalems als Zentrum des Millenniums in 20,8f. einen Hauptanhaltspunkt für seine Textumstellungen. So auch
F|z€,
Revelation
(AncB)
356. 260 Ähnliche Beobachtungen und Folgerungen finden sich auch bei Wyxxˆ•‚•y•, Offen‑ barung 30–32, der aber teilweise zu einer anderen AuWeilung von Vorlage und Über‑ arbeitung
kommt. 261 Es wurde bereits angemerkt, dass Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 182f., deshalb 20,4a–c als eine auf Dan 7 basierende Randglosse streichen oder nach καὶ ἐπὶ τὴν χεῖραν αὐτῶν
umstellen
wollte. 262 A‚•y, Revelation (WBC) 1084f., deutet Op 20,4 als Hysteron Proteron: Der Vf. kehrt die zeitliche Abfolge der Handlung um und nennt die Inthronisation vor der Auferstehung, d. h. diejenigen, die auf den Thronen sitzen, sind die Auferweckten. Dem widerspricht aber, dass hier nicht nur zwei Glieder in ihrer Reihenfolge ver‑ tauscht werden, sondern es werden zuerst drei Handlungen in ihrer zeitlich korrek‑

Analyse
der
EinzelabschniTe

185

beiden Verbalsätze in 20,4b.c hinweg von καὶ εἶδον in 20,4a abhängig. An τὰς ψυχάς wiederum schließt in nicht zu klärender Weise ein mit καὶ οἵτινες κτλ. eingeleiteter Satz an (20,4e). Im UnterabschniT 20,7–10 sind die vv. 7–8 in Fortsetzung des Makarismus in 20,6 im Futur formuliert; dann
wechselt
20,9–10
unvermiTelt
in
den
Aorist. Damit konzentrieren sich die auffälligsten grammatischen Pro‑ bleme auf die Übergänge zwischen den drei UnterabschniTen (20,1– 3.4–6.7–10). Weitere grammatische Probleme sind mit der wörtlichen Wiederaufnahme von 12,9 in 20,2b und der ebenfalls (fast) wörtlichen Wiederaufnahme von 6,9 in 20,4d sowie der phrasenartig wieder‑ kehrenden Formel in 20,4e verbunden. Besonders die Verse 20,4 und 20,8–9 erwecken aufgrund inhaltlich‑logischer und grammatischer Pro‑ bleme den Eindruck, als bestünden sie aus nicht zusammengehörigen Fragmenten, die aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen wurden und nun keinen rechten Sinn mehr ergeben. Probleme wie der unmoti‑ vierte Tempuswechsel in 20,7–10, die grammatisch isolierte Stellung der vv. 2b.4d.e und das Fehlen eines Subjekts bzw. der Referenz des Personalpronomens deuten eher auf ein (mechanisches) Aneinanderfü‑ gen schriWlicher Vorlagen als auf die freie Komposition auf der Basis allgemein
verbreiteter
mündlicher
Traditionen. 20,1–3: Da die Apposition in 20,2b grammatisch nicht korrekt einge‑ fügt ist und wörtlich 12,9 wiederholt, liegt es nahe, sie als sekundären Einschub in eine Vorlage zu sehen. Weitere grammatische Auffälligkei‑ ten stellen der Acc. temporis χίλια ἔτη in 20,2c und die Formulierung ἐσφράγισεν ἐπάνω αὐτοῦ dar; ein Siegel wurde zudem in 20,1 nicht un‑ ter den ATributen des Engels genannt. Inhaltliche Schwierigkeiten bereitet 20,3c–e, da der Drache einerseits bisher nicht als Verführer auWrat und zum anderen nicht klar wird, wen er verführen soll und welchen Sinn dies häTe. Lässt man diese grammatisch und inhaltlich problematischen AbschniTe weg, ergibt sich ein Text der weitgehend mit der Bestrafung des Anführers der gefallenen Engel (vgl. Gen 6,1–4) in
1 Hen
10,4–8
und
88,1
übereinstimmt.263 ten Abfolge genannt, bevor an vierter Stelle die zeitlich und logisch erste genannt wird,
nämlich
die
Auferstehung.
Zum
Hysteron
Proteron
L••€}y•Œyz,
Stilistik
143. 263 Die einzige alTestamentliche Stelle, die hinsichtlich der Motive ungefähr mit Op 20,1–3 übereinstimmt, ist Jes 24,21–22; vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1078. Da jedoch Op 20,1–3 von Jes 24,21–22 deutlich abweicht, sich andererseits aber weitgehend mit 1 Hen 10,4–8 und 88,1 berührt, ist es kaum wahrscheinlich, dass sich die Gemein‑ samkeiten dieser drei Texte durch je selbständigen Zugriff auf Jes 24,21–22 erklären. Man kommt hier ohne die Annahme einer gemeinsamen, bereits verschriWlichten

186

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

1 Hen
10,4–8 [Der
Herr
sprach
weiter zu
Rufael
(=
Rafael):]

„Binde
den
Azāzʾēl
 an
Händen
und
Füßen und
wirf
ihn
 in
die
Finsternis,
und
 reiße
die
Wüste
auf,
die
 in
Dudāʾēl
ist,
und
wirf
 ihn
hinein. Und
lege
raue,
spitze
 Steine
auf
ihn
und
be‑ decke
ihn
mit
Finster‑ nis,
und
dort
soll
er
für
 ewig
hausen,
und
be‑ decke
sein
Angesicht,
 damit
er
das
Licht
nicht sehe. Und
am
großen
Tag
des Gerichtes
soll
er
in
die
 Feuerglut
gestoßen
 werden. [Und
heile
die
Erde,
die die
Engel
verdorben
 haben.
…]“

Op
20,1–3.10

καὶ εἶδον ἄγγελον καταβαίνοντα ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἔχοντα τὴν κλεῖν τῆς ἀβύσσου καὶ ἅλυσιν μεγάλην ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτοῦ. καὶ ἐκράτησεν [τὸν δράκοντα] […] καὶ ἔδησεν αὐτὸν [χίλια ἔτη] καὶ ἔβαλεν αὐτὸν εἰς τὴν ἄβυσσον

1 Hen
88,1 Und
ich
sah einen
von
jenen
vier
 (Erzegeln),
die
zuerst
 hervorgekommen
 waren, und
er
fasste
jenen
 Stern,
der
vom
Himmel
 gefallen
war, und
er
band
ihn
an
sei‑ nen
Händen
und
Füßen und
er
warf
ihn
 in
einen
Abgrund,
 und
jene
Tiefe
war
tief,
 grausig
und
finster.

καὶ ἔκλεισεν [καὶ ἐσφράγισεν] ἐπάνω αὐτοῦ, [ἵνα μὴ πλανήσῃ ἔτι τὰ ἔϑνη …]

καὶ [ὁ διάβολος ὁ πλανῶν αὐτοὺς] ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρὸς καὶ ϑείου […] [καὶ βασανισϑήσονται ἡμέρας καὶ νυκτὸς εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων].

Weitere Belege für diese Tradition finden sich in 1 Hen 10,11–13; 54,3–6; Jub 5,6.10[.11–20]; 10,5ff., im Neuen Testament in 2 Petr 2,4; Jud 6 (vgl. auch Lk 8,31).264 An allen diesen Stellen dauert die Fesselung der gefal‑

Tradition nicht aus. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 431, dagegen sieht Op 20,1–3.7–10 unmiTelbar
von
Jes
24,21–22
abhängig;
so
auch
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
51f. 264 Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1081f.; B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 251f. Die in Op 20,1–3 bezeugte Vorstellung von der Bindung gefallener Engel taucht in der jüdi‑ schen Literatur im Hellenismus auf und mag aufgrund von Parallelen in der griechi‑ schen Literatur (Apollod. 1.1.2; Hes. Th. 522. 718; Hom. Od. 11,293; A. Pr. 52–56) von dort her in die jüdische Eschatologie eingedrungen sein. Dazu Gx•••|•, Greek Influ‑ ence 62–68. Vgl. auch R‚••yxx, Method 249–254. Näheres zur Rezeption und Verbrei‑

Analyse
der
EinzelabschniTe

187

lenen Engel und ihres Anführers bis zum Endgericht, bei dem sie in das Feuer der Vernichtung bzw. Verdammnis geworfen werden.265 Für eine zeitlich begrenzte Fesselung eines Widersachers GoTes mit erneu‑ ter Loslassung in der Art von Op 20,1–3.7–10 dagegen finden sich in der jüdischen Apokalyptik keine Parallelen.266 Die Begrenzung der Fes‑ selung auf „tausend Jahre“ (20,2c) und seine erneute Loslassung nach dieser Zeit (20,3d.7) wurde demnach erst vom Vf. in seine Vorlage ein‑ gefügt.267 Da in 1 Hen 10,4–8 Azāzʾēl unmiTelbar mit dem Ende seiner Fesselung in die „Feuerglut“ geworfen wird, dürWe auch 20,10a der in 20,1–3 benutzten Vorlage angehören.268 Daran hat der Vf. einen Rück‑ verweis auf 19,20 angeschlossen (20,10b). Der 14,10–11 variierende Ab‑ schluss in 20,10c ist wohl ebenfalls vom Vf. angefügt.269 Einen in der Vorlage mit 20,10a verbundenen Hinweis auf den Tag des Endgerichts, wie er sich in 1 Hen 10,4–8 findet, hat der Vf. bei der Komposition von 20,1–10 getilgt. Möglicherweise war die Vorlage zu 20,10a, wie die ent‑ sprechende
Aussage
in
1 Hen
10,6,
futurisch
als
Vorhersage
formuliert.

265

266

267

268

269

tung der in 1 Hen 6–16 breit ausgeführten Tradition der gefallenen Engel (Gen 6,1–4) und ihrer Bestrafung in der frühchristlichen Literatur V••€yzK•Ž / A€xyz, Apoca‑ lyptic
Heritage
60–88;
zu
Azāzʾēl
vgl.
auch
B. J••|–•…ƒ,
Azazel.
DDD2
128–131. Zur strickten Trennung zwischen der GefangenschaW und der endgültigen Bestra‑ fung im feurigen Abgrund in diesen jüdischen Texten Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 141f.; V|xŠ, Eschatologie 312f. Zum Abgrund als Gefängnis bestraWer Dämonen J. JyzyŽƒ••,
ἄβυσσος.
ThWNT 1
(1933)
9;
O. B‡„ˆyz, ἄβυσσος.
EWNT 1
(21992)
Sp. 8f. 1 Hen 18,16 und 21,6 sprechen von der Fesselung der ungehorsamen „Gestirne“ für „zehntausend Jahre“ an dem Ort, „wo Himmel und Erde zu Ende sind“, „bis zur Zeit der Vollendung ihrer Schuld“, doch geht es hier um eine Bußperiode; vgl. die Anmerkungen zu den genannten Stellen in JSHRZ 5/6 [Uhlig]. Vgl. auch B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 436. 1 QH 3,18 spricht vom Einschluss der „Unheilsschwan‑ geren“ und der „Geister des Wahns“ in der „Grube“, doch bleibt der Sinn dieser Stelle
unklar. So auch A‚•y, Revelation (WBC) 1078f., der nur von einem ‚traditionellen eschatolo‑ gischen Szenario‘ spricht, auf das der Vf. in 20,1–3 zurückgreiW. Von einer Zeit, in der Belial gegen Israel losgelassen ist, spricht zwar CD 4,12ff.[; 5,17ff.], doch sind diese Aussagen nicht eschatologisch, sondern beziehen sich auf Ereignisse der Ver‑ gangenheit
(Religionsverfolgung
etc.). Da 1 Hen die Formulierung „ins Feuer geworfen werden“ überaus häufig gebraucht (vgl. V|xŠ, Eschatologie 324), könnte man versucht sein anzunehmen, der Vf. der Jo‑ hannesoffenbarung greife hier unmiTelbar auf 1 Hen zurück. Doch wären dann KeTe, Schlüssel und Abgrund als Einträge des Vf.s anzusehen. Dass der Vf. der Jo‑ hannesoffenbarung in 20,1–10 1 Hen 10,4–6 benutzt, nimmt R‚†ƒ•…ƒy–ƒ„Š, Eschatolo‑ gie
133–140,
an. Primär bedeutet βασανίζω „auf Echtheit prüfen“, davon abgeleitet auch „foltern“, bes. bei Sklaven. Da die in der LXX nicht sehr häufig gebrauchte Wortgruppe βάσανος nur an wenigen Stellen einen eschatologischen Sinn hat (vgl. Weish 2,19; Ez 12,18; für die Qualen im Jenseits Ez 32,24.30), leitet sich 20,10c kaum aus atl. Traditionen her.
Vgl.
J. S„ˆ•yƒ€yz,
βάσανος κτλ.
ThWNT 1
(1933)
559–561.

188

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Op 20,1–3 weicht jedoch darin von 1 Hen 10,4–8; 81,1 ab, dass nicht die Fesselung der gefallenen Engel, sondern des „Drachen“ be‑ richtet wird. Aufgrund der sonst großen Nähe zu den beiden Texten aus 1 Hen ist zu bedenken, ob nicht auch in der Vorlage von Op 20,1–3 ursprünglich der Anführer der gefallenen Engel stand und der Vf. den Drachen aus Op 12 hier eingetragen hat.270 Gegen den Drachen als Be‑ standteil der Vorlage mag zudem sprechen, dass in 20,1–10 nach v. 2a.b die Bezeichnung „Drache“ nicht mehr gebraucht wird; 20,7b spricht vom σατανᾶς und 20,10a vom διάβολος. Seinen ursprünglichen Sitz hat die Gestalt des Drachen in der in 12,1–6 aufgenommenen mythischen Tradition von der Verfolgung der gebärenden Himmelskönigin durch einen GoT in Drachen‑ oder Schlangen‑Gestalt (griech. Leto/Python, ägypt. Hathor/Typhon, [babylon. Damkina/Tiamat]).271 Damit verbin‑ det der Vf. die Tradition vom Kampf der Engel und dem Sturz der bö‑ sen Engel durch Michael (12,7–12).272 Die ausführliche Apposition zum „Drachen“ mit ihrer Auflistung verschiedener Bezeichnungen der GoT feindlichen Macht in 12,9 und 20,2a.b dient in Op 12 und in 20,1–10 unter anderem auch dazu, die benutzten Traditionen (bzw. Vorlagen)

270 Aussagen über die Vernichtung des Satan sind in den frühjüdischen SchriWen selten; vgl. V|xŠ, Eschatologie 309f. und 311; Bill. 2, 167f. Ein Äquivalent zur Fesselung des Satan/Drachen findet sich jedoch in TestLev 18,12: Der Messias bindet Beliar, den Herrn der bösen Geister. Und in TestJud 25,3 wird Beliar ins Feuer geworfen. In Jub 48,15–18 wird Mastema, der Fürst der Dämonen, „gebunden“ und erneut losgelas‑ sen, um Israel anklagen zu können. Vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 989f. Die deutli‑ chen Parallelen zwischen 12,7–11 und 20,1–6 (vgl. By•xy, ebd. 992f.) lassen jedoch vermuten, dass der Vf. die Traditionen von der Fesselung der gefallenen Engel in 20,1–3 im Blick auf die Tradition vom Sturz Satans und seiner Engel in 12,7–11 über‑ arbeitet hat. Darauf könnte das Vorkommen der Apposition zum Drachen an beiden Stellen
deuten. 271 Vgl. J. W. Ÿ•• Hy•Œy•, Dragon (δράκων), in: DDD2 265–267, hier 266f.; W. F|yz•Œyz, δράκων. ThWNT 2 (1935) 284–286; Ez••Œ, Gegenspieler 119–123; A‚•y, Revelation (WBC) 667–674. Für die sekundäre Verbindung verschiedener Traditionen spricht auch, dass δράκων als Bild für den Teufel der Johannesoffenbarung eigentümlich ist (12,3.4.7.9.13.16.17; 13,2.4; 16,13; 20,2). In der LXX deutet sich in Hi 26,13 eine Verbin‑ dung mit der Paradiesschlange aus Gen 3 an, die später mit dem Teufel identifiziert wurde. Eine der frühesten Gleichsetzungen des διάβολος mit der Schlange des Para‑ dieses findet sich in Weish 2,24; zur Stelle S„ˆŽƒŒŒ, Weisheit 50–54. Zum mythologi‑ schen
Hintergrund
von
Op
12
vgl.
auch
A. Y. C|xxƒ••,
Combat
57–100. 272 Zur literarkritischen Bewertung von Op 12 und zur Quellenscheidung A‚•y, Reve‑ lation (WBC) 664–666; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 346–358; Wyxxˆ•‚•y•, Offenba‑ rung 18–21; Byz‹Žyƒyz, Sonnenfrau 97–99; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, 299f.; Wyƒ••, Offenbarung 133–142; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 241–243; ders., Messias 167– 189; A. Y. C|xxƒ••, Combat 101–116; ein kurzer Überblick zu den älteren literarkriti‑ schen Versuchen zu Op 12 auch bei Ez••Œ, Gegenspieler 106–108. Gegen eine Quel‑ lenscheidung
votierte
B|xx,
Offenbarung
106–108.

Analyse
der
EinzelabschniTe

189

mit ihren verschiedenen Akteuren zu verklammern und in der alTes‑ tamentlich
jüdischen
Tradition
zu
verorten.273 Anders als 1 Hen 88,1 spricht Op 20,3b vom Verschließen und Ver‑ siegeln des Abgrundes. Aufgrund grammatischer Probleme ließe sich das Versiegeln streichen, nicht aber das Verschließen des Abgrundes, zumal, anders als für die Versiegelung, in 20,1b ein Schlüssel in der Hand des Engels genannt ist.274 Außerdem stört ἐσφράγισα die Sym‑ metrie von 20,2–3b mit der Wiederholung von vorbereitender Hand‑ lung und Ausführung. Die Frage nach der Zugehörigkeit von 20,3b zur Vorlage impliziert die Frage nach der ursprünglichen Gestalt von 20,1, da durch die beiden ATribute des Engels in 20,1b die beiden Haupt‑ handlungen in 20,2c.3b exponiert werden. Weder 1 Hen 10,4 noch 88,1 benennen explizit Requisiten für die Fesselung der gefallenen Engel. Von „eisernen KeTen von unermesslichem Gewicht“, mit denen das Heer Azāzʾēls bis zum Tag des Gerichts gefesselt werden soll, spricht aber 1 Hen 54,3–6. Damit ist zumindest die ursprüngliche Zugehörig‑ keit
von
ἅλυσιν μεγάλην
zur
Vorlage
nicht
unwahrscheinlich. Wenn auch die mit τὴν κλεῖν τῆς ἀβύσσου verbundene Vorstellung einer mit einer Art Tür verschlossenen ἀβύσσος275 merkwürdig ist, so kann doch für die Zugehörigkeit zur Vorlage angeführt werden, dass das Bedecken Azāzʾēls mit Steinbrocken und Finsternis in 1 Hen 10,5 eine Entsprechung zum Verschließen des Abgrunds in Op 20,3b bil‑ det. Demnach könnte es sich bei der Vorlage von Op 20,1–3 um eine ausschmückende Fortschreibung von 1 Hen 81,1 gehandelt haben, die bereits 20,3b (ohne ἐσφράγισα) und 20,1 enthielt. Die Einleitung mit καὶ εἶδον ist zwar typisch für die Johannesoffenbarung, doch beginnt auch 1 Hen 88,1 mit der typischen Visionseinleitungsformel „und ich sah“. 273 Zum Satan als Oberhaupt der bösen Geister und zum Dualismus der Apokalyptik B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 252–254 und 331–342; R‚••yxx, Method 254–257. Zu den Namen des Satan V|xŠ, Eschatologie 286f.; vgl. O. B‡„ˆyz, διάβολος. EWNT 1 (21992) Sp. 714–716; ders., σατανᾶς. EWNT 3 (21992) Sp. 558f. W. F|yz•Œyz / G. Ÿ. R•€, διαβάλλω / διάβολος. ThWNT 2 (1935) 69–80. In der LXX dient διάβολος zur Wiederga‑ be
von
‫(
שָׂטָן‬nur
in
1 Kön
11,14
σαταν
[2mal]
und
in
Sir
21,27
σατανᾶς). 274 A‚•y, Revelation (WBC) 1082f., sieht in 20,3 den Einfluss von OrMan 3: ὁ κλείσας τὴν ἄβυσσον καὶ σφραγισάμενος τῷ φοβερῷ καὶ ἐνδόξῷ ὀνόματί σου [zitiert nach H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 194]. Das „Versiegeln“ mag aus dieser Tradition (evtl. bereits in die Vorlage) eingedrungen sein, begünstigt durch die Stichworte ἄβυσσος und κλείω. Doch
versiegelt
und
versperrt
in
OrMan
GoT
selbst
den
Abgrund. 275 Zur antiken Vorstellung, dass der Himmel und die Unterwelt durch Tore mit Schlös‑ sern verschlossen sind F. G. U•Œyz‹•••Ž•ƒz, κλεῖς / κλείω. EWNT 2 (21992) Sp. 732– 734; J. JyzyŽƒ••, κλεῖς. ThWNT 3 (1938) 743–753, hier 744–746. Im Judentum ist diese Vorstellung jedoch nur sehr selten bezeugt (Himmelsschlüssel z. B. in 3 Bar 11; 2 Hen 18,18;
Schlüssel
der
Unterwelt
z. B.
in
2 Hen
42
Rec B).

190

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Da die ungriechische Formulierung ἔχοντα … ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτοῦ sich wohl semitischem Einfluss verdankt und auch die Parallelen in 1 Hen ursprünglich hebräisch verfasst waren, liegt es nahe, dass der Vf. der Johannesoffenbarung in 20,1–3b.10a diese Verse selbst aus einer semiti‑ schen (hebräischen) Quelle übersetzt. Da sich in 20,1–3b.10a sonst keine größeren Verstöße gegen die griechische Syntax finden, könnte sie dem Vf.
jedoch
auch
bereits
in
Übersetzung
vorgelegen
haben. 20,4–6: Auf die grammatischen und inhaltlichen Probleme von 20,4 wurde bereits ausreichend hingewiesen. Auch wenn man die wörtliche Wiederholung von 6,9 in 20,4d und die wiederkehrende Phrase in 20,4e herausnimmt, ergibt sich kein befriedigender Text. Die Art der sprachli‑ chen und inhaltlichen Probleme im verbleibenden Text legen allerdings eine schriWliche Vorlage nahe, da der Vf. beim Rückgriff auf allgemeine mündliche Traditionen gewiss ein Subjekt zu ἐκάϑισαν ergänzt häTe.276 Die in 20,4d genannten „Seelen“ kommen keinesfalls als diejenigen in Frage, die auf den Thronen Platz nehmen bzw. die man Platz zu nehmen heißt; dazu müsste 20,4d[.e] vor 20,4b stehen.277 Es ist zwar richtig, dass in der Johannesoffenbarung mehrmals zuerst ein „Gegen‑ stand“ und dann der darauf Sitzende genannt werden (6,2.4.5.8; 9,17; 14,14; 19,11;20,11; dagegen 17,5); wird jedoch eine Handlung genannt, deren Subjekt oder Objekt der „Sitzende“ ist, so triT diese niemals zwi‑ schen den „Gegenstand“ und den darauf Sitzenden (6,4.2.5.8; 14,14; 19,11; 20,11). Damit scheidet die Erklärung von ἐκάϑισαν als wörtliche Übertragung der semitischen Umschreibung des Passiv aus.278 Auch die Formulierung κρῖμα ἐδόϑη αὐτοῖς lässt sich nicht im Sinne von „ihnen wurde Recht verscha•“ verstehen, sondern bedeutet „Befugnis zum Richten
wurde
ihnen
übergeben“.279

276 Die inhaltlichen Probleme lösen sich nicht, wenn man – wie U. B. Mwxxyz, Messias 211 – lediglich die Seelen in 20,4d als Einschub des Vf.s in seine jüdische Vorlage (20,4–5a)
deklariert. 277 Die Probleme von 20,4 ließen sich durch eine simple Umstellung des vorliegenden Textes beheben. Deshalb überrascht es, dass die VertreterInnen (Charles, Gaechter, Ford) der diversen Umstellungshypothesen 20,4 in seiner überlieferten Ordnung be‑ lassen. Auch die Theorie von H. KraW könnte hier greifen, dass der Vf. nicht mehr dazu kam, die Schlusskapitel seines Werkes zu ordnen; vgl. ders., Offenbarung (HNT)
245f.
und
253f. 278 Gegen
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1084. 279 Zu κρῖμα vgl. B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 915; Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 995; F. Bw„ˆ•yx / V. Hy•Œzƒ„ˆ, κρίνω κτλ. ThWNT 3 (1938) 920–955, hier 943f. Da κρῖμα die Entschei‑ dung des Richters, sowohl als Handlung als auch als Ergebnis dieser Handlung, bedeu‑ tet, ist eine definitives Urteil über den Sinn von 20,4c kaum möglich. Als Ergebnis

191

Analyse
der
EinzelabschniTe

Am ehesten wird man deshalb 20,4a–c als Fragment einer eschato‑ logischen Gerichtsszene sehen. Diese Gerichtsszene zeigt eine gewisse VerwandtschaW
mit
zwei
Versen
in
Dan
7. Dan
7,9.22
(MT)

Dan
7,9.22
(Theod.)

‫
חָז ֵה
הֲו ֵית‬ 
‫עַד
 ִּדי
כָרְ סָו ָן
רְ מִיו‬ ‫וְעַתִּיק
יֹומִין
יְתִב‬ … 9

‫
עַד
 ִּדי־אֲתָה
עַתִּיק‬22 ‫יֹומַי ָּא‬ ‫ו ְדִ ינ ָא
יְהִב
לְקַ ִּדישֵׁי‬ ‫עֶלְיֹונ ִין‬ ‫וְזִמְנ ָא
מְטָה‬ ‫וּמַלְכוּתָא
הֶחֱסִנו ּ
קַ ִּדישִׁין‬

ἐϑεώρουν ἕως ὅτου ϑρόνοι ἐτέϑησαν καὶ παλαιὸς ἡμερῶν ἐκάϑητο … 9

ἕως οὗ ἦλϑεν ὁ παλαιὸς τῶν ἡμερῶν καὶ τὸ κρίμα ἔδωκεν ἁγίοις ὑψίστου καὶ ὁ καιρὸς ἔφϑασεν καὶ τὴν βασιλείαν κατέσχον οἱ ἅγιοι

Op
20,4a–c

καὶ εἶδον ϑρόνους καὶ ἐκάϑισαν ἐπ’ αὐτοὺς

22

καὶ κρίμα ἐδόϑη αὐτοῖς […]

Dan 7,9 ist zudem ähnlich problematisch wie Op 20,4b, da hier nicht einmal davon die Rede ist, dass irgendjemand auf den Thronen Platz nimmt.280 StaTdessen setzt sich der „Alte der Tage“, ohne dass zuvor sein Thron genannt würde. Erst am Ende von Dan 7,9 heißt es „sein Thron war wie Feuerflammen und seine Räder wie flammendes Feu‑ er“. In Dan 7,9 klingt die Vorstellung an, dass GoT beim eschatologi‑ schen Gericht von seinem Hofstaat umgeben ist; diese findet sich auch in
1 Hen
47,3: „In jenen Tagen sah ich das ‚Haupt der Tage‘, wie es sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzte und die Bücher der Lebenden vor ihm geöffnet wurden, und sein ganzes Heer, das oben in den Himmeln und rings
um
ihn
ist
(oder:
und
seine
Ratsversammlung),
vor
ihm
stand.“

Die in Op 20,4a–c benutzte Vorlage dürWe ebenfalls dieser Tradition angehören. Die mit Dan 7,22 parallele Formulierung κρίμα ἐδόϑη αὐτοῖς in 20,4c ist wohl keine direkte Übernahme; denn Dan 7 benutzt – wie die Pro‑ bleme in 7,9 zeigen – eine ältere Gerichtstradition, die sekundär mit der Tradition der Abfolge der vier widergöTlichen Weltreiche verbunden

des Richtens meint es jedoch meist ein für den Betroffenen ungünstiges Urteil, d. h. seine
Verurteilung. 280 Deshalb sieht H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 195, in Dan 7,9.22.26f. den Grund für die „Unbestimmtheit der Aussage“ in 20,4. Vgl. auch Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT)
147;
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
437.

192

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

wird. Dadurch wurde 7,22 von 7,9 getrennt.281 Möglicherweise wurde dabei der himmlische Hofstaat durch die „Heiligen“ ersetzt; doch kennt die jüdische Überlieferung auch sonst die aktive Beteiligung der „Gerechten“ am Endgericht (Weish 3,8; 4,16).282 Im heutigen Kontext ist die Übergabe der richterlichen Vollmacht in Dan 7,22 synonym mit der parallelen Übergabe der Königsmacht verstanden. Das in Op 20,4a–c enthaltene Fragment und Dan 7,9.22 dürWen sich demnach auf eine gemeinsame Tradition zurückführen lassen. Dan 7,9.22 kommt als di‑ rekte Vorlage von Op 20,4a–c kaum in Frage, da beide Verse im heuti‑ gen Text von Dan 7 weit getrennt sind und keinen Zusammenhang mehr
bilden. Wer in 20,4a–c ursprünglich auf den Thronen Platz genommen hat, lässt sich nicht mehr sagen. Denkbar wäre, dass Op 4,4 mit dieser Vor‑ lage in Zusammenhang stand und die vierundzwanzig Ältesten, deren Throne im himmlischen Thronsaal rings um den Thron GoTes stehen, auch beim Endgericht auf ihren Thronen als GoTes Gerichtsbeisassen fungierten. Dass Op 20,4a–c ursprünglich mit dem Kommen GoTes zum Gericht verbunden gewesen sein muss, macht Dan 7,9 in Verbin‑ dung mit 1 Hen 47,3 plausibel. Das Erscheinen GoTes auf seinem Richterstuhl hat der Vf. an dieser Stelle weggelassen, weil damit tradi‑ tionell der Höhe‑ und Wendepunkt des eschatologischen Szenarios markiert wird, der aber im modifizierten eschatologischen Szenario der Johannesoffenbarung mit 20,4–6 noch nicht erreicht ist (erst in 20,11). Auch Op 19,11 – 21,8 ist in seiner Gesamtheit auf das Erscheinen des göTlichen Thrones ausgerichtet und kulminiert in der Rede des „auf dem Thron Sitzenden“ in 21,5–8 (vgl. AbschniT IV. 2). Für die Auf‑

281 Zu Dan 7 allgemein und der Frage nach den hier benutzten Traditionen (und litera‑ rischen Vorlagen) J. E‹‹xyz, Influences and Traditions Underlying the Vision of Daniel 7:2–14. The Research History from the End of the 19th Century to the Present (OBO 177), GöTingen 2000. Vgl. auch Px‡‹yz, Daniel (KAT) 101–119; K|„ˆ, Daniel (EdF) 68–71; D. B•‚yz, Daniel (NSK.AT) 139–165; U. B. Mwxxyz, Messias 19–30. Zu den Parallelen zwischen Dan 7,9.22 und 1 Hen 14,18–22 D. B•‚yz, Daniel (NSK.AT) 155: „Die Parallelen zur Thronvision des Danielbuches springen geradezu ins Auge. … Seit man Fragmente des ‚Buches der Wächter‘, dem die obige Textpassage [1 Hen 14,18–22] entnommen ist, in Qumran gefunden hat, weiß man, daß dieser Text älter sein muß als der Danieltext. Eine direkte Abhängigkeit läßt sich zwar nicht nachwei‑ sen, aber zumindest scheinen beide aus derselben Quelle geschöpW zu haben, in der über
die
Beschaffenheit
des
himmlischen
Thrones
spekuliert
wurde.“ 282 Vgl. V|xŠ, Eschatologie 275f., der auf TanB ‫ § קדשים‬1 verweist, wo aus der Kombina‑ tion von Dan 7,9 und Ps 122,5 abgeleitet wird, dass GoT am Ende der Tage zusam‑ men mit den Ältesten Israels Gericht halten wird. Zu den Thronen als Verweis auf ein am Endgericht beteiligtes richterliches Kollegium auch B. L••‹, Throne, in: NBL
3
(2001)
Sp. 843f.

Analyse
der
EinzelabschniTe

193

nahme des Fragments der Gerichtsszene in 20,4a–c war wohl die damit verbundene Totenauferstehung ausschlaggebend, mit der der Vf. das „tausendjährige Messiasreich“ einleitet. Allerdings streicht er dabei die ursprünglich genannten „Toten“ und fügt staTdessen, grammatisch nicht korrekt, τὰς ψυχὰς κτλ. aus 6,9 mit der Erläuterung καὶ οἵτινες κτλ. ein
(20,4d.e).283 Dem Fragment dürWe auch ἔζησαν in 20,4f angehören. Da 20,4a–c auf ein „Gerichtsverfahren“ (κρῖμα ἐδόϑη αὐτοῖς) zielt, enthielt die Vor‑ lage nicht nur eine Auferstehung der Gerechten, sondern aller Toten.284 Der Vf. hat also durch den Einschub von 20,4d.e die universale Toten‑ auferstehung seiner Vorlage in eine partielle umgewandelt. Damit muss Vers 20,5a dem Vf. zugeschrieben werden, der den Vers im Vor‑ ausblick auf 20,12–15 formuliert hat. Dies gilt wohl auch für den Vers 20,5c, der ebenfalls auf 20,12–15 voraus weist und wohl in Anlehnung an die (traditionelle) Formulierung οὗτος ὁ ϑάνατος ὁ δεύετερός ἐστιν in 20,14b
formuliert
ist. Dafür, dass der Begriff „zweiter Tod“, anders als die „erste Aufer‑ stehung“, im Umfeld des Vf.s bereits bekannt war, sprechen mehrere Gründe: 1. Es fehlen die mit der Nennung der „ersten Auferstehung“ und des „zweiten Todes“ implizierten Gegenbegriffe „zweite Auferste‑ hung“ und „erster Tod“. Die Johannesoffenbarung enthält also keinen eindeutigen Beleg dafür, dass dem Vf. eine ausgefaltete eschatologische Konzeption vorlag, in der diese vier Begriffe enthalten waren. 2. Die durch den Begriff „erste Auferstehung“ vorausgesetzte Abfolge partielle

283 Im heutigen Kontext von 20,4 ist ψυχαί (implizites) Subjekt zu ἔζησαν. Da ψυχὰς κτλ. jedoch aus 6,9 herüber genommen ist, ist zu überlegen, ob in der Vorlage nicht eher νεκροί das Subekt zu ἔζησαν bildete. Auch in 20,12 werden beim Endgericht die „To‑ ten“ genannt; allerdings findet sich hier kein Hinweis auf eine Wiederbelebung. In Ez 37,9–10 sind jedoch die νεκροί Subjekt zu ἔζησαν. Auch inhaltlich passt νεκροί eher zu ἔζησαν, da νεκρός den Menschen als Toten und Leichnam bezeichnet, vgl. R. B‚xŒŽ•••, νεκρός κτλ. ThWNT 4 (1942) 896–899. Bei „Seelen“ wäre eher ein Ver‑ weis auf einen neuen Leib oder die Wiedervereinigung mit dem alten Leib zu erwar‑ ten, zumal ψυχή (als Wiedergabe von ‫ נֶפֶשׁ‬in der LXX) das „Vitale“, das „Lebensprin‑ zip“ bezeichnet; vgl. A. S••€, ψυχή. EWNT 3 (21992) Sp. 1197–1203. Zur Art der Rückkehr der Toten in den jüdischen SchriWen V|xŠ, Eschatologie 118f. und 247–255. Zur Auferstehungsvorstellung vgl. auch G. SŒyŽ†yz‹yz, Das Problem der Auferste‑ hung
im
Alten
Testament,
in:
Kairos
14
(1972)
273–290. 284 V|xŠ, Eschatologie 240: „Wo das Wiederkommen zum Endakt auf die Gerechten be‑ schränkt wird, da ist es eine WiederkunW zum Heil nicht zum Gericht; ist dabei im Zusammenhang der Gerichtsakt erwähnt, so hat er folgerichtig die Bedeutung des Erlösungsgerichtes, das den gegenwärtigen und mit ihnen den früheren Gerechten das Heil scha•.“ Zu den verschiedenen Formen der Auferstehungs‑Erwartung im Judentum
ebd.
235–249;
vgl.
auch
Bill.
4/2, 1166–1198.

194

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Auferstehung – Messiasreich – allgemeine Auferstehung – Totengericht ist vor der Johannesoffenbarung nicht belegt285 und findet sich erst sehr spät in der rabbinischen Überlieferung (3. Jh. n. Chr.).286 3. Der Überwin‑ der‑Spruch des zweiten Sendschreibens nennt den „zweiten Tod“, ohne eine Erklärung dieser Vorstellung zu geben (2,11 ὁ νικῶν οὐ μὴ ἀδικηϑῇ ἐκ τοῦ ϑανάτου τοῦ δευτέρου), d. h. der Vf. rechnet offenbar damit, dass seine Adressaten mit diesem Ausdruck vertraut sind. Dagegen spricht nicht zwingend, dass der Ausdruck „zweiter Tod“ ebenso wie „erste Auferstehung“ vor der Johannesoffenbarung nicht belegt ist.287 Denn anders als die „erste Auferstehung“ ist der „zweite Tod“ als endgültige Vernichtung der Sünder und Feinde GoTes beim Endgericht in der frühjüdischen Literatur zumindest der Sache nach bekannt; in der spä‑ teren rabbinischen Literatur findet sich dann auch der entsprechende Begriff. Vers 20,5b wiederholt 20,3d und verdankt sich der Einfügung von καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ χριστοῦ χίλια ἔτη in 20,4f.288 Weitere Fragmente der Vorlage, der 20,4a–c.fα zuzurechnen ist, könnten sich in der Ge‑ richtsszene in 20,11–15 erhalten haben; doch lässt sich darüber keine Sicherheit
gewinnen. Inwieweit 20,6 vorgegebenes Material aufgreiW, lässt sich nicht ein‑ deutig sagen. Da der Vers die „erste Auferstehung“ in 20,4–5 mit dem „zweiten Tod“ in 20,11–15 verbindet, geht 20,6a.b in seiner heutigen Gestalt sicher auf den Vf. zurück.289 Dafür könnten auch die eventuell semitischen Einfluss andeutenden Formulierungen ὁ ἔχων μέρος ἐν κτλ. und ἐπὶ τούτων … οὐκ ἐξουσίαν sprechen. Dafür, dass 20,6a.b vom Vf. stammt, spricht auch seine kompositorische Funktion im Gesamt der Johannesoffenbarung: Der Vers ist einer von sieben Makarismen der Jo‑ hannesoffenbarung (1,3; 14,13; 16,15; 19,9; 20,6; 22,7.14), die sich alle an

285 Auch die frühjüdischen Belege für das messianische Zwischenreich in 4 Esra 7,26–44; 12,31–34 und 2 Bar 29,1 – 30,6; 40,1–4; 72,2 – 74,3 kennen keine dem zeitlich begrenz‑ ten,
irdischen
Messiasreich
vorausgehende
„erste
Auferstehung“. 286 Dazu V|xŠ, Eschatologie 246; Bill. 3, 827–830; vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1090f.; ge‑ gen A. Oy›…y, ἀνίστημι κτλ. ThWNT 1 (1933) 368–372, hier 371. Zur Einordnung der Auferstehung
der
Toten
in
die
Endzeit‑Ereignisse
V|xŠ,
Eschatologie
255f. 287 Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1092f.; By•xy, Revelation (NIGTC) 1036f.; rabbinische Belege für den Begriff „zweiter Tod“ bei Bill. 3, 830f. Zum „zweiten Tod“ auch V|xŠ, Eschatologie 254f.; P.‑M. B|‹•yzŒ, La “Seconde Mort” à l’Époque des Tannaïm, in: A. Théodoridès u. a. (Hg.), Vie et Survie dans les Civilisations Orientales (Acta Ori‑ entalia
Belgica
3),
Leuven
1983,
199–207. 288 Vgl. U. B. Mwxxyz, Messias 212. Näheres zur HerkunW von καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ χριστοῦ
bei
den
quellenkritischen
Überlegungen
zu
19,11–21. 289 So
auch
Wyxxˆ•‚•y•,
Offenbarung
32;
U. B. Mwxxyz,
Messias
212.

Analyse
der
EinzelabschniTe

195

strukturell und kompositorisch exponierten Stellen der Johannesoffen‑ barung
finden.290 Unter den sieben Makarismen ragt 20,6 heraus, da er das einleiten‑ de μακάριος um ἅγιος erweitert.291 Dieser Makarismus markiert den MiTelpunkt des konzentrisch aufgebauten AbschniTes 19,11 – 21,8 (vgl. AbschniT IV. 2).292 Die auf Ex 19,6 zurückgehende Rede von der königli‑ chen und priesterlichen Würde der „Heiligen“, d. h. der treuen und standhaWen Christen, entstammt sicherlich jüdischer und christlicher Tradition, wie die Parallele in 1 Petr 2,9 nahe legt.293 In diesem Sinn hat der Vf. diese Tradition bereits in 1,6 und 5,10 verwendet. In Vers 20,6c.d allerdings verwandelt er diese Tradition zu einem eschatologischen Heilsgut und verbindet sie mit der Erwartung einer tausendjährigen HerrschaW der Auferweckten mit Christus.294 Dass diese Verbindung nicht ursprünglich ist, zeigt sich auch daran, dass in 20,4f von einer priesterlichen Tätigkeit der Auferweckten nicht die Rede ist. Zudem ist das Heilsorakel in 20,6c.d in sich nicht stimmig, da hier die ewige Stra‑ fe und der zeitlich begrenzte Heilszustand des Millenniums gegenein‑ ander gestellt werden. StaT des Millenniums wäre hier im Gegenüber zum „zweiten Tod“ ein Ausblick auf das ewige Heil (vgl. 21,1–8) zu er‑ warten. Dies zeigt nochmals, dass 20,6c.d für die Verklammerung von 20,4–6
mit
20,11–15
(und
21,1–8)
formuliert
wurde. 20,7–10: Der auffällige Tempuswechsel zwischen 20,7–8 und 20,9–10 wurde bereits als Hinweis dafür genannt, dass in 20,7–10 verschiedene Quellen zusammengearbeitet sind.295 Vers 20,7 greiW leicht modifiziert

290 T•y‹yz, Offenbarung 189, misst der Sieben‑Zahl der Makarismen keine Bedeutung bei; diese sei erst durch die sekundäre Anfügung von Op 1,1–3 entstanden. Wenn es
dem
Vf.
auf
die
Sieben‑Zahl
ankomme,
dann
zähle
er
auch
explizit
durch. 291 Diese doppelte Einleitung eines Makarismus mit μακάριος καὶ ἅγιος ist in der jü‑ disch‑christlichen Literatur singulär; vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1091. Zu Makaris‑ men
allgemein
Byz‹yz,
Formgeschichte
188–194. 292 Deshalb kann Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 257, nicht zugestimmt werden, der den Makarismus als sekundären Einschub streichen will. Als Gründe für diese Annahme benennt er den mit 20,4 gleichen Schluss und den Anschluss an μακάριος mit dem Plural
ἐπὶ τουτῶν. 293 By•xy, Revelation (NIGTC) 1003, verweist neben Ex 19,6 auf Jes 61,6 als biblischen Hintergrund der Vorstellung vom Priestertum der Heilsgemeinde. Dazu auch Rƒ••ƒ, ZukunW
34f.;
G. S„ˆzy•…,
ἱερός κτλ.
ThWNT 3
(1938)
215–284,
hier
249
und
264f. 294 Vgl.
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1093. 295 Bereits B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 440, merkte zur Entstehung von 20,1–10 an, dass der Vf. mit der „Weissagung von dem Ansturm Gogs und Magogs gegen das messianische Reich einen älteren Mythus von der Fesselung der Schlange auf eine bestimmte Reihe von Jahren und ihre darauf erfolgende Loslösung“ verbunden hat.

196

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

20,3d.e auf und ist wohl vom Vf. formuliert.296 Allerdings könnte der Vf. in 20,3d.e und 20,7 auf eine Tradition zurückgreifen, die von der es‑ chatologischen Loslassung einer Unheilsmacht wusste; eine ähnliche Tradition benutzt er in 9,13–16. Mit dem Futur ἐξελεύσεται in 20,8a schließt der Vf. 20,8–10 an. 20,8 selbst dürWe bereits Fragmente der auch in 20,9 benutzten Tradition enthalten. Dabei handelt es sich um die Tradition vom (eschatologischen) Ansturm der Völker gegen Jerusa‑ lem (als Sitz des GoTesvolkes), wie sie sich auch in 1 Hen 56,5–8 und Sib 3,652–697 findet.297 Übereinstimmungen mit Op 20,8–9 lassen sich leicht
feststellen. 1 Hen
56,5–8

Op
20,8–9

Sib
3,652–697

Und
in
jenen
Tagen
 werden
sich
die
Engel
 versammeln
und
zu
den
 Parthern
und
Medern
 wenden,
sie
werden
die
 Könige
aufwiegeln
…

…
πλανῆσαι τὰ ἔϑνη τὰ ἐν ταῖς τέσσαρσιν γωνίαις τῆς γῆς, τὸν Γὼγ καὶ Μαγώγ, συναγαγεῖν αὐτοὺς εἰς τὸν πόλεμον, ὧν ὁ ἀριϑμὸς αὐτῶν ὡς ἡ ἄμμος τῆς ϑαλάσσης.

Und
sie
werden
herauf‑ ziehen
und
das
Land
sei‑ ner
Auserwählten
 niedertreten
…

καὶ ἀνέβησαν ἐπὶ τὸ πλάτος τῆς γῆς

…
Aber
wieder
werden
 die
Könige
der
Völker
 auf
dieses
Land
gesam‑ melt
anstürmen
…
 Denn
das
Heiligtum
 des
großen
GoTes
und
 die
besten
Helden
wer‑ den
sie
vernichten
 wollen. Sobald
sie
in
das
Land
 kommen,

Aber
 die
Stadt
meiner
Gerech‑ ten
wird
ein
Hindernis
 für
ihre
Rosse
sein,

καὶ ἐκύκλευσαν τὴν παρεμβολὴν τῶν ἁγίων καὶ τὴν πόλιν τὴν ἠγαπημένην,

werden
aufstellen
rings
 um
die
Stadt
die
ver‑ ruchten
Könige
–
ein
je‑ der
seinen
Thron,
 habend
auch
sein
unge‑ horsames
Volk
…

Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 187, erklärt den Tempuswechsel damit, dass der Seher aus dem apokalyptischem Stil in den prophetischen fällt (Fut.), dann wieder in den apokalyptischen
zurückkehrt
(Aor.). 296 Die in 20,3.7 bezeugte Vorstellung von der (endzeitlichen) Verführung der Völker entstammt der apokalyptischen Tradition (vgl. Mk 13,6; Mt 24,5.11; 1 Hen 44–46). Als Verführer erscheinen (neben anderen) Beliar und die Dämonen (TestXII), Mastema, Dämonen und unreine Geister (Jub), Pseudo‑Propheten und Pseudo‑Messiasse (Mk; Mt). Von der Verführung durch den Satan ist bei den späteren Rabbinen nur selten die Rede. Vgl. dazu H. Bz•‚•, πλανάω κτλ. ThWNT 6 (1959) 230–254, hier 239f. und 247–249. 297 Weitere Parallelen dazu bei B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 439. Vgl. auch V|xŠ, Es‑ chatologie
149–152.

197

Analyse
der
EinzelabschniTe

[1 Hen
56,5–8] und
sie
werden
das
Mor‑ den
untereinander
begin‑ nen
…,
bis
eine
ausrei‑ chende
Zahl
von
Leichen dasein
wird
durch
ihr
 Sterben;
und
das
Strafge‑ richt
über
sie
soll
nicht
 umsonst
sein
…

[Op
20,8–9]

καὶ κατέβη πῦρ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καὶ κατέφαγεν αὐτούς.

[Sib
3,652–697] Vom
Himmel
werden
 fallen
feurige
Schwerter über
die
Erde:
Fackeln!
 Feuerglanz
kommt
groß und
strahlend
miTen
 unter
die
Männer. …

Aufgrund der Parallelen in 1 Hen 56,4–8 und Sib 3,652–697 darf man annehmen, dass die Sammlung der Völker in 20,8c derselben Vorlage angehört
wie
20,9.298 Nicht mehr geklärt werden kann, welche „Völker“ in der Vorlage gegen Jerusalem stürmten und auf Einwirken welcher himmlischen oder dämonischen Macht sie sich zum Krieg versammelten. Denkbar ist, dass wie in 1 Hen 56,5–8 Engel die Völker aufwiegelten oder auch dämonische Wesen; die Vorlage häTe dann mit der Entsendung von Engeln oder Dämonen zu den „Völkern“ begonnen. Dies könnte für einen ursprünglichen Zusammenhang mit der in Op 16,12–16 ver‑ wendeten Tradition sprechen (vgl. dazu bei 19,19–21). Denkbar wäre je‑ doch auch, dass sich die „Völker“ wie in Sib 3,652–697 auf eigenen An‑ trieb hin zum Sturm auf Jerusalem versammelten. Außerdem könnte in der Vorlage von 20,8–9 wie in Sib 3,652–697 der Völkersturm mit dem AuWreten einer messianischen Gestalt verbunden gewesen sein. Dann wäre ein ursprünglicher Zusammenhang mit der Vorlage von 19,11–21 denkbar, zu der auch ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ χριστοῦ (χίλια ἔτη) in 20,4f gehört haben könnte; doch zeigt 1 Hen 56,5–8, dass das AuWreten einer solchen
messianischen
Gestalt
in
diesem
Kontext
nicht
zwingend
ist. Da der Vf. seine Vorlage um der Fesselung und erneuten Loslas‑ sung des Drachen willen in 20,8 um πλανῆσαι erweitert hat, lässt sich nicht mehr sagen, wer in der Vorlage als Objekt zu συναγαγεῖν stand. An sich spricht nichts dagegen, dass die „Völker an den vier Ecken der Erde“ bereits in der Vorlage mit „Gog und Magog“ verbunden waren, doch werden sonst nirgends in der jüdischen Tradition Gog und Magog an den vier Ecken der Erde lokalisiert (vgl. Sib 3,319–322.512– 514).299 Für die ursprüngliche Zugehörigkeit von τὰ ἔϑην zu 20,9 könnte 298 Weitere
Parallelen
bei
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1080. 299 Die Nennung von Gog und Magog in Op 20,8 ist auffällig; denn obgleich Gog und Magog mehrfach im AT genannt werden (vgl. Ez 38–39; 1 Chr 5,4; 10,2; Gen 10,2), finden sie sich, abgesehen von Sib 3,319.512, erst wieder in der rabbinischen Litera‑

198

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

sprechen, dass ihre Lokalisierung ἐν ταῖς τέσσαρσιν γωνίαις τῆς γῆς einen Gegensatz zu ἀνέβησαν ἐπὶ τὸ πλάτος τῆς γῆς bildet; doch ist nicht ersichtlich, was man sich unter τὸ πλάτος τῆς γῆς vorzustellen hat, und zudem wird Jerusalem (die „geliebte Stadt“) traditionell mit „hinaufge‑ hen“ verbunden (vgl. Ps 122,4; Jes 2,3; Mich 4,2 u. ö.), so dass auch um‑ gekehrt die an Dan 12,2 (LXX) angelehnte Formulierung ἐπὶ τὸ πλάτος τῆς γῆς erst vom Vf. wegen der „Völker an den vier Ecken der Erde“ eingefügt sein könnte.300 Das semitisierende Pronomen abundans und die der LXX entlehnte Formulierung ὡς ἡ ἄμμος τῆς ϑαλάσσης könnten dar‑ auf deuten, dass der Relativsatz in 20,8d erst vom Vf. eingefügt wurde. Die Vernichtung der Angreifer durch Feuer vom Himmel kann auf‑ grund fehlender grammatischer Spannungen und eines ähnlichen Mo‑ tivs in Sib 3,672–674 nicht als Bestandteil der Vorlage angezweifelt wer‑ den.301 Die so zu rekonstruierende Vorlage lag dem Vf. sicher schriWlich und in griechischer Sprache vor, da sonst der auffällige Tempuswechsel zwischen 20,7–8 und 20,9–10 nicht erklärt werden kann.302 Die in Klam‑ mern gesetzten AbschniTe sind in ihrer Zugehörigkeit zur Vorlage un‑ sicher, ohne dass man sie definitiv ausschließen könnte, zumal der ursprüngliche Kontext der Vorlage, insbesondere ihr Anfang nicht si‑ cher
zu
erschließen
ist. … [τὰ ἔϑνη τὰ ἐν ταῖς τέσσαρσιν γωνίαις τῆς γῆς,] [τὸν Γὼγ καὶ Μαγώγ,] συναγαγεῖν αὐτοὺς εἰς τὸν πόλεμον, [ὧν ὁ ἀριϑμὸς αὐτῶν ὡς ἡ ἄμμος τῆς ϑαλάσσης.] καὶ ἀνέβησαν [ἐπὶ τὸ πλάτος τῆς γῆς] καὶ ἐκύκλευσαν τὴν παρεμβολὴν τῶν ἁγίων καὶ τὴν πόλιν τὴν ἠγαπημένην, καὶ κατέβη πῦρ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καὶ κατέφαγεν αὐτούς.

tur. Vgl. B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 221f.; G. K‚ˆ•, Γὼγ καὶ Μαγώγ. ThWNT 1 (1933) 790–792; D. S§•‹yz, Γώγ / Μαγώγ. EWNT 1 (21992) Sp. 644f. Da die Op wie Sib im Unterschied zum AT Gog und Magog als Namen von Völkern versteht, lässt sich der Befund nicht dahingehend interpretieren, der Vf. habe Gog und Magog aus dem AT
(Ez)
in
seine
Vorlage
eingetragen.
Gegen
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1104. 300 Zu ἀναβαίνω J. S„ˆ•yƒ€yz, βαίνω κτλ. ThWNT 1 (1933) 516–521, hier 516–519. Neben dem Hinaufstieg nach Jerusalem (1 Kön 12,27; 2 Kön 12,18, Esra 1,3; Ps 24,3; 122,4 u. ö.) wird auch der Weg ins verheißene Land Israel (Gen 45,25; Ex 13,18; Dtn 1,22 u. ö.)
allgemein
mit
ἀναβαίνω
bezeichnet. 301 Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Vorstellung A‚•y, Revelation (WBC) 1099f.; vgl. auch H. Lƒ„ˆŒy•†yz‹yz, πῦρ. EWNT 3 (21992) Sp. 474–484, hier 481–483;
F. L••‹,
πῦρ κτλ.
ThWNT
6
(1959)
927–953,
hier
935f. 302 Auch B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 440, sieht hinter 20,8–9 ein jüdisches Traditions‑ stück; er möchte aber offen lassen, ob dieses Traditionsstück dem Vf. schriWlich oder nur
mündlich
vorlag.

199

Analyse
der
EinzelabschniTe

Für 20,10 wurde bereits angemerkt, dass 20,10a wohl zu der in 20,1–3 benutzten Vorlage gehört. 20,10b stammt vom Vf. und verbindet durch die Wiederaufnahme von 19,20 den AbschniT 20,1–10 mit 19,11–21. Vers 20,10c könnte in seinem Grundbestand ebenfalls zu der Vorlage von 20,1–3 gehört haben, doch lassen die Berührungen mit 14,10 ver‑ muten,
dass
der
Vf.
hier
erheblich
eingegriffen
hat.

c. 20,11 – 21,8:
Der
weiße
Thron
und
der
auf
ihm
Sitzende (1) Übersetzung vgl.
4,2.4
u. ö.

20,11a

Und ich sah einen Thron, groß (und) weiß, und den auf ihm Sitzenden; c vor dessen Antlitz floh die Erde und der Himmel d und ein Ort wurde nicht mehr gefunden für sie. b

(vgl.
6,14; 16,20;
21,1b) vgl.
12,8 vgl.
11,18 vgl.
7,9

vgl.
bei 20,15a vgl.
11,18 vgl.
2,2;
9,20; 14,13
u. ö.

(1
Kön
10,18) Ps
114,3.7 (2 Petr
 3,7.10.12) Dan
2,35
 Theod.

12a

Und ich sah die Toten, die großen und die kleinen, stehend vor dem Thron. b Und Bücher wurden geöffnet. c Und ein anderes Buch wurde geöffnet, welches das des Lebens ist. d Und gerichtet wurden die Toten aufgrund des Geschriebenen in den Büchern entsprechend ihrer Werke.

vgl.
Dan
7,10 vgl.
bei
20,15a

vgl.
bei
20,13c

12,18;
13,1; 13a Und 21,1

es gab das Meer die Toten, die in ihm; und der Tod und der Hades gaben die Toten, die in ihnen. c Und gerichtet wurden sie – jeder – entsprechend ihrer Werke. b

vgl.
1,18,
6,8 vgl.
bei 20,12d

vgl.
bei 14a Und der Tod und der Hades 20,13b
und 20,15b wurden geworfen in den Pfuhl [→
20,5c] b Dieser 13,8;
17,8; 21,27
(3,5)

von Feuer.

vgl.
Ps
28,4
 LXX
(Sir
 16,12) (vgl.
Jes
25,8;
 1
Kor
15,26)

ist der zweite Tod, der Pfuhl von Feuer.

15a

Und wenn einer nicht gefunden wurde im Buch des Lebens geschrieben,

vgl.
Dan
12,1
 Theod.

vgl.
19,20; b geworfen 20,10

wurde er in den Pfuhl von Feuer. Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. b Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, 21,1a

vgl.
bei 20,11b
und 21,4d

Jes
65,17;
 66,22
(vgl.
 2
Petr
3,13)

200

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8 vgl.
bei c 20,13a und

das Meer ist nicht mehr.

2a

3,12;
21,10

Und die heilige Stadt, das neue Jerusalem, sah ich herabsteigend aus dem Himmel von Gott her,

vgl.
19,7; 21,9;
+
21,19 b bereitet (22,17)

wie eine Braut, geschmückt für ihren Mann.

(vgl.
Hebr
 11,16;
12,22;
 Gal
4,26) vgl.
Jes
61,10

3a

16,17
(19,5)

Und ich hörte eine gewaltige Stimme aus dem Thron heraus sprechend: b

„Siehe, das Zelt Gottes bei den Menschen; vgl.
13,6;
15,5 7,15
(vgl. c und er wird mit ihnen zelten. 12,12;
13,6) d

Und sie werden seine Völker sein, und er selbst, der Gott mit ihnen, wird sein [ihr Gott]. 4a Und er wird wegnehmen jede Träne aus ihren Augen. b Und der Tod wird nicht mehr sein, c und weder Trauer noch Geschrei noch Mühsal: nicht mehr wird es sein; d [weil:] die ersten (Dinge) sind vergangen.“ e

7,17

vgl.
18,21–23

vgl.
bei 5a Und 20,11a b

Ich [bin] das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Ich werde dem Dürstenden geben aus der Quelle des Wassers des Lebens geschenkweise.

vgl.
2,7;
15,2 7a Der u.
ö. b

vgl.
9,20f.; 21,27;
22,15

vgl.
Jes
48,12;
 60,9
MT Jes
55,1
+
Jer
 2,13

Sieger wird erhalten diese (Dinge).

Und ich werde ihm Gott sein, c und er wird mir Sohn sein.

8a

vgl.
Jes
43,18
 LXX

sind geworden.

d

vgl.
22,17

vgl.
Jes
66,22

und wahrhaftig sind.“

c

22,13;
vgl.
1,8

Jes
35,10;
 51,11;
65,19

er sagt:

vgl.
2,1;
14,13 d „Schreibe, u.
ö. 19,9;
22,6; e vgl.
15,3; dass diese Worte zuverlässig 16,7;
19,2 7,14;
17,7; 6a Und er sagte mir: 22,6 16,17 b „Sie

Ez
37,27b;
 11,20;
Lev
 26,12 Jes
25,8;
Jer
 31,16

es sagte der auf dem Thron Sitzende:

„Siehe: Neu mache ich alle (Dinge).“

vgl.
5,5
u. ö. c Und

Ez
37,27a Sach
2,14f.

Den Feigen aber und den Treulosen und denen, die Gräuel vollbracht haben, und den Mördern und den Hurerischen und den Giftmischern und den Bilderdienern und allen Lügnern

2
Sam
7,8

Analyse
der
EinzelabschniTe vgl.
20,6 b — ihr Anteil (wird sein) vgl.
bei 20,15b im Pfuhl, der brennt mit Feuer vgl.
bei
20,6b c was

201

und Schwefel,

der zweite Tod ist.“

A•Žyz…‚•‹: kusiv
–
atl.
Zitate,
Paraphrasen
und
Anspielungen
(rechts
notiert) unterstrichen – wörtliche und freie Wiederaufnahme aus anderen AbschniTen der
Op
(links
notiert)

(2) Sprachlich‑stilistische
Analyse 20,11: a καὶ εἶδον ϑρόνον μέγαν λευκόν b καὶ τὸν καϑήμενον ἐπ’ αὐτόν: Die Phrase καϑήμενος ἐπί … begegnet in der Op relativ häufig, wobei im‑ mer zuerst der Gegenstand und dann der oder die darauf Sitzenden ge‑ nannt werden (4,2.4; 6,2.3.5.8; 9,14; 14,14).303 Dabei findet sich nach ἐπί ohne inhaltliche Differenzierung sowohl Genitiv, Dativ oder Akkusativ. Von einer Orientierung am Kasus von καϑήμενος kann man nur sehr bedingt sprechen.304 Auch nach καϑήμενος findet sich demnach das sonst in der Johannesoffenbarung zu beobachtende undifferenzierte Schwanken im Kasusgebrauch nach ἐπί; vgl. bei 19,11c. — c οὗ ἀπὸ τοῦ προσώπου ἔφυγεν ἡ γῆ καὶ ὁ οὐρανός: Die Wendung ἀπὸ (τοῦ) προσώπου τινός staT einfachem ἀπό findet sich im biblischen Griechisch häufiger als wörtliche Übertragung der hebräischen Präposition ‫מִפְּנ ֵי‬.305 Anders

303 Zu
diesem
für
die
Johannesoffenbarung
typischen
Schema
Rƒ••ƒ,
ZukunW
13f. 304 Für eine Orientierung am Kasus von καϑήμενος B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 165f.; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žžžƒ–„žžžƒƒƒ; A‚•y, Revelation (WBC) „xžžžƒ–„xžžžƒƒƒ; zurückhaltender
M‚••ƒy•,
Morphology
101.
Doch
zeigt
ein
Überblick
Ausnahmen:

τοῦ καϑημένου ἐπί

+
Gen.

τῷ καϑημένῳ ἐπί +
Dat. ὁ καϑήμενος ἐπί +
Akk. bzw.
τὸν καϑήμενον ἐπί

4,10;
5,1.7;
6,16;
17,1;
 19,18.19.21 4,9;
5,13;
7,10;
19,4 aber:
6,4;
14,15 4,2.4;
6,2.5;
11,16;
14,14;
 aber:
7,15;
9,17;
14,6.16; 17,3;
19,11;
20,11 21,5

Zudem schwankt an zahlreichen Stellen die Überlieferung. So findet sich in 20,11b neben dem Akkusativ αὐτόν (051 ˜) auch der Genitiv αὐτοῦ ([ℵ] A 1006. 1611. 1841. 2053. 2062. 2329 pc) und der Dativ αὐτῷ (1854 pc). Bereits die antike Abschreiber haben offensichtlich versucht, ein System zu entdecken und den Text entsprechend zu „korrigieren“. Vgl. dazu S„ˆŽƒ€, Apokalypse‑Text 2, 209–212. Deshalb sollte man auch nicht – wie es R. H. Charles getan hat – versuchen, anhand dieser Beobachtung Vf.
und
Redaktor
zu
unterscheiden. 305 Vgl. BDR § 217,1; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1444; M|‚xŒ|• / H|–•z€, Gr. NT 2, 466. Auch wenn der Artikel in οὗ ἀπὸ τοῦ προσώπου nicht eindeutig bezeugt ist (ℵ A P 1006. 1611. 1841. 2050. 2329 pc, fehlt in 051 ˜), kann er als ursprünglich gelten, da

202

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

als in 20,8d wird hier das Relativpronomen nicht durch ein nachgestell‑ tes Personalpronomen wieder aufgenommen (Pronomen abundans). Vgl. auch 16,20. — d καὶ τόπος οὐχ εὑρέϑη αὐτοῖς: Die auffällige Umschrei‑ bung des Nicht‑Vorhandenseins mit dem Passiv von εὑρίσκω könnte eine wörtliche Übertragung aus dem Hebräischen sein (nif. zu ‫„ מצא‬fin‑ den“ als „vorhanden sein“).306 Die auch in 12,8 gebrauchte Formel findet sich, in anderem Zusammenhang, in Dan 2,35 (Theod.). Das (tempora‑ le) Augment fehlt im nachklassisch‑hellenistischen Griechisch häufig (εὑρέϑη
staT
aTisch
ηὑρέϑη).307 20,12: a καὶ εἶδον τοὺς νεκρούς, τοὺς μεγάλους καὶ τοὺς μικρούς308, ἑστῶτας ἐνώπιον τοῦ ϑρόνου: Zum AcP nach Verben der (sinnlichen) Wahrneh‑ mung und der entsprechenden aramäischen Konstruktion vgl. 19,11a. Zur (uneigentlichen) Präposition ἐνώπιον als Wiedergabe des hebräi‑ schen ‫( לִפְנ ֵי‬u. ä.) vgl. bei 19,20b. Zur Phrase τοὺς μεγάλους καὶ τοὺς μικρούς vgl. bei 19,18, zu ἑστῶτας ἐνώπιον τοῦ ϑρόνου 7,9 (5,6; 7,11). — b καὶ βιβλία ἠνοίχϑησαν: ATisch stünde das Prädikat bei Subjekt im Neu‑ trum Plural im Singular. Im hellenistischen Griechisch setzt sich mehr und mehr der Plural durch. In der Johannesoffenbarung zeigt sich hier, wie im biblischen Griechisch allgemein, ein starkes Schwanken.309 Der Aor. Pass. Ind. ἠνοίχϑην staT klassisch ἀνεῴχϑην ist auch sonst im zeit‑ gleichen Griechisch bezeugt (Hp. Epid. 7.80; vgl. J. Ap. 2.9); im NT fin‑ det sich diese Form allerdings nur in der Johannesoffenbarung.310 Dem Vers liegt wohl Dan 7,10 zugrunde, doch bieten LXX und Theod. hier καὶ βίβλοι ἠνεῴχϑησαν. — c καὶ ἄλλο βιβλίον ἠνοίχϑη, ὅ ἐστιν τῆς ζωῆς: Zu ἠνοίχϑη vgl. bei 20,12b. Die hinter dem Vers stehende Vorstellung ist zwar biblisch, doch findet sich nirgends im AT und in den frühjüdi‑ schen SchriWen die Formulierung βιλίον/βίβλος τῆς ζωῆς. — d καὶ ἐκρί-

306 307

308 309 310

diese Variante sich in der LXX und im NT weit seltener findet, so dass eine (unbe‑ wusste)
Korrektur
in
diese
Richtung
weniger
wahrscheinlich
ist. Dazu M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 153f.; S. Tˆ|Ž›•|•, Syntax 16f.; A‚•y, Revelation (WBC)
1075.
Vgl.
aber
dazu
die
Angaben
bei
K‡ˆxyz / B•‚Ž‹•zŒ•yz,
Wb. AT
1, 586. Vgl. BDR § 67,1c. In den griechischen Papyri findet sich bei εὑρίσκω nur selten ein Augment; vgl. Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ 729. Zum Schwund des temporalen Augments allge‑ mein
M•~•yz,
Gr. Pap.
1, 2
§ 2. τοὺς μεγάλους καὶ τοὺς μικρούς fehlt
in
051
˜. Vgl.
BDR
§ 133. Vgl. Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 145. Für den Ind. Aor. Pass. finden sich im NT: ἠνεῴχϑησαν (Mt 9,30; Joh 9,10, Apg 16,26); ἀνεῴχϑησαν (Mt 27,52); ἠνοίχϑησαν (Op 20,12). Die Johannesoffenbarung augmentiert bei ἀνοίγνυμι/-οίγω durchgängig nur die Vorsilbe ἀν-. Das Part. Perf. Pass. lautet stets ἠνεῳγμένον. Vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 162;
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, „žƒž;
S„ˆŽƒ€,
Apokalypse‑Text
2, 182f.

Analyse
der
EinzelabschniTe

203

ϑησαν οἱ νεκροὶ ἐκ τῶν γεγραμμένων ἐν τοῖς βιβλίοις κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν: Das Prädikat ἐκρίϑησαν wird durch zwei Präpositionalausdrücke näher bestimmt, die den Grund (ἐκ) und den näheren Umstand (κατά) ange‑ ben.311 Beide werden aber zueinander nicht in Beziehung gesetzt, so dass die Darstellung und Gedankenführung abgehackt und skizzenhaW wirkt. Ausgedrückt soll wohl werden, dass die Werke in den Büchern verzeichnet
sind.
Besser
wäre:
κατὰ τὰ ἔργα τὰ γεγραμμένα ἐν κτλ. 20,13: a καὶ ἔδωκεν ἡ ϑάλασσα τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτῇ b καὶ ὁ ϑάνατος καὶ ὁ ᾅδης ἔδωκαν τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτοῖς: Die beiden Sätze sind formal und inhaltlich parallel gestaltet, wobei die beiden ersten Satz‑ glieder chiastisch gestellt sind. Inhaltlich handelt es sich nicht um einen synonymen, sondern einen synthetischen Parallelismus.312 Ein derarti‑ ger Parallelismus membrorum ist ein typisches Kennzeichen der hebräi‑ schen Poesie.313 — c καὶ ἐκρίϑησαν ἕκαστος κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν: Der Nominativ Singular ἕκαστος ist als Apposition zum (im Prädikat ent‑ haltenen) Subjekt des Satzes zu verstehen und steht als solche auch klassisch
bei
einem
pluralischen
Nomen
oder
Pronomen
im
Singular.314 20,14: a καὶ ὁ ϑάνατος καὶ ὁ ᾅδης ἐβλήϑησαν εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός b οὗτος ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερός ἐστιν, ἡ λίμνη τοῦ πυρός315: Analog zu 20,5c müsste in 20,14b staT οὗτος das Neutrum τοῦτο stehen, da es sich um eine Definition handelt; vgl. bei 20,5c. Der Wechsel in das Präsens ist hier ein MiTel der Darstellung („Erzähler“‑Kommentar).316 Anders als in der ähnlich formulierten Definition der „ersten Auferstehung“ in 20,5c
steht
hier
die
Kopula. 20,15: a καὶ εἴ τις οὐχ εὑρέϑη ἐν τῇ βίβλῳ τῆς ζωῆς γεγραμμένος: StaT καὶ εἰ stünde klassisch εἰ δέ. Klassisch griechisch müsste auch der indi‑ kativische Bedingungssatz durch μή verneint werden; doch verwischt im nachklassischen Griechisch die Unterscheidung von οὐ und μή.317

311 Bei absolut gebrauchtem κρίνω („veruteilen“) findet sich auch sonst sowohl die Kon‑ struktion mit ἐκ als auch die mit κατά; vgl. B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 917f. Die Ver‑ wendung von ἐκ in Op 20,12d könnte semitisch bedingt sein, da das äquivalente hebr./aram. ‫ מִן‬auch Quelle, Grund und Werkzeug einer Handlung angeben kann; vgl.
Sy‹•x,
MHebr.
§ 362 (v);
K‡ˆxyz / B•‚Ž‹•zŒ•yz,
Wb. AT
1, 566. 312 Zum
Parallelismus
BDR
§ 489;
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 702;
L••€}y•Œyz,
Stilistik
130–132. 313 Vgl. M|‚xŒ|• / H|–•z€, Gr. NT 2, 418f. Zum Unterschied zwischen semitischem und hellenischem
Satzparallelismus
N|z€y•,
Agnostos
Theos
355–364. 314 Vgl. Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 499; BDR § 305,1a; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 476; auch M•~•yz,
Gr. Pap.
2, 2
§ 71
(V.b);
2, 3
§ 153
(III.a.α.1). 315 Der
ganze
Satz
fehlt
in
etlichen
Textzeugen
(051.
2053txt.
2062txt
˜A
a
sin
bo;
Aug). 316 So
M‚••ƒy•,
Morphology
333
(„explanatory
remarks“). 317 Vgl. BDR § 428,1; S„ˆ–~Šyz, Gr. 596f.; zu οὐ im Bedingungssatz ebd. 593; M•~•yz, Gr. Pap. 2, 2 § 139.II.b.3. Nach M‚••ƒy•, Morphology 183, erscheint τις in der Johan‑

204

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Zum fehlenden Augment bei εὑρέϑη vgl. bei 20,11d. Auch klassisch fin‑ det sich nach εὑρίσκω (Akt. und Pass.) ein prädikatives Partizip.318 Die Formulierung hat eine Parallele in Dan 12,1 (Theod.); ähnliche For‑ mulierungen in 13,8; 17,8; 21,27. Zu οὐχ εὑρεϑῆναι als hebraisierende Umschreibung des Nichtvorhanden‑Seins vgl. bei 20,11d. — b ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός: Ginge es dem Vf. um die gezielte Nachah‑ mung biblisch‑hebräischer Syntax oder läge Übersetzungsgriechisch vor, wäre die Einleitung des Nachsatzes (Apodosis) mit καί zu erwar‑ ten, wie sie sich sonst im biblischen Griechisch als Nachahmung der konsekutiven
Tempora
(Waw‑Perfekt/Imperfekt)
des
Nachsatzes
findet.319 21,1: a καὶ εἶδον οὐρανὸν καινὸν καὶ γῆν καινήν b ὁ γὰρ πρῶτος οὐρανὸς καὶ ἡ πρώτη γῆ ἀπῆλϑαν: γάρ zur Einleitung kürzerer Nebenbemerkungen findet sich in der Johannesoffenbarung mehrmals.320 Starker Aorist mit Endung des schwachen (-αν staT -ον) findet sich auch sonst im nach‑ klassischen Griechisch.321 Die Rede von οὐρανὸς καινὸς und γῆ καινή entstammt wohl Jes 65,17; 66,22 (vgl. 2 Petr 3,13). — c καὶ ἡ ϑάλασσα οὐκ ἔστιν ἔτι322:
Der
Vf.
wechselt
ohne
ersichtlichen
Grund
in
das
Präsens. 21,2: a καὶ τὴν πόλιν τὴν ἁγίαν Ἰερουσαλὴμ καινὴν εἶδον καταβαίνουσαν ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀπὸ τοῦ ϑεοῦ: Zum AcP nach Verben der (sinnli‑ chen) Wahrnehmung und der entsprechenden aramäischen Konstrukti‑ on vgl. 19,11a. Bei Ἰερουσαλὴμ καινήν würde man eigentlich den Artikel erwarten, da es sich um eine für den Leser bereits bekannte Größe han‑ delt (3,12).323 Der Vers 21,2a stimmt nahezu wörtlich mit 3,12; 21,10 überein. — b ἡτοιμασμένην ὡς νύμφην κεκοσμημένην τῷ ἀνδρὶ αὐτῆς: ἡτοιμασμένην ist adverbiales Partizip zu καταβαίνουσαν; zur Seltenheit solcher Partizipialgruppen in der Johannesoffenbarung vgl. 20,1a.b. ὡς ist hier korrekt griechisch gebraucht; vgl. dagegen bei 19,12a. Zum gan‑ zen
Vers
vgl.
die
ähnliche
Formulierung
19,7.

318 319

320 321 322 323

nesoffenbarung nur in substantivischem Gebrauch und nur nach der Konjunktion εἰ bzw.
ἐάν
(11,5;
13,9.10;
14,9.11;
20,15). Vgl.
BDR
§ 416,2
und
Anm. 11;
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 394;
Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ,
Lex.
729. Zur Nachahmung der konsekutiven Tempora im Nachsatz BDR § 442,5a. Konsekuti‑ ve Tempora kennt nur das biblische Hebräisch, nicht das Mischna‑Hebräische und Aramäische. Zum hebräischen Kondizionalsatz Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ, Hebr. § 112 ff– oo;
Sy‹•x,
MHebr.
§§ 483–487. Vgl.
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
172. Vgl.
M•~•yz,
Gr. Pap.
1, 2
§ 76,4.a. A
bietet
die
kaum
ursprüngliche
Variante
καὶ τὴν ϑάλασσαν οὐκ εἶδον ἔτι. Dazu M‚••ƒy•, Morphology 196. Das Fehlen des Artikels mag auch dadurch bedingt sein, dass im Semitischen Städtenamen als an sich bestimmt gelten und deshalb nie einen
Artikel
haben.

Analyse
der
EinzelabschniTe

205

21,3: a καὶ ἤκουσα φωνῆς μεγάλης ἐκ τοῦ ϑρόνου λεγούσης: Von ἀκούω ist gut griechisch ein Genitiv mit Partizip (GcP) abhängig; das GcP steht zum Ausdruck unmiTelbarer Wahrnehmung.324 — b ἰδοὺ ἡ σκηνὴ τοῦ ϑεοῦ μετὰ τῶν ἀνϑρώπων: Zu ἰδού mit folgendem Nominativ als Wie‑ dergabe des hebräischen ‫ הִנ ֵּה‬vgl. bei 19,11b. Offensichtlich wird Ez 37,27a zitiert (Ez 37,27b in 21,3d.e), doch nicht in der Version der LXX, die hier dem MT näher steht. — c καὶ σκηνώσει μετ’ αὐτῶν: Die vv. 3b.c bilden einen für die hebräische Dichtung typischen Parallelismus mem‑ brorum. Der Wechsel ins Futur, der auch die folgenden RedeabschniTe in 21,1–8 durchzieht, ist hier ein MiTel der Darstellung (direkte Anrede an die Hörer/Leser).325 Der Vers entspricht (fast) wörtlich 7,15. — d καὶ αὐτοὶ λαοὶ326 αὐτοῦ ἔσονται e καὶ αὐτὸς ὁ ϑεὸς μετ’ αὐτῶν ἔσται [αὐτῶν ϑεός]327: Der Vers ist in seiner Konstruktion undurchsichtig, was sich auch an den zahlreichen variae lectiones zeigt.328 Man muss αὐτῶν ϑεός als ursprünglich zum Text gehörig und ὁ ϑεὸς μετ’ αὐτῶν als Apposition zu αὐτός verstehen.329 Dies liegt zum einen formal nahe, da sonst der paarweise Parallelismus in den vv. 3f. gestört wäre, zum anderen ist es inhaltlich durch die den Versen zugrunde liegende traditionelle Bun‑ desformel gefordert (vgl. Lev 26,12; Ez 37,27b). Ungriechisch ist die Stellung des als Possessivum der 3. Person gebrauchte αὐτῶν vor dem zugehörigen
Nomen.330 21,4: a καὶ ἐξαλείψει πᾶν δάκρυον ἐκ331 τῶν ὀφϑαλμῶν αὐτῶν b καὶ ὁ332 ϑάνατος οὐκ ἔσται ἔτι c οὔτε πένϑος οὔτε κραυγὴ οὔτε πόνος οὐκ ἔσται ἔτι: Zum hebräischen Parallelismus membrorum in 21,4b.c vgl. bei 20,13a.b.

324 Vgl. S„ˆ–~Šyz, Gr. 2, 393f.; BDR § 416,1b. Zum Wechsel zwischen Gen. und Akk. nach ἀκούω in der Johannesoffenbarung B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 163; Cˆ•zxy•, Revelation
(ICC)
1, „žx. 325 Tˆ|Ž›•|•, Syntax 45–47, sieht das Futur als Wiedergabe des hebräischen Imper‑ fekts; eine solche Herleitung ist jedoch unnötig, da sich das Futur der Verheißungs‑ rede
in
21,3f.
auch
auf
der
Basis
der
griech.
Syntax
erklären
lässt. 326 Die Lesart λαοί (P 051S. 1006. 1611. 1841. 1854. 2062com ˜K lat sy) ist die lectio diffcilior ; die Lesart λαός (ℵ A 046. 2030. 2050. 2053. 2062txt. 2329 ˜A a; Irlat) ist Angleichung an die atl. Bundesformel (Ez 34,30; 37,27; vgl. Jer 39,38; Bar 2,35). Vgl. By•xy, Revlation (NIGTC)
1048. 327 αὐτῶν ϑεός (A 2030. 2050. 2053[txt. 2062]. 2329 al vg; Irlat) fehlt in ˜K gig. Vgl. dazu auch
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1110f. 328 Im
einzelnen
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1110f.;
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
1048. 329 Gegen
M‚••ƒy•,
Morphology
169. 330 Vgl.
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, „žžƒ. 331 Zu ἐκ findet sich die vl ἀπό (051s ˜; Irlat). Hinter der Verwendung von ἐκ steht evtl. das
hebr.
‫מִן‬. 332 Das Fehlen des Artikels vor ϑάνατος in einigen Hss (ℵ 2050. 2329 pc) erklärt sich als Angleichung
an
die
folgende
Liste
(v. 4c).

206

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Zugleich zeigen die parallelen Verse 21,4b.c eine Epipher (οὐκ ἔσται ἔτι).333 Zur Umschreibung des Partitivus mit ἐκ vgl. bei 19.21b. Das (freie) Zitat von Jes 25,8 in 21,4a stand bereits in 7,17; es ist weniger nahe am MT als die LXX. — d [ὅτι]334 τὰ πρῶτα ἀπῆλϑαν: Zum Plural des Prädikats bei Subjekt im Neutrum Plural bei 19,14a. ὅτι kann hier einen kausalen Nebensatz, einen abhängigen Aussagesatz oder auch eine „di‑ rekte Rede“ (ὅτι recitativum) einleiten. Der Aorist zeigt die Abgeschlos‑ senheit
der
Handlung
gegenüber
dem
übergeordneten
Satz
an.335 21,5: a καὶ εἶπεν ὁ καϑήμενος ἐπὶ τῷ ϑρόνῳ: Zu καϑήμενος ἐπί vgl. 20,12a, zum schwankenden Kasusgebrauch nach ἐπί 19,11c. — b ἰδοὺ καινὰ ποιῶ πάντα: Die Einleitung eines Verbalsatzes mit ἰδού (vgl. 1,7; 2,22; 3,11; 9,12; 16,15 u. ö.) hat zwar ein semitisches Äquivalent, findet sich aber auch außerhalb des biblischen Griechisch.336 In 21,5 könnte Jes 43,19 (LXX) zitiert werden. — c καὶ λέγει d γράψον, ὅτι οὗτοι οἱ λόγοι πιστοὶ καὶ ἀληϑινοί εἰσιν: Bei λέγει könnte es sich um ein historisches Präsens handeln, das sich sowohl in volkstümlichen Erzählungen als auch in literarischen Texten als MiTel unmiTelbarer und lebendiger Darstellung findet (vgl. 10,9; 17,15; 19,9; 22,9 u. ö.).337 ὅτι kann hier so‑ wohl einen abhängigen Aussagesatz als auch eine direkte Rede (ὅτι re‑ citativum) einleiten. Ähnliche „Beglaubigungsformeln“ stehen in 19,9 und
22,6. 21,6: a καὶ εἶπέν μοι· b γέγοναν. c ἐγώ [εἰμι]338 τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος: Die Endung -αν der 3. Plural im Perfekt Aktiv (γέγοναν) staT klassisch -ασι(ν) findet sich erst hellenistisch (18,3; 19,3; aber 8,2).339 Die SelbsTitulatur GoTes als ἀρχή und τέλος könnte eine freie Wieder‑ gabe von Jes 48,12; 60,9 (MT) sein; die Titulatur ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος steht in 22,13 für Christus, τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ in 1,8 für GoT, in 22,13 für Chris‑

333 Vgl.
L••€}y•Œyz,
Stilistik
102f. 334 Das Auslassen von ὅτι nach ἔτι (A 051s. 1006. 1611. 1841. 2030. 2053. 2062. 2329. 2377 ˜A) wie auch des ἔτι vor ὅτι (ℵ1 pc ; Aug) ist leicht als Lesefehler erklärbar; ursprüng‑ lich ist demnach die Lesart ἔτι ὅτι κτλ. (1. 1854. 2050 ˜K a sin vgww syh; Irlat). τὰ γὰρ πρῶτα
ist
Korrektur
der
Lesart
ohne
ὅτι
(94
pc
gig). 335 Dieser Aspekt ist dem griechischen Aoriststamm eigen; man muss also nicht wie M‚••ƒy•, Morphology 337f., einen Einfluss des hebr. Qal Pf. als Ausdruck des Futu‑ rum
exactum
sehen. 336 Man muss in ἰδού + Ind. Präs. nicht, wie Tˆ|Ž›•|•, Syntax 32, eine Wiedergabe des semit.
Futurum
instans
(‫
הִנֵּה‬+
Partizip)
sehen.
Vgl.
Gy•y•ƒ‚• / K•‚ŒŠ•„ˆ,
Hebr.
§ 116 p. 337 Dazu
A‚•y,
Revelation
(WBC)
„xžžžƒŸf. 338 εἰμί
ist
unsicher
bezeugt
(A
1006.
1841.
2053.
2062
pc
[laT]
syph). 339 Vgl. S„ˆ–~Šyz, Gr. 1, 767; M•~•yz, Gr. Pap. 1, 2 § 71.III.2; M‚••ƒy•, Morphology 265. Die unklassische Endung der 3. Pl. Perf. Akt. dürWe die Lesart γέγονα ἐγὼ τὸ κτλ. (ℵ 051s
˜
syh
sa)
veranlasst
haben;
vgl.
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
1057.

Analyse
der
EinzelabschniTe

207

tus. — d ἐγὼ τῷ διψῶντι δώσω ἐκ τῆς πηγῆς τοῦ ὕδατος τῆς ζωῆς δωρεάν: Der Vers nimmt anaphorisch das ἐγώ des vorausgehenden Verses auf. Die Umschreibung des Partitivus nach δίδωμι durch ἐκ kann semitisch beeinflusst sein; vgl. bei 19,21b.340 Die Wendung πηγὴ ὕδατος (τῆς) ζωῆς ist biblisch (vgl. Jer 2,13); τῆς ζωῆς könnte als Genitivus qualitatis ein Adjektiv ersetzen („lebendiges Wasser“) oder die Wirkung des Wassers angeben. Der Vers ist eine freie Kombination von Jes 55,1 und Jer 2,13, mit deren LXX‑Fassung gewisse Berührungen bestehen. Er wird in 22,17
nochmals
aufgenommen. 21,7: a ὁ νικῶν κληρονομήσει341 ταῦτα: Dem Neutrum Plural ταῦτα fehlt ein unmiTelbares Bezugswort. κληρονομέω τι „erhalten“ ist kein Semitismus, sondern findet sich auch außerhalb des biblischen Grie‑ chisch (vgl. Plb. 15.22.3; Id. 18.55.8).342— b καὶ ἔσομαι αὐτῷ ϑεὸς c καὶ αὐτὸς ἔσται μοι υἱός: Der Nominativ αὐτός ist in 21,7c eindeutig als be‑ tontes Personalpronomen verwendet; zu αὐτός vgl. bei 19,15c.343 Zum Parallelismus vgl. 20,13a.b. Der Vers folgt 2 Sam 7,8, bleibt aber weniger nah
am
MT
als
die
LXX. 21,8: a τοῖς δὲ δειλοῖς καὶ ἀπίστοις καὶ ἐβδελυγμένοις καὶ φονεῦσιν καὶ πόρνοις καὶ φαρμακοῖς καὶ εἰδωλολάτραις καὶ πᾶσιν τοῖς ψευδέσιν: Es ist nicht ersichtlich, wodurch der Dativ dieser Aufzählung motiviert ist. Der Dativ könnte das hebräische ְ‫ ל‬zur Einführung eines neuen Sub‑ jekts oder Objekts wiedergeben; dieses kann vorangestellt und dann durch ein Pronomen im Satz wieder aufgenommen werden.344 Dies könnte auch der Grund sein, dass nur beim ersten Glied der Aufzäh‑ lung der Artikel steht (bei πᾶσιν τοῖς ψευδέσιν durch πᾶσιν bedingt). εἰδωλολάτρης ist ein jüdischer terminus technicus und als solcher in der profanen Gräzität nicht bezeugt.345 Der Lasterkatalog entstammt wie die verwandten Kataloge in 21,27; 22,15 der jüdisch‑christlichen Traditi‑ on (vgl. Mt 15,19; Mk 7,21f.; 1 Kor 6,9f.; Gal 5,19–21; Eph 5,5; 1 Petr 4,3; Did 2,2; Barn 19,4f.; 20,1; Polyk 5,3). — b τὸ μέρος αὐτῶν ἐν τῇ λίμνῃ τῇ

340 Eigentlich δίδωμί τινά τι (oder mit partitivem Genitiv); vgl. Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 422f.; BDR § 169. Zur Umschreibung des Gen. partitivus mit ἀπό und ἐκ auch My~•yz, Gr. Pap.
II, 2,352f. 341 δώσω αὐτῷ (˜K syhmg) staT κληρονομήσει ist eine Angleichung an die Formulierung der
Überwindersprüche
der
Sendschreiben
(2,7.17.26;
3,21). 342 Vgl. Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 959 (zu unterscheiden von κληρονομέω τινός „erben“); B•‚‑ yz / Ax••€,
Wb. NT
Sp. 884;
gegen
Tˆ|Ž›•|•,
Syntax
14f. 343 Vgl.
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
1, „žžƒƒ.
αὐτός
fehlt
in
den
Hss
A
1006.
1841
pc
sa. 344 Dazu Sy‹•x, MHebr. § 440–447; M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 152f.; Cˆ•zxy•, Revelati‑ on
(ICC)
1, „žžžƒž;
2, 216
und
2,
216
Anm.
1. 345 Vgl.
B•‚yz / Ax••€,
Wb. NT
Sp. 446.

208

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

καιομένῃ πυρὶ καὶ ϑείῳ: Zum Fehlen des Prädikats und zur dadurch be‑ dingten knappen Ausdrucksweise als Kennzeichen volkstümlicher Sprache vgl. bei 19,12b — c ὅ ἐστιν ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερος: Da es sich um eine Definition handelt, muss das Relativpronomen im Neutrum ste‑ hen; vgl. dagegen die totale Kongruenz des pronominalen Subjekts in 20,5c.14b. Auswertung: Auch in 20,11 – 21,8 ist der für volkstümliche Literatur und Umgangssprache typische parataktische Stil vorherrschend, wobei die meist einfachen Sätze überwiegend mit καί verbunden werden. Ledig‑ lich in 21,1b wird durch γάρ ein kausales und in 21,8a mit δέ ein adver‑ satives Verhältnis explizit gemacht. An hypotaktischen Verbindungen finden sich in 20,11c.12c; 21,8c jeweils ein Relativsatz, in 20,15a ein Konditionalsatz (εἰ) und in 21,4d.5d jeweils ein mit ὅτι eingeleiteter Aussagesatz.
Ellipsen
finden
sich
in
21,3b.8b. Semitischer Einfluss ist außerhalb der alTestamentlichen Zitate nur in der Wendung οὗ ἀπὸ τοῦ προσώπου (20,11c) und den merkwürdigen Dativen in 21,8 zu beobachten. Die Daniel‑Zitate in 20,11d.12b.15a ste‑ hen, abgesehen von 20,12b, Theod. nahe; 20,12b könnte eine eigene Übersetzung des Vf.s sein (aus dem Gedächtnis zitiert) oder auf eine andere Quelle zurückgehen.346 Die zahlreichen alTestamentlichen Zita‑ te in 21,1–8 sind relativ frei (21,3b.d.e.4a.5b.6c.d.7b.c). Der Vf. folgt hier nicht der LXX, die den MT in der Regel genauer wiedergibt.347 Daher scheint es wenig wahrscheinlich, dass der Vf. hier direkt aus dem he‑ bräischen oder griechischen Alten Testament zitiert. Der Vergleich der biblischen „Zitate“ in 21,1–8 mit der LXX und dem MT widerspricht zudem der These, der Vf. ziele auf eine möglichst große Nähe zum he‑ bräischen
Text
des
Alten
Testaments.348 Dennoch besitzen die RedeabschniTe in 21,1–8 ein „biblisches Kolo‑ rit“, das vornehmlich aus der Übernahme des für die alTestamentliche Poesie (an der sich auch die prophetische Rede orientiert) typischen Parallelismus membrorum ergibt (21,3b.c.d.e.4b.c.7b.c).349 Zu beachten ist, dass ein „biblischer Stil“ hier nicht durch die gezielte Missachtung der 346 Zum
Problem
der
Vorlage
der
Dan‑Zitate
S–yŒy,
Revelation
„xŸf. 347 Dies relativiert die Behauptung von Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, „žxƒƒƒ, die Johan‑ nesoffenbarung sei „hebräischer“ als die LXX selbst. An Charles orientiert sich Pzƒ‑ ‹y•Œ,
L’Apocalypse
(CNT[N])
367f. 348 Diese These vertreten im Anschluss an Charles L|ˆ•y, Sprache 122f.; M|•Œ‹|Žyz~, Education 71–75; S. Tˆ|Ž›•|•, Syntax 1–2 und 102–108; vorsichtiger By•xy, Revelati‑ on
(NIGTC)
77–79. 349 Zum
Parallelismus
membrorum
der
hebräischer
Poesie
K|„ˆ,
Formgeschichte
114–116.

Analyse
der
EinzelabschniTe

209

griechischen Grammatik, sondern durch die Übernahme bekannter bib‑ lischer Topoi und die Anlehnung an eine typisch biblische Form des sprachlichen
Ausdrucks
entsteht.350 Für die Johannesoffenbarung typische, geradezu formelhaWe Wen‑ dungen finden sich in 20,11a.b.d.12a.(c.)14a.b.15a.b; 21,3a.5a.d.6b.c.7a. Nahezu wörtliche Wiederholungen sind 21,2.3c.4a. Auch die Ver‑ heißung des „Lebenswassers“ in 21,6d und der Lasterkatalog in 21,8a werden teilweise wörtlich wiederholt (9,21; 21,27; 22,15). Diese Formel‑ haWigkeit der Sprache und die einfache Parataxe mit καί bedingen eine sprachliche und stilistische Monotonie des Textes.351 Die stilistischen MiTel beschränken sich wie auch in den beiden vorhergehenden Ab‑ schniTen auf Figuren der Wiederholung: so der mit einem Chiasmus verbundene Parallelismus in 20,13a.b, eine Epipher in 21,4b.c, eine Ana‑ pher in 21,6c.d und ein einfacher Parallelismus in 21,7b.c. Auch wirken diese Stilfiguren eher zufällig, da mit ihnen – abgesehen vielleicht von 21,6c.d – keine inhaltlichen Akzentuierungen verbunden zu sein schei‑ nen. Dies unterstützt die Hypothese, dass der Vf. keine literarische Ausbildung im eigentlichen Sinn besaß. Der AbschniT zeigt durchge‑ hend
den
einfachen
Stil
volkstümlichen
Erzählens. Insgesamt wirkt vor allem der AbschniT 21,1–8 inhaltlich wenig ho‑ mogen, wozu die Fülle oW scheinbar willkürlich aneinander gereihter alTestamentlicher Zitate und Anspielungen beiträgt. In 20,12–15 kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass zum einen der Text nicht stimmig geordnet ist und zum anderen inhaltlich Widersprüchliches lose aneinander gereiht wird. Darauf ist im Folgenden ausführlicher zurückzukommen. Wie schon in 19,11–21 und 20,1–10 bedarf es auch hier keines Rekurses auf das semitische „Tempus“‑System und keiner psychologischen Überlegungen, um die Tempuswechsel – besonders das Futur in 21,3f.6d.7 – zu erklären.352 Wo der Vf. vom Aorist abweicht, handelt es sich um Kommentare und Deutungen. Allerdings sind in 21,1–8 Vision und Deutung nicht sehr überzeugend verbunden, da der Thron und der Thronende einerseits selbst Gegenstand der visionären ZukunWsschau sind (Aorist), andererseits die mit ihnen verbundenen 350 Es lässt also nicht erkennen, dass der Vf. das Griechische gezielt der hebr. Syntax un‑ terwirW, um dadurch eine dem heiligen Inhalt angemessene Sprache zu generieren; gegen die Thesen von R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 20f.; Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 15f.; L|ˆŽy~yz, Offenbarung (HNT) 194f.; M|‚xŒ|• / T‚z•yz, Gr. NT 4, 148–150; SŒz|†yx, Apokalypse. TRE 3, 180f.; zurückhaltend U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 51;
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
39. 351 Dazu
Axx|,
Apocalypse
(EtB)
„xžŸƒf.;
S„ˆŽƒ€,
Apokalypse‑Text
2, 249f. 352 Gegen
die
„psychologische“
Erklärung
bei
M‚••ƒy•,
Morphology
335f.

210

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Reden das Geschaute aus der zeitlichen Perspektive des Vf.s und seiner Adressaten
deuten
(Futur).353

(3) Struktur Gleich zu Beginn des AbschniTes 20,11 – 21,8 steht in 20,11a und 20,12a die Visionseinleitungsformel καὶ εἶδον zweimal unmiTelbar hinterein‑ ander, dann erneut in 21,1a. Da im ganzen AbschniT durchgängig die in 20,11 geschilderte Situation vorausgesetzt wird, liegt es nahe, in 20,11 die den Visionen 20,12–15 und 21,1–8 gemeinsame szenische Ein‑ leitung
zu
sehen.354 20,11: Auf die Visionseinleitungsformel folgen zwei Akkusativobjekte: der große weiße Thron und der auf ihm Sitzende (20,11a). Daran schließt sich in einem Relativsatz die Aussage vom Weltuntergang (20,11b). Eine nochmalige Bestätigung (20,11c) zeigt, dass diese Aussa‑ ge wörtlich zu verstehen ist und nicht nur als ein den Psalmen entlehn‑ tes Epitheton GoTes.355 Dieser Einleitungsvers hat zugleich gliedernde Funktion: Der Thron und der darauf Thronende sind ein traditionelles Gerichtsmotiv und weisen damit auf die Gerichtsvision 20,12–15 vor‑ aus, während die Weltuntergangsaussagen die logische Voraussetzung der Vision von der neuen Schöpfung in 21,1–8 sind.356 Durch die Plat‑ zierung des Weltuntergangs vor dem Totengericht ergeben sich aller‑ dings logisch‑inhaltliche Probleme. Denn bis zur Neuschöpfung in 21,1 gibt es weder Himmel noch Erde. Dies provoziert die Frage, wo sich der Vf. den Ort des Totengerichts von 20,12–15 denkt und ob die (un‑ terirdischen) Verwahrungsorte der Toten den Weltuntergang überdau‑

353 Vgl.
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
168f. 354 So
auch
Gƒ†xƒ•,
Revelation
(GNS)
191f. 355 Dazu H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 201f.; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 193; gegen A‚•y,
Revelation
(WBC)
1101. 356 A‚•y, Revelation (WBC) 1081, erkennt sehr wohl die Unterteilung von 20,11–15 in die AbschniTe 20,11 und 20,12–15, erkennt aber nicht die gliedernde Funktion von 20,11 für den gesamten AbschniT 20,11 – 21,8. Dies liegt daran, dass er die Weltunter‑ gangs‑Aussage in 20,11b nur metaphorisch versteht. Die Reaktion der Natur sei hier lediglich Antwort auf die Theophanie (vgl. Ps 18,7–15; 68,7–8; Am 1,2 u. ö.). Ähnlich Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 447. Dazu ist anzumerken, dass man eine reale Reaktion der Natur auf das Erscheinen GoTes erwartete, wie auch die menschliche Reaktion auf eine Theophanie („niemand kann GoT sehen und am Leben bleiben“, vgl. Ex 33,20) real und nicht nur metaphorisch verstanden wurde. Vgl. auch V‡‹Œxy, Kosmi‑ sche
Dimension
304–306.

Analyse
der
EinzelabschniTe

211

ern (vgl. 20,13a.b).357 Überhaupt ist der Übergang von 20,1–10 unklar, da die in 20,4 Auferweckten und das eben gereTete „Lager der Heiligen und
die
geliebte
Stadt“
ab
20,11
vergessen
scheinen.358 20,12–15: Mit καὶ εἶδον werden in einem AcP als weiterer „Gegenstand“ der Vision die vor GoTes Thron stehenden Toten eingeführt (20,12a). Durch den Zusatz τοὺς μεγάλους καὶ τοὺς μικρούς wird deren Universa‑ lität betont. Offen bleibt, ob sie mit den οἱ λοιποὶ τῶν νεκρῶν in 20,5a identisch sind.359 Im weiteren Verlauf der Vision fällt auf, dass jeder Satz
des
AbschniTes
ein
formales
und
inhaltliches
Äquivalent
besitzt: 20,12

20,13

20,14 20,15

(a) καὶ βιβλία ἠνοίχϑησαν (a) καὶ ἄλλο βιβλίον ἠνοίχϑη, ὅ ἐστιν τῆς ζωῆς (b) καὶ ἐκρίϑησαν οἱ νεκροὶ ἐκ τῶν γεγραμμένων ἐν τοῖς βιβλίοις κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν (c) καὶ ἔδωκεν ἡ ϑάλασσα τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτῇ (c) καὶ ὁ ϑάνατος καὶ ὁ ᾅδης ἔδωκαν τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτοῖς (b) καὶ ἐκρίϑησαν ἕκαστος κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν (d) καὶ ὁ ϑάνατος καὶ ὁ ᾅδης ἐβλήϑησαν εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός

οὗτος ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερός ἐστιν, ἡ λίμνη τοῦ πυρός (d) καὶ εἴ τις οὐχ εὑρέϑη ἐν τῇ βίβλῳ τῆς ζωῆς γεγραμμένος, ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός

(a) In 20,12b.c stehen sich zwei Arten von Büchern gegenüber: Die in 20,12b genannten Bücher enthalten, wie 20,12d zeigt, die Werke der zu richtenden Toten und bilden die Grundlage für das folgende Gericht (20,12d–13).360 Das „Buch des Lebens“ triT nach 20,12c erst wieder in 20,15 in Erscheinung, und zwar ebenfalls als Grundlage einer richterli‑ chen Entscheidung über die Toten. Da der Vf. in 20,12–14 zwischen den beiden Arten von Büchern als Grundlage des Gerichts über die Toten

357 Vgl.
L|ˆŽy~yz,
Offenbarung
(HNT)
164;
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1100. 358 Dass die Auferweckten aus 20,4 ohne jede Zäsur aus dem Millennium in das ewige Leben der neuen Schöpfung hinüberwechseln – so z. B. Gƒ†xƒ•, Revelation (GNS) 185f.
–,
ist
plausibel
wird
im
Text
aber
so
nicht
explizit
gemacht. 359 Für Identität plädieren unter anderen H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 202; H•zzƒ•‹‑ Œ|•, Revelation (SacrP) 203. Insofern sie identisch sind, lässt sich bei 20,12–15 nur sehr bedingt von einem „universalen Gericht“ sprechen, da nicht zu erwarten ist, dass über eschatologisches Heil und Unheil derjenigen, die in 20,4 bereits auferstan‑ den
sind,
noch
einmal
befunden
werden
muss.
Vgl.
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
445. 360 Zu den Werken als Gerichtskriterium vgl. R. Hyƒxƒ‹y•Œˆ•x, ἔργον. EWNT 2 (21992) Sp. 123–127,
hier
125f.

212

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

keinen inhaltlichen Zusammenhang herstellt, stehen 20,12d–13 und 20,15 als zwei separate Gerichtsszenen nebeneinander. Ein innerer Zu‑ sammenhang zwischen den beiden Arten von Büchern und den beiden Gerichtsszenen lässt sich aufgrund von 13,8 und 17,8 vermuten: Wenn diejenigen im „Buch des Lebens“ verzeichnet stehen, die dem Tier und dem Lügenprophet widerstanden, können die „Werke“ nichts anderes sein, als die Treue zu GoT und dem Lamm bis in den Tod. Ob ein der‑ artiger innerer Zusammenhang mit Recht angenommen werden darf, muss ein Blick auf die in den Sendschreiben beanstandeten und gelob‑ ten
„Werke“
sowie
den
Lasterkatalog
in
21,8
erweisen.361 (d) Eine formale Überleitung zwischen den beiden Gerichtsszenen scha• 20,14, da ὁ ϑάνατος καὶ ὁ ᾅδης der ersten Gerichtsszene ent‑ stammt (20,13b.14a) und ἐβλήϑησαν εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός eine Paral‑ lele in 20,15b besitzt. Zwischen den beiden parallelen Verse 20,14a.15 steht ein Vf.‑Kommentar, der den „Feuerpfuhl“ als den „zweiten Tod“ deutet und so 20,12–15 an den Makarismus in 20,6 zurückbindet und auf
21,8
voraus
weist. (b/c) Einen deutlichen Bruch innerhalb der Vision 20,12–15 markiert 20,13: Das in den parallelen Versen 20,13a.b berichtete Hervorkommen der Toten aus ihren (unterirdischen) Verwahrungsorten mit anschlie‑ ßendem Gericht in 20,13c macht nach 20,12 keinen Sinn mehr. Auch 20,13b und 20,14a passen inhaltlich nicht zusammen: Zuerst erscheinen „Tod und Hades“ als Verwahrungsorte der Toten, dann als personifi‑ zierte
Unheilsmächte. Obwohl diese Spannungen und Doppelungen in 20,12–15 auf eine Zusammenfügung heterogener Einzelteile deuten, lassen sie dennoch eine gestalterische Absicht des Vf.s erkennen. Die Einfügung des „Bu‑ ches des Lebens“ in 20,12c stört zwar den logischen Zusammenhang von v. 12b und v. 12d, zugleich aber wird dadurch die Aufmerksamkeit auf dieses Buch gelenkt.362 Denn nach 20,13 wäre eigentlich der Aus‑ gang des Gerichts nach den in den Büchern verzeichneten Werken zu erwarten.363 Durch die Einfügung von 20,14a wiederum wird ein unmiTelbarer Zusammenhang zwischen der ewigen Verdammnis (dem Sturz in den

361 Vgl.
bei
AbschniT
IV. 4b,
Punkt
(1)
und
(4). 362 Für eine nachträgliche Einfügung des „Buches des Lebens“ in eine vorgegebene Endgerichtstradition spricht die Tatsache, dass die Bücher mit den Werken der Men‑ schen anders als das „Buch des Lebens“ ein fester Bestandteil der Endgerichtstradi‑ tion
sind.
Vgl.
H•€|z•,
Offenbarung
(ThHK)
202. 363 Dazu
auch
L|ˆŽy~yz,
Offenbarung
(HNT)
163.

Analyse
der
EinzelabschniTe

213

„Pfuhl von Feuer“ 20,15b) und dem Gericht über die Toten nach ihren Werken vermieden (20,12d.13c). Gleichzeitig akzentuiert der Vf. den „Pfuhl von Feuer“, indem er ihn als „zweiten Tod“ deutet (20,14b). Da‑ mit verbindet er in 20,15 das „Buch des Lebens“, das seit 20,12c nicht mehr erwähnt wurde, und macht es zum eigentlichen Kriterium, an dem sich ewiges Heil und Unheil entscheiden. Die problematische Ein‑ fügung des „Buches des Lebens“ in 20,12c und die damit verbundene, nicht stimmige Fortführung des Gerichtes nach den Werken in 20,14–15 zeigt
also,
dass
hier
das
Hauptinteresse
des
Vf.s
liegt. Dem entspricht, dass die Gerichtsvision durch 20,14–15 mit der Vi‑ sion der „ersten Auferstehung“ verbunden wird. Dies geschieht zum einen über die Aufnahme des Stichwortes „zweiter Tod“ aus dem Ma‑ karismus in 20,6, zum anderen aber auch über das Buch des Lebens. Denn nach 13,8 sind diejenigen nicht im Buch des Lebens verzeichnet, die das Tier anbeten (vgl. auch 17,8). Die Nennung des Buches des Le‑ bens in 20,15a verweist damit indirekt auf die Schuld derer, die den „zweiten Tod“ erleiden, d. h. im „Pfuhl von Feuer“ enden.364 Damit muss 20,12–15 als Gegenbild zu 20,4–6 gelesen werden: An der ersten Auferstehung hat Anteil, wer die Anbetung des Tieres und den Emp‑ fang seines Zeichens verweigert. Teilnahme an der ersten Auferstehung aber bedeutet Bewahrung vor dem „zweiten Tod“. 20,12–15 beinhaltet damit ebenfalls die Mahnung, so zu leben, dass man im „Buch des Le‑ bens“
verzeichnet
ist,
d. h.
das
Tier
nicht
anzubeten.365 Auf dieselbe Mahnung zielte auch 20,4–6. In beiden Visionen wer‑ den dieser zentralen Aussage alle andere Details untergeordnet, eine inhaltlich‑logische Stimmigkeit und Geschlossenheit wird dabei nicht erreicht.

364 Diesen inneren Zusammenhang zwischen dem Gericht nach den Werken und dem Urteil nach dem Buch des Lebens in Op 20,12–15 übersieht A‚•y, Revelation (WBC)
1103. 365 Vgl. dazu Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 445 und 448f.; ders., Johannes‑Apokalypse (SKK.NT) 166. Mehrfach wurde behauptet, das „Buch des Lebens“ bringe in der Ge‑ richtsvision den Prädestinations‑ und/oder Gnadengedanken zum Ausdruck; so H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 202; Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 261; gemildert bei H•zzƒ•‹Œ|•, Revelation (SacrP) 204: „… we are faced with the mystery of salvati‑ on – people are judged by their deeds, and yet salvation is free giW“. Ähnlich auch Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 153; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 196. Dem steht jedoch entgegen, dass der Herr der Gemeinden in Op 3,5 die Adressaten ermahnt, so zu leben, dass ihr Name nicht aus dem Buch des Lebens gestrichen wird (so schon 1 Hen 108,3). Vgl. Gƒ†xƒ•, Revelation (GNS) 193; By•xy, Revelation (NIGTC) 1037;
H. B•xŠ,
βιβλίον.
EWNT 1
(21992)
Sp. 521–524,
hier
523f.

214

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

20,4–5

20,12–15

καὶ οἵτινες οὐ προσεκύνησαν τὸ ↔ καὶ εἴ τις οὐχ εὑρέϑη ϑηρίον οὐδὲ τὴν εἰκόνα αὐτοῦ ἐν τῇ βίβλῳ τῆς ζωῆς καὶ οὐκ ἔλαβον τὸ χάραγμα ἐπὶ τὸ γεγραμμένος, μέτωπον καὶ ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτῶν καὶ ἔζησαν καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ Χριστοῦ χίλια ἔτη

↔ ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός

αὕτη ἡ ἀνάστασις ἡ πρώτη

↔ οὗτος ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερός ἐστιν,

ἡ λίμνη τοῦ πυρός 1444444444444442444444444444443 20,6: μακάριος καὶ ἅγιος ὁ ἔχων μέρος ἐν τῇ ἀναστάσει τῇ πρώτῃ· ἐπὶ τούτων ὁ δεύτερος ϑάνατος οὐκ ἔχει ἐξουσίαν κτλ.

21,1–8: Der AbschniT 21,1–8 gliedert sich in einen visionären Teil (21,1– 2) und eine Reihe von vier Auditionen (21,3–8). Beide Teile werden durch das entsprechende Signalwort καὶ εἶδον (21,1a) bzw. καὶ ἤκουσα (21,3a) eingeleitet. Der visionäre Teil unterteilt sich in die Schau der neuen Schöpfung (21,1) und die HerabkunW des neuen Jerusalem (21,2).366 Die Schau des neuen Himmels und der neuen Erde (21,1a) wird in 21,1b mit dem Untergang der „ersten“ Schöpfung begründet (γάρ). Es folgt ein Kommentar des Vf.s im Präsens, dessen Bedeutung und Funktion nicht hinreichend klar wird (21,1c).367 Im zweiten Teil der Vision steht εἶδον nicht wie sonst mit καί vor dem AcP, sondern zwi‑ schen dem Akkusativobjekt und dem zugehörigen Partizip. Durch die‑ se Nachstellung wird beim Leser der Eindruck eines Neueinsatzes ver‑

366 A‚•y, Revelation (WBC) 1114, sieht καὶ εἶδον in 21,1a vom üblichen Gebrauch des Vf.s abweichend verwendet, da καὶ εἶδον sonst dazu dienen, eine längeren Visions‑ bericht einzuleiten oder den Fokus auf einen neuen Gegenstand der Vision zu rich‑ ten. In 21,1 aber folge auf die Nennung des Gegenstands der visionären Schau kein eigentlicher Visionsbericht. Dem ist nur mit Einschränkung zuzustimmen, da der Vf. καὶ εἶδον am Anfang eines Visionsberichtes dazu verwendet, um das „SeTing“ der geschauten Ereignisse anzugeben (Personen, Gegenstände oder „Orte“, die für die folgende Handlung zentral sind). Dies gilt auch für 21,1; hier wird das „SeTing“ für die HerabkunW des himmlischen Jerusalem aufgerichtet. Eine deutliche Parallele dazu ist der Eingang der Vision 19,11–16. Ungewöhnlich allerdings ist in 21,1–8 das unmiTelbar folgende, seinem Objekt (AcP) nachgestellte εἶδον in 21,2a; die Nachstel‑ lung
von
εἶδον
ist
in
der
Johannesoffenbarung
singulär. 367 So auch Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 155. Zum möglichen Hintergrund von καὶ ἡ ϑάλασσα οὐκ ἔσται ἔτι B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 442f.; Gƒ†xƒ•, Revelation (GNS) 194. Das Verschwinden des Meeres findet sich auch in anderen Apokalypsen im Rahmen der Eschata, z. B. Sib 5, 158ff. 447; Ass. Mos. 10,6 u. a. Vgl. S–yŒy, Revela‑ tion
276.

Analyse
der
EinzelabschniTe

215

mieden, der die Zusammengehörigkeit der beiden Visionen verunklart häTe.368 Die Schau des vom Himmel herabkommenden neuen Jerusa‑ lem (21,2a) ergänzt die Charakterisierung seiner Erscheinung durch einen
Vergleich
(21,2b). Redeeinleitungsformeln (21,3a.5a.c.6a) gliedern die Audition in vier AbschniTe. Allerdings wird nur beim ersten und zweiten AbschniT der Sprecher explizit genannt: eine nicht näher bestimmte „Stimme aus dem Thron“ (21,3a) und der „auf dem Thron Sitzende“ (21,5a), also GoT selbst. Da der vierte AbschniT von GoT in der 1. Person spricht und somit ebenfalls GoT als Sprecher voraussetzt, ist auch für den da‑ zwischen liegenden, kurzen driTen AbschniT derselbe Sprecher anzu‑ nehmen.369 Da die erste Rede von GoT in der driTen Person spricht, kann ihr Sprecher nicht GoT selbst sein.370 Die Rede deutet zunächst in zwei parallelen Versen den zweiten Teil der Vision, indem das vom Himmel herabkommende neue Jerusalem als Wohnung GoTes bei den Menschen vorgestellt wird (21,3b.c). Dabei evozieren die Stichworte σκηνή und σκηνόω das Bundeszelt der Wüstenwanderung und damit den Bundesschluss am Sinai. Dieses Motiv greiW die folgende Bundes‑ formel auf (21,3d.e), die das neue Jerusalem als Zeichen und Ort einer neuen GemeinschaW zwischen GoT und den Menschen deutet.371 Die aus dieser GemeinschaW resultierende tröstende Zuwendung GoTes zu seinem Volk (21,4a), leitet zur Deutung des ersten Teils der Vision über.372 Denn die neue Schöpfung bedeutet Trost, da alle Quellen von Trauer und Leid, alles Negative (21.4b.c) mit der „ersten“ Schöpfung, d. h.
der
alten
Welt,
ein
Ende
finden
(21,4d).373 Die GoTesrede beginnt nach der ersten Einleitungsformel (21,5a) mit einer Art Selbstvorstellung GoTes als Erneuerer der Schöpfung (21,5b). Nach einer erneuten Einleitungsformel (21,5c) folgt ein Schreib‑

368 Vgl.
A.
Y.
C|xxƒ••,
Combat
15f. 369 Gegen S–yŒy, Revelation 279, der durch καὶ λέγει in 21,5c einen Sprecherwechsel an‑ gezeigt
sieht;
so
auch
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
2,
205. 370 Vgl. Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 263. S–yŒy, Revelation 277, nimmt als Sprecher einen
der
„Angesichtsengel“
an
(16,17;
19,5);
vgl.
auch
Gƒ†xƒ•,
Revelation
(GNS)
194. 371 Vgl.
Wƒ…y•ˆ•‚•yz,
Offenbarung
(RNT)
155. 372 V‡‹Œxy, Kosmische Dimension 315–320, lehnt eine derartige Unterteilung der Audi‑ tion 21,3–8 in Aussagen, die sich auf die neue Schöpfung, und solche, die sich auf das
neue
Jerusalem
beziehen,
ab;
es
seien
immer
beide
zugleich
gemeint. 373 Da 21,4d mit τὰ πρῶτα betont 21,1 wieder aufnimmt, kann man – wie A‚•y, Revelati‑ on (WBC) 1113 – durchaus sagen, dass hier ein EinschniT innerhalb 21,1–8 markiert wird (21,1–4.5–8); doch sollte man diesen EinschniT nicht zu stark machen, da 21,5b mit καινά ebenfalls – und zwar antithetisch zu 21,4d – ein Stichwort aus 21,1 auf‑ greiW.
Vgl.
auch
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
451.

216

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

befehl und eine Bestätigungsformel (21,5c.d). Dabei bleibt offen, ob nur die folgende Formel (ὅτι recitativum) oder die gesamte Vision (kausales ὅτι) der Gegenstand des Schreibbefehls ist. Wichtiger als der Inhalt ist die Funktion dieser Formeln. Denn der Schreibbefehl ist eine Variante des BotenauWrags und beinhaltet als solcher eine Bevollmächtigung oder Autorisierung.374 Indem er GoT selbst diesen AuWrag sprechen lässt, beansprucht der Vf. für sein Werk unmiTelbare göTliche Be‑ auWragung und Bevollmächtigung (in Fortsetzung der Bucheinleitung 1,1–3).375 Der Vf. verstärkt dies, indem er GoT selbst die Zuverlässigkeit seiner Worte bestätigen lässt. Das erneute Setzen einer Einleitungsfor‑ mel vor dieser Aussage ist möglicherweise ein gezielter Versuch, die Aufmerksamkeit auf diese göTliche Autorisierung und Bestätigung des Werkes
zu
lenken.376 Mit einer weiteren Einleitungsformel verweist der Vf. dezidiert auf sich selbst als Adressaten der folgenden Rede (21,6a καὶ εἶπέν μοι). Mit γέγοναν (21,6b) soll wohl die Vollendung der Neuschöpfung konstatiert werden. Darauf deutet zumindest die anschließende Selbstvorstellung GoTes (21,6c). Ohne inhaltlichen Zusammenhang ist die folgende Zusa‑ ge der Gabe des „Wassers des Lebens“ (21,6d). Möglicherweise soll da‑ durch entweder die neue Schöpfung als Erfüllung der Sehnsucht der Glaubenden („dürsten“) gedeutet oder allgemein GoTes Zuwendung und Fürsorge illustriert werden. Formal betrachtet handelt es sich bei dieser in der ersten Person Singular formulierten Zusage um eine Selbstempfehlung des Sprechers.377 Abschließend lässt der Vf. GoT noch einmal die Bedingungen für Gewinn und Verlust der Heilsgüter der neuen Schöpfung nennen. „Siegen“ ist Voraussetzung für den Heilsgewinn (21,7a), der durch die modifizierte Adoptionsformel als 374 Zu
BotenauWrag
und
Botenformel
K|„ˆ,
Formgeschichte
230–232. 375 H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 205, bringt klar zum Ausdruck, dass diese Autorisie‑ rung und Beglaubigung sich auf das ganze Werk und nicht nur auf die unmiTelbar vorhergehende Vision bezieht: „Der Leser darf es wissen, daß er in diesem Buche GoTes Wort hört, und zwar ein gewisses und wahrhaWiges, und daß es auf aus‑ drücklichen Befehl GoTes niedergeschrieben ist.“ Vgl. auch Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenba‑ rung (RNT) 156; Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 265; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 456f. Diese Pointe des Schreibbefehls und der Beglaubigungsformel verkennt Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 203f., wenn er diese Worte einem Engel zuschreibt und sie mit der Begründung als spätere Interpolation ausscheidet, dass GoT einer derartigen Be‑ stätigung
nicht
bedarf. 376 Eine besondere Bedeutung des Präsens καὶ λέγει in 21,5c im Kontrast mit dem Aorist καὶ εἶπεν
in
21,5b.6a
lässt
sich
nicht
erkennen. 377 Näheres bei Byz‹yz, Formgeschichte 265–267. Vielleicht möchte die im Indikativ for‑ mulierte Zusage, dem Dürstenden kostenlos Wasser zu geben, wie die entsprechen‑ de
imperativische
Aufforderung
Jes
55,1–5
als
Einladung
verstanden
werden.

Analyse
der
EinzelabschniTe

217

persönliche GemeinschaW mit GoT gedeutet wird (21,7b.c). Dem „Sie‑ gen“ steht ein Lasterkatalog (21,8a) gegenüber, der die Adressaten mit der Möglichkeit des Scheiterns und dem endgültigen Heilsverlust kon‑ frontiert, d. h. mit dem „Pfuhl von Feuer“ bzw. mit dem „zweiten Tod“ (21,8b.c).378 Was „Siegen“ in 21,7a meint, lässt sich zwar im Umkehrschluss aus dem folgenden Lasterkatalog in 21,8 erschließen. Doch ist zu bedenken, dass bereits jedes der sieben Sendschreiben in Op 2–3 mit einem 21,7a vergleichbaren Überwinderspruch schloss. Außerdem begann der gro‑ ße Komplex der Sieben‑Plagen‑Vision (15,1 – 22,9), zu dem auch 21,1–8 gehört, programmatisch mit einer Vision der „Sieger“ vor dem Thron GoTes: 15,2

Καὶ εἶδον ὡς ϑάλασσαν ὑαλίνην μεμιγμένην πυρὶ καὶ τοὺς νικῶντας ἐκ τοῦ ϑηρίου καὶ ἐκ τῆς εἰκόνος αὐτοῦ καὶ ἐκ τοῦ ἀριϑμοῦ τοῦ ὀνόματος αὐτοῦ ἑστῶτας ἐπὶ τὴν ϑάλασσαν τὴν ὑαλίνην ἔχοντας κιϑάρας τοῦ ϑεοῦ.

„Siegen“ bedeutet hier, die Anbetung des Tieres und seines Bildes und den Empfang seines Zeichens verweigert zu haben. Dies war auch die BotschaW
von
20,4–6
und
20,12–15. Die GoTesrede in 21,5–8 besitzt eine innere Dynamik, die durch die gezielt gesetzten Redeeinleitungsformeln markiert wird.379 Indem GoT 378 Zu Lasterkatalogen allgemein Byz‹yz, Formgeschichte 148–152. Lasterkataloge die‑ nen der Paränese. Sie fordern ihre Adressaten auf zur Abgrenzung gegenüber der Umwelt, innerhalb der Gemeinde und auch gegenüber den eigenen Begierden und Schwächen. Dabei konfrontieren sie ihre Adressaten mit der eigenen Vergangenheit, Gegenwart und ZukunW, indem sie diese – direkt oder indirekt – auf die Bewahrung ihres Heilsstatus angesichts des bevorstehenden Gerichts ansprechen. Es geht dabei nicht um einzelne Handlungen, sondern um die Gesamtheit der jüdischen bzw. christlichen Existenz. Dies zeigt auch deutlich der Katalog in 21,8: Jeder einzelne er‑ wählt sich durch sein Handeln (ἔργα) selbst das ewige Heil oder die ewige Ver‑ dammnis. Diese Entscheidung fällt nicht erst in der ZukunW, sondern in der Gegen‑ wart, die damit zur Zeit der Bewährung und des Standhaltens wird. Insofern hat diese GaTung einen wesentlich stärkeren Bezug zur Apokalyptik, wenn auch hier nicht ihr Ursprung liegt, als dies bei Byz‹yz, a. a. O., in den Blick kommt. Denn es gilt nicht zu vergessen: Das einzige, was in der apokalyptischen Geschichtskonzeption Kontinuität zwischen dieser Welt und der kommenden scha•, sind GoT und sein Gesetz. Beide stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern das Gesetz ist der von GoT eröffnete Weg in die neue Welt. Das Gesetz ist für den Apokalyptiker keine ethische,
sondern
eine
eschatologische
Größe. 379 A‚•y, Revelation (WBC) 1114f., dagegen betont eine Gliederung der GoTesrede in sieben Sprüche (schränkt aber seine Beobachtung zugleich selbst ein: „the number is

218

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

sich im ersten AbschniT (21,5a.b) als Erneuerer der Schöpfung vorstellt, betont er seine Macht über die neue Welt, d. h. wer am Heil der neuen Schöpfung Anteil erlangt, liegt in seinem Ermessen. Im zweiten Ab‑ schniT (21,5c–e) bevollmächtigt er den Seher und autorisiert sein Werk, das die Kriterien für den Gewinn des Heils in der neuen Schöpfung be‑ nennt. Im driTen AbschniT (21,6–8) schließlich stellt GoT sich zunächst nochmals als fürsorgender Herr der Schöpfung vor und fasst dann die BotschaW der Johannesoffenbarung in einer Antithese aus Heils‑ und Drohwort zusammen.380 Die GoTesrede in 21,5–8 bekräWigt also die Mahnung des Sehers an seine Adressaten und verleiht ihr Nachdruck und Autorität, indem GoT selbst den Seher und seine BotschaW beglau‑ bigt. Diese göTliche Bestätigung und Kanonisierung der Johannesoffen‑ barung ist der sachliche Grund der am Ende des Buches ausgesproche‑ nen Warnung (22,18–19) und des zu Beginn erhobenen Anspruches (1,1–3): Nur wer die Worte des Sehers (λόγοι τῆς προφητείας τοῦ βιβλίου τούτου)
befolgt,
wird
das
Heil
erlangen. Wenn sich auch aufs Ganze gesehen ein sinnvoller Au•au von 21,1–8 feststellen lässt, so ist dennoch einiges kritisch anzumerken. Die Struktur des AbschniTes und seine Aussage erschließen sich dem Hö‑ rer/Leser keineswegs auf Anhieb; der erste Eindruck ist vielmehr der einer weitgehend unstrukturierten Aneinanderreihung heterogener Ge‑ danken. Auch die Bilder der neuen Schöpfung und des neuen Jerusa‑ lems werden nur sehr vage miteinander verbunden. Das Bild der Stadt verschwindet nach 21,3 völlig aus dem Blick. Da es erst ab 21,9 entfaltet wird, muss man vermuten, dass 21,2–3(a.b) lediglich deshalb in den Kontext der Vision der neuen Schöpfung eingefügt wird, um die fol‑ gende Vision des himmlischen Jerusalem (21,9 – 22,9) vorzubereiten und mit 19,11 – 21,8 zu verbinden. Dies zeigt besonders das Stichwort νύμφη in der Charakterisierung des neuen Jerusalem (21,2b), da die fol‑

probably intentional“). Diese Siebener‑Reihe gliedere sich in das Schema 3 + 4. Dazu ist anzumerken, dass der Text eine derartige Gliederung nicht zwingend erkennen lässt, zumal die Redeeinleitungsformel das Schema 3 + 4 unterlaufen und sich zwi‑ schen dem driTen und vierten Spruch weder formal noch inhaltlich ein signifikanter EinschniT erkennen lässt. Die Gliederung in sieben Sprüche verdankt sich wohl der alten Vermutung, der Vf. habe sein ganzes Werk nach einem Siebener‑Schema ge‑ staltet,
auch
dort,
wo
er
nicht
explizit
durchzählt. 380 Diese doppelteiligen Schlüsse gehen auf die alTestamentliche Verheißung von Tod und Leben bzw. Heil und Unheil in Anschluss an die Gesetzesbelehrung zurück (vgl. Jer 22,4–5; Hos 14,10, Dtn 30,16–18). Derartige Schlüsse finden sich in der früh‑ jüdischen und frühchristlichen Literatur häufiger im Anschluss an längere Belehrun‑ gen (vgl. TestNaph 8,4–6; Mt 5,19; Barn 21,1, Herm sim 8,6,6). Vgl. Byz‹yz, Formge‑ schichte
174–176.

Analyse
der
EinzelabschniTe

219

gende Vision vom himmlischen Jerusalem unter der ÜberschriW δεῦρο, δείξω σοι τὴν νύμφην τὴν γυναῖκα τοῦ ἀρνίου
(21,9)
steht.

(4) Traditions‑
und
Quellenkritik Der AbschniT 20,11 – 21,8 für sich genommen lässt an keiner Stelle ver‑ muten, dass dem hier geschilderten Gericht (20,11–15) und der Neu‑ schöpfung (21,1–8) eine partielle Auferstehung, ein „tausendjähriges“ irdisches Messiasreich und die Vernichtung des Drachen, des Feindes GoTes und seiner Gemeinde, voranging (20,1–10).381 Man erfährt mit keinem Wort, was aus den in 20,4f. auferweckten „Heiligen“ wird; auch das in 20,7–9 durch göTliche Intervention gereTete „Lager der Heili‑ gen“ und die „geliebte Stadt“ sind vergessen. Dies wiegt umso schwe‑ rer, als 20,11 den Weltuntergang konstatiert, und damit nicht ersichtlich ist, wie die in 20,4f. auferweckten „Heiligen“ in die neue Schöpfung gelangen.382 Dies deutet wiederum darauf, dass der Vf. 19,11 – 21,8 aus sehr unterschiedlichen Traditionsstücken kompiliert hat, ohne sie im Detail aufeinander abzustimmen. Für eine Kompilation des AbschniTes 20,11 – 21,8 aus jüdischen Traditionsstücken spricht zudem, dass der ge‑ samte AbschniT völlig frei ist von spezifisch christlichen Gedanken. Da 20,12–15 störende Doppelungen aufweist und die Abfolge der geschil‑ derten Ereignisse nicht stimmig ist, dürWe auch hier mit der Verarbei‑ tung schriWlicher Vorlagen zu rechnen sein.383 Auch 21,1–8 bietet An‑ haltspunkte,
die
die
Annahme
schriWlicher
Vorlagen
rechtfertigen. 20,11: Da 20,11 durch die Nennung des Throns in seiner ersten HälWe die Gerichtsszene in 20,12–15 und mit der Weltuntergangsaussage in seiner zweiten HälWe die Neuschöpfung in 21,1–8 exponiert, ist der Vers in seiner heutigen Gestalt sicher dem Vf. zuzurechnen. Dafür spricht das formelhaWe καὶ εἶδον ϑρόνον … καὶ τὸν καϑήμενον κτλ. in 20,11a.b; zumal hier die in der Johannesoffenbarung singuläre nähere

381 Besonders fällt auf, dass in 20,15 – 21,8 das Lamm bzw. Jesus/Christus nicht erwähnt wird, was dem AbschniT einen ausgesprochen un‑christlichen Charakter gibt. Eine Verlegenheitslösung ist es, wenn R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 195, zur Gerichtsszene in 20,11–15 bemerkt: „Daß Christus am Weltgericht beteiligt ist, ist für sie [die Op] dabei
nach
allem
Bisherigen
(vgl.
14,14–16;
19,11–13)
eine
Selbstverständlichkeit.“ 382 Dafür, dass das Jerusalem des Millenniums mit Christus und den verherrlichten Märtyrern entrückt wird und anschließend auf die verwandelte Erde zurückkehrt – wie
Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
2, 186f.,
meint
–,
bietet
der
Text
keinen
Anhaltspunkt. 383 Die
logisch
inhaltlichen
Problemen
in
20,12–15
bei
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1081.

220

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Bestimmung des ϑρόνος durch das Adjektiv λευκός einen komposito‑ risch bedeutsamen Bezug zum Reiter auf dem weißen Pferd in 19,11 herstellen soll (vgl. bei AbschniT IV. 2). Allerdings lässt sich für die zweite, ebenfalls singuläre Erweiterung durch das Adjektiv μέγας kein Grund benennen. Da der Thron des Richters ein typischer Bestandteil der Endgerichts‑Tradition ist, könnte μέγας (evtl. auch λευκός) in 20,11a der Beschreibung dieses Thrones in der 20,12–15 zugrunde liegenden Gerichtstradition
entstammen.384 Auch der sich an den „auf dem Thron Sitzenden“ anschließende Relativsatz in 20,11c könnte dieser Vorlage entstammen, da auch sonst in der jüdisch‑apokalyptischen Tradition das Auflösen der kosmischen Ordnung als Reaktion auf das Erscheinen GoTes zum Endgericht be‑ legt ist (vgl. 1 Hen 1,3–9; allerdings wird hier kein Thron genannt).385 Je‑ doch dürWe der Vf. das ursprüngliche Subjekt zu ἔφυγεν im Blick auf die Neuschöpfungsaussage in 21,1 durch ἡ γῆ καὶ ὁ οὐρανός ersetzt haben, bedingt durch die kompositorische Funktion von 20,11 als Ein‑ leitung zu 20,12–15 und 21,1–8. Das ursprüngliche Subjekt könnten ana‑ log zu dem sehr ähnlich formulierten Vers 16,20 (καὶ πᾶσα νῆσος ἔφυγεν καὶ ὄρη οὐχ εὑρέϑησαν; vgl. auch 6,14) die Berge und/oder Inseln gewe‑ sen sein. Ob die anschließende, wörtlich aus Dan 7,35 (Theod.) über‑ nommene Formulierung καὶ τόπος οὐχ εὑρέϑη αὐτοῖς erst vom Vf. ange‑ fügt wurde, lässt sich nicht entscheiden. Man muss demnach auch in 20,11
mit
Fragmenten
aus
vorgegebenen
Traditionen
rechnen. 20,12–15: Obwohl bereits in 20,12a die Toten in ihrer Gesamtheit vor GoTes Thron stehen und in 20,12d gerichtet werden, wird erst in 20,13a.b das Hervorkommen der Toten aus ihren Verwahrungsorten be‑

384 Der Thron GoTes als Bestandteil einer Gerichtsvision in 1 Hen 90,20; vgl. auch Dan 7,9; 4 Esra 7,33. Vgl. V|xŠ, Eschatologie 301f.; B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 257f. Am eschatologischen Gerichtsthron zeigt das palästinische, nicht aber das hellenisti‑ sche Judentum besonderes Interesse; vgl. O. S„ˆŽƒŒŠ, ϑρόνος. ThWNT 3 (1938) 160– 167, hier 163f. Weitere Belege für den Thron GoTes in 1 Hen 14,18 (hier als „hoher Thron“); 2 Kön 22,19; Jes 6,1; Ez 1,26; AssMos 4,2; TestLev 5,1. Zum traditionellen Motiv
der
enormen
Größe
des
Thrones
GoTes
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1100. 385 In 1 Hen 60,1; 102,2; TestLev 4 u. ö. reagieren die Erde und der ganze Kosmos mit Er‑ schüTerungen auf das Erscheinen des RichtergoTes; in Sib 3,672–681 findet sich die Schilderung einer grauenhaWen Weltzerstörung beim Endgericht. Näheres bei V|xŠ, Eschatologie 277–280. Die Lehre vom Weltuntergang im eigentlichen Sinn ist in der frühjüdischen Literatur nur selten klar und eindeutig belegt: Sib 3,80–92; 4,172–178; 5,476–483; 4 Esra 7,29–31. Vgl. V|xŠ, Eschatologie 333–338. Nach dem Weltuntergang sind Auferstehung und Weltgericht eingeordnet in 4 Esra 7,33; [12,34]; Sib 4,178ff. [3,91];
vgl.
V|xŠ,
ebd.
272f.
Vgl.
auch
Gx•••|•,
Greek
Influence
74–80.

Analyse
der
EinzelabschniTe

221

richtet.386 Anschließend werden sie in 20,13c – in nahezu wörtlicher Wiederholung von 20,12d – gerichtet. Da 20,12a die Gesamtheit der To‑ ten betont, lässt sich die Doppelung nicht dahingehend auflösen, dass 20,13a.b von einer weiteren Gruppe von Toten spreche. Auch eine stilis‑ tische Erklärung als Hysteron‑Proteron scheidet aufgrund der Wieder‑ holung
der
Gerichtsaussage
aus.387 Des Weiteren erscheinen in 20,12b.c zwei Arten von Büchern neben‑ einander, aus denen zwei Gerichtskriterien abgeleitet werden, die auf den ersten Blick in keinem Zusammenhang zueinander stehen: Die „Bücher“ in 20,12b enthalten – wie 20,12d explizit macht – die Werke (ἔργα) der Toten, nach denen sie gerichtet werden (20,12d.13c).388 Dem‑ gegenüber enthält das „Buch des Lebens“ in 20,12c die Namen derjeni‑ gen, die der ewigen Strafe des „Pfuhls von Feuer“ entnommen sind (20,15).389 Dieses Nebeneinander zweier Arten von Büchern könnte sich zwar so erklären, dass der Eintrag im „Buch des Lebens“ das Urteil nach den Werken bestätigt, doch macht der Text einen derartigen Zu‑ sammenhang zwischen den beiden Arten von Büchern nicht explizit.390 Diese Doppelungen können also nur dahingehend erklärt werden, dass in 20,12–15 zwei Endgerichts‑Traditionen miteinander verbunden wur‑

386 Gesucht wirkt die Erklärung bei U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 345, der Vf. be‑ richte das Hervorkommen der Toten aus der Unterwelt gezielt verspätet, um da‑ durch deren Auferstehung zu relativieren und den Gerichtsgedanken zu betonen. Das Hervorkommen der Toten aus ihren Verwahrungsorten in 20,13 stellt aber auch im Blick auf 20,11 ein Problem dar: Sind die Verwahrungsorte der Toten (und das Meer) nicht vom Weltuntergang betroffen? Dazu By•xy, Revelation (NIGTC) 1033f.; A‚•y,
Revelation
(WBC)
1102. 387 Dies schlägt A‚•y, Revelation (WBC) 1102, alternativ zur Annahme, 20,13a.b sei eine spätere Einfügung, vor. Zur Stilfigur des Hysteron‑Proteron vgl. L••€}y•Œyz, Stilis‑ tik
143;
Kwˆ•yz / GyzŒˆ,
Gr.
II/2
§ 603,4;
S„ˆ–~Šyz,
Gr.
2, 698. 388 Himmlische Bücher, in denen die Werke der Menschen verzeichnet werden, finden sich häufig in frühjüdischen SchriWen: z. B. 1 Hen 47,3; 81,1–4; 89,68.70f.76f.; 90,20; 97,6, 4 Esra 6,20; 2 Bar 24,1; 2 Hen 90,5. Entweder werden alle Taten eines Menschen oder nur die guten oder bösen verzeichnet; oW bleibt – wie in Op 20,12 – unklar, welche Werke in den Büchern verzeichnet sind. Dazu V|xŠ, Eschatologie 290f.; Bill. 2, 171–174; 3, 840; B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 258; G. S„ˆzy•…, βίβλος/βιβλίον. ThWNT 1 (1933) 613–620, hier 619f. Jub kennt die Vorstellung, dass die Menschen entsprechend ihrer Taten entweder als Freunde oder als Feinde GoTes aufgeschrie‑ ben
werden
(19,9;
30,20–23). 389 Zum „Buch des Lebens“ V|xŠ, Eschatologie 291f.; B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 258, Bill. 2, 169f. Vgl. auch G. S„ˆzy•…, βίβλος/βιβλίον. ThWNT 1 (1933) 613–620, hier 618f.;
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
1033. 390 Ein Nebeneinander beider Arten von Büchern findet sich im Judentum erst später bezeugt: 2 Hen 19,5; 40,13; Pirke Aboth III 16. Zur Gestalt der traditionellen Endge‑ richts‑Szene mit den Büchern der Werke und/oder dem Buch des Lebens vgl. auch Nƒ„…yx•†‚z‹,
Resurrection
38–42.

222

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

den. Da die Doppelungen untereinander nicht abgeglichen sind und sich deutliche Widersprüche zum Kontext ergeben, ist mit der Benut‑ zung schriWlicher Vorlagen zu rechnen, die dem Vf. wohl schon in Griechisch vorlagen.391 Denn ein allgemeines Totengericht, dem ein Re‑ gister der Taten aller Menschen zugrunde gelegt wird, ist nach der Auf‑ erweckung der „Heiligen“ in 20,4f. im Grunde nicht mehr zu erwarten. Es sei denn, man nimmt an, dass entweder nicht alle Christen zur Teil‑ nahme am Millennium auferweckt wurden oder die Nicht‑Christen nun in Gute und Böse geschieden werden. Derartiges aber wird im Text nicht
angedeutet. Die Abfolge Erscheinen des Richterthrones – Öffnen der Bücher (der Werke) – Erscheinen derer, die gerichtet werden – Gericht – Sturz in das Feuer findet sich in 1 Hen 90,20–27, wenn auch hier zunächst die „Wächter“, d. h. die gefallenen Engel (90,21–25), und dann erst die sündigen Men‑ schen gerichtet werden (90,26f.).392 Die Verbindung von Erscheinen GoTes zum Gericht und Öffnen der Bücher findet sich ebenfalls in Dan 7,9f. Da das Gericht über die sündigen Menschen hier allerdings durch die Beseitigung des „vierten Tieres“ ersetzt ist, kommt den Büchern in der Gerichtsvision von Dan 7,9–12 keine spezifische Funktion mehr zu. Demnach dürWe bereits auch die Vision in Dan 7 eine ältere Endge‑ richts‑Tradition
verarbeiten.393 1 Hen
90,20–27 Op
20,11–15 11 Und
ich
schaute, καὶ εἶδον bis
ein
Thron
in
dem
liebli‑ ϑρόνον μέγαν λευκὸν chen
Land
aufgestellt
 wurde,
 und
der
Herr
der
Schafe
 καὶ τὸν καϑήμενον ἐπ’ setzte
sich
darauf αὐτόν, … 20

Dan
7,9–12
(Theod.) ἐϑεώρουν ἕως ὅτου ϑρόνοι ἐτέϑησαν 9

καὶ παλαιὸς ἡμερῶν ἐκάϑητο

391 Da sich in den für die Vorlage reklamierten Teilen von 20,12–15 keine schweren Ver‑ stöße gegen die griechische Grammatik finden, aber einige Biblizismen und der Par‑ allelismus mebrorum (könnte auch 20,12d.13c einer gewesen sein?), könnte sie ursprgl. griechisch abgefasst gewesen sein (bei evtl. gesuchtem LXX‑Stil). Allerdings wäre auch denkbar, dass der dem Vf. vorliegende Text die Übersetzung eines hebräischen Originals
war. 392 Das Öffnen der Bücher der Werke beim Endgericht findet sich 2 Bar 24,1; TestAbr 10; 2 Hen 52,15; vgl. 1 Hen 47,3; dazu V|xŠ, Eschatologie 303f. Die Idee eines universalen Endgerichts über alle Toten entwickelt sich im Judentum erst relativ spät; griechi‑ scher Einfluss kann hier nicht ausgeschlossen werden. Dazu T. F. Gx•••|•, The Last Judgment – In Rev. 20 and Related Writings, in: NT 28 (1982) 528–539; vgl. auch N. W•xŒyz, „Hellenistische Eschatologie“ im Frühjudentum – ein Beitrag zur „Bibli‑ schen
Theologie“?,
in:
ThLZ
110
(1985)
Sp.
331–347,
hier
339f. 393 Vgl.
U. B. Mwxxyz,
Messias
23;
dazu
bei
Op
20,4
(Traditions‑
und
Quellenkritik).

223

Analyse
der
EinzelabschniTe

[1 Hen
90,20–27] und
der
andere
[d. h.
ein
 Schreiberengel]
nahm
die
 versiegelten
Bücher
und
 öffnete
jene
Bücher
vor
 dem
Herrn
der
Schafe.

[Op
20,11–15]

[Dan
7,9–12
(Theod.)] 10

…
καὶ βιβλία ἠνοίχϑησαν, … [καὶ ἐκρίϑησαν οἱ νεκροὶ ἐκ τῶν γεγραμμένων ἐν τοῖς βιβλίοις κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν]

…
κριτήριον ἐκάϑισεν

12

καὶ βίβλοι ἠνεῴχϑησαν.

21

Und
der
Herr
rief
jene
 sieben
ersten
weißen
Män‑ ner,
und
er
befahl,
dass
sie
 alle
vor
ihn
bringen
soll‑ ten,
von
dem
ersten
Stern
 an
…,
der
zuerst
gefallen
 war.
Und
sie
brachten
sie
 alle
vor
ihn.
…
24 Und
das
 Gericht
fand
zuerst
über
 die
Sterne
staT,
und
sie
 wurden
gerichtet
und
als
 Sünder
befunden und
kamen
an
den
Ort
des
 Gerichts,
und
man
warf
sie in
eine
Tiefe,
voll
von
Feu‑ er
und
flammend,
und
voll von
Feuersäulen.
… 26 Und
ich
schaute
in
jener
 Zeit,
wie
sich
eine
gleiche
 Tiefe
öffnete
miTen
auf
der Erde,
die
voll
von
Feuer
 war,
und
man
brachte
jene
 verblendeten
Schafe,
und
 sie
wurden
alle
gerichtet
 und
als
Sünder
befunden,
 und
sie
wurden
in
jene
 Feuertiefe
geworfen,
und
 sie
brannten
…

καὶ ἔδωκεν ἡ ϑάλασσα τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτῇ καὶ ὁ ϑάνατος καὶ ὁ ᾅδης ἔδωκαν τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτοῖς, 13

ἐϑεώρουν τότε ἀπὸ φωνῆς τῶν λόγων τῶν μεγάλων ὧν τὸ κέρας ἐκεῖνο ἐλάλει ἕως ἀνῃρέϑη τὸ ϑηρίον καὶ ἀπώλετο καὶ τὸ σῶμα αὐτοῦ ἐδόϑη εἰς καῦσιν πυρός 11

καὶ ἐκρίϑησαν ἕκαστος κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν. … …
ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός. 15

[vgl.
20,12d.13c.15b]

Da Dan 7,9f. – wie schon erwähnt – neben GoT ein Gerichtskollegium kennt, das im heutigen Kontext von Dan 7 keine Funktion mehr hat, ist dieses offensichtlich Teil einer zugrunde liegenden älteren Endgerichts‑ Tradition.394 Ein derartiges Kollegium könnte sich auch in der vom Vf.

394 Der auffällige Plural ϑρόνοι in Dan 7,9 beschäWigte bereits die rabbinische Exegese und wurde damit erklärt, dass die Throne für die Großen Israels bestimmt seien. Vgl.
O. S„ˆŽƒŒŠ,
ϑρόνος.
ThWNT
3
(1938)
160–167,
hier
163f.

224

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

der Johannesoffenbarung benutzten Vorlage gefunden haben. Frag‑ mente dieser Vorlage häTe der Vf. dann in 20,4a–c eingearbeitet. Da zu dieser alten Gerichtstradition – wie 1 Hen 90,20–27 nahe legt – wohl auch der Sturz der verurteilten Sünder in einen Abgrund von Feuer ge‑ hörte, könnte auch die Vorlage von 20,12–15 so geschlossen haben.395 Doch lassen die mit 20,15b parallelen Formulierungen in 19,20 und 20,10 keine Entscheidung mehr zu, ob der Wortlaut dieser Formel der in 20,12–15 benutzten Endgerichtsschilderung oder der in 20,1–3.10 be‑ nutzten Bestrafung des Anführers der gefallenen Engel entstammt; möglicherweise hat sie auch der Vf. selbst erst in Anlehnung an seine Vorlagen geschaffen. Die Parallele in 1 Hen 90,20–27 bestätigt zudem die Entscheidung, die Nennung des Thrones in 20,11a.b als Teil der in 20,12–15 verwendeten Endgerichts‑Tradition zu sehen, wenn auch der Wortlaut
von
20,11a.b
auf
den
Vf.
zurückzuführen
ist. In 1 Hen 47,3–4 ist das Erscheinen des göTlichen Richterthrones nicht mit den Werkeregistern verbunden, sondern mit dem Öffnen der „Bücher der Lebenden“ (in einer mit Dan 7,9 [!] parallelen Formulie‑ rung). Die Schilderung in 1 Hen 47,3–4 zeigt deutliche Berührungen mit 20,11a.b.12c; doch ist die Funktion der „Bücher der Lebenden“ in 1 Hen 47,3–4 eine andere als die des „Buches des Lebens“ in Op 20,12–15. In 1 Hen dienen die „Bücher“ dazu festzustellen, ob die Vollzahl der Ge‑ rechten erreicht und damit der Zeitpunkt für das Ende gekommen ist. In Op 20,12–15 sind sie Kriterium für das Ergehen des einzelnen im Endgericht
(20,15). Eine ähnliche Funktion wie das „Buch des Lebens“ in Op 20,15 hat jedoch das „Buch“ in Dan 12,1: Wer im „Buch“ verzeichnet steht, wird in den Drangsalen der Endzeit bewahrt. Wenn sich auch die Be‑ zeichnung „Buch des Lebens“ weder in Dan 12,1 noch sonst im AT fin‑ det (lediglich in Ps 69,29 „Buch der Lebenden“; vgl. Jes 4,3), dürWe das „Buch“ in Dan 12,1 sachlich dasselbe bezeichnen wie das „Buch des Le‑ bens“ in der Johannesoffenbarung; dabei ist an eine Art himmlischer „Bürgerliste“ gedacht (vgl. Ex 32,32f.).396 Da Op 20,15a der Theod.‑

395 Zur Vernichtung oder ewigen Qual der Sünder in der „Feuerhölle“ beim Endgericht (z. B. 1 Hen 90,23–27) vgl. V|xŠ, Eschatologie 323f.; B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 279; H. Lƒ„ˆŒy•†yz‹yz, πῦρ. EWNT 3 (21992) Sp. 477–484, hier 483f. Eine ausführliche Beschreibung der „Feuerhölle“ in 1 Hen 54. Es wurde schon bei 20,10 darauf hinge‑ wiesen, dass insbesondere 1 Hen die Formel „ins Feuer geworfen werden“ liebt (10,6; 90,24–26, 91,9; 98,3; 108,6 u. ö.). Zu Ort, Name und Beschaffenheit des endgülti‑ gen Strafortes in der frühjüdischen Überlieferung V|xŠ, Eschatologie 327–331; vgl. auch
B•‚„…ˆ•Ž,
Fate
49–80. 396 Vgl.
H. B•xŠ,
βιβλίον.
EWNT 1
(21992)
Sp. 521–524,
hier
523.

Analyse
der
EinzelabschniTe

225

Fassung von Dan 12,1 nahe steht, ist nicht unwahrscheinlich, dass der Vf. sich hieran orientiert und die βίβλος seiner Vorlage selbst um das GenitivaTribut
τῆς ζωῆς
erweitert
hat. 1 Hen
47,3–4 In
jenen
Tagen
sah
ich
 das
Haupt
der
Tage,
wie
 es
sich
auf
den
Thron
sei‑ ner
Herrlichkeit
setzte und
die
Bücher
der
Le‑ benden
vor
ihm
geöffnet
 wurden,
 und
sein
ganzes
Heer,
 das
oben
in
den
Him‑ meln
und
rings
um
ihn
 ist,
vor
ihm
stand. 4 Die
Herzen
der
Heiligen
 wurden
voll
von
Freude,
 weil
die
Zahl
der
Gerech‑ tigkeit
erreicht
und
das
 Gebet
der
Gerechten
er‑ hört
und
das
Blut
der
Ge‑ rechten
vor
dem
Herrn
 der
Geister
zurückgefor‑ dert
ist. 3

Op
20,11–15 καὶ εἶδον ϑρόνον μέγαν λευκὸν καὶ τὸν καϑήμενον ἐπ’ αὐτόν, … 12
 …
καὶ ἄλλο βιβλίον ἠνοίχϑη, ὅ ἐστιν τῆς ζωῆς, … 11


καὶ εἴ τις οὐχ εὑρέϑη ἐν τῇ βίβλῳ τῆς ζωῆς γεγραμμένος, ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός. 15

Dan
12,1
(Theod.) [καὶ ἐν τῷ καιρῷ ἐκείνῳ ἀναστήσεται Μιχαηλ ὁ ἄρχων ὁ μέγας ὁ ἑστηκὼς ἐπὶ τοὺς υἱοὺς τοῦ λαοῦ σου καὶ ἔσται καιρὸς ϑλίψεως, ϑλῖψις οἵα οὐ γέγονεν ἀφ’ οὗ γεγένηται ἔϑνος ἐπὶ τῆς γῆς ἕως τοῦ καιροῦ ἐκείνου καὶ ἐν τῷ καιρῷ ἐκείνῳ σωϑήσεται ὁ λαός σου] πᾶς ὁ εὑρεϑεὶς γεγραμμένος ἐν τῇ βίβλῳ

Möglicherweise standen dem Vf. der Johannesoffenbarung weitere Traditionen zur Verfügung, die explizit von einem „Buch des Lebens“ sprachen, zumal er diese Vorstellung auch an anderen Stellen seines Werkes verwendet (3,5; 13,8; 17,8; 21,27; 22,19) und sie außerhalb der Johannesoffenbarung im NT in Phil 4,3 bezeugt ist. Dem Vf. lag dem‑ nach wohl keine 1 Hen 47,3–4 vergleichbare vollständige Gerichtsschil‑ derung vor, sondern er hat eine ihm schriWlich vorliegende Gerichts‑ schilderung, bei der die Toten nach ihren in den himmlischen Büchern verzeichneten Werken gerichtet werden, lediglich um das ihm aus kompositorischen und inhaltlichen Gründen wichtige „Buch des Le‑ bens“ erweitert.397 Dazu hat er an die Öffnung der Bücher mit den Wer‑ ken in analoger Formulierung die Öffnung des „Buches des Lebens“

397 Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1102. Für die Erweiterung einer Gerichtsszene, bei der die Menschen nach ihren in himmlischen Büchern verzeichneten Werken gerichtet werden (vgl. 1 Hen 90,20–27), spricht auch, dass sich das „Buch des Lebens“ im Un‑ terschied zu den Büchern mit den Werke der Menschen auch an anderen Stelle der Johannesoffenbarung
findet
(3,5;
13,8;
17,8;
21,17).

226

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

angeschlossen. Am Ende hat er die eigentlich zu erwartende Bestrafung der Sünder und die Belohnung der Gerechten durch ein Urteil ersetzt, das nach dem „Buch des Lebens“ ergeht.398 Dabei hat er sich offenbar an
der
Formulierung
von
Dan
12,1
(Theod.)
orientiert. Es bleibt noch das Problem der im Kontext von 20,12–15 verspäte‑ ten Auferstehung (20,13a.b) und die Verdoppelung des Urteils über die Toten nach ihren Werken. Denkbar ist, dass 20,13 erst aufgrund der Einfügung von Vers 20,12a, der – wie seine Formulierung zeigt399 – ein‑ deutig für den Vf. zu reklamieren ist, deplaziert wirkt. Denn streicht man 20,12a und 20,12c.d ergeben die verbliebenen Verse einen durch‑ aus
stimmigen
Zusammenhang400: [καὶ εἶδον] ϑρόνον μέγαν [λευκὸν] καὶ τὸν καϑήμενον ἐπ’ αὐτόν, οὗ ἀπὸ τοῦ προσώπου ἔφυγεν [11c ἡ γῆ καὶ ὁ οὐρανὸς …] 12b καὶ βιβλία ἠνοίχϑησαν, […] 13a καὶ ἔδωκεν [ἡ ϑάλασσα] τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτῇ 13b καὶ [ὁ ϑάνατος καὶ ὁ ᾅδης] ἔδωκαν τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτοῖς, 13c καὶ ἐκρίϑησαν ἕκαστος κατὰ τὰ ἔργα αὐτῶν. […] [14a
…
ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός] 11a
 11b

Damit wäre auch der sehr umständlich formulierte Vers 20,12d als Er‑ gänzung des Autors zu reklamieren; eventuell fand er es nötig, nach der Einfügung des „Buches des Lebens“ auf die Bücher mit den Wer‑ ken zurückzulenken und ihren Inhalt zu präzisieren, bevor er mit der Auferstehung und dem Gericht über die Toten fortfuhr. Denkbar wäre auch, dass 20,13a.b in der Vorlage an der Stelle von 20,12a stand, der Vf. diese Aussage aber nach hinten schob, um die Gerichtsvision in der von ihm präferierten Weise mit καὶ εἶδον und einem Verweis auf den Thron beginnen zu können.401 In diesem Fall häTe das Verschieben der Auferstehungsaussage nach v. 13a.b den nochmaligen Verweis auf das Gericht nach den Werken in v. 13c nötig gemacht. Es gibt folglich kei‑ nen Grund, die ursprüngliche Zugehörigkeit von 20,13 zu der vom Vf. 398 Vgl.
auch
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1103. 399 Die Formel τοὺς μεγάλους καὶ τοὺς μικρούς ist alTestamentlichen Ursprungs (vgl. Gen 44,12; 1 Sam 20,2), kann aber als für den Vf. typisch gelten, da er sie – wenn auch in umgekehrter Reihenfolge – in 11,18; 13,16, 19,5.18 verwendet; dazu A‚•y, Revelation (WBC) 1101; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 194. Zu ἑστῶτας ἐνώπιον τοῦ ϑρόνου vgl. 7,9;
auch
5,6;
8,2;
11,4;
12,4. 400 Zu
einem
ähnlichen
Ergebnis
kommt
Wyƒ••,
Offenbarung
104f.
 401 Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 193f., meint, dass die vv. 12 und 13, durch den Schüler, der das unvollendete Werk seiner Lehrers herausgab, vertauscht wurden. Auf die Problematik der Umstellungshypothese von Charles wurde bereist hingewiesen; vgl.
bei
AbschniT
III. 1b.
Punkt
(3).

227

Analyse
der
EinzelabschniTe

benutzten Vorlage zu bestreiten, egal wo diese Aussage ursprünglich eingeordnet
war. Problematisch ist jedoch die Frage, ob der Vf. in die ursprüngliche Gestalt von 20,13 eingegriffen hat, d. h. ob er erst den Parallelismus mem‑ brorum geschaffen und dabei die Orte, aus denen die Toten hervorkom‑ men verändert hat. Auffällig ist, dass die Herausgabe der Toten aus ih‑ ren „Verwahrungsorten“ meist als dreizeiliger synonymer Parallelismus membrorum formuliert wird.402 Als Beispiele seien 1 Hen 51,1 und 4 Esra 7,32
angeführt. 1 Hen
51,1 Und
in
jenen
Tagen
wird die
Erde
zurückgeben,
 was
ihr
anvertraut
ist, und
die
Unterwelt
wird
 zurückgeben,
was
sie
 empfangen
hat, und
die
Hölle
wird
 zurückgeben,
wozu
sie
 verpflichtet
ist

Op
20,13

4 Esra
7,32

καὶ ἔδωκεν ἡ ϑάλασσα τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτῇ καὶ ὁ ϑάνατος

Die
Erde
gibt
heraus,
 die
in
ihr
schlafen, der
Staub
die,
die
in
 ihm
ruhen,

καὶ ὁ ᾅδης ἔδωκαν τοὺς νεκροὺς τοὺς ἐν αὐτοῖς, …

und
die
Kammern
ge‑ ben
die
Seelen
heraus,
 die
ihnen
anvertraut
 sind.

Op 20,13a.b benennt zwar analog zu 1 Hen 51,1 und 4 Esra 7,32 für die Herausgabe der Toten drei Subjekte, formuliert aber nur in zwei, nicht in drei parallelen Sätzen. Auch erscheint in keinem anderen jüdischen Text das Meer als Ort, der die Toten herausgibt.403 Da in 20,14 „Tod und Hades“ nicht als Ort, sondern als personifizierte Unheilsmacht erschei‑ nen, die in den „Pfuhl von Feuer“ geworfen wird, und in 21,1c betont wird, dass es in der neuen Schöpfung kein „Meer“ mehr gibt, ist gut vorstellbar, dass der Vf. 20,13a.b die ursprünglichen Subjekte (i. e. die

402 Ausführlich bei B•‚„…ˆ•Ž, Climax 56–70, der als Beispiele u. a. 1 Hen 51,1; 4 Esra 4,41–43; 7,32; AntBibl 3,10; 33,3; 2 Bar 21,23; 42,8; 50,2; ApkPetr 4,3–4.10–12; Tert. res. 32,1
(apokryphes
Zitat)
nennt. 403 Vgl. B•‚„…ˆ•Ž, Climax 69f. Immer wieder wird vorgeschlagen 20,13a liege die volkstümliche Vorstellung zugrunde, dass die Seelen derer, die im Meer umkom‑ men, nicht ins unterirdische Totenreich gelangen, sondern im Meer bleiben. Vgl. S–yŒy, Revelation 272f.; A‚•y, Revelation (WBC) 1102; hier auch Belege aus der grie‑ chisch‑römischen Literatur. Doch geht es hier nicht um einen separaten Verwah‑ rungsort für die Toten, sondern um die Überzeugung, dass unbestaTete Tote nicht in den Hades gelangen und folglich keine Ruhe finden können. Diese Vorstellung ist beispielsweise das zentrale Motiv der Antigone des Sophokles. B•‚„…ˆ•Ž, Climax 68, sieht hinter der Nennung der ϑάλασσα eher die atl. Vorstellung, die die Scheol mit
dem
unterirdischen
Ozean
identifiziert
(2
Sam
22,5–6;
Hi
26,5;
Ps
69,15).

228

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Verwahrungsorte der Toten) im Blick auf weitere von ihm aufgenom‑ mene Traditionen ausgetauscht hat. Die Vorlage nannte sicher einen oder verschiedene unterirdische Orte, in denen die „Seelen“ der Ver‑ storbenen bis zum Endgericht verwahrt werden.404 Ob die Herausgabe der Toten in der Vorlage als Ein‑, Zwei‑ oder Dreizeiler formuliert war, kann
nicht
mehr
entschieden
werden.405 Nicht zur Vorlage gehörte demnach 20,14a, da die personifizierte Auffassung von „Tod und Hades“ der lokalen in 20,13b widerspricht.406 Wahrscheinlich war es dem Vf. wichtig, hier im Vorausblick auf die neue Schöpfung die endgültige Beseitigung der Todesmacht einzubrin‑ gen, die traditioneller Bestandteil der Endzeitereignisse ist. Damit wäre auch ein Grund für die Einfügung von „Tod und Hades“ als Verwah‑ rungsort der Toten in den vorgegebenen Vers 20,13b benannt. Ähnli‑ ches gilt für die Einfügung des „Meeres“ in 20,13a, das der Vf. mögli‑ cherweise als Unheilsmacht sieht, für die es in der neuen Schöpfung keinen Platz mehr geben kann (21,1c).407 Auch die Definition des „zwei‑ ten Todes“ in 20,14b dürWe erst von Vf. als Überleitung zum zentralen Schlussvers
20,15
eingefügt
worden
sein.408

404 Bereits Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 194–199, sah ϑάλασσα in 20,13a als absichtliche Änderung des ursprünglichen ταμεῖα an, was im Unterschied zu [ὁ ϑάνατος καὶ] ὁ ᾅδης in 20,13b die Verwahrungsorte der Seelen der Gerechten bezeichnete. Für die Frage, wo die Toten bis zum Endgericht verwahrt werden, d. h. woher sie kommen, lassen sich nach V|xŠ, Eschatologie 247–249, für das Frühjudentum drei Vorstellun‑ gen unterscheiden: (1) ein unterirdischer Aufenthaltsort (für alle Toten), vgl. 1 Hen 51,1; 4 Esra 7,32; 2 Bar 42,8; (2) besondere „Behälter“ oder sonst ein Ort, wo GoT sie au•ewahrt, vgl. 4 Esra 7,32.95; (3) Himmelsdasein (besonders ausgezeichneter) Ge‑ rechter, vgl. 1 Hen 39; 70,4; 89,52. Meist ist wie in 4 Esra 7,32 an „unterirdische Kam‑ mern“ gedacht. Vgl. auch J. JyzyŽƒ••, ᾅδης. ThWNT 1 (1933) 146–150. Da die Vorlage von 20,11–15 offenbar eine allgemeine Totenauferstehung voraussetzte (allgemeines Gericht nach Werken), ist anzunehmen, dass 20,13a.b ursprünglich von solchen un‑ terirdischen Kammern sprach. Zu den „Seelenkammern“ in 4 Esra vgl. auch SŒyŽ‑ †yz‹yz, Leib 75–78. Die früheste ausführliche Beschreibung der Totenwelt in einer jüdischen SchriW findet sich in 1 Hen 22; dahinter mag griechischer Einfluss stehen. Vgl.
Hy•‹yx,
Judentum
357–369;
Gx•••|•,
Greek
Influence
8–25. 405 Die chiastische Gestaltung von Op 20,13a.b legt eine ursprünglich zweizeilige Ge‑ stalt
zumindest
nahe. 406 In der Johannesoffenbarung werden „Tod und Hades“ außerhalb 20,12–15 je einmal personifiziert (6,8) und einmal lokal (1,18) gebraucht. Damit ergibt sich auch von hier kein Anhaltspunkt, welche der beiden Vorstellungen dem Vf. eigentümlich ist; er
fand
wohl
beide
in
dem
ihm
vorgegebenen
Material
vor. 407 Vgl.
B•‚„…ˆ•Ž,
Climax
69f. 408 Auch A‚•y, Revelation (WBC) 1103, sieht 20,14b als sekundären Einschub, da der Vers inhaltlich mit 20,14 in Spannung steht (wie können Tod und Hades den „zwei‑ ten Tod“ erleiden?); vgl. Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 199f., der 20,14b als ursprüng‑ liche Randglosse erklärt. Da 20,14b parallel zu 20,5c formuliert ist und dieselbe

Analyse
der
EinzelabschniTe

229

21,1–8: Der AbschniT 21,1–8 zeigt zwei Auffälligkeiten: (1) Ein großer Teil des AbschniTes wiederholt weitgehend wörtlich frühere Aussagen (21,2.3a–c.4a.5[a.]d.6b.c.[7a.].8a.b) und/oder nimmt folgende voraus (21,2.5d.6c.d.8a.b).409 Wie die Überlegungen zur Struktur von 15,1 – 22,9 und 19,11 – 21,8 gezeigt haben, haben diese Wiederholungen und Vor‑ wegnahmen eine kompositorische Funktion (vgl. IV. 1). Dies macht es wenig wahrscheinlich, dass 21,1–8 eine vorgegebene kompositorische Einheit ist. Dazu passt, dass (2) sich zwar 21,3 noch unbestimmt auf das in 21,2 vom Himmel herabgekommene Jerusalem bezieht, dieses aber spätestens ab 21,4 nicht mehr in den Blick genommen wird; staTdessen wird das in 21,1 eingeführte Motiv der „neuen Schöpfung“ wieder auf‑ genommen. Vers 21,2 hat demnach in 21,1–8 allein die Funktion die an‑ schließende Vision von „der Braut des Lammes“, dem himmlischen Je‑ rusalem (21,9–22,9) vorzubereiten. Analog wurde in 16,19 die parallele Vision von der „Hure Babylon“ vorbereitet. Folglich liegt die Vermu‑ tung nahe, der Vf. habe die HerabkunW des himmlischen Jerusalems in eine vorgegebene Vision der neuen Schöpfung eingefügt.410 In der Tat lassen sich zumindest die Grundstrukturen einer solchen Vision aus 21,1–8 rekonstruieren. Ob Vers 21,2 dem Vf. bereits vorgegeben war, ist nicht zu entscheiden, da sich die Vorstellung des vom Himmel herab‑ kommenden neuen Jerusalems im Judentum nicht eindeutig feststellen lässt
(evtl.
in
1 Hen
90,28–38;
4 Esra
13,36;
2 Bar
4,2–6).411

„Über‑Kongruenz“ des Demonstrativpronomens zeigt, dürWen jedoch beide Verse vom
Vf.
stammen.
Hinzu
kommt
die
kompositorische
Funktion
beider
Verse. 409 Dazu
auch
Ry•€yz,
Stadt
GoTes
40f. 410 Hinter Op 21,1 steht Jes 65,17 (66,22); Parallelen finden sich in der neutestamentli‑ chen und frühjüdischen Überlieferung (2 Petr 3,13; 1 Hen 72,1; 91,15; Sib 5,212; Jub 1,29; 4,26; 2 Hen 65,6ff.). Vgl. B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 280f. Die immer wieder als Parallele genannte Stelle 1 Hen 91,16 – z. B. A‚•y, Revelation (WBC) 1116 – spricht allerdings nicht von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, sondern nur von einem neuen Himmel. In der jüdischen Tradition ist meist nicht an eine ra‑ dikale Neuschöpfung, sondern nur an eine Erneuerung (Transformation) der beste‑ henden Schöpfung gedacht. Dies hängt damit zusammen, dass nur sehr selten ein Weltuntergang im eigentlichen Sinn erwartet wird (dazu bei 20,11b.c). Zur Erwar‑ tung der Welterneuerung V|xŠ, Eschatologie 338–340; Bill. 3, 840–847; R‚••yxx, Me‑ thod 280–284. Damit muss offen bleiben, ob 21,1 (trotz 20,11b.c) an eine radikale Neuschöpfung denkt; vgl. auch By•xy, Revelation (NIGTC) 1040–1043; gegen Gƒy‑ •y•, Offenbarung (RNT) 451f.; R|x|}}, Neuschöpfung 122–129. Dennoch: Mit καινός wird in der Apokalyptik die Andersartigkeit des eschatologischen Heils zum Aus‑ druck
gebracht;
vgl.
J. ByˆŽ,
καινός κτλ.
ThWNT 3
(1938)
450–456,
hier
451f. 411 Zum vom Himmel herabkommenden Jerusalem in der jüdischen eschatologischen Erwartung V|xŠ, Eschatologie 372–375; B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 238–240; Bill. 3, 796; H. SŒz•ŒˆŽ•••, πόλις κτλ. ThWNT 6 (1959) 516–535, hier 524f. und 530–533. Diese Erwartung scheint sich erst nach dem Fall Jerusalems 70 n. Chr. verbreitet zu

230

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Streicht man die schon genannten kompositorisch bedingten Wie‑ derholungen und Vorverweise, bleiben die Verse 21,1.3d.e.4[a.]b–d.5b. 7–8a; diese ergeben aber keinen geschlossenen und stimmigen Text. Je‑ doch lassen sich weitere Verse identifizieren, die einem anderen Tradi‑ tionszusammenhang entstammen. Denn Op 21,3.7–8 besitzt eine ein‑ deutige Parallele in der nichtpaulinischen Einfügung 2 Kor 6,14 – 7,1.412 Beide Texte nehmen in der gleichen Reihenfolge auf dieselben alTes‑ tamentlichen Stellen Bezug und schließen mit einem Lasterkatalog. Der Bezug auf Jes 52,11 in 2 Kor 6,17 fehlt zwar in Op 21,3.7–8, findet sich aber bereits in 18,4.413 In 21,1–8 würde die Aufforderung, sich von allem GoTlosen zu trennen auch keinen Sinn machen, so dass die Auslassung kontextbedingt ist. Die Tatsache aber, dass sich diese Anspielung auf Jes 52,11 an anderer Stelle in der Johannesoffenbarung findet, zeigt, dass der Vf. hier auf eine fest geprägte Tradition zurückgreiW, die ihm sicher schriWlich vorlag. Aufgrund der Unterschiede im Wortlaut kann

haben; vgl. auch Ry•€yz, Stadt GoTes 25. Traditionell und älter ist die Vorstellung eines präexistenten himmlischen Jerusalem (vgl. Hebr 12,22; Gal 4,26); vgl. Bill. 3, 573. Dazu auch Rƒ••ƒ, ZukunW 48–59. Gegen eine traditionelle Verbindung von 21,1 und 21,2 ließe sich anführen, dass das himmlische Jerusalem in der jüdischen Erwartung nicht Teil der neuen Welt ist, sondern als Ersatz für das alte Jerusalem auf diese Welt herabkommt. Die Bezeichnung Jerusalems als „heilige Stadt“ geht auf Jes 52,1 (48,2) zurück; die Bezeichnung „neues Jerusalem“ dagegen kennt das AT nicht und ist auch in der frühjüdische Literatur nicht eindeutig bezeugt (TestDan 5,12; [1 Hen 90,29]). Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1121. Dies könnte darauf deuten, dass der Vf. zumindest stark in die Formulierung von 21,2 eingegriffen hat. Die Ver‑ bindung von Jerusalem mit dem Bild der Braut geht auf Jes 52 und 62 zurück; dieses Bild wird auch in 19,7–8 und 21,9–10 gebraucht. Vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 1043–1046. Näheres zum himmlischen Jerusalem in Op 21–22 bei P. S‡xx•yz, Jeru‑ salem, die hochgebaute Stadt. Eschatologisches und himmlisches Jerusalem im Frühjudentum und im frühen Christentum (TANZ 25), Tübingen 1998; P. Lyy, The New Jerusalem in the Book of Revelation. A Study of Revelation 21–22 in the Light of Its Background in Jewish Tradition (WUNT 2/129), Tübingen 2000; A. H|y„…, The Descent of the New Jerusalem. A Discourse Analysis of Rev 21:1 – 22:5 (EHS.T 769), Bern u. a. 2003; U. SƒŽ, Das himmlische Jerusalem in Apk 21,1 – 22,5 im Kontext bib‑ lisch‑jüdischer
Tradition
und
antiken
Städtebaus
(BAC
25),
Trier
1996. 412 Zu den Parallelen zwischen Op 21,3–8 und 2 Kor 6,14 – 7,1 H‚xŒ‹zy•, Evidence 44– 50. Der AbschniT gilt meist als eine nicht‑paulinische Interpolation; dazu H‚xŒ‹zy•, ebd. 40–44; B‚xŒŽ•••, Der zweite Brief an die Korinther (KEK) 182; Kx•‚„…, 2 Ko‑ rinther (NEB) 60–62; L••‹, Korinther (NED) 310f.; Gz§••yz, Der zweite Brief an die Korinther (ÖTK) 1, 255–265; vorsichtiger M•zŒƒ•, 2 Corinthians (WBC) 190–193. Als Anhaltspunkte dafür gelten die isolierte Stellung im Kontext des Briefes, der nicht‑ paulinische Charakter dieses AbschniTes und inhaltliche Parallelen zu Qumran‑Tex‑ ten. Zu letzterem bes. J. A. FƒŒŠŽ~yz, Qumran and the Interpolated Paragraph 2 Cor 6:14 – 7:1,
in:
CBQ 23
(1961)
271–280. 413 Dass sich die fehlende Parallele zu 2 Kor 6,17 in Op 18,4 findet, übersieht H‚xŒ‑ ‹zy•,
Evidence
44–50.

231

Analyse
der
EinzelabschniTe

diese Vorlage nicht 2 Kor 6,14 – 7,1 gewesen sein, selbst wenn man durch
den
Kontext
bedingte
Änderungen
in
Rechnung
stellt. Op
21,3–8

ἰδοὺ ἡ σκηνὴ τοῦ ϑεοῦ μετὰ τῶν ἀνϑρώπων, 3b

καὶ σκηνώσει μετ’ αὐτῶν, καὶ αὐτοὶ λαοὶ αὐτοῦ ἔσονται, e καὶ αὐτὸς ὁ ϑεὸς μετ’ αὐτῶν ἔσται [αὐτῶν ϑεός] 3c

3d

[18,4 …
ἐξέλϑατε ὁ λαός μου ἐξ αὐτῆς ἵνα μὴ συγκοινωνήσητε ταῖς ἁμαρτίαις αὐτῆς …] καὶ ἔσομαι αὐτῷ ϑεὸς καὶ αὐτὸς ἔσται μοι υἱός …

7b c

τοῖς δὲ δειλοῖς καὶ ἀπίστοις καὶ ἐβδελυγμένοις καὶ φονεῦσιν καὶ πόρνοις καὶ φαρμακοῖς καὶ εἰδωλολάτραις καὶ πᾶσιν τοῖς ψευδέσιν […] 8

2 Kor
6,14 – 7,1 …
ἡμεῖς γὰρ ναὸς ϑεοῦ ἐσμεν ζῶντος, καϑὼς εἶπεν ὁ ϑεὸς ὅτι ἐνοικήσω ἐν αὐτοῖς καὶ ἐμπεριπατήσω καὶ ἔσομαι αὐτῶν ϑεὸς καὶ αὐτοὶ ἔσονταί μου λαός 6,16

διὸ ἐξέλϑατε ἐκ μέσου αὐτῶν καὶ ἀφορίσϑητε, λέγει κύριος, καὶ ἀκαϑάρτου μὴ ἅπτεσϑε· κἀγὼ εἰσδέξομαι ὑμᾶς 6,17

καὶ ἔσομαι ὑμῖν εἰς πατέρα καὶ ὑμεῖς ἔσεσϑέ μοι εἰς υἱοὺς καὶ ϑυγατέρας, λέγει κύριος παντοκράτωρ 6,18

al[estamentliche
Parallelen Ez
37,27: καὶ ἔσται ἡ κατασκήνωσίς μου ἐν αὐτοῖς καὶ ἔσομαι αὐτοῖς ϑεός καὶ αὐτοί μου ἔσονται λαός Lev
26,12: καὶ ἐμπεριπατήσω ἐν ὑμῖν καὶ ἔσομαι ὑμῶν ϑεός καὶ ὑμεῖς ἔσεσϑέ μου λαός Jes
52,11: ἀπόστητε ἀπόστητε ἐξέλϑατε ἐκεῖϑεν καὶ ἀκαϑάρτου μὴ ἅπτεσϑε ἐξέλϑατε ἐκ μέσου αὐτῆς ἀφορίσϑητε οἱ φέροντες τὰ σκεύη κυρίου 2 Sam
7,14: ἐγὼ ἔσομαι αὐτῷ εἰς πατέρα καὶ αὐτὸς ἔσται μοι εἰς υἱόν …

ταύτας οὖν ἔχοντες τὰς ἐπαγγελίας, ἀγαπητοί, καϑαρίσωμεν ἑαυτοὺς ἀπὸ παντὸς μολυσμοῦ σαρκὸς καὶ πνεύματος, ἐπιτελοῦντες ἁγιωσύνην ἐν φόβῳ ϑεοῦ. 7,1

Da sowohl Op 21,3; 18,4; 21,7–8 als auch 2 Kor 6,14 – 7,1 signifikant von den alTestamentlichen Bezugsstellen abweichen, kann die Vorlage keine bloße Auflistung biblischer Zitate gewesen sein.414 Der in beiden Texten bezeugte abschließende Lasterkatalog spricht dafür, dass die alTestamentlichen Testimonien im Blick auf einen derartigen Lasterka‑ talog zusammengestellt und überarbeitet wurden. Die Abweichungen im Wortlaut bei weitgehend gleichem Inhalt könnten darauf deuten, dass diese Vorlage den beiden Vf.s auf Hebräisch vorlag. Doch ist Op 21,3.7[–8] frei von Semitismen und Verstößen gegen die griechische

414 Op 21,3; 18,4; 21,7–8 und 2 Kor 6,14 – 7,1 gehen wohl jeweils über eine oder mehre‑ re
Zwischenstufen
auf
eine
gemeinsame
Vorlage
zurück.

232

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Syntax, so dass der Vf. seine Vorlage wahrscheinlich bereits in griechi‑ scher
Übersetzung
vorfand. Op 21,3.7–8 und 2 Kor 6,14 – 7,1 enden beide mit einem Lasterkata‑ log, doch weichen beide Kataloge stark voneinander ab. Der Lasterka‑ talog in Op 21,8 besitzt aber Parallelen sowohl in der Johannesoffen‑ barung (9,21; 21,27; 22,15) als auch in der sonstigen frühchristlichen Literatur (z. B. Mt 15,19; Mk 7,21f.; 1 Kor 5,9f.; 6,9f.; Gal 5,19–21; Eph 5,5; Kol
3,5.8;
1 Petr
4,3;
Did
2,2;
Barn
19,4f.;
20,1;
Polyk
5,3).415 Op
21,8

τοῖς δὲ δειλοῖς καὶ ἀπίστοις καὶ ἐβδελυγμένοις

Op
21,27

καὶ οὐ μὴ εἰσέλϑῃ εἰς αὐτὴν πᾶν κοινὸν

Op
22,15

ἔξω οἱ κύνες

καὶ ὁ ποιῶν βδέλυγμα

καὶ φονεῦσιν καὶ πόρνοις καὶ φαρμακοῖς

καὶ οἱ φάρμακοι καὶ οἱ πόρνοι καὶ οἱ φονεῖς

καὶ εἰδωλολάτραις

καὶ οἱ εἰδωλολάτραι

καὶ πᾶσιν τοῖς ψευδέσιν τὸ μέρος αὐτῶν ἐν τῇ λίμνῃ τῇ καιομένῃ πυρὶ καὶ ϑείῳ, ὅ ἐστιν ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερος

Parallelen

καὶ ψεῦδος εἰ μὴ οἱ γεγραμμένοι ἐν τῷ βιβλίῳ τῆς ζωῆς τοῦ ἀρνίου

Op
9,21 Mk
7,21f.;
1 Kor
5,9f.;
 6,9f.;
Gal
5,19;
Eph
5,5; Kol
3,5;
Barn
20,1 1 Kor
5,9f.;
6,9f.;
Gal
 5,19;
Eph
5,5;
Kol
3,5;
 Barn
20,1

καὶ πᾶς φιλῶν καὶ ποιῶν ψεῦδος

Vergleicht man die Lasterkataloge der Johannesoffenbarung unterein‑ ander und mit anderen derartigen frühchristlichen Katalogen, fallen drei
Dinge
auf:416 (1) In der Johannesoffenbarung ist 21,8 der längste dieser Kataloge und man gewinnt den Eindruck, der Vf. kombiniere hier den Katalog in 22,15
(und
9,21)
mit
dem
in
21,7. (2) In den anderen frühchristlichen Katalogen ist nur die Vierergruppe φονεύς, πόρνος, φαρμακός und εἰδωλολάτρης (bzw. die entsprechenden Abstrakta) breit bezeugt. Allerdings findet sich von den drei Begriffen

415 Dazu
auch
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1130–1132. 416 Eine
Interpretation
der
Lasterkataloge
bei
AbschniT
IV. 4b,
Punkt
(4).

Analyse
der
EinzelabschniTe

233

φονεύς, πόρνος und φαρμακός nur πόρνος in allen der angeführten Kata‑ loge und in Mt 15,9 und Mk 7,21f. steht nicht das Abstraktum εἰδωλολατρία, sondern βλασφημία. Dennoch bildet diese Vierergruppe offen‑ sichtlich den Kern aller Kataloge, um den situationsbezogen weitere Laster
gruppiert
werden. (3) Alle Kataloge der Johannesoffenbarung (außer dem in 9,21) enden mit der „Lüge“, die in keinem der anderen Kataloge belegt ist. Wenn auch ψευδής bzw. ψεῦδος in der Johannesoffenbarung außerhalb dieser Kataloge jeweils nur einmal begegnen, spricht dies nicht dagegen, dass der Abschluss der Kataloge dem Vf. zuzuschreiben ist, da es sich um zwei exponierte Stellen handelt: Gleich am Anfang des ersten Send‑ schreibens spricht der Herr die Gemeinde von Ephesus darauf an, dass sie die, die sich selbst Apostel nennen, als Lügner entlarvt hat (2,2 … ἐπείρασας τοὺς λέγοντας ἑαυτοὺς ἀποστόλους καὶ οὐκ εἰσὶν καὶ εὗρες αὐτοὺς ψευδεῖς). Und die auf das AuWreten der beiden Tiere (Op 13) antwortende Vision der Gerechten auf dem Berg Zion in 14,1–5 schließt mit
dem
Satz
καὶ ἐν τῷ στόματι αὐτῶν οὐχ εὑρέϑη ψεῦδος, ἄμωμοί εἰσιν. Da sich δειλός und ἄπιστος, die beiden ersten Glieder des Kataloges, in der Johannesoffenbarung nur in 21,8 finden, waren sie wohl dem Vf. bereits vorgegeben. Dasselbe könnte für βδελύσσομαι gelten, es sei denn, der Vf. hat es von dem Abstraktum βδέλυγμα in 21,27 abgeleitet. Aufgrund dieses Befundes ist denkbar, dass δειλός und ἄπιστος bereits der hinter Op 21,3.7–8 und 2 Kor 6,14 – 7,1 stehenden Vorlage angehö‑ ren. Der syntaktisch nicht erklärbare Dativ in 21,8 könnte auf den ursprünglichen Abschluss dieser Vorlage zurückgehen. Diese Vorlage hat der Vf. um die in 9,21; 21,7 und 22,15 benutzten Lasterkataloge und den Verweis auf die Lüge erweitert. Da die Lasterkataloge in 1 Kor 6,9f.; Gal 5,19–21 und Polyk 5,3 mit βασιλείαν ϑεοῦ οὐ κληρονομήσουσιν bzw. mit οὐκ ἔχει κληρονομίαν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ Χριστοῦ καὶ ϑεοῦ in Eph 5,5 schließen, dürWe der Vf. ὁ νικῶν κληρονομήσει ταῦτα in 21,7a im Rück‑ griff auf die von ihm benutzten Lasterkataloge und die Überwin‑ dersprüche
der
Sendschreiben
formuliert
haben.417 Da die Verse 21,3.7–8 offenbar auf zwei weitere Vorlagen zurückge‑ hen (Testimonienreihe und Lasterkatalog), bleiben für eine dem Vf.

417 Im NT hat κληρονομέω/κληρονομία fast immer einen übertragenen Sinn, da „Erbe“ im AT für das Israel verheißene Land steht. Vgl. J. HyzzŽ••• / W. F|yz•Œyz, κλῆρος κτλ. ThWNT 3 (1938) 757–786, hier 766–786; J. H. Fzƒy€zƒ„ˆ, κληρονομέω. EWNT 2 (21992) Sp. 736–739. Auch in der frühjüdischen Literatur findet sich „erben“ als Aus‑ druck für den Gewinn des eschatologischen Heils (2 Bar 44,13; 4 Esra 7,9; 1 Hen 40,9 u.
ö.);
vgl.
V|xŠ,
Eschatologie
341
und
413.

234

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

vorgegebene Vision der „neuen Schöpfung“ nur die Verse 21,1.4.5b.418 Diese Beschreibung der „neuen Schöpfung“ berührt sich mit der „Para‑ dieses“‑Schilderung in 1 Hen 24–26, wobei Op 21,3 deutlich die paral‑ lele Aussage in 1 Hen 25,6 überbietet (vgl. auch die Beschreibung der „Seligkeit“
der
neuen
Welt
in
4 Esra
8,52–54).419 1 Hen
25,6 Da
werden
sie
[die
Gerechten]
sich
freu‑ en
voller
Freude
und
fröhlich
sein,
am
 heiligen
Ort
werden
sie
eintreten,
seinen Wohlgeruch
in
ihren
Gebeinen, und
sie
werden
ein
langes
Leben
auf
Er‑ den
leben,
wie
es
deine
Väter
lebten, und
in
ihren
Tagen
wird
es
weder
Trau‑ er
noch
Leid,
noch
Bedrängnis,
noch
 Plage
erreichen.

Op
21,4

[καὶ ἐξαλείψει πᾶν δάκρυον ἐκ τῶν ὀφϑαλμῶν αὐτῶν] καὶ ὁ ϑάνατος οὐκ ἔσται ἔτι οὔτε πένϑος οὔτε κραυγὴ οὔτε πόνος οὐκ ἔσται ἔτι [ὅτι] τὰ πρῶτα ἀπῆλϑαν

Da in 1 Hen 24–27 neben einem Baum, „dessen BlaTwerk, Blüten und Holz in Ewigkeit nicht welken“ (24,4) und „von dessen Frucht den Auserwählten das Leben erwächst“ (27,5), ein Wasserlauf genannt wird (26,2), könnte auch der Verweis auf die Gabe des „Wassers des Lebens“ in 21,6d der Vorlage angehören.420 Ob auch die spätere Beschreibung

418 Die Beobachtung, dass Op 21,3.7–8 auf ein auch in 2 Kor 6,14 – 7,1 bezeugtes Tradi‑ tionsstück zurückgeht, verbietet die – zuletzt von A‚•y, Revelation (WBC) 1115, vor‑ getragene – Annahme, dass auf 21,3–4 ursprünglich unmiTelbar 22,3–5 folgte und 21,5 – 22,2 erst bei der Endredaktion der Johannesoffenbarung eingeschoben wurde. Diese Hypothese schon bei Wyƒ••, Offenbarung 106–108; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 153 und 201f.; auch Byz‹Žyƒyz, Jerusalem 89. Allerdings könnten – wie formale und motivische Parallelen vermuten lassen – 21,1.4.5b und 22,1–5 zumindest in Tei‑ len auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen (Au¸ören aller Übel und des Todes in
der
Heilszeit). 419 Die Überbietung besteht in der Zusage, dass es keinen Tod mehr geben wird. Diese Erwartung einer eschatologischen Entmachtung des Todes ist auch sonst in der früh‑ jüdischen und frühchristlichen Literatur bezeugt (z. B. 4 Esra 8,53; 2 Bar 21,23; 1 Kor 15,26; 2 Tim 1,10; Hebr 2,14; IgnEph 19,3; Barn 5,6). Zum Au¸ören aller Übel und des Todes in der Heilszeit vgl. V|xŠ, Eschatologie 385f.; B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religi‑ on
275–278
und
282–285. 420 Zum Motiv, dass GoT den Dürstenden Wasser gibt, vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1127f. Im Hintergrund mag die atl. Verwendung des Motivs „Dürsten“ als Ausdruck der Sehnsucht des Menschen nach GoT stehen (Ps 42,1 u. ö.). Vgl. Gƒy•y•, Johannes‑ Apokalypse (SKK.NT) 168; J. ByˆŽ / G. ByzŒz•Ž, διψάω κτλ. ThWNT 2 (1935) 230–232. Vielleicht erklärt dies auch, warum sich das Bild vom Stillen des Durstes öWer in Pa‑ radieses‑Schilderungen findet: Durch die GemeinschaW mit GoT wird dieses Verlan‑ gen gestillt. Besondere Bäume und Wasserquellen finden sich auch sonst am Ort des

Analyse
der
EinzelabschniTe

235

des ποταμὸς ὕδατος ζωῆς und des ξύλον ζωῆς in 22,1–2 zu dieser Vorlage gehört,
ist
schwer
zu
entscheiden. Wenn jedoch die Vorlage von 21,1.4.5b bereits eine GoTesrede ent‑ halten haben sollte, wäre denkbar, dass die inhaltlich passende Selbst‑ prädikation GoTes ἐγώ [εἰμι] τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος in 21,6c, die in 22,13 Christus in den Mund gelegt wird, diesem Zusam‑ menhang entnommen ist (vgl. auch 1,8).421 Die Vorlage lässt sich dann folgendermaßen
rekonstruieren: [καὶ εἶδον] οὐρανὸν καινὸν καὶ γῆν καινήν. ὁ γὰρ πρῶτος οὐρανὸς καὶ ἡ πρώτη γῆ ἀπῆλϑαν 1c καὶ ἡ ϑάλασσα οὐκ ἔστιν ἔτι. […] [4a καὶ ἐξαλείψει πᾶν δάκρυον ἐκ τῶν ὀφϑαλμῶν αὐτῶν,] […] 4b καὶ ὁ ϑάνατος οὐκ ἔσται ἔτι 4c οὔτε πένϑος οὔτε κραυγὴ οὔτε πόνος οὐκ ἔσται ἔτι, 4d ὅτι τὰ πρῶτα ἀπῆλϑαν […] 5a καὶ εἶπεν [ὁ καϑήμενος ἐπὶ τῷ ϑρόνῳ]· 5b
 ἰδοὺ καινὰ ποιῶ πάντα 6c ἐγώ ⟨εἰμι⟩ τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος. 6d
 ἐγὼ τῷ διψῶντι δώσω ἐκ τῆς πηγῆς τοῦ ὕδατος τῆς ζωῆς δωρεάν […] 1a

1b

Dabei ist damit zu rechnen, dass bei der Verbindung mit 21,3.7–8 und der Einfügung der kompositorisch motivierten Wiederholungen und Vorverweise verschiedene Auslassungen nötig wurden; weitere Teile dieses Traditionsstückes könnten sich z. B. in 22,1–5 erhalten haben (vgl. 22,3a.5). In 21,1 ist wie auch sonst bei den Visions‑Eingängen mit Eingriffen den Vf.s zu rechnen. Den Verweis auf das Meer sollte man jedoch nicht vorschnell dem Vf. zuschreiben, da das Verschwinden des

eschatologischen Heils; Näheres dazu B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 284f.; V|xŠ, Es‑ chatologie
415f. 421 Die Selbstbezeichnung GoTes als ἡ ἀρχὴ καὶ τὸ τέλος hat wahrscheinlich einen helle‑ nistisch religiös‑philosophischen Ursprung. Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 1126f. (hier die entsprechenden Belege). Dem Vf. wird sie dennoch über die jüdisch‑apoka‑ lyptische Tradition vermiTelt sein, die auch sonst hellenistische Einflüsse rezipiert hat. Dies gilt auch für die Selbstbezeichnung als τὸ ἄλφα καὶ τὸ ὦ, die per se griechi‑ schen Ursprung vermuten lässt, die so aber weder jüdisch noch griechisch eindeutig als GoTesname belegt ist. In den Papyri Magici Graeci finden sich Α und Ω als Abkür‑ zung für die sieben Vokale (des griech. Alphabets), die als GoTesname dienen. Dazu W. B. SŒ••}|z€, The Significance of Alpha and Omega in Revelation I.8, in: Herma‑ thena 98 (1964) 43f.; vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 57; T. H|xŒŠ, Ἄλφᾳ / Ὦ. EWNT 1 (21992)
Sp. 155f.;
G. KƒŒŒyx,
ΑΩ.
ThWNT 1
(1933)
1–3.

236

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Meeres öWer im Zusammenhang mit der Neuschöpfung erscheint (vgl. Sib 5, 158ff. 447; AssMos 10,6).422 Außerdem könnte der futurisch for‑ mulierte Vers 21,4 ursprünglich als Teil der Deutung der Vision in der GoTesrede gestanden haben. Gegen eine derartige Umstellung spricht eigentlich nur Vers 21,4a, der von GoT in der 3. Person spricht. Da Vers 21,4a in 7,17 eine Parallele besitzt (καὶ ἐξαλείψει πᾶν δάκρυον ἐκ τῶν ὀφϑαλμῶν αὐτῶν), scheint es jedoch eher plausibel, dass der Vf. dieses Zitat von Jes 25,8 als Rückverweis auf den von ihm deutlich auf 21,1–8 und 22,1–5 hin komponierten AbschniT 7,13–17 eingefügt hat, zumal die Aussage von 21,4a inhaltlich nicht in eine Schilderung der Neu‑ schöpfung
zu
passen
scheint.

4. Auswertung
und
Interpretation a. Die
Ergebnisse
der
Analyse
von
19,11 – 21,8 (1) Das
Millennium
im
Kontext
von
15,1 – 22,9 Der große SchlussabschniT 15,1 – 22,9 wird inhaltlich und komposito‑ risch ganz vom Gegensatz „Babylon, die große Hure“ und „Jerusalem, die Braut des Lammes“ dominiert: Der AbschniT 15,1 – 16,21 [A] gipfelt im Gericht an „Babylon der Großen“, wie analog der AbschniT 19,11 – 21,8 [B] auf die HerabkunW des „himmlischen Jerusalem“ zielt. „Exkursartig“ werden beide Themen durch die parallelen und aufein‑ ander bezogenen Visionen 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,9 [C2] entfaltet. Da die Millenniums‑Erwartung (20,4–6) Teil dieses großen Schlussab‑ schniTes 15,1 – 22,9 ist, stellt sich per se die Frage, in welchem Verhältnis die Millenniumsvision und der Städte‑Dualismus zueinander stehen, zumal die Struktur des großen SchlussabschniTes nahe legt, dass das Hauptinteresse des Vf.s dem Gegensatz dieser beiden Städte gilt. Die 422 Näheres V|xŠ, Eschatologie 336; Bill. 3, 847; vgl. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 442f.; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 204f. Zu den verschiedenen Vorstellungen des Weltun‑ tergangs und ihrer literarischen Bezeugung (im Frühjudentum) A‚•y, Revelation (WBC) 1117–1120. Hinter der Erwähnung des Meeres in 21,1c steht demnach nicht zwingend, dass der Vf. das Meer als eine dämonische Größe und Inbegriff der Be‑ drohungen des GoTesvolkes sieht. Dies wird vornehmlich aus 12,18 und 13,1 abge‑ leitet (der Drache triT an das Meer und aus dem Meer kommt das erste „Tier“ her‑ vor); so z. B. bei By•xy, Revelation (NIGTC) 1041–1043 und 1050f.; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 349. Zur „Dämonisierung“ des Meeres vgl. R. Kz•ŒŠ, ϑάλασσα. EWNT 2
(21992)
Sp. 313–316.

Auswertung
und
Interpretation

237

Gegenüberstellung von „Jerusalem“ und „Babylon“ dient dabei einem dezidiert paränetischen Zweck, d. h. sie zielt auf die Haltung der Adressaten
diesen
beiden
„Städten“
gegenüber. Welche Haltung die Adressaten der Johannesoffenbarung „Baby‑ lon“ gegenüber einnehmen sollen, ist leicht erkennbar, da der Vf. in 18,4–8 eine „Stimme aus dem Himmel“ die Leser/Hörer direkt anspre‑ chen lässt. Diese Stimme fordert die Leser/Hörer auf, aus „Babylon“ herauszugehen (ἐξ-έρχεσϑαι) und sich von ihren Sünden fern zu halten, damit sie nicht zusammen mit ihr dem göTlichen Strafgericht verfal‑ len.423 Dieser Aufforderung an die Leser/Hörer korrespondiert in 21,27 die Mahnung, dass keiner in das „neue Jerusalem“ hineingehen wird (εἰσ-έρχεσϑαι),
der
mit
Sünden
behaWet
ist.424 „B•†~x|•,
€ƒy
‹z|••y
H‚zy“ 18,4 …
ἐξέλϑατε ὁ λαός μου ἐξ αὐτῆς ἵνα μὴ συγκοινωνήσητε ταῖς ἁμαρτίαις αὐτῆς, καὶ ἐκ τῶν πληγῶν αὐτῆς ἵνα μὴ λάβητε

„Jyz‚••xyŽ,
€ƒy
Bz•‚Œ
€y•
L•ŽŽy•“ 21,27 καὶ οὐ μὴ εἰσέλϑῃ εἰς αὐτὴν πᾶν κοινὸν καὶ [ὁ] ποιῶν βδέλυγμα καὶ ψεῦδος εἰ μὴ οἱ γεγραμμένοι ἐν τῷ βιβλίῳ τῆς ζωῆς τοῦ ἀρνίου

Von dieser doppelten Mahnung aus öffnet sich der Dualismus der Städte „Babylon“ und „Jerusalem“ auf 19,11 – 21,8 hin, da 21,27 zwei Aussagen dieses AbschniTes nochmals aufgreiW und zusammenfasst: (1) Bereits in 21,8 wird denen, die mit den auch in 21,27 angedeuteten Sünden behaWet sind (ἐβδελυγμένοι, ψευδεῖς), der „zweite Tod“ ange‑ droht. (2) Nach 20,12–15 erleiden diejenigen den „zweiten Tod“, die nicht im „Buch des Lebens“ verzeichnet sind, während umgekehrt nach 21,27 diejenigen in das „neue Jerusalem“ einziehen, die im „Buch des Lebens“
geschrieben
stehen.425

423 Vgl. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 393f.; A‚•y, Revelation (WBC) 991; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 304f. Zur Bedeutung von 18,4 für das Verständnis der Johannes‑ offenbarung insgesamt vgl. auch Kx•‚„…, Sendschreiben 178f.; B•‚„…ˆ•Ž, Climax 376–378. 424 Zu
21,27
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
1101–1103. 425 Die Anfügung des „Buches des Lebens“ in 21,27 ist syntaktisch nicht eindeutig; der Vers ließe sich auch dahingehend deuten, dass nur die Sünder ins himmlische Jeru‑ salem einziehen dürfen, die im Buch des Lebens verzeichnet sind. Gemeint aber ist sicherlich, dass allen Sündern der Zugang verweigert wird und nur diejenigen ein‑ ziehen, die im Buch des Lebens verzeichnet sind. Dies deutet auf eine Erweiterung durch den Vf. der Johannesoffenbarung, die im Dienste der Komposition steht. Für eine spätere Anfügung von εἰ μὴ οἱ γεγραμμένοι ἐν τῷ βιβλίῳ τῆς ζωῆς τοῦ ἀρνίου plä‑ diert
auch
A‚•y,
Revelation
(WBC)
1175.

238

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Der „zweite Tod“, der am Ende des AbschniTes 19,11 – 21,8 ein letz‑ tes Mal genannt wird, und der Einzug ins „neue Jerusalem“ sind also die beiden einander gegenüberstehenden eschatologischen Alternati‑ ven. Im Rückgriff auf 18,4 lässt sich folgern, dass die den „zweiten Tod“ erleiden, die sich nicht von der „Hure Babylon“ und ihren Sün‑ den getrennt haben. Für die Stellung und Funktion des Millenniums in‑ nerhalb des SchlussabschniTes 15,1 – 22,9 ist dies insofern interessant, als sich damit über den Makarismus in 20,6 eine indirekte Verbindung des Millenniums zum „neuen Jerusalem“ und zur „Hure Babylon“ auWut: Wer durch die „erste Auferstehung“ ins Millennium gelangt, muss den „zweiten Tod“ nicht mehr fürchten. Wer den „zweiten Tod“ nicht erleidet, ist im „Buch des Lebens“ verzeichnet (20,14f.) und darf in das „neue Jerusalem“ einziehen (21,27), weil er frei von Sünden ist (21,8.27), d. h. sich von „Babylon“ und seinen „Gräueln“ getrennt hat (vgl. 17,4 ἔχουσα ποτήριον χρυσοῦν ἐν τῇ χειρὶ αὐτῆς γέμον βδελυγμάτων; 21,8
ἐβδελυγμένοις;
21,27
ὁ ποιῶν βδέλυγμα). … καὶ τὰς ψυχὰς τῶν πεπελεκισμένων διὰ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ καὶ διὰ τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ καὶ οἵτινες οὐ προσεκύνησαν τὸ ϑηρίον οὐδὲ τὴν εἰκόνα αὐτοῦ καὶ οὐκ ἔλαβον τὸ χάραγμα ἐπὶ τὸ μέτωπον καὶ ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτῶν. καὶ ἔζησαν καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ Χριστοῦ χίλια ἔτη. μακάριος καὶ ἅγιος ὁ ἔχων μέρος ἐν τῇ ἀναστάσει τῇ πρώτῃ· ἐπὶ τούτων ὁ δεύτερος ϑάνατος οὐκ ἔχει ἐξουσίαν, ἀλλ’ ἔσονται ἰερεῖς τοῦ ϑεοῦ καὶ τοῦ Χριστοῦ καὶ βασιλεύσουσιν μετ’ αὐτοῦ [τὰ] χίλια ἔτη.

⎫ ⎪ ⎪ 1.
A•†yŒ‚•‹
€y•
„Tƒyzy•“: ⎪ Wer
dem
Tier
und
dem
 ⎪ Lügenprophet
widersteht,
 ⎬ nimmt
an
der
„ersten
Auf‑ ⎪ erstehung“
teil
und
ist
dem
 ⎪ „zweiten
Tod“
entnommen. ⎪ ⎪ ⎭

20,14f. … οὗτος ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερός ἐστιν, ἡ λίμνη τοῦ πυρός. καὶ εἴ τις οὐχ εὑρέϑη ἐν τῇ βίβλῳ τῆς ζωῆς γεγραμμένος, ἐβλήϑη εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρός.

⎫ 2.
D••
„B‚„ˆ
€y•
Ly†y••“: ⎪ Den
„zweiten
Tod“
erleidet, ⎬ wer
nicht
im
„Buch
des
 ⎪ Lebens“
verzeichnet
ist. ⎭

τοῖς δὲ δειλοῖς καὶ ἀπίστοις καὶ ἐβδελυγμένοις καὶ φονεῦσιν καὶ πόρνοις καὶ φαρμάκοις καὶ εἰδωλολάτραις καὶ πᾶσιν τοῖς ψευδέσιν τὸ μέρος αὐτῶν ἐν τῇ λίμνῃ τῇ καιομένῃ πυρὶ καὶ ϑείῳ, ὅ ἐστιν ὁ ϑάνατος ὁ δεύτερος. καὶ οὐ μὴ εἰσέλϑῃ εἰς αὐτὴν πᾶν κοινὸν καὶ [ὁ] ποιῶν βδέλυγμα καὶ ψεῦδος εἰ μὴ οἰ γεγραμμένοι ἐν τῷ βιβλίῳ τῆς ζωῆς τοῦ ἀρνίου.

⎫ ⎪ 3.
Dƒy
„L••Œyz“: ⎪ Wer
mit
„Lastern“
behaWet
 ⎪ ist,
steht
nicht
im
„Buch
des ⎬ Lebens“
verzeichnet;
er
er‑ ⎪ leidet
den
„zweiten
Tod“
 ⎪ und
geht
nicht
in
das
„neue
 ⎪ Jerusalem“
ein. ⎭

20,4

20,6

21,8

21,27

Auswertung
und
Interpretation

239

Die Reihe der Visionen im AbschniT 19,11 – 21,8 [A] und die beiden rahmenden Visionen 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,9 [C1] konvergieren in der Mahnung an die Leser/Hörer, so zu leben, dass sie nicht den „zweiten Tod“ erleiden, sondern das ewige Heil der neuen Schöpfung erlangen. Insofern stehen das Millennium und der die Schlusskapitel der Johannesoffenbarung inhaltlich und strukturell dominierende Städ‑ te‑Dualismus nicht unverbunden nebeneinander. Zugleich aber wird deutlich, dass die Zugangsbedingungen für das Millennium keine an‑ deren sind als die für das „neue Jerusalem“, d. h. wer am „tausendjähri‑ gen Messiasreich“ teilnimmt, gelangt auch ins „neue Jerusalem“, und wer ins „neue Jerusalem“ gelangt, herrscht zuvor „tausend Jahre“ mit dem Messias. Das Millennium ist somit kein „Bonus“ für eine besonde‑ re Gruppe von Christen, die sich in der Verfolgung als „Blutzeugen“ bewähren, wohingegen das Heil der neuen Schöpfung allen Christen offen steht. Sollten nur solche, die sich durch die Hingabe ihres Lebens als besonders treue Glaubenszeugen bewährt haben, ins Millennium gelangen, dann erhalten auch nur diese das Heil der neuen Schöp‑ fung – es sei denn, man nimmt an, die Konzeption der Johannesoffen‑ barung
sei
in
diesem
Punkt
nicht
konsistent. Wozu aber dient das Millennium im Kontext von 15,1 – 22,9? Um diese Frage zu beantworten, ist es notwendig, die Verbindungen zu be‑ achten, die der Vf. zwischen der Millenniumsvision und anderen Teilen des großen SchlussabschniTs der Johannesoffenbarung herstellt. Hier lassen
sich
drei
Punkte
benennen: (1) Erstens verbindet der Vf. die Millenniumsvision mit der Reihe der sieben Schalen‑Plagen, indem er in 20,4 und 16,5–7 den beim fünWen Siegel ergangenen Ruf der ermordeten treuen Glaubenszeugen nach Vergeltung nochmals aufgreiW (6,9–11):426 In 16,5–7 preisen der „Engel der Wasser“ und die Seelen der treuen Glaubenszeugen unter dem himmlischen Opferaltar GoT, weil er das Blut der treuen Glaubenszeu‑ gen an ihren Mördern gerächt hat; und in 20,4 sieht der Seher, wie GoT den ermordeten Glaubenszeugen Recht scha• und sie zur Teilnahme am „tausendjährigen“ Messiasreich auferweckt (vgl. auch die folgende Übersicht). Die sieben Plagen und die „tausendjährige“ HerrschaW der

426 Vgl. V•••ƒ, StruTura 163; By•xy, Revelation (NIGTC) 352. Nach S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Eschatology 555–557, bestimmt 6,9–11 die gesamte Johannesoffenbarung thematisch und strukturiert sie. Innerhalb von 15,1 – 22,9 wird 6,9–11 auch noch im Hymnus auf den Fall „Babylons“ in 19,1–10 aufgegriffen, d. h. auch die Vernichtung „Babylons“ ist Teil der göTlichen Antwort auf den Ruf der Seelen der ermordeten Glaubenszeu‑ gen
nach
Vergeltung.

240

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Auferweckten mit dem Messias bilden demnach die beiden Seiten der göTlichen Antwort auf den Ruf der ermordeten Glaubenszeugen nach Vergeltung: die Bestrafung der Verfolger und die Belohnung ihrer Opfer. 16,5–7 … καὶ ἤκουσα τοῦ ἀγγέλου τῶν ὑδάτων λέγοντος· δίκαιος εἶ, ὁ ὦν καὶ ὁ ἦν, ὁ ὅσιος, ὅτι ταῦτα ἔκρινας, ὅτι αἷμα ἁγίων καὶ προφητῶν ἐξέχεαν καὶ αἷμα αὐτοῖς [δ]έδωκας πιεῖν, ἄξιοί εἰσιν. καὶ ἤκουσα τοῦ ϑυσιαστηρίου λέγοντος· ναὶ κύριε ὁ ϑεὸς ὁ παντοκράτωρ, ἀληϑιναὶ καὶ δίκαιαι αἱ κρίσεις σου By•Œz•}‚•‹

6,9–11 … εἶδον ὑποκάτω τοῦ ϑυσιαστηρίου τὰς ψυχὰς τῶν ἐσφαγμένων διὰ τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ καὶ διὰ τὴν μαρτυρίαν ἣν εἶχον καὶ ἔκραξαν φωνῇ μεγάλῃ λέγοντες· ἕως πότε, ὁ δεσπότης ὁ ἅγιος καὶ ἀληϑινός, οὐ κρίνεις καὶ ἐκδικεῖς τὸ αἷμα ἡμῶν ἐκ τῶν κατοικούντων ἐπὶ τῆς γῆς; ←
R‚}
••„ˆ
Vyz‹yxŒ‚•‹
→

20,4–6

… καὶ τὰς ψυχὰς τῶν πεπελεκισμένων διὰ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ καὶ διὰ τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ … καὶ ἔζησαν καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ Χριστοῦ χίλια ἔτη …

Byx|ˆ•‚•‹

(2) Von besonderem Gewicht scheint die zweite Verbindung zu sein, da der Vf. durch die Identifizierung der Auferweckten mit denjenigen, „die das Tier und sein Bild nicht angebetet und sein Prägemal nicht empfangen haben“ (20,4), die Einleitung des großen SchlussabschniTes aufgreiW, wo der Vf. im Anschluss an das Erscheinen der sieben Pla‑ gen‑Engel die „Sieger über das Tier, sein Bild und die Zahl seines Na‑ mens“ vor GoTes Thron427 schaut (15,2). Im Kontrast dazu richtet sich bereits die Plage der ersten Schale gegen diejenigen, die „das Prägemal des Tieres tragen und sein Bild angebetet haben“ (16,2) und auch bei der Beseitigung von Tier und Lügenprophet in 19,20 nennt der Vf. nochmals die Verführung zur Anbetung des Tieres und zum Empfang seines Prägemales. Dies legt erneut nahe, die Funktion des Millenni‑

427 Im Text steht in 15,2: καὶ εἶδον ὡς ϑάλασσαν ὑαλίνην μεμιγμένην πυρὶ καὶ τοὺς νικῶντας ἐκ τοῦ ϑηρίου καὶ ἐκ τῆς εἰκόνος αὐτοῦ καὶ ἐκ τοῦ ἀριϑμοῦ τοῦ ὀνόματος αὐτοῦ ἑστῶτας ἐπὶ τὴν ϑάλασσαν τὴν ὑαλίνην ἔχοντας κιϑάρας τοῦ ϑεοῦ. Das „Kristallmeer“ auf dem die „Sieger“ stehen ist offensichtlich die ϑάλασσα ὑαλίνη ὁμοία κρυστάλλῳ, die der Se‑ her in 4,6 im himmlischen Thronsaal vor GoTes Thron schaut; vgl. Gƒy•y•, Offenba‑ rung
(RNT)
342f.;
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(RNT)
274.

Auswertung
und
Interpretation

241

ums vor dem Hintergrund von Lohn und Strafe zu bestimmen: Das Millennium ist der Lohn für diejenigen, die dem Tier und dem Lü‑ genpropheten Widerstand leisten und GoT auch um den Preis des eige‑ nen
Lebens
die
Treue
bewahren. Lohn

15,2

καὶ εἶδον ὡς ϑάλασσαν ὑαλίνην μεμιγμένην πυρὶ καὶ τοὺς νικῶντας ἐκ τοῦ ϑηρίου καὶ ἐκ τῆς εἰκόνος αὐτοῦ καὶ ἐκ τοῦ ἀριϑμοῦ τοῦ ὀνόματος αὐτοῦ ἑστῶτας ἐπὶ τὴν ϑάλασσαν τὴν ὑαλίνην ἔχοντας κιϑάρας τοῦ ϑεοῦ.

Strafe

16,2

καὶ ἀπῆλϑεν ὁ πρῶτος καὶ ἐξέχεεν τὴν φιάλην αὐτοῦ εἰς τὴν γῆν, καὶ ἐγένετο ἕλκος κακὸν καὶ πονηρὸν ἐπὶ τοὺς ἀνϑρώπους τοὺς ἔχοντας τὸ χάραγμα τοῦ ϑηρίου καὶ τοὺς προσκυνοῦντας τῇ εἰκόνι αὐτοῦ.

Strafe

19,20 καὶ ἐπιάσϑη τὸ ϑηρίον καὶ μετ’ αὐτοῦ ὁ ψευδοπροφήτης ὁ ποιήσας τὰ σημεῖα ἐνώπιον αὐτοῦ, ἐν οἷς ἐπλάνησεν τοὺς λαβόντας τὸ χάραγμα τοῦ ϑηρίου καὶ τοὺς προσκυνοῦντας τῇ εἰκόνι αὐτοῦ· ζῶντες ἐβλήϑησαν οἱ δύο εἰς τὴν λίμνην τοῦ πυρὸς τῆς καιομένης ἐν ϑείῳ.

Lohn

20,4

καὶ οἵτινες οὐ προσεκύνησαν τὸ ϑηρίον οὐδὲ τὴν εἰκόνα αὐτοῦ καὶ οὐκ ἔλαβον τὸ χάραγμα ἐπὶ τὸ μέτωπον καὶ ἐπὶ τὴν χεῖρα αὐτῶν καὶ ἔζησαν καὶ ἐβασίλευσαν μετὰ τοῦ Χριστοῦ χίλια ἔτη

Sollte der Vf. das Millennium als Rehabilitation der ermordeten Glau‑ benszeugen verstehen und durch die Zusage dieser besonderen Beloh‑ nung zur Glaubenstreue bis in den Tod ermutigen wollen, befremdet es allerdings, dass der Leser/Hörer im Grunde nichts über das Millen‑ nium erfährt. Außerdem relativiert der Vf. durch den Makarismus in 20,6 das Millennium, indem er die „erste Auferstehung“ näher be‑ stimmt
als
Bewahrung
vor
dem
„zweiten
Tod“. (3) Dieser Makarismus ist das dri[e Element, mit dem der Vf. das Mil‑ lennium im Kontext des großen SchlussabschniTes verortet.428 Denn an vier exponierten Stellen von 15,1 – 22,9 steht einer der insgesamt sieben Makarismen der Johannesoffenbarung: Der erste dieser vier Makaris‑ men fungiert als Mahnung bei der sechsten Schale (16,12–16), die auf die Endschlacht in 19,11–21 vorbereitet und dadurch die Reihe der sie‑ ben Schalen mit der Schilderung der Endereignisse in 19,11 – 21,8 [B] verbindet. Der zweite und der vierte Makarismus akzentuieren das

428 Zur Funktion der sieben Makarismen (1,3; 14,13; 16,15; 19,9; 20,6; 22,7.14) in der Jo‑ hannesoffenbarung
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
64–72.

242

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Ende der parallelen Visionen 17,1 – 19,10 [C1] und 21,9 – 22,9 [C2]. Der driTe Makarismus markiert das Ende der Millenniumsvision (20,4–6) und bildet mit dieser das Zentrum von 19,11 – 21,8 [B]. Zugleich hebt der Vf. diesen Makarismus durch die singuläre Erweiterung καὶ ἅγιος hervor. Inhaltlich trägt ἅγιος einen ekklesiologischen Bezug in die Mah‑ nung an die Gemeinde ein: Wer so lebt, dass er das eschatologische Heil
nicht
erlangt,
gehört
bereits
jetzt
nicht
zur
Kirche.429 16,15

ἰδοὺ ἔρχομαι ὡς κλέπτης. μακάριος ὁ γρηγορῶν καὶ τηρῶν τὰ ἱμάτια αὐτοῦ, ἵνα μὴ γυμνὸς περιπατῇ καὶ βλέπωσιν τὴν ἀσχημοσύνην αὐτοῦ.

1442443 A:
15,1 – 16,21

19,9

20,6

καὶ λέγει μοι· γράψον· μακάριοι οἱ εἰς τὸ δεῖπνον τοῦ γάμου τοῦ ἀρνίου κεκλημένοι.

1442443 1

C :
17,1 – 19,10

22,7

καὶ ἰδοὺ ἔρχομαι ταχύ. μακάριος καὶ ἅγιος ὁ ἔχων μέρος ἐν τῇ ἀναστάσει τῇ πρώτῃ· ἐπὶ τούτων ὁ δεύτερος ϑάνατος οὐκ ἔχει ἐξουσίαν, ἀλλ’ ἔσονται ἱερεῖς τοῦ ϑεοῦ καὶ τοῦ χριστοῦ καὶ βασιλεύσουσιν μετ’ αὐτοῦ [τὰ] χίλια ἔτη. 1442443 B:
19,11 – 21,8

μακάριος ὁ τηρῶν τοὺς λόγους τῆς προφητείας τοῦ βιβλίου τούτου.

1442443 C2:
21,9 – 22,9

Die Form „Makarismus“ zeigt die paränetische Abzweckung dieses verbindenden Elements an. Die vier Makarismen in 15,1 – 22,9 benen‑ nen dabei sowohl die Bedingungen des Heilserwerbs als auch das Heil selbst, wobei zugleich die Möglichkeit des Scheiterns, der Heilsverlust, vor Augen gestellt wird. Dazu spricht der Vf. seine Hörer/Leser als sol‑ che an, die ihren erreichten Zustand bewahren müssen, um das Heil zu erlangen (16,15). Dies gelingt ihnen, wenn sie sich entsprechend seiner Worte verhalten (22,7). Das Heil ist das „Hochzeitsmahl des Lammes“ (19,9), d. h. das „neue Jerusalem“ (vgl. 19,7 und 21,9). Auf dieses Heil ist auch das Millennium hin gerichtet, da die Auferstehung zum Mil‑

429 Auf die ekklesiologische Dimension von ἅγιος/ἅγιοι in der Johannesoffenbarung weist insbesondere S•Œ•…y, Gemeindeordnung 26–34, hin; zu ἅγιος im Neuen Tes‑ tament
allgemein
vgl.
auch
H. B•xŠ,
ἅγιος κτλ.
EWNT
1
(21992)
Sp. 38–48.

Auswertung
und
Interpretation

243

lennium die Bewahrung vor dem „zweiten Tod“ (20,6) und damit die Teilhabe
am
„neuen
Jerusalem“
bedeutet. Damit lässt sich zunächst keine „Sonderfunktion“ des Millenniums feststellen. An keiner Stelle in 15,1 – 22,9 wird festgehalten, dass die Teilnahme am Millennium ein Privileg für die Christen ist, die mehr geleistet und erduldet haben als andere. Es lässt sich nirgends erken‑ nen, dass es einen Zugang zum „neuen Jerusalem“ ohne vorhergehen‑ de Teilnahme am Millennium gibt. Jeder, der sich durch ein entspre‑ chendes Leben, d. h. durch die Treue zu GoT und dem Messias, Anteil am Heil erwirbt, steht zuerst zur Teilnahme am Millennium auf und gelangt dann in das „neue Jerusalem“. Die beiden Stadien des eschato‑ logischen Heiles können also nicht dahingehend voneinander getrennt werden, dass man sich durch moralisch einwandfreies Verhalten Anteil am Heil der neuen Schöpfung erwirbt, für das (blutige) Martyrium aber durch eine zusätzliche irdische, zeitlich begrenzte Heilszeit ent‑ schädigt wird.430 Dies gilt umso mehr, als die Bedingungen für den Zu‑ triT zum „neuen Jerusalem“ dieselben zu sein scheinen, wie für die Auferstehung zum Millennium. Diese werden in dreifacher Weise an‑ gegeben: Das
Heil
erlangt,
wer 1. die
Anbetung
des
Tieres
und
seines
 Bildes
sowie
den
Empfang
seines
 Prägemales
verweigert, 2. im
„Buch
des
Lebens“
verzeichnet
 ist, 3. mit
keinen
„Lastern“
behaWet
ist.

13,11–17;
14,9.11;
 15,2;
19,20;
20,4 3,5;
13,8;
17,8;
 20,15;
21,27 9,20–21;
21,22–27; 22,12–20

Wie sich gezeigt hat, sind mit diesen drei Formulierungen keine drei verschiedenen Voraussetzungen gemeint. Welche Haltungen im einzel‑ nen der Vf. als Zugangsbedingung für das Heil sieht, bedarf einer ge‑ naueren Klärung, insbesondere die Frage, inwiefern es dem Vf. um „Ethik“ im eigentlichen Sinne geht. Auf diese Frage ist später nochmals genauer
zurückzukommen
(vgl.
bei
AbschniT
IV. 4b). Zusammenfassend lässt sich sagen: Für die Einbindung der Millen‑ niumsvision in den AbschniT 15,1 – 22,9 gilt, dass von der Vision 20,4–6

430 So z. B. B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 438; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 2, 180–182; B‡‑ „ˆyz, Johannesapokalypse 105. Auch Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 257, und Wƒ…y•‑ ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 147f., sind letztlich in diesen Sinn zu verstehen, auch wenn sie bei 20,11–15 nicht eigens über die Auferstehung der Christen sprechen, die nicht
als
Märtyrer
gestorben
sind.

244

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

zwar Verbindungen zu den anderen Teilen dieses großen Schlussab‑ schniTes hergestellt werden, umgekehrt aber in den anderen Teilen der Schlussvision weder explizit auf ein „tausendjähriges“ irdisches Mes‑ siasreich vorbereitet noch dieses nochmals aufgegriffen wird. Der Hö‑ rer/Leser tri• in 20,4–6 letztlich völlig unerwartet, wenn auch nicht un‑ vorbereitet auf das Millennium; mit seinem Ende kann er es schon wieder vergessen, da es in den folgenden AbschniTen keine Rolle mehr spielt.

(2) Das
Millennium
im
Kontext
von
19,11 – 21,8 Aufgrund des Textbefundes muss festgehalten werden, dass die in 19,11 – 21,8 genannten Ereignisse chronologisch linear angeordnet sind: Dabei ist das „tausendjährige“ Messiasreich zwischen der Endschlacht (19,11–21) und der Neuschöpfung (21,1–8) eingeordnet und ist folglich die
letzte
Periode
der
„alten
Schöpfung“.431 »erster Himmel und erste Erde«

»tausend Jahre« 19,11–21 20,1–3 20,4–6 20,7–10 20,11 20,12–15 messian. Welt- TotenParusie und Zwischenreich unterEndschlacht Fesselung Vernichtung gang gericht des Drachen des Drachen Millennium

»neuer Himmel und neue Erde« 21,1–8 Neuschöpfung neues Jerusalem

Da dem Millennium das Kommen des Messias zur Endschlacht voraus‑ geht, kann es nicht mit der Zeit der Kirche zwischen der Auferstehung und der endzeitlichen WiederkunW Christi identifiziert werden. Aus demselben Grund verbietet sich auch die Deutung der „ersten Aufer‑ stehung“ als Wiedergeburt des Christen bei der Taufe; denn die „erste

431 Vgl. Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 253f.; SŒ•€yxŽ•••, Zeugnis 148f.; gegen Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 441, für den sich das „tausendjährige Messiasreich“ der Johan‑ nesoffenbarung nicht „innergeschichtlich“ ereignet, sondern mit der „kommenden Weltzeit“ in eins fällt. Dies lässt sich jedoch am Text nicht erweisen. Deshalb ist auch gegen S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, HerrschaW 123, daran festzuhalten, dass Op 20,4–6 tat‑ sächlich von einem (messianischen) „Zwischenreich“ und nicht nur einen „bestimm‑ ten Aspekt des eschatologischen Heils“ handelt. Aus denselben Gründen ist die Be‑ hauptung zurückzuweisen, dass sich 20,4–6 auf dieselben Ereignisse beziehe wie 21,1–8.9ff.;
so
z.
B.
bei
MyŒŠ‹yz,
Zwischenreich
107
und
115f.

Auswertung
und
Interpretation

245

Auferstehung“ ist ein eschatologisches Geschehen, das sich eindeutig in
die
Abfolge
der
Endereignisse
einordnen
lässt. Obgleich das Millennium nicht zweifelsfrei auf der Erde lokalisiert wird, so gibt es dennoch keine Hinweise im Text, dass der Vf. unter der „ersten Auferstehung“ den Einzug der ermordeten treuen Glaubens‑ zeugen in den Himmel verstehe, gleichgültig ob sich dieser sukzessiv immer wieder im Lauf der Kirchengeschichte ereignet oder einmal am Ende der Geschichte.432 Denn aus welchem Grund sollte der Vf. den Einzug in den Himmel verschlüsselt als „Auferstehung“ bezeichnen. Es gibt keine zwingenden Gründe, die gegen die Annahme sprechen, der Vf. gehe davon aus, dass sich die Auferweckten für „tausend“ Jahre zu‑ sammen mit dem Messias auf der Erde befinden.433 Das bedeutet aber auch, dass der Vf. die „tausend Jahre“ als reale Zeitangabe und nicht nur als Symbol für die Vollkommenheit und Fülle des Heiles versteht, wenn sich auch darüber streiten lässt, ob er „tausend“ als exakte Zeit‑ angabe versteht oder nur als Chiffre für einen langen, aber dennoch endlichen Zeitraum, dem die Aspekte der Vollkommenheit, Fülle und vollendeten
Abgeschlossenheit
zugesprochen
werden
sollen.434 Obgleich die Millenniumsvision das Zentrum der Komposition von 19,11 – 21,8 bildet, gewinnt es dennoch keine inhaltlichen Konturen, sondern bleibt blass und unbestimmt. Aus dem Völkersturm in 20,8–9 lässt sich zwar folgern, dass der Vf. an Jerusalem als Zentrum dieses „tausendjährigen Messiasreiches“ denkt, doch wird nicht expressis ver‑ bis gesagt, dass sich die „tausendjährige HerrschaW“ der Auferweckten mit Christus auf Erden vollzieht.435 Auch, was mit dem Messias und den Auferweckten am Ende dieses Reiches geschieht, bleibt offen. Am auffälligsten ist jedoch, dass mit keinem Wort die „Freuden“ des Mil‑ 432 Gegen By•xy, Revelation (NIGTC) 991–1007; Sƒ„…y•†yz‹yz, Reich 306f.; ders., Johan‑ nesapokalypse 174–177. Nach G|‚z‹‚y•, Reign 679, meint ἔζησαν zwar „auferste‑ hen“, aber keine Rückkehr in die frühere irdische Existenz, sondern Einzug der See‑ len ins wahre Leben bei GoT, was wohl im Sinne von J. Sickenberger und G. K. Beale zu
verstehen
ist. 433 Die Argumente für eine himmlische HerrschaW der „Auferweckten“ am Ende des al‑ ten Äons mit einer gleichzeitigen Friedensperiode auf der Erde bei G|‚z‹‚y•, Reign 679–681. 434 Vgl. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 338. Die HerkunW der Zahl „tausend“ lässt sich wohl nicht mehr mit Sicherheit ermiTeln; vgl. dazu die Überlegungen bei Fzy~, Millennium 45–48. Die Herleitung der „tausend Jahre“ von der Idee der Weltwoche bei Wƒ…y•ˆ•‚•yz, HerkunW 1–24, ist problematisch, da eine eindeutige Verbindung von Weltwochenschema und messianischem Zwischenreich vor der Johannesoffen‑ barung nicht eindeutig belegt ist. Der früheste jüdische Beleg ist 2 Hen 33,1; doch ist hier
die
Entstehungszeit
und
der
Umfang
einer
christlicher
Überarbeitung
unsicher. 435 Dazu
G|‚z‹‚y•,
Reign
678f.

246

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

lenniums ausgemalt werden. Dies lässt sich nicht damit erklären, dass das Millennium ein solch großes und erhabenes Mysterium ist, vor dem der Vf. der Johannesoffenbarung nur verstummen könne.436 Zu einer derartigen Erklärung will nicht passen, dass der Vf. für das „neue Jerusalem“ oder auch für den himmlischen Thronsaal sehr wohl Worte findet, auch wenn er sich dabei in einer unanschaulichen Fülle sich wi‑ dersprechender Bilder dem Gegenstand seiner visionären Schau nä‑ hert. Man sollte sich also hüten, die fehlende Ausmalung des Millenni‑ ums in der Johannesoffenbarung zu einer besonderen theologischen und
literarischen
Qualität
zu
erheben. Jeder Versuch, das Millennium der Johannesoffenbarung zu deu‑ ten, muss respektieren, dass der Text keine Angaben über die Art der HerrschaW und den Zustand der Erde während dieser Zeit enthält.437 Der Leser/Hörer erfährt nicht, über wen die Auferweckten herrschen und worin ihre priesterliche Funktion besteht; ebenso schweigt der Text über eine besondere Fruchtbarkeit bei Mensch und Tier, von einem ver‑ längerten Leben und sonstigen Anzeichen der Wiederkehr „paradiesi‑ scher“ Zustände, wie sie sich in jüdischen Parallelen finden (vgl. 2 Bar 29; 73f.; 4 Esra 7,26–28[; 12,34]).438 Dieses Schweigen des Vf.s lässt be‑ zweifeln, dass er das Millennium als eine letzte Heilung der gesamten Schöpfung
vor
ihrem
Untergang
verstand.439 Das Millennium der Johannesoffenbarung ist demnach nicht Aus‑ druck der Hoffnung auf das Kommen einer aurea aetas, in der sich auf Erden eine ideale GesellschaWsordnung realisiert und der Mensch zur vollkommenen Harmonie mit sich, mit seinen Mitgeschöpfen, mit der Natur und mit GoT findet. Bestenfalls ist es Ausdruck der Hoffnung,

436 So z. B. Wyƒ••, Offenbarung 101, der den Grund für die Zurückhaltung des Vf.s in der Schilderung des Millenniums darin sieht, dass es etwas so Großes und ein so außerordentlicher Vorzug ist, der nicht allen Christen zuteil werden kann. Ähnlich auch
H•€|z•,
Offenbarung
(ThHK)
197f. 437 Ähnlich Fzy~, Millennium 48; vgl. Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 148. Treffend G|‚z‹‚y•, Reign 677: „This sparsity of data relative to the thousand‑year reign con‑ trasts
sharply
with
the
verbosity
and
luxuriance
of
certain
proposed
explanations.“ 438 Zur Erwartung der Wiederkehr des Paradieses in der Endzeit und den Heilsgütern des (zeitlich begrenzten oder unbegrenzten) Reiches des Messias im einzelnen V|xŠ, Eschatologie
359–407;
vgl.
auch
B‡„ˆyz,
Chiliasmus I.
TRE
7, 726. 439 Ein entsprechendes Motiv findet sich in der Schilderung des messianischen Zwi‑ schenreiches zumindest in Ansätzen bei 2 Bar 29,5–7; 73,2 – 74,1; dahinter steht aber klar erkennbar die Vorstellung der Revozierung der mit dem Sündenfall verbunde‑ nen Schöpfungsflüche aus Gen 3: Die Erde bringt die Nahrung von selbst hervor, Gesundheit und langes Leben, mühelose Geburt und Friede der Menschen unterein‑ ander und mit den Tieren. Zum Sündenfall in der frühjüdischen Literatur B|‚•‑ •yŒ / Gzy••Ž•••,
Religion
406–409.

Auswertung
und
Interpretation

247

dass sich durch das Eingreifen GoTes für die Christen, die (zur Zeit der Abfassung der Johannesoffenbarung) auf mannigfache Weise verfolgt, unterdrückt und benachteiligt werden, am Ende ihre Situation ins Ge‑ genteil wendet: GoT wird ihnen auf dieser Erde, wo sie für ihren Glau‑ ben Tod und Verfolgung erliTen, ihr Recht verschaffen.440 Allerdings lässt sich auch zu Gunsten dieser Deutung nur der Rückverweis auf den Ruf der Seelen der ermordeten Glaubenszeugen nach Vergeltung (6,9f.) anführen. So besehen mag das Millennium der Johannesoffenba‑ rung zwar Ausdruck der Hoffnung auf Heil in der Welt, aber nicht der Hoffnung
auf
Heil
für
die
Welt
sein.441 Der Vf. verzichtet zwar auf eine Beschreibung des Heilszustands des Millenniums, fügt ihm aber selbst eine Deutung bei, die es bei der Frage nach der Funktion und Intention der Millenniumsvision zu be‑ achten gilt. Der Vf. gibt durch den Rückverweis auf 6,9–10 in 20,4 das Millennium als Teil der Antwort GoTes auf den Ruf der Seelen der er‑ mordeten Glaubenszeugen nach Vergeltung zu erkennen.442 Ebenso hebt er im selben Vers durch den Rückverweis auf 13,12–17 den 440 Fzy~, Millennium 40, sieht in der „erste Auferstehung“ und dem Millennium die Zu‑ sage einer „eschatologische Rehabilitation in irdisch‑leiblicher Gestalt“ an die getö‑ teten Christen. Doch ist zu fragen, warum 20,4–6 dann nicht von den „Leibern“ der Auferweckten spricht. Die Vorstellung der leiblichen Auferstehung dürWe in der Jo‑ hannesoffenbarung zwar vorausgesetzt werden, explizit genannt wird sie an keiner Stelle. Überhaupt fällt auf, dass σάρξ nur im Plural begegnet für das „Fleisch der Hure“, das die „zehn Könige“ verschlingen (17,16), und für das Fleisch des Heeres von Tier und Lügenprophet, das von den Vögeln des Himmels verschlungen wird (19,18.21). Das alternative σῶμα findet sich ebenfalls nur im Plural in 18,13 in der Aufzählung der Handelsgüter, die in der „großen Stadt“ umgesetzt werden (καὶ ἵππων καὶ ῥεδῶν καὶ σωμάτων); seine Bedeutung an der Stelle wird jedoch nicht ganz klar
(ist
hier
an
Sklaven
gedacht?). 441 Für U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 340f., liegt der besondere Sinn des Millenni‑ ums darin, dass vor dem Anbruch des neuen Äons auf Erden Realität werden soll, was der Heilstod Christi für die Gläubigen schon bewirkt hat. Zu dieser Sicht aller‑ dings will nicht passen, dass diese irdische Heilszeit vom Vf. der Johannesoffenba‑ rung nicht mit ihren Freuden für die Auferweckten ausgemalt wird. Damit soll nicht bestriTen werden, dass sich im Millennium für die Christen Heil realisiert. Dies ge‑ schieht zum einen in der Auferweckung der treuen Glaubenszeugen von den Toten als Ausdruck der christlichen Hoffnung, dass GoT seinerseits denen die Treue be‑ wahrt, die in der Bedrängnis unverbrüchlich zu ihm gehalten haben. Zum anderen werden vor Anbruch des Millenniums bei der AnkunW des Messias die irdischen Feinde der Christen vernichtet, das Tier und der Lügenprophet bestraW und der Drache für die Zeit des Millenniums daran gehindert, seine FeinschaW gegen die Christen auszuüben. Aber es lässt sich eben nicht erkennen, dass der Vf. diese merk‑ würdige Verschränkung einer innergeschichtlichen Heilserwartung (Messiasreich) mit einer transgeschichtlichen (Auferstehung) in irgendeiner Weise besonders theo‑ logisch
qualifizieren
will. 442 Vgl.
Fzy~,
Millennium
25.

248

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Charakter des Millenniums als Lohn für diejenigen hervor, die dem Tier und dem Lügenpropheten widerstanden. Dadurch werden im Umkehrschluss die „Zugangsbedingungen“ für das irdische Messias‑ reich bzw. die Voraussetzungen für die Teilnahme an der „ersten Auf‑ erstehung“ benannt. Dies wird durch den Makarismus verstärkt, der die Hörer/Leser auffordert, so zu leben, dass sie an der „ersten Aufer‑ stehung“ teilnehmen und ins Millennium gelangen. Zugleich aber lenkt der Makarismus den Blick vom Millennium weg auf die Bewah‑ rung
vor
dem
„zweiten
Tod“. Dem Millennium wird demnach zwar Sinn zugesprochen, doch ist dieser Sinn ein relativer, d. h. das Millennium ist kein für sich stehendes Heilsgut, sondern auf das Heil der neuen Schöpfung bezogen und be‑ sitzt keinen davon unabhängigen, eigenen Wert: Die Teilhabe am Mil‑ lennium ist die Voraussetzung für den ZutriT zum „neuen Jerusalem“. Dadurch erklärt sich die kompositorische Auffälligkeit, dass der Ab‑ schniT 19,11 – 21,8 einerseits konzentrisch strukturiert ist, wobei das Millennium das Zentrum bildet, andererseits die konzentrische Struk‑ tur durch eine deutliche Betonung des SchlussabschniTes 21,1–8 über‑ lagert wird (vgl. AbschniT IV. 2). Das Zentrum benennt dabei die Be‑ dingungen für den Erwerb der in 21,1–8 genannten eschatologischen Heilsgüter. Indem er die Millenniumsvision ganz auf den Aspekt hin ordnet, wer zur Teilhabe am Millennium aufersteht, und diesen Aspekt durch den Makarismus in 20,6 nochmals hervorhebt, triT der Heils‑ charakter des Millenniums hinter den paränetischen Absichten des Vf.s zurück.443 Das Millennium ist für ihn zwar ein Heilsgut und bildet das kompositorische Zentrum von 19,11 – 21,8, doch profiliert er es nicht als Ziel der Hoffnungen und Erwartungen seiner Leser/Hörer, sondern ordnet es ganz auf die Bewahrung vor dem „zweiten Tod“ und das Heil
der
neuen
Schöpfung
hin. Indem der Vf. durch den Makarismus in 20,6 die „erste Auferste‑ hung“ mit dem „zweiten Tod“ verbindet, stellt er zudem einen Bezug zwischen der Millenniumsvision und den sieben Sendschreiben her: Der Überwinderspruch des zweiten Sendschreibens nämlich verheißt dem „Sieger“ die Bewahrung vor dem „zweiten Tod“ (2,10). Diese Ver‑ bindung beschränkt sich nicht auf die Aufnahme eines Stichwortes. Das zweite Sendschreiben ermahnt angesichts einer Verfolgung durch

443 Deshalb zu Recht S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, HerrschaW 110: „Titel und Leitgedanke des AbschniTes Apk 20,4–6 ist also nicht so sehr die ‚tausendjährige HerrschaW‘, son‑ dern
die
‚erste
Auferstehung‘.“

Auswertung
und
Interpretation

249

den „Teufel“ (σατανᾶς, διάβολος) die Glieder der Gemeinde von Smyrna zur Treue bis in den Tod und verheißt ihnen als Belohnung den „Kranz des Lebens“ (2,10 … γίνου πιστὸς ἄχρι ϑανάτου, καὶ δώσω σοι τὸν στέφανον τῆς ζωῆς …); wer in dieser Bedrängnis, auch um den Preis des eige‑ nen Lebens, GoT die Treue hält, darf sich als „Sieger“ wissen, der den „zweiten Tod“ nicht erleiden wird (2,11 … ὁ νικῶν οὐ μὴ ἀδικηϑῇ ἐκ τοῦ ϑανάτου τοῦ δευτέρου).444 Das Sendschreiben an die Gemeinde von Smyrna kommt mit der Millenniumsvision also in folgenden Punkten überein: Wer GoT bis in den Tod die Treue hält, wird mit neuem Leben belohnt und braucht den „zweiten Tod“, die ewige Verdammnis, nicht zu fürchten. Dennoch gibt es keinen Hinweis, dass der Vf. in 2,10 beim „Kranz
des
Lebens“
an
die
Auferstehung
zum
Millennium
denkt. Für einen vom Vf. bewusst hergestellten Bezug zwischen der Mil‑ lenniumsvision und den Sendschreiben spricht aber, dass sich solche Bezüge auch am Anfang und am Ende des AbschniTes 19,11 – 21,8 fin‑ den: So wird der Reiter auf dem weißen Pferd in 19,11–16 durch eine solche Wiederaufnahme mit dem kommenden „Herrn der Gemeinden“ aus 1,9 – 3,22 identifiziert (19,12a ǁ 1,14 ǁ 2,18 und 19,15a ǁ 1,12 ǁ 2,12) und in 21,1–8 greiW der Vf. nochmals die Form des Überwinderspruchs auf (ὁ νικῶν …), womit er auch jedes der sieben Sendschreiben beendete (21,7a ǁ 2,7.11.17.26; 3,5.12.21). Außerdem wurde bereits im sechsten Überwinderspruch (in wörtlicher Übereinstimmung) die HerabkunW des neuen Jerusalems vom Himmel verheißen (3,12 ǁ 21,2). Durch solche Bezüge zu den Sendschreiben markiert der Vf. also Anfang, MiTe und Ende
des
AbschniTes
19,11 – 21,8.445 Neben dieser kompositorischen haben die genannten Bezüge zu den Sendschreiben auch eine inhaltliche Funktion: Wenn der Herr der Gemeinden zur eschatologischen Schlacht erscheint, ist dies einerseits als Trost und Verheißung an die Hörer/Leser zu verstehen, dass ihre Feinde dem Gericht verfallen sind (19,11–21). Andererseits beinhaltet es aber auch eine Warnung, da der Herr der Gemeinden in den Send‑ schreiben auch den Mitgliedern der „Kirchen“ sein Kommen als Rich‑ ter angedroht hat, wenn sie ihr Verhalten (ἔργα) nicht ändern.446 Das in 444 Vgl. dazu auch H. E. L|••, „Treu bis zum Tod“, in: H. Merklein (Hg.), Neues Tes‑ tament
und
Ethik
(FS
R. Schnackenburg),
Freiburg
i.
Br.
1989,
442–461. 445 Zu den Bezügen zwischen den Sendschreiben und den VisionsabschniTen der Jo‑ hannesoffenbarung (bes. ab 19,11) vgl. S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Offenbarung 54; By•xy, Revelation
(NIGTC)
132–135. 223. 446 Die Ansagen des Kommens zum Gericht – gerade auch für die Gemeinden – in den Sendschreiben lassen sich nicht in ein innergeschichtliches Kommen zum Gericht an den Gemeinden und ein eschatologisches zum Gericht an den Feinden der Gemein‑

250

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

den Sendschreiben in Aussicht gestellte Heil realisiert sich in der neuen Schöpfung (dem „neuen Jerusalem“) und ist allein den „Siegern“ vor‑ behalten (2,7.11.17.26; 3,5,12.21; 21,7).447 „Siegen“ aber heißt treu Sein bis in den Tod, und diese Treue muss sich bewähren angesichts der Propaganda des Lügenpropheten, der alle zur Anbetung des Tieres und seines Bildes sowie zum Empfang seine Prägemales verleiten will (20,4–6).448 Auch hier zeigt sich wieder, dass die Millenniumsvision in‑ nerhalb 19,11 – 21,8 mehr dazu dient, die Voraussetzungen für den Er‑ werb des eschatologischen Heils zu benennen, als selbst einen vom Heil der neuen Schöpfung klar unterschiedenen Heilszustand zu arti‑ kulieren, der einer besonderen Gruppe von Christen vorbehalten ist. Die Millenniumsvision zielt also auf das Verhalten der Christen im hic et nunc, nicht auf die Zusage besonderer irdischer Freuden vor dem Ende der Welt. Mit anderen Worten: Im Zentrum von 19,11 – 21,8 steht de unterteilen; vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 231–233, gegen Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 62; A‚•y, Revelation (WBC) 188f. 240f. Zu Recht warnt B•‚„…ˆ•Ž, Theology 15, vor der verallgemeinernden Sicht, apokalyptische Literatur und damit auch die Op diene primär dem Trost und der Ermutigung durch die Ansage des Strafge‑ richts über die Verfolger der Gemeinde. Den Sendschreiben und der Johannesoffen‑ barung als ganzer gehe es – genau besehen – nicht um Trost, sondern um ernste Mahnung
und
den
Ruf
zur
Umkehr
an
die
Christen. 447 By•xy, Revelation (NIGTC) 234, zum Zusammenhang zwischen den Überwin‑ dersprüchen der sieben Sendschreiben und dem in 21,7: „Those who do accept the message are promissed the inheritance of salvation blessings. νικάω (‘conquer’) is re‑ peated in the concluding promise in all the leTers as the condition for inheriting sal‑ vation. The promised inheritance is the main point toward which each leTer aims. It is on the basis of believers heeding the exhortations of the body of each leTer that they will inherit the promise. Although the promises are phrased differently in each leTer, they are all versions of the final promise of the book to the ‘conquerors’, which is generally stated in 21:7 as ὁ νικῶν κληρονομήσει ταῦτα (‘the one conquering will in‑ herit these things’). The ‘inheritance’ there is immediately explained as the en‑ joyment of God’s convenantal presence among people (so also 21:3).“ Vgl. auch U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
352f. 448 Die Überwindersprüche sind keine Zusagen allein an Märtyrer (Blutzeugen), d. h. νικᾶν meint hier nicht primär den Märtyrertod zu erleiden. „It is not just how people die that proves them to be overcomers, but the whole of their Christian lives are to be characterized by ‘overcoming’, which is a process completed at death. The sub‑ stantival participle ὁ νικῶν (‘the one who overcomes’) in context conveys a conti‑ nuing characteristic of the genuine believer. The similar participial construction ὁ τηρῶν (‘the one who keeps’) in 2:26 conveys the same sense and is significant as the only instance in the leTers where ὁ νικῶν is immediately explained by a parallel phrase. It shows that overcoming is to be understood primarily as persevering in faith and good works“ (By•xy, Revelation [NIGTC] 271; vgl. auch ebd. 235). Das ab‑ solut gebrauchte Verb νικᾶν verweist auf die apokalyptische Vorstellung von der Welt als Ort des Kampfes und der eschatologischen Bewährung; vgl. dazu A‚•y, Re‑ velation (WBC) 151; T. H|xŒŠ, νικάω / νίκη. EWNT 2 (21992) Sp. 1048–1050, hier 1150; B•‚„…ˆ•Ž,
Theology
14.

Auswertung
und
Interpretation

251

nicht die Verheißung einer „tausendjährigen HerrschaW mit dem Mes‑ sias“,
sondern
die
Bewahrung
vor
dem
„zweiten
Tod“.

(3) Ertrag
der
Traditions‑
und
Quellenkritik Die traditions‑ und quellenkritische Analyse von 19,11 – 21,8 hat ge‑ zeigt, dass der Vf. für die Schilderung des Millenniums traditionelles Material aufgreiW, das ihm großteils schriWlich vorlag.449 Als Grundlage für seine Komposition lässt sich ein längeres, zusammenhängendes Traditionsstück erkennen, das ungefähr folgende Gestalt haTe: Samm‑ lung der Könige der Erde zum Krieg — Erscheinen des Messias in Begleitung himmlischer Heere — Messiasschlacht mit wunderbarer Vernichtung der Geg‑ ner des Messias — irdische Heilszeit (i. e. messianisches Zwischenreich) — Auferstehung und Endgericht — Welterneuerung. Die Abfolge der End‑ zeitereignisse in Op 19,11 – 21,8 ist demnach nicht unmiTelbar Ez 37– 48 entnommen.450 An seiner Vorlage hat der Vf. jedoch entscheidende Änderungen vorgenommen, indem er sie mit anderen Traditionen ver‑ band.
Dies
soll
eine
(vereinfachende)
Übersicht
veranschaulichen: V|zx•‹y

Einfügungen
des
Vf.s

Sammlung
der
Könige
der
Erde
zur
Endschlacht
(16,13–14.16) Erscheinen
des
Messias
und
seiner
Heere
vom
Himmel
her
(19,11.14) →

Bezüge
zu
den
Sendschreiben
etc.
(19,12–13.15–16)

Einladung
der
Vögel
zum
Leichenschmaus
(19,17–18)
[Einfügung
des
Vf.s?] Aufmarsch
der
Könige
der
Erde
und
ihrer
Heere
gegen
den
Messias
(19,19) →

Beseitigung
von
Tier
und
Lügenprophet
(19,20)

449 Deshalb ist der Sicht von H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 197, entschieden zu wider‑ sprechen: „Die Wurzeln der joh Erwartung liegen nicht im Spätjudentum [nach heu‑ tiger Terminologie: Frühjudentum], sondern im AT, so daß auch der joh Chiliasmus doch etwas prinzipiell anderes ist als der spätjüdische und zum Teil auch der nachapostolische.“ Doch hat Hadorn damit recht, dass sich der Chiliasmus der Jo‑ hannesoffenbarung in etlichen Zügen vom frühjüdischen und (früh‑)christlichen un‑ terscheidet. 450 Gegen Fzy~, Millennium 34f.; Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Problem 14; L‚•Œ, Order 179–183. Das Vorkommen ezechielischer Motive macht eine Benutzung des Ezechielbuches nicht zwingend erforderlich, da diese Motive in der frühjüdischen, besonders der apoka‑ lyptischen Literatur weit verbreitet sind. Anhand des Kommentars von SŒz•„… / Bƒx‑ xyz†y„… und der Arbeiten zur jüdischen Religion von V|xŠ und B|‚••yŒ / Gzy••Ž••• lässt
sich
dies
leicht
verifizieren.

252

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Wunderbare
Vernichtung
der
Feinde
des
Messias
(19,21) →

Fesselung
des
Drachen
für
tausend
Jahre
(20,1–3)



Auferstehung
der
treuen
Glaubenszeugen
(20,4a–f)

Tausendjährige
HerrschaW
des
Messias
auf
Erden
(20,4g) →

Makarismus:
„erste
Auferstehung“
und
„zweiter
Tod“
(20,5f.)

→ → →

Erneute
Loslassung
des
Drachen
(20,7) Erneuter
Völkersturm
(20,8–9)
[oder
Teil
der
Vorlage?] Endgültige
Beseitigung
des
Drachen
(20,10)

Auferstehung
und
Totengericht
(20,11–15) Weltuntergang
und
Welterneuerung
(20,11;
21,1.3–8) →

HerabkunQ
des
himmlischen
Jerusalem
(21,2)

Der Vf. hat demnach in ein ihm vorgegebenes Schema des zeitlich begrenzten irdischen Messiasreiches die widergöTliche Trias aus Dra‑ che – Tier – Lügenprophet eingearbeitet. Das irdische Messiasreich wird damit zu einer Etappe in der Durchsetzung von GoTes HerrschaWsan‑ spruch gegen diese widergöTliche und dämonische Macht. Da Drache, Tier und Lügenprophet das GoTesvolk bekriegen und verfolgen, kann sich ein irdisches Messiasreich erst dann realisieren, wenn diese drei ausgeschaltet sind. Hier liegt auch der Grund, warum der Drache, an‑ ders als das Tier und der Lügenprophet (19,20), in zwei zeitlich ge‑ trennten Etappen beseitigt wird: Seine Fesselung scha• Raum für das „tausendjährige“ irdische Messiasreich (20,1–3), während seine erneute Loslassung das Ende dieses vorläufigen, irdischen Heilszustandes mo‑ tiviert (20,7–10). Damit begründet der Vf. zugleich, dass die irdische HerrschaW der Christen in der ZukunQ liegt und von begrenzter Dauer ist. Auch dies bedeutet eine Relativierung des Millenniums. Erst wenn GoT den Drachen, d. h. den Teufel, endgültig beseitigt (20,10), bricht das
unvergängliche
Heil
an:
GoT
hat
alles
neu
gemacht
(21,1–8). Entscheidend ist eine weitere Einfügung des Vf.s in seine Vorlage: Dem zeitlich begrenzten irdischen Messiasreich geht eine (partielle) Auferstehung der in der endzeitlichen Bedrängnis treu gebliebenen Glaubenszeugen voraus. Dafür, dass diese Voranstellung der „ersten Auferstehung“ auf den Vf. zurückgeht, lassen sich zwei Argumente an‑ führen: Zum einen sprechen die inhaltlich‑logischen und sprachlichen Brüche in 20,4–6 für die sekundäre Verbindung vorgegebenen Materi‑ als. Zum anderen ist eine Auferstehung vor dem messianischen Zwi‑ schenreich erstmals in der Johannesoffenbarung bezeugt; in der jüdi‑ schen Überlieferung findet sich diese Erwartung erst ab dem 3. Jh. n.

Auswertung
und
Interpretation

253

Chr.451 Durch die Einfügung der „ersten Auferstehung“ wird das irdi‑ sche Messiasreich in der Johannesoffenbarung zu einem Reich der Aufer‑ standenen, während in der jüdischen Überlieferung diejenigen am Reich des Messias teilnehmen, die vom Go[esvolk bei seiner AnkunQ (zufällig) noch am Leben sind (vgl. 4 Esra 7,28; 12,34; 2 Bar 29,2; 40,2).452 Da die Jo‑ hannesoffenbarung das Messiasreich als Reich der Auferstandenen konzipiert und den Messias Jesus als göTliches Wesen deutet, kann das zeitlich begrenzte, irdische Messiasreich nicht – wie in 4 Esra 7,28f. – mit dem Tod des Messias und seiner Heilsgenossen enden.453 Neu ist gegenüber der jüdischen Tradition auch, dass der am Ende kommende Messias, der die Feinde von GoTes Getreuen vernichtet und anschlie‑ ßend auf Erden sein Reich aufrichtet, bereits vor seiner Parusie vom Himmel aus Autorität über die Gemeinden ausübt. Um dies zu ver‑ deutlichen, trägt der Vf. in die Beschreibung des zur Endschlacht er‑ scheinenden Messias (19,11–16) Züge des Herrn der Gemeinden der BeauWragungsvision
und
der
sieben
Sendschreiben
ein
(1,9 – 3,22). Aufgrund seines literarisch uneinheitlichen Charakters relativieren sich die Brüche und Spannungen innerhalb des AbschniTes 19,11 – 21,8, d. h. man muss nicht gewaltsam versuchen, alle inhaltlich‑logischen Probleme des Textes zu lösen.454 Vieles davon resultiert lediglich dar‑ aus, dass es dem Vf. oW nicht gelingt, die von ihm aufgenommenen Traditionen und schriWlichen Vorlagen im Detail stimmig abzuglei‑ chen. Die sprachlich‑stilistische Analyse hat gezeigt, dass die Ursache dafür in den offensichtlich begrenzten sprachlichen und literarischen Fähigkeiten des Vf.s zu suchen ist. Im Blick auf die Ergebnisse der sprachlich‑stilistischen, der strukturellen und der quellenkritischen Analyse sollte man sich also hüten, hinter jeder sprachlichen Auffällig‑

451 Belege
dafür
bei
AbschniT
IV.
3b
(Traditions‑
und
Quellenkritik
zu
Op
20,4–6). 452 Ähnlich Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 148f. Zu den Teilnehmern am irdischen Messiasreich bzw. den „Heilsgenossen“ allgemein V|xŠ, Eschatologie 368–371 und 340–359. 453 Vgl. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 339; Fzy~, Millennium 43f. Allerdings findet sich eine explizite Aussage über den Tod des Messias nur in 4 Esra 7,29; in der Regel machen sich die Texte keine Gedanken darüber, was aus dem Messias wird (gleich‑ gültig ob es sich bei ihm um eine rein irdische oder eine himmlische Gestalt han‑ delt); vgl. V|xŠ, Eschatologie 179 und 227f. Außerdem trägt der Messias auch im 1 Hen, 4 Esra und 2 Bar deutlich Züge einer übermenschlichen, himmlischen Gestalt (Verschmelzung mit der Figur des ‚Menschensohns‘); vgl. V|xŠ, Eschatologie 186– 190 und 201–203; U. B. Mwxxyz, Messias 107–155; K. Mwxxyz, Apokalyptik 279–322; R‚••yxx,
Method
304–352. 454 Dies gilt insbesondere für die Umstellungshypothesen von Charles, Gaechter und Ford;
vgl.
dazu
bei
AbschniT
II. 1a.
Punkt
(4).

254

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

keit und jeder inhaltlich‑logischen Spannung einen tieferen Sinn ent‑ decken zu wollen.455 Die Auslegung darf sich deshalb nicht auf die Fra‑ gen konzentrieren, die der Text offen lässt; vielmehr sollte sie sich auf das konzentrieren, was sich als bewusste Gestaltung des Vf.s erheben lässt, d. h. die Modifikationen an den von ihm aufgenommenen Tradi‑ tionen und Vorlagen sowie auf die Anordnung des vorgegebenen Materials.

(4) Zusammenfassung Aus der Analyse von 19,11 – 21,8 ergeben sich einige Vorgaben, die bei der Frage nach der Funktion und Intention der Millenniumsvision in 20,4–6 von Bedeutung sind: 1. Das Millennium bildet die letzte Periode der Geschichte zwischen der Parusie des Messias und dem Endgericht mit der anschließenden Neuschöpfung. — 2. Die Abfolge der Ereignis‑ se in 19,11 – 21,8 geht zwar auf eine traditionelle Vorlage zurück, die (wahrscheinlich) bereits ein zeitlich begrenztes irdisches Messiasreich kannte. Sie wurde aber vom Vf. der Johannesoffenbarung verändert, in‑ dem er sie um andere Traditionen erweiterte, insbesondere um die Er‑ wartung der „ersten Auferstehung“. — 3. Durch die Vorordnung der „ersten Auferstehung“ wird das traditionelle „tausendjährige“ Mes‑ siasreich zu einem Reich der Auferstandenen. — 4. Indem die Teil‑ nahme am Millennium mit der Bewahrung vor dem „zweiten Tod“ ver‑ bunden wird, steht das Millennium in unmiTelbaren Zusammenhang mit der Teilnahme am Heil der „neuen Schöpfung“, da der „zweite Tod“ den Sturz in den „Pfuhl von Feuer und Schwefel“ und somit die ewige Verdammnis beim Endgericht bedeutet. — 5. Das Hauptgewicht liegt in der Millenniumsvision auf den Bedingungen für die Teilnahme an der „ersten Auferstehung“; diese Bedingungen sind keine anderen als die für die Teilhabe am Heil der neuen Schöpfung. Sie werden ange‑ geben durch die Lasterkataloge, das „Buch des Lebens“ und den Wi‑ derstand gegen das Tier und den Lügenpropheten. — 6. Es fehlt jede nähere Beschreibung der Zustände im Millennium, so dass es inhaltlich leer und unbestimmt bleibt. — 7. Mit dem Millennium findet die Ver‑ folgung der Heilsgemeinde durch den Drachen kein definitives Ende; erst die neue Schöpfung bringt die Freiheit von den Anfeindungen des Satans.

455 In
diese
Richtung
tendiert
z. B.
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
100–105.

Auswertung
und
Interpretation

255

Insbesondere die letzten beiden Punkte sind für die Interpretation zentral, da sie die Frage aufwerfen, warum der Vf. das Millennium in sein Werk aufnimmt und ihm kompositorisch einen zentralen Platz zu‑ weist, es zugleich aber deutlich relativiert, indem er auf jede Beschrei‑ bung verzichtet und es dadurch deutlich dem Heil der neuen Schöp‑ fung unterordnet.456 Ein eigener Wert und eine besondere Funktion des Millenniums lässt sich auf den ersten Blick nicht erkennen. Dieser Fra‑ ge ließe sich freilich ausweichen, indem man auf der Erlebnisechtheit der Johannesoffenbarung insistiert: Der Vf. spricht vom Millennium, weil es Gegenstand seines visionären Erlebens war, und er schaute nicht mehr als das, was er in 20,4–6 niedergelegt hat.457 Die Benutzung literarischer Vorlagen schließt eine derartige Erklärung nicht a priori aus, gemahnt aber dennoch zur Vorsicht, da nicht ersichtlich ist, wa‑ rum für die Beurteilung der „Erlebnisechtheit“ der Johannesoffenba‑ rung grundsätzlich andere Maßstäbe gelten sollten als bei den formal und inhaltlich nahe verwandten jüdischen Apokalypsen: Ihre fiktiven Verfasserangaben, ihre Traditionsgebundenheit und ihr oW langer Ent‑ stehungsprozess sprechen dagegen, sie einfach als authentische Wie‑ dergabe
des
visionären
Erlebens
ihrer
Verfasser
zu
sehen.458

456 Die These von S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Offenbarung 132, dass der Vf. „apokalyptische Traditionen über ein messianisches Zwischenreich (vgl. 4 Esra 7,26–33; 2 Bar 29–30) [verwendet], um hervorzuheben, dass die, die im Kampf gegen die unterdrückende Macht Babylons/Roms gestorben sind, vom allgemeinen Gericht ausgenommen sind“, beschreibt zwar korrekt eine Funktion der Millenniumsvision innerhalb des AbschniTes 19,11 – 21,8, ist aber keine Erklärung für die Aufnahme dieser Tradition. Denn die Bewahrung der treuen Glaubenszeugen vor dem „zweiten Tod“ häTe sich auch
ohne
das
Millennium
aussagen
lassen. 457 Noch Sƒ„…y•†yz‹yz, Johannesapokalypse 18–22, plädiert (in gemilderter Form) da‑ für, dass es sich bei der Johannesoffenbarung um die NiederschriW tatsächlicher Vi‑ sionen handelt; etwas vorsichtiger H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 11–14. In den neueren Kommentaren wird die Frage der Erlebnisechtheit i. d. R. nicht mehr thema‑ tisiert; vorsichtig kritisch immerhin Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 39; zuletzt Überle‑ gungen dazu bei M. Fzy••„ˆ…|–•…ƒ, Die Johannesoffenbarung zwischen Vision, astralmythologischer Imagination und Literatur. Perspektiven und Desiderate der Apokalypse‑Forschung,
in:
Horn / Wolter,
Studien
20–45. 458 Auch wenn man an der Erlebnisechtheit der Visionen der Johannesoffenbarung fest‑ halten wollte, bedürWe es differenzierter Überlegungen zur „Psychologie“ visio‑ nären Erlebens und zur „Übersetzung“ solcher Erfahrungen in Sprache, die einer VerschriWlichung vorausgehen muss. Für die Johannesoffenbarung müsste eine sol‑ che Theorie des visionären Erlebens folgende Elemente berücksichtigen: 1. Das Ge‑ schaute übersteigt offensichtlich die Möglichkeiten eines sprachlichen Ausdrucks; dies zeigt sich in der Vielfalt sich widersprechender Züge in den Visionen, die letzt‑ lich zu einer Unanschaulichkeit der Bilder führen. 2. Der Seher bedient sich eines vorgegebenen Repertoires traditioneller Bilder und Aussageformen, um das „Unsag‑ bare“, das ihm widerfahren ist, kommunikabel zu machen. 3. Der Seher steht in

256

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Folglich lässt sich die Frage, warum der Vf. der Johannesoffenba‑ rung auf das Millennium zu sprechen kommt, zugleich aber jede in‑ haltliche Auffüllung vermeidet, wohl nur über bestimmte Erwartungen auf Seiten der Adressaten klären. Hier sind zwei Lösungen denkbar: Einerseits wäre es möglich, dass der Vf. eine Erwartung aufnimmt, die für seine Adressaten wichtig ist, der in seinem eigenen Denken aber keine besondere Rolle zukommt. Dennoch erwähnt er sie, um den Er‑ wartungen seiner Leser/Hörer entgegen zu kommen, verzichtet aber darauf, sie weiter auszuführen. Andererseits könnte die blasse Schilde‑ rung des Millenniums der Versuch des Vf.s sein, überzogene Erwartun‑ gen seiner Adressaten zu korrigieren, zumal er noch andere Modifika‑ tionen
an
der
vorgegebenen
Tradition
vorgenommen
hat. Der Makarismus in 20,6 zeigt deutlich den paränetischen Skopos der Millenniumsvision: Sie ist als Mahnung an die Adressaten zu verste‑ hen, so zu leben, dass sie an der „ersten Auferstehung“ teilnehmen und den „zweiten Tod“ nicht erleiden. Um ihres Heiles willen sollen sie „das Tier und sein Bild nicht anbeten und sein Prägemal nicht empfan‑ gen“ (20,4e). Ist diese Aufforderung an die Adressaten – wie oW ange‑ nommen wird – exklusiv vor dem Hintergrund des Kaiserkultes und einer damit verbundenen Christenverfolgung am Ende des 1. Jh. n. Chr. zu deuten?459 Fordert der Vf. der Johannesoffenbarung etwa durch die Millenniumsvision seine Hörer/Leser auf, in einer aktuellen Verfolgung das
(blutige)
Martyrium
zu
suchen? Um die Frage zu beantworten, wozu der Vf. seine Hörer/Leser er‑ mahnen will und welches konkrete Verhalten er von ihnen erwartet, bedarf es einer Klärung der tatsächlichen Situation der angeschriebenen Gemeinden. Doch lassen sich aus 19,11 – 21,8 selbst keine eindeutigen Hinweise auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund der Johannesoffen‑ barung gewinnen; sicher erkennbar ist allein, dass von den Gliedern der Gemeinden die Bewährung in einer tödlichen Bedrohung gefordert

einer langen Tradition von Menschen, die sich auf ähnliche Erfahren berufen, und er stellt sich auch bewusst in diese Tradition, wenn er auf deren Berichte über dieses Erleben
zurückgreiW,
um
sein
eigenes
für
sich
und
andere
zu
deuten. 459 So A. Y. C|xxƒ••, Persecution bes. 732–736; H•zzƒ•‹Œ|•, Revelation (SacrP) 9–11; B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 136–138; vorsichtiger Sƒ„…y•†yz‹yz, Johannesapokalyp‑ se 14f.; Wƒ…y•ˆ•‚•yz, Offenbarung (RNT) 16–18; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 17–19; S„ˆ•yxxy, Einleitung 564–566. Zu den „Aporien“ des traditionellen Paradigmas, das in Kaiserkult und Christenverfolgung den zeitgeschichtlichen Hintergrund der Jo‑ hannesoffenbarung und den Ausgangspunkt für ihre Deutung sieht, vgl. Kx•‚„…, Sendschreiben 153–156. Dazu auch L. L. Tˆ|Ž›•|•, Apocalypse 95–115; U. B. Mwx‑ xyz,
Offenbarung
(ÖTK)
383f.

Auswertung
und
Interpretation

257

wird. Deshalb ist es nötig, eine breitere Textbasis zu schaffen, aus der sich erheben lässt, worin der Vf. diese bereits bestehende oder sich erst anbahnende Gefährdung gegeben sieht und welche Wege er in dieser konkreten Situation seinen Adressaten aufzeigen will. Dies kann hier nur exemplarisch in der Form interpretatorischer QuerschniTe geleistet werden. Diese orientieren sich an den thematischen und kompositori‑ schen Bezügen, durch die der Vf. 19,11 – 21,8 im Gesamt seines Werkes verankert. Da in 19,11 – 21,8 jeder Vers derartige Verbindungslinien zu wenigstens einem weiteren AbschniT enthält, ist eine Reduktion auf die wichtigsten
geboten.

b. Das
Millennium
und
die
„BotsvaW“
der Johannesoffenbarung Bei der Analyse des AbschniTes 19,11 – 21,8 wurde immer wieder deut‑ lich, dass für das Verständnis des Textes die Verbindungen mit anderen AbschniTen der Johannesoffenbarung beachtet werden müssen.460 Von besonderer Bedeutung sind die Rückbezüge auf die BeauQragungsvision und die sieben Sendschreiben, die den ganzen AbschniT durchziehen und sogar strukturieren.461 Diese Rückbezüge zwingen letztlich dazu, bei einer gründlichen Lektüre von 19,11 – 21,8 die BotschaW der BeauWra‑ gungsvision und der sieben Sendschreiben (1,9 – 3,22) kontinuierlich mitzubedenken; deshalb ist nochmals ein zusammenfassender Blick auf ihre „BotschaW“ nötig (1). Die auffällige Verbindung von 19,11 – 21,8 mit der Vision vom Ausgießen der sieben Schalen, in denen Go[es Zorn zu seinem Ende kommt, legt es nahe, auch der Funktion und Bedeu‑ tung dieses Motivs in der Johannesoffenbarung genauer nachzugehen,

460 Das Aufdecken dieser Querverweise ist für die Auslegung entscheidend, da der Vf. offensichtlich einem Prinzip jüdischer Exegese folgt, nach der sich SchriWtexte, die dieselben Worte oder Phrasen enthalten, gegenseitig interpretieren. Näheres zu dieser gezērâ šāwâ genannten Technik und ihrer Bedeutung für die Auslegung der Johannesoffenbarung bei B•‚„…ˆ•Ž, Climax 29. Ohne den Zusammenhang mit jüdi‑ scher Exegese zu erkennen, ist diese Technik schon immer zur Auslegung der Johan‑ nesoffenbarung
benutzt
worden;
vgl.
bes.
B|z•…•ŽŽ,
Komposition
132–149. 461 Diese Bezüge sprechen gegen die immer wieder vertretene Ansicht, die BeauWra‑ gungsvision und die Sendschreiben wären erst später (von einem Herausgeber) dem Gesamtwerk vorangestellt worden. Diese Annahme wird heute meist abgelehnt; vgl. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 39f.; für eine spätere Erweiterung – allerdings durch denselben Vf. – plädiert dennoch A‚•y, Revelation (WBC) „žžžƒƒ–„žžžƒŸ. Nä‑ heres zu seiner damit verbundenen These einer sukzessiven Entstehung der Johan‑ nesoffenbarung
bei
AbschniT
III. 1b,
Punkt
(4).

258

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

zumal in 19,15 der Reiter auf dem weißen Pferd als Vollstrecker des göTlichen
Zorngerichts
erscheint
(2). Ebenfalls von zentraler Bedeutung für das Verständnis von Op 19,11 – 21,8 ist der zweimalige direkte Rückverweis auf Op 13 durch das Motiv der Anbetung des „Tieres“ und des Empfangs seines „Prägemals“, da durch diesen Rekurs sowohl die Bestrafung des „Tieres“ und des Lügenpropheten (19,20) als auch die Teilnahme an der „ersten Aufer‑ stehung“ begründet werden (20,4). Überdies beginnt der große Schluss‑ abschniT 15,1 – 22,9 mit einem ebensolchen Rekurs auf Op 13, wenn der Seher vor GoTes Thron die Sieger über das „Tier“, sein „Bild“ und seine „Zahl“ schaut (15,2–4). Op 13 bildet also geradezu den Schlüssel zum
Verständnis
der
Schlusskapitel
der
Johannesoffenbarung
(3). Auch der Lasterkatalog in 21,8 weist über 19,11 –21,8 hinaus, da sich nahezu identische Kataloge in 9,21; 21,27; 22,15 finden. Hier interessiert besonders die inhaltliche Bestimmung der genannten Laster (4); denn zusammen mit dem „Buch des Lebens“ und der Verweigerung der An‑ betung des „Tieres“ formuliert der Lasterkatalog die Bedingungen für den Gewinn des eschatologischen Heils, sowohl im Millennium als auch im neuen Jerusalem. Als letztes ist nach der Funktion und Bedeu‑ tung des Thrones und des auf ihm Sitzenden zu fragen, in dessen Erschei‑ nen 19,11 – 21,8 kulminiert und mit dessen Schau im himmlischen Thronsaal der sog. apokalyptische HaupTeil der Johannesoffenbarung (4,1 – 22,9)
eröffnet
wird
(5).

(1) BeauQragungsvision
und
Sendschreiben
(1,9 – 3,22) Der Reiter auf dem weißen Pferd hat „Augen wie Feuerflammen“ wie der Herr der Gemeinden (1,14; 2,18; 19,12) und aus beider Mund kommt ein scharfes Schwert (1,16; 2,12; 19,21).462 Dadurch wird die Identität beider Gestalten hervorgehoben: Der Herr der Gemeinden er‑

462 Die „Augen wie Feuerflammen“ erinnern an die Beschreibung des „Alten der Tage“ in Dan 7,9–12 (vgl. die „weißen Haare wie weiße Wolle oder Schnee“ in 1,14a); in Dan 10,6 steht „Augen wie Feuerfackeln“ in der Beschreibung eines Offenbarungs‑ engels. Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 95. Sie zeigen an, dass der Herr seine Gemein‑ den durchschaut, ihren wahren Zustand kennt und entsprechend über sie urteilt. Vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 209. 264f.; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 43. 56. Das „scharfe zweischneidige Schwert“ (vgl. Jes 1,4; 49,2) verweist auf den eschatologi‑ schen Richter, der die messianischen Erwartungen erfüllt und die (Israel feindlichen) Völker niederzwingt (in 19,15 wird dies besonders deutlich). Vgl. By•xy, Revelation (NIGTC)
211f;
A‚•y,
Revelation
(WBC)
98f.;
R|x|}},
Offenbarung
(ZBK)
43.54f.

Auswertung
und
Interpretation

259

füllt nun die Ansage seines Kommens (vgl. 2,5.16; 3,11).463 Das Kom‑ men ihres Herrn aber bedeutet nach der BotschaW der Sendschreiben für die Christen keineswegs zwangsläufig und automatisch Heil; denn eschatologisches Heil erlangt allein der „Sieger“ (2,7.11.17.29; 3,6.13.22; 21,7), d. h. derjenige, der an den „Werken“ Christi festhält (2,26) bzw. auf den Tadel des Herrn der Gemeinden hin von seinen bisherigen „Werken“ ablässt (2,6.22; 3,1.15) und ihm wohlgefällige „Werke“ voll‑ bringt (2,5.19; 3,2.8). Die Sendschreiben lassen keinen Zweifel daran, dass jedem im Gericht entsprechend seiner „Werke“ vergolten werden wird (2,23; 20,12f.; vgl. 9,20; 14,13; 16,11; 22,12). Die „Werke“ und das „Siegen“ zielen auf die Mahnung an jedes einzelne Mitglied der Ge‑ meinden,
sich
in
der
gegenwärtigen
kritischen
Situation
zu
bewähren. Dafür, dass es sich bei dieser kritischen Situation um eine systema‑ tische und allgemeine Christenverfolgung durch die römische Staats‑ macht handelt, gibt es weder historische Hinweise, noch weist der Text der sieben Sendschreiben der Johannesoffenbarung zwingend in diese Richtung.464 Denn nur in den Sendschreiben an Pergamon (2,8–11.13) und Sardes (3,8–10) ist von einer äußeren Bedrohung der Gemeinde durch den Hass und die FeindschaW ihrer heidnischen und jüdischen Mitbürger die Rede; alle sieben Sendschreiben aber sprechen vom in‑ 463 Nach Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 62, steht die Ansage des Kommens Christi in den Sendschreiben im Dienst der Paränese und ist innergeschichtlich, nicht eschatologisch zu verstehen; vgl. ders., Endzeit 32. Dagegen spricht aber die deutliche Beziehung zwischen den Sendschreiben und den SchlussabschniTen bes. ab Op 19,11; vgl. die widersprüchlichen Aussagen bei A‚•y, Revelation (WBC) 188f. und 240f. Dazu auch By•xy,
Revelation (NIGTC)
231‑233;
B•‚„…ˆ•Ž,
Theology
63f. 464 Aus der zeitgenössischen paganen Literatur – Quintilian, Martial, Statius, Silius Itali‑ cus – lassen sich weder ein forcierter Anspruch Domitians auf göTliche Verehrung noch eine damit verbundene systematische Christenverfolgung nachweisen. Vgl. Fzƒy•y•, Neokoros 165–168; Kx•‚„…, Umwelt 2, 60; Cˆzƒ•Œ, Kaiserzeit 276f. Plinius d. J., Tacitus, Dio Cassius und Sueton können nur bedingt als Quellen in Anspruch genommen werden, da sich ihr negatives Bild Domitians senatorischer Opposition und persönlicher Aversion verdankt. Man könnte folglich höchstens lokale Pogrome durch die kleinasiatischen Städte annehmen, doch bleibt zu bedenken, dass der un‑ gefähr gleichzeitige 1 Petr, der sich an Gemeinden derselben Region richtet, keine entsprechenden Hinweise bietet. Vgl. zur Situation der Adressaten des 1 Petr Sx•Œyz, Social SeTing 246–251; L. L. Tˆ|Ž›•|•, Tribulation 153–155; auch Bz|ž, 1. Petrusbrief (EKK) 24–34. 253–258; Pz|•ŒŽyƒyz, Handlungsmodelle 37–104. Anders dagegen B|z‑ ‹y•, Emperor Worship 493–509; P. Kyzy•ŠŒy•, The Imperial Government and the Christian Church I., in: ANRW II. 23.1 (1979) 247–315, hier 247–272, die allerdings mit den Quellen zu unkritisch umgehen. Ein Überblick zur zeitgeschichtlichen Situation der kleinasiatischen Gemeinden auch bei B. K|–•x•…ƒ, Das Verhältnis von Theologie und Zeitgeschichte in den Sendschreiben der Johannesoffenbarung, in: Backhaus, Theologie als Vision 54–76. Zum Engagement der einzelnen Kaiser im Herrscherkult vgl.
auch
Kx•‚„…,
Umwelt
2, 45–62.

260

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

neren, geistlichen Zustand der Gemeinden, nämlich von ihrer Bedro‑ hung durch nachlassenden Eifer im Glauben und durch das AuWreten von „Irrlehrern“.465 Explizit benennt der Seher die Nikolaiten (2,6.15), die Prophetin Isebel (2,20) und Bileam (2,14), die die Gemeinden zu Hurerei und zum Essen von Götzenopferfleisch verführen.466 Dem Vor‑ wurf des Essen von Götzenopferfleisch lässt sich entnehmen, dass ein Teil der kleinasiatischen Christen in den Augen des Sehers offensicht‑ lich nicht die nötige Distanz zum paganen Kult wahrte.467 Ihr Tun qua‑ lifiziert er deshalb im Rückgriff auf die Sprache der alTestamentlichen Propheten als „Hurerei“, d. h. als Abfall von dem einen GoT hin zu den Götzen.468 Im Hintergrund steht die Tatsache, dass das gesamte öffentliche und private Leben in einer hellenistischen Stadt mit religiös‑kultischen Verrichtungen verbunden war; die von den Christen im Namen des biblischen Monotheismus geforderte totale Verweigerung gegenüber jeder Berührung mit den paganen Kulten brachte deshalb zwangsläufig

465 Näheres
Sx•Œyz,
Social
SeTing
238–241;
L. L. Tˆ|Ž›•|•,
Tribulation
149. 466 Dazu S„ˆ|xŒƒ••y…, MiTeilhaber 180–184. Die Nikolaiten sowie die Anhängern der Prophetin Isebel und des Bileam unterscheiden sich – sofern es sich überhaupt um verschiedene Gruppen handelt – in ihrer Ausrichtung nicht; entsprechend erschei‑ nen dieselben Vorwürfe: „Verführung zu Unzucht und zum Essen von Götzenopfer‑ fleisch“ (2,14.20). Vgl. Kx•‚„…, Sendschreiben 164–170. Zur Begründung U. B. Mwx‑ xyz, Offenbarung (ÖTK) 96–99; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 100–103; A. Y. C|xxƒ••, Social Crisis 5. Auch die „falschen Apostel“ in 2,2 bezeichnen kaum eine andere Gruppe. Zum Ursprung der Nikolaiten vgl. N. Bz|ž, Nikolaos und die Nikolaiten, in: VigChr 19 (1965) 23–30; R. Hyƒxƒ‹y•Œˆ•x, Wer waren die Nikolaiten? Ein Beitrag zur
Theologiegeschichte
des
frühen
Christentums,
in:
ZNW 82
(1991)
133–137. 467 Das Götzenopferfleisch stammte zum einen unmiTelbar aus dem paganen Kultbe‑ trieb, da beim Opfer (ϑυσία) – abgesehen vom Ganzopfern (σφαγία) – nur Knochen, FeT und Eingeweide verbrannt wurde, der Rest aber von den KulTeilnehmern ver‑ zehrt wurde. Da die KulTeilnehmer oW die Menge des Fleisches nicht beim Opfer‑ mahl verzehren konnten, wurde dieses Fleisch auf den Märkten verkauW. Zum an‑ deren aber wurden auch Tiere, die eigens für den Verkauf oder den häuslichen Verzehr geschlachtet wurden, zuvor durch einen Opfergestus den GöTern geweiht. Entsprechend waren die Gelegenheiten, bei denen ein Christ mit solchem Fleisch in Kontakt kommen konnten, vielfältig, von Einladungen über den privaten Einkauf bis hin zu öffentlichen Mählern und Kultfesten. Sollte also ein Christ deshalb be‑ wusst jede Gelegenheit vermeiden, wo ihm Götzenopferfleisch angeboten wurde, oder musste er zumindest vor dem Verzehr fragen, ob dieses Fleisch aus dem Kult‑ betrieb
stammte?
Dazu
auch
bei
AbschniT
IV. 4d. 468 Vgl. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 102f.; nach K•zzyz, Brief 196–203, ist der Vorwurf des „Essens von Götzenopferfleisch“ und der „Unzucht“ nach Num 25,1f. stilisiert und gehört allgemein zur Polemik Gegnern gegenüber (vgl. 1 QH 4,6–19; Herm mand. 11,1–6). Zu πορνεύω κτλ. vgl. B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1389f.; zu dem nur in der jüdischen und christlichen Literatur belegten Terminus εἰδωλόϑυτα vgl. ebd. Sp. 446;
Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ,
Lex.
483.

Auswertung
und
Interpretation

261

ökonomische Nachteile sowie gesellschaWliche Isolierung und Verdäch‑ tigung.469 Mit der immer mehr auch von außen wahrnehmbaren Tren‑ nung zwischen Christen und Juden verschärWe sich die Situation, da die Christen damit den Schutz verloren, den ihnen bisher der Status des Judentums als religio licita gewährt haTe.470 Hierin dürWen die Konflikte mit den Juden gründen, die sich in den Sendschreiben ab‑ zeichnen (vgl. 2,9; 3,9).471 Offensichtlich nahmen deshalb Mitglieder der Gemeinden die Berührung mit dem heidnischen Kult in Kauf, um am sozialen, politischen und wirtschaWlichen Leben ihrer Städte teil‑ nehmen zu können und den Druck durch die massiven Anfeindungen ihrer
Umwelt
zu
mildern.472 Die Bedrohung besteht also nicht in einer systematischen und allge‑ meinen Verfolgung der Christen durch ihre heidnische Umwelt, son‑ dern in der Versuchung, die eigene Position gegenüber der heidnischen Umwelt zu modifizieren und Kompromisse einzugehen. Erst vor die‑ sem zeitgeschichtlichen Hintergrund lässt sich erfassen, was die Send‑ schreiben unter „Werken“ und „Siegen“ verstehen. Es geht nicht um Ethik im strengen und eigentlichen Sinn. Die „Werke“, die der Herr der Gemeinden „kennt“, bedeuten die Haltung der Christen zur heidni‑ schen Umwelt mit ihrem in allen Bereichen kultisch durchsetzten All‑ 469 Vgl. A. Y. C|xxƒ••, Social Crisis 4–12; By•xy, Revelation (NIGTC) 28–33. Ein Über‑ blick zur kultischen Durchsetzung des alltäglichen Lebens in der antiken Stadt in frühchristlicher Zeit bei Kx•‚„…, Umwelt 1, 27–76. Ausführlich zu diesem Problem‑ feld
bei
AbschniT
IV.
4. 470 Vgl. Kx•‚„…, Sendschreiben 163; Sx•Œyz, Social SeTing 254–256; By•xy, Revelation (NIGTC) 30f.; Tˆyƒ••y•, Religion 332f. Erst diese auch von außen wahrgenommene Trennung von Christen und Juden machte die Frage nach der Teilnahme am Kaiser‑ kult und dem öffentlichen Kult allgemein zu einem existentiellen Problem für die christliche
Gemeinde. 471 Ob Juden bewusst die Denunziation von Christen betrieben und durch Gerüchte und Anschuldigungen die römische Obrigkeit sowie die heidnische Stadtbevölke‑ rung gegen die Christen aufzubringen versuchten – so etwa U. B. Mwxxyz, Offenba‑ rung (ÖTK) 107 –, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Plin. epist. 10, 96 belegt im‑ merhin, dass Christen in Pontus‑Bithynien um 110 n. Chr. (auch anonym) denunziert wurden; ob auch Juden sich daran beteiligten, muss jedoch reine Spekulation blei‑ ben. Die Tatsache, dass der Seher die Juden „Synagoge Satans“ nennt (2,9), zeigt je‑ denfalls den hohen Grad der Entfremdung und Feindseligkeit zwischen beiden Gruppen, muss aber nicht zwangsläufig für ein derartiges Vorgehen der jüdischen Gemeinde sprechen, sondern kann auch lediglich widerspiegeln, wie schmerzvoll der Bruch mit der jüdischen Religion empfunden wurde; in diese Richtung A. Y. C|x‑ xƒ••, Social Crisis 8. By•‹xy~, Apocalypse 28–112, versucht, die Johannesoffenbarung ganz vor dem Hintergrund eines Konfliktes mit „ungläubigen“ und „christusfeindli‑ chen“
Juden
zu
verstehen. 472 Ähnliche Positionen vertreten die „Starken“ in Korinth; vgl. 1 Kor 8–10. Dazu mehr unter
AbschniT
IV.
4
und
V.
2.

262

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

tagsleben.473 Entsprechend heißt „Siegen“, um der Reinheit und Ein‑ deutigkeit des monotheistischen Bekenntnisses willen jede Berührung mit dem heidnischen Kult zu vermeiden. Diese kompromisslose Hal‑ tung nennt der Herr der Gemeinden als unabdingbare Voraussetzung für das Erlangen der eschatologischen Heilsgüter.474 Der Vf. stellt seine Adressaten damit vor eine klare Entscheidung: Ist man bereit für GoT und Christus auch persönliche Nachteile sozialer, politischer und öko‑ nomischer Art hinzunehmen und im äußersten Fall sogar sein Leben zu opfern oder nicht? In den Sendschreiben formuliert kein geringerer als der
Herr
der
Gemeinden
selbst
diese
Aufforderung.

(2) Go[es
Zorn
und
Gericht Die Sieben‑Schalen‑Vision, in die 19,11 – 21,8 eingebeTet ist, kreist ganz um das Thema des göTlichen Zorns, der sich im Gericht über die goT‑ feindliche Menschheit, die Huren‑Stadt Babylon und die widergöTliche Trias aus Drache, Tier und Lügenprophet „auswirkt“. Der unmiTelbare Zusammenhang zwischen „Zorn“ und Gericht kommt darin zum Aus‑ druck, dass die Plagen durch das Ausgießen der sieben goldenen Scha‑ len initiiert werden, die mit dem „Zorn“ GoTes gefüllt sind (15,7). Die‑ se Gerichtsthematik durchzieht das ganze Buch. Bereits der Herr der Gemeinden in den Sendschreiben trägt Züge des göTlichen Richters (Schwert, Feuerflammen, Gewalt über die sieben Sterne und die sieben Leuchter etc.).475 Seine BotschaW ist die Ankündigung des eschatologi‑ schen Strafgerichts für diejenigen, die nicht die geforderten „Werke“ vorweisen können (vgl. 2,5.22), aber auch die Ansage eschatologischer Belohnung für alle, die sich um die rechten „Werke“ mühen (vgl. 2,26; 3,8).476 Die paränetische Dimension der Gerichtsankündigung verdich‑ tet sich in der Aufforderung an die Gemeinden zur Umkehr (μετανοεῖν 2,5.16.21.22; 3,3.19), d. h. zur Rückkehr zu „Werken“, die GoT wohlge‑ fällig
sind.477

473 Vgl.
S„ˆ|xŒƒ••y…,
MiTeilhaber
203;
L|ˆ•y,
Offenbarung
(NTD)
36f. 474 H|xŒŠ, Werke 361, kommt am Ende seiner Untersuchung letztlich zu einem ähnli‑ chen Ergebnis, obwohl er zuvor hauptsächlich den moralische Anspruch der Bot‑ schaW
der
Johannesoffenbarung
betont
hat. 475 Dazu
im
einzelnen
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
205–219. 476 Vgl.
H|xŒŠ,
Werke
347–350. 477 Näheres bei H|xŒŠ, Werke 350f.; H. Myz…xyƒ•, μετάνοια/μετανοέω. EWNT 2 (21992) Sp. 1022–1031, hier bes. 1030f.; vgl. auch J. ByˆŽ / E. WwzŒˆ–yƒ•, νοέω κτλ. ThWNT 4 (1942)
947–1016,
hier
987f.
und
999–1004.

Auswertung
und
Interpretation

263

Indem GoTes Gericht als Belohnung der treuen Christen und Be‑ strafung ihrer Verfolger gepriesen wird, klingt das Thema der gerech‑ ten Vergeltung an. Diese doppelte Dimension der Gerichtsaussagen (Lohn und Strafe) zeigt sich in der Johannesoffenbarung nahezu durch‑ gängig. Beim fünWen Siegel (6,9–11) erscheinen unter dem Rauchop‑ feraltar vor GoTes Thron die Seelen der treuen Glaubenszeugen, die zu GoT um Vergeltung rufen; mit der Übergabe der weißen Kleider bestä‑ tigt GoT ihnen, dass sie sich bewährt haben und dass er ihnen Recht schaffen wird.478 Die Reihe der sieben Posaunen wird durch eine Einlei‑ tungsszene (8,3–5) als Antwort auf die Klage der Seelen stilisiert: Im Rauchwerk steigen vom Rauchopferaltar die Gebete der Heiligen auf und finden Annahme. Ähnlich erschallt bei der driTen Schale (16,5–7) vom himmlischen Rauchopferaltar her die ausdrückliche Bestätigung, dass GoTes Gericht gerecht ist. Und auch der Hymnus im Anschluss an das Gericht über die „Hure Babylon“ nimmt nochmals die Klage der Seelen
auf
und
konstatiert
ihre
Erfüllung
(19,1–3). In 11,17f. fügt der Vf. einen weiteren Aspekt hinzu: GoTes Gerichts‑ Zorn ist die angemessene Antwort darauf, dass die Völker sich GoTes HerrschaWsanspruch verweigern.479 Der Aspekt der gerechten und an‑ gemessenen Antwort bestimmt auch das Gericht über die „Hure Baby‑ lon“: Da sie alle Völker mit dem „Wein ihrer Hurerei“ trunken machte (14,8; 17,2.4; 18,3), muss sie mit den ihr verfallenen Menschen GoTes „Zornwein“ trinken (14,10; 16,19). Die „große Stadt Babylon“ ist dabei nicht einfach nur Metapher und Sinnbild für die Stadt Rom und die rö‑ mische Weltmacht; sie steht für eine politische, soziale, ökonomische und kulturelle Ordnung, in der Christen für die Treue zu GoT und Christus Anfeindung und Verfolgung, mitunter sogar den Tod erleiden (vgl. 1,3.9; 6,9; 20,4). Wie das babylonische Reich, so bildet auch das rö‑ mische Imperium nur eine ihrer geschichtlichen Konkretionen.480 GoT ersetzt diese alte Ordnung endgültig (vgl. 19,3) durch das „himmlische Jerusalem“, die „Braut des Lammes“ (19,7f.; 21,2.9f.), d. h. die unmiTel‑ bare und ununterbrochene GemeinschaW mit GoT und dem Lamm (21,22.27; 22,3‑5). GoTes Gericht bringt zwar eine radikale Umkehr der 478 Vgl.
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
394. 479 Die Verweigerung gegen GoTes HerrschaWsanspruch wird in Op 11,17f. – wie öWer in der frühjüdischen Literatur (Tob 1,18; Jdt 5,2; PsSal 2,23f.; 17,12; 2 Bar 48,37; 63,2; Sib 3, 660f.) – als „Zürnen“ bezeichnet. Vgl. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 224; A‚•y,
Revelation
(WBC)
643f. 480 Vgl. hierzu die differenzierten Ausführungen bei By•xy, Revelation (NIGTC) 754‑58, oder auch entsprechende Ansätze bei R|x|}}, Weltgericht 114; Rƒ••ƒ, Hure Babylon 49–60;
gegen
A‚•y,
Revelation
(WBC)
829–831;
Gx|••yz,
Bildersprache
85–88.

264

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Verhältnisse zugunsten der treuen und bewährten Christen; zugleich aber stellt die BotschaW von GoTes gerechtem Zorngericht die Hörer/ Leser der Johannesoffenbarung vor die Entscheidung zwischen Lohn und Strafe, zwischen „Babylon“ und „Jerusalem“ (vgl. 18,4 in Verbin‑ dung
mit
21,27).481

(3) Die
Anbetung
des
„Tieres“
und der
Empfang
seines
„Prägemals“ Ab Kap. 13 begegnet immer wieder das Motiv der Anbetung des „Tie‑ res“ und des Empfangs seines „Prägemals“ (13,12–17; 14,9.11; 15,2; 16,2; 19,20; 20,4). In Kap. 13 werden die beiden „Tiere“ eingeführt, die als Repräsentanten und Werkzeuge des Drachen (13,2), des Feindes der eschatologischen Heilsgemeinde, fungieren. Das erste „Tier“ besitzt als Ebenbild des Drachen sieben Häupter und zehn Hörner.482 Es trägt als Zeichen seines Anspruchs auf universale Macht und Autorität zehn Diademe (der Drache sieben). Dieser Anspruch macht das erste „Tier“ zum Gegenspieler Christi, des Lammes mit den sieben Hörnern (5,6), der als „König der Könige und Herr der Herren“ (17,14; 19,16b) die „vielen
Diademe“
(19,12b)
trägt.483 Das zweite „Tier“, der Lügenprophet, lässt dem ersten „Tier“ ein Kultbild errichten und propagiert dessen kultische Verehrung: Wer das „Tier“ und sein Bild nicht anbetet, wird getötet; wer den Empfang sei‑ 481 Vgl.
bei
AbschniT
IV. 4a,
Punkt
(1). 482 Die HerkunW des „ersten Tieres“ aus dem „Meer“ (13,1a) mag auf sein dämonisches Wesen deuten; das Seeungeheuer dient im Alten Testament und in der frühjüdischen Literatur mehrmals als Bild für dem GoTesvolk feindliche Könige (vgl. Ps 73,13f.; 89,10; Jes 27,1; 30,7; 51,9; Ez 29,3; 32,2f.; Hab 3,8–15; Jer 51,34; Ijob 26,12f. LXX; 41; Ps‑ Sal 2,29f.); vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 632f. 683. Fraglich ist, ob die HerkunW des ersten „Tieres“ auf die AnkunW der römischen StaThalter in Ephesus zu Schiff über das MiTelmeer anspielen soll; vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 732f.; By•xy, Revelation (NIGTC)
682. 483 Die Konkurrenz zu Christus zeigt sich auch in der tödlichen Wunde des „Tieres“ (13,3 μίαν ἐκ τῶν κεφαλῶν αὐτοῦ ὡς ἐσφαγμένην εἰς ϑάνατον; vgl. 5,6) und seiner „Wiederbelebung“ (ἔζησεν 2,8; 13,14; vgl. 13,3). Das Tier wird dadurch geradezu zum Anti‑Typos des Lammes. Das tödlich verwundete Haupt wird meist jedoch nicht nur als Nachahmung des Lammes durch das „Tier“ gedeutet, sondern aus Kap. 17 wird die Deutung der Häupter als Könige in Kap. 13 eingetragen und das tödlich verwundete Haupt mit Kaiser Nero identifiziert, der nach der Legende nicht wirklich tot ist, sondern zu den Parthern floh, um von dort mit Reiterheeren gegen Rom zu ziehen (Nero redivivus/redux); vgl. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 304; A‚•y, Re‑ velation (WBC) 737–740. Berechtigte Einwände gegen diese Deutung finden sich bei By•xy,
Revelation
(NIGTC)
689–693.

Auswertung
und
Interpretation

265

nes „Prägemals“ verweigert, hat unter wirtschaWlichen Sanktionen zu leiden (13,12–17).484 Dem stellt der Vf. eine Engelsoffenbarung gegen‑ über, die den Anbetern des „Tieres“ und den Trägern seines „Präge‑ mals“ ewige Qualen ankündigt (14,9–11). In gleicher Weise kontrastiert die Sieben‑Schalen‑Vision das Geschick der Anhänger des „Tieres“ mit dem seiner Opfer: Während letztere vor GoTes Thron stehen (15,2), sind erstere die Adressaten der Zornes‑Plagen (16,2). Das „Tier“ und der Lügenprophet, der die Menschen zum „Tier“‑Kult verführt hat, werden in den Feuerpfuhl geworfen (19,20). Diejenigen, die sich in der Bedrohung durch den „Tier“‑Kult bewährt haben, nehmen teil an der „ersten Auferstehung“ (20,4), während die übrigen Toten, d. h. alle, die der Verführung des Lügenpropheten nachgegeben haben, im Feu‑ erpfuhl
den
„zweiten
Tod“
erleiden
(vgl.
20,12–15). Traditionell deutet man das erste „Tier“ als den römischen Kaiser (bzw. das Imperium Romanum) und das zweite „Tier“, den Lügenpro‑ pheten, als die kleinasiatische PriesterschaW des Kaiserkultes oder die commune Asiae.485 Da sich eine akute Gefährdung der Gemeinden durch eine Christenverfolgung infolge einer offensiven Propagierung des Herrscherkultes durch die römische Staatsmacht oder die kleinasiati‑ schen Städte selbst für die Zeit der Abfassung der Johannesoffenbarung nicht nachweisen lässt, ist diese Deutung zu hinterfragen.486 Indem das erste „Tier“ die Züge der vier Tiere aus Dan 7, die aufeinander folgende Weltreiche symbolisieren, auf sich vereint, erscheint es gleichsam als Inbegriff der goTfeindlichen Weltmacht, die sich immer wieder neu in der Geschichte materialisiert.487 Durch seinen Anspruch auf universale

484 Ob zur Zeit der Abfassung der Johannesoffenbarung das aus Plin. epist. 10, 96 für Kleinasien zur Zeit Trajans bekannte Verfahren, das immer wieder als historischer Hintergrund für Op 13 genannt wird, schon in Gebrauch war, muss offen bleiben. Positiv in diese Richtung Kx•‚„…, Sendschreiben 162f.; anders Ryƒ„ˆyzŒ, Konfusion 243–246. Vgl. dazu auch bei AbschniT IV. 4d, Punkt (1). Zu den genannten römischen Provinzen C. M•zy…, Pontus et Bithynia. Die römischen Provinzen im Norden Klein‑ asiens,
Mainz
2003. 485 So
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
367f.;
vgl.
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
253f. 486 Gegen R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 140; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 253; A‚•y, Revelation
(WBC)
756. 771–773;
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
311f. 487 Das „erste Tier“ ist eine „transgeschichtliche“ Größe; als solche ist es zwar durchaus mit Rom oder dem Kaiser identifizierbar, geht aber darin nicht auf. Näheres dazu By•xy, Revelation (NIGTC) 685‑687; vgl. auch S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Offenbarung 106; W•xŒyz, BotschaW 304; gegen Gx|••yz, Bildersprache 142–144. An der Gleichset‑ zung der ὀνόματα βλασφημίας mit den im hellenistisch‑römischen Herrscherkult ge‑ bräuchlichen Titeln (Augustus, Divus etc.) – so u. a. bei Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 303 – ist dennoch richtig, dass es um die in Titeln formulierte Inanspruchnahme göTlicher Würde, Macht und Autorität durch weltliche Herrscher, Staaten und Insti‑

266

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Macht und Autorität wird es zum Konkurrenten GoTes und des Lam‑ mes,
weshalb
es
geradezu
als
Anti‑Messias
gezeichnet
wird.488 Beim zweiten „Tier“ ist zu beachten, dass es einerseits mit der Wun‑ dermacht des Endzeitpropheten ausgestaTet ist und sein Aussehen mit dem Lamm in Verbindung gebracht wird, andererseits aber wie der Drache spricht und die göTliche Verehrung des ersten Tieres fördert. Dies lässt an in den Gemeinden wirksame Lehrer denken, deren Bot‑ schaW sich erst bei genauerer Betrachtung als Irrlehre zu erkennen gibt. Zu einer solchen Deutung des zweiten „Tieres“ passt seine Bezeich‑ nung als „Lügenprophet“.489 Das AuWreten „falscher Propheten“ aus dem Kreis der Gemeinde, die behaupten, GoTes Willen zu künden, aber Glaubensabfall predigen, findet sich auch sonst in jüdischen und christlichen Endzeitschilderungen.490 Beide „Tiere“ zusammen symboli‑ sieren damit eine gleichzeitig von innen und außen kommende Gefähr‑ dung der Gemeinde: den politischen, sozialen und ökonomischen Druck durch die heidnisch‑hellenistische Umwelt und die innerge‑ meindliche Propagierung von Kompromissen, die diesen Druck verrin‑ gern.491
Darin
zeigt
sich
eine
Konvergenz
mit
den
Sendschreiben. Das Wirken der beiden „Tiere“ symbolisiert demnach dieselbe Ge‑ fährdung, die sich auch in den Sendschreiben abzeichnet. Wenn das zweite „Tier“ als maßgeblicher Förderer der kultischen Verehrung des ersten „Tieres“ auWriT, ist dies eine bewusste Überzeichnung, die in den Kontext der Ketzerpolemik gehört. Dass das zweite „Tier“ das Bild des ersten „Tieres“ beleben und zum Sprechen bringen kann (13,15),

488

489

490

491

tutionen geht. Näheres zu diesen Titeln und ihrer Bedeutung bei M‚Œˆ, Religion 194–196. Das AuWreten des Tieres und seine Ermächtigung durch den Drachen ahmt die Ein‑ setzung des Lammes als Herr über die Endzeitereignisse in Kap. 5 nach. Zu den Ein‑ zelheiten
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
249f.;
R|x|}},
Offenbarung
(ZBK)
135. Das zweite „Tier“ gleicht Elija, dem großen Eiferer für die Alleinverehrung JHWHs (1 Kön 18,38; 2 Kön 1,10.12.14), da es Feuer vom Himmel herabkommen lässt (13,13; vgl. die beiden Zeugen in 11,5), und propagiert doch mit seiner Wundermacht die Anbetung des ersten „Tieres“ (13,12.14). Wunder kennzeichnen auch die in der End‑ zeit auWretenden falschen Propheten, die Glaubensabfall predigen (vgl. 2 Thess 2,9f.; Mk 13,21–23 parr.; AscJes 4,10). Entsprechend wird das zweite „Tier“ später als „Lü‑ genprophet“
(16,13f;
19,20;
20,10
ψευδοπροφήτης)
benannt. Vgl. die Verwendung von ψευδοπροφήτης in Mt 7,15; 24,11; Mk 13,22; Apg 13,6; 2 Petr 2,1; 1 Joh 4,1. Weitere Belege aus der jüdischen und christlichen Literatur bei A‚•y, Revelation (WBC) 759f. Vgl. dazu auch H. Kz§Žyz / R. Ry•€Œ|z}} / R. My~yz / G. Fzƒy€zƒ„ˆ, προφήτης κτλ. ThWNT 6 (1959) 781–863, hier 807f. und 857f.; H. B•xŠ, ψευδοπροφήτης.
EWNT 3
(21992)
Sp. 1190f. Vgl. By•xy, Revelation (NIGTC) 707–710; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 140; Rƒ••ƒ, Hure Babylon 34. Eine solche Deutung des „zweiten Tieres“ wird von Gƒy•y•, Offen‑ barung
(RNT)
312,
als
„unzureichend“
abgelehnt.

Auswertung
und
Interpretation

267

spielt einerseits auf heidnische Kultinszenierungen an, bringt aber an‑ dererseits zugleich zum Ausdruck, dass die Irrlehrer den Ansprüchen und Forderungen des „Tieres“ in den Gemeinden Raum und Akzep‑ tanz schaffen.492 Der Herrscherkult der kleinasiatischen Städte mag da‑ bei als Modell der Darstellung gedient haben. Für das „Prägemal“ (χάραγμα) dagegen lässt sich kein eindeutiger zeitgeschichtlicher Hin‑ tergrund benennen. Im Alltag war ein χάραγμα ein Brandzeichen auf Tieren, das sie als Eigentum einer Person ausweisen sollte, oder auch ein TaToo oder Brandzeichen, mit denen ungehorsame Sklaven oder Adepten einer GoTheit gekennzeichnet waren.493 Die Johannesoffenba‑

492 Mechanisierte GöTerbilder wurden bewusst eingesetzt, um das Bild des GoTes als lebendig erscheinen zu lassen. Auch kannte man entsprechende Vorrichtungen, die den Eindruck erweckten, das GöTerbild würde von selbst sprechen. Der in der zwei‑ ten HälWe des 1. Jh.s n. Chr. lebende griechische Mathematiker und Erfinder Heron von Alexandria beschreibt in seinen Pneumatika unter anderem auch zahlreiche Ap‑ paraturen, die im Kultbetrieb eingesetzt werden konnten: Neben verschiedenartig mechanisierten GöTerbildern beschreibt er sich selbst öffnende oder tönende Tem‑ peltüren und Weihwasserautomate [Rekonstruktionen und Computeranimationen dieser Apparaturen auf der DVD „Wunder antiker Technik. Automaten, Orgeln, Uh‑ ren, Wasserspiele. Auf den Spuren antiker Erfinder“ bei Theiss, StuTgart]. Ein derar‑ tig hoher inszenatorischer Aufwand, der keineswegs auf den Kaiserkult beschränkt war, zog selbstredend auch Schaulustige an; auch Christen waren gegenüber solchen spectacula sicher nicht immun. Mit δοῦναι πνεῦμα τῇ εἰκόνι ist aber wohl mehr gemeint, als dass das Bild durch Bewegung etc. den Eindruck erweckt, lebendig zu sein. Der Volksglaube sah GöTerbilder als von den GöTer „bewohnt“, was sich darin äußern konnte, dass Bilder weinten, sprachen etc.; hier seien lediglich zwei Beispiele aus Lukian angeführt, die Statue des Pellichos (Pseudol. 20) und die Apollonstatue im Tempel der Dea Syria (Atargatis) im syrischen Hierapolis (Syr.D. 34–37). In der christlichen Polemik erschienen solche Bilder als von Dämonen und unreinen Geis‑ tern besetzt. Wenn sich auch durch keine eindeutigen Belege für das alte Griechen‑ land offizielle Riten zu „Belebung“ von Kultbildern nachweisen lassen, so finden sich doch in den Papyri Magici Graeci (PMG) und in der Hermetischen Literatur ent‑ sprechende Formeln und Rituale; ähnliche Praktiken sind für Babylon und Ägypten bezeugt. Quellenbelege und weiterführende Literatur bei A‚•y, Revelation (WBC) 762–764. Zur Verwendung mechanisierter Statuen im Kaiserkult D. B•‚yz, „Zeichen und
Wunder“.
Spezialeffekte
im
römischen
Kaiserkult,
in:
BiHe
131
(1997)
86f. 493 Vgl. dazu U. Wƒx„…y••, χάραγμα. ThWNT 9 (1973) 405–407; H. B•xŠ, χάραγμα. EWNT 3 (21992) Sp. 1091f.; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1748. Da sich das χάραγμα auf der Stirn oder der rechten Hand befindet, scheidet die Deutung aus, dass an Münzen mit Bildern des Kaisers oder von GöTern gedacht ist, trotz der Erwähnung des Kau‑ fens und Verkaufens. Selbes gilt für Kaufverträge mit Name und Regierungsjahr des Kaisers, die (möglicherweise) χάραγμα genannt wurden, oder sonstige Gegenstände und Dokumente, die das imperiale Siegel trugen. Vgl. A‚•y, Revelation (WBC) 767f. T. WƒŒ‚x•…ƒ, Hadrian oder Christus? Untersuchungen zur Datierung der neutesta‑ mentlichen Johannesapokalypse, Diss. habil. Münster 2004, 451f. [Hinweis auf das Manuskript durch H.‑J. Klauck], verweist erneut auf einen 71 n. Chr. unter Trajan in Tarragona in Spanien geprägten Sesterz, auf dessen Rückseite die Dea Roma mit den sieben
Hügeln
Roms
und
den
FlussgoT
Tiber
dargestellt
ist.

268

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

rung bestimmt es als „Name des Tieres“ bzw. als „Zahl seines Na‑ mens“, die mit „sechshundertsechsundsechzig“ angegeben wird.494 Als Eigentumszeichen des „Tieres“ ist es das Gegenbild zum „Siegel“ (σφραγίς) GoTes, das in 7,2–8 die Diener (δοῦλοι) GoTes auf ihre Stirn empfangen (vgl. Ez 9,4–6).495 Analog zum „Prägemal“ besteht das „Sie‑ gel“ im Namen GoTes und des Lammes (14,1; vgl. 3,12). Die „Hundert‑ vierundvierzigtausend“, d. h. die endzeitliche Heilsgemeinde in ihrer Vollzahl,
sind
durch
die
Besiegelung
GoTes
Eigentum.496

(4) Die
Lasterkataloge Auf den ersten Blick zielen die Lasterkataloge der Johannesoffenba‑ rung (9,21; 21,8.27; 22,15) auf bestimmte ethische Verhaltensweisen; sprechen sie doch von „Mord“ (φόνος, φονεύς), „Unzucht“ (πορνεία, πόρνος), „GiWmischerei“ (φαρμακεία, φάρμακος) etc. Daneben finden sich auch spezifisch religiöse Fehlhaltungen wie „Unglaube“ (ἄπιστος 21,8) und „Götzendienst“ (εἰδωλολάτρης 21,8; 22,15). Überraschend ist die Nennung der „Feiglinge“ in 21,8 (δειλός), der „Hunde“ in 22,15 (κύων) und von „allem Gewöhnlichem“ in 21,27 (πᾶν κοινόν). Die drei letztgenannten „Laster“ vermögen jedoch den Sinn und die Funktion der Lasterkataloge der Johannesoffenbarung zu erhellen. Bereits im klassischen Griechisch dient κύων als Schimpfwort (vgl. Hom. passim, später Dio Chrys. 8 [9],3; vgl. auch Just. dial. 104,1), das im christlichen Kontext auch in der Ketzerpolemik verwendet wird (IgnEph 7,1; Hipp. haer. 7, 30,1; vgl. auch Philo omn. prob. lib. 90).497 Mit κοινόν wird in der

494 Im griechischen und hebräischen Alphabet haben die Buchstaben Zahlenwerte. Man hat versucht, die Zahl auf verschiedene Kaiser – meist Nero – zu deuten. Die Identi‑ fizierung des Tieres mit einem bestimmten Kaiser scheint fraglich, so dass solche Versuche unter Vorbehalt stehen. Eher scheint die Gematrie Lösungen zu bieten (die „sechs“ als Zeichen der verfehlten göTlichen Sieben und der Unvollkommenheit etc.). Vgl. die Exkurse in den Kommentaren zur Johannesoffenbarung. Dass es schon sehr früh Spekulationen und Versuche gab, aus der Zahl 666 einen Namen zu er‑ schließen, zeigen die Ausführungen bei Iren. haer. 5, 38–30. Allerdings kennt Irenäus offensichtlich
noch
keine
Deutungen
auf
einen
römischen
Kaiser. 495 Dazu U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 255; A‚•y, Revelation (WBC) 768; vgl. auch G. FƒŒŠyz,
σφράγις.
ThWNT 7
(1964)
939–954,
hier
951f. 496 Die Versiegelung meint nicht die Taufe; zur Begründung A‚•y, Revelation (WBC) 455f.; gegen R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 89. Als Produkt aus 12 mal 12 mal 1000 bringt die Zahl 144 000 symbolisch die von GoT gewollte Vollständigkeit zum Aus‑ druck.
Vgl.
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
193f.;
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
181. 497 Vgl. Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 1015; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 936; S. Py€yz•y•, κύων. EWNT 2
(21992)
Sp. 821–823.

Auswertung
und
Interpretation

269

jüdisch‑christlichen Literatur auch das „Profane“ bezeichnet, das oW mit dem kultisch Unreinen verbunden wird (1 Makk 1,62; Apg 10,14.28; 11,8; Protev 6,1).498 Auch δειλός steht oW in religiösen Kontexten und drückt Glaubensschwäche aus (Mt 8,26, Mk 4,40).499 Damit ergibt sich für die Lasterkataloge der Johannesoffenbarung ein deutliches Überge‑ wicht
von
Fehlhaltungen
im
religiösen
Bereich. Hierher gehört letztlich auch φαρμακεία bzw. φάρμακος, womit der Bereich der Zauberei und Magie angesprochen ist.500 Außerdem ist „Hurerei“ ein im Alten Testament häufig gebrauchtes Bild für den Ab‑ fall Israels von JHWH zu den Götzen der Heiden.501 In diesem Sinne verwendet der Vf. πορνεύω bzw. πορνεία bereits in den sieben Send‑ schreiben (2,14.20.21) und auch die Verbindung „Babylons“ mit „Hure‑ rei“ ist vor diesem Hintergrund zu sehen (14,8; 17,1.2.4.5.15.16; 18,3.9; 19,2). Die Lasterkataloge der Johannesoffenbarung zielen demnach we‑ niger auf das rechte Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich als auf das rechte Verhalten GoT gegenüber.502 Einzig φόνος bzw. φονεύς scheint nicht in diesen religiösen Kontext zu gehören und verdankt sich wohl
der
Übernahme
eines
traditionellen
Lasterkatalogs.503 Allerdings könnte auch gemeint sein, dass jeder, der sich dieser La‑ ster nicht enthält, mit dem Tier und dem Lügenpropheten gemeinsame Sache macht und damit des Mordes an den treuen Glaubenszeugen mitschuldig wird (vgl. 13,15). Auf den „Lügen“‑Propheten und seine Lehre zielt sicher die „Lüge“ am Ende der Lasterkataloge in 21,8.27 498 Dazu B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 891; F. G. U•Œyz‹•••Ž•ƒz, κοινός / κοινόω. EWNT 2 (21992) Sp. 747–749. Auch das zugehörige Verb κοινόω begegnet in der Bedeutung „für kultisch unrein ansehen/erklären“ bzw. „profanieren, verunreinigen“. Vgl. auch Lƒ€‑ €yxx
/
S„|ŒŒ,
Lex.
969. 499 Vgl.
B•‚yz / Ax••€,
Wb. NT
Sp.
345. 500 Vgl. B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1703f. Zur Einschätzung der Magie Kx•‚„…, Umwelt 1, 169–184; zur Magie in der antiken Umwelt des Christentums auch H••y•}z•ŒŠ, Antike
Welt
54–77. 501 Ausführlich F. H•‚„… / S. S„ˆ‚xŠ, πόρνη κτλ. ThWNT 6 (1959) 579–595; vgl. auch B•‚‑ yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 1389f. Dagegen sieht G. FƒŒŠyz, πορνεία / πορνεύω. EWNT 3 (21992) Sp. 328–333, hier 332f., die „Hurerei“ in den neutestamentlichen Lasterkatalo‑ gen primär sexuell gebraucht für alle Arten der Unzucht, einschließlich der Homose‑ xualität. Gegenüber einer vorschnellen, rein sexuellen Deutung der πορνεία aber ge‑ mahnt die lange alTestamentliche Tradition zur Vorsicht, die „Hurerei“ als Bild für jede Form von Götzendienst und Glaubensabfall verwendet (vgl. Hos 6,10; 9,1; Jer 3; Ez
16;
23
u. ö.). 502 Zu Recht betont deshalb Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 459f., dass der Lasterkatalog in 21,8 nicht auf Moral, sondern auf Gaubensabfall und Götzendienst zielt; vgl. auch G‚•€z~, New Jerusalem 258; gegen die rein moralische Deutung des Lasterkatalogs in
21,8
bei
Wƒ…y•ˆ•‚•yz,
Offenbarung
(RNT)
156. 503 Vgl.
bei
AbschniT
IV. 3c,
Punkt
(4)
zu
21,8.

270

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

und 22,15.504 Die Lasterkataloge der Johannesoffenbarung sind also eine Mahnung an die Leser/Hörer zu meiden, was GoTes Zorn herausfor‑ dert; damit ist primär die Abwendung von GoT hin zu den Götzen gemeint. Die Verführung zum Götzendienst aber ist das Werk des Lü‑ genpropheten. Damit zielen die Lasterkataloge in dieselbe Richtung wie „die Anbetung des Tieres und der Empfang seines Prägemales“ und
die
„Werke“
der
sieben
Sendschreiben.505

(5) Der
Thron
und
der
auf
ihm
Sitzende Wie die Untersuchungen zur Struktur von 19,11 – 21,8 gezeigt haben, ist der SchlussabschniT (20,11 – 21,8) ganz vom Thron GoTes dominiert; als Höhepunkt der Komposition spricht in 21,5–8 das einzige Mal in der Johannesoffenbarung der auf seinem Thron sitzende GoT selbst (abgesehen von der kurzen Selbstvorstellung in 1,8). Der Thron GoTes ist von immenser Bedeutung sowohl für die Struktur als auch für die BotschaW der Johannesoffenbarung: Der sog. „visionäre HaupTeil“ (4,1 – 22,9) beginnt und endet mit der Schau des Thrones und des Thro‑ nenden (4,2f.; 22,3–5). Beide Szenen unterscheiden sich aber signifikant: Während in Kap. 4 der Thron und der Thronende im Himmel sind, der

504 Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 472, zu 21,27: „‚Lüge‘ bedeutet auch hier nicht nur so‑ viel wie die Unwahrheit sagen (21,8; 22,15), sondern ein Verhalten, das das GoTsein GoTes in Frage stellt. Deshalb gehört der Lügner auf die Seite des Lügenpropheten, der ganz im Dienste der Götzen und damit Satans steht …, weshalb ihn die Strafe des ‚zweiten Todes‘ tri• (21,8).“ Ähnlich By•xy, Revelation (NIGTC) 1060. Vgl. auch H. C|•ŠyxŽ•••, ψεῦδος κτλ. ThWNT 9 (1973) 590–599; H. Gƒy•y•, ψεῦδος. EWNT 3 (21992)
Sp.
1191–1193. 505 In diesem Sinne zuletzt auch H. Gƒy•y•, Lasterkataloge und Kaiserkult in der Johan‑ nesoffenbarung, in: Horn / Wolter, Studien 210–231. Mit S„ˆ|xŒƒ••y…, MiTeilhaber 173, könnte man vielleicht sagen, dass in der Johannesoffenbarung nicht von einem „Ausfall der Ethik“, sondern von einem „spezifischen Ansatz ethischer Beanspru‑ chung der Glaubenden“ zu reden ist. H|xŒŠ, Werke 351–355, bezieht die „Werke“ dagegen ausgehend von 2,2.19 primär auf ethisches Verhalten wie Liebe, Treue etc.; eine solche Konnotation ist dem Vf. sicher nicht fremd, aber hier liegt nicht seine vorrangige Aussageabsicht, auch wenn man bei den Lasterkatalogen (9,20f.; 21,8.27; 22,14f.) den Eindruck gewinnt, dass der Vf. bewusst mit Doppeldeutigkeit spielt, da die verwendeten Termini einerseits ein moralisches Fehlverhalten benennen, ande‑ rerseits atl. Bilder für Glaubensabfall und Götzendienst sind. Im Anschluss an T. Holtz geht auch J. Kyz•yz, Ethik der Johannes‑Apokalypse, bei der Annahme kon‑ kreter „siTlicher“ Anweisungen in der Johannesoffenbarung zu weit, wenn er An‑ klänge an jedes Einzelgebot des Dekalogs aufzuzeigen versucht (bes. 119–162); auch seine Anwendung des (paulin.) Schemas „Heilsindikativ und ‑imperativ“ (142–150) ist
nur
bedingt
möglich.

Auswertung
und
Interpretation

271

Seher allein ihn sieht und der himmlische Hofstaat den kultischen Dienst vor dem Thron vollzieht, sind der Thron und der auf ihm Sit‑ zende am Ende inmiTen der Getreuen im neuen Jerusalem auf der neu‑ en Erde; sie alle schauen GoTes Angesicht und leisten ihm den kulti‑ schen Dienst.506 Dieser Umschwung vollzieht sich in 20,11 – 21,8, wo der Thron erstmals nicht mehr im Himmel inmiTen des himmlischen Hof‑ staates erscheint. Der Thron GoTes, das Symbol seines HerrschaWsan‑ spruches, ist gleichsam das Kontinuum, das über den Weltuntergang hinweg
die
alte
und
neue
Schöpfung
verbindet. Alle Nennungen des Thrones in der Johannesoffenbarung (6,16; 7,9–17; 8,3; 12,5; 14,3; 16,17; 19,4f.; 22,1–3) lenken zurück auf Op 4f. und das dort evozierte Bild der himmlischen Welt mit dem GoTes‑ dienst, den die vier „Lebewesen“, die vierundzwanzig Ältesten und die Scharen der Engel dort unablässig vor GoTes Thron vollziehen, und schaffen dadurch ein gezieltes Gegenbild zur Umwelt der Adressaten, in der neben zahllosen GöTern auch die römische Staatsmacht kultisch verehrt wird. Für die Funktion der Thron‑Visionen der Johannesoffen‑ barung bedeutet das: In ihnen wird die ewige und unwandelbare Herr‑ schaW GoTes über den Kosmos sichtbar (κύριος ὁ ϑεὸς ὁ παντοκράτωρ).507 Doch eine goTfeindliche Weltordnung und Weltmacht, symbo‑ lisiert durch die „Hure Babylon“ und das „Tier“, beansprucht für sich selbst die absolute Macht und verfolgt und tötet alle, die sich ihrem An‑ spruch widersetzen und GoT die Treue halten. GoT selbst aber wird eingreifen und seinen HerrschaWsanspruch gegen seine Feinde durch‑ setzen,
um
seinen
Treuen
Vergeltung
zu
schaffen. Da die Plagen der Durchsetzung von GoTes HerrschaWsanspruch dienen, beginnen alle drei Plagenreihen und der visionäre HaupTeil insgesamt mit einem „Vorspiel“ im himmlischen Thronsaal (4–5; 8,2–5; 15,1–4); dadurch will der Vf. den Lesern/Hörern versichern, dass entge‑ gen allem Anschein GoT allein der Herr über Welt und Zeit war, ist und bleiben wird. Am Ende der Geschichte aber wird GoT eine neue

506 U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 183, merkt zu λατρεύειν in 7,15 an: „Wie jedoch die Parallele 22,3f. (vgl. 21,22f.) nahelegt, geht es dabei nicht um rituelle Handlungen der Erlösten. Die Symbolsprache zielt auf die jeden Kult transzendierende, unver‑ miTelte Erfahrung der Anwesenheit GoTes.“ Vgl. auch S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Priester 401; B•‚yz / Ax••€, Wb. NT Sp. 949f. Dies führt den Gedanken von Ex 19,6 fort, der dem Bundesvolk die in der Erwählung zu Königtum und PriesterschaW gründende GoTunmiTelbarkeit
zusagt. 507 Dazu dienen besonders die zahlreichen kosmologischen Anspielungen der Vision; im einzelnen dazu L|ˆ•y, Offenbarung (NTD) 39f.; distanzierter R|x|}}, Offenba‑ rung
(ZBK)
67‑69.

272

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Welt schaffen, die frei sein wird von Auflehnung gegen GoT und in der die Treuen in einer ganz neuen Weise GemeinschaW mit GoT haben werden (21,1–8; 22,3–5); mehrmals unterbrechen deshalb Ausblicke auf die neue Welt die Gerichts‑Visionen der Johannesoffenbarung (7,9–17; 11,15–18;
14,1–5;
19,1–8).508 Zusammenfassung: Wie sich aus diesen fünf „interpretatorischen Quer‑ schniTen“ erkennen lässt, sind die Sendschreiben (Op 2–3) und der apokalyptische HaupTeil (4,1 – 22,9) durch eine einheitliche Thematik bestimmt. Diese Konvergenz lässt sich in den folgenden drei Punkten zusammenfassen: 1. Die Christen werden ermahnt, sich strikt der Teilnahme am Göt‑ zendienst zu enthalten. In den Sendschreiben erscheint der Götzen‑ dienst zum einen allgemein im alTestamentlichen Bild der „Hurerei“ (πορνεία, πορνέω) zum anderen im konkreten und aktuellen Einzelfall des Essens von „Götzenopferfleisch“ (εἰδωλότυτον). Der apokalyptische HaupTeil spricht in mythisch geprägter Sprache von der „Anbetung des Tieres und seines Bildes“. Durch diese mythische Einkleidung ver‑ bindet der Seher den heidnischen GöTerkult mit dem Drachen, dem Symbol des Teufels, der nach seinem Sturz aus dem Himmel das Got‑ tesvolk dazu verführen will, „GoTes Gebote“ und das „Zeugnis von Je‑ sus“ zu verraten (12,11.17). Ein eindeutiger Bezug des „Tieres“ und sei‑ nes Bildes auf den Kaiserkult ist dem Text nicht zu entnehmen.509 Ein solcher Bezug kann aber angenommen werden, da dem Kaiserkult im religiösen Leben Kleinasiens im 1. Jh. n. Chr. eine hervorragende Rolle zukam.510 Der Kaiserkult repräsentiert für den Seher als prominentestes Beispiel wohl die Gesamtheit des religiös‑kultischen Lebens der klein‑ asiatischen Poleis, da in den Sendschreiben ein derartig exklusiver Be‑ zug
auf
den
Kaiserkult
nicht
gegeben
ist.511

508 Dies tri• sich mit der Beobachtung von V•••ƒ, StruTura 213–218, dass sich in der Johannesoffenbarung der Thron GoTes stets in Kontexten des eschatologischen Ge‑ richts
findet. 509 Als Bezug auf einen konkreten römischen Kaiser wertet man meist die tödliche Wunde des „Tieres“, die der Drache heilt. Dies spiele auf die Legende vom wieder‑ kehrenden Nero an (Nero redivivus/redux) und ziele mit größter Wahrscheinlichkeit auf Domitian. Vgl. z. B. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 304f.; vorsichtiger U. B. Mwxxyz, Offenbarung
(ÖTK)
249f. 510 Näheres dazu unter AbschniT IV. 4; vgl. besonders die dort genannten Studien von S. F. R. Price
(Rituals
and
Power)
und
S. J. Friesen
(Twice
Neokoros). 511 Vgl. Kx•‚„…, Sendschreiben 157; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 383f. Die Tatsa‑ che, dass die Sendschreiben (abgesehen vielleicht vom „Thron des Satan“ in Per‑ gamon) keinen eindeutigen Bezug zum Kaiserkult enthalten, man den apokalypti‑

Auswertung
und
Interpretation

273

2. Die Sendschreiben führen die Teilnahme von Christen am religi‑ ös‑kultischen Leben der paganen Umwelt auf das Wirken christlicher Lehrer zurück (διδαχή, διδάσκω), die offensichtlich aus den kleinasiati‑ schen Gemeinden selbst stammen. Der apokalyptische HaupTeil dage‑ gen bedient sich wiederum einer mythischen Einkleidung dieses Sach‑ verhalts: Die äußere Ähnlichkeit des zweiten „Tieres“ mit dem Lamm deutet auf seine Zugehörigkeit zu den christlichen Gemeinden; sein Sprechen aber erweist es als Sachwalter des Drachen.512 Durch die apo‑ kalyptische Bildersprache enthüllt der Seher also das wahre Wesen dieser Lehrer: Als Werkzeuge des Teufels verführen sie die Gemeinden zum
Abfall
von
GoT. 3. Angesichts dieser falschen Lehrer ruW der Herr der Gemeinden in den Sendschreiben die Christen zu StandhaWigkeit und Umkehr; denn wer ihrer Verführung zum Götzendienst erliegt, dem droht das Gericht und der Verlust des eschatologischen Heils. Ebenso hält der apokalyptische HaupTeil fest, dass alle, die das Tier und sein Bild an‑ beten und sein „Prägemal“ empfangen, dem Zorngericht GoTes verfal‑ len sind. Als Zeichen der Zugehörigkeit zum „Tier“ ist das „Prägemal“ Gegenbild
zum
Sigel
des
Lammes,
das
die
treuen
Christen
tragen. Der Seher stellt also seine Leser/Hörer vor die Entscheidung, ob sie am paganen Kult teilnehmen und dadurch Eigentum der dämonischen Macht werden wollen, oder ob sie GoT und seinem Messias die Treue halten wollen. Mit dieser Entscheidung bestimmen sie selbst, ob sie im Gericht GoTes Zorn verfallen oder ob sie das ewige Heil erlangen und ins himmlische Jerusalem der neuen Schöpfung einziehen. Da der Se‑ her das „Prägemal“ mit den Tätigkeiten des Kaufens und Verkaufens verbindet, resultierte die BereitschaW der kleinasiatischen Christen, am kultischen Leben der Poleis teilzunehmen, nicht aus der aktuellen Be‑ drohung durch eine mit der Forcierung des Kaiserkultes verbundenen Christenverfolgung, sondern Christen waren offensichtlich zu Kompro‑ missen mit der heidnischen Umwelt bereit, um persönliche Nachteile

schen HaupTeil aber völlig vor dem Hintergrund des Kaiserkultes verstand, war einer der Gründe, warum immer wieder die ursprüngliche Zugehörigkeit der sieben Sendschreiben
zur
Johannesoffenbarung
bestriTen
wurde. 512 So bereits W. F‡z•Œyz, ϑηρίον. ThWNT 3 (1938) 133–136, hier 135: „Er [i. e. das zweite Tier bzw. der Lügenprophet] gibt sich äußerlich das Aussehen eines lauteren Pro‑ pheten (εἶχεν κέρατα δύο ὅμοια ἀρνίῳ), aber seine Prophetie ist teuflisch (ἐλάλει ὡς δράκων). Es liegt dabei eine selbständige Verwertung des Gedankens von Mt 7,15 (προσέχετε ἀπὸ τῶν ψευδοπροφητῶν, οἵτινες ἔρχονται πρὸς ὑμᾶς ἐν ἐνδύμασιν προβάτων, ἔσωθεν δέ εἰσιν λύκοι ἅρπαγες) vor. Das Bild des ϑηρίον bezeichnet das Wirken dieses falschen
Propheten
ebenfalls
als
raubtierhaW.“

274

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

zu vermeiden, seien sie nun ökonomischer oder auch sozialer und poli‑ tischer Art. In diesem Kontext ist auch der Dualismus der beiden Städte zu verstehen: Die Christen können nicht gleichzeitig Babylon und Jeru‑ salem angehören.513 Wer es mit Babylon, der „großen Hure“, hält, der hat auch mit ihr im Gericht Anteil an GoTes Zorn. Vor diesem Hinter‑ grund der „BotschaW“ der Johannesoffenbarung gilt es die Intention und
Funktion
der
Millenniumsvision
zu
bestimmen.

c. Zur
Funktion
der
Millenniumsvision Wesentliche Punkte, die die Funktion des Millenniums in der Johannes‑ offenbarung betreffen, wurden bereits angesprochen: Den Kern der Millenniumsvision bildet die Mahnung an die Adressaten, sich in einer kritischen Situation zu bewähren und so das Heil zu erlangen. Das ih‑ nen in Aussicht gestellte Heil ist nicht das Millennium selbst, sondern die „neue Schöpfung“ mit dem „vom Himmel herabgekommenen Jeru‑ salem“. Offen aber ist die Frage, warum der Vf. von der „ersten Aufer‑ stehung“ und der „tausendjährigen HerrschaW“ der Auferweckten mit Christus spricht, um seinen Hörern/Lesern deutlich zu machen, dass sie das Heil der „neuen Schöpfung“ nur dann erlangen, wenn sie sich auf keine Kompromisse mit der vom Götzenkult bestimmten heidni‑ schen Umwelt einlassen, um dadurch soziale, ökonomische und politi‑ sche Nachteile und eventuell sogar den Tod zu vermeiden. Für diese BotschaW häTe es der Millenniumsvision nicht bedurW. Außerdem lässt die blasse Schilderung des Millenniums vermuten, dass der Vf. der Jo‑ hannesoffenbarung an dieser Erwartung kein besonderes Interesse ha[e. Des‑ halb ist es wahrscheinlich, dass er die Erwartung des messianischen Zwischenreichs, d. h. eines zeitlich begrenzten irdischen Messiasrei‑ ches,
im
Hinblick
auf
seine
Adressaten
aufgenommen
hat. Die traditions‑ und quellenkritische Analyse hat ergeben, dass der Vf. an dieser traditionellen Erwartung zwei wesentliche Veränderun‑ gen vorgenommen hat: Zum einen hat er dem Messiasreich die „erste Auferstehung“ vorgeschaltet, zum anderen das Millennium mit der Fes‑ selung und erneuten Loslassung des Drachen verbunden. Im Zentrum der folgenden Überlegungen zur Funktion und Intention der Millenniums‑ vision steht deshalb die Frage, warum der Vf. an der ihm traditionell vorgegebenen Erwartung des messianischen Zwischenreichs diese bei‑

513 Vgl.
Kx•‚„…,
Sendschreiben
178f. 181f.;
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
383f.

Auswertung
und
Interpretation

275

den Modifikationen vorgenommen hat und welche Rückschlüsse diese Änderungen auf die Bedeutung und die Funktion der Millenniumsvi‑ sion
in
der
Johannesoffenbarung
erlauben. Der Vf. der Johannesoffenbarung ist offensichtlich der erste, der dem messianischen Zwischenreich eine (partielle) Auferstehung der Toten vorausgehen lässt. Wie wichtig ihm diese Modifikation an der traditionellen Erwartung eines messianischen Zwischenreiches ist, gibt die ausführliche doppelte Charakterisierung der Auferweckten in 20,4 zu erkennen: Sie sind diejenigen, die (1) „wegen des Zeugnisses von Jesus und wegen des Wortes von Go[ enthauptet wurden“ und (2) die „das Tier und sein Bild nicht angebetet und sein Prägemal nicht auf der Stirn und auf ihrer Hand empfangen haben“. Dass außer den Auferweckten noch ande‑ re Menschen am Millennium teilnehmen, wird in 20,4–6 nicht explizit ausgeschlossen.514 Der Makarismus in 20,6 lässt allerdings deutlich er‑ kennen, dass allein die Auferweckten „Priester Go[es und des Messias sein werden und mit ihm tausend Jahre herrschen werden“. Aktiv nehmen am Millennium also nur solche Christen teil, die ihre Verweigerung ge‑ gen den Anspruch des Tieres und die Propaganda des Lügenpropheten mit ihrem Leben bezahlt haben. Da jedoch nach 13,15 alle getötet wer‑ den, die das Bild des Tieres nicht anbeten, und die Propaganda des Lü‑ genpropheten auf alle Bewohner der Erde zielt (vgl. 13,14.16), kommen in der Sicht des Vf.s letztlich alle Christen in die Situation, ihre Glau‑ benstreue
unter
Beweis
stellen
zu
müssen.515 Das AuWreten und Wirken der beiden „Tiere“ teilt also die Men‑ schen in zwei Gruppen: solche, die Go[ und dem Lamm die Treue bewah‑ ren, und solche, die das Tier anbeten und sein Prägemal empfangen.516 Da die Verweigerung der Anbetung des „Tieres“ den Tod bedeutet (13,15), können bei Beginn des Millenniums keine treuen Glaubenszeugen (Christen) mehr am Leben sein.517 Auch die Anhänger des Tieres haben wohl zusammen mit ihm und dem Lügenprophet in der Endschlacht ihr Leben verloren (vgl. 19,17f.19–21).518 Das heißt: Die Johannesoffen‑ barung geht (implizit) wahrscheinlich davon aus, dass zu Beginn des

514 Vgl. dazu H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 194; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 343; Cˆ•zxy•,
Revelation
(ICC)
2, 143;
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
43f. 515 Die Frage, was aus den Christen wird, die vor dieser „Verfolgung“ gestorben sind, oder was gar aus den vor Christus lebenden Menschen oder rechtschaffenen Men‑ schen außerhalb der christlichen Gemeinde wird, darf man an die Johannesoffenba‑ rung
nicht
herantragen,
da
ihr
Vf,
solche
Fragen
nicht
in
den
Blick
nimmt. 516 Dazu
auch
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
57f. 517 Vgl.
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
337;
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
434. 518 So
auch
Rƒ••ƒ,
ZukunW
35;
vgl.
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
427.

276

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Millenniums keine Menschen mehr am Leben sind.519 Das Millennium der Johannesoffenbarung ist demnach ein Reich allein der auferweckten treuen Glaubenszeugen, nicht derer, die zufällig die AnkunW des Mes‑ sias und damit den Anbruch des messianischen Reiches erleben. Ein Christ, der an der „tausendjährigen“ HerrschaW des Messias aktiv teil‑ nehmen will, muss sich folglich zuvor als bis in den Tod treuer Glau‑ benszeuge
erwiesen
haben. Da in 19,11 – 21,8 keine weitere Christen aufscheinen, die zwar nicht am Millennium teilnehmen, aber beim Endgericht auferweckt werden, um am Heil der „neue Schöpfung“ und am „himmlischen Jerusalem“ Anteil zu erlangen, ist davon auszugehen, dass auch nur diejenigen ins „himmlische Jerusalem“ einziehen, die zuvor bei der „ersten Auferste‑ hung“ zur Teilnahme am Millennium auferweckt wurden. Der Vf. stellt seine Adressaten folglich vor eine klare Alternative: Entweder sie fügen sich dem Tier und dem Lügenpropheten, bewahren ihr irdisches Leben und erleiden dafür den „zweiten Tod“; oder sie halten GoT die Treue, erleiden den irdischen Tod, nehmen dafür aber an der „ersten Auferste‑ hung“ teil und gelangen so ins messianische Reich und ins neue Jerusa‑ lem. Die Motivation, GoT in der „Versuchung“ die Treue zu bewahren, erfolgt jedoch in 20,4–6 nicht dadurch, dass den treuen Glaubenszeu‑ gen die Freuden des Millenniums verheißen werden, sondern dadurch, dass sie mit der Gefahr des „zweiten Todes“ konfrontiert werden.520 Die Millenniumsvision zielt also nicht darauf, die Adressaten zu trösten; vielmehr will der Vf. ihnen Angst machen.521 Was aber veranlasste den Seher
Johannes
zu
seiner
massiven
Drohung? Die vorausgehenden Überlegungen zur BotschaW der Johannes‑ offenbarung haben gezeigt, dass die Millenniumsvision im Hinblick auf eine Haltung der kleinasiatischen Christen zu verstehen ist, die zu „Kompromissen“ gegenüber der heidnischen Umwelt bereit war: Ein Christ, der weiß, dass es nur den einen GoT gibt, könne am heidni‑ schen Kult teilnehmen, weil er durchschaut, dass diese Handlungen ins Leere zielen und damit keine Relevanz haben. Aufgrund dieser Ein‑ sicht glaubten Christen sich ermächtigt, am politischen, sozialen und 519 So
auch
S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•,
HerrschaW
112. 520 Gegen Fzy~, Millennium 48–50, der die Motivation zum treuen Zeugnis bis hin zum Martyrium in der „leiblichen MiTeilhabe an der HerrschaW Christi“ und der Rehabi‑ litation
in
dieser
Welt
sieht. 521 Näheres zur Strategie des Vf.s der Johannesoffenbarung, durch die Indienstnahme der apokalyptischen Bilderwelt und der damit verbundenen Vorstellungen bei sei‑ nen Adressaten Angst auszulösen, um dadurch ihr Handeln zu bestimmen, bei Ab‑ schniT
IV. 5
Punkt
(5).

Auswertung
und
Interpretation

277

ökonomischen Leben der heidnischen Umwelt teilzunehmen, damit ih‑ nen Feindseligkeiten und Nachteile aufgrund des christlichen Glau‑ bens erspart blieben.522 Dies war umso wichtiger, seit das Christentum den schützenden Raum des Judentums als religio licita für alle sichtbar verlassen haTe. In einer Verfolgung konnte diese Haltung einen Chris‑ ten
in
der
Tat
davor
bewahren,
für
seinen
Glauben
den
Tod
zu
erleiden. Sieht man den Hintergrund der „KompromissbereitschaW“ gegen‑ über der heidnischen Umwelt in einer bereits gegebenen oder doch drohenden Martyriumsgefahr aufgrund einer umfassenden oder lokal begrenzten Christenverfolgung, müsste man die Millenniumsvision ausgehend von dem bisher Gesagten nicht als Trost für bedrängte Christen, sondern als ernste Warnung verstehen, dem Tod im Martyri‑ um nicht auszuweichen.523 Da der Vf. für seine Warnung 1. mit dem messianischen Zwischenreich eine Erwartung aufgreiW, die für ihn selbst nicht wichtig ist, 2. diese traditionelle Erwartung um die „erste Auferstehung“ erweitert und 3. darauf insistiert, dass – entgegen der üblichen Vorstellung – nicht die bei der AnkunW des Messias zufällig noch lebenden, sondern nur die auferweckten treuen Glaubenszeugen an seinem Reich teilnehmen, ist es kaum wahrscheinlich, dass es den kompromissbereiten Christen, auf die die Martyriumsparänese der Jo‑ hannesoffenbarung zielt, um das bloße Überleben in der Verfolgung

522 Die von Paulus in Korinth bekämpWe Irrlehre (die „Starken“) antwortet auf dasselbe gesellschaWliche Problem: Teilnahme am Leben einer hellenistisch‑römischen Stadt bringt zwangsläufig Kontakt mit dem öffentlichen römischen Kult, der pietas Roma‑ na. Zur pietas erga deos als Wesenszug der römischen Religion M‚Œˆ, Religion 218– 220, bes. auch die Anm. 576 und 577. Zudem boten die öffentlichen heidnischen Op‑ fermähler für sozial Schwache die einzige Möglichkeit zum Genuss des kostspieli‑ gen Fleisches (vgl. den Vorwurf des Essens von Götzenopferfleisch in Op 2,14.20). Näheres zu den Hintergründen und zur Stellungnahme des Paulus bei Kx•‚„…, 1. Korintherbrief (NEB) 59–63. Man darf diese Haltung nicht vorschnell als Laxheit und Glaubensabfall verurteilen; sie ist zunächst Ausdruck der Suche nach einer Lö‑ sung für die Probleme, die sich für das Leben einer christlichen Minderheit in einer heidnischen Umwelt ergeben – unabhängig davon, ob ihnen diese heidnische Um‑ welt mit Ablehnung und Verdächtigungen begegnete. Die Existenz derartiger Grup‑ pen
im
frühen
Christentum
bezeugt
für
das
2.
Jh.
Just.
dial.
35. 523 Das Sendschreiben an Pergamon nennt den „treuen Zeugen Antipas, der getötet wurde“ (2,13) und das Sendschreiben an Smyrna ermahnt die Gemeinde, in der Ver‑ suchung und Bedrängnis bis in den Tod die Treue zu bewahren (2,10). Der Vf. der Johannesoffenbarung mag aus ersten Einzelfällen auf eine bevorstehende große Ver‑ folgung der christlichen Gemeinde geschlossen haben und versuchte deshalb, die Adressaten durch seine Mahnungen darauf vorzubereiten. Vgl. Kx•‚„…, Sendschrei‑ ben 160–164; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 108 und 111f.; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 109f. und 113; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 52f. und 54; vgl. auch B•„…ˆ•‚•, Vision
18–25.

278

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

ging. Es wäre vielmehr anzunehmen, dass diese Christen 1. ein mes‑ sianisches Zwischenreich erwarteten, 2. durch Kompromisse den Tod im Martyrium vermeiden wollten, weil sie auf der Basis apokalypti‑ scher Vorstellungen die gegenwärtige „große Bedrängnis“ (ϑλίψις Op 1,9; 2,9.10.22; 7,14)524 als Vorzeichen des unmiTelbar bevorstehenden Kommens des Messias interpretierten, und deshalb 3. am Leben blei‑ ben wollten, um am irdischen Messiasreich teilnehmen zu können. Es sei nochmals daran erinnert: In der jüdischen Erwartung nehmen am messianischen Zwischenreich die Mitglieder des GoTesvolkes teil, die in
den
eschatologischen
Drangsalen
zufällig
am
Leben
geblieben
sind. Der Vf. der Johannesoffenbarung dagegen lehnt entschieden jeden Kompromiss mit der heidnischen Umwelt ab. Bereits in den sieben Sendschreiben wendet er sich gegen in den Gemeinden auWretende Lehrer, die eine derartige konziliante Haltung propagierten (Nikolai‑ ten, Balaam, Izebel). Um ihr „dämonisches“ Wesen aufzudecken, ord‑ net er sie als das zweite „Tier“ in die widergöTliche Trias ein; denn ob‑ wohl sie sich als Vertreter der christlichen Lehre gerieren, betreiben sie in Wahrheit die Sache des Widersachers GoTes und seiner Gemeinde.525 Da sie die Gemeinden zu Glaubensabfall und Götzenkult verführen, belegt er sie in eschatologischer Interpretation mit dem Terminus „Lü‑ genprophet“. Hinter dem heidnischen Kult nämlich steht die dämoni‑ sche Macht des Teufels; deshalb bedeutet jede Teilnahme am Kult, dieser Macht die allein GoT geschuldete Verehrung zu leisten (προσκυνεῖν) und ihre Ansprüche anzuerkennen. Wer aber in dieser Art GoTes Anspruch verletzt, verfällt seinem Zorn und Gericht. Deshalb wäre es sinnlos, durch eine vorgebliche Teilnahme am heidnischen Kult sein Leben hier und jetzt zu bewahren, um bei der AnkunW des Messias noch am Leben zu sein und an seinem Reich teilnehmen zu können, dies umso mehr, als man als „Überlebender“ nach Op 20,4–6 nicht in dieses Reich gelangen kann. Kompromisse mit der paganen Umwelt sind also nicht nur kein Weg ins Millennium, sondern führen außer‑ dem
in
die
ewige
Verdammnis,
den
„zweiten
Tod“. Insgesamt jedoch basiert die Annahme, die Millenniumsvision in Op 20,4–6 ziele auf die Mahnung, um der Teilnahme am irdischen Mes‑ siasreich willen dem Martyrium nicht auszuweichen, auf zwei problemati‑

524 Zu den „letzten Drangsalen“ als Vorzeichen des Endes („messianische Wehen“) vgl. V|xŠ, Eschatologie 162f.; Bill. 4/2, 977–986; auch J. KzyŽyz, ϑλίψις / ϑλίβω. EWNT 2 (21992)
Sp. 375–379,
hier
376f.;
H. S„ˆxƒyz,
ϑλίβω / ϑλῖψις.
ThWNT 3
(1938)
139–148. 525 Zur Dämonisierung der Gegner in der Johannesoffenbarung auch U. B. Mwxxyz, Wort
GoTes
483.

Auswertung
und
Interpretation

279

schen Voraussetzungen: erstens der drohenden Gefahr einer großflä‑ chigen Christenverfolgung mit einer aktuellen Todesgefahr und zweitens einer drängenden Naherwartung auf Seiten der Adressaten der Johan‑ nesoffenbarung.526 Eine größere Christenverfolgung lässt sich für das Ende des 1. Jh. n. Chr. nicht nachweisen und auch die drängende Nah‑ erwartung ist deutlich „abgekühlt“527. Deshalb darf bezweifelt werden, dass die Millenniumsvision der Johannesoffenbarung allein und pri‑ mär der Martyriumsparänese diente. Die von der Johannesoffenbarung gezeichnete umfassende Verfolgungssituation mit aktueller Todesge‑ fahr für alle Christen ist primär auf der Ebene des Textes, nicht in der Rea‑ lität gegeben, wenn es auch bereits in verschiedenen kleinasiatischen Poleis – ähnlich wie 64 n. Chr. in Rom unter Kaiser Nero – zu regional und zeitlich eng begrenzten Übergriffen der heidnischen Bevölkerung auf die Christen gekommen sein mag, bei denen einzelne Mitglieder der Gemeinden den Tod gefunden haben; bezeichnend aber bleibt, dass die Johannesoffenbarung als Beispiel dafür nur den Fall des Antipas in Pergamon
nennt
(vgl.
Op
2,13).528 Für eine derartige Interpretation der eigenen Gegenwart und ihre Gestaltung in seiner SchriW konnte der Seher Johannes auf die über‑ kommenen Verfolgungsszenarien der frühjüdischen Tradition zurück‑ greifen, in denen sich die Erfahrungen der palästinischen Juden mit der hellenistischen Reform (ab 175 v. Chr.) und der anschließenden Religi‑ onsverfolgung unter Antiochus IV. Epiphanes (168–165 v. Chr.) spiegel‑

526 Zur Naherwartung im Frühchristentum insgesamt K. EzxyŽ•••, Naherwartung und Parusieverzögerung im Neuen Testament. Ein Beitrag zur Frage religiöser Zeiterfah‑ rung (TANZ 17), Tübingen / Basel 1995; vgl. auch ders., Endzeiterwartung 26–28; Bz|ž, Kirchengeschichte 11; zu Paulus L|••, Eschatologie NT (HDG) 59f. Wann und in welchem Umfang sich die Naherwartung in den frühchristlichen Gemeinden ab‑ schwächte, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Bereits Paulus muss sich in 1 Thess 4–5 mit Problemen der ausbleibenden Parusie auseinandersetzen und seine Adressa‑ ten zur ständigen BereitschaW für die WiederkunW des Herrn ermahnen. Gegen einen Rückgang der Naherwartung schreiben der am Ende des 1. Jh. entstandene 1 Klem (23,3f.), der um die MiTe des 2. Jh. entstandene 2 Klem (11,2) und der nur schwer datierbare 2 Petr (3,3f.). Dazu auch L|••, Der erste Clemensbrief (KAV) 287– 294; Lƒ•€yŽ•••, Clemensbriefe (HNT) 82–85 und 232–234; P•‚x•y•, Der Zweite Pe‑ trusbrief (KEK) 148–158; V‡‹Œxy, 2. Petrusbrief (EKK) 209–224. Zur eigenartigen „Unzeitlichkeit“ der apokalyptischen Naherwartung vgl. neben K. Erlemann auch U. H. J. K‡zŒ•yz, Weltzeit, Weltangst und Weltende. Zum Daseins‑ und Zeitver‑ ständnis
der
Apokalyptik,
in:
ThZ
45
(1989)
32–53. 527 Zur Individualisierung und Relativierung der Naherwartung EzxyŽ•••, Endzeiter‑ wartung
150–162. 528 Nach U. B. Mwxxyz, Strömungen 240f., reflektiert das Bedrohungsszenario der Johan‑ nesoffenbarung die Verfolgungs‑ und Martyriumserfahrung der römischen Gemein‑ de
unter
Nero
(bes.
Op
6,9–11).

280

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

ten (zu nennen wären hier beispielsweise die Märtyrererzählungen in 2 Makk 6–7).529 Auf diese historische Erfahrung antwortete auch die spezifische Geschichtsschau der frühjüdischen Apokalyptik, die von GoTes Eingreifen in den Lauf der Geschichte den Abbruch der gegen‑ wärtigen, bösen Welt und den Anbruch einer guten, neuen Schöpfung erho•e.530 Die Stilisierung der eigenen Gegenwart als Zeit der Be‑ drängnis und systematischen Verfolgung der „Heiligen“ in der Johan‑ nesoffenbarung ist demnach auch durch die vom Vf. rezipierte apoka‑ lyptische Vorstellungs‑ und Bilderwelt beeinflusst (vgl. Dan 3,1–23; 6; 7,19–27; 1 Hen 90). Die Gründe für Kompromisse mit der heidnischen Umwelt dürWen also meist profaner und alltäglicher Natur gewesen sein. In erster Linie ging es den „kompromissbereiten“ Christen wohl um die Teilnahme am wirtschaWlichen Leben, da Op 13,17 eigens be‑ tont, dass diejenigen, die das Prägemal des „Tieres“ nicht empfangen, nichts kaufen und verkaufen können. Im Hintergrund steht hier, dass für die in Handwerk und Handel Tätigen die MitgliedschaW in einer ent‑ sprechenden Berufsgilde vorteilhaW und förderlich war; die Teilnahme an den ZusammenkünWen und Festen dieser Vereine aber führte un‑ weigerlich zum Kontakt mit dem paganen Kult (z. B. Gebete und Essen von Opferfleisch bei den gemeinsamen Mählern).531 Die Tatsache, dass der Vf. sich genötigt sah, seine Adressaten ernsthaW zu mahnen bzw. ihnen sogar zu drohen, lässt vermuten, dass eine erhebliche Zahl der kleinasiatischen Christen zu einer derartigen kompromissbereiten Hal‑ tung
gegenüber
der
paganen
Umwelt
und
ihrem
Kult
tendierte.

529 Das Motiv der Verfolgung und Ermordung des eschatologischen GoTesvolkes ist traditionell vorgegeben und fester Bestandteil jüdischer Apokalypsen (vgl. Dan 7,25; 8,13f.; PsSal 17,15ff.; AssMos 8f.; 1 Hen 19,17). Zum historischen Ursprung dieses Motivs in der jüdischen Erfahrung der Religionsverfolgung durch die Seleukiden vgl. V|xŠ, Eschatologie 148f.; Tˆ. B•‚Žyƒ•Œyz, Die Anfänge der Theologie des Marty‑ riums (MBTh 45), Münster 1980. Zur seleukidischen Religionsverfolgung auch F|ˆ‑ zyz, Geschichte 222–227; H••‹, Das hellenistische Zeitalter 62–80; K. Bzƒ•‹Ž•••, Hellenistische Reform und Religionsverfolgung in Judäa. Eine Untersuchung zur jü‑ disch‑hellenistischen Geschichte (175 – 163 v. Chr.) (AAWG 132), GöTingen 1983. Zu 2 Makk und den Makkabäeraufständen auch G. S„ˆŽ‚ŒŒyzŽ•~z, Makkabäer. Mak‑ kabäerbücher.
LThK3
6
(1997)
Sp. 1225–1230
(Literatur). 530 Näheres zu den Ursprüngen der jüdischen Apokalyptik als Reaktion auf den Hel‑ lenisierungswillen der Seleukiden im 3. und 2. Jh. v. Chr. und ihrer frühen Entwick‑ lung bei K. Mwxxyz, Apokalyptik III. TRE 3, 210–223; vgl. auch S„ˆ‚†yzŒ, Religions‑ parteien 18–21. Zum Geschichtsbild der jüdischen Apokalyptik K. Mwxxyz, ebd. 224– 244.
Die
Hauptquellen
für
die
frühjüdische
Apokalyptik
sind
Dan
und
1 Hen. 531 Vgl. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 255f. Ausführlich wird dieser Aspekt im fol‑ genden
AbschniT
IV. 5
behandelt.

Auswertung
und
Interpretation

281

Die argumentative Basis – wenn auch nicht die Wurzeln – dieser kompromissbereiten Haltung gegenüber der heidnischen Umwelt bil‑ dete wahrscheinlich eine bestimmte Interpretation und Fortschreibung der paulinischen Theologie. Denn bereits Paulus stimmte letztlich den „Starken“ in Korinth darin zu, dass es keine Götzen gibt und damit auch kein Götzenopferfleisch und keinen Götzenkult (vgl. 1 Kor 8,1–6; 10,14–30); zu einer grundsätzlichen Ablehnung ihrer „freieren“ Praxis in der Frage des Götzenopferfleisches konnte er sich letztlich nicht durchringen.532 Diese auch in der Johannesoffenbarung aufscheinende kompromissbereite Haltung war zwar nicht von Paulus intendiert, konnte sich aber durchaus auf Aussagen des Apostels berufen, die sie konsequent
zu
Ende
dachte. Wo aber liegen dann die Funktion und Intention der Millenniums‑ vision der Johannesoffenbarung? Wozu spricht der Vf. seine Adressa‑ ten auf die Erwartung des messianischen Zwischenreiches an, obwohl er selbst daran offensichtlich wenig Interesse hat? Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich in Erinnerung rufen, welche Bedeutung das Messiasreich im Denken der frühen Christen haTe. Man darf nicht vergessen, dass die Juden von ihrem Messias erwarteten, er werde auf Erden sein Reich aufrichten.533 Derartige Erwartungen knüpWen sich auch bei den Christen an die (zweite) AnkunW des Messias Jesus (vgl. z. B. Lk 1,33; 22,29f.; 2 Tim 4,1; 2 Petr 1,11).534 Vor seiner AnkunW zu ster‑

532 Paulus greiW hier zustimmend eine in Korinth vertretene These auf; vgl. Kx•‚„…, 1. Korintherbrief (NEB) 60f. Ob die Korinther selbst zu dieser „Erkenntnis“ gelangt sind oder ob sie dabei auf Ausführungen in der paulinischen Missionspredigt zurückgriffen, ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass Paulus sich ihre Sicht über das Wesen der Götzenopferfleisches zu eigen macht. Auch 1 Kor 8,5 darf nicht als grund‑ sätzliche Korrektur oder Einschränkung gesehen werden, da Paulus durch den Zu‑ satz von λεγόμενοι die Existenz anderer „GöTer und Herren“ neben dem einen GoT relativiert und deren wesenhaWe Inferiorität festhält. Die Enthusiasten in Korinth korrigiert Paulus allein darin, dass die Haltung, in der man das Götzenopferfleisch isst, entscheidend ist. Doch auch mit dieser Differenzierung unterscheidet sich die Position des Paulus nicht von der, die von den „Starken“ in Korinth vertreten wird. Paulus macht lediglich eine Einschränkung, dass nämlich die Liebe zu den „schwä‑ cheren“ Mitgliedern der Gemeinde Rücksichtnahme erfordert. Vgl. auch C|•Šyx‑ Ž•••,
Der
erste
Brief
an
die
Korinther
162–178. 533 Die „Aufgaben“ des (jüdischen) Messias waren primär national‑politische; vgl. V|xŠ, Eschatologie 173–186; B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••, Religion 222–232; auch S„ˆ••„…y•†‚z‹, HerrschaW
23–32. 534 Näheres dazu W. R•€x, παρουσία. EWNT 3 (21992) Sp. 102–105; A. Oy›…y, παρουσία / πάρειμι. ThWNT 5 (1954) 856–869. Es ist nicht einsichtig, warum die Christen an das Kommen ihres Messias (bzw. seine WiederkunW) andere Erwartungen geknüpW haben sollten als zuvor die Juden. Auch in den Evangelien spiegelt sich, dass an (den irdischen) Jesus derartige Erwartungen geknüpW wurden (Lk 19,11; Mt 27,11 parr.;

282

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

ben bedeutete, von einem wesentlichen Teil des Heiles ausgeschlossen zu sein, nämlich von den „Freuden“ des irdischen messianischen Rei‑ ches. Hinter Op 20,4–6 könnte also durchaus das Problem stehen, was aus den Toten wird, die die AnkunQ des Messias und damit die irdische Heils‑ zeit
seines
Reiches
nicht
mehr
erleben.535 Erste Martyriumserfahrungen in den Gemeinden und eine sich ab‑ zeichnende Verschärfung der Bedrohung (vgl. Op 2,10.13) machten eine Lösung dieses Problems immer dringender. Der 1 Thess belegt aber, dass diese Angst, vor dem Anbruch des Messiasreiches zu ster‑ ben, nicht erst die Folge einer akuten Bedrohung durch eine Christen‑ verfolgung war, unabhängig ob sie systematisch durch die Staatsmacht betrieben wurde oder nur in vereinzelten lokalen Pogromen bestand.536 Denn die in 1 Thess 4,13–17 aufscheinende Frage der Thessalonicher, was bei der Parusie mit den bereits entschlafenen Christen geschieht, legt nahe, dass auch hier im Anschluss an das Kommen des Messias Jesus eine wie auch immer geartete irdische Heilszeit erwartet wurde.537 Pau‑

Joh 18,36). Dazu F. H•ˆ•, χριστός. EWNT 3 (21992) Sp. 1147–1165; W. Gz‚•€Ž••• / F. Hy••y / M. €y J|•‹y / A. S.
Ÿ•• €yz
W|‚€y,
χρίω κτλ.
ThWNT 9
(1973)
482–576. 535 Die Frage, was aus den Toten wird, die die Heilszeit nicht mehr erleben, findet sich in
den
frühjüdischen
SchriWen
in
4 Esra
5,41f.;
vgl.
V|xŠ,
Eschatologie
233. 536 Vgl.
Ÿ. D|†•„ˆwŒŠ,
Thessalonicher
Briefe
(KEK)
184f. 537 L•‚†, 1/2 Thessalonicherbrief (NEB) 29, zu 1 Thess 4,15–17: „Hier wird explizit ge‑ sagt, welches das Problem der Adressaten ist: Sie sind in Sorge, ob die verstorbenen Gemeindeglieder des eschatologischen Heils ebenfalls teilhaWig werden, das die Pa‑ rusie des Kyrios ihnen, den Lebenden, bereiten wird (vgl. 4 Esra 13,17f.).“ Die Adres‑ saten des 1 Thess gingen demnach davon aus, dass es zwei unterschiedenen „Heils‑ Stadien“ gibt: eines (auf Erden) für diejenigen, die die Parusie miterleben, und ein weiteres, allgemeines, an dem auch die Entschlafenen teilhaben (entweder die neue Schöpfung oder ein himmlisches Paradies). Dies spricht dafür, dass in der Gemeinde von Thessalonich eine chiliastische Erwartung ohne „erste Auferstehung“ vertreten wurde, wie sie auch in 4 Esra uns 2 Bar vorliegt. Dazu ausführlich H|}}Ž•••, Die Toten in Christus 231–234; vgl. auch E. B. Axx|, Saint Paul et la “double résurrection” corporelle, in: RB 41 (1932) 187–209; S. TƒxxŽ•••, Die WiederkunW Christi nach den paulinischen Briefen (BSt 14,1/2), Freiburg 1909; außerdem die Kommentare zum 1 Thess von Bornemann (KEK) und Wohlenberg (KNT). Nach Wƒx„…y, Problem 120– 122, geht es den Thessalonichern nur darum, dass die Toten von dem großen Ereig‑ nis der Parusie selbst ausgeschlossen sind, nicht um die Teilnahme an einem irdi‑ schen Messiasreich (Zwischenreich). Dies beruht jedoch hauptsächlich auf seiner Annahme, dass die Erwartung eines messianischen Zwischenreiches erst nach 70 n. Chr. entsteht (Zerstörung Jerusalems). Dagegen spricht jedoch die Beobachtung, dass bereits der Johannesoffenbarung die Erwartung des messianischen Zwischen‑ reiches in der Tradition vorlag; dasselbe gilt für die beiden etwa zeitgleichen jüdi‑ schen Apokalypsen 4 Esra und 2 Bar. Die Erwartung muss demnach älter sein. Nähe‑ res zur Frage der Benutzung von schriWlichen Quellen in 4 Esra und 2 Bar in den Einleitungen zu beiden SchriWen in JSHRZ 5, 4 bzw. 5, 2 und im Einleitungsband zu den
frühjüdischen
Apokalypsen
von
G. S. Oegema
(JSHRZ
6, 1,5).

Auswertung
und
Interpretation

283

lus belehrt die Thessalonicher unter Bezug auf ein Herrenwort, dass die, die bei der Parusie noch am Leben sind, den Toten nichts voraus‑ haben werden (4,15); denn bei der Parusie werden zunächst die Toten auferweckt und dann zusammen mit denen, die noch am Leben sind, entrückt
(4,16f.).538 HäTen die Thessalonicher mit dem Kommen des Messias den un‑ miTelbaren Anbruch der neuen Schöpfung, d. h. des ewigen GoTesrei‑ ches, erwartet, müsste man annehmen, in der Gemeinde von Thessalo‑ nich habe man nicht an die Auferweckung der Toten geglaubt, damit ihre Frage und die Antwort des Paulus Sinn macht.539 Da Paulus seine Adressaten nicht einfach auf die Lehre von der Totenauferweckung verweist, sondern darauf, dass Christus die auferweckten Toten mit sich führt (4,14 εἰ γὰρ πιστεύομεν ὅτι Ἰησοῦς ἀπέϑανεν καὶ ἀνέστη, οὕτως καὶ ὁ ϑεὸς τοὺς κοιμηϑέντας διὰ τοῦ Ἰησοῦ ἄξει σὺν αὐτῷ), ist letzteres wohl auszuschließen. Paulus wollte den Thessalonichern also die Sorge um das Heil ihrer vor der Parusie verstorbenen Mitchristen nehmen, indem er ihre eschatologische Erwartung korrigiert und das zeitlich be‑ grenzte irdische Messiasreich „beseitigt“: Auf die Parusie folge un‑ miTelbar
die
Auferstehung
und
das
ewige
GoTesreich. Die Antworten des Vf.s der Johannesoffenbarung und des Paulus auf die Frage, ob die Lebenden den Toten bei der Parusie etwas voraus haben, sehen zwar bei flüchtigem Blick ähnlich aus, unterscheiden sich aber grundsätzlich voneinander. Die Johannesoffenbarung lässt die To‑ ten zur Teilnahme am Messiasreich auferstehen, während Paulus auf ein irdisches Messiasreich verzichtet, so dass die Auferweckten und die noch Lebenden bei der Parusie gemeinsam entrückt werden.540 Aller‑

538 Vgl.
BƒyŒy•ˆ•z€,
Reich
55f. 539 Nach H•‚}y, Thessalonicher (ThHK) 81f., zweifelten die Thessalonicher an der To‑ tenauferstehung insgesamt. Die Missionspredigt des Paulus habe dieses Thema zu‑ vor nicht berührt, so dass der Apostel diese Frage nun aus aktuellem Anlass in sei‑ nem
Brief
klären
musste.
Dagegen
H|}}Ž•••,
Die
Toten
in
Christus
232f. 540 Kx•‚„…, 1. Korintherbrief 114f., zu 1 Kor 15,23–28: „Das Endgeschehen wird in drei Etappen zerlegt. Es beginnt bereits mit der Auferstehung Jesu, es wird fortgesetzt bei seiner Parusie mit der Auferstehung der verstorbenen Christen, unmiTelbar dar‑ auf folgt das Ende. Das bedeutet aber, indem Paulus Parusie und Endgeschehen zu‑ sammenrückt, eliminiert er bewußt die Möglichkeit einer doppelten Auferstehung und eines tausendjährigen (Op 20,4f.) oder vierhundertjährigen (4 Esra 7,28–34) messianischen Zwischenreichs. Seine KönigsherrschaW hat Christus, der die Welt freikämpW für GoT, bereits mit seiner Auferstehung angetreten, sie ist eine gegen‑ wärtige Realität, die beim Endgeschehen ihr Ziel erreicht haben wird.“ Nach dieser „apokalyptischen Ordnung“ wird das Messiasreich letztlich in die Gegenwart ver‑ legt. Es beginnt mit der Auferstehung Christi; die anderen folgen am Ende seines Reiches. Vgl. dazu auch C|•ŠyxŽ•••, Der erste Brief an die Korinther (KEK) 319–

284

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

dings überrascht, dass der Seher Johannes nicht dieselbe Lösung wie Paulus wählt, da ihm doch am irdischen Messiasreich selbst offensicht‑ lich nicht viel gelegen ist und er deshalb auf jede Ausmalung dieses Heilszustandes
verzichtet. Der Grund für sein Festhalten am Millennium könnte sein, dass diese Erwartung bei seinen Adressaten so fest verwurzelt war, dass ein völliger Verzicht auf diese Erwartung die Akzeptanz seiner SchriW ge‑ fährdet häTe. Denkbar wäre aber auch, dass der Vf. – und eventuell auch seine Adressaten – die von Paulus im 1 Thess vorgetragene Lehre über die Auferweckung der Christen bei der Parusie kannte und davon zu seiner Konzeption einer dem irdischen Messiasreich vorausgehen‑ den „ersten Auferstehung“ animiert wurde (vgl. 1 Thess 4,15f. ὅτι αὐτὸς ὁ κύριος … καταβήσεται ἀπ’ οὐρανοῦ καὶ οἱ νεκροὶ ἐν Χριστῷ ἀναστήσονται πρῶτον, ἔπειτα ἡμεῖς οἱ ζῶντες οἱ περιλειπόμενοι ἅμα σὺν αὐτοῖς ἁρπαγησόμεϑα ἐν νεφέλαις …). Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass die Vorstellung und der Begriff der „ersten Auferstehung“ vor der Johannesoffenbarung nicht bezeugt sind. Einer vollen Übernahme der Konzeption des 1 Thess durch die Streichung des irdischen Messiasrei‑ ches stand möglicherweise entgegen, dass der Vf. der Johannesoffenba‑ rung Paulus und seiner Lehre kritisch und distanziert gegenüberstand; damit stünde er vor der Wende vom 1. zum 2. Jh. nicht allein (vgl. 2 Petr
3,15f.).541 Das Festhalten an der Erwartung eines messianischen Zwischenrei‑ ches, an dem er selbst kein spezifisches Interesse hat, könnte für den

327. W. S„ˆz•‹y, Das messianische Zwischenreich bei Paulus, in: M. Evang u. a. (Hg.), Eschatologie und Schöpfung. FS E. Gräßer (BZNW 89), Berlin / New York 1997, 343–354, dagegen möchte für Paulus (1 Kor 15 und 1 Thess 4) die Erwartung eines Zwischenreichs festhalten, das mit der Auferstehung beginne; dieses aber bleibe hin‑ sichtlich seiner Dauer und inhaltlichen Füllung völlig unpräzise. Dagegen spricht an beiden Stellen aber der Textbefund: Weder in 1 Kor 15 noch in 1 Thess 4 bleibt nach der Auferstehung der Toten Zeit für eine irdisches Messiasreich. Zu Paulus und sei‑ ner Eschatologie vgl. auch Nƒ‹‹, Reich 48–53; U. S„ˆ•yxxy, Wandlungen im paulini‑ schen Denken (SBS 137), StuTgart 1989, 37–48; J. By„…yz, Paulus. Der Apostel der Völ‑ ker,
Tübingen
21992,
468–478. 541 Zur Auseinandersetzung um den Paulinismus in den kleinasiatischen Gemeinden an der Wende vom 1. zum 2. Jh. n. Chr. vgl. U. B. Mwxxyz, Theologiegeschichte 78–94. Vgl. auch Byz‹yz, Theologiegeschichte 572f., der in der Johannesoffenbarung eine Art „apokalyptische Reform“ sieht, die versucht, bestimmte Positionen der paulini‑ schen Theologie zu korrigieren und rückgängig zu machen. Zur Paulusrezeption in der frühen Kirche (1./2. Jh.) insgesamt A. Lƒ•€yŽ•••, Paulus im ältesten Christen‑ tum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frühchristlichen Literatur bis Marcion, Tübingen 1979; ders., Paulus, Apostel und Lehrer
der
Kirche.
Studien
zum
frühen
Paulusverständnis,
Tübingen
1999.

Auswertung
und
Interpretation

285

Vf. der Johannesoffenbarung ein bewusstes Zeichen der Abgrenzung gegenüber der paulinischen Theologie sein.542 Möglicherweise wurde in den angeschriebenen Gemeinden in Verbindung mit der oben skizzier‑ ten „libertinistischen“ Fortschreibung der paulinischen Theologie, die Freiräume für eine Teilnahme am kultisch geprägten sozialen, politi‑ schen und ökonomischen Leben schaffen sollte, auch eine modifizierte Form der Erwartung des „messianischen Reiches“ vertreten, die sich aus dem paulinischen Taufverständnis herleitete. Paulus selbst deutete in Röm 6 die Taufe als Mit‑Sterben und Mit‑Begraben‑Werden mit Chris‑ tus und begründete damit die Hoffnung, auch mit ihm aufzuerste‑ hen.543 In den Deutero‑Paulinen wurde dieses Taufverständnis dahinge‑ hend weiterentwickelt, dass auch der Anteil an der Auferstehung nicht mehr in der ZukunW liegt, sondern bereits gewonnen ist (Kol 2,12–15; 3,1–10;
vgl.
Eph
2,5f.).544 Es ist gut vorstellbar, dass in den von der Johannesoffenbarung adressierten Gemeinden ähnliche Vorstellungen lebendig waren, da diese im ehemaligen paulinischen Missionsgebiet liegen. Vielleicht deutete man hier die Taufe als „erste Auferstehung“ (vgl. den Vorwurf an die Gegner in 2 Tim 2,18545: λέγοντες [τὴν] ἀνάστασιν ἤδη γεγονέναι; vgl. auch die präsentische Auferstehungsaussage in Joh 5,28f.546). Dabei 542 Näheres zur Frage eines Anti‑Paulinismus in der Johannesoffenbarung bei J.‑W. T•y‑ ‹yz, Begründetes Schweigen. Paulus und paulinische Tradition in der Johannesapo‑ kalypse, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS G. Klein), Tübingen 1998,
187–204;
W•xŒyz,
Nikolaos
219–226. 543 Dazu H. Fz••…yŽ‡xxy, Das Taufverständnis des Paulus. Taufe, Tod und Auferste‑ hung nach Röm 6 (SBS 47), StuTgart 1970; Syxxƒ•, Auferstehung 227–230; vgl. auch die Ausführungen zu Röm 6 in den Kommentaren von O. Kuss, O. Michel (KEK), H. Schlier (HThK), U. Wilckens (EKK), M. Theobald (SKK) und E. Lohse (KEK); dazu M. Tˆy|†•x€,
Der
Römerbrief
(EdF),
Darmstadt
2000,
230–242
(Literatur). 544 Vgl. E. S„ˆ–yƒŠyz, Kolosser (EKK) 105–118; G•ƒx…•, Kolosserbrief (HThK) 118–144; Syxxƒ•, Auferstehung 230–233. Zum Auferstehungsverständnis des Kol und Eph als Fortentwicklung von Röm 6 und zur theologiegeschichtlichen Verortung vgl. auch H. E. L|••, Eschatologie im Kolosser‑ und Epheserbrief 368–374. Zur Verbreitung der Vorstellung, mit der Taufe den vollendeten Heilsbesitz zu erlangen, in den ehe‑ mals paulinischen Missionsgebieten U. B. Mwxxyz, Theologiegeschichte 40f.; L|••, Eschatologie NT (HDG) 60–64; zur Verbindung von Taufe und „Auferstehung“ in der frühchristlichen Literatur J. By„…yz, Auferstehung der Toten im Urchristentum (SBS 82), StuTgart 1976, hier 55–65 und 117–148; zum Gegensatz zwischen Kol und Johannesoffenbarung
vgl.
auch
Byz‹yz,
Theologiegeschichte
526. 545 Ausführlich zu der hier bekämpWen häretischen Gruppe Bz|ž, Pastoralbriefe (RNT) 36–39; Wyƒ•yz, Der zweite Brief an Timotheus (EKK) 195–197; U. B. Mwxxyz, Theolo‑ giegeschichte
67–74;
zu
2 Tim
2,18
vgl.
auch
Syxxƒ•,
Auferstehung
233f. 546 Dazu J. Fzy~, Die johanneische Eschatologie, Bd. 3: Die eschatologische Verkündi‑ gung in den johanneischen Texten (WUNT 117), Tübingen 2000. Zur Frage möglicher Verbindungen zwischen der johanneischen Eschatologie (Joh; 1–3 Joh) und der Es‑

286

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

ist denkbar, dass die paulinisch geprägten Kreise in den angeschriebe‑ nen Gemeinden den in der Taufe erworbenen unverlierbaren Heils‑ stand ausgehend von Ex 19,6 mit der SelbsTitulatur als „Könige und Priester“ umschrieben (vgl. 1 Petr 2,9)547 und davon ausgehend das messianische Reich bereits in den Gemeinden gegenwärtig sahen (vgl. Kol 1,13)548. Einem solchen – letztlich enthusiastischem – Heilsver‑ ständnis gegenüber hält der Vf. der Johannesoffenbarung fest, dass das Königtum und Priestertum der Christen in der ZukunW liegt und sich erst im Millennium realisiert: … ἔσονται ἱερεῖς τοῦ ϑεοῦ καὶ τοῦ Χριστοῦ καὶ βασιλεύσουσιν μετ’ αὐτοῦ [τὰ] χίλια ἔτη (20,6).549 Damit verbunden ist eine deutliche Relativierung der soteriologischen Relevanz und Wirksamkeit der Taufe im Vergleich zu Paulus. Die Taufe, die in der Johannesoffenba‑ rung mit keinem Wort erwähnt wird, ist nicht mehr das allein entschei‑ dende Zugangstor zum Heil; Heil oder Unheil des Einzelnen entschei‑ den sich vielmehr erst in der Bewährung angesichts der vielfältigen Bedrohungen der Christen nicht nur durch ihre heidnische Umwelt, sondern auch durch Irrlehrer aus ihrer eigenen MiTe (vgl. die Bedeu‑ tung von ἔργα und νικᾶν in den Sendschreiben).550 Insofern könnte die Millenniumsvision der Johannesoffenbarung bewusst auf die ältere Er‑ wartung des messianischen Zwischenreiches zurückgreifen, die viel‑ leicht
in
einzelnen
Gruppen
der
Gemeinden
noch
immer
lebendig
war. Dies würde bedeuten, dass die Johannesoffenbarung gegen einen an Paulus anknüpfenden pneumatischen Enthusiasmus kämpWe, wie ihn ähnlich auch die vom Vf. des Jud anvisierten Gegner vertraten.551

547

548 549

550

551

chatologie der Johannesoffenbarung vgl. auch T•y‹yz, Johannesapokalypse und jo‑ hanneischer
Kreis
120–212. Bereits in der jüdischen Interpretation von Ex 19,6 geht es nicht um eine tatsächliche königliche und priesterliche Funktion der einzelnen Christen, sondern um die be‑ günstigende Erwählung, Aussonderung und Aneignung zum Eigentum durch GoT; vgl.
Bz|ž,
1. Petrusbrief
(EKK)
103–106. Vgl.
S„ˆ••„…y•†‚z‹,
HerrschaW
209–212. Auch R|x|}}, Weltgericht 119, sieht die Rede von einer zukünWigen „ersten Aufer‑ stehung“ als Polemik gegen ein enthusiastisches Taufverständnis; vgl. auch S„ˆŽƒŒ‑ ˆ•x•, Gnosis 136–138. In Verkennung dieser Intention der Millenniumsvision urteilt U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 341: „Man darf es wohl als eine Schwäche anse‑ hen, daß Johannes nicht die KraW hat, die noch verborgene, aber im Wort der Predigt dennoch wirkliche Herrscherstellung Christi und seiner Gemeinde in solcher Ver‑ hüllung
zu
lassen,
bis
sie
aufgehoben
ist
in
der
Realität
des
neuen
Äons
(Holtz).“ Dazu passt die in den Makarismen ausgedrückte Mahnung, den Heilsstand zu be‑ wahren, d. h. sich in einer für die Mitglieder der angeschriebenen Gemeinden kriti‑ schen
Situation
zu
bewähren. Ähnlich U. B. Mwxxyz, Wort GoTes 475f.; ausführlich ders., Theologiegeschichte 21– 26;
vgl.
auch
S„ˆŽƒŒˆ•x•,
Gnosis
144–146.

Auswertung
und
Interpretation

287

Theologiegeschichtlich wäre die Johannesoffenbarung demnach in eine Re‑Apokalyptisierung der frühchristlichen Theologie einzuordnen (vgl. 2 Thess, Mt, 2 Petr), nachdem zuvor – auch unter dem Einfluss der Theologie des Paulus – die apokalyptische Begrifflichkeit spiritualisie‑ rend umgedeutet worden war (vgl. Kol, Eph, Joh, Mk, Hebr).552 Die Konzeption und der Begriff der „ersten Auferstehung“ in Op 20,4–6 wären folglich – durchaus in polemischer Absicht – gegen eine spiritua‑ lisierende Gleichsetzung der Auferstehung mit der Taufe und eine da‑ mit einhergehende Ent‑Eschatologisierung der christlichen Heilserwar‑ tung gerichtet. Denkbar wäre außerdem, dass die korrespondierende Betonung des „zweiten Todes“ (2,11; 20,6.14; 21,8) eine polemische Spitze gegen die bereits bei Paulus gegebene Interpretation der Taufe als
Mit‑Sterben
mit
Christus
enthält
(„Tauf‑Tod“;
vgl.
Röm
6,1–14).553 Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Rahmung des Millenni‑ ums durch die Fesselung und erneute Loslassung des Drachen, des In‑ begriffs aller goTfeindlichen Mächte, als Teil einer anti‑enthusiastischen Korrektur des Vf.s der Johannesoffenbarung an der Heilserwartung sei‑ ner Adressaten verstehen: Erst wenn der Drache durch GoT selbst resp. durch seinen Boten gefesselt ist, wird sich das Reich des Messias auf Erden realisieren. Noch aber ist der große Feind GoTes und seiner Gemeinde in der Welt wirksam, wie die Adressaten selbst Tag für Tag erfahren müssen. In dieser Anfeindung müssen sie sich zuerst durch StandhaWigkeit bewährt haben, bevor sie sich selbst als „Könige und Priester GoTes und des Messias“ (20,6) bezeichnen dürfen. Auffällig ist, dass die Johannesoffenbarung dabei das Millennium deutlich als vor‑

552 Syxxƒ•, Auferstehung 234, sieht in der Erfahrung der zunehmenden Verfolgung der Gemeinden den Hintergrund für eine Re‑Apokalyptisierung des christlichen Den‑ kens in 2 Tim. Der Gedanke zukünWiger „Entschädigung“ und „Vergeltung“ sollte die Mitglieder der Gemeinden trösten und sie zum Durchhalten und zur Bewährung im Alltag ermutigen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt D•‚ŒŠy•†yz‹, Reich GoTes 21–23, bei seinem Vergleich der Reich‑GoTes‑Aussagen in der Johannesoffenbarung mit denen bei Paulus und im Mk: Der Vf. der Johannesoffenbarung greiW auf diesel‑ be Traditionsbasis zurück, unter deutlicher Konzentration auf die futurisch‑eschato‑ logischen Aussagen. Zu einer Ent‑Mythologisierung der apokalyptischen Vorstel‑ lungen bereits bei Paulus C. F|z†y•, Principalities and Powers. Demythologizing Apocalyptic?, in: JSNT 82 (2001) 61–88; zur Stellung und Bedeutung der Apokalyp‑ tik in den echten Paulusbriefen und in den paulinischen Gemeinden vgl. Myy…•, Ur‑ christentum 343–359; zur Erneuerung der Apokalyptik in den paulinischen Gemein‑ den
am
Ende
des
1.
Jh.s
K‡•Œyz,
Einführung
678–683. 553 Nach SŒzy„…yz, Anfänge 34–36, wendet sich der 2 Joh wahrscheinlich gegen Gegner, die die Parusie Christi im Fleisch leugnen; dies könnte eine ähnliche Front spiegeln wie Op 19,11 – 21,8 bzw. 20,4–6. Entsprechend sieht er den Vf. des 2/3 Joh als Vertre‑ ter
einer
chiliastischen
Eschatologie;
vgl.
ebd.
38.

288

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

läufige Periode des Heils relativiert, die durch die erneute Loslassung des Drachen ein Ende findet. End‑gültiges Heil nämlich kann es erst ge‑ ben, wenn der Drache als personifizierte und dämonisierte FeindschaW gegen GoT und sein Volk vernichtet wird; denn erst dann kann die neue Welt anbrechen. Eine spiritualisierende Vorwegnahme des es‑ chatologischen
Heils
kann
es
deshalb
nicht
geben. Die in der Millenniumsvision fassbare Re‑Apokalyptisierung be‑ tont demgegenüber die futurische Dimension der christlichen Heils‑ hoffnung. Insgesamt aber bleibt das Verhältnis des Vf.s zum Millen‑ nium zwiespältig; denn es gelang ihm letztlich nicht, die Erwartung eines messianischen Zwischenreiches vollständig in seine eschatologi‑ schen Konzeption zu integrieren: Das Millennium steht weitgehend un‑ verbunden neben dem vom Himmel herabgekommenen Jerusalem, dem Symbol der eschatologischen GemeinschaW der treuen und stand‑ haWen
Christen
mit
GoT
und
dem
„Lamm“. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Aufnahme des „tau‑ sendjährigen“ messianischen Zwischenreichs in der Johannesoffenba‑ rung ist allein theologisch motiviert. Dies muss jede Deutung des Millen‑ niums berücksichtigen. Dem Millennium geht es nicht um eine neue und bessere Weltordnung, nicht um eine soziale und politische Revolu‑ tion und auch nicht um die Heilsfähigkeit der gesamten Schöpfung. Der Vf. der Johannesoffenbarung ist folglich kein Prophet der ökologi‑ schen Bewegung, kein Sozialrevolutionär und auch kein Basischrist. Er ist nicht einmal ein Prophet des Widerstandes in einem totalitären Sys‑ tem, da Widerstand für ihn nicht mehr bedeutet als eine rein passive Totalverweigerung. Außerdem hat diese Verweigerung rein theologi‑ sche Gründe: Es geht um den totalen Anspruch GoTes auf den Men‑ schen und nicht um die Würde und Freiheit des Menschen. Das Millen‑ nium ist somit keine Real‑Utopie und keine aurea aetas. Und selbst wenn man all das im Millennium sehen dürWe, bliebe immer noch, dass es ein „Heilszustand“ wäre, der nicht vom Menschen herbeigeführt werden kann, vorläufig ist und auf eine eng umgrenzte Gruppe von Menschen
beschränkt
bleibt.554 Da zudem Op 20,4–6 über das Millennium selbst nicht spricht, bietet es für alle sozial‑revolutionären, materialistischen, ökologischen,

554 Aufgrund der Vorläufigkeit des irdischen Messiasreiches der Johannesoffenbarung kann man es auch kaum als Versuch sehen, alle Tendenzen zur Spiritualisierung des (noch zukünWigen) Heils abzuwehren; gegen Fzy~, Millennium 71f.; R|x|}}, Offen‑ barung (ZBK) 191. Dagegen spricht auch, dass Op 20,4–6 weder die Leiblichkeit der
Auferweckten
noch
die
irdischen
Freuden
des
Millenniums
thematisiert.

Auswertung
und
Interpretation

289

holistischen etc. Deutungen keinen Ansatzpunkt.555 Einzig zulässig ist ein „theologische“ Deutung des Millenniums: GoT allein hat Anspruch auf kultische Verehrung. Wer sich vor anderen GöTern niederwirW, selbst wenn dies nur zum Schein geschieht, um persönliche Nachteile zu vermeiden, verletzt diesen Anspruch GoTes und geht des Heils ver‑ lustig. Ohne Zweifel ist diese Sicht des Vf.s als rigoristisch zu bewerten, da sie in letzter Konsequenz zumindest eine „indirekte Aufforderung zum
Martyrium“
beinhaltet.556

d. Christlive
Gemeinde
und
heidnisve
Polis Als Ergebnis der vorausgehenden Untersuchungen lässt sich festhalten: Die Millenniumsvision der Johannesoffenbarung dient nicht der Marty‑ riumsparänese in einer allgemeinen Christenverfolgung, sondern sie ist Bestandteil einer vom Vf. programmatisch betriebenen Re‑Apokalypti‑ sierung der christlichen ZukunWs‑ und Heilserwartung in einer inner‑ gemeindlichen Konfliktsituation. Die Re‑Apokalyptisierung richtet sich gegen Enthusiasten in den christlichen Gemeinden Kleinasiens, die das paulinische Taufverständnis im Sinne einer präsentischen Eschatologie interpretierten.557 Mit Hilfe der paulinischen Theologie legitimierten diese Enthusiasten offensichtlich auch eine zumindest partielle Teil‑ nahme am kultischen Leben ihrer Poleis. Der Vf. der Johannesoffenba‑ rung brandmarkt diese in seinen Augen unerlaubte und libertinistische Praxis als Glaubensabfall und Götzendienst. Durch die Erneuerung der apokalyptisch‑eschatologischen Dimension der christlichen BotschaW erinnert er seine Adressaten daran, dass das Heil in der ZukunW liegt und der Gewinn des Heils Bewährung des Glaubens in der Bedrängnis voraussetzt. In der Millenniumsvision steigert sich seine Mahnung zur Androhung des Heilsverlustes und der ewigen Verdammnis: Wer an 555 Ähnlich schon H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 198. Abzulehnen ist auch die theologi‑ sche Variante der „sozial‑revolutionären“ und „politischen“ Deutung der Millenni‑ umsvision, wie sie sich z. B. bei S–yŒy, Revelation 266, findet: „That the age of the Martyrs, however long it might last, would be followed by a far longer period of Christian supremacy during which the faith for which the Martyrs died would live and reign, is the essential teaching of the present vision.“ Der Text von Op 20,4–6 mag zwar einer derartige Auffüllung nicht widersprechen, motiviert sie aber auch nicht. 556 Vgl.
R|x|}},
Offenbarung
(ZBK)
193;
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
340. 557 Die Untersuchung der Millenniumsvision hat gezeigt, dass man gegen W•xŒyz, Ni‑ kolaos 215f., an einer gewissen enthusiastischen Grundhaltung bei den Gegnern der Johannesoffenbarung
festhalten
muss.

290

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

dieser libertinistischen Praxis festhält und nicht jeden Kontakt mit den Kulten der Polis vermeidet, wird nicht nur von der „ersten Auferste‑ hung“ ausgeschlossen, sondern erleidet darüber hinaus beim Endge‑ richt
den
„zweiten
Tod“. Vorweg wurde bereits angedeutet, warum Christen nach Möglich‑ keiten der Partizipation am Leben ihrer „paganen“558 Umwelt suchten und dabei selbst den Kontakt mit deren kultisch‑rituellen Vollzügen in Kauf nahmen.559 Sie wollten dadurch offensichtlich persönliche, soziale und ökonomische Nachteile vermeiden. Da diese Christen ihre kom‑ promissbereite Haltung theologisch‑argumentativ durchdachten (vgl. Op 2,6.15.20) und in den Gemeinden Ansehen und Einfluss genossen (vgl. Op 2,14f.20), kann es sich nicht um „laxe“ Christen gehandelt haben, die nur den äußeren Rand der Gemeinden bildeten. Muss man aus den heWigen Angriffen der Johannesoffenbarung schließen, dass die Zahl der kompromissbereiten Christen in den kleinasiatischen Gemeinden relativ groß war und die ATraktivität ihrer Lösung eine weitere Zunahme erwarten ließ? Genügt es, diese liberale Praxis als Antwort auf äußeren Druck zu erklären, da von allen Bewohnern der Poleis Kleinasiens ein gewisses Maß an Partizipation am sozialen, poli‑ tischen und kultischen Leben der Polis erwartet oder sogar gefordert wurde? Tri• das in den Sendschreiben der Johannesoffenbarung ge‑ zeichnete Bild zu: War diese enthusiastisch‑libertinistische Bewegung ein Verfall der ursprünglichen Glaubenspraxis der Gemeinden Klein‑ asiens? Muss man – in anachronistischer Anwendung des Terminus – von der Bedrohung der Gemeinden durch eine „Häresie“560 sprechen? Diese Fragen lassen sich angemessen nur im Blick auf den soziokulturel‑ len Hintergrund der kleinasiatischen Gemeinden beantworten, die der Seher für eine radikale Abgrenzung gegenüber ihrer paganen Umwelt gewinnen
will.561

558 Zu Recht hat Kx•‚„…, Magie 12, uf die Problematik der Begriffe „heidnisch“/„Hei‑ dentum“ und „pagan“/„Paganität“ hingewiesen, da diese Begriffe eine vom Chris‑ tentum aus formulierte theologische Interpretation und nicht eine soziologische, his‑ torische oder kulturelle Beschreibung einer Gruppe darstellen. Um der Einfachheit und Verständlichkeit des Ausdrucks willen und mangels vertretbarer Alternativen wird
man
diesen
Ausdruck
aber
beibehalten. 559 Vgl.
bei
AbschniT
II. 1a.
Punkt
(1)
und
AbschniT
IV. 4b–c. 560 Vgl.
N. Bz|ž,
Häresie.
RAC
13
(1986)
248–297. 561 Die Untersuchung des Verhältnisses zwischen christlicher Gemeinde und paganer Umwelt beschränkt sich auf die städtischen Verhältnisse, da für das Christentum auf dem Land weder in den frühchristlichen noch in anderen SchriWen der Zeit eindeuti‑ ge Zeugnisse vorliegen. Überhaupt bildeten nach dem Zeugnis des NT die Städte das Zentrum der frühchristlichen Mission und Theologie. Entsprechend liegt den

Auswertung
und
Interpretation

291

Um der Position der von der Johannesoffenbarung angegriffenen, kompromissbereiten Christen und der scharfen Reaktion des Vf.s der Johannesoffenbarung gerecht zu werden, muss gefragt werden, bei welchen Gelegenheiten und in welcher Form die Bewohner einer helle‑ nistisch‑römischen Polis im 1. und 2. Jahrhundert unvermeidlich mit rituell‑kultischen Akten in Berührung kamen und in welchem Ausmaß und in welcher Haltung Teilnahme am paganen Kult allgemein erwar‑ tet und praktiziert wurde.562 Dabei geht es um weit mehr als die Frage der Teilnahme am Kaiserkult als öffentlichem Bekenntnis zur römi‑ schen Staatsmacht und Autorität.563 Will man zudem eine einseitige Re‑ duktion auf den unmiTelbaren Kult‑ und Opferbetrieb vermeiden, muss berücksichtig werden, in welchem Maße ein Christ am politi‑ schen, sozialen und kulturellen Leben der Polis teilnehmen und die von jedem Bürger erwarteten Pflichten und ihm zustehenden Rechte

folgenden Ausführungen das religionswissenschaWliche Konzept der „Polisreligion“ zugrunde; näheres dazu bei L. B. Z•ƒ€Ž•• / P. S„ˆŽƒŒŒ P••Œyx, Die Religion der Grie‑ chen. Kult und Mythos, aus dem Franz. übertr. von A. WiTenberg, München 1994; Rw›…y, Religion der Römer 24–27. Die Konzentration auf städtische Verhältnisse ist für die vorliegende Fragestellung auch insofern gerechtfertigt, als die Johannesoffen‑ barung dezidiert sieben städtische Gemeinden anschreibt und die entsprechende Küstenregion Kleinasiens im Gegensatz zum Binnenland durch Stadtkultur be‑ stimmt wird. Vgl. J|ˆ••|•, Asia Minor 77–87. Zu Stadt und Land als Lebensraum der frühen Christen EzxyŽ•••, Kultur 2, 104–115; vgl. auch Myy…•, Urchristentum 24–38. Im folgenden wird in diesem AbschniT meist die griechische Bezeichnung πόλις gebraucht, da diese im Unterschied zur deutschen die soziale Dimension der Stadt als GemeinschaW von Bürgen (πολίται) mit je spezifischen Rechten und Pflich‑ ten ausdrückt. Zur antiken Polis H. Byxxy•, Polis. KP 4 (1979) Sp. 976f.; vgl. auch Ezx‑ yŽ•••, Kultur 2, 116–123; A‚•†wŒŒyx, Verwaltung 39–46. Zu den kleinasiatischen Städten im 1. Jh. n. Chr. vgl. auch A. D. M•„z|, The Cities of Asia Minor under the Roman Imperium, in: ANRW II. 7.2 (1980) 656–697; Tˆ. Py…Áz~, Kleinasien unter rö‑ mischer HerrschaW, in: ANRW II. 7.2 (1980) 595–657 (Literatur). Vgl. auch SŒ•Ž‑ †•‚‹ˆ / B•x„ˆ,
Umfeld
145–150;
EzxyŽ•••,
Kultur
1, 169–177. 562 Zu den damit verbundenen Problemen der religionswissenschaWlichen und religi‑ onsgeschichtlichen Forschung und den heute üblichen Modellen der Beschreibung des Zusammenhangs politischer, ethnischer und religiöser Zugehörigkeit in der An‑ tike Kz•‚Œyz, Bürgerrecht 5–28; vgl. auch M‚Œˆ, Einführung 1–23; Kx•‚„…, Umwelt 1, 19–26;
EzxyŽ•••,
Kultur
1, 13–22. 563 Gegen die Reduktion auf den Kaiserkult als zeitgeschichtlichen Hintergrund der Jo‑ hannesoffenbarung bei R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 17f.; auch B‡„ˆyz, Johannesapo‑ kalypse 36–41, schließt sich den von ihm angeführten älteren Autoren (vor allem Bousset, Charles) an; ähnlich S„ˆ•yxxy, Einleitung 562f.; K‡•Œyz, Einführung 686f. Die neueren Kommentare ergänzen die Verfolgung aufgrund des Kaiserkultes meist um den sozialen und ökonomischen Druck, der auf den Gemeinden lastete; so z. B. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 25–30. Insgesamt bleibt der Kaiserkult der alles andere überlagernde hermeneutische Schlüssel zum Verständnis der Johannesoffenbarung (insbesondere
bei
der
Auslegung
von
Op
13
und
17).

292

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

wahrnehmen konnte, ohne mit dem paganen Kult in Berührung zu kommen. Die zentrale Frage ist folglich, ob die Konversion zum Chris‑ tentum und ein auch in der Praxis konsequentes monotheistisches Be‑ kenntnis zwangsläufig zum Bruch mit dem heidnischen Gemeinwesen führten. Ebenso ist zu bedenken, ob die theologisch reflektierte KompromissbereitschaW der Christen gegenüber der heidnischen Ge‑ sellschaW (und ihrem kultischen Leben) allein in einem politischen, so‑ zialen und ökonomischen Druck gründete, oder ob auch aus anderen Motiven eine legitime Teilnahme der Christen am alltäglichen Leben der
heidnischen
Polis
propagiert
und
praktiziert
wurde.

(1) Kult
und
Loyalität In den relativ wenigen literarischen Zeugnissen des 1. und 2. Jahrhun‑ derts erscheinen die frühen Christen als eine auffällig gewordene Min‑ derheit, die weitgehend negativ beurteilt wurde (vgl. Suet. Nero 16, 2; Tac. ann. 15, 44; Lukian. Peregr. 11–14.16).564 Aus den paganen Quellen lässt sich nicht eindeutig erkennen, wodurch Christen in der Öffentlich‑ keit allgemein erkennbar wurden und warum ihnen ihre heidnischen Mitbürger mit so heWiger Ablehnung oder gar Übergriffen begegneten. Die Annales des Tacitus (15, 44), der sog. Christen‑Brief des StaThalters Plinius an Trajan und die Replik des Kaisers Trajan (epist. 10, 96f.) spre‑ chen nur sehr allgemein von einem „Aberglauben“ (superstitio)565 und nennen die „Schandtaten“ (flagitia)566 der Christen als Grund für die Ver‑ folgung. Sowohl für Tacitus als auch für Plinius und Trajan rechtfertigt

564 Vgl. EzxyŽ•••, Kultur 3, 246f.; J|ˆ••|•, Asia Minor 89–92; K‡•Œyz, Einführung 442f. Dazu auch P. Pƒxˆ|}yz, Das Bild der christlichen Gemeinden in Lukians’ Peregrinos, in:
Lukian,
Der
Tod
des
Peregrinos
(SAPERE
9)
97–110. 565 Der Begriff superstitio umschließt alles, was römischer Religion nicht entsprach, und wurde häufig für fremde Kulte gebraucht, deren Praktiken man als merkwürdig empfand (so z. B. bei Cicero, Sueton, Tacitus, Livius). Vgl. K‡•Œyz, Einführung 374; K. A†yx, Superstitio. KP 5 (1979) Sp. 434; L•ŒŒy, Religionsgeschichte 268; R. M. Hyzzy‑ z•, Conceptos de religión y superstitión en las Etimologías de San Isidoro de Sevilla, in: Helmantica 44 (1993) 527–534; zum römischen Umgang mit superstitiones externae Kz•‚Œyz, Bürgerrecht 290–303. Zu Verwendung und Bedeutung von superstitio auch Gy|z‹y•,
Wb.
2, 2949. 566 An sich meint flagitium eine Tat, die zu öffentlichem Ausschelten (flagito) führt; es ist also eine „mit großer Schande verbundene, eine entehrende (ehrlose) Handlung, … eine Schändlichkeit, Schandtat, … ein entehrender Fehltri[, entehrender Irrtum, dann die aus diesen hervorgehende Schande (Ggstz. decus)“ (Gy|z‹y•, Wb. 1, 2778). Die den Christen vorgeworfenen flagitia waren wohl rituelle Verbrechen und Zauberei; vgl. D•ˆxˆyƒŽ, Geschichte
130.

Auswertung
und
Interpretation

293

das bloße Bekenntnis zum Christentum Verfolgung und Bestrafung (nomen ipsum), da die Christen – so Tacitus – sich des „Hasses auf das Menschengeschlecht“ (odium humani generis) schuldig gemacht häTen. Welcher Art die strafwürdigen Verbrechen der Christen waren (flagitia cohaerentia nomini), lässt sich den Texten des Tacitus und Plinius nicht entnehmen.567 Ein indirekter Hinweis findet sich allerdings am Ende von Plinius’ Brief an Trajan: Plinius lässt Trajan wissen, dass er durch sein konsequentes Einschreiten gegen die Christen in den Städten und Dörfern seiner Provinz den öffentlichen Kult der GöTer wieder belebt habe, den die starke Ausbreitung des Christentums in den Jahren zuvor fast zum Erliegen gebracht haTe; die Tempel werden wieder besucht, die feierlichen Opfer dargebracht und das Opferfleisch findet wieder seine Käufer.568 Daraus kann man wohl schließen, dass die Christen sich dadurch die FeindschaW ihrer Umwelt zuzogen, dass sie nicht am traditionellen
Opferkult
ihrer
Poleis
teilnahmen. Die Verweigerung der Teilnahme am Opferkult war in den Augen der Römer ein Akt, der das Wohl und den Bestand des Imperiums (sa‑ lus populi Romani) gefährdete und deshalb nicht geduldet werden konn‑ te.569 Denn nach der Überzeugung der Römer gründete ihre Macht und WeltherrschaW darin, dass sie in ihrer GoTesverehrung (religio) alle an‑ deren Völker übertrafen (vgl. Cic. har. resp. 19; nat. deor. 2, 8; Liv. 5, 1,6; Plb. 6, 56,6–8).570 Dabei verstanden sie religio nicht als emotionale Hin‑ wendung zu einer GoTheit, sondern als getreu gemäß den VorschriWen (ius divinum) vollzogene kultische Handlung, die den Menschen das Wohlwollen und die Zuwendung der GöTer sicherte (Prinzip des com‑

567 Knappe Anmerkungen zu Tac. ann. 15, 44 und Plin. epist. 10, 96f. mit Literaturanga‑ ben bei RƒŒŒyz, Alte Kirche 6f. und 14–16. Vgl. dazu auch Cˆzƒ•Œ, Kaiserzeit 232f. Zu den Christenbriefen des Plinius auch A. N. Sˆyz–ƒ•‑WˆƒŒy, The LeTers of Pliny. A Historical
and
Social
Commentary,
Oxford
1966;
vgl.
auch
Wƒx…y•,
Christians
1–30. 568 Zu
Plin.
epist.
10, 96,9f.
Tz•y€y,
Plinius
104f. 569 Aufgrund ihrer grundsätzlichen Toleranz gegenüber fremden Kulten stellte die Exis‑ tenz des Christentums an sich für die Römer noch kein Problem dar. Auch die Ver‑ weigerung dieser verschwindend kleinen Minderheit gegenüber dem traditionellen Opferkult sahen die Römer zunächst sicher nicht als Problem, das ein scharfes Ein‑ schreiten erforderte. Für Rom wurde das Christentum erst dann zum Problem, als es so stark wuchs, dass in bestimmten Gebieten die Ausübung des traditionellen Kultes deutlich wahrnehmbar zurückging und seine ordnungsgemäße Durchführung da‑ durch gefährdet war. Das Vorgehen der römischen Administration galt auch nicht der Glaubensüberzeugung des einzelnen Christen. Ziel war folglich nicht, dass es keine Christen mehr gibt, sondern dass der Kult ordnungsgemäß ausgeführt wird. Dafür sprechen zumindest die Ausführungen der Christenbriefe des Plinius. Ähn‑ lich
Ryƒ„ˆyzŒ,
Konfusion
230. 570 Dazu
M‚Œˆ,
Einführung
220–221;
ders.,
religio
291–299.

294

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

mercium).571 Die Ablehnung des traditionellen Opferdienstes und der damit verbundene Rückgang des Opferdienstes, wie ihn der Brief des Plinius als Folge der raschen Ausbreitung des Christentums in der Pro‑ vinz Pontus und Bithynien bezeugt, machte deshalb die Christen in den Augen der Römer als politische Aufrührer und UnruhestiWer ver‑ dächtig.572 Dabei darf man nicht vergessen, dass die christlichen Gemeinden ihren Ursprung auf einen Mann zurückführten, der der an‑ tirömischen Agitation für schuldig befunden und hingerichtet worden war (vgl. Tac. ann. 15, 44,3); diesen verehrten sie nun gleich einem GoT (vgl. Plin. epist. 10, 96,7).573 Um römischen Erwartungen gerecht zu werden, häTe für die Christen folglich eine formale, rein äußerliche Teilnahme am rituell‑kultischen Leben der Polis genügt.574 Die bereits

571 Deshalb kann religio als cultus deorum oder iustitia erga deos verstanden und um‑ schrieben werden. Die Beziehung zwischen den GöTern und den Menschen dachte man sich dabei nach Art eines Vertrages: Indem der Mensch seinen Vertragspflichten nachkam, erwartete man mit Selbstverständlichkeit, dass auch die GoTheit ihre Ver‑ pflichtungen erfüllte. Dabei erbrachte der Mensch aber nicht schon im Voraus seine Leistung, sondern verpflichtete sich durch ein Gelübde (votum), das er erfüllte, so‑ bald die GoTheit ihre Vertragspflichten erfüllt und damit die Annahme des Ver‑ trages angezeigt haTe (also des ut dem, nicht do ut des). Näheres bei M‚Œˆ, Einfüh‑ rung 218–220 (bes. Anm. 577) und 222–225 (hier bes. Anm. 582); ders., religio 338– 352. Zum Prinzip des Gabentausches und der Orthopraxie in der römischen Religion vgl. auch Rw›…y, Religion der Römer 19ff. passim. Diese römische Einstellung gegen‑ über Kult und GöTern spiegeln auch die Texte der frühchristlichen Apologen; vgl. z. B. Tert. Apol. 25,2f.; Min. Fel. 6, 2f.; 8, 2. Auch in nachkonstantinischer Zeit wurden auf dieser Basis immer noch Vorwürfe gegen das Christentum erhoben; vgl. M‚Œˆ, religio 296f. Der Abwehr derartiger Angriffe dient auch noch Augustinus’ SchriW De civitate
Dei. 572 Die Verfolgung und Bestrafung der Christen bedurWe deshalb auch keines Sonder‑ gesetzes; ebenso war es nicht nötig, die Christen aufgrund der Verweigerung des Opfers für den Kaiser des crimen laesae maiestatis zu beschuldigen. Vielmehr genügte ihre Ablehnung des mos Romanorum. Dazu M‚Œˆ, religio 310–314; vgl. auch Bz|ž, Kirchengeschichte 55f. Die synoptischen Passions‑Erzählungen lassen noch eine ähnliche Motivation für das Vorgehen der römischen Autoritäten gegen Jesus erken‑ nen. Offensichtlich machten Jesu jüdische Gegner ihn anhand seines Tempelprotes‑ tes (vgl. Mk 11,15–19 parr. und Mk 14,57f. par.) dem römischen StaThalter als politi‑ schen Aufständischen verdächtig, indem sie ihn als Ablehnung des von den Römern geforderten Opfers für die salus populi Romani interpretierten. Vgl. dazu G•ƒx…•, Je‑ sus
304–308. 573 Bei Lukian (ca. 120–180) Peregr. 11 erscheint die politische Ursache der Kreuzigung Jesu relativiert durch den Zusatz, Jesus sei wegen der Einführung eines neuen Kul‑ tes hingerichtet worden: ὃν ἔτι σέβουσι, τὸν ἄνϑρωπον τὸν ἐν τῇ Παλαιστίνῃ ἀνασκολοπιϑέντα, ὅτι καινὴν τελετὴν εἰσῆγεν ἐς τὸν βίον. Da τελετή meist den Initiationsritus der Mysterien bezeichnet (Lƒ€€yxx / S„|ŒŒ, Lex. 1771), zeigt sich hier, wie das Chris‑ tentum
auf
heidnische
Zeitgenossen
wirkte. 574 Bei Griechen und Römern konnten Dichter und Philosophen durchaus heWige Kritik an der traditionellen Religion üben, ohne deshalb Verfolgung oder gar einen Asebie‑

Auswertung
und
Interpretation

295

erwähnte Unterscheidung von äußerem Tun und innerer Einstellung, wie sie bereits um die MiTe des 1. Jh.s in der christlichen Gemeinde von Korinth kontrovers diskutiert wurde (vgl. 1 Kor 8,4–13), war demnach auch
im
Wesen
der
römischen
Religion
grundgelegt.575 Damit ist grundsätzlich erklärt, warum die kleinasiatischen Chris‑ ten, an die sich die Johannesoffenbarung wendet, mit den römischen Machthabern in Konflikt geraten konnten und mussten. Neben dem Konflikt mit der römischen Autorität ist aber auch das Verhältnis zur eingesessenen, mehrheitlich „griechischen“ Bevölkerung in den klein‑ asiatischen Städten zu bedenken.576 Auch für sie gab es offensichtlich gewichtige Gründe, an den Christen Anstoß zu nehmen; denn zumin‑ dest nach dem Zeugnis des Plinius beteiligte sich die Bevölkerung am Vorgehen der römischen Behörden gegen die Christen mit zum Teil an‑ onymen Anklageschreiben (vgl. epist. 10, 96,5: propositus est libellus sine auctore multorum nomina continens).577 Diese Aversion gegen die Christen

Prozess fürchten zu müssen. Aus der älteren Zeit ist hier Xenophanes von Kolophon (6./5. Jh. v. Chr.), für die klassische Zeit sind Euripides und Platon (5./4. Jh. v. Chr.), für die später Zeit T. Lucretius Carus (ca. 97–55 v. Chr.) mit seinem epikureische Lehrge‑ dicht De rerum natura, im 1. Jh. Seneca und der ältere Plinius zu nennen. Zur antiken Kultkritik EzxyŽ•••, Kultur 1, 56–59; zur Religion des Dichter und Philosophen bei Griechen und Römern M‚Œˆ, Einführung 154–180. 196–199. 309–322; L•ŒŒy, Religi‑ onsgeschichte 331–337. 358; vgl. dazu auch Gƒ‹|•, Kultur 82–85; zu den literarischen Zeugnissen
für
Asebie‑Prozesse
Kz•‚Œyz,
Bürgerrecht
231–242. 575 Dabei muss man sich hüten, die antike Religion und Religiosität an den Maßstäben der christlich‑jüdischen Religion zu messen, die vor allem infolge der atl. Prophetie zu einem GoTesverständnis fand, das die gesamte Existenz des Menschen und sein Handeln bestimmen will, so dass Glaube und tägliche Praxis sich nicht voneinander trennen lassen. Vgl. dazu Kx•‚„…, Umwelt 2, 71. Bei Heidenchristen, die über die all‑ gemeinen monotheistischen Tendenzen in der hellenistischen Philosophie und Reli‑ gion zum Christentum kamen, mag die kulturell ererbte Trennung zwischen Glaube und Praxis auch immer wieder Entscheidungen in ihrem christlichen Leben mitbe‑ stimmt haben. Die rein formal‑äußerliche Teilnahme am öffentlichen Kult der Polis und des Imperiums wurde von ihnen deshalb zunächst nicht als Widerspruch zum persönlichen monotheistisch‑christlichen Bekenntnis empfunden; eine solche „Tren‑ nung“ war, oberflächlich betrachtet, letztlich nichts anderes als die Fortführung ihrer bisherigen
religiös‑kultischen
Praxis. 576 Die Mehrheit der Bevölkerung Kleinasiens war zwar auch im Hellenismus und der Kaiserzeit nicht griechischer Abstammung, doch sprach die politisch und gesell‑ schaWlich tonangebende Schicht der Reichen und Gebildeten Griechisch und fühlte sich der griechischen Welt zugehörig; Grieche war man nicht aufgrund von Geburt, sondern
von
Bildung
(vgl.
das
Dictum
bei
Isoc.
50). 577 Einschränkend ist anzumerken, dass sich die Aussage des Plinius auf eine andere Region Kleinasiens und eine spätere Zeit bezieht (ca. zwei bis drei Jahrzehnte später in einer Gegeng weiter im Landesinneren Kleinasiens); doch ist ähnliches auch für andere Gebiete Kleinasiens und frühere Zeiten vorstellbar. Fzy‚€y•†yz‹yz, Verhal‑ ten 117f. meint, dass diese Anzeigen gegen Christen deshalb anonym erfolgten, weil

296

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

war sicherlich nicht allein dadurch motiviert, dass man ihre Verweige‑ rung gegenüber dem traditionellen GöTerkult als Auflehnung gegen die römische HerrschaW missbilligte.578 Dagegen spricht, dass auch bei anderen Gruppen in der heidnischen Bevölkerung Kleinasiens durch‑ aus antirömische Tendenzen beheimatet waren.579 Im Wissen darum dürWe freilich die römische Provinzverwaltung die stetige Ausbreitung der politisch verdächtigen Christen umso aufmerksamer und kritischer beobachtet
haben.

(2) Kult
und
Polis Die christliche Ablehnung der traditionellen Poliskulte traf die mehr‑ heitlich griechische Bevölkerung der kleinasiatischen Städte jedoch in ihrem kulturellen und politischen Selbstbewusstsein.580 Der Verlust der politischen Selbständigkeit der griechischen Städte und das Eindringen orientalischer Kulte haTen in der Zeit des Hellenismus zum Erstarren und zur Veräußerlichung der alten Polisreligion geführt, zugleich aber wurden ihre Kulte mit immer größerem Aufwand betrieben, da sie nach dem Verlust der politischen Selbständigkeit das zentrale MiTel waren, in dem sich der Bürgersinn und das Selbstverständnis der Polis ausdrücken konnte.581 Diese Situation blieb auch unter der römischen

578

579 580

581

die Ankläger (delatores) wussten, dass ihre Anschuldigungen unberechtigt waren und
sich
so
ihrerseits
vor
eine
Gegenanzeige
schützen
wollten
(Kalumnienprozess). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass seit dem 2. Jh. v. Chr. sich in der Folge der rö‑ mischen Erfolge und der Ausdehnung des Imperiums auch in der griechischen Welt die Überzeugung durchgesetzt haTe, dass die HerrschaW der Römer von den GöTern gewollt war. Durch Unterwerfung und Zeichen der Loyalität bekundete man deshalb zugleich seine Anerkennung und Verehrung gegenüber diesem göTli‑ chen Willen. Vgl. Gƒ‹|•, Kultur 77f.; L•ŒŒy, Religionsgeschichte 312–326. Die Nicht‑ Teilnahme der Christen am Kaiserkult konnte also auch für Griechen den Anschein nicht nur der Ablehnung des römischen HerrschaWsanspruchs, sondern auch der Auflehnung
gegen
den
göTlichen
Willen
erwecken. Dazu
J|ˆ••|•,
Asia
Minor
92–97,
bes.
96f. Vgl. Pzƒ„y, Rituals 122–125. Gewöhnlich differenziert man zwischen den zentralen öffentlichen Kulten, Vereinskulten und privaten Kulten; dabei ist nicht unumstriTen, wann ein Kult als privat oder öffentlich gelten kann; vgl. Kz•‚Œyz, Bürgerrecht 55. Da diese Unterscheidung für die hier interessierende Frage der Nicht‑Teilnahme der Christen an den Kulten der Polis nachrangig ist, kann auf diese Differenzierung ver‑ zichtet werden. Deshalb werden unter Poliskulte hier – im Unterschied zu den Mys‑ terien – alle Kulte verstanden, deren Opferfeiern im öffentlichen Raum der Polis vollzogen werden, gleichgültig ob sie von der Polis, einem Verein oder einem Privat‑ mann
organisiert
und
finanziert
werden. Zum hohen Stellenwert von Kult und Fest für das Selbstbewusstsein der kleinasiati‑

Auswertung
und
Interpretation

297

HerrschaW bestehen. Die alten Kulte wurden von den Kaisern wieder‑ hergestellt und gefördert, doch wurden die Priesterämter mehr und mehr in den Beamtenapparat der Städte eingegliedert und als Aus‑ zeichnung an Mitglieder der reichen und angesehenen Familien verge‑ ben.582 Da für die Mitglieder dieser Familien im Imperium Romanum eine eigentliche politische Karriere nicht mehr möglich war, wurde für sie das Engagement im Poliskult und das Streben nach Priesterämtern zur zentralen Möglichkeit, ihren sozialen Status und ihren Reichtum zu demonstrieren.583 Darum traf es insbesondere die politisch einflussrei‑ che städtische Oberschicht, wenn der Kult der Polis im öffentlichen Le‑ ben an Relevanz und Akzeptanz verlor. An einer Ausbreitung des schen Städte in der Kaiserzeit M. W‡zzxy, Stadt und Fest im kaiserzeitlichen Klein‑ asien, München 1988; zur Festkultur, religiösen Vergangenheitskonstruktion und Identität vgl. auch E. SŒy›ˆ••, Honoratioren, Griechen, Polisbürger. Kollektive Iden‑ titäten innerhalb der Oberschicht des kaiserzeitlichen Kleinasien (Hyp. 143), GöTin‑ gen 2002. Zu Veräußerlichung und Erstarren der traditionellen griechischen Religion in der hellenistisch‑römischen Zeit M‚Œˆ, Einführung 181–201; Gƒ‹|•, Kultur 81–85. Aufgrund der zahlreichen StiWungen für die prunkvolle Ausgestaltungen der Feste des Poliskultes und des dadurch vermehrten Zustroms von „Schaulustigen“ sollte man jedoch nicht pauschalisierend von einem allgemeinen Niedergang der traditio‑ nellen religiösen Praxis sprechen; dazu Kx•‚„…, Johannesoffenbarung 4 [Manuskript des Vf.s]. Zu den kleinasiatischen Kulten in der Kaiserzeit Nƒx••|•, Religion 340– 345; vgl. auch K‡•Œyz, Einführung 172–202. Zum geistigen Klima in den kleinasiati‑ schen
Städten
im
1. Jh. n. Chr.
und
seinen
Hintergründen
auch
Gƒ‹|•,
Kultur
18–33. 582 Dazu Nƒx••|•, Religionsgeschichte 318–320; vgl. auch Kz•‚Œyz, Bürgerrecht 94. Hierher gehören besonders auch die provinzialen PriesterschaWen des Kaiserkultes mit
dem
ἀρχιερεὺς Ἀσίης;
näheres
dazu
Fzƒy•y•,
Neokoros
76–113. 583 Vgl. D•ˆxˆyƒŽ, Geschichte 32. 59f.; zu den Aufgaben und zur Stellung der politi‑ schen Eliten im römischen Kaiserreich vgl. ebd. 30–54. Reichtum verlieh in der rö‑ misch‑hellenistischen Welt Prestige, Ansehen und Einfluss. Deshalb war das Zur‑ Schau‑Stellen von Reichtum in Form von persönlichem Luxus und der Finanzierung verschwenderischer öffentlicher Inszenierungen, wie z. B. Theateraufführungen, Spiele, aber auch kultischer Feste, ein zentrales MiTel zur Festigung der eigenen so‑ zialen Stellung. Dazu K.‑W. Wyy†yz, Die Schwelgerei das süße GiW … Luxus im alten Rom, Darmstadt 2003. Der Zugang zu den hohen, prestigeträchtigen Verwaltungs‑ ämtern des Imperium Romanum (z. B. das Amt des StaThalters einer Provinz) stand nur den Mitgliedern des römischen Senatoren‑ und RiTerstandes, nicht aber den Mitgliedern der provinzialen Eliten offen. Diese waren auf die Übernahme der städ‑ tischen Verwaltungsämter und nachgeordnete Stellen im Verwaltungsapparat des Reiches verwiesen; zu HerkunW und Qualifikation der Mitglieder der Reichsverwal‑ tung A‚•†wŒŒyx, Verwaltung 167–179. Als Beispiel für das Engagement der städti‑ schen Eliten im Poliskult sei auf die inschriWlich bezeugten StiWungen des Vibius Salutaris für den Kult und das Heiligtum der Artemis in Ephesus verwiesen [IvE 27 in: H. W••…yx (Hg.), Die InschriWen von Ephesos, Bd. 1–8 (InschriWen griechischer Städte aus Kleinasien, 11.1 – 17.4), hier: Ia (1979) 167–222]. Zur InschriW vgl. Kx•‚„…, Johannesoffenbarung 2–5 [Manuskript des Vf.s]. Vibius Salutaris entstammte dem römischen RiTerstand, haTe sich aber nach einer politischen Karriere im Westen des Reiches
in
Ephesus
niedergelassen
und
war
hier
Bürger
und
Ratsherr.

298

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Christentums, mit den bei Plinius genannten Folgen, konnte den städti‑ schen Eliten deshalb wenig gelegen sein. Ressentiments und Ausschrei‑ tungen gegen Christen seitens der niederen sozialen Schichten erklären sich deshalb wohl primär durch die antichristliche Propaganda von Mitgliedern der Oberschicht, unterstützt durch vielfältige soziale und ökonomische
Abhängigkeitsverhältnisse. In diesem Zusammenhang ist auch der in Kleinasien blühende Kai‑ serkult zu sehen.584 Er bot den städtischen Eliten über die eigene Status‑ präsentation hinaus die Möglichkeit, ihre Dankbarkeit für den in der römischen HerrschaW begründeten wirtschaWlichen Aufschwung ihrer Poleis auszudrücken und dem Imperium Romanum und dem römi‑ schen Kaiser ihre Loyalität zu bekunden.585 Der Kaiserkult war nicht von oben angeordnet, sondern spontaner Akt der kleinasiatischen Städ‑ te, die untereinander in seiner prunkvollen Ausgestaltung weTeiferten und um den Ehrentitel Neokoros („Tempelhüterin“) konkurrierten, den der römische Senat als Auszeichnung für besondere Verdienste um den Kaiserkult verlieh.586 Unter den Städten, die diesen Ehrentitel trugen waren Ephesus, Pergamon und Smyrna, die in den Sendschreiben der Johannesoffenbarung genannt sind. Die Verweigerung der Christen ge‑ genüber dem Kaiserkult traf folglich mehr das Selbstbewusstsein der Oberschicht
als
deren
religiöses
Empfinden. 584 Der römische Kaiserkult (in Kleinasien) fußte auf den griechischen Heroen‑ und Wohltäterkulten sowie auf den Herrscherkulten der hellenistischen Reiche; dazu M‚Œˆ, Einführung 193–196; Kx•‚„…, Umwelt 2, 19–45 [hier grundlegende weiterfüh‑ rende Literatur]; G. W. B|–yz•||…, Augustus und der Kaiserkult im Osten, in: Wlo‑ sok, Kaiserkult 389–402 [dt. Übers. von ders., Augustus and the Greek Word, Oxford 1965, 112–121. 150f.]; E. K|z•yŽ•••, Zur Geschichte der antiken Herrscherkulte, in: Klio 1 (1901) 51–146; C. H•†ƒ„ˆŒ, GoTmenschentum und griechische Städte (Zet. 14), München 21970; B. F‚•„…, Herrscherkult der Seleukiden – Religion einer Elite oder Reichsideologie, in: Klio 73 (1991) 402–407; I. Gz•€yx, Emperor Worship and Roman Religion, Oxford / New York 2002; vgl. auch Gƒ‹|•, Kultur 78–81; L•ŒŒy, Religions‑ geschichte 312–326; EzxyŽ•••, Kultur 3, 210–217. Ausführlich zur Entwicklung des Kaiserkultes
im
römischen
Kleinasien
auch
Fzƒy•y•,
Neokoros
7–75. 585 Zu dieser doppelten, politischen und sozialen Funktion des kleinasiatischen Kaiser‑ kultes
Nƒx••|•,
Religion
384–386. 586 Näheres zum Titel und Konzept „Nekoros“ und seiner Bedeutung für das Selbstver‑ ständnis der kleinasiatischen Poleis bei Fzƒy•y•, Neokoros 152–158; zur Konkurrenz der Städte um den Titel Pzƒ„y, Rituals 126–132. Vgl. auch Kx•‚„…, Umwelt 2, 71–73; SŒ•Ž†•‚‹ˆ / B•x„ˆ, Umfeld 146f. Bereits die Uneinheitlichkeit der Augustus‑/Kaiser‑ verehrung im Imperium Romanum zeigt deutlich, dass der Kaiserkult nicht von oben planmäßig und systematisch als über die kulturellen Grenzen der verschiede‑ nen unterworfenen Völker hinweg einheitsstiWendes Element verordnet und organi‑ siert wurde. Vgl. auch Wx|•|…, Einführung 32f. 46, in: dies., Kaiserkult 1–52. Aus diesem Grund ist auch die Annahme einer mit dem Kaiserkult verbundenen reichs‑ weiten,
systematischen
Christenverfolgung
wenig
plausibel.

Auswertung
und
Interpretation

299

Da der Kaiserkult durch die römische Macht den Städten Kleinasi‑ ens nicht offiziell verordnet worden war, ist eine besondere Kontrolle durch den StaThalter und seine Vertreter kaum anzunehmen. Die römi‑ sche Verwaltung ging – wie sich dem Christenbrief des Plinius ent‑ nehmen lässt – wohl erst auf Anzeigen seitens der Stadtbevölkerung gegen die Christen vor, falls sie nicht sogar erst dadurch auf deren Nicht‑Teilnahme am Kaiserkult aufmerksam wurde.587 Signifikant ist in diesem Zusammenhang, dass es noch in den Jahren 109–113, als Plinius das Amt des StaThalters in Pontus und Bithynien innehaTe, keine gene‑ rellen Richtlinien für die Behandlung der Christen gab.588 Die von ihm durchgeführte Opferprobe vor den Statuen der GöTer und des Kaisers lässt vermuten, dass das Verhalten der Christen durch ihre Ankläger als
mangelnde
Loyalität
dargestellt
wurde.589 Damit ist zwar erklärt, warum die Christen in den kleinasiatischen Städten mit ihren heidnischen Mitbürgern und den römischen Macht‑ habern in Konflikt gerieten; offen aber ist die Frage, wie und wo die Nicht‑Teilnahme der Christen am kultischen Leben der Polis für ihre Mitbürger sichtbar wurde.590 Denn die griechische und die römische Religion kannten keinen täglichen oder wöchentlichen GoTesdienst, an dem die gesamte Kultgemeinde teilnahm. Die meisten offiziellen Kulte bestanden aus einem einmal im Jahr durch das aus der Oberschicht stammende Kultpersonal vollzogenen blutigen Opferritus; das Volk nahm daran höchstens als Zuschauer aus der Ferne teil.591 Erst unter dem Einfluss der ägyptischen und orientalischen Kulte haTe sich in der

587 So
auch
Bz|ž,
Kirchengeschichte
51f. 588 Vgl. Ryƒ„ˆyzŒ, Konfusion 243–246; Tz•y€y, Plinius 113f. Die traditionelle Sicht, die Opferprobe bei Plinius stelle ein bereits lange übliches und erprobtes Verfahren dar, darf durch Reicherts Untersuchung der epist. 10, 96 als widerlegt gelten. HäTe Do‑ mitian in Kleinasien den Kaiserkult forciert und wäre es dadurch zu zahlreichen Hinrichtungen von Christen gekommen, müssten Plinius oder Trajan auf ein festes Verfahren für den Umgang mit angezeigten Christen verweisen können. Anders Kx•‚„…, Sendschreiben 162f.; vgl. auch D•ˆxˆyƒŽ, Geschichte 130f. Zum Fehlen ein‑ deutiger Belege für eine Christenverfolgung unter Domitian bei AbschniT IV. 4b Punkt
(1)
und
(3). 589 Ausführlich zu Funktion und Bedeutung der bei Plinius erwähnten kaiserlichen Kultbilder
Pzƒ„y,
Rituals
170–206. 590 Auch Pzƒ„y, Rituals 124f., sieht den Grund für den Konflikt zwischen den Christen und ihrer paganen Umwelt, Polis wie Imperium, in den sichtbaren Zeichen der Nicht‑Teilnahme und Ablehnung des traditionellen Opferkultes. Der Kaiserkult war nur
ein
Teil
dieses
Konfliktes,
nicht
das
Zentrum. 591 Vgl. L•ŒŒy, Religionsgeschichte 375–393; 381–384. Kx•‚„…, Umwelt 1, 27–47; dazu auch Kz•‚Œyz, Bürgerrecht 70–94 (unter Berücksichtigung der Frage, wer an Kult‑ handlungen
teilnehmen
und
wer
sie
ausführen
darf).

300

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

griechisch‑römischen Welt ein täglicher GoTesdienst als Akt persönli‑ cher
Frömmigkeit
entwickelt.592 Die Orte der persönlichen Frömmigkeit waren für die Mitglieder al‑ ler sozialen Schichten die oW analog zu den traditionellen Mysterien or‑ ganisierten Kulte des Dionysos, des ATis, der Magna Mater, der Isis und des Mithras, in denen die Eingeweihten in der persönlichen Begeg‑ nung mit der GoTheit Heil und ReTung suchten und efuhren.593 Da der traditionelle Opferkult der Polis nur in großen Abständen vollzogen wurde und kein Mitwirken der Kultversammlung kannte, ist fraglich, in welchem Umfang ein Fernbleiben der Christen von ihren Mitbür‑ gern überhaupt bemerkt wurde.594 Die Verweigerung der Christen ge‑ gen den Poliskult musste sich also vornehmlich in anderen Kontexten zeigen. Die hellenistisch‑römische Polis verlangte von ihren Bürgern zwar keine öffentlichen Bekenntnisakte als Zeichen der Zugehörigkeit zu ih‑ rem Kult, doch waren Kult und Religion so sehr Teil des Lebens der Po‑ lis, dass jeder, der an ihrem Leben teilnehmen wollte, zwangsläufig 592 Vgl. Nƒx••|•, Religion 381–384. Natürlich gab es auch in der traditionellen paganen Religion Formen, seine persönliche Verehrung und Ergebenheit gegenüber einer GoThet auszudrücken: durch Innehalten am Eingang eines Tempels, durch Bekrän‑ zen oder symbolisches Küssen einer Statue (vgl. Min. Fel. 2); doch waren diese Handlungen nicht integrativer Bestandteil des öffentlichen Kultes. Vgl. dazu SŒ•Ž‑ †•‚‹ˆ / B•x„ˆ,
Umfeld
126. 593 Von den zahlreichen Mysterienkulten der hellenistisch‑römischen Zeit sind hier nur die bedeutendsten genannt. Ein Überblick zu diesen Kulten bei Kx•‚„…, Umwelt 1, 77–128; zu den Mysterienkulten insgesamt Nƒx••|•, Religion 90–103. 345–372; zu ihrer Charakteristik ebd. 679–701. An weiteren orientalischen GoTheiten, die in eige‑ nen Mysterienkulten verehrt wurden, wären z. B. zu nennen: die Magna Mater (Ky‑ bele), Sarapis, Kotyto (kein eigentlicher Geheimkult), Astarte, Men und Atargatis (Dea Syria), wobei diese „neuen“ GoTheiten unter dem Einfluss von interpretatio Graeca und GöTersynkretismus zum Teil mit traditionellen griechischen GoTheiten identifiziert wurden. Vgl. M‚Œˆ, Einführung 186–193. Die Funktion dieser Mysterien erschöpWe sich freilich nicht in der Befriedigung religiöser Bedürfnisse; sie dienten auch der sozialen IdentitätsstiWung und schufen wirtschaWliche Verbünde und Netzwerke. Einige dieser Kulte stellten spezifische „Elitenreligionen“ dar, so z. B. die Kulte der Isis, der Magna Mater und des Dionysos. Näheres dazu bei W. B‚z…yzŒ, Antike Mysterien. Funktion und Gehalt, München 1990; L’association dionysiaque dans les sociétées anciennes. Actes de la table ronde organisée par l’École Francaise de Rome (Collection de’École Francaise de Rome 89), Rom 1986. Vgl. auch Gƒ‹|•, Kultur 86–103; SŒ•Ž†•‚‹ˆ / B•x„ˆ, Umfeld 128–133; Kz•‚Œyz, Bürgerrecht 100–106; L•ŒŒy,
Religionsgeschichte
342–353. 594 Insgesamt war die griechisch‑römische Polis durch das Nebeneinander einer breit gestreuten, diffusen Religiosität bestimmt, die Religion gelegentlich konsumierte und eher folkloristisch betrieb. Näheres dazu J. Rw›…y, Antike Großstadtreligion, in: Ch. Batsch u. a. (Hg.), Zwischen Krise und Alltag. Antike Religion im MiTelmeer‑ raum
(PAwB
1),
StuTgart
1999,
13–30.

Auswertung
und
Interpretation

301

auch an ihrem Kult teilnehmen musste.595 Im Zentrum des Poliskultes standen die meist blutigen Opferrituale, er erschöpWe sich aber nicht darin. Dies zeigt sich besonders an den großen Kultfesten.596 Durch prächtige Prozessionen wurde der gesamte Raum der Polis in die Feste mit einbezogen. Die Hausbesitzer schmückten ihre Häuser und opfer‑ ten beim Vorbeiziehen der Prozession auf Altären vor ihren Häusern.597 Sein Haus nicht zu schmücken und nicht zu opfern, war zwar keine StraWat, konnte der Öffentlichkeit aber nicht verborgen bleiben, zumal wenn sich dies wiederholte und nicht auf die Feiern einzelner Kulte be‑ schränkt war.598 Außerdem fanden bei den großen Kultfesten sportliche und musische Agone sowie Theateraufführungen staT.599 Die Religion war hier nicht nur durch die Themen der alten Mythen, sondern auch durch Opfer und Gebete präsent. Da die Sitzordnung der Theater, Am‑ phitheater und Hippodrome die ständische Gliederung der Gesell‑ schaW spiegelte, fiel zumindest die regelmäßige Abwesenheit von Mit‑ gliedern der Oberschicht auf, insbesondere wenn es sich um Bürger handelte, die sich durch ihre Verdienste um die Polis das Recht eines Ehrenplatzes
erworben
haTen.600

595 Vgl. EzxyŽ•••, Kultur 1, 22. Eine mit Sanktionen bewehrte Kultpflicht lässt sich für die griechischen Poleis Kleinasiens zumindest durch literarische oder epigraphische Zeugnisse
nicht
nachweisen;
vgl.
Kz•‚Œyz,
Bürgerrecht
279. 596 Dazu SŒ•Ž†•‚‹ˆ / B•x„ˆ, Umfeld 114–117. Bedeutende Kultfeste fanden in Kleinasi‑ en in Ephesus (Artemis, Kaiserkult), Pergamon (Asklepios, Kaiserkult), Philadelphia (Spiele zu Ehren des Zeus Helios und der iranischen GöTin Anaitis), Perge (für die Artemis Pergaia in einem Heiligtum nahe der Stadt) und Smyrna (Kaiserkult) staT. Vgl. auch A. Cˆ••|Œƒ•, Sich selbst feiern? Städtische Feste des Hellenismus im Span‑ nungsfeld von Religion und Politik, in: M. Wörrle / P. Zanker (Hg.), Stadtbild und Bürgerbild im Hellenismus. Kolloquium München 24. bis 26. Juni 1993, München 1995,
47–172;
. 597 Solche Altäre sind nicht nur literarisch belegt, sondern wurden teilweise auch in situ ausgegraben;
vgl.
Pzƒ„y,
Rituals
112. 598 Da den frühen Christen die Häuser vermögender Christen als Orte für ihre Zusam‑ menkünWe dienten, ist es selbstverständlich, dass es christliche Hausbesitzer gab (vgl.
z. B.
Apg
9,37;
12,12;
16,15.32;
18,7;
Röm
16,5.10f.15;
Kol
4,15;
1 Tim
5,16) 599 Vgl. dazu P. HyzŠ, Die musische Agonistik und der Kunstbetrieb der Kaiserzeit, in: J. Blänsdorf u. a. (Hg.), Theater und GesellschaW im Imperium Romanum (Mainzer Forschungen zu Drama und Theater 4), Tübingen 1990, 175–195; ders., Die Entwick‑ lung der griechischen Agonistik in der Kaiserzeit, in: N. Müller / M. Messing (Hg.), Olympische
Studien,
Niederhausen
1988,
111–131. 600 Vgl. EzxyŽ•••, Kultur 2, 93f.; zu Theater und Spiel auch ebd. 123–127. Die soziale, kulturelle, aber auch religiöse Performanz solcher amphitheatralischen Inszenierun‑ gen lässt sich an der siebten Ekloge des Calpurnius Siculus ablesen, eines Dichters aus der Zeit des Kaisers Nero. In diesem Gedicht ist das Amphitheater Ort der Be‑ gegnung mit dem göTlichen Kaiser. Der Text ist zudem ein Beleg für die ständisch gegliederte Sitzordnung des Amphitheaters. Vgl. dazu J. C. E€Ž|•€•|•, The Cultu‑

302

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Die Abgrenzung gegenüber dem heidnischen Kult bedeutete für Christen, die über das Bürgerrecht der Polis verfügten, dass sie weder ihre Rechte noch ihre Pflichten als Bürger wahrnehmen konnten. Denn Gebete und Opfer begleiteten die Volks‑ und Ratsversammlungen. Von den vornehmen und vermögenderen Bürgern wurde zudem die Über‑ nahme von höheren städtischen Verwaltungsämtern und den damit verbundenen öffentlichen Dienstleistungen (λειτουργίαι bzw. munera) erwartet.601 Dazu gehörten unter anderem die Errichtung und Instand‑ haltung von öffentlichen Bauten (darunter auch Tempel), die Versor‑ gung der Gemeinde mit LebensmiTeln, die Übernahme von Gesandt‑ schaWen und auch die Abhaltung religiöser Feste und Spiele. All diese Aufgaben boten reichlich Gelegenheit für Kontakte mit dem heidni‑ schen Kult. Da jede Polis auf dieses finanzielle Engagement der Ober‑ schicht angewiesen war, führte es unweigerlich in den Konflikt mit der Polis, wenn man die Übernahme eines Amtes und der zugehörigen λειτουργίαι
verweigerte.602 Mit Kult und Religion waren aber auch andere Bereiche des gesell‑ schaWlichen Lebens der Polis verbunden. Einen prominenten Platz nahm hier das Gastmahl ein (δεῖπνον/cena). Zum Gastmahl mit dem an‑ schließenden συμπόσιον gehörte der Vortrag von Texten mit mythisch‑ em Inhalt ebenso wie das Ausgießen von Trankspenden für die GoT‑ heiten.603 Gastmahl und συμπόσιον können in ihrer Bedeutung für das Zusammenleben der Bürger nicht überschätzt werden. Es diente nicht nur dem Zusammensein mit Freunden, sondern war der Ort, an dem ral Politics of Public Spectacle in Rome and the Greek East, 167–166 BCE, in: B. Berg‑ mann / C. Kondoleon (Hg.), The Art of Ancient Spectacle, London 1999, 77–95. Zu Funktion und Bedeutung der Spiele im Römischen Reich auch M. Cx•Ÿyx‑LyŸy‚y, L’espace des jeux dans le monde romain: hégémonie, symbolique et pratique sociale, in: ANRW II. 16.3 (1986) 2405–2563; ders., L’empire en jeux. Espace symbolique et pratique
sociale
dans
le
monde
romain,
Paris
1984. 601 Näheres zur städtischen Verwaltung und den öffentlichen Pflichten der reichen Bür‑ ger A‚•†wŒŒyx, Verwaltung 39–46; EzxyŽ•••, Kultur 2, 119–121; vgl. auch D•xˆyƒŽ, Geschichte 48–54. Die munera/λειτουργίαι konnten einen sehr unterschiedlichen Um‑ fang
haben,
je
nach
der
finanziellen
Leistungsfähigkeit
eines
Bürgers. 602 In der Kaiserzeit versuchten nicht nur Bürger mit geringerem Vermögen sich den munera/λειτουργίαι zu entziehen, indem sie in einen anderen Teil des Reiches umzo‑ gen oder nicht standesgemäß heirateten. Umgekehrt unterstützte der Kaiser die Städte in ihrem Bemühen, dass ihnen keine munera‑pflichtigen Bürger verloren gin‑ gen. Dies zeigt, dass die Poleis eine Verweigerung nicht duldeten. Vgl. A‚•†wŒŒyx, Verwaltung
185–190;
D•ˆxˆyƒŽ,
Geschichte
52;
Q‚•••,
Honoratiorenschicht
184f. 603 Die SäTigungsmahlzeit (δεῖπνον) wird durch eine Trankspende (σπονδή) beschlos‑ sen, die von einem Paian (Apollonhymnus) begleitet wird; bei den Römern wird an dieser Stelle den Laren geopfert. Daran schließt sich das feierliche Trinkgelage (συμπόσιον).
Ein
kurzer
Überblick
zu
den
TischsiTen
bei
EzxyŽ••,
Kultur
2, 34–37.

Auswertung
und
Interpretation

303

man den eigenen Status demonstrierte sowie soziale und politische Bindungen pflegte.604 Für das eigene Ansehen und die eigene Stellung war von entscheidender Bedeutung, bei wem man als Gast geladen war und wer bei einem selbst als Gast speiste. Ein Christ, der mit der paga‑ nen Religion nicht in Berührung kommen wollte, musste die Einladung zum Gastmahl in ein heidnisches Haus ausschlagen, zumal er damit rechnen musste, dass das angebotene Fleisch aus dem Opferbetrieb stammte. Er konnte aber auch umgekehrt keine heidnischen Gäste zum Gastmahl in sein Haus laden, nicht nur weil diese vielleicht am Fehlen von Riten zu Ehren der traditionellen GöTer Anstoß genommen häTen, sondern
weil
er
mit
einer
Gegeneinladung
rechnen
musste.605 Dabei vergisst man allzu leicht, dass in dieser Zeit die meisten Mit‑ glieder der christlichen Gemeinden nicht als Christen geboren worden waren. Folglich haTen sie eine nicht‑christliche Vergangenheit, die eine Vielzahl sozialer Bindungen einschloss, aus denen sich Erwartungen und Verpflichtungen ergaben. Ohne Zweifel haTen die meisten Chris‑ ten heidnische Freunde und Verwandte.606 Wenn sie den gewohnten Umgang mit ihnen aufrecht erhalten wollten, mussten sie auch an den Festen und Gastmählern heidnischer Häuser teilnehmen. Außerdem waren viele Christen vor ihrer Konversion gewiss Mitglieder in religi‑ ösen und/oder in Berufsvereinen (τὸ κοῖνον, ϑίασος, ἔρανος, συσσίτιον,

604 Die hohe kulturelle und gesellschaWliche Relevanz des δεῖπνον/συμπόσιον bzw. des conviviums zeigt sich darin, dass es bei Griechen und Römern einen reichen literari‑ schen Niederschlag fand; so die Gastmahlszenen und ‑schliderungen bei Homer, Platon (Smp.), Xenophon (Smp.), Athenaios (Deipnosophistai), Lukian (Symp.), Enni‑ us (Hedyphagetica), Horaz (sat. 2, 8) und Petron (Satirae). Auch das NT kennt zahlrei‑ che Schilderungen von Gastmählern. Aus der späteren christlichen Literatur lassen sich das Symposion des Methodius von Olymp und die Cena Cypriani nennen. Von dem bei Hier. vir. ill. 100 genannten Symposion des Laktanz ist nichts erhalten. Aus‑ führlich J. M•zŒƒ•, Deipnonliteratur, in: RAC 3 (1957) Sp. 658–666; vgl. auch J. Rw›…y, Kommensalität und GesellschaWsstruktur. Tafelfreu(n)de im alten Rom, in: Saecu‑ lum 49 (1998) 193–215. Zum convivium und Symposion vgl. auch K. V‡••ƒ•‹, Mensa Regia. Das BankeT beim hellenistischen König und beim römischen Kaiser (BzA 193),
München / Leipzig
2004. 605 Auch das Neue Testament spiegelt die mit der Einladung verbunden Hoffnungen des Gastgebers auf eine Gegeneinladung und die daraus resultierende Verpflichtung des Gastes (vgl. Lk 14,12–14). Die Tatsache, dass sich das NT mit dem Problem von Einladung und Gegeneinladung sowie auch mit Verhaltensregeln beim Gastmahl auseinandersetzt (vgl. Lk 14,7–10), ist ein deutlicher Hinweis auf das soziale Milieu der frühchristlichen Gemeinden. Um ein Gastmahl geben zu können und eingeladen zu werden, war ein gewisses Maß an Reichtum und eine entsprechende gehobene soziale Stellung nötig. Gegen die Annahme, das frühe Christentum sei eine Bewe‑ gung
der
sozial
Unterprivilegierten,
bereits
S„ˆ•yƒ€yz,
Geistesgeschichte
1, 693. 606 Zur
Bedeutung
der
FreundschaW
in
der
Umwelt
des
NT
EzxyŽ•••,
Kultur
2, 75–78.

304

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

ἑταιρία).607 Da alle Vereine in einem mehr oder weniger engen Bezug zu einer GoTheit und ihrem Kult standen und das Vereinsleben in Opfer‑ feiern und gemeinsamen Mählern bestand, ergab sich hier das gleiche Problem.608 Wollte ein Christ die Berührung mit dem heidnischen Kult vermeiden, musste er die gewohnte Zugehörigkeit zu seinem Verein beenden. Ein konsequentes monotheistisches Bekenntnis, das gemäß der Weisungen der SchriW jede Trennung zwischen äußerer Praxis und innerer Einstellung ablehnte, bedeutete folglich eine strikte Reduzie‑ rung
der
sozialen
Beziehungen
auf
die
christliche
Gemeinde. Für Christen aus der Nobilität und der gehobenen MiTelschicht brachte das christliche, monotheistische Bekenntnis die Frage, ob sie ihre Kinder weiterhin zur Ausbildung beim Grammatiker ins Gymnasi‑ um (vom 12./13. bis zum 16./17. Lebensjahr) und anschließend zum Un‑ terricht beim Rhetoriklehrer schicken konnten, da Texte mythisch‑reli‑ giösen Inhalts (vor allem Ilias, Odyssee und die drei aTischen Tragiker) die Grundlage des Unterrichts bildeten.609 Gymnasien brachten über den Schulunterricht hinaus auch Erwachsene in die Gefahr, mit der heidnischen Religion in Berührung zu kommen, da hier die öffentli‑ chen Gastmähler der Polis staTfanden und viele Gymnasien deshalb

607 Die Vereine lassen sich einteilen in religiöse, landsmannschaWliche und Berufsverei‑ ne. Eine wichtige Aufgabe vieler Vereine war die Sorge um die angemessene Be‑ staTung ihrer Mitglieder; dies machte die VereinsmitgliedschaW aTraktiv. Zum (hel‑ lenistischen) Vereinswesen und zur Bedeutung der Vereine im Leben der Polis vgl. D•ˆxˆyƒŽ, Geschichte 62–64; SŒ•Ž†•‚‹ˆ / B•x„ˆ, Umfeld 121–123; EzxyŽ•••, Kul‑ tur 2, 79–86; Kx•‚„…, Umwelt 1, 49–58; Nƒx••|•, Religion 116–119; Tˆ. Py…Ãz~, Ver‑ einswesen, in: KP 5 (1979) Sp. 1188f.; P. HyzzŽ••• u. a., GenossenschaW, in: RAC 10 (1978) Sp. 83–155; F. P|x••€, Geschichte des griechischen Vereinswesens, Leipzig 1909; J. S. Kx|››y•†|z‹ / S. G. Wƒx•|• (Hg.), Voluntary Associations in the Graeco‑Ro‑ man World, London / New York 1996. In ihrer Organisation ähnelten die christlichen Gemeinden in vielen Punkten solchen paganen Vereinen (vgl. 1 Kor 16,15–18; Röm 16,1–2).
Vgl.
auch
Myy…•,
Urchristentum
164–169. 608 Vgl. dazu H. B. M„Ly••, The Place of Cult in Voluntary Associations and Christian Churches on Delos, in: Kloppenborg / Wilson, Voluntary Associations 186–225 [vor‑ ausgehende Anmerkung]; U. E‹yxˆ••}‑G•ƒ•yz / A. S„ˆ§}yz (Hg.), Religiöse Vereine in der römischen Antike. Untersuchungen zu Organisation, Ritual und Raumord‑ nung
(Studien
und
Texte
zu
Antike
und
Christentum
13),
Tübingen
2002. 609 Näheres zum antiken Schulwesen bei EzxyŽ•••, Kultur 2, 234–244; S. O››yzŽ•••, Schulen. KP 5 (1979) Sp. 38f.; Y. L. T|| (Hg.), Education in Greek and Roman Antiqui‑ ty, Leiden u. a. 2001; vgl. auch SŒ•Ž†•‚‹ˆ / B•x„ˆ, Umfeld 117–119. Zur religiösen Bedeutung der Schule bei den Griechen Nƒx••|•, Religion 61–67. Jedes Gymnasium besaß eine eigene kleine KultstäTe und die Schuljugend war fest in die religiösen Ze‑ remonien der Polis eingebunden. Daneben waren die Schule und der Unterrichts‑ stoff auch der Ort und das primäre Medium der VermiTlung von Wissen über die traditionelle Religion (d. h. die homerischen GöTer und die mit ihnen verbundenen Mythen).

Auswertung
und
Interpretation

305

einen eigenen Raum für den Kult des Kaisers oder der Polis‑GoTheiten besaßen.610 Aus all dem lässt sich erkennen, wie zahlreich in der hellenistisch‑ römischen Polis die Orte und Gelegenheiten waren, an denen man zwangsläufig mit dem paganen Kult in Berührung kommen konnte; ebenso zahlreich waren folglich die Gelegenheiten und Orte, an denen die Abgrenzung und Distanzierung der Christen gegenüber dem tradi‑ tionellen Kult für ihr paganes soziales Umfeld sichtbar wurde. Wer also um des biblisch‑christlichen Monotheismus willen konsequent jeden Kontakt mit der paganen Religion vermeiden wollte, konnte – sobald der paganen Welt die Existenz der Christen bewusst geworden war – innerhalb der GemeinschaW der Polis als Christ nicht verborgen blei‑ ben. Dabei sind noch nicht einmal die zur paganen Religion gehörigen Akte des „häuslichen Kultes“ an den Hausaltären sowie die Riten bei Geburten, Hochzeiten und Todesfällen bedacht; auch hier wurde für das pagane soziale Umfeld immer wieder das „Anderssein“ eines Christen unmiTelbar sichtbar.611 Deshalb kann es nicht überraschen, dass „Grauzonen“ entstanden, in denen Christen versuchten, einen Ausgleich zwischen den Forderungen ihres Glaubens und den Erwar‑ tungen
der
PolisgemeinschaW
zu
finden.

(3) Kul[eilnahme
und
Lebensqualität Noch immer reduziert die Mehrzahl der Exegeten das Verhältnis zwi‑ schen den kleinasiatischen Christen und ihrer Umwelt auf den Aspekt einer blutigen Verfolgung.612 In dieser Sicht wird die von der Johannes‑ offenbarung gebrandmarkte KompromissbereitschaW mit der heidni‑ schen Umwelt als Antwort auf die drohende Gefahr des Todes im Mar‑ tyrium verstanden. Jedoch lässt sich für die ersten beiden Jahrhunderte weder eine dauernde noch eine umfassende Christenverfolgung nach‑ weisen. Die Johannesoffenbarung selbst kennt in den Gemeinden Kleinasiens offensichtlich nur einen einzigen Blutzeugen: den „treuen 610 Vgl. dazu Pzƒ„y, Rituals 48. Die Gymnasien als körperliche und geistig‑intellektuelle Übungs‑ und Ausbildungsstädte haTe insbesondere in den griechisch geprägten Städten eine zentrale Funktion; vgl. EzxyŽ•••, Kultur 2, 125f.; W. Z•„ˆƒyŒŠ•„ˆŽ•••, Gymnasion.
KP
2
(1979)
Sp. 887;
G. Gz‚†y•,
Gymnasion.
LAW
1,
Sp. 1177f. 611 Zur religio domestica Kx•‚„…, Umwelt 1, 58–68; zum Totenkult ebd. 68–76. Vgl. auch EzxyŽ•••,
Kultur
3, 224–229. 612 So noch bei R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 16–19; L|ˆ•y, Offenbarung (NTD) 6f.; abge‑ schwächt
bei
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
40–42. 383f.

306

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Zeugen“ Antipas in Pergamon (2,13). Blutige Martyrien gab es zwar immer wieder und auch in größerer Zahl (z. B. unter Nero in Rom im Jahr 64), waren insgesamt aber eher die Ausnahme als die Regel.613 In‑ sofern liegen die Gründe für die kompromissbereite Haltung von Christen im Umfeld der Johannesoffenbarung in den sozialen Konse‑ quenzen, mit denen die Konversion zum Christentum verbunden war. Christ zu werden, bedeutete für Heiden nicht weniger als für Juden den radikalen Bruch mit dem gesamten bisherigen Leben; denn diejeni‑ gen Christen, die um des biblisch‑christlichen Monotheismus willen jede Berührung mit dem paganen Kult vermeiden wollten, konnten nicht mehr am öffentlichen Leben der Polis teilnehmen und mussten weitgehend auch ihre bisherigen sozialen Beziehungen lösen. Die Kon‑ version zum Christentum war damit ein SchriT in die gesellschaWliche Isolation. Aus dieser Abgrenzung gegenüber der heidnischen Umwelt aber
erwuchsen
neue
Verdächtigungen
und
Verleumdungen.614 Für Christen war es gewiss nicht immer möglich, diesen radikalen Bruch mit der eigenen Vergangenheit zu vollziehen. Denn viele Chris‑ ten standen in sozialen Bindungen, die sie nicht lösen konnten und auch nicht lösen wollten; dies gilt vor allem für das häuslich‑familiäre Umfeld.615 Eine verheiratete Frau, deren Ehemann nicht Christ war, war 613 Ax••€, Kirche 72–81, hat sicher Recht, dass es in irgendeinem Teil des Reiches im‑ mer Martyrien aufgrund einer lokalen (privaten oder staatlichen) Christenverfol‑ gung gegeben hat. Doch ist fraglich, ob man daraus für den Zeitraum zwischen 50 und 150 bereits Verfolgung und Martyrium als Dauerzustand der Existenz der Christen in der Welt ableiten darf. Dagegen spricht m. E. die Tatsache, dass Plinius noch um 110 unschlüssig ist über die Art des Vorgehens gegen die Christen und das Reskript Trajans ein eher gemäßigtes Vorgehen erkennen lässt (kein Aufspüren von Christen und keine Berücksichtigung anonymer Anzeigen). Vgl. auch Kx•‚„…, Send‑ schreiben
164. 614 Ein Katalog solcher Vorwürfe gegen die Christen bei dem christlichen Apologeten Minucius Felix (8, 3–5; 9, 1–7): Inzest, Verehrung eines Esels, Anbetung der Genitali‑ en des Oberpriesters, Kindermord und allgemeine orgiastische Festpromiskuität; da‑ neben findet sich häufig der Vorwurf der Magie und Zauberei. Weitere pagane und christliche Belege Aristid. Or. 3; Apul. met. 9, 14; Lucianus Alex. 25; 38; Or. Cels. 1, 1– 2; 5, 5. Solche Beschuldigungen waren traditionell und wurden gegen alle Gruppen erhoben, die durch Andersartigkeit und Abgrenzung auffällig waren; z. B. gegen die Juden. Dazu auch Bz|ž, Kirchengeschichte 42–48; zur gelehrten Kritik des Galen und Celsus Wƒx…y•, Christians 68–125; zu Celsus H. E. L|••, Die ‚Wahre Lehre des Kelsos‘ (KfA), Freiburg i. Br. 2005. Vgl. auch W. Ny•Œxy, Die Haupteinwände des an‑ tiken
Denkens
gegen
das
Christentum,
in:
Martin / Quint,
Christentum
17–80. 615 Zu den sozialen Beziehungen in Haus uns Familie SŒ•Ž†•‚‹ˆ / B•x„ˆ, Umfeld 119– 121; EzxyŽ•••, Kultur 2, 9–21. Wenn sich der Hausherr zum Christentum bekehrte, haTe dies automatisch die Konversion des ganzen Haushaltes zur Folge. Das NT kennt solche Fälle (vgl. Apg 11,14, 16,15.31–34; 18,8). OW waren es aber nur die Frau und/oder Sklaven, die Christen wurden (vgl. 1 Petr 2,18; 3,12). Zum οἶκος als Ort des

Auswertung
und
Interpretation

307

sicher in der einen oder anderen Weise gezwungen, an Riten des häus‑ lichen Kultes teilzunehmen, mitunter vielleicht sogar sie selbst zu voll‑ ziehen.616 Ähnlich war die Situation von christlichen Sklaven in einem heidnischen Haushalt.617 Auch für christliche Männer der (gehobenen) MiTel‑ und Oberschicht war es nicht ohne Weiteres möglich, jeden Kontakt mit dem paganen Kult zu vermeiden. Etliche von ihnen haTen Berufe, für die eine Zugehörigkeit zu einem Berufsverein vorteilhaW war.618 Dabei ist auch zu bedenken, dass diese Christen Familien haTen, für deren Auskommen sie verantwortlich waren. Ökonomische Nach‑ teile aufgrund der Konversion zum Christentum trafen ebenso ihre Ehefrauen und Kinder. Von allen Mitgliedern der höheren Schichten war die (ehrenamtliche) Übernahme öffentlicher Ämter in der Polis ge‑ fordert.619 Bei AmtsantriT aber war ein Inauguralopfer – meist vor der Statue des Kaisers – zu leisten.620 Wenn sie bereits ein öffentliches Amt

616

617

618

619 620

Konfliktes für Christen vgl. auch E. D•••Ž••• / G. S„ˆ‡xx‹y•, Haus II. Hausgemein‑ schaW.
RAC
13
(1986)
Sp. 801–905. 1 Petr 3,1–7 spricht explizit (kleinasiatische) Christinnen an, die in solchen „Misch‑ ehen“ leben, und fordert sie zu vorbildlicher Unterordnung unter ihre heidnischen Männer auf. Religiöse Konfliktsituationen, die sich aus der Erfüllung der von der GesellschaW vorgesehenen Rolle und der daraus folgenden Loyalität gegen den Ehe‑ mann ergeben könnten, werden nicht thematisiert. Im Gegenteil zielt die Mahnung sogar darauf, dass christliche Frauen ihre Gehorsamspflicht gegen den heidnischen Ehemann nicht aus religiösen Gründen au™ündigen können. Vielleicht darf man daraus folgern, dass für den (wohl in etwa mit der Johannesoffenbarung gleichzeiti‑ gen) 1 Petr das friedliche Zusammenleben im „Haus“ höher wog, als die bedin‑ gungslose Durchsetzung religiöser Forderungen. Zur Stelle Bz|ž, 1. Petrusbrief (EKK) 140–151. Vgl. auch M. Gƒyxy•, Tradition und Theologie neutestamentlicher Haustafelethik. Ein Beitrag zur Frage einer christlichen Auseinandersetzung mit ge‑ sellschaWlichen Normen (BBB 75), Frankfurt a. M. 1990. Elemente des häuslichen Kultes
bei
Kx•‚„…,
Umwelt
1, 61–63;
EzxyŽ•••,
Kultur
3, 224–229. Auch die christlichen Sklaven werden von 1 Petr zur Unterordnung unter ihre Her‑ ren ermahnt (2,18–25) und zum Verhaltensideal der ganzen christlichen Gemeinde stilisiert. Ziel ist auch hier ein Wohlverhalten entsprechend der akzeptierten gesell‑ schaWlichen Normen, um der heidnischen Umwelt keine Anstoß zu geben; Näheres bei
Bz|ž,
1. Petrusbrief
(EKK)
127–140. Die berufsständischen Vereine/GenossenschaWen verfügten über Geld und Einfluss; sie organisierten in vielen Bereichen das WirtschaWsleben der Polis. Vgl. SŒ•Ž‑ †•‚‹ˆ / B•x„ˆ, Umfeld 121; H. Bz•‚•yzŒ, ZünWe. LAW 3, Sp. 3346f. Eine besondere Bedeutung kam auch den Handels‑ und Transportkooperationen zu, die im AuWrag des Kaisers die Handelswege und den Güterverkehr kontrollierten und damit die Versorgung Roms und der großen Städte des Imperiums sicherten; vgl. D•ˆxˆyƒŽ, Geschichte 63. Letztere verdienen besondere Aufmerksamkeit, da Op 18 erkennen lässt, dass zu den kleinasiatischen Gemeinden reiche See‑ und Fernhandelskaufleute gehörten;
dazu
ausführlich
am
Ende
dieses
AbschniTes. Einzelne Liturgien/Euergesien bei Q‚•••, Honoratiorenschicht 303–352; D•ˆxˆyƒŽ, Geschichte
48f.;
A‚•†wŒŒyx,
Verwaltung
123f. Vgl.
auch
Pzƒ„y,
Rituals
118f.

308

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

bekleidet haTen, waren sie dadurch in den Rat der Polis aufgestiegen. Damit aber erwartete man von ihnen die Teilnahme an den Kultfesten der Polis.621 Wer der Oberschicht entstammte, fand sein Auskommen in der Regel in der Administration des römischen Reiches; doch waren sie hier stets mit der Teilnahme am paganen Kult, insbesondere am Kaiser‑ kult, konfrontiert.622 Da die Tätigkeit in der Reichsadministration zu‑ dem eine entsprechende Bildung voraussetzte, drohte den Söhnen ver‑ mögender Christen der soziale Abstieg, wenn sie ihnen aus religiösen Gründen die nötige höhere Bildung beim Grammatiker und Rhetor verweigerten.623 Die Position der Johannesoffenbarung stieß deshalb vor allem bei vermögenden und gebildeten Christen auf massiven Widerspruch.624

621 Mit kultischen Orten und Handlungen waren auch andere Vollzüge des täglichen Lebens
verbunden,
z. B.
Sklavenfreilassungen
und
Asyl;
vgl.
Pzƒy„y,
Rituals
117–121 622 Näheres
dazu
Pzƒ„y,
Rituals
234–248. 623 Zu den Anforderungen an die Mitglieder der Reichsadministration A‚•†wŒŒyx, Ver‑ waltung 167–179. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts zeigt Tertullians SchriW De idolola‑ tria die BereitschaW der christlichen Eliten um einer politisch‑gesellschaWlichen Tä‑ tigkeit willen auch den Kontakt mit dem heidnischen Kult in Kauf zu nehmen; vgl. G. S„ˆ‡xx‹y•, Die Teilnahme der Christen am städtischen Leben in vorkonstantini‑ scher Zeit. Tertullians Zeugnis für Karthago, in: Martin / Quint, Christentum 319– 357;
dazu
auch
D•ˆxˆyƒŽ,
Geschichte
134–136. 624 Der relativ kleinen, mehr durch Reichtum als Abstammung definierten, obersten so‑ zialen Schicht der Poleis entstammten sicher nur wenige Mitglieder der christlichen Gemeinden. Da das NT aber an einigen Stellen von solchen Christen spricht, wird es sie durchaus gegeben haben: Sergius Paulus, der Prokonsul von Zypern (Apg 13,7– 12); der Areopagit Dionysios in Athen (Apg 17,34) oder Erastos in Korinth (Röm 16,23). Auch die aus Rom stammenden Zeltmacher Priska und Aquila (Apg 18; Röm 16,3; 1 Kor 16,19; 2 Tim 4,19) und die Purpurhändlerin Lydia (16,14.40) gehören offensichtlich einer vermögenden Schicht an. Auch das Haus der in Apg 12,12 ge‑ nannte MuTer des Johannes Markus ist groß genug, dass sich eine größere Gruppe der Gemeinde versammeln kann, um für den verhaWeten Petrus zu beten. Als der wunderbar befreite Petrus zum ihrem Haus kommt, nimmt ihn die Türmagd in Empfang; es ist also an ein Haus gedacht, in dessen Eingangsbereich sich – wie bei vornehmen Häusern üblich – ein „Portiersloge“ befindet. Für den Vf. der Apostelge‑ schichte ist die MuTer des Johannes Markus also durchaus keine arme Frau. Der Vf. des 2 Tim vergleicht in 2,20 die Gemeinde mit einem großen, reich ausgestaTeten Haus, setzt also voraus, dass sein Adressaten mit so etwas vertraut sind. Auch die Fußsalbung mit einer λίτρα μύρου νάρδου πιστικῆς πολυτίμου in Joh 12,3 (vgl. Mk 14,3) bedient sich großer Mengen eines wahren Luxusproduktes und deutet damit auf ein gehobeneres soziales Milieu. Damit will nicht die absolute Historizität der genannten Stellen behauptet sein (abgesehen von den Paulusbriefen), aber für die Adressaten der neutestamentlichen SchriWen war es offensichtlich zumindest vor‑ stellbar, dass Mit‑Christen aus diesen gehobenen sozialen Milieus kamen. Christen stammten sicher auch aus der Schicht der Freigelassenen, die es aufgrund von Ge‑ schäWstüchtigkeit und Bildung oW zu großem Reichtum gebracht haTen (das be‑ rühmtestes literarische Beispiel eines solchen immens reichen Freigelassenen ist Pet‑

Auswertung
und
Interpretation

309

Die von ihr vertretene radikale Trennung vom kultisch durchsetzten öffentlichen und privaten Leben der paganen Polis bedeutete damit auch ein enormes Hindernis für die Mission unter Mitgliedern der hö‑ heren Schichten. Da jedoch in dieser gebildeten Schicht, vorbereitet durch die griechische Philosophie, bereits starke Tendenzen zu einer monotheistischen GoTesvorstellung wirksam waren, wären sie durch‑ aus
für
die
neue
Religion
der
Christen
empfänglich
gewesen.625 Doch auch für Christen, die den niederen Schichten angehörten, gab es gute Gründe, die rigorose Position der Johannesoffenbarung ab‑ zulehnen. Am wenigsten Konsequenzen haTe eine Konversion zum Christentum sicherlich für die Schicht derjenigen Armen, die sich ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen konnten und vollständig aus dem sozialen Netz herausgefallen waren (darunter auch Kranke und Behinderte). Denn für diese unterste soziale Schicht kannte die rö‑ misch‑hellenistische Welt keine Form der Fürsorge. Umgekehrt profi‑ tierten sie von der Solidarität in den christlichen Gemeinden.626 Anders sah die Situation für Mitglieder der untersten Einkommensschicht aus (Arbeiter und Tagelöhner in den Häfen, in der LandwirtschaW und bei Bauprojekten). Eine rigorose Trennung von allem, was mit dem paga‑

rons Trimalchio). Durch Auswertung prosopographischer und indirekter Belege im Corpus Paulinum kommt Myy…•, Urchristentum 120–157, zu einem ähnlichen Ergeb‑ nis hinsichtlich der sozialen Schichtung der paulinischen Gemeinden; dazu auch S„ˆ••„…y•†‚z‹, Ephesus 47f. Zur sozialen Schichtung im römischen Reich und ih‑ rer Bedeutung für das Verständnis des NT vgl. auch SŒ•Ž†•‚‹ˆ / B•x„ˆ, Umfeld 106–112; EzxyŽ•••, Kultur 2, 86–104; zur sozialen Mobilität der römischen Gesell‑ schaW Myy…•, Urchristentum 45–52. Ein Überblick über die soziale Schichtung der frühchristlichen
Gemeinden
auch
bei
S„ˆ•yƒ€yz,
Geistesgeschichte
1, 693–743. 625 Hier ist für die römische Kaiserzeit vor allem die Stoa zu nennen (Epiktet); sie sah die einzelnen GöTer als verschiedene Aspekte der einen, den Kosmos durchwalten‑ den GoTheit. Seit dem 1. Jh. v. Chr. erlebte auch der Pythagoreismus eine neue Blüte, der einen Dualismus zwischen dem GoT genannten, jenseits der seienden Dinge lie‑ genden Einen und der mit der Materie gleichgesetzten Zweiheit vertrat (P. Nigidius Figulus, Numenios aus Apameia). Der eklektische Platonismus der Kaiserzeit ent‑ wickelte erst im 3. Jh. n. Chr. eine neue verbindliche monotheistische Theologie (Plo‑ tin, Proklos). Vgl. M‚Œˆ, Einführung 196–199; für Rom vgl. die AbschniTe zu den Philosophen des 1. und 2. Jh. bei G. M•‚z•„ˆ, Geschichte der römischen Philo‑ sophie.
Eine
Einführung,
Darmstadt
21997. 626 Der „Liebes‑Kommunismus“ der Urgemeinde von Jerusalem in Apg 2,42–47; 4,32– 37 ist sicher eine idealisierende Übersteigerung, haTe aber einen realen HaWpunkt im Leben der Gemeinden. Dazu M‚•••yz, Apostelgeschichte (NEB) 34f.; H•y•„ˆy•, Apostelgeschichte (KEK) 187–192. Auch bei Lukian Peregr. 13 findet sich eine ent‑ sprechende Charakterisierung der christlichen Gemeinde. Obgleich damit zu rech‑ nen ist, dass Lukian mit der Apg vertraut ist, häTe er diese Notiz in seiner spöTi‑ schen Auseinandersetzung mit dem Christentum sicher anders verwendet, wenn die Praxis
der
Christen
in
krassem
Widerspruch
zu
dem
Ideal
der
Apg
gestanden
häTe.

310

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

nen Kult in Zusammenhang stand, bedeutete für die ärmeren Bevölke‑ rungsschichten den Verzicht auf Fleischgenuss, da für sie Fleisch, das beim Opferbetrieb der Tempel „übrig blieb“ („Götzenopferfleisch“), in der Regel die einzige Möglichkeit darstellte, an das teure Fleisch zu kommen.627 Außerdem waren sie unter den Empfängern von Alimen‑ tarstiWungen und öffentlichen Speisungen bei den großen Kultfesten.628 Der Verzicht auf die Teilnahme an den öffentlichen Festessen, wie sie z. B. von Würdenträgern bei AntriT eines Amtes und bei Hochzeiten gegeben wurden, wog für sie insofern schwerer als für die Mitglieder der
höheren
Schichten. Das Bedürfnis einer großen Zahl von Christen, auch nach ihrer Konversion weiter am Leben ihrer Polis teilzunehmen, darf aber nicht nur unter dem Aspekt der Vermeidung sozialer und ökonomischer Nachteile gesehen werden. Die ATraktivität und Faszination, die vom kulturellen Leben der großen Poleis ausging, kann nicht überschätzt werden. Insbesondere gilt dies für die großen Kultfeste der Polis.629 Da‑ bei machte es keinen Unterschied, ob sie zu Ehren der alten Polis‑GoT‑ heiten, der neuen orientalischen GöTer oder des vergöTlichten Kaisers gefeiert wurden. Wie schon erwähnt, bestanden diese Feste nicht nur aus einem Opferritual, sondern waren mit sportlichen und musischen Agonen, Theateraufführungen, Spielen und feierlichen Prozessionen

627 So im Anschluss an Kx•‚„…, 1. Korintherbrief (NEB) 59f. Damit verbunden ist wohl eine Spannung zwischen Judenchristen und Heidenchristen. Denn anders als die Heidenchristen lebten die Judenchristen bereits vor ihrer Konversion in einer gewis‑ sen Distanz zu ihrer Umwelt, d. h. sie waren nur teilweise in die GemeinschaW der Polis integriert. Auch die „Jakobus‑Klauseln“ des „Aposteldekrets“ in Apg 15,19–29 weisen das Verbot des Essens von Götzenopferfleisch als jüdisches Erbe des Chris‑ tentums aus; dazu Wyƒ•yz, Apostelgeschichte (ÖTK) 2, 360–387; H•y•„ˆy•, Apostel‑ geschichte (KEK) 381–414. Heidenchristen dagegen waren vor ihrer Konversion si‑ cherlich Mitglieder verschiedner Vereine und unterhielten soziale Beziehungen mit anderen Heiden. Beides wollten und konnten sie – wie bereits dargelegt – mit ihrer Konversion nicht einfach aufgeben. Ein verschärWes Verbot des Essens von Götzen‑ opferfleisch häTe ihnen die Teilnahme an Vereinsmählern und privaten Gastmählern unmöglich gemacht. Vgl. auch C|•ŠyxŽ•••, Der erste Brief an die Korinther (KEK) 162–172. Man sollte also eine Kontroverse zwischen Juden‑ und Heidenchristen nicht vorschnell ausschließen; so bei Myy…•, Urchristentum 206–211, im Anschluss an G. Tˆyƒ••y•, Die Starken und die Schwachen in Korinth. Soziologische Analyse eines theologischen Streites, in: EvTh 35 (1975) 155–172. Vgl. dazu auch A. T. Cˆy‚•‹, Idol Food in Corinth. Jewish Background and Pauline Legacy, Sheffield 1999. Zur Er‑ nährung der verschiedenen sozialen Schichten in hellenistisch‑römischer Zeit Ezxy‑ Ž•••,
Kultur
2, 31–33. 628 Als Beispiel sei hier nochmals auf die bereits erwähnte StiWung des Vibius Salutaris für
den
Artemis‑Kult
in
Ephesus
verwiesen. 629 Vgl.
auch
SŽƒŒˆ,
Rational
Choice
104f.

Auswertung
und
Interpretation

311

verbunden.630 Alle diese Veranstaltungen besaßen aufgrund des großen inszenatorischen Aufwandes eine enorme AnziehungskraW. Zudem bil‑ deten diese Feste einen wesentlichen Teil des Unterhaltungsprogramms im Leben der Polis. Wenn auch keine unmiTelbaren Belege dafür erhal‑ ten sind, kann man aus der scharfen Ablehnung einer Öffnung gegen‑ über dem paganen Kult in der Johannesoffenbarung folgern, dass die Christen in Kleinasien in der Teilnahme an diesen Festen – als Zu‑ schauer, vielleicht aber auch mehr – keinen Widerspruch zu ihrem monotheistischen Bekenntnis sahen.631 Für die Mitglieder der oberen Schichten kam hinzu, dass ein Sieg im Agon oder gar die Ausrichtung von Spielen (Gladiatorenkämpfe, Tierhetzen etc.) einen persönlichen Prestigegewinn und eine soziale Aufwertung der eigenen Familie bedeutete. In diesem Zusammenhang darf auch der hohe Status und die ge‑ sellschaWliche Relevanz der Bildung (παιδεία) im 1. und 2. Jahrhundert nicht übersehen werden.632 Bildung war der entscheidende Faktor für gesellschaWliche Selbstbehauptung und sozialen Aufstieg. Inhaltlich be‑ stand παιδεία in einem umfassenden antiquarischen und literarischen Wissen. Formal bedeutete παιδεία die Versiertheit im aTizistischen Griechisch und in den rhetorischen Techniken. Um in der kaiserzeitli‑ chen GesellschaW bestehen zu können, genügten die technischen Fertig‑ keiten alleine nicht; man musste auch mit den Inhalten vertraut sein, die im Wesentlichen die alten kultischen und mythischen Überlieferun‑ gen umfassten. Eine „christliche Schule“ mit christlichen Inhalten häTe diesen gesellschaWlichen Anforderungen nicht genügen können.633 Der Verzicht auf die Ausbildung beim Grammatiker und Rhetor als Konse‑ quenz der Hinwendung zum Christentum wog deshalb für Mitglieder 630 Ausführlich dargestellt für die Feste des kleinasiatischen Kaiserkultes bei Fzƒy•y•, Neokoros
114–141;
Pzƒ„y,
Rituals
101–132. 631 Eine ähnliche Vermutung äußert Kx•‚„…, Johannesoffenbarung 4f. [Manuskript des Vf.s]. 632 Näheres bei Tˆ. S„ˆŽƒŒŠ, Bildung und Macht. Zur sozialen und politischen Funktion der zweiten Sophistik in der griechischen Welt der Kaiserzeit (Zet. 97), München 1997; B. E. B|z‹ (Hg.), Paideia. The World of the Second Sophistic (Mill.St 2), Ber‑ lin / New York 2004; S. G|x€ˆƒxx (Hg.), Being Greek under Rome. The Second Sophis‑ tic, Cultural Conflict and the Development of the Roman Empire, Cambridge 2001; W. J•y‹yz, Paideia. Die Formung des griechischen Menschen, 3 Bde., Berlin 41959; H.‑ I. M•zz|‚, Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, Freiburg / München 1957; G.‑W. B|–yz•|„…, Greek Sophists in the Roman Empire, Oxford 1969; P. Z••‑ …yz, Die Maske des Sokrates. Das Bild des Intellektuellen in der antiken Kunst, Mün‑ chen
1995. 633 Ein Analogon dazu wären die von Juden auch in der Diaspora unterhaltenen, eige‑ nen
jüdischen
Schulen;
zum
jüdischen
Schulwesen
vgl.
EzxyŽ•••,
Kultur
2, 244–248.

312

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

der höheren Schichten schwer und förderte den Wunsch nach Kompro‑ missen
und
einer
Öffnung
gegenüber
der
paganen
Welt. Vor dem Hintergrund der eigenen Lebenswirklichkeit und Erfah‑ rung war gebildeten Christen an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert sicherlich bewusst, dass der Verzicht auf literarische und rhetorische Bildung die Akzeptanz und Kommunikabilität der christlichen Bot‑ schaW in weiten Kreisen der hellenistisch‑römischen GesellschaW ge‑ fährdete.634 Deshalb ist fraglich, ob die frühen Christen mit heidnischer Vergangenheit den Besuch des traditionellen Schulunterrichts und die griechisch‑römische Bildung mit ihren mythischen und religiösen In‑ halten überhaupt problematisierten. Denn auch viele der neutes‑ tamentlichen SchriWen lassen erkennen, dass ihre Vf.s über pagane Bil‑ dung verfügten und diese ganz selbstverständlich bei ihren Adressaten voraussetzten.635 Demnach ist wohl davon auszugehen, dass die hei‑ denchristlich dominierten Gemeinden, zu denen auch die in paulini‑ scher Tradition stehenden Gemeinden Kleinasiens gehörten, von An‑ fang an keine vollständige Trennung vom alltäglichen Leben ihrer Polis kannten
und
praktizierten.636

634 Nicht von ungefähr widmeten sich ab dem 2. Jh. christliche „Sophisten“, die sog. Apologeten, der Aufgabe einer intellektuell ansprechenden Präsentation des christli‑ chen Glaubens. Zu nennen sind neben anderen Clemens von Alexandrien, Justin, Theophilos von Antiochien, Minucius Felix und Tertullian. Näheres bei C. B‚zƒ•ƒ, Gli Apologeti Greci, Rom 1986; R. M. Gz••Œ, AWer the New Testament, Philadelphia 1967;
vgl.
auch
S„ˆ•yƒ€yz,
Geistesgeschichte
2, 20–28. 635 Auch die ntl. SchriWen lassen erkennen, dass ihre Vf.s und Adressaten durchaus mit der hellenistischen Bildungstradition vertraut sind. So gestaltet z. B. der Vf. des Mk seine Erzählung vom Tod des Täufers (6,17–29) in deutlicher Anlehnung an Hero‑ dots Erzählung von der Frau des Masistes (Hdt. 9, 108–113); vgl. Tˆ. J. B•‚yz, Johan‑ nes der Täufer und die Frau des Masistes. Zur Rezeption von Hdt. 9, 108–113 in Mk 6,17–29, in: Millennium 2 (2005) 1–32. Der Vf. des lukanischen Doppelwerkes zitiert in Apg 17,28 aus dem Anfang der Phainomena des hellenistischen Dichters Aratos. Überhaupt zeigt sich sein Vf. mit den Konventionen hellenistischer Geschichts‑ schreibung vertraut und sein Griechisch erreicht ebenso wie das des Hebr, des 1 Petr und des Jak an vielen Stellen literarische Qualität. Vgl. P|zŒyz, Language 598f.; A. Wƒ}•Œz••€, Stylistic Problems in the Epistels of James and Peter, in: ST 1 (1947) 170–182; zur Apg im Rahmen der hellenistischen Geschichtsschreibung D|zŽy~yz, Literaturgeschichte 228–230; E. PxwŽ•„ˆyz, Lukas als hellenistischer SchriWsteller. Studien
zur
Apostelgeschichte
(StUNT
9),
GöTingen
1972. 636 Dies lässt sich letztlich auch am Konflikt zwischen den „Starken“ und „Schwachen“ in der heidenchristlich dominierten Gemeinde von Korinth erkennen. Ein Teil der Gemeinde genoss nach der Konversion zum Christentum weiterhin ganz selbstver‑ ständlich Götzenopferfleisch. Paulus benennt drei Gelegenheiten, bei denen ein Christ mit Götzenopferfleisch in Berührung kommen konnte: 1. beim Einkauf auf dem Markt (macellum/μάκελλον 1 Kor 10,25), 2. bei einer Einladung zu einem (priva‑ ten?) Mahl im BanqueTraum eines Heiligtums (1 Kor 8,10) und davon wohl zu un‑

Auswertung
und
Interpretation

313

Unklar ist, ob sich die kleinasiatischen Juden‑ und Heidenchristen in ihrer Haltung zur paganen Umwelt und damit in ihrer BereitschaW zu Kompromissen grundsätzlich unterschieden. Für Judenchristen je‑ denfalls stellte sich das Verhältnis zur heidnischen Umwelt aufgrund ihrer HerkunW und Vergangenheit anders dar: Bereits als Juden nahmen sie als Mitglieder einer zwar nicht geachteten, aber akzeptier‑ ten Minderheit in der Welt des Imperium Romanum und in den helle‑ nistisch‑römischen Poleis eine Sonderstellung ein.637 Als Angehörige einer religio licita aber waren sie zumindest von der Erwartung der Teil‑ nahme
am
Opferkult
der
Reichs‑
und
Polisreligion
befreit.638

terscheiden 3. die Einladung in einem Privathaus (1 Kor 10,27). Für alle drei Situatio‑ nen gibt er die Anweisung, nicht nachzufragen, ob es sich bei dem angebotenen Fleisch um Götzenopferfleisch handelt. Er verlangte nur dann den Verzicht, wenn es die Rücksicht auf die „Schwachen“ geboten erscheinen ließ. Zu bedenken ist, dass auch das Schlachten eines Tieres für den Verkauf oder häuslichen Gebrauch mit einem Opfergestus verbunden sein konnte. Dazu auch D.‑A. K|„ˆ, „Alles, was ἐν μακέλλῳ verkauW wird, eßt …“. Die macella von Pompeji, Gerasa und Korinth und ihre Bedeutung für die Auslegung von 1 Kor 10,25, in: ZNW 90 (1999) 194–219; H.‑ J. Kx•‚„…, Herrenmahl und hellenistischer Kult. Eine religionsgeschichtliche Unter‑ suchung zum 1. Korintherbrief (NTA NF 15), Münster 21986; S„ˆz•‹y, 1. Korinther (EKK) 2, 215–277. 460–486. Paulus verlangte also von den „Starken“ keine absolute Trennung von der paganen Umwelt. Dies kam sicher den über Bildung verfügenden und sozial eingebundenen Christen aus der Oberschicht entgegen, wie sie offen‑ sichtlich zur Gemeinde von Korinth gehörten; man denke nur an den in Röm 16,23 genannten Erastos, der in Korinth ein hohes Verwaltungsamt bekleidete (Quästor oder Ädil). Näheres zu Gemeinde von Korinth Kx•‚„…, 1. Korintherbrief (NEB) 6–9; S„ˆz•‹y,
1.
Korinther
(EKK)
1, 25–63. 637 Vgl. EzxyŽ•••, Kultur 2, 122. Näheres zur Partizipation und Integration von Juden in den griechischen Poleis bei Kz•‚Œyz, Bürgerrecht 267–279; zu den Verhältnissen in Rom ebd. 304–325. Durch Ephebenlisten und InschriWen ist allerdings belegt, dass Juden in den griechischen Poleis sozial und kulturell voll integriert sein konnten (bis hin zur Übernahme von Ämtern). Wie sie sich dabei gegenüber Elementen des paga‑ nen Kultes verhielten, muss mangels Quellen offen bleiben. Zu den Juden in der kleinasiatischen Diaspora auch EzxyŽ•••, Kultur 1, 208–211; J|ˆ••|•, Asia Minor 97–101; J. M. G. B•z„x•~, Jews in the Mediterranean Diaspora from Alexander to Tra‑ jan, 323 BCE – 117 CE, Edinburgh 1996, 259–281; E. Gz‚y•, Diaspora. Jews amidst Greeks and Romans, Cambridge 2002; P. Tzy†ƒx„|, Jewish Communities in Asia Mi‑ nor, Cambridge 1991; A. Tˆ. Kz••†yx, Judaism in Western Asia Minor under the Ro‑ man
Empire
(Diss.),
Harvard
1968. 638 Die Sonderstellung der Juden war darin begründet, dass das jüdische Volk 63 v. Chr. in den Nachfolgestreitigkeiten zwischen Hyrkan und Aristobul die politische Herr‑ schaW freiwillig an Rom abtrat und nur die Vollmacht im kultischen und religiösen Bereich für sich beanspruchte. Als C. Iulius Caesar im Jahr 48 v. Chr. Herr über den Orient wurde, bestätigte er die Sonderrechte der Juden (vgl. J. AJ 14, 213–216). Dazu F|ˆzyz, Geschichte 226–228; EzxyŽ•••, Kultur 1, 184–188. Ausführlich dazu U. B•‚‑ Ž•••, Rom und die Juden. Die römisch‑jüdischen Beziehungen von Pompeius bis Herodes 63 v. Chr. – 4 v. Chr., Frankfurt a. M. 31986; E. M. SŽ•xx–||€, The Jews under Roman Rule. From Pompey to Diocletian (SJLA 20), Leiden 1981 [Repr. der Aus. von

314

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Insofern überrascht es, dass die römische Staatsmacht den Konflikt mit den Christen nicht dadurch löste, dass sie auch ihnen das Privileg einer religio licita zugestand, zumal sich viele Christen prinzipiell zur Loyalität gegen die römische Staatsmacht bereit erklärt haTen (vgl. Röm 13,1–7; 1 Petr 2,11–17; Tit 3,1). Dies war jedoch aus zwei Gründen unmöglich: Zum einen fehlte dem Christentum im Unterschied zum Judentum der traditionelle Opferkult.639 Das Christentum konnte des‑ halb lediglich Gebete für die salus populi Romani anbieten, die man offensichtlich nicht als den traditionellen Opfern äquivalent emp‑ fand.640 Zum anderen konnte das Christentum anders als das Judentum für sich keine antiquitas in Anspruch nehmen. Weitere Gründe für die römische Toleranz gegenüber dem Judentum waren sicher die – trotz des Instituts der Proselyten – nationale Begrenztheit des Judentums und die – trotz des jüdischen Aufstandes der Jahre 66–70 – ursprüng‑ lich
freundschaWlichen
Beziehungen
zwischen
beiden
Völkern.641

1976]. Zur rechtlichen Stellung des Judentums im Imperium Romanum M. P‚„„ƒ †y• ZyyŸ, Jewish Rights in the Roman World. Greek and Roman Documents quoted by Josephus Flavius, Tübingen 1998; A. M. R•†yxx|, The Legal Conditions of the Jews in the
Roman
Empire,
in:
ANRW
II. 13
(1980)
662–762. 639 Nach 70 n. Chr. gab es zwar den Jerusalemer Tempel mit seinem Kult nicht mehr; die Juden musste aber zur Erfüllung ihrer Kultpflichten die bisherige Tempelsteuer an den Tempel des Juppiter Capitolinus in Rom entrichten. Titus haTe offensichtlich vor der Eroberung Jerusalems auf dem Karmel eine evocatio (Herausrufung des SchutzgoTheit der Feinde mit dem Versprechen, ihr in Rom einen Kult zu weihen) vollzogen. Dabei interpretierte man den bildlosen GoT der Juden als Erscheinung des
Juppiter
Capitolinus.
Vgl.
EzxyŽ•••,
Kultur
1, 30f. 640 In diesem Sinn auch Pzƒ„y, Rituals 220–222. Diese Problematik spiegelt sich z. B. in Athenag. leg. 13. Zum jüdischen Opfer für die salus populi Romani im Jerusalemer Tempel Kz•‚Œyz, Bürgerrecht 195–199. Das Motiv der FürbiTe für den römischen Staat ist in der frühchristlichen Literatur vielfach belegt; vgl. 1 Klem 60; Tert. Apol. 39,2; Arist., apol. 16. Bereits Paulus (Röm 13) und der Vf. des 1 Petr (2,13–17) ermah‑ nen die Christen zwar zu Loyalität und Wohlverhalten gegenüber Staat und Kaiser (als von GoT eingesetzter Autorität), sprechen aber noch nicht vom FürbiTgebet der Christen für die Machthaber. Dazu ausführlich Ax••€, Kirche 81–90. Der traditionel‑ le und usuelle Charakter dieser „Wohlverhaltens‑Formel“ ist sowohl in Röm als auch in 1 Petr noch gut erkennbar; vgl. Ax••€, a. a. O. 174–186. 200–210; Bz|ž, 1. Pe‑ trusbrief
(EKK)
115–125. 641 Das 1 Makk spiegelt ein freundschaWliches Verhältnis zwischen Juden und Römern im 2. Jh. v. Chr.: Judas Makkabäus schickte eine GesandtschaW nach Rom, die mit dem Senat ein Bündnis schloss (1 Makk 8); seine Nachfolger erneuerten dieses Bündnis mehrmals (12,1–23; 14,16–24; 15,15–24). Zu den historischen Ereignissen im einzelnen
H••‹,
Das
hellenistische
Zeitalter
87–95.

Auswertung
und
Interpretation

315

(4) Konflikte
in
den
Gemeinden
Kleinasiens Die vorausgehenden Überlegungen zum soziokulturellen Umfeld der kleinasiatischen Christen haben gezeigt, dass ihre von der Johannes‑ offenbarung scharf verurteilte liberale und kompromissbereite Haltung zum einen auf bestehende soziale Zwänge antwortete, zum anderen aber weitgehend nichts anderes war als die unbekümmerte und selbst‑ verständliche Fortführung der ererbten kulturellen Praxis.642 Berück‑ sichtigt man, dass das öffentliche und private Leben einer hellenistisch‑ römischen Polis ihren Bürgern je nach sozialem Status in unterschiedli‑ chem Maße Verpflichtungen auferlegte, denen sie auch als Christen nicht ausweichen konnten und wollten, muss man davon ausgehen, dass es sich bei diesen kompromissbereiten Christen mehrheitlich um sozial höher gestellte, ehemalige Heiden handelte, da von diesen Parti‑ zipation in weit höherem Maße erwartet wurde als von Mitgliedern der Unterschicht und von Juden. Kompromisse mit der paganen Umwelt prägten also wohl von Anfang an das Leben der kleinasiatischen Chris‑ ten. Was die Johannesoffenbarung in den Sendschreiben als Glaubens‑ abfall brandmarkt, wäre demnach richtig besehen das Festhalten an einer bereits überkommenen Praxis.643 Dem Seher Johannes galt – wie der Anti‑Paulinismus der Millenniumsvision nahe legt – offensichtlich Paulus als verantwortlich für diese „libertinistische“ Praxis der klein‑ asiatischen
Christen
im
Umgang
mit
ihrer
heidnischen
Umwelt.644 Die Sendschreiben der Johannesoffenbarung setzen voraus, dass es neben den offensichtlich in paulinischer Tradition stehenden kompro‑ missbereiten Christen andere gegeben hat, die jede Teilnahme am so‑ zialen und politischen Leben der Polis wegen der ständigen Gefahr einer Berührung mit dem paganen Kult ablehnten. Möglicherweise er‑ zwang die Kritik dieser Christen eine ausführliche theologische Reflexi‑ on und Rechtfertigung der kompromissbereiten Haltung, auf die der 642 Die „liberale“ Haltung der kleinasiatischen Christen gegenüber ihrer paganen Um‑ welt war also nicht einfach das Ergebnis eines Assimilationsdrucks, wie W•xŒyz, Ni‑ kolaos 217, zu Recht feststellt; doch wird der soziale und ökonomische Druck der Poleis die vorhandenen Tendenz verstärkt und ihre theologische Durchdringung vorangetrieben
haben. 643 Vgl. dazu bes. J|ˆ••|•, Asia Minor 107–112; W•xŒyz, Nikolaos 217; gegen S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Apocalyptic 567–571, die unter Berufung auf IgnEph 9,1; 6,2; 7,1; 8,1 in den Gegnern des Sehers Johannes von außen in die Gemeinden eingedrungene Irr‑ lehrer
sieht. 644 So auch U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 52. Zur HerkunW des Vf.s der Johannes‑ offenbarung vgl. A‚•y, Revelation (WBC) x; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 40; R|x|}}, Offenbarung
(ZBK)
17.

316

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Seher in den Sendschreiben der Johannesoffenbarung Bezug nimmt (διδαχή, διδάσκειν). Soweit die Johannesoffenbarung erkennen lässt, bil‑ deten die frühchristlichen Gemeinden Kleinasiens also keine homoge‑ nen und harmonischen Gruppen, die über einheitliche Verhaltensnor‑ men für das Leben in einer Welt verfügen, zu der sie aufgrund ihrer Konversion zum Christentum in eine konfliktreiche Distanz getreten waren.645 Die Tatsache, dass es in den Gemeinden zu divergierenden Ansichten und auch Kontroversen über das rechte Verhältnis des Christen zur paganen Umwelt gekommen war, ist für sich betrachtet nicht ungewöhnlich; denn bereits in der Gemeinde von Korinth war es auf der Basis des paulinischen Evangeliums zwischen den „Starken“ und „Schwachen“ zu divergierenden Auffassungen über das Essen von Götzenopferfleisch gekommen (1 Kor 8,4–13; 10,23–30); auch hier ging es letztlich um die Frage einer legitimen Partizipation von Christen am gesellschaWlichen und politischen Leben der Polis, selbst wenn dies den Kontakt
mit
dem
paganen
Kult
bedeutete. Wenn auch die Tatsache innergemeindlicher Auseinandersetzun‑ gen über Kompromisse mit der paganen Umwelt an sich nicht unge‑ wöhnlich ist, so überrascht dennoch, dass dieser Konflikt innerhalb der kleinasiatischen Gemeinden in einem Werk begegnet, das ein mit größ‑ ter Wahrscheinlichkeit aus Palästina stammender Judenchrist (vgl. Ab‑ schniT IV. 4e) an diese Gemeinden richtete. Dies veranlasst zu der Fra‑ ge, warum und wie dieser palästinische Christ dazu kam, in einen in den Gemeinden Kleinasiens bestehenden Konflikt einzugreifen, um ihn in seinem Sinn zu entscheiden. Diese Auffälligkeit ist von Bedeutung für das Verständnis und die Einordnung der Johannesoffenbarung in die historische und theologische Entwicklung des kleinasiatischen Christentums. Denn es macht einen Unterschied, ob die in der Johan‑ nesoffenbarung dokumentierte palästinisch‑judenchristliche Einfluss‑ nahme ein singuläres Phänomen ist oder ob sie in den größeren Kon‑ 645 SŽƒŒˆ, Rational Choice 107, verweist darauf, dass nach AuskunW der Sendschreiben beide Gruppen regional unterschiedlich stark vertreten sind. Er benennt dafür drei mögliche Gründe: 1. den Grad der Erwartung von Partizipation am Polisleben und ‑kult in der Umwelt; 2. ihre Toleranz gegenüber der Nicht‑Konformität; 3. die Größe des Verlustes an Lebensqualität bei Abgrenzung von der Umwelt. Jedoch dürWe der Grad der Erwartung von Partizipation in allen Städten gleich hoch und der Grad von Toleranz gleich niedrig gewesen sein, wobei modifizierend anzumerken ist: Ge‑ genüber Mitgliedern der Oberschicht war die Erwartung höher und die Toleranz niedriger als gegenüber Mitgliedern der Unterschicht. Mit anderen Worten: Wenn ein Armer bei einem Kultfest fehlte, kümmerte das niemanden. Die regional unter‑ schiedliche Akzeptanz der „Irrlehrer“ ist also ein Hinweis auf die soziale Zusam‑ mensetzung
der
jeweiligen
Gemeinde.

Auswertung
und
Interpretation

317

text missionarischer Aktivitäten von in Kleinasien eingewanderten palästinischen Judenchristen eingeordnet werden muss, die sich selbst eventuell als „Propheten“ bezeichneten und stilisierten (Op 1,3; 10,11; 22,6f.9f.18f.; vgl. auch 10,7; 11,3.6.18; 16,6; 18,20.24; 19,10)646. Die Ent‑ scheidung dieser Frage erlaubt nämlich indirekt Rückschlüsse darauf, ob der Konflikt über das rechte Verhältnis zur paganen Umwelt inner‑ halb der Gemeinden selbst entstand oder erst durch palästinisch‑juden‑ christliche Missionare von außen in die Gemeinden hineingetragen wurde. Für die Annahme, dass palästinische Judenchristen in den heiden‑ christlich geprägten Christengemeinden Kleinasiens auWraten und hier nach Einfluss strebten, lässt sich auf den Gal verweisen.647 Nach Gal

646 Zur prophetischen Selbststilisierung des Vf.s der Johannesoffenbarung als MiTel der Autorisierung und Legitimation seiner BotschaW D. Hƒxx, Prophecy and Prophets in the Revelation of St John, in: NTS 18 (1971/72) 401–418; dazu auch E. S„ˆw••xyz Fƒ|‑ zy•Š•, Apokalypsis and Propheteia. The Book of Revelation in the Context of Early Christian Prophecy, in: Lambrecht, L’Apocalypse 105–128; zum Hintergrund auch L. N••z•xx•ˆ, „An Ecstasy of Folly“. Prophecy and Authority in Early Christianity (HTS
52),
Cambridge
Mass.
2003. 647 Wann die paulinisch‑heidenchristlichen Gemeinden Kleinasiens verstärkt unter den Einfluss judaistischer Gruppen geraten sein könnten, lässt sich nicht mehr feststel‑ len. Einerseits könnte es infolge des jüdischen Krieges 66–70 und einer damit ver‑ bundenen Abwanderung von Christen aus Palästina zu einer judaistischen „Gegen‑ mission“ in den kleinasiatischen Gemeinden gekommen sein, andererseits könnte seit der Zeit des Paulus ein kontinuierlicher judaistischer Einfluss bestanden haben (vgl. Gal); vielleicht ist auch mit einer Verbindung aus beidem zu rechnen. Als Beleg für Spaltungen und einen Kurswechsel in den von Paulus und seinen Mitarbeitern gegründeten Gemeinden Kleinasiens nach dem Weggang des Apostels verweist man gerne auf Apg 20,13–38: Bei seiner Reise von Troas nach Jerusalem vermeidet Paulus einen Aufenthalt in Ephesus und lässt die Ältesten der Gemeinde nach Milet kom‑ men. Apg 20,16 begründet dies mit der Absicht einer Beschleunigung der Reise; doch macht dies keinen Sinn, da Paulus so erst von Milet aus nach den Ältesten von Ephesus schicken lassen und dann deren AnkunW abwarten muss (20,17f.); vgl. Wyƒ•yz, Apostelgeschichte (ÖTK) 2, 570f. W•xŒyz, Nikolaos 210f., nimmt an, dass es in der Gemeinde zwischenzeitig zu Spaltungen gekommen sei, Paulus Ephesus des‑ halb meide und nur die Vertreter der ihm treu Gebliebenen nach Milet kommen las‑ se. H•y•„ˆy•, Apostelgeschichte (KEK) 521, dagegen meint, Paulus meide Ephesus, da er eine erneute VerhaWung fürchtete. Auffällig ist, dass die große Abschiedsrede des Paulus in Milet auf den Abfall zahlreicher Mitglieder der kleinasiatischen Gemeinden vom (gesetzesfreien) Evangelium des Paulus vorausblickt (20,18–35). Die Rede ist jedenfalls als ganze eine Schöpfung des Vf.s der Apg; vgl. Wyƒ•yz, Apostel‑ geschichte (ÖTK) 2, 571–573. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass der Vf. der Apg spätere Spaltungen in der Gemeinde von Ephesus in die Zeit des Paulus zurückprojiziert (nach 20,19f. scheinen „Irrlehrer“ in den Gemeinden eine Art „Ge‑ heimlehre“ zu verkünden; dies wird meist auf gnostische Lehren bezogen, könnte aber auch auf [apokalyptische] Visionen zielen; Kol 2,18); vgl. dazu Wyƒ•yz, ebd. 2, 575f.; S„ˆ••„…y•†‚z‹, Ephesus 50f. Es ist allerdings zu bedenken, dass der zwi‑

318

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

2,7–9 verständigte sich das sog. „Apostelkonzil“ von Jerusalem (um 48) als Reaktion auf den Versuch von Jerusalemer Judenchristen, die hei‑ denchristliche Praxis der Gemeinde im syrischen Antiochia in ihrem Sinn zu „korrigieren“ (Gal 2,4f.), auf eine ethnisch‑geographische Ab‑ grenzung der Missions‑„Gebiete“, um für die ZukunW derartige bin‑ nenchristliche Gegenmissionen und die damit verbundenen Konflikte zu verhindern.648 Die weiteren Erfahrungen des Paulus mit den Jerusa‑ lemer „Jakobusleuten“ beim sog. Antiochienischen Zwischenfall (Gal 2,11–13) und mit den wohl ebenfalls aus dem Kreis der Jerusalemer Gemeinde stammenden „Missionaren“ in Galatien (Gal 3,1–5; 4,8–11; 5,1–12) belegen jedoch, dass die Abmachungen des „Apostelkonzils“ keinesfalls von allen Judenchristen akzeptiert wurden und dass des‑ halb dem Konzept einer KompetenzauWeilung zwischen juden‑ und heidenchristlichen Missionaren bestenfalls ein partieller Erfolg beschie‑ den war. Es wäre also durchaus denkbar, dass auch noch zur Zeit der Abfassung der Johannesoffenbarung Missionare aus Palästina und dem ebenfalls mehrheitlich judenchristlich orientierten Syrien in Kleinasien gegen
die
paulinisch
geprägte
Theologie
und
Praxis
agierten.649 Neben dieser bis in die Zeit des Paulus zurückreichenden, kontinu‑ ierlichen judenchristlichen Einflussnahme in Kleinasien, könnte es in‑ folge des jüdischen Krieges (66–70) zu einer verstärkten Zuwanderung palästinischer Judenchristen gekommen sein, die in den kleinasiati‑ schen Gemeinden Zuflucht suchten, durch „missionarische“ Aktivitä‑ ten aber die Konflikte mit dem paulinisch geprägten einheimischen Christentum verstärkten.650 Missionarische Aktivitäten palästinischer

schen 70 und 100 entstandene 1 Petr, der sich an Christen in etwa der gleichen Regi‑ on Kleinasiens wendet, von innergemeindlichen Konflikten nichts zu wissen scheint. Vgl.
Bz|ž,
1. Petrusbrief
(EKK)
24–34.
Mehr
dazu
bei
AbschniT
V. 2. 648 Zu den παρεισάκτοι ψευδαδέλφοι in Galatien R•€x, Galaterbrief (SKK.NT) 32f.; K‡•‑ Œyz, Einführung 550–554; zur AuWeilung der Missionsgebiete ebd. 34f.; S„ˆxƒyz, Ga‑ later 79f. Näheres zum Apostelkonzil bei M‚•••yz, Apostelgeschichte (NEB) 88–97; Wyƒ•yz, Apostelgeschichte (ÖTK) 2, 360–397; M‚•••yz, Galaterbrief (HThK) 99–132; S„ˆxƒyz, Galater (KEK) 64–81; By„…yz, Paulus 87–99; P. G•y„ˆŒyz, Geschichtliches zum Apostelkonzil, in: TKTh 85 (1963) 339–354. Zu den Datierungsfragen auch S„ˆ•yxxy,
Einleitung
32–45. 649 Zur judenchristlichen Prägung des Christentums in Palästina und Syrien K‡•Œyz, Einführung 582–657 vgl. auch ebd. 519–528; zu seiner eschatologischen Ausrichtung bes.
ebd.
583–586;
zum
Kampf
gegen
Paulus
ebd.
643–647. 650 Nach Eus. h. e. 3, 5,3 flohen Christen bei Beginn des ersten jüdischen Aufstandes aus Palästina nach Pella/Petra. Da auch palästinische Juden infolge des Krieges in den Gemeinden der Diaspora Zuflucht suchten (vgl. J. AJ 20, 256; BJ 7, 410–419), ist gut vorstellbar, dass – wenn auch der Bericht des Euseb insgesamt als Legende zu gelten hat – die der jüdischen Erhebung distanziert gegenüberstehenden palästinischen

Auswertung
und
Interpretation

319

Judenchristen böten sich durchaus als zeit‑ und theologiegeschichtli‑ cher Hintergrund für die in der Johannesoffenbarung formulierte anti‑ enthusiastische, anti‑libertinistische und letztlich anti‑paulinische Re‑ Apokalyptisierung an.651 In diesem Fall wären die in den Sendschreiben der Johannesoffenbarung aufscheinenden innergemeindlichen Spaltun‑ gen das Ergebnis eines konfliktreichen Nebeneinanders und der Kon‑ kurrenz zwischen paulinisch‑heidenchristlich und palästinisch‑juden‑ christlich geprägten Gruppen in den kleinasiatischen Gemeinden. Lob und Tadel in den Sendschreiben wären damit Ausdruck für die unter‑ schiedlichen Grade von Offenheit für die palästinisch‑judenchristliche Mission in den sieben Gemeinden (wobei die Sieben‑Zahl der Gemein‑ den, ihre geographische Anordnung und andere Auffälligkeiten der Sendschreiben nahe legen, dass nicht der tatsächliche Zustand konkre‑ ter Einzelgemeinden, sondern die Situation in der Asia allgemein anvi‑ siert
wird)652. Im Vergleich zum Konflikt des Paulus mit den Judaisten in Galatien aber zeigt sich in der Johannesoffenbarung eine andere Problemstel‑ lung. Für den Seher Johannes spielte die Verpflichtung der Heiden auf die Forderungen des jüdischen Gesetzes, insbesondere die Frage der Beschneidung der Heidenchristen, keine Rolle mehr; er scheint nicht einmal an einer minimalen Gesetzesobservanz interessiert, wie sie die sog. „Jakobusklauseln“ festschreiben wollten (Apg 15,19–21.28f.).653 Im

Christen während des Aufstandes und seiner Niederschlagung in die außerhalb Pa‑ lästinas gelegenen Gemeinden abwanderten, darunter wohl auch in die Gemeinden Kleinasiens. Vgl. K‡•Œyz, Einführung 519; S•Œ•…y, Gemeindeordnung 192f. Zum möglichen Zusammenhang der Johannesoffenbarung mit jüdisch‑christlichen Grup‑ pen, die um 70 n. Chr. aus Palästina einwanderten und in den ehemals paulinischen Gemeinden
zunehmend
an
Einfluss
gewannen,
J|ˆ••|•,
Asia
Minor
104–112. 651 Eine
ausführlichere
Diskussion
dieser
Problematik
unter
AbschniT
V. 2. 652 Zur Frage der Vertrautheit des Sehers Johannes mit den kleinasiatischen Gemeinden und
zu
den
Sendschreiben
bei
AbschniT
IV. 4e. 653 Eventuell verweisen πορνεία und εἰδωλόϑυτα in den Sendschreiben auf die in der Darstellung der Apg mit dem Jerusalemer „Apostelkonzil“ verbundenen „Jakobus‑ klauseln“ (15,20.29). Dazu U. B. Mwxxyz, Theologiegeschichte 17–21. Da aber dem Gesetz in der Johannesoffenbarung keine Heilsrelevanz zukommt, dienten diese Mi‑ nimalvorschriWen in den Augen des Vf.s, sofern er sie kennt, lediglich dazu, in ge‑ mischten Gemeinden das Zusammenleben von Juden und Heiden zu ermöglichen. Dazu waren diese „Klauseln“ – eventuell nach dem antiochenischen Zwischenfall (Gal 2,11–21) – von Jakobus und seinem Kreis für die aus Juden‑ und Heidenchristen bestehenden Gemeinden Syriens und Kilikiens beschlossen worden. Erst die Apg verbindet die „Jakobusklauseln“ mit der vorausgehenden Jerusalemer Entscheidung über die Nichtnotwendigkeit der Beschneidung der Heiden zur Darstellung des „Apostelkonzils“. Näheres dazu bei Wyƒ•yz, Apostelgeschichte (ÖTK) 2, 365–377; R. Py•„ˆ, Das Jerusalemer Abkommen und die Lösung des Antiochenischen Konfli‑

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von
Op
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Zentrum stand für ihn allein die Haltung zur heidnischen Welt und die damit verbundene Frage des gegenwärtigen Heilsstandes der Christen. Sollte die Johannesoffenbarung also in den Kontext missionarischer Aktivitäten palästinischer Judenchristen in Kleinasien gehören, könnte man diese jedenfalls nicht als „Judaisten“ qualifizieren.654 Die polemi‑ sche und feindselige Abgrenzung gegen die liberale Praxis der klein‑ asiatischen Christen im Umgang mit ihrer heidnischen Umwelt und die Forderung einer radikalen Trennung von der Welt, wie sie in der Johan‑ nesoffenbarung sichtbar wird, weisen aber auf Wurzeln in apokalypti‑ schen Kreisen des palästinischen Judentums, die seit den großen Aus‑ einandersetzungen um die Hellenisierung im 3. und 2. Jh. v. Chr. in ihrer Theologie und Praxis durch eine radikale Trennung gegenüber dem
Heidentum
geprägt
waren.655 Damit stehen hinter den konkurrierenden Optionen, die durch den palästinisch‑judenchristlichen Seher Johannes auf der einen und die

kts, in: P. G. Müller / W. Stenger (Hg.), Kontinuität und Einheit (FS F. Mussner), Frei‑ burg
i. Br.
1981,
105‑122. 654 Mit „Judaisten“ sind Judenchristen gemeint, die ein hohes Maß an Gesetzesobser‑ vanz und vor allem auch die Beschneidung und das Einhalten der Reinheitsgebote für alle Christen als verpflichtend erachteten. Insgesamt ist das „Judenchristentum“ des 1. Jahrhunderts kein einheitliches Phänomen; man hat mit verschiedenen Grup‑ pierungen zu rechnen, die sich im Grad der eigenen Gesetzesobservanz und der Ver‑ pflichtungen der Heiden auf das Gesetz unterschieden: die Jakobusleute, die auch für die Heiden die Beschneidung forderten; das Christentum des Aposteldekrets, das um des Zusammenlebens von Juden und Heiden in der Kirche willen ein Mini‑ mum an Gesetzesobservanz festlegte, etc. Vgl. B. W••€yz, Judenchristen. I. Neues Testament. RGG4 4 (2001) Sp. 601–603. Wie weit man hier differenzieren möchte, hängt davon ab, wie man den Begriff „Judenchristentum“ verstehen will. Geht man von einer ethnischen Konzeption aus, ist auch Paulus dem Judenchristentum zuzu‑ rechnen; geht man von der Haltung zum jüdischen Gesetz aus, wäre er dem Heiden‑ christentum
zuzuordnen. 655 Hier ist an die schon erwähnten, teilweise innerjüdischen Konflikte und Krisen des palästinischen Judentums in hellenistischer (und römischer) Zeit gedacht: Anpas‑ sungspolitik der hohenpriesterlichen Familien, Hellenisierungszwang und Religi‑ onsverfolgung unter den Seleukiden, Makkabäeraufstände (168–164), national‑religi‑ öser Widerstand gegen die bald ebenfalls hellenisierten Makkabäer/Hasmonäer und dann gegen Herodianer und Römer. Die Juden der (städtischen) Diasporagemein‑ den des Westens dagegen waren mehrheitlich um Integration in ihre pagane Um‑ welt bemüht, gelegentlich bis hin zur Assimilation. Vgl. F|ˆzyz, Geschichte 218–239. Die daraus resultierende Differenz zwischen palästinischem und außerpalästinisch‑ em Christentum lässt sich auch in der Schilderung des„Antiochenischen Zwischen‑ falls“ in Gal 2,11–21 erkennen: Die Jerusalemer Kreise um Jakobus sehen bereits die TischgemeinschaW von Juden‑ und Heidenchristen als Problem. Aus diesem Kreis rekrutieren sich offensichtlich auch die „falschen Brüder“, die die gesetzesfreie Mis‑ sion des Paulus bei den Galatern unterlaufen (vgl. 2,4f.; 5,12). Vgl. M‚•••yz, Galater‑ brief
(HThK)
132–187;
S„ˆxƒyz,
Galater
(KEK)
81–104;
By„…yz,
Paulus
99–104.

Auswertung
und
Interpretation

321

kompromissbereiten Christen Kleinasiens auf der anderen Seite mar‑ kiert werden, letztlich zwei divergierende Auffassungen von Welt und Geschichte sowie Staat und GesellschaW. Auf der einen Seite betrachte‑ te man die Staatsmacht und den Lauf der Geschichte weitgehend „neu‑ tral“ oder fand in ihnen sogar Zeichen von GoTes lenkender Fürsorge. Auf der anderen Seite dagegen sah man in der staatlichen Ordnung nichts anderes als die Manifestation der GoT feindlichen dämonischen Macht, die den negativen Lauf der Geschichte bestimmt, bis GoT der gegenwärtigen schlechten Welt ein Ende setzten wird. Für die Vertreter einer solchen apokalyptischen Welt‑ und Geschichtsdeutung konnte deshalb die Gegenwart nur ein Ort der Versuchung und Verfolgung der Gemeinde sein, in der jeder einzelne Christ seinen Glauben durch tapferes
Standhalten
bewähren
musste.

(5) Die
Johannesoffenbarung
als
innerkirchliche
KampfschriQ Die Johannesoffenbarung verfolgt in dieser innergemeindlichen Kon‑ fliktsituation ein doppeltes Ziel: Zum einen will sie die kleinasiatischen Christen für eine radikale Trennung von ihrer paganen Umwelt gewin‑ nen bzw. in ihrer kompromisslosen Glaubenstreue bestärken. Zum an‑ deren dient sie „kirchenpolitischen“ Interessen, d. h. sie möchte in den Gemeinden ein grundsätzliches Votum gegen jeden Kompromiss mit der heidnischen Welt herbeiführen.656 Diese „kirchenpolitische“ Ziel‑ richtung zeigt sich bereits in den sieben Sendschreiben, wo sie konkur‑ rierende Lehrer („Nikolaiten“) mit diffamierenden alTestamentlichen Namen („Isebel“, „Bileam“) benennt.657 In der zweiten HälWe des apo‑ kalyptischen HaupTeils (ab Kap. 12) steigert sich diese Diffamierung der Gegner: Sie scheinen hinter dem „zweiten Tier“ auf, das Züge des Lammes trägt und über die Wundermacht des Elija verfügt, in Wahr‑ heit aber die Sache des Drachen betreibt, indem er die Verehrung des „ersten Tieres“, des irdischen Repräsentanten des Drachen, propagiert. Jeder christliche Lehrer, der auch nur eine partielle und rein formale Teilnahme am paganen Kult erlaubt, ist in den Augen der Johannes‑ offenbarung ein „Lügenprophet“. Damit ordnet die Johannesoffenba‑ rung ihre Gegner ein in das apokalyptische Endzeitdrama: Diese Leh‑

656 Dazu
auch
Byz‹yz,
Theologiegeschichte
540. 657 Näheres zur Benennung der Nikolaiten mit den atl. Namen „Bileam“ und „Isebel“ bei
W•xŒyz,
Nikolaos
217–220;
Kx•‚„…,
Sendschreiben
164–170.

322

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

rer, die den Gemeinden einen Weg aus der gegenwärtigen Bedrängnis zu weisen scheinen, sind in Wahrheit selbst Teil der eschatologischen Bedrängnis und Versuchung der Gemeinde. Der Vf. der Johannesoffen‑ barung instrumentalisiert also traditionelle apokalyptische Vorstellun‑ gen für die Dämonisierung seiner Gegner. Die programmatische Re‑ Apokalyptisierung ist folglich Teil der Argumentationsstrategie der Johannesoffenbarung.658 Durch die Dämonisierung seiner Gegner allein aber konnte der Vf. schwerlich anders gesonnene Adressaten überzeugen und ihr Verhal‑ ten nachhaltig und dauerhaW beeinflussen. Denn die Entscheidung zwischen alternativen Optionen bestimmt ein elementarer Vergleich der jeweiligen Konsequenzen; dabei wiegt normalerweise ein unmiTel‑ barer Gewinn mehr als künWige Kosten.659 Um mit seiner BotschaW dennoch Erfolg zu haben, musste der Vf. der Johannesoffenbarung folglich ein massives eschatologisches Drohszenario au•auen und sei‑ nen
Adressaten
möglichst
lebendig
vor
Augen
führen. Auf die Schlusskapitel der Johannesoffenbarung übertragen bedeu‑ tet das: Der Vf. der Johannesoffenbarung stellt seine Adressaten vor die Entscheidung für oder gegen die Teilnahme am alltäglichen Leben ih‑ rer Polis. Indem er ihnen die Inkommensurabilität der gegenwärtigen und eschatologischen Konsequenzen ihrer Entscheidung vor Augen stellt, versucht er eine Entscheidung in seinem Sinn herbeizuführen. Deshalb betont er in 19,11 – 21,8 immer wieder, dass das Heil nur erlan‑ gen kann, wer die Teilnahme am paganen Kult verweigert (19,20; 20,4; vgl. 20,15; 21,8). Auch hier wird das apokalyptische Endzeit‑Szenario instrumentalisiert, um bei den Adressaten Ängste zu wecken und so ihr

658 Gegen die zu harmlose Deutung der apokalyptischen Stilisierung der Johannes‑ offenbarung als MiTel des Trostes und der Gegenwartsbewältigung bei U. B. Mwx‑ xyz, Offenbarung (ÖTK) 384–386. S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Offenbarung 39–58, bezieht zu Recht auch die apokalyptische Stilisierung in ihre rhetorische Analyse der Johan‑ nesoffenbarung ein (Rhetorik wird von ihr dezidiert nicht nur unter dem Aspekt des Stils, sondern als ‚RednerInnen‑HörerInnen‑Beziehung‘ und als Ausüben von Macht verstanden). Die verwendeten apokalyptischen Motive wollen mit starken Emotio‑ nen und Ressentiments besetzte Vorstellungen wecken, die in der konkreten Situati‑ on der kleinasiatischen Gemeinden die Adressaten in ihren Entscheidungen und in ihrer Praxis bestimmen sollen. Allerdings bedarf das Programm von Schüssler Fio‑ renza zweier Modifikationen: Zum einen sind die sozialen und kulturellen Verhält‑ nisse der kleinasiatischen Poleis wesentlich differenzierter zu betrachten und die einseitige Konzentration auf den Kaiserkult zu überwinden. Zum anderen müssen alle apokalyptischen Bilder identifiziert und auf ihre argumentative Funktion und Leistung hin befragt werden. Vgl. auch SŽƒŒˆ, Rational Choice 101–104; J. T. Kƒz†~, The
Rhetorical
Situations
of
Revelation
1–3,
in:
NTS 34
(1988)
197–207. 659 Dazu
SŽƒŒˆ,
Rational
Choice
99f.

323

Auswertung
und
Interpretation

Verhalten zu beeinflussen:660 Jesus, der Herr der Gemeinden, der von den Christen Kleinasiens eindringlich eine Korrektur ihres Verhaltens fordert (1,9 – 3,22), wird kommen und ein grausames Vernichtungsge‑ richt vollstrecken (19,11–21). Wer sich in der Bedrängnis nicht bewährt hat, kann nicht in das Millennium gelangen, wo sich die königliche und priesterliche Würde von GoTes eschatologischer Heilsgemeinde auf Er‑ den sichtbar realisieren wird (20,4–6). Vielmehr werden alle, die sich mit dem paganen Kult befleckt haben, beim Gericht über die Toten im Pfuhl von Feuer und Schwefel den „zweiten Tod“ erleiden (20,11–15). Da sie GoT nicht die Treue bewahrt haben und sich seiner Mahnung verschlossen haben, sind sie ausgeschlossen von der ewigen Gemein‑ schaW
mit
GoT
in
der
neuen
Schöpfung
(21,1–8). Situation

Optionen

Folgen jetzt

„Verführung zur Anbetung des Tieres und zum Empfang seines Prägemals“ politischer, sozialer und ökonomischer Druck auf die Christen in den kleinasiatischen Poleis Teilnahme am Leben der Polis Gemeinschaft mit der Hurenstadt Babylon

Nicht-Teilnahme am Leben der Polis Auszug aus der großen Stadt Babylon

Integration, ökonomische Vorteile

Isolation, ökonomische Nachteile

Parusie des Herrn der Gemeinden Eschaton 1

Vernichtung der Anhänger des Tieres in der Endschlacht

„erste Auferstehung“ Teilnahme am irdischen Messiasreich

Gericht über die Toten Eschaton 2

„zweiter Tod“ (Pfuhl von Feuer und Schwefel) Ausschluss aus dem neuen Jerusalem

Einzug in das neue, vom Himmel herabgekommene Jerusalem

Im Blick auf die innergemeindliche Auseinandersetzung um die Teilnahme am Leben der Polis gewinnt die kompositorisch und inhalt‑ lich pointierte Gegenüberstellung der großen Stadt Babylon (17,1 – 19,10) und des himmlischen Jerusalem (21,9 – 22,9) an Prägnanz: Die Aufforde‑ rung, sich von „Babylon“ und seinen Sünden zu trennen in 18,4, wird

660 Vgl.
SŽƒŒˆ,
Rational
Choice
110–114.

324

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

konkret verstehbar als Mahnung, am sozialen, politischen und ökono‑ mischen Leben der irdischen Poleis nicht teilzunehmen, um durch den Kontakt mit ihren paganen Kulten das Bürgerrecht der himmlischen Polis nicht zu verlieren.661 Denn den Dienern der Götzen wird der Zu‑ triT zum neuen Jerusalem verweigert, da sie nicht im Buch des Lebens, der Bürgerliste der himmlischen Polis, verzeichnet sind (21,27; vgl. 20,15). Die Faszination und ATraktivität der paganen Polis, der sich auch die kleinasiatischen Christen nicht entziehen konnten, scheint auf, wenn die Johannesoffenbarung „Babylon“ als eine Frau in kostbarem Schmuck auWreten lässt (17,4), die mit Wein die Bewohner der Erde trunken macht (17,2). Zugleich demaskiert er die irdische Polis, indem er sie „Babylon“, die „Hure“ und „MuTer aller Huren und Gräuel“, nennt (17,2.5). Damit ist gesagt: Götzendienst und Verführung zum Götzendienst ist das Wesen der irdischen Polis. Wer diesen Verführun‑ gen erliegt, wird am Ende leer ausgehen, da die irdischen Poleis keinen Bestand
haben
werden
(18,1 – 19,3). Die lange Liste von Luxusgütern in 18,12f. (Gold, Silber, Edelsteine, Perlen, Byssosleinen, Porphyr etc.) sowie die Klage über den Untergang Babylons aus dem Mund all derjenigen, die aus dem Handel und Gü‑ terverkehr zu Wasser und zu Land ihren Profit ziehen (vgl. 18,11.15– 18.23), bestätigen nochmals, dass viele Christen in Kleinasien aus öko‑ nomischen Gründen weiter am Leben ihrer Polis teilnehmen wollten.662

661 Vgl. Kx•‚„…, Sendschreiben 176–178; A. Y. C|xxƒ••, Persecution 740f.; ähnlich auch Ax••€, Kirche 224, der „Babylon“ allerdings zu exklusiv auf die Stadt Rom als Sym‑ bol des römischen Reiches bezieht; so auch U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 300– 313.
Vgl.
auch
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
393. 662 Dagegen spricht nicht, dass der Vf. der Johannesoffenbarung seiner Darstellung die atl. Drohsprüche gegen Babylon und Tyrus zugrunde legt (vgl. Jer 50–51; Ez 26–28; Jes 13–14; 21; 23; 25). Außerdem ist die Liste der Handelsgüter in Op 18,12f, offen‑ sichtlich weitgehend unabhängig von der entsprechenden Liste in Ez 27,12–24 for‑ muliert; vgl. B•‚„…ˆ•Ž, Climax 350–371. Zu den genannten Luxusgütern vgl. auch A‚•y, Revelation (WBC) 979–983. 996–1003. Viele der genannten Handelsgüter wur‑ den in Kleinasien produziert oder gelangten über die kleinasiatischen Städte in das römische Reich. Von den sieben Gemeinden liegen Ephesus, Pergamon und Smyrna am Meer. Ephesus besaß im 1./2. Jh. drei Häfen und war das kulturelle, politische und wirtschaWliche Zentrum der Provinz Asia. Smyrna war als Hafenstadt und Aus‑ gangspunkt einer wichtigen Handelsstraße reich geworden und war für ihre präch‑ tige Ladenstraße bekannt. Auch Sardes war eine wichtige Handelsstadt. Der Reich‑ tum Philadelphias gründete in seinem fruchtbaren Umland, der Laodikeias in der Produktion von Wolle und Textilien sowie in der LandwirtschaW (vgl. die Schar‑ lach‑, Purpur‑, Byssos‑ und Seidenstoffe in Op 18,12). Der Reichtum dieser Städte und Bürger zeigte sich in prachtvollen öffentlichen Bauten und kulturellen Einrich‑ tungen, wie z. B. Bibliotheken, Theatern, Gymnasien, Bädern etc. Arm war höchsten das in augusteischer Zeit durch ein Erdbeben zerstörte und mit kaiserlicher Hilfe

Auswertung
und
Interpretation

325

In den Gemeinden Kleinasiens fanden sich demnach Christen, die durch Handel mit Luxusgütern zu Wohlstand gelangt waren.663 Eine mit der Konversion zum Christentum verbundene Abgrenzung gegen‑ über der paganen Umwelt häTe ihre soziale Stellung und damit auch ihre ökonomische Existenz gefährdet. Denn für die erfolgreiche Teil‑ nahme am GeschäWs‑ und Handelsleben der Polis und des Imperiums war neben der allgemeinen Pflege sozialer Kontakte auch die Mitglied‑ schaW in Vereinen hilfreich. Da Kaufleute über Vermögen verfügten und den höheren sozialen Schichten angehörten, wurde von ihnen auch die Teilnahme am politischen Leben der Polis und die Übernahme öffentlicher Ämter erwartet. All dies führte zwangsläufig immer wieder zu
Kontakten
mit
den
paganen
Kulten
der
Polis
und
des
Imperiums. Dass sich in den christlichen Gemeinden Kleinasiens an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert Mitglieder der höheren sozialen Schichten fanden, zeigt sich auch an anderen Stellen der Johannesoffenbarung: In 13,15–18 etabliert das zweite Tier (der Lügenprophet) die kultische Ver‑ ehrung des ersten Tieres. Einerseits werden alle getötet, die sich nicht vor dem Bild des Tieres niederwerfen. Andererseits können alle Men‑ schen, die das Prägemal des Tieres nicht auf ihrer Stirn oder ihrer rech‑ ten Hand tragen, keine HandelsgeschäWe treiben. Zwischen beiden Aussagen besteht insofern ein Widerspruch, als nicht ersichtlich ist, warum jemand, der dem Bild des Tieres kultische Verehrung erweist, sich anschließend weigern sollte, sein Zeichen zu empfangen. Es muss in der Gemeinde also eine Gruppe gegeben haben, die den Vf. zu die‑ sem auffälligen Hinweis auf wirtschaWliche Folgen veranlasste. In den unmiTelbar folgenden Drohworten wird zudem erstmals die große Stadt Babylon genannt (14,8). Auch der metaphorische Gebrauch des Gegensatzes „arm“ und „reich“ in den Sendschreiben beruht offenbar

wiederaufgebaute Thyatira. Die kleinasiatischen Städte verdankten ihren Wiederauf‑ stieg und Reichtum auch der römischen HerrschaW; insofern dürWe der Vf. in Op 17,1 – 19,10 die „Große Hure Babylon“ durchaus bewusst mit Zügen Roms (d. h. der Dea Roma) versehen haben (vgl. in 17,9 die offenbar sekundäre Deutung der sieben Köpfe ihres ReiTieres auf sieben Berge, auf denen die Frau sitzt); dazu auch B•‚„…‑ ˆ•Ž, Climax 346f. Im Hintergrund von Op 18 steht also nicht eine Art „Sozialneid“ der kleinasiatischen Christen auf ihre wohlhabenden heidnischen Mitbürger; vgl. auch Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 395–402; A‚•y, Revelation (WBC) 990f.; gegen By•‑ xy,
Revelation
(NIGTC)
913f.;
A. Y. C|xxƒ••,
Persecution
737f. 663 Die Aufzählung der Luxusgüter und der zweimalige ausdrückliche Hinweis darauf, dass die Kauf‑ und Seeleute durch den Handel zu Reichtum gekommen sind (πλουτήσαντες bzw. ἐπλούτησαν 18,15.19), legt nahe, dass hier nicht an Vertreter des Klein‑ gewerbes und einfache Schiffsbesatzung gedacht ist. Dazu auch U. B. Mwxxyz, Offen‑ barung
(ÖTK)
306–308.

326

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

auf den sozialen Verhältnissen der Gemeinden: Denn die „arme“ Ge‑ meinde in Smyrna ist in Wirklichkeit „reich“ (2,9), während die „rei‑ che“
Gemeinde
von
Laodikea
in
GoTes
Augen
„arm“
ist
(3,17f.).664 Die in der Johannesoffenbarung aufscheinende Problematik einer entschiedeneren Trennung der Christen von ihrer heidnischen Umwelt und Kultur war sicher nicht neu, da Christen von Anfang an aufgrund ihres monotheistischen Bekenntnisses vor der Entscheidung standen, inwieweit sie den Erwartungen ihrer Umwelt entsprechen konnten und durWen. Als die pagane Umwelt auf die distinkte Praxis der stetig wachsenden christlichen Gemeinden zunehmend feindlich reagierte, fand die Frage nach den praktischen Konsequenzen des monotheisti‑ schen Bekenntnisses in den Gemeinden zu gegensätzlichen Antwor‑ ten.665 Aus der BereitschaW zur Assimilation auf der einen und dem Willen zur Isolation auf der anderen Seite entstand eine uneinheitliche Praxis, die im Laufe der Zeit zu theologischen Kontroversen führte, die den Zusammenhalt der Gemeinden belasteten. In diesem Kontext ent‑ steht die Johannesoffenbarung.666 Die zunehmenden Konflikte mit der heidnischen Umwelt und das Ringen um eine christliche Antwort tru‑ gen demnach entscheidend zur Re‑Apokalyptisierung der christlichen Theologie
bei,
wie
sie
sich
in
Op
19,11 – 21,8
beobachten
lässt.667 Welcher Erfolg jedoch war dem anti‑libertinistischen, anti‑enthusiasti‑ schen und anti‑paulinischen Programm der Johannesoffenbarung be‑ schieden? Die pseudepigraphen Kol und Eph bezeugen, dass Paulus

664 So
auch
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
106f.
140f.;
A‚•y,
Revelation
(WBC)
161.
258f. 665 Das AuWreten von „Irrlehrern“ und damit verbundene Spaltungen in Ephesus bzw. in den kleinasiatischen Gemeinden insgesamt deuten auch Apg 20,17–36; Eph 2,14– 22; 3,4–6; 4,11–16; 6,10–18 an. Wie die Mahnungen in Eph 4,17–24; 5,6–13 erkennen lassen, ging es dabei auch um die Teilnahme am Leben der heidnischen Polis. Vgl. S„ˆ••„…y•†‚z‹,
Ephesus
50–56. 666 Insofern ist der unmiTelbare Anlass der Abfassung der Johannesoffenbarung sowohl in einer inneren als auch einer äußeren Bedrohung der Gemeinde zu sehen. Verfol‑ gung durch die pagane Umwelt und innerchristliche theologische Kontroversen können nicht gegeneinander ausgespielt werden; beide greifen vielmehr unmiTelbar ineinander. Ax••€, Kirche 215–226, geht zu sehr von einer Verfolgung durch den rö‑ mischen Staat als zeitgeschichtlichem Hintergrund der Johannesoffenbarung aus und reduziert dadurch die Problemstellung der Johannesoffenbarung zu sehr auf die Frage nach dem Verhältnis zum Imperium. Der Alltag der Polis als Konfliktfeld für
die
christlichen
Gemeinden
kommt
deshalb
nicht
in
den
Blick. 667 Dazu auch E. S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, Apocalyptic and Gnosis in the Book of Revelation and Paul, in: JBL 92 (1973) 565–581. Politische Krisen und Naturkatastrophen mögen das Wieder‑Aufleben und die Akzeptanz der Apokalyptik in den kleinasiatischen Gemeinden am Ende des 1. Jahrhunderts begünstigt haben; vgl. S. Dƒ„…y~, Die Be‑ deutung wirtschaWlicher und sozialer Faktoren für die Ausbreitung des Christen‑ tums
in
Kleinasien,
in:
Meeks,
Soziologie
49–66.

Auswertung
und
Interpretation

327

über seinen Fortgang und Tod hinaus in den kleinasiatischen Gemein‑ den Autorität und Ansehen genoss (warum häTe man sonst unter sei‑ nem Namen Briefe abfassen sollen); die Intervention des Vf.s der Jo‑ hannesoffenbarung vermochte dies nicht dauerhaW zu ändern, wie die Pastoralbriefe sowie die Briefe des Polykarp von Smyrna und Ignatius von Antiochien zeigen.668 Über die Jahre zwischen dem Eph und den Pastoralbriefen, in denen wahrscheinlich die Johannesoffenbarung ent‑ stand, lassen sich mangels Quellen keine Angaben machen.669 Zu über‑ legen wäre, ob die in den Pastoralbriefen erkennbare Distanzierung von einer enthusiastisch‑präsentischen Eschatologie eine Wirkung der Johannesoffenbarung ist (vgl. 2 Tim 2,18); in der Bestimmung des Ver‑ hältnisses der Christen zur heidnischen Welt jedenfalls folgen sie der BotschaW des Sehers Johannes nicht. Ein vorübergehender Erfolg scheint zumindest ihrer chiliastischen Eschatologie beschieden: Im 2. Jahrhundert ist sie in Kleinasien bei Papias von Hierapolis und den phrygischen Montanisten bezeugt, aber auch bei dem aus Kleinasien stammenden Irenäus von Lyon.670 Unklar ist, ob Justin den Chiliasmus aus seiner palästinischen Heimat mitbrachte oder erst in Kleinasien

668 Näheres dazu A. Lƒ•€yŽ•••, Paulus in den SchriWen der Apostolischen Väter, in: ders., Paulus 253–279; ders., Der Apostel Paulus im 2. Jahrhundert, in: ders., Paulus 295–322. Doch gilt auch noch für Ignatius von Antiochien: „Die Wertschätzung des Paulus durch Ignatius hat in der realen Kenntnis seiner Texte durchaus keine Ent‑ sprechung; entgegen manchen Behauptungen lassen sich Zitate aus dem Corpus Paulinum nur in geringer Zahl (und dann ohne besondere Betonung!) nachweisen“ (P•‚x•y•, Literatur 151). Zu der für die Fragestellung relevanten Problematik der Datierung und Authentizität der Ignatianen bei AbschniT V. 2. Zu bedenken wäre hier auch ein möglicher Anteil einer kleinasiatischen Paulusschule (Ephesus) am Prozess der Sammlung der Paulusbrief, neben Korinth (und Rom). K. Ax••€, Die Entstehung des Corpus Paulinum, in: ders., Neutestamentliche Entwürfe (TB 63), München 1979, 302–350; H. G•Ž†xy, The Redaction of the Pauline LeTers and the Formation of the Pauline Corpus, in: JBL 94 (1975) 403–418; A. S••€, Überlieferung und
Sammlung
der
Paulusbriefe,
in:
Kertelge,
Paulus
11–24. 669 Hinzu kommt, dass die Datierung der Pastoralbriefe zwischen ca. 100 und 150 schwanken; insofern könnten die Ignatianen (ihre Authentizität vorausgesetzt) in die Zeit zwischen Eph und Pastoralbriefen fallen. Weiterführende Überlegungen dazu und zu den oben angesprochen Fragestellungen unter AbschniT V. 2; hier auch die
entsprechenden
Quellenbelege
und
Literaturverweise. 670 Zur forthaltenden Wirkung der Apokalyptik in Kleinasien J|ˆ••|•, Asia Minor 106. Zum Chiliasmus der alten Kirche H. BƒyŒy•ˆ•z€, The Millennial Hope in the Early Church, in: SJTh 6 (1953) 12–30; K‡zŒ•yz, Papias 185–196; K. Ax••€, Bemerkungen zum Montanismus und zur frühchristlichen Eschatologie, in: ders., Kirchenge‑ schichtliche Entwürfe, Gütersloh 1960, 105–148; G. J|•••, Regno di Dio e Chiesa. Ri‑ cherche sulla concezione eschatologica ed ecclesiologica dell’Adversus haereses di Ireneo, Neapel 1970; C. R. SŽƒŒˆ, Chiliasm and Recapitulation in the Theology of Ire‑ naeus,
in:
VigChr 48
(1994)
313–331.

328

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

kennen lernte (Ephesus als Ort seines „Dialogs mit Tryphon“).671 Frag‑ lich aber bleibt, ob die Johannesoffenbarung tatsächlich die (einzige) Wurzel des kleinasiatischen Chiliasmus ist; denn die chiliastische Kon‑ zeption des Papias von Hierapolis unterscheidet sich deutlich von der in Op 20. Immerhin berufen sich Justin und Irenäus auf das Zeugnis des
Sehers
Johannes.

e. Das
theologisve
und
literarisve
Profil des
„Sehers
Johannes“ Die vorausgehenden AbschniTe rekurrierten mehrmals darauf, dass der Anti‑Enthusiasmus, Anti‑Libertinismus und Anti‑Paulinismus der Johannesoffenbarung sich aus der HerkunW des Vf.s aus apokalypti‑ schen Kreisen des palästinischen Judenchristentums erkläre.672 Um die‑ se Annahme abzusichern, soll deshalb im Folgenden geprüW werden, ob sich eindeutige Indizien für eine jüdisch‑palästinische HerkunW des Vf.s gewinnen lassen. Als Ausgangspunkt dient die sprachlich‑stilisti‑ sche Analyse von Op 19,11 – 21,8, deren Ergebnisse zunächst kurz re‑ kapituliert und im Hinblick auf die Frage nach der ethnisch‑geographi‑ schen, aber auch sozialen HerkunW des Vf.s ausgewertet werden sollen. Dabei muss nochmals zu der immer wieder vertretenen These Stellung bezogen werden, die auffällige Sprache der Johannesoffenbarung sei Ausdruck eines gesuchten biblischen Stils oder sogar eine absichtsvolle Kunstsprache.673 Sollte sich die HerkunW des Sehers aus dem palästini‑ schen Judentum erweisen lassen, stellt sich die Frage, wann und wozu er nach Kleinasien gekommen ist und ob er in den angeschriebenen Gemeinden als Wandermissionar tätig war und als Mitglied oder gar Anführer
eines
christlichen
Prophetenkreises
über
Autorität
verfügte.674

671 Näheres bei Pˆ. B|†ƒ„ˆ|•, Justin Martyr: Dialogue avec Tryphon. Édition critique, traduction, commentaire, 2 Bde. (Paradosis 47,1/2), Fribourg 2003; O. Gƒ|z€••|, S. Giustino e il millennarismo, in: Asp. 10 (1963) 151–171; J. C. Gzy‹|z~, The chiliastic hermeneutic of Papias of Hierapolis and Justin Martyr compared with later patristic chiliasts,
Ann
Arbor
Mich.
1986. 672 Diese Annahme ging von der auch in der neueren Forschung einhellig vertretenen These aus, der Seher Johannes stamme aus Palästina und sei – möglicherweise infol‑ ge des ersten jüdischen Krieges (66–70) – nach Kleinasien gekommen; vgl. A‚•y, Jo‑ hannes‑Apokalypse.
RGG4
4,
Sp. 541. 673 Näheres
zu
diesen
Thesen
und
ihren
Vertretern
unter
AbschniT
III. 2b. 674 Zum Forschungskonsens hinsichtlich Funktion und Stellung des Sehers Johannes in den kleinasiatischen Gemeinden A‚•y, Revelation (WBC) xƒƒƒf.; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 36–38.40; S„ˆ•yxxy, Einleitung 558–560; Vƒyxˆ•‚yz, Urchristliche Literatur

Auswertung
und
Interpretation

329

Der AbschniT Op 19,11 – 21,8 zeigt typische Kennzeichen eines einfachen und volkstümlichen Stils: Es überwiegen kurze und einfache Hauptsätze, die durch καί aneinander gereiht werden (parataktische Satzfügung). Auch das gehäuWe AuWreten der constructio ad sensum ist typisch für einen volkstümlichen Stil. An MiTeln der sprachlichen Ge‑ staltung finden sich lediglich die für das volkstümliche Erzählen typi‑ schen Figuren der Wiederholung (Anapher, Epipher), Formen bildli‑ cher Rede, Ellipsen und Brachylogien; Figuren des gehobenen Stils fehlen völlig.675 Zudem stehen die genannten Stilfiguren eher zufällig, ohne dass damit eine erkennbare inhaltliche Akzentuierung verbunden ist. Zahlreiche Verstöße gegen die griechische Syntax (Solözismen) las‑ sen eine Unsicherheit des Vf.s im Gebrauch des griechischen Genus‑, Kasus‑ und Tempussystems erkennen.676 Viele dieser Verstöße und die auffällige Bevorzugung bestimmter griechischer Konstruktionen wei‑ sen auf den Einfluss einer semitischen MuTersprache des Vf.s.677 Die Verwendung von Partizipien an Stelle finiter Verben, die Vorliebe für den Akkusativ mit Partizip (AcP) nach καὶ εἶδον und die relativ freie 501f.; B•„…ˆ•‚•, Vision 16–18; Bz|yz, Einleitung 666–668. Vgl. auch den Überblick bei
B‡„ˆyz,
Johannes‑Apokalypse
29–35. 675 An für den gehobenen Stil typischen Formen des sprachlichen Ausdruck wären vor allem Formen der Wortstellung und des kunstmäßigen Periodenbaus zu nennen, so z. B. Hyperbaton, Postposition, Anastrophe etc. Es sei hier eigens erwähnt, dass der Johannesoffenbarung selbstverständlich auch die von den Grammatikern und Rhe‑ torikern gepriesenen Stilqualitäten wie Ἑλληνισμός, σαφήνεια, πρέπον und κόσμος nicht eignen, wie sie z. B. von den rhetorisch‑grammatischen SchriWen des Dionysios von Halikarnass (Amm., Lys. und Isoc.), aber auch in der anonymen SchriW περὶ ὕψους
propagiert
werden.
Vgl.
Fz‡•·•,
Prolegomena
131–137. 676 Da beinahe jeder Satz eine oder mehrere dieser sprachlichen Härten aufweist, kann auch – wie bereits angemerkt – die These von By•xy, Revelation (NIGTC) 100–103, nicht überzeugen, dass das Durchbrechen der griechischen Syntax als Textsignal die‑ ne und die Aufmerksamkeit des Lesers auf diese Stelle lenken solle, d. h. eine atl. Anspielung
anzeigen
solle. 677 Zusammenfassend zum semitischen Einfluss im Stil der Johannesoffenbarung auch Fzy~, Erwägungen 373–380, der jedoch den absichtsvollen Gestaltungswillen des Vf.s bei den syntaktischen „Regelverstößen“ zu hoch ansetzt, den Aspekt einer feh‑ lenden literarischen Bildung dagegen zu gering veranschlagt; außerdem lässt er die Frage nach der Benutzung schriWlicher Vorlagen ebenso außer Acht wie die Frage, auf welcher Basis die stilistisch eigenwillige und singuläre Gestaltung der Johannes‑ offenbarung von den Adressaten wahrgenommen werden kann (z. B.: Warum kön‑ nen und sollen die Kasus‑Fehler in 1,4 beim Leser/Hörer den Eindruck von Würde und Feierlichkeit erzeugen?). C•xx•ˆ••, Language 464, ordnet den griechischen Idiolekt der Johannesoffenbarung in den Kontext von „subaltern authors who self‑ consciously write in the language of the dominant“ ein, benennt aber dafür keine Beispiele aus der antiken mediterranen Literatur. Als Parallelen für die Sprache der Johannesoffenbarung nennt er den englischen Dichter Thomas Hardy (1840–1928) und
die
postkoloniale
englisch‑sprachige
Literatur
Asiens
und
Afrikas
(ebd.
465f.).

330

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Wortstellung im Satz deuten auf das gesprochene Aramäisch. Denkbar wäre auch ein hebräischer Einfluss, falls im 1. Jahrhundert n. Chr. in Ju‑ däa tatsächlich eine frühe Form des Mischna‑Hebräischen als tägliche Umgangssprache gesprochen wurde. Eine eindeutige Entscheidung ist jedoch aufgrund der großen syntaktischen Nähe beider Sprachen nicht möglich. Für die Annahme, der Vf. versuche durch die Missachtung der griechischen Syntax einen „biblischen Stil“ zu erzeugen, lassen sich kei‑ ne stichhaltigen Argumente anführen; denn der semitische Einfluss im Griechisch der Johannesoffenbarung weist nahezu durchgängig auf die gesprochene aramäische oder gegebenenfalls hebräische Alltagsspra‑ che und nicht auf das biblische Hebräisch.678 Der stellenweise „biblische Stil“ in Op 19,11 – 21,8 verdankt sich nicht syntaktischen Semitismen (Hebraismen) und Septuagintismen, sondern den zahlreichen mehr oder weniger freien alTestamentlichen Zitaten und dem Gebrauch des biblischen Parallelismus membrorum. In diesen alTestamentlichen Zita‑ ten selbst finden sich keine Hinweise, dass der Vf. bestrebt ist, das he‑ bräische Original ohne Rücksicht auf die griechische Syntax und Idio‑ matik möglichst genau wiederzugeben (in Analogie zur „Übersetzung“ des Aquila). Vielmehr lässt sich beobachten, dass der Vf. meist der Übersetzung der LXX folgt (bei Dan gelegentlich auch Theod.); wo er davon abweicht, ist seine Übersetzung weiter vom hebräischen Text entfernt als die LXX.679 An diesen Stellen könnte der Vf. (den hebräi‑

678 In Anschluss an G. K. Beale spricht auch Fzy~, Erwägungen 363f., von „absichtsvollen Solözismen“, die auf einen „biblischen Effekt“ zielen. Nicht begründet wird, warum Leser schwere Syntaxfehler als „biblisch“ interpretieren sollten. Der Verweis auf die sog. Aquila‑Übersetzung der heiligen SchriW genügt hier – wie bereits dargelegt wurde – nicht; denn solche etymologisierende Wort‑für‑Wort‑Übertragungen galten den antiken Rabbinen als „Targume“, d. h. als erklärende Übertragungen, die zur Verwendung mit dem hebräischen Original‑Text bestimmt und ohne diesen nicht denkbar waren. Man beachte auch den Unterschied zwischen dem Griechisch der Johannesoffenbarung und dem derjenigen Bücher der LXX, die sich um eine bis in die Satzstellung hinein möglichst wortgetreue Wiedergabe des hebräischen Textes bemühen, so z. B. das Buch Joël; zur Übersetzungstechnik im Joël‑Buch der LXX vgl. A. Ÿ. SŒ|„…ˆ•‚•y•, Über die Übersetzungstechnik der Joel‑Septuaginta und ihre Konsequenzen für die Übersetzung des Joel‑Buches im Rahmen der Septuaginta Deutsch, in: Kreuzer / Lesch, Brennpunkt 2, 259–268. Vgl. zur Frage der Überset‑ zungstechnik(en)
der
LXX
auch
AbschniT
III. 2.b–c. 679 Die gängige These, der Vf. der Johannesoffenbarung übersetze direkt aus dem he‑ bräischen Text der Heiligen SchriW, den er „wörtlicher“ wiedergebe als die Septua‑ ginta, bestätigen die sprachlichen Beobachtungen zu Op 19,11 – 21,8 nicht. Vertre‑ ten wird diese These u. a. in den Kommentaren von R. H. Charles und G. K. Beale und in den Untersuchungen von E. Lohse und S. Thompson. Die Nähe der atl. An‑ spielungen und Zitate zu den griechischen Versionen (LXX, Theod.) zeigt die tabel‑

Auswertung
und
Interpretation

331

schen oder griechischen Text) aus dem Gedächtnis zitieren, falls er nicht auf paraphrasierende Exzerpte zurückgreiW. Insgesamt sprechen der deutliche aramäische (oder mischna‑hebräische) Einfluss im Grie‑ chisch der Johannesoffenbarung und die mangelhaWe Beherrschung der griechischen Syntax dafür, dass der Vf. der Johannesoffenbarung ein primär bilingualer Semit ist. Dies passt zu einer palästinischen Her‑ kunW des Vf.s: Aramäisch (in Judäa eventuell auch eine Vorform des Mischna‑Hebräischen) ist hier die Umgangssprache unter den Juden; zugleich zwingt das Vorhandensein einer erheblichen Zahl nicht‑jüdi‑ scher Bewohner in Palästina, sich quasi von Geburt an elementare Kenntnisse des Griechischen (nichtliterarische Koine) anzueignen.680 Die zahlreichen grammatischen Fehler in Op 19,11 – 21,8 belegen je‑ denfalls, dass der Vf. der Johannesoffenbarung offensichtlich keinen systematischen Unterricht im Griechischen erhalten hat.681 Dies erlaubt gewisse Rückschlüsse auf seine soziale HerkunW; denn für Mitglieder der jüdischen Oberschicht in Palästina, d. h. für die Mitglieder des Priesteradels und der nichtpriesterlichen Eliten, war eine derartige Un‑ terweisung im Griechischen durchaus selbstverständlich, wie das Bei‑ spiel
des
Flavius
Josephus
zeigt
(unbeschadet
AJ
20, 262–265).682

larische Zusammenstellung bei S–yŒy, Revelation „žx–„xƒƒƒ. M|•Œ‹|Žyz~, Education 74, sieht den Seher Johannes gar als Mitglied eines Gelehrtenkreise, der bestrebt ist, SchriT
für
SchriT
ungenügende
Übersetzungen
der
LXX
zu
korrigieren. 680 Vgl. dazu die Ausführungen im Exkurs: „Die Sprachverhältnisse im Palästina des 1. Jh.
n. Chr.“
(hier
auch
Literaturhinweise). 681 Hier ist vor allem die Vernachlässigung der im Griechischen zwingenden nominalen und nominal‑verbalen Kongruenz zu nennen, die auf einen „ungeübten“ Schreiber weist. Die Tatsache, dass die handschriWliche Überlieferung an vielen dieser Stellen schwankend ist, sollte man nicht zu Gunsten des Vf.s auswerten; denn es ist eher da‑ mit zu rechnen, dass spätere Abschreiber diese „kleinen“ Fehler korrigiert haben, als dass sie sie erst geschaffen haben; so schon H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 20; gegen Fzy~, Erwägungen 360–362 (bes. Anm. 203), der zudem beinahe den Eindruck er‑ weckt, Verstöße gegen die Kongruenz wären im Griechischen als insignifikante Nachlässigkeit eines Vf.s zu werten. Dagegen spricht bereits die Beobachtung, dass die nominale und nominal‑verbale Kongruenz in allen anderen neutestamentlichen und frühchristlichen SchriWen (und auch in der LXX) durchgehalten wird, sofern nicht ein constructio ad sensum oder ein Anakoluth vorliegen. Insgesamt zeigen die sprachlich‑stilistischen Auffälligkeiten in Op 19,11 – 21,8, dass die Sprache und der Stil der Johannesoffenbarung weit von dem entfernt ist, was R~€†y„…, Fachprosa 188–192, unter dem Stichwort „Zwischenschichtprosa“ beschreibt; damit meint er eine Art „Normalprosa“, die im Schulunterricht vermiTelt wird und auf die in der Kaiserzeit jeder zurückgreiW, der sich ohne besondere literarische Ambitionen schriWlich
ausdrücken
will.
Vgl.
dazu
auch
L••€}y•Œyz,
Stilistik
29–37. 682 Außer den Angaben im Exkurs: „Die Sprachverhältnisse im Palästina des 1. Jh. n. Chr.“ vgl. zu den Griechischkenntnissen der jüdischen Eliten in Palästina auch Dyxxƒ•‹,
Begegnung
22–26;
S„ˆwzyz,
Geschichte
2, 84–88.

332

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Zieht man in Betracht, dass sich die Johannesoffenbarung in einem innergemeindlichen Konflikt gegen eine theologisch begründete Teil‑ nahme kleinasiatischer Christen am Leben ihrer paganen, griechisch geprägten Umwelt wendet, ist die Versuchung groß, das „fehlerhaWe“ Griechisch der Johannesoffenbarung als eine bewusst gestaltete Kunst‑ sprache zu verstehen, in der sich die Ablehnung des Vf.s gegen alles Griechische und Pagane ausdrücke.683 Der Vf. bediene sich gleichsam notgedrungen der paganen Sprache, da die hellenisierten Christen Kleinasiens seine SchriW andernfalls nicht verstünden. Indem er aber ihre grammatischen Strukturen durchbricht und sie der semitischen Syntax unterwirW, entkleide er die griechische Sprache ihres paganen Charakters und schaffe ein erträgliches Vehikel für den heiligen Inhalt. Gegen diese These spricht, dass eine derartige Textstrategie der Johan‑ nesoffenbarung weder Vorgänger besitzt noch Nachahmer fand.684 Der singuläre Charakter aber lässt es kaum wahrscheinlich erscheinen, dass diese Textstrategie von den Adressaten verstanden worden wäre.685 Außerdem häTe der Vf. sich dann wohl eher an den Strukturen des biblischen Hebräisch, der „heiligen Sprache“, orientiert als an der ge‑ sprochenen Alltagssprache. Ebenso befremdet, dass weder Dionysios von Alexandrien bei seinen Ausführungen zur Sprache der Johannes‑ offenbarung (vgl. Eus. h. e. 7, 25) noch ein anderer altkirchlicher Theolo‑ ge eine derartige Theorie erwähnt. Man wird also kaum der These von H. KraW zustimmen wollen, der Vf. häTe auch in bestem und fehlerfrei‑ em
Griechisch
schreiben
können
–
wenn
er
es
nur
gewollt
häTe.686 Auf eine jüdische HerkunW des Vf.s weist nicht nur sein aramaisie‑ rendes Griechisch. Auch seine Nähe zum jüdisch‑apokalyptischen Den‑

683 So die bereits erwähnte Vermutung von N|z€y•, Agnostos Theos 382f., die z. B. von A. Y. Collins und W. J. Harrington (SacrP) rezipiert wurde und letztlich auch der An‑ nahme einer Kunstsprache bei H. KraW (HNT) zugrunde liegt. Dazu bei AbschniT III. 2b.
Punkt
(4). 684 Eine derartige Aversion gegen das Griechische findet sich nicht einmal in der natio‑ nal‑politisch motivierten Aufstandsbewegung des Bar‑Kochba, aus dessen Hand auch griechisch verfasste Briefe an seine Anhänger erhalten sind; vgl. dazu die An‑ merkungen
im
Exkurs. 685 Fraglich ist auch, inwiefern eine solche Textstrategie dem Vorhaben des Vf.s über‑ haupt dienlich gewesen wäre. Von der hellenistisch‑römischen Kultur der kleinasia‑ tischen Poleis faszinierte Christen häTe er mit einem in einer so „barbarischen“ Sprache geschriebenen Werk kaum überzeugen können; vgl. das auf hellenistischer Stilkritik (Theophrast, Demetrios von Phaleron, Dionysios von Halikarnass, Theodo‑ ros von Gadara) fußende Urteil des Dionysios von Alexandrien bei Eus. h. e. 7, 25,26: διάλεκτον μέντοι καὶ γλῶσσαν οὐκ ἀκριβῶς ἑλληνίζουσαν αὐτοῦ βλέπω, ἀλλ’ ἰδιώμασίν τε βαρβαρικοῖς καί που καὶ σολοικίζοντα. 686 Vgl.
Kz•}Œ,
Offenbarung
(HNT)
15f.;
ähnlich
R|x|}},
Offenbarung
(ZBK)
20f.

Auswertung
und
Interpretation

333

ken und seine Vertrautheit mit den heiligen SchriWen und der Literatur des Frühjudentums weisen eher auf einen jüdischen als einen paganen Hintergrund.687 In Op 19,11 – 21,8 ließen sich insbesondere inhaltliche Berührungen mit 1 Hen, 4 Esra und 2 Bar feststellen (in geringerem Maße mit Jub und TestXII). Auffällig häufig finden sich Parallelen zu den Sib, einer SchriW des hellenistischen Diasporajudentums.688 Eine Benutzung dieser SchriWen lässt sich zwar nicht nachweisen; doch le‑ gen die zahlreichen Spannungen und Brüche die Benutzung ähnlicher, nicht mehr erhaltener schriWlicher Vorlagen nahe.689 Die unterschiedli‑ che Dichte syntaktischer Fehler in Op 19,11 – 21,8 lässt vermuten, dass diese SchriWen ihm teilweise in Hebräisch oder Aramäisch, teilweise aber auch schon in Griechisch vorlagen. Bezeichnend ist der Umgang mit seinen Vorlagen: Er „bricht“ aus ihnen kleine Blöcke („Fragmente“) heraus und reiht sie so aneinander, dass in hohem Maße störende „Nahtstellen“ erkennbar bleiben.690 Unter dieses traditionelle Material mischen sich zahlreiche wörtliche Wiederholungen und formelhaWe Wendungen.691 So entsteht ein monotoner, skizzenhaWer Stil, den der einfache parataktische Periodenbau noch verstärkt. Zugleich schaffen diese Wiederholungen Bezüge zwischen verschiedenen AbschniTen des Werkes und lassen eine klare gestalterische und kompositorische Absicht des Vf.s erkennen, wenn er auch im Detail immer wieder schei‑ tert. Die Auslegung der Johannesoffenbarung muss sich deshalb auf die „großen Strukturen“ des Werkes konzentrieren und muss der Versu‑ chung widerstehen, alle Unklarheiten des Textes zu lösen oder gar in den
Widersprüchen
einen
tieferen
Sinn
zu
entdecken.

687 Vgl.
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
139. 688 Die Sib werden seit dem 2. Jh. v. Chr. im Diasporajudentum gesammelt (Buch 3 und 5 in Ägypten, Buch 4 in Kleinasien und Syrien). Dazu Oy‹yŽ•, Apokalypse (JSHRZ) 165–181; J. J. C|xxƒ••, The Development of the Sibylline Tradition, in: ANRW II. 20.1 (1987) 421–459; ders., Sibylline Oracles; M. SƒŽ|•, Sur quelques aspects des Oracles Sibyllins
juifs,
in:
Hellholm,
Apocalypticism
219–233. 689 Es ist sicher mit der Existenz einer wesentlich größerer Zahl frühjüdischer Apoka‑ lypsen zu rechnen, als erhalten sind. Es ist zu bedenken, dass die uns bekannten Apokalypsen beinahe alle erst im 19. und 20. Jh. wieder entdeckt wurden; vgl. H•ˆ•, Apokalyptik 8–10. Zudem lassen viele der erhaltenen Apokalypsen, wie z. B. 4 Esra
und
2 Bar,
erkennen,
dass
sie
schriWliche
Vorlagen
benutzen. 690 Gegen G. Bƒ‹‚ŠŠƒ, A Figurative and Narrative Language Grammar of Revelation, in: NT 45 (2003) 382–402, der hinter den logischen Unstimmigkeiten der Bilder der Jo‑ hannesoffenbarung und ihrer narrativen Abfolge die Absicht des Vf.s sieht, eine „surreal and oneiric world“ zu schaffen. Die zahlreichen narrativen Lücken und lo‑ gische Brüche dürWen – so G. Biguzzi – deshalb nicht als Argumente für literarkriti‑ sche
Analysen
herangezogen
werden. 691 Dazu
auch
Fzy~,
Erwägungen
372f.

334

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Die Tatsache, dass Griechisch nicht die MuTersprache des Vf.s ist, beweist zwar nicht zwangsläufig die palästinische HerkunW des Vf.s; doch besitzt diese Annahme eine hohe Plausibilität. Gegen eine Her‑ kunW des Vf.s aus einer Region Kleinasiens, in der im 1. Jahrhundert noch eine der alten epichorischen Sprachen Kleinasiens gesprochen wurde (Phrygisch, Pisidisch, evtl. auch Mysisch und Isaurisch), ist ein‑ zuwenden, dass diese Sprachen wie das Griechische zur indogermani‑ schen Sprachfamilie gehören, das muTersprachliche Element im Grie‑ chisch der Johannesoffenbarung aber offenbar semitisch ist.692 Möglich wäre allerdings eine HerkunW des Vf.s aus dem aramäisch sprechenden Judentum der syrischen oder babylonischen Diaspora. Für die Her‑ kunW des Vf.s aus Palästina ließen sich eventuell die Berührungen mit den von palästinischen Juden verfassten, ungefähr gleichzeitigen Apo‑ kalypsen 4 Esra (um 100 n. Chr., evtl. in Rom) und 2 Bar (vor oder um 130 n. Chr.) anführen (4 Esra und 2 Bar bieten die einzigen sicheren Be‑ lege für die Erwartung des messianischen Zwischenreichs im Frühju‑ dentum).693 Da der Vf. der Johannesoffenbarung diese (wahrscheinlich

692 Zu den Sprachen Kleinasiens A. Hy‚†y„…, Kleinasien [4] Kleinasiatische Sprachen. LAW 2, Sp. 1541 (hier auch ein Karte mit regionaler Verteilung der einzelnen Spra‑ chen [Abb. 129]); G. Ny‚Ž•••, Kleinasien, in: Neuman / Untermann, Die Sprachen im römischen Reich der Kaiserzeit 167–185; S„ˆŽƒŒŒ, Sprachverhältnisse 565–570. Aramäisch ist in Kleinasien für die Zeit der persischen HerrschaW durch InschriWen bezeugt, wurde aber im 1. Jh. n. Chr. nicht mehr gesprochen. Phrygisch ist für das 1. Jh. im Landesinneren durch Fluchformeln auf Grabstelen belegt. Auch das Pisidi‑ sche ist inschriWlich belegt. Keine inschriWlichen Zeugnisse finden sich für die kelti‑ sche Sprache der Galater. Eigene Idiome der Bithynier, Mariandyner, Paphlagonier etc. werden durch SchriWstellernachrichten für diese Zeit vorausgesetzt; ähnliches gilt für die kappadokischen Sprachen. Da sich davon aber keine Sprachzeugnisse er‑ halten haben, lassen sich über die Art, die Verbreitung und das Weiterleben dieser Sprachen keine Angaben machen. An möglichen Einwirkungen der kleinasiatischen Substratsprachen auf das Griechische werden genannt: der Gebrauch der Präpositi‑ on ἐπί im Sinne der lykischen Präposition hrppi als „für, zugunsten von“, die miss‑ bräuchliche Bevorzugung des Mediums vor dem Aktiv und die Verdrängung des Dativs
durch
den
Genitiv. 693 Näheres zu Entstehungsort und ‑zeit von 4 Esra Oy‹yŽ•, Apokalypse (JSHRZ) 94– 115; zu 2 Bar ebd. 58–75. Die Vertrautheit mit 1 Hen ist insignifikant, da diese SchriW bereits im 3./2. Jh. v. Chr. in einem sukzessiven Wachstumsprozess entstand, breit re‑ zipiert wurde und deshalb allgemein verbreitet war; vgl. z. B. 2 Petr 2,4; Jud 14.16. Näheres zu 1 Hen Oy‹yŽ•, Apokalypse (JSHRZ) 131–150. Auf die motivischen Be‑ rührungen mit den in der Diaspora entstandenen Sib wurde bereits hingewiesen. Formal und inhaltlich steht die Johannesoffenbarung den palästinisch‑jüdischen Apokalypsen (1 Hen; AssMos; 4 Esra; 2 Bar) näher als den hellenistisch‑jüdischen (2 Hen; 3 Bar; TestAbr). Näheres zu den hellenistisch‑jüdischen Apokalypsen bei J. J. C|xxƒ••, The Genre of Apocalypse in Hellenisitic Judaism, in: Hellholm, Apoca‑ lypticism
531–548.

Auswertung
und
Interpretation

335

jüngeren) SchriWen noch nicht kennen konnte, liegt es nahe, die inhalt‑ liche Nähe auf die HerkunW aus einem gemeinsamen palästinisch‑jüdi‑ schen Traditionshintergrund zurückzuführen.694 Folglich gibt es keine zwingenden Gründe der altkirchlichen Tradition, der Vf. der Johannes‑ offenbarung
stamme
aus
Palästina,
zu
misstrauen. Bei einem Vf. aus dem palästinischen Judenchristentum überrascht es aber umso mehr, dass in der Johannesoffenbarung typisch juden‑ christliche Themen fehlen: Das jüdische Gesetz, die Tora, seine Rein‑ heitsvorschriWen und die Beschneidung spielen für den Vf. keine Rolle mehr.695 Daraus lässt sich folgern, dass die gesetzesfreie Heidenmission für ihn ein akzeptiertes und irreversibles Faktum ist (vgl. Op 7). Die in Op 19,11 – 21,8 zu beobachtende Re‑Apokalyptisierung bedeutet also keine Re‑Judaisierung des Christentums. Das Christentum der Johan‑ nesoffenbarung ist klar innerhalb des Jerusalemer Abkommens des Jahres 48 verortet, das den Heiden weder die Beschneidung noch sons‑ tige Verpflichtungen auferlegte (Gal 2,6–10; Apg 15,10f.19). Die christli‑ che Gemeinde grenzt er klar von den Juden ab, denen er abspricht, in Wahrheit Juden zu sein (vgl. 2,9; 3,9). Die Trennung der christlichen Gemeinden vom Judentum ist also offensichtlich bereits geraume Zeit vollzogen. Hinzu kommt, dass die Johannesoffenbarung eine relativ weit entwickelte Christologie zeigt, die eine judaisierende Deutung Jesu vermeidet: Jesus, das Lamm, wird klar gegen alle Engelwesen ab‑ gegrenzt und auf die Seite GoTes gestellt (vgl. 5,6: καὶ εἶδον ἐν μέσῳ τοῦ ϑρόνου καὶ τῶν τεσσάρων ζῴων καὶ ἐν μέσῳ τῶν πρεσβυτέρων ἀρνίον ἑστηκὸς κτλ. und 5,8: … τὰ τέσσαρα ζῷα καὶ οἱ εἴκοσι καὶ τέσσαρες πρεσβύτεροι ἔπησαν ἐνώπιον τοῦ ἀρνίου κτλ.).696 Als Herr der Gemeinden

694 Die von A‚•y, Revelation (WBC) x, genannten zusätzlichen Argumente sind m. E. nicht stichhaltig: Aus allgemeinen Aussagen in Op 8,3–4; 11,1–2 lässt sich keine Vertrautheit des Vf.s mit dem Jerusalemer Tempelkult schließen. Auch ein in der Ortsangabe Harmagedon evtl. enthaltener Bezug auf Palästina und die mehrmalige Nennung (des himmlischen!) Jerusalems erweisen nicht zwingend eine palästinische HerkunW
des
Vf.s. 695 Vgl. dazu B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 139f.; U. B. Mwxxyz, Theologiegeschichte 17– 21. Insofern unterscheidet er sich von den judaisierenden Gegnern des Paulus, aber auch von den Judenchristen des 2. Jh.s; vgl. K‡•Œyz, Einführung 637–647; auch S„ˆ•yyŽyx„ˆyz, Urchristentum 155–165. Die Johannesoffenbarung ist demnach kei‑ ne judenchristliche SchriW im eigentlichen und engen Sinn; so auch G. SŒzy„…yz, Ju‑ denchristentum.
TRE
17,
319. 696 Zur Christologie der Johannesoffenbarung auch H•zzƒ•‹Œ|•, Revelation (SacrP) 25– 28; O. H|}ƒ‚•, Das Zeugnis der Johannesoffenbarung von der GoTheit Jesu Christi, in: H. Lichtenberger u. a. (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Bd. 3: Frühes Christentum (FS M. Hengel), Tübingen 1996, 511–528. Vgl. insgesamt auch die Stu‑ die von T. Holtz zur Christologie der Johannesoffenbarung (Literaturverzeichnis);

336

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

trägt er Züge des „Alten der Tage“ in Dan 7,9f. (vgl. Op 1,13f.; 2,18). An der göTlichen Würde Jesu besteht für die Johannesoffenbarung demnach
kein
Zweifel,
auch
wenn
sie
ihn
nirgends
als
ϑεός
bezeichnet. Diese Beobachtungen sprechen gegen eine frühe Entstehung der Jo‑ hannesoffenbarung, also bereits in den Jahren vor oder unmiTelbar nach der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.). Damit stellt sich die Frage, wie lange vor der Abfassung der Johannesoffenbarung der Seher Jo‑ hannes nach Kleinasien gekommen ist. Unter Bezug auf die Sendschrei‑ ben sieht man in ihm meist einen Wandermissionar, der bereits mehre‑ re Jahre in den kleinasiatischen Gemeinden gewirkt habe und deshalb mit den Verhältnissen in den Gemeinden bestens vertraut sei.697 Diese Annahme ist jedoch nicht zwingend; denn bei genauerem Zusehen er‑ weist sich seine Beschreibung des Zustands der sieben namentlich ge‑ nannten Gemeinden als relativ allgemein: Abgesehen von verschiede‑ nen Graden der KompromissbereitschaW mit der heidnischen Umwelt weiß
er
von
ihnen
wenig
Konkretes
zu
berichten.698 Die unterschiedliche Stilisierung der Gemeinden im Spannungsfeld von Treue zu GoTes Wort und Glaubensabfall mag sich einem allge‑ meinen Wissen um innergemeindliche Auseinandersetzungen über das rechte Verhältnis zur paganen Umwelt verdanken (vgl. die ähnlichen zuletzt D. S§•‹yz, „Amen, komm, Herr Jesus!“ (Apk 22,20). Anmerkungen zur Chri‑ stologie
der
Johannes‑Apokalypse,
in:
Horn / Wolter,
Studien
71–92. 697 So bei Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 40; SŒz|†yx, Apokalypse. TRE 3, 187; vgl. auch K‡zŒ•yz, Papias 187–190, der eine besondere Nähe des Sehers zur Gemeinde von Ephesus annimmt. Nach S••€yz•, St. John 76f., kam der Seher Johannes, der in der Apg genannte Paulus‑Mitarbeiter Johannes Markus (vgl. ebd. 85), erst nach einem dreißigjährigen Exil auf Patmos nach Ephesus. Als die Gemeinden von seiner An‑ kunW in Patmos erfuhren, häTen sie mit dem Verbannten Kontakt aufgenommen; vgl.
ebd.
78. 698 Auch das Wissen um den Märtyrertod des Antipas in Pergamon lässt sich dagegen nicht einwenden, da sich solche Ereignisse herumsprechen. Dies ist umso wahr‑ scheinlicher, sollte es sich bei Antipas um das erste „Opfer“ heidnischer Übergriffe in Kleinasien gehandelt haben. Dabei ist nicht auszuschließen, dass es sich nicht um einen aktuellen Fall, sondern um einen bereits geraume Zeit in der Vergangenheit liegenden handelt. Es ist zumindest auffällig, dass die Johannesoffenbarung nur die‑ ses eine Opfer namentlich benennt. Offenbar setzt der Seher voraus, dass das Schick‑ sal des Antipas den kleinasiatischen Adressaten weitgehend bekannt war. Die bei Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 87–94, genannten Parallelen zwischen der Charakterisie‑ rung der Gemeinden in Ephesus, Smyrna und Philadelphia in den Sendschreiben und den Ignatianen sind m. E. nicht zwingend; hinzu kommt die problematische Da‑ tierungsfrage der Ignatianen (vgl. bei AbschniT V. 2). Zur Vertrautheit des Vf.s der Johannesoffenbarung mit der Situation der kleinasiatischen Gemeinden vgl. auch Cˆ. H. H. S„|†ƒy, Local References in the LeTers to the Seven Churches, in: NTS 39 (1993) 606–624; C. J. HyŽyz, The LeTers to the Seven Churches of Asia in Their Local SeTing
(JSNT.S
11),
Sheffield
1986.

Auswertung
und
Interpretation

337

Stilisierungen in Kol 1,3–8; 2,4.8). Auffällig ist außerdem, dass die Ab‑ folge der Gemeinden eine Art Rundweg durch die Provinz Asia be‑ schreiben699 und die Zustandsbeschreibungen der sieben Gemeinden eine gewisse Regelmäßigkeit erkennen lassen: Vier der sieben Gemein‑ den werden in unterschiedlichem Maße mit Lob und Tadel bedacht. Genau bei der zweiten und vorletzten Gemeinde gibt es nichts zu ta‑ deln, bei der letzten aber nichts zu loben. Die beiden rein positiven Sendschreiben werden jeweils von Sendschreiben gerahmt, die inhalt‑ lich aufeinander bezogen sind (im ersten und driTen die Nikolaiten, im fünWen
und
siebten
das
Bild
der
Kleider).

Es ließen sich noch mehr derartige Bezüge zwischen den einzelnen Es ließen sich noch mehr derartige Bezüge zwischen den einzelnen Sendschreiben aufzeigen. Demnach kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Auswahl der Gemeinden und ihre Charakterisierung pri‑ mär der gestalterischen Absicht des Vf.s und nicht durch persönliche Beziehungen erworbenen Kenntnissen über die inneren Verhältnisse der
kleinasiatischen
Gemeinden
verdanken.700

699 Genau besehen ergibt sich kein völlig exakter Rundweg, da Abzweigungen nötig sind (nach Thyatira; vor Laodikea kommt man nach Hierapolis). Vgl. auch A‚•y, Revelation (WBC) 130–132. Zum römischen Straßensystem Kleinasien D. H. Fzy•„ˆ, Roman Roads and Milestones of Asia Minor, Oxford 1981; ders., The Roman Road‑ System
of
Asia
Minor,
in:
ANRW
II. 7.2
(1980)
698–729. 700 G. G‚ŒŒy•†yz‹yz, Johannes von Thyateira. Zur Perspektive des Sehers, in: Horn / Wolter, Studien 160–188, meint allerdings erweisen zu können, dass der Seher ent‑

338

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Deshalb bestehen berechtigte Zweifel, dass der „Seher Johannes“ als Mitglied oder sogar Haupt eines „überregionalen“ christlichen Pro‑ phetenkreises längere Zeit in den Gemeinden Kleinasiens tätig war.701 Da auch die Selbststilisierung als Prophet der Legitimation seiner Bot‑ schaW dient (vgl. 1,9–11), ist zu fragen, ob der Vf. tatsächlich das „Amt“ eines Gemeinde‑Propheten innehaTe.702 Wäre dem so, könnte er seine BotschaW an die Gemeinden richten, ohne sich der apokalyptischen Sti‑ lisierung als Legitimationsstrategie bedienen zu müssen (vgl. 1,1–3). Außerdem ist zu beachten, dass er nirgends in seinem Werk auf eine persönliche Beziehung zu seinen Adressaten rekurriert und nirgends einen wie auch immer gearteten persönlichen autoritativen Anspruch erhebt, der auf einer besonderen Funktion oder Stellung in den ange‑ schriebenen Gemeinden beruht.703 Dies schließt nicht prinzipiell aus, dass er als Wandermissionar auch in die Gemeinden der Asia kam und hier einige Zeit mit mehr oder weniger Erfolg tätig war; doch führte

weder aus Thyatira stammte oder doch zumindest in einer besonderen Weise an die‑ se Stadt gebunden war; ihr Hauptargument ist, dass allein so die Aufnahme dieser an sich unbedeutenden Stadt in die Reihe der sieben adressierten Gemeinden plausi‑ bel
sei. 701 Gegen R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 16f.; S„ˆ•yxxy, Einleitung 559; vorsichtiger Gƒy‑ •y•, Offenbarung (RNT) 40; D. Hƒxx, Prophecy 417f. S•Œ•…y, Gemeindeordnung 47– 74, kommt bei seiner Untersuchung der Verwendung von προφήτης κτλ. in der Jo‑ hannesoffenbarung zu dem Ergebnis, dass der Vf. sich zwar nirgends explizit als Prophet bezeichnet, aber einen eindeutig prophetischen Anspruch erhebt. Er gehe von so etwas wie einem Propheten‑„Amt“ aus, das aber nicht institutionalisiert ist, sondern sich vom Besitz der prophetischen Gabe herleite. Vgl. auch D. Hƒxx, Prophe‑ cy 413f. Sofern die Angaben der Apg zutreffend sind, waren offensichtlich in den frühen palästinischen Christengemeinden solche Propheten und Prophetinnen wirk‑ sam (vgl. 11,27f.; 13,1–7; 15,32; 21,8f.10); ausführlich bei S•Œ•…y, Gemeindeordnung 162–171; vgl. auch D. Hƒxx, Prophecy 416f. Dies könnte ein weiteres Argument für die
palästinische
HerkunW
des
Vf.s
sein. 702 Ein Überblick über die Gemeindeordnungen der kleinasiatischen Christengemein‑ den, wie sie sich aus den SchriWen des 1. und frühen 2. Jh.s erben lassen (Eph, Kol, 1 Petr, Pastoralbriefe, Ignatianen, Polykarp; evtl. auch die johanneischen SchriWen), zeigt, dass die Gemeinden nicht einheitlich strukturiert waren; doch kennt keine dieser SchriWen das „Amt“ des Gemeindepropheten. Dazu ausführlich bei S•Œ•…y, Gemeindeordnung 1–18; U. B. Mwxxyz, Theologiegeschichte 27–38. Insofern ist zu fragen, ob der Vf. tatsächlich mit den Gemeindeordnungen Kleinasiens vertraut ist oder nicht doch die ihm vertrauten palästinischen Strukturen auf die angeschriebe‑ nen Gemeinden projiziert. Die Tatsache, das die kleinasiatischen Gemeinden an der Wende vom 1. zum 2. Jh. bereits über feste Ämterstrukturen verfügten, müsste m. E. auch bei der Frage, ob der Seher Johannes in den kleinasiatischen Gemeinden als Wandermissionar tätig war, berücksichtigt werden; denn für lokal ansässige Gemeindeleiter waren Wandermissionaren als durchziehende Konkurrenz sicher nicht
willkommen
(vgl.
3 Joh
10). 703 Gegen
L|ˆ•y,
Offenbarung
(NTD)
4;
U. B. Mwxxyz,
Theologiegeschichte
50–52.

Auswertung
und
Interpretation

339

diese Tätigkeit offensichtlich nicht zu dauerhaWen persönlichen und autoritativen
Beziehungen
zu
bestimmten
Gemeinden.704 Wann und wie er mit den sieben von ihm adressierten Gemeinden in Berührung kam und ob er in diesen Gemeinden eine besondere Funktion haTe, lässt sich nicht mehr feststellen. Mit Sicherheit lässt sich nur sagen, dass er sich durch die hier gelebte BereitschaW zur Partizipa‑ tion am Leben der heidnischen Polis zu einer scharfen Stellungnahme herausgefordert sah. Dabei war er zumindest so weit mit den Verhält‑ nissen in den kleinasiatischen Gemeinden vertraut, dass er sowohl um die Existenz von Christen wusste, die gegen seine Forderung nach einer radikalen Trennung von der paganen Umwelt massiven Wider‑ spruch erheben würden, als auch solcher, bei denen er mit Zustim‑ mung rechnen konnte. Bei letzteren könnte es sich um Anhänger paläs‑ tinisch‑judenchristlicher Missionare oder auch um Einwanderer aus Palästina handeln. Einen möglichen Mangel an Akzeptanz und Auto‑ rität kompensiert er zum einen durch die apokalyptisch‑prophetische Selbststilisierung, zum anderen durch eine mit Hilfe der apokalypti‑ schen
Bilderwelt
konstruierte
Drohkulisse.705 Geschickt instrumentalisiert der Vf. dazu in den Gemeinden vor‑ handene Kontroversen und Spaltungen, indem er sie in sein apokalyp‑ tisch‑eschatologisches Szenario einordnet und dadurch seine Gegner als eschatologische Feinde GoTes und seiner Gemeinde charakterisiert („falsche Apostel“ und „Lügenpropheten“).706 Die apokalyptische Vor‑ stellungswelt wird hier in den Dienst genommen, um seine Gegner in den Gemeinden zu disqualifizieren und die eigene fehlende Autoritäts‑ position auszugleichen. Insgesamt gilt: Wer über Ansehen und Auto‑ rität verfügt, kann seine Forderungen unmiTelbar an die Gemeinden richten und braucht sich nicht wie der Seher Johannes als allein passi‑ ves Sprachrohr Jesu, des Herrn der Gemeinden, präsentieren (vgl. Op

704 Die Existenz und Tätigkeit von Wandermissionaren, zumindest in Syrien, bezeugen Mt 10,41; 23,34; Did 11,1–12; 13; 15,1. Es wurde bereits angedeutet, dass die theologi‑ sche Prägung und die Sprache der Johannesoffenbarung außer der palästinischen HerkunW des Vf.s prinzipiell auch eine syrische zuließen. Vgl. U. B. Mwxxyz, Strö‑ mungen
245–247. 705 R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 16, deutet die Tatsache, dass der Vf. den Gemeinden ge‑ genüber keinen expliziten autoritativen Anspruch erhebt, dahingehend, dass er in der selbstverständliche Erwartung spricht, bei den Gemeinden Gehör zu finden, und sie von seiner Autorität nicht erst überzeugen muss. Dazu will aber nicht recht pas‑ sen, dass er durch die Indienstnahme prophetischer und apokalyptischer Darstel‑ lungskonventionen, die Autorität seines Werkes ganz im Wort Jesu und GoTes ver‑ ankert
(worauf
auch
Roloff
hinweist). 706 Vgl.
dazu
auch
H•zzƒ•‹Œ|•,
Revelation
(SacrP)
10–12.

340

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

1,1–3).707 Demnach ist nicht auszuschließen, dass der Vf. der Johannes‑ offenbarung erst wenige Jahre vor Abfassung seines Werkes nach Kleinasien
kam.708 Darüber, wozu er nach Kleinasien kam und wie lange er hier wirk‑ te, macht der Seher Johannes in seinem Werk keine Angaben; deshalb bleibt jede Aussage hierzu reine Spekulation. Die Ergänzung der Selbstvorstellung in 1,9 durch ἐγενόμην ἐν τῇ νήσῳ τῇ καλουμένῃ Πάτμῳ διὰ τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ καὶ τὴν μαρτυρίαν Ἰησοῦ wird in der Regel auf eine Verbannung des Sehers durch die römischen Behörden gedeutet.709 Eine Nutzung der kargen Insel Patmos in der Kaiserzeit als Verban‑ nungsort ist denkbar, wenn auch nicht belegt.710 Allerdings war die Ver‑ 707 T•y‹yz, Offenbarung 180f., merkt zum Bucheingang in Op 1,1–3 an: „Vordergrün‑ dig triT der Verfasser ganz hinter den Urheber (Jesus Christus) und die letzte Quelle (GoT) der Offenbarung zurück, scheint an vorletzter Stelle einer fünfgliedrigen OffenbarungskeTe eingereiht zu sein und wird in keiner der vier Charakterisierun‑ gen des Werkes als Autor genannt (V. 1: Offenbarung Jesu Christi; V. 2: Wort GoTes, Zeugnis Jesu Christi; V. 3: Worte der Prophetie). Auf den zweiten Blick jedoch ändert sich das Bild gründlich (ohne damit den Abstand zu Vergleichstexten bemerkens‑ wert zu verringern), weil die äußere, gegenüber vergleichbaren Texteröffnungen auffällige Zurücknahme des Johannes mit einer fulminanten Aufwertung der Person und des vorliegenden Buches einhergeht.“ Eine ähnliche Funktion hat auch die Pro‑ phetenbeauWragung in 1,9–20: Die Abfassung des Buches verdankt sich nicht nur allgemein einem prophetischen Charisma des Sehers Johannes, sondern in Analogie zu den SchriWpropheten einem direkten göTlichen Befehl, d. h. dem AuWrag des er‑ höhten
Christus.
Dazu
auch
D. Hƒxx,
Prophecy
415. 708 Möglicherweise hielt der Seher sich zuvor in den stärker judenchristlich geprägten Gemeinden Syriens auf. Dies wäre umso mehr plausibel, sollte die Beobachtung bei S•Œ•…y, Gemeindeordnung 188–191, zutreffen, dass sich das Sondergut des in Syrien entstandenen Mt gegen „falsche Propheten“ wendet, die ähnlich hellenistisch‑liber‑ tinistisch geprägt sind, wie die Gegner der Johannesoffenbarung. Die Johannesoffen‑ barung wäre dann der Versuch, eine in Syrien geführte Kontroverse auf die benach‑ barten kleinasiatischen Gemeinden auszuweiten. Über die Entstehung des Mt in Syrien besteht in der Forschung weitgehender Konsens. Für Syrien bezeugt die Did zudem
die
Existenz
von
Wanderpropheten
(11,1–2;
13;
15,1). 709 So bei Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 84f.; S••€yz•, St. John 76; RƒŒŒ, Offenbarung (NEB) 13. Von einer Verbannung (relegatio) des Sehers auf die Insel Patmos sprechen bereits
Eus.
h. e.
3, 18,1–3;
23,6;
Tert.
praescr.
36;
evtl.
auch
Clem.
q. d. s.
42. 710 Die Bestimmung von Patmos als römische Exilsinsel findet sich nur in christlichen Texten in Verbindung mit der Johannesoffenbarung; es ist deshalb nicht auszuschlie‑ ßen, dass eine solche Funktion der Insel erst aus Op 1,9 erschlossen wurde (in Th. 3, 33; Plin. nat. 4, 12,69; Str. 10, 488 wird die Insel ohne jede Qualifizierung genannt). Man sollte aber bedenken, dass für die frühchristlichen SchriWsteller (Clemens, Ter‑ tullian, Euseb) eine Exilierung des Sehers auf die Insel Patmos offensichtlich plausi‑ bel war (Irenäus spricht allerdings noch nicht von einem Exil auf Patmos; vgl. haer. 2, 22,5; 5, 30,3); die relegatio in insulam war jedenfalls eine übliche Strafe (z. B. Paul. rec. sent. 5, 15,5). Das in insulam ist allerdings nicht streng wörtlich zu verstehen, son‑ dern bezeichnet allgemein die Verbindung der Ausweisung mit der Internierung als Anweisung eines festen Aufenthaltsortes, der neben anderen auch eine Insel sein

Auswertung
und
Interpretation

341

bannung (exilium bzw. deportatio oder die mildere Form der relegatio, oW auf eine Insel) in der Regel eine Strafe für vornehme und höher gestell‑ te Personen (honestiores).711 Da es sich beim Vf. der Johannesoffenba‑ rung, soweit seine Bildung vermuten lässt, nicht um ein Mitglied der Oberschicht handelt, ist nicht einsichtig, weshalb ihn die römischen Be‑ hörden nach Patmos verbannen häTen sollen.712 Wäre der Seher Johan‑ nes als christlicher Missionar mit den römischen Behörden in Konflikt geraten, häTe man ihn nicht verbannt, sondern hingerichtet. Wozu und ob sich der Seher überhaupt jemals auf Patmos befand, lässt sich sei‑ nem Werk nicht entnehmen.713 Denkbar wäre, dass die Nennung der In‑ sel Patmos literarischen Zwecken dient: Zum einen kennzeichnet er

konnte. Es ist also nicht grundsätzlich auszuschließen, dass die Insel Patmos als Ver‑ bannungsort genutzt wurde. Vgl. E. My~yz, Patmos. KP 4 (1979) Sp. 549; J. S„ˆŽƒ€Œ, Patmos (Πάτμος). PRE 18,4 (1949) Sp. 2174–2191. A‚•y, Revelation (WBC) 80f., schließt aus, dass Patmos römischer Verbannungsort war, hält anschließend aber dennoch daran fest, dass der Seher Johannes sich als Verbannter auf der Insel befin‑ de; vgl. ebd. 81f. Ähnlich die Ausführungen bei F. W. H|z•, Johannes auf Patmos, in: ders. / Wolter,
Studien
139–159. 711 Näheres bei R. G•Ž•‚}, Exilium. DNP 4 (1998) Sp. 343f.; F. R•†yz, Deportatio. KP 1 (1979) Sp. 1492; V. Z|ŒÃ•, Relegatio. KP 4 (1979) Sp. 1374f.; D. My€ƒ„‚•, Exilium. KP 2 (1979) Sp. 482f.; Kxyƒ•}yxxyz, Exilium. PRE 6,2 (1958) Sp. 16,83–1685; besonders auch Tˆ. M|ŽŽ•y•, Römisches Strafrecht, Darmstadt 1961 [Nachdruck der Ausg. Leipzig 1899],
964–980. 712 So auch L. L. Tˆ|Ž›•|•, Tribulation 150; H. B•xŠ, Πάτμος. EWNT 3 (21992) Sp. 135f. Gegen freie Bürger der niederen Schicht wurde die relagatio als Ausweisung aus einem Stadtbezirk, nicht aber die relegatio in insulam mit Anweisung eines Zwangs‑ domizils verhängt. In der Kaiserzeit wurde die relegatio wieder zur Strafe der gesell‑ schaWlich höher Gestellten. A‚•y, Revelation (WBC) 82, hält es für durchaus mög‑ lich, dass der Seher Johannes den honestiores zuzurechnen ist; dies wirW jedoch erneut die Frage auf, warum er dann über ein so geringes Maß an literarischer Aus‑ bildung und so begrenzte Kenntnisse der griechischen Sprache verfügt. Eine ähnli‑ che Vermutung wie D. E. Aune bei A. Y. C|xxƒ••, Persecution 742–744; zuvor bereits S••€yz•, St. John 76f. Andere vermuten dagegen, Johannes befinde sich auf Patmos nicht im Exil, sondern missioniere auf der Insel; vgl. Vƒyxˆ•‚yz, Urchristliche Litera‑ tur 501. Dies hält auch B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 191f., für möglich, vermutet aber eher, der Seher habe sich zum Visionsempfang auf die Insel zurückgezogen oder war zufällig auf der Insel, als er seine Visionen schaute. Von einem bewussten Auf‑ enthalt
zum
Visionsempfang
geht
auch
Kz•}Œ,
Offenbarung
(HNT)
40–43,
aus. 713 Da der Vf. der Johannesoffenbarung bei der Abfassung seines Werkes offensichtlich auf schriWliche Vorlagen zurückgreiW, ist ein Umfeld vorausgesetzt, in dem ihm Bü‑ cher und sonstige schriWliche Aufzeichnungen (Exzerpte und Florilegien) zur Verfü‑ gung standen. HäTe man ihm dann etwa erlaubt, das entsprechende Material ins Exil mitzunehmen oder hat er sein Werk erst nach der Rückkehr aus dem Exil, quasi zurückblickend, geschrieben? Wie wäre überhaupt die Verbreitung seines Werkes aus dem Exil vorzustellen: Sollten ihn die Römer verbannen, um eine weitere Tätig‑ keit in Kleinasien zu verhindern, gegen seine briefliche Kommunikation mit den Gemeinden
oder
„publizistische“
Tätigkeit
aus
dem
Exil
aber
nicht
einschreiten?

342

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

sich durch den Aufenthalt auf der kargen Insel als einen aus der Welt Ausgestoßenen und präfiguriert damit die von den Christen Kleinasi‑ ens geforderte Trennung von der Welt (vgl. Op 18,4); zum anderen verweist er auf seine Stellung außerhalb der Gemeinden Kleinasiens, die sowohl in seiner HerkunW als auch in seiner theologischen Ausrich‑ tung begründet ist. Es ist nicht zu übersehen, dass Patmos zwar außer‑ halb des Kreises der sieben Gemeinden liegt, zugleich aber nahe an Ephesus, wohin das erste der sieben Sendschreiben gerichtet ist. Mögli‑ cherweise will er dadurch andeuten, dass er als Außenstehender den Gemeinden nahegekommen ist und von Patmos aus seine BotschaW die ganze
Asia
durcheilen
soll. Wenn die Verbannung Fiktion sein sollte und der Vf. – wie schon angemerkt – den von ihm adressierten Gemeinden nicht zwingend be‑ kannt ist, stellt sich ein weitere Frage: Trägt der Seher tatsächlich den Namen Johannes oder benutzt er ein Pseudonym?714 Pseudonymität liegt auch deshalb nahe, weil sie ein typisches Charakteristikum der GaTung „Apokalypse“ ist; die Johannesoffenbarung wäre die einzige orthonyme Apokalypse. Aber wen könnten die Adressaten mit dem Pseudonym „Johannes“ assoziieren und was wäre der Nutzen dieses Pseudonyms für die Argumentation der Johannesoffenbarung? Denk‑ bar wäre, dass der Vf. mit dem Pseudonym „Johannes“ an eine in Kleinasien verbreitete Johannes‑Tradition anknüpfen will (Presbyter und/oder Zebedaide), die möglicherweise bereits im Werk des Papias von Hierapolis bezeugt ist (vgl. das bei Eus. h. e. 3, 39,4 überlieferte Fragment).715 Mit dieser kleinasiatischen Johannes‑Tradition wurden im

714 Pseudonymität hält u. a. Kz•}Œ, Offenbarung (HNT) 11, für möglich; vgl. auch B‡‑ „ˆyz, Johannes‑Apokalypse. RAC 18, Sp. 610; entschiedener bei Fzy~, Erwägungen 424–429; vgl. auch Hy•‹yx, Johanneische Frage 312f.; J. By„…yz, Erwägungen zu Fra‑ gen neutestamentlicher Exegese, in: BZ 13 (1969) 99–102, bes. 101f.; skeptisch U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
377–379;
bereits
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
49. 715 In h. e. 3, 39,5f. unterscheidet Euseb den „Presbyter Johannes“ von dem „Herrenjün‑ ger Johannes“; in h. e. 3, 39,6 bringt er letzteren ebenfalls explizit mit Kleinasien in Verbindung, wenn er von den zwei Johannes‑Gräbern in Ephesus spricht (vgl. auch 3, 23; 5, 8,4); diese Johannesgräber könnten ein Indiz sein, dass die mit Johannes ver‑ bundene apostolische Tradition in Kleinasien/Ephesus alt ist. Zur Interpretation des Papias‑Fragments und zur Identität des Presbyters Johannes vgl. K‡zŒ•yz, Papias 122–129 und 198–202; auch Hy•‹yx, Johanneische Frage 75–95. Auch Irenäus be‑ zeugt unter Berufung auf Papias und Polykarp für Ephesus eine johanneische Tradi‑ tion; der Apostel Johannes habe hier in hohem Alter sein Evangelium geschrieben (vgl. haer. 2, 22,5; 3, 1,1; 3,4; 5, 33,3f.). Im Unterschied zu Iren. haer. 2, 22,5 (3, 1,1; 3,4) und Just. dial. 81,4 sieht Euseb den Presbyter Johannes und nicht den Apostel als den Vf. der Johannesoffenbarung (vgl. auch h. e. 3, 25,2). Zur Bezeugung der jo‑ hanneischen Tradition Kleinasiens im 2. Jh. (Irenäus, Polykarp, Polykrates von Ephe‑

Auswertung
und
Interpretation

343

2. Jh. auch das Joh und 1–3 Joh in Verbindung gebracht (Iren. haer. 3, 1,1; 2, 22,5; vgl. Eus. h. e. 5, 8,4).716 Der Grund für die gezielte Rezepti‑ on der kleinasiatischen Johannes‑Tradition durch den Vf. der Johannes‑ offenbarung könnte die Tatsache gewesen sein, dass er mit dem Namen „Johannes“ an eine zweite, nicht‑paulinische Personaltradition Klein‑ asiens anschließen konnte; die Pseudonymität stünde also im Dienst einer
sich
gegen
Paulus
abgrenzenden
Autorisierung
des
Werkes. Inwiefern auch inhaltlich‑theologische Gründe für diese Wahl den Ausschlag gaben, lässt sich aus zwei Gründen nicht entscheiden: 1. Die bei Irenäus und Euseb überlieferten Aussagen des Papias lassen keine Rückschlüsse auf die genaue Gestalt dieser Johannes‑Tradition und da‑ mit verbundene inhaltlich‑theologische Aspekte zu. Aufgrund ihrer erst sekundären Verbindung mit dem in Kleinasien offensichtlich ange‑ sehenen Presbyter und/oder Herrenjünger Johannes lässt sich auch aus den an sich anonymen johanneischen SchriWen nichts für eine nähere theologisch‑inhaltliche Qualifizierung dieser Tradition gewinnen; sol‑ che theologisch‑inhaltliche Verbindungen sind umso weniger wahr‑ scheinlich, wenn die johanneischen SchriWen (zumindest teilweise) nicht in Kleinasien, sondern in Syrien entstanden sind.717 2. Selbst wenn über eine in Ephesus zu lokalisierende „Schule“ auch inhaltliche Ver‑ bindungen der johanneischen SchriWen zur kleinasiatischen Johannes‑ Tradition gegeben sein sollten, bleibt die striTige Frage, ob die Johan‑

sus, Clemens Alex.) vgl. S„ˆ••„…y•†‚z‹, Ephesus 61–64. Eine alte johanneische Tra‑ dition lässt sich evtl. auch in der Apg erkennen: Aus dem Kreis der Zwölf nimmt anfangs Johannes als Begleiter des Petrus eine besondere Rolle ein (vgl. auch Gal 2,9); doch verbindet die Apg den Apostel Johannes nicht mit Kleinasien. Vgl. H. Tˆ~y•, Ἰωάννης. EWNT 2 (21992) Sp. 517–524, hier 521–523; R. A. C‚x›y››yz, Jo‑ hannes.
RGG4
4
(2001)
Sp. 518f. 716 Nach K‡zŒ•yz, Papias 200–202, wurden die in Syrien entstandenen johanneischen SchriWen im 2. Jh. in Kleinasien mit dem bei Papias als „Vatergestalt“ des kleinasiati‑ schen
Christentums
bezeugten
Presbyter
Johannes
verbunden;
dazu
dienten
2/3 Joh. 717 Bereits R. B‚xŒŽ•••, Johannesevangelium. RGG3 3 (1959) Sp. 840–850, hier 849, plä‑ dierte für die Entstehung des Joh in Syrien; daran schließt sich an K‡•Œyz, Einfüh‑ rung 614–637. Nach K. Wy•‹•Œ, Bedrängte Gemeinde und verherrlichter Christus (BThSt 5), München 1992, ist Transjordanien (Gebiet Agrippas II.) die Heimat der jo‑ hanneischen Gemeinde; hier entstehe auch das Johannesevanglium. Die Johannes‑ briefe dagegen seien in Kleinasien zu situieren, wohin ein Teil der Gemeinde abge‑ wandert ist; so auch S„ˆ••„…y•†‚z‹, Ephesus 58f. An der durch die altkirchliche Tradition bezeugten Entstehung der johanneischen SchriWen in Kleinasien (Ephesus) hält fest SŒzy„…yz, Anfänge 38f. Er nimmt allerdings an, dass 2/3 Joh vor dem Joh und dem 1 Joh entstanden sind; vgl. auch S„ˆ•yxxy, Einleitung 484. Nach Wy•‹•Œ, Johanneische Frage 275–325, ist der Garant der johanneischen Tradition ein zum Christentum übergetretenes Mitglied der Jerusalemer Priester‑Aristokratie, das vor Ausbruch
des
Jüdischen
Krieges
nach
Kleinasien
auswanderte.

344

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

nesoffenbarung inhaltlich‑theologische Berührungen mit dem Johan‑ nesevangelium und den Johannesbriefen aufweist. Nach einer totalen Negierung jeder Beziehung der Johannesoffenbarung zu den johanne‑ ischen SchriWen, weist man heute wieder verstärkt auf Gemeinsamkei‑ ten hin.718 Sollten solche Berührungen tatsächlich vorliegen, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass der verbindende, gemeinsame Traditions‑ hintergrund in einer kleinasiatischen Johannes‑Tradition zu suchen ist; dieser könnte auch in einer gemeinsamen HerkunW aus dem syrisch‑ palästinischen
Judenchristentum
liegen. Ein letzter Punkt muss hier angesprochen werden, der sich auch auf die Rezeption der Johannesoffenbarung in der Kirche bezieht: Beim Seher der Johannesoffenbarung handelt es sich um keinen „Berufstheo‑ logen“ bzw. SchriWgelehrten. Dafür spricht das in Op 19,11 – 21,8 deutlich erkennbare Fehlen einer sprachlich‑literarischen Ausbildung und Übung. Dennoch scheint er zumindest mit religiöser Literatur über die alTestamentlichen SchriWen hinaus vertraut, die er zur Abfassung seines Werkes vielfältig benutzt. Man wird ihn deshalb nicht einfach als „ungebildet“ bezeichnen dürfen, wenn er auch nicht über Bildung im griechisch‑hellenistischen Sinn verfügte, wie sie auch in den höheren Schichten des Judentums (und des Christentums) seiner Zeit als Maß‑ stab galt.719 Da jüdische SchriWgelehrte im 1. Jh. n. Chr. über ein sehr 718 Für die Nähe der Johannesoffenbarung zu den johanneischen SchriWen plädieren unter anderen O. B‡„ˆyz, Das Verhältnis der Apokalypse des Johannes zum Evange‑ lium des Johannes, in: Lambrecht, L’Apocalypse 289–301; ders., Johanneisches in der Apokalypse des Johannes, in: NTS 27 (1980/81) 310–321; T•y‹yz, Johannesapokalyp‑ se 120–212; Pzƒ‹y•Œ, L’Apocalypse (CNT[N]) 371–373. Zuvor bereits ähnlich B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 177–179. Auch Fzy~, Erwägungen 383–429, untersucht die moti‑ vischen Berührungen und theologischen Parallelen zwischen den johanneischen SchriWen und der Johannesoffenbarung sowie den traditionsgeschichtlichen Zusam‑ menhang dieser SchriWen. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass die Johannes‑ offenbarung in einem Zusammenhang mit den johanneischen SchriWen steht, auch wenn sich dieser nicht mehr eindeutig bestimmen lässt. Zustimmend dazu A‚•y, Revelation (WBC) xƒŸ–xŸƒ; skeptisch dagegen U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 386– 390. Nach E. S„ˆw••xyz Fƒ|zy•Š•, The Quest for the Johannine School. The Apoca‑ lypse and the Fourth Gospel, in: NTS 23 (1977) 402–427, gründen die Gemeinsamkei‑ ten in allgemeinen traditionsgeschichtlichen Verbindungen. Zurückhaltend hinsicht‑ lich einer Verbindung der Johannesoffenbarung zu den SchriWen des johanneischen Kreises urteilt auch Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 38–40. Zum Stand der Diskussion auch
S„ˆ•yxxy,
Einleitung
560–562. 719 Hellenisierung als Vertrautheit mit griechischer Sprache, Literatur und Lebensart ist nicht nur Signet des (westlichen) Diasporajudentums, sondern auch des palästini‑ schen Judentums. Näheres Dyxxƒ•‹, Begegnung 21–36; S„ˆwzyz, Geschichte 2, 57–89; Hy•‹yx, Judentum 130–143. Vgl. auch den „Exkurs: Die Sprachverhältnisse im Pa‑ lästina des 1. Jh. n. Chr.“, besonders die dort genannten Arbeiten von G. Mussies und J. N. Sevenster; vgl. auch S. Lƒy†yzŽ••, Greek in Jewish Palestine. Studies in the Life

Auswertung
und
Interpretation

345

unterschiedliches Maß an Ausbildung verfügen konnten, kann man ihm aber diesen Status nicht einfach absprechen.720 Insgesamt scheint der Vf. ein Mann zu sein, der ein (intensives) SchriWstudium pflegte, in dessen Tätigkeit Schreiben aber eine eher untergeordnete Stellung zu‑ kam. Vielleicht gehörte er einem apokalyptisch geprägten judenchristli‑ chen Zirkel an, der sich intensiv dem SchriWstudium widmete; solche Zirkel religiös interessierter „Laien“ sind für das zeitgleiche palästini‑ sche Judentum belegt.721 Des Weiteren deutet der Vf. an keiner Stelle an, dass er in einer der angeschriebenen Gemeinden in der Funktion eines Gemeindeleiters tätig war. Er präsentiert sich vielmehr als „Pro‑ phet“ (22,9) und begründet die Abfassung und Autorität seines Werkes mit göTlichem AuWrag (1,1–3; 22,18–20).722 Es ist also in dieser frühen

and Manners of Jewish Palestine in the II–IV Centuries C. E., New York 1965; ders., Hellenism in Jewish Palestine. Studies in the Literary Transmission, Beliefs and Manners
of
Palestine
in
the
I
Century
B. C. E.
–
IV
Century
C. E.,
New
York
1962. 720 Zu Bildungsniveau und sozialer Stellung der jüdischen SchriWgelehrten im Palästina des 1. Jh. n. Chr. vgl. M. SŒyz•, Aspects of Jewish Society: The Priesthood and Other Classes, in: Safrai / Stern, The Jewish People in the First Century (CRI 1,2) 561–630, hier
619–621. 721 Eine elementare Schulbildung, die Lesen und Schreiben umfasste, war für (männli‑ che) Juden eine religiöse Pflicht, da sie nur so im Synagogen‑GoTesdienst aus den Heiligen SchriWen vorlesen und privates SchriWstudium betreiben konnten. Deshalb waren auch die Kinder der Armen nicht von diesem Unterricht ausgeschlossen. Für Erwachsene, die nicht über die MiTel verfügten, anschließend den Unterricht im „Lehrhaus“ eines (angesehenen) Rabbis zu besuchen, gab es öffentliche Unterwei‑ sungen in den Synagogen. Daneben gab es Zirkel religiös interessierter „Laien“, in denen Fragen der Tora‑Auslegung diskutiert wurden. Außerdem beschäWigte man sich in diesen Kreisen, wie in den Lehrhäusern der Rabbis, mit Gematrie, Astrono‑ mie und mystisch‑philosophischen Spekulationen, die sich vor allem an Gen 1 und Ez 1 anschlossen. Näheres bei S•}z•ƒ, Education 945–970, bes. 959–961; vgl. auch S„ˆwzyz, Geschichte 2, 489–497; Hy•‹yx, Judentum 143–152; vgl. auch B. S„ˆ–y•…, Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum MiTelalter. Aus dem Nachlaß herausgegeben von P. Drewek und A. Leschinsky, unter Mitarbeit von M. Fleischmann.
Mit
einer
Einführung
von
C. Colpe,
Weinheim
1996,
153–177. 722 Indem der Vf. sich durch die Indienstnahme apokalyptischer Formen als Sprachrohr des Herrn der Gemeinde stilisiert, stellt er sich über die Autorität von Lehrern und Gemeindeleitern, die sich auf apostolische Traditionen berufen mögen. Denn, wie die Sendschreiben nahe legen, waren die Gegner des „Sehers Johannes“ in die Lehr‑ und/oder Leitungsstrukturen der angeschriebenen Gemeinde eingebunden. Es mag also durchaus in der Absicht des Vf.s gelegen haben, durch die Form der Apokalyp‑ se eine gegen die Amtsstrukturen gerichtete unmiTelbare göTliche Autorisierung seines Werkes zu „inszenieren“. Die Re‑Apokalyptisierung als inhaltliches Pro‑ gramm und die literarische Form der Johannesoffenbarung bedingen sich also wech‑ selseitig. Dazu auch Kx•‚„…, Sendschreiben 180; U. B. Mwxxyz, Theologiegeschichte 33f. Im Anschluss an G. v. Rads scharfe Trennung zwischen Apokalyptik und Pro‑ phetie versucht D. Hƒxx, Prophecy 401–406, das apokalyptische Moment der Johan‑ nesoffenbarung zu minimieren und sie ganz in den Kontext der atl.‑bibl. Prophetie

346

Analyse
und
Interpretation
von
Op
19,11 – 21,8

Zeit des Christentums, in der sich erste Strukturen der Gemeindeord‑ nung zu bilden beginnen, noch kein Vorrecht der Gemeindeleiter, sich als Lehrende an die Gemeinden zu wenden. Ebenso bedarf es dazu kei‑ ner
„wissenschaWlichen“
Qualifizierung. Was aber heißt es, dass ein Nicht‑Theologe und noch dazu ein „Un‑ gebildeter“ diese rigoristische und radikale Sicht vorträgt? Die Versu‑ chung für den Ausleger ist groß, auf den Antagonismus zwischen „wis‑ senschaWlicher Theologie“ und „einfachem Glauben“ abzuheben und diesen entsprechend dem eigenen Gusto auszuwerten. Entweder man favorisiert die wissenschaWliche Theologie und qualifiziert die Sicht der Johannesoffenbarung als einseitig und übertrieben, wie sie für einen Vf. typisch ist, der der nötigen Differenzierungen wissenschaWlicher Theo‑ logie unfähig ist. Oder man bezieht Position für den einfachen Glau‑ ben, der gegenüber der wissenschaWlichen Theologie, die unerlaubte Freiräume öffnet und den wahren Glauben „verwässert“, den Blick für das Zentrum des Glaubens nicht verloren hat. Diese Fragen aber liegen jenseits dessen, was eine philologische Analyse und eine klassische his‑ torisch‑kritische Auslegung einem Text entnehmen kann. Deshalb sei hier nur soviel gesagt: Die Johannesoffenbarung ist als Äußerung eines Mannes zu werten und zu respektieren, der nicht in den Kreis der „Berufstheologen“ und kirchlichen „Amtsträger“ gehörte, sich aber durch bestimmte Entwicklungen in seiner Umwelt herausgefordert und
zu
einer
kritischen
Stellungnahme
genötigt
fühlte.723 Vielleicht muss man ihm auch zugestehen, dass er manches klarer gesehen hat als andere frühchristliche Theologen.724 Denn in den Deu‑ tero‑ und Tritopaulinen spiegelt sich, dass bestimmte Aussagen des Paulus, konsequent zu Ende gedacht, in der Tat Ansätze zu einer liber‑ tinistischen und enthusiastischen Grundhaltung in sich bergen. Das Millennium der Johannesoffenbarung ist demnach im Kontext einer am

einzuordnen. Eine solch scharfe Trennung zwischen Prophetie und Apokalyptik ist m. E. nicht möglich; denn zumindest der späten Prophetie kann – entgegen D. Hills These – eine eschatologische Dimension ebenso wenig abgesprochen werden, wie der Apokalyptik ein Interesse, das gegenwärtige Handeln zu bestimmen. An der Zu‑ gehörigkeit der Johannesoffenbarung zur Apokalyptik kann aufgrund ihrer Bilder‑ welt und Geschichtsdeutung bei allen Unterschieden zu anderen Apokalypsen kein Zweifel
bestehen. 723 In diese Richtung auch bei R. K•Ž›xƒ•‹, Vision der Kirche oder Gemeinde eines Vi‑ sionärs? Auf der Suche nach der Ekklesiologie der Johannes‑Offenbarung, in: Back‑ haus, Theologie als Vision 121–150, hier 125–134. Ähnlich auch H•zzƒ•‹Œ|•, Revela‑ tion
(SacrP)
12–14. 724 In diesem Sinne bestimmt auch Kx•‚„…, Sendschreiben 181f., die bleibende Bedeu‑ tung
der
Johannesoffenbarung
für
die
Kirche.

Auswertung
und
Interpretation

347

Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. in den kleinasiatischen Gemeinden au•rechenden Auseinandersetzung um die paulinische Theologie zu verstehen. Der Vf. wollte nicht die MartyriumsbereitschaW seiner Adressaten stärken, indem er ihnen das Millennium als eine besondere Belohnung in Aussicht stellte, sondern er wollte ihnen vor Augen füh‑ ren, was passiert, wenn sie sich auf „Kompromisse“ einlassen, um ihr irdisches Leben zu reTen: Sie vermeiden zwar den Tod im Martyrium, nicht aber den „zweiten Tod“.725 Nur in diesem Sinn ist die Johannes‑ offenbarung als Vorbereitung auf eine kommende „Verfolgung“ zu se‑ hen,
die
vielen
Christen
das
Leben
kosten
wird.

725 H•zzƒ•‹Œ|•, Revelation (SacrP) 201, u. a., haben insofern Recht, dass die Millenni‑ umsvision der Johannesoffenbarung als Martyriums‑Paränese zu verstehen ist; dies gilt
nicht
für
das
Millennium
selbst.

V. Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie 1. Korrekturen
an
der
Auslegung
von Op
19,11 – 21,8? Der Überblick über die Auslegung von Op 20 am Anfang der Studie (AbschniT II.1) zeigte einen weitgehenden Konsens der Forschung hin‑ sichtlich des zeitgeschichtlichen Hintergrundes, der religions‑ und tra‑ ditionsgeschichtlichen Fragestellung sowie der literarkritischen Wer‑ tung dieses AbschniTes. Dem stand allerdings ein mangelnder Konsens hinsichtlich des Gesamtverständnisses der Millenniumsvision entge‑ gen: Der realistisch‑endgeschichtlichen Deutung, der das historisch‑kri‑ tische Paradigma zunächst zu allgemeiner Akzeptanz verholfen haTe, erwuchs in den vergangenen Jahren erneut Konkurrenz in Form einer symbolisch‑endgeschichtliche Deutung, die im Millennium nur ein Bild für die Erfüllung der Hoffnung auf Heil für die Welt sieht. Daneben hat sich mit dem monumentalen Kommentar von G. K. Beale die auf Tyco‑ nius und Augustinus zurückgehende kirchengeschichtliche Deutung des Millenniums in der wissenschaWlichen Auslegung wieder neu eta‑ bliert. Außerdem besteht aufgrund verschiedener logisch‑inhaltlicher Schwierigkeiten keine Einigkeit in einigen für das Verständnis der Visi‑ on signifikanten Details. Wie lässt sich dieser Stand der Forschung aus‑ gehend
von
der
vorliegenden
Studie
bewerten? Bei der Auslegung ist als erstes zu berücksichtigen, dass der Vf. Op 19,11 – 21,8 als eine zusammengehörige Einheit intendiert hat, die er durch die parallelen RahmenabschniTe 17,1 – 19,10 und 21,9 – 22,9 in‑ nerhalb seines Werkes klar ausgegrenzt hat. Innerhalb des AbschniTes 19,11 – 21,8 liegt – wie die Vor‑ und Rückverweise in 20,3.7.10 erkennen lassen – eine klare Progression der einzelnen Ereignisse vor, von der der Vf. an keiner Stelle erkennbar abweicht.1 Das bedeutet, das Millen‑

1

Inwiefern ein solches lineares Voranschreiten der Ereignisse auch außerhalb des un‑ tersuchten AbschniTs 19,11 – 21,8 auch für andere AbschniTe und die Johannesoffen‑ barung insgesamt gilt, kann hier nicht entschieden werden. Die Untersuchung zur Ereignisabfolge innerhalb des großen SchlussabschniTes 15,1 – 22,9 (vgl. AbschniT IV. 1) hat jedenfalls gezeigt, dass ein solches zeitlich lineares Voranschreiten in der Johannesoffenbarung nicht als ein zu starres Prinzip verstanden werden darf. Das li‑

Korrekturen
an
der
Auslegung
von
Op
19,11 – 21,8?

349

nium (20,4‑6) liegt nach der Endschlacht (19,11–21) und der Fesselung des Drachen (20,1–3) und vor der erneuten Loslassung des Drachen (20,7–10), dem Totengericht (20,11–15) und der neuen Schöpfung (21,1– 8). Damit sind die „tausend Jahre“ der HerrschaW der Auferweckten mit Christus ohne Zweifel gleichzeitig mit den „tausend Jahren“ der Fesselung des Drachen. Diese „tausend Jahre“ liegen in der ZukunQ, da ihnen die gegenwärtige Zeit der Verfolgung und Bewährung (20,4 mit 13,11–17) sowie die Parusie (19,11–21) vorausgeht.2 Folglich können die „tausend Jahre“ nicht mit der Zeit der Kirche zwischen Auferstehung und WiederkunW Jesu Christi identisch sein.3 Die von G. K. Beale erneu‑ erte kirchengeschichtliche Deutung lässt sich also am Text nicht erweisen, unabhängig davon, ob ἔζησαν den Einzug der Seelen in den himmli‑ schen Zwischenzustand bezeichnen kann oder nicht.4 Dies gilt auch für die realistisch‑„postmillennaristische“ Deutung bei J. Sickenberger, die bereits deshalb abzuweisen ist, weil das Millennium in der Johannes‑ offenbarung
eindeutig
nach
der
Parusie
beginnt.5 Somit bleibt allein die Möglichkeit der realistisch‑endgeschichtlichen oder der symbolisch‑endgeschichtlichen Deutung der Millenniumsvision. Zur symbolisch‑endgeschichtlichen Deutung wurde bereits kritisch ange‑ merkt, dass der Vf. der Johannesoffenbarung selbst an keiner Stelle zu erkennen gibt, dass er die Rede von einem kommenden, irdischen Mes‑ siasreich von tausendjähriger Dauer als Symbol abstrakter Heilserwar‑ tungen verstanden wissen will. Der Hinweis, dass die apokalyptische Literatur Bilder in vielfacher Form als Symbole verwendet, genügt nicht; denn auch in den apokalyptischen Visionsberichten wahren die verwendeten Bilder einen engen Zusammenhang mit räumlich‑zeitli‑ chen Vorgängen.6 In Dan 7 werden zwar die Weltreiche durch Tiere

2

3 4

5 6

neare Voranschreiten wird offenbar zumindest innerhalb gewisser AbschniTe durch eine
Art
Rekapitulations‑Schema
überlagert. Bei Sƒ„…y•†yz‹yz, Reich 311–313, liegen die „tausend Jahre“ der Fesselung des Dra‑ chens und der HerrschaW der Märtyrer (worunter er ihren Einzug in den Himmel versteht) in der ZukunW, die eigentliche Parusie aber folgt erst nach dem Millen‑ nium. Für By•xy, Revelation (NIGTC) 991–1002, dagegen sind sowohl die „tausend Jahre“ der Fesselung des Drachen als auch die „tausend Jahre“ der himmlischen Existenz
der
Christen
bereits
jetzt
gegenwärtig. Gegen
By•xy,
Revelation
(NIGTC)
991–1002. Vgl. die Belege in der biblischen und frühjüdischen Literatur, die By•xy, Revelation (NIGTC) 1008–1010, für seine Deutung von ἔζησαν in Op 20,4 angibt; vgl. Axx|, L’Apocalypse
(EtB)
310f.;
Sƒ„…y•†yz‹yz,
Johannesapokalypse
174;
ders.,
Reich
306f. Vgl. Sƒ„…y•†yz‹yz, Johannesapokalypse 178. Auf die Problematik der Bezeichnung realistisch‑„postmillennaristisch“
wurde
unter
AbschniT
II. 1b
Punkt
(3)
hingewiesen. Vgl. dazu die Ausführungen zur BildhaWigkeit des apokalyptischen Visionsberichts bei
Vƒyxˆ•‚yz / SŒzy„…yz,
Apokalypsen
494f.

350

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

symbolisiert, ihre sukzessive Abfolge und die „Zeit“ danach aber blei‑ ben als reale Vorgänge klar erkennbar. Da „Zeit“ im Rahmen deutender Geschichtsüberblicke ein zentrales Thema in der Apokalyptik ist (so z. B. in Dan 9,23–27; 1 Hen 93,3–11; 91,11–17; 4 Esra 11,1 – 12,51; 2 Bar 53,1 – 74,4), darf man durchaus bezweifeln, dass in 20,1–10 „Zeit“ ledig‑ lich als Symbol für „Un‑Zeitliches“ dienen soll.7 Damit wird nicht be‑ striTen, dass den „tausend Jahren“ auch eine symbolische Dimension eignet; aber diese ersetzt nicht ihren chronologischen Gehalt.8 Zudem hat die Analyse von Op 19,11 – 21,8 gezeigt, dass die Millenniumsvi‑ sion der Johannesoffenbarung sich offenbar gegen eine „ent‑zeitlichte“ oder sogar präsentisch‑enthusiastische Interpretation der christlichen Heilserwartung wendet. Ein rein symbolisches Millennium wäre in die‑ sem Zusammenhang der Argumentation des Vf.s nicht dienlich. Inso‑ fern ist davon auszugehen, dass Op 20,4–6 ein zukünQiges, zeitlich be‑ grenztes, irdisches Messiasreich verkündet, wie es auch in den ungefähr zeitgleichen jüdischen Apokalypsen 4 Esra (7,26–44; 12,31–34) und 2 Bar (29f.; 40,2–4; 72–74) bezeugt ist.9 Damit ist allein die realistisch‑endge‑ schichtliche
Deutung
dem
Text
angemessen.10 Aufgrund der klaren Komposition sowohl von Op 19,11 – 21,8 als auch des rahmenden AbschniTes 15,1 – 22,9 verbieten sich Umstellun‑ gen des überlieferten Textes, wie sie H. R. Charles, P. Gaechter und in ihrer Nachfolge J. M. Ford vorgeschlagen haben. Das heißt aber nicht, dass der Text von Op 19,11 – 21,8 frei wäre von störenden Brüchen und Spannungen. Wie die literarkritische Analyse von Op 19,11 – 21,8 gezeigt hat, lassen sich diese durch die Annahme schriWlicher Vorlagen erklären, wenn sich auch keine Indizien für durchgängige Grund‑ oder QuellenschriWen fanden. Als praktikabel erwies sich jedoch die von W. Bousset, J. Wellhausen und R. Bergmeier vertretene Fragmentenhy‑ pothese.11 Plausibel scheint deshalb, dass der Vf. auf teils von ihm selbst, teils von anderen angefertigte Sammlungen von Exzerpten aus 7 8

9 10

11

Gegen
Gƒy•y•,
Offenbarung
(RNT)
434. An der zeitlichen Dimension hält auch die auf Augustinus beruhende Deutung der tausend Jahre als plenitudo temporis fest (civ. 20, 7); so bei Sƒ„…y•†yz‹yz, Johannesapo‑ kalypse
174;
ders.,
Reich
302f. Vgl.
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
338. In diesem Sinne wurde Op 20 bereits von den christlichen Theologen im 2. und 3. Jh. verstanden, unabhängig davon, ob sie dem Chiliasmus zustimmend (Justin, Ire‑ näus, Tertullian, Proklos, Hippolyt, Viktorin) oder ablehnend (Gaius von Rom, Dio‑ nysios von Alexandrien, Origenes) gegenüberstanden; vgl. dazu AbschniT I. Es gibt keinen Anlass zu bezweifeln, dass diese früheste uns fassbare Deutung der Johan‑ nesoffenbarung
den
vom
Vf.
intendierten
Verständnis
entsprach. Vgl.
außer
den
genannten
Autoren
auch
Vƒyxˆ•‚yz / SŒzy„…yz,
Apokalyptik
531.

Korrekturen
an
der
Auslegung
von
Op
19,11 – 21,8?

351

älteren jüdischen Apokalypsen zurückgegriffen hat.12 Für die alTes‑ tamentlichen SchriWen findet sich in 21,3–8 ein Hinweis auf die Benut‑ zung solcher Sammlungen (Testimonien) durch den Vf.: Op 21,3; 18,4; 21,7–8 bietet dieselbe Zitatenabfolge wie der nichtpaulinische Einschub in 2 Kor 6,14 – 7,1.13 Seine Vorlagen hat der Vf. „blockartig“ um eigenes und fremdes Material erweitert. Dabei kann eine ursprünglich zusam‑ menhängende Vorlage auf mehrere Visionen innerhalb der Johannes‑ offenbarung verteilt werden: So entstammt offenbar der Grundbestand der Messiasschlacht in 19,11–21 und des tausendjährigen Messiasreichs in 20,4–6 einer gemeinsamen Vorlage; ein weiteres Fragment dieser Vorlage findet sich wahrscheinlich in 14,20. Die oW logisch nicht stim‑ migen Übergänge zwischen den Visionen (und VisionsabschniTen) ka‑ schiert
die
stets
wiederkehrende
Einleitungsformel
καὶ εἶδον. Die im Text von Op 19,11 – 21,8 deutlich wahrnehmbaren Span‑ nungen und Brüche zeigen, dass der Vf. sich im Detail nicht um die lo‑ gisch‑inhaltliche Stimmigkeit bemüht hat. Die Überlegungen zum lite‑ rarischen und theologischen Profil des Vf.s lassen vermuten, dass der Grund dafür eher sein Nicht‑Können als sein Nicht‑Wollen war. Dies hat Konsequenzen für die Erklärung einiger in der Auslegung noch im‑ mer striTiger Aspekte von Op 19,11 – 21,8. Die Frage, wer in 20,4 auf den Thronen Platz nimmt, lässt sich auf literarkritischem Wege klären: Der Vf. legt 20,4 offenbar eine Dan 7,9 vergleichbare Gerichtsschilde‑ rung zugrunde und denkt folglich an Gerichtsbeisassen. Sonstige De‑ tailfragen müssen meist offen bleiben. Es ist letztlich also müßig zu fra‑ gen, wer außer den Auferweckten noch am Millennium teilnimmt, woher die vom Satan verführten Völker kommen, warum der Satan erneut losgelassen werden muss, was mit der „geliebten Stadt“ und dem „Lager der Heiligen“ bezeichnet wird, und auch, wie und wann die zur Teilnahme am Millennium Auferstandenen in die neue Schöp‑ fung und das neue Jerusalem gelangen. Der Gesamtkontext der Johan‑ nesoffenbarung legt zumindest nahe, dass die Bedrängnis durch das Tier universal ist und deshalb alle Christen ihre Treue bis in den Tod erweisen müssen (13,11–17). Insofern ist in 20,4 eine Unterscheidung zwischen Blutzeugen und Bekennern überflüssig. Die Frage, was aus denen wird, die vor dieser Verfolgung gestorben sind, wird weder be‑ antwortet
noch
überhaupt
gestellt. 12 13

Eine ähnliche Vermutung für die Entstehung frühjüdischer und frühchristlicher Apokalypsen
insgesamt
bei
B•‚„…ˆ•Ž,
Climax
83f. Zu Testimonien und Testimoniensammlungen F. R. Pz|•ŒŽyƒyz, Testimonien. LThK3 10
(2000)
Sp.
1356f.;
K. G••Šyz,
Florilegium.
LThK3
3
(1995)
Sp.
1330f.

352

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

Aus der literarkritischen Analyse folgt zudem, dass die Annahme, der Vf. habe die Erwartung eines zeitlich begrenzten irdischen Messias‑ reiches selbst im Rückgriff auf Ez 37–48 gebildet, nicht zwingend ist.14 Vielmehr folgt er einer jüdischen Tradition, die auch in 4 Esra und 2 Bar bezeugt ist. Eine tabellarische Gegenüberstellung zeigt deutlich, dass Op 19,11 – 21,8 insgesamt den Texte aus 4 Esra und 2 Bar wesentlich näher steht als Ez 37–48; außerdem stehen die parallelen Motive hier im
Text
wesentlich
dichter
beieinander
als
im
Ezechielbuch. Ez
37–48

Op
19,11 – 21,8 Verfolgung
der
 Gemeinde Erscheinen
des
 Messias
und
End‑ schlacht

Belebung
der
Toten‑ gebeine Zeit
des
Messias

Ansturm
des
Gog
 von
Magog

das
neue
Jerusalem
 mit
dem
neuen
 Tempel

4 Esra
12,31–34

2 Bar
40,2–4

Unterdrückung
des
 GoTesvolkes Erscheinen
des
 Messias;
Gericht
 über
die
Feinde
des
 GoTesvolkes

Enddrangsal

Bewahren
des
Res‑ tes
des
GoTesvolkes

tausendjährige
Mes‑ siaszeit
(auf
Erden)

Befreiung
des
noch
 übrigen
GoTes‑ volkes messianische
Heils‑ zeit
auf
Erden

Loslassung
des
 Drachen Ansturm
von
Gog
 und
Magog endgültige
Vernich‑ tung
des
Drachen Weltuntergang
und
 Totengericht Neuschöpfung
und
 himmlisches
 Jerusalem

Weltuntergang
und
 Gericht [neue
Schöpfung
 (Rückverweis
auf
 7,26–44)]

Fesselung
des
 Drachen „erste
 Auferstehung“

Erscheinen
des
 Messias;
Vernich‑ tung
des
vierten
 Weltreichs

HerrschaW
des
Mes‑ sias
auf
Erden
bis
 zum
Ende
der
ver‑ gänglichen
Welt

Allem Anschein nach greiW der Vf. also eine mit 4 Esra 7,25–44; 12,31– 34 und 2 Bar 29f.; 40,2–4; 72–74 vergleichbare Vorlage auf und erweitert 14

Diese Annahme geht auf A. Wikenhauser zurück (Das Problem des tausendjährigen Reiches in der Johannesoffenbarung); vgl. bei AbschniT II. 1a Punkt (3), hier auch weitere Vertreter. So auch bei By•xy, Revelation (NIGTC) 1012f. Die neueren Kom‑ mentare nehmen sonst meist eine differenziertere Position ein; sie sehen Ez 37–48 nur als eine Wurzel neben anderen oder nehmen einen indirekten Einfluss über die frühjüdische Tradition an; vgl. z. B. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 439f.; U. B. Mwxxyz, Offenbarung
(ÖTK)
343f.

Korrekturen
an
der
Auslegung
von
Op
19,11 – 21,8?

353

sie um die „erste Auferstehung“ und die Fesselung und erneute Loslas‑ sung des Drachen; letzteres ist wohl auch der Grund für die Verdoppe‑ lung
des
Völkersturm‑Motivs
in
Op
19,19–21
und
20,8–9. Dieser Vorlage entnimmt er wahrscheinlich auch die „tausendjähri‑ ge“ Dauer der messianischen Heilszeit. Ein Bezug zu Weltalter‑ und Weltwochenspekulationen (aus der Verbindung von Gen 1,1 – 2,4a mit Ps 90,4) kann aber nicht zwingend erwiesen werden, da die Johannes‑ offenbarung an keiner Stelle einen Bezug zu diesen Vorstellungen er‑ kennen lässt.15 Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass derartige Vorstellungen die Wurzel für die Annahme der genau „tausendjähri‑ gen“ Dauer der zeitlich begrenzten irdischen Heilszeit sind; da jedoch der Vf. der Johannesoffenbarung einen solchen Zusammenhang nicht herstellt, muss man annehmen, dass der Vf. sich dieses Zusammen‑ hangs entweder nicht bewusst war oder dass er für ihn insignifikant war. Da die jüdische Vorstellung der Weltwoche möglicherweise auf iranisch‑zoroastrische Einflüsse zurückzuführen ist, kommt die religi‑ onsgeschichtliche Fragestellung in den Blick. Grundsätzlich ist der religi‑ onsgeschichtlichen Schule (H. Gunkel, W. Bousset, F. Boll) darin zuzu‑ stimmen, dass bestimmte Bilder und Vorstellungen in Op 19,11 – 21,8 ihre Wurzeln in der babylonisch‑iranischen, aber auch in der grie‑ chisch‑hellenistischen Mythologie haben.16 Für die Interpretation der Johannesoffenbarung muss die religionsgeschichtliche Fragestellung je‑ doch hinter die literar‑ und traditionskritische zurücktreten; denn die apokalyptischen Vorstellungen und Bilder sind dem Vf. wohl primär

15

16

Der früheste jüdische Beleg für die Verbindung von Weltwoche und zeitlich be‑ grenztem Messiasreich ist 2 Hen 33,1. Jedoch ist die Datierung des 2 Hen unsicher; zumindest Teile des Buches könnten aus der Zeit vor 70 n. Chr. stammen. Unklar ist vor allem der Umfang christlicher Überarbeitungen (auch 33,1–2 könnte eine christ‑ liche Interpolation sein); vgl. Oy‹yŽ•, Apokalypsen. JSHRZ 6/1.5, 132f.; zu 33,1–2 und der Eschatologie des 2 Hen ebd. 162f. Von den christlichen Chiliasten des 2. Jh.s findet sich nur bei Irenäus sowohl die Erwartung eines irdischen Millenniums als auch die Idee der Weltwoche; eine eindeutige Verbindung zwischen beiden Ideen stellt Irenäus möglicherweise in haer. 5, 33,2 her (vgl. dagegen 5, 28,3; 30,4). Eine Auflistung der christlichen Belege des Weltwochen‑Schemas in der Zeit der alten Kirche
bei
Wƒ…y•ˆ•‚•yz,
HerkunW
6–22;
ders.,
Weltwoche
401–415. Zur iranischen „Apokalyptik“ vgl. T. Ox••|•, The Apocalyptic Activity. The Case of Ĵāmāsp Nāmag, in: Hellholm, Apocalypticism 21–49; S. S. H•zŒŽ•••, Datierung der jungavestischen Apokalyptik, in: ebd. 61–75; G. Wƒ€y•‹zy•, Leitende Ideen und Quellen der iranischen Apokalyptik, in: ebd. 77–162. Zu apokalyptischen Vorstellun‑ gen bei den Griechen W. B‚z…yzŒ, Apokalyptik im frühen Griechentum. Impulse und Transformationen, in: Hellholm, Apocalypticism 235–254; J. G. Gzƒ}}ƒŒˆ•, Apoca‑ lyptic
in
the
Hellenistic
Era,
in:
ebd.
273–293.

354

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

durch die mündliche und schriWliche Überlieferung des Frühjuden‑ tums vermiTelt. Ob er sich ihrer nichtjüdischen HerkunW bewusst war, lässt sich nicht entscheiden, zumal das Frühjudentum (und die jüdisch orientierten Kreise des Frühchristentums) diese Vorstellungen und Bil‑ der durch Assimilation und Transformation bereits vollständig in den jüdisch‑biblischen
Glauben
integriert
haTe.17 Die Frage nach der Herleitung einzelner Vorstellungen und Bilder ist deshalb durchaus von Bedeutung für die Beschreibung der Entste‑ hung der Apokalyptik und der frühjüdischen Religion; ihre Bedeutung für die Auslegung und das Verständnis der Johannesoffenbarung muss sich jeweils am konkreten Text erweisen. Im Blick auf Op 19,11 – 21,8 ist festzuhalten, dass die Herleitung der tausendjährigen Dauer des Messiasreiches aus iranischen Weltalterspekulationen zutreffend sein mag; zu einem besseren Verständnis des Textes trägt diese Erkenntnis aber wenig bei. Ähnlich liegen die Dinge bei der Fesselung des Dra‑ chen, die ebenfalls auf iranische Vorstellungen zurückgehen kann. Zu einem besseren Verständnis von Op 20,1–3 trägt jedoch nicht diese re‑ ligionsgeschichtliche Herleitung bei, sondern die literarkritische Beob‑ achtung, dass der Vf. einen der Fesselung des Anführers der Dämonen in 1 Hen 10,4–8 (88,1) verwandten Text benutzt und seine Vorlage da‑ hingehend abändert, dass er zwischen sein Fesselung und die Vernich‑ tung beim Endgericht eine erneute Loslassung einfügt, um einen Rahmen zu schaffen, der Beginn und Ende der tausendjährigen irdi‑ schen
Heilszeit
begründet. Unter einem anderen Aspekt jedoch kann die religionsgeschichtli‑ che Fragestellung für die Auslegung von Op 19,11 – 21,8 von Interesse sein: Welche mythischen Vorstellungen lösten die in diesem AbschniT verwendeten Bilder bei den offensichtlich stark hellenisierten Christen Kleinasiens aus, unabhängig davon, ob diese vom Vf. intendiert waren oder nicht? Der vielköpfige, als „Schlange“ bezeichnete Drache und die entsprechenden Visionen in Op 12 ließen sie sicher an die von Hera‑ kles getötete Hydra (vgl. Hes. theog. 313ff.) und an den von Apollon in Delphi getöteten Python (Hom. hymn. Ap. 282ff.) denken.18 Die Fesse‑ lung des Drachen im Abgrund und seine endgültige Vernichtung

17 18

Vgl.
H•ˆ•,
Apokalyptik
5f. Die Hydra war ein mehrköpfiges, schlangenartiges Ungeheuer, das in den Sümpfen von Lerna hauste; vgl. H. Ÿ. Gyƒ••‚, Hydra 1. KP 2 (1979) Sp. 1259f. Der Mythos vom Kampf des Apollon gegen den Drachen Python spiegelt die Inbesitznahme des ursprünglich chtonischen Orakels von Delphi durch den GoT; vgl. K. S„ˆ•‚y•†‚z‹, Python.
LAW
2,
Sp. 2492f.;
H. Ÿ. Gyƒ••‚,
Python
1.
KP
4
(1979)
Sp. 1280.

Korrekturen
an
der
Auslegung
von
Op
19,11 – 21,8?

355

durch GoT in Op 20,1–3.7–10 boten den Adressaten als weitere Asso‑ ziationsmöglichkeit den Kampf der GöTer mit den meist schlangen‑ füßig dargestellten Giganten (vgl. Apollod. 1,37) oder auch den Kampf der GöTer mit den Titanen, der mit dem Sturz der Titanen in die Unter‑ welt endet (vgl. Hes. theog. 624ff.; 674ff.; 711ff.).19 Diese Assoziation lag für Kleinasien um so mehr nahe, als am großen Zeusaltar von Per‑ gamon auf einem monumentalen Fries die Gigantomachie abgebildet war.20 Sollte der „Thron des Satan“ in Pergamon (Op 2,13) tatsächlich diesen Altar bezeichnen, ist nicht ausgeschlossen, dass der Vf. um die‑ sen Fries wusste und mit einer solchen Assoziation rechnete.21 Gezielt instrumentalisiert jedoch hat er diesen Mythos für seine Darstellung nicht, möglicherweise, weil er aufgrund seiner ethnisch‑geographi‑ schen und sozialen HerkunW mit diesen Themen der griechischen My‑ thologie
zu
wenig
vertraut
war. Hinsichtlich der Funktion und Intention der Millenniumsvision ist anzumerken, dass ihre Qualifizierung als Martyriumsparänese zu kurz greiW und eine geschichts‑ und schöpfungstheologische Deutung die Eigen‑ art und Absicht der Vision verkennt. Op 19,11 – 21,8 verheißt den Christen Kleinasiens nicht die Heilsvollendung von Welt und Ge‑

19

20

21

Die einzige zusammenhängende Darstellung der Gigantomachie ist in Apollod. 1,34–38 erhalten; weitere Zeugnisse für den Mythos finden sich bei Eurip. Ion. 206ff.; Her. 180; Aristoph. Av. 824; Batrachom. 170f. 185f. Die Gigantomachie wurden später mit der älteren Titanomachie verbunden. Die Titanen werden von den GöTern in den Tartaros geworfen und hier von den Hekatoncheiren bewacht. Vgl. H. Ÿ. Gyƒ••‚, Gigantes. KP 2 (1979) Sp. 797f.; W. S|•ŒˆyƒŽyz, Gigantomachie. KP 2 (1979) Sp. 798; K. S„ˆ•‚y•†‚z‹, Giganten. LAW 1, Sp. 1086f.; K. S„ˆy}|x€, Gigantomachie. LAW 1, Sp. 1087; H. Ÿ. Gyƒ••‚, Titanes. KP 5 (1979) Sp. 867f.; ders., Titanomachie. KP 5 (1979) Sp. 868. Vgl. auch F. Vƒ••, La guerre des géants. Le mythe avant l’époque hellénis‑ tique (Études et commentaires 11), Paris 1952; ders., Répertoire des gigantomachies figurées dans l’art grec et romain, Paris 1951; J. D‡zƒ‹ / O. Gƒ‹|•, Der Kampf der GöTer
und
Titanen
(Bibliotheca
Helvetica
Romana
4),
Olten
1961. Zum Zeusaltar von Pergamon; H. K§ˆxyz, Der große Fries von Pergamon. Untersu‑ chungen zur Geschichte und Kunstgeschichte Pergmons, Berlin 1948. C. H‚Ž•••, Der Pergamonaltar, Dortmund 1959. Vgl. auch O. SŒyz••‹yx, Die Stadt Pergamon. Ihr religiöses Profil im Blick auf Op 2,12–17, Würzburg 1990; E. OˆxyŽ‚ŒŠ, Die Kul‑ te und Heiligtümer der GöTer in Pergamon, Darmstadt 21968; W. R•€Œ, Pergamon. Geschichte
und
Bauten,
Funde
und
Erforschung
einer
antiken
Metropole,
Köln
1988. Diese Deutung findet sich bei älteren Auslegern (Völter, Zahn, Weizsäcker), wird heute aber weitgehend abgelehnt. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 113f., sieht in der Be‑ zeichnung „Thron Satans“ keinen spezifischen Hinweis auf den großen Zeusaltar; vielmehr sei an Pergamon als Residenzstadt, Gerichtssitz und Zentrum des Kaiser‑ kultes gedacht; vgl. auch R. N|zŒˆ, Thronus Satanae Pergamenus, in: VD 28 (1950) 65–76; A‚•y, Revelation (WBC) 182–184; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 53f. Kx•‚„…, Sendschreiben 160, plädiert für den Tempel des Augustus und der Dea Roma; vgl. auch
U. B. Mwxxyz,
Offenbarung
(ÖTK)
109f.

356

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

schichte, sondern droht ihnen den „zweiten Tod“ an, wenn sie nicht von Grund auf ihr Verhalten ändern; denn die gegenwärtige Welt und Geschichte sind mit GoTes Duldung WirkstäTen der widergöTlichen Macht (Drache/Satan) und deshalb für GoTes Heilsgemeinde ein Ort der Bedrängnis und Bewährung. End‑gültiges Heil kann es in dieser Welt nicht geben; es setzt eine durch Weltuntergang und Neuschöp‑ fung markierte radikale Transformation der Welt voraus (20,11; 21,1f.). Für die Christen bedeutet das, in „dieser Welt“ ohne Rücksicht auf die Konsequenzen so zu leben, dass sie das Heil der „kommenden Welt“ erlangen. Die Christen Kleinasiens jedoch sind nach dem Urteil der Jo‑ hannesoffenbarung mit ihrer grundsätzlichen Offenheit für das Leben der paganen Polis auf einem unheilvollen Weg, d. h. indem sie persönli‑ che Nachteile in „dieser Welt“ vermeiden wollen, geraten sie in Gefahr, das
Heil
der
„kommenden
Welt“
zu
verlieren. Durch die Erneuerung der futurisch‑apokalyptischen Eschatologie und die Indienstnahme der traditionellen Erwartung eines kommenden, ir‑ dischen messianischen Zwischenreichs will er eine spiritualisierende und enthusiastische Interpretation des christlichen Glaubens destruieren und dadurch einer in seinen Augen libertinistischen Praxis das theologische Fundament entziehen. Da diese Praxis eine Wurzel in der paulinischen Tradition der kleinasiatischen Christen hat, kann die Millenniumsvi‑ sion als anti‑paulinisch bezeichnet werden. Mit dem Millennium will die Johannesoffenbarung also nicht Christen trösten und bestärken, die we‑ gen ihres Glaubens bedrängt sind, sondern sie will im Dienst ihrer For‑ derung nach radikaler Trennung von allem, was zu Kontakt mit dem paganen Kult führen kann, die treuen Christen mahnen, die unent‑ schlossenen
warnen
und
den
kompromissbereiten
drohen. Die anti‑enthusiastische, anti‑libertinistische und anti‑paulinische Re‑Apokalyptisierung des christlichen Glaubens in der Johannesoffen‑ barung bedeutet aber keine Re‑Judaisierung. Denn die Forderung einer Trennung von der paganen Welt wird nicht im jüdischen Gesetz veran‑ kert, sondern in einer konsequenten christlichen Interpretation des bib‑ lischen Monotheismus.22 Der Glaube an die Einzigkeit GoTes und seine 22

Insofern ist es durchaus plausibel, dass bei den beiden Propheten/Zeugen in Op 11,3–14 an Elija als den großen Vorkämpfer der Allein‑Verehrung JHWHs im Alten Testament erinnert werden soll (wenn auch die vv. 5f. eine individuelle Interpretati‑ on der beiden Gestalten nicht erlauben). Auf Elija weist jedenfalls das Feuer aus ih‑ rem Mund, mit dem sie ihre Feinde verzehren (2 Kön 1,10.12; der Mund staT des Himmels unter dem Einfluss von Jer 5,14), und die Macht, den Himmel zu verschlie‑ ßen (1 Kön 17,1). In dieselbe Richtung zielt die ebenfalls in Op 11,3–14 gegebene Be‑ zugnahme auf Mose (Anspielungen auf die ägyptischen Plagen; vgl. Ex 7,17.19f.);

Korrekturen
an
der
Auslegung
von
Op
19,11 – 21,8?

357

exklusive kultische Verehrung bedingen einander: Wer am paganen Kult teilnimmt, verletzt diesen Anspruch, selbst wenn er innerlich von der Nicht‑Existenz der GöTer überzeugt ist (vgl. die Verwendung von προσκυνεῖν in der Johannesoffenbarung). Zu dieser Interpretation des biblisch‑christlichen Monotheismus gehört nach dem Zeugnis der Jo‑ hannesoffenbarung ein dezidiertes Bekenntnis zur göTlichen Würde Jesu, der für den Seher mehr ist als nur ein national‑politischer Messias, ein Endzeitprophet oder ein Engelwesen; damit überschreitet der Seher Johannes klar alle jüdisch legitimen Interpretation der Person des Jesus von Nazareth sowie seiner eschatologischen und soteriologischen Rele‑ vanz.23 Die Abgrenzung gegen den Paulinismus und das Judenchristen‑ tum in der Johannesoffenbarung implizieren folglich nicht die Verwer‑ fung der gesetzesfreien Heidenmission oder den Wunsch nach einer Rückkehr des Christentums zu seinen jüdischen Wurzeln (vgl. auch die scharfe
Verurteilung
der
Juden
in
Op
2,9;
3,9). Der zeitgeschichtliche Hintergrund der Johannesoffenbarung besteht nicht in einer systematischen Christenverfolgung mit einer staatlich verordneten Opferprobe vor dem Standbildern der GöTer und des Kai‑ sers, wie sie in den sog. Christenbriefen des Plinius belegt ist; auch die Rede von „lokalen Pogromen“ ist letztlich irreführend, weil sie den Eindruck einer zwar regional begrenzten und nicht staatlich verordne‑ ten, aber dennoch gezielten und umfassenden Verfolgung der Christen erweckt.24 Das bedeutet nicht, dass die Johannesoffenbarung nicht auch eine zunehmende Bedrängnis bis hin zu einer tödliche Bedrohung der Gemeinden durch die pagane Umwelt im Blick hat (Antipas in Op

23

24

denn in dem von ihm am Sinai empfangenen und dem Volk mitgeteilten Dekalog ist sowohl die Einzigkeit als auch der Allein‑Verehrungs‑Anspruch GoTes verankert (vgl. Ex 20,1–17). Zur Stelle vgl. U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 210f.; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 252f. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich das zweite Tier in Op 13 – wie bereits angemerkt – ebenfalls vor dem Hintergrund dieser Elija‑ und Mose‑Allusionen verstehen lässt: Zum einen wird es in seiner Wun‑ dermacht mit Elija parallelisiert (v. 13), zum anderen erscheint es durch die Anferti‑ gung des Kultbildes für das erste Tier als Gegenbild zu Mose, der am Sinai das Bil‑ derverbot verkündete und das Goldene Kalb zerstörte. Dies entspräche der Anmerkung in 13,11, dass das zweite Tier in seinem Aussehen dem Lamm gleicht, aber
wie
der
Drache
redet. Zu den genannten und weiteren „Heilspersonen“ und ihrer eschatologischen Funk‑ tion in der frühjüdischen Religion V|xŠ, Eschatologie 173–203. Zum Problem Chris‑ tusbekenntnis und Verhältnis zum Judentum in der Urgemeinde vgl. den Überblick bei
SŒzy„…yz,
Judenchristentum.
TRE
17, 313f. Kx•‚„…, Sendschreiben 161f., weist mit Recht darauf hin, dass im Fall des Antipas Lynchjustiz zwar nicht völlig auszuschließen ist, angesichts des entwickelten römi‑ schen
Rechtssystems
auch
in
den
Provinzen
aber
wenig
wahrscheinlich
ist.

358

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

2,13). Wo die städtische Verwaltung und die Reichsadministration ge‑ gen Christen vorgingen, beschuldigte man sie der politischen Insub‑ ordination und des staatsgefährdenden Verhaltens; diese Vorwürfe gründeten in ihrer eingeschränkten Partizipation am öffentlichen Le‑ ben, vor allem am öffentlichen Kult, und in ihrer vereinsähnlichen Or‑ ganisation.25 Die Bestrafung und Hinrichtung von Christen aber ist zu dieser Zeit offensichtlich noch die Ausnahme; der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass die kleinasiatischen Heidenchristen bis zu dieser Zeit mehrheitlich noch keinen radikalen Bruch mit ihrer paganen Um‑ welt vollzogen haben und deshalb nur partiell als eigenständige Grup‑ pierung
wahrnehmbar
werden. Diese Partizipation ist nicht – wie die Johannesoffenbarung glauben machen will – ein Abfall vom „reinen Glauben“ und Anzeichen von „Laxheit“ und auch nicht nur ein Zugeständnis an einen zunehmenden soziale, politischen und ökonomischen Druck, sondern sie war für die kleinasiatischen Christen, egal ob sie dem einheimischen Judentum oder dem Heidentum entstammten, auch Ausdruck des ererbten kultu‑ rellen Selbstbewusstseins, Teil der griechisch‑hellenistischen Welt zu sein. Für die zu den Gemeinden gehörenden reichen Fernhandels‑ kaufleute haTe diese Integration in die PolisgemeinschaW einen hö‑ heren Stellenwert als für christliche Tagelöhner. Damit lässt sich der in‑ nere Zustand der kleinasiatischen Christengemeinden wesentlich präziser fassen als nur durch den Hinweis, dass in den Gemeinden Irr‑ lehrer auWreten, zumal dies die problematische Annahme impliziert, am Anfang der Kirchen‑ und Theologiegeschichte stünde eine homoge‑ ne orthodoxe Praxis und Lehre, die im weiteren Verlauf der Geschichte gegen vom reinen Glauben abgefallene, heterodoxe Strömungen vertei‑ digt
werden
musste.

25

Vgl. dazu die Ausführungen bei Kx•‚„…, Sendschreiben 160–164, zum Fall des Anti‑ pas in Pergamon. Die grundsätzlichen Vorbehalte der Reichsadministration gegen das Vereinswesen zeigt sich auch im Briefwechsel des StaThalters C. Plinius Caecilus Secundus mit dem Kaiser Trajan. In epist. 10, 33 biTet Plinius den Kaiser, in Ni‑ komedien eine Handwerkergilde (collegium fabrorum) als Feuerwehr einrichten zu dürfen; in seinem Reskript (epist. 10, 34) lehnt der Kaiser diese BiTe ab, da aus sol‑ chen collegia leicht hetaeriae (politische Vereinigungen) werden können. Deshalb war das Vereinswesen auch durch die staatliche Gesetzgebung geregelt, um politische Verschwörungen zu verhindern. Die Errichtung eines Vereins bedurWe der staatli‑ chen Genehmigung; im Verdachtsfall konnte die Vereine jederzeit aufgelöst werden. Vgl.
H. H•‚•Ž••ƒ•‹yz,
Collegium.
KP
1
(1979)
Sp. 1553f.

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

359

2. EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen Im Rahmen der Studie kamen immer wieder auch Themen zur Spra‑ che, die traditionell zu den sog. „Einleitungsfragen“ gehören, insbeson‑ dere die Frage nach dem Profil des Verfassers, der Entstehungssituation und der theologiegeschichtlichen Verortung der Johannesoffenbarung. Die wichtigsten Ergebnisse zu diesen Punkten seien hier noch einmal kurz zusammengefasst. Anschließend soll gefragt werden, ob sie Rück‑ schlüsse
auf
die
Entstehungszeit
der
Johannesoffenbarung
erlauben.

a. Verfasser,
Quellen,
theologiegesvivtlive
Einordnung Der Verfasser ist mit größter Wahrscheinlichkeit ein palästinischer Ju‑ denchrist. Die Einflüsse des gesprochenen Aramäisch (oder Mischna‑ Hebräisch) im Griechisch der Johannesoffenbarung erklären sich aus dem muTersprachlichen Element bei primärer Bilingualität (Interfe‑ renz).26 Dies belegt über die palästinische HerkunW des Vf.s hinaus auch das Fehlen einer systematischen sprachlich‑literarischen Ausbil‑ dung im Griechischen und damit seine Zugehörigkeit zu einer nie‑ deren sozialen Schicht. Dennoch kann aber dem Vf. zumindest die für einen palästinischen Juden dieser Zeit typische „Schulbildung“ nicht abgesprochen werden, d. h. er kann Aramäisch und Bibelhebräisch, evtl. auch Mischna‑Hebräisch, lesen und schreiben und ist mit den Grundlagen der rabbinischen SchriWauslegung vertraut. Darüber hin‑ aus lässt seine Kenntnis apokalyptischer SchriWen vermuten, dass er einem Zirkel religiös interessierter „Laien“ angehörte, der sich intensiv mit apokalyptischem Gedankengut beschäWigte. Ob diese Zugehörig‑ keit vor oder nach seiner Konversion zum Christentum liegt, oder ob er zuerst einem jüdischen und dann einem christlichen Zirkel angehörte, muss offen bleiben. Jedenfalls wurde er hier mit den Material vertraut, auf
das
er
bei
der
Abfassung
seines
Werkes
zurückgriff. Damit ist die Genese des Werkes angesprochen. Die Analyse hat ge‑ zeigt, dass eine literarkritische Untersuchung der Johannesoffenbarung

26

Die Erarbeitung einer „Grammatik der Johannesoffenbarung“ wie im Kommentar von R. H. Charles (ICC) suggeriert ein regelmäßiges Abweichen des Vf.s von einer griechischen Regelgrammatik und verleitete zu oW fragwürdigen textkritischen Ent‑ scheidungen (bis hin zu Emendationen) und literarkritischen Operationen; dazu auch J. S„ˆŽƒ€, Apokalypse‑Text 249–251. Weniger stark ausgeprägt ist diese Ten‑ denz
in
den
Kommentaren
von
W. Bousset
(KEK)
und
D. E. Aune
(WBC).

360

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

berechtigt und sinnvoll ist. Am praktikabelsten hat sich dabei die Frag‑ mentenhypothese erwiesen; sie wird dem Befund insofern gerecht, als sie durch die Annahme schriWlicher Vorlagen die im Text zahlreich vor‑ handenen logisch‑inhaltlichen Spannungen, syntaktischen Brüche etc. ernst nimmt, zugleich aber der Tatsache Rechnung trägt, dass sich die rekonstruierten Vorlagen nicht zu einer oder mehreren durchgehenden QuellenschriWen verbinden lassen (Erweiterungs‑ oder Kompilations‑ hypothese). Dies hat seinen Grund wahrscheinlich darin, dass dem Vf. das apokalyptische Material in Form mehrerer Exzerptensammlungen (Florilegien) und nicht als zusammenhängende SchriWen vorlag. Ana‑ log benutzte er bei seinen alTestamentlichen Zitaten Sammlungen von Testimonien (vgl. 21,3; 18,4; 21,7–8). Dies kann erklären, warum die SchriW‑Zitate in der Johannesoffenbarung oW weder mit dem griechi‑ schen
noch
mit
dem
hebräischen
Text
übereinstimmen.
 Obwohl es dem Vf. nicht immer gelang, das von ihm aufgenom‑ mene Material im Detail aufeinander abzustimmen, ist sein Werk mehr als eine planlose Aneinanderreihung von Fragmenten.27 Die Struktur‑ analyse hat gezeigt, dass sich auf verschiedenen Ebenen des Textes die planende und ordnende Hand des Vf.s erkennen lässt. Insofern hat R. Bauckham recht, dass mit verschiedenen Ebenen der Strukturierung zu rechnen ist, die sich erst sukzessive bei einer genaueren Lektüre er‑ schließen.28 Insgesamt hat sich bei der Ausgrenzung und Gliederung von Op 19,11 – 21,8 die konsequente Anwendung des von U. Vanni und R. Bauckham formulierten Grundsatzes bewährt, dass jeder Ver‑ such einer Gliederung der Johannesoffenbarung von textimmanenten Gliederungssignalen ausgehen muss.29 Die grundlegenden Prinzipien der Gliederung sind auf den verschiedenen Ebenen des Textes die blockartige Organisation des Stoffes, Techniken der Querverweise und Wiederholungen (Pro‑ und Analepsen, Stichwortverbindungen, formel‑ haWe
Wendungen)
sowie
eine
gewisse
Neigung
zur
Ringkomposition.30 Eine Tätigkeit des Sehers Johannes als anerkannter „Prophet“ in den Gemeinden Kleinasiens lässt sich der Johannesoffenbarung nicht zwingend entnehmen, wenn er sich auch über zentrale theologische 27 28

29 30

Vgl.
auch
B‡„ˆyz,
Johannes‑Apokalypse.
RAC
18,
Sp. 610f. B•‚„…ˆ•Ž, Climax 1f., unterscheidet drei Ebenen der Strukturierung und der kon‑ textuellen Bezüge: 1. solche, die beim ersten Hören wahrnehmbar sind, 2. solche, die sich bei genauerer Lektüre erschließen, und 3. solche, die erst bei einem intensiven Textstudium
sichtbar
werden. Vgl.
V•••ƒ,
StruTura
105;
B•‚„…ˆ•Ž,
Climax
2f. Dazu neben den Studien von U. Vanni und R. Bauckham auch L•Ž†zy„ˆŒ, Structura‑ tion
87–103.

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

361

Entwicklungen der kleinasiatischen Gemeinden informiert zeigt.31 Die Indienstnahme des Schemas der prophetischen BeauWragung (1,9–20) und die Stilisierung der eigenen Person als rein passives Werkzeug der göTlichen Offenbarung (1,1–3) zur Autorisierung seines Werkes lassen eine autoritative Stellung des Sehers in den angeschriebenen Gemein‑ den fraglich erscheinen. Da die Charakterisierung der sieben Gemein‑ den in den Sendschreiben letztlich eher schematisierend als konkret wirkt und die Anordnung der Gemeinden eine über die geographische Abfolge hinausgehende Regelmäßigkeit erkennen lässt, lassen sich auch die Sendschreiben nur mit Vorbehalt als Indiz für eine persönliche Vertrautheit
des
Sehers
mit
den
kleinasiatischen
Gemeinden
werten. Des Weiteren ist zu bezweifeln, dass der Seher von den römischen Behörden auf die Insel Patmos verbannt wurde, da die religatio in insu‑ lam (womit nicht zwingend eine Insel gemeint war, sondern die Depor‑ tation mit Internierung), den Mitgliedern der Oberschicht vorbehalten war, der der Vf. der Johannesoffenbarung nicht zugerechnet werden kann; es ist deshalb nicht auszuschließen, dass er diese Insel nie betre‑ ten hat. Er wählte die Insel Patmos wohl deshalb als „Ausgangspunkt“ für seine BotschaW, weil sie nahe an Ephesus, der ersten der sieben na‑ mentlich genannten Gemeinden, liegt. Die starke prophetisch‑apoka‑ lyptische Selbststilisierung des Vf.s im Dienst der Argumentation und Legitimation gibt außerdem begründeten Anlass zu der Frage, ob der Name „Johannes“ nicht doch, wie es apokalyptischer Konvention ent‑ spricht, als ein bewusst gewähltes Pseudonym angesehen werden muss. Möglicherweise rekurrierte der Vf. damit auf eine bereits bei Pa‑ pias von Hierapolis bezeugte kleinasiatische Johannes‑Tradition (Pres‑ byter und/oder Herrenjünger); die Identifizierung des Sehers mit dem Apostel Johannes bei Justin (dial. 81,4) und Irenäus (haer. 2, 22,5 u. ö.) wäre
dann
als
„Erfolg“
seiner
Strategie
zu
werten.32 Die Überlegungen zur Intention und Funktion der Millenniumsvi‑ sion haben gezeigt, dass die Johannesoffenbarung trotz ihrer formalen Singularität – sie ist im Neuen Testament die einzige SchriW der GaTung

31 32

Vgl.
dazu
die
kritischen
Anfragen
bereits
bei
W. B•‚yz,
Rechtgläubigkeit
81f. Ob Papias selbst die Johannesoffenbarung kannte, lässt sich aus den wenigen erhal‑ tenen Fragmenten seines Werkes nicht entscheiden. Der Chiliasmus des Papias kann dafür jedenfalls nicht als Argument dienen; denn die chiliastische Konzeption des Papias (vgl. das bei Iren. haer. 5, 33,3–4 überlieferte Frg. 1) unterscheidet sich erheb‑ lich von der der Johannesoffenbarung. Überhaupt erfahren wir bei Iren. über den Chiliasmus des Papias nur, dass er eine wunderbar vermehrte Fruchtbarkeit des Weinstocks (und des Getreides) erwartete. Diese Schilderung zeigt klare Berührun‑ gen
mit
der
des
messianischen
Zwischenreichs
in
2 Bar
29–30;
72–74.

362

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

„Apokalypse“ und der erste christliche Vertreter dieser GaTung über‑ haupt – im Rahmen der Geschichte des Frühchristentums und der neutes‑ tamentlichen SchriQen nicht isoliert ist.33 Offensichtlich bezieht die Johan‑ nesoffenbarung kritisch Stellung zu Entwicklungen in den paulinischen Gemeinden Kleinasiens, wie sie sich in den Deutero‑ und Tritopaulinen spiegeln. Insgesamt wendet die Johannesoffenbarung sich gegen die in Teilen der Gemeinden Kleinasiens vertretene Ansicht, ein Christ dürfe uneingeschränkt am politischen, sozialen und ökonomischen Leben der Polis teilnehmen, auch wenn dies zwangsläufig den Kontakt mit dem paganen Kult einschloss.34 Da man bereits in Korinth aus der Verkündi‑ gung des Paulus eine ähnliche Freiheit ableitete (vgl. 1 Kor 8; 10,14–30), steht zu vermuten, dass auch die „liberale“ Praxis der kleinasiatischen Christen
in
einem
paulinischen
Traditionszusammenhang
stand. Das Beispiel der korinthischen Gemeinde lässt zudem erkennen, dass die Freiheit gegenüber der paganen Umwelt, in Fortschreibung der Verkündigung des Paulus, aus einer „enthusiastischen“ Interpreta‑ tion der Taufe begründet werden konnte.35 Ein ähnlicher Zusammen‑ hang zwischen „enthusiastischem“ Taufverständnis und „liberaler“ Praxis ist auch für die paulinischen Gemeinden Kleinasiens anzu‑ nehmen; denn mit den Stichwörtern „erste Auferstehung“ und „zwei‑ ter Tod“ polemisiert die Johannesoffenbarung offenbar gezielt gegen soteriologische Vorstellungen, die von der Taufe als „Sterben“ und „Auferstehen“ des Christen sprachen, um damit auszudrücken, dass sich in der Taufe die definitive Lösung des Christen aus dem Bereich des Unheils und seine unwiderrufliche Eingliederung in den Bereich des eschatologischen Heils vollziehe. Solche Vorstellungen vertreten nicht erst die Gegner der Pastoralbriefe, sondern bereits die Vf.s des deuteropaulinischen Kol und Eph. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass

33 34

35

Zur Frage der Sonderstellung der Johannesoffenbarung innerhalb der frühchristli‑ chen
SchriWen
Kleinasiens
vgl.
auch
U. B. Mwxxyz,
Theologiegeschichte
13–15. Kx•‚„…, Sendschreiben 155f., bes. Anm. 9, merkt mit Bezug auf U. B. Mwxxyz, Offen‑ barung (ÖTK) 97–99. 112–114. 118–119, an, dass im Hintergrund der Johannesoffen‑ barung „eine erbiTerte innerchristliche Kontroverse über Nähe und Distanz zur hel‑ lenistisch‑römischen GesellschaW“ steht; zugleich mahnt er an, dass diese Einsicht das Gesamtkonzept einer Auslegung der Johannesoffenbarung noch stärker prägen müsse. Diesem Anliegen fühlt sich auch die vorliegende Studie verpflichtet. Auch Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 34–36, bestimmt den zeitgeschichtlichen Hintergrund und das Anliegen der Johannesoffenbarung in den Grundzügen durchaus zutref‑ fend,
doch
bestimmen
diese
Einsichten
auch
bei
ihm
die
Kommentierung
zu
wenig. Hinter der libertinistischen Praxis der Korinther standen offenbar Ansätze einer der‑ artigen „realisierten Eschatologie“; vgl. Kx•‚„…, 1. Korintherbrief (NEB) 112f.; L|••, Eschatologie
im
Kol
und
Eph
370.

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

363

der Seher Johannes seine futurisch‑apokalyptische Eschatologie in Op‑ position zu einer paulinisch geprägten Theologie formulierte. Die Wahl der GaTung „Apokalypse“ mit ihrer futurisch‑realistischen Eschatolo‑ gie ist demnach theologisch motiviert als Reaktion auf eine zunehmen‑ de enthusiastische Spiritualisierung und Entzeitlichung der eschatolo‑ gischen Heilsgüter (die in ihrer letzten Konsequenz im Kol und Eph noch nicht vollzogen ist, s. u.); die Wahl der äußeren Form folgt damit dem inhaltlichen Programm einer Re‑Apokalyptisierung der christlichen Heilserwartung.36

b. Überlegungen
zu
einer
relativen
Datierung
der Johannesoffenbarung Es wäre zu überlegen, ob sich aus der Relation der Johannesoffenba‑ rung zu den genannten SchriWen des Corpus Paulinum (Kol, Eph und Pastoralbriefe) Argumente für ihre Datierung gewinnen lassen. Dabei ließe sich als zusätzliche SchriW der 1 Petr heranziehen, der sich nach den Angaben seines Präskripts an die Christen in ganz Kleinasien und damit auch an die von der Johannesoffenbarung genannten sieben Gemeinden in der römischen Provinz Asia wendet.37 Ein Vergleich des 1 Petr mit der Johannesoffenbarung zeigt, dass beide Schreiben zwar das Bild einer von „außen“ bedrängten Gemeinde zeichnen, der 1 Petr aber im Unterscheid zur Johannesoffenbarung weder von innerge‑ meindlichen Konflikten spricht, noch einen radikalen Rückzug der Christen aus ihrer paganen Umwelt fordert.38 Außerdem wenden sich beide SchriWen an Christen des ehemaligen paulinischen Missionsge‑ bietes in Kleinasien, stehen zugleich aber in einem konträren Verhältnis

36

37

38

Diesem „Hauptzweck“ der GaTungswahl sind andere Zwecke zu‑ und untergeord‑ net, auf die im Verlauf der Studie immer wieder hingewiesen wurde, so vor allem die apokalyptische Gegenwartsdeutung als Zeit der „großen Bedrängnis“, die damit verbundene eschatologische Einordnung der Gegner als Lügenpropheten und ihre mythische Dämonisierung, sowie die Textstrategien der Autorisierung der BotschaW durch Rückführung auf unmiTelbaren göTlichen Ursprung und die „rhetorische“ Instrumentalisierung der apokalyptischen Bilderwelt zur Konstruktion einer es‑ chatologischen Drohkulisse, die aktuelle Entscheidungen der Adressaten im hic et nunc
bestimmen
soll. Auf die Bedeutung des 1 Petr für die Auslegung der Johannesoffenbarung hat Sx•‑ Œyz, Social SeTing 242–245, im Blick auf die zeitgeschichtlichen Hintergründe beider SchriWen
hingewiesen. Näheres zu der im 1 Petr vorausgesetzten Situation und ihrer theologischen Deutung Bz|ž,
1.
Petrusbrief
(EKK)
24–34;
Fyx€Žyƒyz,
Der
erste
Brief
des
Petrus
(ThHK)
1–16.

364

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

zur paulinischen Tradition. Wie die Ergebnisse der Analyse der Millen‑ niumsvision vermuten lassen, ist der nicht‑paulinische Charakter der Johannesoffenbarung offenbar Ausdruck eines grundsätzlichen Anti‑ Paulinismus (obgleich Op 1,4–6 sich formal an das Präskript der pau‑ linischen Briefe anschließt39). Der 1 Petr dagegen steht formal und in‑ haltlich dem Paulinismus nahe, wobei seine Theologie sich freilich nicht nur aus paulinischen Traditionen herleitet und weder eine direkte Abhängigkeit von den Deuteropaulinen noch von den echten Paulus‑ briefen
gegeben
ist.40 Derartig gravierende Unterschiede zwischen zwei SchriWen, die sich an Christen in etwa derselben geographischen Region richten, ver‑ langen eine Erklärung. Entsprechen den so verschiedenen Schreiben unterschiedliche Situationen der Adressaten? Sind beide Schreiben zu verschiedenen Zeiten entstanden oder wenden sie sich an scharf von‑ einander getrennte Gruppen in den Kirchen Kleinasiens? Wenn dem so wäre, lässt sich dann aus diesen Schreiben, unter Einbeziehung des Kol und Eph sowie der Pastoralbriefe, eventuell die theologie‑ und kirchenge‑ schichtliche Entwicklung Kleinasiens rekonstruieren, die als Basis für eine Datierung der Johannesoffenbarung dienen könnte? Oder sind die Un‑ terschiede zwischen dem 1 Petr und der Johannesoffenbarung einfach darauf zurückzuführen, dass beide Schreiben von Vf.s stammen, die nicht in Kleinasien beheimatet sind und deshalb die dortigen kirchli‑ chen Verhältnisse aus einer Außenperspektive wahrnehmen und beur‑ teilen? Es spricht immerhin einiges dafür, dass der Seher Johannes, ein palästinischer Judenchrist, bei Abfassung seines Werkes nicht auf eine vorausgehende „missionarische“ Tätigkeit in den Gemeinden Kleinasi‑ ens zurückblicken kann.41 Allerdings könnte 1 Petr – entgegen dem weitgehenden Konsens – in Rom und nicht in einer der kleinasiatischen Gemeinden entstanden sein (wie seine Nähe zu 1 Klem und Röm nahe legt).42 39

40

41 42

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Op 1,4–6 und den Präskripten der Paulusbriefe und anderer frühchristlicher Briefe bei A‚•y, Revelation (WBC) 26–28. Vgl.
ders.,
Literary
Environment
183–186;
D|zŽy~yz,
Literaturgeschichte
190–198. Zum Paulinismus des 1 Petr N. Bz|ž, Der erste Petrusbrief in der literarischen Tradi‑ tion des Urchristentums, Kairos NF 20 (1978) 182–192; ders., 1. Petrusbrief (EKK) 47– 51;
vgl.
auch
Fyx€Žyƒyz,
Der
erste
Petrusbrief
(ThHK)
18–20. Vgl.
bei
AbschniT
IV. 4e. Eine Entstehung in Rom favorisiert Fyx€Žyƒyz, Der erste Petrusbrief (ThHK) 27f. Bz|ž, 1. Petrusbrief (EKK) 38–43, dagegen stellt fest, sicher könne man nicht mehr sagen, als dass der Brief in Rom entstanden sein will. Ob er dort tatsächlich entstan‑ den ist, müsse offen bleiben. Einiges deute allerdings auf eine Entstehung im Osten (darunter auch das Kryptogramm „Babylon“). Insgesamt besteht weitgehend Einig‑

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

365

Eine weitere Gruppe von SchriWen, aus der sich unter Umständen Indizien für eine Datierung der Johannesoffenbarung gewinnen ließe, wären die sieben Briefe des Ignatius von Antiochien, die er nach dem Zeugnis des Euseb (h. e. 3, 36,2–15; vgl. Polyk 9,1; 13) an die Gemeinden der Asia richtete, als er in der Zeit des Kaisers Trajan (98–117) als Ge‑ fangener zur Hinrichtung nach Rom transportiert wurde. Unter den Adressaten der Ignatianen finden sich mit Ephesus, Smyrna und Phil‑ adelphia drei der sieben Gemeinden der Johannesoffenbarung.43 Ist es Zufall, dass Ignatius die anderen vier Gemeinden nicht nennt, obgleich er auf seiner „Reise“ wahrscheinlich zumindest durch Sardes und Lao‑ dikea kam? Ist es ferner Zufall, dass er gerade die Gemeinde nennt, an denen auch der Seher Johannes nichts zu tadeln haTe (Smyrna, Phil‑ adelphia), oder die sich wie die Gemeinde von Ephesus zumindest von der Lehre der Nikolaiten distanziert haben?44 Steht das Reden und Schweigen über einzelne Gemeinden bei Ignatius also in einem Zusam‑ menhang mit der inneren Situation der Kirchen der Asia, wie sie in den Sendschreiben der Johannesoffenbarung zu Tage triT? Lässt sich daraus eine Entwicklung ablesen, die es erlaubt die Johannesoffenbarung in eine
zeitliche
Relation
zu
den
Ignatianen
zu
bringen?45 Einer derartigen Auswertung der Ignatianen für die theologie‑ und kirchengeschichtliche Einordnung der Johannesoffenbarung ist jedoch in verschiedener Hinsicht kritisch zu begegnen: Wahrscheinlich wendet sich Ignatius gegen zwei verschiedene Gruppen, gegen „Judaisten“ in Magnesia und Philadelphia, gegen „Doketen“ in Smyrna und Tralles; in seiner Darstellung aber fließen die Positionen beider Gegner so in‑ einander, dass sie nicht mehr eindeutig mit einer anderen bekannten theologischen Richtung des Frühchristentums identifiziert werden kön‑ nen.46 Hinzu kommt die Problematik der Datierung und Echtheit der Briefe. Sollten Teile der Briefe antivaltentinianisch zu deuten sein (vgl. IgnEph 6–9; 16–20), müsste man die Ignatianen in die Zeit zwischen

43 44

45 46

keit, dass der 1 Petr in einer der Gemeinden Kleinasiens (oder in Antiochia) entstan‑ den
ist;
vgl.
S„ˆ•yxxy,
Einleitung
447–449;
Vƒyxˆ•‚yz,
Urchristliche
Literatur
586f. Insgesamt W. B•‚yz, Rechtgläubigkeit 81–98. Auf die problematischen Implikationen von
Bauers
Versuch
kann
hier
nicht
weiter
eingegangen
werden. Auch in MartPol 19,1 erscheinen Smyrna, die Heimatkirche des Polykarp, und Ephe‑ sus durch standhaWe Blutzeugen ausgezeichnet. Vgl. auch G. B‚•„ˆŽ•••, Das Mar‑ tyrium
des
Polykarp
(KAV 6),
GöTingen
1998,
zur
Stelle. So bei P. Tzy†ƒx„|, The Early Christians in Ephesus from Paul to Ignatius (WUNT 166),
Tübingen
2004. Vgl. F. R. Pz|•ŒŽyƒyz, Ignatius von Antiochien. LACL2 346–348, hier 348; W. R. S„ˆ|y‑ €yx,
Ignatius
von
Antiochien,
TRE 6
(1987)
40–45;
W. B•‚yz,
Rechtgläubigkeit
65–80.

366

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

165 und 175 datieren (R. M. Hübner, Th. Lechner); auch eine späte Ent‑ stehung der Briefe erst um die MiTe des 4. Jh.s wurde erwogen (R. Weijenborg).47 Sollten die Ignatianen eine spätere „Fälschung“ sein (aus dem späten 2. oder erst aus dem 4. Jh.), könnte sich die Auswahl und Charakterisierung der Adressaten der Ignatianen nicht nur an his‑ torischen Entwicklungen, sondern auch an den sieben Sendschreiben der Johannesoffenbarung orientiert haben. Doch gleichgültig, ob die Briefe des Ignatius authentisch sind oder nicht, das Fehlen der vier schon in der Johannesoffenbarung schwer kritisierten Gemeinden unter ihren Adressaten bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich ihr Zustand weiter „verschlechtert“ häTe und sie nun völlig der „Häresie“ verfallen wären. Aufgrund der genannten Unwägbarkeiten können die Ignatia‑ nen
hier
nicht
berücksichtigt
werden. Für die Rekonstruktion der kirchlichen und theologischen Entwick‑ lungen Kleinasiens an der Wende zum 2. Jh., in die sich die Johannes‑ offenbarung einordnen lässt, bleiben als zuverlässige Quellen folglich nur der Kol, der Eph, die Pastoralbriefe und der 1 Petr.48 Für die Frage der Datierung der Johannesoffenbarung interessieren im Folgenden nur die Entwicklungen im Bereich der Eschatologie und die Frage nach dem Verhältnis der Christen zur paganen Welt, da sich aus der Analyse von 47

48

Im einzelnen R. M. Hw†•yz, Der paradox Eine. Antignostischer Monarchianismus im zweiten Jahrhundert, Leiden 1999; ders., Thesen zur Echtheit und Datierung der sie‑ ben Briefe des Ignatius, in: ZAC 1 (1997) 44–72; Tˆ. Ly„ˆ•yz, Ignatius adversus Va‑ lentinianos? Chronologische und theologiegeschichtliche Untersuchungen zu den Briefen des Ignatius von Antiochien (Vig.Chr. 47), Leiden 1999; R. WyÅy•†|z‹, Les leTres d’Ignace d’Antioche. Étude de critique liTéraire et de théologie, Leiden 1969. Vgl. dazu auch F. R. Pz|•ŒŽyƒyz, Ignatius von Antiochien. LACL2 346–348, hier 347; W. R. S„ˆ|y€yx, Die Briefe des Ignatius von Antiochien. Ein Kommentar (aus dem Engl. von G. Koester), München 1990, 23–32; ders., Ignatius von Antiochien, TRE 6 (1987) 40–45, hier 40; Cˆ. M‚•ƒyz, Où en est la question d’Ignace d’Antioche? Bilan d’un siècle de recherches 1870–1988, in: ANRW II. 27.1 (1993) 359–484; H. P•‚x•y•, Ignatius von Antiochien. RAC 17 (1996) Sp. 933–953; M. P. Bz|–•, The Authentic Writings of Ignatius. A Study of Linguistic Criteria (DSR 2), Durham, N.C. 1962; J. Rƒ‚•‑C•Ž›•, The four authentic leTers of Ignatius the Martyr (OCA 213), Rom 1980; W. R. S„ˆ|y€yx, Polycarp of Smyrna and Ignatius of Antioch, in: ANRW II. 27.1 (1993)
272–358. Als weitere SchriWen wären eventuell der 2 Thess, der 2 Petr, der Jud, das lukanische Doppelwerk und die johanneischen SchriWen zu berücksichtigen, bei denen allen eine Abfassung in Kleinasien sowie kleinasiatische Adressaten mehr oder weniger wahrscheinlich, keineswegs aber sicher sind. Zum Stand der Diskussion über Verfas‑ ser, Adressaten, Datierung und Entstehungsort der genannten SchriWen vgl. die ent‑ sprechenden AbschniTe bei Vƒyxˆ•‚yz, Urchristliche Literatur, und S„ˆ•yxxy, Ein‑ leitung. Nicht mit einbezogen wird auch der jüngere Polyk, da die Textüberlieferung und die literarische Integrität des Briefes problematisch ist; vgl. H. K‡•ƒ‹, Polykarp von
Smyrna.
LACL2
585.

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

367

Op 19,11 – 21,8 nur in diesen beiden Punkten auffällige Berührungen ergeben haben. Ob weitere signifikante inhaltliche Beziehungen der Jo‑ hannesoffenbarung zur frühchristlichen Literatur Kleinasiens vorliegen und wie sich diese gegebenenfalls für eine theologie‑ und kirchenge‑ schichtliche Einordnung der Johannesoffenbarung auswerten lassen, muss weiterführenden Untersuchungen überlassen werden. Als Aus‑ gangspunkt der folgenden Überlegungen dient die aus der Analyse von Op 19,11 – 21,8 gewonnene Feststellung, dass die Johannesoffen‑ barung von einem palästinischen Judenchristen verfasst ist, der zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt nach Kleinasien kam und hier gegen eine Eschatologie und Praxis opponierte, die in seinen Au‑ gen präsentisch‑enthusiastisch und libertinistisch war und die er als Glaubensabfall
wertete. Der Kol und die Pastoralbriefe sprechen von „Irrlehrern“, die eine merkwürdige synkretistische Lehre aus judaistischen und gnostischen Elementen vertraten (Kol 2,8.11.16.22; 1 Tim 1,4–7; 4,3; 2 Tim 2,18; Tit 1,10–16; 3,9). Da bereits Paulus in den Gemeinden Galatiens gegen judaistischen Einfluss aus dem Umfeld des Jakobus und der Jerusale‑ mer Gemeinde zu kämpfen haTe (Gal 2,4.11–21; 4,8–11; 5,1–12) und auch der Vf. der Johannesoffenbarung aus Palästina (oder Syrien) nach Kleinasien kommt, um hier in den christlichen Gemeinden zu „mis‑ sionieren“, drängt sich die Überlegung auf, ob man vielleicht bei den Gegner des Kol und der Pastoralbriefe staT mit synkretistischen Gnos‑ tikern nicht mit zwei verschiedenen Gruppen, Judaisten und Gnostiker, zu rechnen hat, die lediglich in der Polemik des Kol und der Pastoral‑ briefe zu einer synkretistischen Gruppe verschmolzen werden. Der Kol und die Pastoralbriefe könnten dann auf eine verstärkte „missionari‑ sche“ Tätigkeit von Judaisten49 in Kleinasien reagieren, zu deren Kreis auch der Seher Johannes gezählt werden muss. Der Auslöser dafür könnte gewesen sein, dass Christen aus Palästina (und der Jerusalemer Urgemeinde) infolge des jüdischen Aufstandes (66–70) in den kleinasia‑ tischen Gemeinden Zuflucht suchten (vgl. h. e. 3, 5,3); möglicherweise

49

Es wurde bereits in den Anmerkungen zu AbschniT IV. 4d. Punkt (4) darauf hinge‑ wiesen, dass das Judenchristentum des 1. Jh.s kein einheitliches Phänomen ist, son‑ dern verschiedenen Nuancen der Gesetzesobservanz umfassen konnte. Um der Ein‑ deutigkeit willen wird deshalb im Folgenden der Begriff „Judaisten“ gebraucht; damit werden radikale Judenchristen bezeichnet, die für alle Christen – jüdischer wie heidnischer HerkunW – ein hohes Maß an Gesetzesverpflichtung festschreiben wollten, d. h. die Form des Judenchristentums, die im NT durch die Gegner des Pau‑ lus in Antiochia und Galatien repräsentiert wird und die sich auf die Autorität des Herrenbruders
Jakobus
berief.

368

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

befand sich unter diesen Christen auch der aus Palästina stammende Vf.
der
Johannesoffenbarung.50 Nimmt man an, dass ab den sechziger Jahren des 1. Jahrhunderts tatsächlich vermehrt palästinische Judenchristen in die paulinisch ge‑ prägten Gemeinden Kleinasiens eingewandert sind und es dadurch zu theologischen Kontroversen in den Gemeinden kam, könnte sich der kirchen‑ und theologiegeschichtliche Hintergrund der Johannesoffen‑ barung folgendermaßen darstellen: Die palästinisch‑judenchristlichen Missionare propagierten die Erneuerung der Gesetzesobservanz, ins‑ besondere die Beschneidung, die Beachtung der SpeisevorschriWen und die Einhaltung des Sabbats (vgl. Kol 2,11.16).51 Möglicherweise nahmen sie auch an einer in der paulinischen Theologie gründenden „Freiheit“ der kleinasiatischen Christen gegenüber dem religiös‑kultisch durch‑ setzten Leben der Polis Anstoß und forderten im Namen des biblischen Monotheismus eine radikalere Trennung vom Heidentum (vgl. Kol 2,20–23; 4,2–6[?]; Eph 4,17–24).52 Vor diesen Judaisten, die von außen in die Gemeinden kamen und nach Einfluss strebten, würde dann der um 70 n. Chr. entstandene Kol warnen.53 Zu überlegen wäre, ob sich seine Betonung der Taufe als end‑gültige Wende zum Heil gegen eine judaisti‑ sche Betonung der Heilsrelevanz des Gesetzes richten könnte. Ein Konflikt zwischen den eingewanderten palästinischen Judaisten und einheimischen Heidenchristen, durch den die kleinasiatischen Juden‑ christen zwischen die Fronten gerieten, böte sich dann als Anlass für die um 90 n. Chr. in Eph 2,11–22 propagierte Einheit von Juden und Heiden
in
der
einen
Kirche
an.54

50

51

52 53

54

Nach J|ˆ••|•, Asia Minor 101–104, müssen die im Gal und Kol genannten Juden‑ christen, die in den Gemeinden Kleinasiens „judaistische“ Lehren propagierten, von außen, d. h. aus Syrien oder Palästina kommen, da das kleinasiatische Judentum in hohem
Maße
hellenisiert
und
in
ihre
Poleis
integriert
war. Sollte das „Prahlen mit Visionen“ in Kol 2,18 (vgl. auch 1,24 – 2,4) als Polemik gegen prophetisch‑apokalyptische Kreisen zu verstehen sein? Näheres bei R|~•xŒ~, Dwel‑ ling
339–353. Vgl.
U. B. Mwxxyz,
Theologiegeschichte
96. Der Kol ist vermutlich um 70 n. Chr. in Ephesus entstanden; vgl. G•ƒx…•, Kolosser‑ brief (HThK) 22f. S„ˆ–yƒŠyz, Kolosser (EKK) 20–28, hält eine Abfassung des Kol durch Timotheus während der ephesinischen GefangenschaW des Paulus für mög‑ lich. Vgl. auch S„ˆ•yxxy, Einleitung 336f. Da Kolossä 61 n. Chr. durch ein Erdbeben zerstört und ein Wiederau•au nicht sicher ist, kann sich der Brief – bei einer Entste‑ hung um 70 – nicht explizit an die kolossische Gemeinde richten, sondern zielt auf einen breiteren kleinasiatischen Leserkreis. Damit beschreibt der Kol wohl allgemein den
Zustand
der
kleinasiatischen
Kirche
und
nicht
nur
einer
einzelnen
Gemeinde. Der Eph entstand wahrscheinlich zu Beginn der 90er Jahre in Ephesus. Zum Verhält‑ nis des Eph zum Kol und zu Abfassungsort und Zeit vgl. G•ƒx…•, Epheserbrief

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

369

Zwischenzeitlich aber kam zu den inneren Kontroversen ein ver‑ stärkter äußerer Druck, als die stetig wachsenden christlichen Gemein‑ den immer mehr die Aufmerksamkeit der paganen Öffentlichkeit und der staatlichen Behörden erregten, zumal sie allmählich als von den Ju‑ den unterschiedene Gruppe wahrgenommen wurden und damit des Schutzes der jüdischen religio licita verlustig gingen.55 Die Frage nach der Haltung gegenüber der paganen Umwelt wurde nun zunehmend unter dem Aspekt sozialer, politischer und ökonomischer Nachteile akut. Der 1 Petr, der ungefähr gleichzeitig mit dem Eph entstand,56 lässt erkennen, dass in dieser Situation Kompromisse mit der paganen Um‑ welt bis zu einem gewissen Maß nicht zu vermeiden waren. Zugleich zeigt er, dass soziale Integration und gesellschaWliches Wohlverhalten auch
als
Missionsstrategie
verstanden
wurden
(1 Petr
2,15;
3,1f.15f.).57 An eine friedliche Existenz in der heidnischen Polis aber war inzwi‑ schen nicht mehr zu denken, wie 112 n. Chr. der Briefwechsel des Plini‑ us und Trajan belegen. Die Pastoralbriefe jedoch belegen, dass sich die christlichen Gemeinden auch unter diesen Bedingungen nicht für einen radikalen Rückzug aus der Welt entschieden, sondern ihre fortdauern‑ de Loyalität gegenüber dem römischen Staat betonten (vgl. 1 Tim 2,1– 7).58 Derartige Loyalitätsversicherungen waren sicher mehr als bloße strategisch‑taktische Aussagen; denn gleichzeitig blieb das Christen‑ tum auf breiter Front offen für die hellenistisch‑römische Bildungskul‑ tur. Es rezipierte und transformierte ihre Begriffe und Vorstellungen und schuf dadurch allmählich ein sprachliches und literarisches Medi‑ um, das den christlichen Glauben unter den Gebildeten kommunikabel und
akzeptabel
machte.59 Wo ließe sich in der eben skizzierten geschichtlichen Entwicklung die Johannesoffenbarung einordnen? Überwiegend datiert man die Jo‑ hannesoffenbarung heute mit der altkirchlichen Tradition (Iren. haer.

55 56

57 58

59

(HThK) 7–21; Lƒ•€yŽ•••, Epheserbrief (ZBK) 9–12; S„ˆ•yxxy, Einleitung 351f.; Bz|‑ yz,
Einleitung
514–519. Vgl.
dazu
bei
AbschniT
IV. 4d. Die Entstehungszeit des 1 Petr lässt sich nur ungefähr mit den Jahren 70 bis 100 an‑ geben; vgl. Fyx€Žyƒyz, Der erste Petrusbrief (ThHK) 26f.; Bz|ž,1. Petrusbrief (EKK) 38–41. Dazu
Bz|ž,
1. Petrusbrief
(EKK)
121. 142–144. 159–163. Vgl. Bz|ž, Pastoralbriefe (RNT) 122–129; O†yzxƒ••yz, Pastoralbriefe (HThK) 184– 186. Zum begrenzten Nachwirken der radikalen Trennungsforderung in Op 18,4 im 2. Jh. vgl. auch Ax••€, Kirche 227–229; zum Verständnis der christlichen Existenz in
der
Welt
in
der
Literatur
des
2. Jh.s
vgl.
ebd.
230–246. Exemplarisch F. R. Pz|•ŒŽyƒyz, δόξα bei Theophilos von Antiochien, in: R. Kampling, Herrlichkeit.
Zur
Deutung
einer
theologischen
Kategorie.
Paderborn
2007,
91–121.

370

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

5, 30,3; vgl. 2, 22,5; 3, 3,4) in die letzten Regierungsjahre Domitians (81– 96).60 Daneben findet sich aber auch die Ansicht, die Johannesoffenba‑ rung sei bereits am Ende der Regierung Neros (54–68) bzw. unter Galba (68/69), Otho (69), Vitellius (69) oder zu Beginn der HerrschaW Vespa‑ sians (69–79) entstanden.61 Außerdem wird ein sukzessives Wachstum der Johannesoffenbarung in der Zeit zwischen Nero und Domitian an‑ genommen.62 Lässt man die letzte Möglichkeit außer Acht, wäre die Jo‑ hannesoffenbarung bei einer Frühdatierung noch vor dem Kol entstan‑ den. Im Kol allerdings finden sich keine Hinweise, dass ihm konkrete Angriffe von „Irrlehrern“ vorausgehen (ein solcher wäre aus der Sicht des Kol ja auch die Johannesoffenbarung).63 Die Pastoralbriefe dagegen scheinen an einigen Stellen relativierend und korrigierend auf apoka‑ lyptische Vorstellungen zu antworten (vgl. 1 Tim 4,1–5). Damit könnte die von der Johannesoffenbarung betriebene massive Re‑Apokalypti‑ sierung durchaus zeitlich den Pastoralbriefen vorausgehen.64 Da die

60

61

62

63

64

So B|‚••yŒ, Offenbarung (KEK) 133f.; Cˆ•zxy•, Revelation (ICC) 1, ž„ƒ; U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 41f.; Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 42; R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 19;
A. Y. C|xxƒ••,
Dating
the
Apocalypse
of
John,
in:
BR
26
(1981)
33–45. Zustimmend zu einer Datierung in das Jahr 69 (Otho/Vitellius) Tˆ. B. Sx•Œyz, Dating the Apocalypse to John, in: Bib. 84 (2003) 252–258 [hier auch weitere Vertreter ge‑ nannt]; auf 71 datiert die Johannesoffenbarung T. WƒŒ‚x•…ƒ, Hadrian oder Christus? [Hinweis auf die noch nicht veröffentlichte HabilitationsschriW durch H.‑J. Klauck]; vgl. auch H•€|z•, Offenbarung (ThHK) 221; A. A. Byxx, The Date of John’s Apoca‑ lypse,
in:
NTS
25
(1979)
93–102. So A‚•y, Revelation (WBC) „žŸƒƒƒ–„žžžƒŸ: Der Seher Johannes schuf in den 50/60er Jahren verschiedene selbständige Einheiten, die er um 70 zur ersten Ausgabe der Jo‑ hannesoffenbarung zusammenfügte (4,1 – 22,9); daran fügt er in der Zeit zwischen 90 und
110
die
Kapitel
1–3
und
22,10–21. R|~•xŒ~, Dwelling 331, sieht in der Johannesoffenbarung den „social‑historical, theo‑ logical, and ideological context for the reconstruction of the Colossian opponents“. Nicht die Johannesoffenbarung antworte auf eine durch den Kol inspirierte Theolo‑ gie, sondern der um 70 entstandene Kol wende sich unmiTelbar gegen die Tätigkeit des Sehers Johannes (vgl. ebd. 331–333). Dabei nimmt er an, dass die Johannesoffen‑ barung sukzessive ab 65/70 entsteht und am Ende des Jahrhunderts ihre endgültige Form erhält (ebd. 333f.). Als Beleg führt er sprachliche Berührungen zwischen Op 1,5; 3,14 und Kol 1,15–20 an (ebd. 335). Dagegen ist einzuwenden, dass nicht einsich‑ tig ist, warum nicht der Seher Johannes auf den Kol anspielen sollte. Da außerdem Kol 1,15–20 einen traditionellen Hymnus zitiert, lassen sich die Berührungen zwi‑ schen Op 1,5; 3,14 und Kol 1,15–20, zumal sie recht vage bleiben, nicht zwingend darauf
zurückführen,
dass
einer
der
beiden
Vf.
das
Werk
des
anderen
kannte. In 1 Tim 4,1–5 wird die Auseinandersetzung mit den Irrlehren durch eine der apoka‑ lyptischen Topik verwandte Formel („… In späteren Zeiten werden einige vom Glau‑ ben abfallen …“) eingeleitet. Dadurch werden beim Leser zum einen apokalyptische Vorstellungen aufgerufen (Endzeitdrangsal), zugleich verbindet sich damit eine ‚ge‑ wisse eschatologische Entschärfung und Entapokalyptisierung‘, da der Glaubensab‑ fall auf eine kleine Gruppe beschränkt bleibt (τινές). Vgl. O†yzxƒ••yz, Pastoralbriefe

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

371

Forderung der Johannesoffenbarung nach einer radikalen Trennung von der paganen Welt in Kleinasien offensichtlich keine unmiTelbaren Nachfolger gefunden hat und Paulus spätestens im 2. Jahrhundert wie‑ der eine unumstriTene Autorität wird (vgl. 2 Petr 3,15f.)65, wäre durch‑ aus plausibel, dass die Johannesoffenbarung vor den Pastoralbriefen entstanden ist. Dies alles könnte für die altkirchliche Datierung der Jo‑ hannesoffenbarung in das Ende der Regierungszeit Domitians spre‑ chen. Sollten die Pastoralbriefe allerdings nicht – wie heute mehrheit‑ lich vertreten – bereits an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert entstanden sein66, sondern erst um die MiTe des 2. Jahrhunderts67, wäre auch eine Entstehung der Johannesoffenbarung erst etliche Jahre nach der
Jahrhundertwende
nicht
auszuschließen.68 Hält jedoch die vorgestellte Hypothese einer theologie‑ und kir‑ chengeschichtlichen Entwicklung des kleinasiatischen Christentums

65

66

67

68

(HThK) 174f.; R|x|}}, Der erste Brief an Timotheus (EKK) 219–221. Vielleicht ist dar‑ in eine „spiegelbildliche“ und relativierende Antwort auf die Anwendung des apo‑ kalyptischen Motivs des endzeitlichen AuWretens von Lügenpropheten in der Johan‑ nesoffenbarung und seiner dortigen Instrumentalisierung zur Dämonisierung der Gegner zu sehen: Das AuWreten von Irrlehrern und der Glaubensabfall sind keines‑ wegs
universal,
d. h.
die
eigentliche
Endzeit
ist
noch
lange
nicht
eingetreten. Zu 2 Petr 3,15f. als Ausdruck einer unumstriTenen Autorität des Paulus vgl. P•‚x‑ •y•, Der zweite Petrusbrief (KEK) 172–175. Zugleich lässt die Formulierung noch eine in nicht allzu ferner Vergangenheit liegenden Kontroverse um das rechte Ver‑ ständnis der Paulusbriefe erkennen; vgl. V‡‹Œxy, Der zweite Petrusbrief (EKK) 262– 264. Der 2 Petr ist wahrscheinlich im ersten Viertel des 2. Jh.s entstanden; als Ort der Entstehung werden Rom, Alexandria und Kleinasien vorgeschlagen; vgl. P•‚x•y•, Der
zweite
Petrusbrief
(KEK)
93–95;
V‡‹Œxy,
Der
zweite
Petrusbrief
(EKK)
127–129. Die Pastoralbriefe sind wahrscheinlich an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert in einer der von Paulus gegründeten Gemeinden Kleinasiens entstanden; eine ge‑ nauere Eingrenzung ist nicht möglich; vgl. Bz|ž, Pastoralbriefe (RNT) 55–58; O†yz‑ xƒ••yz, Pastoralbriefe (HThK) žxŸƒ; R|x|}}, Der erste Brief an Timotheus (EKK) 38– 43;
S„ˆ•yxxy,
Einleitung
447–449;
Vƒyxˆ•‚yz,
Urchristliche
Literatur
586f. W. B•‚yz, Rechtgläubigkeit 229, sah die Pastoralbriefe als Antwort auf die um 140 n. Chr. entstandenen Antithesen des Markion. Dazu tendiert auch Vƒyxˆ•‚yz, Ur‑ christliche
Literatur
237. Eine Entstehung der Johannesoffenbarung nach 95 erachten Vƒyxˆ•‚yz / SŒzy„…yz, Apokalyptik 532, zumindest für möglich. Eine Datierung der Johannesoffenbarung (und des 1 Petr) nach den Christenbriefen des Plinius (epist. 10, 96f.; 112 n. Chr.) hält Ryƒ„ˆyzŒ, Konfusion 248–250, immerhin für erwägenswert, da sich 1. eine Verfol‑ gung unter Domitian nicht nachweisen lässt und die Datierung um das Jahr 95 des‑ halb nicht zwingend ist, und 2. erst mit der Ordnung der Christenprozesse durch Plinius und Trajan die Grundlagen für ein geordnetes und konsequentes Vorgehen gegen die Christen gegeben waren; erst dadurch entstehe der in der Johannesoffen‑ barung vorausgesetzte zeitgeschichtliche Hintergrund. Demgegenüber hat jedoch die systematische Einbeziehung der Polis (vgl. bei AbschniT IV. 4d) gezeigt, dass ihre kultische, soziale und politische Ordnung ein hinreichendes Konfliktpotential für Christen
und
Heiden
bot.

372

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

einer näheren Überprüfung stand? Das Modell geht von der Annahme aus, dass sich unter den im Kol und den Pastoralbriefen (unter Vorbe‑ halt: auch in den Ignatianen) bekämpWen „Irrlehrern“ aus Palästina (oder evtl. auch Syrien) nach Kleinasien eingewanderte Judaisten befin‑ den, die hier gegen eine (in Ansätzen) enthusiastische Eschatologie und eine liberale Praxis der kleinasiatischen Christen opponierten, und dass dadurch in den Gemeinden eventuell bereits bestehende Konflikte und Spaltungen verstärkt wurden.69 Dafür, dass in irgendeiner Form Juden‑ christen aus Palästina (oder auch Syrien) in den heidenchristlichen Gemeinden Kleinasiens missionarisch aktiv wurden, ist die Johannes‑ offenbarung der einzige sichere Beleg. Es ist deshalb nicht auszuschlie‑ ßen, dass mit ihr ein singuläres Phänomen grei•ar wird, auch wenn es plausibel scheint, dass die paulinischen Gemeinden in Galatien nicht die einzigen und nicht die letzten in Kleinasien waren, in denen Judais‑ ten, die zumindest teilweise aus Palästina stammten, das paulinische Evangelium zu ersetzen suchten.70 Insofern ist die Überlegung nicht grundsätzlich abwegig, ob der Kol und die Pastoralbriefe sich auch ge‑ gen solche Judaisten wenden, und ob der Eph in dieser Konfliktsitua‑ tion um die Versöhnung zwischen eingewanderten Judenchristen und einheimischen Heidenchristen werben wollte. Der Kol, der Eph, die Pastoralbriefe und der 1 Petr sollen deshalb darau¸in befragt werden, inwiefern sie die ausgehend von der Johannesoffenbarung rekonstru‑ ierte Konfliktgeschichte der kleinasiatischen Christengemeinden zu stützen vermögen, in Konzentration auf die Eschatologie und das Ver‑ hältnis
zur
heidnischen
Umwelt. (1) Der deuteropaulinische Kol ergänzt das Taufverständnis des Paulus (Röm 6,3f.) dahingehend, dass der Christ in der Taufe nicht nur 69

70

Eine analoge Vermutung äußert U. B. Mwxxyz, Theologiegeschichte 56f., für die Geg‑ ner in den Pastoralbriefe. S„ˆŽƒŒˆ•x•, Gnosis 67–80, nimmt für den Kol eine doppel‑ te Frontstellung gegen Judaisten und Gnostiker an, verbindet diese Annahme aber mit einer literarkritischen Lösung: Ein echter Paulusbrief, der sich gegen Judaisten wandte,
sei
später
im
Blick
auf
Gnostiker
ergänzt
und
überarbeitet
worden. Dazu auch bei IV. 4d, Punkt (4). Für die missionarische Tätigkeit von Judenchristen in Kleinasien lässt sich evtl. auch die bei Eus. h. e. 3, 39,8 überlieferte Nachricht des Papias von der Übersiedlung des Philippus und seiner Töchter nach Hierapolis an‑ führen; in Eus. h. e. 3, 31,2f. wird ein Brief des Polykrates von Ephesus an Viktor von Rom genannt, der ebenfalls auf diese Tradition Bezug nimmt und das Grab des Phil‑ ippus in Hierapolis nennt (allerdings könnten Euseb oder seine Quellen hier den Diakon und den Apostel Philippus verwechseln; vgl. die Nennung der prophetisch begabten Töchter des Diakons Philippus in Apg 21,7f.). Nach K‡zŒ•yz, Papias 186f., befinden sich unter den von Papias genannten πρεσβύτεροι auch einzelne, die aus Pa‑ lästina stammen, so etwa Johannes und Aristion. Vgl. auch U. B. Mwxxyz, Strömun‑ gen
249f.

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

373

mit Christus stirbt und begraben wird, sondern bereits mit ihm aufer‑ steht (2,11–15; 3,1).71 Dabei bleibt der eschatologische Vorbehalt zwar bestehen, seine zeitliche Konzeption („schon“/„noch nicht“) wird aber in eine räumliche („verborgen“/„sichtbar“) übersetzt (vgl. 3,1–4). Die Eschatologie des Kol beinhaltet also ein klares futurisches Moment und ist deshalb nicht im eigentlichen Sinn „präsentisch“, wenn sie auch zu‑ mindest Ansätze zu einer enthusiastischen Interpretation der Taufe zeigt.72 Dabei lässt der Kol nicht erkennen, dass seine Eschatologie und sein Taufverständnis in den kleinasiatischen Gemeinden umstriTen wä‑ ren und mit einer futurisch‑apokalyptischen Eschatologie in Konkur‑ renz stünden. Dies ist auffällig, da der Kol durchaus damit rechnet, dass „Irrlehrer“ von außen in die Gemeinden eindringen könnten.73 De‑ ren Lehre beinhaltet in der Darstellung des Kol neben gnostischen Ele‑ menten (στοιχεῖα τοῦ κόσμου 2,8.20; πλήρωμα 2,9; τὰ ἄνω ζητεῖν 3,1) auch jüdische Züge (Beschneidung 2,11; Festzeiten und Sabbat 2,16; Speise‑ und ReinheitsvorschriWen 2,16.21).74 Sollten es zwei verschiedene Grup‑ pen von „Irrlehrern“ sein, eine gnostische und eine judaisierende, wäre es nahe liegend, letztere als judenchristliche Missionare aus Palästina (oder auch Syrien) zu identifizieren, zumal die „Irrlehrer“ offensicht‑ lich nicht aus der Gemeinde kommen.75 Sichere Hinweise dafür aber bietet
der
Kol
nicht. 71 72

73

74

75

Dazu
L|••,
Eschatologie
im
Kol
und
Eph
147–172;
L|ˆ•y,
Kolosser
(KEK)
252f. Zur räumlichen Konzeption der Eschatologie des Kol und zum bleibenden eschato‑ logischen Vorbehalt L|••, Eschatologie im Kol und Eph 172–189; vgl. auch ders., Es‑ chatologie
NT
(HDG)
61. L|ˆ•y, Kolosser (KEK) 28f., betont, dass das Verhalten der Gemeinde von Kolossä in den Augen des Vf.s keinen Tadel verdient; er warnt, um sie vor dem Einfluss neu auWretender
Irrlehrer
zu
schützen. Zur kolossischen Häresie G•ƒx…•, Kolosserbrief (HThK) 163–170, der in ihr eine Mi‑ schung aus frühgnostischen und judaistischen Elementen sieht; vgl. L|ˆ•y, Kolosser (KEK) 186–191; Vƒyxˆ•‚yz, Urchristliche Literatur 192–195. Nach S„ˆ•yxxy, Einlei‑ tung 342–344, beinhaltet die kolossische Häresie Elemente des hellenistischen Juden‑ tums, der neupythagoreischen Philosophie, aus den Mysterienkulten und der phry‑ gisch‑lydischen Volksfrömmigkeit. Den synkretistischen Charakter der kolossischen Häresie betont auch L|••, Eschatologie im Kol und Eph 192–232. S„ˆ–yƒŠyz, Kolos‑ ser (EKK) 100–104, dagegen bestimmt die kolossische Häresie (im Kol als „Philo‑ sophie“ bezeichnet) als Pythagoreismus. Byz‹yz, Theologiegeschichte 428–430, sieht die Gegner der Kol als judenchristliche, pharisäisch orientierte Missionare; da diese eine deutliche Nähe zur frühpaulinischen Theologie zeigten, habe der Vf. des Kol das
Pseudonym
des
Paulus
gewählt. Da die Gemeinde von Kolossä überwiegend heidenchristlich ist, müssen sich die jü‑ dischen Elemente der bekämpWen Irrlehre in irgendeiner Form Einflüssen von außen verdanken; vgl. G•ƒx…•, Kolosserbrief (HThK) 3; vgl. auch Vƒyxˆ•‚yz, Ur‑ christliche Literatur 192. R|~•xŒ~, Dwelling 339–356, sieht in den Gegner des Kol pa‑ lästinisch‑judenchristliche
Apokalyptiker,
zu
denen
auch
der
Seher
Johannes
gehört.

374

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

(2) Der jüngere, ebenfalls deuteropaulinische Eph übernimmt die „räumlich“ konzipierte Eschatologie des Kol (vgl. 2,5f.), von dem er sich auch sonst stark abhängig zeigt.76 Auch im Eph finden sich keine Hinweise, dass diese eschatologische Konzeption in den Gemeinden Kleinasiens umstriTen oder gar unter scharfer Kritik stünde. Anders als der Kol aber spricht der Eph an keiner Stelle von „Irrlehrern“, die in die Gemeinde eindringen oder bereits eingedrungen sind (außer viel‑ leicht in Eph 4,14). StaTdessen entwirW sein aus dem kleinasiatischen Diasporajudentum stammender Vf.77 eine geradezu utopische Ekklesio‑ logie: Die Kirche ist der heilsgeschichtliche Raum, in dem GoT durch das Kreuz Christi die Einheit von Juden und Heiden gewirkt hat (vgl. Eph 2,11–22).78 Die undifferenzierte Rede von „Juden“ im ekklesiologi‑ schen Entwurf des Eph zielt, wie die paränetischen AbschniTe des Brie‑ fes erkennen lassen, offensichtlich auf Christen, die dem kleinasiati‑ schen Diasporajudentum entstammen.79 Sollte der Kol tatsächlich vor judaistischen „Irrlehrern“ aus Palästina warnen, dann müssten diese palästinisch‑judenchristlichen Missionare inzwischen in den Gemein‑ den Fuß gefasst und unter den einheimischen Judenchristen eine breite AnhängerschaW gefunden haben. Der Eph würde in dieser Krise die Einheit der Kirche aus Juden und Heiden beschwören, um einerseits die Judenchristen zur Einheit zurückzurufen, andererseits bei den Hei‑ denchristen um Toleranz für das jüdische Erbe zu werben.80 Dies impli‑

76

77 78

79 80

Zur Eschatologie des Eph vgl. G•ƒx…•, Epheserbrief (HThK) 122–128; Pz|•ŒŽyƒyz, Utopie 50f.; vgl. auch Lƒ•€yŽ•••, Epheserbrief (ZBK) 38–41; L|••, Eschatologie im Kol und Eph 242–271; ders., Eschatologie NT (HDG) 62. Auch wenn der Eph nur in Eph 4,5 von der Taufe spricht, so kennt er doch auch die Verbindung von Taufe und Auferstehung,
wie
L|••,
Eschatologie
im
Kol
und
Eph
355–368,
gezeigt
hat. Vgl.
G•ƒx…•,
Epheserbrief
(HThK)
43–45. Dennoch werden im Eph das Gesetz, die Beschneidung und der Sabbat letztlich ih‑ rer Heilsfunktionen entleert; denn, ob Judenchristen diese jüdischen Traditionen als Zeichen ihrer ethnischen Zugehörigkeit weiter pflegen, ist in seinem ekklesiologi‑ schen Entwurf insignifikant: Vgl. Pz|•ŒŽyƒyz, Utopie 49f.; Fƒ•„ˆyz, Tendenz 79–83. Vgl. dazu auch F. R. Pz|•ŒŽyƒyz, Einheit und Toleranz in frühchristlichen Gemein‑ den, in: F.‑J. Bäumer u. a. (Hg.), Europassion. Kirche – Konflikte – Menschenrechte (FS R. Grulich), Bad Schussenried 2006, 45–69; J. G•ƒx…•, Das Kirchenmodell des Epheserbriefs,
in:
BZ
15
(1971)
161–184;
ders.,
Epheserbrief
(HThK) 110f. So
Pz|•ŒŽyƒyz,
Utopie
58. Das ekklesiologische Modell des Eph könnte auch einfach nur auf einen allgemeinen Trend der Zeit antworten, der jedes Anzeichen einer Bindung der Kirche an das Ju‑ dentum zu beseitigen suchte. Pz|•ŒŽyƒyz, Utopie 57f., weist darauf hin, dass die frühchristlichen SchriWen klar erkennen lassen, dass zumindest seit den neunziger Jahren des 1. Jh.s in den christlichen Gemeinden außerhalb Palästinas die Fortfüh‑ rung jüdischer religiöser Praktiken problematisiert und zunehmend auch abgelehnt wurde (vgl. Mk 2,18–22; Did 7,1 – 8,1; IgnMag 10,3a); dieser Trend setzt sich im 2. Jh.

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

375

ziert allerdings, dass das Schweigen des Eph über Gegner und Konflik‑ te
in
der
Gemeinde
ein
absichtsvolles
Schweigen
ist. (3) Die klare Abgrenzung der Pastoralbriefe gegen die Aussage, dass die Auferstehung bereits geschehen ist, lässt erkennen, dass es zwi‑ schenzeitlich in den Gemeinden zu Konflikten um die Eschatologie ge‑ kommen ist. Welche Eschatologie aber vertraten die von den Pastoral‑ briefen bekämpWen Gegner? Wenden sich die Pastoralbriefe gegen die Interpretation der Taufe als Auferstehung und die damit verbundene räumliche Eschatologie, wie sie sich im Kol und Eph findet?81 Oder haTe sich deren Eschatologie zwischenzeitlich zu einer realisierten oder präsentischen Eschatologie weiterentwickelt? Mit Sicherheit lässt sich nur sagen, dass der Vf. der Pastoralbriefe sich angesichts konkurrieren‑ der eschatologischer Entwürfe gezwungen sah, die futurische Dimen‑ sion der christlichen Heilserwartung in Erinnerung zu rufen. Die anvi‑ sierten Gegner müssen folglich den gegenwärtigen Heilsstand der Chris‑ ten stark betont haben. Die apodiktische Zurückweisung der Aussage, die Auferstehung sei bereits geschehen (vgl. 2 Tim 2,17f.), würde zwar auf die Eschatologie des Kol und Eph passen (vgl. Kol 2,12; Eph 2,5f.); da andere Einlassungen der Pastoralbriefe aber eine gnostische „Irrleh‑ re“ nahe legen (vgl. 1 Tim 1,4; 4,7; 6,20; 2 Tim 4,4; Tit 1,16; 3,9), bekämp‑ fen die Pastoralbriefe wohl weniger das Taufverständnis und die Es‑ chatologie des Kol und Eph als vielmehr eine spiritualisierte Interpretation der Auferstehungserwartung, wie sie bei christlichen Gnostikern im 2. Jh. bezeugt ist: „Auferstehung“ sei nicht leiblich zu verstehen, sondern sie meine vielmehr die Erkenntnis des eigenen göT‑ lichen Selbst (vgl. Iren. haer. 2, 31,2; Tert. res. 19,1–7; EvThom 51).82 Die

81 82

klar fort, wie das Thomasevangelium, der Barnabasbrief und nicht zuletzt Markion belegen. Vgl. auch Fƒ•„ˆyz, Tendenz 86–94. Näheres F. R. Pz|•ŒŽyƒyz, Antijüdische Polemik im Rahmen christlicher Hermeneutik. Zum Streit über christliche Identität in der alten Kirche. Notizen zum Barnabasbrief, in: ZAC 6 (2002) 38–58; ders., Unter‑ scheidendes Handeln. Fasten und Taufen gemäß Did 7,4 und 8,1, in: J. B. Bauer (Hg.), ΦΙΛΟΦΡΟΝΗΣΙΣ (GThSt 19), Graz 1995, 55–75; U. S„ˆŽƒ€, Markion und sein Aposto‑ los, Berlin 1995. Auch nach L|••, Eschatologie im Kol und Eph 443f., wendet sich das ekklesiologische Modell des Eph gegen die Gefahr einer „heilgeschichtlichen Entwurzelung“
der
Heidenchristen. W•xŒyz, Hellenistische Eschatologie 264f., hält es für möglich, dass die Pastoralbriefe in
der
Eschatologie
eine
bewusste
Gegenposition
zum
Eph
formulieren. Ausführlich zur in den Pastoralbriefen bekämpWen „Irrlehre“ Bz|ž, Pastoralbriefe (RNT) 31–42; vgl. auch Bz|yz, Einleitung 547–549. Zur Abgrenzung der Pastoralbrie‑ fen gegenüber judenchristlichen Positionen U. B. Mwxxyz, Theologiegeschichte 58–67. Byz‹yz, Theologiegeschichte 513–515, sieht allein eine Front gegen judenchristliche Standpunkte, vergleichbar denen der „Schwachen“ in der Gemeinde von Korinth. J. M. F|z€, A Note on Proto‑Montanism in the Pastoral‑Epistels, in: NTS 17 (1970/71)

376

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

Gegner der Pastoralbriefe unterscheiden sich demnach in der Eschato‑ logie dadurch von der Konzeption des Kol und Eph, dass sie die futuri‑ schen
und
leiblichen
Aspekte
der
Heilshoffnung
zur
Gänze
preisgeben. In ihrer Ablehnung eines präsentischen und spiritualisierenden Verständnisses der Auferstehung, das sich möglicherweise innerhalb paulinischer Traditionen entwickelte, berühren sich die Pastoralbriefe durchaus mit der Johannesoffenbarung.83 Von der Johannesoffenbarung unterscheiden sie sich aber in der Haltung zu ihrer paganen Umwelt: Während die Johannesoffenbarung die politischen Machthaber als Ma‑ nifestation der widergöTlichen Macht sieht und die Partizipation am Leben der Polis als Götzendienst verurteilt, fordern die Pastoralbriefe die Christen auf, die irdischen Machthaber zu respektieren und für sie zu beten (vgl. 1 Tim 2,2; Tit 3,1). Die Pastoralbriefe zielen im Unter‑ schied zur Johannesoffenbarung demnach nicht auf Abgrenzung, son‑ dern auf soziale Integration und einen positiven Eindruck der Kirche nach
außen.84 (4) Eine ähnliche Haltung findet sich im 1 Petr, der sich ebenfalls an Gemeinden in Kleinasien wendet. Sein Augenmerk liegt ganz auf der Existenz der Christen in der Welt: Sie sind zwar „Fremde“ in der Welt und werden von ihrer Umwelt „verfolgt“ und angefeindet, dennoch er‑ mahnt sie der Vf. zu einem vorbildlichen Wohlverhalten im Alltag, dem er sogar eine missionarische Wirkung zuschreibt (vgl. 2,15; 3,1f.).85 Die Hinwendung zum Christentum bedeutet für den Vf. zwar eine Ab‑ kehr von den eigenen vorchristlichen Verhaltensweisen, nicht aber eine radikale Absage an die pagane Umwelt. Da der 1 Petr und die Pastoral‑ briefe eine rigorose Abgrenzung von der paganen Umwelt ebenso aus‑ schließen wie eine freie und unbegrenzte Partizipation und sich damit gleichsam nach zwei Seiten abgrenzen, entsteht durchaus der Ein‑ druck, dass ihre differenzierte Verhältnisbestimmung das Ergebnis

83

84 85

338–346, sieht die in den Pastoralbriefen bekämpWen Gegner als Vorläufer der spä‑ teren
Montanisten. Zur Zurückweisung eines paulinisch geprägten Enthusiasmus in den Pastoralbriefen U. B. Mwxxyz, Theologiegeschichte 67–74. Mit der Johannesoffenbarung verbindet die Pastoralbriefe auch die Überzeugung, dass sie die „rechte Lehre“ als feststehen‑ de Größe voraussetzen, die es gegen Irrlehrer in den Gemeinden zu verteidigen gilt; zu diesem Charakteristikum der Pastoralbriefe O†yzxƒ••yz, Pastoralbriefe (HThK) žžƒŸf.; zur Bedeutung des Traditionsgedankens in der Johannesoffenbarung vgl. U. B. Mwxxyz,
Theologiegeschichte
15–17. Vgl.
S„ˆ•yxxy,
Einleitung
392. Fyx€Žyƒyz, Der erste Brief des Petrus (ThHK) 125, fasst die Paränese in 2,11 – 3,12 mit dem Stichwort „bewusstes Handeln mit apologetischer und missionarischer Ab‑ zweckung“
zusammen.

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

377

einer vorausgehenden Kontroverse um die Teilnahme der Christen am Leben der Welt ist. Formulieren der 1 Petr und die Pastoralbriefe also Korrekturen an einer Praxis der kleinasiatischen Gemeinden, die der Vf. der Johannesoffenbarung als libertinistisch kritisiert? Fühlen sie sich eventuell sogar durch diese Kritik zu einer solchen Korrektur her‑ ausgefordert? Gegen solche Überlegungen lässt sich einwenden, dass auch bereits der Kol und Eph eine Trennung von den Verhaltensweisen der eigenen heidnischen Vergangenheit formulieren, die keinen totalen Rückzug aus der Welt einschließt (Kol 3,1–17; Eph 4,17–24; 5,3–20).86 Die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Christen und Welt im 1 Petr und in den Pastoralbriefen folgt also einer vorgegebenen kirchli‑ chen Tradition und ist nicht erst das Ergebnis einer aktuellen Auseinan‑ dersetzung
in
den
Gemeinden. Es ist auffällig, dass der 1 Petr wie auch der wahrscheinlich zeitglei‑ che Eph, anders als der ältere Kol und die jüngeren Pastoralbriefe, nicht von „Irrlehrern“ spricht, die in den Gemeinden Kleinasiens tätig sind. Zudem überrascht es angesichts judaistischer Forderungen der „Irrleh‑ rer“ im Kol und in den Pastoralbriefen sowie des Werbens um die Ein‑ heit von Juden‑ und Heidenchristen im Eph, dass der 1 Petr nichts von diesen Auseinandersetzungen um die Stellung des „jüdischen Erbes“ in den christlichen Gemeinden zu wissen scheint. Ist dieses Schweigen durch eine bestimmte Funktion und Absicht des 1 Petr bedingt? Muss vielleicht die Wahl der petrinischen Verfasserangabe für ein Schreiben, das ansonsten den Paulinen nahe steht und durch die Nennung der Paulusmitarbeiter Silvanus (2 Kor 1,19; 1 Thess 1,1; Apg 15,22) und Jo‑ hannes Markus (Phlm 24; Kol 4,10; Apg 13,5) in 5,12f. explizit die pau‑ linische Tradition aufruW, als programmatisch gewertet werden? Soll‑ ten dadurch bei den Lesern vielleicht antipaulinische Ressentiments zurückgewiesen werden, wie sie in der Johannesoffenbarung grei•ar werden?87 Die Annahme einer solchen „Versöhnungsfunktion“ des 86 87

Vgl.
dazu
auch
L|••,
Eschatologie
im
Kol
und
Eph
430–435. In diese Richtung lassen sich zumindest die Ausführungen zum 1 Petr bei P. L•Ž›y, Petrus. I. Neues Testament. RGG4 6 (2003) Sp. 1160–1165, hier 1164, verstehen. Gegen eine solche Funktion der pseudepigraphen petrinischen VerfasserschaW des 1 Petr spricht sich N. Bz|ž, Tendenz und Pseudepigraphie im ersten Petrusbrief, in: ders., Frühchristentum 203–215, aus. Er sieht hinter der Reklamation einer petrinischen VerfasserschaW allein die Intention der apostolischen Autorität. Gegen eine „Versöh‑ nungsfunktion“ des 1 Petr spreche auch, dass er keine Konfliktgeschichte erkennen lasse und der Paulinismus des 1 Petr sehr allgemein sei. Vgl. insgesamt ders., 1. Pe‑ trusbrief (EKK) 43–51. Demgegenüber aber scheinen zumindest Anfragen berechtigt: Aus dem, was sich dem Kol, dem Eph und der Op über die kirchlichen Verhältnis‑ se Kleinasiens erkennen lässt, ist es im Grund undenkbar, dass dem Schweigen über

378

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

1 Petr beruht jedoch auf Voraussetzungen, die sich nicht beweisen las‑ sen. Denn außer der Notiz in Gal 2,8 spielt in der frühchristlichen Lite‑ ratur eine derartige KompetenzauWeilung zwischen Petrus und Paulus keine Rolle. Die unter dem Namen des Petrus tradierten frühchristli‑ chen SchriWen (1 Petr, 2 Petr, ActPetr, EvPetr, ApkPetr, Kerygma des Pe‑ trus) lassen keinen Bezug zu spezifisch judenchristlichen Positionen er‑ kennen; erst mit den im 2. Jh. in Syrien entstandenen Kerygmata Petrou nehmen judenchristliche Gruppen dezidiert die Autorität des Petrus für das von ihnen propagierte Festhalten am jüdischen Gesetz in An‑ spruch.88 Dies spricht nicht dafür, dass die Verbindung paulinischer und petrinischer Traditionen im 1 Petr einer Versöhnung von Juden‑

88

Konflikte im 1 Petr eine Nichtexistenz innergemeindlicher Kontroversen entspricht. Deshalb bleibt die Frage, warum der 1 Petr keine Konflikte erwähnt, selbst wenn sich diese Frage nie definitiv beantworten lassen sollte. Durch das Pseudonym „Petrus“ soll ohne Zweifel für das Schreiben apostolische Autorität beansprucht werden. Ver‑ dankt sich die Wahl des Petrus aber allein der Tatsache, dass ihm unter den anderen Aposteln (Zwölf) als Erstzeuge der Auferstehung ein Vorrang zukam? Warum wähl‑ te der Vf. für ein Schreiben, das erkennbar paulinische Züge trägt, nicht die paulini‑ sche Verfasserangabe, die sich durch die Nennung der Paulusmitarbeiter Silvanus und Johannes Markus in 5,12f. geradezu aufdrängt? Die Nähe des 1 Petr zu den Pau‑ linen ist immerhin so groß, dass S„ˆy•…y/Fƒ•„ˆyz, Einleitung 203, sogar vermuten, der 1 Petr sei ursprünglich ein pseudepigrapher Paulusbrief gewesen. Auch Bz|ž, 1. Petrusbrief (EKK) 45f., merkt zur Theologie des 1 Petr an: „Sie ist … in vielem so deutlich paulinisch, daß man, wie oW gesagt worden ist, ohne die Namensangabe in 1,1 unbedingt einen Paulusschüler, aber nicht den Apostel Petrus als Verfasser ver‑ muten würde.“ Damit soll nicht behauptet werden, die Theologie des 1 Petr stehe in direkter Abhängigkeit von den Proto‑ und Deuteropaulinen und verdanke sich nur paulinischen Einflüsse. Es ist aber nicht zu übersehen, dass der 1 Petr zumindest auch klar erkennbare paulinische Züge trägt. Es muss also einen Grund geben, wa‑ rum ein paulinisch gefärbtes Schreiben – auch Paulus besaß in den kleinasiatischen Gemeinden zweifelsohne Autorität, wie die deuteropaulinischen Briefe Kol und Eph hinreichend belegen – durch eine petrinische Verfasserangabe (apostolische) Auto‑ rität beanspruchen wollte. Bedenkt man zudem, dass in der Apg Petrus als Prot‑ agonist der gesetzesfreien Heidenmission (10,1 – 11,18) und damit geradezu in einer „paulinischen“ Rolle erscheint, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass bestimmten Kreisen in der frühen Kirche an einer Rückbindung der gesetzesfreien Heidenmission an den historischen Petrus gelegen war (man bedenke das Nichter‑ wähnen des Antiochenischen Zwischenfalls in der Apg). N. Brox hat sicherlich damit recht, dass die petrinische Autorität im 1 Petr weder den Paulinismus reTen noch eine römische Autorität in Kleinasien aufrichten soll. Das Ziel der pseudepigraphi‑ schen Rahmung des 1 Petr ist folglich nicht, wie z. B. auch Vƒyxˆ•‚yz, Urchristliche Literatur 588f., vermutet, die paulinischen Missionsgebiete petrinischer Autorität zu unterstellen. Dazu K‡•Œyz, Einführung 596–601 und 645–647; G. R‡–y•…•Ž›, Petrus‑Literatur, in: LACL2 565–569; H. G. TˆwŽŽyx, Petrus. II. Petrustradition. RGG4 6 (2003) Sp. 1165f. Zur damit verbundenen Frage nach dem Petrusbild im Frühchristentum vgl. auch J. G•ƒx…•, Petrus und Rom. Das Petrusbild in den ersten zwei Jahrhunderten, Frei‑ burg
u. a.
2002.

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

379

und Heidenchristen dienen konnte. Deshalb gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass der 1 Petr auf einen Konflikt reagiert, der durch pa‑ lästinische Judenchristen ausgelöst wurde, die in den paulinisch ge‑ prägten Gemeinden Kleinasiens missionierten und an der „Freiheit“ der einheimischen Christen im Umgang mit der heidnischen Welt An‑ stoß
nahmen. Die Johannesoffenbarung mit ihrem Antipaulinismus und ihrer programmatischen Re‑Apokalyptisierung könnte folglich eine singulä‑ re Erscheinung in der nachpaulinischen Kirchen‑ und Theologiege‑ schichte Kleinasiens sein.89 Insgesamt entsteht der Eindruck, dass in Kleinasien an der Wende vom 1. zum 2. Jh. das Judenchristentum zu‑ nehmend in eine Außenseiterposition geriet. Die Utopie des Eph von der Einheit von Juden und Heiden in der einen Kirche dient also kaum der Werbung um eine palästinisch‑judenchristliche Opposition, son‑ dern ist eher ein letzter Versuch der kleinasiatischen Judenchristen, den eigenen Traditionen in den heidenchristlich dominierten Gemeinden Kleinasiens Raum zu geben. Die Johannesoffenbarung könnte also letztlich ein fremdes, „judaisierendes“ Element in diese Kirchen hinein‑ tragen. Der spezifische Charakter der Johannesoffenbarung aber ist mit „judaisierend“ nur sehr ungenau bezeichnet; es fehlen die typisch ju‑ denchristlichen Forderungen der Beschneidung und der Beachtung des jüdischen Ritualgesetzes, wie sie sich bei den Gegnern des Paulus in Galatien und auch bei den „Irrlehrern“ finden, die im Kol und in den Pastoralbriefen bekämpW werden (gleichgültig, wie man diese „Irrleh‑ rer“
religionsgeschichtlich
einordnen
muss). In diesem Punkt ist die Johannesoffenbarung klar sowohl von den Judaisten des 1. Jahrhunderts als auch von den Judenchristen des 2.

89

Allerdings könnten die apokalyptischen Vorstellungen bei Papias von Hierapolis, Irenäus von Lyon und den Montanisten sich der Tätigkeit einflussreicher juden‑ christlicher Wandermissionare in Kleinasien, den von Irenäus genannten „Presby‑ tern“, verdanken. Vgl. K‡zŒ•yz, Papias 185–194. Doch ist die Textbasis der Papias‑ fragmente zu gering, um über die apokalyptische Vorstellungswelt des Papias und ihre Ursprünge genauere Aussagen treffen zu können. Außerdem könnte Papias mit frühchristlichen apokalyptischen Überlieferungen auch erst über die Quellen seiner Sammlung der λόγια κυριακά in Berührung gekommen sein; zu den Quellen (Mk, Mt, 1 Petr, 1 Joh, Op etc.) vgl. ebd. 173–176. Irenäus verdankt das apokalyptische Material weitgehend der Johannesoffenbarung, neben Papias und evtl. anderen Überlieferungen unterschiedlicher HerkunW. Auch die Rückführung der apokalypti‑ schen Erwartung des in der zweiten HälWe des 2. Jh.s entstandenen phrygischen Montanismus auf palästinisch‑judenchristliche Missionare ist m. E. nicht zwingend. Einem sicheren Urteil steht auch hier der fragmentarische Charakter des Quellenma‑ terials
entgegen.

380

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

Jahrhunderts zu unterscheiden.90 Als „judenchristlich“ kann die Johan‑ nesoffenbarung letztlich nur insofern bezeichnet werden, als ihr Vf. sei‑ ner ethnischen HerkunW nach dem palästinischen Judentum zuzurech‑ nen ist und er sich der literarischen Formen und der traditionellen Bilderwelt der jüdischen Apokalyptik bedient. Seine HerkunW aus dem palästinischen Judentum äußert sich auch in einer konsequenten Inter‑ pretation des biblisch‑jüdischen Monotheismus, die im Anschluss an die Erfahrungen der Religionsverfolgungen unter den Seleukiden im 2. Jh. v. Chr. alle Kompromisse und jede Zweideutigkeit in der Praxis ver‑ urteilt. Vom Judentum aber trennt die Johannesoffenbarung ihre Inter‑ pretation
der
Person
und
Funktion
des
Jesus
von
Nazareth.91 Im Kol, im Eph, im 1 Petr und in den Pastoralbriefen finden sich also keine sicheren Hinweise, dass sie im Bereich der Eschatologie und des Verhältnisses zur paganen Umwelt auf eine Einflussnahme paläs‑ tinischer Judenchristen in den Gemeinden Kleinasiens antworten wol‑ len, wie sie durch die Johannesoffenbarung repräsentiert wird.92 Die Jo‑ hannesoffenbarung kann deshalb nur bedingt in eine zeitliche Relation zu den genannten SchriWen gebracht werden, die eine zumindest relati‑ ve Datierung ermöglicht; denn auch die in 20,4–6 artikulierte Polemik gegen eschatologische Auffassungen, wie sie der Kol, der Eph und die Gegner der Pastoralbriefe vertraten, liefert letztlich keinen unmiTelba‑ ren Anhaltspunkt für die Datierung der Johannesoffenbarung. Selbst wenn man annähme, dass die Interpretation und Fortschreibung der Eschatologie des Paulus streng linear über die „räumliche“ Eschatolo‑ gie des Kol und des Eph hin zur spiritualisierenden Grundhaltung der Gegner der Pastoralbriefe verlief, wäre damit für die Datierung der Jo‑ hannesoffenbarung kaum etwas gewonnen; denn für den Seher Johan‑ nes ging sicherlich trotz eines klaren eschatologischen Vorbehalts bereits Paulus zu weit, wenn er die Taufe als unwiderrufliche Wende zum Heil interpretierte.93 Dennoch lässt sich zugunsten der Annahme, 90

91 92

93

Vgl. R|x|}}, Offenbarung (ZBK) 17. Zu den Judenchristen des 2. und 3. Jh.s SŒzy„…yz, Judenchristen. TRE 17, 319–323; K‡•Œyz, Einführung 641–647; J. C. P•‹y, Ju‑ denchristentum II. Alte Kirche. RGG4 4 (2001) Sp. 603–605. Vgl. dazu auch den An‑ hang „Zum Problem des Judenchristentums“ von G. Strecker in W. B•‚yz, Rechtgl‑ äubigkeit
245–287. Vgl.
dazu
exemplarisch
die
Ausführungen
zu
Op
5
bei
H|xŒŠ,
Christologie
27–54. Damit kann freilich nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass in den klein‑ asiatischen Gemeinden solche palästinische Judaisten auWraten und es dadurch zu Konflikten kam, wie bereits bei AbschniT IV. 4d, Punkt (4) vermutet wurde. Vgl. zur Frage missionarischer Aktivitäten von Judenchristen in paulinischen Gemeinden auch
K‡•Œyz,
Einführung
643f.,
S„ˆ•yyŽyx„ˆyz,
Urchristentum
155–165. Ausführlich zu dieser Frage und zur religionsgeschichtlichen Einordnung der in Kol

EinleitungswissenschaWliche
Anmerkungen

381

dass die Johannesoffenbarung erst nach dem Kol und dem Eph entstan‑ den ist, darauf verweisen, dass beide Briefe nicht erkennen lassen, dass sie ihre räumlich konzipierte Eschatologie in kritischer Auseinanderset‑ zung
mit
futurisch‑apokalyptischen
Erwartungen
formulieren. Wenn auch aus Op 19,11 – 21,8 keine unmiTelbaren Anhaltspunkte für die Datierung gewonnen werden konnten, muss abschließend den‑ noch gefragt werden, ob das auf der Grundlage dieser Studie gewonne‑ ne Gesamtbild Anlass gibt, entgegen der bereits durch Irenäus bezeug‑ ten Datierung in die Zeit Domitians (um 95 n. Chr.) eine Entstehung der Johannesoffenbarung in den späten sechziger oder frühen siebziger Jahre des 1. Jahrhunderts anzunehmen. Gegen diese Frühdatierung der Johannesoffenbarung ließe sich einwenden, dass die Johannesoffenba‑ rung zwar das Werk eines palästinischen Judenchristen ist, typisch ju‑ denchristliche Themen wie z. B. die Beschneidung, die Feier des Sab‑ bats und das Gesetz in ihr aber keine Rolle mehr spielen, obgleich dies bei den Gegner des Kol (und auch der Pastoralbriefe) noch der Fall ist.94 Die gesetzesfreie Heidenmission wird vom Vf. der Johannesoffenba‑ rung ebenso wenig in Frage gestellt wie die offensichtlich bereits voll‑ zogene Trennung von der Synagoge. Außerdem zeigt die Johannes‑ offenbarung eine relativ entwickelte Christologie, die Jesus ebenso entschieden an die Seite GoTes stellt, wie dies in den Pastoralbriefen zu beobachten
ist.95 Es gibt demnach keinen zwingenden Grund der von Irenäus be‑ zeugten Datierung der Johannesoffenbarung auf das Ende der Regie‑

94

95

und Eph zu beobachtenden Entwicklung der frühchristlichen Eschatologie L|••, Es‑ chatologie
im
Kol
und
Eph
368–418. Tˆyƒ••y•, Religion 302–304, sieht hinter der judaistischen Forderung nach Beschnei‑ dung, Einhaltung der Speisegebote und des Sabbats die Intention der Konfliktver‑ meidung mit dem Judentum; dies tri• wahrscheinlich für die im Gal und Phil bekämpWen Gegner des Paulus zu. Fraglich ist, inwieweit die judaisierenden Gegner im Kol und den Pastoralbriefen noch solche Intentionen verfolgten. Spätestens bei der Abfassung der Pastoralbriefe war die GemeinschaW mit dem Judentum definitiv zerbrochen. Zu bedenken ist auch, dass eine judaisierende SchriW wie die Johannes‑ offenbarung eine dezidiert feindselige Haltung zum Judentum einnehmen kann; außerdem ist auffällig, dass sich in der Johannesoffenbarung keine der genannten ju‑ denchristlichen Forderungen (Beschneidung, Sabbat, Gesetz) findet. Deshalb wäre zu überlegen, ob nicht die jüngeren Briefe die traditionellen Vorwürfe teilweise ste‑ reotyp
zur
Charakterisierung
ihrer
judenchristlichen
Gegner
heranziehen. Dagegen lässt sich auch nicht die Verwendung der Menschensohn‑Vorstellung in der Johannesoffenbarung einwenden; denn der Menschensohn ist in der jüdischen Überlieferung eine transzendente Gestalt (Engelwesen), die auch präexistente Züge tragen kann. Aus diesem Grund wird die Vorstellung des Menschensohns in der späteren rabbinischen Theologie zunehmend unterdrückt. Näheres bei V|xŠ, Es‑ chatologie
186–190;
B|‚••yŒ / Gzy••Ž•••,
Religion
259–268.

382

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

rungszeit Domitians zu widersprechen; für diese Datierung spricht auch ihr hohes Alter.96 Gegen diese Datierung der Johannesoffenbarung lässt sich nicht einwenden, dass Teile des Werkes eine frühere Entste‑ hungszeit vorauszusetzen scheinen, da – wie die Analyse von Op 19,11 – 21,8 gezeigt hat – die Johannesoffenbarung in hohem Maße tra‑ ditionelles Material enthält.97 Einzelne AbschniTe der Johannesoffenba‑ rung können somit durchaus auf unterschiedliche Entstehungssituatio‑ nen und ‑zeiten weisen.98 Sollte Op 11,1–13 also tatsächlich davon ausgehen, dass Jerusalem und sein Tempel noch stehen, und deshalb vor 70 n. Chr. anzusetzen sein, bedeutet dies nicht, dass die Johannes‑ offenbarung in ihrer Gesamtheit zu dieser Zeit abgefasst wurde.99 Des‑ halb kann auch die rätselhaWe Abfolge von acht Kaisern, die in Op 17,7–14 durch das ReiTier der Hure symbolisiert wird, nicht als Ar‑ gument für eine Datierung des Gesamtwerkes in die Zeit unmiTelbar nach dem Tod Neros dienen.100 Aus diesem Grund ist es auch nicht nö‑ tig, eine sukzessive Entstehung der Johannesoffenbarung oder ver‑ schiedene Überarbeitungen der Werkes durch den Vf. in den letzten

96

So Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 41: „Die Zeitangabe ‚in unserer Generation‘ [in Iren. haer. 5, 30,3] stammt vielleicht aus dem Werk des Papias von Hierapolis über die Herrenworte (um 130 n. Chr.), das Irenäus auch sonst zitiert.“ Beweisen lässt sich eine solche Vermutung allerdings nicht. K‡zŒ•yz, Papias 36–43, spricht sich gegen eine Ausweitung der papianischen Textbasis in haer., z. B. durch die Einbeziehung der
Presbyterüberlieferung,
aus. 97 Anders Tˆ. B. Sx•Œyz, Dating the Apocalypse to John, in: Bib. 84 (2003) 252–258, der die Johannesoffenbarung ausgehend von Op 11 und 17 in die Jahre 68–70 datiert. Zu inneren Kriterien für einer Datierung der Johannesoffenbarung im einzelnen A‚•y,
Revelation
(WBC)
xž–xžƒž;
vgl.
auch
B‡„ˆyz,
Johannesapokalypse
36–41. 98 So
bereits
B|‚••yŒ,
Offenbarung
(KEK)
124f. 99 Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 239–261, spricht sich gegen die Annahme aus, dass in Op 11,1–14 vor 70 n. Chr. entstandene (zelotische) Weissagungen enthalten seien; der AbschniTe spiegle vielmehr den christlichen Sprachgebrauch (das Verständnis der Gemeinde als Tempel) und das jüdische Zeugenrecht. Die Annahme der Auf‑ nahme eines alten zelotischen Orakels in 11,1f. (Wellhausen, Bousset, Charles, Loh‑ se) verteidigt dagegen U. B. Mwxxyz, Offenbarung (ÖTK) 206–208; auch für 11,3–14 nimmt er die Bearbeitung einer älteren Quelle an; vgl. ebd. 208–218. Ähnlich bei A‚•y,
Revelation
(WBC)
585–603. 100 Nach Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 379–383, gehe Op 17,7–14 nicht auf eine ältere Quelle zurück; der Vf. wende vielmehr – obgleich er nicht unter einem Pseudonym schreibe – die apokalyptische Technik des vaticinium ex eventu an: Er schreibe die Vi‑ sion in der Zeit des Domitian (81–96), suggeriere aber, sie bereits zur Zeit des Vespa‑ sian (69–79) empfangen zu haben. Auch U. B. Mwxxyz, Offenbarung (RNT) 286–297, spricht sich gegen die Annahme der Bearbeitung einer Vorlage aus und datiert die Vision in die Zeit Domitians. Für die sukzessive Überarbeitung einer Vorlage (aus der Zeit Vespasians) votiert dagegen im Anschluss an W. Bousset und M. Rissi A‚•y, Revelation
(WBC)
917–919.

Weiterführende
Überlegungen
und
offene
Fragen

383

vier Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts oder gar bis in das 2. Jahrhundert hinein
anzunehmen.

3. Weiterführende
Überlegungen
und
offene
Fragen Die vorliegende Studie hat versucht am Beispiel der Millenniumsvision zu zeigen, dass bei der Auslegung der Johannesoffenbarung (1) die konsequente Beachtung der Struktur sowohl (a) des Gesamtwerkes als auch (b) der einzelnen AbschniTe sowie (2) eine entschiedene traditi‑ ons‑ und quellenkritische Untersuchung Rückschlüsse auf die gestalte‑ rische Absicht des Vf.s und damit auch auf die Funktion und Intention seines Werkes erlaubt. Dies setzt als grundlegenden SchriT (3) die sprachlich‑stilistische Analyse voraus, die (a) zum einen erste Hinweise für die Strukturierung und Quellenscheidung liefert, (b) zum anderen aber auch eine genauere Bestimmung der sozialen HerkunW und Bil‑ dung des Vf.s erlaubt. Die auf der Basis dieses methodischen Konzepts gewonnen Ergebnisse müssen hier nicht noch einmal wiederholt wer‑ den
(vgl.
besonders
AbschniT
V. 2a). Entscheidend ist auch die Erkenntnis, dass die Johannesoffenba‑ rung nicht von den anderen neutestamentlichen SchriWen isoliert wer‑ den kann; dies gilt insbesondere für die Frage nach den von der Johan‑ nesoffenbarung bekämpWen „Irrlehrern“, die nicht in früh‑gnostischen Gruppierungen, sondern im paulinisch geprägten Christentum Klein‑ asiens zu suchen sind. Die Millenniumsvision „antwortet“ nämlich offensichtlich auf aktualisierende Fortschreibungen der paulinischen Eschatologie, wie sie im Kol und Eph bezeugt sind, sich aber auch bei den Gegnern der Pastoralbriefe finden. Hier sind freilich weiterführen‑ de Untersuchungen der genannten SchriWen nötig, wie sie im Rahmen dieser
Studie
nur
angedeutet
werden
konnten
(vgl.
AbschniT
V. 2b). Dies betri• vor allem auch die im Kol und in den Pastoralbriefen bekämpWen „Häresien“, die in ihrer religionsgeschichtlichen Verortung und Eigenart noch immer umstriTen sind.101 Es finden sich Charakteris‑

101 In der neueren Forschung wird die Annahme einer vorchristlichen (jüdischen) Gno‑ sis zunehmend problematisiert; überhaupt lassen sich über die frühe Geschichte der Gnosis keine sichere Erkenntnisse gewinnen. Heute geht man meist davon aus, dass die Gnosis als ein eigenständiges Phänomen etwa gleichzeitig mit dem Christentum entsteht. Näheres dazu in den Überblicken bei Kx•‚„…, Umwelt 2, 145–198, bes. 163– 167; Cˆ. M•z…•„ˆƒy•, Die Gnosis, München 2001, bes. 68–74. Vor diesem Hinter‑ grund wird eine Interpretation der kolossischen Häresie und der Lehre der Gegner

384

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

tika, die gnostisierende Gruppierungen vermuten lassen, ebenso wie solche, die auf Judaisten weisen. Es wäre zu prüfen, ob nicht in der Po‑ lemik der relevanten Texte zwei verschiedene Gruppen von „Irrleh‑ rern“ zu einer synkretistischen verschmolzen werden.102 Sollten sich unter den bekämpWen „Irrlehrern“ in Kleinasien eingewanderte Judais‑ ten befinden, ergäbe sich ein historischer Kontext für die „missionari‑ schen“ Aktivitäten des Sehers Johannes. Damit stellt sich allerdings das Problem ihrer HerkunW und Identität: Sind sie Nachfolger der Gegner des Paulus in Galatien oder gab es nach dem Weggang des Paulus in seinem kleinasiatischen Missionsgebiet eine judaistische „Gegenmissi‑ on“? Möglich wäre auch, dass in Syrien ansässige judenchristliche Krei‑ se versuchten, von außen in Kleinasien Einfluss zu gewinnen. Im Blick auf den Kol und Eph ist zudem die Frage von Relevanz, ob ihre auffäl‑ lige Übersetzung der zeitlichen Aussagen über den Heilsstand bei Pau‑ lus („schon“/„noch nicht“) in räumliche („oben“/„unten“) eine Anpas‑ sung an eine schwindende Naherwartung ist, oder ob damit eine gezielte Abgrenzung gegen ein rein futurisch‑eschatologisches Ver‑ ständnis der christlichen Heilshoffnung verbunden ist, wie sie die apo‑ kalyptische
Eschatologie
der
Johannesoffenbarung
propagiert.103 Einer intensiveren Untersuchung bedürWe auch das Verhältnis der Johannesoffenbarung zum 1 Petr, da beide SchriWen wahrscheinlich in der Pastoralbriefe als gnostisch zunehmend problematisiert; auf die entsprechenden Ausführungen Byz‹yz, Theologiegeschichte 428–430 und 513–515, wurde oben bereits hingewiesen. Sollte es keine vor‑christliche Gnosis gegeben haben, stellt sich in der Tat die Frage, wie früh sich gnostisches, jüdisches, christliches und anderes Gedankengut, zu einer synkretistischen Lehre verbunden haben konnte, wie sie für die Gegner des Kol angenommen wird (wobei allerdings zu beachten ist, dass die Gnosis selbst in hohem Maße synkretistisch ist). Angesichts der Kontroversen um die Anfänge der Gnosis wäre es also durchaus verlockend, wenn die Johannesoffen‑ barung zu einer Profilierung der religions‑ und theologiegeschichtlichen Entwick‑ lung in Kleinasien und damit zu einer klareren Abgrenzung einzelner christlicher und nichtchristlicher Gruppierung beitragen könnte, gegen die in den ntl. SchriWen Stellung
bezogen
wird. 102 Es böte sich noch eine weitere, bisher in der Forschung außer Acht gelassene Erklä‑ rung an: Könnten die judaistischen Züge in der Charakterisierung der „Irrlehrer“ im Kol und in den Pastoralbriefe nicht im Dienste der Fiktion ihrer paulinischen Verfas‑ serschaW stehen? Auffällig ist jedenfalls, dass zur „Irrlehre“ des Kol ähnlich wie zur Lehre der judaistischen Gegner des Paulus in den galatischen Gemeinden die Forde‑ rung der Beschneidung (Gal 5,2f.6; 6,12f.; Kol 2,11; 3,11), die Beachtung bestimmter Zeiten (Gal 4,10; Kol 2,16) und der Dienst an den στοιχεῖα τοῦ κόσμου (Gal 4,3.9; Kol 2,20) gehörten. Diese Parallelen stellt auch S„ˆ•yxxy, Einleitung 343, fest, ohne aber dafür
eine
Erklärung
zu
geben. 103 So R|~•xŒ~, Dwelling 333, der annimmt, die Johannesoffenbarung entstehe zumin‑ dest teilweise bereits vor dem Kol und dessen „präsentische“ Eschatologie antworte auf
die
futurisch‑apokalyptische
Eschatologie
der
Johannesoffenbarung.

Weiterführende
Überlegungen
und
offene
Fragen

385

unmiTelbarer zeitlicher Nähe entstanden, sich an Adressaten ungefähr des gleichen geographischen Raums wenden und doch eine völlig an‑ dere Auffassung hinsichtlich des Lebens der Christen in der Welt zei‑ gen.104 Interessant ist, dass beide SchriWen sich an die Gemeinden des kleinasiatischen Missionsgebietes des Paulus wenden, ohne dass sie ex‑ plizit Paulus benennen, obgleich sich beide Werke des paulinischen Briefformulars bedienen (Op 1,4–6; 1 Petr 1,1ff.). Während der 1 Petr aber ganz selbstverständlich auch inhaltlich an paulinische Traditionen anknüpW, vertriT die Johannesoffenbarung eine dezidiert antipaulini‑ sche
Grundhaltung.105 Sicherlich verdankt sich der Anti‑Paulinismus der Johannesoffenba‑ rung der judenchristlichen HerkunW des Sehers Johannes. Mit seiner Aversion gegen Paulus kontrastiert eine überraschende theologische Nähe: Das Gesetz als Weg zum Heil scheint für die Johannesoffenba‑ rung ebenso obsolet wie die Beschneidung; wie auch bei Paulus grün‑ det das Heil des Christen ganz im Bekenntnis zu Jesus Christus und in dessen Tod am Kreuz.106 Die Tatsache, dass das Gesetz in der Johannes‑ offenbarung mit keinem Wort erwähnt wird, ist auch deshalb signifi‑ kant, weil ihm in jüdischen Apokalypsen als der einzige Weg aus die‑ sem in den kommenden Äon eine immense Bedeutung zukommt (vgl. 4 Esra
7,17–25).107

104 Das Thema des 1 Petr ist zwar nicht das Verhältnis des Christen zur paganen Um‑ welt; doch wird das übergeordneten Thema „das Verhalten des Christen angesichts des in Christi Auferstehung sicher geschenkten Heils“ unter dem Vorzeichen behan‑ delt, wie sich die in der Auferstehung gründende Hoffnung der Christen angesichts der Bedrängnis durch die Umwelt realisieren kann. Die Antwort ist für den 1 Petr nicht der Rückzug aus der Welt, sondern die Mahnung zu einer tadellosen und vor‑ bildlichen Lebensführung in der Welt. Näheres dazu bei Bz|ž, 1. Petrusbrief (EKK) 16–18. Dennoch formuliert auch der 1 Petr eine scharfe Abgrenzung der christlichen Gemeinde, doch gilt diese nicht der Welt an sich, sondern sie wird individuell‑bio‑ graphisch gefasst durch den Gegensatz „einst“/„jetzt“ als Trennung von Unglaube und
LeidenschaW;
vgl.
Bz|ž,
Situation
225f. 105 Der Vf. der Johannesoffenbarung verfügte wohl über gute Kenntnisse der paulini‑ schen Theologie, wie z. B. die Sühnevorstellung in Op 1,5; 5,9 belegen; vgl. Gƒy•y•, Offenbarung (RNT) 43. Zu einem gemeinsamen Traditionshintergrund und zur Ver‑ wandtschaW der Theologie der pln. SchriWen und der Johannesoffenbarung vgl. auch
Byz‹yz,
Theologiegeschichte
548–559. 106 Ausführlich
dazu
H|xŒŠ,
Christologie
61–109. 107 Vgl. W. G‚Œ†z|€ / H. Kxyƒ•…•y„ˆŒ, νόμος κτλ. ThWNT 4 (1942) 1016–1084, hier 1040– 1050; dazu auch M. LƒŽ†y„…, Die Ordnung des Heils. Untersuchungen zum Geset‑ zesverständnis des Frühjudentums (KBANT), Düsseldorf 1971; H.‑J. Kz•‚•, Zum Ge‑ setzesverständnis der nachexilischen Zeit, in: ders., Biblisch‑theologische Aufsätze, Neukirchen‑Vluyn
1972,
179–194.

386

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

Das zwiespältige Verhältnis der Johannesoffenbarung zu Paulus lässt ahnen, dass Judenchristentum, Gesetzestreue und Anti‑Paulinis‑ mus im Bereich des Frühchristentums keine beliebig austauschbaren Klassifizierungen sind. Die Ablehnung des Paulus in der Johannes‑ offenbarung gründet offensichtlich nicht in seiner Haltung zum jüdi‑ schen Gesetz; sie sieht in der Theologie des Paulus vielmehr die Ursa‑ che eines Enthusiasmus, der zwangsläufig zum Libertinismus führt. Als „HeilmiTel“ greiW die Johannesoffenbarung eine futurisch‑apoka‑ lyptische Eschatologie auf, die den Gewinn des Heils an die Bewäh‑ rung im Glauben bindet (ἔργα und νικάω). Bewähren muss sich der Glaube angesichts des Drucks, aber auch der Verlockungen der paga‑ nen Umwelt; konkret geht es dabei um die Frage der Partizipation am ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen Leben der helle‑ nistisch‑römischen
Polis. Die vorliegende Studie hat deshalb versucht, bei der Analyse und Interpretation von Op 19,11 – 21,8 in höherem Maße, als dies gemein‑ hin geschieht, die Polis als alltägliches Lebensumfeld der frühen Chris‑ ten Kleinasiens zu berücksichtigen. Sie folgt dabei Anregungen aus der Altertums‑ und ReligionswissenschaW, die in den zurückliegenden Jah‑ ren verstärkt auf die Polis als das soziale und kulturelle Bezugssystem der hellenistisch‑römischen Welt hingewiesen haben.108 Die daran an‑ schließenden Überlegungen zur Entstehung und Intention der Johan‑ nesoffenbarung haben gezeigt, dass die Frage nach der Ausbreitung des Christentums und des Konfliktes zwischen den Christen und ihrer paganen Umwelt insgesamt noch mehr im Kontext des sozialen, kultu‑ rellen, politischen und ökonomischen Lebens der Polis gesehen werden muss. Dabei darf die Erforschung des kleinasiatischen Frühchristentums und seiner Literatur nicht außer Acht lassen, dass diese Christen nicht als Christen geboren wurden, sondern mehrheitlich eine heidnische Vergangenheit haTen. Gerade weil die frühchristlichen SchriWen nicht müde werden zu betonen, dass die Konversion zum Christentum einen radikalen Bruch mit dem alten Sein bedeutet (vgl. Kol 3,5–8; Eph 4,17– 24; 5,3–20; 1 Petr 4,1–6; Tit 3,1–8), muss man davon ausgehen, dass die‑ se Christen sich eine Anhänglichkeit an ihre alten Wertmaßstäbe und ihre gewohnte Lebenspraxis bewahrt haTen.109 Der Grund dafür lag 108 Vgl. dazu besonders die diesem Ansatz verpflichtete Geschichte der römischen Reli‑ gion
von
J. Rüpke
(Literaturverzeichnis). 109 Diese Mahnung zur Abkehr von der eigenen heidnischen Vergangenheit und zu einer entsprechenden Lebensführung, die sich vornehmlich in „Mitmenschlichkeit“

Weiterführende
Überlegungen
und
offene
Fragen

387

nicht in einer halbherzigen und nur partiellen Hinwendung dieser Christen zum neuen Glauben, sondern vor allem darin, dass sie sich zwar „verändert“ haTen, nicht aber ihr alltägliches Umfeld. Familiäre, politische und ökonomische Rücksichten machten auch nach der Taufe die Fortführung der gewohnten Lebensvollzüge im Raum der Polis und des Imperiums notwendig. Die schon bei Paulus den „Starken“ in Korinth konzedierte und offensichtlich auch in den Gemeinden Klein‑ asiens praktizierte Freiheit war deshalb weder Ausdruck einer tieferen religiösen Einsicht noch Anzeichen einer religiösen Laxheit, sondern eine von pastoraler Sorge getragene Rücksicht auf die Mitglieder der Gemeinden, die durch ihre gehobene soziale HerkunW mehr in das Le‑ ben
der
Polis
und
des
Imperiums
involviert
waren
als
andere. Da mit der Johannesoffenbarung ein palästinischer (oder syrischer) Judenchrist von außen die alltägliche Praxis der kleinasiatischen Chris‑ ten durch Kritik und Drohungen zu beeinflussen sucht, liegt die Ver‑ mutung nahe, dass die rein negative Bestimmung der Welt in der Jo‑ hannesoffenbarung auch in der ethnisch‑geographischen Zugehörigkeit des Sehers Johannes begründet lag. Da die von ihm scharf bekämpWe offene Haltung der kleinasiatischen Christen zu ihrer heidnischen Um‑ welt nicht das Zeichen einer beginnenden Ermüdung im Glauben ist, sondern von Anfang an ihr Christsein bestimmte, zeigt dies, wie das Bekenntnis zu Jesus Christus von Anfang an in der Interaktion mit regionalen, nationalen und kulturellen Eigenarten an jedem Ort seine je eigene Ausprägung fand. Am Anfang stand ein durch kulturelle Her‑

und „Bruderliebe“ äußern soll, triT in den Pastoralbriefen interessanterweise zurück und wird durch die Mahnung ersetzt, sich von den „Irrlehrern“ fern zu halten und die empfangene Lehre zu bewahren; vgl. 1 Tim 4,1–5; 2 Tim 2,14–26; 3,1–9.14f.; Tit 1,10–16; 3,9–11. Dieser Perspektivenwechsel könnte ein Indiz für eine späte Entste‑ hung der Pastoralbriefe (nach 100) sein. Denn die Konzentration auf eine Bewäh‑ rung der Christen im Bereich der christlichen Lehre ist wohl nicht nur als Reaktion auf vermehrte innergemeindliche Auseinandersetzung in den letzten beiden Jahr‑ zehnten des 1. Jahrhunderts zu verstehen, sondern erklärt sich auch dadurch, dass Christen nun zunehmend bereits als Christen geboren werden und keine eigene heidnische Vergangenheit mehr haben, in Abgrenzung zu der sie sich bewähren könnten. Es sei daran erinnert, dass die Christenbriefe des Plinius bereits im ersten und zweiten Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts in den Provinzen Pontus und Bithynien eine derartige Ausbreitung erfahren haTen, dass der offizielle Kult zusammenzubre‑ chen drohte; eine derart große Verbreitung ergibt sich nicht innerhalb weniger Jahre und setzt deshalb eine bereits einige Jahrzehnte zurückliegende Mission dieser Ge‑ biete voraus. Das Fehlen einer eigenen heidnischen Vergangenheit und das damit verbundene Entstehen einer distinkten christlichen Identität bedingt aber sicher auch ein verändertes Verhältnis zu paganen Umwelt, die mehr und mehr das Ande‑ re
und
das
Fremde
wird.

388

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

kunW und Anpassung bedingter Pluralismus, der sich nicht aus der simplen Zweiteilung der Urkirche in Juden‑ und Heidenchristen herlei‑ tete, sondern aus der großflächigen Ausbreitung des Christentums in unterschiedlichen Kulturräumen (trotz einer im Ideal der παιδεία grün‑ denden kulturellen Identität der Eliten und der durch das Imperium Romanum
geschaffenen
politischen
Einheit).110 Die Johannesoffenbarung kann deshalb ebenso wenig wie die zu ihr in vielen Punkten konträren SchriWen des kleinasiatischen Christen‑ tums (Kol, Eph, 1 Petr [?], Pastoralbriefe) als Ausdruck einer originären christlichen Orthodoxie und Orthopraxie verstanden werden, die die einzig wahre und reine Lehre gegen „abgefallene“ heterodoxe Grup‑ pen („Häretiker“) verteidigt. Vielmehr markieren diese SchriWen mit den in ihnen erkennbaren Konflikten und Frontstellungen das harte und oW auch rücksichtslose Ringen der jungen christlichen Gemeinden um die Einheit im Glauben. In diesem schmerzhaWen Prozess wurden die Grenzen dessen ausgelotet, was mit dem zentralen und fundamen‑ talen Bekenntnis der Christen zur Einzigkeit GoTes und zur exklusiven und universalen Heilsrelevanz Jesu Christi vereinbar ist. Die Analyse von Op 19,11 – 21,8 hat gezeigt, dass die Fronten dabei auch miTen durch den neutestamentlichen Kanon laufen können. Die Johannes‑ offenbarung wendet sich nämlich nicht als Hort der reinen und unver‑ fälschten Lehre gegen laxe und abgefallene Christen oder von außen in die Gemeinden eingedrungene Gnostiker. Ihr Gegner ist vielmehr das in paulinischer Tradition stehende Heidenchristentum Kleinasiens, wie es der Kol und die Pastoralbriefe, aber auch der Eph und wohl auch der 1 Petr
repräsentieren. Hier wäre auch zu bedenken, dass die Adressaten der Johannes‑ offenbarung ethnisch keine einheitliche Größe darstellten. Die klein‑ asiatischen Gemeinden bestanden zwar mehrheitlich aus Griechen und Angehörigen einheimischer Völker; daneben gab es aber auch eine von Ort zu Ort unterschiedlich große Minderheit von Christen aus dem Diasporajudentum. Ihre Heimat waren einerseits die Poleis Kleinasiens, an die sie durch ihr tägliches Leben gebunden waren. Andererseits fühlten sie sich als Teil des jüdischen Volkes, dessen wahre Heimat kraW GoTes Verheißungen Palästina und Jerusalem waren. Diese ethni‑

110 Vgl. dazu auch Bz|ž, Kirchengeschichte 14–26; weiterführende Überlegungen zur frühchristlichen Mission und Ausbreitung des Christentums bei ders., Zur christli‑ chen Mission in der Spätantike, in: ders., Frühchristentum 337–373 [zuerst: K. Kertel‑ ge, Mission im Neuen Testament (QD 93), Freiburg u. a. 1982, 190–237], bes. 356–373 zur
frühchristlichen
Mission.

Weiterführende
Überlegungen
und
offene
Fragen

389

sche und religiöse Zugehörigkeit zum Judentum aber verwehrte ihnen zugleich eine volle Integration in die pagane Polis, wie sie umgekehrt ihr Leben in der hellenistischen Diaspora mental dem palästinischen Judentum entfremdet haTe. Offen ist die Frage, welche Haltung die kleinasiatischen Judenchristen zur BotschaW der Johannesoffenbarung, aber auch zu den im Kol und den Pastoralbriefen bekämpWen judaisie‑ renden
„Irrlehren“
einnahmen. Für eine Darstellung des Profils und der Geschichte des kleinasiati‑ schen Judenchristentums kann die Johannesoffenbarung nur bedingt als Quelle dienen, da sich in ihr weder in theologischer noch in organi‑ satorischer Hinsicht unmiTelbar eine Gruppierung des kleinasiatischen Christentums zu Wort meldet. Vielmehr zeigt die ekklesiologische Uto‑ pie des Eph, dass gegen Ende des 1. Jahrhunderts in Kleinasien juden‑ christliche Praktiken und Überzeugungen zunehmend ins Abseits gera‑ ten waren. Da der Vf. des deuteropaulinischen Eph offensichtlich ein hellenistischer Judenchrist ist, kann für das kleinasiatische Judenchris‑ tentum keine grundsätzliche Ablehnung paulinischer Traditionen behauptet werden, wie sie sich beim Seher Johannes findet. Es wäre deshalb zu überlegen, in welchem Maße man in Kleinasien in nachpau‑ linischer Zeit mit einer Aufspaltung der Christen in konkurrierende, theologisch und organisatorisch klar voneinander getrennte „Kirchen“ rechnen muss und wie sich die verschiedenen Gruppierungen ethnisch und
sozial
zusammensetzten.111 Fraglich ist, ob die Forderung der Johannesoffenbarung nach einer radikalen Trennung von der paganen Umwelt bei den kleinasiatischen Judenchristen aufgrund ihrer ethnisch‑religiösen HerkunW auf mehr Akzeptanz als bei den Heidenchristen hoffen konnte; denn bereits als Juden zwang sie das Leben in der Diaspora zu Kompromissen mit ihrer heidnischen Umwelt. Die Überlegungen zur hellenistisch‑römischen Polis als ökonomischem, sozialem, politischem und kulturellem Be‑ zugssystem des täglichen Lebens der kleinasiatischen Christen, legen vielmehr nahe, dass die Akzeptanz der Trennungsforderung der Johan‑ nesoffenbarung nicht durch die ethnische, sondern durch die soziale Zugehörigkeit bestimmt wurde.112 Da die Johannesoffenbarung mit ih‑

111 Überhaupt stellt sich die Frage, wie die Einheit einer „Ortsgemeinde“ vor der Exis‑ tenz des in den Pastoralbriefen und den Ignatianen (wann immer beide zu datieren sind) propagierten Monepiskopats festgestellt und beschrieben werden soll; die Existenz mehrere „Hauskirchen“ in einer Stadt bedeutet für sich allein jedenfalls noch
keine
theologische
und
organisatorische
Spaltung. 112 Überlegungen
dazu
auch
unter
AbschniT
IV. 4d,
Punkt
(3).

390

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

rer negativen Sicht der Welt unter den SchriWen aus dem Umkreis des kleinasiatischen Christentums – abgesehen vielleicht vom Joh – eine singuläre Position vertriT, liegt es nahe, dass diese nicht nur durch die ethnisch‑geographische, sondern auch durch die soziale HerkunW ihres Vf.s bestimmt ist.113 Die Johannesoffenbarung ist der einzige Text des Neuen Testaments, in dem ein Vf., der offensichtlich einer niedrigen Bildungs‑ und GesellschaWsschicht entstammt, seine Sicht von Welt und
der
Kirche
artikuliert. Man darf nicht vergessen, dass für Mitglieder der heidnischen Oberschicht der hellenistisch‑römischen Poleis, die sich durch den Mo‑ notheismus und das hohe Ethos des Judentums angezogen fühlten, die aber aufgrund der damit verbundenen Absonderung von der heidni‑ schen Umwelt die Konversion zum Judentum nicht vollzogen, das Christentum eine willkommene Alternative darstellte. Die Taufe eröff‑ nete ihnen die volle κοινωνία mit der Kirche, ohne sie durch die Be‑ schneidung und die Verpflichtungen des jüdischen Heiligkeitsgesetzes in die gesellschaWliche Isolation zu führen. Vielleicht machte die Mög‑ lichkeit einer „heidenchristlichen“ Lebensführung das Christentum auch für reiche Diasporajuden aTraktiv, da sie dadurch zumindest teil‑ weise von den steten Konflikten befreit wurden, die sich aus ihrer er‑ erbten doppelten Zugehörigkeit bei gleichzeitiger Nicht‑Zugehörigkeit zu Polis und Judentum ergaben. Dies barg jedoch die Gefahr, dass viele Christen die Konsequenzen der Taufe unterschätzten, wie die Mahnun‑ gen zur Abkehr von den Gewohnheiten des „alten Menschen“ in Kol 3,1–17 und Eph 4,17–24 hinreichend belegen.114 Das Wesen des „neuen Menschen“ jedoch besteht für den Kol und den Eph trotz allem nicht in einer radikalen Trennung von der Welt, sondern in der vorbildlichen Praxis christlicher Nächstenliebe. In dieser Tradition steht auch der 1 Petr
(vgl.
2,1–10
und
3,8–12). Sollte es sich bei der radikalen Abgrenzung gegenüber der paganen Umwelt um eine „Unterschichtenposition“ handeln, wäre es für das kleinasiatische Christentum bezeichnend, dass diese Forderung von einem hinsichtlich seiner ethnisch‑geographischen HerkunW Außenste‑ henden formuliert wird und in den SchriWen des kleinasiatischen

113 Zum Sicht und Wertung der Welt in den ntl. SchriWen vgl. H. S•••y, κοσμέω κτλ. ThWNT 3 (1938) 867–898, zu κόσμος 867–896, zur Sicht der Welt in den johannei‑ schen SchriWen bes. 894–896; für die negative Sicht von Welt und Geschichte bei den Apokalyptikern
auch
ders.,
αἰών, αἰώνιος.
ThWNT 1
(1933)
197–209,
bes.
204–207. 114 Zu den genannten Stellen S„ˆ–yƒŠyz, Kolosser (EKK) 130–159, bes. 145–152; G•ƒx…•, Kolosserbrief
(HThK)
170–203,
bes.
183–185;
ders.,
Epheserbrief
(HThK)
221–233.

Weiterführende
Überlegungen
und
offene
Fragen

391

Christentums selbst kaum Widerhall findet, wenn es auch über den Grad erlaubter Nähe und nötiger Distanz immer wieder zu Differenzen gekommen sein mag. Diese weitgehende Einigkeit in der Frage der Haltung zur heidnischen Welt war sicher durch das prosperierende kulturelle und wirtschaWliche Leben der kleinasiatischen Poleis be‑ dingt, von dem alle sozialen Schichten in der einen oder anderen Form profitierten. Zugleich bedingte dieser Reichtum auch einen relativ ho‑ hen Prozentsatz von Christen aus der gehobenen MiTel‑ und der Ober‑ schicht, denen an einer totalen Trennung vom Leben der Polis wenig gelegen sein konnte. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese sozial höher gestellten Christen durch Einsatz der ihnen zur Ver‑ fügung stehenden MiTel – Bildung, Reichtum und Einfluss – gezielt das
Au™ommen
gegenteiliger
Ansichten
zu
verhindern
suchten. Es scheint deshalb verlockend, den Vf. der Johannesoffenbarung, der einer eher niederen sozialen Schicht zuzuordnen ist, als Sprachrohr der Schwachen und Kleinen in den Gemeinden und als Anwalt aller so‑ zial Ausgegrenzten, politisch Unterdrückten und ökonomisch Ausge‑ beuteten zu verstehen.115 Kann aber ein Werk, das mit so massiven Dro‑ hungen arbeitet wie die Johannesoffenbarung und durch Angst das Verhalten seiner Adressaten bestimmen will, als BefreiungsschriW gele‑ sen werden – zumal keineswegs behauptet werden kann, dass die radi‑ kale Trennung von der paganen Welt an der Wende vom 1. zum 2. Jahr‑ hundert das Anliegen aller Christen niederer sozialer HerkunW war; denn der Faszination und Performanz der hellenistisch‑römischen Kul‑ tur konnte sich letztlich keine soziale Klasse entziehen. Amphitheatrali‑ sche Schauspiele, sportliche WeTkämpfe und öffentliche Feste dienten nicht allein der Ablenkung und Unterhaltung der Bevölkerung, son‑ dern stiWeten vor allem soziale und kulturelle Identität.116 Eine ähnliche Funktion haTen musische Agone sowie öffentliche Deklamationen und Rezitationen; sie boten den geistigen Eliten die Gelegenheit sich ihrer kulturellen Kompetenz (παιδεία) und damit ihrer Zugehörigkeit zu

115 So deutet etwa Tˆyƒ••y•, Religion 131, die in Op 12f. sichtbar werdende Aggressi‑ vität gegen die römische Staatsmacht als eine versteckte Kritik an den Mächtigen, die für die christlichen Gemeinden eine „Perspektiv von unten“ und eine auf Status‑ verzicht
basierende
Macht
entwirW. 116 Wie sehr auch Christen in der gesamten Antike den Inszenierungen der spectacula zugänglich waren, zeigen nicht nur die warnenden Ausführungen in Tertullians SchriW De spectaculis oder in den Confessiones des Augustinus (6,8), sondern vor all‑ em auch breite literarische Schilderung amphitheatralischer Darstellungen in christ‑ licher Erbauungsliteratur, so z. B. der Kampf der Thekla mit wilden Tieren im Am‑ phitheater
von
Antiochia
(ActPaul
27–38).

392

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

einer durch Bildung, Reichtum und Macht konstituierten Oberschicht zu
versichern. Ein vollständiger Rückzug der Kirche von der paganen Umwelt häTe die Mitglieder dieser Oberschicht dauerhaW aus der Kirche ausge‑ grenzt, da sie diesen Weg aufgrund persönlicher, gesellschaWlicher und politischer Verpflichtungen nicht gehen konnten und teilweise sicher auch nicht gehen wollten. Das Christentum wäre – entgegen seinen An‑ fängen – nicht nur eine Unterschichten‑Religion geworden, sondern auch eine esoterische, auf sich selbst bezogene Bewegung, die jeden geistigen und kulturellen Austausch mit Außenstehenden verweigert. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Gemeinden auf vermö‑ gende und gebildete Mitglieder angewiesen waren, deren finanzielle Beiträge die Fürsorge für die Armen und sozial Benachteiligten ermög‑ lichten und die aufgrund ihrer rhetorischen Ausbildung die Belange der Gemeinden in der Polis und im Imperium Romanum wirksam ver‑ treten konnten.117 Vermögen und Bildung prädestinierten diese Chris‑ ten darüber hinaus, die Leitungsfunktionen in den Gemeinden zu über‑ nehmen. Als Lehrer und Amtsträger bestimmten sie die Praxis und die Theologie
der
Kirchen,
und
damit
ihr
Erscheinungsbild
nach
außen. Wie aber lässt sich die Johannesoffenbarung angemessen verste‑ hen? Worin liegt ihr bleibender „Wert“? Will man ihr gerecht werden, muss man sie als SchriW eines Mannes lesen, der von einem glühenden Eifer für den biblisch‑christlichen Monotheismus und einem kompro‑ misslosen Theozentrismus getrieben wurde. Seine Interpretation des monotheistischen Bekenntnisses sah jeden Kontakt mit einer Welt, die durch und durch von Götzendienst bestimmt war, als Verrat am „Wort GoTes und am Zeugnis Jesu“. Auch wenn man sich ihre massiven Dro‑ hungen und ihre harte Sprache nicht zu eigen machen will, muss sie als kritisches Korrektiv an einem entscheidenden Punkt der Geschichte der frühen Kirche gewürdigt werden: Sie rief den Christen Kleinasiens, die dazu tendierten, nach der Taufe unhinterfragt ihr bisheriges Leben fortzusetzen, ins Gedächtnis, dass mit der Entscheidung für die geset‑ zesfreie Heidenmission und die darin vollzogene Trennung vom Ju‑ 117 Tˆyƒ••y•, Religion 138–141, betont, dass auch die Mitglieder der Unterschicht als Gebende in diese innergemeindliche Solidarität einbezogen worden seien. Dadurch habe man verhindert, dass die christlichen Gemeinden die Struktur des römischen Klientelwesens angenommen haben. Dies verbinde sich mit einer grundlegenden Reichtumskritik im Frühchristentum. Demgegenüber ist anzumerken, dass es de fac‑ to doch die Reichen waren, die am meisten zu den karitativen Belangen beitrugen und die allein deshalb schon eine hervorragende Rolle in den Gemeinden ein‑ nahmen,
weil
ihre
Häuser
als
Versammlungsorte
dienten.

Weiterführende
Überlegungen
und
offene
Fragen

393

dentum nicht der konsequente biblische Monotheismus preisgegeben werden durWe. Dieser Monotheismus fordert die konsequente und kompromisslose Einheit von Theologie und Praxis. In dieser Einheit sah der Vf. der Johannesoffenbarung das Spezifikum der jüdisch‑christ‑ lichen Religion. Die Christen Kleinasiens waren demgegenüber in der Gefahr, die aus der eigenen paganen Vergangenheit ererbte Trennung zwischen innerer Überzeugung und äußerem Tun auf ihr Christsein zu übertragen. Insofern ist die Johannesoffenbarung in gewisser Hinsicht auch
eine
berechtigte
Kritik
an
Paulus
und
seinen
Schülern.118 Man muss sich jedoch sorgsam hüten, die BotschaW der Johannes‑ offenbarung und ihre Wirkungsgeschichte durch die Reduktion auf ab‑ strakte Formeln zu verharmlosen. Ihre Kompromisslosigkeit geht ein‑ her mit einer schonungslosen Härte und einer gewalTätigen Sprache.119 Beides bestimmte auch die Rezeption der Johannesoffenbarung in Theologie und Kirche; dies zeigt besonders die Auslegung der Millen‑ niumsvision.120 In dem Moment, als die Kirche und das irdische Welt‑ reich einander nicht mehr feindlich gegenüber standen und Kirche und römischer Staat allmählich identisch wurden, war für die bereits vorher umstriTene SchriW vollends kein Raum mehr in der Kirche, denn die Welt konnte nun nicht mehr als goTfeindlich und die Staatsmacht nicht mehr
als
dämonisch
abqualifiziert
werden. Konsequenterweise holte die von Tyconius angeregte Auslegung des Augustinus das vor‑läufige Heil des Millenniums in die Gegen‑ wart, indem sie die Zeit der irdischen Kirche mit dem Millennium gleich setzte, und „reTete“ dadurch die Johannesoffenbarung für die Kirche. Erst als diese Identität im MiTelalter zunehmend in Frage ge‑ stellt wurde, entdeckte man erneut die polarisierende Macht der Bil‑ derwelt und Sprache der Johannesoffenbarung. Das Millennium wurde

118 Es sei hier nochmals angemerkt, dass die „Starken“ in Korinth letztlich eine ähnliche Trennung vollzogen, deren Berechtigung Paulus nicht bestreitet. Als Korrektiv ver‑ weist er nicht auf die Einheit von innerer Überzeugung und äußerem Tun, von Theologie und Praxis, sondern mahnt zur Rücksicht auf den „schwachen Bruder“, dem
diese
Einsicht
fehlt. 119 Dieser wichtige, in den Kommentaren zur Johannesoffenbarung allerdings vernach‑ lässigte Aspekt scheint zumindest in Ansätzen bei E. Schüssler Fiorenza in ihrem Konzept einer rhetorischen Analyse auf; vgl. dazu die Anmerkungen bei AbschniT IV. 4d, Punkt (5). Auch A. Y. C|xxƒ••, Persecution 747, spricht zwar von der „dange‑ rous power“ der Johannesoffenbarung, relativiert dies aber als sozial und psycholo‑ gisch notwendige Funktion des Ausdrucks und der Bewältigung der christlichen Ra‑ chegefühle und Vergeltungssehnsucht gegen das Imperium Romanum: Man könne nicht
immer
lieben. 120 Vgl.
dazu
die
Ausführungen
bei
AbschniT
I.
und
die
dort
angegebene
Literatur.

394

Zusammenfassung:
Ertrag
der
Studie

in Opposition zu einer verweltlichten Kirche als Verheißung einer neu‑ en Kirche gelesen. Damit wurde die Johannesoffenbarung zur kirchen‑ politischen „KampfschriW“, mit deren Bildern man die innerkirchlichen Gegner und die bestehende Kirche dämonisierte. Die prophetisch‑apo‑ kalyptische Auslegung aktualisierte aber nicht nur das kritische Poten‑ tial der Johannesoffenbarung, sondern auch die in ihr enthaltene Inten‑ tion, durch Drohung und Angst die Glaubenden zur Absage – nun nicht mehr an die Welt, sondern an eine verweltlichte Kirche – zu ver‑ anlassen. Die erneuerte sprachliche Gewalt der Offenbarung und die radikale Verwerfung einer Kirche, die in ihren Augen GoT verraten haTe, mündete bei radikalen Denkern wie Fra Dolcino, Gherardo San‑ garelli oder auch Thomas Münzer in der Überzeugung, bei dieser Erneuerung
physische
Gewalt
anwenden
zu
dürfen.121 Die neuere Auslegung der Millenniumsvision und ihre Rezeption in aktuellen systematischen Entwürfen zur christlichen Eschatologie sieht allzu schnell darüber hinweg, dass die apokalyptische Bilderwelt der Johannesoffenbarung bei den Lesern/Hörern Angst auslösen und dadurch ihr Verhalten bestimmen will. Es ist deshalb eine Verharmlo‑ sung der Intention der Johannesoffenbarung, wenn man das Millen‑ nium als hoffnungsgeladenes Bild der Verheißung einer besseren und erneuerten Welt interpretiert.122 Dies berücksichtigt nicht, dass die Jo‑ 121 Vgl.
bei
AbschniT
I. 122 Exemplarisch sei hier verwiesen auf M. Kyˆx, Eschatologie, Würzburg 31996, der in expliziter Anknüpfung an das Millennium der Johannesoffenbarung (und den Chili‑ asmus des Irenäus von Lyon), die Reich‑GoTes‑BotschaW Jesu als eine soziale und kommunikative Real‑Utopie interpretiert. Die Kirche wird dabei zur realsymboli‑ schen Vorwegnahme der communio sanctorum [santarumque], wobei sie als Ecclesia semper reformanda stets auf dem Weg ist, diese immer mehr zu werden. Vgl. bes. den geschichtlichen Überblick ebd. 91–212; ähnlich F.‑J. N|„…y, Eschatologie, Düsseldorf 1982; J. M|xŒŽ•••, Das Kommen GoTes. Christliche Eschatologie, Gütersloh 1995; ders., Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Kon‑ sequenzen einer christlichen Eschatologie (BEvTh 38), München 21965. Diese Ten‑ denz der neueren „Eschatologie“ ist eine Reaktion auf die lange kirchliche Tradition der Entmaterialisierung, Spiritualisierung und Individualisierung der christlichen Heilserwartung. Die verdrängten leiblich‑materiellen und kosmischen Dimensionen der christlichen Eschatologie meinte man im tausendjährigen irdischen Messiasreich der Johannesoffenbarung (und bei den frühchristlichen Chiliasten) zu entdecken, worauf man deshalb ausgiebig zurückgriff. Die chiliastische Hoffnung wurde dabei vor dem geistesgeschichtlichen Hintergrund der Moderne neu interpretiert, indem man in die chiliastische Erwartung der Johannesoffenbarung die Gedanken der Per‑ fektibilität der Welt, der Machbarkeit des Guten, der Solidarität, der sozialen Verant‑ wortung und der Ökologie eintrug. Dadurch wird das Millennium in eine optimisti‑ sche, moderne und fortschriTliche Weltanschauung transformiert, die soziales, ökologisches und ökonomisches Engagement fördert und fordert. In Verkehrung der Intention der Johannesoffenbarung wird die Frontstellung nun gegenüber einer

Weiterführende
Überlegungen
und
offene
Fragen

395

hannesoffenbarung in einem innerkirchlichen Konflikt um das Leben der Christen in einer nicht‑christlichen Welt Stellung bezieht und eine Lösung dieses Konflikts in ihrem Sinn erzwingen will.123 Dazu apostro‑ phiert sie ihre innerkirchlichen Gegner als Kollaborateure der wider‑ göTlichen
dämonischen
Macht. Eine heilsgeschichtliche Deutung des Millenniums der Johannes‑ offenbarung als von GoT gewirkte Heilsvollendung von Welt und Ge‑ schichte übersieht außerdem, dass das Millennium vergänglich ist, dass das eigentliche Heil in der kommenden Welt liegt, dass der Weg ins Millennium über den Tod im Martyrium führt, dass nur die treuen Christen am Millennium Anteil erhalten und dass das Millennium der Johannesoffenbarung inhaltlich völlig unbestimmt bleibt. Diese Unbe‑ stimmtheit füllt der moderne Mensch mit seiner eigenen Heilssehn‑ sucht. Keine Auslegung von Op 19,11 – 21,8 aber darf vergessen, dass das Millennium verbunden ist mit der Androhung des „zweiten Todes“ und dem endgültigen Ausschluss aller, die sich der Weisung des Sehers Johannes verschließen, vom end‑gültigen Heil der kommenden Welt. Darum sei abschließend noch einmal wiederholt: Die Johannesoffenba‑ rung will ihre Leser/Hörer nicht mit dem irdischen Millennium trösten, sondern sie droht ihnen mit dem „zweiten Tod“ für den Fall, dass sie sich
ihren
Forderungen
verschließen.

christlichen Haltung gezogen, die den Rückzug aus der Welt fordert und auf eine Ausrichtung auf das Jenseits und auf das persönliche Heiligkeitsstreben zielt. Unter dem Vorzeichen des Chiliasmus schlägt die neuere Eschatologie eine Brücke zur mo‑ dernen Welt: Die ἔσχατα werden aus unverfügbaren facta zu mit moralischem Ausru‑ fezeichen versehenen facienda; der ἔσχατος aber wird dabei letztlich völlig bedeu‑ tungslos. U. K‡zŒ•yz, Chiliasmus V. Systematisch. RGG4 2, Sp. 141–143, hier 143, zitiert deshalb zu Recht die Kritik von P. Tillich: „So gewiß Weltgestaltung zur Auf‑ gabe christl. Ethik gehört, ist diese doch von soziologischen Überforderungen zu entlasten. Notwendige GesellschaWsformen bleiben stets relativ und stehen unter es‑ chatologischem Vorbehalt.“ Eine kritische Stellungnahme zur neueren, unter dem Vorzeichen der Geschichtstheologie stehenden Eschatologie bei G. S•‚Œyz, Einfüh‑ rung
in
die
Eschatologie,
Darmstadt
1995,
9–18. 123 Im Prinzip richtig gesehen bei Tˆyƒ••y•, Religion 330–333, der aber das Moment des Kaiserkultes
und
der
Verfolgung
zu
stark
betont.

Abkürzungen

Biblische Bücher: Ökumenisches Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien. Hrsg. von den katholischen Bischöfen Deutschlands, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bibelge‑ sellschaW
–
Evangelisches
Bibelwerk,
StuTgart
21981. Frühchristliche, frühjüdische, rabbinische und gnostische SchriQen: RGG4 8 (2005) žŸƒƒƒ–žžŸƒ. Griechische
christliche
Autoren:
L•Ž›y,
Lex.
ƒž–žxƒƒƒ. Nicht‑christliche
griechische
Autoren:
Lƒ€€yxx /
S„|ŒŒ,
Lex.
žŸƒ–žžžŸƒƒƒ. Christliche/nicht‑christliche
lateinische
Autoren:
LAW
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3439–3464. ZeitschriQen, Lexika und Reihen: S„ˆ–yzŒ•yz, Sƒy‹}zƒy€ M., Internationales Ab‑ kürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (IATG2), Berlin / New York
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Literatur

Nur einmal benutzte Werke und weiterführende Literatur zu einzelnen Frage‑ stellungen wurden in der Regel nicht in das Literaturverzeichnis übernommen; die bibliographischen Angaben finden sich an den entsprechenden Stellen der Studie in den Anmerkungen. Dies gilt auch für Artikel in Lexika u. ä. Für die Werke antiker Autoren, die unter 1. Quellen nicht aufgeführt werden, wurden die maßgebenden Editionsreihen konsultiert: für christliche Autoren CChr, SC, FC, GCS, CSEL; für pagane Autoren OCL, LCL, Teubneriana, Tusculum, für die frühjüdische
Literatur
die
JSHRZ.

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1993. Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes edidit Al‑ fred
Rahlfs.
Duo
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in
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StuTgart
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1979. Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum. Auct. Academia Scientiarum Got‑ tingensis
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1983. Die
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57–84. Das Buch der Jubiläen, übersetzt und herausgegeben von Klaus Berger (JSHRZ 2/3),
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1981. Das Leben Adams und Evas (dt.), übersetzt und herausgegeben von OTo Merk und
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Concordance
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Stellenregister
(Auswahl) 1. Altes
Testament Gen 1,1 – 2,4a 6,1–4 22,7 32,13 Ex 19,6 29,14 32,32f. Lev 4,12 4,21 26,12

19,
353 185 172 172

195,
286 172 224

172 172 205,
231

Jos 11,4

172

2 Sam 7,8 7,14

207 231

1 Kön 1,10.12 2,35 2 Kön 3,25 1
Makk 1,62 2
Makk 6–7 13,4 Ps
(MT) 90,4 122,4 69,29

172,
174 172

172

269

280 133

19,
353 198 224

Ps
LXX 2,9
(2,8f.) 9,9 71,2 95,13 97,9 Sir 1,3 Jes 2,3 4,3 10,22 11,4 13,4ff. 24,21f. 25,8 43,19 48,12 52,11 55,1 60–65 60,9 63,1–3 65,17 66,2 Jer 2,13 Klgl 1,15 Ez 2,8 – 3,3 9,4–6 37–48 37,1–14 37,10 37,27

39,(4.)17–20 132,
140,
141 128 128 128 128

172

198 224 172 132 109 18,
21 206,
238 206 206 230,
231 207 21 206 133,
142 204 204

Dan 2,35 3,1–23 6 7 7,9–12 7,9f. 7,9 7,9.22 7,10 7,19–27 7,35 8,3 9,23–27 10,17 12,1 12,2

134,
153f.

202 280 280 19,
265,
349f. 21,
222–224 36,
222,
336 129,
224,
351 174,
(179,)
191f. 202 280 220 151 350 133 224–226 172,
198

Hos 2,1

172

Joël 2,11 3,4

109 109

Mi 4,2

198

Nah 1,6

109

Hab 1,6

172

Zef 1,14f.

109

207

133

60 268 20f.,
352 21 169 205,
231

437

Stellenregister

2. Frühjüdisve
SvriWen AssMos
(TestMos) 10,6

13,36

229

236

2 Bar
(syrBar) 4,2–6 229 29–30 160,
350,
352 29 158,
246 29,2 253 30 19 39–40 155 40 160 40,1 158 40,2–4 350,
352 40,2f. 158,
253 40,3 19 53,1 – 74,4 350 70–73 156–158 72–73(74) 155, 160, 350, 352 73–74 246 74,2 19 4 Esra
(ApkEsr) 7,17–25 385 7,25–44 350,
352 7,26–33 19 7,26–29 160,
246 7,28f. 19,
158,
253 7,32 227f. 8,52–54 234 11,1 – 12,51 350 12,31–34 155,
350,
352 12,34 19, 158, 160, 246,
253 13,2–34 155 13,2–50 156–158

1 Hen
(äthHen) 1,3–9 220 9,4 133 10,4–6 18 10,4–8 185–190,
354 10,11–13 18,
186 16,1 19 18,12–16 18 18,16 19 19,1f. 18 19,20–27 222–224 21,1–6 18 21,6 19 24–27 234 24,4 234 25,6 234 26,2 234 27,5 234 47,3f. 224–226 47,3 191f. 51,1 227f. 54,3–6 186,
189 56,5–8 196f. 88,1 185–190,
354 90 280 90,28–38 229 91,11–17 350 91,12–19 19 93,1–4 19 93,3–11 350 2 Hen
(slavHen) 65,7f. 66,6f.

Jub 1,29 5,6.10[.11–20] 10,5ff.

19 186 186

Philo
omn.
prob. 90

268

PsSal 17–18 17,12 17,26f.39

19 158 132

Sib 3,286f. 3,319–322 3,512–514 3,652–697 3,652–660 3,652 3,665f. 3,663–668 3,672–674 3,702–709 5,101–110 5,158ff. 5,414–433 5,429–434 5,447 5,515

157 197 197 155, 160f., 162, 196f. 19 157 158 158 198 158,
161 155,
156–160 236 155 158,
161 236 157

TestLev 18,12

18

19 19

3. Neues
Testament Mt 15,19 25,31

207,
232 155

Mk 7,21f. 13 13,27

207,
232 54 155,
157

Lk 1,33 8,31 22,29f.

281 186 281

Joh 5,28f.

285

Apg 10,14.28 11,8 13,5 15,10f. 15,19–21.28f. 15,19 15,22

269 269 377 335 319 355 377

438

Stellenregister

Röm 6(,1–14) 6,3f. 13,1–7

285,
287 372 314

1 Kor 5,9f. 6,9f. 8 8,1–6 8,4–13 10,14–30 10,23–30

232 207,
232f. 362 281 295,
316 281,
362 316

2 Kor 1,19 6,14 – 7,1 6,17

377 59f., 230–234, 351 230

Gal 2,4 2,6–10 2,7–9 2,8 2,11–21 2,11–13 3,1–5 4,8–11 5,1–12 5,19–21

367 335 318 377 367 318 318 318,
367 318,
367 207,
232f.

Eph 2,5f. 2,11–22 4,14 4,17–24 5,3–20 5,5

285,
374,
375 368,
374 374 368,
377,
386 377,
386 207,
232

Phil 4,3 Kol 1,3–8 1,13 2,4 2,8 2,9 2,11 2,11–15 2,12–15 2,12

225

337 286 337 337,
367,
373 373 367,
368,
373 373 285 375

2,16 2,20–23 2,20 2,21 2,22 3,1–17 3,1–10 3,1–4 3,1 3,5–8 4,2–6 4,10

367,
368,
373 368 373 373 367 377 285 373 373 386 368 377

1 Thess 1,1 4,13–17 4,15f. 4,15 4,16f.

377 282 284 283 283

2 Thess 1,7f.

155,
157

1 Tim 1,4–7 1,4 2,1–7 2,2 4,1–5 4,3 4,7 6,20

367 375 369 376 370 367 375 375

2 Tim 2,17f. 2,18 4,1 4,4

375 285,
327,
367 281 375

Tit 1,10–16 1,16 3,1–8 3,1 3,9 Phlm 24 1 Petr 1,1ff. 2,1–10 2,9

367 375 386 314,
376 367,
375

377

385 390 195,
286

2,11–17 2,15 3,1f. 3,8–12 3,15f. 4,1–6 4,3 5,12f.

314 376 376 390 284 386 207,
232 377

2 Petr 1,11 2,4 2,15 3,1f. 3,13 3,15f.

281 186 369 369 204 369,
371

Jud 6 O€ 1–3 1,1–3

186

58 216, 218, 338,340, 
345,
361 1,3 263,
317 1,4–6 73f.,
364,
385 1,5 165 1,6 195 1,8 206,
235,
270 1,9 – 3,22 123, 249, 253, 257,
323 1,9–20 31,
361 1,9–11 338 1,9 263,
278,
340 1,13f. 336 1,14 129,
258 1,16 149,
258 2–3 217,
272 2,2 233 2,2.5.6.19 124 2,5 259,
262 2,6 260,
290 2,7 124,
132,
259 2,8–11.13 259 2,9 261, 278, 326, 335,
357 2,10 42, 248f., 278, 282 2,11 194,
249,
259,
287 2,12 149,
258 2,13 42, 165, 279, 282, 306,
355,
358 2,14f. 290

439

Stellenregister 2,14 2,15 2,16 2,17 2,18 2,19 2,20 2,21 2,22 2,23 2,26 3,1 3,2 3,3 3,5 3,6 3,8–10 3,8 3,9 3,11 3,12 3,13 3,14 3,17f. 3,19 3,22 4–5 4,1 4,2f. 4,2.4 4,4 5 5,6 5,8 5,10 6,2.5.8 6,9–11 6,9f. 6,9

260,
269 260,
90 76,
259 130,
259 129,
258,
336 259 260,
269,
290 262,
269 262,
278 259 259,
262 259 259 262 124,
225,
243 259 259 75,
259,
262 261,
339,
357 259 124,
204,
249,
268 259 151 326 262 259 31,
61,
271 75 270 35f. 192 60 264,
335 335 195 150f. 30,
33,
239f.,
263 247 33, 168, 177, 185, 193,
263 6,12–17 111,
154 6,14 220 6,15 134,
153f. 6,16 271 7 61,
335 7,1–17 58 7,2–8 268 7,2 75,
153 7,9–17 271,
272 7,9 75,
202 7,13–17 60,
236 7,14 278 7,15 205

7,17 8,2–5 8,3–5 8,3 9,13–16 9,20–21 9,20 9,21

206,
236 271 263 271 196 243 259 209, 232f., 258, 268–270 10 60,
61 10,1–11 58 10,1 153 10,7 317 10,11 317 11 61 11,1–13 58,
382 11,1.2 55 11,3 317 11,6 317 11,7 76 11,15–18 272 11,15 161 11,17f. 263 11,18 75,
317 12,1–17(18) 55, 58, 61, 124,
188 12,1–6 188 12,5 132,
271 12,7–17 176 12,7–12 188 12,7 76 12,8 202 12,9 165f., 176, 183, 185,
188 12,10 161 12,11 59f.,
272 12,14 75 12,17 76,
272 12,18 – 13,18 60 13 61, 148, 180, 233,
258 13,1 116 13,2 264 13,4 76 13,7 76 13,8.12 75 13,8 212,
213,
225,
243 13,11–17 17, 110, 136, 146, 155, 243, 247, 264, 265,
349 13,13–14 135 13,14 75,
120,
275 13,15–18 325

13,15–17 13,15 13,16 14,1–20 14,1–5 14,1 14,3 14,6 14,8 14,9–11 14,9

120 266,
269,
275 275 58 233,
272 268 271 75 263,
269,
325 265 136, 155, 243, 264 14,10f. 172 14,10 111,
133,
263 14,11 136, 155, 243, 
264 14,13 259 14,14 74 14,19f. 133 14,19 74,
132 14,20 162f.,
351 15,1 – 22,9 103–117, 217, 350 15,1 – 16,21 103, 107, 108, 113,
236 15,1–8 113 15,1–4 271 15,1 104 15,1.6.8 107 15,2–4 258 15,2 136, 155, 217, 240f., 243, 264, 265 15,7 262 15,8 107 16,1–16 107,
113 16,2 136, 240f., 264, 265 16,5–7 239f.,
263 16,6 317 16,11 259 16,12–16 110, 112, 113, 117, 158, 161f., 197,
241 16,12 108 16,13 110,
114 16,13–14.16 109,
113,
251 16,14 110 16,15 242 16,17–21 104,
112,
113 16,17 107f.,
271 16,19 107f., 111, 112, 113,
133,
263

440 16,20 111,
220 16,21 111 17–22 46 17–18 60,
61,
113,
117 17,1 – 19,10 104, 107, 111, 113, 114, 117, 236, 239, 323, 348 17,1–18 58 17,1–3 104–107 17,1f. 116 17,1 104,
106,
107,
269 17,2 263,
269,
324 17,3–5 74 17,3 116 17,4 238,
263,
269,
324 17,5 269,
324 17,7 116 17,7–14 382 17,8–14 116 17,8 212,
213,
225,
243 17,9 75 17,12–14 116 17,14 76,
133,
150,
264 17,15 116,
269 17,16 269 18,1 – 19,3 324 18,1–24 58 18,1 153 18,3 263,
269 18,4–8 237 18,4 230–234, 237f., 264, 323, 342, 351,
360 18,9 112,
269 18,11 324 18,12f. 324 18,15–18 324 18,20 317 18,23 324 18,24 317 19,1–10 112,
113f. 19,1–8 272 19,1–3 263 19,2 106,
269 19,3 112,
263 19,4f. 271 19,6–8 113 19,7f. 263 19,7 106f. 19,8 152 19,9–10 104–107 19,9 206,
242

Stellenregister 19,10 19,11 – 20,15 19,11 – 21,8

317 113 103f., 107, 108–110, 112, 113f., 117–124, 218, 229, 236, 239,
244 19,11–21 1, 20, 29, 32, 36, 110, 118, 119, 121, 124, 125–163, 173, 180, 241, 244, 249, 323, 348, 349,
351,
353 19,11–16 31, 58, 109, 118, 139, 140–145, 146f., 149–152, 249,
253 19,11 111, 112, 120, 126–128, 137, 138, 139, 140,141, 
145,
220,
251 19,12–13 141,
143,
251 19,12 128–130, 137, 138, 139, 141,144, 249, 
258,
264 19,13 130, 137, 138, 139, 141f.,
144 19,14 130f., 138, 139, 140, 141, 144, 157,
251 19,15–16 141,
143,
251 19,15 110, 131–133, 137, 138, 139, 140, 141f., 249, 258 19,16 133, 137, 138, 139, 144,
264 19,17f. 109, 118, 139, 145f., 152–154, 160,
251,
275 19,17 133f., 138, 139, 140,
153 19,18 134,
139 19,19–21 32, 37, 109, 118, 139, 146f., 148, 155–163,
177,
275 19,19 76, 134f., 137, 138, 139, 146, 148, 176, 
224,
251 19,20 75, 110, 119, 120, 121, 135f., 139, 146, 176, 183, 187,

240f., 243, 251, 258,
264,
265,
322 19,21 120, 136, 137, 138, 139,
148,
252,
258 20,1–10 58, 118, 119, 121, 122, 124, 159, 163–199,
350 20,1–6 33 20,1–3 1, 25, 29, 30, 118, 121, 122, 174, 175–177, 179, 185–190, 252, 349,
354 20,1–3.7–10 18, 20, 161, 175, 178, 180, 181,
355 20,1–3.10 21,
155,
186, 224 20,1 165,
174,
189f. 20,2 165f.,
174,
185 20,3 32, 166f., 174, 189,
196,
348 20,3.7 37 20,4ff. 22f.,
56f. 20,4–6 1, 17, 23, 29, 30, 34, 118, 121, 122, 123, 161, 175, 177 179, 181, 182, 183f., 190–195, 213, 217, 218, 236, 240, 250, 252, 255, 275, 276, 278, 287, 288,
349,
351,
380 20,4f. 210, 222, 240, 242, 243f.,
282 20,4 20, 25, 29,32, 33–37, 38, 44, 120, 121, 122, 136, 147, 160, 161, 162, 167 169, 170, 174, 177, 178f., 181f., 184f., 190–194, 197, 224, 238, 239, 241, 243, 247, 252, 256, 263, 264, 265, 322, 349, 351 20,4.11–15 21,
38 20,5f. 123,
252 20,5 169,
173,
177f.,
 194,
211 20,6 25f., 32, 121, 124, 161, 169f., 173, 174, 178, 179, 184,

441

Stellenregister 194f., 212, 213, 238, 242f., 248, 256,
275,
286,
287 20,7–10 1, 21, 29, 32, 33, 118, 121, 122, 179–183, 185, 195–199,
252,
349 20,7–9 22,
219 20,7f. 179 20,7 122, 170, 173, 195f.,
252,
348 20,8f. 31, 159f., 162f., 173, 174, 183, 185, 245,
252,
352 20,8 75, 170f., 174, 180, 181,
196f. 20,9 23, 29, 172, 180, 181,
196–198 20,9f. 174 20,10 110, 119, 120, 122, 155, 172f., 173, 174, 187, 199, 224, 252,
348 20,11 – 21,8 118f., 121, 199–236 20,11–15 1, 20, 21, 58, 124,
252,
323,
349 20,11 25, 111, 118, 120, 123, 201f., 208, 209, 210f., 219f., 224,
252,
356 20,12–15 25, 118, 119, 121, 123, 193, 209, 211–214, 217, 220–228,
237,
265 20,12f. 212,
259 20,12 38,
124,
202f.,
208, 209,
211,
212,
213, 220f.,
224,
226 20,13 20, 38, 203, 209, 212, 213, 220f., 226f.,
227f. 20,14f. 119, 120, 121, 124,

213,
238 38, 193, 203, 209, 212,
227,
228,
287 20,15 124, 203f., 209, 211f., 213, 221, 224f., 228, 243, 322,
324 21,1 – 22,5 60 21,1–8 1, 113, 118, 123, 124, 209, 214–219, 220, 229–236, 244, 249,
252,
272,
323 21,1f. 356 21,1 123, 204, 208, 210, 214, 220, 228, 229, 234,
235f.,
248,
252 21,2f. 218 21,2 107f., 111, 113, 124, 204, 209, 214f., 218, 229, 249,
252,
263 21,3–8 214,
252,
351 21,3 108, 205, 208, 209, 215, 218, 229, 234, 351,
360 21,3.7–8 230–234 21,4 205f., 208, 209, 215,
234,
236 21,5–8 123,
192,
217f.,
270 21,5 123, 206, 208, 209, 215f.,
218 21,6–8 218 21,6 108, 123, 206f., 208, 209, 215, 216, 234,
235 21,7f. 124,
351,
360 21,7 123, 207, 208, 209, 216f.,
249,
259 21,8 119, 121, 124, 207f., 209, 212, 217, 232f., 237f., 258, 268–270, 287,
322 20,14

21,9 – 22,9

104, 107, 111, 112, 113, 114, 117, 124, 218, 229, 236, 239, 323,
348 21,9 – 22,5 58 21,9f. 263 21,9 75, 104, 106, 107, 218,
219 21,9–10 104–107 21,10 204 21,22–27 243 21,22 263 21,24 22,
31 21,27 22, 75, 207, 209, 225, 232f., 237f., 243, 258, 263, 264, 268–270,
324 22,1–5 236 22,1–3 271 22,1f. 235 22,3–5 263,
270,
272 22,3 235 22,5–21 58 22,5 235 22,6–9 104–107 22,6f. 317 22,6 206 22,7 242 22,9f. 317 22,9 345 22,11 151 22,12–20 243 22,12 259 22,13 206,
235 22,15 207, 209, 232f., 258,
268–270 22,17 207 22,18–20 345 22,18f. 218,
317 22,19 225

4. Frühvristlive
SvriWen Barn 19,4f. 20,1

207,
232 207,
232

Did 2,2 EvThom 51

207,
232

375

IgnEph 6–9 7,1 16–20

365 268 365

442 Polyk 5,3 9,1 13

Stellenregister

207,
232f. 365 365

Protev 6,1

269

5.
Patristisve
SvriWen Aug.
civ. 20

6

Aug.
serm. 259,2

5

Eus.
h. e. 3, 5,3 3, 28,1–4 3, 36,2–15 3, 39,4 3, 39,6 5, 8,4 7, 24–25 7, 25,25

367 3 365 342 4 343 4 71,
332

Hipp.
haer. 7, 30,1 Iren.
haer. 2, 22,5 2, 31,2 3, 1,1 3, 3,4 5, 30,1 5, 30,3 5, 31,1;
32,1

268

343,
361,
370 375 343 370 2f. 2f.,
370 3

Just.
dial. 80,2–5 81,4

Or.
princ. 2, 11 Tert.
res. 19,1–7 Vict.
in
apoc. 20

5

375

5

3 2,
361

6. Antike
pagane
Literatur Apollod. 1,37 Cic.
har.
resp. 19 Cic.
nat.
deor. 2, 8 Hes.
theog. 313ff. 624ff. 674ff.

711ff.

355

Hom.
hymn.
Ap. 282ff.

354

Plin.
epist. 10, 96f. 10, 96,5 10, 96,7

Liv. 5, 1,6

293

Suet.
Nero 16, 2

292

Lukian.
Peregr. 11–14.16

292

Tac.
ann. 15,44 15,44,3

292 294

Plb. 6, 56,6–8

293

355

17f.,
292 295 294

293

293

354 355 355