Das Potenzial der Peripherie: Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895) und Galizien [1 ed.] 9783737007849, 9783847107842

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Das Potenzial der Peripherie: Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895) und Galizien [1 ed.]
 9783737007849, 9783847107842

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Wiener Galizien-Studien

Band 2

Herausgegeben von Christoph Augustynowicz, Kerstin S. Jobst, Andreas Kappeler, Annegret Pelz, Dieter Segert, Olaf Terpitz, Philipp Ther und Alois Woldan

Die Bände dieser Reihe sind peer-reviewed.

Stephanie Weismann

Das Potenzial der Peripherie Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895) und Galizien

V& R unipress Vienna University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2566-9710 ISBN 978-3-7370-0784-9 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Verçffentlichungen der Vienna University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung des Rektorats der UniversitÐt Wien und des Fonds zur Fçrderung der wissenschaftlichen Forschung (W 1204). Diese Studie basiert auf einer Dissertation, die im Rahmen des Doktoratskollegs »Das çsterreichische Galizien und sein multikulturelles Erbe« 2014 an der UniversitÐt Wien entstand.  2017, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Leopold von Sacher-Masoch vor Galizienkarte, Portr Ðtphotograph unbekannt. Design: Stephanie Weismann / Szymon Kasprowicz

Inhalt

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Sacher-Masoch als ›Galizier‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Ein ›slawischer Künstler‹ – Etappen einer Selbst(er)findung . . . 1.2. (Galizische) Rezeptionstendenzen des »romancier galicien« . . . Zur Deutungshoheit über einen umkämpften literarischen Raum . Im Kreuzfeuer der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sacher-Masoch im unabhängigen Polen und der Ukraine . . . . . 1.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Karneval. Kostüm. Kulisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Zur Theatralisierung des Lebens . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Grazer Exzentriker mit galizischem Hintergrund 3.2. Travestien und gesellschaftliche Maskenspiele . . . . . . 3.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Vom Potenzial des ›slawischen Ostens‹ . . . . . . . . . . . 2.1. Von der ›Poesie des Ostens‹ . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Der slawische Osten als Zukunftsraum . . . . . . . . . Umbruch aus dem ›Osten‹ . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ruthene im Kontext der (galizischen) Gesellschaft (Rurale) Selbstfindungen und -verortungen . . . . . . Exkurs: Chiliastische Erfüllung . . . . . . . . . . . . . 2.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

5. Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Korrespondenz Mychajlo Kuzems’kyj (1861–1862) . . . . . . . 5.2. Korrespondenz Jakiv Holovac’kyj (1882) . . . . . . . . . . . . 5.3. Korrespondenz Hnat Rozˇanovs’kyj an Volodymyr Barvins’kyj (1882) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4. Korrespondenz Osyp A. Markov (1889) . . . . . . . . . . . . .

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Schriften-Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Literaturverzeichnis . . . . . 6.1. Primärquellen . . . . . . Sacher-Masoch – Werke Zeitgenössische Quellen Aktuelle Rezeption . . . Archivmaterialien . . . 6.2. Sekundärliteratur . . . .

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Danksagung

Die vorliegende Monographie gründet auf einer Dissertation, verfasst im Rahmen des interdisziplinären Doktoratskollegs »Das österreichische Galizien und sein multikulturelles Erbe« (2010–2014) an der Universität Wien. Insofern gilt mein Dank meinen Kolleginnen und Kollegen, die mit mir Glanz und Elend dieser galizischen Phase geteilt haben, insbesondere Elisabeth Haid, Nadja Weck und Burkhard Wöller für die zahlreichen Gespräche und engagierten Textschlachten, die wir miteinander gefochten haben. Außerdem Lyubomyr Borakovs’kyj und Magdalena Baran für das Korrekturlesen der ukrainischen und polnischen Quellen. Am Entwicklungsprozess der Arbeit beteiligt war auch mein Betreuer Stefan Simonek. Danken möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien für ihren Beistand während der zweiten Phase der Arbeit an der Monographie, den Herausgebern der Wiener Galizien-Studien für die Aufnahme in ihre Reihe sowie dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) als auch dem Rektorat der Universität Wien für die finanzielle Ermöglichung der Drucklegung. Für die großzügige Hilfeleistung bei der Beschaffung von Quellen möchte ich Lyubomyr Borakovs’kyj (L’viv) als auch Halyna Svarnyk (L’viv), Weronika Kulig (Opole) und Ostap Sereda (L’viv) danken. Alois Woldan (Wien) danke ich für seine Unterstützung beim Entziffern der Handschriften. Dem Zentralen Staatlichen Historischen Archiv der Ukraine in L’viv (TsDIAL) als auch der Handschriftenabteilung der L’viver Stefanyk-Bibliothek gilt mein Dank für ihre Genehmigung, den Briefwechsel zwischen Leopold von Sacher-Masoch und diversen ukrainischen Intellektuellen und Aktivisten hier erstmals der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Größten Dank möchte ich meinen Eltern, insbesondere meiner Mutter aussprechen für ihre uneingeschränkte Unterstützung all meiner bisherigen Lebenswege – meinen Geschwistern für ihren vielfältigen liebevollen Beistand. Mein Dank geht außerdem an alle Freundinnen und Freunde, die mich durch

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Danksagung

gute und schlechte Zeiten begleitet haben, sowie meinem Sohn, der die Publikation zwar verzögert, mir aber dabei das Leben grundlegend bereichert hat.

Einleitung

In der Vulycja Serbs’ka, einer belebten Seitenstraße des L’viver zentralen Marktplatzes, findet man heute Touristen lebhaft sich um eine bronzene Figur scharen. Junge Mädchen neigen sich für ein Foto kichernd dem mittelgroßen Manne zu, dem die allgemeine Aufmerksamkeit hier gilt. Es ist die Statue Leopold von Sacher-Masochs, der an dieser Stelle als Sohn Lembergs, der ehemaligen Hauptstadt des habsburgischen Kronlandes Galizien und Lodomerien, seit 2008 wieder öffentlich sichtbar gewürdigt wird. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion besann man sich in der Westukraine auch öffentlich wieder auf eine eigene, vom Rest der Ukraine sich unterscheidende Geschichte der Halycˇyna – einer sich auf das Mittelalter berufenden historischen Region Ostmitteleuropas auf dem Territorium der heutigen Ukraine und Polens. Ein Ergebnis dieser Rückbesinnung auf die spezifisch habsburgische Vergangenheit1 der Region (von ihrer Engliederung 1772 bis 1918) ist die Wiederentdeckung des österreichischen Schriftstellers Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895). Dieser wurde als Sohn des einstigen habsburgischen Polizeidirektors in Lemberg geboren und feierte den Anfang seiner schriftstellerischen Karriere mit Erzählungen aus Galizien. Bezeichnend ist jedoch, dass von Sacher-Masoch auch im heutigen L’viv in erster Linie die publikumswirksamere Facette eines sexualpathologischen Falls vermarktet wird. Seit der Stigmatisierung seines Namens als Krankheitsbild unter der Bezeichnung »Masochismus« in Krafft-Ebings Psychopathia sexualis von 1890 wird Sacher-Masoch den Beigeschmack der Knute nicht los. Auch das ihm gewidmete Caf8, vor dem die Statue platziert wurde, operiert vor allem mit der öffentlichkeitswirksamen Anrüchigkeit sogenannter SM-Requisiten. Die sehr viel interessantere Querverbindung der ›Aberration‹ (bzw. ihrer literarischen Ausformung) zu ihrem galizischen Hintergrund wird hier vernachlässigt. Denn bevor Sacher-Masoch sich endgültig als Liebhaber grausamer Frauen 1 Siehe Roman Dubasevych: Die Erinnerung an die Habsburgermonarchie in der ukrainischen Kultur der Gegenwart. Diss., Universität Wien 2013.

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Einleitung

einen Namen gemacht hatte, reüssierte er mit Geschichten aus Galizien – eine Motivik, die ebenso wie die strenge Dame im Pelz sein ganzes Oeuvre durchzieht. Aufgewachsen in einer habsburgischen Polizeidirektion an der sogenannten ›Peripherie‹ der Monarchie, zeigte Sacher-Masoch sich trotz seines frühen Weggangs aus Galizien (1848) Zeit seines Lebens ebenso fasziniert von der Gewaltpräsenz und den Züchtigungsmaßnahmen der Region wie aufmerksam beschäftigt mit der multikulturellen und polyphonen Gemengelage dieses Landstriches. Er war einer in einer ganzen Reihe an prominenten deutschsprachigen Schriftstellern aus Galizien und wusste aus der vielversprechenden Grenzlage des Kronlandes an der Schwelle zweier Imperien durchaus Kapital zu schlagen für den westeuropäischen Literaturmarkt. Dies hatte zur Folge, dass er als ständig existenziell schlingernder sogenannter ›freier‹ Schriftsteller neben ethnographisch verpackten, gesellschafts- und kulturgeschichtlich interessanten Erzählungen auch eine Unzahl an seichten Repetitionen seiner ausgewiesenen Kassenschlager produzierte (die slawische Domina bzw. der unfassbare slawische Osten, aber auch humoristische Gesellschaftsplaudereien sowie rührige Idyllen für die Familienblätter seiner Zeit). Gerade die Ambivalenz seines Werks wie seiner Person, zwischen kontroversem Gesellschaftskritiker und eitlem Selbstdarsteller, zwischen Meisterskizzen aus der multiethnischen galizischen Gesellschaft, dem Bedienen östlicher Stereotype und provokanten identitären Spielereien, machen ihn zu einem interessanten Ansatzpunkt für eine neuerliche Auseinandersetzung mit den originellen Auswüchsen der galizischen Literaturlandschaft. War Sacher-Masoch lange Zeit auch im deutschsprachigen Raum in Vergessenheit geraten, ist vor allem dem Herausgeber Michael Farin eine ganze Reihe neu edierter Sacher-Masoch-Texte und Quellensammlungen in den 1980ern zu verdanken2, als Sacher-Masoch lediglich als einschlägiger Exzentriker bekannt war. Neben Neuauflagen seiner zentralen Werke3 tauchte auch bald Galizien als »literarische Heimat«4 und »gemeinsame Literaturlandschaft«5 vor allem in der 2 Michael Farin (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch: Don Juan von Kolomea. Galizische Geschichten. Bonn 1985; Michael Farin (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch: Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985; Michael Farin (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987; Michael Farin (Hg.): Leopold von SacherMasoch: Seiner Herrin Diener : Briefe an Emilie Mataja. München 1987; Michael Farin (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch: Bruchstücke. Autobiographische Prosa 2. München 2009. 3 Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz. Frankfurt/Main 1980; Leopold von Sacher-Maoch: Jüdisches Leben in Wort und Bild [1892]. Wiesbaden 1986; Egidius Schmalzriedt (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch: Mondnacht. Geschichten aus Galizien. Berlin 1988; Adolf Opel (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch: Der Judenraphael. Geschichten aus Galizien. Wien 1989; Leopold von Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau. Passionsgeschichte eines Idealisten [1870]. Nördlingen 1989. 4 Stefan Kaszyn´ski (Hg.): Galizien – eine literarische Heimat. Poznan´ 1987. 5 Fridrun Rinner (Hg.): Galizien als gemeinsame Literaturlandschaft. Innsbruck 1988.

Einleitung

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germanistischen Literaturwissenschaft auf. Sacher-Masoch wurde dabei als schillerndes enfant terrible der Sexualpathologie bei gleichzeitig starken biographischen wie literarischen Galizien-Bezügen zu einer dankbaren Referenzpersönlichkeit.6 Die reiche Galizien-Literatur darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass SacherMasoch meist zur Untermauerung des Galizien-Mythos herhalten musste, las man seine Erzählungen zum Teil zu Recht als sentimentale, historisch zweifelhafte, verklärende Erinnerungen an eine versunkene Landschaft der Kindheit, die der notorische Vielschreiber, angereichert mit masochistischen Phantasien vom ›slawischen Osten‹, erfolgreich auf den westeuropäischen Literaturmarkt warf.7 Diese Facette Sacher-Masoch’scher Galizien-Bezüge ist nicht von der Hand zu weisen. Diese Arbeit macht es sich jedoch zur Aufgabe, Sacher-Masochs GalizienReferenzen aus dem Schatten slawischer Obsessionen und memoirenhafter Mythifizierungen oder aber genrebildhafter Hintergrundkulissen zu schälen. Stattdessen soll der vielbeschworene Raum Galizien als Objekt vielerlei Diskurse und 6 Andrea Wodenegg: Das Bild der Juden Osteuropas. Ein Beitrag zur komparatistischen Imagologie an Textbeispielen von Karl Emil Franzos und Leopold von Sacher-Masoch. Frankfurt/Main 1987; Hartmut Steinecke: Sacher-Masoch. Europäische Perspektiven eines galizischen Erzählers. In: Fridrun Rinner, Klaus Zerinschek (Hg.): Galizien als gemeinsame Literaturlandschaft. Beiträge des 2. Innsbrucker Symposiums polnischer und österreichischer Literaturwissenschaftler. Innsbruck 1988, S. 143–150; Hans Otto Horch: Der Außenseiter als ›Judenraphael‹. Zu den Judengeschichten Leopolds von Sacher-Masoch. In: Hans Otto Horch, Horset Denkler (Hg.): Conditio Judaica: Judentum, Antisemitismus und deutschsprachige Literatur vom 18. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg. Tübingen 1989, ´ ska: Problemfeld Galizien in der deutschsprachigen Prosa 1846– S. 258–286; Maria Kłan ´ ska: Daleko od Wiednia: Galicja w oczach pisarzy nie1914. Wien 1991 bzw. Maria Kłan mieckoje˛zycznych 1772–1918 [Fern von Wien – Galizien in den Augen deutschsprachiger Schriftsteller]. Krakjw 1991; Primus Heinz Kucher : Drehscheibe Galizien – zu Leopold von Sacher-Masoch In: Johann Holzner, Stefan Simonek, Wolfgang Wiesmüller (Hg.): RusslandÖsterreich: literarische und kulturelle Wechselwirkungen. Bern, Berlin, Bruxelles 2000, S. 37– 56; Alexandra Strohmaier : Der »Columbus des Ostens« – Leopold von Sacher-Masoch als literarischer Ethnograph der Habsburgermonarchie. In: Karl Acham (Hg.): Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz. Werk und Wirken überregional bedeutsamer Künstler und Gelehrter : vom 15. Jahrhundert bis zur Jahrtausendwende. Wien 2009, S. 315–328; AnnaDorothea Ludewig: Fiktionale Authentizität und poetischer Realismus. Die literarische Annexion und Rezeption Galiziens am Beispiel der Ghettogeschichten von Karl Emil Franzos und Leopold von Sacher-Masoch. In: Giersch Paula, Krobb Florian, Schößler Franziska (Hg.): Galizien im Diskurs. Inklusion, Exklusion, Repräsentation. Frankfurt/Main 2012, S. 137–153. 7 Siehe Albrecht Koschorke: Leopold von Sacher-Masoch. Die Inszenierung einer Perversion. München 1988; Kai Kauffmann: Slawische Exotik und Habsburger Mythos. Leopold von Sacher-Masochs Galizische Erzählungen. Germanisch-Romanische Monatsschrift. Nr. 52, 1, 2002, S. 175–190; Aleksandr E˙tkind: Die russischen Leidenschaften des Leopold SacherMasoch. In: Peter Weibel (Hg.): Phantom der Lust. Visionen des Masochismus. Essays und Texte, Bd. 1. München 2003, S. 162–173; Michael Gratzke: Rückkehr nach Kolomea. Räume und Grenzen des Masochismus. In: Peter Weibel (Hg.): Phantom der Lust. Visionen des Masochismus. Essays und Texte, Bd. 1. München 2003, S. 88–101.

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Einleitung

performativer Ansätze8 beleuchtet werden: Anhand neuer Quellen und alter Stellungnahmen wird der Strategie von Sacher-Masochs nachdrücklichen Galizien-Bezugnahmen, den Grundlagen seines Interesses und Anliegens für Galizien nachgespürt. Zudem werden galizienrelevante Schwerpunkte und Sonderaspekte seines literarischen Werks herausgearbeitet. Neben Sacher-Masochs vielfältiger Funktionalisierung Galiziens kommen auch polnische und ukrainische Perspektiven zu Wort und sollen exemplarisch für die diskursive Gemachtheit9 und literarische Verflechtungsgeschichte von Räumen stehen. Der untersuchte Textkorpus setzt sich dabei aus Sacher-Masochs Erzählungen wie autobiographischen Texten und diversen Briefwechseln zusammen, die seine stete Auseinandersetzung mit Galizien abbilden. Mediale Stellungnahmen ergänzen das Bild, das von Sacher-Masoch als ›Galizier‹ kolportiert wurde bzw. wird. Von der ersten »galizischen Geschichte«10 1858 über seinen Briefwechsel mit ruthenischen Abgeordneten in den 1860ern bis zu seinen autobiographischen galizischen Selbstverortungen in Pariser Zeitungen in den späten 1880ern spannt sich der Bogen seiner konstanten Auseinandersetzung mit Galizien. Welche Relevanz Sacher-Masoch Galizien in seinem Leben und Schaffen zudachte, davon handeln die in dieser Arbeit aufgegriffenen Aspekte. Die Pflege seines Galiziertums war eine unübersehbare Strategie von SacherMasochs biographischer Verortung und seines self-fashionings – welche Rolle Galizien in seiner Auto(r)inszenierung spielte und wovon die wechselhaften öffentlichen Selbstdarstellungen im Kontext Galizien abhingen, davon handelt das erste Kapitel. Die Kultivierung einer galizischen Identität in Abhängigkeit von zeitgenössischen literarischen und politischen Diskursen stehen dabei ebenso zur Diskussion wie Sacher-Masochs Etappen einer Selbst(er)findung als slawischer Künstler. Der Schwerpunkt des ersten Kapitels gilt jedoch vor allem 8 Siehe Doerte Bischoff: Das Spiel mit den Juden. Zur Problematik von Komik und Theatralität in Leopold von Sacher-Masochs Judengeschichten. In: Willi Jasper, Eva Lezzi (Hg.): Juden und Judentum in der deutschsprachigen Literatur. Wiesbaden 2006, S. 265–299; Alexandra Strohmaier : Masochismus, Macht und Monarchie. Szenarien der Unterwerfung in politischer und psychopathologischer Perspektive. In: Peter Deutschmann (Hg.): Konfliktszenarien um 1900: politisch – sozial – kulturell. Wien 2011, S. 325–342; Christoph Dolgan: Poesie des Begehrens. Textkörper und Körpertexte bei Leopold von Sacher-Masoch. Würzburg 2009; Iulia-Karin Patrut: Künstlerische Verortungen. (Post-)Koloniale Poetiken Leopold von Sacher-Masochs und Karl Emil Franzos’. In: Paula Giersch, Florian Krobb, Franziska Schößler (Hg.): Galizien im Diskurs. Inklusion, Exklusion, Repräsentation. Frankfurt/Main 2013, S. 155–182. 9 Siehe Alexandra Strohmaier : Zur Konstitution des Raumes durch diskursive und performative Praxis. In: Wolfgang Müller-Funk, Marijan Bobinac (Hg.): Gedächtnis – Idenität – Differenz. Zur kulturellen Konstruktion des südosteuropäischen Raumes und ihrem deutschsprachigen Kontext. Tübingen 2008, S. 25–42, hier S. 33. 10 Leopold von Sacher-Masoch: Graf Donski. Eine galizische Geschichte. Schaffhausen 1858.

Einleitung

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der öffentlichen Diskussion des »galizischen Erzählers«, der Wahrnehmung Sacher-Masochs im damaligen Galizien und dessen Nachfolgestaaten. Widmete man sich bisher fast ausschließlich der Position Sacher-Masochs als galizischem Sonderling im westeuropäischen Kanon11, soll hier auch die polnische und ukrainische Presselandschaft eine Stimme haben. Das galizische Ressort auf dem Schlachtfeld der literarischen Öffentlichkeit (auch im deutsch- und französischsprachigen Raum) beanspruchte Sacher-Masoch keineswegs allein. Als selbsternannter literarischer Repräsentant Galiziens ist daher die Rezeptionsgeschichte von besonderem Interesse. Ein Einblick in ausgewählte Quellen soll Schwerpunkte und Streitpunkte der polnischen und ukrainischen SacherMasoch-Rezeption von damals bis heute aufzeigen und einen Einblick gewähren, wie mit Sacher-Masoch als kurioser Figur der eigenen kulturellen Landschaft umgegangen wurde und wird. Kapitel zwei widmet sich dem spezifischen Potenzial von borderlands. Die Heterogenität von Grenzräumen und Schwellengebieten erweist sich nach Jurij Lotman stets als besonders fruchtbar für die Verflechtung von Diskursen.12 Worin aber besteht das ›Potenzial des slawischen Ostens‹ bzw. Galiziens für Sacher-Masoch? Galizien wird hier als habsburgische Variante eines inneren ›eigenen‹ Ostens befragt und als Schwellenraum für eine vielfache Funktionalisierung gedeutet. Sacher-Masochs Galizien soll in diesem Kapitel als Resonanzund Anwendungsraum für die Bedürfnisse der Zeit, gewissermaßen als Landschaft der Moderne untersucht werden. Ein Teil davon ist die augenscheinliche Nutzung der ›halbasiatischen‹ Grenzlandschaft Galiziens als Projektionsraum für eine dem westeuropäischen Literaturmarkt sehr zuträgliche ›Poesie des Ostens‹. Von der Mischung aus orientalistischen und kolonialistischen Diskursen, die auch vor Galizien als literarisch zu erobernder Peripherie nicht Halt machten, wusste Sacher-Masoch sehr wohl zu profitieren. Vielmehr interessiert jedoch die Frage, was Sacher-Masochs Galizien außerhalb dieser Narrative zu bieten hat. Der slawische Osten bzw. konkret Ostgalizien wurde nicht nur als poetischer Fluchtraum und nostalgischer Projektionsraum genutzt, sondern trägt bei Sacher-Masoch deutlich zukunftsweisende bis eschatologische Züge. Welche Facetten eröffnet also Sacher-Masochs Galizien neben dem überstrapazierten nostalgischen Erinnerungsraum und exotisch-marktstrategischen Nutzungsfeld noch? Anhand von Erzählungen, aber auch persönlichen Stel11 Maria Kłan´ska: Problemfeld Galizien in deutschsprachiger Prosa 1846–1914. Wien 1991; Larissa Cybenko: Galicia miserabilis und/oder Galicia felix? Ostgalizien in der östererichischen Literatur. Lv’iv 2008; Kucher : Drehscheibe Galizien; Steinecke: Europäische Perspektiven; Anna Stroka: Zum Galizienbild im Werk von Leopold von Sacher-Masoch. Germania Wratislaviensia. 93, Acta Universitatis Wratislaviensis 1327, 1992, S. 212–228. 12 Siehe Juri M. Lotman: Die Innenwelt des Denkens: Eine semiotische Theorie der Kultur. Berlin 2010.

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Einleitung

lungnahmen wird Sacher-Masochs Auseinandersetzung nicht nur mit einer Landschaft der Erinnerung dargelegt, sondern auch in den Kontext zeitgenössischer Debatten um alternative Gesellschaftsordnungen und die brennenden Diskussionen zur ukrainisch-nationalen Selbstbehauptung gestellt. Kapitel drei geht näher auf den performativen Charakter von Sacher-Masochs Selbstdarstellung ein, und setzt ihn in Bezug zu einer allgemeinen Inszenierungslust, die in Sacher-Masochs Werk eine augenfällige Rolle spielt. Inszenierung wird dabei als Vorgang verstanden, der »durch eine spezifische Auswahl, Organisation und Strukturierung von Materialien/Personen etwas zur Erscheinung bringt«.13 Das Kapitel beschäftigt sich zum einen mit dem biographischen Rollenspiel, das Sacher-Masoch auf der Bühne seines Lebens inszenierte – vor allem mit der Häufung von Theaterbezügen, Theatervokabular als auch Requisiten, welche in seinen persönlichen Beziehungen, seinem biographischen Stück und dem Dunstkreis seiner Bekanntschaften in Graz eine auffallende Rolle spielen. Zum anderen stellt sich die Frage, wie die ebenso enorme Verkleidungslust, das Theaterspiel und die zahlreichen Kostümierungen in SacherMasochs literarischem Werk zu deuten sind und was sie »zur Erscheinung bringen«? Der beständige Wechsel zwischen Sein und Schein, die zahlreichen komödiantischen Verkehrungen, das In-der-Schwebe-Lassen von Identitäten, die steten Anspielungen auf ein theatrum-mundi-Konzept mögen gerade im Kontext des multiethnischen Galizien eine eigene Bedeutungsebene auftun. Sind Schauspieler, Gaukler, Theaterfiguren, aber auch Possenreißer und Narren, die zwischen althergebrachten Ordnungen und provokativer Umkehrung gesellschaftlicher Normen ihre Komödien treiben, lediglich Part von Sacher-Masochs persönlicher Kostümierungs- und Verschleierungsobsession, Teil seiner masochistischen Rollenspiele – oder aber geben sie Hinweise auf eine mögliche subversive gesellschaftskritische Lesart? Die Arbeit will nicht nur der germanistisch bzw. von Masochismus-Studien dominierten Sacher-Masoch-Forschung14 eine komparatistische Note hinzufügen, die den deutschsprachigen Schriftsteller auch in zeitgenössischen polni13 Erika Fischer-Lichte: Inszenierung und Theatralität. In: Herbert Willems, Martin Jurga (Hg.): Inszenierungsgesellschaft: ein einführendes Handbuch. Opladen 1998, S. 81–92, hier S. 87. 14 Gilles Deleuze: Sacher-Masoch und der Masochismus [1967]. In: Sacher-Masoch: Venus im Pelz. Frankfurt/Main 1980, S. 163–281; Monika Treut: Die grausame Frau. Frankfurt/ Main 1984, Farin: Galizische Geschichten; John K. Noyes: The Mastery of Submission. Inventions of Masochism. Ithaca 1997; Michael Gratzke: Liebesschmerz und Textlust: Figuren der Liebe und des Masochismus in der Literatur. Würzburg 2000; Ingrid Spörk, Alexandra Strohmaier (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch. Graz 2002; Peter Weibel (Hg.): Phantom der Lust: Visionen des Masochismus. Essays und Texte. Bd. 1. München 2003; Dolgan: Poesie des Begehrens; Torben Lohmüller : Die verschlagene Lust. Zur ästhetischen Subversion im Masochismus. Heidelberg 2006.

Einleitung

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schen und ukrainischen gesellschaftspolitischen wie literarischen Debatten verortet, sondern auch der mittlerweile reichen kulturwissenschaftlich-literaturwissenschaftlichen Galizien-Forschung15 einen vermeintlich altbekannten Schriftsteller neu vorstellen, dessen Galizien-Bezüge keineswegs auf fantastisch literarisierte Erinnerungen limitiert sind: bei näherem Hinsehen verlieh er der westeuropäischen bzw. habsburgischen Auseinandersetzung mit östlichen Peripherien vielsagende bis provokante Zwischentöne. Sacher-Masoch soll nicht auf den orientalisierenden Schwärmer reduziert, sondern auch als wacher Beobachter von Nationalisierungstendenzen und des gesellschaftspolitischen Erneuerungspotenzials multikultureller Räume sowie als streitbarer Exponent der ›Galizien-Literatur‹ vorgestellt werden. Mit seinen spielerisch-brüchigen Identitätskonstruktionen soll Sacher-Masoch zudem als Kind seiner Zeit und gewissermaßen bereits als Vertreter der Moderne beleuchtet werden.16 Das ›Potenzial der Peripherie‹ eröffnete Sacher-Masoch mehrere Möglichkeiten der Funktionalisierung des Raums Galizien, von denen diese Arbeit einige herausgegriffen hat.

15 Dietlind Hüchtker : Der »Mythos Galizien«. Versuch einer Historisierung. In: Michael G. Müller, Rolf Petri (Hg.): Die Nationalisierung von Grenzen. Zur Konstruktion nationaler Identität in sprachlich gemischten Grenzregionen. Marburg 2002, S. 81–107; Larissa Polubojarinova: Leopol’d fon Zacher-Mazoch. Avstrijskij pisatel’ epochi realizma [Leopold von Sacher-Masoch. Ein österreichischer Schriftsteller des Realismus]. St. Peterburg 2006; Ulrich Bach: Sacher-Masoch’s Utopian Peripheries. German Quarterly. Bd. 80, Nr. 2, 2007 (spring), S. 201–219; Larry Wolff: The Idea of Galicia. History and Fantasy in Habsburg Political Culture. Stanford 2010; Jaques Le Rider, Heinz Raschel (Hg.): La Galicie au temps des Habsbourg (1772–1918). Histoire, soci8t8, cultures en contact. Tours 2010; Krzysztof Fiołek, Marian Stala (Hg.): Krakjw i Galicja wobec przemian cywilizacyjnych (1866–1914). Studia i szkice. Krakjw 2010; Paula Giersch, Florian Krobb, Franziska Schößler (Hg.): Galizien im Diskurs. Inklusion, Exklusion, Repräsentation. Frankfurt/Main 2013; Jacek Purchla, Wolfgang Kos (Hg.): Mythos Galizien. Wien 2015. 16 Siehe auch Elisabeth Haid, Stephanie Weismann, Burkhard Wöller (Hg.): Galizien. Peripherie der Moderne – Moderne der Peripherie? Marburg 2013.

1.

Sacher-Masoch als ›Galizier‹

Das »veranstaltete Leben«, welches Koschorke in seiner Monographie SacherMasoch geradezu vorwirft, ist ein auffallender und prägnanter Zug in der Biographie des Autors, der sich vor allem durch »unermüdliche Öffentlichkeitsarbeit an der eigenen Person«17 auszeichnete, die ganz im Widerspruch zu seinem weitreichenden Vergessen während des 20. Jahrhunderts steht. Sacher-Masoch war »lebenslang sein eigener Reporter«18 geblieben und wusste bzw. wollte Präsentation und Wirklichkeit nicht unterscheiden, so der Tenor. Dem Charakter und den Auswirkungen dieser Selbstinszenierung und »lärmenden Mystifikation«19 vor allem im Hinblick auf Sacher-Masochs Pflege seines ›Galiziertums‹ ist dieses Kapitel gewidmet. Es eröffnet mit der Sondierung von Sacher-Masochs wechselhaften Selbstdarstellungen20 im Kontext Galizien und schließt mit einem Abriss der Fremdwahrnehmungs- und Rezeptionsgeschichte Sacher-Masochs in der polnischen wie ukrainischen Presse bzw. Öffentlichkeit. Die eigene Biographie stellt zweifellos einen wichtigen Paratext21 zum literarischen Werk dar, will man das Leben eines Autors ebenfalls als »Beiwerk des Buches«22 verstehen. Im Falle Sacher-Masochs ist die Relevanz des Autors als Erfinder der eigenen Lebens- und Literaturgeschichte besonders offenbar. Möglicherweise könnte man in einer Umkehrung Sacher-Masochs literarisches Werk 17 18 19 20

Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 7. Ebda., S. 14. Ebda., S. 10. Vgl. dazu die Einschätzung szenischer Selbstdarstellungen heute: »Selbstdarstellung präsentiert sich hier als ein Spiel mit den Identitäten, mit Multiplizierung und Inszenierung von Selbstbildern und stellt damit die Kategorie der Identität selbst in Frage: Es geht nicht mehr um die authentische Darstellung eines Selbstverhältnisses, sondern um ein Spiel mit Darstellungsformen. Die Frage nach der Instanz, die Glaubwürdigkeit, Echtheit oder Aufrichtigkeit verbürgt, wird in einem solchen Zusammenhang belanglos, und Authentizität wird zu einem reinen Darstellungsproblem.« Annemarie Matzke: Testen, Spielen, Tricksen, Scheitern. Formen szenischer Selbstinszenierung im zeitgenössischen Theater. Hildesheim 2005, S. 39. 21 Gérard Genette: Paratextes. Paris 1987. 22 Gérard Genette: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches. Berlin 2001.

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auch als »Paratext« zu seiner autobiographischen Konstruktion Galiziens verstehen. Sacher-Masoch gehört mit seiner unermüdlichen Arbeit am ›Image‹, mit seinem Entwurf einer ›Pop-Identität‹ sicher zu den herausragenden Exemplaren der Verquickung von Fiktion und Fakten. Seine autobiographischen Skizzen und Einschübe »haben das gut kalkulierte Format eines Fortsetzungsfeuilletons«.23 Sacher-Masochs Auto(r)inszenierung, sein genealogisches self-fashioning als exotischer Slawe im westlichen Literaturbetrieb24, seine kokette Selbstorientalisierung verkörpern gewissermaßen den »Triumph der Literatur über das Leben«.25 Insofern kann man sich im Falle Sacher-Masochs zu Recht fragen: »Wir nehmen an, das Leben würde die Autobiographie hervorbringen wie eine Handlung ihre Folgen, aber können wir nicht mit gleicher Berechtigung davon ausgehen, das autobiographische Vorhaben würde seinerseits das Leben hervorbringen und bestimmen?«26 Lässt sich somit nicht (auch) behaupten, dass Sacher-Masochs Novellen und Erzählungen seine ›galizische‹ Biographie erst formten? Sein intensiv betriebenes biographisches Maskenspiel hatte deutlich performativen Charakter27 zu dem Zwecke, mögliche interessante Leben(sentwürfe) zu simulieren. Sacher-Masoch hat sich als Autor stets spielerisch bis provokant zwischen den Polen des Authentischen und der Täuschung bewegt, wobei es gerade die Gesten der Authentizität und Originalität sind, welche Mystifikation garantieren und Geheimnis erzeugen – Autorschaft und Originalität können damit selbst Teil der Fiktion werden.28 So handelt es sich letztlich bei Selbstdarstellung »um das Geben und Nehmen von Gesichtern, um Maskierung und Demaskierung«29 – in Abhängigkeit von den angestrebten Effekten. Sacher-Masochs autobiographische Rollenspiele mögen ihre Wurzel in seinen ursprünglichen theatralen Ambitionen30 gehabt haben, bevor er sich offenbar unter dem Druck seines Vaters zu einer soliden universitären Karriere überreden ließ. Jedoch blieb Sacher-Masoch Zeit seines Lebens der Bühne verbunden, wie seine Theaterbezüge31 zeigen. Auch in

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Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 7. Siehe Strohmaier : Columbus des Ostens. Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 14. Paul de Man: Autobiographie als Maskenspiel. In: Christoph Menke (Hg.): Die Ideologie des Ästhetischen. Frankfurt/Main 1993, S. 131–146, hier S. 132. Vgl. auch Ethel Matala de Mazza, Clemens Pornschlegel: Einleitung. In: Ethel Matala de Mazza, Clemens Pornschlegel (Hg.): Inszenierte Welt. Theatralität als Argument literarischer Texte. Freiburg im Breisgau 2003, S. 9–23. Nach Susi K. Frank, Renate Lachmann, Sylvia Sasse: Vorwort. In: Susi Frank, Renate Lachmann (Hg.): Mystifikation – Autorschaft – Original. Tübingen 2001, S. 7–21, hier S. 7. de Man: Autobiographie als Maskenspiel, S. 140. Bernard Michel: Sacher-Masoch 1836–1895. Paris 1989, S. 5; Leopold von SacherMasoch: Eine Autobiographie [1879]. In: Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985, S. 60–67, hier S. 65. Larissa Cybenko: »Jetzt heißt es auftreten, eine neue Szene beginnt«: Leopold von Sacher-

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seinem literarischen Oeuvre wie publizistischen Beiträgen32 reichen die TheaterOvationen von der Thematisierung improvisierter Provinzbühnen33 bis zur Huldigung von Schauspiel-Granden.34 Auch als junger Privatdozent pflegte er einen stark nach außen getragenen theatral-byronischen Nimbus. Der junge Historiker bewies sich an der Grazer Universität als ›Showman‹35 und reüssierte mit diesem Habitus als ›interessante Figur‹. Dabei spielten sowohl hinsichtlich seiner eigenen biographischen Positionierung als auch seiner fiktionalen Sujets und Charaktere die mystifikatorischen Strategien der Täuschung, Verhüllung, Entschleierung und Mythenbildung eine konstituierende Rolle.36 Der Herstellung von Identität wohnt stets auch eine performative Komponente inne, bei Sacher-Masochs identitären Rollenspielen ersetzt des Öfteren Simulation die Wirklichkeit und erscheint Fingiertheit als echt maskiert. Sacher-Masochs Kultivierung von slawischer Exotik bzw. einer galizisch-slawischen Identität sind gewiss auch seiner Tendenz zuzuschreiben, sein Leben wie seine Neigungen immer wieder zu einem Literaturereignis37 zu machen. Etwas harscher formuliert, mag man es folgendermaßen verstehen: »Was ihm in den Jahren des Erfolgs von den Kritikern als künstlerische Authentizität gutgeschrieben wurde, ist dort, wo er sich autobiographisch betätigt, Stilprinzip der Lüge schlechthin.«38 Oder aber handelt es sich lediglich um einen altbewährten Kunstgriff performativer Autofiktion, geht man davon aus, dass Autobiographisches kaum ohne fiktionale Elemente auskommt und der an ein Publikum gerichtete Lebensbericht als Teil einer wohldurchdachten performance gelesen werden muss.

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Masoch und die Welt des Theaters. In: Marion Kobelt-Groch, Michael Salewski (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch. Ein Wegbereiter des 20. Jahrhundert. Hildesheim 2010, S. 221–244. Siehe Sacher-Masoch: Musik und Theater. Siehe Leopold von Sacher-Masoch: Sascha und Saschka. In: Der kleine Adam. Sascha und Saschka. Berlin 1885, S. 47–177; Leopold von Sacher-Masoch: Fahrende Komödianten. In: Galizische Geschichten. Teil 1. Leipzig o. J., S. 5–28. Leopold von Sacher-Masoch: Eine slawische Schauspielerin [1889]. In: Bruchstücke. Autobiographische Prosa 2. München 2009, S. 109–113. Siehe Michel: Sacher-Masoch, S. 152–153; Lisbeth Exner : Leopold von Sacher-Masoch. Reinbek bei Hamburg 2003, S. 36. Siehe Kapitel 3. Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 7. Ebda., S. 15.

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1.1. Ein ›slawischer Künstler‹ – Etappen einer Selbst(er)findung Sacher-Masochs langfristig und ausgiebig zurechtarrangierte familiale und national-identitäre Genealogie verschob sich im Laufe seines Wirkens vom deutschösterreichischen Beamtensohn39 zunehmend hin zum slawischen Künstler40 – Prozess einer gekonnt wechselhaften Schwerpunktlegung, die sich in Abhängigkeit von zeitgenössischen Ansprüchen, Erwartungen, von marktstrategischer und auch politischer Selbstpositionierung zeigt. Im Kontext der boomenden slawischen Exotik am westeuropäischen Literaturmarkt frönte Sacher-Masoch einer zunehmenden Selbstorientalisierung wie auch einer Exotisierung Ostgaliziens, welches in seinen Schriften zuvorderst als rückständige, aber auch märchenhafte Peripherie präsentiert wird: Wir lebten wie Trapper unter Indianern, immer das Gewehr unter dem Arm. Den Sommer verbrachten wir gewöhnlich in unserem Landhaus in Winiki, einem großen Dorf in der Nähe Lembergs, auf einer Anhöhe gelegen, umgeben von Sümpfen, großen Weihern und herrlichen Wäldern. Dort hatte ich mehr Freiheit, und unser großer, halbverwilderter Garten wurde das erste Theater41 meiner Träume und meiner Heldentaten. Mein Vater war ein echter Adeliger jener Zeit, wohlerzogen, elegant, heiter und ritterlich, von den Frauen geliebt, seinem Kaiser treu ergeben […]42

Hier wird das aristokratische Elternhaus alter Schule präsentiert, darüber hinaus die Freiheit des privilegierten Beamtensohnes, der sich – abseits des amtlichen Korsetts der habsburgischen Mission – im zivilisatorisch exterritorial anmutenden Raum der Entdeckung und Eroberung einer halbwilden Landschaft sowie seiner selbst widmen konnte. Deutlich erschließt sich diese Vorstellung vom ›wilden Osten‹ als Erprobungs- und Gründungsraum43 mit kolonialem Beigeschmack anhand der autobiographischen Souvenirs, welche 1887 exklusiv für den Pariser Le Gaulois verfasst wurden und denen das obige Zitat entnommen ist. Das französische Publikum brachte dem ›Slawischen Osten‹ im Allgemeinen und Galizien im Speziellen andere und für gewöhnlich geneigtere Exotik-Assoziationen entgegen, im Gegensatz zum deutschsprachigen Publi39 Kindheit als Sohn des habsburgischen Polizeidirektors im Kronland Galizien 1836–1848, Besuch des Deutschen Gymnasiums in Lemberg 1844–1848, Versetzung des Vaters nach Prag 1848, Studium an der Universität Prag, Versetzung des Vaters nach Graz, Habilitation als Historiker und Privatdozentur an der Universität Graz, Schriften zu habsburgischen Themengebieten. 40 Vgl. Sacher-Masoch: Autobiographie, S. 65–67. 41 Zur augenfälligen Theatermetaphorik siehe Kapitel 3. 42 Leopold von Sacher-Masoch: Mein Vater. In: Leopold von Sacher-Masoch. Bruchstücke. Autobiographische Prosa 2. München 1887, S. 27–29, hier S. 28. 43 Zum mythopoetischen Potenzial des Topos der Steppe Alfrun Kliems, Mathias Messenhöller : Ein Kampf um Ordnung. Europa, die Steppe, die Leinwand und das Nichts. Behemoth. A Journal on Civilisation. Nr. 2, 2009, S. 29–44.

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kum, bei welchem anzunehmen ist, dass es topographisch und politisch jenem ›Osten‹ etwas zu nahe stand44. Sacher-Masochs lautstarke Selbstinszenierung bzw. Selbsterfindung vor der Kulisse des österreichischen Galizien und dem von der Kritik generierten Bild eines ›halb-asiatischen‹ Schriftstellers bzw. slawischen Exoten steht in engem Zusammenhang mit dem Erwartungshorizont des westeuropäischen Publikums jener Zeit. Es darf nicht vergessen werden, dass Sacher-Masoch sich auf einem Feld der kulturellen Produktion behaupten musste, welches zunehmend von Preußen dominiert wurde. Mit seiner markanten Selbstbestimmung als schwer zu definierender plurikultureller ›Galizier‹ stand er gewissermaßen auch einer Tendenz zur Homogenisierung des deutschen literarischen Feldes gegenüber, die auch Auswirkungen auf den literarischen Kanon zeitigte.45 Die Grenzen und Hierarchien eines literarischen Erfolges in Deutschland maßen sich damals an Schriftstellern wie Gustav Freytag.46 Vor diesem Hintergrund versuchte Sacher-Masoch sich als Exot, indem er auf den Turgenev-Boom aufsprang. Seine erfolgreich kolportierte ›slawische Herkunft‹ war ein marktstrategischer Kunstgriff, der ihm vermutlich im Zuge der Entstehung seiner ersten Erfolgsnovelle Don Juan von Kolomea um 1865 nicht zuletzt von Friedrich Kürnberger nahegelegt wurde.47 Denn was sich in jener Zeit der literarischen Anfänge Sacher-Masochs zur ›Image-Pflege‹ anbot, war vor allem das Russische, das aufgrund der immensen Erfolge von Turgenevs Prosa im westeuropäischen Raum zu dem Konversationsthema des kultivierten öffentlichen Diskurses avancierte.48 Mit Turgenevs Erzählungen und Romanen eroberten russische Landadelige und Bauern, die Atmosphäre von Leibeigenschaft und Nihilismus, der russische Kollektivismus sowie russische Religiosität die Salons und Bürgerstuben Westeuropas.49 Turgenevs Prosa steigerte sich 44 Siehe Gregor Thum: Megalomania and Angst. The 19th-century Mythicization of Germany’s Eastern Borderlands. In: Omer Bartov, Eric Weitz (Hg.): Shatterzone of Empires: Coexistence and Violence in the German, Habsburg, Russian, and Ottoman Borderlands. Bloomington 2013, S. 42–60. 45 Vgl. Polubojarinova: Sacher-Masoch, S. 61–66 [Kapitel: ; _b_RV^^_bcp] ^V]Vg[_pXlh^_T_ aVQ\YX]Q]. 46 Zu Sacher-Masoch: »[…] ein Realismus eigener Art, der sich von der zeitgenössischen Debatte (Freytag – Schmidt – Vischer-Linie) deutlich abhob, andererseits sich keineswegs nur auf eine besondere, exotische national-folkloristische Einkleidung beschränkte.« Kucher : Drehscheibe Galizien, S. 42. 47 »Kürnberger war außer sich. […] Er stellte mich mit Boz-Dickens, Sealsfield und Iwan Turgenjew in eine Reihe, und schrieb seine berühmte Vorrede, in welcher er bewies, daß der slavische Osten dem Westen ganz Neues zu bieten habe […].« Sacher-Masoch: Autobiographie, S. 67. 48 Siehe J. Eichholz: Turgenev in der deutschen Kritik bis zum Jahre 1883. Germanoslavica. Jg.1, H.4, 1931/32, S. 557–593; Günther Wytrzens: Zur österreichischen Turgenev-Rezeption bis 1918. Wiener slavistisches Jahrbuch. Bd. 28, 1982, S. 107–126. 49 Vgl. Larissa Polubojarinova: Sacher-Masoch und die Slawen. In: Ingrid Spörk, Alex-

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letztendlich »zum Kompendium des Slawischen par excellence«.50 Kenntnisse über Russland wurden hauptsächlich über dessen Texte tradiert, die europaweit diskutierten ›russischen Realia‹ entsprangen zum großen Teil der TurgenevLektüre der westeuropäischen Bourgeoisie.51 »Wenn es ›slawisch‹ zu wirken galt, müsse man sich an Turgenjew anlehnen«52, schien Sacher-Masoch beschlossen zu haben. Sein Fürsprecher Kürnberger, der, so darf vermutet werden, nicht wenig Anteil an der Geburt dieses »kleinrussischen Turgenev« hatte, war entsprechend ›turgenevianisch‹ vorbelastet.53 Sacher-Masochs »literarisches Doppelgängertum« reichte dabei »von direkten textuellen Anleihen […] über produktives Umdeuten und Umgestalten des Turgenjewschen Stoffes bis hin zur zentralen Überschneidung der beiden Autoren im Brennpunkt ›Masochismus‹.«54 Sacher-Masochs Auftreten als slawischer Aristokrat und Gentleman in der Nachfolge seines russischen Vorbildes sicherte ihm die Rolle eines Experten. Sein Ruf aber ging über den deutschsprachigen Raum hinaus und gestand ihm den Rang des Connaisseurs nicht nur im Westen zu, sondern reichte bemerkenswerterweise von Paris (wo man mit dem Ableben Turgenevs den vakanten Posten mit dieser neuen ›slawischen Berühmtheit‹ besetzte55) bis Moskau – Sacher-Masoch wurde zu seiner Zeit in Russland56 erstaunlich viel gelesen, übersetzt und gewürdigt.

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andra Strohmaier (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch. Graz 2002, S. 222–250, hier S. 229– 230. Ebda., S. 231. Ebda., S. 103. Ebda., S. 231. Siehe Friedrich Kürnberger : Turgenjew und die slawische Welt [1866]. In: Literarische Herzenssachen. Wien 1877, S. 102–115. Polubojarinova: Sacher-Masoch und die Slawen, S. 231. Ebda., S. 112; Glinka Tabak: Iwan Turgenjews Einfluß auf die deutsche Literatur. Diss., Universität Wien 1926. Siehe Polubojarinova: Sacher-Masoch und die Slawen, S. 225. Außerdem die Rezension des russischen Literaturkritikers Nikolaj Michajlovskij: Nikolaj M. Michajlovskij: Palka o dvuch koncach [1877] [Ein zweischneidiges Schwert]. In: Socˇinenija, Bd.6, St. Peterburg 1897, S. 221–252; siehe auch die Erwähnung Sacher-Masochs in einem Briefwechsel des ˇ ernysˇevskij aus der sibirischen Verrussischen Schriftstellers und Revolutionärs Nikolaj C bannung an seinen Sohn, in dem er zur Lektüre Sacher-Masochs rät, der »höher einzuˇ ernysˇevskij: Polnoe sobranie socˇinenij. Bd.15. schätzen« wäre als Flaubert: Nikolaj G. C Moskva 1950, Brief vom 14. Mai 1878, S. 286; sowie die böse Replik Nabokovs, welcher sich im 4. Kapitel seines Romans Dar u. a. über diese Empfehlung lustig macht: Vladimir Nabokov : Dar [Die Gabe] [1938]. New York 1952. Siehe auch E˙tkind: Russische Leidenschaften. Für den Hinweis auf zahlreiche Übersetzungen von Sacher-Masochs Erzählungen in Kiever russischsprachigen Zeitungen von 1870–1890 danke ich Ostap Sereda. So etwa erschienen im Kievljanin 1877 mindestens drei Erzählungen Sacher-Masochs – darunter Oprysˇek Magas [Magaß, der Räuber], Skazka o ˇscˇast’e [Das Märchen vom Glück] sowie Vampir – meist unter der Bezeichnung »iz galickich nravov« [Aus dem galizischen Leben]. 1876 ebendort Kolomejskij Don-Zˇuan, Balaban [Der Kapitulant] sowie 1892 Princessa.

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Sacher-Masochs ›slawischer‹ Hintergrund muss dabei teilweise als Sensationsstrategie gelesen werden, wobei das Unerhörte als Wirkliches ausgegeben wird und Maskerade als Teil einer verkaufsfördernden Strategie des Außerordentlichen zu verstehen ist.57 Die Lust an der Halbwahrheit, welche die Biographie zum Bestandteil einer literarischen Wirklichkeit macht, charakterisiert Sacher-Masoch als Dramaturg seines eigenen Lebens, als Regisseur seiner eigenen Biographie und Autor einer Vielzahl von Rollen.58 Sacher-Masochs Inszenierung einer besonderen Lebenskultur muss als gezielte Öffentlichkeitsarbeit an der eigenen Person verstanden werden. Dieses mise en scHne von Exotik lässt sich als Ersatzleben deuten, das dem Schriftsteller, welcher sich durchwegs in der ›Provinz‹ bewegte (man denke an seine langjährigen Stationen in Bruck an der Mur oder Lindheim in Hessen), einen Projektionsraum eröffnete für eine unerfüllte Sehnsucht nach dem Außerordentlichen.59 Koschorke monierte, dass Sacher-Masochs Geschichten aus dem ›Slawischen Osten‹ lediglich »Vitalität aus zweiter Hand, gleichsam mitstenographiertes Leben« wären, die dem Leben theatralische Nebenschauplätze eröffneten.60 Dass Sacher-Masoch jedoch mit seinem Kunstleben als Lebenskunst auch auf die Moderne vorausweist, die Selbstinszenierungsstrategien mancher Schriftsteller der Jahrhundertwende recht früh vorwegnimmt, soll hier nicht unerwähnt bleiben und wäre gesondert zu untersuchen. Denn diese ›Lebenskünstler‹ fassten Innen und Außen, Einstellung und Kleidung, Natur und Habitus nicht als Gegensätze auf, sondern als Identitäten. Die Rolle war der Charakter.61 57 Vgl. Koschorkes Einschätzung: »Ohne den inzwischen ausgebleichten slawischen Landschaftsimpressionismus, ohne das längst erloschene Feuer der Perversion bleibt in SacherMasoch ein biederer Idyllenschreiber und schlechter sentimentaler Familienblattautor zurück.« Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 175; siehe auch Andreas Degen: Zwei Männer und eine Heldin. Maskerade und Geschlecht im Frühwerk Karl Mays und Leopold von Sacher-Masochs. In: Helmut Schmiedt, Dieter Vorsteher (Hg.): Karl May. Werk – Rezeption – Aktualität. Würzburg 2009, S. 111–126. 58 Vgl. »Sacher-Masochs Denken und Schreiben zeichnet sich durch eine Vielzahl an Sprüngen und Schwankungen, durch paradoxe Festlegungen und (oft antithetische) Widersprüche aus: Er zeigt sich ebenso kosmopolitisch wie provinziell, ebenso engagiert wie trivial, seinem Selbstbild als naivem Genie steht eine umfangreiche Belesenheit und das intertextuelle Spiel mit literarischen Versatzstücken gegenüber […].« Dolgan: Poesie des Begehrens, S. 8. 59 Vgl. »Und ich? Kein moderner Poet, nicht einmal Lord Byron hat so heftige Angriffe erfahren wie ich, und keiner ist schnell berühmt geworden und so gelesen, und nicht in Deutschland allein, in allen Literaturen Europas und sogar in Amerika für immer eingebürgert.« Leopold von Sacher-Masoch: Ueber den Werth der Kritik. Leipzig 1873, S. 86. 60 Vgl. Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 25 und S. 176. 61 Schamma Schahadat: Das Leben zur Kunst machen. Theoretische Überlegungen zur Lebenskunst. In: Schamma Schahadat (Hg.): Lebenskunst – Kunstleben. Zˇiznetvorcˇestvo v russkoj kul’ture XVIII–XX vv. München 1986, S. 15–48, hier S. 38; siehe auch Anne Kristin Tietenberg: Der Dandy als Grenzgänger der Moderne: Selbststilisierungen in Literatur und Popkultur. Berlin 2013; Ariane Martin: Biographische Travestien. Formen künstlerischer

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In den Schilderungen seiner Kindheit, angeblich geprägt von Freiheit und Naturerlebnis62, mit dem Fußnotenapparat volks- und landeskundlicher Anmerkungen eines Feldforschers, präsentiert sich Sacher-Masoch als interkultureller Vermittler zwischen einem überspannten Westen und dem ursprünglichen Osten. Zahlreiche seiner fiktionalen Rahmenerzähler streifen unter dem Namen Sacher als Turgenev’sche Jägerfiguren durch Wald und Flur seiner Erzählungen und gerieren sich als Grenzgänger zwischen den Kulturen und aristokratische Vertrauensperson ›unserer Bauern‹. Noch sein bescheidenes Leben in Bruck an der Mur – wo er um schriftstellerische Anerkennung und sexuelle Erfüllung rang, zwischen Kind und Kegel, Brotarbeit, Ehrenhändel63, Zeitschriftenkonkursen und einer überforderten Ehefrau64 – wusste er auszustaffieren als orientalisch-slawisches Refugium inmitten österreichischer Provinz: Nach manchen ernsten Kämpfen ist mein Leben zu einer Idylle geworden. Das Märchen vom Glück, das ich geschildert, es ist zur Wahrheit geworden in meiner Ehe. […]. Ich lebe still und einsam mit meiner Frau, meinen Kindern und der lauten Gesellschaft, die ich mir selbst erschaffe, in dem kleinen Bruck an der Mur mitten in den grünen Bergen und Wäldern der Steiermark, welche mich ein wenig an meine Karpathen mahnen. […] Mein größtes Vergnügen ist heute noch hier, wie es einst in meiner Heimath war, nur von meinem kleinen schwarzen Hund begleitet, die Flinte auf der Schulter das Land zu durchstreifen […].65 Und wenn ich dann zurückkehre und meine junge schöne Frau empfängt mich in ihrer behaglichen, mit Pelz besetzten Kazabaika, meine Kinder kommen mir jubelnd entgegen, die Eltern und Großeltern grüßen von den Wänden und der Samowar brodelt, dann habe ich keinen Wunsch mehr und kann sogar vergessen, daß ich in der Fremde bin.66

In diesen ursprünglich für das französische Publikum verfassten Erinnerungen ist zwischen Dichtung und Wahrheit nur schwer zu unterscheiden, zu sehr sind in Sacher-Masochs autobiografischer Prosa Versatzstücke seiner Erzählungen

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Selbstinszenierung in der Moderne. In: Günter Helmes (Hg.): Literatur und Leben. Anthropologische Aspekte in der Kultur der Moderne. Tübingen 2002, S. 117–129. »Im Sommer waren wir stets auf dem Land, in Zlazow oder dem wunderschönen Winiki; ich hatte eine kleine Flinte und eine Jagdtasche und durchstreifte, ganz mir selbst überlassen, Wald und Feld, Sumpf und Berge. Ich konnte stundenlang auf dem Teufelsfelsen sitzen und in die unermeßliche podolische Fläche hineinblicken. Damals schon waren die galizischen Bauern meine Lieblinge. […] Mein Vater nahm mich, so klein ich war, nicht allein auf die Schnepfen- und Wildenten-, sondern im Winter auch auf die Wolfsjagd mit.« SacherMasoch: Autobiographie, S. 62–63. »Daß ich viel schwamm, ritt, focht und turnte, versteht sich bei einem jungen Gentleman von selbst.«; ebda., S. 64. Siehe Sacher-Masochs Ehrenbeleidigungsarrest 1880 bei Exner : Sacher-Masoch, S. 98–99. Wanda von Sacher-Masoch: Meine Lebensbeichte: Memoiren [1905]. In: Lisbeth Exner, Michael Farin (Hg.): Wanda von Sacher-Masoch: Lebensbeichte. München 2003, S. 7–313. Solch turgenevartigen Erinnerungen auch in Sacher-Masochs Briefen an Emilie Mataja: Farin: Briefe an Emilie Mataja. Sacher-Masoch: Autobiographie, S. 75–76.

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verwoben oder aber Erlebtes recht bald zu Literatur geworden.67 Wie sehr Sacher-Masoch an seinem an die Öffentlichkeit getragenen Leben der besonderen Art feilte, zeigt eine Briefstelle, deren Handschrift eine Optimierung der eigenen Biographie aufweist. 1873 sendet Sacher-Masoch dem Herausgeber des Deutschen Novellenschatzes Paul Heyse den erbetenen autobiographischen Abriss zu: […] Im Jahre 1872 vermählte er sich mit der Schriftstellerin Wanda von Dunajew (Aurora von Rümelin68) und lebt seitdem in Bruck an der Mur in einem der schönsten Gebirgsthäler Steiermarks, in glänzenden Verhältnißen ganz nur seinen literarischen Arbeiten und seiner Familie gewidmet.69

Die aristokratisierte Ehefrau schien ihm noch als glaubwürdig durchgehen zu können, das steirische Dorf aber als inspirierendes Refugium des Poeten, sowie der voreilig als »glänzend« verherrlichte Lebensstil schienen dem Verfasser selbst dann doch ein Zuviel des Selbstbetrugs. Wie sehr aber das Erzählen für Sacher-Masoch identitätskonstituierende Bedeutung hat, wie oft er betont, sich der Aufforderungen zum Erzählen seiner ›Lebensgeschichte‹ kaum erwehrt haben zu können70, mag ein Hinweis darauf sein, wie dicht tatsächlich Erlebtes und Imaginiertes beieinander gelegen und sich unentwirrbar miteinander verschränkt haben mögen. Erstaunlich ist im Weiteren auch, wie hartnäckig sich diese slawisch anmutenden Genrebilder Sacher-Masochs im Wahrnehmungshorizont bzw. den Erinnerungen seiner Besucher festsetzten und geradezu plakativ übernommen wurden. Zum Teil wurden Sacher-Masochs self-fashioning-Attitüden von der zeitgenössischen (westeuropäischen) Rezeption reichlich unhinterfragt aufgenommen, die (literarische) Selbstmystifizierung des Autors findet sich beinahe wortgetreu in den entsprechenden Fremdbeschreibungen wieder.71 Der fran67 »Eines Tages fragte er [EugHne Yung, Hrsg. der Revue bleue] mich, ob in meinen Werken alles Erfindung sei. ›Ich habe den Eindruck‹, sagte er, ›als wären alles nur Kapitel einer großen Biographie, als wär das alles wirklich geschehen und Wort für Wort wahr.‹« Sacher-Masoch: Choses veÅues [1888], S. 33. 68 Eigentlich Angelika Aurora Rümelin aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, siehe Exner : Sacher-Masoch, S. 75–76. 69 Leopold von Sacher-Masoch: Brief an Paul Heyse vom 14. Oktober 1873. Wiener Stadtund Landesbibliothek, HIN 4901. 70 »›Wissen Sie, was in Ihnen schlummert? Ein Romanschriftsteller.‹ Ich errötete und bemühte mich, das Kompliment abzubiegen. ›Doch, doch, mein Herr‹ Sie müssen alle diese Dinge, die Sie mir da gerade erzählt haben, niederschreiben‹, fuhr er fort, ›das Thema ist vollkommen neuartig und Sie haben ein seltenes Talent. Sie erzählen gut und ganz uneitel.‹« Leopold von Sacher-Masoch: Wie ich Alexandre Dumas kennengelernt habe [1889]. In: Bruchstücke. Autobiographische Prosa 2. München 2009, S. 124–127, hier S. 12; »›Aber schreiben Sie doch dies Alles nieder‹, schrie sie auf, ›es wird ein prächtiger Roman daraus werden.‹« SacherMasoch: Autobiographie, S. 65. 71 Wobei self-fashioning gerade durch das Fehlen einer klaren Unterscheidung zwischen Li-

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zösisch-schweizerische Journalist und Schriftsteller Victor Tissot etwa, der vor allem mit seinen Reiseberichten über Bismarcks Deutschland72 sowie Russland73 Bekanntheit erlangte, beschrieb Sacher-Masoch folgendermaßen: […] und dieser Don Juan, anstatt mit den freien Gewohnheiten eines Fürsten der Steppe zu leben, scheint inmitten seiner Familie das blaue Märchen vom Glück verwirklicht zu haben.74 […] Währenddessen summte der Samowar auf dem Tische, und die Katze schnurrte auf dem Kamin. Madame Sacher-Masoch in blauer, mit Zobel besetzter Atlaskazabaika, halb auf dem Diwan hingestreckt, spielte mit ihren kleinen Kindern. Gegenüber dieser reizenden Familienszene schien ich die Marzella des Märchens vom Glück vor mir zu haben, während andererseits diese mit Zobel verbrämte Kazabaika besonders an die Venus im Pelz erinnerte.75

Dem Akt der Selbsterfindung als slawischer Autor aus ›Halb-Asien‹ folgte eine Fremdorientalisierung, die anhand von Sacher-Masochs Kulturskizzen und Selbstdarstellungen ein Bild des Autors entwerfen, welches Sacher-Masochs Geschichten selbst entsprungen zu sein scheint. So berichtet etwa auch der Schweizer Schriftsteller und Kritiker Carl Spitteler : Sowohl das Auftreten als das Benehmen und die Konversation Sacher-Masochs erinnerten mich lebhaft an die gesellschaftlichen Gewohnheiten eines russischen Grandseigneurs. […] Zu einem kurzen Höflichkeitsbesuch hatte ich vorgesprochen, den ganzen Abend bis spät in die Nacht blieb ich dort, bei einer einfachen Tasse Thee und Cigaretten, auf russische Weise. Die Honneurs machte in gewinnender Weise eine Dame […]. Sie trug, ich weiß nicht wie soll ich sagen »selbstverständlich« einen Pelz.76

Solche Klischeebilder, die sich ganz dem Stereotyp zwischen russischem Tee und Pelz hingeben, spiegeln ganz deutlich die damals präsenten Vorstellungen von ›russischer Lebensart‹ / la Turgenev wider, geschickt ergänzt von Sacher-Masochs literarischen und persönlichen Lieblingsszenerien. Es bleibt jedoch keineswegs bei der Orientalisierung des Ambiente im Haushalt Bruck an der Mur – die beschworene Exotik des Exzentrikers, der sich als slawischer Poet feiern ließ, wurde ebenso auf sein Äußeres appliziert. Das Erscheinungsbild des Schrift-

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teratur und sozialem Leben funktioniert, vgl. Stephen Greenblatt: Renaissance SelfFashioning. From More to Shakespeare. Chicago 1980, S. 3. Victor Tissot: Voyage au pays des milliards. L’Allemagne du sud et l’Allemagne centrale. Berlin et les berlinois. Paris 1875. Victor Tissot: La Russie et les Russes. Indiscretions de voyage. Paris 1883. Victor Tissot: Ein Besuch bei Sacher-Masoch [1878]. In: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 111–113, hier S. 111. Vgl. mit Sacher-Masochs eigenem Text Sacher-Masoch: Autobiographie. Tissot: Sacher-Masoch, S. 113. Carl Spitteler : Erinnerungen an Sacher-Masoch [1895]. In: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 163–166, hier S. 164–165.

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stellers setzt sich dabei in den Schilderungen seiner Besucher aus allen Versatzstücken eines genialen Künstlers zusammen: Der Verfasser der Galizischen Geschichten hat eine frappirende, charaktervole Physiognomie, die sich plastisch von der großen Mehrheit abhebt. Er hat den slavischen Typus in seiner ganzen Schönheit: große, leuchtende Augen, langes, schwarzes, leicht gelocktes Haar, einen feinen, sinnlichen Mund und einen bleichen Teint, was eine ungewöhnliche nervöse Erregbarkeit beweist.77

Neben den physiognomischen Besonderheiten des angeblichen nervösen Feingeistes aus dem Osten, glaubte man auch eine besondere Art von weltmännischem Dandytum in Bewegung und Habitus des Exoten erkennen zu können. Sein Gehaben trug ganz den Stempel der vollendetsten Unbefangenheit, keine Spur von Dünkel oder Wichtigthuerei, geistvolle Züge, ein wunderschönes Auge, dunkles Haar, blassen Teint und etwas Nachlässiges in der Kleidung charakterisierten seine Erscheinung.78

Dieses hier so nobel geschilderte Äußere des Schriftstellers entspricht jedoch nur einer Seite der öffentlichen Wahrnehmung des »galizischen Dichters«. Die interessante oder auch extravagante Aura, die hier um Sacher-Masoch heraufbeschworen wurde, konnte sich ebenso gut ins Gegenteilige wenden. Denn der literarische Kanon – als Resultat wechselhafter Strategien von Aufnahme und Abschiebung79 – stand stets in deutlicher Abhängigkeit von den politischen Gegebenheiten seiner Zeit, den innerhabsburgischen ethnischen Schwelbränden, dem Verhältnis Österreichs zu Preußen sowie unter Umständen auch einem sich wandelnden Russlandbild, das alles Slawische sozusagen in Sippenhaft nahm. Sacher-Masoch reüssierte als literarische Sensation, als slawischer Naturdichter im viel versprechenden Dunstkreis von Turgenev und Schopenhauer77 Tissot: Sacher-Masoch, S. 111. 78 Eugen von Sax: Dr. Leopold Ritter von Sacher-Masoch [1872]. In: Leopold von SacherMasoch: Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 35–39, hier S. 35–36. 79 So reagierte etwa der Wiener Journalist und Redakteur der Neuen Freien Presse folgendermaßen: »[…] in Deutschland wäre dann für ihn und seine Bücher so wenig Raum, als für die russische Barbarei, in deren Namen seine Wanda v. Dunajeff ihren Liebhaber prügelt.« Karl von Thaler: Nihilismus in Deutschland [1870]. In: Leopold von Sacher-Masoch: Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 43–51, hier S. 51. Während der deutsche Journalist und Dramatiker Julius Riffert, Herausgeber der »Lepiziger Zeitung« bereits post mortem wie folgt urteilte: »Sacher-Masoch […] war bekanntlich Galizier, vielleicht auch […] Jude und kam aus einer halb orientalischen, halb barbarischen Welt zu uns, ein Fremder, nicht um uns zu verstehen und bei uns zu lernen, sondern mit hebräischer Aufdringlichkeit uns zu seiner Weltanschauung, die er sich bei Ruthenen, Polen, Schlachtizen, Magnaten, elenden Bauern, russischen Kleinbürgern, gedrückten Israeliten gebildet hatte, zu bekehren, ja uns dieselbe aufzudrängen.« Julius Riffert: Wider den Masochismus [1901]. In: Carl Felix von Schlichtegroll: Sacher-Masoch. München 2003, S. 385–388, hier S. 385.

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Nihilismus. Jedoch machten ihn dieselben Sujets, die ihm Ruhm einbrachten, auch zum ›Dichter des Verfalls‹ von Makart-Schwüle80 – eine Anklage, die ihn aus heutiger Sicht wiederum zu einem Künder der Moderne kürt. Im Hinblick auf die rätselhaften Launen des literarischen Marktes gilt es, wie bereits kurz erwähnt, zu beachten, dass der champ litt8raire im deutschsprachigen Raum der 1860er und 70er Jahre politisch stark von Preußen und ästhetisch vom Realismus dominiert war. Sacher-Masoch wusste sich so als slawischer Exot und antipreußischer Provokateur medial präsent zu halten, während die tatsächlichen Hintergründe seiner Biographie wie auch seiner politischen Positionierungen stets ein wenig verschleiert anmuten. Mit seiner provozierenden Selbstdarstellung als multiethnischer Österreicher mit slawischem Schwerpunkt in einer Zeit nationaler Spannungen nahm er eine exponierte Rolle ein. Sacher-Masoch schöpfte aus einer gesamteuropäischen Literatur, die Gogol’ und die russische Literatur miteinschloss, in einer Zeit, als im deutschsprachigen Raum nationale bis nationalistische Töne vorherrschten.81 Gemessen am ›großdeutschen‹ literarischen Feld setzte sich Sacher-Masoch mit seinem »doppelten Provinzialismus«82, als Galizier und Nicht-Wiener in Österreich und als Österreicher im deutschsprachigen Raum, mehreren Fronten aus. Während man in Frankreich dem »romancier galicien«83 huldigte, zog Sacher-Masoch in Österreich durch seine rührigen Sympathiebekundungen und Verbrüderung mit den Ruthenen den Spott der Wiener Presse auf sich, die sich über diese »ganz neue Nationalität, der ›galizischen Russen‹ – wie sich die Ruthenen nennen, wenn sie schwarzen Frack und Glac8handschuhe tragen«84, lustig machte. Bei seinem Tod 1895 stand Sacher-Masoch »in Deutschland auf dem Gipfel der Verhaßtheit und Verachtung«.85 Letztendlich wurde ihm gerade sein Erfolgsrezept – sein Hang zum Slawischen als auch seine Pikanterien – zum Verhängnis. An der Reaktion seines ehemaligen Freundes und Mitarbeiters Karl von Thaler wird deutlich, wie schnell sich das Blatt, das vorher noch Triumph verhieß, wenden konnte: Er trägt, um es gleich hier zu sagen, russische Ansichten in die deutsche Literatur hinein. Er ist nicht nur krank, sondern auch gefährlich. Die französische Frivolität bedroht das Gemüth, die russische vernichtet die Kultur. […] Sollte er fortfahren, den

80 Siehe A. von Schweiger : Literarische Streifzüge. Sacher-Masoch [1870]. In: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 40–43. 81 Man denke an den Krimkrieg 1853–65, die Schlacht bei Königgrätz 1866 und den Berliner Kongress 1878; Steinecke: Europäische Perspektiven. 82 Polubojarinova: Sacher-Masoch und die Slawen. 83 Thèrese Bentzon: Un romancier galicien. Revue des deux mondes, Bd. 12, 15. Dezember 1875, Paris, S. 816–837. 84 Anonym: Japhet, der seine Nationalität sucht [1866]. In: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 341–342, hier S. 341. 85 Spitteler : Erinnerungen.

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Nihilisten zu spielen, so möchte ich ihm rathen, nicht nur russisch zu denken, sondern auch russisch zu schreiben […].86

Sacher-Masochs massive Erfolge im deutschen ›Feindesland‹ Frankreich sowie seine Vorliebe für russische Literatur und slawische Stoffe machten ihn im deutschsprachigen Raum zunehmend nicht mehr salonfähig. Der einst hochgelobte Autor der Galizischen Geschichten und des Jüdischen Lebens in Wort und Bild, aber auch der Grausamen Frauen und der Venus im Pelz stolperte letztendlich über seine eigenen Erfolgssujets – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass er es keineswegs bei einem »virtuellen Slawentum«87 beließ, sondern sich auch politisch exponierte, indem er hartnäckig für die Anerkennung der Bedeutung der Slawen in einem ›väterlich‹ vereinigenden Staate Österreich eintrat und darüber hinaus seine Betonung auf ein dezidiert ostgalizisches Kolorit legte. Krafft-Ebing besiegelte mit seiner Prägung des Terminus »Masochismus« letztlich eine Pathologisierung des Autors, welche schon lange davor begonnen hatte. Die Kritik an Sacher-Masochs ›krankhaften‹ literarischen Leidenschaften wurde unter anderem mit antisemitischen wie auch antislawischen Argumenten verschränkt und bedingte auch Sacher-Masochs Ausschluss aus dem literarischen Kanon mit.88 Nun gilt es zu fragen, was es mit Sacher-Masochs ›galizischer Identität‹ auf sich hat. Väterlicherseits gibt er böhmisch-spanisch-maurische Vorfahren an89, die Mutter entstammt angeblich einem slawischen Geschlecht90, beide haben jedoch dezidiert ostgalizischen Hintergrund und waren mit 1772, seit der »Erfindung« Galiziens, eng in die habsburgische Verwaltung des Kronlandes involviert.91 »Man hat mich schon für nahezu alles gehalten: für einen Juden, einen Ungarn, einen Böhmen und sogar eine Frau«92 kokettierte Sacher-Masoch gerne. Ist Sacher-Masochs Gestaltung einer multiethnischen Genealogie vor dem Hintergrund Galiziens lediglich als eitles Rollenspiel um den Bonus der Exotik 86 87 88 89

Thaler : Nihilismus in Deutschland, S. 44 und 51. Polubojarinova: Sacher-Masoch, S. 102–103. Nach Strohmaier : Columbus des Ostens, S. 324. Leopold von Sacher-Masoch: Meine Herkunft [1887]. In: Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985, S. 16–19, hier S. 17; Sacher-Masoch: Mein Vater. 90 Sacher-Masoch spricht von »zwei Müttern«, seiner leiblichen wie seiner ruthenischen Amme: Sacher-Masoch: Zwei Mütter ; Sacher-Masoch: Autobiographie, S. 61; Bernard Michel, erster Biograph Sacher-Masochs, verneint seinen Recherchen nach zumindest die Behauptung, der Masoch’sche Zweig würde einem ruthenischen Geschlecht entspringen, siehe: Michel: Sacher-Masoch, S. 23. 91 Siehe Halyna Svarnyk: Perebuvannja pys’mennyka Leopol’da fon Zacher-Mazocha ta joho rodyny v Halycˇyni [Der Aufenthalt des Schriftstellers Leopold von Sacher-Masoch und seiner Familie in Galizien]. Ukraxns’kyj Archeohraficˇnyj ˇscˇoricˇnyk. Bd. 8/9, Nr. 5/6, 2001, S. 112– 133. 92 Sacher-Masoch: Meine Herkunft, S. 16.

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und als Authentizitätsreservoir93 zu verstehen? Oder aber wurden seine ambivalenten Bekenntnisse bzw. Identitätsverortungen jeweils als bewusste Handlungsstrategie in Bezugnahme auf die Stimmungen seiner Zeit gestaltet? Man kann Sacher-Masochs identitäre Rollenspiele zwischen Deutsch-Österreichertum (»Ich bin ein Deutscher, ich denke, fühle und will deutsch […]«94 ), zwischen »polnischer Heimath«, »Ruthenentum« (»daß ich von russischen Aeltern im russischen Galizien geboren und galizischer Russe bin«95) und Philosemitismus als bewusste Provokation aus der Atmosphäre der zeitgenössischen nationalen und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen deuten – man denke an den Völkerfrühling 1848, an das neue verzagte Österreichertum nach 1866 inklusive Sacher-Masochs herausfordernd-programmatischer übernationaler Zeitschriftenkonzeption Die Gartenlaube für Österreich96 und die polnischen Autonomieverhandlungen in Galizien ab 186797 als neuen Rückschlag für die ruthenischen Emanzipationsbestrebungen in Galizien. Man kann sich außerdem fragen, ob dieses Polemisieren mit multiplen Identitätsentwürfen, das vor allem die Hybridität und diskursive Verfasstheit von Sacher-Masochs ethnischer Natur herausstellt98, nicht auch den Mangel an Bekenntnismöglichkeiten eines habsburgischen Beamtensohnes mit imperialer Mischbiographie innerhalb der Nationalisierungstendenzen des 19. Jahrhundert widerspiegelt. Ob Sacher-Masochs Rollenspiele als Reaktion auf die dringlichen Identitätssuchen 93 Vgl. »Authentizität kann, sofern sie überhaupt noch eine Rolle spielt, nur mehr als Resultat spezieller Darbietungsformen des individuellen und künstlerischen Selbstverständnisses aufgefasst werden.« Wolfgang Funk, Lucia Krämer : Einleitung. In: Wolfgang Funk, Lucia Krämer (Hg.): Fiktionen von Wirklichkeit – Authentizität zwischen Materialität und Konstruktion. Bielefeld 2011, S. 7–23, hier S. 10. 94 Im Vorwort zu Sacher-Masoch: Graf Donski, S. VII. 95 Leopold von Sacher-Masoch: An Hieronymus Lorm in Wien [1866]. In: Leopold von Sacher-Masoch: Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 335–338, hier S. 338. 96 Siehe Oliver Bruck: Die Gartenlaube für Österreich. Vom Scheitern des Projekts einer österreichischen Zeitschrift nach Königgrätz. In: Klaus Amann, Hubert Lengauer, Karl Wagner (Hg.): Literarisches Leben in Österreich 1848–1890. Wien 2000, S. 359–394; bzw. »Wohl als Zeichen des Mißerfolgs ist es zu werten, daß Sacher-Masoch auf Wunsch seiner Leser dazu überging, eine Beilage Der Salon herauszubringen, die sich ausschließlich mit Grazer Ereignissen befaßte. Das übernational gemeinte Organ war zum Lokalblatt geworden.« siehe Hellmuth Himmel: Die Literatur in der Steiermark von 1848–1900. In: Literatur in der Steiermark. Landesausstellung. Graz 1976, S. 223; Königgrätz diente SacherMasoch in der Folge als Standortbestimmung auch für die Neukonzeptionierung seines Blattes. 97 Grodziski, Stanislaw Sejm Krajowy Galicyjski 1861–1914 [Der galizische Landtag 1861– 1914]. Warszawa 1993; Buszko, Józef und Garlicki, Andrzej: Galicja 1859–1914. Polski Piemont? Warszawa 1989. 98 Siehe Alexandra Strohmaier : »Halb-Asiens« umtriebige Körper. Zur Sexualisierung kultureller Alterität in der Habsburgermonarchie. In: Clemens Ruthner, Raleigh Whitinger (Hg.): Sexuality, Eroticism, and Gender in modern Austrian Literature and Culture. New York 2011, S. 17–32, hier S. 25.

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der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelesen werden müssen, gewissermaßen als Widerhall und Konsequenz der zunehmenden und verordneten Nationalisierungen? Wie schwierig es war, Zugehörigkeit und Nation definieren zu müssen, sieht man in eben jenem »Gruß an meine Landsleute«, in welchem Sacher-Masoch das zunehmend der deutschen Nation verschriebene Vaterland als Begriff unvereinbar mit der Idee der eigentlich galizischen Heimat beschreibt: Ferne von der Heimath send’ ich Euch diesen Gruß! […] es thut im Herzen weh, wenn man seine Heimath nicht wie sein Vaterland lieben kann, wenn Heimat und Nation auseinanderlaufen – nach Ost und West.99

Sacher-Masochs bezog sich auf diverse Zugehörigkeiten von pro-habsburgisch bis pro-slawisch, aber auch hinsichtlich der Sprache (seine angebliche Erstsprache Ukrainisch, wobei Sacher-Masoch ausschließlich auf Deutsch schrieb, wenn auch mit slawischen Folklore- und Sprach-Allusionen100). Er veranstaltete ethnische Wechselbäder (wobei er sowohl als Ruthene als auch als bekennender Österreicher angefeindet wurde) und auch die Frage nach der Heimat, die sowohl biographisch als auch literarisch in Galizien liegt, während der Autor jedoch ausschließlich für die westeuropäische bzw. deutschsprachige Literaturszene produzierte, war nicht klar zu beantworten – all diese Widersprüchlichkeiten können als Abart jener kollektiven, konfusen und komplexen Identitäten verstanden werden, die gerade für Zentraleuropa eine so wichtige Rolle spiel(t)en.101 Das Bekenntnis zu Galizien schien dabei einen fruchtbaren Plu99 Leopold von Sacher-Masoch: Gruß an meine Landsleute. In: Eine galizische Geschichte. 1848. Schaffhausen 1858, S. I–VIII, hier S. VII. 100 Siehe Anna-Halja Horbacˇ : Ukraxns’ka tematika v tvorcˇosti Zacher-Mazocha [Die ukrainische Thematik im Werk Sacher-Masochs]. Ji 1995, Nr. 6, http://www.ji.lviv.ua/ n6texts/horbach.htm; aber auch die Reaktionen auf seinen ersten Roman Eine galizische Geschichte 1846 von 1858: »Das Buch, welches anonym erschien, machte großes Aufsehen. Man sprach dem Autor einstimmig ein ungewöhnliches Erzählertalent zu, aber man staunte zugleich über die Mängel seiner Sprache.« [V.]: Sacher-Masoch [1871]. In: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 357–359, hier S. 378; aber auch die Erinnerungen seiner zweiten Frau: »[…] einer Folge seiner Studien in den Archiven, begann er, sich belletristisch zu betätigen, und wenn auch seine ersten Arbeiten, Graf Donski, in einem geradezu unglaublichen, unmöglichen Deutsch geschrieben waren, waren sie doch von glühender Phantasie und packender Leidenschaft erfüllt.« Hulda Edle von Sacher-Masoch: Erinnerungen an Sacher-Masoch [1910]. In: Leopold von SacherMasoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 9–16, hier S. 11. Siehe auch das Kapitel »Literature, Politics and Galician Ruthenians« in Iryna Vushko: The Politics of Cultural Retreat: Imperial Bureaucracy in Austrian Galicia, 1772–1867. Yale 2015, S. 157– 181. 101 Siehe Moritz Csáky : »Was man Nation und Rasse heißt, sind Ergebnisse und keine Ursachen« Zur Konstruktion kollektiver Identitäten in Zentraleuropa. In: Wolfgang MüllerFunk, Peter Plener, Clemens Ruthner (Hg.): Kakanien revisited. Das Eigene und das Fremde (in) der österreichisch-ungarischen Monarchie. Tübingen, Basel 2002, S. 33–49; siehe auch

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ralismus zu eröffnen, Sacher-Masoch Mehrfachidentitäten zu ermöglichen. So schreibt Sacher-Masoch: »[…] daß ich ein galizischer Russe bin, mein nationales Glaubensbekenntnis ein slavisches, mein politisches aber ein österreichisches ist.«102 Sacher-Masoch hing einer eigenwilligen austro-slawischen Version der Vielvölkerstaats-Idee an, die einerseits der ethnischen Gemengenlage und dem Kultur-Pluralismus der Monarchie gerecht wurde, jedoch dazwischen auch immer wieder in idealisch-imperiale Völkertafel-Bilder im Sinne des Kronprinzenwerks103 abglitt – jenem Prestigeprojekt des Kaisersohns Rudolf, welches als 24-bändige landeskundliche Enzyklopädie der Vielfalt der Völker und Regionen der Monarchie huldigen wollte und erstere mit ausgewählten Stichen in ihrer jeweiligen Tracht illustrierte. Das plurikulturelle Galizien dient Sacher-Masoch aber auch als Experimentier- und Repräsentierfeld für die nationalen Widersprüchlichkeiten der Moderne (deren Problematik er keineswegs ausspart) und schließlich auch für das Ad absurdum-Führen von eindeutigen ethnisch-nationalen Zuschreibungen.104 Seine Figuren wechseln ebenso gerne die Rollen bzw. eindeutige nationale, gesellschaftliche wie auch sexuelle bzw. gender Zuschreibungen wie ihr Autor.105 Nichts ist unbedingt so, wie es scheint. Sacher-Masochs Bekenntnis zu Galizien entspricht grundsätzlich einem Bekenntnis zu Österreich106, da dieses Kronland für ihn gewissermaßen – ähnlich

102 103 104 105 106

Endre Hárs, Wolfgang Müller-Funk, Ursula Reber u. a. (Hg.): Zentren, Peripherien und kollektive Identitäten in Österreich-Ungarn. Tübingen 2006. Vgl. auch die Auseinandersetzung mit Hieronymus Lorm: Hieronymus Lorm, Leopold von Sacher-Masoch: Eine Polemik. In: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1866, S. 332–341, hier S. 338. Rudolf (Kronprinz): Die österreichische-ungarische Monarchie in Wort und Bild. Wien 1885–1902. Siehe auch Patrut: (Post-)Koloniale Poetiken. Vgl. Kapitel 3. »Welche große, welche herrliche Aufgabe […] hat unser von blinden Aposteln des Völkerhasses oft verlästertes und verleumdetes Oesterreich zu erfüllen, eine Aufgabe, welche ungleich erhabener und humaner ist, als jene aller rein nationalen Staaten […]! Unser Oesterreich ist eine Welt im Kleinen. Alle großen Racen Europas sind in demselben vertreten und hier ist ihnen der Boden gegeben auf dem sie friedlich mit einander in Berührung treten und die Harmonie der Zukunft vorbereiten können. Statt sich in nationalen Zänkereien zu ermüden, sollen die Völker Oesterreichs ihre große Mission erfassen und, dem Wahlspruche ihres edlen Kaisers gemäß, mit vereinten Kräften durchführen. Wie die Menschheit über dem einzelnen Volke steht, so sind auch die humanen, die ganze Welt umspannenden Bestrebungen hoch erhaben über den egoistischen nationalen. Diesen edelsten Bestrebungen in herzlicher Eintracht nachzugehen, das ist die friedliche Arbeit, welche die Weltgeschichte den Völkern unserer Monarchie zugewiesen hat; durch sie kann und soll unser Oesterreich ein Vorbild für alle anderen Staaten des Welttheils werden; ein kleines Europa für sich.« Leopold von Sacher-Masoch: Ostern. Feuilleton. Grazer Morgenpost [Beilage zur Grazer Zeitung]. 13. 4. 1879, Graz, o.S. Und: »Ich weinte, weil ich Polen nicht lieben durfte, wie ich Oesterreich liebe. Jetzt erst verstehe ich mein Gefühl; ich

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der Habsburger-Monarchie – ein Klein-Europa vertritt, welches sich durch die Option einer kulturellen Hybridität auszeichnet. Österreich bedeutet für ihn idealerweise, dass man es nicht nötig hat, sich engstirnig-national zu bekennen, stattdessen ermöglicht es Mehrfachidentitäten, wie auch folgende Stelle aus Der Emissär nahelegt: […] Sie aber erst die Tochter, sie ist schon Oesterreicherin da ist kein nationales Wesen mehr, es ist eine aus der Fülle von Physiognomien unseres Klein-Europa; von einem Vater slavischen Blutes und einer deutschen Mutter auf galizischem Boden geboren, von einer polnischen Amme gesäugt, mit den Nationalspeisen Galiziens aufgefüttert, ist sie, welche als Kind polnisch, als Mädchen erst deutsch sprach, weder Deutsche noch Polin, sie ist Oesterreicherin vom Kopfe zum Fuße. Sie hat etwas wie Weltbürgerthum in ihrem Aeußern, ihrem Wesen, ihrem Benehmen. […]107

Auch Sacher-Masochs gerade nach 1866 zunehmend öffentlich betonte galizische Identität – egal welche Sprünge seine Bekenntnisse sonst auch machen mochten – ist einer polyphonen österreichischen Kosmopolitismus-Idee verpflichtet (seine Vereinnahmung des Slawischen – »Immer habe ich für dieses Land [Galizien] die religiöse und leidenschaftliche Liebe empfunden, die der Slawe für seine Heimat hegt.«108 – kann dabei zum Teil als Zugehörigkeitsbestrebung eines identitär gebeutelten Österreichers verstanden werden.) Über Sacher-Masochs schwankende Herkunftsbekenntnisse spottete man zu seinen Lebzeiten: »Welche Antwort wird nächstens Herr Sacher-Masoch geben, da man ihn nun auch den galizisch-russischen Kittel gelüftet hat?« – »Ich bin ein moldau-walachischer Preuße!«109 Jene hybriden Phantasienationalitäten, mit denen der Kritiker Sacher-Masoch so süffisant beflegelt, mögen jedoch den Kern des Sacher-Masoch’schen oder aber zentraleuropäischen pluralen Identitätsdilemmas recht genau treffen. Sacher-Masoch spiegelt mit seinen provokanten Bekenntnissen, mit seinem Grenzgängertum die Brüchigkeit von ethnisch-national definierten Zugehörigkeiten wider. Letztendlich versuchte er ein übernationales Österreichertum zu vertreten, in welchem Nationalität keine Rolle spielen sollte und doch die Vielfalt der Regionen in ihrer ethnisch-religiös-sprachlich-kulturellen Ausprägung wertgeschätzt und wahrgenommen werden sollte. Bereits in seinem ersten Jahr als Universitätsdozent in Graz (1858–1865) erweiterte Sacher-Masoch sein historisches Metier um belletristische Ausflüge, die historische Fakten und Gegebenheiten in eine leicht konsumierbare Form brachten. Schon hier erwiesen sich seine Stücke und Romane als von dezidiert liebe meine Heimath Galizien, nicht Euer getheiltes Vaterland, und diese Liebe macht mich zur Oesterreicherin. Ich liebe dieses Land, weil es mir das Leben gab, wie es der Pole liebt;« Leopold von Sacher-Masoch: Der Emissär. Eine galizische Geschichte. Prag 1863, S. 79. 107 Sacher-Masoch: Emissär, S. 6. 108 Sacher-Masoch: Galizien, S. 32. 109 Anonym: Japhet.

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prohabsburgischer Note. Eine galizische Geschichte 1846, sein erster Roman, ist dann bereits deutlich der ostgalizischen Thematik verpflichtet. In Kaunitz wird in pathetischen Überlegungen über die »österreichische Aufgabe« resümiert.110 Und im Emissär111 finden sich geradezu panegyrische Zeilen in Richtung einer ›österreichischen Idee‹, welche allen Völkern Schutz und Entfaltung gewähren würde. Im Zuge des preußisch-habsburgischen Antagonismus ab 1866 und den hilflosen Versuchen der Monarchie, ihre zunehmend aufbegehrenden Völker mit hastigen Autonomiekompromissen zum Glück unter ihrem Schutzdache zu überreden, plädierte auch Sacher-Masoch für Deutsch als einer kulturellen lingua franca, unterstützte jedoch grundsätzlich und zunehmend auch slawische bzw. ruthenische Emanzipationsbestrebungen – wohlgemerkt innerhalb der habsburgischen Grenzen: Sie sind so komisch, in einem österreichischen Programm eine Gefahr für Oesterreich zu erblicken […]. […] Wir werden das Oesterreicherthum vertreten als eine politische Nationalität, in der sich die natürlichen Nationalitäten, jede im vollen Genuße ihrer Rechte und Freiheiten, vereinen lassen.112

So sprach sich der einstmalige »ich will deutsch«-Sacher-Masoch nun für austroslawische Selbstbehauptung aus, die bei seinen um ihr Deutschsein bangenden Zeitgenossen auf teils aggressiven Widerstand stieß: Warum aber der Autor […], bei so ausgesprochener Sympathie für die Volksstämme, unter denen er in jedem ›Rastelbinder‹ einen Schopenhauer erkennt, nicht lieber polnisch oder slovenisch schreibt, warum er gerade uns, die hassenswerthen Deutschen, zu Vertrauten seiner Muse macht […].113

Teilweise huldigte Sacher-Masoch im Tenor seiner Zeit aber auch germanoslawischen Vermischungsphantasien als erneuerndem, erfrischendem, inspirierendem Moment.114 Wobei diese Hybridisierungsschwelgereien nicht frei waren von hegemonialem Staatsdiener-Impetus, wenn dann die »deutsche« Kultur diejenige sein sollte, die in ihrem Kosmopolitismus für die Fruchtbarmachung anderer Kulturen zuständig ist, diese in sich aufnimmt und diesen somit erst zum Licht der Welt verhilft.115 110 111 112 113

Leopold von Sacher-Masoch: Kaunitz. Kultur-historischer Roman. Prag 1865, S. 271. Sacher-Masoch: Emissär. Sacher-Masoch: An Hieronymus Lorm in Wien, S. 336–337. Hieronymus Lorm: Ein deutsch-österreichischer Schriftsteller : Parasiten und Renegaten in Oesterreich [1866]. In: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 332–335, hier S. 334. 114 Siehe Leopold von Sacher-Masoch: Mode der Weltgeschichte. In: Silhouetten. Novellen und Skizzen Bd. 2. Leipzig 1879, S. 79–88. 115 »›Ich hasse das Oesterreich,‹ rief er, ›das früher Tausende auf den Scheiterhaufen der Inquisition sandte, jetzt in den Kasematten seiner Festungen begräbt; ich hasse das Oesterreich, das die Freiheit und die Bildung Deutschlands sowie Italiens in Ketten legte; ich

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Einer Chronologie konkreter Verhaltensstrategien aber entzieht sich SacherMasoch, er jongliert stattdessen mit Widersprüchlichem. Die Gleichzeitigkeit von vagem slawischem Exotentum, intertextuellen sowie -biographischen Turgenev-Huldigungen, seinem Bekenntnis zum habsburgischen Gesamtstaat bei Betonung seines ostgalizischen Hintergrundes sowie ruthenischen Sympathiebekundungen mögen verwirren. Einiges mag seiner Neigung zum effektvollen Rollenwechsel zuzuschreiben sein, manches aber auch die Verunsicherung eines altmodischen ›Weltbürgers‹ in Zeiten zunehmend nationalistischer Tendenzen widerspiegeln. In der Folge soll auf eben diese Facetten von Sacher-Masochs inkonsistentem und doch konsequentem Galizier- und im Weiteren Ruthenentum eingegangen werden – dessen Deutungsmöglichkeiten, Absichten und Resonanz. Man darf eben nicht übersehen, dass Sacher-Masoch sich innerhalb seiner österreichischen Bekenntnisse seit jeher als »Galizier« definierte – dies bekunden zahlreiche emphatische Anrufungen, die er im Laufe seines Schaffens in Richtung des Kronlandes schickte. So etwa in der Vorrede zu seinem ersten Roman Graf Donski von 1858, wo der »Gruß an meine Landsleute« folgendermaßen erschallt: »[…] Euch alle grüße ich, wie uns ein Land, Galizien, gebar […].«116 Ostgalizien dient dabei unter anderem als Ursprungsmythos einer persönlichen Entwurzelung.117 Sacher-Masochs Beschwörung einer ›besonderen‹ galizisch-ruthenischen Lebenskultur beginnt mit der Stilisierung seiner ukrainischen Amme zur Nährmutter nicht nur seiner Physis, sondern auch seiner Poesie – eine Vorstellung, welche deutliche Züge der Romantik trägt, jedoch auch in Analogie zu den Darstellungen der großen russischen Poeten entworfen wurde.118 Das gepriesene Mädchen aus dem Volke impliziert dabei nicht nur die chtonische Bedeutung einer in die Natur der Region eingebetteten Mutter (vgl. hasse das Oesterreich, daß [sic] sich von Büreaukraten [sic] regieren läßt; aber ich liebe das Oesterreich, das, der Welttheil im Kleinen, so viel fremde jugendliche Stämme durch die Bande gemeinsamer Interessen, wie der Gesellschaft und Gemeinde, zu einem Staate verbindet, vor dessen Majestät sich einst das Festland beugen wird; ich liebe das Oesterreich, das seit Jahrhunderten für die Civilisation ringt, das ihre Schild war gegen Magyaren, Mongolen, Türken und das ihre Schwert sein wird; das seine Heere in ihrem Dienste nach dem Osten senden wird; seine Wissenschaften und seine Arbeit, erobernd und befreiend, denn die Civilisation allein ist Freiheit!‹« Sacher-Masoch: Emissär, S. 39. 116 Sacher-Masoch: Gruß an meine Landsleute. Und weiter : »So grüße ich Euch denn Alle […]: Polen, Ruthenen, Deutsche und Israeliten! Ob ihr die Czmerka tragt, den Dreispitz, die Jarmurka oder den weißen Rock; ob Ihr hinter dem Pfluge geht, in der Esse oder in den Hörsälen schwitzt; ob Ihr an dem Wappenrock Eurer Gesinnung den siegreichen Doppelaar oder den wehmüthigen weißen Adler tragt; ob Ihr die Welt durch ein weißrothes oder schwarzgelbes Glas anseht; ob Ihr in Synagogen, Bethäusern, Cirkew’s oder Kirchen betet – ich grüße Euch herzlich.« 117 Siehe Kauffmann: Slawische Exotik. 118 Vgl. Pusˇkins Gedichte an seine »Njanja« [1826] als auch die Erwähnung der Bedeutung dieser bei Heinrich König: Literarische Bilder aus Russland. Stuttgart 1837.

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auch ähnliche Attribuierungen bei Franzos119 oder für das bukowinische Rumänien bei Rezzori120), die Amme setzt auch immer einen lokalen ›Milchbruder‹ voraus, der im Hintergrund als regionales Alter Ego geahnt werden darf. Mit ihrer Milch sog ich die Liebe zum russischen Volk, zu meinem Land, zu meiner Heimat und auch jene Liebe zu den Bauern ein, die ich mit allen Dichtern und besonders mit den russischen Autoren teile. Durch meine Amme wurde russisch die erste Sprache, die ich beherrschte, obwohl in meinem Elternhaus vor allem polnisch, deutsch und französisch gesprochen wurde. […] In Dir lebt mir die Heimat, das alte Vaterhaus, die Muttersprache, Du hast mir diese Liebe zu unserem Volke so tief in’s Herz gesenkt, zu unseren Bauern, jenen muthigen, geduldigen Kindern des Ostens, die das erste Morgenroth verheißungsvoll grüßt, wenn sie still und ernst hinter dem Pfluge gehen, auf der podolischen Fläche oder auf dem felsigen Abhange der Karpathen. Mit den goldenen Saaten reifen dort unsere Hoffnungen, und um die Heldengräber der Steppe schweben tröstende Geister und weissagen eine Zukunft, die nicht mehr so ferne ist. – –121

Bis heute tendiert erstaunlicherweise ein Großteil der Sacher-Masoch-Forschung dazu, des Autors autobiographische Ergüsse für bare Münze zu nehmen. So etwa wird nicht selten unhinterfragt übernommen, dass Ukrainisch tatsächlich Sacher-Masochs erste Sprache gewesen wäre122, wie er selbst gerne andeutete. Dies ist aber sehr unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass das Ukrainische damals lediglich als Dialekt der Bauern und Bediensteten galt und in einem habsburgischen Beamtenhaushalt vermutlich wenig verloren hatte. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass der Autor die ersten zwölf Jahre seines Lebens in Ostgalizien verbracht hatte (bevor sein Vater nach Prag versetzt wurde) und dass eben diese Periode (1836–1848) sozialgeschichtlich, aber auch historisch mit wichtigen Eckpfeilern der ostgalizischen Geschichte und dabei vor allem dem »ruthenischen Erwachen« zusammenfällt.123 Sacher-Masoch, wenn man seinen autobiographischen Aufzeichnungen Glauben schenken mag, sprach der Kindheit enorme formative Relevanz zu. Zumindest wusste er seine Kindheit als wesentliche Prägung seines weiteren Lebens öffentlich stark in 119 Karl Emil Franzos: Mein Erstlingswerk: »Die Juden von Barnow«. In: Rudolf Baumbach (Hg.): Die Geschichte des Erstlingswerks: selbstbiographische Aufsätze. Stuttgart 1894, S. 213–284. 120 Gregor von Rezzori: Blumen im Schnee: Porträtstudien zu einer Autobiographie, die ich nie schreiben werde. München 1989. 121 Wiederum ein Verweis Sacher-Masochs auf die Zukunftsträchtigkeit der Ruthenen. 122 Vgl. Wolff: The Idea of Galicia; Ulrich Bach: Faraway, so close. The Tropics of Vienna in Austrian colonial utopias. Diss., University of California 2004; Kauffmann: Slawische Exotik, und viele mehr. 123 Siehe dazu Wolffs Kapitel »From Folk Songs to Massacres.« in: Wolff: The Idea of Galicia, S. 111–157.

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Szene zu setzen.124 In Sacher-Masochs Geburtsjahr 1836 entstand jene erste ukrainischsprachige Volksliedsammlung Rusalka Dnistrovaia (1837), welche von großer Bedeutung für die Herausbildung eines ruthenischen Bewusstseins war – so wie Sacher-Masoch auch den »kleinrussischen Dichter« Gogol’ mehrmals erwähnte als auch die Bedeutung von Sˇevcˇenkos Kobzar, der erstmals 1862 von Kiev nach Lemberg gebracht wurde, betonte125. Letzterer hinterließ einen massiven Eindruck auf eine ganze Generation von Ruthenen, welche um 1848 geboren waren und hatte nachdrücklichen Einfluss auf das Aufblühen eines nationalen Bewusstseins. Auch Sacher-Masochs Interesse für Leibeigenschaft und Sklaverei lässt sich nicht ausschließlich auf eine masochistische Neigung reduzieren, sondern deckt sich durchaus mit den damaligen Diskussionen um die Frage nach bäuerlicher Fronarbeit, welche 1843 im galizischen Sejm diskutiert wurden. Um die traumatischen Vorgänge der polnischen Insurrektion von 1846 kreisen zahlreiche der Erzählungen Sacher-Masochs. Bei seinem Weggang aus Ostgalizien 1848 traten in den revolutionären Manifesten deutlich polnische und ruthenische Agenden gegeneinander auf, die Sacher-Masoch im Weiteren immer wieder thematisieren würde. Sacher-Masochs Beobachtungen, seine fiktionalisierten Wahrnehmungen wie autobiographischen Aufzeichnungen spiegeln durchaus Bruchstücke bzw. Splitter der Zeit und ihres politischen Kontextes wider. Auch Sacher-Masochs inkonsequente ruthenische Identität fällt mit dem Wachsen nationalpolitischer Bekenntnisse zusammen. Garantierte Sacher-Masochs ruthenischer Aspekt seiner Identität einerseits so etwas wie ›Originalität‹, so fiel seine exotische Kultivierung einer ruthenischen Identität jedoch auch präzise mit dem Aufkommen einer artikulierten ruthenischen Nationalkultur in Galizien zusammen – so verflechten sich denn Geschichte und Geschichten. Nicht erst in seinen Souvenirs berief Sacher-Masoch sich emotionsreich auf seine ostgalizischen Wurzeln. Schon in einem Brief an den ruthenischen Reichsratbgeordneten Mychajlo Kuzems’kyj von 1861/62 legt er seinen identitären Leidensweg dar.

124 Auch typisch für die in dieser Zeit geschriebenen Autobiographien, in welchen stets auch nicht erlebte Ereignisse und Informationen illustrativ eingebaut wurden. 125 Leopold von Sacher-Masoch: Im Schlitten. In: Polnische Geschichten. Breslau 1887, S. 290–299, hier S. 298. Auch Karl Emil Franzos war mit einigen Werken Sˇevcˇenkos vertraut, arbeitete er doch in Czernowitz mit dem Philologen, Dichter und Übersetzer Johann Obrist zusammen, welcher nicht nur 1870 eine biographische Skizze zu diesem verfasste, sondern auch einer der ersten Übersetzer der Gedichte Sˇevcˇenkos ins Deutsche war. Johann G. Obrist: Taras Grigoriewicz Schewtschenko. Ein kleinrussischer Dichter. Dessen Lebensskizze samt Anhang, bestehend aus Proben seiner Poesien, in freier Nachdichtung. Czernowitz 1870.

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Seit meinem 12.ten Jahre war ich Galizien entfernt, durch deutsche Bildung der Muttersprache entfremdet, ohne Kontakt mit Landsleuten mußte ich die Hoffnung auf eine erfolgreiche Thätigkeit in ruthenischer Sprache aufgeben. So weh mir dies thut so erkenne ich doch daß die Entfernung von der Heimat mir dagegen eine unbezahlbare Wahrheit bewahrte. Ich bin der deutschen Sprache in so hohem Grade mächtig geworden daß ich als deutscher Schriftsteller auftreten konnte. Seit 1857 habe ich 3 Romane veröffentlich welche eine ausgezeichnete Aufnahme fanden und deren jüngsten ich es zu danken habe daß meine Arbeiten fortan bei einem der angesehensten Verlage in Leipzig vom Mittelpunkte des Buchhandels erscheinen werden.126

Weshalb aber erkor sich Sacher-Masoch in seinem plurikulturellen habsburgischen Österreich-Projekt ausgerechnet die Ruthenen, um an ihnen seine emphatischen Sympathie-Bekundungen und schriftstellerischen Galizien-Phantasien auszuleben? Ebenfalls an Kuzems’kyj schreibt er : »Das Volk der Ruthenen in Oesterreich ist von den übrigen Nationen des Kaiserreiches beinahe nicht bekannt und daher sehr falsch beurtheilt, oft geschmäht, nicht selten verhöhnt worden. Ich habe es mir zur Aufgabe gestellt diese Vorurtheile zu bekämpfen […].«127 Gewiss war Sacher-Masoch durch seine ostgalizische Kindheit als Abkömmling einer habsburgisch-galizischen ›Beamtendynastie‹128 dem Raum unweigerlich verbunden – sein Faible für die vor allem bäuerlichen Ruthenen, im Gegensatz zu dem in Ostgalizien gesellschaftlich dominierenden polnischen Feudaladel, mag unter Umständen einer hegemonialen Sympathie für die Schutzbedürftigen, politisch lange Zeit notgedrungen habsburgtreuen »Kinder« zuzuschreiben sein – eine Einstellung, die ihm gewiss auch von seinem Vater, dem Polizeidirektor von Lemberg vermittelt wurde.129 Es scheint eine paternalistische Liebe zu mild bemitleideten Subalternen zu sein, denen es bisher an politischer und sozialer Emanzipationskraft fehlte und welche deshalb im Gegensatz zu den rebellischeren Polen oder anderen selbstbewussteren slawischen 126 Leopold Sacher-Masoch & Kuzems’kyj, Mychajlo: Lystuvannja z avstrijskym vcˇenym Z.-M.om L. pro nadislannja jomu informacij naukovo-fol’klornoho charakteru pro uk. naselennja Halycˇyny [1861–1862] [Korrespondenz mit dem österreichischen Gelehrten S-M bezüglich der Zusendung von Informationen wissenschaftlich-folkloristischen Charakters über die ukrainische Bevölkerung Galiziens]. L’viv : CDIAL, Rus’kyj narodnyj instytut »Narodnyj Dim« m. L’viv, Fd. 130, Op. 1, Od. zb Nr. 934, 1861/62, Ark. 1–22. 127 Ebda. 128 Beide Familienzweige waren seit der Generation der Urgroßeltern für das Hause Habsburg in Galizien ansässig. 129 Die besondere Nähe der Sachers zu den Ruthenen erweist sich auch durch die Tatsache, dass Leopold von Sacher-Masoch Senior einst Denys Zubryc’kyj beistand, dessen Kronika miasta Lwowa von 1844 durch die Zensur zu schleusen und Zubryc’kyj in der Folge dieses Werk dem Polizeidirektor widmete: »Jas´nie wielmoz˙nemu Jegomos´ci Panu Leopoldowi Sacher-Masoch Kawalerowi de Kronenthal. Radiy wysokich C:K: Rza˛djwo Krajowich. Direktorowi Policyi w Krjlestwie Galicyi i Lodomeryi i Naczelnikowi galicyiskiego muzykalnego stowarzyszenia. W dowjd wysokiego powaz˙ania – autor.«

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Gruppierungen in der Monarchie keine direkte Gefahr für den Habsburgischen Vielvölkerstaat darstellten. Im Gegenteil: die Ruthenen wurden in ihrer erdverbundenen Genügsamkeit und Kaisertreue beinahe verharmlost-kindlich dargestellt, als jemand, an den man mildtätig wohlmeinende Aufmerksamkeit verteilen konnte. Zum einen ist Sacher-Masochs literarischer wie publizistischer Einsatz für die Sache der Ruthenen gewiss seiner Selbstdarstellung als interessanter Galizier ruthenischen Bekenntnisses zu verstehen, als Statement eines Außenseiterdaseins, das er mit erstaunlicher Hingabe pflegte. Er begann bald, »[…] die Rolle des allseits Verfolgten einzunehmen […], die er mit verdächtiger Konsequenz an allen möglichen Fronten dem Rest seines Lebens aufprägt.«130 Mögliche masochistische Implikationen dieser Neigung zur Solidarisierung mit den ewig geknechteten Ukrainern wären einer eigenen Überlegung wert. Jedoch macht Sacher-Masoch aus seinem doppelten Status als Grenzgänger und Auskunftgeber, als Galizier und deutschsprachiger Autor, auch Gewinn.131 Vor dem ruthenischen Reichsratsabgeordneten, mit dem er die Korrespondenz unterhielt, argumentiert er seine auffällige Sympathie mit den Ruthenen folgendermaßen: Der Name Sacher ist in Galizien bekannt, Er bezeichnet genügend die Wendung meiner Schrift. Wie mein Großvater und Vater immer für den galizischen Landmann und insbesondere für die Ruthenen132 Partei genommen haben so sehe auch ich mich – obwohl ferne von

130 Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 44. 131 Siehe auch Patrut: (Post-)Koloniale Poetiken. 132 Sacher-Masoch verwendet neben dem offiziellen Begriff ›Ruthenen‹ für gewöhnlich ›Kleinrussen‹ und ›Russen‹, wobei derselbe Text mehrere dieser Begrifflichkeiten enthalten kann. Sacher-Masoch adoptierte in seinem deutschen Schreiben die eher moskophile aber in ganz Europa übliche Tendenz, rus’kyj [ruthenisch] und russkij [russisch] synonym zu verwenden, obgleich Sacher-Masoch sich durchaus dessen bewusst war, dass die Ruthenen Galiziens und die ›Kleinrussen‹ des Russischen Reichs zwei Teile eines Volkes sind, welcher nicht unter die ›Großrussen‹ zu subsummieren ist. Vgl. Leopold von Sacher-Masoch: Don Juan von Kolomea [1866]. In: Don Juan von Kolomea. Galizische Geschichten. Bonn 1985, S. 19–61, Fußnote 3, S. 19: »Das ganze östliche Galizien vom San an, ist vorwiegend von Kleinrussen, drei Millionen, bewohnt, welche der unirten griechischen Kirche angehören und mit der Bevölkerung des südlichen Rußlands und den Kosaken ein großes Volk von etwa 20 Millionen bilden, welches sich durch Schönheit der Körperbildung, Adel der Gesichtszüge, geistige Anlagen, Wohlklang der Sprache und seien Reichtum an Volkspoesie vor allen slavischen Stämmen auszeichnet.« Die Selbstbeschreibung als »Ukrainer« wird erst im späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhundert üblich. Sacher-Masochs intellektuelle Position mag inkonsistent und widersprüchlich erscheinen, ist jedoch der damals gängigen Praxis der Benennung ›ukrainischer‹ Ethnizität zuzuschreiben. Lediglich Wurzbach weist 1874 bei seinem Sacher-Masoch-Eintrag auf eben diese Ungenauigkeit hin: »[…] So Herr Sacher-Masoch der es besonders liebt, zu sagen, ›ein galizischer Russe‹, während es doch correcter klänge: ein ›galizischer Ruthene‹; der ›galizische Russine‹, indem die Russinen

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der Heimath und mehr deutsch gebildet – durch meinen Geburtsort, meine Muttersprache, die Ueberlieferungen meiner Familie, vorzüglich durch mein Gefühl als Ruthenen an.133

Zusammenfassend kann man sagen, dass Sacher-Masochs Selbstdarstellung als Galizier mit ruthenischem Sympathie-Schwerpunkt sich auf eine habsburgische Beamtenvergangenheit beruft. Nicht nur war Sacher-Masochs Vater als Polizeidirektor teilweise handgreiflich an den politischen Umbrüchen in Galizien der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beteiligt (etwa beim polnischen Aufstand 1846), die Familie Sacher an sich kann sich auf einen dezidiert galizischen Hintergrund berufen, zumal die Sachers seit 1772, seit der ›Erfindung‹ Galiziens eng in die habsburgische Verwaltung des Kronlandes involviert waren. Auch mütterlicherseits fühlte man sich der Region habsburgtreu verbunden. Großvater Masoch war stadtbekannter Arzt und hatte zweimal (1802–1803 sowie 1827–1828) den Rektorsposten der Universität Lemberg inne. Offizielle Korrektive mag es hinsichtlich des bereits zu ›Lebzeiten‹ so mythenbehafteten Kronlandes nicht gegeben haben, was denn auch den Weg für phantastische Klischeebilder ebnete. Sacher-Masoch produzierte ganz bewusst für ein westeuropäisches Publikum und scheute sich nicht, dabei auch manch phantastischen Schaum zu schlagen. Dennoch besticht Sacher-Masoch auch durch seine Kenntnisse ostgalizischer Lebenswelten, welche sich jedoch deutlich auf Erzählungen seines Vaters134 bzw. ein paar Kindheits-Memorabilia stützen. Zudem mag Sacher-Masoch des Öfteren mit der ›slawischen Welt des Ostens‹ nicht ganz so exakt umgegangen sein, einiges pauschalisiert haben, was sich aus westlichen Versatzstücken, Wunschbildern, persönlichen Vorlieben und Phantasien sowie Erinnerungsfetzen zusammensetzen ließ, jedoch blieb SacherMasoch stets einer ostgalizischen Lebenswelt verhaftet. Der Erwartungshorizont des deutschen Publikums an Ukrainer bzw. Ruthenen war ein nahezu unverbrauchter – über Galizien selbst war sozialgeschichtlich Rückständiges zu vernehmen, jedoch evozierte sein halb-asiatischer Ruf auch einen Raum, der danach rief, mit ethno-exotischen Geschichten gefüllt zu werden. Das ›Authentische‹ an Sacher-Masochs Erzählungen, die ›Wirklichkeit‹ und ›Wahrheit‹, die er uns als Rahmenerzähler oder aber auch fiktionaler Zuhörer oder Ruthenen in Galizien nichts weniger als Russe, sondern eben nur Ruthenen, Russinen sind, welche mit einem Theile der in Rußland wohnenden Slavo-Polen nur durch das Band der Religion, der griechisch nicht unirten, vereinigt sind.« Constant von Wurzbach: Sacher-Masoch [1874]. In: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 20–27, hier S. 26. 133 Sacher-Masoch: Briefwechsel Kuzems’kyj. 134 Zu beider literarischem Schaffen über einen gemeinsamen Raum siehe Jolanta Pacyniak: Zwischen Zentrum und Peripherie: das Schaffen von Sacher-Masoch Sohn und Vater. Germano-Slavica: A Canadian Journal of Literary, Linguistic and Cultural Perpectives. Nr. 17, 2009/10, S. 49–69.

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vermittelt, dient als Beglaubigungsstrategie135, welche es ermöglichte, sozial differenzierte Welten narrativ miteinander in Beziehung zu setzen. SacherMasoch präsentierte sich gerne als junger Edelmann, welcher seinen Untertanen zugetan, dem belächelten Ruthenen sein Maß an Literariziät und AuthentizitätsPotential zugestand. Sacher-Masochs Appelle an die ›Heimat‹ sind emphatische Anrufungen, welche sich im Vorwort zu seinem Graf Donski, wo er der »zwitschernden Sprache« [Ukrainisch] huldigt, aber auch in anderen Erzählungen136 finden. Gleichzeitig rechtfertigt er vor seinem Korrespondenzpartner Kuzems’kyj seine Befähigung und Berechtigung, eine Schrift über die Ruthenen zu verfassen. Etwas beflissen argumentiert er dabei seine Vorzüge: […] Galizien und seine Zustände kenne ich; die Fähigkeit der Darstellung habe ich bewiesen. Schon durch mein Geschichtswerk: »Der Aufstand in Gent unter Kaiser Karl V.« habe ich mir in Oesterreich und Deutschland eine literarische Laufbahn eröffnet. Meine Erzählung »Eine galizische Geschichte« usw. hat ausgezeichnete Beurtheilungen erfahren, Beweise genug, daß ich meiner Aufgabe gewachsen bin, daß meine Schrift meinem Volke nützen wird.137

1.2. (Galizische) Rezeptionstendenzen des »romancier galicien«138 Zur Deutungshoheit über einen umkämpften literarischen Raum Sacher-Masochs »Galizien und seine Zustände kenne ich« schrieb sich jedoch auch noch manch anderer Schriftsteller seiner Zeit auf die Fahnen. Die Diskussion darum, wer die Deutungshoheit über den ›ostslawischen Raum‹ in der westeuropäischen Literaturszene innehätte, produzierte amüsante Konkurrenzen, die sich in empfindlichen sowie kleinlichen persönlichen Anfeindungen entluden. Es schien eine subtile Schlacht entbrannt um die Okkupation dieses literarischen Raums. Die Auseinandersetzung zwischen Ivan Turgenev und Sacher-Masoch beginnt folgenderaßen: Der deutsche Novellist Theodor Storm schreibt 1868 an Turgenev : »Wenn Sie Freude an Nachkommenschaft haben, so sehen Sie sich die 135 Vgl. Matala de Mazza, Pornschlegel: Theatralität als Argument literarischer Texte, S. 15. 136 Leopold von Sacher-Masoch: Das Erntefest. In: Galizische Geschichten. Novellen. Berlin ca. 1880, S. 49–80. 137 Sacher-Masoch: Briefwechsel Kuzems’kyj. 138 Nachruf auf Sacher-Masoch in: Le Gaulois: litt8raire et politique, 5. 6. 1894, Paris.

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›Mondnacht‹ v[on] Sacher-Masoch im Heft VII des Salon139 an; das wäre ohne Ihren Faust schwerlich auf der Welt. Ist übrigens ein ziemlich ungeberdiges Kind.«140 Seit jener Mondnacht gab es nicht nur von Storm’scher Seite den Versuch, Sacher-Masoch in eine direkte Verbindung mit Turgenev zu bringen141, Sacher-Masoch hatte nicht von ungefähr eben dieser Mondnacht ein Zitat aus Turgenevs Faust vorangestellt142 und sich damit bewusst in dessen Nachfolge eingeschrieben.143 Turgenev war ein aufmerksamer Beobachter der deutschsprachigen Literaturkritik und somit auch dieser »österreichischer Turgenev«Analogieschlüsse, die ihm alles andere als behagten. In einem Brief an Suvorin, den Herausgeber der Petersburger Tageszeitung Novoe Vremja144 von 1876, bekennt er : […] ich kenne ihn persönlich nicht, muss jedoch zugeben, dass ich kein großer Freund seiner Romane bin. Sie enthalten zu viel »Literatur« und »Pikanterien« – zwei an sich schöne Dinge – jedoch bei überflüssigem Wiederkäuen unerträglich. Ich konnte nie verstehen, aus welchen Gründen man mich mit ihm verglich.145

139 Leopold von Sacher-Masoch: Die Mondnacht. Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft. Bd. 2, 1868, S. 57–108. 140 Theodor Storm: Brief an Ivan Turgenjev, Husum, 30. Mai 1868 [Erstdruck]. In: Gerhard Ziegengeist (Hg.): I. S.Turgenev und Deutschland. Materialien und Untersuchungen. Bd. 1. Berlin 1965, S. 17. 141 Otto Glagau: Turgeniew’s Nachahmer. Karl Detlef – Sacher-Masoch [1872]. In: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 51–56. 142 Ein ungenaues Zitat aus der deutschen Übersetzung Iwan S. Turgenjew : Erzählungen [Deutsch von Friedrich Bodenstedt]. Bd.1. München 1865, S. 258. 143 »Er führt fortwährend Turgeniew und andere Dichter, des Ostens wie des Westens, im Munde, die er bewusst und unbewusst nachahmt und variiert oder zu überbieten versucht. […] Sacher-Masoch ist ein offenbarer Nachahmer und Nachtreter Turgeniew’s; nur dass er nicht entfernt dessen Geschick und Talent, noch weniger dessen Geist, Bildung und Character besitzt. […] denn Sacher-Masoch ist der erwählte Beichtvater des ganzen Kreises Kolomea. Während Turgeniew die Leute belauscht, sich selber möglichst im Hintergrunde hält, steckt Sacher-Masoch beständig seinen Kopf vor, führt er sich nicht selten persönlich ein. […] Und wenn Sacher-Masoch eine Geschichte niedergeschrieben hat, so wird diese in der nächstfolgenden Erzählung von den neu auftretenden Personen schon erwähnt und besprochen.« Glagau: Turgeniew’s Nachahmer, S. 54–55. »So sehr die Sacher-Masochsche Art und Weise, Turgenjew in eigene Text umzusetzen, auch plagiatorisch anmutet, erscheint sie äußerst selten als ein bloßes Abschreiben bzw. als Nachahmung vielmehr als Umformung und Umsemantisierung. […] Er ›führt‹ nämlich das bei Turgenjew nur Angedeutete ›aus‹.« Polubojarinova: Sacher-Masoch und die Slawen, S. 234. 144 Der übrigens an einer Zusammenarbeit mit Sacher-Masoch interessiert war, wie derselbe Brief Turgenevs belegt. »Was Sacher-Masoch betrifft, so nehme ich an, dass er sehr erfreut sein wird, mit Ihnen in Kontakt zu treten. – Sein Hauptwohnsitz ist Graz in Österreich; sein Verleger – Haller in Bern (in der Schweiz). […]« Ivan Turgenev : Suvorinu 9. 4. 1876. In: Pervoe Sobranie Pisem I. S. Turgeneva. St. Peterburg 1884, S. 290. 145 Ebda.

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Im Briefwechsel mit Ludwig Pietsch und dessen Frau macht sich Turgenev mehrmals über Sacher-Masoch lustig – das zeigt zum einen seine Reaktion auf Sacher-Masochs Behauptung: »[…] in den Romanen, die ich erlebt habe, sind die Heldinnen beinahe durchaus Fürstinnen, Gräfinnen oder doch mindestens Baroninnen; und dies nicht etwa weil ich Schriftsteller und Kavalier bin, sondern weil ich stets als Schriftsteller der Kavalier blieb.«146 Turgenev darauf: »O SacherMasoch! Sacher-Masoch! Mindestens Baronin!!«147 Eine Häme, die man Turgenev in diesem Falle durchaus zugestehen möchte, jedoch erstaunt die Hartnäckigkeit, mit der sich der sonst doch so noble Turgenev in seinem Spott gegen seinen galizisch-österreichischen Jünger ergeht. Die leichte ›Paranoia‹, mit der Turgenev sich dem Fall Sacher-Masoch annimmt, zeugt unter Umständen doch von einer unterschwelligen Beunruhigung bzw. einem Hauch von »Doppelgänger-Angst«, wie die Petersburger Germanistin Larissa Polubojarinova es erkannt und benannt hat.148 Allen Ernstes erbat sich der erfolgreiche russische Schriftsteller eine Photographie seines kleinen galizischen Nachahmers – um in der Folge deren Empfang recht ungalant zu bestätigen: »Vielen Dank für das Conterfei des ›Ritters‹. – Also dieses Monstrum, dieser Unhold mit der plattgedrückten Nase und den breitgedrückten Lippen, konnte sich rühmen: Mindestens Baroninnen! Alles ist möglich – aber dies ist wirklich zu stark!«149 1881 kommt es zu einem tatsächlichen Kontakt der beiden Erzähler der ›slawischen Welt‹, Sacher-Masoch bittet sein Idol um Mitarbeit an seiner Leipziger Zeitschrift Auf der Höhe. Diese »proposition trHs flattante«150 lehnt Turgenev jedoch höflich ab, mit dem Argument, seine Feder exklusiv einer russischen Revue verpflichtet zu haben. Dass Turgenev Sacher-Masoch keinen Mangel an anderen würdigen Mitarbeitern prophezeit, wie es einem »8crivain aussi distingu8 que vous l’Þtes« gebührt, kann höflich oder aber süffisant ausgelegt werden. Mit seinen Turgenev-Referenzen mag sich Sacher-Masoch bewusst in die europäische Interessensatmosphäre für etwas ›Allgemeinslawisches‹ eingeschrieben haben, dennoch ist seine frühzeitige Bezugnahme auf die spezifisch ostgalizische Situation und deren Partizipanten evident. Ob Sacher-Masoch hier 146 Sacher-Masoch: Ueber den Werth der Kritik, S. 80. 147 Brief an Pietsch vom 22. 6. 1873 in: Alfred Doren (Hg.): Iwan Turgenjew an Ludwig Pietsch. Briefe aus den Jahren 1864–1884. Berlin 1924, S. 111. 148 Polubojarinova: Sacher-Masoch und die Slawen, S. 240. 149 Brief an Frau Pietsch vom 24. 7. 1873, vgl. auch seinen Brief an Ludwig Pietsch vom 1. 8. 1873: »Ihre Frau ist so liebenswürdig gewesen und [hat] mir richtig ein Bildnis des süssen Kavaliers, Sacher v[on] Masoch, geschickt. Diese Fratze und ›mindestens Baroninnen‹!« Gerhard Ziegengeist: I. S. Turgenev und Deutschland. Bd. 1. Berlin 1965, S. 150. 150 Christa Schultze: Ein Brief Turgenevs an Leopold von Sacher-Masoch aus dem Jahre 1881. In: I. S. Turgenev und Deutschland: Materialien und Untersuchungen. Berlin 1965, S. 146–148.

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bewusst zweigleisig gefahren ist? Ein unscharfes ›Slawentum‹ verkörpernd, das dem westeuropäischen Markt nach dem Geschmack war und dabei gleichzeitig die ostgalizische Nische aufgreifend, die in den 70er und 80er Jahren boomen sollte? Auch Karl Emil Franzos war unter jenen prominenten Schriftstellern, die Sacher-Masoch 1881 zu einem Beitrag in seiner Zeitschrift überreden wollte – ein Autor, der ebenfalls aus seiner Verpflichtung einem anderen Journal gegenüber ablehnte.151 Es erscheint merkwürdig, dass es abgesehen davon zu keinerlei Kontakt zwischen den beiden Galizien-Spezialisten kam.152 In beider literaturkritischem Werk wird der jeweils andere tunlichst ignoriert. Franzos äußerte sich lediglich in einem Brief an einen unbekannten Adressaten distanziert: »Geschmackssache ist es, daß sie mich mit Sacher-Masoch in der Einleitung zusammenstellen, ich glaube aber, daß es keinen Kritiker in Deutschland gibt, welcher das Gleiche täte.«153 Sacher-Masoch wiederum weiß im Zuge einer Besprechung des Romans Meier Ezofowicz der polnischen Autorin Eliza Orzeszkowka die Ghettoschilderungen Franzos’ zu diffamieren: Karl Emil Franzos dürfte einen bösen Tag haben, wenn er diesen Roman liest, denn die Unwahrheit, Schwäche und Tendenzmacherei seiner Bilder aus dem polnisch jüdischen Leben ist dem europäischen Publikum noch niemals durch Kritiken in dieser vernichtenden Weise bloßgelegt worden, wie durch den Roman von Elisa Orzeszko.154

Karl Emil Franzos’ Erfolgesgeschichte war unter anderem ebenfalls an Galizien bzw. das jüdische Galizien gebunden, das er 1876 mit seinen Beiträgen aus »Halb-Asien« heraufbeschwor. Die Analogien ihres Lebens- und Erfolgsweges als galizische Migranten und Auskunftgeber in der Auseinandersetzung um und Annexion des galizisch-bukowinischen Schauplatzes und seiner vielfältigen Stoffe im deutschsprachigen literarischen Feld sind zu evident.155 Franzos und

151 Sacher-Masoch lädt Franzos 1881 zur Mitarbeit an seiner neugegründeten Leipziger Zeitschrift Auf der Höhe ein, was dieser höflich ablehnt [Sacher-Masoch an Franzos, Leipzig 19. 8. 1881 und Franzos an Sacher-Masoch, Wien, 25. 9. 1881], beide abgedruckt in: Wodenegg: Das Bild der Juden Osteuropas, S. 119–120. 152 Siehe Max Kaiser: Strategien im literarischen Feld: Karl Emil Franzos’ Aus Halb-Asien und Deutsches Dichterbuch aus Oesterreich im Kontext. Dipl., Universität Wien 2000; Wodenegg: Das Bild der Juden Osteuropas. 153 Zitiert nach Jong-Dae Lim: Das Leben und Werk des Schriftstellers Karl Emil Franzos. Diss., Universität Wien 1982, S. 486. 154 Leopold von Sacher-Masoch: Ein polnischer Roman. Auf der Höhe. Internationale Revue 1884, Nr. 13, Leipzig, S. 458–463, hier S. 460. 155 Siehe Ludewig: Literarische Annexion Galiziens; Patrut: (Post-)Koloniale Poetiken, Ian Reifowitz: »Saviour of the People(s)«: The Enlightenment and the Depiction of Jews, Poles and Ukrainians in the Stories of Karl Emil Franzos. East European Quarterly. XVII/ Nr. 1, March 2008, S. 1–25.

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Sacher-Masoch teilten ein gefährlich ähnliches Betätigungsfeld156, das ob seines lukrativen Potentials nicht konfliktfrei besetzt werden konnte. Ersterer stellte den Galizien-Korrespondenten für die Neue Freie Presse in Wien und brillierte mit seinen Culturbildern, der andere erklärte seinem westeuropäischen Publikum die Region qua Galizischer Geschichten. Sowohl Franzos als auch SacherMasoch waren in Ostgalizien geboren, zogen später nach Graz und wirkten als Schriftsteller demnach beinahe Tür an Tür.157 Franzos residierte in Graz, als Sacher-Masoch ebendort seine Venus im Pelz verfasste und veröffentlichte. Beide machten sie sich einen Namen auch als Schilderer des ostgalizischen Judentums.158 In Sacher-Masochs Geschichten aus Galizien findet man von Beginn an auch jüdische Protagonisten, jedoch soll sich seine Spezialisierung auf ›Ghettogeschichten‹ auf wundersame Weise intensiviert haben, als Franzos in den 1870ern damit Furore machte und es um die eigene finanzielle Situation gerade schlecht stand.159 Die augenfällige Ignorierung des jeweiligen Metier-Kollegen lässt darauf schließen, dass man auf dem galizischen Schlachtfeld ängstlich bedacht war, keinen Verdacht der Gemeinsamkeiten aufkommen zu lassen. Böse wird es Franzos aber getroffen haben, dass Sacher-Masochs Erzählungen aus dem jüdischen Leben ob ihres gewissermaßen ›parteilosen‹ Verfassers (auch von Seiten der jüdischen Presse) teilweise für aufrichtiger gehalten wurden.160 Der Kampf um die galizische Deutungshoheit zieht jedoch noch weitere Kreise, während Franzos (geb. 1840) seine literarische Reputation mit seinen Geschichten über die galizischen Juden machte, erlangte der ukrainische Schriftsteller Ivan Franko (geb. 1856) die seine mit seinen Geschichten über die galizischen Ruthenen auf den Ölfeldern von Boryslaw.161 Franko verfasste als Drei- bis Viersprachiger zudem auch für die Wiener Zeit sowie die Arbeiter-

156 Anne Dwyer : The Multilingual Pleasures of Slavic Worlds: Sacher-Masoch, Franzos and Freud. Comparative Literature 2013, Vol. 65, S. 137–161. 157 Siehe auch: Karl Wagner : ›Die Grazer Poeten-Colonie‹. Literatur aus und über Graz 1848–1918. In: Stefan K. Kaszyn´ski, Sławomir Piontek (Hg.): Die Habsburgischen Landschaften in der österreichischen Literatur. Poznan´ 1995, S. 93–108. 158 Leopold von Sacher-Masoch: Judengeschichten. Leipzig 1878; Leopold von SacherMasoch: Polnische Ghetto-Geschichten. München 1886; Karl Emil Franzos: Die Juden von Barnow. Leipzig 1877; Karl Emil Franzos: Moschko von Parma. Breslau 1880. 159 Ludewig: Literarische Annexion Galiziens, S. 145. 160 Siehe: ebda., S. 145–147. Und: »Auf diesem Gebiete [Schilderungen aus dem Ghetto] übertrifft er [Sacher-Masoch] bei Weitem den sensationell aufbauschenden und durchaus unwahren Jeremias Karl Emil Franzos.« Hermann Menkes: Leopold von Sacher-Masoch [1890]. In: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 121–127. 161 Ivan Franko: Boa constrictor [1878] – Boryslav smijet’sja [1880–1881]. Kyxv 1955.

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Zeitung Beiträge über die gesellschaftlichen Zustände in Ostgalizien.162 Zu anderen selbsternannten Galizien-Kennern äußerte er sich gegenüber seiner Frau folgendermaßen: »Bezüglich Sacher-Masoch irrst du dich, er ist weder Jude noch spanischer Abkunft, sondern in der Tat ein Galizier, Sohn des ehemaligen Lemberger Polizeidirektors von 1840–1848 Sacher. Dass er aber über Galizien unglaubliche Dinge lügt, ist der ganzen Welt bekannt, außer den Franzosen und den Russen.«163 Jedoch hat auch hier der Grad bzw. die Nuance der Konkurrenz eine Vorgeschichte. Franko hatte sich seinen Ruf als ›ukrainischer Nationaldichter‹ hart verdienen müssen. Auch Franko feilte lange an seinem eigenen Mythos und changierte jeweils zwischen sozialistisch-ukrainischem Bauerndichter164 und multilingualem »verschämtem Modernisten«165 der Wiener und Lemberger Studenten- und Kaffeehausszene. Zudem war er auch selbst nicht unbeteiligt an diffus gehaltenen Spekulationen zu seiner deutschen oder aber auch jüdischen sowie ›genuin‹ bäuerlichen Herkunft. Schien Sacher-Masoch mit seiner Literatur einen authentischen biographischen Rahmen suggerieren zu wollen, so schöpfte Franko nachweislich aus realen autobiographischen Ereignissen, die er später zu literarischen Texten verarbeitete.166 Beider ›Wahrhaftigkeit‹ war letztendlich gewählte Pose. Sacher-Masoch wie Franko publizierten nicht nur beide für die deutschsprachige Presse, sondern erschienen außerdem zum Teil in denselben ostgalizischen Blättern. So finden sich in den Ausgaben der Zorja aus dem Jahre 1890 sowohl Beiträge von Franko167 als auch Sacher-Masoch168, wie sie auch beide dort rezensiert wurden. Zeigte man sich in der Zorja angetan von des »deutschen« Schriftstellers wahrhaftiger Schilderung der ruthenischen Bauern in Ostgalizien169, musste sich Franko gefallen lassen, dass seine Beschreibungen Ostgaliziens 162 Stefan Simonek: Ivan Franko und die »Moloda Muza«: Motive in der westukrainischen Lyrik der Moderne. Köln 1997, S. 33–34. 163 »[…] J_U_ 8QfVa =QX_fQ cY `_]Y\pÆibp: Sw^ Q^w ^V WYU, Q^w X üb`Q^wx a_U_], Q b`aQSUw TQ\YhQ^Y^, bY^ RdSi_T_ 1840–1848 d ýmS_Sw UYaV[c_aQ `_\wgwx BQfVaQ. 1 j_ Sw^ `a_ 4Q\YhY^d RaViV ^VbocS_aV^^w aVhw, bV XSwb^_ gw\_]d bSwcd, [aw] eaQ^gdXwS w ]_b[Q\wS.« – ein Hinweis auch auf die starke Sacher-Masoch-Rezeption in Frankreich und Russland! Ivan Franko: Brief an O. F. Franko, L’viv 10. 8. 1891. In: Zibrannja tvoriv u p’jatdesjaty tomach. Bd.49, lysty (1886–1894). Kyxv 1986, S. 284–287. 164 Siehe das Kapitel »BV\p^bm[YZ bY^ ?« bei Jaroslav Hrycak: Prorok u svoxj vitcˇyzni. Franko ta joho spil’nota [Ein Prophet seiner Zeit. Franko und seine Gemeinschaft]. Kyxv 2006, S. 50–57. 165 Simonek: Moloda Muza, S. 76. 166 Ebda., S. 22 und S. 33. 167 »5_ bS¦c\Q!«, »þQ \_^¦ `aYa_Ul«, »4QSQ Y 3_S[d^k«, »2_aYbk-4aQRk«, »4V^wZ« in Zorja 1890, Nr. 11 (neben Ivan Levyc’kyj und Lesja Ukrainka). 168 »Dzvonok« und »Kozacˇka« in Zorja 1880–1883 (neben Jurij Fed’kovycˇ). 169 Siehe auch Eugen Nachlik: Leopold von Sacher-Masochs Rezeption im westukrainischen Literaturprozeß des 19. Jahrhunderts. In: Von Taras Sˇevcˇenko bis Joseph Roth: ukrainischösterreichische Literaturbeziehungen Bern 1995, S. 163–172.

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»Erfindung«, »Phantasie« des Verfassers wären: »Das erste, was dem Leser der Erzählungen verblüfft, ist ihre schreiende Unwahrheit: wir hoffen die wirkliche Welt zu sehen – aber sehen nur Frankos Welt, wir hoffen reale Leute zu sehen – aber sehen rein Frankosche.[…]«170 Kurz: Frankos Gestalten entspringen nicht dem eigentlichen galizischen Leben, sondern sind gemachte. Sowohl Franko als auch Sacher-Masoch hatten es sich zur Aufgabe gemacht, vor allem über das ruthenische Ostgalizien zu schreiben.171 Insofern ist jene Einschätzung natürlich noch bitterer : der deutsche Schriftsteller schreibt ›Wahrhaftiges‹ über Ostgalizien, der ukrainische ›Erfundenes‹. Sogar heute kann man wieder lesen, dass man über das Leben der einfachen Galizier vor Franko bereits bei SacherMasoch erfahren hätte.172 Unbestritten ist der Erfolg, der Sacher-Masoch als »galizischem Autor« neben dem deutschen Buchmarkt vor allem in Frankreich beschieden war173 – nach seinen ersten Schritten als Turgenevs »kleinrussischer« Bruder, erwarb er sich einen zusätzlichen Ruf als ethnographierender Pikanterien-Sammler und wusste sich durch seine exklusiv für die französische Presse verfassten genealogo-galizischen Souvenirs und Choses veÅues sowie andere Galizien-bezogenen Aufsätze174 im Lichte der Öffentlichkeit zu halten. Es stellt sich nun jedoch die Frage, 170 o. A.: Opoveˇdanjeˇ Ivana Franka »Misija« [Ivan Frankos Erzählung »Die Mission«]. Zorja. 11. 1. 1887, Lwjw, S. 194. »[…] ?ck Y `VaiV , j_ SaQWQÆ [_WU_T_ hYcQcV\p ÆT_ _`_S¦UQ^m, bV cQp pb[aQSQ ^V`aQSUQ: ]l ^QU¦Æ]k bp RQhYcY U¦Zb^lZ bS¦ck – Q RQhY]_ bS¦ck EaQ^[iSb[wZ, ]l ^QU¦Æ]k bp RQhYcY \oUVZ aVQ\m^lfk, Q RQhY]_ – hYbc_ EaQ^[iSb[Yfk. [4Va_¦ S _`_S¦UQ^pfk EaQ^[Q, hY a_Ric^Y[Y hY `Q^l, hY `_`l hY f\¦R_a_Rl, VV ^V \oUV, j_ SlZi\Y Xk _RÆ[cYS^_Y dSQTY WYcp, Q \oUV \Yim Xk Y]V^Y aVQ\m^0, g¦\_o-Wk bS_Æo `bYfYh^_o `_U_R_o Y bS¦c_T\pU_]k SlUd]Q^0, eQ^cQXYo `YbQcV\p bdRÆ[cYS^_ `VaVcS_aV^0. ?UY^_[wZ SlY]_[k bcQ^_S\pck : WYUl. B0 Slf_Upck Sk ÆT_ _`_S¦UQ^Ypfk ÆjV ^QZaVQ\m^VZiY]Y. 5¦Æbm bV c_]d, j_ WYUl SWV bS_Æo `_U_R_o Y cY`Yh^_bcwo ^V ^QUQock bp U_ cQ[_Y bdRÆ[cYS^_Y `VaVcS_a[Y […], […] i^k cS_aYck `Va\l cQ]k, UV ^Q fSY\m[d `aYXQRdUV c_Z ›bS_Æa_U^lZ‹ ^QcdaQ\YX]k ;].« 171 An Kuzems’kyj: »[…] so haben sie es umso mehr versäumt sich in fremde Literaturen einzuführen, sie haben nicht einmal den Versuch gemacht das deutsche Volk, das […] vor allem berufen ist einem fremden Volksgeiste gerecht zu werden, mit ihrem Wesen, ihrer Geschichte, ihren Zuständen und Bestrebungen bekannt zu machen . […] Es ist Zeit, daß die Ruthenen endlich diese Bahn betreten und zunächst in der deutschen Literatur, die von allen eine universale ist, auftreten.« Sacher-Masoch: Briefwechsel Kuzems’kyj. 172 Jurij Vintjuk: Zbocˇens’ki zabahanky Leopol’da Mazocha [Sacher-Masochs abartige Launen]. Postup. 27./28. 1. 2001, L’viv, S. 10. 173 Siehe auch die Bearbeitung der Novelle »Der Kapitulant« als Oper 1893 (nach der Übersetzung der Novelle ins Französische durch ThHrese Bentzon 1874): Ksenya Kiebuzinski: Dancing the Kolomyika at the Op8ra-Comique: L8o Delibes’s Galician Opera Kassya. Austrian History Yearbook 46/ 2015, S. 134–162. 174 Leopold von Sacher-Masoch: Le mouvement slaves dans les provinces autrichiennes. La Galicie aprHs le partage de la Pologne – une faute de l’Autriche – Les Petit-Russiens se retournent du cit8 du czar – l’Alsace autrichienne. Le Matin. 10.8. 1887, Paris, S. 1. In Frankreich schenkte man Galiziens politischen Herausforderungen durchaus Aufmerksamkeit, siehe: Léonard Chodzko: Les Massacres de Galicie et Krakovie confisqu8e par

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wie Sacher-Masoch als »Erzähler des Galizischen« denn auf galizischer Seite aufgenommen wurde? Denn Sacher-Masoch als selbsternannter literarischer Repräsentant Galiziens im Ausland stieß natürlich nicht nur auf Wohlwollen. Der wohlgepflegte sozialhierarchische Antagonismus zwischen Polen und Ruthenen in Ostgalizien, welcher sich mit Ende des 19. Jahrhunderts vor allem auch politisch verschärfte, schlug sich auch im Rechtfertigungskampf um SacherMasoch als Sprachrohr Galiziens nieder. Die vorhandenen Quellen lassen vermuten, welche innergalizischen Konflikte mit der Rezeption Sacher-Masochs transportiert wurden. Tatsächlich wurden die Diskussionen um jenen »galizischen Erzähler« überraschend heftig und anhaltend geführt, dies vor allem auf polnischer Seite, deren Stimmen vor allem aus Kongresspolen kamen. Polnischerseits fühlte man sich von den frühen 1870ern bis Anfang des 20. Jahrhunderts, von Poznan´ bis Petersburg, von Torun´ bis Lwjw verpflichtet und berechtigt, sich zu jenem »polakoz˙erca/Polenfresser« zu äußern und Stellung zu nehmen. Das Polenbild175 in Sacher-Masochs galizischen Geschichten rief die ganze zersprengte polnische Nation dazu auf, sich im Feind vereint gegen jenen Verleumder des polnischen Wesens zu postieren. Sämtliche Teilungsgebiete Polens nahmen an einer zuweilen maßlos hitzigen Debatte teil, wie man sich gegenüber jenem »Schreiberling«176 und seinen unverdienten Erfolgen als Schilderer der ostgalizischen Umstände zur Wehr setzen sollte. Nicht nur die polnischsprachige Gazeta Narodowa aus Sacher-Masochs Geburtsstadt Lemberg meldete sich dahingehend zu Wort, bereits in den frühen 1870ern äußerte sich die Zeitschrift Kłosy aus Warschau höchst ungehalten, wie es sich auch der namhafte polnische Schriftsteller Henryk Sienkiewicz selbst nicht nehmen ließ, Gift in dieser Sache zu verspritzen. Aus Warschau wetterte der Tygodnik Powszedny ab den 1880er Jahren gegen Sacher-Masoch, wobei bis zu seinem Tod 1895 vor allem die Gazeta Torun´ska sowie die Warschauer Prawda regelmäßig mit bösartigen Kommentaren auf Sacher-Masochs Karriere und Lebenswandel reagierten. Auf ukrainischer bzw. galizisch-ruthenischer Seite entdeckte man diesen europaweit öffentlichkeitswirksamen Fürsprecher der Ruthenen – und damit im l’Autriche en 1846. Paris 1861; La V8rit8 sur les 8v8nements de Galicie. Paris 1847; Casimir Delamarre: Un peuple europ8en de quinze millions oubli8 devant l’histoire. Paris 1869; Pmile de Laveleye: La Question polonaise et la question ruthHne en Galicie. Revue des deux mondes 83/1869, S. 831–67; Elisée Reclus: Nouvelle g8ographie universelle: La Terre et les hommes. L’Europe scandinave et russe, vol. 5. Paris, 1880. 175 Sacher-Masochs Polen repräsentieren für gewöhnlich den ostgalizischen Landadel, welcher in Konfrontation mit seinen ruthenischen Bauern als feudalistisch-grausam geschildert wird, jedoch durch seine privilegierte Stellung und anachronistisches Herrschaftsgehabe insgesamt für Sacher-Masoch als von hoher Anziehungskraft erscheint. Siehe Kapitel 2. 176 Kazimierz Grzymała: Pogadanka [Vortrag]. Tygodnik Powszechny. 23. 10. 1881, Warszawa, S. 676–677.

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ostgalizischen Rahmen beinahe selbstverständlich auch Kritiker der Polen – erst mit der aufkommenden ukrainischen Nationalbewegung in den 1880er Jahren. Zwar stand Sacher-Masoch schon früh mit ruthenischen Persönlichkeiten in Kontakt177, jedoch fanden erst mit dem Erstarken ukrainischsprachiger Presseorgane in Galizien und der Bukowina178 auch Übersetzungen Sacher-Masoch’scher Erzählungen sowie Rezensionen darin ihren Platz. In den ruthenischen Medien überwiegen jedoch literarische Kostproben aus Sacher-Masochs Werk, während man in den polnischen Blättern vor allem Kritik übte. So vielbesprochen Sacher-Masoch denn in der polnischen Presse auch gewesen sein mag, erst 1911 erschienen mit Groz´ne Kobiety179 erste Erzählungen SacherMasochs auf Polnisch. Es ist verwunderlich, wie sehr man sich bis dahin mit einem Autor auseinandergesetzt hatte, dessen Werke bis dahin lediglich auf Deutsch und Französisch180 greifbar waren. Auch wenn man davon ausgehen 177 Siehe Briefwechsel Sacher-Masochs mit dem ruthenischen Geistlichen und Reichsratabgeordneten Mychajlo Kuzems’kyj (1809–1879) und dem galizischen Metropoliten und Reichsratabgeordneten Spyrydon Lytvynovycˇ (1810–1869) in den frühen 1860er Jahren. Siehe auch Sacher-Masochs Kontaktaufnahme mit dem Journalisten Osyp Markov (1848– ˇ ervona Rus’ (1891–1892) sowie Halycˇanyn (1893– 1909), Herausgeber der Zeitschriften C 1909) bezüglich der Vermittlung seiner galizischen Geburtsurkunde zum Zwecke seiner zweiten Eheschließung: »Lindheim, Ober-Heßen, 21. Oktober 1889, Hochverehrter Herr Kollege und Landsmann! Auf Rath und Empfehlung meines jungen Freundes Kapitschanko in Wien wende ich mich in einer Bitte an Sie. Ich bedarf zu meiner Verheiratung eines Zeugnißes aus meiner Heimath, daß so viel bekannt der Eheschließung nichts im Wege stehe. Es ist dies einfach eine Formsache […]. Bitte dem Lemberger Magistrat das Zeugniß nur zuzustellen, da ich erstens durch Landtagsbeschlüße Indigena des Königreichs Galizien und am 27. Jänner 1836 in Lemberg geboren bin. Da ich aber die Nachlässigkeit polnischer Beamten [?] kenne, so glaube ich mit vertraulichem Einschreiben [?] von Ihrer Seite leichter zum Ziele kommen.« Leopold von Sacher-Masoch: Lyst do Markova Osypa A. [Brief an Osyp Markov]. L’viv: Biblioteka im. Stefanyka, Viddil rukopisiv, Fd. Mark, Sp. 322/13, 1889, ark. 2. Kuzems’kyj kontaktierte in einem Brief vom 5./17. Juni 1862 außerdem den griechisch-katholischen Geistlichen und Abgeordneten des Galizischen Sejms Mychajlo Malinovs’kyj (1812–1894) bezüglich Sekundärliteratur für Sacher-Masochs Schrift über die Ruthenen. Malinovs’kyj gibt in seinem Antwortschreiben eine interessante Referenz-Liste an bisher zur Sache der Ruthenen veröffentlichten Werken. Brief Malynovs’kyjs an Kuzems’kyj. L’viv : CDIAL, Lystuvannja z Zacher-Mazochom, Fd. 130, Op. 1, Od. zb Nr. 934, 1861/62, ark. 21–22. 178 Siehe Harald Binder: Das ruthenische Pressewesen. In: Helmut Rumpler und Peter Urbanitsch (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Bd. VII: Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft, 2. Teilband: Die Presse als Faktor der politischen Mobilisierung. Wien 2006, S. 2091–2116. 179 Siehe Ariko Kato: The Early Graphic Works of Bruno Schulz and Sacher-Masoch’s Venus in Furs: Schulz as a Modernist. In: Dieter De Bruyn, Kris Van Heuckelom (Hg.): (Un)Masking Bruno Schulz. New Combinations, further Fragmentations, ultimate Reintegrations. Amsterdam, New York 2009, S. 219–249. 180 Und auch bald auf Russisch, siehe Larissa Polubojarinova: Sacher-Masoch in Russland. In: Leopold von Sacher-Masoch. Ein Wegbereiter des 20. Jahrhunderts. Hildesheim 2010, S. 101–123.

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darf, dass man dieser Sprachen in gewissen Kreisen mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit mächtig war, so kann es nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Teil seiner polnischen Kritiker höchstwahrscheinlich nie einen Blick in seine Erzählungen geworfen haben mag, vielmehr sich dem allgemeinen feindlichen Tenor recht unverblümt anschloss – ein Hass, der sich bis auf die Nekrologe erstreckte.

Im Kreuzfeuer der Kritik In einem Artikel von 1916 – Polonofilstwo i polonofobia – wird über eine ganze Riege namhafter deutschsprachiger Autoren, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert europaweit als Deuter polnischer Landstriche öffentlich hervorgetan hatten, vernichtend Resümee gezogen. Man äußert sich kritisch zur Funktionalisierung des polnischen Raums bei Freytag, Franzos sowie SacherMasoch, wobei Polen […] in den Augen jener Menschen ein Land der Wunder und Aberglauben, übermenschlicher Aufopferungen und grauenhafter Verbrechen, schrecklicher Geheimnisse, dämonischer Leidenschaften, grausamen Überflusses sowie grausamer Armut, aufbrausender Affären und schreiender Farben, grenzenlos erhabener und bodenlos unvernünftiger Verrücktheiten [ist].181

Vor allem beanstandet man hier die Neigung der genannten Schriftsteller zur schamlos orientalisierenden motivischen Ausschlachtung der Gegend bzw. ihrer Bewohner. Jener vage Osten oder aber das konkrete Ostgalizien, mit denen die kritisierten Autoren um den Exotikhunger ihrer westlichen Leserschaft warben, wird aus polnischer Perspektive dabei stets unbezweifelt als polnisch wahrgenommen. Im Kontext der schäumenden Diskussion um die Polonophobie eines Karl Emil Franzos182 oder Freytag wird Sacher-Masoch zwar gesondert behandelt, jedoch als weitaus übleres Beispiel eines, der sich »als polonophil ausgibt«, während er gleichzeitig die größten Unwahrheiten über Polen wie auch die Polen 181 »Polska jest w oczach tych ludzi krajem cudjw i zabobonjw, nadludzkich pos´wie˛cen´ i okropnych zbrodni, strasznych tajemnic, demonicznych namie˛tnos´ci, barbarzyn´skiego zbytku i barbarzyn´skiej ne˛dzy, awanturniczych przygjd i krzykliwych barw, bezgranicznie wzniosłych i bezdennie nierozumnych szalen´stw.« Józef Falen´ski: Polonofilstwo i polonofobia [Polonophilie und Polonophobie]. Głos polski: tygodnik ilustrowany polityczny, społeczny i literacki. 24.7. (6.8.) 1916, Piotrogrjd, S. 3–4, hier S. 3. 182 »[…] pamflety Karola Franzosa o ›Pjł-Azji‹ w jaskrawych bardzo barwach maluja˛ce ›polska˛ gospodarke˛‹, ne˛dze˛ i ciemnote˛ uciskanego przez wiekjwi ludu wiejskiego, brud, niekulturalnos´c´ i barbarzyn´stwo szlachty, fanatyzm ksie˛z˙y.« [Karl Franzos’ Pamphlete über ›HalbAsien‹ malen in grellen Farben die ›polnische Wirtschaft‹, die Armut und Dunkelheit eines seit Jahrhunderten unterdrückten Landvolkes, den Schmutz, die Unkultur und Barbarei der Szlachta und den Fanatismus der Priester.«] Ebda., S. 3.

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selbst verbreitet hätte. Sacher-Masoch wird hier vor allem seine angemaßte Kenntnis über eine (polnisch verstandene) Region vorgeworfen, die er mit seinen »galizischen« und »polnischen Geschichten« als quasi Eingeweihter erfolgreich seinem Publikum darzubringen wusste. Genau diese »literarische Polonophilie«, an der sich auch Sacher-Masoch rege beteiligt, hätte »uns keinerlei realen Nutzen gebracht, als vielmehr Schaden«183, so erbittert man sich. Dieser kurze Einblick in eine anhaltend nachwirkende Skepsis von polnischer Seite gegenüber jenen selbsternannten ›Kennern‹ am deutschen Buchmarkt soll eine Vorausschau auf zwei grundlegende Tendenzen der polnischen SacherMasoch-Rezeption geben. Zum einen stand man dem österreichischen »galizischen Autor«, dem anmaßenden Schilderer »unserer« Verhältnisse höchst unversöhnlich bis aggressiv gegenüber. Zum anderen scheint Galizien, vielleicht wenig überraschend, aber doch ob der Vehemenz und Ungetrübtheit verwunderlich, nie anders als ein Teil Polens auf, wobei sowohl die damals noch aktuelle habsburgische Herrschaft wie auch seine nichtpolnischen Bewohner unerwähnt bleiben. Zu Sacher-Masochs Lebzeiten mokierte sich wohlgemerkt vor allem die polnische Presse über jenen selbsternannten »galizischen Schriftsteller«, welcher sich erdreistete, als »Maler Galiziens«184 vor die Welt zu treten und seine literarischen Gemälde des Kronlandes vorzustellen. Die Neigung der Polen, Sacher-Masochs ostgalizische Eindrücke als Angriff auf Polen zu werten, zieht sich als tiefsitzende Spur durch die gesamte Rezeptionsgeschichte. Sacher-Masochs angeblich ungerechtfertigte Beschreibungen der polnischen Szlachta in Ostgalizien wurden zum Verrat gegen eine ganze Nation erhoben. Wobei anzumerken ist, dass der weitaus überwiegende Teil der polnischen Stellungnahmen zu Sacher-Masoch nicht aus Galizien kam. Die großen Lemberger Organe wie der Przewodnik Naukowy i Literacki etwa ließen den Autor offenbar unbeachtet. Und es kann nur gemutmaßt werden, warum hauptsächlich die polnische Presse der übrigen Teilungsgebiete Stimmung gegen den Schriftsteller machte. Sacher-Masoch wurde gerade als Österreicher, als »galizischer Schriftsteller« und ›Ruthenenfreund‹ offenbar als massiver Störfaktor für das Generieren einer polnischen kulturpolitischen Einheit, die davor so intensiv bei den polnischen Romantikern betrieben worden war, wahrgenommen. Der kräftige polnische Nachhall bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gibt einen Eindruck davon, welch’ heiße Debatten entbrannt waren um Ruf und Repräsentations183 »[…] z˙e najwie˛cej fałszjw o Polsce i Polakach roznosiła włas´nie rzekomo czy nawet istotne polonofilska powies´c´ zagraniczna. […] W ostatecznym obrachunku wie˛c polonofilstwo literacki uczuciowe nie przyniosło nam z˙adnych realnych korzys´ci raczej szkode˛.« Ebda., S. 3. 184 »Malarz Galicyi« o. A.: Z Niemiec [Aus Deutschland]. Prawda. Tygodnik polityczny, społeczny i literacki. 5. 9. (24. 10.) 1881, Warszawa, S. 532–533, hier S. 533.

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würdigkeit jenes »galizischen Schriftstellers« im Ausland. Denn Sacher-Masoch galt bei den Polen als derjenige Autor, welcher es sich zur »edelmütigen Aufgabe« gemacht hatte, »uns vor ganz Europa zu verleumden«.185 Vor allem SacherMasochs weitreichende Erfolge in Frankreich186 – offenbar Inbegriff der Weltöffentlichkeit, gemessen an der Intensität diesbezüglicher galliger Bemerkungen in der Presse – zogen große Aufmerksamkeit auf sich. Die Empörung war groß, als der Pariser Figaro bei der Ankunft Sacher-Masochs in Paris 1886 diesen als »grand romancier galicien« (wielky romansopisarz galicyjski) willkommen hieß. Das polnische Presseorgan Gazeta Narodowa aus der galizischen Hauptstadt Lemberg reagierte besonders empfindlich, wenn es um die Gefährdung des polnischen Rufes in der Welt ging. Sie bat die Franzosen verkniffen darum, Galizien doch bitte nicht mit einem Schriftsteller zu beschenken, welcher mit Polen oder Galizien nicht mehr gemein hätte, als dass er es verleumde, und das leider mit Hilfe der Revue des Deux Mondes.187 Die Tatsache, dass man dort einen »geliebten Herrn Sacher« hemmungslos drucke und ihm somit eine Bühne bieten würde für ein höchst ungerechtfertigtes Galizien-Bild – welches wiederum stets mit einem Polen-Bild gleichgesetzt wurde, war höchst ungern gesehen. Man beklagt, dass Zeitschriften wie die Revue des Deux Mondes, welche die Namen der besten Schriftsteller tragen würden, sich nun »unablässig von Novellen irgendeines Herrn Sacher-Masoch ernähren« würden und – was noch schlimmer – »sie begeistern sich an diesen« wie sie ihnen auch »vollständig Glauben schenken« würden.188 Die polnische Presse empört sich darüber, dass die Phantasien jenes »Popularisators« und lediglich »literarischen Handwerkers«189als Impressionen aus Galizien anerkannt und ihr zweifelhafter Verfasser

185 »[…] ktjry obrał sobie szlachetne zadanie szkalowania nas przed Europa˛. W kierunku tym objawił on wiele odwagi.« Grzymała: Pogadanka (Tygodnik Powszechny), S. 676. 186 »[…] pisarz, ktjrym zachwycaja˛ sie˛ Francuzi […].« Henryk Sienkiewicz: Chwila obecna II. Sacher-Masoch i jego zdanie o nas [1875] [Der Augenblick. Sacher-Masoch und seine Meinung über uns]. In: Julian Krzyz˙anowski (Hg.): Dzieła. Warszawa 1950, S. 142–143, hier S. 142. 187 »[…] lecz prosimy go, z˙eby Galicji nie obdarowywał pisarzem, ktjry w ogjle z Polska˛ i Galicja˛ ma tylko tyle wspjłnego, z˙e je bezczes´cił i tem niestety zapomoca˛ Revue des deux Mondes. […]« o. A.: Kronika miejscowa i zamiejscowa [Städtische und außerstädtische Chronik]. Gazeta Narodowa. 19. 12. 1886, Lwjw, S. 2. 188 »[…] karmi sie˛ bezprzestannie nowelami niejakiego pana Sacher-Masocha, i co gorzej, nemi zachwyca, w prawde˛ tychz˙e wierza˛c najzupełniej!« o. A.: Wiadomos´ci biez˙a˛ce z pola literatury, nauki i sztuki [Aktuelle Nachrichten aus Literatur, Wissenschaft und Kunst]. Kłosy : czasopismo ilustrowane, tygodniowe, pos´wie˛cone literaturze, nauce i sztuce. 10. (22.) 10. 1874, Warszawa, S. 271–272, hier S. 271. 189 »[…] jego ksia˛z˙ki sa˛ niesłychanie rozrywanej rozpowszechnione a tłumaczone na wszelkie je˛zyki. Dla młodocianego wieku i młodocianych klas społeczenstwa jest to wielce potrzebny, pełen zasługi talent popularyzatorski, ale iskierki z niebos tam niema. Prawdziwie francuzka zre˛cznos´c´ w ułoz˙eniu i w fakturze, rzemies´lnik z niego literacki znakomity, ale

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für jenen Unsinn gar noch ausgezeichnet wurde. Für »all seine Romane, in welchen er Polen als Halb-Asien bezeichnet, bekam er den Legionsorden.«190 Dies erscheint als der skandalöse Gipfel französischer bzw. öffentlicher Huldigung eines ominösen Schriftstellers, welcher ja – worauf man nicht verzichtete bitter hinzuweisen – wie man als Pole nur zu gut wüsste, vielmehr als Sohn eines gewissen Polizeidirektors in Lwjw bekannt sei, eines habsburgischen Schergen, welcher für die Niederschlagung der polnischen Aufstände in Galizien zu zeichnen hätte. Sacher-Masochs enorme Erfolge in Frankreich schmerzten die Polen insbesondere, als jenem Land stets ihr besonderer Respekt als kulturelles und politisches Vorbild und Gegner der Deutschen entgegengebracht wurde. Die strenge Aburteilung in Freund und Feind hatte auch zur Folge, dass zuweilen Sacher-Masoch Vater und Sohn wild vermischt wurden, gewiss trugen sie denselben Namen, zudem hatte es sich auch der Herr Vater Polizeidirektor nicht nehmen lassen, seine Erinnerungen und Einschätzungen ›zur Lage der Nation‹ zu Papier zu bringen. Diese 1863 anonym in Prag erschienene Schrift Polnische Revolutionen. Erinnerungen aus Galizien191 avancierte zum am häufigsten zitierten Werk zur polnischen Revolution in Galizien 1846. Eine mögliche Co-Produktion von Sacher Senior und Junior in diesem Falle ist nicht auszuschließen. So mag es nicht verwundern, dass so manches Mal die Äußerungen der historio-schriftstellernden Familie Sacher, zumal sie sich auf ähnlichem Terrain bewegten, vermengt und verwechselt wurden, sowie auch ihre gegenseitigen Quellenbezugnahmen sehr wechselseitig gewesen sein dürften. Dass hier der Name Sacher, pauschal galizisch vorbelastet und pro-habsburgisch literarisierend, mit anti-polnisch assoziiert wurde, ist nicht überraschend. Es fällt auf, dass insgesamt so manche Chimäre hervorgebracht wurde. Auch Karl Emil Franzos und Sacher-Masoch, zwei Schriftsteller, die auf galizischem Terrain viel eher konkurrierten, wurden aus polnischer Perspektive zu einem Phänomen verschmolzen, wie die Zuschreibung »Halb-Asien« (diese so folgenreiche Prägung Franzos’) an Sacher-Masoch192 bezeugt. Unvermutet standen sie also Seite an Seite, wenn es um den polnischen Unmut ihren Schilderungen gegenüber ging. Den »Unwahrheiten und Lügen« beider müsse Einhalt geboten

moz˙e wie˛cej nic.« J. Kraszewski: Listy z zaka˛tka [Briefe aus dem Winkel]. Biesiada. Pismo literacko-polityczne illustrowane. 18.1./2. 3. 1877, Warszawa, S. 133–134, hier S. 134. 190 »Postarał sie˛ takz˙e osławiony syn galicyjskiego urze˛dnika policyjnego Sacher-Masoch, i za swe powies´ci w ktjrych Polske˛ nazywa pjł-Azya˛, otrzymał legia˛ honorowa˛.« o. A.: Mała pozytywistka. Biesiada. Pismo literacko-polityczne illustrowane. 16. 3. 1883, Warszawa, S. 170. 191 anonym [Leopold von Sacher-Masoch]: Polnische Revolutionen. Erinnerungen aus Galizien. Prag 1863. 192 Siehe o. A.: Mała pozytywistka (Biesiada).

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werden, um der Welt die polnische Sache endlich »im richtigen Licht« vorzustellen.193 Dass man sich von entgegengesetzter ruthenischer Seite sehr viel dankbarer dem ›galizischen Sprachrohr an die Welt‹ gegenüber zeigte194, verwundert nicht, wenn man Sacher-Masochs öffentliches Eintreten für die ruthenische Bevölkerung in Ostgalizien bedenkt. Hier pries man dieses seltene Exemplar der öffentlichen Parteinahme für den ruthenischen Aspekt Galiziens vor allem als »für die Rus’ verdienstvoller und die Rus’ vor der Welt preisender Mann«.195 Das Blatt Zorja196 rühmt Sacher-Masoch als den ersten (ausländischen) Schriftsteller, welcher »unser Volk mit einer solchen Liebe gelobt« habe und das unverdiente Unglück dieses »bedrückten« Volkes »vor der ganzen Welt gezeigt« habe.197 Die Ruthenen honorierten wohl zu Recht, dass ihr so randständiges Dasein in der europäischen Öffentlichkeit von einer, möglicherweise zweifelhaften, aber immerhin mit der ruthenischen Sache sympathisierenden und zudem höchst öffentlichkeitswirksamen Person in die Welt (d.i. vor allem nach Frankreich) getragen wurde. Dass das Kronland aus der jeweiligen (nationalethnischen) Perspektive stets sehr eindimensional vertreten wurde, zieht sich durch die medialen Rückmeldungen auf beiden Seiten. Der wohlgepflegte Antagonismus zwischen Polen und Ruthenen in Ostgalizien, welcher sich mit Ende des 19. Jahrhunderts vor allem politisch verschärft, schlägt sich auch im Rechtfertigungskampf um SacherMasoch als literarischen Repräsentanten Galiziens im Ausland nieder. Es scheinen jedoch immer die scharfen Kritiker Sacher-Masochs diejenigen zu sein, welche ihr Augenmerk sehr viel hellsichtiger auf das Gehabe dieses fabulierenden ›Galiziers‹ lenkten. Sacher-Masochs Attitüde des Posierens, seine 193 »[…] aby bezczelne kłamstwa i fałsze, rozsiewane przez takich panjw jak Sacher-Masoch i Francoz wystawic´ pod pre˛gierz i sprawe˛ nasza˛ w prawdziwym przedstawic´ s´wietle.« o. A.: L. Sacher-Masoch. Gazeta Torun´ska. 24. 9. 1884, Torun´, S. 3. 194 Von Sacher-Masoch wurden zu Lebzeiten etwa fünfzehn Texte ins Ukrainische übersetzt, erstaunlicherweise vor allem in Zeitschriften mit moskophiler Ausrichtung wie Halycˇanin, Slovo, Cˇervonaja Rus’ und Besida, siehe Marija Val’o: L. Zacher-Mazoch i Ukraxna [Sacher-Masoch und die Ukraine]. Literaturnyj L’viv. IV, Nr. 5, 1993, o. S. 195 »[…] h_\_S¦[Q U\p AdbY XQb\dWV^_T_ Y Adbm `VaVUk bS¦c_]k SV\YhQoh_T_ […] uT_ RVX`VaVh^_ SV\Y[~ XQb\dTY U\p TQ\Yg[_Z AdbY.« o. A.: Bal\9 ruskych bohoslovov [Ball der ruthenischen Geistlichen]. Zorja. 1880, Lwjw, S. 287–289. 196 Die Zeitschrift Zorja war ein zweimonatlich erscheinendes volkstümliches Blatt, welches von 1880–1897 in ukrainischer Sprache bzw. ›Jazycˇie‹ in Lemberg herausgegeben wurde. 197 »[…] BQfVak-=Qb_fk, [_calZ `VaiwZ Xk hdWYfk `YbQcV\¦Sk XSV\YhQSk ^Qik ^Qa_Uk Xk cQ[_o \oR_So, p[_Y ^QS¦cm cpW[_ ]VWm ^QiY]Y QSc_aQ]Y X^QZcY ; [_calZ `VaVUk g¦\l]k bS¦c_]k SlpSYSk ^VXQb\dWV^d ^VU_\o ^Qi_T_ `aYT^_R\V^_T_, Q\V SbV jYa_T_, \oRph_T_, hVbc^_T_ ^Qa_Ud.« Lev Sapohovs’kyj: Zacher-Mazoch a Rusiny. Kriticˇna ocenka [SacherMasoch und die Ruthenen. Eine kritische Einschätzung]. Zorja. 1./13. 12. 1880, Lwjw, S. 300–302.

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Neigung, sich interessant zu machen, sich durch mannigfaltige Manöver ins öffentliche Bewusstsein zu bringen – diese Teilbereiche des ›Phänomens SacherMasoch‹, seine forcierten Polemiken und Rundumschläge gegen alle möglichen Feinde, sein Stolz darauf, zu den »meistgehassten Deutschen« zu gehören, aber auch die Gewohnheit, ständig aus fremden Rezensionen zu seinem Werk zu zitieren und sich in diese Einschätzungen gekonnt einzubetten198, sich an der vernichtenden Aufmerksamkeit genauso wie an der preisenden zu ergötzen – stach sowohl der polnischen als auch der deutschen Kritik unangenehm ins Auge, während die ruthenische, jüdische wie französische Presse diesen Zug geflissentlich zu übersehen schien. Sacher-Masochs verdächtiger Rausch nach positiver wie negativer Anerkennung, welche er, wie Warschau meldet, mit seinen »eigenen Vorwörtern und eigenen Theorien«199 – selbstarrangiert oder aber abgekupfert – noch unterstreicht, seine »Jagd nach Originalität«, seine »Pose«200, dieses Sich-nicht-Zufriedengeben mit dem zugestandenen Titel »Poet«201, ließ seine polnischen Kommentatoren kritisch aufhorchen. Dieser spöttisch unter Anführungszeichen gesetzte »Galizische Romancier«202 galt polnischerseits weithin als Möchtegernschriftsteller und Poseur, welcher zu Galizien recht wenig bis nichts zu sagen habe. Sacher-Masochs ostgalizische Impressionen wurden recht unterschiedlich beurteilt und deren Charakterisierung schwankte zwischen einer euphemisierten Einschätzung als poetisierte Wahrheit oder aber als »üppige Phantasie«.203 Dass dabei ein Großteil der vorhandenen scharfen polnischen Stimmen gegen Sacher-Masochs kolportiertes Galizien-Bild nicht aus Galizien kam, belegt noch einmal, wie sehr man in den galizischen Erzählungen des Autors einen Angriff auf ganz Polen, geradezu auf das polnische Wesen schlechthin sah. In einem Rundumschlag verurteilt man »alle Werke Sacher-Masochs« als »üble Phantasie, bar jeglichen Realismus«.204 Dass Sacher-Masochs Typen auf einer ausgezeichneten Kenntnis der Geschichte und der lokalen Gebräuche basieren würden, 198 Vgl. Leopold von Sacher-Masoch: Vorwort. In: Das Vermächtnis Kains. Novellen. Zweier Theil. Das Eigenthum. Bern 1877, S. 1–47. 199 »[…] nie mjgł sobie takz˙e odmowic´ własnej przedmowy i własnej teoryi. […] szanowny galicyjski nowelista zacznie uczyc´ francuzjw, jak nalez˙y pisac´ powies´ci […]« E. Przew.: Literatura francuska [Französische Literatur]. Prawda. Tygodnik polityczny, społeczny i literacki. 24.(12.) 3.1888, Warszawa, S. 139–140. 200 o. A.: Pokłosie [Nachlese]. Kłosy : czasopismo ilustrowane, tygodniowe, pos´wie˛cone literaturze, nauce i sztuce. (7.) 19. 4. 1877, Warszawa, S. 255. 201 »[…] nie zadowolony jest nawet z nazwania ›poety‹, sam sie˛ nadto zwie artysta˛ i filizofem.« Ebda. 202 »Galicyjski powies´ciopisarz« Przew.: Literatura francuska (Prawda). 203 »[…] autor, odznaczaja˛cy sie˛ zanadto bujna˛ fantazya˛« o. A.: Kronika. Prawda. Tygodnik polityczny, społeczny i literacki. 5.5. (23.4.) 1894, Warszawa, S. 215. 204 »Jak wszystkie utwory Sacher-Masocha i ten odznacza sie˛ mdła˛ fantazya˛, brakiem wszelkiego realizmu […].« o. A.: Z Niemiec (Prawda), S. 533.

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quittiert die Zeitschrift Kłosy mit »ein Glück, dass die Revue des Deux Mondes nicht für all das ethno- und geographische Wissen Sacher-Masochs bürgen«205 müsse. Und Henryk Sienkiewicz, Grandseigneur der polnischen Literatur und Nobelpreisträger, empört sich, dass jener »gelehrte Romancier-Geograph« von den Dingen, »die er so kühn beschreibt«, weder eine Ahnung hat, noch sie je »mit eigenen Augen gesehen« hätte. Sienkiewicz stört besonders, dass die polnischen Heroinen bei Sacher-Masoch stets, »wie dies bei den Polinnen üblich ist«, mit »schmutzigen Kleidern und nicht weniger schmutzigen Strümpfen«206 umherlaufen. Das Sacher-Masoch vorgeworfene allgemeine Unwissen über Galizien kommentiert er mit: »Kurz gesagt, von Unterwäsche hat er eben so wenig Ahnung wie von Geographie«.207 Deshalb lag den polnischen Meinungsträgern der Verdacht nahe, dass das Sacher-Masoch’sche Quellenkorpus, welches seine Vorstellungen von Ostgalizien bestimmte, nicht allzu weit vom familiären Dunstkreis der Lemberger Polizeidirektion entfernt liegen könnte, welche sich wiederum – so der Vorwurf – in verdächtiger (politischer) Nähe zum ruthenischen Dim Naroda befinde.208 Unter anderem musste er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass in seinen Werken stets »falsche Sitten bzw. falsche historische Fakten die Polen betreffend«209 enthalten wären. Besonderes Misstrauen hegte man Sacher-Masochs Schilderungen der Vorkommnisse von 1846 gegenüber, da Sacher-Masoch sich »nicht auf eigene Erfahrung« stütze, als vielmehr »auf seine kapriziöse und von sich aus widersprüchliche Phantasie sowie auf die anonymen Erinnerungen seines Vaters.«210 Kurz, Sacher-Masoch wurde ein Galizien-Bild unterstellt, das vor allem dem Vaterhaus, der Lemberger Polizeidirektion, wo man tendenziell der ruthenischen Sache nahestand, entsprungen zu sein schien, 205 »[…] z˙e wszystkie typy, ktjre pan Sacher-Masoch kres´li, sa˛ najczys´ciej słowian´skie, a pogla˛dy jego, oparte na doskonałej znajomos´ci historyi i obyczaju miejscowego! Jedyne jeszcze szcze˛s´cie, z˙e nie zare˛czyła i za etno- i geograficzne wiadomos´ci pana Sacher!« o. A.: Wiadomos´ci biez˙a˛ce (Kłosy), 10. padz´iernika 1874, Nr. 486, S. 271. 206 »Opisuja˛c bohaterke˛ swej powies´ci, Polke˛, mjwi np….jak to jest zwyczajem u Polek, na brudna˛ spjdniczke˛ i niemniej brudne pon´czoszki.« Sienkiewicz: Sacher-Masoch i jego zdanie, S. 142. 207 »[…] z˙e uczony powies´ciopisarz-geograf nie zna i na oczy nie widział tych rzeczy, ktjre tak s´miało opisuje. […] Pan Sacher-Masoch jej nie zna i bredzi, co mu sie˛ na je˛zyk nawinie. Krjtko mjwia˛c, na bieliz´nie zna sie˛ tyle, co na geografii.« Ebda., S. 143. 208 »Wszystko to kres´lone z uczuciem, maja˛cym swe niezaprzeczone z´rjdło w lwowskim gmachu, sa˛siaduja˛cym z ›Domem Narodowym‹.« Przew.: Literatura francuska (Prawda), S. 140. 209 »[…] ktjrych [utworjw] tłem były zawsze fałsze obyczajowe lub fałsze historyczne co do ludu polskiego;« o.A.: Pokłosie (Kłosy), S. 255. 210 »Sa˛d swjj o stosunkach na Rusi i w cze˛s´ci dawnych ziem polskich oparł Sacher-Masoch nie na osobistym lecz na swej kaprys´nej i z soba˛ sprzecznej fantazyi, oraz na bezimiennych pamie˛tnikach ojca swego […].« Leon Wachholz: Sacher-Masoch i Masochizm. Szkic literacko-psychiatryczny według collegium publicum [Sacher-Masoch und der Masochismus. Literarisch-psychiatrischer Entwurf]. Krakjw 1907, S. 1–2.

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was selbstverständlich anti-polnisch verstanden werden musste. Bei dieser Gelegenheit wird gerne bitter darauf hingewiesen, dass eben jener »galizische Romancier« bei Eingeweihten doch viel eher als Sohn jenes Polizeipräsidenten bekannt sei, der verantwortlich war für die (blutige) Niederschlagung des polnischen Aufstandes 1846.211 Dagegen lobte man auf ruthenischer Seite aus Anlass von Sacher-Masochs Schriftstellerjubiläum die »Verdienste des Herrn Jubilars für die galizisch-ruthenische Gesellschaft«212, wenn auch Sacher-Masoch in seinen Romanen die »kleinrussischen Typen zwar sympathisch, wenn auch nicht gänzlich wahrheitsgetreu«213 vorstellt. Es ist aber diese polizeidirektoriale Vergangenheit, welche der ruthenischen Seite wiederum dazu dient, die Wahrhaftigkeit von Sacher-Masochs Erzählungen zu beglaubigen, schließlich »lebte der Autor damals in Galizien und verkehrte in ruthenischen Kreisen«, wie sein Bericht zum »Ball der Theologen«214 kommentiert wurde. In einem Nachruf aus der Bukowina belegt man SacherMasochs Glaubwürdigkeit damit, dass er seine Jugend in Lemberg verbracht habe und dabei die Möglichkeit hatte, »sich das Leben der galizischen Bevölkerung und die ruthenisch-polnischen Beziehungen anzusehen, die ihm in der Folge als Thema vieler seiner Romane dienten.«215 Seit frühester Kindheit in Galizien lebend hatte er die Möglichkeit das rus[s]ische Volk zu beobachten und dessen schwere Beziehungen und so brachte er unserem Volk eine besondere Liebe entgegen. In seinen Romanen malt er mit kräftigen Farben die Lage unseres Volkes und das schreckliche Joch, dem unser Volk in Galizien von Seiten der Polen ausgeliefert war.216

Diese Berufung auf Sacher-Masochs Einblick in die soziokulturellen wie politischen Verhältnisse gilt den Polen natürlich noch lange nicht als Beleg seiner 211 »Galicja zna go lepiej jako syna jednego z urze˛dnikjw sławnych z czasu rzezi w r. 1846.« Ebda. 212 Hnat Rozˇ anovs’kyj: Lysty do Barvins’kogo Volodymyra Grigorovycˇa [Briefe an Barvins’kyj]. L’viv : Biblioteka Stefanyka, Viddil rukopysiv, Barv., Fd. 5 arv, Sp. 5011, 1882, 4 ark. 213 »[…] `aVUbcQS\pu _^k S bS_Yfk `_S¦bcpfk f_cpZ bY]`QcYh^_ ^_ ^V [_^hV S¦a^_ cY`Y ]Q\_adb[~ […].« ebda. 214 Über den ersten Ruthenen-Ball von 1848 und später in den 1860ern, der Artikel erschien nicht nur im Lemberger Journal Zorja, sondern im selben Jahr im Feuilleton der Wiener Abendpost (2., 4. Oktober 1880). 215 »[…] S_ ýmS_S `a_SV\ `YbQcV\m bS_o ]_\_U_bcm Y Y]V\m b\dhQZ^_bcm `aYb]_aVcmbp WYX^Y TQ\Yg[QT_ ^QbV\V^Yp Y adbb[_-`_\mb[Y] _c^_iV^Yp], [_c_alp S `_b\VUbcSYY `_b\dWY\Y cV]Qc_] U\p ]^_TYf VT_ a_]Q^_S.« o. A.: Zacher Mazoch. Beseda. Nr. 5/6, L’vov, S. 60. 216 »7YohY _cm ]Q\_Z UYcY^l Sk 4Q\YhY^¦ ]p\k _^k b`_b_R^_bcm `aYT\p^dcYbm adb[_]d ^Qa_Ud Y VT_ cpW[Y]k _c^_iV^mp]k Y `VaV`p\bp _^k _b_R\YSi_o \oR_SYo U_ ^Qi_T_ \oUd. 3k bS_Yfk `_S¦bcpfk ]Q\oV _^k pa[Y]Y [aQb[Q]Y `_\_WV^mV ^QiVT_ ^Qa_UQ Y c_Z bcaQi^YZ T^Vcm, [_calZ `aY^Q\k ^Qi_]d ^Qa_Ud dhQbcm Sk 4Q\YhY^¦ YXk bc_a_^l `_\p[_Sk.« o. A.:

ˇ ernivci, o.S. Leopol’d Zacher-Mazoch. Bukovinskij Vedomosti. 5. (17.) 3.1895, C

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angeblichen Galizien-Kenntnisse, vielmehr mokiert man sich, wie denn »ein Deutscher, der hundert Meilen von uns lebt, keine Ahnung von unseren Beziehungen hat«217, hier unparteiisch Gericht halten könne. Gerne wird bei dieser Gelegenheit gegen beide damals im Westen Europas auftretenden »galizischen Schriftsteller«, Sacher-Masoch und K. E. Franzos, Stimmung gemacht. Diese würden die Vorstellungen der Neuen Freien Presse in Wien mit ihren literarischen Bildchen aus dem »Bärenland«218 füttern – Begriffe, die so lediglich von Franzos in den Diskurs über Galizien eingeführt worden waren. Alle sogenannten »Galizischen Geschichten« seien erfüllt von »Lügen und Hass gegenüber den Polen«.219 Gerne wird Sacher-Masoch in der polnischen Presse in einem Atemzug mit Franzos genannt, als die beiden »seichten und oberflächlichen Schreiberlinge«, welche in ihren Novellen und Romanen die Polen die Rolle der »niederträchtigen Narren, Verschwender und leichtsinnigsten Individuen«220 spielen lassen. Dieser Frustration über das Polen-Bild der beiden Galizien-Schilderer steht die Einschätzung von ruthenischer Seite diametral gegenüber. Hier wurden die beiden von außen auf das Geschehen blickenden Schriftsteller in einen Zusammenhang gebracht, der sie im deutschsprachigen Raum eher konkurrierend trennte: als »umfassende Kenner« des ruthenischen Volkes hätten sie sich diesem »mit großer Sympathie«221 gewidmet. Wie könnte man aber nur, so die Empörung aus Warschau, »beinahe ohne Kenntnis unserer Gesellschaft und ohne jegliche Gewissensskrupel« besonders die galizische Gesellschaft als »barbarisch«222 beschreiben. Sacher-Masoch

217 »Jakz˙ez˙ Niemiec, mieszkaja˛cy sta mil od nas, nie znaja˛cy naszych stjsunkjw, moz˙e miec´ bezparcyalny sa˛d o nas, jez˙eli podobne absurda dostanie do re˛ki? […] aby bezczelne kłamstwa i fałsze, rozsiewane przez takich panjw jak Sacher-Masoch i Francoz wystawic´ pod pre˛dgierz i sprawe˛ nasza˛ w prawdziwem przedstawic´ s´wietle.« o. A.: Leopold SacherMasoch. Gazeta Torun´ska. 14. 3. 1895, Torun´, o.S. 218 »Karol Emil Franzos i Sacher-Masoch na szpaltach Neue fr.Presse zacze˛li swjj zawjd literacki obrazkami, w ktjrych po raz pierwszy znalazły sie˛ wyrazy : Halb-Asien i Baerenland na okres´lenie naszych stosunkjw społecznych.« A. Witski: Dziennikarstwo Wieden´skie [Wiener Journalismus]. Prawda. Tygodnik polityczny, społeczny i literacki. 1.8. (20.7.) 1888, Warszawa, S. 411–412, hier S. 412. 219 »Wszystkie t.z. Galizische Geschichten przepełnione sa˛ fałszami i nianawis´cia˛ k Polakom.« o. A.: Leopold Sacher-Masoch (Gazeta Torun´ska), o.S. 220 »Pismaki płytkie i powierzchowne jak Francos i Sacher-Masoch dostatecznie nam sa˛ znani z licznych powies´ci i noweli, w ktjrych Polacy i Polki odgrywaja˛ role˛ podłych durnijw, marnotrawcjw i najlekkomys´lniejszych indiwidujw.« Ebda. 221 »5_ SQW^¦YiYfk `YbQcV\¦Sk hdW_bc_a_^^lfk, [_ca~ \oUk adb[wZ `_X^Q\Y U_[\QU^¦ZiV Y Xk R_\miY]Y bY]`Qcwp]YY U_ ^VT_ _U^_bpck bp, ^QU\VWQck BQfVak-=QX_fk Y 6].EaQ^g_bk.« o. A.: Bal’ ruskych bohoslovov (Zorja), S. 287. 222 »[…] bez z˙adnej prawie znajomos´ci naszego społeczen´stwa i bez skrupułjw sumienia, nie cofaja˛c sie˛ przed z˙adnym fałszem, odmalowywał społeczen´stwo zwłaszcza galicyjskie, jako barbarzyn´skie.« Grzymała: Pogadanka (Tygodnik Powszechny), S. 676.

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»vergaloppierte« sich hier ins »Land der Dummheiten und des Unsinns«.223 Auf ruthenischer Seite dagegen pflegt man den Ruf des romantischen »GalizienMalers«, man lobt: »die Bilder der Natur, die ruthenische Kleidung, ihre Musik, ihre Tänze – all das malt Sacher-Masoch ganz wahrhaftig«, wobei das, was die Polen als perfide Phantasie auslegen, hier als »in Poesie getaucht«224 gedeutet wird. Ganz im Sinne der Tendenz der Ruthenen, sich erkenntlich zu erweisen für Sacher-Masochs an die Öffentlichkeit getragenes Galizien-Bild, heißt es über den Roman Der Neue Hiob225, dass »der Autor das Leben der ruthenischen Bauern und die volkstümlichen ruthenischen Gebräuche vorstellt«226, außerdem stellt der Roman »insgesamt die Beziehungen und Bedürfnisse unsers Volkes völlig wahrheitsgemäß dar«.227 Denn, Sacher-Masochs Bauer wäre »der Mensch, den wir jeden Tag sehen«.228 Wobei angemerkt werden muss, dass Der neue Hiob eine Sonderstellung einnimmt, da in diesem Roman besonders stark auf Geschichte und Schicksal der Ruthenen in Ostgalizien eingegangen wird. Die Polen dagegen empörten sich gnadenlos gegen Sacher-Masochs Figurenzeichnung, denn »seine Gestalten und Typen sind so falsch, wie es auch ihr Erschaffer ist«.229 Aber da Sacher-Masoch sich schließlich »öffentlich als galizischer Russe bekannte« und außerdem »beinahe alle Helden seiner Erzählungen Galizier, russische Typen und sogar russische Patrioten«230 sind, bemühte man sich auf 223 »[…] w najnowszym romansie Sacher-Masocha opryszek Stolouk i galopował, a nawet i zagalapował sie˛ wraz z panem Masochem w kraine˛ głupstw i bredni.« Henryk Sienkiewicz: Wiadomos´ci Biez˙a˛ce I. Sacher-Masoch [1879] [Aktuelle Nachrichten]. In: Julian Krzyz˙anowski (Hg.): Dzieła. Warszawa 1950, S. 13. 224 »?RaQXl `aYa_Ul, adb[wZ bcaiZ, ]dXl[d, cQ^g¦ – SbV ]Q\oÆ BQfVak-=Qb_fk UdWV S¦a^_, Y SbV XQ[aQiV^V `_VXxÆo.« Sapohovs’kyj: Zacher-Mazoch a Rusiny, S. 300. 225 Ursprünglich ein Auftragswerk, wurde es 1875 in Fortsetzungen abgedruckt in der Czernowitzer Zeitschrift Rodimyj Listok, neuerlicher Abdruck ebenda 1879: Leopol’d fon Zacher-Mazoch: Novyj Job [Der neue Hiob]. Rodymyj Listok. Nr. 1, 10. (22.) 11.1879, S. 1–4; in derselben Ausgabe auch Fed’kovycˇs Gedicht »Hucul« S. 52–54. Angeblich soll Fed’kovicˇ Sacher-Masochs Werke gekannt haben und hinsichtlich der Beschreibung der Huzulen unter dessen Einfluss gestanden haben. Fed’kovicˇs Ljuba-Zguba erschien 1863, Sacher-Masochs detailreiche Ausführungen zu den Huzulen bereits einige Jahre früher : nach Levko Bohuslavec’, Ivan Holub, Oleksa Sˇevcˇ uk: Pys’mennyk, jakyj zvelicˇuvav zˇinku [Der Schriftsteller, der die Frauen erhöhte]. Dzvin, Nr. 10–12, 1993, S. 132–138, hier S. 133. 226 »[…] `aVUbcQS\pu QSc_ak WYcu bV\p^k adb[Yfk Y ^Qa_U^~ adb[~ XSlhQ¦.« o. A.: Bal’ ruskych bohoslovov (Zorja), S. 289. 227 »[…] `_S¦bck (der kurz zuvor in Rodymy Listok abgedruckt) Sk g¦\_bcY `aVUbcQS\pu X_Sb¦]k S¦a^_ ^Qi~ ^Qa_U^~ iU^_iV^p Y `_caVRl.« ebda. 228 »BV\p^Y^k BQfVak-=QX_fQ, c_ c_0 bQ]k h_\_S¦[k, [_ca_T_ j_ UV^m RQhY]_ – `aYSpXQ^lZ U_ bS_uY fQcl, U_ ai\¦, bV\Q, a_UY^l, fdU_Rl.« Sapohovs’kyj: Zacher-Mazoch a Rusiny, S. 300. 229 »A te postacie i typy sa˛ tak nieprawidłowe, jak nim jest ich twjrca […].« Wachholz: Sacher-Masoch i Masochizm, S. 36. 230 »[…] _^ `dR\Yh^_ `YX^Q\k bVRV `_ ^Qa_U^_bcY TQ\Yg[Y]k Adbb[Y]k, Q UQ\mV c¦]k, hc_ `_hcY

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Sacher-Masoch als ›Galizier‹

ruthenischer Seite, den Autor für seine Leistungen ungetrübt anzuerkennen, während man auf polnischer Seite nicht nur die »Einfachkeit seiner Handlungen« kritisierte, sondern auch seine »Aufschaukelung ungesunder Phantasien«.231 Völlig ergeben war man den Geschichten Sacher-Masochs jedoch auch auf ruthenischer Seite nicht, der ukrainische Sozialreformer Mychajlo Drahomanov etwa bemängelte – ähnlich wie Franko – Sacher-Masochs Zeichnung der galizischen Ukrainer, die seiner Meinung nach »reiner Unsinn«232 sei, und das Ärgerlichste daran, dass man im Ausland all dem Glauben schenke.233 Drahomanov selbst stammte wohlgemerkt nicht aus Galizien und übte in seinen austro-ruthenischen Erinnerungen auch scharfe Kritik an Galizien. Seine Ungnade Sacher-Masoch gegenüber mag jedoch auch damit zusammenhängen, dass er wie auch Franko an der Schaffung einer ernstzunehmenden ›ukrainischen Kulturnation‹ arbeitete, der Sacher-Masoch mit seiner ›galizischen Spintisiererei‹ gewissermaßen entgegenwirkte. Die allergische Reaktion der beiden ukrainischen Kämpfer für das ›Ukrainertum‹ auf den österreichischen ›Ruthenenspezialisten‹ ist sicher Sacher-Masochs erfolgreicher Verbreitung eines mythologisierten Galizien-Bildes zuzuschreiben. Darüber hinaus suggeriert ein Artikel Sacher-Masochs im Pariser Le Matin234 ein Zusammenwirken der ›Galizien-Spezialisten‹. Sacher-Masoch hätte, so ist zu lesen, Informationen über die galizischen Verhältnisse direkt von Drahomanov erhalten: »J’ai reÅu ces jours derniers des lettres de Lemberg et d’un 8migr8 petit-russien de GenHve, qui pr8sentent la situation en Galicie sous un triste jour.« Drahomanov lebte damals als prominenter Emigrant in Genf, seine Korrespondenzpartnerin Alexandra de Holstein235 glaubte in jenem »8migr8 petit-russien de GenHve« natürlich Drahomanov erkannt zu haben. Drahomanov verwehrte sich gegen diese Vermutung und äußert sich dabei auffallend unflätig über Sacher-Masoch: Sb¦ TVa_Y VT_ a_Xb[QX_Sk 4Q\YhQ^V, adbb[iZ cY`l, Q UQWV adbb[wY `Qcaw_cl (b].^ .`a . ˇ ornaja Knjaginja, novelja 5_^k-7dQ^k [_\_]lZb[YZ, ýd^^Qp ^_hk) […].« [S.] Labasˇ : C

Sacher-Masocha [Die schwarze Zarin]. Slovo 1872, Nr. 83, o.S. 231 »[…] odznaczaja˛ sie˛ łatwos´cia˛, fabuły obok rozbujałos´ci niezdrowej fantazyi.« o. A.: Leopold Sacher-Masoch (Gazeta Torun´ska), o.S. 232 »[…] _^ bQ] ^V X^QVc , hc_ _^ `YiVc _R d[aQY^gQf […] hYbcQp hV`dfQ […] Y Y^_bcaQ^gl S_ SbV nc_ SVapc.« zitiert nach Larissa Cybenko: Grenzverwischungen und Grenzübergänge: literarische Prozesse in multikulturellen Regionen Europas am Beispiel der Prosa Leopold von Sacher-Masochs. In: Arnold Schwob (Hg.): »Und gehen auch Grenzen noch durch jedes Wort.« Ljubljana 2001, S. 87–100, hier S. 91. 233 Drahomanov über die Genealogie Sacher-Masochs in: Mychajlo Drahomanov : Brief vom 10. August 1887 an Alexandra de Holstein. In: Bohdan Strumins’kyj (Hg.): Materialy do novitn’ox istorxi literatury i hromads’kox dumky. Lystuvannja z amerykans’kych archiviv 1857–1933. New York 1992, S. 48–50. 234 Sacher-Masoch: Le mouvement slaves. 235 Alexandra de Holstein, Autorin von »Serf Life in Russia. The Childhood of a Russian Grandmother« 1906.

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Für den Matin danke ich recht herzlich. Nur, wie habe ich eine solch schlechte Meinung verdient, dass Sie glaubten, ich könnte einem solchen Chlestjakov236 wie Sacher-Masoch schreiben? Niemand hat ihm, dem H[undesohn], von hier geschrieben und ich zweifle sogar daran, dass irgendjemand von irgendwoher ihm über die aus Russland in Galizien aufgetauchte Steuerverweigerer-Sekte geschrieben haben könnte. Das hat er alles selbst erfunden, mit seiner spanischen Phantasie, seinem österreichischen Leichtsinn und Ignoranz und seiner jüdischen Unverschämtheit. Empört durch Ihren Brief, wollte ich S[acher] M[asoch] in eben dem Matin ausschimpfen, aber Elena [das Dienstmädchen] hat die Ausgabe irgendwohin verlegt […].237

Unter den galizischen Ruthenen zeigte man sich großzügiger darin, mit unterschiedlichen Wahrheiten und schriftstellerischer Freiheit umzugehen. So wird angemerkt, dass einige Worte, welche Sacher-Masoch so von Zeit zu Zeit »unseren Bauern in den Mund legt«, im tatsächlichen Leben »nicht zu hören« wären, jedoch wäre das »nicht verwunderlich« – der Autor könnte sie schließlich gehört haben, und wenn er sie nicht gehört hätte, »steht es ihm etwa nicht frei, das, was er selbst dachte, anderen in den Mund zu legen«?238 Nun, wenn dem so ist, dann schadet es auch nicht, wenn der Autor, der »unser Volk sieht, es hört und sogar liebevoll umarmt«, all dies aber »als ob in einem Traum, im Schlaf.«239 Andere mögen diesen Sacher-Masoch’schen Wachtraum von Galizien als »unverschämtes Lügen auf Schritt und Tritt«240 wahrnehmen. Die Frage bleibt, ob man das, was jener vielgerühmte »Maler Galiziens« phantasierte, nicht »zweifellos auf jeden anderen europäischen, amerikanischen oder asiatischen Boden übertragen könnte«?241

236 Eine Figur aus Gogols Revizor, Abenteurer und Schwindler. 237 »8Q Matin – merci. C_\m[_ hV] p XQb\dWY\ _ bVRV bc_\m Uda^_V ]^V^YV, hc_R 3l `_Ud]Q\Y, RdUmc_ p ]_T `YbQcm cQ[_]d F\VbcQ[_Sd, [Q[ B[QfVa] =Qb_f ? 5Q Y ^Y[c_ V]d, b[d[Y^d] b[l]^d , ^V `YbQ\ _cboUQ, Y UQWV b_]^VSQobm, hc_R _c[dUQ-^YRdUm [c_-^YRdUm ]_T ^Q`YbQcm V]d _ `_pS\V^YY S 4Q\YgYY YX A_bbYY `a_a_hYgl ^V`\QcV\mjY[_S. Nc_ _^ bQ] SbV b_aSQ\ . @aY bS_VZ Yb`Q^b[_Z eQ^cQXYY, QSbcaYZb[_] \VT[_]lb\YY Y ^VSVWVbcSV Y WYU_Sb[_] ^QfQ\mbcSV. 3_XkpaV^^lZ 3QiY] `Ybm]_], p Rl\_ f_cV\ SladTQcm B[QfVa] =[Qb_fQ] S Matin WV, ^_ 6\V^Q [dUQ-c_ XQUV\Q þ-a, cQ[ hc_ ^V `_ hV] Rl\_ adTQcmbp.« Drahomanov : Brief an Holstein, S. 48. 238 »HQb_]k cQ[_Wk S[\QUQuBQfVak-=Qb_fk Sk dbcQ ^Qi_T_ bV\p^Y^Q b\_SQ, [_calfk ]l ^V hdu]_, Q\V bV ^V UYS^_ – QSc_ak ]iTk Yfk hdcY, Q f_hm i^ ^V hdSk, hY-Wm ^V Si\m^_ u]d Slb[QXQcY c_T_, j_ bQ]k Ud]QSk, dbcQ]Y hdWY]Y ?«Sapohovs’kyj: Zacher-Mazoch a Rusiny. 239 »BQfVak-=Qb_fk RQhYck ^Qik ^QaiUk, hdÆ ÆT_, ^QS¦cm \oRVX^_ ÆT_ _RiZ]QÆ, Q\V SbV p[Rl [aiXm p[wZ b_^k.« o. A.: »Auf der Höhe«. Zorja. Lwjw, S. 320. 240 »Sacher-Masoch kłamia˛cy bezczelnie na kaz˙dym kroku […]« o. A.: Kronika miejscowa i zamiejscowa [Städtische und außerstädtische Chronik]. Gazeta Narodowa. 16. 1. 1883, Lwjw, o.S. 241 »Ze i ta nowella Sacher –Masocha […] dałaby sie˛ przylepic´ do kaz˙dego europejskiego, amerykan´skiego lub wreszcie azyatickiego gruntu, nie ulega wa˛tpliwos´ci.« o. A.: Z Niemiec (Prawda), S. 533.

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Den einen galt der Autor als »Polenfresser«242, den anderen als einziger Freund der Ruthenen. Wobei im Gegensatz zu den zwischen dankbarer Lobpreisung und skeptischer Ablehnung differierenden ruthenischen Stimmen, in den aufgefundenen Materialien auf polnischer Seite keine einzige positive Meldung zu Sacher-Masoch gefunden werden kann – es gehörte offenbar zum ›guten polnischen Ton‹ einstimmig gegen Sacher-Masoch Front zu machen, zumal es der Anlässe und Gründe nicht wenig gab. Dass Sacher-Masochs Werke auf Polnisch bis zum Anfang des 20. Jahrhundert gar nicht vorhanden war, trug zusätzlich zu einer einschlägigen Verurteilung, basierend auf der vorherrschenden Gesamtstimmung, bei. So gibt ein Journalist freimütig zu, »kein einziges der Werke Sacher-Masochs gelesen« zu haben, er berufe sich lediglich »auf die allgemeine Meinung«, dass dieser ein »Verleumder der Polen« und »literarischer Scharlatan« sei.243 Gegen die drastische Pflege solcher Vorurteile zieht die ruthenische Zorja ins Feld. Sie beklagt, dass demselben Sacher-Masoch, welchem sie alle ob seiner Liebe und seines Mitgefühls rundweg dankbar zu sein haben, dass diesem Sacher-Masoch in Galizien kein Ruhm beschieden wäre. Warum dem so sei? Schuld wären die Polen, welchen Sacher-Masoch einen Spiegel vorhalten würde, dessen Abbild ihnen nicht zusage.244 Dieses ruthenische Wohlwollen Sacher-Masoch gegenüber erklärt man bei den Polen damit, dass jene Ruthenen erwiesenermaßen die Polen »stets gehasst« haben und immer noch »hassen«. Dabei wird spöttisch darauf hingewiesen, dass die noch still sitzenden und geduldigen Ruthenen nur ihre 60 Millionen Brüder außerhalb der Grenzen Österreichs rufen müssten, um diesem das Fürchten zu lehren245 – eine omnipräsente panslawische Schreckensvision Habsburgs. Den Gipfel an »Dummheiten und Lügen« erreichte Sacher-Masoch mit einem Satz, der einen Journalisten sich fragen lässt »ob Sacher-Masoch noch Hirn im Kopf hat oder

242 o. A.: Wiadmos´ci potoczne [Allgemeine Nachrichten]. Goniec Wielkopolski. Najtan´sze pismo codzienne dla wszystkich stanjw. 12. 3. 1895, Poznan´, S. 3. 243 »Wyznaje˛, z˙e z˙adnej pracy p. Sacher-Masocha nie czytałem, wierze˛ tylko na kredyt powszechnej opinii, z˙e jest on potwarca˛ Polakjw i urwisem literackim;« o. A.: o.T. Prawda. Tygodnik polityczny, społeczny i lieracki. 15. (3.) 10.1881, Warszawa, S. 500–501. 244 »[…] c_Z BQfVak-=Qb_fk, [_ca_]d ]l XQ uT_ \oR_Sm Y b_hdcu SUph^~ RdcY `_SY^^~ : ^QWYSk d ^Qbk ^Vb\QSl. 8SlhQZ^_ u]d XQ[YUQu]_ – \_Wm! 1 h_]d? 2_ @_\p[Y, SbclUQohYbm _UaQXd, p[wZ Y]k Sk XVa[Q\¦ BQfVak-=Qb_fQ `aVUbcQSYSk bp, b[QXQ\Y, j_ c_uXVa[Q\_ \_W^V, j_ _^Y – @_\p[Y – [aQbi0, ^¦Wm BQfVak-=Qb_fk Yfk ^Q]Q\rSQSk.« Sapohovs’kyj: Zacher-Mazoch a Rusiny, S. 302. 245 »Rusini, ktjrych p.Masoch ›Die Russen‹ nazywa, nienawidzili i nienawidza˛ Polakjw. […] Rusini siedza˛ chwilowo cicho i znosza˛ wszystko cierpliwie, lecz biada Austryi, jez˙eli Rusini poprosza˛ o pomoc 60 milionjw braci, mieszkaja˛cych za kordonem austryackim! Galicya stanie sie˛ natenczas przedmurzem Rosyi i panslawizmu.« o. A.: Leopold Sacher-Masoch (Gazeta Torun´ska) Sacher-Masochs unbekümmerter Gebrauch des Begriffs ›Russe‹ kommt den Polen hier ganz gelegen.

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aber eine andere Substanz?«246 Denn Sacher-Masochs Behauptung »Die Polen sind stolz darauf, keine Slaven zu sein, sie fühlen nicht und denken nicht wie wir [!]247 anderen Slaven, sie sind tatarischen Ursprungs […]«, empört die polnische Seite unermesslich. Diese Behauptung zum ›asiatischen Charakter‹ der Polen entspringt Sacher-Masochs Artikel zum Hochverratsprozess in Lemberg248, welcher den Prozess um eine Gruppe von prominenten Russophilen behandelt, die sich 1882 vor einem Lemberger Geschworenengericht der panrussischen Verschwörung und damit des Anschlags auf die Integrität des österreichischen Staatsgebietes verantworten mussten. Dabei kam es naturgemäß auch zu innergalizischen polnisch-ruthenischen Auseinandersetzungen zwischen polnischen Geschworenen und ruthenischen Angeklagten, zur Frage nach der bei Gericht zu verwendenden Sprache, und zum Anteil der polnischen Presse an der Verbreitung antiukrainischer Gerüchte.249 Dass Sacher-Masochs Slawenbild bzw. Slawenliebe keine einheitliche war und die Polen dabei deutlich schlechter abschnitten, betont auch Leon Wachholz in seiner Studie zu Sacher-Masoch von 1907.250 Wachholz war jedoch auch derjenige, der darauf hinwies, dass der vieldiskutierte und -kritisierte angebliche Hass Sacher-Masochs gegenüber den Polen und seine Liebe zu den Ruthenen ein sehr viel komplexeres Phänomen belegen würde. Ganz richtig erkannte der Mediziner, dass Sacher-Masochs Polenbild ein sehr ambivalentes wäre, in der die grausame aristokratische Figur, welche meist von Pol(inn)en verkörpert wird, durchaus auch als Objekt der Begierde und Bewunderung fungiert.251 Auf ruthenischer Seite war man bemüht darauf hinzuweisen, dass SacherMasochs Beschreibungen sich keineswegs auf enthusiastische bzw. missbilligende Sequenzen beschränken, vielmehr der Autor gar »unsere Sache mit großer Nüchternheit betrachtet«. Er »erörtert unsere Schwächen und unsere Stärken und gerade aus dieser Perspektive verdient sein Urteil unsere größte Aufmerk-

246 »Powjdz´ głupstw i kłamstw kon´czy sie˛ nareszcie zdaniem, po przeczytaniu ktjrego kaz˙dy musi sie˛ zapytac´, czy p.Sacher ma jeszcze mjzg, czy jaka˛ inna˛ substancya˛ w głowie? Owo piramidalne zdanie brzmi dosłownie«: »Die Polen sind stolz darauf, keine Slaven zu sein […].« Ebda. 247 Aufschrei im Artikel selbst – »p.v.Sacher-Masoch Slowianinem!!« 248 Leopold von Sacher-Masoch: Der Lemberger Hochverrathsproceß. Auf der Höhe. Januar, Februar, März 1882, S. 412–415. 249 Dazu näher bei Anna Veronika Wendland: Die Russophilen in Galizien. Ukrainische Konservative zwischen Österreich und Rußland 1848–1915. Wien 2001, siehe das Kapitel »Russophile als Staatsfeinde: Zbarazˇ, Hnylycˇky und der Lemberger Hochverratsprozeß« S. 201–221. 250 »[…] podnosza˛c i apoteozuja˛c niejednokrotnie rase˛ słowian´ska˛, mimo to nie znajduje dos´c´ czarnej barwy do domalowania nas jako narodu przewrotnego, lekkomys´lnego, pozbawionego uczuc´ etycznych.« Wachholz: Sacher-Masoch i Masochizm, S. 1. 251 Ebda.

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samkeit […].«252 – im Gegensatz zu den Polen, die sich über Sacher-Masochs Lügen echauffierten, die vom Ausland so bereitwillig geschluckt werden würden.253 Denn »jeder, der in Galizien war und Augen und Ohren hat und keine tendenziösen Lügen in Umlauf bringen will, weiß, dass den Ruthenen dort keinerlei Unrecht zugefügt«254 wird – wie Sacher-Masoch dies darstellen würde. Gegen Sacher-Masochs Verleumdungen musste Einspruch erhoben werden, und zwar antwortet man auf »solcherart bösartige Verdrehung der Wahrheit nicht mit der Feder, sondern mit etwas anderem!«255, so protestierte die Gazeta Torun´ska, die sich als besonders aggressiv dem Autor gegenüber auszeichnete, noch in ihrem Nekrolog auf Sacher-Masoch. Dies hatte zur Folge, dass im damaligen Lemberg die Werke Sacher-Masochs offenbar nur schwer zu erhalten waren. Das Misstrauen, welches Sacher-Masoch von Seite der Polen entgegenschlug, wirkte sich auch auf die Distribution seiner Bücher aus. In der ruthenischen Zorja beklagte man sich darüber, dass der beste Beweis des Hasses, der Sacher-Masoch von polnischer Seite entgegenkäme, jener wäre, dass die polnischen Buchhandlungen in Lemberg Sacher-Masochs Erzählungen nicht vorrätig hätten und sich sozusagen »aus Prinzip« weigern würden, diese zu bestellen, wenn jemand daran interessiert war.256 Der Journalist Lev Sapohins’kyj wies darauf hin, dass er Sacher-Masoch lediglich über einen Band der Galizischen Geschichten beurteilen könne, da es ihm in Lemberg nicht gelungen wäre, andere Novellen aufzutreiben. Dass das Buch vorher im Besitz eines treuen Ruthenen gewesen sein musste, sehe man daran, dass neben dem Namen des Autors vermerkt war »der unübertreffliche Schilderer der kläglichen, galizischen Geschichten«257 – im Sinne der bedauernswerten Schicksals der Ruthenen in Galizien. 252 »HdW_bc_a_^^~ `YbQcV\m _g¦^pu ^Qi~ b`aQSl Xk R_\miY]m f_\_U_]k, _^k b[_aiV a_XRVaV ^Qi~ ^VU_bcQc[Y Y ^Qi~ U_bc_Y^mbcSQ Y `iUk cl]k SXT\pU_]k bdUk uT_ XQb\dTdu ^Q ^Qid `_S^d dSQTd […].« o. A.: Bal’ ruskych bohoslovov (Zorja), S. 288. 253 »[…] brednie Sacher-Masocha, ktjre tak chciwie przełykała zagranica, dowiaduja˛c sie˛ o nas tyle, ile my z prowincyonalnych gazet o … Honolulu.« o. A.: Przegla˛d dzienny [Tagesschau]. Gazeta Torun´ska. 24. 9. 1880, Torun´, S. 1–2, hier S. 1. 254 »[…] kaz˙dy, kto ma oczy i uszy, kto był w Galicyi i nie chce tendencyjnie puszczac´ kłamstw w obieg, wie, z˙e Rusinom z˙adna nie dzieje sie˛ krzywda, z˙e w sa˛dzie i administracyi je˛zyk ich jest podług potrzeby uwzgle˛dniony, z˙e na polu szkolnictwa elementarnego Rusini maja˛ wie˛cej szkjł, jak Polacy […].« o. A.: Leopold Sacher-Masoch (Gazeta Torun´ska), o.S. 255 »[…] Na takie z´łos´liwe kosławienie prawdy opowiada sie˛ nie pijrem, lecz czem innem!« Ebda. 256 »P[k SV\Y[Q ^V^QSYbcm U_ BQfVak-=Qb_fQ d @_\p[iSk, ^QZ\dhiY]k U_[QX_]k, j_ [^YTQa^¦ `_\mb[0 S_ ýmS_S¦ ^V \Yim _`_S¦UQ^m B.= . ^Q b[\QU¦ ^V ]Qock , Q\V ^QS¦cm ›z zasady‹ b`a_SQUYcY Yfk ^V f_cpck, ub\Y c_T_ [c_ XQWQUQu.« o. A.: Bal’ ruskych bohoslovov (Zorja), S. 288. 257 »P RdUd ^QS_UYcY BQfVak-=Qb_fQ \Yim Xk uT_ »Galizische Geschichten«, R_ S_ ýmS_S¦ Y^iYfk uT_ `_S¦bcVZ ^V U_SV\_bm ]V^¦ iUid[QcY. ;^YW[Q , [_cad p ]Qo, Rd\Q SYU^_ Sk ad[Qfk p[_T_bm AdbY^Q, R_ `_Rihm Y]V^Y BQfVak-=Qb_fk, ^QUf_Wd U_`YbQ^0 b\_SQ: ›der

(Galizische) Rezeptionstendenzen des »romancier galicien«

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In Polen blieb Sacher-Masoch »unser gewichtiger Feind«, Sohn des berüchtigten Polizeidirektors258 und »weithin bekannter deutscher Schmähschriftsteller«.259 Während man ihn in Frankreich als »großen galizischen Romancier« lobt, konstatierte man trocken, dass »Galizien ihn besser als Sohn eines gewissen berühmten Beamten aus der Zeit des Aufstandes von 1846 kennt«.260 Reduzierte man Sacher-Masoch polnischerseits zum tendenziösen Polizeiapparats-Sprössling, huldigte man auf der anderen Seite seinem öffentlichen Bekenntnis zum unterdrückten Volk der Ruthenen und hielt fest: Der Autor ist für uns Galizier vor allem dahingehend interessant, dass er sich in seiner Polemik mit dem Wiener Journalisten Hieronymus Lorm (1866) öffentlich zu seiner Nationalität als galizischer Russe bekannte, und außerdem, dass fast alle Helden seiner Erzählungen Galizier sind, russische Typen und sogar russische Patrioten (z. B. Don Juan von Kolomea, Mondnacht).261

Insofern sollten die Ruthenen zum Anlass seines Schriftstellerjubiläums 1882 »Dankbarkeit äußern für seine große Sympathie für das weithin erniedrigte, unbeachtete kleinrussische Volk.«262 Sacher-Masoch trug Zeit seines Lebens zum Ruf des verhinderten, aber leidenschaftlichen »galizischen Russen« bei, auf den von ruthenischer Seite gerne hingewiesen wurde. Wie wichtig es den Ruthenen war, jede auch noch so abstruse Gelegenheit wahrzunehmen, mit dieser Problematik an die Öffentlichkeit zu treten, beweist die erstaunlich einmütige Goutierung von Sacher-Masochs Versuchen, den Begriff »ruthenisch« und das Problemfeld »Galizien« an die Öffentlichkeit zu tragen. Sogar der Historiker und führende Aktivist der ukrainischen Nationalbewegung Mychajlo Hrusˇevs’kyj ließ sich hinreißen zu bekennen: »Meiner Meinung nach ist es nicht schön, dass jener Mann mit erheblichem Talent, der ein wunderbarer ukrainischer [!] Schriftsteller gewesen wäre, seine Muttersprache vergessen hat und zu einem deutschen Schriftsteller wurde.«263 Dieser

258 259 260 261

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unübertreffliche Schilderer der kläglichen, galizischen Geschichten‹.« Sapohovs’kyj: Zacher-Mazoch a Rusiny, S. 300. »P.Sacher-Masoch cie˛z˙ki nasz wrjg i syn znanego nam dobrze dyrektora policji lwowskiej w latach od 1840–48« o. A.: Kronika miejscowa (Gazeta Narodowa) 1883, o.S. »[…] mocno znany paszkwilista niemiecki Sacher-Masoch« Grzymała: Pogadanka (Tygodnik Powszechny), S. 676. o. A.: Kronika miejscowa (Gazeta Narodowa) 1886, S. 2. »[…] QSc_ak U\p ^Qbk 4Q\YhQ^k XQ^Y]QcV\V^k S_ `¦aSlfk cV]k, hc_ _^ Sk bS_VZ `_\V]Yg¦ bk S¦^b[Y]k Wda^Q\Ybc_]k üVa_^Y]_]k ý_a]_]k (1866 T) _^ `dR\Yh^_ `YX^Q\k bVRV `_ ^Qa_U^_bcY TQ\Yg[Y]k Adbb[Y]k, Q UQ\mV c¦]k, hc_ `_hcY Sb¦ TVa_Y VT_ a_Xb[QX_Sk 4Q\YhQ^V, adbb[wY cY`l, Q UQWV adbb[wY `Qcaw_cl (b].^ .`a . 5_^k-7dQ^k [_\_]lZb[YZ, ýd^^Qp ^_hk).« ˇ ornaja Knjaginja, o.S. Labasˇ : C »[…] Q \YiV b[QWd , j_ ]l AdbY^l `_SY^^~ SUph^ibcm XQpSYcY XQ Z_T_ jYa~ bY]`QcwY U\p `\V]V^Y ]Q\_adb[_T_ SboUY ^VfcdSQ^_T_, `_^YWV^_T_ !] Rozˇ anovs’kyj: Lysty do Barvins’kogo. »[…] `a_ ]V^V , gV ^V TQa^_, j_ c_c h_\_Sw[ ]Qu hY]Q\YZ cQ\Q^c, ]QS RY RdcY TQa^Y]

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Sacher-Masoch als ›Galizier‹

schönen Mär von der ukrainischen Muttersprache bzw. dem angeblichen Slawentum Sacher-Masochs begegnete man polnischerseits berechtigterweise mit Skepsis. 1907 resümierte Wachholz in Krakau: »[…] er vergaß offensichtlich die Sprache seines Heimatlandes so grundlegend, dass er außer Verehrung für Russland oder aber auch für die Rus’, in keiner dieser Sprachen auch nur ein Werk skizzierte.«264 Dennoch betonte man ruthenischerseits gerne, besonders nekrologisch-retrospektiv, Sacher-Masochs enge Beziehung zu den Ruthenen, zumal er einer der wenigen großen Namen war, der die ruthenische Angelegenheit aufgriff. »Sacher-Masochs Romane sind so voll glühenden Mitgefühls für unser Volk, dass es scheint, als hätte sie kein Deutscher, sondern ein geborener Ruthene geschrieben.«265 Wie zunehmend relevant die Frage der Genealogie in jener Zeit wurde, zeigt sich nicht nur an Sacher-Masochs vielfach zurechtarrangierten Lebensläufen, die dieser je nach öffentlicher Stimmung und Wirksamkeit drehend und wendend formulierte und vor sich hertrug. In den deutschen, polnischen wie ukrainischen Pressestimmen wird evident, wie sehr man geradlinige Stammbäume und Bekenntnisse bevorzugte, hybride Existenzen ablehnte bzw. diesen mit Misstrauen begegnete und wie stark alles bereits ethnonationale Färbung annahm, wobei ›Mischidentitäten‹ als ungewiss und unliebsam gewertet wurden. Wenn die Ruthenen Sacher-Masochs Bekenntnis zum Ruthenentum – sei es genealogisch oder aber symbolisch aufgefasst – als nicht unliebsame Wunschvorstellung eines Fürsprechers auffassten, so provozierte die Herstellung eines Zusammenhangs von Sacher-Masoch und dem Polentum gewaltige Proteste polnischerseits. Eine Empörung, die in ihrer Aggression befremdlich wirkt – aber vielleicht gerade deshalb bedeutsam dahingehend, wie sehr man in SacherMasoch tatsächlich eine Bedrohung empfand, wie groß Sacher-Masochs literarische und publizistische Reichweite gewesen sein muss, um einen solch übersteigerten Zorn hervorzurufen. Als einem Berliner Journalisten der Lapsus passierte, Sacher-Masoch aufgrund seines galizischen Bekenntnisses für einen Polen zu halten, ging in der polnischen Presse eine Welle der Empörung hoch, die ihresgleichen sucht.

d[aQx^b[Y] `Ybm]V^^Y[_], cQ _c aiU^d ]_Sd `_XQRdS i Xa_RYSbp `Ybm]V^^Y[_] ^i]Vgm[Y].«

Tagebucheintragung, zitiert nach Svarnyk: Perebuvannja pys’mennyka v Halycˇyni, S. 112. 264 »[…] on widocznie tak zapomniał mowy swego rodzinnego kraju, z˙e mimo uwielbienia dla Rosyi, czy tez˙ Rusi, ani jednego w tych je˛zykach nie skres´lił utworu.« Wachholz: SacherMasoch i Masochizm, S. 24. 265 »@_S¦bcY BQfVak-=Qb_fQ `_\^Y0 cQ[_T_ T_aph_T_ b_hdSbcwp U\p ^Qi_T_ ^Qa_UQ, p[Rl `YbQ\k Yfk ^V ^¦]Vgk, ^_ a_U_SYclZ AdbY^k. o. A.: Leopol’d Sacher-Masoch. Bukovinskie Veˇ ernivci, o.S. domosti. 5. (17.) 3. 1895, C

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Wir protestieren! Wo auch immer man seine Stimme erheben kann […], wir protestieren! […] Sacher-Masoch – ein »polnischer Szlachcic!« Wenn das wahr wäre, wäre man gezwungen der polnischen Szlachta abzuschwören! […] Wir protestieren hier und wo auch immer sich die Möglichkeit und Stimme findet!266

Aber auch Sacher-Masochs rutheno-galizischen Bekenntnissen stand man skeptisch gegenüber, wie überhaupt seinen lautstark verkündeten Zugehörigkeiten mit höchstem Misstrauen begegnet wurde. […] es existieren keinerlei Hinweise, die davon Kenntnis geben würden, ihn für einen Ruthenen zu halten, oder überhaupt für einen Slawen.267 […] sicher ist, dass er kein Nachfahre eines aristokratischen ruthenischen Geschlechts war, da ein solches niemals existierte.268

Sehr wohl war man sich dessen bewusst, dass Sacher-Masoch mit nationalen Bekenntnissen gerne jonglierte und keineswegs gewillt war, sich festzulegen. »Unser Autor konnte sich selbst für einen Ruthenen halten wie er sich mit demselben Recht für einen Polen halten könnte oder für einen Angehörigen einer was auch immer für sich erkorenen Nationalität«.269 Die genealogischen Zweifel an jenem »slawischen Dichter« hielten die ruthenische Seite nicht davon ab, Sacher-Masoch eine Zugehörigkeit zum galizischen Raum zu attestieren. Wehrte man sich auf der einen Seite gegen eine wie auch immer geartete Verwandtschaft, würdigte man auf der anderen Seite eine Verbindung der anderen Art, indem man dem »deutschen Romanschriftsteller« zugestand, sich zu den »Russen« zählen zu können, gerade weil ein Großteil 266 »Protestacya przeciw polskiemu szlachectwu Sacher-Masocha. Protestujemy! Gdziekolwiek głos podnies´c´ moz˙na i po dziesie˛c´ kroc´, protestujemy! Jakiemus´ nieukowi w Berlinie podobało sie˛ Sacher-Masoch’a zrobic´ polskim szlachcicem, choc´ pisze po niemiecku obrzydliwos´ci o nas. Niemcy w ogjle gdy im co nie smakuje gotowi na nasz rachunek to skladac´. – Sacher-Masoch ›szlachcicem polskim!‹ Gdyby to miała byc´ prawda, przyszłoby sie˛ polskiego szlachectwa wypierac´ ! Szcze˛´sciem jest ta berlin´ska znajomos´c´ stosunkjw i narodowos´ci, – jez˙eli nie niepoczciwa zła wiara i umys´lne kłamstwo. Protestujemy tu, i gdzie tylko znajdzie sie˛ miejsce i głos do protestacyi! tej illustracyi ani pragniemy ani sie˛ do niej przyznawac´ be˛dziemy, jak to Jul.Verne, ktjrego nie potrzebnies´my sobie przyswajac´ chcieli.« J. Kraszewski: Listy z zaka˛tka [Briefe aus dem Winkel]. Biesiada. Pismo literackopolityczne illustrowane. (18.2.) 2.3. 1877, Warszawa, S. 133–134. 267 »[…] nie ma z˙adnych danych, ktjreby dozwalały go uwaz˙ac´ za Rusina, a nawet moz˙e wogjle za Słowianina.« Wachholz: Sacher-Masoch i Masochizm, S. 4. 268 »[…] pewnem jest, z˙e nie był on potomkiem szlacheckiej rusin´skiej rodziny, gdyz˙ taka nigdy nie istniała.« Ebda., S. 5. 269 »Ruskos´c´ jego pochodzenia jest na podstawie dokumentjw tak samo nie autentyczna˛, jak nie rzeczywistemi, lecz tylko w jego fantazyi zdrodzonemi sa˛ osoby wrzekomej jego ciotki, rusin´skiej hrabiny Tarnow (Venus im Pelz), lub jego przyjaciela, rusin´skiego hrabiego Komarowa (Marzella) i t.d. Autor nasz mjgł sie˛ co najwie˛cej sam uwaz˙ac´ za Rusina i to tem samem prawem, jakby sie˛ mjgł uwaz˙ac´ za Polaka (Das Volksgericht ›unsere Czaren, unsere Koenige von Polen…‹) lub za członka jakiejkolwiek wybranej przez siebie narodowos´ci.« Ebda., S. 6.

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Sacher-Masoch als ›Galizier‹

seiner Romane und Erzählungen sich auf das Leben der Ruthenen in Galizien beziehe.270 Interessanterweise kommt es zu einem gemeinsamen Höhepunkt der Debatten um Zugehörigkeit bzw. Ablehnung, als 1882 Sacher-Masochs 25-jähriges Schriftstellerjubiläum gefeiert wurde. Ein Anlass, den er in seiner neuen Zeitschrift Auf der Höhe seitenstark festzuhalten wusste271, ein Höhepunkt, welcher ihm den Ehrenlegionsorden in Frankreich einbrachte und ihm noch einmal die Gelegenheit bot, seine Empathie mit den Ruthenen zu verkünden. Dieser Jubiläumsrahmen bot sich außerdem an zu konstatieren, wer die Gelegenheit wahrnahm, jubelnd zu gratulieren oder sich aber empört distanzierte. Von Seiten der Zeitschrift trat man u. a. an den ukrainischen Romantiker und ehemaligen Rektor der Lemberger Universität Jakiv Holovac’kyj (damals bereits im Exil in Vilna) heran, um ihn um einige Worte der Gratulation zu bitten.272 Holovac’kyj gratuliert wie erbeten zum Schriftstellerjubiläum, spricht von seiner Anerkennung von Sacher-Masochs »hellem Geist und edelmütigem Herzen«, insbesondere aber von dessen »warmem Mitgefühl meinem und Ihrem Landsmann gegenüber«, den »Galiziern, das in Ihren Schriften auftaucht [sic].«273 270 »[…] 8QfVak-=QX_fk Rl\k ^¦]Vg[Y]k a_]Q^Ybc_]k, c¦]k ^V ]V^miV VT_ ]_W^_ bhYcQcm Y adbb[Y]k, cQ[k [Q[k b_UVaWQ^wV R_\miY^bcSQ VT_ a_]Q^_Sk, `_S¦bcVZ Y aQXb[QX_Sk _c^_bYcbp [k WYX^Y adbb[QT_ ^Qa_UQ Sk 4Q\YhY^¦. o. A.: Zacher Mazoch (Beseda), S. 60. 271 Ludwig Giesebrecht: Das Sacher-Masoch Jubiläum in Leipzig. Auf der Höhe. Nr. 2, H.17, 1883, S. 308–318. 272 »›Auf der Höhe‘ Redaction: Sacher-Masoch. R. Armand. Leipzig Leipzig, den 23. Novbr. 1882 Sehr geehrter Herr! Sacher-Masoch feiert am 1. Jan.1883 sein 25-jähriges Jubiläum als Schriftsteller. Man will dem Dichter an diesem Tage ein Album mit Autografen aller hervorragenden Schriftsteller, Künstler, Gelehrten, sowie seiner Freunde überreichen. Da man dem Unterzeichneten überall, wo er sich mit seinen Ansuchen gewandt hat, auf das freundlichste entgegen gekommen ist, so glaubt derselbe auch auf Ihre collegiale Gesinnung rechnen zu dürfen & bitte Sie, sehr geehrter Herr, beifolgendes Blatt mit einem Autograf zu versehen und in beigeschlossenem Couvert an meine Adresse gelangen zu lassen. Mit ausgezeichneter Hochachtung, R. Armand« Armand Robert, Holovac’kyj Jakiv : Holovac’kyj Ja. F., Lyst Zacher-Mazochu Leopol’d, avstr. pysmennyk. Vil’na – Lejpcig. L’viv : Biblioteka im. Stefanyka, Viddil rukopysiv, Hol. Nr. 491/22.[Armand an Holovac’kyj] 273 »6T_ 3lb_[_a_UwV ýV_`_\mUd ýV_`_\mU_SYhd BQfVak-=QX_fd. =Y\_bcYSlZ 4_bdUQak @_ `_S_Ud `aQXU^_SQ^wp USQUgQcY`pcY\Vcwp 3QiVZ \YcVaQcda^_Z UVpcV\m^_bcY `aY]YcV XQpS\V^wV S ]_V]k Yb[aV^^V]k `aYX^Q^wY 3QiVT_ bS¦c\_T_ d]Q Y R\QT_a_U^QT_ bVaUgQ, S _b_RV^^_bcY XQ 3QiV cV`\_V b_hdSbcSwV [ ]_Y]k Y 3QiY]k XV]\p[Q]k. 4Q\YhQ^Q]k, [_c_a_V `a_pS\pVcbp Sk 3QiYfk b_hY^V^Ypfk. 5SZbcS. BcQc . B_S . P .4 . 3Y\m^Q, 1 5V[QRap 1882 T.«

(Galizische) Rezeptionstendenzen des „romancier galicien“

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Das Bedeutungsbewusstsein für die Person Sacher-Masoch und seine galizischen Implikationen muss in ostgalizischen Kreisen durchaus da gewesen sein: Der Geistliche Hnat Rozˇanovs’kyj korrespondierte gar mit Volodymyr Barvins’kyj – dem Gründer und Redakteur der ab 1880 größten und populärsten Zeitschrift Galiziens Dilo und wichtigstem Mann der ukrainischen narodovciPartei in Galizien – über Sacher-Masochs Jubiläum in Leipzig. In einem Brief vom 16.(28.) Oktober 1882 versuchte er ihn zur Mithilfe und Mitarbeit an einem anlässlich des Jubiläums ins Leben zu rufenden ruthenischen Gratulationskomitee zu überreden, dabei skizzierte Rozˇanovs’kyj die Verdienste des Jubilars. Sacher-Masochs Zeitschrift Auf der Höhe selbst lobte er : »[…] In der aktuellen Ausgabe des Journals ›Auf der Höhe‹ sympathisiert Herr Sacher-Masoch mit uns – mit unserer Volksbewegung«274, denn »[…] nicht nur die Ruthenen, sondern auch alle anderen slawischen Völker275 und eigentlich die gesamte gebildete Welt ist in jenem Journal Auf der Höhe vertreten.«276 Und die Lemberger Zorja legte ihrem Publikum die Zeitschrift nachdrücklich ans Herz, eine Zeitschrift, in welcher sich »so manches findet, was man in unseren und anderen Zeitschriften vergeblich suchen würde.«277 Den slawophilen Glanz des Leipziger Vorhabens sah man auf polnischer Seite jedoch gänzlich anders, wo man vielmehr versuchte, sich auch zu dieser Gelegenheit von Neuem gegen den ohnehin einschlägig »bekannten Leopold von Sacher-Masoch« auszusprechen, denn die Zeitschrift »zeichnet sich durch phantastischen Hass gegen alles, was Polnisch ist, aus«278, wie die altbekannte Gazeta Torun´ska feststellt. Auf ruthenischer Seite

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Robert Armand, Jakiv Holovac’kyj: Holovac’kyj Ja. F., Lyst Zacher-Mazochu Leopol’d, avstr. pysmennyk. Vil’na – Lejpcig [Brief Holovac’kyjs an Sacher-Masoch]. L’viv : Biblioteka im. Stefanyka, Viddil rukopysiv, Hol. Nr. 491/22, 1882, o.S. »9 Sk cV`Va¦i^i]k Wda^Q\¦ ›Auf der Höhe‹ bY]`QcYXdu `. B .–=. bk ^Q]Y – bk ^QiY]k adf_]k ^Qa_U^l]k.« Rozˇ anovs’kyj: Lysty do Barvins’kogo. Dies passt wiederum den Polen nicht, die einen Skandal ob angeblicher polnischer Mitarbeiter (Wł. Kraszewski und P. Okon´ski) bei Auf der Höhe provozieren, was zu Distanzierungen von Seiten der Betroffenen führt. Grzymała: Pogadanka (Tygodnik Powszechny), S. 676. »þV \Yim AdbY^d, cQ[_Wm Y UadT0 b\QSp^mb[0 ^Qa_Ul, Q `aQSUd b[QXQcY SVbm dhV^lZ bS¦ck Æbcm XQbcd`\V^lZ Sk Wda^Q\¦ ›Auf der Höhe‹«. o. A.: »Auf der Höhe« (Zorja). Zur Programmatik von Auf der Höhe siehe Barbara Hyams: The Whip and the Lamp: Leopold von Sacher-Masoch, the Woman Question, and the Jewish Question. Women in German Yearbook. Nr. 13, 1997, S. 67–79 als auch der Beitrag von Lubosˇ Merhaut: Es schrieb: Leopold von Sacher-Masoch (3. 10. 2016) zu Sacher-Masochs Kontakten zur tschechischen Literaturszene und seine angeblichen Tschechischkenntnisse: http://www.ipsl.cz/index.php?id= 1050& menu=echos& sub=echos& str=aktualita.php. »=l VjV aQXk `_adhQÆ]k ^QiiZ `dR\Yg¦ Wda^Q\k ›Auf der Höhe‹, R_ Sk ^¦]k ^V _U^_ X^QZUVbm, h_T_-Rk `_ ^QiYfk Y UadTYfk `Ybm]Qfk ^QUQa]_ id[QSRl.« o. A.: »Auf der Höhe« (Zorja), S. 320. »W tych dniach dostał sie˛ przypadkiem do ra˛k moich tom czasopisma Auf der Hohe, redagowanego przez znanego Leopolda v. Sacher Masoch, w Lipsku. Czasopismo to wy-

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Sacher-Masoch als ›Galizier‹

dagegen erhob man sich zu Sacher-Masochs Jubiläum zu einem gesamtruthenischen Gruß: »In vielen ruthenischen Kreisen kam der Gedanke auf, SacherMasoch zu diesem Anlass mit aufrichtigen Dankesworten im Namen der Ruthenen zu grüßen. […] Zusätzliche Grüße können direkt an die Adresse des Jubilars geschickt werden«279, welche auch veröffentlicht wurde. Da SacherMasoch sich also stets für die Ruthenen eingesetzt hat, wäre man geradezu »moralisch verpflichtet dem Jubilar zu diesem Festtage ein Schreiben mit so viel als möglich Unterschriften zu übersenden.« Denn, »ein solches Schreiben ehrt nicht nur den Jubilar, sondern auch uns Ruthenen, darüber hinaus belegt es unser intellektuelles Leben in den ausländischen Kreisen in Leipzig, deren Mitglieder zu den verschiedensten kulturellen Nachfahren Europas gehören.«280 In diesem umfangreichen Brief wird außerdem ausgiebig das Procedere der Gratulationsübermittlung besprochen.281 In einem Artikel zum Sacher-Masoch-Jubiläum in Leipzig282 in Sacher-Masochs höchsteigenere Zeitschrift Auf der Höhe werden dann ganze Listen der Gratulanten veröffentlicht. Diese Zeitschrift wurde offenbar auch auf polnischer Seite intensiv studiert, da man hier wieder einmal Gelegenheit fand, sich gegen Sacher-Masoch zu empören und sich über diverse ruthenische Freundschaftsgesten lustig zu machen. Unter anderem erhielt Sacher-Masoch Gratulationen von ihrer »Exzellenz« Gräfin Lewicki aus Warschau (bekannt aus dem Moskophilen-Prozess »Russische Soldatka«), von der russischen Jugendakademie in Lemberg, der Fortschrittsgesellschaft (?!!) in Lemberg, welche ihm zu Ehren ein Festmahl veranstaltete, von der Fortschrittsge-

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chodzi raz na miesia˛c i odznacza sie˛ fantastyczna˛ nienawis´cia˛ do wszystkiego, co jest polskie.« o. A.: Sacher-Masoch (Gazeta Torun´ska), S. 3. »3k ]^_TYfk [adTQfk adb[Yfk `_U^pc_ ]lb\m, `_SYcQcY BQfVak-=Qb_fQ ^Q ci]k U^Y jYal]k Y SUph^l]k b\_S_]k cQ[_Wm Sk Y]V^Y AdbY^iSk (a_Xd]¦Æbm. 9 aVUQ[gwp ›8_a¦‹ S_Xm]V dU¦\k Sk _Rf_U¦ oSY\VZ^_]k). 5_clh^Y0 `aYS¦cl ]_W^Q Slb\QcY QR_ ^Q QUaVb bQ]_T_ oSY\pcQ (Dr. Von Sacher-Masoch, Redacteur von ›Auf der Höhe‹ in Leipzig, Alexanderstrasse 15, II), QR_ U_ oSY\VZ^_T_ [_]YcVcd ^Q QUaVbd : R. Armand in Leipzig, Lessingstrasse 3.« o. A.: Zametki [Notizen]. Zorja. 1. (13.) 12.1882, Lwjw, S. 370–371. »=l, TQUQo, ]_aQ\m^_ _R_SpXQ^~ S c_Z c_aWVbcSV^^lZ UV^m SadhYcY oSY\pc_SY QUaVbd XQ_b]_caV^d _ b[i\m[_ ]_Wk hYb\V^^l]Y `iU`YbQ]Y. Bp QUaVbQ (Bc.2) `_hcYcm ^V ci\m[_ oSY\pcQ, Q\V Y ^Qbk AdbY^iS, `_XQp[_ U_[QWV ^Qid Y^cV\\YTV^c^d WYX^V^^ibcm S XQTaQ^Yh^lfk [adW[Qfk – S ýY`b[d, [_c_aYfk h\V^l `aY^Q\VWQcm [k aiW^l]k [d\mcda^Y] `\V]V^Q] %Sa_`Y.« Rozˇ anovs’kyj: Lysty do Barvins’kogo. »C_WV Ud]Qo, Rd\_ Rl ^VSUph^_bcwo, Q j_ TiaiV, SlUQSQ\_bm Rl Y^U_\V^gwuo Xk ^Qi_Y bc_a_^l, ub\Y Rl ]l S UV^k SYiV aVhV^lZ, ^V `_b`¦iY\Y bk TaQcd\pgwuo Y X SUph^l]k dX^Q^mu]k uT_ `YbQcV\mb[_Y b\QSY. […] 1R_ ]_WV X^QucV p[_T_ AdbY^Q S ýY`b[d ? 2d\_ Rl ^QZic`_S¦U^¦ZiV ^Q ad[Y uT_ `VaVb\QcY QUaVbd, ^_ \VUS_ X^QZUVbm cQ]k [c_ »YXk RaQc~ ^QiVZ«. þQZic`_S¦U^¦ZiV Rd\_ Rl Slb\QcY [_T_ Xk ýmS_SQ ^Q UV^m bVZ S ýY`b[k bk QUaVb_o, Q\V cQ[wZ b`_biRk, a_Xd]¦ubm, bk [_ic_]k `_\dhV^lZ. P [a¦`[_ ^QU¦obm , j_ 3l bf_hVcV XQ^pcYbm bY]k U¦\_]k – l’object meut la puissance – Q p ^VTQUQo j_RY c_ cQ[k UdWV cadU^_ Rd\_ U_ XaVQ\YXdSQ^p. þQ Sbp[k b\dhQZ RdUmcV \Qb[QS~ `_S¦U_]YcY ]V^V. Ebda. Giesebrecht: Sacher-Masoch Jubiläum.

(Galizische) Rezeptionstendenzen des »romancier galicien«

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sellschaft in Kolomea (!?), von verschiedenen ruthenischen Damen (!), Professoren und Literaten mit »Mnohaja Lita« und »Hurra!« und von verschiedenen jüdischen Zeitschriften. Eine schöne Gesellschaft für Dumase und Daneten – mir fehlen die Worte.283

Nicht nur mokierte man sich über die Gratulanten und ihre Huldigungen, es folgen auch Proteste jener, die angeblich gratuliert hätten, sich aber gegen diese Vermutung verwehrten: Als Vorstand dieser [Fortschritts-]Gesellschaft [in Kołomya] möchte ich hiermit öffentlich festhalten, dass in jener nicht einmal der Gedanke aufgekommen ist, einer solchen Person, wie es Herr Sacher-Masoch ist, zu gratulieren. Ich protestiere deshalb im Namen der Gesellschaft gegen alle Gerüchte über irgendeine Gratulation an die genannte Person und bitte um die freundliche Unterbringung oben erwähnten Protestes sowie Korrektur im Rahmen Ihres geschätzten Journals.284

Sacher-Masoch vergaß natürlich nicht, seinen treuen Fans aus dem Osten auch von Leipzig aus zu danken und richtete hehre Worte an die Gratulanten285, ein pathetisches Bekenntnis zu Galizien, was man ebendort auf ruthenischer Seite dankbar aufgriff und mit einem gewissen Stolz auch veröffentlichte: Sacher-Masoch, der bekannte deutsche Schriftsteller und Redakteur des Leipziger Journals ›Auf der Höhe‹, feierte am ersten Januar das 25-jähriges Jubiläum seiner literarischen Tätigkeit. Auf die Grüße unserer Redaktion hin antwortete der Jubilar mit herzlichem Dank und schrieb gleichzeitig folgende Worte an die Adresse der Ruthe-

283 »Pomie˛dzy innemi otrzymał Sacher-Masoch gratulacje od ›ekscelencji‹ hrabiny Lewickiej z Warszawy (znana z procesu moskalofilskiego ›Russkaja Sałdatka‹), od rosyjskiej młodziez˙y akademickiej we Lwowie, od Towarzystwa poste˛powego (?!!) we Lwowie, ktjre na jego czes´c´ urza˛dziło uczte˛, od Towarzystwa poste˛powego w Kołomyi (!?), od licznych ruskich dam (!), profesorjw i literatjw z ›Mnohaja lita‹ i ›Hurra!‹ i rjz˙nych pism z˙ydowskich. Ładne towarzystwo dla Dumasjw i Danetjw – niema co mjwic´.« o. A.: Kronika miejscowa (Gazeta Narodowa) 1883, o.S. 284 »W nr.11 Gaz.Nar. z d.16. stycznia b.r.umieszczona˛ jest w kronice wiadomos´c´, jakoby Towarzystwo poste˛powe w Kołomyi przeslało p.Sacher Masoch w dniu jego 25 letniego lubileuszu gratulacje˛. Jako prezes tego Towarzystwa, os´wiadczam niniejszem publicznie, z˙e w takowem nawet nie powstała mys´l do gratulacji takiej osobistos´ci, jaka˛ jest p.Sacher Masoch. Protestuje˛ zatem imieniem Towarzystwa przeciw wszelkim doniesieniom, o jakiejs´ gratulacji rzeczonej osobie, i upraszam o łaskawe umieszczenie powyz˙szego protestu i sprostowania w łamach swego szacownego pisma. Przy tej sposobnos´ci prosze˛ przyja˛c´ wyraz szczerego powaz˙ania i szacunku. Jjzef Markus prezes Towarzystwa.« o. A.: Kronika miejscowa i zamiejscowa. Gazeta Narodowa. 19. 1. 1883, Lwjw, o.S. 285 »þ_ g¦\V bS_V WYcmV bY]`QcYX_SQ\k i^k bk ^Q]Y AdbY^Q]Y bVaUVh^_, Q [_\Y _Rf_UY\k i^m 25\¦c^wZ oRY\VZ bS_VZ `YbQcV\mb[_Z U¦pcV\m^_bcY c_ Y Rd[_SY^b[Q Adbm Y c_TUQi^0 Rd[_SY^b[0 jYa_-adb[0 _RjVbcSQ ^Qf_UY\Ybm Sk [adX¦ c¦fk, [_ca0 b[\QUQ\Y U¦\m^_]d `YbQcV\o WV\Q^wp 0 bVaUVh^d `aVUQcV\m^ibcm.« o. A.: Zacher-Mazoch (Bukovinskij Vedomosti), o.S.

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Sacher-Masoch als ›Galizier‹

nen: ›So lange mir Gott Leben und Gesundheit schenkt, werde ich fortfahren, muthig für unser Land und das kleinrussische Volk zu kämpfen.‹286

Eine Formulierung, die verdächtig ähnlich der klingt, die er bereits 1862 an Kuzems’kyj gerichtet hatte. Trotz der Polemiken zwischen Zugehörigkeitsbekundungen und polnischer Intervention findet man Sacher-Masoch sowohl in Karol Estreichers großangelegter Bibliografia Polska XIX stolecia [Polnische Bibliographie des 19. Jahrhunderts]287 sowie sich in Levyc’kyjs Notizen für sein unvollendete gebliebenes Biographisches Lexikon galizischer Schriftsteller288 ein geplanter Eintrag auch zu Sacher-Masoch findet. Diverse notierte bibliographische Angaben sowie gesammelte Zeitungsausschnitte in Vorbereitung eines enzyklopädischen Artikels geben Zeugnis davon. Dies mag als Hinweis darauf gelten, dass dieser, in der polnischen Presse seiner Zeit als notorischer Pamphletist und Querulant kritisierte Schriftsteller letztendlich trotz aller Gegenwehr als ›galizischer Autor‹ bzw. »malarz Galicyi« archiviert wurde. Man möchte es nicht für möglich halten, dass Sacher-Masoch, trotz der Intensität, mit der man sich ihm Zeit seines Lebens polnischerseits gewidmet hatte, erst Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals ins Polnische übersetzt wurde. Dass auch diese Erstübertragungen sich lediglich auf die ewigen Gassenhauer Venus im Pelz289 und Grausame Frauen290 beschränkten291, machte SacherMasoch nicht unbedingt als galizischen Autor bekannter, sondern bediente den Erotika-Markt. Ein europaweit kurz aufflackernder neuerlicher Sacher-Masoch-

286 »BQfVak-=Qb_fk, X^Q]V^YclZ, ^¦]Vg[wZ `YbQcV\m Y aVUQ[c_ak \Y`b[_T_ Wda^Q\d ›Auf der Höhe‹, _Rf_UYSk `Vai_T_ B¦h^p b.` . 25-\¦c^lZ oSY\VZ bS_ÆY \YcVaQcda^_Y U¦p\m^_bcY. þQ

`aYS¦ck ^Qi_Y aVUQ[gwY _cS¦cYSk oSY\pck bVaUVh^_o `_Up[_o Y XQaQX_]k U_`YbQSk b\¦Udoh0 b\_SQ ^Q QUaVbd AdbY^iSk: ›So lange mir Gott Leben und Gesundheit schenkt,

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werde ich fortfahren, muthig für unser Land und das kleinrussische Volk zu kämpfen‹.« o. A.: Zorja. 1883, 4, S. 64. Karol Estreicher : Bibliografia polska XIX stolecia. Dopełnienia P – Z [Polnische Bibliographie des 19. Jahrhunderts]. Warszawa 1877, S. 111. Biohraficˇ nyj slovnyk Levyckoho Y.O. (1850–1913): Zacher-Mazoch, Leopol’d. Vyriski i vypyski iz periodycˇnych vydan’ [Ausschnitte und Exzerpte aus periodischen Zeitschriften]. L’viv : Biblioteka im. Stefanyka Viddil rukopysiv, Fd.167, Op.11, od.zberezˇenyja 1258, papka 43. Erste polnische Übersetzung 1913 in Lwjw [Globus], 2. Ausgabe 1919 ebendort [kultura i sztuka]. 1911 als Serie unter dem Titel Groz´ne kobiety mit den Untertiteln Groz´ne kobiety: Sfinksy und Groz´ne kobiety : silne serca, bei kultura i sztuka in Lwjw – 1912/13 in einem Band als Demoniczne kobiety wieder aufgelegt, eine dritte Auflage 1920, jeweils in Lwjw. Mit Ausnahme von Warjat z Firlejjwki [Der Verrückte aus Firlejjwka] eine Erzählung im Stile der gothic novel, siehe: Kato: Schulz and Sacher-Masoch, S. 230. Leopold von SacherMasoch: Warjat z Firlejjwki: Opowiadanie. Warszawa: Skład u F.Kasprzykiewicza i S-ki 1904.

(Galizische) Rezeptionstendenzen des »romancier galicien«

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Boom hatte seine Ursache in der Veröffentlichung der Lebensbeichte292 seiner ersten Frau Wanda von Sacher-Masoch von 1906 sowie in dem seitengewaltigen und öffentlichkeitswirksamen, pamphletistischen Wort- und Biographiegefecht zwischen Wanda und Sacher-Masochs Sekretär und erstem Biographen Schlichtegroll.293 Nach einer Zeit des Vergessens erwachte kurzfristig neues Interesse an jenem vielpolemisierten Autor. Jedoch unterfütterten die von Madame Wanda nach außen getragenen pikanten Details aus dem Privathaushalte Sacher-Masoch vielmehr einen Voyeurismus, der dem von Sexualpathologien erhitzten Zeitalter schwüle Phantasien und neue Forschungsfelder versprach. Wanda von Sacher-Masoch gestattete Einblick in das schwere Los der schweren Pelze, in schweißtreibendes Sexualhandwerk und Sacher-Masochs ewigen Inszenierungsdrang. Die Schlammschlacht zwischen Sacher-Masochs Ex-Frau und seinem Sekretär, die noch viel griffigere Details als die Romane des Autors selbst versprach, ließ das Interesse vor allem am pathologischen biographischen Fall, Interesse an ›schmutziger Wäsche‹ aufkommen. Sowohl Lebensbeichte als auch Wanda ohne Pelz und Maske verkauften sich hervorragend und fanden zahlreiche Übersetzer. Auch der polnische Psychologe und Arzt Leon Wachholz nimmt in seinen Vorlesungen zu Sacher-Masoch und der Masochismus294 interessanterweise vor allem Bezug auf Sacher-Masochs Nachleben in den Beschreibungen seiner ehemaligen Ehefrau und seines Sekretärs. Dass jedoch auch diese eindimensionale Facette Sacher-Masochs, die seine polnische Wahrnehmung prägte, durchaus nicht unbedeutend war, zeigt eine regelmäßige Neuauflage der einschlägigen Titel: 1911 erscheint die Serie Groz´ne kobiety [Grausame Frauen] mit den Teilen Groz´ne kobiety : Sfinksy und Groz´ne kobiety : silne serca im Verlag »Kultura i sztuka« in Lwjw, 1912/13 wird diese Serie in einem Band als Demoniczne kobiety [Dämonische Frauen] wieder aufgelegt, eine dritte Auflage folgt 1920. 1913 erscheint die Wenus w futrze [Venus im Pelz] bei »Globus« in Lwjw mit einer Neuauflage bei »Kultura i sztuka« 1919. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg war Sacher-Masoch auf Polnisch offenbar vielgelesen und der Erfolg wurde im unabhängigen Polen fortgesetzt – dies sicher auch im Zuge des allgemein sich etablierenden Interesses für die zunehmend bekannter werdenden Erkenntnisse aus der Psychologie und die Schriften Freuds. Es ist demnach nicht von der Hand zu weisen, dass die Texte SacherMasochs in Wechselwirkung mit diversen Studien zu Sexualtheorien einen entsprechenden Eindruck auf die polnische Intellektuellen- und Künstlerszene 292 Wanda von Sacher-Masoch: Meine Lebensbeichte. Memoiren. Berlin 1906 bzw. Wanda von Sacher-Masoch: Masochismus und Masochisten. Nachtrag zur Lebensbeichte. Berlin 1908. 293 Carl Felix von Schlichtegroll: Sacher-Masoch und der Masochismus. Dresden 1901 bzw. Carl Felix von Schlichtegroll: »Wanda« ohne Maske und Pelz. Leipzig 1906. 294 Wachholz: Sacher-Masoch i Masochizm.

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Sacher-Masoch als ›Galizier‹

der Zwischenkriegszeit machte – Persönlichkeiten, die Sacher-Masoch vermutlich durchaus auch im deutschen Original bzw. in den französischen Ausgaben lesen konnten. Mag man sich zeitlebens an Sacher-Masoch ob seiner galizischen Geschichten als Polenfeind abgearbeitet haben, so erfreute sich die andere Sacher-Masoch’sche Facette der »grausamen Frau« in jener Zeit auch im polnisch-literarischen Raum großer Beliebtheit. Die Autoren und Künstler dieser Epoche und somit auch Sacher-Masochs zeitgenössische polnische Leser schienen von jenen Sacher-Masoch-Übersetzungen in Polen nicht unberührt geblieben zu sein. Sein Landsmann aus dem vormals galizischen Drohobycz, der polnische Künstler und Schriftsteller Bruno Schulz (1892–1942), imaginierte in seinem Graphikzyklus Xie˛ga Bałochwalcza295 von 1920/22 Szenen, die sehr stark an Sacher-Masoch’sche Bilder gemahnen. Angeblich hätte Schulz bewusst – ob als nicht zustande gekommener Auftrag oder aus Privatinteresse ist nicht zu ermessen – an Illustrationen für die Venus im Pelz gearbeitet.296 In jenem Masoch-Caf8, welches 2008 in L’viv eröffnet wurde, bringt man die beiden Galizier ganz unverhohlen in einen selbstverständlichen Zusammenhang: Die Terrasse sowie das Innenleben des Caf8s sind geschmückt mit Zitaten aus Sacher-Masochs Werken, die mit Ausschnitten aus Bruno Schulz’ einschlägigen Graphiken kombiniert wurden. Zudem finden sich auch im freundschaftlichen Korrespondenzkreis von Bruno Schulz mehrere bekannte polnische Schriftsteller, auf welche SacherMasochs pikante Erzählungen vom Anfang des 20. Jahrhunderts gewirkt haben mögen. Die etwa so eng mit Stanisław Witkiewicz (1885–1939) assoziierte »dämonische Frau«, die in den Kritiken seiner Werke, seiner Dramen aber auch seiner Malerei aufscheint, könnte eine direkte Entlehnung aus Sacher-Masoch sein.297 Witkiewiczs »kobieta-demon«, etwa in Gestalt seiner Irina Vsevolodovna M. Ticonderoga, trägt deutlich Züge des dämonisierten Weiblichen jener Zeit und tritt damit möglicherweise ein Sacher-Masoch’sches Erbe an. Auch SacherMasochs Geschichte Die Toten sind unersättlich, auf Polnisch Umarli sa˛ nien-

295 Jerzy Ficowski (Hg.): Bruno Schulz: Xie˛ga bałwochwalcza. Warszawa 1988. 296 Siehe Kato: Schulz and Sacher-Masoch, S. 224; Referenzen auch bei Nella Cassouto: »She Walked up to Father with a Smile and Flipped Him on the Nose«: Schulz and the Wars of the Sexes. In: Wojciech Chmurzynski, Yona Fischer (Hg.): Drawings of Bruno Schulz: From the Collection of the Adam Mickiewicz Museum of Literature. Warsaw. Jerusalem 1990, S. 22–27; Krystyna Kulig-Janarek: Erotyka – groteska – ironia – kreacja. In: Małgorzata Kitowska-Łysiak (Hg.): W ułamkach zwierciadła… Bruno Schulz w 110 rocznice˛ urodzin i 60 rocznice˛ ´smierci. Lublin 2002, S. 153–177. 297 Siehe auch David A. Goldfarb: Sacher-Masoch, Masochism, and the Sublime in the Polish Interwar Avant-garde [unpublished conference paper]. Princeton University : The Pain of Words. Mai 2008.

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asyceni, könnten direkt in Witkiewiczs Nenasycenie [Die Unersättlichen]298 von 1932 übergegangen sein. Für die ukrainische Seit konnte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lediglich Sacher-Masochs »Der neue Hiob« gefunden werden, welcher 1925 unter dem Titel »Der ukrainische Hiob. Eine wahrhaftige Erzählung aus unserer Vergangenheit« in der Übersetzung von Ivan Bidnyj in Z˙ovkva erschien.299 Im deutschsprachigen Raum erinnert erst 1957 Ernst Joseph Görlich neuerlich an den Schriftsteller und seine Neigungen abseits der Peitsche. Eine Auswahl seiner Erzählungen erscheint unter dem kolonial anmutenden, an Joseph Conrad erinnernden Titel Dunkel ist dein Herz, Europa300 und entdeckt SacherMasoch von jener Seite wieder, mit der dieser damals zum Erfolg gelangte: als Ethnograph eines östlichen habsburgischen ›Kolonialraumes‹. Kurz darauf erscheint Reinhard Federmanns Studie Sacher-Masoch oder die Selbstvernichtung von 1961.301 Eine breitenwirksamere Neu- bzw. Wiederentdeckung Sacher-Masochs darf sicher mit Deleuzes Studie Pr8sentation de Sacher-Masoch. Le froid et le cruel302 angesetzt werden, welche neue Untersuchungen zu Sacher-Masoch vor allem auf französischer Seite initiierte. Bezeichnenderweise blieb auch die erste und lange Zeit einzige Sacher-Masoch-Biographie eine französische von Bernard Michel.303 Im deutschsprachigen Raum beginnt eine regere Neuentdeckung Sacher-Masochs abseits seiner sexuellen Konnotationen mit den Bemühungen Michael Farins, bisher vernachlässigte unbekannte Materialien und Dokumente in seriösen Editionen herauszugeben.304 Es folgt die erste Monographie mit Koschorkes Inszenierung einer Perversion305 und endlich auch eine Rückbesinnung auf den galizischen Aspekt ab den späten 1980ern.

298 299 300 301 302

Stanisław Witkiewicz: Nienasycenie. Warszawa 1930. Sacher-Mazoch, Leopold: Ukra"ns’kyj Job. Z˙ovkva 1925. Ernst Joseph Görlich (Hg.): Sacher-Masoch: Dunkel ist dein Herz, Europa. Graz 1957. Reinhard Federmann: Sacher-Masoch oder die Selbstvernichtung. Graz 1961. Gilles Deleuze: Pr8sentation de Sacher-Masoch. Le froid et le cruel. Avec le texte int8gral de La V8nus a la Fourrure. Paris 1967. 303 MichelBernard: Sacher-Masoch 1836–1895. Paris 1989. 304 Farin: Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk; Leopold SacherMasoch: Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985; Farin: Bruchstücke; die für 2012 angekündigte Sammlung aller in den zugänglichen Archiven aufgefundenen Briefe und Dokumente zu Sacher-Masoch ist leider noch nicht erschienen. 305 Koschorke: Inszenierung einer Perversion.

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Sacher-Masoch im unabhängigen Polen und der Ukraine In die Zeit der Wende Ende der 1980er Jahre fällt auch die neuerliche Annäherung an Sacher-Masoch in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Galizien306, als 1989 etwa die erste polnische Neuauflage Sacher-Masochs erscheint. Der Łjdz´er Verlag »Res Polona« bringt in einer Auflage von 160 Tausend Stück eine überarbeitete Version der polnischen Ausgabe der Wenus w futrze von 1920 (Lwjw) heraus.307 Grundlegende übersetzerische Eingriffe und Auslassungen bereits der alten Ausgabe308 machen gerade diesen Roman zu einem höchst problematischen Bezugspunkt für eine Wiederentdeckung Sacher-Masochs auch als galizischen Schreiber. Denn die damalige Übersetzung erweist sich als äußerst freie – die Geschichte wurde dabei zu einer perversen Beziehung eines jungen Mannes mit einer dämonischen Russin umgedeutet. In jenem Haus in dem kleinen Karpatenbade, in welchem der Protagonist des Romans Severin auf Wanda treffen würde, wohnen im deutschen Original »ich, eine Witwe aus Lwow […] und die Hausfrau Madame Tartakowska«.309 In der polnischen Ausgabe lebt dort »niemand außer mir, der Hausfrau Tartakowska aus Lwjw und irgendeine Witwe aus Moskau [!]«.310 Jene Witwe Wanda wird hier ihrer ursprünglich Lemberger polnischen Provenienz enthoben und als Domina mit befremdlichen Sitten weiter gen Osten nach Russland verschoben. Zusätzlich finden sich (nicht nur) im beschriebenen Eisenbahnabteil dritter Klasse phantasievolle Hinzufügungen und Auslassungen. Die dicke Luft zwischen »polnischen Bauern, Handelsjuden und gemeinen Soldaten«311 bei Sacher-Masoch wird zu einer entsetzlich schmutzig beschriebenen Szene mit »schwindelnden Juden und ihrem ekelhaften jüdischen Jargon, Weibern, Kindern, Bauern« und den »unanständigen Liedern von Soldaten.«312 Die Bauern sind keine Polen mehr, die Juden dafür umso unangenehmer. Der bei Sacher-Masoch nur angedeutete Hintergrund Galizien, aus dem sowohl die Protagonistin als auch der Held Severin,

306 Eine isolierte frühe polnische Notiz zu Sacher-Masoch von 1979 klingt in ihrem AntiSacherismus wie aus dem 19. Jahrhundert übernommen, siehe: Jan Finkelhaus: SacherMasoch w ´swietle niemieckiej krytyki [Sacher-Masoch im Licht der deutschen Kritik]. Nowiny (Pismo codziennie) Nr. 247, Warszawa 1979, S. 2. 307 Leopold von Sacher-Masoch: Wenus w futrze [Venus im Pelz]. Łjdz´ 1989. 308 Siehe Kato: Schulz and Sacher-Masoch. 309 Sacher-Masoch: Venus, S. 18. 310 »Nie ma tu nikogo, oprjcz mnie, gospodyni pani Tartakowskiej z Lwowa i jakiejs´ wdowy z Moskwy.« Leopold von Sacher-Masoch: Wenus w futrze [Venus im Pelz]. Łjdz´ 1989, S. 29. 311 Sacher-Masoch: Venus, S. 74–74. 312 »[…] przez kiwaja˛cych Z˙ydjw, baby z dziec´mi i chłopjw« und »niestety musze˛ sie˛ dusic´ w ciasnym przedziale trzeciej klasy […] i słuchac´ spros´nych piosenek z˙ołdatkjw lub wstre˛tnego z˙ydowskiego szwargotu.« Sacher-Masoch: Wenus w futrze, S. 85 und 86.

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seines Zeichens »galizischer Edelmann und Gutsbesitzer«313, hervorgehen, wird zu einem barbarischen Stück Land mit peitschenschwingenden Moskowiterinnen. Zusätzlich wird die »Übersinnlichkeit« Severins, welche sich explizit auf Goethes Faust314 bezieht, in der polnischen Ausgabe zur »Anormalität«315 degradiert und Severins Bekenntnisse eines Übersinnlichen zu Bekenntnisse eines dummen Fanatikers316 umformuliert. Letztendlich wurde ein Roman mit dem interessanten Aspekt einer galizischen Ausgangslage zur schwülen Geschichte einer Aberration und ihrer schmutzigen Hintergründe – und ausschließlich als solcher dem polnischen Publikum zugeführt. Die Einführungsworte der Neuausgabe 1989 werden dabei vielsagenderweise dem polnischen Sexualwissenschaftler Kaziemierz Imielin´ski überlassen.317 Bezüglich Sacher-Masochs Biographie übernimmt dieser – wie so viele andere auch – sehr leichtgläubig SacherMasochs eigene autobiographische Angaben bzw. was davon tradiert wurde, es folgt eine Aufzählung rechtfertigender Art, die belegen soll, dass nun einmal die Literatur des 19. Jahrhunderts ganz allgemein mit masochistischen bis sadistischen Implikationen gespickt wäre. Die etwas zu simple und veraltete Auffassung davon, dass Sadismus und Masochismus »Negativ und Positiv derselben Fotografie«318 wären, prägt die kurze Abhandlung, die viel vom Masochismus spricht, aber so gut wie gar nicht auf den Roman selbst oder seinen Verfasser eingeht. Imielin´ski konstatiert leichtfertig, dass die Venus im Pelz »die bekannteste und typischste Erzählung Sacher-Masochs«319 wäre, wobei man sich fragen muss, ob er jemals Zugriff auf andere Erzählungen hatte – die auf Polnisch bis heute ihrer Übersetzung harren. Die Venus im Pelz zählt für Imielin´ski zu den Klassikern, wenn auch ihr Autor nicht zu diesen zählen würde.320 Die biographischen Angaben des Kritikers stammen spürbar aus fünfter Hand und das Resümee ist ein ernüchterndes: Sacher-Masoch als ein Schriftsteller, »der ein großer Schriftsteller sein wollte, aber ungewollter Namenspatron einer Deviation«321 wurde und die Venus im Pelz »keine Frucht eines großen Talents.«322 Jedoch wurde Sacher-Masoch von Imielin´ski eine zusätzliche Note zugestanden, 313 Sacher-Masoch: Venus, S. 13 [»galizisch« wurde in der polnischen Übersetzung ebenfalls ausgespart]. 314 Ebda., S. 17. 315 »anormalnos´c´« Sacher-Masoch: Wenus w futrze, S. 51. 316 »Zwierzenia głupiego fanatyka« ebda., S. 27. ´ ski: Słowo wste˛pne [Einleitung]. In: Tomasz Misiak (Hg.): Wenus w 317 Kazimierz Imielin futrze. Łjdz´ 1989, S. 5–18. 318 Ebda., S. 9. 319 Ebda., S. 17. 320 Ebda., S. 18. 321 M. B.: Leopold Sacher-Masoch. Tak i Nie. Tygodnik społeczno kulturalny. Nr. 21, 26. 5. 1989, S. 5. 322 Jan Koprowski: Sacher-Masoch po polsku [Sacher-Masoch auf Polnisch]. Nowe ksia˛z˙ki. Nr. 8, 1990, S. 17–18, hier S. 18.

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denn mit seiner »Obsession« hätte Sacher-Masoch bereits in den 1880ern auf die zukünftige Frauenbewegung323 verwiesen, wobei dies eine verkürzte, wenn auch überlegenswerte Deutung des Autors und seiner Venus scheint. Eine weitaus ernüchterndere Einschätzung des Autors und dieses Romans findet sich 1989 in der Beilage des Olsztyner Dziennik Pojczierza unter dem Titel »Peitsche von Naphtalin«. Man ist darin zwar überzeugt, dass diese Neuauflage der Venus mit Sicherheit die Aufmerksamkeit bzw. das Interesse der Leser verdienen würde, die Beurteilung des Romans selbst ist jedoch eine vernichtende. Die pikanten Accessoires aus Sacher-Masochs Roman »erinnern an einen aus Großmutters Koffer entnommenen, nach Naphtalin riechenden Fächer, mit welchem man die Leser höchstens einschläfern könnte.«324 – denn »aus Naphtalin wird keine Peitsche«.325 Offenbar hatte man sich sehr viel mehr vom Skandalroman des »in Polen unbekannten Autors«326 (wie ein anderer Beitrag von 1990 bemerkt) erwartet, denn worüber in Sacher-Masochs Erzählungen und Romanen tatsächlich geschrieben wird, wäre der »sprichwörtliche Milchbrei im Vergleich zu den Beschreibungen, die uns die zeitgenössische Weltliteratur serviert.«327 Die skandalumwitterte Venus im Pelz ist nun lediglich »lesenswert als Zeugnis einer vergangenen Epoche, welche das Leben von Menschen darstellt, die von sexuellen Dingen besessen sind.«328 Die Enttäuschung ob der nicht eingehaltenen Versprechen der ›Geschichte einer Perversion‹ scheint groß gewesen zu sein. Dafür aber kommen hier zumindest Sacher-Masochs polnische Bezugnahmen zu Wort, wenn man 1990 bemerkt: obwohl Sacher-Masoch ein kritisches Verhältnis zur polnischen Szlachta hatte, schätzte dieser die polnische Literatur und kannte sie gar nicht schlecht. Als er 1891 unter seiner Redaktion eine zweibändige Auswahl europäischer Novellen veröffentlichte, nahm er darin auch die Erzählungen von Sienkiewicz und Orzeszkowa auf.329 323 Eine in der polnischen Rezeption des 20. Jahrhunderts nicht unübliche Deutung: vgl. B.: Sacher-Masoch »[…] otoz˙ juz˙ w roku 1880 przewidywał rychłe wyzwolenie kobiet, ktjre z czasem, jego zdaniem, zdominuja˛ z˙ycie publiczne i przejma˛ najwaz˙niejsze os´rodki kierowniczne.« Zumindest wird er in dieser Rezension nicht nur als Autor der Dämonischen Frauen erwähnt, sondern auch der der Galizischen Geschichten sowie seine Herkunft aus Lwjw wegen. 324 »[…] akcesoria […] w powies´ci Sacher-Masocha przypominaja˛ wycia˛gnie˛ty z babcinego kufra, pachna˛cy naftalina˛, wachlarz, ktjrym moz˙na tylko us´pic´ czytelnikjw.« Jerzy Tomaszkiewicz: Bicz z naftaliny. Dzienik Pojezierza. Magazyn. Nr. 250, 1. 1. 1989, S. 11. 325 »Ale z naftaliny bicza nie ukre˛cisz…« Ebda. 326 Koprowski: Sacher-Masoch po polsku, S. 17. 327 »[…] co pisał w swoich powies´ciach i opowiadaniach Sacher-Masoch, to przysłowiowa kaszka z mlekiem w porjwnaniu z opisami, ktjre serwuje nam wspjłczesna literatura s´wiatowa.« Ebda. 328 »Ale przeczytac´ Wenus w futrze warto jako rzecz z odległej epoki, przedstawia˛ca˛ z˙ycie ludzi ope˛tanych sprawami seksualnymi.« Ebda., S. 18. 329 »Chociaz˙ Sacher-Masoch miał krytyczny stosunek do polskiej szlachty, literature˛ polska˛

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Es handelt sich hierbei um eben jenen Granden des polnischen Realismus, Sienkiewicz, der sich über Sacher-Masochs Beschreibung der schmutzigen Unterröcke polnischer Damen empört hatte. Diese Łjdz´er Venus im Pelz von 1989 ist also die letzte Sacher-Masoch-Ausgabe, die sich dem interessierten polnischen Leser darbietet. Sacher-Masoch, der sich stets als »Galizier« bezeichnet hatte, wurde damit lediglich als ›verstaubte Deviation‹ wiederentdeckt. Zum hundertsten Todestag Sacher-Masochs 1995 erschien im Warschauer Przegla˛d Tygodniowy der Artikel »Masochisten aller Länder«330 des Literaturwissenschaftlers und Übersetzers Michał Struczyn´ski, welcher den Autor erstmals wieder als Galizier erwähnt. Sacher-Masoch hätte »aus den Jahren seiner Kindheit die Farben, das Umfeld und die Lebensstimmungen des einstigen multikulturellen Galizien« erinnert und in seinem Prosawerk verarbeitet,331 wobei sich »die Polen nicht sehr für den galizischen Schriftsteller interessiert haben«332, obgleich gerade der galizische Teil seines Werkes einer Wiederentdeckung harren würde. Von diesem »galizischen Autor« wäre lediglich in Lwjw 1986 eine Auswahl der Grausamen Frauen neu aufgelegt worden.333 »Das ist wahrscheinlich alles. Schade.«334 In der Folge war in Polen Maria Kłan´ska die erste, die sich wissenschaftlich mit Sacher-Masochs Galizien-Affinitäten auseinandersetzte335, jedoch blieb dies bis heute fast ausschließlich auf das Feld der Germanistik beschränkt.336 Sacher-Masochs Galizische Geschichten, mit denen er berühmt wurde, sind dem polnischen Publikum nach wie vor unzugänglich, es existieren keinerlei Übersetzungen. Die über Sacher-Masoch gefassten Vorbehalte von einst als auch sein zweifelhafter Nachruhm prägen demnach auch die heutige Wahrnehmung: Sacher-Masoch bleibt für das polnische Publikum

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cenił i znał ja˛ nie najgorzej. Kiedy w 1891 r. ogłosił pod swoja˛ redakcja˛ dwutomowy wybjr noweli europejskiej, wła˛czył do niego opowiadania Sienkiewicza i Orzeszkowej.« Ebda., S. 17. ´ ski: Masochis´ci wszystkich krajjw [Masochisten aller Länder]. PrzeMichał Struczyn gla˛d Tygodniowy. Nr. 13, 1995, S. 20. Ebda. Ebda. Eine Ausgabe, die sich nicht nachweisen ließ. ´ ski: Masochis´ci wszystkich krajjw. Struczyn ´ ska: Daleko od Wiednia: Galicja w oczach pisarzy niemieckoje˛zycznych Maria Kłan 1772–1918 [Fern von Wien: Galizien in den Augen deutschsprachiger Schriftsteller]. ´ ska: Problemfeld Galizien; Maria Kłan ´ ska: Von Don Juan von KoKrakjw 1991; Kłan lomea bis zu Dem Neuen Hiob. Zum Bild der Ukrainer bei Leopold von Sacher-Masoch. In: Von Taras Sˇevcˇenko bis Joseph Roth. Ukrainisch-österreichische Literaturbeziehungen. Bern 1995, S. 173–190. Von Zbigniew Swiatłowski: Sacher-Masoch oder Die bedrohte Normalität. Germanica Wratislaviensia. 27, Nr. 323, 1976, S. 149–171 bis zum zweisprachigen Ausstellungsprojekt der Opoler Germanistik »Galicja Leopolda von Sacher-Masocha«/»Leopold von SacherMasochs Galizien« im Jahr 2012.

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ein pathologischer Fall, sowohl was seine Neigungen betrifft als auch sein Verhältnis zu den Polen bzw. der Polen zu ihm. Im Zuge der Fußball-Europameisterschaft 2012 kam es aufgrund des Inhalts des UEFA Guides zu den Gastgeberländern noch einmal zu einem medialen Aufschrei in Polen. »Die UEFA fälscht Geschichte«337 heißt es nicht nur in der Rzeszpospolita, einer der größten Tageszeitungen Polens: das Zwischenkriegs-Lwjw würde als »von den Polen okkupiert« bezeichnet und unter den »bekannten Persönlichkeiten« Lemberg/ Lwjw/L’vivs wäre laut UEFA »nur ein Pole«338 (Stanislaw Lem), dagegen erwähnt die UEFA-Leitung »an erster Stelle einen Österreicher«.339 Damit ist SacherMasoch gemeint, der unter den tatsächlich sehr willkürlich aufgelisteten Prominenten aus der wechselhaften Geschichte der Stadt aus chronologischen Gründen an erster Stelle erscheint. Ein »Österreicher« aus Galizien und »Wegbereiter des Masochismus«340 darf im heutigen Polen offenbar nicht mehr als einer der bekanntesten Söhne der Stadt Lemberg genannt werden. Als frühestes Beispiel der Masoch’schen Wiederentdeckung in der Ukraine kann der 1991 in L’viv gegründete Masoch-Fonds genannt werden – eine ukrainische Künstler-Vereinigung in aktionistischer Tradition. Den Namen Masoch trägt der Fonds lediglich als Referenz auf die randständigen Zonen der Kultur, wie er auch geographisch-kulturell damit auf den Raum L’viv verweist, in welchem der Fonds wirkt. Im Laufe der 1990er Jahre finden sich vereinzelte Beiträge zu Sacher-Masoch und seinem Galizien-Bezug in unterschiedlichen Textformaten. Die neuen Übersetzungsprojekte versuchen dabei mit SacherMasoch vor allem einen Repräsentanten einer vergangenen multikulturellen Epoche auf dem Territorium der heutigen Westukraine zu feiern bzw. den deutschschreibenden Ruthenophilen als einen frühen Streiter für das Ukrainertum zu stilisieren. Zunächst erschien 1993 ein Portrait Sacher-Masochs als »Der Schriftsteller, der die Frauen erhöhte« in der L’viver Zeitschrift Dzvin341, die den Autor nachdrücklich als ukrainophilen Galizier deklariert und ehrt. Dazu zitiert man SacherMasochs Gruß an seine ruthenischen Landsleute aus dem Jahre 1883, welchen er 337 Wojciech Wybranowski: UEFA fałszuje historie˛ [Die UEFA fälscht Geschichte]. Rzeczpospolita, 28. 5.2012, http://www.rp.pl/artykul/869104,882743-UEFA-falszuje-historie.html. 338 Markierung von der Autorin. 339 »Ws´rjd najbardziej znanych lwowiakjw przewodnik wymienia na pierwszym miejscu Austriaka:[…]« Ebda. 340 »[…] jako najbardziej znanego lwowiaka wymienia Leopolda von Sacher-Masocha, Austriaka, ktjry jest uznawany za prekursora masochizmu.« K. T.: EURO 2012: Oficjalna strona UEFA przedstawia nieprawdziwa˛ historije˛ Polski [EUROP 2012: Die offizielle Seite der UEFA stellt die Geschichte Polens falsch dar]. Super Express, 28. 5. 2012: http://www.se. pl/wydarzenia/kraj/euro-2012-oficjalna-strona-uefa-przedstawia-nieprawdziwa-historie -polski_259771.html. 341 Bohuslavec’ u. a.: Pys’mennyk, jakyj zvelicˇuvav zˇinku.

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im Zuge seines 25-jährigen Schriftstellerjubiläums von Leipzig aus über die ruthenische Zeitschrift Zorja ausrichten ließ. Das dort erwähnte »kleinrussische Volk« wird in der Version des postsowjetischen 20. Jahrhunderts konkretisiert zu »unser Land und das ukrainische Volk«.342 Weiters heißt es, dass jener »Österreicher und Adelige«343 trotz deutscher Muttersprache über »ukrainische Art und Ornament« verfüge.344 Bei dieser Lobeshymne verwundert dann nicht mehr, dass Sacher-Masoch nicht minder großartige Typen hervorgebracht hätte, wie weiland der »unsterbliche Gogol’«.345 Und zudem als erster der Welt das »tatsächliche Leben des einfachen Volkes der Westukraine eröffnete«.346 Für dieses Verdienst und auch seine »erstaunliche Kenntnis der ukrainischen Sprache, der Gebräuche, Folklore, der ukrainischen Volksseele und ihrer Bestrebungen«, so die Panegyriker des 20. Jahrhunderts, müsse man dem Autor gerade heute, in einer Zeit »nationaler Wiedergeburt, dankbar sein für sein poetisiertes Portrait« der Ukrainer.347 So wie man auf ruthenischer Seite Sacher-Masoch in den 1880er Jahren zeitweise sehr dankbar war für seine literarische Vermittlung ostgalizischer Zustände, finden sich ähnliche Dankesworte hundert Jahre später im Zuge eines neuen Völkerfrühlings nach der Wende gespiegelt. Schon 1993 verfasste die Übersetzerin Anna-Halja Horbacˇ einen Vortrag zu »Das ukrainische Thema in der deutschen Literatur«348, in welchem sie das allgemeine Interesse für ukrainische Volksdichtung und das Kosakenthema in der deutschen Literatur der Spätromantik aufzeigt. Eine Tendenz, die die gesamte positivistisch geprägte SacherMasoch-Forschung fortan für lange Zeit prägen sollte. 1994 widmete das Journal Vsesvit Sacher-Masoch ein ganzes Heft, in welchem erste Übersetzungen seiner Texte ins Ukrainische an die Öffentlichkeit gebracht wurden. Es übewiegen Texte mit explizitem Galizien-Bezug, wie etwa Don Juan von Kolomea349, Frauenbilder aus Galizien350, dazu biographische Skizzen zu Sacher-Masoch wie Adolf Opels

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»[…] XQ ^Qid [aQx^d Y d[aQx^bm[YZ ^Qa_U.« ebda., S. 131. Ebda., S. 133. Ebda., S. 132. »[…] bcS_aV^i […] cY`iS, ^V ]V^i SV\Y[Yf, ^iW d RVXb]Vac^_T_ 4_T_\p.« Ebda., S. 133. »[…] `VaiY] SiU[aYS U\p Sbm_T_ bSicd aVQ\m^V WYccp `a_bc_T_ \oUd 8QfiU^_x D[aQx^Y.« Ebda., S. 133. »@Ybm]V^^Y[ X UYcY^bcSQ \oRYS w hdU_S_ X^QS d[aQx^bm[d ]_Sd, XSYhQx, e_\m[\_a, Udid ^Qa_Ud, Z_T_ dbcaV]\w^^p, w ]Y ^V ]_WV]_ ^V RdcY Z_]d SUph^Y]Y XQ gVZ _`_VcYX_SQ^YZ `_acaVc, _b_R\YS_ bm_T_U^w, S V`_fd ^Qgw_^Q\m^_T_ SwUa_UWV^^p.« Ebda., S. 133. Anna-Halja Horbacˇ : Ukranxs’ka tema v nimec’kij literaturi [Die ukrainische Thematik in der deutschen Literatur]. Ukrainoznavstvo, 1993, http://www.ualogos.kiev.ua/fulltext.html ?id=2169. Leopol’d fon Zacher-Mazoch: Don Zˇuan z Kolomyx [Don Juan von Kolomea, übersetzt von N.Ivanycˇuk]. Vsesvit. Nr. 3, 1994, S. 117–142. Leopol’d fon Zacher-Mazoch: Zˇinocˇi obrazky z Halycˇyny [Frauenbilder aus Galizien, übersetzt von I. Herasyma]. Vsesvit. Nr. 3, 1994, S. 145–151.

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Der Columbus des Ostens351 als auch Maria Val’os Sacher-Masoch und die Ukraine.352 Auf diese Neuübersetzungen folgte 1994 auch das Ballett Don Zˇuan z Kolomyx »nach Motiven aus dem Werk Sacher-Masochs« des ukrainischen Komponisten Oleksandr Kozarenko. 1995 publiziert die ukrainische online-Zeitung ( zudem den Beitrag »Die ukrainische Thematik bei Sacher-Masoch«.353 Dabei wird vor allem auf die »von Ukrainismen und ukrainischen Phraseologismen durchzogene Sprache« Sacher-Masochs eingegangen, darüber hinaus werden seine offensichtlichen Bezüge auf die ukrainische Geschichte aufgezeigt. Sacher-Masoch wird hier in erster Linie als »Ukrainer« wiederentdeckt und seine Bezüge zum ukrainischen Galizien werden herausgearbeitet. 1995 wendet sich der Literaturwissenschaftler Evhen Nachlyk endlich der »Rezeption Sacher-Masochs im westukrainischen Literaturprozeß des 19. Jahrhunderts«354 zu und zitiert erstmals zeitgenössische ruthenische Stimmen zu Sacher-Masoch. 1997 bringt die L’viver Zeitung Evrˇ as einen Beitrag über den »Unbekannten Leopold von Sacher-Masopejskyj C och«, in welchem hervorgehoben wird, dass derselbe keineswegs auf einen »Salon-Ukrainophilen« zu reduzieren ist, sondern »sich selbst zum ukrainischen Volk zählte«355 (wie auch wieder einmal unreflektiert repetiert wird, dass die Sprache seiner Kindheit das Ukrainische gewesen wäre und er selbst einer deutsch-ukrainischen Familie entstamme). Im Laufe der späten 1990er Jahre nehmen sich zunehmend Historiker der Sacher-Masoch-Thematik und dessen tatsächlichen Bezügen und Beziehungen zu seinen ostgalizischen Kindheitsstätten und der ruthenischen Sache an. Der Gang ins Lemberger Archiv versucht faktisches Licht in das mythisierte Geheimnis zu bringen. Ostap Sereda etwa hebt 1998 einen Briefwechsel aus, welcher den Kontakt zwischen Sacher-Masoch und dem ruthenischen Abgeordeten sowohl des galizischen Sejms als auch des österreichischen Reichsrates Mychajlo Kuzems’kyj dokumentiert. Sereda bettet diese einzigartigen erstmals zitierten Dokumente in die Frage, inwiefern SacherMasochs stets verkündete galizische und gar ruthenische Identität tatsächliche Spuren des politischen Engagements hinterließ. Sacher-Masochs Kontakt zu 351 Adol’f Opel’: Kolumb Schodu [Der Columbus des Ostens]. Vsesvit. Nr. 3, 1994, S. 143– 144. 352 Marija Val’o: L. Zacher-Mazoch i Ukraxna [Sacher-Masoch und die Ukraine]. Vsesvit. Nr. 3, 1994, S. 152. 353 Horbacˇ : Ukraxns’ka tematika; siehe auch Anna-Halja Horbacˇ : Oleksa Dovbusˇ v opovidanni »Hajdamak« Zacher-Mazocha [Dovbusˇ in der Erzählung »Der Hajdamak« von Sacher-Masoch]. München: Ukraxns’kyj technicˇno-gospodars’kyj Instytut, 1973, S. 97– 105. 354 Nachlik: Leopold von Sacher-Masochs Rezeption im westukrainischen Literaturprozeß des 19. Jahrhunderts. 355 Taras Voznjak: Neznanyj Leopol’d fon Zacher-Mazoch [Der unbekannte Leopold von ˇ as. Nr. 1, 1997, S. 46–47. Sacher-Masoch]. Evropejskyj C

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einem führenden Streiter der ukrainischen Nationalbewegung im Galizien der 1860er, in einer Zeit verschärfter Diskussion um die nationale Identität galizischer Ukrainer, stößt in einer Zeit auf Interesse, als die Frage nach der nationalen und kulturellen Identität der Ukrainer nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und mit Blick auf die chronische Spaltung der Ukraine in einen russischsprachigen östlichen und ukrainisch-westlichen Teil wieder neu verhandelt wird. Im Jahr 2000 erscheinen zwei Übersetzungen der Werke »unseres Landsmannes«356 mit Ukraine-Bezug, welche in der L’viver Tageszeitung Postup rezensiert werden.357 Dabei handelt es sich zum einen um Sacher-Masochs Bluthochzeit in Kiev358 sowie Ausgewählte Werke359, welche die wichtigsten Texte mit ukrainischem Bezug in Erstübersetzung dem ukrainischen Lesepublikum zugänglich machen. In eben jener Zeitungsausgabe gibt die Historikerin Halyna Svarnyk ein Interview auf Basis ihrer eigenen bisherigen Sacher-Masoch-Studien. Svarnyk nahm sich der archivarisch begründeten Familiengeschichte der Sachers in Galizien360 an und versuchte, mit diversen kolportierten Vermutungen aufzuräumen. In dem Gespräch »Dokumente erlauben keine Zweifel«361 werden einige Details über Leopolds Kindheit in Lemberg und Umgebung zurechtgerückt und die Recherchen auf die weiteren Sacher-Verwandten, die einige Generationen in Ostgalizien gewirkt hatten, ausgedehnt. Leider finden sich keine konkreteren Archiv-Dokumente zur Genealogie der Familie Masoch – die weitaus umstrittenere Vermutungen speist. Die, in der Repetition Sacher-Masoch’scher Bekenntnisse so beliebte Mär von der ukrainischen Abstammung mütterlicherseits, die gerade auf ukrainischer Seite gerne aufgegriffen wird, darf zwar stark bezweifelt werden (vereinzelte slawische Wurzeln mögen durchaus vorhanden sein362), jedoch räumt auch Svarnyk nicht restlos mit den Mythen um die Masochs auf – was durchaus in Sacher-Masochs eigenem Interesse gelegen wäre. Zu Sacher-Masochs 165. Geburtstag 2001 widmet sich wiederum die L’viver Zeitung Postup den »Abartigen Launen des Leopold Masoch«363, seine 356 Marta Harten: Istorycˇna aberacija [»Historische Aberration«: zur Übersetzung von Sacher-Masochs »Bluthochzeit in Kiev«]. Postup. 15. 1. 2000, L’viv, o.S. 357 Ebda.; Vasyl’ Skriba: Zlamaty stereotyp [Das gebrochene Stereotyp]. Postup. 15. 1. 2000, L’viv, o.S. 358 Leopol’d fon Zacher-Mazoch: Kryvave vesillja u Kyjevi [Die Bluthozeit in Kiev]. L’viv 1999 und 2001. 359 Leopol’d fon Zacher-Mazoch: Vybrani tvory [Ausgewählte Werke, aus dem Deutschen von Teodor Hora]. L’viv 1999. 360 Siehe auch Svarnyk: Perebuvannja pys’mennyka v Halycˇyni. 361 Halyna Svarnyk: Dokumenty ne zalysˇajut’ miscja sumnivam [Die Dokumente erlauben keine Zweifel]. Postup. 15. 1. 2000, L’viv, o.S. 362 Siehe Michel: Sacher-Masoch, S. 23 als auch Svarnyk: Perebuvannja pys’mennyka v Halycˇyni, S. 123. 363 Vintjuk: zabahanky Mazocha, S. 10.

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Mutter Karolina Masoch wird hier dezidiert als »Ukrainerin aus einer alten galizischen Familie« bezeichnet. Und nicht allein deshalb solle daran erinnert werden, dass dank dieses »zu Unrecht vergessenen Autors« L’viv sozusagen die »Heimat des Masochismus«364 wurde. Dass hier wieder einmal hartnäckig an der Vorstellung gearbeitet wird, dass Sacher-Masoch »seiner Erziehung, seiner Psychologie und seiner Weltsicht nach zweifellos ein Ukrainer war«, ist eine Sache – dass als Krönung eines lange vergessenen Konkurrenzkampfes jedoch gar behauptet wird, dass »über die Kultur und Bräuche sowie das Leben der einfachen Galizier die Welt erfahren hat, noch bevor Ivan Franko literarisch in Erscheinung trat – nämlich aus den Werken Sacher-Masochs«, durch dessen »Werke allein die zivilisierte Welt erstmals über Sitten, Kultur und Volksleben unseres Landes erfuhr«365, dürfte den ukrainischen Nationalschriftsteller Franko unter Umständen noch post mortem entrüsten. 2005 erscheint das interessante Resümee des ukrainisch-amerikanischen Literaturwissenschaftlers Vitaly Chernetsky über »Die Ukrainer, Russen und Masochs Erbe«366, welches die Tendenzen der zeitgenössischen Sacher-MasochRezeption in Russland und der Ukraine kritisch vergleichend unter die Lupe nimmt – 2008 erscheint die Studie in ausführlicherer Form auf Englisch.367 Die wahre ›Masomania‹ jedoch beginnt, als Anfang Mai 2008 im Zentrum L’vivs das sogenannte »Masoch-Caf8«368 eröffnet – ein Projekt des höchst umstrittenen »Konzept-Restaurant-Netzwerks« !FEST369, welches für seine diversen Business-Projekte auf problematisch-tendenziöse Weise historische Fakten der Stadt bzw. Region auslegt, wie kritisiert wird.370 Der höchst erfolgreiche Restaurant-Bar-Reigen, der in L’viv betrieben wird, spielt populistisch und polarisierend mit Symbolen der westukrainischen Geschichte und schreckt dabei vor Stereotypisierungen und Geschichtsklitterung nicht zurück. So zeichnet die Konzept-Gruppe u. a. verantwortlich für das Lokal »Kryxvka« [Partisanenversteck], welches ganz der Verherrlichung der Organisation Ukrainischer Nationalisten und deren antibolschewistischer Aufstandsarmee UPA gewidmet ist. 364 »Batkivsˇcˇyna mazochyzmu« ebda. 365 Ebda. ˇ ernec’kyj: Ukraxnci, rosijany ta Mazochiv spadok [Ukrainer, Russen und das 366 Vitalij C Masoch’sche Erbe]. Krytyka. Veresen’ 9 (95), 2005, S. 11–12. 367 Vitaly Chernetsky : Nationalizing Sacher-Masoch: A Curious Case of Cultural Reception in Russia and Ukraine. Comparative Literature Studies. Nr. 45, 4, 2008, S. 471–490. 368 Siehe Mazoch-Caf8. http://masoch-cafe.com.ua/. 369 Siehe !FEST – Emotionen-Holding. http://www.fest.lviv.ua/. 370 Siehe Kommentar des Historikers Vasyl’ Rasevycˇ : Konceptual’ni restorany u L’vovi vystavljajut’ UPA antysemitamy – istoryk [Die Themen-Restaurants in L’viv präsentieren die UPA als antisemitisch – ein Historiker]. Zaxid.net, 9. 4. 2011: http://zaxid.net/home/ showSingleNews.do?kontseptualni_restorani_u_lvovi_vistavlyayut_upa_antisemitami__ istorik& objectId=1126757.

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Letztere war jedoch darüber hinaus erwiesenermaßen in üble ethnische Säuberungen an Polen und Juden involviert371, ihr Anführer Stepan Bandera wurde und wird jedoch insbesondere mit der Orangen Revolution in der Westukraine sehr offensiv zu einem wenig reflektierten Helden stilisiert.372 Ein weiteres Restaurant-Projekt, platziert neben den bis heute verwahrlosen Restbeständen der ehemaligen Synagoge »Goldene Rose«, soll an das jüdische Leben im alten Lemberg/Lwjw erinnern.373 Der dazugehörige historische Abriss auf der Speisekarte gibt ein zweifelhaftes Bild friedlich-multikulturellen Lebens wider. Gipfel der Geschmacklosigkeit aber ist die Möglichkeit, ›auf gut jüdische Art‹ um den Preis feilschen zu können, was von nicht wenigen Besuchern mit aufrichtiger Belustigung betrieben wird. In diese Art Themen-Restaurants, die sich um die Geschichte(n) der Stadt ranken, fällt auch die Kommerzialisierung des wiederentdeckten Sacher-Masoch. Die vor dem Lokal platzierte Bronze-Figur von Sacher-Masoch374 dient dabei als Touristenmagnet und Sammelpunkt diverser Aktivitäten. Viele der medialen und künstlerischen Performances des Organisations-Kollektivs finden dabei in und um das Masoch-Caf8 statt. Das Denkmal sowie das Masoch-Caf8 sollen laut dem Manager Jurij Nazaruk eine »Materialisierung der Marke L’viv«375 verkörpern. Man kann der Idee einer solch öffentlichkeitswirksamen Hommage an Sacher-Masoch durchaus etwas abgewinnen – mag sie auch Kapital aus dem ewigen Stereotyp des verruchten Masochisten schlagen. Schließlich ist es vor allem dem Caf8 zu verdanken, dass einer breiteren Öffentlichkeit damit ein anderes Erbe der Stadt bewusst gemacht und Sacher-Masoch verdienterweise zu einem Sohn der Stadt erhoben wurde.376 Dass die Veranstalter mit Sacher-Masoch auch politisch polemisieren, beweist die Reaktion eines lokalen Abgeordneten der radikal-nationalistischen Partei 371 Per Anders Rudling: Theory and Practice: Historical Representation of the War Time Activities of the OUN-UPA (the Organization of Ukrainian Nationalists – the Ukrainian Insurgent Army). East European Jewish Affairs 36, Nr. 2, 2006, S. 163–198; John-Paul Himka: The Lviv Pogrom of 1941: The Germans, Ukrainian Nationalists, and the Carnival Crowd. Canadian Slavonic Papers 53, Nr. 2–4, 2011, S. 209–243. 372 Tarik Cyril Amar, Ihor Balyns’kyj, Jaroslav Hrycak (Hg.): Strasti za Banderoju: statti ta esex [Bandera-Leidenschaften]. Kyxv 2010. 373 Halyc’ka zˇydivs’ka knajpa »Pid Zolotoju Rozoju« [Die galizisch-jüdische Kneipe »Zur Goldenen Rose«] http://fest.lviv.ua/uk/restaurants/pidzolotojurozoju. 374 Gefertigt von Volodymyr Cisaryk. 375 Jurij Nazaruk: U L’vovi vstanovljat’ pam’jatnyk Zacher-Mazochu ta vidkryjut’ »MazochKafe« [In L’viv errichtet man ein Denkmal Sacher-Masochs und eröffnet ein »MasochCaf8«]. Zaxid.net, 20. 3. 2008: http://zaxid.net/home/showSingleNews.do?u_lvovi_vstano vlyat_pamrzquoyatnik_zahermazohu_ta_vidkriyut_mazohkafe& objectId=1051399. 376 Bezeichnend der Untertitel des Beitrags von Jaryna Koval’: Bat’ko Mazochizma. Leopol’d fon Zacher-Mazoch. Najbil’sˇe u svojemu zˇytti vin bojavsja zabuttja [Der Vater des Masochismus. Leopold von Sacher-Masoch. Am meisten fürchtete er in seinem Leben das Vergessen]. Den’. 6.1. 1998, Nr. 22, Kyxv, o.S.«In seinem Leben fürchtete Sacher-Masoch vor allem das Vergessenwerden«.

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Svoboda, welcher sich gegen Denkmäler für solch »entartete Degeneraten« wie Sacher-Masoch aussprach, mit der Befürchtung: »Heute Masoch – morgen Trotzki – übermorgen Stalin«.377 Dennoch verwehren sich einige Intellektuelle zum einen der unhinterfragten Kommerzialisierung und Stereotypisierung der »um einiges vielfältigeren und keineswegs durchschnittlichen Persönlichkeit« Sacher-Masochs.378 Sie kritisieren den »geschmacklosen Einfall«, Sacher-Masoch vor die Tür zu stellen und ein blühendes Geschäft auf Kosten der Lachhaftmachung eines realen Menschen zu veranstalten, einer Persönlichkeit, welche eine »viel würdigere und schöpferischere ›Rückkehr‹ in seine Heimatstadt und eine wohlwollendere sowie taktvollere Denmkmalsetzung der heutigen Lemberger verdient«379 hätte. Viel wurde diskutiert über die Demontierung der als taktlos empfundenen Statue (in einem Guckkasten in Sacher-Masochs Ausschnitt kann man ein Akt-Foto aus dem 19. Jahrhundert bewundern, steckt man die Hand in Sacher-Masochs linke Hosentasche, dessen membrum virile erfühlen). Grundsätzlich aber scheint man ein Denkmal für Sacher-Masoch für notwendig zu erachten, da er »in dieser oder anderer Form in L’viv gewürdigt werden« sollte, so der Historiker Ivan Svarnyk.380 Einzuwenden ist, dass es wahrscheinlich vor allem diesem vielfrequentierten Caf8 zu verdanken ist, dass Sacher-Masochs Werke in großem Stile unter die Leute gebracht wurden. Denn »als wir das Masoch-Caf8 eröffneten, waren wir mit dem Problem konfrontiert, dass es Sacher-Masochs Werke auf Ukrainisch nicht gab.«381 Auf Initiative der Betreiber wurde eine Sacher-Masoch-Ausgabe in der Reihe Meister der ukrainischen Übersetzung projektiert. Nach der Präsentation des Buches382 im Masoch-Caf8 wurden innerhalb einer Woche angeblich ein Viertel der Auflage von 2.500 Stück verkauft.383 Eine Zeitschrift betitelt ihren Beitrag zu diesem Anlass 377 o. A.: U L’vovi »Svoboda« pryrivnjala Mazocha do Stalina [In L’viv verglich die Partei »Svoboda« Masoch mit Stalin]. Zaxid.net, 16. 12. 2010: http://zaxid.net/home/showSin gleNews.do?u_lvovi_quotsvobodaquot_pririvnyala_mazoha_do_stalina& objectId=1118 671. 378 Siehe Ostap Sereda: L’vivs’ka »Mazochiada«. Zaxid.net, 8. 4. 2008: http://zaxid.net/home/ showSingleNews.do?lvivska_mazohiada& objectId=1052270. 379 Ebda. 380 Anastasija Andrijcˇ uk: Mazoch i l’vivska zˇaba [Masoch und der Lemberger Neid]. Novyj Pohljad. Nr. 12 (122), 3.9. 5. 2009, L’viv, S. 5. 381 Jurij Nazaruk: Dlja »Mazoch-Kafe« povisti Zacher-Mazocha vydadut’ okremymy knyzˇkamy [Für das »Masoch-Caf8« erscheinen die Romane Sacher-Masochs in Sonderausgaben]. Zaxid.net, 5. 6. 2008: http://zaxid.net/home/showSingleNews.do?dlya_quotmazoh kafequot_povisti_zahermazoha_vidadut_okremimi_knizhkami& objectId=1054934. 382 Enthält die Venus im Pelz, Don Juan von Kolomea sowie Mondnacht in der Übersetzung von Natalja Ivanycˇuk. Siehe o. A.: Litagencija »Piramida« prezentuval u L’vovi »smacˇnoho« Mazocha [Die Literaturagentur »Piramida« präsentierte in L’viv den »pikanten« Masoch]. Zaxid.net, 5. 6. 2008: http://zaxid.net/home/showSingleNews.do?litagentsiya_piramida_ prezentuvala_u_lvovi_smachnogo_mazoha& objectId=1054926. 383 o. A.: Za tyzˇden’ u L’vovi prodaly 625 ekzempljariv knyhy »Venery v chutri« Zacher-

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mit »Sacher-Masoch dachte auf galizisch, deshalb ist es auch Schülern erlaubt, die Venus im Pelz zu lesen!«.384 Mit der Zelebrierung Sacher-Masochs entbrannte außerdem die Diskussion, inwiefern die »Ukraine – ›Heimat‹ des Masochismus?« wäre.385 Ein Gedanke, der zukünftig immer wiederkehren und die Auseinandersetzung dominieren würde. Erstaunlich viele Aktionen um Sacher-Masoch drehen sich zunehmend um die Frage nach einer masochistischen Grundlage der ukrainischen Politik und Gesellschaft386 – in Reaktion auf die politischen Irrwege des Landes. So wird aus Anlass von Sacher-Masochs 175. Geburtstag folgende Aktion präsentiert: Eine Performance vor dem Caf8, welche die Schlägerei im ukrainischen Parlament nachstellt, soll das masochistischste Ereignis des letzten Jahres aufzeigen.387 Ziel sei es gewesen, die freiwillige Entwürdigung der Bürger der Ukraine bei den Wahlen anzuprangern, die Ironie und den Masochismus der derzeitigen politischen Situation im Land, wobei moniert wurde, dass Sacher-Masoch mit dem Masochismus eigentlich nichts gemein hatte, da er vor allem über die Liebe sprach. Das aber »womit wir uns hier beschäftigen [die Wahlen], ist absoluter Masochismus«388, so Jurij Nazaruk, der streitbare Initiator des Konzepts »!FEST«. Eine Stellungnahme, die nicht wenige aufgreifen, denn eine Ausformung des zeitgenössischen Masochismus wären die Parlamentssitzungen, welche zur Zeit im Masoch-Caf8 gezeigt werden. »Interessant, was der bronzene

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Mazocha [Innerhalb einer Woche verkaufte man in L’viv 625 Exemplare des Buches »Venus im Pelz« von Sacher-Masoch]. Zaxid.net, 17. 6. 2008: http://zaxid.net/home/showSingleN ews.do?za_tizhden_u_lvovi_prodali_625_ekzemplyariv_knigi_quotveneri_v_hutriquot_z ahermazoha& objectId=1055414. Siehe auch Andruchovycˇs Charakterisierung des ukrainischen Schriftstellers: Jurij Andruchovycˇ : Etwas Sisyphus, etwas Sacher-Masoch. Der ukrainische Schriftsteller : Modell 2007 http://www.air-krems.at/archive/2007/literature/ juri-andruchowytsch/text-juri-andruchowytsch. o. A.: Zacher-Mazoch dumav po-halyc’ky, tomu cˇytaty ›Venera v chutri‹ sˇkoljaram dozvoljajet’sja [Sacher-Masoch dachte galizisch, deshalb ist Schülern die Lektüre von ›Venus im Pelz‹ erlaubt]. zik, 6. 4. 2008: http://zik.ua/ua/news/2008/06/06/139179. Oleksandr Stukalo: Ukraxna – »bat’kivsˇyna« mazochizmu?… [Die Ukraine – »Heimat« des Masochismus?]. LitAkcent – svit sucˇasnox literatury, 7. 3. 2008: http://litakcent.com/ 2008/03/07/oleksandr-stukalo-ukrajina-%E2%80%93-batkivschyna-mazohizmu/. Serhij Hrabovs’kyj: Achmetov, Kant i Zacher-Mazoch [Achmetov, Kant und SacherMasoch]. Ukrrudprom, 22. 9. 2009: http://www.ukrrudprom.ua/digest/ahmetov.html. o. A.: S’ohodni u L’vovi vidznacˇat’ den’ narodzˇennja Mazocha [Heute feiert man in L’viv den Geburtstag Sacher-Masochs]. Zaxid.net, 27. 1. 2011: http://zaxid.net/home/showSin gleNews.do?sogodni_u_lvovi_vidznachat_den_narodzhennya_mazoha& objectId=11215 14 und o. A.: U L’vovi na cˇest’ juvileju Mazocha inscenuvaly boks parlamenti [Zu Ehren des Masoch-Jubiläums inszenierte man in L’viv einen Parlaments-Boxkampf]. Zaxid.net, 27. 1. 2011: http://zaxid.net/home/showSingleNews.do?u_lvovi_na_chest_yuvileyu_mazoha_inst senuvali_boks_u_parlamenti& objectId=1121553. o. A.: U L’vovi den’ narodzˇennja Zacher-Mazocha vidznacˇajut’ po-mazochists’ky [In L’viv begeht man den Geburtstag Sacher-Masochs masochistisch]. Zaxid.net, 27. 1. 2010: http:// zaxid.net/home/showSingleNews.do?u_lvovi_den_narodzhennya_zahermazoha_vidzna chayut_pomazohistski_video& objectId=1094586.

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Masoch so für sich denkt, wenn er mit diesen ukrainischen Realien konfrontiert wird […].«389 Im Dunstkreis Sacher-Masochs fragt man nicht nur nach den Verhältnissen im ukrainischen Parlament, sondern auch nach den Zuständen im Staat an sich. Das Masoch-Caf8 bzw. Masoch als Statue diente zudem als Treffpunkt eines Flash-Mobs zur Unterstützung des Redakteurs und Schriftstellers Jurij Vynnycˇuk, der aufgrund eines Gedichtes390 von einem kommunistischen Politiker der »Pornographie« bezichtigt wurde. Um Sacher-Masoch gruppiert sich also auch, wer für »die Unterstützung ukrainischer Schriftstellerei und die Solidarität mit jenen eintritt, welche freie Gedanken und gesunden Verstand besitzen und keine pornographischen Posen vor der Macht annehmen. Denn die wahre Pornographie und Gewalt wohnt nicht in Verszeilen […].«391 So umstritten die Initiatoren sowie ihr Gesamtprojekt der Themen-Caf8s auch sein mögen, welche in L’viv problematische Geschichtsdeutung kommerzialisieren und salonfähig machen, so entspringen den Projekten und Reaktionen um das Masoch-Caf8 doch so einige Diskussionen und Provokationen, die dem Namenspatron wohl nicht unrecht sein würden. Dennoch hätte Sacher-Masoch wohl eine etwas differenziertere Erinnerungskultur nötig, denn das MasochCaf8 besticht mit seinem artifiziell-unatmosphärischen Ambiente nur wenig. Von allerlei Knuten umgeben, kann man hier seinen Cocktail »Leidenschaftliche Wanda« schlürfen, während kreischende Teenager-Gruppen den jeweils Freiwilligen dabei filmen, wenn dieser von routiniert-lustlosen Kellnern bzw. Kellnerinnen in traditionellen ukraino-bäuerlichen Hemdblusen gefesselt, ein wenig gepeitscht und der Mund mit billigem Alkohol abgefüllt wird – von der (suspense-)Atmosphäre, von der der Sacher-Masochismus lebt, ist nicht die geringste Spur zu erkennen. Das Originellste an dem Caf8 mögen tatsächlich die Screens im Hintergrund sein, wo sich besagte Parlamentarier in Endlosschleife prügeln. Sacher-Masoch als »agent provocateur« eignet sich auch für die Bühne, so ist 389 »Gw[QS_, j_ Ud]Qu b_Rw Ra_^X_SYZ =QX_f, b`_bcVawTQohY XQ d[aQx^bm[Y]Y aVQ\wp]Y w p[ RY _`YbQS _go ^Y^wi^o bducd `Ybm]V^^Y[, p[RY RdS ^QiY] bdhQb^Y[_] ?…« Halyna Teresˇcˇ uk: U den’ narodzˇennja Zacher-Mazocha u L’vovi hovorjat’ pro mazochizm politycˇnoi sytuacxi [Am Geburtstag Sacher-Masochs spricht man in L’viv über den Masochismus der politischen Situation]. Radio Svoboda, 27. 1. 2011: http://www.radiosvoboda.org/content/ article/2288840.html. 390 Jurko Vynnychuk: Ubyj pidarasa, 12. 01. 2012, http://vsiknygy.net.ua/news/16415/. 391 »=VcQ UwZbcSQ, XQX^QhQocm _aTQ^wXQc_aY, `wUcaY][Q d[aQx^bm[_T_ `Ybm]V^bcSQ, b_\wUQa^wbcm X cY]Y, fc_ ]Qu Sw\m^w Ud][Y cQ XU_a_SYZ T\dXU w ^V `aYZ]Qu `_a^_TaQewh^Yf `_X `VaVU S\QU_o. 2_ b`aQSW^p `_a^_TaQewp w ^QbY\mbcS_ – ^V d Swai_SQ^Yf apU[Qf, Q S _ewgwZ^_ U_S_\w `aYbc_Z^Yf Uwpf w XQpSQf `_\wcY[Q^wS, Q b`aQSW^wZ ]QX_fwX] – gV _RYaQcY b_Rw XQ S\QUd cQ[Yf _bwR.« o. A.: U L’vovi provedut’ Flash-Mob na pidtrimku Vynnycˇuka [In L’viv findet ein Flash-Mob zur Unterstützung Vynnycˇuks statt]. Zaxid.net, 27. 1. 2012: http://zaxid.net/ home/showSingleNews.do?u_lvovi_provedut_fleshmob_na_pidtrimku_vinnichuka& obje ctId=1246335.

Zusammenfassung

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es erwartungsgeäß die Venus im Pelz, die es auf die ukrainischen Theaterbretter schafft: 2010 inszenierte Taisja Lytvynenko »Venera v chutri« am Theater im. Maryi Zan’koveckoj in L’viv, eine Inszezenierung, die auch 2012 wieder auf dem Programm stand. Besonders in der westlichen Ukraine bzw. seiner Geburtstadt L’viv bezieht man sich zunehmend auf Sacher-Masoch. 2008 findet sich SacherMasoch, nun endgültig zum Ukrainer gemacht392, in einem vom ukrainischen Schriftsteller Jurij Vynnycˇuk herausgegebenen Sammelband neben den Großen der ukrainischen Literatur : Lesja Ukrainka, Panas Myrny, Necˇuj-Levyc’ky und »anderen zu Unrecht vergessenen Schriftstellern«.393 Auch auf YouTube wird man fündig: das Projekt »Geboren in der Ukraine« fertigte kurze Filmporträts von fünfzig weltweit bekannten, in der Ukraine geborenen Persönlichkeiten, darunter 2011 auch Sacher-Masoch.394 2015 erschien eine Kurzbiographie des »Ukrainers«[!] Sacher-Masoch in der Reihe »Made in Ukraine«.395

1.3. Zusammenfassung Im Zuge von Sacher-Masochs Selbst(er)findungsgeschichte als ›slawischer Künstler‹ wurde Ostgalizien gekonnt als einmaliger Projektions- und Ergänzungsraum herangezogen. Sacher-Masochs vielbetonte ›Mischbiographie‹ mit dem Augenmerk auf eine ›österreichisch-galizische Identität‹ zielte dabei darauf, die Idee eines polyphonen Kosmopolitismus in Zeiten zunehmend nationalistischer Tendenzen vorzuführen. Die zusätzliche Identifikation mit den Ruthenen mag teilweise einer Solidarisierung mit unterdrückten Randfiguren bzw. politischen Außenseitern entstammen, die auch Sacher-Masochs Verbundenheit mit seiner prohabsburgischen und deshalb eher Polen-kritischen Beamtenfamilie entspringt. Zusätzlich aber inszenierte Sacher-Masoch sich als Grenzgänger und Auskunftgeber einer unbekannten ›Welt des Ostens‹ im Erfolgsfahrwasser von Turgenev und wusste aus dem Literarizitäts- und Authentizitätspotenzial des mythenbehafteten Kronlandes zu schöpfen. Damit war er nicht alleine, sondern teilte sich die Aufbereitung »Halb-Asiens« und die heroische Sprecherrolle für die Ruthenen am westlichen Buchmarkt mit 392 In einem Rundumschlag des Journalisten Aleksandr Rodzˇers gegen das Niveau der zeitgenössischen ukrainischsprachigen Literatur (im Gegensatz zur russischsprachigen) fragt dieser polemisch: »Was hat denn Galizien schon hervorgebracht? Letztendlich, mit Verlaub, nur Sacher-Masoch.« Aleksandr Rodzˇ ers: Zacher-Mazoch im tovarisˇcˇ. Gazeta kul’tura 24. 03. 2014, http://portal-kultura.ru/articles/obozrevatel/33838-zakher-mazokhim-tovarishch/?print=Y& CODE=33838-zakher-mazokh-im-tovarishch. 393 Jurij Vynnycˇ uk (Hg.): Kazka pro sonce i joho syna. L’viv 2008. 394 https://www.youtube.com/watch?v=cu8gGp_NH4Y. 395 https://www.youtube.com/watch?v=ZfyGnFYGwRI.

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Sacher-Masoch als ›Galizier‹

manch anderen Schriftstellern, die ebenfalls den Kampf um die Deutungshoheit dieses literarischen Raums antraten. Die Außenwahrnehmung Sacher-Masochs zeigt eine höchst unterschiedlich ausfallende Rezeptionsgeschichte auf polnischer und ukrainischer Seite.396 Zu Lebzeiten entbrannte im Zuge des politischen Antagonismus zwischen Polen und Ruthenen in Ostgalizien ein Rechtfertigungskampf um Sacher-Masoch als literarischem Repräsentanten Galiziens. Wobei Sacher-Masoch polnischerseits schon aus der Tradition der habsburgisch-polizeipräsidialen Vaterfigur ausschließlich als »Polenfresser« beflegelt wurde, während man auf ruthenischer Seite zwar nicht ausschließlich, jedoch vor allem Sacher-Masoch als Unterstützer der ruthenischen Sache im deutschsprachigen Raum und westlichen Ausland huldigt. Sacher-Masochs Verdienste um die Vermittlung des Problemfelds Galizien und der Ruthenen in der Öffentlichkeit ließ über manche phantastischliterarische Ausschmückungen des Raumes hinwegsehen. Übersetzt wird Sacher-Masoch ins Polnische erst Anfang des 20. Jahrhunderts und auch hier lediglich im Kontext seiner sexuellen Aberration, die als pathologischer Fall vor allem Mediziner und dekadente Literaturkreise interessiert. Während man sich auf ukrainischer Seite noch zu Sacher-Masochs Lebzeiten im Zuge nationaler Bewusstwerdung seiner Literatur annahm. Die hartnäckig entgegengesetzte Rezeption Sacher-Masochs auf polnischer und ukrainischer Seite wird mit der Wende 1989 besonders augenfällig. Während man in Polen lediglich eine alte und schlechte Übersetzung der Venus mit dem Vorwort eines Sexualwissenschaftlers wiederauflegt, entdeckt man SacherMasoch in der unabhängigen Ukraine als Sohn der Stadt Lemberg und Fürsprecher der Ukrainer neu. Zwischen Kommerzialisierung, mehrfachen Neuübersetzungen und Vereinnahmung als widersprüchliche Skandalfigur durch verschiedenste Interessensgruppen hat sich eine lebhafte Auseinandersetzung um den Autor der »galizischen Geschichten« entwickelt. 396 Da die Sacher-Masoch-Rezeption hier als Politikum zwischen polnischen und ukrainischen Ansprüchen auf Galizien behandelt wird, wird hier die jüdische Rezeption bzw. SacherMasochs Bezugnahmen auf sowie Austausch mit jüdischen Autoren ausgespart. Mehr dazu bei: Massey, Irving: Sacher-Masoch, Talmudist. In: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden H. 2 1997, S. 341–388, O’Pecko, Michael T.: Leopold von SacherMasoch. In: Major figures of nineteen-century Austrian literature (Hrsg.: Donald G.Daviau). Riverside/CA 1998, S. 472–494, Hannah Burdekin: The Ambivalent Author : Five German Writers and Their Jewish Characters, 1848–1914. Oxford u. a. 2002, S. 135–198; Gabriele von Glasenapp: Aus der Judengasse. Zur Entstehung und Ausprägung deutschsprachiger Ghettoliteratur im 19. Jahrhundert. Tübingen 1996; Ludewig: Literarische Annexion Galiziens; Wodenegg: Das Bild der Juden Osteuropas, Biale, David: Masochism and Philosemitism: The Strange Case of Leopold von Sacher-Masoch. In: Journal of Contemporary History 1982, S. 305–323; Solomon, Francisca: Blicke auf das galizische Judentum: Haskala, Assimilation und Zionismus bei Nathan Samuely, Karl Emil Franzos und Saul Raphael Landau. Münster 2012.

2.

Vom Potenzial des ›slawischen Ostens‹

Im Weiteren wird das Potenzial des slawischen Ostens behandelt und die Eröffnungen und Einschreibungen eines Raums397 beleuchtet, dessen jeweilige Verortung und Ausdehnung immer die Spiegelung einer Blick- und Denkrichtung398 bleibt – und der sich auch bei und um Sacher-Masoch als sehr facettenreich erwies. ›Osten‹ ist ein Verhältniswort, es bezeichnet immer sowohl eine Perspektive wie auch einen Interessensraum, und bleibt als solches formenreich und wandelbar. Als imaginärer Raum changiert der Osten zwischen dem Topos der Verheißung, der Sehnsucht, als auch der Bedrohung. Die Gleichzeitigkeit von Anziehungskraft und Furcht dominiert das ›Prinzip Osten‹399 als fundamentales Charakteristikum seiner Zwiespältigkeit. Entsprechend der Veränderlichkeit dieses Raumes kann man den sogenannten ›Osten‹ als Sphäre bezeichnen, die als solche vage bleiben muss, um ihr ›Projektionsraum-Potenzial‹ als vielfach imaginierte Ausdehnung östlich des ›Eigenen‹ zu erhalten. In einem freien Spiel von Wunsch- und Phantasievorstellungen wurde dem ›Osten‹ (vergleichbar dem ›Orient‹) als Projektionsraum »ein ganze[s] Bündel von Bedürfnissen, Verdrängungen, Unterstellungen und Projektionen«400 zugeschrieben. Das Bedürfnis nach Gegenbildern brachte ein mental mapping401 hervor, welches dem Osten die Wesensbestimmung des semi-orientalischen, des 397 Vgl. Iver B. Neumann: The Uses of the Other. »The East« in European Identity Formation. Manchester 1999. 398 Vgl. Gebard Gunter, Oliver Geisler, Steffen Schröter (Hg.): Das Prinzip »Osten«. Geschichte und Gegenwart eines symbolischen Raums. Bielefeld 2010. 399 Ebda. 400 Edward Said: Orientalismus. Berlin 2009, S. 17, siehe auch Dagmar Lorenz, Ingrid Spörk (Hg.): Konzept Osteuropa. Der »Osten« als Konstrukt der Fremd- und Eigenbestimmung in deutschsprachigen Texten des 19. und 20. Jahrhunderts. Würzburg 2011. 401 Vgl. auch Frithjof Benjamin Schenk: Mental Maps. Die Konstruktion von geographischen Räumen in Europa seit der Aufklärung. Geschichte und Gesellschaft. Nr. 28, 2002, S. 493–514; Martin W. Lewis, Kären E. Wigen: The Myth of Continents: A Critique of Metageography. Berkeley 1997.

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halb-asiatischen zuschrieb. Said stellt in seiner Konzeption des Orientalismus einen »ganze[n] Komplex von exotischen Begriffen (wie orientalischer Despotismus oder orientalische Pracht, Grausamkeit, Sinnlichkeit)«402 fest. Ein Topos, der sich aus den Vorstellungen von etwas Atavistischem speist – gleichermaßen anziehend wie abschreckend. Der ›slawische Osten‹ als Sphäre eines »eingeschränkten Orientalismus«403 nimmt dabei eine Zwischenstellung ein, die in vielerlei Hinsicht produktiv aufgenommen wurde. Der scheinbar differenzierte Begriff ›Halb-Asien‹404 erwies sich als sehr brauchbar, um diese Schwellenlage des ›slawischen Ostens‹ zu umreißen – so lebt auch das Selbstbild Russlands405 von seiner Selbstverortung zwischen Europa und Asien, erklärt es seine Bedeutung eben aus dieser doppelten Teilhaftigkeit. Gerade als borderland war jenes ominöse ›Halb-Asien‹, jene Sphäre zwischen Orient und Okzident, mit welcher Karl Emil Franzos in seinen Culturbildern die Gebiete Galizien, Bukowina, Südrussland und Rumänien406 bezeichnete, nicht nur Randgebiet eines als zivilisiert wahrgenommenen ›Westens‹, sondern auch dessen fruchtbares Einflussgebiet. Als solches verfügte es über jenes Potenzial, welchem gleichermaßen Bedrohung wie Verheißung innewohnen, wo die Möglichkeit von einerseits Erlösung und andererseits Überwältigung nahe beisammen liegen. Die Erwartungshaltungen gegenüber dem Osten waren stets auch geprägt von Erlösungsphantasien einer göttlichen Erneuerung407 wie der Angst vor einer slawo-asiatischen ›Horde‹. Damit einher ging das Versprechen

402 Said: Orientalismus, S. 17 und S. 12. 403 Larry Wolff: Die Erfindung Osteuropas. Von Voltaire zu Voldemort. In: Dagmar Grashammer-Hohl, Karl Kaser, Robert Pichler (Hg.): Europa und die Grenzen im Kopf. Klagenfurt 2003, S. 21–34, hier S. 4. 404 »›Halb-Asiatisch‹ war indes offensichtlich ein sehr brauchbares Stereotyp für Rußland, das sich – auch seiner scheinbaren Differenziertheit wegen – in der gehobenen russophoben Publizistik gut verwenden ließ.« Hans Lemberg: Zur Entstehung des Osteuropabegriffs im 19. Jahrhundert. Vom »Norden« zum »Osten« Europas. Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas. Nr. 33, H.1, 1985, S. 48–91, hier S. 74–75. 405 »Die Identifizierung von Rußland, Osteuropa und dem ›Osten‹ ist wohl im deutschen Sprachgebrauch am weitesten gegangen. Russische Schriftsteller haben ihr Land selbst kaum je als ›östlich‹ bezeichnet; im Russischen war und ist ›Vostok‹ stets nur der Orient. […] Im Russischen ist statt dessen stets vom Gegensatz ›Russland und der Westen‹, ›Russland und Europa‹ die Rede. Der ›Osten‹ ist im russischen Sprachgebrauch ein drittes Element außerhalb dieses Gegensatzpaars; Rußland liegt im russischen Selbstverständnis quasi in der Mitte zwischen ›Zapad‹ (dem Westen) und ›Vostok‹, oder anders gesagt, zwischen Europa und dem Orient, zwischen Europa und Asien.« ebda., S. 77. 406 Karl Emil Franzos: Aus Halb-Asien: Culturbilder aus Galizien, der Bukowina, Südrussland und Rumänien. Berlin 1876. 407 Vgl. Emanuel Sarkisyanz: Russland und der Messianismus des Orients. Sendungsbewußtsein und politischer Chiliasmus des Ostens. Tübingen 1955; auch Thomas Manns Gustav von Aschenbach träumt von einem »neuen Gott, der aus Asien kommen würde« und sieht diesen inkarniert in dem polnischen Jüngling Tadzio.

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einer Vitalisierung aus dem slawischen Osten, welches bald seinen Ausdruck in kolonialem Gedankengut fand. Der Blick nach Osten war immer dominiert von Erwartungen, Hoffnungen und Ängsten, schwankend zwischen ex oriente lux und ex oriente furor, vor allem aber versprach man sich vom ›Osten‹ grundlegende Veränderung – zwischen politischer und mystischer Heils- bzw. Unheilserwartung. Die Nutzbarmachung des Potenzials des slawischen Ostens als Korrektiv des Westens ist eine unübersehbare Facette dieser Erwartungshaltung, womit der ›Osten‹ auch zum Verfügungsraum wurde.408 Galizien als habsburgische Variante eines inneren, ›eigenen‹ Ostens war dabei von spezifischer Wesensart. Als vor allem slawisch geprägtes nordöstlichstes Kronland, und damit Peripherie der Monarchie, verfügte es über den zwiespältigen Charakter eines borderland. »Galizien war, je nach Perspektive, eine Grenzzone, ein Land des Übergangs in der Mitte Europas, der Westen des Ostens und der Osten des Westens. […] Ost und West, beides zugleich und beides doch nicht ganz.«409 Gerade mit dieser Verortung an der Grenze eröffnete sich jedoch das vielfältige Potenzial Galiziens. Zum einen stand (Ost-)Galizien für die Rückständigkeit und das Elend410 eines als fremd und unterentwickelt wahrgenommenen Ostens, andererseits diente gerade Galizien den ehrgeizigen Projekten der josephinischen Reform als Experimentierfeld der Modernisierung.411 Galizien stand also als ›Idee‹ stets gleichzeitig für das sprichwörtliche Elend einer vormodernen Welt, aber auch für einen Spielplatz progressiver Maßnahmen – für Neuerung, aber auch für diverse Fantastereien.412 Das Galizien zugeschriebene ›Halb-Asiatische‹ war sein Trumpf. Als östlicher Außenposten einer zentraleuropäischen Macht war es sowohl Einflussgebiet einer sich selbst als zivilisationsbringend definierenden deutschen Kultur, als auch von polnischer wie russischer Seite stets heiß umworben und umkämpft. Galizien befand sich an der Schwelle eines Ost-West-Diskurses und glänzte als dichotomisches Zwischenfeld der Interessen und Einflussgebiete. Denn beson-

408 Vgl. Gunter u. a.: Das Prinzip »Osten«. 409 Anna Veronika Wendland: Galizien: Westen des Ostens, Osten des Westens. Österreichische Osthefte. Nr. 24, H.3/4, 2000, S. 389–421, hier S. 389. 410 Vgl. Stanisław Szczepanowski: Ne˛dza Galicji w cyfrach. Program energicznego rozwoju gospodarstwa krajowego. Lwjw 1888; siehe auch Michał S´liwa: Ne˛dza galicyjska. Mit i rzeczywistos´c´ [Das galizische Elend. Mythos und Realität]. In: Włodimierz Bonusiak, Jjsef Buszko (Hg.): Galicja i jej dziedzitswo [Galizien und sein Erbe]. Rzeszjw 1994, S. 145–155. 411 Wendland: Westen des Ostens, Osten des Westens, S. 407; Hans-Christian Maner: Galizien. Eine Grenzregion im Kalkül der Donaumonarchie im 18. und 19. Jahrhundert. München 2007; Horst Glassl: Das österreichische Einrichtungswerk in Galizien (1772– 1790). Wiesbaden 1975. 412 Wolff: The Idea of Galicia.

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ders seine Schwellenposition als Demi-Orient413 bzw. Halb-Asien machte es fruchtbar für vielerlei Zuschreibungen. Jurij Lotman erklärt gerade die Peripherie als Grenzgebiet zum Spannungsfeld semiotischer Dynamik, gemessen an einem erstarrten Zentrum etablierter Norm: »Die Brennpunkte der semiotisierenden Prozesse befinden sich aber an den Grenzen der Semiosphäre.«414 Dabei ist der Begriff der Grenze wiederum ambivalent: »Einerseits trennt sie, andererseits verbindet sie. Eine Grenze grenzt immer an etwas und gehört folglich gleichzeitig zu beiden benachbarten Kulturen […]. Die Grenze ist immer zwei- oder mehrsprachig.«415 Dem Begriff ›Halb-Asien‹ wohnt demnach nicht nur eine Teilzugehörigkeit zu einem als rückständig bzw. orientalisch konnotierten Asien inne, es setzt durch das ›Halb‹ auch eine zweite Hälfte voraus, die Zugehörigkeit zu mindestens zwei Welten. Und somit ist es als ›HalbEuropa‹ auch Teil der als ›zivilisiert‹ empfundenen Welt. Galizien mag dabei stellvertretend für das gewissermaßen ›Semiosphärische‹ der Habsburgermonarchie an sich stehen; der Literaturkritiker Ferdinand Kürnberger (1821– 1879) wies gerade auf den »europäisch-asiatischen« Charakter Österreichs, das »Nomadisch-Zerstreute« des Landes416 hin. Und Sacher-Masoch lässt sich bei der Beschreibung Ostgaliziens zu folgendem Bild ›Halb-Asiens‹ hinreißen: Wer Galizien in ein kleines Bild fassen will, der fahre auf den Markt nach Kolomea.417 […]. Jetzt meint er in dem Bazar von Bagdad, jetzt auf dem Kirchplatz eines Schwarzwälder Dorfes zu sein. […] da überkommt es ihn ganz allegorisch und er sieht Morgen- und Abendland sich die Hände reichen.418

Galizien in seinem topographischen wie geopolitischen Dazwischen bildete den äußeren Rand von mindestens zwei Semiosphären. Jede Semiosphäre grenzt laut Lotman an andere Semiosphären, somit nicht nur jedes politische Territorium an ein anderes, sondern auch jede Weltanschauung an eine andere – und es sind 413 »la partie orientale de l’Empire des Habsbourg« wie man in Frankreich Sacher-Masochs literarischen Raum bis heute benennt, vgl. dazu die Sacher-Masoch-Biographie von Michel: Sacher-Masoch, S. 11. 414 Die Semiosphäre nach Lotman: »[…] jede einzelne Sprache [ist] umgeben von einem semiotischen Raum, und nur kraft ihrer Wechselwirkung mit diesem Raum kann sie funktionieren. […] Eben diesen Raum bezeichnen wir als Semiosphäre. […] Semiosphäre [ist] zugleich Ergebnis und Voraussetzung der Entwicklung von Kultur.« Lotman: Die Innenwelt des Denkens, S. 165. 415 Ebda., S. 182. 416 Ferdinand Kürnberger : Siegelringe: eine ausgewählte Sammlung politischer und kirchlicher Feuilletons [1874]. Leipzig 1910, S. 194. 417 Zum Markt als Abbild der Vielfalt der Gesellschaft siehe auch Karl Emil Franzos: Markttag in Barnow. In: Vom Don zur Donau. Neue Culturbilder aus »Halb-Asien«. Leipzig 1877, S. 59–176; sowie Ivan Franko: Markttag in Smorze [1888]. In: Stefan Simonek, Alois Woldan (Hg.): Galizien. Klagenfurt 1998, S. 107–113. 418 Leopold von Sacher-Masoch: Frauenbilder aus Galizien. In: Silhouetten. Novellen und Skizzen. Leipzig 1879, S. 9–87, hier S. 11.

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die ›Ränder‹, welche in Dialog miteinander treten419, es prägt also nicht unbedingt nur das Zentrum die Peripherie, sondern die Peripherie sehr wohl auch das Zentrum. Wie bereits Joseph Roths legendärer Graf Chojnicki meinte: »Das Wesen Österreichs ist nicht Zentrum, sondern Peripherie«420, so spricht Lotman von der »provokanten Gefärbtheit« der Peripherie im Gegensatz zum »farb- und geruchlos[en]«421 Kern. Die galizische ›Peripherie‹ verkörperte für den habsburgischen Raum ein zwiespältig behandeltes Einflussgebiet von großen Erwartungen wie steten Befürchtungen – vor allem ethnische und nationale Unruhen, Auseinandersetzungen um Zugehörigkeiten, die spätestens im Ersten Weltkrieg mit der Einnahme Galiziens durch russische Truppen reale Gestalt annahmen. Sacher-Masochs Galizien soll im Folgenden als Resonanz- und Anwendungsraum für die Bedürfnisse der Zeit, als Landschaft der Moderne untersucht und der Autor selbst mit seinem ›Galizien-Faible‹, als Phänomen seiner Zeit, als Erscheinung der Moderne befragt werden. Svetlana Boym umreißt den Begriff Moderne folgendermaßen: […] modernity (the word coined by poet Charles Baudelaire in the 1850s) […] is a critical reflection on the new forms of perception and experience and […] often results in a critique of modernization and an unequivocal embrace of a single narrative of progress without turning antimodern, postmodern, or postcritical. This modernity is contradictory and ambivalent; it can combine fascination for the present with longing for another time, a critical mixture of nostalgia and utopia.422

Von dieser kritischen Reflexion einer neuen Zeit und neuen Wahrnehmungen handelt dieses Kapitel, von einem ambivalenten Blick auf die Folgen von Modernisierung und ihre Auswirkungen. Sacher-Masoch siedelte sein belletristisches Galizien in eben dem Zwischenfeld von Nostalgie und Utopie an – die Evokation einer vormodernen Welt in Form einer ›Poesie des Ostens‹ findet genauso Platz wie die Faszination für aktuelle Gesellschaftsdebatten und die Stilisierung des slawischen Ostens zum Zukunftsraum. Hauptaugenmerk liegt auf dem bisher weniger beachteten galizischen Zukunftspotenzial bei SacherMasoch, während seine Orientalismus-Anleihen als Einbettung in den Mainstream seiner Zeit lediglich skizziert werden. 419 Lotman: Die Innenwelt des Denkens, S. 190; zu einer kritischen Lektüre Lotmans im Hinblick auf diesen Raum siehe Annette Werberger : Die Grenzen von Lotmans Semiosphäre: Grenzerzählungen in der »Westukraine«. In: Susi K. Frank, Cornelia Ruhe, Alexander Schmitz (Hg.): Explosion und Peripherie. Jurij Lotmans Semiotik der kulturellen Dynamik revisited. Bielefeld 2012, S. 269–306. 420 Joseph Roth: Die Kapuzinergruft. In: Gesammelte Werke. Köln 1999, S. 9–130, hier S. 19. 421 Lotman: Die Innenwelt des Denkens, S. 189. 422 Svetlana Boym: Another Freedom. The Alternative History of an Idea. Chicago 2010, S. 7.

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2.1. Von der ›Poesie des Ostens‹ Sacher-Masoch bediente zum einen das Bedürfnis nach einer vormodernen Welt in einer Zeit fortschreitender Modernisierung und profitierte als Schriftsteller dabei von einer gewissen ›Poesie des Ostens‹, die dem slawischen Raum – von Galizien bis ins Russische Reich – eingeschrieben wurde. Unter anderem verfasste er – neben anderen Salonplaudereien »aus dem Tagebuche eines Weltmannes« – auch einen Nachruf auf die ›Poesie‹ der Leibeigenschaft.423 In diesem Abgesang auf eine archaische Tradition beklagt er zum einen das Verschwinden der damit verbundenen verheißungsvollen masochistischen Implikationen – der männliche Sklave, welcher der grausamen slawischen Herrin Untertan ist –, er formuliert dabei aber auch etwas, was man als ›Poesie des Ostens‹ bezeichnen kann: Russland hat seine Poesie verloren. Die Wildnis weicht immer mehr nach Asien zurück, sie weicht vor den Arbeitern, welche die eisernen Schienen legen, jene Stangen in den Boden senken, welche bestimmt sind, den elektrischen Strom zu tragen; die Städte nehmen eine andere Physiognomie an, die Kasernen, die Aemter, die Paläste; auch die Landstraßen, die Dörfer, ja sogar die Einkehrhäuser mit ihren Pfützen bei der Auffahrt, ihren wurmstichigen hölzernen Freitreppen, ihrem klassischen Schmutze. Auch Du bist nicht unvergänglich, Poesie des Schmutzes!424

Die Aufzählung klassischer Modernisierungsmaßnahmen – Erweiterung des Eisenbahnnetzes, Elektrifizierung u. a. – suggeriert, dass das Projekt der ›Zivilisierung‹ gewissermaßen der Poesie den Garaus macht. ›Poesie‹ bleibt ein zentraler und vielbemühter Begriff jener Zeit bei und um Sacher-Masoch. Diese ›Poesie‹ umfasst alle Sehnsüchte und Befindlichkeiten einer im Wandel begriffenen und vom Wandel betroffenen Gesellschaft. In vielfältiger Erscheinungsform wird diese ›Poesie‹ – oder vielmehr das Bedürfnis nach ›Poetischem‹ – als Phänomen und Neigung einer dekadenten Gesellschaft der Moderne zugeschrieben. Dabei handelt es sich vornehmlich um die Sehnsucht nach starken (Sinnes-)Eindrücken sowie um die vielbeschworene Vitalität einer vormodernen Welt (hier des ›slawischen Ostens‹) gegenüber einer als müde empfundenen ›europäischen Zivilisation‹. Die bisherige ›Unerschlossenheit‹ des ›Ostens‹ wird einem goldenen Zeitalter der Poesie gleichgesetzt, welche nun aber vor den eisernen Schienen weichen muss – immer weiter nach Osten.425 Unter anderem 423 Leopold von Sacher-Masoch: Leibeigenschaft. In: Aus dem Tagebuche eines Weltmannes. Causerien aus der Gesellschaft und der Bühnenwelt. Halle 1872, S. 167–175. 424 Ebda., S. 167. 425 Vgl. auch: Die Karpaten »sind schöner als die Schweizer und Tiroler Alpen. Ob es vielleicht daran liegt, daß sie noch nicht von der frevlerischen Zivilisation entweiht wurden? Denn dort gibt es keine Eisenbahnen, keine Hotels voll von ständig gähnenden Engländern und

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lebt die ›Poesie des Ostens‹ auch von einer »Poesie des Schmutzes«, die hier eine eigene ›Poesie der Rückständigkeit‹ umreißt. Sacher-Masoch beklagt an dieser Stelle mit dem Übergreifen der Modernisierung und damit auch dem Übergreifen sogenannter ›zivilisatorischer Werte‹ (etwa der Abschaffung der Leibeigenschaft) den drohenden Verlust einer »wunderbaren Märchenwelt«, er bedauert das »Verschwimmen der frappanten Kontraste« und das »Verblassen ihrer eigenthümlichen Farben«.426 Sacher-Masochs offenes Spiel mit Versatzstücken der Modernekritik, der klischeehafte Einsatz von Modernisierungstopoi wie Eisenbahn und Elektrizität, die theatralische Trauer um die Vergänglichkeit einer »Poesie des Schmutzes« lassen bereits seinen ironisch gebrochenen Umgang mit den Debatten und Befindlichkeiten seiner Zeit sowie seine eigenen Erfolgssujets erahnen. Die Aufhebung der Leibeigenschaft – und damit der Einzug der Moderne – wird vom Autor humoristisch stilisiert zum Untergang eines gesellschaftlichen Typen-Reservoirs, es bedeutet das Verschwimmen eines genuinen sozialen Mikrokosmos und steht für das Verblassen eines vielbeschworenen Lokalkolorits: »alle die unsterblichen Typen […] werden bald nur noch in der Literatur und in unserem Gedächtnis leben […].«427 Der klagende Hinweis auf ein Fortleben dieser ›Typen‹ lediglich in der Literatur – »die feine hübsche Dame, die mit dem Klavier und der Knute gleich umzugehen weiß, der rohe besoffene Offizier mit der ewigen Lunge, der bestechliche Beamte mit dem endlosen Sack, der arme schlaue Leibeigene«428 – steht in direktem Bezug zu Sacher-Masochs Schriftstellerei selbst. Er zitiert damit tradierte und von ihm selbst aufgegriffene Charaktere klassischen Komödieninventars. Denn letztendlich ist jene ›Poesie des Ostens‹ der Stoff, aus dem seine eigene Literatur gemacht ist. Dieser ›Poesie‹ bedarf der westliche Schriftsteller, um das Bedürfnis seines (westlichen) Publikums zu stillen. Sacher-Masochs literarischer Wegbereiter Ferdinand Kürnberger, welcher ihm mit einer fulminanten Vorrede zu seiner Novelle Don Juan von Kolomea429 das Podium für eine steile Karriere am deutschsprachigen Literaturmarkt schuf, beschwor darin eine neue »Poesie der Sinne«430 aus dem slawischen Osten. Denn die Konfrontation mit den Neuerungen und dem Tempo der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte zu einer neoromantischen Sehnsucht nach Unerschlossenheit und Unverfälschtheit. Zivilisationskritik und ennui waren Begleiterscheinung einer einst mit Enthusiasmus empfangenen Modernisierung,

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auch nicht diese tapferen Bergführer mit den Trinkgeld erwartenden, ausgestreckten Händen.« Sacher-Masoch: Galizien, S. 33. Sacher-Masoch: Leibeigenschaft, S. 167. Ebda., S. 168. Ebda., S. 168. Friedrich Kürnberger: Vorwort [1865]. In: Leopold von Sacher-Masoch: Das Vermächtnis Kains. 1. Teil. Stuttgart 1870, S. 39–55. Ebda., S. 42.

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die letztlich als endliche Linie eines linearen Progress’ an Glanz verlieren musste. Es herrschte ein Überdruss an Vorwärts, der mit einem gerüttelt Maß an Rückwärtsgewandtheit aufgewogen werden wollte. Die bürgerliche Sehnsucht nach exotischer Archaik fand in der Literatur Nahrung und mit der Schnepfenund Steppenromantik eines Turgenev auch reißenden Absatz. Der Literaturkritiker Kürnberger beschwor einen ›Stoff des Ostens‹, weil dieser gegenüber dem schal-überzivilisierten Westen über den Trumpf der Rückständigkeit, geradezu ein »Privileg der Rückständigkeit«431, verfügte. Bevor noch die Eisenbahnschienen den Weg in den letzten Winkel ›Halb-Asiens‹ geebnet haben würden, müsste man noch die Motivgeschichte des Ostens nutzen. Denn »der Osten [hat] dem Westen Neues und Eigenthümliches zu bieten […], welches der letztere nur empfangen, nicht aber selbst erzeugen kann.«432 Kürnberger hatte erkannt, dass die Zeit reif war für eine neue Literatur im Dunstkreis der Turgenev-Erfolge in Westeuropa jenseits deutscher »gedankenblasser Goldschnittdichter« und »Leihbibliotheksmanufacturisten«.433 Als erfrischender poetischer Rohstofflieferant für ein ausgelaugtes Europa verfiel der slawische Osten gewissermaßen einer ›literarischen Kolonialisierung‹434, die dem westlichen Schriftsteller des »büchergedüngten Deutschland« als Inspirationsquelle für neue, vitale »Bücher aus der Natur«435 dienen sollte. Man versprach sich eine Erneuerung der deutschsprachigen oder aber westlichen Literaturproduktion durch die »Lebenspforte des Ostens«436, durch die Typenvielfalt eines motivgeschichtlich annektierten Raumes.437 Kürnberger wusste Sacher-Masoch als ›österreichischen Turgenev‹, als literarisches Talent von der Peripherie438 zu vermarkten. Sacher-Masoch füllte das beklagte Vakuum einer durch Verbildung und Urbanisierung entfärbten Welt439, er beschwor eine bunte Welt von Eigentümlichkeiten, die dem ›Westen‹ im Zuge vereinheitlichender Modernisie431 Manfred Hildermeier : Das Privileg der Rückständigkeit: Anmerkungen zum Wandel einer Interpretationsfigur der neueren russischen Geschichte. Historische Zeitschrift Nr. 244, 1987, S. 557–603. 432 Kürnberger : Vorwort, S. 47. 433 Ebda., S. 51. 434 »Dort ruhen Capitalien von unverbrauchter Naturkraft aufgespeichert […].« ebda., S. 45. 435 »Ich gebe Ihnen zu, daß gerade in den nicht deutschen Ländern, vor Allem in Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien, Oesterreich seine stärksten Knospen treibt.« Sacher-Masoch: Emissär, S. 6. 436 Kürnberger : Vorwort, S. 52. 437 »[…] daß die deutsche Literatur ganz neue östliche Längengrade sich erobert, daß sie ganz neue frische Naturvölker sich annektirt hätte […].« ebda., S. 49. 438 »Wir sähen von den Prairien der Weichsel und von den Waldgebirgen des Dnjester deutsche Dichter auferstehen, neue erdgeborene Menschen, welche nicht Bücher aus Büchern machen, sondern Bücher aus der Natur.« ebda., S. 49. 439 Vgl. später auch Hermann Bahr : Die Entdeckung der Provinz. Neues Wiener Tagblatt. 1. 10. 1899, S. 1–3.

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rungsprojekte verloren gegangen zu sein schien. An der galizischen – laut Lotman intensiver gefärbten440 – Peripherie »nimmt [er] Landschaftsconturen wahr, die noch kein Malerauge geschaut«441 und er malte »Bilder dazu in Farben […], die im westlichen Europa selten geworden sind«. Die Maler- und GenrebilderAssoziationen sind häufig, die ›Ideen‹ kämen dabei aus dem westlichen Europa, jedoch »[malt] der Dichter von den Ufern des Pruth […] die Bilder dazu.«442 Sacher-Masoch bediente damit jene Bedürfnisse, die Kürnberger in seiner hymnischen Vorrede als Erwartung des deutschsprachigen Raums an den slawischen Osten formuliert hatte. Als randständiges Kronland der Habsburgermonarchie verkörperte Galizien einen ›inneren slawischen Osten‹ und bot österreichischen Schriftstellern (wie Sacher-Masoch) damit eine eigene, autochtone ›Poesie des Ostens‹. Der motivgeschichtliche Steinbruch bot dabei auch orientalistische Versatzstücke von Feudalerotik, welche mit zunehmender zivilisatorischer Erschließung des Ostens verloren zu gehen drohten: […] die große ostslavische Welt hat dem Westen, dem Weltleben vieles Neue, vieles Gute, vieles Schöne zu bieten. Nur die Dichter des Westens werden unzufrieden sein [mit der Abschaffung der Leibeigenschaft – S.W.]. Wohin sollen sie nun ihre grausamen Romane verlegen? Werden sie sammt und sonders nach der Türkei übersiedeln oder nach Indien?443

Sacher-Masoch ironisiert hier den westlichen Schriftsteller, welcher von dem ins Poetische gehobenen Rückständigkeitsmotiv des Ostens lebt – charakterisiert damit jedoch gleichzeitig sich selbst, der als Beschwörer des ›grausamen slawischen Weibs‹ Karriere gemacht hat. Sacher-Masoch wusste den slawischen Osten als randständigen Projektionsraum für Wünsche und Phantasien zu bedienen, machte er doch Galizien für seine privaten Versklavungsriten in einer Zeit berühmt, als die zivilen Rechte ebendort erstmals festgeschrieben wurden.444 Als literarisches Kind Galiziens funktionalisierte er das Kronland als Projektions- aber auch als Ergänzungsraum seiner Zeit und übte dabei unter anderem Kritik an den Folgen von Modernisierung respektive Zivilisierung und ihren gleichmachenden Tendenzen – folglich an einer Art von Globalisierung. Er bewies sich sowohl als Bediener als auch scharfer Beobachter neuer, im Zuge der 440 Vgl. Lotman: Die Innenwelt des Denkens. 441 Laurenz Müllner : Sacher-Masochs Vermächtnis Kains [1895]. In: Michael Farin (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 137–147, hier S. 147. 442 Rudolf von Gottschall: Sacher-Masoch In: Die deutsche Nationallitteratur des neunzehnten Jahrhunderts [Rubrik: der Zeitroman], Bd. 4. Breslau 1902, S. 284–296, hier S. 286. 443 Sacher-Masoch: Leibeigenschaft, S. 169. 444 Wolff: The Idea of Galicia, S. 240.

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Modernisierung entstandener Bedürfnisse: der Ruf nach Authentizität, Sinnesreiz und der Kitzel archaischer Sitten. Menschenhandel und Sklaverei sind folglich dankbar und häufig aufgegriffene Motive in Sacher-Masochs Werk.445 Rückblickend weidete er sich belletristisch an der Unterwerfung des stolzen polnischen Sarmatenreichs durch die Osmanen446 und schildert Edelmänner, welche ihr Dasein als Sklave in tatarischen Händen verbringen.447 Die pikanten Untertöne seiner herrischen Frauenfiguren sind ein Teil davon. Sich einen Mann zu kaufen, ist dabei jedoch keineswegs auf Geschichten von dazumal beschränkt, es ist auch ein »vielleicht nur bei uns in Galizien mögliche[r] Vorgang«.448 Unter anderem ist auch die Rede von einer polnischen Dame, welche nach einer Karriere als Sklavenhändlerin im fernen Osten, auch im Ruhestand auf ihrem galizischen Landgut (»nahe der russischen Grenze«) ihren Habitus auslebt: Sie lebte dann zurückgezogen im Schloß ihrer Vorfahren inmitten von Negern, Dienern und Dienerinnen, die sie ebenso wie ihre leibeigenen Bauern mit der Peitsche in der Hand leitete. Nur noch in seltenen Fällen erschien sie an der Oeffentlichkeit, aber auch dann stets in türkischem Kostüm, mit golddurchwirktem, pelzverbrämtem Kleide und dem dichten Schleier.449

Galizien befindet sich bei Sacher-Masoch in mehrfacher Hinsicht in ›HalbAsien‹, wo sich Orient und östliches Feudalwesen die Hand geben, um sich zwischen Eros und Knute zu vereinen. Auch das Metternich’sche Polizeiwesen in Galizien bekommt bei Sacher-Masoch noch ein wenig vom Glanz und der Exotik eines mythischen Landstrichs ab: Die österreichische Polizei überhaupt, und ganz besonders die galizische, hatte vor dem März 1848, einen eigenthümlichen, halb patriarchalischen, halb barbarischen Charakter, dem es weder an Reiz, noch an Gemüthlichkeit, vor Allem nie an Humor fehlte, und welcher heutzutage wohl nirgends mehr, ja nicht einmal in dem heiligen

445 »Indeed, for Sacher-Masoch the intimations of slavery in Galicia before 1848 fit perfectly with his conception of the province’s Oriental character.« ebda., S. 13. 446 »Schon jubelten die Muselmänner bei dem Gedanken, […] den Adel Polens auf ihre Sklavenmärkte schleppen zu können.« Leopold von Sacher-Masoch: Die Judith von Bialopol. In: Liebesgeschichten aus verschiedenen Jahrhunderten. Zweite Folge. S. 121–154, hier S. 125. 447 Siehe Leopold von Sacher-Masoch: Der Thränenquell. In: Ewige Jugend und Anderes. Berlin 1886, S. 45–90. 448 Leopold von Sacher-Masoch: Ein Testament. In: Das Vermächtnis Kains. Zweiter Theil. Das Eigenthum. Bern 1877, S. 1–262, hier S. 80. 449 Leopold von Sacher-Maoch: Die Sclavenhändlerin. In: Grausame Frauen. Hinterlassene Novellen. Leipzig 1901, S. 59–72, hier S. 71.

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Rußland zu finden sein dürfe. Eine große Rolle spielte selbstverständlich die Prügelbank und der Stock; sie waren zugleich die ultima und die prima ratio […].450

Jedoch muss man Sacher-Masoch zu Gute halten, dass er bei seinen Spielereien mit einer ›Poesie des Ostens‹ nicht allein den colonial gaze ausschlachtet. Die ursprüngliche Feudalerotik verblasst schnell zum Missbrauchsalltag, wenn eine Erzählung zum Thema »Sklaven und Sultane« ganz konkret von ostgalizischen Bauern und ihrem polnisch-totalitären Pan handelt, wenn »zwischen der Weichsel und dem Pruth noch Millionen weißer Sklaven unter dem Stocke des Mandatars zitterten«.451 Mag auch die zeitgenössische Politik der Körperstrafe Sacher-Masochs Literatur sicherlich beeinflusst haben, so beharrte er doch meist auf dem eminenten Unterschied zwischen privaten Sklaven-Experimenten und Staatspraktiken.452 Die durchaus vorhandene Kritik am alltäglichen Sklavenwesen bezieht Sacher-Masoch unter anderem auch auf die Rolle der Frau in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft – so etwa auf den Umgang der Gesellschaft mit heiratsfähigen Mädchen als Ware: »Dann wurde sie jedesmal, wenn man zu Nachbarn fuhr oder sonntags zur Kirche ging, gehörig herausgeputzt, wie man den Pferden die Mähne mit Bändern durchflicht, wenn man sie auf den Markt führt.«453 Insofern wird bei Sacher-Masoch für die wahrhaft dekadenten Phantasien von einem feudalen Asien454 das ferne Russland als ideale Projektionsfläche herangezogen, während das Bild von Galizien zwar orientalisiert, jedoch auch an ›realen‹ Missständen orientiert bleibt.455 Darüber hinaus wusste Sacher-Masoch die Perspektive durchaus auch humoristisch umzudrehen, legt er doch zeitweise seinen orientalisierenden Blick auf den Osten ab und lässt stattdessen einen Osmanen verwundert auf die westliche Welt blicken. So erstaunt sich in den Papieren eines kleinasiatischen Naturforschers456 derselbe über die in Deutschland offenbar blühende »Sklaverei«. Aus der Sicht des interessierten Türken schildert Sacher-Masoch die Unterjochung der deutschen

450 Leopold von Sacher-Masoch: Vormärzliches. In: Soziale Schattenbilder. Aus den Memoiren eines österreichischen Polizeibeamten. Halle 1873, S. 179–189, hier S. 179. 451 Leopold von Sacher-Masoch: Der neue Hiob. Stuttgart 1878, S. 4. 452 Siehe Boym: Another Freedom, S. 138. 453 Leopold von Sacher-Masoch: Mondnacht. In: Egidius Schmalzriedt (Hg.): Mondnacht. Geschichten aus Galizien. Berlin 1988, S. 7–73, hier S. 22. 454 Siehe Leopold von Sacher-Masoch: Russische Hofgeschichten. Historische Novellen. Leipzig 1877; Sacher-Masoch: Testament, hier S. 112; Leopold von Sacher-Masoch: Die Liebe eines Schah. In: Silhouetten, Bd.1. Leipzig 1879, S. 52–70. 455 »Vergeben Sie, aber es scheint richtiger, daß die dreifache Tyrannei der Aristokratie, der katholischen Kirche und des Polenthum, die Sklaverei der Bauern, die Verfolgung der Dissidenten und Kleinrussen den Untergang Polens herbeigeführt haben.« Sacher-Masoch: Testament, S. 11. 456 Sacher-Masoch: Deutsche Sklaverei.

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Männer für gesellschaftliche Handlangerdienste457, wie auch Beobachtungen mitgeteilt werden, dass auf deutschen Promenaden, auf welchen sich die gute Gesellschaft trifft, vor allem nach entsprechend situierten Käufern Ausschau gehalten wird, an welche man seine Töchter verschachern könne.458 Der Naturforscher wundert sich zudem über die europäische Frauenerziehung, die sich lediglich am späteren Verkaufswert der Objekte orientiert und stellt verblüfft fest, dass auch im ach so aufgeklärt-überlegenen Okzident die ›Vielweiberei‹ ein alltägliches Phänomen wäre. Für gewöhnlich spart Sacher-Masoch jedoch keineswegs mit der Inszenierung des ›Spektakels des Anderen‹459 : Aus seiner Faszination für das scheinbar Ursprüngliche – ein traditionsreiches Gegenbild zur ernüchterten bourgeoisen Zivilisation460 – spricht Schopenhauer. Sacher-Masoch konstruiert mit seinem Galizien einen Identifikationsraum von »eingeschränktem Orientalismus«.461 Denn in Galizien »überströmt [die Sonne] zwei Welten mit ihrem warmen Schöpfungslicht, Orient und Occident.«462 Der zivilisationskritische Exotismus, den Sacher-Masoch bedient, ist ein Orientalismus der Unverfälschtheit, Unverbrauchtheit, der eine Ursprünglichkeit von Charakter und Körper suggeriert. Hier schreiten ›edle Wilde‹ und ihre schönen Frauen wie »zwei Gestalten aus Tausend und einer Nacht«463 ; »indianderbraune Naturkinder«464 findet man ebenso wie manch’ barfüßige Steppenfrau, »braun wie die Erde, auf der ihr Fuß stand«, die wie eine »ägyptische Königin«465 aus ihrem Hause tritt. Hier herrscht ein »Fatalismus, der […] den Orient ankündigt«466 und hier wirken Persönlichkeiten, »die nur in der großen slawischen Welt des Ostens möglich sind«.467 457 Leopold von Sacher-Masoch: Die Ball-Sklaven. In: Aus dem Tagebuche eines Weltmannes. Causerien aus der Gesellschaft und der Bühnenwelt. Halle 1872, S. 213–217. 458 Leopold von Sacher-Masoch: Sklavenmärkte. In: Aus dem Tagebuche eines Weltmannes. Causerien aus der Gesellschaft und der Bühnenwelt. Halle 1872, S. 218–223. 459 Stuart Hall (Hg.): Ideologie, Identität, Repräsentation Hamburg 2004, S. 145. 460 Siehe Paul R. Mendes-Flohr : Fin de SiHcle Orientalism, the Ostjuden, and the Aesthetics of Jewish Self-Affirmation. In: Divides Passions. Jewish intellectuals and the experience of modernity. Detroit 1991, S. 77–132. 461 Siehe Larry Wolff: Die Erfindung Osteuropas. Von Voltaire zu Voldemort. In: Dagmar Grashammer-Hohl, Karl Kaser, Robert Pichler (Hg.): Europa und die Grenzen im Kopf. Klagenfurt 2003, S. 21–34, hier S. 4. 462 Leopold von Sacher-Masoch: Der Hajdamak. Berlin 1888, S. 115. 463 Leopold von Sacher-Masoch: Artaban und Pachomia. Eine Skizze aus Kleinrußland. Westermann’s illustrierte deutsche Monatshefte. Bd. 52, Jg. 26., 1882, S. 327–331, hier S. 330. 464 Leopold von Sacher-Masoch: Cipre Goldfinger. In: Neue Judengeschichten. Leipzig 1881, S. 111–126, hier S. 117. 465 Leopold von Sacher-Masoch: Tag und Nacht in der Steppe. In: Galizische Geschichten. Neue Folge. Berlin ca. 1880, S. 127–148, hier S. 135. 466 Sacher-Maoch: Paraskitza, S. 135. 467 Sacher-Maoch: Bauernkönig, S. 51.

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Ruthenische Bauern zeichnen sich durch »echt orientalische Würde«468 aus, der Urwald der Karpathen erscheint wie »ein Palast arabischer Märchen«469, die huzulischen Hirten beten den Sonnenaufgang wie »echte Morgenländer«470 an und die Architektur eines Huzulendorfes scheint ihm »an den Orient gemahnend«.471 Die Liste von orientalisierenden Assoziationen lässt sich beliebig fortsetzen, die Tracht der Kleinrussinnen mit ihrem »bunten Tuche wie mit einem Turban umwunden«472 sowie die farbig bestickten Schafpelze, der üppige Korallen- und Münzschmuck473 tragen das Ihrige dazu bei. Ebenfalls orientalisiert wird das »farbenreichen Bilde« der »Zigeuner des Ostens«, eine »sonnenbraune Gesellschaft, in bunte Lumpen gehüllt«474, wie auch in allen Gärten »Kleinrußlands« »die bunte, an Stickereien des Morgenlandes mahnende Pracht der Astern und Georginen aufgegangen [war]«.475 Besondere Aufmerksamkeit wird bei der Orientalisierung des Ostens, ganz in der Tradition der Zeit, dem Ostjudentum geschenkt.476 Der Blick nach Osten als dem geistigen Ort eines neuen epischen Zeitalters betraf nicht nur die slawische Welt, bei Sacher-Masoch und anderen wurde auch die ›ostjüdische Vitalität‹ (im Sinne einer orientalisch-dionysischen) einer ermüdeten westlichen Zivilisation entgegengehalten.477 »Das polnische Ghetto ist ein kleiner Orient inmitten von Europa«, wo man noch »die Trauben von Kanaan reifen und die Rosen von Saron blühen [sieht].«478 Diverse ›belles juives‹ thronen jeweils als »Herrscherin des Orients, der Königin von Saba gleich« auf Lagern »von asiatischer Pracht«479, vom »Geruch des Libanon« umweht.480 Und beim Wunderrabbi glaubte sich der 468 469 470 471 472 473 474 475 476

477 478 479 480

Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 324. Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 31. Ebda., S. 108. Ebda., S. 31. Sacher-Masoch: Erntefest, S. 52 oder auch Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 32. Siehe auch Leopold von Sacher-Masoch: Die Gottesmutter. Leipzig 1883 sowie SacherMasoch: Der Hajdamak, S. 32. Leopold von Sacher-Masoch: Die Liebesgeschichte des Adam Kosabrodzki. In: Galizische Geschichten. Novellen. Neue Folge. Leipzig 1881, S. 89–96, hier S. 87. Leopold von Sacher-Masoch: Die Seelenfängerin. Jena 1886, S. 125 sowie Leopold von Sacher-Masoch: Der Judenraphael [1882]. In: Adolf Opel (Hg.): Der Judenraphael. Geschichten aus Galizien. Wien 1989, S. 39–157, hier S. 124. Siehe Gert Mattenklott: Ostjudentum und Exotismus. In: Thomas Koebner, Gerhard Pickerodt (Hg.): Die andere Welt. Studien zum Exotismus. Frankfurt/Main 1987, S. 291– 306; Mendes-Flohr : Fin de SiHcle Orientalism; Ivan Davidson Kalmar, Derek J. Penslar : An Introduction. In: Ivan Davidson Kalmar, Derek J. Penslar (Hg.): Orientalism and the Jews. Waltham 2005, S. XIII–XL. Vgl. Mattenklott: Ostjudentum und Exotimus, S. 196–197. Leopold von Sacher-Maoch: Jüdische Geschichten [1887]. In: Michael Farin (Hg.): Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985, S. 34–42, hier S. 34. Sacher-Masoch: Hasara Raba, hier S. 180–182. Vgl. vor allem Leopold von Sacher-Maoch: Jüdische Geschichten [1887]; auch in Sacher-Masoch: Frauenbilder aus Galizien.

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Besucher »in den Harem des Sultans zu Konstantinopel versetzt.«481 Diese Eindrücke werden stets mit einer ausführlichen Beschreibung aller textilen und taktilen Eigenschaften der vorgefundenen Kostümpracht versehen. Zur Beschreibung gelangt das östliche Leben in »orientalischem Styl«482 bei Sacher-Masoch oft durch den Besuch einer überreizten, gelangweilten Gesellschaft aus der Stadt bzw. dem westlichen Europa, welche ihre abgestumpften Seelen an dieser ›Poesie der Authentizität‹ genesen lassen: [er] machte ihr den Vorschlag, im nächsten Sommer einige Zeit auf ihrem Gute in Galizien zu verbringen. […] Eine andere Welt tat sich auf, fremdartig, fesselnd, zuweilen unheimlich und immer poetisch, auch in ihren Lumpen und ihrem Schmutz. Was für ein Sommer hier in der sarmatischen Ebene!483

Wesentlichen Anteil an einer ›Poesie des Ostens‹ hat nicht nur das Verlangen nach pikanten ›kulturellen Aberrationen‹, sondern vor allem die Sehnsucht des urbanen Publikums nach einer ›Poesie der Einfachheit‹, des Bauerntums – ein Phänomen, das Sacher-Masoch auch mehrmals problematisiert. Eine junge polnische Witwe etwa kommt aus den Warschauer Salons auf das Landgut ihres Bruders in Ostgalizien und wünscht plötzlich, um Abwechslung in ihr enervierend langweiliges Dasein zu bringen, ein galizisches Bauernhaus zu sehen. Beim Anblick des stattlichen jungen ruthenischen Bauern äußert sie: »Was für ein Mensch! […] ein byronischer Held in Bauernkleidern. N’est-ce pas vrai?« »Oui, Madame,« bekräftigte Galetzki. »[…] und wie poetisch hier Alles ist. Jetzt erst verstehe ich die Idyllen des herrlichen Geßner. Wir werden nun öfter hierher kommen. N’est-ce pas?«484

Die sofortige Übertragung des Gesehenen auf den gutbürgerlich-europäischen Bildungskanon zwischen salongeeigneten Genrebildern und empfindsamer Schwärmer-Literatur lässt erahnen, wie es um die Wahrnehmung des bäuerlichen Alltags durch die ›gute Gesellschaft‹ bestellt war. Auch eine Ausflugsgesellschaft in die Karpaten weiß ihre Begeisterung nicht anders zu äußern, als neben »Merveilleux!, Admirable!, Grandios! Gigantisch!« die archaische Szenerie einfach »[z]um Malen! wirklich zum Malen!«485 zu finden. Andere formulieren ganz ähnlich: »wie in der Oper« oder »[i]dyllisch! Höchst idyllisch!«

481 Leopold von Sacher-Maoch: Jüdische Sekten in Galizien [1889]. In: Adolf Opel (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch: Der Judenraphael. Geschichten aus Galizien. Berlin 1989, S. 13–33, hier S. 19. 482 Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 32. 483 Leopold von Sacher-Masoch: Entre Nous. Berlin 1889, S. 62. 484 Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 175. 485 Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 22.

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und »diese Beleuchtung – kein Maler könnte sie schöner hervorbringen – alles hier ist so poetisch.«486 Die (Aus-)Nutzung von exotischen Räumen für die affektierten Bedürfnisse gelangweilter, erlebnishungriger Stadtpflanzen ist Sacher-Masoch stets eine Szene wert. So »flötet« ein junges Fräulein aus Lemberg auf Exkursion in die ostgalizischen Karpaten angesichts der Lebenswelt der Huzulen: »O! hier möchte ich wohnen, […] in dieser jungfräulichen Natur, unter diesem Edlen, einfachen, sittenreinen Volke.«487 Jene ›Poesie der Sinne‹, jene überwältigenden Empfindungen beim Anblick der kraftvollen Naturerscheinungen des ›Ostens‹, wird bei Sacher-Masoch als Errettung aus dem westlichen Überdruss, dem ennui thematisiert. Damit aber zeichnet der Autor auch jene Bedürfnisse nach, die er selbst als ›galizischer Dichter‹ bediente; er produzierte Ansichten, welche in der zeitgenössischen (Populär-)Wissenschaft gang und gäbe waren.488 Die ob der Leidenschaften urbaner Idealisten von Sacher-Masoch gebrauchte Ironie gilt offensichtlich nur für jene ›poetischen Damen‹, nicht aber dem Schriftsteller bzw. dessen erzählendem Alter Ego, welches unbeschwert der ›Poesie des Ostens‹ Nahrung gibt, indem es über die Wahrhaftigkeit des Landlebens folgendermaßen resümiert: Ich liebe das Landleben; nicht allein, weil ich den Umgang mit der Natur dem andern vorziehe, sondern auch, weil es da so viel originelle Menschen giebt. In den Städten da werden die Leute gleichmäßig zugehackt, wie das Holz nach der Klafter […]. Da wird die Individualität selten und wird geschätzt wie etwa ein Diamant, während man auf dem Lande bei jedem Schritte auf Originale stößt, wie auf Kieselsteine.489

Die dem verwestlichten urbanen Leben überdrüssige aristokratische Gesellschaft sucht »Futter für die Nerven«490 in der Schlichtheit rustikaler Bauernidylle. Tendenzen am Vorabend des Fin de SiHcle spiegeln sich in diesem aufgezeigten Hang zum Erleben, zur Sinnesschärfung und zum Sinnesreiz wider. Nachdem das zuvor erwähnte polnische Fräulein Gefallen an jenem jungen Bauern gefunden hat, sucht sie diesen nun öfter heim:

486 Leopold von Sacher-Masoch: Magaß, der Räuber. In: Galizische Geschichten. Teil 2. Leipzig, Berlin o. J., S. 5–58, hier S. 29–30. 487 Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 8. 488 Siehe Brigitte Fuchs: »Rasse«, »Volk«, Geschlecht: Anthropologische Diskurse in Österreich 1850–1960. Frankfurt/Main 2003. 489 Leopold von Sacher-Masoch: Lieutnant Holofernes oder der moralische Effekt. In: Eudoxia die Sängerin und andere galizischen Geschichten. Leipzig 1881, S. 35–55, hier S. 37. 490 Vgl. Hermann Bahr : Vorsatz [Einleitung zu Bahr’s demnächst erscheinendem neuesten Buche: »Russische Reise, ein lyrischer Zwischenakt«]. Moderne Rundschau. Halbmonatsschrift. 15. 6. 1891, S. 178–180 »Ich muß wieder reisen. Es ist kein Futter mehr auf den Nerven.«

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»Was ist das, hier in dem Rain?« »Eine grobe Kascha, gnädige Frau.« […] [dann] begehrte sie einen Löffel und kostete. »Das schmeckt ja recht gut,« rief sie, »nun iß – und ich werde mit dir essen.« […] Und so aßen sie denn aus Einer Schüssel, die feine Modedame und der einfach Bauer, und es schmeckte beiden vortrefflich, obwohl sie kein Tischtuch hatten und nicht auf Silber speisten.

Eine wesentliche Facette jener ›Poesie des Ostens‹, welche Einfachheit und Erleben verspricht, ist offensichtlich die des Sinnesreizes. Als Projektionsfläche für Phantasien des Atavistischen, Natur- und Triebhaften konstituierte der Osten auch das Stereotyp der stärkeren Sexualisierung.491 Es ist nicht nur die archaische Lebensart, die attraktiv macht (hier den ruthenischen Bauern), es ist vor allem der ›fremde (weibliche) Körper‹, der eine große Anziehungskraft ausübt. Im Osten gibt es »tierähnliche Mädchen«492, »Frauen wie gezähmte Raubtiere«493 oder aber solche, die auf zahmen Bären geritten kommen.494 Der stark mit diesem Körperbild assoziierte Sacher-Masoch’sche Pelz erinnert dabei »an die Vorzeiten […] und ruft die Empfindung einer wilden, bestialischen Kraft hervor, welche den schwachen modernen Mann völlig berauscht.«495 Der Hinweis auf den modernen Mann, welcher in der pelzbekleideten Frau den atavistischen Zug zwischen Grausamkeit und Wollust sucht, ist ein Ausblick auf die Verquerungen der Moderne, wo nach animalischen Sinnesreizen verlangt wird, um Stimulation zu generieren. Der »Geruch eines wilden Thieres«496, den SacherMasochs fremde Körper ausstrahlen, wird dabei vom olfaktorischen Erlebnis zum Medium der Erotik. Die überfeinerten Salonnerven begehren hier nach dem ›natürlichen‹ Olfactum, das nur noch bei der naturnahen slawischen Frau gefunden werden kann. Die einfache galizische Frau besticht folgendermaßen: Sie dunstete in ihrem Pelz und wurde noch heißer vom Ringen, die Schaffelle verbreiteten einen üblen Geruch. Er aber flüsterte: Wie gut das riecht und Du erst… der Geruch eines gesunden Mädchenleibes berauscht mich. […] Das Lammfell schien angewachsen an ihre vollen runden Glieder, und auch das gefiel ihm, ist es doch, rief er, als kämpfe ich mit einem wilden zottigen Thier […].497 491 Siehe Strohmaier : Szenarien der Unterwerfung; sowie Friedrich Salomo Krauss: Anthropophytheia. Jahrbücher für folkloristische Erhebungen und Forschungen zur Entwicklungsgeschichte der geschlechtlichen Moral. Leipzig 1904–1913, welche unter anderem »Das Geschlechtsleben des ukrainischen Bauernvolkes in Österreich-Ungarn« von Volodymyr Hnatjuk enthalten. Sozusagen ein Pendant des Kronprinzenwerk auf geschlechtsanthropologischer Basis. 492 Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 41. 493 Sacher-Masoch: Flüchtling, S. 308. 494 Sacher-Masoch: Die Seelenfängerin, Teil 1, S. 10. 495 Leopold von Sacher-Maoch: Lola. In: Grausame Frauen. Hinterlassene Novellen. Dresden 1901, S. 3–16, hier S. 16. 496 Ebda., S. 8. 497 Sacher-Maoch: Matrena, S. 54.

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Jedoch geht auch von einer gefeierten slawischen Schauspielerin laut SacherMasoch »ein feiner Geruch nach wildem Tier von ihrer Pelzjacke aus und erfüllte die Atmosphäre um sie herum.«498 Die übliche Überschneidung von olfaktorischer Konstruktion und sozialen bzw. rassischen Kategorien499 erzählen von einem Geruch des ›Anderen‹, der bei Sacher-Masoch vor allem Begehrlichkeiten hervorruft. Dabei schildert Sacher-Masoch dieses Begehren oft als Produkt der Überspanntheit der Moderne und nicht zuletzt auch den Masochismus als eine daraus hervorgehende Krankheit: »dein [Severins – S.W.] ganzer Wahnsinn ist nur eine dämonische, ungesättigte Sinnlichkeit. Unsere Unnatur muß solche Krankheiten erzeugen.«500 und Severin aus der Venus wird in der Folge buchstäblich die »Poesie herausgepeitscht«501 – »[…] die Kur war grausam, aber radikal. Und die Hauptsache ist: ich bin gesund geworden. [!]«502 Die ›Poesie des Ostens‹ schwankt in der üblichen Sacher-Masoch’schen Widersprüchlichkeit relativ unbeschwert zwischen den salonfähigen Orientalisierungen seiner Zeit und der Kritik daran, zwischen dem Aufrufen biologistischer Anthropologiekonzepte und süffisantem Gesellschaftshohn, zwischen privaten Vorlieben und sozialkritischer Diagnose und hält vielleicht gerade mit dieser Mischung den Schlüssel zum Erfolg am damaligen Lektüremarkt in der Hand.

2.2. Der slawische Osten als Zukunftsraum503 Der slawische Osten erschöpft sich in der Wahrnehmung durch den Westen bzw. konkret bei Sacher-Masoch jedoch keineswegs nur als nostalgischer Projektionsraum einer ›Poesie des Ostens‹. Ein dem Blick nach Osten zugehöriges Moment ist auch jenes der Zukunftsträchtigkeit des slawischen Ostens. Daraus spricht nicht allein das der Idee eines ›Drangs nach Osten‹504 nahestehende kolonialistische Ansinnen der Nutzung östlicher Breiten, der Erschließung und 498 Sacher-Masoch: Eine slawische Schauspielerin, S. 112. 499 Siehe Bettina Beer: Geruch und Differenz. Körpergeruch als Kennzeichen konstruierter, ›rassischer‹ Grenzen. Paideuma. Bd.46, 2000, S. 207–230 bzw. Max Höfler : Der Geruch vom Standpunkte der Volkskunde. Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. Nr. 3, 1893, S. 438–448. 500 Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz. In: Das Vermächtnis Kains. Novellen. Erster Theil. Die Liebe. Stuttgart 1869, S. 121–368, hier S. 210. 501 »[…] aber Apollo peitschte mir die Poesie heraus, Hieb für Hieb […].« ebda., S. 362. 502 Ebda., S. 366. 503 Teile des Kapitels sind bereits als Aufsatz erschienen: Stephanie Weismann: Hohelied auf ein ruthenisches Ostgalizien. Von der Modernität der Peripherie bei Leopold von SacherMasoch. In: Elisabeth Haid, Stephanie Weismann, Burkhard Wöller (Hg.): Galizien. Peripherie der Moderne – Moderne der Peripherie? Marburg 2013, S. 77–90. 504 Wolfgang Wippermann: Der »Deutsche Drang nach Osten«. Ideologie und Wirklichkeit eines politischen Schlagwortes. Darmstadt 1981.

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Exploitation frischer Ressourcen, seien sie spatialer, agrarischer oder literarischer Natur. Es sind die slawischen Völker selbst, denen Zukunft vorausgesagt wird. Bereits Herder sprach von der Gegend »vom Adriatischen Meer bis zum karpathischen Gebirge, vom Don bis zur Mulda« als dem »schönsten Erdstrich Europas«505, dies jedoch weniger in Bezugnahme auf ihre ›Poesie‹ als vielmehr auf das Potenzial ihrer slawischen Bewohner. Dieselben sollten aus ihrem »langen trägen Schlaf« geweckt werden und jene Gegenden »als Eigentum nutzen« dürfen. Ähnliche Visionen pflegte auch Sacher-Masoch, der sich damit nicht wenige Feinde im deutschnationalen Lager zuzog.506 Er prophezeite eine grundlegende Umwälzung Europas aus dem slawischen Osten, welcher im Weiteren als zukunftsweisender Raum des Fortschritts fungieren würde; als Raum mit geradezu eschatologische Heilserwartung, ein Raum, aus welchem Europa ein gesellschaftspolitisches Morgenrot507 erstrahlen würde. Wenn wir uns […] [den] steigenden Einfluß der slavischen Race in Europa, in politischer, socialer und literarischer Beziehung, vor Augen halten, so kommen wir zu dem Ergebniß, daß die nächste große Umwälzung, welche unbedingt aus dem Osten kommen wird, und muß, alle unsere Verhältnisse, ja unsere ganze Welt, weit radicaler umgestalten wird, als jede frühere, die französische Revolution ausgenommen, und zwar ohne Völkerwanderung, ohne Weltkrieg, ohne Feuer und Schwert und ohne Guillotine.508

Dieser Vision zollte man trotz der Betonung der Friedfertigkeit sicher nur mit mulmigem Gefühl Beifall, schwingt doch in jener »Umwälzung« eine starke Assoziation mit den jahrhundertelang mit Wollust gepflegten Schreckensszenarien einer ›Horde aus dem Osten‹ mit, sei diese nun hunnisch, mongolisch, türkisch oder nun eben slawisch gedacht. Doch spiegelt die Beschwörung eines Wandels – zumal eines Wandels aus dem slawischen Osten – deutlich den damaligen Zeitgeist wider. Zum einen richteten die Slawenkongresse ab 1848 die Aufmerksamkeit auf eine zunehmende Auseinandersetzung mit neuen politischen Konzepten – etwa panslawischen oder austroslawischen Charakters. Auch 505 Johann Gottfried Herder : Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit [1786]. In: Sämmtliche Werke, Teil IV, Buch 16, Kap. 4. Berlin 1887, S. 227–280. 506 Vgl. die Polemik von Lorm: Parasiten und Renegaten. 507 »Ströme weißen Lichts überflutheten von Osten her immer kräftiger die Landschaft. […] aber das weiße Licht im Osten wird mehr und mehr von einer kräftigen Röthe durchschossen und überzieht endlich flammend den Horizont. […] Immer leuchtender wird der Osten, bis die Sonne sich mächtig über den Rand der Ebene emporhebt, und plötzlich ist Alles voll Licht und Klarheit und Fröhlichkeit, überall tönen Stimmen, Rufe und Gesang.« Leopold von Sacher-Masoch: Das Volksgericht. In: Das Vermächtnis Kains. Theil 1. Bern 1877, S. 52–172, hier S. 4–7. 508 Leopold von Sacher-Masoch: Russische Sekten. Nord und Süd. Eine deutsche Monatsschrift. Bd. 51, 1889, S. 347–369, hier S. 369.

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Sacher-Masoch betonte die Bedeutung der Kongresse als Geburtsstätte neuen slawisch-nationalen Selbstbewusstseins: Durch den Prager Kongreß war die Saat ausgestreut worden; wenn sie eines Tages aufgehen würde, wenn die slawische Bewegung, ähnlich der deutschen und der italienischen, vollendet sein würde, würde man den Beginn dieser Bewegung im Slawenkongreß von Prag 1848 sehen müssen […].509

Zum anderen befand man sich nach dem Scheitern der Revolutionen 1848 nicht nur unter den Slawen auf der dringlichen Suche nach zukunftsweisenden gesellschaftlichen Alternativen. Der schale Nachgeschmack, den das Versanden der bürgerlichen Revolutionen in reaktionären Kompromissen und Lethargie hinterlassen hatte, sowie die zunehmenden politischen Unmutsäußerungen der zahlreichen Nationalitäten der Habsburgermonarchie, waren Nährboden für den Ruf nach einer Neudefinition gesellschaftlicher Partizipation. Das Veränderungspotenzial war laut Sacher-Masoch jedoch nicht in deutschen Breiten zu finden. Die deutschen Ideale würden sich auf Hopfentrank, Turnverein und Liedertafel510 beschränken, gesellschaftliche Erneuerung läge allein bei den Slawen, so Sacher-Masochs Überzeugung – und nicht nur die seinige. Facetten dieses Erneuerungspotenzials der »ostslawischen Welt«511 seien laut Sacher-Masoch ihre »indische Welt- und Lebensverachtung«, während sich der Westen mit seinen selbstbezogenen »materialistischen Weltanschauungen« zugrunde richten würde; es ist vor allem die »eminent demokratische Natur der slavischen Race«, welche der »aristokratischen Natur der westlichen Welt« erneuernd entgegengehalten wird. Zudem »führt das Weib im slavischen Osten heute schon factisch das Regiment«, während der germanische Westen immer noch um die Befreiung und Gleichstellung der Frau ringen würde. »Europa hat Manches von ihnen zu erwarten und nicht das Letzte in der Umbildung der Gesellschaft und des Verhältnisses von Mann und Frau.« Die Umbruchskraft des slawischen Ostens erstreckt sich auf vielerlei Aspekte, welche jeweils an den Begeisterungs- und Schreckensreaktionen der zeitgenössischen Sacher-Masoch-Rezeption abgelesen werden können.512 Die literarische Bearbeitung der Problematik von Geschlechterrollen und -verhältnissen in Don Juan von Kolomea brachte ihm den Durchbruch als vielgepriesener und international er509 Sacher-Masoch: Der Slawenkongreß in Prag, S. 81. 510 »[…] da er zu jenen Biedermännern gehörte, welche das Deutschthum weniger in deutscher Wissenschaft, deutscher Kunst und Kriegstüchtigkeit, als in langen Haaren, Biertrinken, Turnen und Singen suchen, so trug er eine förmliche Allonge von blonden Locken auf dem Kopfe.« Leopold von Sacher-Masoch: Die Ideale unserer Zeit. Bern 1875, S. 12. 511 Die folgenden zitierten Aussagen aus Sacher-Masoch: Russische Sekten, S. 365. 512 »[…] gehäßiger Tadel und Angriff traf den Philosophen, […] traf die entwickelten Ideen und Prinzipien des sozialen Reformators.« Sacher-Masoch: Vorwort zu Vermächtnis, S. 3–4.

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folgreicher Schriftsteller.513 Andererseits war das »Regiment führende slawische Weib«514 ein misstrauisch verfolgtes Motiv seines Oeuvres, welches manchem Leser wohl nach dem Geschmack sein mochte, bei vielen anderen jedoch einen angewiderten Distanzierungswunsch hervorrief: »Mag sein, daß unter den Russinnen dergleichen Sphinxe vorkommen, die zugleich küssen und zerfleischen; im civilisierten Europa kennt man sie glücklicherweise nicht […].«515 Sacher-Masochs Stellungnahme zu den ›naturgegebenen‹ Voraussetzungen des slawischen Ostens im Hinblick auf eine gesellschaftliche Neuordnung war deutlich am Zeitgeist geschult. Der öffentliche Blick Europas richtete sich durch die starke polnische und russische Exilszene in London und Paris zunehmend auf deren Neudeutung prekär gewordener Gesellschaftssysteme auch im Hinblick auf einen zukünftigen Umbruch slawischer Gesellschaftsordnungen, wobei deren Autoritäten (etwa Alexander Herzen) wiederum bevorzugt der Lektüre französischer Frühsozialisten frönten.

Umbruch aus dem ›Osten‹ Das vorherrschende Moment des von Sacher-Masoch beschworenen slawischen Potenzials – abseits der üblicherweise mit dem Autor konnotierten erotischen Komponente – ist das des ›slawischen Gemeinsinns‹. Dieser den Slawen / la mode contemporaine als ›ureigen‹ zugeschriebene Gemeinsinn wird von SacherMasoch gleich einer revolutionären Zukunfts-Standarte dem Übel des westlichen Aristokratismus bzw. seines übersteigerten Individualismus entgegengehalten. Sacher-Masoch geht so weit, sogar die Erfolgsgeschichte der Preußen ausschließlich ihrem ›slawischen Element‹ zuzuschreiben. Hier ergießt sich Sacher-Masochs Preußen-Skepsis habsburgischer Färbung nicht in giftigen Polemiken, stattdessen wird den Preußen jeglicher Anspruch auf (deutsch-nationale) Überlegenheit insofern verwehrt, als Sacher-Masoch die vielgepriesenen ›preußischen Tugenden‹ als genuin slawische ausweist. Es ist doch auffallend, daß jener Staat in Deutschland seit hundert Jahren mehr und mehr die Führung übernommen hat, der am wenigsten aus germanischen, sondern vorwiegend aus slawischen Elementen hervorgegangen ist. […] Diese Überlegenheit besteht in der Disziplin, in der Fähigkeit des Einzelnen, sich dem Wollen der Gesammtheit unterzuordnen, Tugenden, die nicht deutschen, sondern slavischen Ursprungs sind […].516 513 514 515 516

Vgl. Kürnberger : Vorwort. Siehe Sacher-Masoch: Russische Sekten, S. 365. Thaler: Nihilismus in Deutschland. Leopold von Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester. Leipzig 1882, S. 73–74.

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Dass hier gewissermaßen die legendäre ›preußische Disziplin‹ als eigentlich slawischer Zug definiert wird, ist eine gewagte Auslegung der Fundamente deutscher und damit westlicher Hegemonialarroganz, die die Frage nach den zukünftigen Machthabern gehörig unterminiert, weil sie die machtpolitischen Gegebenheiten auch umgekehrt denkbar macht. Dennoch wundert man sich, welch’ hysterische Hasstiraden der schriftstellernde Galizier damit auf sich zog: Wer sein Vaterland und die Freiheit liebt, der muß mit aller Kraft gegen jeden Versuch kämpfen, die nihilistischen Ansichten in Deutschland einzuschleppen. Sie sind wie die Pest und fordern einen Cordon heraus. Ob sie in publicistischer oder novellistischer Form eindringen wollen, die Demokratie hat die heilige Pflicht, das deutsche Haus, die deutsche Zukunft vor solcher Ansteckung zu beschützen. Das ist der politische Grund, aus welchem ich Sacher-Masoch’s neue Novellen verdamme.517

Im Zuge der Suche nach neuen gesellschaftlichen Idealen gerade um 1848 fasste der Mythos vom ›slawischen Gemeinsinn‹ zunehmend auch in den westlichen Debatten um eine Neugestaltung der Gesellschaft Fuß. Diesen Gemeinsinn, aus dem eine ›natürliche‹ Neigung der Slawen zur Demokratie abgeleitet wurde, stellt Sacher-Masoch dem von ihm gegeißelten deutschen ›Selbstsinn‹ dichotomisch gegenüber. Die Ungleichheit und Aristokratie des Germanentums wird als reaktionär und unzeitgemäß kritisiert, während von den Slawen eine Zukunft der Ebenbürtigkeit zu erwarten sei. Dieser Gedanke wird in einer poetologischen Umdeutung des Kritikers und literarischen Wegbereiters Sacher-Masochs, Ferdinand Kürnberger, auch auf literarische Erwartungen übertragen: »Wenn statt der zersungenen Rebe des Rheins, welche von Literatenlippen hinweg in exclusiv fürstliche Keller fließt, die demokratische Traube des Pruth unsere welken Ziegenschläuche füllte […]«518, wäre gewissermaßen auch die deutsche Literatur errettet. Die Idee eines ›genuin‹ slawischen Gemeinsinnes in Form etwa der ›slawischen Bauernkommune‹ lag damals geradezu in der Luft. Bereits die frühen russischen Slawophilen der 1840er Jahre befassten sich mit diesem Gedanken; der gewann ab 1847 zunehmend an Popularität, wobei sich eine Vielzahl unabhängiger, aber zeitgleicher Entwicklungstendenzen dieses Phänomens beobachten lassen.519 Es scheiden sich die Geister darüber, wer die Vorstellung der 517 Thaler: Nihilismus in Deutschland, S. 50. 518 Kürnberger : Vorwort, S. 52. 519 »@a_gVbb YX_RaVcV^Yp Y]V\ fQaQ[cVa UYQ\_TYhVb[YZ […]. þV _U^_bc_a_^^YZ S[\QU b\QSYp^_eY\_S, _[aQiYSQSiYf bS_Y]Y cV[bcQ]Y `dbc_V [d\mcda^_V `a_bcaQ^bcS_, Q bVcm _R]V^_S ]VWUd XQ`QU^l]Y `aVUbcQS\V^Yp]Y _ A_bbYY, adbb[Y]Y `aVUbcQS\V^Yp]Y _ ›^Qa_UV‹ Y ^QR\oUQV]l]Y eV^_]V^Q]Y ^Qa_U^_Z [d\mcdal.« [Der Prozess der Erfindung hatte dialogischen Charakter […]. Nicht der einseitige Beitrag der Slavophilen, die mit ihren Texten den leeren kulturellen Raum gefärbt hatten, sondern der Austausch zwischen den westlichen Vorstellungen von Russland, russischen Vorstellungen vom ›Volk‹ und den beob-

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slawischen Kommune letztendlich ins öffentliche Gedächtnis rief. Der polnische Nationaldichter der Romantik, Adam Mickiewicz (1798–1855), ließ die Idee in seine legendären Pariser Vorlesungen520 einfließen, welche für die Bewusstseinsbildung der polnischen Exil-Szene von größter Relevanz waren. Auch der polnische Historiker Joachim Lelewel (1786–1861) erschloss aus seinem Studium der slawischen Geschichte den Mythos der slawischen Kommune (gminowładztwo).521 Es war jedoch vor allem der preußische Gelehrte August von Haxthausen, der mit seiner Darlegung der proto-kommunistischen bäuerlichen Gemeinde aus der russischen Sozialgeschichte geradezu einen gesellschaftsphilosophischen Flächenbrand auslöste und jenes bereits den Slawophilen bekannte urdemokratische Phänomen einer breiteren Öffentlichkeit zu Bewusstsein brachte. Seine Studien über die inneren Zustände, das Volksleben und insbesondre die ländlichen Einrichtungen Russlands522 boten erstmals eine soziologische Basis für eine breit konstatierte Erscheinung und wurden weithin dankbar aufgegriffen. Die ersten beiden Bände seines Buches erschienen 1847 zeitgleich auf Französisch und Deutsch. Alle Gesellschaftstheoretiker jener Zeit (nicht nur die russischen von Belinskij, Bakunin und Chomjakov bis Herzen) hatten Haxthausen gelesen und (produktiv) rezipiert.523 Alexander Herzen war es, welcher den Gedanken weiterführte und in einen sozialistischen Kontext bettete.524 Herzen brach eine Welle der Begeisterung für den slawischen Bauern

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achteten Phänomenen der Volkskultur.] Aleksandr E˙tkind: Chlyst. Sekty, literatura i revoljucija [Die Chlysten. Sekten, Literatur und Revolution]. Novoe literaturnoe obozrenie. Moskva 1998, S. 631–674, hier S. 633. Adam Mickiewicz: »Cours de litt8rature slave« und »L’8glise officielle et le messianisme«. Paris 1845. Joachim Lelewel: Wykłady kursowe z historii powszechnej w Uniwersytecie Wilen´skim [1822–1824] [Vorlesungen zur allgemeinen Geschichte]. In: Dzieła, Bd. 3. Warszawa 1959; siehe auch Franciszek Bronowski: Idea gminowładztwo w polskiej historiografii (Geneza i formowania sie˛ syntezy republikan´skiej J. Lelewela) [Die Idee des gminowładztwo in der polnischen Historiographie]. Łjdz´ 1969; Peter Brock: Polish Revolutionary Populism. A Study in Agrarian Socialist Thought form the 1830s to the 180s. Toronto 1977. Ergebnis einer Studienreise durch die Wolga-Region, die Ukraine, die Krim und den Kaukasus zum Studium agrarischer Strukturen des russischen Bauerntums 1843. Siehe auch Julius Wilhelm Albert von Eckhardt: Baltische und russische Culturstudien aus zwei Jahrhunderten. Leipzig 1869, S. 407–408: »[…] als Haxthausen der erste occidentale Beurtheiler war, der mit richtigem Instinkt die beiden Punkte herauszufinden wußte, auf welche die Grundverschiedenheit zwischen russischem und westeuropäischem Volks- und Culturleben in Wahrheit zurückzuführen sind: das byzantinische Kirchenthum sammt seinen Secten und die auf der principiellen Verneinung des Individualismus beruhende agrarischen Organisation, den sogenannten Gemeindebesitz« oder »Das russische Staats- und Gesellschaftsleben hat sich im Gegensatz zum occidentalen nicht auf dem Individualitätsprincip, sondern auf dem Begriff der Gemeinde aufgebaut. Der Einzelne geht in dieser Gemeinde auf, sein Interesse fällt mit dem der Gemeinde zusammen, er hat Nichts für sich selbst, Alles nur für diese zu erstreben […].« »Herzen’s first mention of reading Haxthausen’s book is in 1849, in the essay, where he first

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(narodnicˇestvo) los, welche sich gleichermaßen auf die Vorstellung einer bäuerlichen Kollektivmentalität als Ausgangsbasis für eine breitere Gesellschaftsumwandlung sowie das erhoffte bäuerliche bunt-Potenzial, seine Fähigkeit zum Aufstand gegen die bestehende Ordnung, stützte. Ob der Stimulus für Sacher-Masochs Beschäftigung mit der slawischen Bauernkommune nun von den Slawophilen und Mickiewicz525 herrührte oder von Haxthausen, ist hier unerheblich. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass diese Debatte in aller Munde war. Gerade Herzens Wirkungskreis erstreckte sich durch sein Exil in Westeuropa auf den gesamteuropäischen Raum.526 Sein ›russischer Sozialismus‹ war integraler Bestandteil internationalen sozialistischen Denkens. Bei Sacher-Masoch darf man reges Interesse für die gesellschaftspolitischen Debatten seiner Zeit annehmen – konkrete Bezugnahmen darauf finden sich deutlich in seinem Werk. So wiederholt sich der Gedanke einer proto-demokratischen Bauerngemeinde mit all ihren soziopolitischen Implikationen in folgendem Genrebild: Die niederen braunen Holzhütten des Dörfchens mit den tief herabhängenden rauchigen Strohdächern drängten sich um die Kirche dicht aneinander, von den aus Weidenruthen geflochtenen Zäunen, genau so wie unsere Bauerngemeinde, die uralte Republik, in Freud und Leid, in Noth und Kampf durch tausendjährigen Brauch zusammengehalten.527

Die im Kollektiv wirkende dörfliche Selbstverwaltungseinheit, die als solche Eigengesetzlichkeiten unterworfen ist, aber auch ein funktionierendes Gesellschaftssystem entwickelt hat, konnte im ostslawischen Raum auf eine lange Tradition zurückblicken. Die Gemeinschaft agierte als eigenständige Körperschaft und verfügte über eine eigene interne Gerichtsbarkeit.528 Das Phänomen

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developed his own view of the ›socialist‹ significance of the commune.« Martin E. Malia: Alexander Herzen and the birth of Russian socialism, 1812–1855. Cambridge/MA 1961, S. 395; siehe auch Alexander Herzen: Das russische Volk und der Sozialismus. [Brief an Jules Michelet, Nizza 22. September 1851]. In: Vom anderen Ufer. München 1969, S. 230– 235. Andrzej Walicki: The Paris Lectures of Mickiewicz and Russian Slavophilism. The Slavonic and East European Review. 46, Nr. 106, 1968, S. 155–175, hier S. 166. »It is important to note that virtually everything Herzen wrote in the late 40s and 50s bout Russia and Russians was meant for a Western readership and was intended to acquaint them with an aspect of Russian life little known in Europe.« Natalia Pirumova: Alexander Herzen’s »Russian Socialism«. In: Catherine Extuhov, Stephen Kotin (Hg.): The Cultural Gradient: The Transmission of Ideas in Europe 1789–1991. Lanham 2003, S. 73–94, hier S. 79. Sacher-Masoch: Das Volksgericht, S. 4. Bei Sacher-Masoch: »[…] haben Sie schon gehört, Herr, in Tulawa haben sie vor einigen Tagen ein Bauerngericht gehalten über Diebe und haben sie verhört und Strafen über sie verhängt; es soll eine Kommission aus Kolomea unterwegs sein, aber es wird nichts dabei herauskommen – es kann Nichts dabei herauskommen – denn Einer hält zum Andern – die

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der autonomen Bauerngemeinde wurde auch deshalb gern von der SlawophilenBewegung herangezogen, da diese im Zuge der Gesellschaftsdebatten des 19. Jahrhunderts einen slawischen Sonderweg auf Basis altslawischer Tradition vertrat. Vorherrschend blieb dabei die Vorstellung einer Neuerung aus dem slawischen Osten bzw. der Slawen als Lehrmeister Europas.529 Diese Stilisierung der vormodernen Bauerngemeinde zum Vorbild einer neu zu erschaffenden Gesellschaft gleicht einer Art konservativen Utopie, die im Rückgriff auf eine Tradition – bei gleichzeitiger Verortung in der Zukunft – Nostalgie und Utopie verbindet. Der Schritt zurück in die altslawische Dorfgemeinschaft wird zum Fortschritt erkoren und die kollektiv denkenden, demokratisch entscheidenden gesellschaftlichen Urform als überlegen gedeutet. Die Slawophilen äußerten damit vor allem Kritik am linearen Fortschrittsdenken des Westens und versuchten diesem eine gewachsene eigene slawische Tradition als Alternative mit gewissem Überlegenheitsanspruch gegenüberzustellen. Die romantische Vorstellung einer bäuerlichen Kommune bei Haxthausen und den Slawophilen unterlag einem konservativen Grundton, der sich letztlich auf eine Form des ›Privilegs der Rückständigkeit‹530 der slawischen Dorfgemeinschaft berief, einer natürlich angelegten gesellschaftlichen Grundkomponente, welche die Erfahrung des Kapitalismus als auch die notwendigerweise folgende Revolution für Russland obsolet machen würde.531 Herzen trachtete die slawisch-protokommunistische Basis mit dem europäischen Ideal der Würde des Individuums in einer Art bukolischem Sozialismus zu vereinen und schuf damit eine progressive Idee, die wenig Ähnlichkeiten mit den rückwärtsgewandten Gesellschaftsvorstellungen der Slawophilen hatten. Sacher-Masoch wiederum beschwor eine Umdeutung zivilisatorischer Verspätung in zukunftsweisende Archaik, die hier in ihrer spezifisch galizisch-ruthenischen Ausformung aufgerufen wird. Sacher-Masoch lässt diese Idee der Bauernkommune in seinem Werk als gromada aufleben. »Die gromada ist ein großer Mensch«532 ist einer der Stehsätze, der sich in zahlreichen Erzählungen im Text oder aber als erläuternde Fußnote wiederfindet. Sacher-Masoch zeigte sich – wie auch andere Intellek-

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ganze Gemeinde wie ein großer Mensch. Das sind alte Bräuche, an denen Niemand rühren soll.« ebda., S. 12–13. ˇ aadaev bereits in den 1830ern für die Russen vorgesehen hatte, die aus Eine Funktion, die C ihrer orient-okzidentalen Zwischenstellung prädestiniert wären als Mittler und Erneuerer Europas [Brief an Pusˇkin 1831]. Hildesheimer, siehe Anm. 35. Bei Sacher-Masoch: »Zwischen dem Don und den Karpathen wohnen die geborenen Demokraten: Sie wohnen, stets bereit den Pflug mit der Lanze zu vertauschen, in kleinen republikanischen Gemeinden, Gleiche mit Gleichen, eine Saat der Zukunft, der Freiheit, für die östlichen Slawen.« Sacher-Masoch: Frauenbilder aus Galizien, S. 15–16. Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 35.

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tuelle des 19. Jahrhunderts – höchst angezogen von der Idee einer slawischen bäuerlichen Selbstverwaltung, seine Bauerngemeinde verortete er jedoch dezidiert in Ostgalizien – und zwar mit dem spezifischen Begriff gromada, der polonisierten bzw. eingedeutschten Version der ukrainischen hromada533 Die weitaus geläufigeren Termini, der romantische Haxthausen’sche mir oder die Herzen-sozialistische obsˇcˇina, wurden von Sacher-Masoch nicht übernommen. Sacher-Masoch beschwört den Gedanken des Gemeinsinns der Slawen, auf dessen Basis ihre proto-kommunistischen Gemeinden beruhen, deutlich im ostgalizischen Kontext, so etwa bei einem Erntefest: »So zieht wie vor Tausenden von Jahren die slavische Gemeinde, Einer für Alle, Alle für Einen, ein Sinn, ein großer Mensch.«534 Hier trifft slawische Tradition auf ›Musketier-Ehrenkodex‹ und es ersteht die ostslawische Bauernschaft als Prototyp sozialistischer Geisteshaltung. Sacher-Masoch übertrug in Anlehnung an Herzen oder aber schlichtweg getragen vom sozialrevolutionären Diskurs seiner Zeit535 die Entwürfe französischer Frühsozialisten auf Ostgalizien. Zwischen der Julirevolution in Frankreich 1830 und 1848 war die Beschäftigung mit der Zukunft Modethema der gebildeten Welt in ganz Europa. Zentrum der Zukunftseuphorie war Paris, wo sich der ›Frühsozialismus‹ weniger als Arbeiterbewegung denn als bürgerlichmittelständisches Salon-Phänomen etablierte536, hier wurde über die neu zu definierenden Gemeinschaftsregeln der Zukunftsgesellschaft, über Fragen des Eigentums, der Geschlechterverhältnisse und Staatsformen diskutiert wurde. Diese Punkte erinnern nur zu deutlich an Sacher-Masochs Zyklus-Entwurf Das Vermächtnis Kains, welcher mit den Zyklus-Schwerpunkten »Die Liebe«, »Das Eigentum«, »Der Staat«, »Die Arbeit« eben diesen Fragen nach dem Zusammenleben nachgeht.537 533 Die Begrifflichkeit wurde offenbar von den dörflichen Selbstverwaltungseinheiten Polens oder aber von der Kiever Hromada übernommen, der auch Drahomanov nahestand. 534 Sacher-Masoch: Erntefest, S. 67. 535 Nicht zu unterschätzen aber auch Sacher-Masochs Inspiration am damals die europäische Vorstellung vom ›Slawischen‹ prägenden Ivan Turgenev, über dessen Prosa Vorstellungen von Leibeigenschaftsverhältnissen, russischem Nihilismus, aber auch Vorstellungen eines russischen Kollektivismus’ in den öffentlichen Diskurs Europas eingingen. Vgl. Polubojarinova: Sacher-Masoch und die Slawen, S. 229–230. 536 Vgl. Lucian Hölscher : Die Entdeckung der Zukunft. Frankfurt/Main 1999, S. 93. 537 Vgl. Auch Sacher-Masochs Brief an den Bruder Karl vom 8. Januar 1869 zum Teil ›Der Staat‹ aus dem Vermächtnis Kains: »[…] Im Staat: das Elend und die Wirtschaft der absoluten Monarchie: die Lügenhaftigkeit des Konstitutionalismus; Rettung durch Demokratie, Vereinigte Staaten von Europa: gemeinsame Gesetzgebung.[…]« Zu ›Die Arbeit‹: »[…] die ist ein freiwilliger Tribut an das Dasein, überwindet momentan dessen Gefahren und macht den Menschen dadurch froh. Der Reiche wird seine Bedürfnisse einschränken, um so wenig als möglich arbeiten zu müssen. Die Gesellschaft dagegen muß durch Ausrottung der Müßiggänger, jener, die auf Kosten anderer leben, durch gerechte Verteilung auf alle ihre

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Unter anderem wird die Eigentumsfrage in ihrer spezifisch ostgalizischen Variante abgehandelt. Jenen Karpatenrebellen, welche sich der Willkür der Großgrundbesitzer durch ihr legendäres Räuberleben in den Bergen entzogen haben, legt Sacher-Masoch folgende Worte in den Mund: »[…] und kommt einer und steckt sich ein Stück Landes ab, für sich allein, so ist es ein großes Unrecht, so meine ich.«538 Hier vereinigt sich die Idee einer frühen Form von slawischem Gemeineigentumsanspruch mit dem frühsozialistischen Gedankengut einer neu zu definierenden Eigentumsfrage. Der Urgedanke eines ›gottgegebenen‹ gemeinsamen Eigentums an der Natur539 wird nach 1848, d. h. nach Aufhebung des Frondienstes in Galizien, von den polnischen Grundherren boykottiert, indem sie das folgenschwere Verbot einer Mitbenutzung ihrer Wälder und Weiden durch die ›befreiten‹ Bauern erlassen.540 So zieht sich auch die Proudhon’sche These vom »Eigentum als Diebstahl«541 bei Sacher-Masoch im Zuge der ungelösten Servitutenfrage konsequent durch die ostgalizische bäuerliche Gedan-

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Glieder dahin streben, die Arbeit einzelner Klassen und die Arbeit im allgemeinen zu vermindern. […].« Leopold von Sacher-Masoch: Das Volksgericht. Berlin 1888, S. 36; siehe auch »The European made an idol of the right to private property. The Russian peasant knew neither the institution nor the idea. His understanding of property was profoundly ›communist‹. The nobel’s private right to the land had never been recognized by the peasant, land belonged to the whole community, and each member had the equal right to use, but never to absolute ownership of it in the Roman or Western sense.« Malia: Russian socialism, S. 403; siehe auch John-Paul Himka: Socialism in Galicia. The Emergence of Polish Social Democracy and Ukrainian Radicalism (1860–1890). Cambridge/MA 1983, S. 121: »Inspired by Henry George, August Theodor Stamm and Michael Flürscheim, Franko developed a plan to nationalize the land in Galicia for cooperate agricultural production. The land, he argued, was by nature the common property of the whole nation; […] Franko’s agrarian project became the basis of the economic program of the Ruthenian-Ukrainian Radical Party in 1890.« Vgl. auch die Eigentumstheorie Henry Georges’ (1839–1897) in Progress and Poverty 1879, der wiederum Lev Tolstoj produktiv beeinflusste. Vgl. Lev Vasylovycˇ -Sapohinskij: Bezvynni [Die Schuldlosen]. Zorja. Lwjw, S. 165–169 und Ivan Frankos Beitrag zur Farce der angeblichen ›Bauernbefreiung‹ Das Recht des Schweins Ivan Franko: Das Recht des Schweines. Die Zeit. 1896, Nr. 88, Wien, S. 145–147. »[L]a propriet8 c’est le vol« aus Pierre J. Proudhon: Qu’est ce que la propri8t8? ou Recherche sur le principe du Droit et du Gouvernement. Paris 1841, S. 2. Bei Sacher-Masoch argumentiert der russische Kommunist Popiel: »›[…] Ich würde alles nach dem Muster der russischen Bauerngemeinden einrichten, der slavische Volksgeist kommt den Idealen der großen französischen Communisten entgegen. Wissen Sie, daß Proudhon mein Freund ist? Ja. Die einzige Rettung ist die vom Staate geleitete Gütergemeinschaft. Das Eigenthum muss aufgehoben werden, ebenso natürlich das Erbrecht, die Ehe, die Familie. Auch das Geld muss aufgehoben werden.‹ ›Aber ich bitte Sie,‹ sagte der Deutsche ›das Eigenthum aufheben, heißt den Impuls der menschlichen Natur zur Arbeit, zum Fortschritt vollkommen zu lähmen, der Communismus ist nur bei einer niederen Culturstufe möglich, wo eine natürliche Gleichheit besteht, so war es in Israel und ist es jetzt noch in Rußland.‹« SacherMasoch: Das Paradies am Dniester, S. 72. Vgl. dazu auch die Behandlung von Eigentumsfragen bei Lev Tolstoj und Max Stirner.

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kenwelt. Denn »[d]urch das Eigenthum ist alles Elend in die Welt gekommen«542, wobei Sacher-Masoch hier mit Schopenhauer argumentiert, der festhält, »daß nur die auf die Dinge verwendete Arbeit ein Eigenthumsrecht begründe […]«, was »unserem Landmann in naiver Form vollkommen geläufig [ist], denn aus ihr entspringt jener Kommunismus, den man ihn [sic] zum Vorwurfe macht.«543 Die Frage des Eigentums544 erscheint bei Sacher-Masoch als hybrides Amalgam aus ideologisch slawophil gefärbtem Proto-Kommunismus, frühsozialistischem Eigentumsdiskurs und modischer Schopenhauer-Rezeption und kulminiert in einer Erbrechtsfrage, die in Sacher-Masochs Sozialutopie Das Paradies am Dniester mit einer an Amand Bazard545 und Prosper Enfantin geschulten Abschaffungsklausel des privaten Erbrechts schließt546, welches nach dem ruthenischen Reformer Zenon in folgender Vorstellung resultiert: Das Eigenthum, das Erbrecht erscheinen als ein Unrecht, das der Einzelne dem Ganzen zufügt. Man sucht dieses Unrecht gut zu machen. Die Eigenthumsfrage wird aber nur zugleich mit der Arbeitsfrage gelöst werden und scheint mit in ihrem innersten Wesen eine Lohnfrage zu sein. Wie ich mir die Lösung denke? Das Eigenthum wird gemeinsam sein, der Lohn aber individuell, weil er sich nach der Leistung richten muß.547

Diese vielfach behandelte Eigentumsfrage548 geht fließend über in die Debatte um den Nutzen eines Mitglieds für die Gesellschaft. Der saint-simonistische Gedanke eines Klassenkampfes zwischen Faulen und Fleißigen549 scheint für 542 Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 55. 543 Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 76. 544 Vgl. auch »[…] Eigenthum ohne Arbeit erzeugt Tyrannei und Arbeit ohne Eigenthum führt zu Sklaverei.« Sacher-Masoch: Testament, S. 164 und: »Jetzt wird der Dieb, der Räuber bestraft, aber der Erste, der von dem, was aller Eigenthum war, für sich einen Theil abgrenzte, war er kein Dieb? und der einen anderen darum erschlug, war der kein Räuber? Aber die Enkel der Diebe und Räuber machen es den Bestohlenen und Beraubten zum Verbrechen, wenn sie von ihrem Eigenthum etwas zurückfordern, Eine verkehrte Welt! Ich bitte es nur zu erwägen, habe ich nicht recht?« Leopold von Sacher-Masoch: Basil Hymen. In: Das Vermächtniß Kains. Zweiter Theil. Das Eigenthum. Bern 1877, S. 263–458, hier S. 285. 545 Prosper Enfantin, Hippolyte Carnot: Doctrine de Saint-Simon: exposition [1829]. Paris 1831. 546 Vgl. auch Sacher-Masochs Auseinandersetzung mit dem Münsteraner Täuferreich von 1534/36, welche ein Gütergemeinschaftsexperiment versuchten, das letztendlich mehr durch seine sexuellen Ausschweifungen Berühmtheit erlangte. Vgl. die handschriftlichen Notizen zum verschollenen Entwurf des Dramas König von Zion von 1852 im Nachlass, siehe: Marion Kobelt-Groch: »Das Paradies am Dniester« und anderswo. Utopisches Denken im Werk Leopolds von Sacher-Masoch. In: Leopold von Sacher-Masoch. Ein Wegbereiter des 20. Jahrhunderts. Hildesheim 2010, S. 173–190, hier S. 181. 547 Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 75–76. 548 Siehe die dem Abschnitt »Eigentum« zugeteilten Novellen des Kain-Zyklus: Das Volksgericht, Der Hajdamak, Hasara Raba, Das Testament, Basil Hymen und Das Paradies am Dniester. 549 Henri de Saint-Simon: Du SystHme Industriel. Paris 1821.

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Sacher-Masoch durchaus kompatibel mit der ostgalizischen Situation der Diskrepanz zwischen polnischem Feudaladel und ruthenischem Bauernstand.550 Folglich erstreckt sich die gesellschaftskritische Frage nach Eigentum bzw. nach dessen rechtmäßigem Erwerb auch auf das soziopolitische Problemverhältnis in Galizien, wo jahrhundertelang eine schmale Schicht von Gutsherrendynastien der Mehrheit an robotenden Bauern gegenüberstand. So wird folgerichtig konstatiert: »[W]enn einer sich durch Fleiß und Arbeit etwas erringt, meinetwegen, das will ich gelten lassen, aber wie kommt der Sohn dazu, in lustiger Weise, ohne Sorgen, Anstrengung von dem zu leben, was sein Vater sich erworben mit Schweiß auf der Stirne und Schwielen auf den Händen.«551 Und es gibt ihn bei Sacher-Masoch, den geläuterten Aristokraten, welcher nach dem Verprassen des väterlichen Erbes nun verarmt und verlassen steht und sich in der Folge Schweiß und Schwielen des Broterwerbs stellt. Dies jedoch nie ohne den unverbrüchlichen Helfer, den unvermeidlich ehrlichen und treuen KosakenDiener552, welcher seinen Herren lehrt, kraft der eigenen Hände Arbeit553 sein Glück zu schmieden. Geradezu fabelgleich wird dies folglich auch belohnt mit der richtigen Gefährtin, die, zwar selbst begütert, jeglichen Reichtum ablehnt: »›O! Ich verachte den Reichtum‹,« fuhr das junge Mädchen fort, »›ich will nur das mein nennen, was ich mit meiner Arbeit verdiene.‹«554 Und so sind sich die ostgalizischen Zukunftsträger, ganz gleich ob hajdamakische Rebellen555, ruthenische Landadelige oder Gutsfräulein, in der Frage der Arbeits- beziehungsweise Eigentumsmoral wunderbar einig. Die Saint-Simon’sche industria birgt jedoch noch eine andere Facette, insofern Sacher-Masoch der körperlichen Arbeit heilsame Wirkung für das nervöse moderne Subjekt zuspricht. Physiokratische Lösungsmodelle bescheren dem Sacher-Masoch’schen Helden Selbstfindung und Bestimmung durch schöpferisch-gestalterische Produktivität auf Ostgaliziens Boden. Alle von ›modernen Unsitten‹, von übersteigerter Phantasie, rastlosem Kosmopolitismus, Übersinnlichkeit oder ungestillter Sexualität Geplagten finden bei Sacher-Masoch 550 Die schmale Schicht ruthenischen Adels kommt dabei aber meist positiv weg, siehe Alexander Komarenko: »[…] statt zu spielen und irgend einer unglücklichen unverstandenen Frau den Hof zu machen, arbeite ich wie ein Bauer, um meine zerrütteten Besitzungen in Ordnung zu bringen; statt neuer Schulen zu machen, zahle ich die meines Vaters. […]« Leopold von Sacher-Masoch: Marzella oder das Märchen vom Glück. In: Das Vermächtnis Kains. Novellen. Erster Teil. Die Liebe. Stuttgart 1870, S. 369–528, hier S. 374. 551 Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 56. 552 Wahlweise auch ein treuer jüdischer Faktor, siehe Paradies am Dniester und Basil Hymen. 553 Zum Thema Arbeit vgl. Leopold von Sacher-Masoch: Der alte Castellan. Leipzig 1882. 554 Leopold von Sacher-Maoch: Basyl, der Schatzgräber und andere seltsame Geschichten. Leipzig 1880, S. 107. 555 Von Sacher-Masoch als »Räuber, ursprünglich rebellische Bauern« definiert, siehe: Sacher-Masoch: Magaß, Fußnote S. 11.

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letztlich Erlösung auf dem Land und bei körperlicher Arbeit. Severin Kuzemski, Held des masochistischen Experiments aus der Venus im Pelz, ›genest‹ am Gutshof seines Vaters in Ostgalizien, nachdem ihm die »Poesie« [sic!] ausgepeitscht wurde, und frönt einem fast protestantischen Arbeitsethos, um daran zu ›gesunden‹. Der so unheilvoll nach Sacher-Masoch benannte Masochismus wird hier von seinem Namensgeber persönlich gleichsam als Resultat von Überspanntheit dargestellt, sozusagen als Krankheit beziehungsweise Laune der Moderne identifiziert: »So kehrte ich still in die Heimath zurück und half ihm [dem Vater] zwei Jahre seine Sorgen tragen und die Wirtschaft führen und lernte, was ich bisher nicht gekannt und was mich jetzt gleich einem Trunk frischen Wassers labte, arbeiten und Pflichten erfüllen.«556 Die Rückbesinnung auf Werte der Nützlichkeit und die Selbstfindung durch das Bestellen der heimatlichen Scholle überkommt bei Sacher-Masoch bevorzugt identitär verunsicherte ruthenische Landadelige. Von Tolstoj’scher Moral geschwängert557, findet sich der eine beim Schneiden des Weizens wieder558, der andere stürzt sich, von Wandas Peitsche mit seelischen wie physischen Narben versehrt, bei der Rückkehr auf seines Vaters Gutshof auf Pflichten und Arbeit559 und wieder ein anderer findet sein in einer Welt dekadenter Ausschweifung rastlos gesuchtes Glück zwischen Dampfpflug und Kornfeld auf seinem ostgalizischen Anwesen.560 556 Sacher-Masoch: Venus, S. 364; vgl. auch die Endsequenz von Leopold von SacherMasoch: Die Liebe des Plato [1870]. Hamburg 2001. 557 Vgl. die Figur Boris Wassiljewitsch aus Sacher-Masochs in Russland verortetem Roman von 1894 Die Satten und die Hungrigen, die stark an die Lehren um Tolstoj erinnert: »Boris lebte, was den Fürsten ungemein belustigte, vollkommen seinen Ideen gemäß. Er lehrte nicht nur, daß man seine Bedürfnisse auf das äußerste beschränken müsse, er bewies es, daß es ihm in allem Ernste damit sei. Er ging angezogen wie ein Bauer umher, arbeitete, so oft sich nur Gelegenheit dazu fand, im Garten und auf dem Felde, putzte sich selbst Kleider und Stiefel, aß mäßig, trank keine geistigen Getränke, nur Wasser, und als er sich im Hause etwas heimisch fühlte, begann er sogar selbst für sich zu kochen Es war die richtige russische Bauernkost, mit der er sich nährte. Milch, Brot und Butter rote Rübensuppe, Kartoffel, Buchweizengrütze und Kwas. Aus eigenem gab er noch soviel als möglich grünen Salat mit Eiern zu.« Leopold von Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen [1894]. Berlin ca.1908, Bd. 2, S. 27–28 sowie »›Der Tabak,‹ erwiderte Boris, ›wie der Alkohol sind Gifte, welche wesentlich daran schuld sind, daß die Kulturvölker so stark degeneriert sind. Das Tabakrauchen vor allem hat wesentlichen Anteil an der sich in unheimlicher Weise steigernden Zahl der Herzleidenden, der Wahnsinnigen und der Selbstmorde in unserer Zeit, Auch ist das Rauchen imgrunde nichts als Müßiggang und hindert uns bei der Arbeit.‹« S. 28. Zur Tolstoj-Rezeption in Europa siehe Edith Hanke: Prophet des Unmodernen. L. N. Tolstoi als Kulturkritiker in der deutschen Diskussion der Jahrhundertwende. Tübingen 1993. 558 Zenon aus Das Paradies am Dniester. 559 Severin aus der Venus im Pelz. 560 Alexander Komarenko aus Marzella; auf die Bedeutung des ostgalizischen Heimatbegriffs und agrarromantischer Phantasien bei Sacher-Masoch wird ab dem Kapitel »(Rurale) Selbstfindung« eingegangen.

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Die angeklungene Vorstellung von der Notwendigkeit der individuellen industria, die problematische These, dass lediglich die Nützlichkeit des Individuums für die Gesellschaft über seinen vollwertigen Mitgliedsstatus entscheidet, wird von Sacher-Masoch auch der ostgalizischen gromada in den Mund gelegt und als argumentative Moralkeule während eines jener autonomen Volksgerichte ins Treffen geführt. In deren Rechtsprechung wird die gnadenlose Eliminierung jener Individuen beschlossen, welche sich dem Beitrag zum Gemeinwohl verwehren: Der Einzelne muß weichen und zu Grunde gehen, wo Alle Schaden nehmen – so ist es in der Welt […] wer gab den Bienen das Recht, wenn der Stock gefüllt und für die neue Brut gesorgt ist, die Nichtstuer, die unnützen Esser, die Drohnen zu tödten und aus ihrer fleißigen Gemeinde herauszuwerfen, wer?561

Hier versteigt sich Sacher-Masoch zu bedenklichen Ausflügen in sozialdarwinistische Anschauungen bzw. Gesellschaftsdeutungen / la Saint-Simon und Auguste Comte562, die als »altes Recht«563 einer ruthenischen Bauerngemeinde wiedergegeben werden. Unter dem pikanten masochistischen Deckmäntelchen dagegen soll dieselbe Idee plausibler scheinen: Maria Kasimira etwa, moralische Hüterin des von Sacher-Masoch im Paradies am Dniester entworfenen sozialistischen Arbeiterstaates, lässt unliebsame Subjekte in klassischer Herrinnenmanier despotisch entfernen564, diejenigen, die sich dem Nützlichkeitsgedanken verweigern565, jene, die sich nicht einfügen wollen in das Ideal der Ameisenrepublik am Dniester566, werden mit totalitärer Herrschaftsgeste aus dem Paradies 561 Sacher-Masoch: Das Volksgericht, S. 93. 562 Siehe Henri de Saint-Simon: Die Industrie oder politische, moralische und philosophische Betrachtungen im Interesse aller mit nützlichen und unabhängigen Arbeiten befaßten Menschen. In: Ausgewählte Schriften. Berlin 1977, S. 159–256; siehe auch Waltraud Seidel-Höppner, Joachim Höppner : Theorien des vormarxistischen Sozialismus und Kommunismus. Köln 1987. Außerdem »›Wollen Sie also in Ihrem Zukunftsstaat,‹ entgegnete Vilia Paulowna, ›alle jene, die von einer erblichen Krankheit behaftet sind, tödten? Diese haben doch auch ein Recht, zu leben!‹ ›Gewiß,‹ erwiderte Boris, […], aber sie haben nicht das Recht, ihr Siechtum fortzupflanzen. Die Gesellschaft hat sogar die Pflicht, sich dagegen zu wehren.‹« Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, 1. Teil, S. 290. 563 »›Was habt ihr gethan,‹ sagte ich erschüttert, ›Recht gesprochen nach der alten Wahrheit.‹« – versehen mit der Fußnote »stara prawda, wörtlich ›alte Wahrheit‹, eigentlich das alte Recht« Sacher-Masoch: Das Volksgericht, S. 104. 564 Vgl. »Ein mit großem juridischen Scharfsinn abgefaßter Stiftungsbrief schützte ihn vor Conflikten mit der Regierung. So lange er und seine Frau leben, ist ihnen eine Art Diktatur vorbehalten, in Zukunft soll ein gewähltes Direktorium die Oberste Leitung haben.« Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 86 (auch bei Saint-Simon waren Autokraten im Paradies durchaus genehmigt). 565 Zu diesen Saint-Simonistischen Anlehnungen vgl. Prosper Enfantin: Pconomie politique et Politique. Religion Saint-Simonienne. Paris 1832. 566 »›Ich lerne von den Ameisen,‹ sagte Zenon. ›Was lernen Sie?‹ ›Arbeit, Freund, Fleiß, Eintracht und Gleichheit.‹« Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 27; sowie »Zwi-

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der Gleichheit vertrieben. Popiel, ein russischer Kommunist, welcher, anstatt seinen Nützlichkeitsbeitrag zum Wohle der Gemeinschaft zu leisten, daueralkoholisiert jungen Mädchen nachstellt, wird der Gemeinde verwiesen: »Genug,« sagte Maria Kasimira, »bringt ihn über die Grenze. Er ist aus unserer Gemeinschaft ausgestoßen, und wagt er es noch einmal zurückzukehren, dann wird man ihn zur Arbeit zwingen, wie einen Sklaven. Nur der thätige, arbeitsame, schaffende Mensch ist würdig, ein Mitglied der menschlichen Gemeinschaft zu sein.«567

Das lustbehaftete Spiel der Herrin mit dem ihr sich unterwerfenden Sklaven verliert hier in seiner moralinsauren Ausformung jegliche erotische Note. Das Ideal des Gemeinsinns, der Gleichberechtigung, des gemeinsamen Eigentums pervertiert hier mit einer gewissen Drastik zu einer zweifelhaften Ideologie der Entfernung ›unnützer‹ Subjekte. Der russische Kommunist hat ob seiner parasitären Haltung in dem ruthenischen (!) Paradies keinen Platz. ›Der Russe‹ steht hier für einen negativ behafteten Sozial-Fanatismus, dessen Forderungen und Ideale zwar in hitzigen Debatten breitgetreten werden, die er selbst jedoch nicht zu leben imstande ist – ganz im Gegensatz zum produktiven Umsetzungseifer des Ruthenen Zenon. Das ›slawische Potenzial‹ von edlem Gemeinsinn und proto-kommunistischen Eigentumsvorstellungen erweist sich als ein höchst ambivalentes. Die (slawophile) Verherrlichung des (bäuerlichen) Slawen, die Vorstellung vom harmonischen Verharren der Bauern in traditionellen Konventionen und Praktiken, die bäuerliche Bodenhaftung, der Bauern Bekenntnis zur Gemeinde und ihre Frömmigkeit568 waren immer auch begleitet von der gleichzeitigen Furcht vor ihrer potenziellen Neigung zu bunt, dem Aufruhr gegen die Staatsgewalt, und Anarchie.569 Das von Sacher-Masoch dem ostslawischen Raum zu-

schen dem Schlosse und dem Dniester war eine kleine Stadt entstanden, die Mitte des Platzes in derselben zierte, als Symbol, ein Ameisenhaufen.« S. 84. 567 Ebda., S. 84. 568 Michael Hughes: Misunderstanding the Russian Peasantry. Anti-capitalist Revolution or Third Rome? Interactions between agrarianism, Slavophilism and the Russian narodniki. In: Helga Schultz (Hg.): Bauerngesellschaften in Ostmitteleuropa 1880–1960. Wiesbaden 2010, S. 55–67, hier S. 59. 569 »The peasant that the Slavophiles idealised lived harmoniously within the mir, uncritically accepting the conventions and practices of the past. The peasant the Slavophiles feared was the peasant of the uprisings, periodically animated by a furious tendency to bunt and anarchy like in the Pugachev insurrection. The development of conservative ›Slavophile‹ attitudes towards the Russian peasantry in the final decades of the nineteenth century can be read as an oscillation between these two poles. The narod was both idealised as the bedrock of nation but also feared as a dark force capable of challenging the very foundations of Russian society.« Ebda., S. 57–58; siehe auch Franco Venturi: The Roots of Revolution: A History of the Populist and Socialist Movements in 19th Century Russia. New York 1960; vgl. auch Kyrilla, der, nachdem er alles verloren hat, zum Räuber wird, und eine

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geschriebene Umbruchspotenzial implizierte immer einerseits die Hoffnung auf Wandel im Sinne von Erneuerung, andererseits aber auch die Angst vor destruktivem Bruch. Der Anarchismus des Russen Popiel etwa wird als von gefährlichem Fanatismus porträtiert: »›Die Instincte der russischen Race,‹ schrie Popiel auf, ›sind mehr werth, als Eure ganze europäische Civilisation. Ueberhaupt haben wir schon zu viel Vergangenheit, Geschichte, Kunst. Alles muss zerstört werden, eine neue, jugendfrische Welt wird entstehen.‹«570 Und auch das Bauerngericht der ruthenischen gromada besticht einerseits zwar durch seinen demokratischen Charakter und scheint damit die Fortschrittlichkeit der Rückwärtsgewandtheit der Slawen aufzuzeigen. Doch die Faszination für die Archaik vormoderner Gesellschaftsformen weicht andererseits oft dem Entsetzen ob ihrer Radikalität. Haftet der Rechtsprechung durch ein Volksgericht noch der verlockende Mythos der Selbstjustiz571, der Geschmack archaischen Gerechtigkeitsdenkens abseits jedweder bürokratischer ›Rechtsverdreherei‹ und gerichtlicher Bestechungsgelder an, so zeigt sich der Rahmenerzähler entsetzt ob des Ausgangs dieser kollektiv geübten Strafe von atavistischer Drastik zum Wohle der Gemeinschaft. »Zu gleicher Zeit warf sich die wüthende Menge mit Stöcken, Stangen, Pflöcken, Steinen bewaffnet auf die Verurtheilten. […] Als wir zurückkehrten, lagen die Sieben erschlagen in eine rothen Lache vor der Schenke, der Jude bei ihnen. Ein entsetzlicher Anblick!«572 Die gesellschaftlichen Ideen, die Sacher-Masoch immer wieder aufgreift, verquicken frühsozialistisches Gedankengut zwischen Eigentumsfrage, Nützlichkeitsgedanken und der Neuordnung von Geschlechterverhältnissen und nehmen dabei konkreten Bezug auf ostgalizische Lebensverhältnisse bzw. auch slawophile Debatten. Das ›slawische Potenzial‹ in Sacher-Masochs Erzählungen

Vielzahl weiterer »Hajdamaken« bei Sacher-Masoch, die gegen Wohlhabende vorgehen – durchwegs sympathisch gezeichnete Figuren, die die Gesellschaft in Aufruhr versetzen. 570 Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 72. 571 Vgl. Karl Emil Franzos: Ein jüdisches Volksgericht. In: Aus Halb-Asien: Culturbilder aus Galizien, der Bukowina, Südrussland und Rumänien. Berlin 1876, S. 245–250; sowie Karl Emil Franzos: Ein Kampf um’s Recht. Breslau 1882. Vgl. auch Sacher-Masochs Fußnote zum Stichwort ›Bauerngericht‹: »Der Mangel jeder Justiz, die Verhöhnung alles Rechtes unter dem polnischen Regimente haben die der amerikanischen Lynchjustiz analogen Bauerngerichte in Galizien wachgerufen, der schleppende Gang der österreichischen Justiz dagegen dieselben bis heute in Wirksamkeit erhalten. Überall, wo sich Gesetz und Gerichte machtlos oder ungenügend erweisen, greift das kleinrussische Landvolk in dieser Weise zur Selbsthilfe. Die Gemeinde als solche ladet die Schuldigen vor, hält über sie Gericht, verurteilt sie und vollzieht auf der Stelle die Strafe, wobei häufig genug der gesunde Volkshumor zu seinem Rechte gelangt.« In: Leopold von Sacher-Masoch: Der verwandelte Pfarrer. In: Galizische Geschichten. Berlin ca. 1880, S. 29–45. 572 Sacher-Masoch: Das Volksgericht, S. 103.

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schwankt dabei jedoch zwischen erfrischender Erneuerung und destruktivem Umbruch. Was nun aber die Frage der Gleichstellung von Mann und Frau betrifft, so scheint Sacher-Masochs Lösungsmodell der Geschlechterproblematik ebenfalls den Ideen der französischen Frühsozialisten entlehnt. Charles Fouriers ›libertärer Sozialismus‹ etwa, der eine erleichternde Schließung sowie Auflösung der Ehe573, die auf Liebe beruhen sollte, forderte, zieht sich auch durch SacherMasochs Werk, wobei auch hier auf eine ›natürliche‹ Verankerung dieses Gleichstellungsgedankens in der slawischen Tradition verwiesen wird. SacherMasoch beruft sich hier unter anderem auf die libertinen Regeln des Zusammenlebens bei den russischen Sekten574, die durch ihre Exklusivität immer wieder als Inbegriff der Bewahrung ›originären‹ Slawentums bemüht wurden. Sacher-Masochs Modell für die Lösung der Geschlechterproblematik ist jedoch trotz seiner Forderung nach Gleichstellung von Mann und Frau von stark patriarchaler Färbung. Die Frau soll »an dem Berufe und der Arbeit des Mannes Theil [nehmen].«575 Keineswegs aber ist die als notwendig erachtete (Berufs-)Tätigkeit der Frau als emanzipatorischer Akt, d. h., um sich aus der Handhabung des Mannes zu befreien, gedacht.576 In seiner Abschlussnovelle zum Zyklus der Liebe, einer Novelle, die eine Idealkonstellation des Miteinanders der Geschlechter aufzeigen soll, heißt es zwar »Die Frau ist zu allem in demselben Maße befähigt wie der Mann«, wenn auch »nur in anderer Art«577, dennoch merkt der Protagonist an: »Kannst du dir z. B. denken, daß deine Frau Zähne reißt, während du daneben an deinen Novellen schreibst? Ich wenigstens könnte mit einer Frau, welche statt mit mir zu säen, zu pflanzen, zu ernten, die Violine spielen, vor Gericht vertheidigen, oder vielleicht gar predigen würde, nicht vierundzwanzig Stunden leben.«578

573 Weitere Diskussion um das Gleichheitsprinzip bzw. die Zivilehe bei Sacher-Masoch: »Soll ein Vertrag, den beide Theile bereuen, nicht gelöst werden dürfen? Nein, suchen wir unsere Einrichtungen mit den Gesetzen in Einklang zu bringen, die wir in uns tragen. Ist die neue Ehe unsittlicher, als die eine heilige, die jeden Tag gebrochen und entheiligt wird? Deshalb fordere ich Sie nicht nur im Namen der Menschlichkeit und Wahrheit, sondern eben im Namen jener Moral, welche unsere Gegner so sehr bedrängt sehen, auf, für die Zivilehe zu stimmen.« In: Leopold von Sacher-Masoch: Unsere Sclaven: Eine soziale Komödie in 5 Akten. Wien 1869, S. 10–11. 574 Sektiererisch anmutende Lebensgemeinschaften mit eigenen Regeln, Riten und Bekenntnissen wurden auch den Frühsozialisten (etwa Bazard und Enfantin) zugeschrieben. 575 Sacher-Masoch: Marzella, S. 441. 576 Als Motto für Marzella. Das Märchen vom Glück wählte Sacher-Masoch einen Auszug aus John Stuart Mills’ Manifest der Frauenemanzipation The Subjection of Women, welches 1869, kurz vor der Niederschrift des Vermächtnis, erschienen war. 577 Sacher-Masoch: Marzella, S. 442. 578 Ebda., S. 442.

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Die Frau kann also nur in dem Sinne Gefährtin des Mannes sein579, so sie diesen in seinen Bestrebungen unterstützt, sich den Anforderungen und Wünschen ihres Pygmalion fügt.580 Der hehre Gedanke »[n]ur die gemeinsame Arbeit führt zu gemeinsamen Rechten in der Ehe wie im Staate«581, verliert durch die beigefügten Relativierungen, welche zwischen feministisch anmutendem Gleichberechtigungsgestus und altbackenem Chauvinismus schwanken, recht bald an Glanz. So verbleibt die Emanzipation der Frau »unter der Hülse patriarchalischen Denkens, in der Form der Männerphantasie.«582 Zurück zur Scholle bleibt der Grundtenor: Im Märchen vom Glück wird konsequent der Überdruss an der modernen Gesellschaft geschildert und die Notwendigkeit einer Rückbesinnung. Marzella, das Bauernmädchen – welches sich ein adeliger Herr nach seinen Wünschen »heranzieht«583 – steht in ihrer Unverfälschtheit den gebildeten und damit »verbildeten«584 Mädchen der ›guten‹ Gesellschaft gegenüber; die ideale Frau ist hier nicht ›modern‹, sondern besticht durch schlichte Pragmatik, Arbeitswillen, Erdverbundenheit und den Willen zu Kindern.585 Mag das Artifizielle des konstruierten Glücks bei Marzella in all seiner

579 Vgl. auch Lubow in Sacher-Masoch: Basil Hymen, S. 336–337. 580 Vgl.: »›Erziehen Sie mich also,‹ bat Holandine. […] ›Heben Sie mich empor, Makunin – zu Ihrer Höhe.‹« Sacher-Masoch: Entre Nous, S. 104–105. Prinzessin Vilia Paulowna aus dem Roman Die Satten und die Hungrigen meint über ihre Beziehung: »[…] Der Mann, den ich liebe, hat mich genommen wie ein Stück Ton und hat aus mir das Wesen gebildet, das jetzt Ihnen seine Beichte ablegt. Alles, was ich bin, danke ich ihm. Ich war ein oberflächliches, unnützes Wesen, um nichts besser als alle unsere jungen Damen. Er hat meinen Geist geweckt und gebildet, mein Herz wachgerufen, meinen Charakter entwickelt und gestählt. Ich habe in ihm den Gefährten gefunden, mit dem ich allein zu leben vermag. Zwischen uns besteht eine vollständige Harmonie der Denkweise, der Art zu fühlen, der Bestrebungen, der Ideale und Ziele. […]« Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, Bd. 2, S. 55. 581 Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, S. 443 oder aber auch: »[D]afür bin ich eine gute Wirthin; seit drei Jahren selbständige Herrin meines Vermögens, habe ich meine Güter in jeder Beziehung gehoben und zahlreiche Verbesserungen durchgeführt, dabei noch eine Schule, ein Spital, ein Armenhaus erbaut und bedeutende Ersparnisse gemacht. Ich würde also auch bei Ihnen in Kurzem Ordnung machen. Es handelt sich also nur darum, ob Sie es ertragen würden, eine Frau an der Seite zu haben, welche sich nicht damit begnügt, sich um ihre Toilette zu kümmern, sondern an Allem theilnehmen will, was ihren Mann erfüllt und beschäftig oder bedrängt, an seinen Arbeiten, seien Kämpfen, seinen Sorgen und Leiden.« Sacher-Masoch: Auf der Heimfahrt, S. 311. 582 Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 114. 583 Vgl. die Kritik an »verbildeten« überspannten Frauen bzw. die Notwendigkeit der Erziehung der Frau zur »Gefährtin« durch den Mann auch in Sacher-Masochs Theaterstück Sacher-Masoch: Unsere Sclaven. 584 Sacher-Masoch: Marzella, S. 446–447. 585 Das Thema der an der Seite ihres Mannes zupackenden Frau auch in Entre nous [1898], der Frau von Soldan [1884 als Buch, davor 1882 erschienen in Auf der Höhe, Leipzig] sowie Mondnacht [1868]: »[…] Man muß das Weib erziehen wie den Mann, dann wird es eine Gefährtin des Mannes sein. Er zweifelt?« […] »Der Mann ist ein anderer geworden im Lauf

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Widersprüchlichkeit nicht ganz überzeugen586, so ziehen sich diese Thesen durch Sacher-Masochs gesamtes Werk.587 So etwa beeindruckt die Tochter eines ruthenischen Landpfarrers ihren zukünftigen Mann dadurch, dass sie sich auch als Angehörige eines ›höheren‹ Standes nicht zu schade ist, bäuerliche Arbeit zu verrichten. Sie wird angetroffen, als sie in geflicktem Rock und barfuß Gras für die Kühe des Hofes mäht und antwortet auf die Betretenheit ihres Vaters vor dem Gast: »›Weshalb sollte mir das zur Schande gereichen?‹ sagte Spirida, indem sie die Zöpfe zurückwarf, ›ich bin kein polnisches Fräulein, Gott hat meine Hände nicht zum Klavierspielen erschaffen.‹«588 Der Wille zur einfachen körperlichen Arbeit trotz höherer Bildung (hier wieder als polnisch-ruthenischer Antagonismus aufgegriffen) wertet das Mädchen in den Augen ihres Verehrers geradezu auf. Sie ist es, die später auch im Kreise zahlreicher Kinder den Vorlieben ihres Mannes bzw. dem Ideal Sacher-Masochs zu entsprechen weiß, wenn sie den Gatten an kühlen Herbsttagen mit einer neuen Pelzjacke überrascht oder durch das »Aufschürzen der Aermel beim Kneten eines Kuchenteiges«589 entzückt. Diese kleinbürgerlich trivialisierte Version der Sacher-Masoch’schen Phantasie590 erinnert nur zu sehr an die Klagen der Ehefrau Sacher-Masochs, die in ihrer

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der Zeiten […], der Mann […] braucht auch ein anderes Weib […].« Sacher-Masoch: Mondnacht, S. 19. »Doch ist es ihm [Sacher-Masoch] gegangen, wie vielen anderen reformatorischen Köpfen; sie sind schneidend scharf und treffend in der Kritik, doch wenn sie eine fertige Utopie hinbauen, hat es nur verschwimmende Umrisse. Diese letzte Erzählung Marzella hat nicht entfernt die Plastik, die Spannung, die sich tiefeinprägende Prägnanz der vorausgehenden; die Reflexionen überwiegen; die ganze Idylle vom Glück tönt etwas matt und wirkungslos aus.« Rudolf von Gottschall: Sacher-Masoch als Novellist [1878]. In: Michael Farin (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 114–121. »Sie entwickelte ihm, wie wenig die moderne Frau, nur zum Spielzeug des Mannes und zur Genußsucht erzogen, ihren Beruf erfüllen könne, und daß nur das ernste, strebende, wahrhaft gebildete, geistig arbeitende Weib in der Zukunft weder die Gefährtin des modernen gebildeten Mannes werden könne, auf derselben Grundlage wie sie es vordem war und wies sie es heute noch im Bauernstande sei.« Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, Teil 1, S. 18. »Damit der Mensch zufrieden sei, muß er arbeiten und somit wird das Weib nur dann die Lebensgefährtin des Mannes sein können, wenn sie seine Mitarbeiterin in allem ist.« ebda., Teil 1, S. 69–70. Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 60 sowie die mahnenden Worte Wladimirs an Olga: »›[…] Die Rasse wird übrigens immer häufiger, denn unsere gebildete Frau ist eine Müßiggängerin, die Romane liest und Klavier spielt; das ist das Unglück. […] Versuchen Sie zu arbeiten‹, sprach Wladimir streng, ›Sie sind noch jung, Sie sind vielleicht noch zu retten.‹« Sacher-Masoch: Mondnacht, S. 45. Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 89. Siehe auch Wladimirs Vorschlag zu neuen Betätigungsfeldern der müßiggängerischen adeligen Frau: »Von der Terrasse aus zeigte er ihr den Garten. ›Wenn der Frühling kommt, dann können Sie hier säen, setzen, graben, gießen und jäten; das alles wird Ihnen vortrefflich bekommen. Da können Sie auch grausam sein, was jedes Weib von Zeit zu Zeit sein muß, indem Sie gegen Raupen und Engerlinge einen Krieg ohne Erbarmen führen. Ich empfehle Ihnen aber dafür die Bienenstöcke und meine kleinen, fleißigen Lieblinge. […].‹«

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Lebensbeichte die ganze Bürde der Obsessionen ihres Mannes offenlegte, in welcher sie genau diese Unvereinbarkeit von schweren Fetischpelzen mit Alltagssorgen um Haushalt und Kinder anklagte. Aber was in Bruck an der Mur realiter offenbar nicht funktionierte, fand zumindest belletristische Erfüllung in Ostgalizien. Das Lösungsmodell für all jene von Sacher-Masoch wiederholt thematisierten Fragen in Form eines sozialutopischen Paradieses wird am konsequentesten in Das Paradies am Dniester verwirklicht, der Abschlussnovelle zum Thema »Eigentum« aus dem Zyklus Das Vermächtnis Kains. Hier finden sich sämtliche Ideen von der Eigentumsfrage bis zur Gleichberechtigung der Geschlechter, vom kollektiven Nützlichkeitsgedanken für das Allgemeinwohl bis zur zukunftsweisenden demokratischen Staatsform amalgamiert. Die Verortung dieses idealen Kleinstaates bzw. dieses Paradieses in Ostgalizien ist nicht zufällig. Die Prädestination des ostslawischen Raums für die Verwirklichung sozialreformerischer Ansprüche – mit Berufung auf ›urslawisch‹ gegebene demokratische bis kommunale Voraussetzungen – wird in Anlehnung an die Gesellschaftsdebatten der Zeit von Sacher-Masoch bewusst im ruthenischen Kontext veranschaulicht. Auf die Nähe sozialistischer Gesellschaftsideale zu eschatologischen Vorstellungen eines irdischen Paradieses591, im speziellen Fall Sacher-Masochs das thematisierte Naheverhältnis von kommunalen Lebensentwürfen mit sektiererischen Gemeinden aus dem Altgläubigen-Milieu, wird später noch genauer eingegangen.

Der Ruthene im Kontext der (galizischen) Gesellschaft Prophezeit Sacher-Masoch die Zukunft Europas als bei den Slawen liegend, so kommt die Rolle der Zukunftsträger innerhalb der Habsburgermonarchie den Ruthenen zu, denn die Ruthenen, »ein Volk von drei Milionen [sic]« sei »berufen […] mit der vollen Wucht seiner majestätischen Naturkraft in die Geschichte Oesterreichs ein zu greifen«592 – so schreibt Sacher-Masoch an Mychajlo Kuzems’kyj, den ruthenischen Abgeordneten im Wiener Reichsrat, als er diesem von 1861 bis 1862 seine Pläne zu einem Werk über Österreichs Ruthenen darlegte. Anhand dieses Briefwechsels lässt sich rekonstruieren, dass Sacher-MaSacher-Masoch: Mondnacht, S. 46–47. Eine andere Variante der Hausfrau in Die wilden Frauen [1887], wo inmitten einer Räuberburg ein hübscher Gemüsegarten bestellt wird. 591 »[…] und selbst heute, inmitten des Luxus und der Pracht des Pariser Lebens, erscheint mir das heimatliche Strohdach, umgeben von Obstbäumen und grünen Hecken, unter welchen die Schwalben ihre Nester bauen, aus der Ferne wie ein verlorenes Paradies.« SacherMaSoch: Das verlorene Paradies, S. 52. 592 Sacher-Masoch: Briefwechsel Kuzems’kyj.

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soch weitreichende Vorbereitungen zum Verfassen einer Geschichte der Ruthenen in Österreich traf, indem er Literaturempfehlungen593 einholte, mit Persönlichkeiten des ruthenischen Geisteslebens und der Politik594 in Kontakt trat, um sein Projekt Die Ruthenen in Oesterreich fertigzustellen, eine Schrift, welche aus drei Kapiteln bestehen sollte, die nicht nur einen historio-ethnographischen Überblick (1. Kapitel: Geschichte, 2. Kapitel: Land und Volk) beinhalten sollte, sondern im 3. Kapitel auch auf Aufgaben und Bestrebungen der Ruthenen eingehen würde. Die Aussicht auf eine zukünftige Bedeutung der Ruthenen, eine prominente Rolle innerhalb Galiziens sowie der gesamten Monarchie, legt Sacher-Masoch jedoch nicht allein in jener brieflichen Skizze seines Vorhabens dar. Die für jene offenbar nie zustande gekommene Schrift595 empfohlenen und studierten Materialien (so er sie lesen konnte596) verarbeitete Sacher-Masoch vermutlich in der Folge belletristisch in seinen Galizischen Geschichten, nachdem er sich endgültig von der Idee einer Karriere als Historiker bzw. Universitätsdozent für Geschichte verabschiedet hatte. Die Erzählung Sascha und Saschka597 etwa umfasst einen Abriss der ruthenischen Geistesgeschichte und Nationalbewegung598, verwoben in das Schicksal zweier Generationen von galizischen Landgeistlichen. Vom Erscheinen des ersten poetischen Almanachs auf Ruthenisch »Die Morgenröthe«599 ist ebenso die Rede, wie von einem »Ge593 Unter anderem erwähnt Sacher-Masoch Die ruthenische Sprach- und Schriftfrage in Galizien [L’vov 1861], die ihm offenbar empfohlen wurde und welche »unschätzbare Daten« für sein Werk enthalten würde; offenbar eine Zusendung des Lemberger Bischofs Lytvynovycˇ [vgl. Brief Kuzems’kyjs an Sacher-Masoch, Lemberg, den 4. Jänner 1862]; darüber hinaus wurde eine Korrespondenz zwischen dem griechisch-katholischen Priester und Publizisten Mychajlo Malynovs’kyj und Mychajlo Kuzems’kyj geführt, in welcher auch die Causa Sacher-Masoch zur Sprache kam: »Lemberg den 23. Juni 1862 […] Sie haben mir Fragen zugeschickt, welche der Herr Sacher bezüglich unserer Nationalität beantwortet wissen will. Es sind aber tief einschneidende und weitläufige Fragen, an deren Beantwortung erst unsere Literaturen schwitzen. Indessen ist schon vieles von den Groß-Russen und Ruthenen darin geleistet, und zwar […].« 594 Erwähnung eines Schreibens an Spiridion Lytvynovycˇ, griechisch-katholischer Metropolit von Lemberg und damit von großer politischer Bedeutung, Briefwechsel mit Mychajlo Kuzems’kyj, ruthenischer Deputierter sowohl im galizischen Landtag als auch Wiener Reichstag sowie Briefwechsel mit Malynovs’kyj. 595 Wenngleich laut Sacher-Masoch bereits Verhandlungen mit dem Verlag S. O. Weigel in Leipzig im Gange waren. 596 Sacher-Masoch behauptete zwar in seiner autobiographischen Prosa, seine erste Sprache wäre Ruthenisch/Ukrainisch gewesen, jedoch darf man annehmen, dass sich seine slawischen Sprachkenntnisse auf wenige, in der Kindheit aufgeschnappte Phrasen beschränkten. Seine eingestreuten ukrainisch-polnischen Sprichwörter, Lieder und in Fußnoten angemerkten Phrasen sind teilweise den damals auf Deutsch verfügbaren Anthologien entnommen. 597 In Buchform 1885 erschienen. 598 Siehe Jan Kozik: The Ukrainian National Movement in Galicia 1815–1849. Edmonton 1986. 599 Zorja, ein von M. Sˇasˇkevycˇ, einem Pionier der ukrainischen Literaturentwicklung verfasstes

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heimbunde« an der Universität, welcher den Beschluss fasst, »Volkslieder und Volksmärchen zu sammeln und nach dem Beispiel der Brüder Grimm im echten unverfälschten Volkstone […] niederzuschreiben«600 – ein Hinweis auf die Rus’ka Trijca, eine literarisch-patriotische Vereinigung der 1830er Jahre mit ihren Mitgliedern Markijan Sˇasˇkevycˇ, Jakiv Holovac’kyj und Ivan Vahylevycˇ, und ihren vorerst von der Zensur verbotenen Almanach Rusalka Dnistrovaja.601 Denn die Ruthenen, wie er in jenem Brief an Kuzems’kyji schreibt, »haben eine politische Mission und Aufgabe«, wozu sie aber »vor allem einer ungehinderten freien Entfaltung ihrer Nationalität [bedürfen]«. In einer austroslawischen Vision602 – nicht zu vergessen Sacher-Masochs Aufenthalt in Prag zur Zeit des Slawenkongresses 1848603 – sah er nicht nur »die politische Mission in Oesterreich […] den Slawen zugewiesen«, wobei Österreich die Aufgabe zukommen sollte, als »politische Nationalität« seine ihm innewohnenden »natürlichen Nationalitäten« zusammenzufassen, denn Österreich hätte »eine große Zukunft, wenn einmal ein vom Deutschthum unabhängiges Oesterreicherthum«604 sich entwickelt haben würde. Unter den Slawen zeigt sich Sacher-Masoch vor allem den Ruthenen zugetan, denen er eine große Zukunft wünscht: »In Oesterreich vollzieht sich jetzt einer jener Prozeße, der die Ängste in der menschlichen Natur Krisen nennen. Jetzt ist es Zeit sich in dem Organismus geltend zu machen. Gebe Gott, daß dies unserem ruthenischen Volke gelinge.«605 Der genannte Briefwechsel fällt in eine Phase nationaler Selbstfindungsprozesse und politischer Mobilisierung, als Galizien 1861 ein Landtag zugesprochen wurde und damit eine umfassende Wählerschaftsagitation anbrach.606 Hier wird auch ersichtlich, in welcher Abhängigkeit das Verhältnis von Krise und Entwicklung, die Einschätzung von Progress und Bedrohung sich stets zueinander befinden. »Die

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Manuskript über die Bedeutung der ruthenischen Sprache, welches 1835 von der Zensur abgelehnt wurde. Eigentlich ukrainisch »Stern«, bei Sacher-Masoch nach dem russischen Ausdruck für »Morgenröte« [XQap]. Erwähnt in Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 53. Hinweise auf die sprachemanzipatorische Entwicklung auch bei Sacher-Masoch: Basil Hymen, S. 306: »Wir Kleinrussen gründeten noch außerdem einen Verein für die Hebung unserer Sprache und Literatur, und gaben eine geschriebene Zeitung heraus, für die wir Gedichte, Erzählungen, Trauerspiele und Kritiken lieferten. Ich bildete mir damals ein, ein kleinrussischer Shakespeare zu werden. Jugendträume!« Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 108. 1837 in Buda herausgekommen. Vgl. Andreas Moritsch (Hg.): Der Austroslavismus: ein verfrühtes Konzept zur politischen Neugestaltung Mitteleuropas. Wien 1996. Sacher-Masoch: Der Slawenkongreß in Prag, S. 75. Vgl. auch das Programm der 1866 gegründeten antipreußischen, habsburgisch-polyphon gehaltenen Gartenlaube für Österreich, hrsg. von Sacher-Masoch, siehe Bruck: Gartenlaube. Sacher-Masoch: Briefwechsel Kuzems’kyj. Siehe Stanisław Grodziski: Sejm Krajowy Galicyjski 1861–1914 [Der galizische Landtag 1861–1914], Bd.1. Warszawa 1993.

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Ruthenen vorzugsweise repräsentiren das Oesterreich der Zukunft, ein nicht deutsches Oesterreich«, so schmeichelt Sacher-Masoch dem ruthenischen Abgeordneten. In einem austroslawisch anmutenden Entwurf spricht er den Ruthenen eine maßgebliche Rolle bei der Neuordnung des durch Nationalisierungsprozesse aufgewühlten »Organismus« der Monarchie zu. Kuzems’kyj dagegen sieht Sacher-Masochs enthusiastische Stilisierung der Ruthenen als Zukunftsträger etwas nüchterner und wirft vorsichtig ein, dass »die glänzende Rolle, welche E. H. in dem III. Kapitel der ruthenischen Nation zugedacht haben« nur Feinde schaffen würde, denn seines Wissens würden sich um diese prominente Stelle innerhalb der Monarchie »in erstem Sinne die Czechen [bewerben]«. Dennoch zeigt der Briefwechsel ein durchaus beidseitiges Engagement hinsichtlich Sacher-Masochs Schrift über und Öffentlichkeitsarbeit für die Ruthenen. In der ruthenischen Presse stieß Sacher-Masochs überbordende Begeisterung für dieses ewig von seinen Machthabern enttäuschte Volk ebenfalls auf Wohlgefallen. Dort freute man sich lautstark, dass ein deutschschreibender Autor sich der Ruthenen annehmen würde. Dennoch fehlte es auch nicht an skeptischen Untertönen607, zumal Sacher-Masoch sich in seiner Vorliebe für medienwirksame Auftritte gerne ungefragt als Ehrenretter der Ruthenen präsentierte. In einem autobiographischen Entwurf etwa brüstet sich Sacher-Masoch damit, dass bei Gründung seiner preußischen Tendenzen opponierenden Zeitschrift Die Gartenlaube für Österreich »der Erzbischof von Galizien und Führer der kleinrussischen Partei im Landtage und Reichstage, Spiridion Litwinowicz, ein Schreiben an mich [richtete], in welchem er feierlich sich und die Nation unter meinen Schutz stellte.«608 Diese Episode erwähnt Sacher-Masoch – mit seiner gewohnten Neigung zum Hervorstreichen seiner höchsteigenen Bedeutung – auch in einer Fußnote zu einer seinen Erzählungen.609 Unabhängig davon, inwieweit Sacher-Masochs Hang zu gesellschaftlichen Randfiguren und ebensolchen Selbstpositionierungen oder aber sein tatsächlicher liberaler Gerechtigkeitssinn – abgesehen von seinem biographischen Bezugspunkt zu Galizien – seine Sympathie für die Ruthenen mitbestimmte: Deutlich ist, dass Sacher-Masoch in seiner literarischen Beschäftigung mit Galizien den Ruthenen eine Sonderposition einräumte. Die Ernennung von Rut607 Siehe Kapitel 1. 608 Sacher-Masoch: Autobiographie, S. 68. 609 »Es scheint mir hier am Platze, der großen Verdienste dieses viel zu früh geschiedenen Kirchenfürsten um Galizien und des Reichs zu gedenken. Er war ein frommer Priester, ein Gelehrter, ein Staatsmann und jeder Zoll ein Ehrenmann. Ich bin stolz auf die Freundschaft, die er für mich gefühlt hat und sein letzter Brief, in welchem er sich und sein Volk unter meinen Schutz stellte, wird mir stets ein theures und kostbares Andenken bleiben.« Sacher-Masoch: Der neue Hiob, Anmerkung 57.

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henen zu namhaften Helden seiner Erzählungen kann keineswegs nur als romantische Schwärmerei für ein vage exotisches Völkchen am östlichsten Rand der Monarchie abgetan werden, sondern war durchaus begleitet von aktiv erschlossenem Hintergrundwissen (man erinnere sich an die Einholung von Lektüreempfehlungen sowie die Bitte um kritisches Gegenlesen610): zahlreiche seiner Schriften berühren die schwierige Geschichte der ruthenischen Selbstbestimmung und politischen Bewusstseinsbildung zwischen polnischer Hegemonialelite, halbherziger habsburgischer Beamtenschaft und der Agitation der Russophilen wie narodovci.611 Im Folgenden soll näher auf Sacher-Masochs Positionierung der Ruthenen im multiethnischen Kontext Galiziens eingegangen werden. Sacher-Masoch wurde und wird gemeinhin gehandelt als Philosemit, Polenhasser und Freund der Ruthenen612, jedoch bedarf es hier einer feineren Differenzierung innerhalb eines recht ambivalenten Empathie-Netzwerks. Es fällt auf, dass die jeweils zelebrierten Sympathien Sacher-Masochs zu einzelnen Gruppen der ostgalizischen Lebenswelt sich in starker Abhängigkeit von der jeweils thematisierten Konstellation, von dem im Kontext geschilderten Verhältnis der Gruppen zueinander bewegen. Im Folgenden soll auf Sacher-Masochs widersprüchliche Schilderungen der ostgalizischen Gesellschaft, hier insbesondere der Juden und Polen in Kontrast zu den Ruthenen eingegangen werden. Sacher-Masoch zeichnet zum einen in seinen Jüdischen Geschichten613 bzw. den Erzählungen, in welchen Juden eine tragende Rolle spielen614, die galizisch-jüdi610 Sacher-Masoch an Kuzems’kyj: »Ich wende mich deshalb an Euer Hochwürden, das mir zu Gebote stehende Material habe ich benützt. Da mich jedoch der Herr Bischof [Lytvynovycˇ – S.W.] bisher darüber in Zweifel gelaßen hat, ob ich durch ihn weiteres Material erhalte oder nicht bin ich gehindert meine Arbeit abzuschließen. Ich bitte daher dringend mich darüber aufzuklären und mir gütigst zu schreiben ob keiner meiner Landsleute im Reichsrathe den Staatsgeschäften im Intereße unseres Volkes, so viel Zeit abgewinnen kann um mich mit einschlägigen Mittheilungen zu unterstützen oder mindestens Irrthümer meiner Schrift vor der Drucklegung zu berichtigen.« Sacher-Masoch: Briefwechsel Kuzems’kyj. 611 Ivan L.Rudnytsky : The Ukrainians in Galicia under Austrian Rule. In: Austrian History Yearbook 2, 1967, S. 394–429; Keely Stauter-Halsted: The Nation in the Village: The Genesis of Peasant National Identity in Austrian Poland, 1848–1914. Ithaca 2004; Andrei S Markovits, Frank E Sysyn (Hg.): Nationbuilding and the Politics of Nationalism: Essays on Austrian Galicia. Cambridge/MA 1982; Stella Hryniuk: Peasants with Promise: Ukrainians in Southeastern Galicia, 1880–1900. Toronto 1991; Anna Veronika Wendland: Die Russophilen in Galizien. Ukrainische Konservative zwischen Österreich und Rußland 1848–1915. Wien 2001. 612 »Man kann kurzweg sagen, er haßt die Polen, bemitleidet die Ruthenen und liebt die Juden.« Wilhelm Goldbaum: Ghetto-Poeten. Sacher-Masoch. In: Literarische Physiognomien. Wien, Teschen 1884, S. 206–216, hier S. 108. Außerdem: »Einen glühenden Haß bringt er den Polen entgegen, seine Liebe gehört den Juden und Ruthenen.« Menkes: Sacher-Masoch, S. 122–123. 613 Sacher-Masoch: Judengeschichten. 614 Sacher-Masoch: Hasara Raba; Sacher-Masoch: Judengeschichten.

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sche Bevölkerung mit vielgerühmtem Detailwissen und Sympathie bzw. Respekt für ihre Traditionen615, versäumt dabei aber nicht, auch die innerjüdischen Konflikte zwischen Tradition und Aufklärung, Orthodoxen und Reformorientierten aufzuzeigen.616 Ganz anders aber, wenn Juden den Ruthenen gewissermaßen in die Quere kommen, wenn ruthenische ›Helden‹ auf jüdische Mitbürger prallen. Hier entpuppen sich Juden bei Sacher-Masoch (mit wenigen Ausnahmen617) plötzlich in ihrer klischiertesten Version618 als betrügerisch619, anbiedernd, geldgierig620 oder zumindest lächerlich.621 Die problematische Stellung der middleman minority622 zwischen allen Stühlen, die die Juden im gesamten sozialen Gefüge Galiziens 615 Siehe M. Friedeberg: Sacher-Masoch [1895]. In: Michael Farin (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch: Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 188–189; Anonym: Der am 9. März verstorbene Schriftsteller Leopold von Sacher-Masoch [1895]. In: Michael Farin (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch: Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 174– 175; Menkes: Sacher-Masoch. 616 Leopold von Sacher-Maoch: Der Iluj [1882]. In: Adolf Opel (Hg.): Der Judenraphael. Geschichten aus Galizien. Wien 1989, S. 294–430; Sacher-Masoch: Hasara Raba. 617 Auch treue jüdische Faktoren sind immer wieder – ähnlich dem alten treuen Kosak – positive Figuren, wenn ein junger Herr in Not gerät: »Aber im Unglück gibt es weder einen Bruder noch einen Freier. Einer half uns und das war ein Jude, mein Faktor Salamon Zauderer.« Sacher-Masoch: Basil Hymen, S. 367. 618 Vgl. Wodenegg: Das Bild der Juden Osteuropas. 619 »Dann kam der Schenkwirth herein mit zwei von Fett starrenden Löckchen auf beiden Seiten des wachsgelben Gesichtes, im schwarzen Kaftan, staubigen Stiefeln, und setzte sich schweigend auf die Ofenbank, Sein Blick haftete boshaft-spöttisch auf den Bauern. […] ›Ja, du hast die Pferde gesehen,‹ erwiderte der alte Bauer gleichgültig, ›und den Mann, der sie verkauft hat, hast du auch gesehen und siehst ihn jede Tag, wenn Du früh, wie es Dein Prophet verordnet, zum Wasser gehst, Dein schmutziges Gesicht zu waschen.‹ ›Was soll das sagen?‹ fragte der Jude, die Augen tückisch zusammenziehend.« Sacher-Masoch: Das Volksgericht, S. 22–23. Ebenso der Schankwirt im Paradies am Dniester : »›Pelz? was für einen Pelz? weiß nichts von einem Pelz,‹ meckerte der Schankwirth. […] Schon hatte ihn Zenon, den der Zorn übermannte, bei dem rothen Bart ergriffen und über den Schanktisch herübergezogen, der Jude schrie, der Tisch fiel um, der Branntwein floß in schmutzigen Strömen über die Diele. ›Wirst Du das Gut der Armen herausgeben,‹ schrie Zenon.« Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 20–21. 620 »In Galizien, wo der ganze Adel in den Händen der Juden war.« Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 264 oder auch »[…] bisher habe ich ihn immer für einen Deutschen gehalten, jetzt weiß ich, dass er ein getaufter Jude ist« sowie »wo der Winkelschreiber […] einem Bauern die Haut herabzog«, S. 272. 621 Zu den ›Späßen‹ des Judenraphael bei Bischoff: Spiel mit den Juden. 622 Jack M. Kugelmass: Native Aliens – The Jews of Poland as a Middleman Minority. Diss., University of Michigan 1980; John-Paul Himka: Ukrainian-Jewish Antagonism in The Galician Countryside During the Late Nineteenth Century. In: Howard Aster, Peter J. Potichnyj (Hg.): Ukrainian-Jewish Relations in Historical Perspective. Edmonton 1988, S. 111–158; John-Paul Himka: Dimensions of a Triangle. Polish-Ukrainian-Jewish Relations in Austrian Galicia. Polin. Nr. 12, 1999, S. 25–48; Heiko Haumann: Juden in der ländlichen Gesellschaft Galiziens am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In: Andrea Löw (Hg.): Deutsche – Juden – Polen. Geschichte einer wechselvollen Beziehung im 20. Jahrhundert. Frankfurt/Main 2004, S. 35–58.

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gezwungen waren einzunehmen623 – als Faktoren etwa in der unangenehmen Rolle der Vermittler zwischen ausbeuterischem polnischen Landadel und unterdrücktem ruthenischen Bauern624, als Geldleiher und Schuldeneintreiber625 eine allseits verachtete Spezies, als Mittelsmännner und -Frauen vielmals als Spitzel und somit Verräter angesehen – wird von Sacher-Masoch wohl problematisiert, jedoch hindert ihn das nicht daran, selbst auf haarsträubende Stereotype626 zurückzugreifen. Im gesellschaftlichen Zusammenspiel von Juden und Slawen herrscht bei Sacher-Masoch ein irritierend judophober Zug vor, der sich teilweise in übelsten Versatzstücken äußert627: Hier erscheint der Jude als schmierig628, feige, orientalisiert und gleichzeitig animalisiert629 als Raubtier des Morgenlandes630, falsch, verschlagen und gnadenlos in seiner Abrechnung mit Glaubensabtrünnigen.631 Sacher-Masoch spricht damit teilweise mit der damaligen Stimme der ökonomisch fundierten Judophobie der galizischen Bauern, die sich später mit dem politisch propagierten Antisemitismus zusammenfand.632 Bei der Schilderung der fanatischen Reaktionen orthodoxer Juden gegenüber Glaubensabtrünnigen mag auch der moralische Zeigefinger des Aufklärers mit im Spiel sein. Dennoch sieht man sich unangenehm überrascht, wenn eben diese orthodoxen Eiferer, die sich des Mordes an einer Glaubensabtrünnigen schuldig gemacht haben, in nicht minder grausamer Weise – aber mit dem Beigeschmack des 623 Vgl. Kai Struve: Bauern und Nation in Galizien: über Zugehörigkeit und soziale Emanzipation im 19. Jahrhundert. Göttingen 2005, siehe Kapitel 8 »Nationale Inklusion der Bauern und gesellschaftliche Exklusion der Juden: Ein historischer Zusammenhang«, S. 384–433. 624 Sławomir Tokarski: Ethnic conflict and economic development: Jews in Galician agriculture 1868–1914. Warszawa 2003, S. 33. 625 »[…] begann ich Schulden zu machen, bei Wucherern, bei jüdischen Vampyren« SacherMasoch: Basil Hymen, S. 350. 626 »Ein magerer Schuft, dessen Stirnlocken wie frisch aus der Pfanne genommene Bratwürste glänzten, besah das Leinen verächtlich und warf es unter den Tisch.« ebda., S. 314. 627 Zum irritierenden Nebeneinander von Philosemitismus und Antisemitismus als Phänomen der Zeit und der Region siehe auch Woldan, Alois, Terpitz, Olaf (Hg.): Ivan Franko und die jüdische Frage in Galizien: Interkulturelle Begegnungen und Dynamiken im Schaffen des ukrainischen Schriftstellers. Göttingen 2015. 628 Die »schmierige Jüdin«, ebda., S. 298. 629 Z. B. die schöne Jüdin Joada, welche nicht als Mädchen sondern »volles Weib« gezeichnet wird, »in dem Blut brennt, wenn sie sitzt liegt sie beinahe wie träge Löwin […].« SacherMasoch: Der neue Hiob, S. 227. 630 Sacher-Masoch: Graf Donski sowie Sacher-Maoch: Iluj. 631 Vgl. Hiob und Hasara Raba. 632 Tokarski: Jews in Galician agriculture, S. 241; Diskussionen zur ›jüdischen Frage‹ in Galizien bei Kai Struve: Eine verflochtene Geschichte – die »polnische«, die »Bauern-« und die »Judenfrage« in der Lemberger Zeitschrift Przegla˛d Społeczny 1886–87. In: Manfred Hettling, Michael G. Müller, Andreas Reinke (Hg.): Die »Judenfrage« im europäischen Vergleich. [im Druck] und Tim Buchen: Antisemitismus in Galizien. Agitation, Gewalt und Politik gegen Juden in der Habsburgermonarchie um 1900. Berlin 2012.

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Gerechtigkeitssinnes und damit einer gefährlichen ›Berechtigungsnote‹ – von ruthenischen Bauern gerichtet werden.633 Was bei Sacher-Masoch einmal als orientalisch verwunschene Religion auftritt zwischen perlenbesetzter Stirnbinde und starker Familienbande634, wird ein andermal als orthodoxer Fanatismus angeklagt635 ; wird einmal der Hang zum Mammon als Los jüdischer Berufseinschränkungen entschuldigt, nicht als ihr Charakter636, wird ›Geldgier‹ das nächste Mal als genuin jüdischer Charakterzug festgeschrieben.637 Judophilie und antisemitische Tendenzen gehen bei SacherMasoch recht unbeschwert Hand in Hand638 und lassen etwas von der Problematik der schwelenden anti-jüdischen Diskurse jener Zeit erahnen, die sich zwischen ›traditionellem‹, ökonomisch begründetem bäuerlichem Judenhass (etwa unter den Ruthenen Ostgaliziens) und zunehmend politisch propagiertem Antisemitismus bewegen.639 Ebenso problematisch wie zweischneidig stellt sich Sacher-Masochs Verhältnis zu den Polen dar, wie es in seinen fiktionalen und autobiographischen Texten gestaltet wird. Wird dem Autor üblicherweise eine ablehnende Haltung gegenüber den Polen unterstellt640, so darf nicht übersehen werden, dass es 633 634 635 636 637 638

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Dazu siehe Burdekin: The Ambivalent Author. Vgl. Sacher-Maoch: Jüdisches Leben. Sacher-Masoch: Hasara Raba; Sacher-Maoch: Iluj. Siehe die Diskussion zwischen dem Judenraphael und Hadaßka Chefez in Sacher-Masoch: Judenraphael. Siehe Sacher-Masoch: Der Hajdamak sowie Sacher-Masoch: Der neue Hiob. Zur Diskussion des ambivalenten Judenbildes bei Sacher-Masoch siehe Steven Aschheim: Brothers and Strangers. The East European Jew in German and German Jewish Consciousess 1800–1923. Madison 1982; David Biale: Masochism and Philosemitism: The Strange Case of Leopold von Sacher-Masoch. Journal of Contemporary History. Nr. 17, 1982, S. 305–323; O’Pecko, Michael T.: Leopold von Sacher-Masoch. In: Major figures of nineteen-century Austrian literature (Hrsg.: Donald G. Daviau). Riverside/CA 1998, S. 472–494. »[…] a religious-based Jew-hatred would have been entirely typical for a peasant population at the time the story was set. Similar to Soll und Haben, however, is the impression of carelessness on the part of the author, an ignorance of the impression created by the text and of its negative potential, rather than a planned, programmatic desire to promote antisemitic attitudes towards the Jews. The idealistic ending, the happy peasants in their rural idyll where agricultural improvements have increased everyone’s wealth […] smacks of an overly simplistic attitude on Sacher-Masoch’s part, a tendency to write in black and white terms without great subtlety of detail.« Burdekin: The Ambivalent Author, S. 163; zu dieser Problematik siehe auch: Woldan Alois, terpitz Olaf (Hg.): Ivan Franko und die jüdische Frage in Galizien: Interkulturelle Begegnungen und Dynamiken im Schaffen des ukrainischen Schriftstellers. Göttingen 2015. Ein galizisches Blatt berichtet: »? BQfVak-=QX_fd SlaQWQu bp `_\mb[Q `dR\YgYbcY[Q UdWV ^V`aYfY\m^_, aQXk U\p c_T_, j_ BQfVak-=QX_fk Sk `Ybm]Qfk bS_Yfk Slbcd`Qu p[_ AdbY^k Y Xk \oR_SVo `_U^_bYck bS¦c\0 bc_a_^l ^Qi_T_ ^Qa_Ud ; Sk-UadTV U\p c_T_, j_ i^k RVX`_jQU^_ Slbcd`Qu `a_cYSk `_\mb[_Y ›ca_]cQUaQgwY‹ Y ^V`aYfY\m^_ SlaQWQu bp _ `_\mb[_Z i\pfc¦.« [»Die polnische Publizistik ist Sacher-Masoch recht wenig gewogen, einerseits, weil Sacher-

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mindestens ebenso viele positive bzw. bewundernde Beschreibungen der Polen gibt. Für gewöhnlich bestechen Pole und Polin bei Sacher-Masoch vor allem durch Charisma und Feudal-Erotik. Sacher-Masochs Faszination für dekadente Despotie findet ihr Idealbild gerade im polnischen Aristokraten, Sacher-Masochs Faible für den Adel und seine kostümierte Scheinwelt zeigt sich in seiner eindrücklichen Schilderung wahrhafter Chevaliers, morbider Ritterlichkeit sowie aufrechten, ungebrochenen Standesbewusstseins bei den Polen – demnach bleibt auch Sacher-Masochs ›Bauernliebe‹ immer von leicht patriarchaler Färbung. Gerade die Dekadenz der Polen und ihre Zugehörigkeit zu einer alten Welt feudaler Herrschaftlichkeit machen sie attraktiv als fast masochistisches Ideal. Diverse Wandas (Die Venus im Pelz ebenso wie Gräfin Soltikoff aus Graf Donski) etwa sind Inbegriff der anbetungswürdigen grausamen Frau: revolutionär, eigensinnig und konsequent. So farbig-rücksichtslos ihre Lebensführung, so drastisch wird auch ihr Untergang geschildert. Beim Tod der polnischen Revolutionärin aus Graf Donski im Zuge der Bauernrevolte 1846 wird nicht an schrecklichen Schilderungen der von ihrem Pferd zu Tode Geschleiften641 gespart; an den Sensen und Dreschflegeln der aufständischen Bauern triefen Blut und Hirn der polnischen Insurgenten.642 Was die Polen ablehnungswürdig macht, kristallisiert sich wie bei den Juden erst in ihrer Konfrontation mit den Ruthenen heraus, d. h. erst dann, wenn sie als Adelige zu Unterdrückern der Bauern werden.643 Ansonsten zeichnet SacherMasoch ein Bild der Polen, das vielmehr geprägt ist durch aufrichtige Sympathie mit einem alten Adelsstand, Bewunderung für den gewachsenen Despotismus charismatischer Herrscherfiguren, geprägt von Faszination für die Ritterlichkeit eines im Verfall begriffenen Aristokratengeschlechts. Eine weitaus größere Rolle als die Sacher-Masoch nachgesagte antipolnische Haltung spielt die Heroisierung des Aristokraten, die heimliche (aber eigentlich recht lautstarke) Liebe Masoch in seinen Schriften als Ruthene auftritt und mit Liebe die lichten Seiten unseres Volkes betont; zum anderen deswegen, weil er schonungslos gegen die polnische Eitelkeit auftritt und sich kritisch über die polnische Szlachta äußert.« o. A.: Bal’ ruskych bohoslovov (Zorja), S. 288. 641 Sacher-Masoch: Graf Donski, S. 348–149. 642 Vgl. »Und wie haben es die Bauern in der Ukraine [!] gemacht, es sind etwa dreißig Jahre her, nicht wahr? Haben die gezeigt, daß eine Sense auch nicht zu verachten ist, haben die Edelleute eingegraben in die Erde bis zum Halse in ganzen Reihen und haben ihre stolzen Köpfe gemäht, wie das Korn.« Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 17. 643 Der Pole Graf Donski muss für seine Haltung mit dem Leben büßen: »Was? Der Bauer, dieses Vieh, diese Bestie, gleiche Rechte mit mir?« […] »Der Hund muß gehen, sonst peitscht man ihn.« […] »man schießt unter sie, wenn diese Bestien rebellisch werden,« […] »Genug der Worte, peitschen wird man diese Kanaillen, wenn sie nicht gutwillig gehen.« Sacher-Masoch: Graf Donski, S. 44–45 sowie, S. 56 und S. 341. Sacher-Masoch an Kuzems’kyj: »[…] wie ihr [Ruthenen – S.W.] Familienleben ein Vorbild gottgefälligen Menschenglückes giebt im Gegensatze zu der frivolen Eleganz der polnischen Edelhöfe […].« Sacher-Masoch: Briefwechsel Kuzems’kyj.

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Sacher-Masochs für dekadenten Lebenswandel und die anachronistischen Despotismen644 einer sich ihrer ausübenden Macht bewussten Elite. Die gewalttätigen willkürlichen Ausschreitungen der Polen gegenüber den als wertlos erscheinenden Juden645 werden humoristisch wiedergegeben, wehe aber, wenn der Pole in Ostgalizien dem Ruthenen gegenübersteht. In diesem Fall frohlockt gewiss Letzterer (meist in seiner bäuerlichen bzw. landadeligen Ausformung) moralisch über den polnischen Szlachcic.646 Und hier ist bei Sacher-Masochs ambivalentem Polenbild anzusetzen. Erst in Konfrontation mit einem ›gesunden‹, aufstrebenden Bauernstand (oder aber einem fleißigen jungen ruthenischen Edelmann) erscheint der polnische Adelige als von morbidem Anachronismus. Der ruthenische Bauer Theofil Pisarenko, jener, der als neuer Hiob alles Unrecht galizisch-ruthenischen Schicksals geduldig erträgt, um letztendlich nicht nur zu materiellem Wohlstand und familiärem Glück, sondern auch zu politischen Ehren zu gelangen, sieht sich bei Sacher-Masoch folgendermaßen beruhigt: Galizien ist zwar heute noch in der Gewalt der Polen, aber […] Pisarenko tröstet sich damit, daß […] die galizische Frage ohne Mithilfe der Wiener Regierung gelöst werden wird, indem der Adel von Tag zu Tag mehr in die Netze der Juden fällt, verarmt und verdirbt, während seine Güter in fremden Besitz übergehen, so daß es in Galizien bald keine Polen mehr geben wird. Die Zukunft aber gehört den Arbeitsamen.647

Galizien erscheint dabei als ein anachronistischer Erdstrich, auf welchem sich nicht nur Relikte ›orientalischer Sinnlichkeit‹, ›asiatischer‹ Despotie und ›sla644 Siehe auch sein Kathanrina II.-Faible. 645 »›Auf den Baum, Moschku, sonst schieße ich dich auf der Stelle nieder,‹ schrie der Betrunkene [Joachim – S.W.]. Mordechai kroch auf den Baum, aber langsam, sehr langsam. ›Schneller, schneller,‹ befahl Joachim. Endlich saß er oben. ›Nun, schreit mir Kukuk, hört Ihr.‹« Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 52. Ähnliche Szenen auch in Graf Donski sowie überliefert von Franz Kratter : Briefe über den itzigen Zustand von Galizien. Ein Beitrag zur Statistik und Menschenkenntnis. Leipzig 1776 und Alfons Traunpaur: Dreyßig Briefe über Galizien oder Beobachtungen eines unpartheyischen Mannes, der sich mehr, als nur ein paar Monate in diesem Königreiche umgesehen hat. Wien, Leipzig 1787. 646 »›Wladimir ist wohl kein Pole?‹ ›Wie kannst du das nur glauben! Hat je ein Pole etwas Ordentliches gelernt? Ein Russe ist er. Das versteht sich von selbst.‹« Hier ›Russe‹ klar im Sinne von ›rus’kyj‹, also ›Ruthene‹, Sacher-Masoch: Mondnacht, S. 41. 647 Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 368–369; vgl. auch die russische Version bei SacherMasoch: »[…] Durch Arbeit, Landbau, Handwerk, Industrie, Handel unterwerfen sich heutzutage die Völker, die Kriege sind nur noch Sicherheitsventile, man hofft durch dieselben die Suprematie eines kräftigeren, arbeitsameren Volkes zu brechen […]. Das durch Arbeit überlegene Volk bleibt doch das mächtigere. […] In der Zukunft werden die Arbeiter die Soldaten des Staates sein, der Staat wird sie an Stelle seiner Armee organisieren und mit ihnen allein seinen entscheidenden Siege erfechten.« Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, S. 145.

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wischer Archaik‹ bewahrt haben, sondern auch als einer der letzten, welcher der polnischen Lebensart noch Raum gewährt. Nur Oesterreich hat dem Polenthum noch ein letztes Asyl in Galizien gegeben, aber, wie es scheint, nur, um die polnischen Bestrebungen ad absurdum zu führen, um der Welt zu beweisen, daß die Polen ein Element sind, das man nicht mehr ernstzunehmen hat, und mit dem Staatsmänner heutzutage nicht mehr rechnen.648

Im Hinblick auf diese Äußerungen ist es nicht verwunderlich, dass der Name und die Schriften Sacher-Masochs den Polen ein rotes Tuch waren.649 SacherMasoch weiß gut und gerne den Verfall des polnisch-galizischen Landadels zu schildern. Der polnische D8cadent unterliegt natürlich dem ruthenischen Arbeitsamen, jedoch werden beide mit jeweils offener Sympathie bzw. Faszination gezeichnet. Erst in der Gegenüberstellung muss ›der Pole‹ verlieren, jedoch ohne wirklich der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Es bleibt immer ein Rest von sympathisierendem Augenzwinkern bei Sacher-Masochs Leidenschaft für alles ritterlich Verfallende. Gemessen am ruthenischen Pfarrhof sieht der polnische Edelhof folgendermaßen aus: Das Dorf Wisla war eines der größten und reichsten und der Gutsherr ein gutmütiger Kleinrusse, mit dem es sich leben ließ. Der Pfarrhof selbst lag mitten in einem großen Garten und hatte das Aussehen eines Edelhofes, und noch dazu eines hübschen und gut gehaltenen, nicht einer polnischen Wirtschaft mit Damastmöbeln und zerbrochenen Fensterscheiben, in der man aus gesprungenen Gläsern Champagner trinkt und die schönen Frauen mit Zobelpelz besetzte Jacken und zerrissene Strümpfe tragen.650

Der ›kleinrussische‹ Hof trumpft mit Wohlgestalt, vorbildlicher Führung und guter Haltung, die polnische Version ergibt sich dem hoheitsvollen Untergang mit den schwindenden Insignien ehemaligen Luxus’. 648 Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 86–87. 649 Siehe Kapitel 1. 650 Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 87; siehe auch Leopold von Sacher-Masoch: Der Gläubiger als Heirathsstifter. In: Gute Menschen und ihre Geschichten. Berlin 1887, S. 1–71, hier S. 3–4: »Es war eine echt polnische Wirtschaft in dem Edelhofe zu Baratin; die Oekonomie-Gebäude mit geflickten windschiefen Dächern, das kleine ebenerdige Herrenhaus mit zerbrochenen Fensterscheiben, welche, von aufgeklebten buntscheckigen Papierstreifen zusammengehalten bei jedem Windstoße eine eigenthümliche Musik machten; im Hofe eine schwarze Lache, in welcher die Enten, wenn sie untertauchten, mehr gefärbt als gewaschen wurden; Schmutz in den Ställen, den Korridors; Spinnweben in den Zimmern; Staub auf Möbeln, Geschirr, Bildern; die Vorhänge grau geworden; im Garten Gras und zahllose Schnecken auf allen Wegen, zwischen den Georginen und Astern Petersilie, Brennesseln und Wegerich. Im Taubenhaus nisteten Sperlinge und die Mäuse hielten nachts die Flucht der Zimmer entlang förmlich Wettrennen ab. Der Besitzer Valerian Kochanski saß indessen mit großem Behagen in seinen gelben Saffianstiefeln, seinen rothen Hosen und seinem zwar stellenweise zerrissenen, aber deshalb doch grünsammetnen Schlafrock […].«

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Was die politische Zukunft Polens betrifft, fällt Sacher-Masoch ein harsches Urteil. Seine Sympathie für ein Geschlecht, das stolz, mit erhobenem Kopf, in Zobel und zerrissenen Strümpfen651 zugrunde geht, hat nur in seiner morbiden Staffage-Dekadenz etwas Bewundernswertes, sobald es aber um politische Ansprüche geht, kennt Sacher-Masoch kein Pardon. So schreibt er etwa in einem Artikel zur Ruthenenfrage (wohlgemerkt hier das negative Polenbild wieder vor allem im Kontrast zu den aufstrebenden Ruthenen): »Heute sind alle Träume von einer Herstellung Polens, alle Intriguen und Conspirationen zu diesem Zwecke nur noch die letzten Zuckungen eines verendenden Volkes.«652 Jene eleganten Dämoninnen Sacher-Masochs, denen die Peitsche recht locker sitzt, die stolzen Sarmaten, die gewöhnlich zu Fürsten und Sultanen stilisiert werden, schrumpfen im Kontext der ruthenischen Sache zu einem »verendenden Volke«.653 Sieger in diesem polnisch-ruthenischen Lebensstil-Antagonismus bleibt bei Sacher-Masoch letztendlich der Ruthene, die noch herrschenden polnischen Aristokraten agieren als untergehende Spezies, denen der aufstrebende Ruthene mit Schaffenskraft und Arbeitsmoral positiv gegenübergestellt wird. Noch mokiert sich der polnische Landadelige über den Wunsch seines Sohnes, seinen Lemberger Studienfreund aus einem ruthenischen Pfarrhause einzuladen. »›Einen Popensohn,‹ fügte Frau Zagoinski hinzu, ›warum nicht lieber gleich einen Zigeuner oder Juden!‹«654 Dieser Chauvinismus ist jedoch von kurzer Dauer, führt doch der Ruthene Saschka die Tochter des Hauses letztendlich nicht nur in die ukrainische Schrift und Literatur ein – »›Aber das kann ich ja nicht lesen,‹ rief sie plötzlich lachend, ›was sind das für Hieroglyphen?‹ ›Das sind unsre cyrillischen Buchstaben.‹ ›Sie werden mich dieselben kennen lehren, ja?‹

651 Darunter viele Frauen, mehr dieser polnischen Aristokratinnen auch in Leopold von Sacher-Maoch: Er wird kommen. Eine Idylle vom Pruth. Deutsche Monatsblätter. Jg. 1, Bremen, S. 80–88, hier S. 83 »[…] in ihren Papilloten aus altem Zeitungspapier und ihrer Nachtjacke, welche einer Karte von Deutschland glich […]« als auch: »Indes war die Herrin herabgekommen, eine kleine, schmächtige, nervöse Polin, grün und gelb, aber pikant, das braune Haar in Papilloten, die Hände in den Taschen ihrer ziemlich abgetragenen Kazabaika versenkt, eine große Zigarre in dem kleinen, roten Munde.« Sacher-Masoch: Magaß, S. 8. 652 Leopold von Sacher-Masoch: Zwei Ritter vom Geiste. Zur Ruthenen- und Judenfrage in Galizien. Auf der Höhe. Internationale Revue. XII, 3.Jg., 1884, S. 86–91, hier S. 86. 653 »Roman [Potocki, der Pole – S.W.] wächst auf mit polnischen Jungen, er jagt reitet, ficht, seine Kenntnisse empfängt er auf einem Jeusitengymnasium und kehrt auf seinen Edelhof zurück, um wieder zu jagen, zu reiten und jetzt noch zu spielen und zu bleiben – das ist der Bildungsgang eines polnischen Edelmanns. Dagegen Burg – sein Vater ist ein böhmischer Beamter, seine Mutter die Tochter eines ruthenischen Landpfarrers – in Galizien ist er geboren – hier lernt er reiten, schießen, aber an der Wiener Hochschule hörte er berühmte Lehrer, er studirte nicht blos das Recht, er studirte Oesterrreich, die Welt, die Menschheit.« Sacher-Masoch: Emissär, S. 3. 654 Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 118.

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›Ich stehe zu Diensten.‹«655 – sondern auch in den Bund der Ehe. Hier hält sich nicht mehr der selbstherrliche Pole seine robotpflichtigen Bauern, sondern der ruthenische Popensohn führt die stolze polnische Aristokratentochter unter sein Dach und in seine Welt. Der ruthenische Held ist bei Sacher-Masoch jedoch oft der Bauer656, welcher sich durch Beharrlichkeit und Prinzipientreue seinen Weg durch die Unbill des einfachen Lebens in Ostgalizien zwischen ›halsabschneiderischen Juden‹ und ›despotischen polnischen Landadeligen‹ bahnt. Jedoch wird der einfache Bauer nicht nur als (kaiser)treuer, monarchieaffiner657 habsburgischer Staatsbürger658 positiv mit der aufmüpfigen, zu revolutionären Verschwörungen neigenden dekadenten polnischen Adelsgesellschaft kontrastiert, Sacher-Masoch lässt den Bauern geradezu als Ideal, als Mann der Zukunft erstehen. Er scheint den als rückständig und abergläubisch wahrgenommenen Landbesteller, der nicht eben im Rufe stand, einer neuen innovativen Gesellschaft Bahn zu brechen, rehabilitieren zu wollen.659 Auch Franzos660 solidarisiert sich gegebenenfalls mit den Ruthenen und beweist ein Bewusstsein für eine distinkte Nationalität der Ukrainer, wobei seine Kämpfer nicht nur als Sozialrevolutionäre661 wirken, sondern auch als Kämpfer für die Anerkennung eines Ukrainertums stehen. 655 Ebda. S. 124. 656 »Die Liebe zum Bauern ist für die gesamte slawische Literatur und Kunst sehr charakteristisch. Turgenjew zum Beispiel […]. Auch mich erfüllt seit meiner Kindheit diese Liebe zum einfachen Volk und zu den Bauern, und selbst heute, inmitten des Luxus und der Pracht des Pariser Lebens, erscheint mir das heimatliche Strohdach, umgeben von Obstbäumen und grünen Hecken, unter welchen die Schwalben ihre Nester bauen, aus der Ferne wie ein verlorenes Paradies.« Sacher-Maoch: Das verlorene Paradies, S. 52. 657 Zur Hochzeit der Kinder wird im Neuen Hiob der Radetzky-Marsch gespielt, sowie der Vater auch ergriffen das Schulzeugnis mit dem habsburgischen Doppeladler küsst. 658 Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 352. 659 »Ich kenne so leicht kein elenderes, sklavischeres, selbst bei der möglichsten Unterstützung des Staates durch sich selbst gedrückteres Volk als dieses [Landvolk – S.W.]. Geschmiedet, an das eiserne Ruder des Aberglaubens, unwissend im Feldbau, dumm, träge, fühllos, mit einer sklavischen Seele und jenem stets siechen, traurigen, durch einen unersättlichen Hang zur taumelnden Trunkenheit entkräfteten und verunstalteten Körper, schmutzig in Kleidung und Haushaltung, verwöhnt an eine raue, tierische Kost, stets durch Sorgenlosigkeit in die dürftigste Armut versetzt, schleppt da der Landmann sein elendes Leben dahin, ohne zu wissen, wie und warum er lebt, nicht einmal fähig, die niedrigste Freude, die im Genusse des Lebens liegt, rein zu genießen und nur glücklich, durch Schlaf und Trunkenheit sich für sein Elend auf einige Stunden weniger fühlbar zu machen.« Kratter: Briefe über den itzigen Zustand von Galizien, S. 217. Dagegen Theofil Pisarenkos in Wien lernender Sohn bei Sacher-Masoch: »Er brachte den frischen Sinn, die rasche Auffassungsgabe und das fabelhafte Gedächtnis unserer Race mit und überflügelte alle seine Mitschüler.« SacherMasoch: Der neue Hiob, S. 329–330. 660 Siehe Reifowitz: Saviour of the People(s), S. 10–13. 661 Siehe Karl Emil Franzos: Der Aufstand von Wolowce. In: Aus Halb-Asien. Culturbilder aus Galizien, der Bukowina, Südrußland und Rumänien. Leipzig 1876, S. 1–49 und Karl

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Der gemeinhin als von trägem Eigensinn662 und als analphabetischer ehemaliger Leibeigener gezeichnete ruthenische Bauer, welcher jahraus jahrein unter miserabelsten gesellschaftlichen Bedingungen geduldig das magere Saatgut in sein bescheidenes Stück Land senkt, dem Popen brav die Predigten vom notwendigen Mühsal des irdischen Lebens von den Lippen liest, dem polnischen Grundherren widerspruchslos den Acker bestellt, um sich damit nichts als Schläge zu verdienen, der Bauer, der sonntags das wenige Hab und Gut in der jüdischen Schenke in Schnaps umsetzt, um das bittere Dasein ein wenig zu vergessen – diese Figur erscheint bei Sacher-Masoch als würdiges Subjekt der Zukunft, indem er Bilder des tatsächlichen »galizischen Elends«663 um eine Zukunftsoption erweitert, die den Bauern in einem neuen Licht erscheinen lässt: »Er war jetzt ein Mann von vollen 58 Jahren, aber ein galizischer Bauer in diesem Alter ist so jung, wie es ein Arbeiter des Westens mit 40, ein gebildeter und genißender Müßiggänger unseres Salons aber mit 30 Jahren nicht mehr ist.«664 Der ruthenische Bauer erweist sich also als vitalistisches Korrektiv, welcher, unbehelligt von den Versuchungen urbaner Salons und überreizter Genusssucht, seine Authentizität und Gesundheit wahrt und gewissermaßen in seiner Blüte steht, wenn der Arbeiter des Westens bereits vom Leben gezeichnet ist. In jene sozialistischen Anklänge, die den slawischen Bauern dem westlichen Arbeiter gleichzusetzen versuchen, mischt sich auch eine Portion zeitgemäßer Großstadtskepsis bzw. Agrarromantik. Sehen Sie, seitdem [1848 – S.W.] hat sich alles gebessert. Der Bauer sieht fleißig auf seine Wirtschaft und hat Gewinn davon; es ist ein gutes Land, in dem wir wohnen, einen besseren Boden kann es wohl nicht geben, der Mensch hat Lust an der Feldarbeit. Der Bauer hat so eine Liebe zu ihr, zu seinen Tieren, seinen Verhältnissen, und wenn es gut geht, hat er einen Ertrag, daß der Städter ihn beneidet.665

Mit Aufhebung der Robotpflicht in Galizien 1848 scheint die Zukunft eines neuen selbstbewussten Bauernstandes angebrochen zu sein, ein Stand, der sich auszeichnet durch seine Liebe zur Scholle, unverbrüchlichen Fleiß und ökonomischen Erfolg, der ein neues, auch politisches Klassenbewusstsein hervorbringen würde. Sacher-Masochs heroisierende Hohelieder decken sich durchaus

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Emil Franzos: Der Richter von Biala. In: Aus Halb-Asien. Culturbilder aus Galizien, der Bukowina, Südrußland und Rumänien. Leipzig 1876, S. 235–308. »[…] er ist das Urbild unseres Bauers in allen seinen Tugenden und Fehlern […] langsam in Allem, aber dann mit der vollen Wucht seines schwerfälligen Wesens handelnd, wie ein mächtiger Stein, der schwer in Bewegung zu setzen, aber den im Rollen Niemand mehr aufhalten kann.« Sacher-Masoch: Marzella, S. 417. Nach Szczepanowski: Ne˛dza Galicji. Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 322. Sacher-Masoch: Erntefest, S. 59, siehe auch Jürgen Volkmann: Bürgerliche Agrarromantik im 19. Jahrhundert: Ein kulturelles Phänomen im Kontext der Übergangsphase von der feudalen zur kapitalistischen Gesellschaft. Marburg 1986.

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mit den ukrainischen Hoffnungen seiner Zeit. Ostap Terlec’kyj, einer der Protagonisten der narodovci-Bewegung, schildert die neue Aufmerksamkeit, die es dem Bauern zu schenken galt, folgendermaßen: Völlig anders erschien uns jetzt [nach der Lektüre von Sˇevcˇenkos Kobzar – S.W.] der Bauer. Bis vor kurzem verachtet und ignoriert, erhob er sich auf einmal auf die Höhe eines nationalen Ideals und wurde in den Augen der Jugend ein stummer, geduldiger Märtyrer, den alle geschlagen, gepeinigt und missbraucht hatten, der aber durch seinen jahrhundertelangen Kampf für die Freiheit, für den Glauben und die Wahrheit vor dem Gerichte der Geschichte die Ehre des ukrainischen Namens gerettet hatte. Der Bauer sollte nicht uns, sondern wir dem Bauern dienen; […] Alle zog die berühmte Muse des großen Dichters wie mit Zangen an und wir alle verwandelten uns in begeisterte chlopomani.666

Den Stolz auf die eigene bescheidene Herkunft zelebriert auch Theofil Pisarenko, jener Bauer, der in Sacher-Masochs Erzählung Der neue Hiob als Apotheose des ruthenischen Schicksals märtyrerhaft sich seinen Weg bahnt durch polnische Willkür, jüdischen Fanatismus, kaiserliche Militärzucht sowie Naturkatastrophen und dennoch seiner Herkunft nicht abschwört. Nach allen erdenklichen durchlittenen Hiobsschicksalen findet sich der rechtschaffene Mann letztendlich als ruthenischer Deputierter im Wiener Reichsrat667 wieder, wo er mit Stolz sein bescheidenes Leben weiterführt und durch seine bäuerliche Aufrichtigkeit und Selbstgenügsamkeit die Arroganz der ›Wiener‹ (verkörpert von einem jüdischen Journalisten!668) ad absurdum führt.669 Und lässt er auch seinen Sohn in Wien studieren, so besteht er darauf, dass dieser sich seiner Herkunft besinnt. »Alles sollen meine Kinder lernen, aber dabei rechtschaffene Bauern bleiben. Wir haben genug Beamte und Aerzte, aber es fehlt uns an Grundwirthen, die was gelernt haben.«670 Seinen Sohn lässt er bei einem deutschen Ökonomen lernen und er selbst führt mit Hiob’schem Gottvertrauen und braver Bauernredlichkeit seine Familie und sein Dorf in paradiesische Zustände (in denen weder Polen noch Juden Platz haben werden671). In einer kühnen Vision erblickt SacherMasoch im ruthenischen Bauern gar eine napoleonartige Figur des Fortschritts. 666 Zitiert nach Struve: Bauern und Nation in Galizien, S. 63. 667 Siehe Roman Rosdolsky : Die Bauernabgeordneten im konstituierenden österreichischen Reichstag 1848–1849. Wien 1976. 668 »[…] ein Judenjüngelchen aus Tarnopol, das nicht den nöthigen Menschenverstand besaß, um mit alten Kleidern und Hasenfellen zu handeln, und daher in Wien für Zeitungen schrieb.« Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 347. 669 Ebda., S. 348. 670 Ebda., S. 338. 671 Wobei die Bauernbewegungen in Galizien bis in die 1860er Jahre rein sozioökonomischer Natur und nur ansatzweise national angehaucht waren. Vgl. John-Paul Himka: Galician villagers and the Ukrainian national movement in the nineteenth century. Toronto 1988, S. 204–205.

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»Herr Tschornoschenko, der galizische Bauer – ich finde, er hat auf diese Bezeichnung wenigstens ebenso viel Anspruch, als Napoleon auf den Beinamen des Großen«.672 Dabei darf nicht übersehen werden, dass Sacher-Masochs chłopomania, so sehr dem Bauer auch modernes Fortschrittsdenken in den Mund gelegt wird, eher einer Art höfischen Agromanie entspringt, die als kulturpessimistische Resonanz die angebliche Staatstreue und den natürlichen Konservatismus der Landbevölkerung verherrlicht673 – eine konservative Ideologie, die auch von den Slawophilen gepflegt wurde.674 Die dem Egotismus des Westens fernstehende Bauernschaft präsentiert sich als vitalisierende Basis eines neuen (hier ruthenischen) Geschlechts der Zukunft. Dieses wird bei Sacher-Masoch in der ehelichen Verbindung des ruthenischen Landadeligen Alexander Komarenko mit dem Bauernmädchen Marzella illustriert. Diese Konstellation verweist nur zu sehr auf die Tendenz der Künstlerströmung Młoda Polska ab den 1880ern, als eine ganze Reihe junger Intellektueller sich nicht nur motivisch der Welt der Bauern zuwandte, sondern in einer Phase der chłopo- oder ludomania auch zahlreiche Mädchen ›aus dem Volke‹ ehelichte.675 In einer gewagten Theorie der Blutverjüngung lässt Sacher-Masoch den Nachwuchs des ruthenischen Landadeligen und seines Bauernmädchens als neue Kinder der Zukunft erstehen, wo mit bedenklich biologistischer Argumentation die sozialdarwinistische Vision eines neuen ruthenischen Geschlechts beschworen wird: »Ich war immer ein Feind der Theorie vom blauen Blute,« sagte ich zu Alexander, »deine Kinder widerlegen sie jedoch erst so recht.« »Ich bitte dich,« entgegnete der Graf, »meine Familie war entschieden im Untergang begriffen, und dies gesunde Bauernblut hat sie verjüngt, sieh meine Buben an, welche Race das gegeben hat, junge Bären sind rein brustschwach dagegen.«676

672 Sacher-Masoch: Marzella, S. 458, außerdem: »[…] in den nächsten Tagen hörte ich, wo ich ging und stand, nur von Theofil Pisarenko sprechen, wie man etwa 1812 nur von Napoleon sprach, oder seinerzeit in Nordamerika nur von Benjamin Franklin, und ich hörte Manches erzählen, was der redliche Geist erlebt […]« Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 3. 673 »Die Schnitter ziehen, ein heller munterer Haufe, in das wogende Korn, die Kopftücher der Mädchen schimmern gleich rothem Mohn, die Sensen und Sicheln blitzen, ein fröhliches Lachen und jetzt das erste ›Gelobt sei Jesus Christus‹ – ›In Ewigkeit. Amen.‹« SacherMasoch: Das Volksgericht, S. 7. 674 Hughes: Misunderstanding the Russian Peasantry, S. 57. 675 Man denke etwa an die öffentlichkeitswirksam inszenierte Hochzeit des Malers Lucjan Rydel mit einer Bauerntochter, welche als Vorbild für Wyspian´skis Stück Wesele diente, welcher selbst wiederum eine Bauerntochter ehelichte: Jan Nowakowski: Wste˛p [Einleitung]. In: Stanisław Wispian´ski: Wesele [Die Hochzeit]. Wrocław 1994, S. LXXXVI–XCI. 676 Sacher-Masoch: Marzella, S. 511.

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In diesem ruthenischen Stratum der ostgalizischen Gesellschaft ist es vor allem der ruthenische Bauer, der – wie bereits herausgestellt – bei Sacher-Masoch als gesellschaftspolitischer Akteur eines neuen Zeitalters positioniert wird. Seit 1861 wurde beinahe die Hälfte aller Landtagsdeputierten von Bauern gewählt, wobei auch die Deputierten selbst zunehmend dem Bauernstande entsprangen.677 Dass sich Sacher-Masoch durchaus mit den politischen Entwicklungen Galiziens seiner Zeit beschäftigte, sieht man an seiner Thematisierung eben dieses neu entbrannten Kampfes um die Neubesetzung politischer Trägerfunktionen. Bei der Auseinandersetzung um das politische Mitbestimmungsrecht der bäuerlichen, im Falle Ostgaliziens ruthenischen Bevölkerung ging es vor allem um die Emanzipation der ruthenischen Bauernschaft von der politisch über sie bestimmenden Oberhoheit der Aristokratie (auch der natione Polonus gente Ruthenus). Im Zuge des Stimmenfangs unter den Bauern, dem die an Landtagsposten interessierten Adeligen realiter nicht selten mit physischer Gewalt und Bestechungsgeldern678 oder aber Wodka und ›Wahlwürsten‹679 nachzuhelfen wussten, agitiert bei Sacher-Masoch eine junge Frau für ein neues bäuerliches Selbstbestimmungsrecht. Sie fordert die Befreiung des Bauern aus seiner politischen Unmündigkeit und stellt die Entscheidungsgewalt der bisher über sie bestimmenden Pfarrer und Gutsbesitzer in Frage: »[….] und wenn ihr klug seid, wählt ihr auch euresgleichen. […] Wißt ihr, weshalb?« rief die resolute junge Bäuerin, »weil jeder andere mehr für sich denken wird als für uns! Einer denkt an sein Amt, der andere an eine bessere Pfarre. Der Bauer kommt aus dem Landtag zurück, um wieder Bauer zu sein, und spricht er dort von seinem Vorteil, spricht er zugleich für euch, denn sein Vorteil ist auch der eure. Wenn man euch aber sagt, ein Deputirter muss vieles wissen, was ein Bauer nicht weiß, so sage ich euch, das ist wahr, aber das, was euch am nächsten angeht, weiß doch keiner so wie er. Ich sage euch, wählt einen Bauern […].«680

Die Möglichkeit zu wählen konfrontierte die Bauern sehr schnell mit den Mechanismen modernen öffentlichen Lebens und regte zunehmend bäuerlich orientierte nationale Agitation an.681 In diesem Zusammenhang wurde der soziale Konflikt um Bauern (in Ostgalizien vor allem Ruthenen) und ihre ›ehemaligen‹ Herren (vor allem Polen) in der zweiten Jahrhunderthälfte deutlich in 677 Siehe Ostap Sereda: »Whom Shall We Be?«: Public Debates over the National Identity of Galician Ruthenians in the 1860s. Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Nr. 2, XLIX, 2001, S. 200–211, hier S. 205. 678 Vgl. John-Paul Himka: Socialism in Galicia. the Emergence of Polish Social Democracy and Ukrainian Radicalism (1860–1890). Cambridge/MA 1983, S. 123. 679 Vgl. Struve: Bauern und Nation in Galizien, S. 121 und Himka: Galician villagers, S. 153. 680 Leopold von Sacher-Maoch: Unser Deputierter [1877]. In: E. Schmalzriedt (Hg.): Mondnacht. Geschichten aus Galizien. München 1988, S. 276–301, hier S. 282. 681 Sereda: Whom Shall We Be?, S. 209.

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nationaler Hinsicht reformuliert.682 Ähnliche Hinweise auf das neu erwachte Bewusstsein der Ruthenen, besonders der Bauern sind auch in der Erzählung Sascha und Saschka zu finden683, so wie auch der Bauer Theofil aus Der neue Hiob letztendlich gar zum Deputierten in Wien aufsteigt und sein Dorf, bewusst Bauer geblieben, in den Idealzustand einer agrarromantisch-produktiven Idylle zwischen erdverbundenem Thymianduft und progressivem Dampfpflug führt. Die Selbstbehauptung der Bauern äußerte sich zudem in der Umgehung des polnisch dominierten Landtages in Lemberg ab 1861 durch direkte Adressierung des Kaisers in Wien. Die Entsendung von Delegationen zum Kaiser nach Wien bildete weiterhin ein Mittel, auf das die Bauerngemeinden große Hoffnungen setzten.684 Auch der bereits erwähnte Theofil Pisarenko bei SacherMasoch stellt mit Engagement ein Bauernparlament in Galizien auf die Beine, welches folgende Resolution nach Wien schickt: 1. 2. 3. 4.

»Theilung Galiziens in zwei Provinzen: eine östliche kleinrussische und westliche polnische.685 Revision der Landeswahlordnung zu Gunsten des Bauernstandes, welcher, obwohl der bei weitem zahlreichste, von 151 Vertretern nur 75 zu wählen hat. Eine Untersuchung der Operationen für Grundentlastung und Holzablöse. Lösung der Servitutenfrage.686

682 Siehe Struve: Bauern und Nation in Galizien. 683 »›Nun haben wir wieder einen neuen Deputirten zu wählen,‹ sagte sie nach einer Weile ›[…] ich denke, es ist gut, auch Bauern zu wählen, aber nur Einige, damit auch Leute da sind, die wissen, was dem Bauer noth thut. […] Ich aber würde solche wählen und vorziehen, die studirt haben, die im Auge haben, was uns Allen, dem Edelmanne wie dem Bauern und dem Städter nothwendig ist und nützlich, welche immer vorwärts gehen und jene, die nicht mit wollen, wie ein Kalb, was nicht von der Stelle will, am Stricke nachziehen, und gewaltsam fortschieben.‹« Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 52. 684 Vgl. Struve: Bauern und Nation in Galizien, S. 110–111; dies ist auch als verbreiteter Topos in der ukrainischen Literatur jener Zeit zu finden, siehe Stefan Simonek: Der »abstrakte Monarch« Kaiser Franz Joseph I. in der galizisch-ukrainischen Literatur der Jahrhundertwende. In: Leopold R. G. Decloedt (Hg.): An meine Völker. Die Literarisierung Franz Joseph I. Bern 1998, S. 237–254. 685 »Zur selben Zeit [1846 – S.W.] kam auch erstmals die Frage auf die Tagesordnung, inwiefern eine administrative Ost-West-Teilung Galiziens nach ethnischen Gesichtspunkten den österreichischen Interessen dienlich sein könne – eine Forderung, die 1848 zu einem der wichtigsten Punkte im politischen Programm der Ruthenen werden sollte, während der polnischen Seite eine Inkorporation des gesamten Galizien in eine wiederhergestellte polnische Republik vorschwebte.« Wendland: Westen des Ostens, Osten des Westens, S. 410. 686 »Mit der Grundentlastung von 1848 war zwar der zentrale Konfliktfaktor zwischen Bauern und Gutsherren beseitigt worden. Auf einem andren Feld verschärften sich dagegen die Spannungen, nämlich auf dem der Servituten. […] Nach der Aufhebung der Fronen verweigerten viele Güter den Bauern den Zugang zu den Wäldern und Weiden und nutzten dies als Mittel, die Bauern weiterhin zur Arbeit auf den Gütern zu bewegen. Holz und Weidemöglichkeiten, die für die Bauern lebensnotwendig waren, dienten nun als Entlohnung.«

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Aufhebung des gutsherrlichen Propinations-, Fischerei- und Mühlenrechtes. Uebertragung des Patronatsrechtes auf jene Körper, welche mit den Kosten für Pfarrer und Kirchen belastet sind. 7. Aufhebung der Bezirksvertretungen. 8. Gleichstellung der kleinrussischen Sprache mit der polnischen nach Artikel 69 der Staatsgrundgesetze. 9. Abgesonderte Rekrutierung der Juden, welche sich auf Kosten der Bauern der Militärpflicht zu entziehen wissen. 10. Einführung der Grundbücher für den bäuerlichen Besitz.«687 5. 6.

Diese Petition erinnert an jene Forderungen, welche der Hauptrat der Ruthenen (Holovna Rada Rus’ka) im Revolutionsjahr 1848 und den Jahren danach regelmäßig zur Debatte stellte, darunter die Teilung Galiziens, die Sprachengleichstellung und die Aufhebung der grundherrlichen Rechte. Diese Forderungen blieben jedoch in Variationen noch jahrzehntelang im Forderungskatalog aller politischen ruthenischen Repräsentanten. Sacher-Masoch schien diese Debatten, gemessen an dem Raum, den er ihnen in einigen Erzählungen zugesteht, durchaus mitverfolgt zu haben. Im Hinblick auf Sacher-Masochs Prophezeiung einer Umwälzung aus dem slawischen Osten, der Herbeizitierung der »politischen Mission und Aufgabe« der Ruthenen in Österreich sei daran erinnert, dass im Zuge der sozialistischen Bewegungen im ostslawischen Raum der Bauer vom stimmlosen Subalternen einer hegemonialen Elite zum politischen Akteur werden sollte – eine Rolle, welche in der Marx’schen bzw. Lassalle’schen Version dem europäischen Arbeiter zugefallen war : All das, was Lassalle über die Arbeiterklasse sagte, haben wir auf unsere Bauern übertragen, die für uns unseren ›entrechteten vierten Stand‹ verkörperten. […] Wir haben es gelesen und an die Stelle des Arbeiters den Bauern gesetzt, anstatt der westeuropäischen Bourgeoisie – unseren privilegierten Stand.688

Wo auf westlicher Seite die Bourgeoisie stand, setzten die Galizier ihren Landadel, wo das Proletariat stand, die Handwerker und Bauernschaft – so der ReStruve: Bauern und Nation in Galizien, S. 108. Zu den Servitutenkonflikten in Ostgalizien auch Himka: Galician villagers, S. 36–56; Andriy Zayarnyuk: Framing the Ukrainian Peasantry in Habsburg Galicia, 1846–1914. Toronto 2013, S. 194–270 sowie M.M. Kravec: Seljanstvo Schidnox Halycˇyny i Pivnicˇnox Bukovyny u druhox polovyni XIX.st. [Die Bauernschaft Ostgaliziens und der Nordbukowina in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts]. L’viv 1964. 687 Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 366. 688 »[…] SbV c_ , hc_ ýQbbQ\m T_S_aY\k _ a_R_hV]k b_b\_SwY `VaV^_bY\Y ^Q ^QiV [aVbcmp^bcS_, pS\piVVbp U\p ^Qbk ^QiY]k ›_RVXU_\V^^l]k hVcSVacl]k b_b\_SwV]k’. […] =l hYcQ\Y nc_, `_UbcQS\p\Y aQR_hQT_ [aVbcmp^Y^_]k, XQ`QU^_-VSa_`VZb[do RdaWdQXwo – ^QiY]k `aYSY\VTYa_SQ^^l]k b_b\_SwV]k […].« Vladimir Debogorij-Mokrievicˇ : Vospominanija [Erinnerungen]. Paris 1894, S. 14–15.

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volutionär und narodnik Debogorij-Mokrievicˇ (1848–1926) in seinen Erinnerungen. Durch den Mangel an Arbeiterschaft im wenig industrialisierten ostslawischen Raum fiel gemeinhin dem Bauern die Rolle des gesellschaftlichen Trägers des sozialistischen Ideals zu.689 Sacher-Masochs Auseinandersetzung mit der ruthenischen gromada, aber auch sein kommunaler Gesellschaftsentwurf eines Paradieses am Dniester sind eindeutig den vielfältigen gesellschaftlichen Visionen seiner Zeit geschuldet. Bei den Slawophilen verkörperte der Bauer geradezu die idealen Tugenden der ruralen Lebenswelt: Standhaftigkeit und Erdverbundenheit, Bekenntnis zur Gemeinde sowie Gottesfürchtigkeit.690 Diese Tendenz zu rückwärtsgewandter Agrarromantik691 als zivilisationskritischer Note ging Hand in Hand mit der Vorstellung vom slawischen Bauern als von potenziell enorm revolutionärer Kraft, geradezu als Akteur des Vorwärts – der slawische Bauer als sowohl Bollwerk der bestehenden Ordnung als auch (gefährliches) Subjekt revolutionären Aufbegehrens.692 Zahlreiche Erzählungen Sacher-Masochs thematisieren den Aufbruchswillen ostgalizischer Landbewohner in eine neue Gesellschaftsordnung, die Emanzipation des Bauern vom Robot-Los unter polnischer Hegemonialmacht und seine (Selbst-)Befreiung aus der eigenen Rückständigkeit – formuliert als ein Klassenkampf der Progressiven gegen die gesellschaftlichen Relikte und Ressentiments einer überholten Zeit. So überrascht ein Bauer mit folgenden Worten: »›Das ist freilich noch der Anfang, Herr Gnädiger, es drücken uns etwas die Steuern, es fehlt noch an Eisenbahnen, Straßen, Schulen.‹ Ich sah den Bauern erstaunt an. ›Aber man sagt,‹ bemerkte ich dann, ›daß Ihr die Schulen nicht sehr liebt.‹«693 Und wird prompt von ebendiesem Bauern berichtigt: »Ja, was da alles geredet wird und geschrieben, es ist bereits ungesund. Auch von der Eisenbahn. Wären Sie nur dabei gewesen, wie die Bahn nach Lemberg eröffnet wurde. Man sagte, die Bauern nennen das ein Höllenwerk. Das war aber unwahr.«694 Dieses »unwahre« Bild vom ruthenischen Bauern wird bei Sacher-Masoch ersetzt durch die Vision eines dem Fortschritt, den Neuerungen zugewandten Bauern, rehabilitiert durch die Schilderung politischer Selbstbestimmung, die Hand in Hand mit technischer Modernisierung geht. Der befragte Bauer resümiert seine Auslegung der ruthenisch-bäuerlichen Zukunft folgendermaßen: »Glauben Sie 689 Zu den vielfältigen Debatten und Konzepten hinsichtlich eines ›landesspezifischen Sozialismus‹, der unter russischen Intellektuellen ausgiebig diskutiert wurden, siehe Iver Neumann: Russia and the Idea of Europe: a study in identity and international relations. London 1996. 690 Vgl. Hughes: Misunderstanding the Russian Peasantry, S. 59. 691 Vgl. Klaus Bergmann: Agrarromantik und Großstadtfeindschaft. Meisenheim 1970. 692 Vgl. Hughes: Misunderstanding the Russian Peasantry, S. 59. 693 Sacher-Masoch: Erntefest, S. 60. 694 Ebda.

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solche Sachen nicht. Es wird noch weit anders werden, weit anders, Sie werden es wohl erleben, man soll nur der Gemeinde mehr Freiheit geben.«695 Es sind nicht nur politische Veränderungen, die den ruthenischen Bauern Nahrung für ihr erwachendes Selbstbewusstsein geben. Die Zukunftsträchtigkeit der Bauern beschränkt sich nicht auf den ausgehändigten Stimmzettel – nein, der als abergläubisch belächelte Bauer verschreibt sich auch der neuen Religion der technischen Modernisierung. Der als misstrauisch kolportierte ruthenische Bauer lässt sich bekehren zu Dampf und Elektrizität. Modernisierung bedingt soziale Ausdifferenzierung nicht nur im Hinblick auf traditionelle Gesellschaftsordnungen, sondern auch hinsichtlich der Entwicklungsmöglichkeiten, welche das neue Selbstbewusstsein eines Standes mit sich bringt. Der Bauer Tschornoschenko aus der Novelle Marzella etwa lässt sich widerwillig aber doch über die Vorteile des Dampfflugs aufklären696, nach anfänglichen Zweifeln besingt er seinen Wohltäter bezüglich der segensreichen Erfindungen der Moderne: »Ich denke, Sie haben die wahre Religion«.697 Fortschritt und Modernisierung, Eisenbahn und Dampfpflug werden einer neuen Religion gleichgesetzt, ein Gedanke, der hier irgendwo zwischen bäuerlichem Gottvertrauen und sozialistisch sakralisierter Vorwärts-Losung angesiedelt ist. Der aufklärende Prophet selbst relativiert beschwichtigend: »Es sind ja nicht meine Ideen, es sind die Ideen der Zeit.«698 Wo alle Fortschrittsideen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ihrer ganzen Bandbreite so sattsam aufgereiht werden, darf natürlich auch Darwin nicht fehlen.699 Wurde vordem die Dampfmaschine zur neuen Religion erklärt, lässt sich auch die Bauerntochter Marzella zu einem neuen Glaubensbekenntnis hinreißen, indem sie nach der Lektüre Darwins700 freudig ein Hohelied auf das Bahnbrechende des 19. Jahrhunderts anstimmt: »Ich mindestens finde das Ebenbild Gottes […] weit weniger erhebend als den Affen, der es aus eigener 695 Ebda., S. 61. 696 Während der Bauer Theofil Pisarenko eine solche Erfindung, von der er nichts weiß, als Notwendigkeit imaginiert, vgl. Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 363. 697 Sacher-Masoch: Marzella, S. 456. 698 Ebda., S. 478. 699 Sacher-Masoch meint im Vorwort zum zweiten Teil seines Vermächtnis: »Mein ›Vermächtniß Kains‹ wird erst dann eine volle und allgemeine Geltung haben, wenn die Lehren Schopenhauers und Darwins vollständig gesiegt haben.« Sacher-Masoch: Vorwort zu Vermächtnis, S. 28; siehe auch Peter Sprengel: Darwin in der Poesie. Spuren der Evolutionslehre in der deutschsprachigen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Würzburg 1998, S. 47–69; Christian Stadler : Darwinistische Beweisführung und experimentelle Verifizierung. Der Idealrealismus in Sacher-Masochs »Das Vermächtnis Kains« und »Die vier Temperamente«. Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft. Nr. 1, Jg. XL, 2009, S. 47–65; sowie Hanna Engelmeier: Der Mensch, der Affe: Anthropologie und DarwinRezeption in Deutschland 1850–1900. Köln 2016. 700 Vgl. auch Frau von Soldan, die Darwin und Buckle liest statt Frauenromane.

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Kraft zu der Dampfmaschine, dem elektrischen Telegraphen und dem Goethe’schen Faust gebracht hat.«701 Diese Neuerungen werden in Sacher-Masochs Erzählungen als Auftrag und politische Pflicht auch an die neuen ruthenischen Abgeordneten herangetragen, was sich geradezu zu einem Plädoyer für die progressiven Bedürfnisse und aufgeweckten Erwartungen des angeblich rückständigen ruthenischen Bauern auswächst: »Es fehlt uns in diesem armen Lande vorzüglich an Schulen, wenn erst jeder Bauer lesen, schreiben und rechnen könnte, wäre es schon bei weitem besser. Aber dies scheint mir nicht genug. Unser Deputirter soll auch dafür sprechen, da dem Volke noch andere Dinge gelehrt werden, die Landwirtschaft, der Gang der Gestirne, die Entstehung unserer Erde, des Gewitters, des Hagels, auch soll von der Dampfmaschine die Rede sein, von der Eisenbahn, dem Telegraphen und diesen Dingen, von den Gesetzen und Rechten, was man im Leben so braucht, auch von den Geschichten unserer Vorfahren.«702

(Rurale) Selbstfindungen und -verortungen Jedoch beschränkte sich der Prozess (nationaler) Identitätsfindung nicht nur auf den um neues Selbstbewusstsein ringenden ruthenischen Bauern. Eine schmale Schicht innerhalb des ostgalizischen Landadels, welche sich zwar wohl als gente Ruthenus, von ruthenischer Abkunft, verstand, sich jedoch vielmehr mit dem Polentum (natione Polonus) identifizierte, sah Zeiten neu zu besetzender Identitäten herankommen. Bis dahin war die Bildungssprache meist Polnisch, da die ruthenische Volkssprache (rus’ka mova) lediglich als Sprache der Bauern, Dienstboten und Ungebildeten wahrgenommen wurde. Als Aristokrat hatte man 701 Sacher-Masoch: Marzella, S. 490. Vgl. auch der kleirussische Pfarrer aus Das Testament, der sich keine eigenen Bücher leisten kann und sich deshalb seine eigene Bibliothek abschreibt: »Ich nahm einen Band aus der Reihe, schlug den Deckel auf und sah zu meiner Ueberraschung einen schön geschriebenen Titel: Geschichte der Civilisation in England von H.Th. Buckle. Ich blätterte in dem Band und sah, daß Alles Handschrift war, ebenso ein zweiter, dritter, zehnter Band, den ich besah. Hier standen alle jene Werke großer Geister, denen die Menschheit ihre Fortschritte verdankt, hier fehlte weder Plato noch Voltaire, weder Cervantes noch Schopenhauer oder Darwin, aber alle von der Hand des guten verständigen Pfarrers geschrieben, der die Wahrheit, die Wissenschaft, die Poesie, so innig liebte, mit einem kindlichen Herzen, wie es sich nur noch in der Wildniß unseres Landes findet. […] Wir blieben alle sprachlos.« Sacher-Masoch: Testament, S. 236. Siehe auch Werner Michler : Darwinismus und Literatur. Naturwissenschaftliche und literarische Intelligenz in Österreich, 1859–1914. Wien 1999, S. 129: »Mit seiner Darwin-Berufung ist Sacher-Masoch in den sechziger und siebziger Jahren kein großes Risiko eingegangen, er hat sich vielmehr in ein Feld legitimer Dissidenz eingeschrieben.« 702 Sacher-Masoch: Das Volksgericht, S. 63; dies findet seine Parallele bzw. Erfüllung in Zenons Tätigkeit im Paradies am Dniester.

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sich Polnisch zu fühlen703, keineswegs war man gewillt, sich mit der Bauernschaft zu solidarisieren. Als sich im Zuge der Erstarkung der ruthenischen Nationalbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts öffentliche Debatten um (politische) Zugehörigkeiten und Nationalbewusstsein verstärkten, und die ruthenischen Bauern sich zudem als ernstzunehmende Wählerschaft etablierten, begann man unter dieser ruthenischen Kleinaristokratie an einer Neuorientierung in Sachen Nationalbewusstsein zu arbeiten – ein innergalizisches Phänomen, das auch im Prozess des Zerfalls alter Klassenidentiäten gesehen werden muss.704 Der bäuerliche Wähler wollte sich im Lemberger Landtag gut vertreten sehen – um diese Stimmen galt es jetzt zu buhlen. Die Zeit schien reif für einen Neuentwurf ›nationaler Identität‹. Mit einer Art Rückbesinnung begannen die polonisierten Ruthenen an ihrer politischen Repräsentationskraft zu feilen.705 Auch unter den Sacher-Masoch’schen belletristischen gente Rutheni witterte man mit dem ruthenischen Bauern als neuem Wähler einen erweiterten politischen Aktionsradius und damit Anwendungsraum für einen neu zu definierenden Selbstbestimmungskurs abseits eines nur angeeigneten Polentums. Jeodch beschäftigt sich Sacher-Masochs belletristische Darstellung ruthenischer identitärer Neuorientierungen in Ostgalizien teilweise höchst ironisch mit den zweifelhaften Prozessen nationaler Selbstfindung bzw. nationaler Neuerfindung. Als in jenem Jahre [1848 – S.W.] der Bauer seine Freiheit erlangte und die russischen706 Nationalität in Galizien zu neuem Leben erwachte, da begann auch Herr Wasyl russische Zeitungen zu halten, russische Bücher zu kaufen, seinen Töchtern Jacken nach russischem Schnitte machen zu lassen, mit den Polen französisch zu sprechen, in der

703 »In the 18th and early 19th centuries Galician Ruthenian identity was a part of the hierarchy of multiple loyalities that usually also included affiliation to Polish high culture and history.« Sereda: Whom Shall We Be?, S. 201. 704 Siehe Mar’jan Mudryj: Ideja pol’s’ko-ukraxns’kox unix ta »rusyny pol’s’kox nacix« v etnopolitycˇnomu dyskursi Halycˇyny 1859–1869 rokiv [Die Idee einer polnisch-ukrainischen Union sowie »Ruthenen natione Polonus« im ethnopolitischen Diskurs Galiziens der Jahre 1859–1869]. Visnyk L’vivs’koho universytetu. Serija istorycˇna. Nr. 39–40, 2005, S. 83–148. Himka setzt die Involvierung der gente Rutheni in die ukrainische Nationalbewegung Ostgaliziens dagegen sehr spät an: »With whom would these amphibians [gente Ruthenus, natione Polonus – S.W.] side in the national rivalry in late-nineteenth-century Galicia? For the mid-1880s, the answer, in general, was: with the Polish nobility and against the Ukrainian national movement. This circumstance demonstrates how crucial the feudal era was in determining the political alignments of the post-emancipation period.« Himka: Galician villagers, S. 213. 705 Siehe Mar’jan Mudryj: »Rusyny pol’s’kox nacix« v Halycˇyni XIX st. i ponjattja »vitcˇyzni« [»gente Ruthenus natione Polonus« im Galizien des 19. Jahrhunderts und die Bedeutung von »Vaterland«]. Ukraxna: kul’turna spadsˇcˇyna, nacional’na svidomist’, derzˇavnist’. Nr. 15, 2006–2007, S. 461–474. 706 Hier im Sinne von rus’kyj/ruthenisch.

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Unterredung mit Bauern stets Phrasen wie: »wir Brüder,« »wir Landsleute,« fallen zu lassen und jeden mit seinem »bleib gesund!« zu grüßen.707

Nationalbewusstsein rückt hier in die Nähe von politischem Opportunismus, nationales Bekenntnis wird als Auslotung von Karriereoptionen enttarnt, die plötzlich grassierende chłopomania reflektiert lediglich die Witterung von Wahlkampfchancen. Die Anbiederung des Aristokraten an seine neu entdeckte ruthenische (bäuerliche) Nation wirkt umso komischer, als Sacher-Masoch als Erzähler mit seinen zahlreichen altklugen Fußnoten in der Mode populärwissenschaftlich-ethnographischer Schriften ähnlich auftritt – etwa bei der Erläuterung bäuerlicher Grußformeln. Bei der oben geschilderten plötzlichen Abgrenzung vom polnischen Landadel spielt jedoch vor allem die Erkenntnis eine Rolle, als gente Ruthenus unter den Polen letztendlich doch nie als seinesgleichen angesehen worden zu sein, damit verbunden ist aber auch ein politischer Ehrgeiz, der im Bewusstsein eines neuen bäuerlichen Wählerpotenzials entstand. Eine adelige Dame etwa entflammt im Zuge anstehender Landtagswahlen708 für die Sache der Ruthenen und beschließt umgehend ihre nationale Neuerfindung und damit auch politische Karriere, indem sie ihren Mann überredet: »Erinnern wir uns doch, daß wir Abkömmlinge der alten Bojaren sind, die in Halitsch den Thron des Zaren umgaben,709« fuhr sie fort, »wozu sich mit den polnischen Edelleuten verbrüdern, die uns doch nie als ihresgleichen ansehen; kehren wir zu unserem Volk zurück, ich bin gewiß, daß dich die Bauern zum Deputirten wählen.« »Wie Du glaubst.« »Versuch’ Dich populär zu machen, Alter […].«710

Die Dame erreicht, was sie will, darf sich bald Gattin eines ruthenischen Abgeordneten nennen711 und brilliert als Salondame und Brennpunkt ruthenischen Parteilebens – etwas, was ihr als ›verkleidete‹ Polin nie vergönnt war.712 Sacher-Masoch weiß die Problematik nationaler Neudefinition713 recht

707 Sacher-Masoch: Erntefest, S. 51. 708 »Es war ein Eismonat eines strengen galizischen Winters, als in dem Bezirk von Horodenko die Wahl eines Deputirten für den Landtag ausgeschrieben wurde. Sofort bildeten die verschiedenen politischen Parteien ihre Komitees, zuerst die Polen.« Sacher-Maoch: Unser Deputierter, S. 55. 709 Sacher-Masochs historische Zitate sind stets mit Vorsicht zu genießen. 710 Sacher-Masoch: Im Schlitten, S. 295. 711 Ebda., S. 299. 712 »Ludmilla war schön und geistreich, alle Welt huldigte ihr, aber dies befriedigte ihren Ehrgeiz nicht, sie wollte als echte galizischen Dame ihre Rolle auf der politischen Bühne spielen und begann damit, daß sie ihren Mann / tout prix zum Deputirten machen wollte.« ebda., S. 292. 713 Dazu siehe John-Paul Himka: The Construction of Nationality in Galician Rus’: Icarian

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amüsant zu schildern, wenn im Schnellverfahren national-identitäre Versatzstücke als traditionsbewusstes Nationalerbe angeeignet werden. So musste die bisher mit Naserümpfen vernommene rus’ka mova als ernstzunehmende Kommunikationssprache für einen gebildeten Stand, als neue »Muttersprache« erst geschaffen und gelernt werden, was auch an Sacher-Masochs Figuren nicht vorüberging: »Sind wir nicht russischer Abkunft?« erwiderte sie, »ebenso gut wie unsere Familie unter polnischer Herrschaft polnische geworden sind, können wir jetzt, wo die russische Nationalität in Galizien so kräftig aufblüht, wieder Russen werden. Ja, Kamil, du sollst der erste sein, welcher zu der Sprache seiner Väter zurückkehrt,« Herr Kamil kratzte sich am Kopf. »Aber ich kann ja die Sprache meiner Väter gar nicht.« »Das tut nichts«, entgegnete das Komitee [die Dame des Hauses – S.W.] siegesgewiß. »Ich verschreibe dir heute noch ein russisches ABC-Buch, einen Sprachenlehrer und ein Wörterbuch in Lemberg, du gehst fortan als Kosak herum, ich in einer russischen Mütze, wir wünschen jedem, daß er gesund bleibt714 und deiner Wahl steht kein Hindernis mehr im Weg.«715

So einfach geht der Identitätswechsel von statten, so simpel lässt sich Nationalität schaffen. Anhand dieses Ehepaars führt Sacher-Masoch die Konstruiertheit von Nation vor Augen, indem sich der Prozess der Nationalisierung bei ihm letztendlich als Verkleidungsmanöver entblößt, welches das Subjekt willkürlich Identitäten annehmen lässt, von denen es sich letztlich beliebig zu- oder abwenden kann. Der Tausch der Nationalität bezieht sich also unter anderem auf den Wechsel der Sprache, die immerhin erlernbar bleibt. Die Neuerfindung, die hier stattfindet, reflektiert jedoch weitere Konsequenzen einer Neudeutung der eigenen (nationalen) Identität. Anhand dieser Erzählung werden die klassischen Schritte von Nationsbildungsprozessen aufgezeigt, die aufgrund ihrer offensichtlichen Manipulierbarkeit als gleichsam karnevalistisches Beliebigkeitsstück inszeniert werden. Von einem anderen Paar, den Augustinowitschs, handelt die Erzählung Im Schlitten. Ein Schneesturm verschlägt das Paar in eine Schenke, wo es das Sonntagsidyll tanzender ruthenischer Jugend erlebt.716 In Folge dieser ›Natio-

Flights in Almost All Directions. In: Ronald G. Suny, Michael D. Kennedy (Hg.): Intellectuals and the Articulation of the Nation. Ann Arbor 1999, S. 109–164. 714 Sacher-Masochs Fußnote: »›Zdorowbude‹ – ›Bleibt gesund‹, ist der kleinrussische Gruß.« 715 Sacher-Maoch: Unser Deputierter, S. 280. Sacher-Masoch bezeichnet mit »russisch« meist »ruthenisch«, hier im Kontext der Abgrenzung von der bisherigen Polonisierung impliziert dies in erster Linie »nicht-polnisch«. 716 »Herr Augustinowitsch hob seine Gemahlin aus dem Schlitten und beide traten, vom dem Branntweinpächter Aaron Malkes mit den drolligsten Complimenten empfangen, in die große Schänkstube, die mit Bauern und Bäuerinnen in schweren Stiefeln und Schafspelzen,

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nalbewusstseinskatharsis‹ wird eine abrupte Neudeutung der eigenen Geschichte betrieben, die nicht nur die Anbetung neuer nationalhistorisch markanter Ereignisse betrifft, sondern auch die Ausmusterung bisheriger Helden und die Ernennung neuer Größen zur Folge hat. Die Porträts der polnischen Würdenträger Sobieski, Poniatowski und Bem »[wandern] in die Rumpelkammer«717, dagegen zieren nun Großfürstin Olga von Kiev, Leo von Halitsch und der von Sacher-Masoch verehrte »Erzbischof und Bauernführer Litwinowicz« die Wände. Auch die Literaturgeschichte wird gemäß dem klassischen Nationalisierungsprozedere neu geschrieben, und statt dem polnischen Nationaldichter Mickiewicz huldigt man nun Gogol’ und Sˇevcˇenko, worauf eine Revision der Hausbibliothek folgt, aus welcher man Konrad Wallenrod sowie Jermola der Töpfer (eine Erzählung des polnischen Volksdichters Jozef Kraszewskis) ausmistet, um nun mit dem Igorlied sowie den Toten Seelen die Tische seines ›echt ruthenischen‹ Salons zu schmücken. Die so munter betriebene kulturelle Neuerfindung auf der Welle nationaler Euphorie macht auch vor dem Piano nicht halt, welches nun ausschließlich mit »kleinrussische[n] Lieder[n], Dumkas und Kolomijkas«718 traktiert wird. Sacher-Masoch war der Idee einer nationalen (Rück-)Besinnung des polonisierten ruthenischen Landadels in Ostgalizien gewiss nicht abgeneigt, schien sie gar notwendig zu finden für die Etablierung eines nationalen Bewusstseins einer ›ruthenischen Nation‹. Dennoch kann nicht übersehen werden, dass der Autor diese Austauschbarkeit von Identitäten, ihre Manipulierbarkeit und dadurch auch Brüchigkeit bzw. möglicherweise sogar die Unhaltbarkeit nationaler Ausrichtungen mit Ironie betrachtete und erzählerisch mit großem Amüsement wiederzugeben wusste. Die flotte Neuschreibung der eigenen Geschichte, die Neujustierung der Hausbibliothek und die Revision der Gästeliste werden als folkloristisch-populistisches Spektakel enttarnt. Am deutlichsten zeigt sich das an dem von Sacher-Masoch so gerne herangezogenen und in diesem Nationalisierungskontext recht aktuell wirkenden Kostümwechsel. Mit dem Wechsel der Kleidung wird der Wechsel der nationalen Ideologie vollzogen. Mit dem Tausch seidener Roben aus Paris gegen den bäuerlichbunten Rock der Ruthenen ist der Schritt vom aristokratischen Polentum zum bauernverhafteten Ruthenentum getan. So stattgefunden auch im Hause Augustinowtisch: […] und Alles ging im Hause im Kosakenanzug umher, die Diener, welche bisher das Krakusencostüm getragen hatten, Herr Augustinowitsch, die Kinder, vor Allem aber Tabaksqualm und wirbelndem Staub angefüllt war und in der fünf jüdische Musikanten eben eine Mazur spielten.« Sacher-Masoch: Im Schlitten, S. 294. 717 Ebda., S. 298. 718 Ebda.

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Ludmilla selbst, der die rothen Stiefel mit klingenden silbernen Absätzen, der kurze seidene Rock, die sammtene, mit Pelz besetzte, ärmellose Kosakenjacke, welche ihre schönen, vollen Arme sehen ließ, und die langen fliegenden Zöpfe einen neuen Reiz verliehen.719

Rollen kann man wechseln wie im Theater – die »Rolle«, die Frau Augustinowitsch »als eine echte galizische Dame […] auf der politischen Bühne spielen«720 wollte, glückt mit dem Überstreifen eines neuen Kostüms, das vor allem »neuen Reiz« verspricht – ein nicht zu unterschätzender Aspekt in Sacher-Masochs galizischem Theater.721 Die polnische Aristokratie ist pass8, stattdessen umgibt man sich neuerdings mit Vertretern der neu zu begründenden Nation. »Statt der polnischen Edelleute waren jetzt kleinrussische Pfarrer, Kirchensänger, Lehrer und Bauern die täglichen Gäste in Koschowize.«722 So stellte Sacher-Masoch die Manöver der gente Rutheni in der habsburgischen Nationalitätenpolitikarena zwischen polnischer Hegemonialtradition und ruthenischem Frühling dar. Der als Ruthene national neu etablierte Gutsbesitzer723 kann sich seines Erfolges und mit dem Wechsel seines Kostüms auch der Zuneigung seines neuen Publikums sicher sein, wie in einer anderen Erzählung deutlich gemacht wird. »Gehen Sie nicht zu weit vom Hause, Bruder,« sagte er bedächtig, »die Bauern werden heute mit der Ernte fertig, dann feiern wir heute Abend noch das Erntefest, ja, sie kommen alle herauf, das ganze Dorf, das Volk hat so ein Attachement an unsereins, weil man zu ihm gehört, drüben bei dem polnischen Nachbar, da kommt niemand mehr zum Erntefest, als die bezahlten Schnitter.«724

Das hier gepriesene »Attachement« der treuen einfachen Bauern zu ihrem Gutsherrn von ›ruthenischem Bekenntnis‹ erinnert nur zu sehr an Sacher-Masochs eigene paternalistische Selbstpositionierung gegenüber den ruthenischen ›Eingeborenen‹. Der meist semiautobiographische Erzähler Leopold725 oder Herr Sacher726 betont nicht ungern, dass sich so mancher ›edle Wilde‹ plötzlich vom Raubein zum Gentleman wandelt, sobald der magische Name Sacher fällt.727 719 720 721 722 723

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Ebda., S. 298. Ebda., S. 292. Siehe auch Kapitel 3. Sacher-Masoch: Im Schlitten. Auch Mihael aus Mondnacht gibt sich von Anfang an rural-ruthenisch-arbeitsam: »Im Frühjahr gründete er mit mehreren russischen Gutsbesitzern einen ökonomischen Klub und nahm eine Reihe von Verbesserungen auf seinem Gut vor, hielt mehrere Zeitungen, kaufte viel Bücher, begann die Bauern an sich zu ziehen und besuchte Dorfschenken, da er daran dachte, sich in den Landtag wählen zu lassen.« Sacher-Masoch: Mondnacht, S. 36. Sacher-Masoch: Erntefest, S. 50–51. Vgl. Mondnacht. Vgl. Hajdamak. So in der Erzählung Der Hajdamak: »In dem Augenblicke wo mein Name an das Ohr des

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Nicht nur tendieren ruthenische Adelige bei Sacher-Masoch dazu, sich mit einem gewissen Verbrüderungsgestus unters Volk zu mischen, um sich mit der Pflege verfeinerter Folklore auf Stimmenfang zu begeben. So mancher der portraitierten Aristokraten wagt ganz buchstäblich den Schritt ins Volk. Bei Sacher-Masoch lassen sich durchaus Anklänge an populistische Strömungen im Russland der 70er Jahre (narodnicˇestvo)728 (weniger vom späteren galizischen narodovstvo, das sich vor allem als Gegenbewegung zur lokalen russophilen Strömung verstand) finden, als sich ein philanthropischer Kreis von Intellektuellen verstärkt der Volkskultur zuwandte, wobei die ursprünglich volksaufklärerischen Anliegen besonders in Russland auch eine idealisierende, romantisch-religiös verbrämte Hinwendung zum einfachen Volk mit einschlossen. Der Bauer als neuer (auch nationaler) Zukunftsträger bedarf auch der Vorbereitung auf seine Rolle als selbstverantwortliches Subjekt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden sich Intellektuelle gerade im slawischen Raum zunehmend ihrer Verantwortung für das ›Volk‹ bewusst, zuerst für die Notwendigkeit, Interesse für volkstümliche Kultur zu wecken729, wie man sich ja bereits im Kontext der Romantik bemühte, Literatur und Volkspoesie als Ausdruck nationalen Geistes zu sehen und darüber auch soziale Anliegen zu transportieren – zu welchen sich anschließend auch sozialistische gesellten. Zahlreiche Intellektuelle gingen in die Dörfer, um das Volk zu ›erwecken‹ bzw. zu ›erziehen‹ und/oder sozialistische Gefühle zu stimulieren.730 Der Bauer im ostslawischen alten Räubers schlug […] von dem Augenblicke war er wie verwandelt.« Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 13. 728 Wobei der den narodniki nahestehende russische Literaturkritiker Michajlovskij, welcher 1877 eine ausführliche Rezension zu Sacher-Masoch verfasst hatte, feststellte, dass es sich bei Sacher-Masoch um einen west- bzw. mitteleuropäischen, deutschsprachigen, in der deutschen philosophischen und literarischen Tradition, vor allem in der Philosophie Schopenhauers, Eduard von Hartmanns und in der deutschen Romantik, verwurzelten Autor handelt. Sacher-Masochs ethnographisches Interesse sei nichts ›Slawisches‹, als vielmehr ein genuin österreichisches Spezifikum. Michajlovskij: Palka; siehe auch Polubojarinova: Sacher-Masoch in Russland, S.108. Jedoch lassen sich in Sacher-Masochs Roman Die Satten und die Hungrigen, der in Russland spielt, deutlich Anklänge an die narodnicˇestvo-Bewegung finden. Unter anderem werden in diesem Roman die von russischen Sozialisten und narodniki als Zeichen der Unzufriedenheit organisierten Pogrome 1881 thematisiert; siehe auch Irwin Michael Aronson: Troubled Waters: Origins of the 1881 Anti-Jewish Pogroms in Russia. Pittsburgh 1990. 729 Siehe Svjatoslav Pacholkiv : Emanzipation durch Bildung: Entwicklung und gesellschaftliche Rolle der ukrainischen Intelligenz im habsburgischen Galizien (1890–1914). Wien 2002, Kapitel »Ein Volk auf dem Weg zu sich selbst«, S. 65. 730 Richard Pipes: »Narodnichestvo«: A Semantic Inquiry. Slavic Review. Nr. 23, 1964, S. 441–458, hier S. 443. Vgl. auch Prinzessin Vilia aus Die Satten und die Hungrigen, die aus ihrem Schloss flieht und als Lehrerin im Dorf arbeitet: »Hier erfuhr er [der Fürst – S.W.] bald, daß wirklich eine neue Lehrerin in der dortigen Dorfschule Unterricht erteile und daß sie bei dem Bauer Platon Sassar wohne. […] Es währte wirklich nicht lange, so wurde die Türe geöffnet und Vilia in den Kleidern einer russischen Bäuerin, trat herein, eine Tasche

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Raum war ja von vielen zum Pendant des westlichen Arbeiters erkoren worden. Das ›Gehen ins Volk‹731 kann verstanden werden als Enthusiasmus revolutionärer Intellektueller, die Botschaft von einer neuen Gesellschaft durch Aufklärung und sozialistische Agitation persönlich unters (russische) Volk zu bringen. Dazu berief man sich auch hier wieder auf deren kommunalen Sinn, der Slawen vermuteter ›Instinkt zur Urdemokratie‹, den es zu wecken galt.732 In Russland etwa bekannten sich mit der narodnicˇestvo-Bewegung von 1873/74 zahlreiche Intellektuelle zu der Notwendigkeit, sich mit der Realität des russischen Lebens zu beschäftigen733und eine Verbindung zwischen radikaler Intelligenz und den Bauernmassen herzustellen. Auch der ukrainische Sozialist Drahomanov orientierte sich an jener Vorläuferströmung politischer Agitation auf russischer Seite, bevor er sie auf die ukrainischen Bauern anwandte. Die Politik der jungen sozialistischen Bewegung war es, aufklärerische Bildungsideen ins Volk zu tragen. Drahomanov etwa propagierte nicht allein die Sensibilisierung der Bauern für sozialistisches Gedankengut, sondern beharrte auch auf der Notwendigkeit, die Bauern in Spezialfächern zur Agronomie, Medizin und in anderem nützlichen Wissen zu unterrichten.734 Unter den russischen narodniki dagegen war man u. a. bestrebt, Widerstand gegen die Regierung im Namen alltäglicher Bedürfnisse zu propagieren.735 Bei Sacher-Masochs Version des »Ins-Volk-Gehens«

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mit Büchern und Schriften unter dem Arm.« Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, Bd. 2, S. 62–63. idti v narod, chozˇdenie v narod. Siehe Pipes: Narodnichestvo: »from peasant commune directly to socialism«, S. 441. In den 1880ern erscheinen zahlreiche zentrale Texte Sacher-Masochs in Übersetzung sowie Buchbesprechungen in der bekannten russischen Zeitschrift Delo, welche der NarodnikiBewegung nahestand. Das Volksgericht als Beispiel für Volkgerechtigkeit und bäuerlicher Selbstverwaltung, wie auch Der Hajdamak, Gaidamak. In: Delo 1876, Oktober, S. 215–261; Krestjanskij sud. In: Delo 1876 , November, S. 21–269; Zˇenit’ba Valerjana Kosˇanskogo. Povest’. In: Delo 18, Januar, S. 186–218 (wahrscheinlich aus dem Französischen auf Grundlage des in der Revue des deux Mondes am 15. Mai 1875 publizierten Textes); siehe hierzu Polubojarinova: Sacher-Masoch in Russland, S. 104. Oleksander Mytziuk: Die politischen und sozialökonomischen Anschauungen Drahomanivs. Jahrbücher für Geschichte und Kultur der Slaven. Bd. 11, H.2, 1935, S. 283–301, hier S. 297. Auch bei Sacher-Masoch: »Fragen Sie einmal die Frauen und Mädchen des russischen Landadels, ob es – wenn man mitten im Volke lebt – nichts zu thun giebt. Diese Damen, deren Mütter nichts kannten, als einen wohlbesetzten Tisch, Toilette, Anbeter und höchstens seichte Lektüre – welche ihre Leibeigenen mit kaltem Blute peitschen ließen, oder wohl auch ab und zu selbst peitschen haben angefangen, da es an Volksschulen fehlt, selbst die Kinder der Bauern zu unterrichten, und da es auch nicht minder an Arzten fehlt, die Universitäten zu besuchen, medizinische Studien zu machen und die Sorge für Sanitätsanstalten auf dem flachen Lande auf sich zu nehmen. […] Können Sie sich […] einen schöneren Beruf des Weibes denken, als jenen, Arzt und Lehrer des niederen Volkes, dieser letzten Basis der Gesellschaft zu sein?« Sacher-Masoch: Schlittenfahrt, hier S. 89–90. Siehe Daniel Field: Peasants and Propagandists in the Russian Movement to the People of 1874. In: The Journal of Modern History, Bd. 59, Nr. 3 (Sept. 1987), S. 415–438. Vgl. bei Sacher-Masoch: »Er sprach gerade von der Taktik, die man den Bauern gegenüber einzu-

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kommt es zu einer kruden Mischung von zweifelhafter aristokratischer Bauernsolidarität und naturwissenschaftlicher Aufklärungsmission. Die realutopische Novelle Das Paradies am Dniester erzählt vom jungen Ruthenen Zenon Miroslawski, dem wohlbehüteten einzigen Sohn wohlhabender wie wohlwollender Eltern, die den jungen Mann auf ihrem ostgalizischen Anwesen wie in einem Elfenbeinturm unbehelligt von den Widrigkeiten der Außenwelt und gesellschaftlichen Fragen aufwachsen lassen. Die Initialzündung zu seinem gegen soziale Missstände aufbegehrenden, revolutionären Projekt beginnt, als er sich damit konfrontiert sieht, wie die einfache bäuerliche Bevölkerung unter der Willkür und Despotie der (vor allem polnischen) Grundbesitzer leidet. Nachdem er in seinem hortus conclusus unvermutet auf eine brotlos gewordene, weil von ihrem Herrn verstoßene Bauernfamilie trifft, erkennt er die Notwendigkeit ›unters Volk zu gehen‹, um dieses zu ›erleuchten‹. Diese Entscheidung vollzieht sich folgendermaßen: »Ich muss Bauernkleider haben und einen guten Stock. Mehr brauche ich nicht.« […] Zenon kleidete sich mit Hülfe seines Vaters rasch um und als er endlich in den hohen schwarzen Stiefeln, den weiten groben Tuchhosen, dem groben Hemde, das um die Taille von einem schwarzen Ledergürtel umspannt über diesen hinabfiel und dem Sierack von grauem ungeschorenen Tuch, die schwarze Lammfellmütze auf dem Kopf, den Stock in der Hand, vor ihm stand, konnte sich Pan Miroslawski durchaus nicht beherrschen, er lächelte, drehte seinen Schnurrbart und sagte endlich: »Ich möchte die Bauernmädchen sehen, wie sie Dir nachlaufen werden.[…]«736

Das ›Ins-Volk-Gehen‹ misst sich hier, wie so oft bei Sacher-Masoch737, an der Zeremonie der Verkleidung und es hat den Anschein, als wäre der Akt der Kostümierung der vergnügliche Höhepunkt der eigentlichen Absicht, als wäre das wahre Wesen der sozialagitatorischen Neuorientierung die eitle Selbstbespiegelung in einer neuen Rolle.738 Eine Beobachtung, die sich mit tatsächlichen Wahrnehmungen jenes realen Phänomens decken. Denn den narodniki, enthusiastischen Intellektuellen, welche sich um jeden Preis als Teil des Volkes

schlagen hätte, man müsse ihnen, da sie nun doch einmal an dem Zaren hängen, sagen, der selbe befände sich in Petersburg in einer Art Gefangenschaft und es gälte, auch ihn aus den Händen des Adels und der Hofleute zu befreien; […] Das Klügste wäre, immer nur gegen jene vorzugehen, welche zwischen Zar und Volk Ständen. Wenn erst das Volk die Waffen ergriffen habe, wie zur Zeit des großen Rebellen Pugatschew, dann werde man nötigenfalls auch mit dem Zaren fertig werden.« Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, Bd. 2, S. 128–129. 736 Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 13. 737 Siehe die Rückbesinnung der gente Rutheni aus Im Schlitten. 738 Übrigens liest sich die Erzählung vom »Der Edelmann als Bauer« wie die Spiegelgeschichte von Pusˇkins Barysˇnja-Krest’janka.

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sehen wollten, wurde von Seiten der Bauern meist mit Misstrauen begegnet, die Solidarisierung dieser Idealisten als Verkleidung empfunden.739 Die agitatorischen Passagen (in Sacher-Masochs gesamtem Werk) lesen sich meist wie Ratgeber für habsburgische Toleranzedikte oder aber Handbücher der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der Zeit. Zenon etwa zitiert und doziert die Gleichstellungspatente von 1848 und gibt seiner späteren Braut Humboldt zu lesen. Er geht als aufklärender Prophet unter dem Volke und setzt an die Stelle märchenhafter Angstfiguren und phantastischer Naturereignisse bei den Bauern rationale Gewissheiten aus Meteorologie und Agronomie. Mehrere solcher allzu vorbildlicher Gestalten geistern durch Sacher-Masochs Werk, ihre Ideale sind hehre, und doch ist der hingebungsvolle Respekt, welchen Zenon durch seine physische Wohlgestalt, sein hochmoralisches Wesen und sein unerschöpfliches naturwissenschaftliches Wissen bei den Leuten nach sich zieht, von zweifelhafter Beachtlichkeit, da er letztlich nur ein verkleideter Aristokrat und das christliche Ethos das eines Saint-Simon bleibt. Versatzstücke jener populistischen Tendenz der 1870er und 1880er Jahre von der Eigentumsfrage bis zur Volksaufklärung doziert auch die Gutsherrentochter Augusta, welche von sich behauptet: »Ich bin keine Aristokratin, ich bitte mich mindestens nicht dafür zu halten«, fuhr sie fort, noch immer ohne Gracian anzusehen, »mir erscheint der Reichtum als eine Art Unrecht, ich für meinen Theil suche dieses Unrecht gut zu machen indem ich ein wenig dazu beitrage das Volk zu erziehen und die Leiden der Armen zu lindern. Ich unterrichte die Kinder in der Schule und Sonntags nach der Messe die Bauern, diesen bringe ich die nothwendigsten Begriffe von der Natur, der Erdkunde, vom Gesetz und Recht bei, nach dem Segen unterrichte ich die Weiber in allerhand Arbeiten. Auch studire ich Medicin740. Unsere Bauern haben einmal zum Arzte kein Vertrauen, sie wollen sich nur von einer Frau beraten und heilen lassen, nun so muß es Frauen geben, welche nicht blos mit alten Mitteln die Leute behandeln, mit Mitteln die sich von der Großmutter zur Enkelin vererben und wieder weiter, sondern die sich wirkliche medicinische Kenntnisse aneignen. Ich möchte nach Zürich an die Universität gehen, aber das erlaubt mein Vater nicht, so behelfe ich mir mit Büchern.«741

Im Rahmen dieser etwas bevormundend gehaltenen Volksaufklärung, der ›Erziehung‹ des einfachen Mannes, und der Selbstpositionierung zwischen hoch739 Dostoevskij verspottet die Erziehung des Volkes »von oben herab« als »aristokratischen Spleen« und weist darauf hin, dass die selbsternannten narodniki von den einfachen Leuten als »Aristokratensöhnchen« bezeichnet werden. Vgl. Fedor Dostoevskij: Studentam Moskovskogo Universiteta, Petersburg 18. April 1878 [Den Studenten der Moskauer Universität]. In: Pis’ma 1878–1881 [Briefe], Bd. 30. Leningrad 1988, S. 21–25, hier S. 23. 740 Siehe die Aktivitäten von Sofia Subbotina im Kursker Gebiet 1973 bei Daniel Field: Peasants and Propagandists in the Russian Movement to the People of 1874. The Journal of Modern History. Bd. 59, Nr. 3, Sept. 1987, S. 415–438, hier S. 425. 741 Sacher-Maoch: Seltsame Geschichten, S. 102–103.

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moralischer Empathie und zeitgenössischen gender-Fragen, führt das Fräulein auch noch ihre Liebe zum Volk ins Treffen: »Ich bin kein Edelfräulein, ich will keines sein«, entgegnete Augusta im Tone voller herrlicher Ueberzeugung, »bin ich auch zu schwach die Schranken niederzureißen, welche uns von dem Volke trennen, so bin ich doch stark und muthig genug dieselben zu überspringen, ich gehöre zum Volke, ich zähle mich wenigstens dazu.742

Auch Zenons Wandlung vom Aristokraten zum bäuerlichen Helden der Arbeit und Leiter einer dörflichen Kommune erscheint nur inszeniert, insofern seine Vorstellung von gerechtem Lebenswandel sich letztendlich auf die bescheidenere Wahl des zu tragenden Pelzes beschränkt. Seiner Zukünftigen, Tochter aus hochwohlgeborenem Hause, welche zu seiner Arbeiterkönigin des visionierten sozialen Kleinstaates aufsteigen soll, rät er großmütig: »[…] Ich denke nicht daran, Maria Kasimira, Deine zarten Glieder, gewohnt, sich in schwellendes Pelzwerk zu schmiegen, dem Froste auszusetzen, aber die weichen Felle der Kaninchen werden Dir denselben Dienst leisten wie Zobel oder Hermelin.«743 Manifestiert sich hier gesellschaftliches Unrechtsbewusstsein letztendlich in der Entscheidung für Kaninchen statt Zobel? Sacher-Masochs aristokratische Helden, welche sich nicht nur dem Dienste am Volk verschreiben, sondern sich diesem auch teilweise zu inkorporieren versuchen, entkommen nicht den Vorlieben ihres Autors für den Adel. Zu guter Letzt wird nach den romantischsozialistischen Eskapaden in die Welt des Volkes immer die Bauernkate wieder mit dem Schloss vertauscht.744 Auch Sacher-Masoch selbst, mit seinem eigenen rahmenerzählerisch inszenierten Jäger-Dasein im galizischen Schatten eines Turgenev, bleibt dabei immer jener österreichische Ritter745, der bei den Archaismen ruthenischer Bauern einkehrt, um davon literarisch zu zehren. Auch wenn Sacher-Masoch die verwöhnte Aristokratenattitüde, sich am authentischen Leben des ›Volkes‹ zu erfreuen, teilweise durchaus belächelnd durchschaut (man denke an die gelangweilte Diana, die in einem Bauern vorübergehend ihre »byronische Mazepa-Gestalt«746 findet oder an jene Lemberger Ausflugsgesellschaft, welche sich in touristischer Hochlaune an der ›Unverfälschtheit‹ 742 Ebda., S. 106–107. Außerdem: »[…] the term […] sblizit’sia s narodom indicates a vivid awareness of the cultural gulf between educated society and the common people. Hence, they picked their interlocutors with some care, with an eye to youth, poverty, or dissenting religious views.« Field: Movement to the People, S. 434–435. 743 Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 65–66. 744 Sowohl im Paradies als auch bei Basyl. 745 Sacher-Masochs Hang zu erlauchter Gesellschaft – neben seiner sozialaufklärerischen Tätigkeit – wurde auch zu Lebzeiten moniert: »Sobald es sich um Freunde oder Bekanntschaften handelt, thut unser Autor es nicht leicht unter einem Grafen.« Glagau: Turgeniew’s Nachahmer, S. 55. 746 Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 174.

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der huzulischen ›Wilden‹747 erfreut), rückt er nicht selten selbst in deren Nähe. Die Fragwürdigkeit eines Zusammenschlusses von Adel und Bauern drückt sich auch in jener gescheiterten Hoffnung aus, die Bauern könnten in den polnischen Insurrektionsgedanken 1846 involviert werden, wobei dies durch einen aristokratisch aufgefassten Nationsgedanken blutig verfehlt wurde, weil ein »glaubwürdige[s] Bündnis zwischen der Elite und dem nötigen Fußvolk, den Bauern«748, fehlte. Teil eines Heimatbegriffs, den Sacher-Masoch wiederholt aufgreift, ist auch der ländlich-ostgalizische Erlösungs- bzw. Zukunftsaspekt. In seinen autobiographischen Skizzen gibt er sich, seinem öffentlichen Posten als ›galizischer Dichter‹ entsprechend, als heimatverbundener Nostalgiker : Während ich an diesem Buche749 schrieb, erreichte eine Krankheit, die mich seit Jahren gequält hatte, ihren Höhepunkt – es war das Heimweh. Ich benutzte das erste Honorar, um in die Heimath zu eilen. Es war im Sommer 1857, ich vergoß Thränen, als ich den ersten galizischen Bauern erblickte […] Es war wie im Märchen, wo nach tausendjährigem Schlaf Alles genau so erwacht, wie es vordem war.750

Die Sehnsucht, der galizische Bauer und der konservierte Anachronismus einer Märchenwelt der Kindheit sind prägende Elemente von Sacher-Masochs ostgalizischem Heimatbegriff. Dieser steht für eine Identitätsoption in Zeiten rastlosen Flaneurdaseins, umfasst einen agrarromantischen Erlösungsgedanken und die Poesie einer vormodernen Gesellschaft. Die Novelle Marzella erwähnt einen Herrn Sacher-Masoch, der 1857 in seine Heimat zurückgekehrt ist, der in beinahe wortwörtlicher Wiedergabe seiner autobiographischen Aufzeichnungen751 seine Eindrücke schildert und sich dabei über das Märchen vom Glück aufklären lässt. In diesem wird fabelgleich von drei Brüdern erzählt, die beschlossen, auszuziehen, das Glück zu suchen. Während die beiden Älteren nach fruchtbaren weiten Ländern, über große blaue Meere und durch reiche Städte zogen und irrten und dennoch ihr Glück nicht fanden, kehrte der Jüngste bald um, zurück in die Heimat, und fand das Glück dort auf seiner heimatlichen Schwelle (als häusliches Glück in Gestalt eines jungen Bauernmädchens).752 747 748 749 750 751

Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 8. Vgl. Kucher: Drehscheibe Galizien, S. 41. Eine galizische Geschichte 1846. Sacher-Masoch: Autobiographie, S. 65–66. »Es war im Sommer 1857 als ich in meine Heimath zurückkehrte. Ich war beinahe zehn Jahre fort gewesen, und so war aus meiner Sehnsucht nach derselben endlich ein verzehrendes Heimweh, eine Krankheit geworden, von der ich erst genas als ich wieder die von Wermuth und Thymian erfüllte Luft unserer Dörfer einathmete, die Leinwandröcke und Strohhüte unserer Bauern, die schwarzen Kaftane und Jarmurki unserer Juden sah. Ich glaube nicht, daß ich je in meinem Leben so glücklich, so heiter, so vollkommen zufrieden war oder sein werde, wie in jenen Tagen […].« Sacher-Masoch: Marzella, S. 371. 752 Vgl. ein ähnliches Bild der in die sibirische Verbannung getriebenen russischen Sozialisten

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Dieses Märchen, das in der Erzählung auch zu einem Happy End kommt, stieß in seiner biederen Moral auf wenig Anklang bei der Kritik. Jedoch verdichtet sich in ihm die Tendenz Sacher-Masochs, der (ostgalizischen) Heimat(erde) gesundende Wirkung zuzuschreiben.753 Heimat, manifestiert in Thymianduft754 und den vielfältigen Trachten lokaler Ethnien, bewahrt vor beziehungsweise kuriert von den Verirrungen der Welt. Das zerrissene moderne Subjekt genest an der Rückkehr zum ›Wahrhaftigen‹, an der Rückbesinnung auf das ›Eigene‹. Es resümiert der Weltenbummler letztendlich: […] wie schnell wird jener, der rastlos durch die Welt zieht, nach immer neuen, bunten Eindrücken, von Müdigkeit, von Ekel erfaßt, während der Mensch, dessen Leben in der Heimath wurzelt, wo ihm jeder Busch, jeder Schornstein bekannt ist, nichts von Unzufriedenheit, nichts von Abspannung weiß.755

Dies ist die Antwort auf die Rastlosigkeit des modernen Weltbürgers, die sich jedoch nicht nur aus der bereits erwähnten industria als Heilmittel für allerlei »übersinnliche« Eskapaden gewinnen lässt. So verspürt der weitgereiste, vielgeliebte Kosmopolit Alexander Komarenko in einem Hohelied auf den dekadenten Genuss, in Konstantinopel, zu seinen Füßen die Wellen des Bosporus, die Finger mit den blonden Locken der »Lady« spielend, umfächelt vom Palmwedel einer schwarzen Sklavin, plötzlich Heimweh, kommt Sehnsucht nach Einfachheit, Natur und Heimat auf. Letztere hält letztendlich ihr Versprechen756, Rettung vor den aufreizenden Versuchungen und nervösen Verirrungen einer unsteten Moderne zu sein, das Märchen vom Glück endet in einem trauten Idyll auf einem wohlbestellten Gutshof in Ostgalizien.

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Heron und Milada: »Er kam gerade von der Jagd, ein geschossene Reh um die Schultern geworfen, da saß Milada auf der Schwelle seines Hauses, in den Kleidern einer russischen Bäuerin, ein kleines Bündel, das etwas Wäsche enthielt, einen Stock und einen Revolver neben sich. Sie hatte Wort gehalten. […] Es war ein hartes Leben, das sie in dieser Einöde führten, ein Leben voller Entbehrung, aber sie fanden in der Buße, die sie sich auferlegt hatten, in der Arbeit für das Gemeinwohl Ruhe und Frieden.« Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, S. 258–260. Vgl. »Singend zog er [Maryan – S.W.] von dannen, es ging ja der Heimath zu, dem Lande, an dem unser Herz hängt, obwohl es rauh und arm ist, dem grünen Dniester entgegen, den duftblauen Karpaten, der unbegrenzten Steppe.« Sacher-Masoch: Testament, S. 125. »Berauschender Duft von Flieder und Thymian stieg auf, und manchmal trug ein Lüftchen den frischen Heugeruch der Wiesen herüber.« Sacher-Masoch: Mondnacht, S. 11. Sacher-Masoch: Marzella, S. 521. »[…] Und das Ende war ein tiefer Ekel an der ›guten Gesellschaft‹, in der wir uns bewegen, ja an der ganzen gebildeten Welt. Immer mehr ergriff mich die Sehnsucht nach der Einfachheit, nach der Natur und nach der Heimath. […] ich hatte erst Ruhe, als ich unsern hölzernen Kirchthurm sah mit dem russischen Kreuz […].« ebda., S. 376–79. Vgl. auch der Rückzug aus der Gesellschaft in die arbeitsame ländliche Zweisamkeit in Entre nous oder Mondnacht »[…] Mir ist so – wie soll ich mich gleich ausdrücken, so, als wenn ich aus meinem parfümierten Boudoir in den Nadelwald komme, in dessen frischem, herben Duft sich meine Brust erweitert.« Sacher-Masoch: Mondnacht, S. 43.

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Die ostgalizische Heimat impliziert auch einen agrarischen Lösungsgedanken. Die Heimat im Sinne von Sesshaftigkeit und Verwurzelung bei SacherMasoch hat einen dezidiert bodennahen, erdverbundenen Charakter. Nicht umsonst dient Sacher-Masoch der Bauer bzw. anpackende Gutsbesitzer als Ideal einer neuen Gesellschaft. Die Rückkehr, die Rückbesinnung auf den Ursprung beschränkt sich jedoch nicht nur auf Thymianduft und Kaminfeuer, das Heil erwächst geradezu aus dem Bestellen der Erde. Sacher-Masoch scheint die Lösung sämtlicher identitärer Probleme im Ackerbau gesehen zu haben.757 Der agrarische Lösungsgedanke betrifft sowohl die d8cadents, welche sich vordem in den Verlockungen der urbanen Welt verirrt hatten, es betrifft aber auch den ruthenischen Bauern, dem nahegelegt wird, im Zuge politischer und nationaler Emanzipationsbestrebungen seiner bäuerlichen Herkunft treu zu bleiben, seine ›Authentizität‹ zu wahren, um Erfolg zu haben. Jedoch wird die agrarische Lösung bei Sacher-Masoch auch der jüdischen Bevölkerung angetragen. Dem Ostjuden, so er nicht als exotisches Phänomen »Halb-Asiens« orientalisiert wird, wird die Hinwendung zum Ackerbau nahegelegt, welche Erlösung verspricht vom Stereotyp des verweichlichten Gelehrten758, betrügerisch-geschäftstüchtigen Händlers759 oder aber zwielichtigen Schankwirtes.760 Der Jude, so er sich dem Hand-Werk der Landwirtschaft zuwenden würde, wäre, so wird suggeriert, von den Vorurteilen ausbeuterischen Lebenswandels befreit; das naserümpfend behandelte Ostjudentum, der ewig wandernde Jude, würde Fuß fassen auf der von ihm bestellten Scholle. Eine Idee, die nicht nur Sacher-Masoch, sondern etliche Autoren seiner Zeit thematisierten.761 Der ›jüdische Bauer‹ verkörperte auch die Normalisierungswünsche der liberal-jüdischen Intelligenz, indem er eines der ältesten jüdischen Stereotype widerlegte.762 Die Frage nach der Möglichkeit einer produktiv-bäuerlichen Lebensform für die jüdische 757 Vgl. auch Paul Urban, Held des Theaterstücks Unsere Sclaven, welcher geradezu als Idealbild eines Mannes gelten kann »von […] feinen, ich möchte sagen britischen Manieren, ein Mann von vielseitiger Bildung, ein Mann von Geist, ein Charakter« welcher als Landwirt eine Dame der Gesellschaft von ihren Zweifeln erlöst. Sacher-Masoch: Unsere Sclaven, S. 9. 758 Vgl. Sacher-Masoch: Hasara Raba. 759 Vgl. Basyl. 760 Vgl. Paradies und Volksgericht. 761 So etwa Leo Herzberg-Fränkel: Polnische Juden: Geschichten und Bilder [1867]. Stuttgart 1878, Leopold Kompert: Am Pflug. Berlin 1855; Leopold Kompert: Die Prinzessin. In: Neue Geschichten aus dem Ghetto, 2. Bd. Prag 1860, S. 1–156 sowie Eliza Orzeszkowa: Meir Ezofowicz [dt.1887]. Warschau 1878. 762 Wilhelm Goldbaum etwa, der auch Sacher-Masoch rezensierte, befürwortete dabei eine liberal-jüdische Agrarromantik, die sich gegen das Herzl’sche Kolonisationsprojekt als auch gegen etwaige Autonomiebestrebungen innerhalb Europas aussprach. Wilhelm Goldbaum: Schlußbetrachtung 1848–1883. In: Gerson Wolf: Die Juden. Wien, Teschen 1883, S. 164 und 169.

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Bevölkerung ohne Aufgabe ihrer Traditionen war eine Debatte der Zeit, die Sacher-Masoch in den Russland zugeordneten Genrebildern seiner Jüdischen Geschichten behandelte. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass die Gemeinschaft der Karaiten, eine tatarischsprachige Volksgruppe jüdischen Glaubens, bereits seit der Aufklärung einen Sonderstatus einnahm. SacherMasoch besang die Karaim nicht zuletzt auch deshalb, da sie sich abgesehen von ihrer landwirtschaftlichen Betätigung auch durch assimilatorische Vorzüge auszeichneten. Ihre Tracht ist nicht die orientalische der anderen polnischen Juden, sondern die kleinrussische, Ihre Sprache ist nicht wie bei den anderen polnischen Juden die korrumpierte deutsche, der sogenannte jüdische Jargon, sondern ein Gemisch von Hebräisch und Tatarisch, doch sprechen sie auch das Polnische und das Kleinrussische.763

Die Anpassungsfähigkeit der Karaiten hinsichtlich Kleidung, Sprache und bäuerlichem Broterwerb, machte sie zum aufklärerischen Wunschbild eines Juden, der sich nicht durch Ghettoisierung im Schtetl und ›korrumpierten Jargon‹ auszeichnet.764 Die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Befreiung der Ostjuden aus dem ihnen anhaftenden ›Kaftan-Traditionalismus‹ sah SacherMasoch eben in der Landwirtschaft. Wohlstand, erarbeitet mit eigenen Händen765, spielte bei Sacher-Masoch auch für die jüdische Emanzipation eine wesentliche Rolle. Ikonographische Bilder einer ostgalizisch-bäuerlichen Zukunft, die bei Sacher-Masoch immer wieder aufgerufen werden, beziehen sich jedoch vor allem auf den ruthenischen Landmann. Sein Bild vom ruthenischen Bauerntum bewegt sich dabei zwischen sozialrealistischem ›Schnitteridyll‹ und der Bäuerin als Nährmutter. Da lag nun das Kornfeld, das unter den kräftigen Armen der Schnitter rasch zu Boden sank. Behende arbeiteten die jungen Burschen in weiten, grobleinenen Beinkleidern und Hemden, mit bloßen Füßen, Armen und bloßem, braunem Halse, einen breitkrämpigen Strohhut auf dem Kopfe. Die Mädchen in kurzen, bunten Röcken, ploderndem Hemde, den roten oder gelben Tüchern auf dem Kopfe, tauchten beim Schneiden wie große Mohnblumen auf und ab.766 763 Sacher-Maoch: Jüdische Sekten, S. 20. 764 Vgl. auch »Unser Hauptbestreben geht jedoch dahin, die Juden, die ursprünglich ein Volk von Ackerbauern waren, wieder zum Landbau zurückzuführen, dem sie nur dadurch untreu geworden sind, da der Haß und die Verfolgungswut sie in enge Gassen finsterer Städte sperrten und geradezu auf die schlimmste Art des Handels und den Wucher hinwies.« Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, S. 127. 765 »Du bist gewohnt zu handeln, Tate, wie sollst Du auf einmal einen Bauer vorstellen? Aber wir Kinder, wir sind noch jung genug und auch kräftig, wir werden es noch erlernen, zu bebauen das Feld.« Sacher-Masoch: Cipre, S. 114. 766 Sacher-Masoch: Erntefest, S. 52. Vgl. auch Sacher-Masoch: Tag und Nacht.

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Die Korn schneidenden Arbeiter zeichnen sich durch physische Wohlgestalt und kollektive Erntetätigkeit aus, ihre Kleidung evoziert eine Poesie der Schlichtheit, man liest viel von bloßer Haut, welche in gesunder Erdverbundenheit767 sich entweder in braungebrannten Armen, staubigem Barfuß oder freien Brüsten768 unter dem leinenen Hemd zeigt. Ostgalizien erscheint als endloses gelbes Weizenmeer, in welches sich das arbeitsame Bauernvolk natürlich einfügt, wo die Schnitterinnen als nickende Mohnblumenköpfe mit der Landschaft, die sie bearbeiten, gleichsam floral-vegetativ verwachsen. In ikonographischen Szenen stilisiert Sacher-Masoch die ruthenische Feldarbeiterin zur Nährmutter einer neuen Nation, die sich natürlich bewegt zwischen Korn und Kind, zwischen Sichel und Säugen. Seitwärts stand eine Schnitterin, ein junges Weib. Die staubigen Füße, die schlanke Hüfte, die volle Brust besonders wohlgebildet. Das Haar in einem großen Kranz um den feinen Kopf mit seelenvollem, blauem Aug’ und der feinen, sanft gebogenen Nase. Sie wischte sich den Schweiß mit dem weiten Hemdärmel von Stirne und Wange, steckte die Sichel rückwärts in das Schürzenband und hockte sich in das Korn. Da lag ihr Kind. Sie nahm es an die Brust, setzte sich unter den Weißdornstrauch, wo er den vollsten Schatten gab und sprach zu ihm süße Worte wie Küsse, zärtliche Diminutive, wie sie keine andere Sprache besitzt, halb singend, halb zwitschernd […].769

Die höhere Schönheit der arbeitenden bäuerlichen Mutter, die braunen Arme und die »gesunde Brust«770 sind Sinnbild einer neuen ethnisch ausgewiesenen Weiblichkeit. Die ruthenische Bauersfrau erntet die Frucht der Erde und gibt diese mit ihrer Milch zurück an die Nachkommen eines vitalen Geschlechts. Der prächtige Haarkranz um den Kopf einer neuen Landesmutter hat nicht von ungefähr auch Eingang in die ukrainisch-politische Ikonographie des 21. Jahrhunderts gefunden. Dabei bleibt die Figur der Mutter immer von mehrfachem ›Nährwert‹: Es gilt nicht nur das eigene Kind mit Milch zu versorgen, sondern 767 ›Gesundheit‹ und ›Ungeschminktheit‹ auch als zentrales Motiv eines neuen Frauenideals. »›Vor allem schön,‹ sagte mein Freund, ›denn ohne eine gesunde Sinnlichkeit gibt es kein Glück in der Ehe; aber nicht schön im modernen Sinne, ich verlange mir nichts von alle den pikanten Reizen unserer gebildeten Frauen, welche so rasch zum Farbentöpfchen und Roßhaar greifen müssen; ich will ein Weib von jener plastischen, dauerhaften Schönheit, wie wir sie auf den Bildern der venetianischen Schule oder bei unsern Bäuerinnen finden; ein Weib, das nicht nach dem ersten Kinde lungensüchtig, sondern nach jedem neuen Kinde gesünder und schöner wird. […].‹« Sacher-Masoch: Marzella, S. 381. Oder in Mondnacht S. 25 »›Mich freut es, zu sehen, daß Sie nicht geschminkt sind. Sehen Sie die blutigen Tränen, die unsern Fräuleins über die Backen laufen?‹ Wirklich rann in der allgemeinen Rührung die rote Schminke den Damen nur so herab; es war ein jämmerlich komischer Anblick.« 768 Vgl. Sacher-Masoch: Das Volksgericht, S. 108. 769 Sacher-Masoch: Erntefest, S. 53. 770 Sacher-Masoch: Marzella, S. 475; vgl. auch Don Juan von Kolomea.

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dabei immer die Sichel in Reichweite, das Korn für ihre Landsleute zu schneiden und außerdem dem Nachwuchs die Zärtlichkeit der ukrainischen Muttersprache einzuflüstern. Dies erinnert nur zu stark an Sacher-Masochs autobiographische Episode, in welcher er seine ruthenische Amme Handscha zu seiner mehrfachen Lebensspenderin stilisiert. Nicht nur scheint er durch die »Brust dieser kräftigen und gesunden kleinrussischen Bäuerin«771 überlebt zu haben, außerdem bekundet er : »[M]it ihrer Milch sog ich die Liebe zum kleinrussischen Volk, zu meinem Land, zu meiner Heimat und auch jene Liebe zu den Bauern ein, die ich mit allen Dichtern und besonders mit den russischen Autoren teile.«772 Diese kleinrussische Bäuerin erweist sich in Sacher-Masochs Rückblick als Mutter seiner Literatur, seiner Poesie, die ihm »jene kleinrussischen Volkslieder vorsang, die mein Wesen, meine Gefühlswelt und auch meine späteren Werke prägten.«773 Nicht von ungefähr verweist Sacher-Masoch hier auf die russischen Dichter, hatte doch der Mythos von der Bedeutung der ›Njanja‹ für die russischen Dichtergrößen mit Königs vielgelesenen Literarische[n] Bilder[n] aus Rußland774 von 1837 auch in der deutschsprachigen Öffentlichkeit Einzug gehalten. Der Topos der ›gesunden Brust‹775, mit welcher ein sehr vielschichtiger Nahrungsbegriff verbunden wird, erscheint als von gewaltiger Sinnbildlichkeit, wenn das Abbild einer neuen bäuerlichen Madonna776 der ehemaligen Ikone der Venus im Pelz idealisch gegenübergestellt wird. Höhepunkt und Verbildlichung des Glücks in der Novelle Marzella ist die Enthüllung eines Gemäldes, auf welchem die Verbindung müder Aristokratie mit dem zukunftsreichen bodenständigen Bauernstand gewissermaßen als Inkarnation der ›Heiligen Familie‹ festgehalten wird. […] und sie hat ihre fürstliche Zobelpelzjacke geöffnet, um ihrem jüngsten Kinde die Brust zu reichen, während die andern sie mit staunender Andacht umgeben, und ihr Sacher-Masoch: Zwei Mütter, S. 21. Sacher-Masoch: Handscha, S. 23. Ebda., S. 24. »Seine [Pusˇkins – S.W.] Vorliebe für das Volksthümliche muß daher einen anderen Ursprung haben, und man rechnet sie seiner Amme zu gut […]. Die Ammen in Rußland sind von eigenthümlichen Gepräg. […] Diese aus niedern Stämmen genommenen Ammen haben, außer andern Eigenthümlichkeiten, auch einen reichen Schatz an Volksmährchen, Liedern und Legenden inne, mit denen sie ihre Zöglinge beschwichtigen und belustigen.« König: Literarische Bilder aus Russland, S. 137. 775 Severin, dem Protagonisten der Venus im Pelz, war seine ›Verirrung‹ dagegen offenbar bereits in die Wiege gelegt, denn »ja schon in der Wiege […] war ich übersinnlich, verschmähte die gesunde Brust der Amme […].« Sacher-Masoch: Venus, S. 180. Auch an dem polnischen Edelfräulein Augusta wird als von besonderem Vorzug herausgestrichen, dass sie – nach ihrem Dienste am Volke – als Mutter selbst stillt. Sacher-Maoch: Seltsame Geschichten, S. 121. 776 Vgl. das Skandalbild Stanisław Wyspian´skis, der als Künstler der Młoda Polska seine bäuerliche Frau stillend abbildete: Macierzyn´stwo [1905]. 771 772 773 774

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Mann halb knieend zu ihren Füßen liegt und mit einer Art Anbetung zu ihr emporsieht. Vor ihr auf dem Teppich liegt eine Spindel und eine weiße Katze, welche ihre kleinen weißen Kätzchen säugt.777

Hier findet sich das alte Masoch’sche Versatzstück vom animalisierenden Pelz in seiner kleinbürgerlichen Deutung wieder. Bei diesem ikonographischen Showdown wird auch der ehemalige Protagonist der Venus im Pelz noch einmal ins Spiel gebracht. Man erinnere sich, dass Severin von Kuzemski nach seiner ›Heilung‹ von seinen ›übersinnlichen‹ Eskapaden, Zuflucht auf dem Landgut seines Vaters in Ostgalizien gefunden hatte. In Marzella oder das Märchen vom Glück besucht der Rahmenerzähler Sacher-Masoch mit seinem Alter Ego Severin jenen Adeligen, der mit einem Bauernmädchen sein Glück gefunden hat. Beide sind anwesend bei der Enthüllung des Gemäldes. »›Hier hast du das Gegenstück zu deiner Venus,‹ sagte ich, zu Severin gewendet, ›hier haben Mann und Weib Frieden geschlossen.‹« Hier übertrumpft die »moderne Göttin der Liebe und Ehe« die einstige heidnische Göttin der Lust, und die Anbetung der antiken Göttin im Pelz weicht der Huldigung einer Madonna im Pelz, welche die Peitsche gegen das Kind getauscht hat und statt Domina-Pflichten, »heiligsüße Mutterpflichten übt.«778 Der ›übersinnliche‹ Held, der einst kniend vor seinem masochistischen Idol verharrte779, wurde hier ersetzt durch den Familienvater, der sein Leben an der Seite seiner kinderreichen und arbeitssamen Gefährtin mit der Bestellung seines Hofes verbringt. Auch politisch mag diese neue Ikonographie vielsagend sein: Kniete einst der ›kleinrussische‹ Schwärmer Severin vor seiner polnischen Herrin Wanda, betet nun der ruthenische Landadelige sein bäuerliches Weib an. Und das Kind, das an der Brust der ruthenischen Madonna ruht, mag jener zukunftsweisende Prophet sein, den Sacher-Masoch in seinem Werk in Form des ruthenischen Ackerbauers zur Symbolgestalt der Zukunft kürt. Letztendlich trifft man bei Sacher-Masoch stets auf einen »Mann, der wie ein Prophet unter seinem Volk wandelt«780, wenn in Sacher-Masochs galizischen Geschichten der rurale Held seine Einführung findet. Jene Protagonisten sind stets 777 778 779 780

Sacher-Masoch: Marzella, S. 524–525. Ebda., S. 309. Vgl. auch das Bild von Sacher-Masoch mit Fanny von Pistor. Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 3 vgl. auch die Parallelen zu Ivan Franko: Jaroslav Hrycak: Prorok u svo"j vitcˇyzni. Franko ta joho spil’nota (1856–1886). Kyiv 2006; wie auch Sacher-Masoch selbst sich im Kreuzfeuer der Kritik gerne als verkannter Prophet darstellte: »[…] die Pharisäer, welche nicht müde werden, dem neuen ästhetischen Heiland den Zinsgroschen unter die Augen zu halten […]. Schließlich wird der ästhetische Prophet sogar manchmal kritisch gekreuzigt oder verbrannt, aber nur um dann seine ruhmvolle Auferstehung zu feiern und von der Glorie der Unsterblichkeit umstrahlt gen Himmel zu fahren.« Sacher-Masoch: Vorwort zu Vermächtnis, S. 33.

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auratische Erlöserfiguren, welche als ruthenischer Messias die Botschaft von einer sozialen Wende unters Volk tragen.781 Die messianische Heilsidee einer Neuordnung der Welt ist für gewöhnlich begleitet vom Bekenntnis zu einer neuen Religion. Unter diesem progressiven Glauben mag man nun die ›dampfeifrigen‹ bis darwinistischen Errungenschaften der Moderne verstehen und/oder ein neues (nationales) Bewusstsein – Tatsache ist, dass Sacher-Masochs Propheten ruthenischer Provenienz Umbruch mit sich bringen und (Er-)Lösung suggerieren. Der Autor knüpft damit lose an russische Volksutopien bzw. einen slawischen Messianismus782 an, wenn er seine ruthenischen Propheten als Wegweiser einer gesellschaftlichen Revolution auf galizischem Boden auftreten lässt, was auch die damals kursierende Idee vom ›Neuen Menschen‹783 widerspiegelt. Die Wiederkehr Christi in Verbindung mit einer Weltrevolution ist dabei eine deutliche Komponente in der slawisch-chiliastischen Tradition.784 Diese Idee des Auftritts einer Christus-Figur in Zeiten tiefgreifender sozialer Veränderungen zeigt sich in Sacher-Masochs Erzählung Der neue Hiob, worin deutlich Bezug auf die Lebensstationen Christi genommen wird. Theofil Pisarenko, Held der Erzählung, welcher sich als ruthenischer Bauer vom Schicksal geknechteter Untertanenschaft befreit, um als selbstbewusster Landwirt eine geradezu paradiesische ruthenische Dorfgemeinschaft vorbildlichen Gemeinsinnes und blühender Produktivität zu begründen, ist der Weg des Messias buchstäblich von der Wiege an vorgezeichnet: »Am folgenden Tage, dem Heiligen Abend, versammelten sich die Nachbarn bei Luka Pisarenko, um die Kolendi zu singen, und da lag das Kind in seiner ärmlichen Wiege, wie einst der Heiland in der Krippe, und statt Ochs und Esel blickten das Pferd und die Kuh und die Hühner auf dasselbe nieder.«785 Zenon, der ruthenische 781 Siehe auch Reinhard Federmann: Sacher-Masoch oder die Selbstvernichtung. Graz 1961 und Karl E. Demandt: Sacher-Masoch und sein Oberhessischer Volksbildungsverein zwischen Schwarzen, Roten und Antisemiten [1968]. In: Michael Farin (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 272–331. 782 Siehe Mickiewicz bzw. auf ukrainischer Seite Mykola Kostomarov : Knyha bytija ukrajins’koho narodu [Genesis des ukrainischen Volkes] [1846]. Augsburg 1946, sowie der polnische ›Messianist‹ Bronisław Trentowski, den Sacher-Masoch mehrmals als den »polnischen Schopenhauer« erwähnt: Sacher-Masoch: Adam Kosabrodzki, S. 92 sowie Leopold von Sacher-Masoch: Der König von Polen. In: Galizische Geschichten. Novellen. Bern, Leipzig 1881, S. 73–88, hier S. 81. 783 Siehe Kapitel 7 »Neue Menschen und heilige Gewalt – Russland Ende des 19. Jahrhunderts« bei Michael Burleigh: Irdische Mächte, göttliches Heil. Die Geschichte des Kampfes zwischen Politik und Religion von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart. München 2008. 784 Siehe Leonid Heller, Michel Niqueux: Geschichte der Utopie in Russland. BietigheimBissingen 2003. 785 Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 5; vgl. auch Sacher-Masochs Beschreibung von Das Vermächtnis Kains: »[…] Als Epilog schließt das Ganze eine Novelle: ›Die heilige Nacht‹. Die Geburt Christi, Jesus Christus nicht der Sohn Gottes, sondern Jesus Christus der Mensch auf dem Kreuz bleibt das ewige Symbol der Erlösung durch die Entäußerung des

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Edelmann, welcher unters Volk geht, um dort naturwissenschaftlich dozierend und aufklärerisch predigend eine selbstbewusste Wende in der ostgalizischen Gesellschaftsstruktur herbeizuführen und letztendlich das dem Kollektivwohl verschriebene Paradies am Dniester begründet786, präsentiert sich als ein von Gott gesandter Rächer und Beschützer: »›Wer ich bin?‹ antwortete Zenon, ›ich bin der, den Gott gesandt hat, die Armen zu schützen, die Bedrückten zu retten, und das Unrecht zu strafen.‹«787 Inkognito unter dem Volk wirkend, macht er sich einen Namen, indem er sich großmütig als Inkarnation Jesu geriert, welcher althergebrachte Autoritätsverhältnisse auf den Kopf stellt und den einfachen Mann zur Reflexion anregt über die Sinnhaftigkeit seiner gottgefällig hingenommenen Unterordnung. Er stellt sich schützend vor das ›gefallene‹ Bauernmädchen Azaria, dessen ›Unmoral‹ von der Dorfgemeinschaft kollektiv gesühnt werden will und reinszeniert damit die neutestamentarische Szene in ihrer ostgalizischen Variante.788 Darüber hinaus gibt sich Zenon als erzürnter Tempelaustreiber, der gleich der kanonischen Geschichte der Jerusalemer Tempelreinigung aufräumt mit dem Profit, der mit Religion und Glauben getrieben wird. Als die Bauern im Anschluss an den Gottesdienst ihre Geldopfer darbringen, rastet Zenon aus: Zenon sah diese Blasphemie, er sah die stumpfen Gesichter der Bauern, und das schamlose Lächeln der wohlgemästeten Mönche, eine heilige Empörung kam über ihn und er sprang plötzlich die Stufen empor, stellte sich vor den Altar und rief die Arme ausbreitend: »Genug der Gotteslästerung! Hinweg Ihr Thoren, die ihr den Himmel zu bestechen hofft, fort Ihr Betrüger, die Ihr die Armen belügt und irre führt, um sie berauben zu können.«789

In einem Zusammenspiel der aus den Evangelien überlieferten Szene vom Auftritt Jesu im Jerusalemer Tempel einerseits und lutherisch-josephinischer Reformrhetorik gegen den Ablasshandel andererseits, tritt Zenon als rächender ruthenischer Messias auf – wobei seine Nachzeichnung der Lebensstationen Christi situativ auf den ostgalizisch-habsburgischen Raum übertragen wird.

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Egoismus; die Menschenliebe, Christus der Mensch ohne Geschlechtsliebe, ohne Eigentum, ohne Vaterland, ohne Staat, ohne Arbeit, der freiwillig stirbt, personifiziert die Idee der Menschheit. […].« Sacher-Masoch: Brief an Bruder Karl. »Als ich im Jahre 1862 das Paradies am Dniester besuchte und Zenon Miroslawski kennen lernte, hatte er seine Träume, so weit seine Kräfte reichten verwirklicht und ich muß gestehen, daß diese lebendig gewordene Utopien [sic] einen geradezu überwältigenden Eindruck auf mich machte. […] das ganze übrige Besitzthum, bei 10,000 Joch, hatte Zenon nach seinen Ideen in einen kleinen Arbeiterstaat umgewandelt und tausende von Arme und Unglückliche aus allen Ständen und Nationen auf demselben angesiedelt.« Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 85. Ebda., S. 21. Ebda., S. 35. Ebda., S. 22.

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Es ist auffällig, wie häufig für Sacher-Masochs Helden die Passionsgeschichte Christi beziehungsweise die Prüfungen alttestamentarischer Figuren – wie etwa die Hiobsgeschichte – als Referenzrahmen herangezogen werden. Hier findet eine Erhöhung des Erniedrigten statt, es geht um »die unangreifbare Souveränität des Leidenden durch seine Feindesliebe, die Selbstopferung als Selbstvergottung.«790 Theofil Pisarenko etwa erduldet im Laufe seines Lebens die Ermordung seiner Geliebten, überwindet verheerende Naturkatastrophen, übersteht brutalen Armeedienst, schikanöse Robot-Pflichten sowie elende Krankheit mit unerschütterlichem Gottvertrauen bis hin zum Fatalismus. Sein Schicksal evoziert damit nicht nur Parallelen zum Leidensweg Christi bzw. Hiobs, sondern steht augenscheinlich geradezu für das ruthenische Schicksal an sich, wie Sacher-Masoch es imaginierte. Nach einer langen Durststrecke erschaut dieser den vielsagenden Namen Theofil tragende Bauer durch Beharrlichkeit, Prinzipientreue und Gottvertrauen eine neue Zeit, ein selbstgeschaffenes ruthenisches Eden.791 Die beharrliche Selbstopferung kulminiert geradezu in einer Selbstvergottung792, wenn Zenon und Theofil (wie auch etwa Saschka) zu messianischen Führerfiguren aufsteigen, die ihr auserwähltes Volk von Ruthenen in das gelobte Land eines blühenden ostgalizischen Dorfes führen. Diese Stilisierung des einfachen Mannes zu einer Erlöserfigur, die ›Heilandhaftigkeit‹ dieser Verkünder, erinnert an die progressive ›Vergottungslehre‹ des Ostens beziehungsweise der orthodoxen Kirche.793 Es weist aber auch auf »die Technik der männlichen Selbstheiligung hin, die dem masochistischen Spiel zugrunde liegt. Der leidende Mann verkörpert bei Sacher-Masoch fast immer den Typus des Heiligen.«794 Die Strukturparallelen zwischen dem masochistischen Ritual und der christlichen Pas790 Zu Masochismus und Selbstvergottung siehe Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 132; aber auch die Erzählung Hnat Chotkevycˇ : Drei. Eine Skizze aus dem galizischen Leben. In: Aviron. Dovbusˇ. Opovidannja [Erzählungen]. Kyxv 1990, S. 482–487, in welcher ein ukrainischer Abgeordneter des Landtages ermordet und mit einer Dornenkrone zum Märtyrer bzw. gar Messias stilisiert wird – eine Erzählung, die von der Zensur verboten wurde. 791 »An der Kaiserstraße zwischen Kolomea und Sniatyn, gleich neben dem Mauthause, am Ausgange des Dorfes Zablotow, liegt zwischen ausgebreiteten Zäunen, Fliederbüschen und Obstbäumen verborgen ein ansehnliches Gehöfte, das man leicht für das Anwesen eines Gutsbesitzers halten könnte und zwar eines wohl rangirten, während sein Eigenthümer ein rechtschaffener Bauer ist und nichts weiter.« Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 1. 792 Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 132. 793 Thomas Tetzner: Der Osten als Wiege einer neuen Menschheit – Russland als utopischer Ort. In: Gunther Gebhard, Oliver Geisler, Steffen Schröter (Hg.): Das Prinzip »Osten«. Geschichte und Gegenwart eines symbolischen Raums. Bielefeld 2010, S. 51–76, hier S. 53; siehe auch Thomas Tetzner : Der kollektive Gott: Zur Ideengeschichte des Neuen Menschen. Göttingen 2013. 794 Koschorke: Inszenierung einer Perversion, S. 80.

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sionsgeschichte795 sind augenfällig und führen wiederum zur Rolle der Ruthenen in Sacher-Masochs Werk, welche durch ihr geduldiges Ertragen als wesentliche Akteure der zukünftigen Gesellschaftsordnung hervorgehen. Der ruthenische Held, vor allem der Bauer, trägt stets messianische Züge und weist den Weg in ein meist agrarisches Paradies. Sacher-Masochs Idealfiguren entspringen der ruthenischen Bevölkerung Ostgaliziens, der »potenziell korporative Messias«796 ist hier ein ›kleinrussischer‹ Christus, der gesellschaftliche wie identitäre Erneuerung verspricht, welche sich in chiliastischen Entwürfen vom Paradies auf Erden beziehungsweise in Ostgalizien manifestiert. Diese Idee verweist auch auf den volksorientiert-bäuerlichen Alternativvorschlag mancher Intellektueller, welche von einer neoprimitivistischen bäuerlichen Revolution als Gegenentwurf zu einer marxistisch-linken Revolutionsauffassung797 träumten. Darin verbanden sich revolutionäre Begeisterung und konservative slawophile Utopien zu einer kraftvollen chiliastischen Vision, die der Ermüdung und Kraftlosigkeit eines dekadenten bourgeoisen Westens gegenübergestellt wurden.798 Die chiliastische Erwartung des Anbruchs einer neuen Ära in Kombination mit dem messianischen Glauben an einen Retter799 findet sich im revolutionären Gedankengut jener Zeit. Der dynamische Populismus der narodniki trug durchaus messianische Züge, der russische narodnik Michajlovskij800 war überzeugt, dass man die populistischen Bewegungen durchaus als religiöse Sekten betrachten könnte.801 Die russische Slawophilen-Bewegung konnte als konservative Utopie verstanden werden, während die Ideen Mickiewiczs der Fortführung einer chiliastischen Utopie glichen.802 Und »sowohl bei dem symbolistischen und anthroposophischen Dichter Belyj als bei dem […] Bauerndichter Kljujew wird die Verbindung von der Wiederkehr Christi in Russland mit der von Russland getragenen Weltrevolution ausdrücklich formuliert.«803 Die Schaffung eines 795 Ebda., S. 132. 796 Tetzner: Russland als utopischer Ort, S. 55. 797 Siehe Aage Hansen-Löve: Apokalyptik und Adventismus im russischen Symbolimus der Jahrhundertwende. In: Rainer Grübel (Hg.): Russische Literatur an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Amsterdam 1993, S. 231–325, hier S. 303–310. 798 Siehe Andrzej Walicki: The Slavophile Controversy : History of a Conservative Utopia in Nineteenth-Century Russian Thought. Oxford 1975. 799 Heller, Niqueux: Utopie in Russland, S. 48. 800 Welcher als einer der prominentesten Literaturkritiker seiner Zeit 1877 in der bekannten Literaturzeitschrift Otecˇestvennye Zapiski auch eine ausführliche Kritik zu Sacher-Masoch verfasst hatte: Michajlovskij: Palka. 801 Vatro Murvar : Messianism in Russia. Religious and Revolitionary. Journal for the Scientific Study of Religion. Bd. 10, Nr. 4, 1971, S. 277–338, hier S. 321. 802 »Mickiewicz himself gave his ideas their proper name: messianism. His messianism was in essence a blend of the ancient millenarian pattern of salvation with the modern idea of uneasing progress.« Walicki: Mickiewicz and Russian Slavophilism, S. 172. 803 Sarkisyanz: Russland und der Messianismus des Orients, S. 119.

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kleinrussischen Christus bei Sacher-Masoch zitiert jene Vergottungslehre des Ostens: als ›kleinrussischer‹ Erlöser nimmt dieser jedoch eine unübersehbar galizische Färbung an und erwählt den ostgalizischen Mikrokosmos als Raum für sein eschatologisches Wirken. Maria Kasimira aus Das Paradies am Dniester etwa sucht nach einer Entsprechung für das charismatische Schnitterantlitz Zenons und findet in ihm das Antlitz des Heilands wieder. Im Traume erscheint ihr Zenon ans Kreuz geschlagen, womit sie ihn endgültig zu einer märtyrergleichen Christus-Figur stilisiert.804 Nur als Traumbild aber trägt Zenon christliche Züge – das, was er seine Jünger lehrt, sind Prämissen der Aufklärung, die sich gegen den fatalistisch-submissiven Aberglauben des unaufgeklärten Volkes richten, gegen die materialistischhegemoniale Stellung der Kirche bzw. ihrer Vertreter, die genau von jenem Aberglauben und spirituellen Bedürfnis ihrer Adepten Nutzen zieht. Was bei Jesus die Lehren einer neuen (christlichen) Lebenshaltung, sind bei Zenon die Lehren der Aufklärung, die den Phänomenen der Welt eine naturwissenschaftliche Erklärung statt religiöser Schicksalsgläubigkeit zu geben versuchen, der neuen gesellschaftlichen Ordnung einen sozialistischen Anstrich. Die ruthenischen Propheten, die sich märtyrergleich gegen die Unbill und Ungerechtigkeit der (ostgalizischen) Welt stellen, schwingen sich zu Heilsbringern einer neuen Epoche auf. Sie alle führen in eine Art gelobtes Land beziehungsweise werden als Gründerväter einer neuen gerechteren Gesellschaft präsentiert.805 Der enge Zusammenhang zwischen eschatologischen und revolutionären Naherwartungen (besonders auch in den Jahrzehnten nach dem revolutionären Jahr 1848)806 findet bei Sacher-Masoch Erfüllung in ostgalizischen Gesellschaftsneuentwürfen. Die Gründung von Paradiesen als chiliastische Erfüllung steckt sowohl in den sektenartigen Formierungen der französischen Frühsozialisten als auch in den messianischen Ausführungen eines Mickiewicz. Sacher-Masochs in Ostgalizien verortete irdische Paradiese stehen für gewöhnlich auf ruthenischer Basis und sind von agrarsozialistischer Prägung; als idealische Mischung von fruchtbarem Boden und arbeitssamen Menschen mit Hang zum Gleichheitsgedanken präsentieren sie ein Idyll der Produktivität und Menschlichkeit. 804 »[…] und sie suchte ein Gleichniß für dieses Antlitz […] mit einem Male wußte sie es, es war das Antlitz des Heilandes, an das der Jüngling sie mahnte, obwohl er keinen vollen Bart trug. Im Traume sah sie ihn an das Kreuz geschlagen und erwachte mitten in der Nacht und weinte.« Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 42. 805 »Diesen ›neuen Menschen‹ eignet die Plausibilität religiöser Heiliger, und in der Tat ist die darum kreisende Literatur nicht viel mehr als eine Art politischer Hagiografie; auch unter dem Aspekt ist der sozialistische Realismus ihr direkter Abkömmling. […] Ihr Prototyp ist Nikolaus Tschernyschewski […].« meint Burleigh: Politik und Religion S. 357. 806 Hölscher : Die Entdeckung der Zukunft, S. 115.

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Dort, wo der wilde Dniester seine grünen silberschäumenden Wogen aus der galizischen Ebene in die waldreiche Buckowina sendet, breitet sich eine kleine stille Landschaft aus, die von dem kleinrussischen Volke das Paradies genannt wird. Als ich das erste Mal in diesen von der großen bewegten Welt abseits liegenden wunderbaren Erdwinkel kam, die sanften runden Linien der Hügel und Bäume, die üppige südliche Pflanzenwelt, die gut gebauten Häuser, den sorgfältigen Anbau, sowie die Fruchtbarkeit des Bodens sah, und die milde laue Luft einathmete, meinte ich in dem nördlichen Italien zu sein, und erklärte mir aus diesem Eindruck den freundlichen, schmeichelnden Namen. Bald erfuhr ich jedoch, daß es nicht die Schönheit der Natur, sondern jene eines erhabenen Geistes, einer selbstlosen Menschenseele war, welche dieses Thal in einem ganz anderen Sinn in den Augen der Menschen zu einem Eden machte. Ich lernte den Mann, der wie ein Prophet unter dem Volke wandelt, näher kennen und bald entrollte sich auch seine in keiner Weise gewöhnliche Geschichte vor mir.807

So ersteht am östlichen Rande der Habsburgermonarchie, an den Ufern des Dniester zwischen Galizien und der Bukowina ein Paradies der Gleichheit und Produktivität. »Sacher-Masoch stylizes the periphery of the empire as a place of social reconstruction and reinvigoration, and thereby elevates its status in relation to the center of the Empire.«808 Auch Lotman spricht der Peripherie bedeutende farbgebende Funktion für das Zentrum zu. Jedoch ist Sacher-Masochs Verortung eines sozialen Umbruchs in Ostgalizien nicht (nur) dem Potenzial der Peripherie als ›imagined space‹ zuzuschreiben, worin soziale wie sexuelle Phantasien, Ängste und Forderungen vorstellbar werden809, Sacher-Masochs »utopian periphery«810 ist klar an den realen ostgalizischen Gegebenheiten orientiert, Sacher-Masoch kürt das dezidiert galizische soziale Stratum, die ruthenisch-polnisch-jüdischhabsburgischen Gegebenheiten, zum Anwendungsraum seiner Umbruchsphantasien. Die utopischen Gesellschaftsentwürfe entspringen dabei den allgemeinen europäischen Debatten der Zeit, der soziale Anwendungsraum ist jedoch kein imaginärer, sondern ein erstaunlich realer ostgalizischer. Es sei daran erinnert, dass das Umbruchspotenzial bei Sacher-Masoch dem slawischen Osten zugeschrieben wurde und als Träger des Umbruchs innerhalb der Habsburgermonarchie explizit die Ruthenen herausgestellt wurden. Insofern ist es nicht allein das allgemein Randständige der Peripherie, als vielmehr die Position Galiziens selbst 807 Sacher-Masoch: Das Paradies am Dniester, S. 3–4. 808 Bach: Utopian Peripheries, S. 202. 809 »Through his use of temporal and geographical borderlands, he is able to bring to light conflicts that were repressed or displaced onto exotic locations. He offers, not a way to remove all colonial, sexual and psychological anxieties from the Habsburg sense of self, but a way to project them onto the periphery of empire so that they become imaginable.« Bach: Tropics of Vienna, S. 132; siehe auch Aleksandr E˙tkind: Led, mecha, forel’: ot Mazocha k Kuzminu, ili kontekstualizacija zˇelanija [Eis, Pelz, Forelle: von Masoch bis Kuzmin oder die Kontextualisierung von Wünschen]. In: Sodom i psicheja: Ocˇerki intellektual’noj istorii Serebrjanogo veka. Moskva 1996, S. 11–58. 810 Bach: Utopian Peripheries.

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in seiner habsburgisch-russischen Grenzlage, wo sich westliche und slawische Gesellschaftsdebatten im lokalen Soziokontext treffen. Sämtliche dieser ländlich-galizischen Lebensentwürfe, die als Vorbild für ein neues Leben, eine neue Gesellschaft dienen sollen, bestechen durch agrarische Wohlgestalt. Das familiale Idyll, wo sich Aristokratie und Bauerntum, männlicher Geist und weiblicher Unterstützungswille befruchtend die Hände reichen, beeindruckt durch die ihm zugeschriebene blühende Wirtschaft voll der landwirtschaftlichen Maschinen, mit »prachtvollen« Hühnern, »trefflichen« Bewässerungsanstalten, dem »berauschenden Duft von Gräsern«, »stattlichen Vorwerken«, mit »neuer Rübenzuckerfabrik« und »überall imponirte dieselbe musterhafte Ordnung, dieselbe Beherrschung der Materie durch die Fortschritte des Menschengeistes und auf allem lag ein merklicher Segen.«811 Sacher-Masochs Vorstellung alternativen Zusammenlebens basiert stets auf einer Mischung aus ruraler Bodenhaftung und den Errungenschaften des industriellen Zeitalters. Das Landleben erhebt sich aus der rückständigen bäuerlichen Provinz zum agrarischen Idyll: Auf allen Dächern saßen Tauben, ihr Girren begleitete fast ununterbrochen den Dreitakt der Dreschflegel auf der Tenne. […] Auf jedem noch so kleinen Gegenstande lag ein heiterer anmuthiger Glanz von Sauberkeit, Behagen und Ueberfluß. Niemand hätte die Bewohner für Bauern gehalten. Das Ganze machte den Eindruck eines Edelhofes […].812

An anderen Stellen werden wiederum verstärkt die zivilisatorischen Segnungen der Modernisierung betont, ohne damit die Wahrhaftigkeit bzw. Moralität bäuerlichen Broterwerbs zu schmälern. Im Gegenteil, dieser wird als mit den Neuerungen des 19. Jahrhunderts kompatibel und insofern noch berechtigter dargestellt. Im Ort Zablotow in Der neue Hiob wohnen die Bauern nach der großen Theofil’schen Wende gänzlich in Ziegelhäusern, tragen Schuhe, allerorten baut man Schulen, darunter auch eine Ackerbauschule, und der Sohn, welcher sowohl das bäuerliche Erbe seines Vaters als auch den Bildungsgang eines Aufgeklärten in sich trägt, fährt über die reichen Felder Ostgaliziens auf dem Dampfpflug wie mit dem »Zauberroß«.813 Produktivität, Frohsinn und Zufriedenheit herrschen dort, wo Ruthenen das Sagen haben. Theofil Pisarenko etwa beseitigt, sobald er dazu eine Stimme hat, sämtliche die ruthenischen Bauern belastenden Gegebenheiten. Die polnischen Grundbesitzer und jüdischen Geldleiher814, welche – so Theofils Meinung – den 811 812 813 814

Sacher-Masoch: Marzella, S. 511–512. Sacher-Masoch: Gottesmutter, S. 31. Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 364. »There is little doubt that it was the Jews, at least in the initial period following the abolition of serfdom, who determined the productive potential of the agrarian sector. The part played

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Fortschritt hemmten815 und das fruchtbare Land verarmen ließen, werden aus der zukünftigen Dorfgemeinschaft ausgeschlossen. Ein irritierendes Moment seines glücklichen Paradieses ist das Fehlen einer Schenke. Die (durchaus aufklärerische bis sozialistische) Idee der Entfernung von Stätten der Trunksucht impliziert im galizischen Kontext jedoch die Ablehnung eines meist jüdischen Gewerbes und somit der Juden selbst.816 Dieses Theofil’sche Eden kommunaler Arbeitsgemeinschaft und aufgeklärter Weltanschauung setzt neben der Ablösung polnischer Grundherren auch eine Exklusion der Juden zum Wohl der (ruthenischen) Gemeinschaft voraus. »An derselben Stelle, wo sonst der Jude in schmutzige Kelchgläser seinen Branntwein schenkte, steht jetzt ein hübsches Kaffeehaus, in welchem die Bauern Billard spielen und Zeitung lesen.«817 Das ostgalizische Idyll nach der messianischen Zeitenwende entbehrt ›polnischer Gutsherrenhegemonie‹ und ›jüdischen Mammons‹, setzt dafür den ruthenischen Bauern wieder an seinen traditionellen habsburgischen Treueposten, löst ihn aus dem bisherigen peripheren Rückständigkeitskontext und platziert ihn in einer Reminiszenz an die habsburgische Tradition Wiener Prägung in das aufgeklärte Kaffeehaus der Zeitungen und des urbanen Kulturgetränks.818 So sehr in Sacher-Masochs Schriften die Polyphonie Galiziens als Inbegriff mitteleuropäischen Miteinanders gefeiert wird819, so radikal werden Polen wie

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by Jewish commercial intermediaries added up to that of Jewish landholders. The holders of the large estates usually administered the farm by themselves but those who held minor property in addition to their original occupation, or those who possessed small pieces of land – innkeepers, money lenders or merchants who appropriated the land from peasant debtors – did so on the side and sublet it to peasants.« Tokarski: Jews in Galician agriculture, S. 146. Hüchtker : Mythos Galizien, S. 86; außerdem »The presumable entrepreneurial role of the Jews is of importance because it is widely recognized that the strata of landlords failed to discharge this function in the agrarian sector. Most Galician landlords contented themselves with the profits derived from land, woods, pastures, lumber mills and inns leased to the Jewish holders. In 1874, Jewish landowners controlled 16,2 per cent of all estates, in 1893, 30 per cent of all land estates were leased by Jews. A large part of the remaining estates was manned by Jewish manor officials. In 1902, Jews made up 30 per cent of 4,000 agricultural administers in Galicia. This was, in a sense, a reproduction of the interrelationships between Jews and the manor economy form the period preceding the abolition of serfdom. Another source of landlords’ income was the parceling of their estates’ land with the assistance of Jewish middlemen;« Tokarski: Jews in Galician agriculture, S. 144–45. Vgl. Struve: Bauern und Nation in Galizien, hier das Kapitel »Spannungsfelder zwischen Bauern und Juden – die Schenken«, S. 395–407; sowie Józef Burszta: Społeczen´stwo i karczma. Propinacja, karczma i sprawa alkoholizmu w społeczen´stwie polskim XIX wieku [Gesellschaft und Schenke. Die Propination, die Schenke und die Frage des Alkoholismus in der polnischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts]. Warszawa 1951. Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 365. »Der Kaffee verdrängt den Branntwein.« ebda., S. 364, tatsächlich wurden Debatten darüber geführt, inwiefern Dorfschenken durch ›christliche‹ Gasthäuser und wodurch der Wodka ersetzt werden könnten?, vgl. Struve: Bauern und Nation in Galizien, S. 394. Sacher-Masoch: Frauenbilder aus Galizien, S. 9.

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Juden als fortschrittshemmend und entbehrlich geschildert, wenn eine proruthenische Perspektive eingenommen wird. Da mögen sich in Sacher-Masochs farbenprächtig-idealisierter Beschreibung des Marktes von Kolomea »Abendland« und »Morgenland« noch sinnbildlich für die Eröffnungen von borderlands befruchtend die Hand reichen820, da mag der Autor selbst als Philosemit821 und Slawenfreund berühmt-berüchtigt gewesen sein – in Zuspitzung auf das ruthenische Fatum aber erscheint der plurikulturelle Mythos Galiziens plötzlich als Gleichnis von Unterdrückern und Unterdrückten beziehungsweise »[i]ndirekt wurde so Multikulturalität mit einer rückschrittlichen und einem aufklärerischen Fortschritt entgegenstehenden Gesellschaftsformation verknüpft.«822 Ein von Sacher-Masoch gewohnt widersprüchliches Galizien-Bild.

Exkurs: Chiliastische Erfüllung823 In Form einer Zuspitzung der Paradies-Idee auf Erden, als tatsächliche Erfüllung chiliastischen Denkens, die als Über-Utopie die bäuerliche Gesellschaft mit der schismatischen vereinigt, widmete Sacher-Masoch zwei seiner Romane dem russischen Sekten-Milieu. In einer Steigerung des Gedankens von einem irdischen Paradies, welcher bereits in der Sozialutopie am Dniester Ausführung fand, kumulieren hier noch einmal sämtliche reformerische Lieblingsideen Sacher-Masochs, die auch den engen Zusammenhang zwischen dem bäuerlichen Revolutionspotenzial und jenen Sekten aufzeigen.824 820 Ebda. 821 »Ich glaube nicht, daß es etwas geben könnte, wodurch das zu gleicher Zeit unmenschliche und unchristliche Streben der Antisemiten besser bezeichnet werden könnte als durch die Thatsache, daß dieselben mich, der ich aus einer mindestens seit 1517 unzweifelhaft christlichen Familie stamme, zum Juden gemacht haben, nur weil ich die Juden ehrlich und energisch gegen ebenso unsinnige als niederträchtige Angriffe vertheidigt habe.« SacherMasochs Reaktion auf den Vorwurf der Zeitschrift »Volk«, abgedruckt in: Anonym: Lügen haben kurze Beine. Freies Blatt. Organ zur Abwehr des Antisemitismus, Wien, 19. März 1893, S. 8. 822 Hüchtker : Mythos Galizien, S. 86. 823 Teile dieses Kapitels wurden bereits in folgenden Aufsatz aufgenommen: Stephanie Weismann: Zum Potential des ›Slawischen Ostens‹ in Leopold von Sacher-Masochs Romanen aus dem altgläubigen Sektenmilieu. In: Gernot Howanitz, Christian Kampkötter, Heinrich Kirschbaum, Zarifa Mamedova (Hg.): Slavische Identitäten: Perspektiven, Paradigmen, Poetik. Beiträge zum Jungen Forum Slavistische Literaturwissenschaft. München 2014, [im Druck]. 824 »Adbb[YZ ]Ye _R _RjY^V, `YcQSiYZ ^QUVWUl ^Vb[_\m[Yf `_[_\V^YZ aQUY[Q\m^Yf `_\YcY[_S, b__cSVcbcS_SQ\ dc_`Yp] VSa_`VZb[Yf b_gYQ\Ybc_S. […] Adbb[YV Ybc_aYY _ f\lbcQf b__cSVcbcS_SQ\Y a_]Q^cYhVb[_Z YUVV `VaS_Rlc^_T_ `a_]Yb[dYcVcQ. […] Adbb[Qp \VTV^UQ _ TaQUV ;YcVWV, ^Q adRVWV SV[_S `_a_UYSiQp cV[bcl aQX^lf WQ^a_S _c _`Val U_ `V]e\VcQ, b__cSVcbcS_SQ\Q ^YgjVQ^b[_Z YUVV SVh^_T_ S_XSaQjV^Yp.« [Der russische Mythos

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Sacher-Masoch kombiniert hier in einem kleinen galizischen Sekten-Dorf die zeitgenössische Debatte um eine proto-kommunistische Gesellschaft aus dem slawischen Raum mit der masochistischen Phantasie einer irdischen strafenden Gottesmutter. Hier treffen mystische Vorstellungen einer spirituell vereinten Gemeinschaft der Gleichheit und das subversive Potenzial einer agrar-sozialistischen Kommune unter weiblicher Herrschaft aufeinander. Mit seinem Faible für Sektengeschichte befand sich Sacher-Masoch am Puls seiner Zeit825, als mit einem zunehmenden Bewusstsein für die Hohlheit der eigenen gesellschaftlichen Werte die Faszination für hermetisch-häretische Gemeinschaften mit eigenwilligen Umgangsregeln aufkam.826 Man denke etwa an die Tolstojaner, an die Begeisterung für theosophisches wie anthroposophisches Gedankengut, das verstärkte Interesse am Chassidismus der Ostjuden, sowie den Boom diverser anderer Lebensreformbewegungen um die Jahrhundertwende.827 Denn »sectarian messianism in part preceded and in part […] coüber die ›Gemeinde‹, der die Hoffnungen einer ganzen Reihe von Generationen radikaler Politiker genährt hatte, stimmte mit den Utopien europäischer Sozialisten überein. […] Die russischen Geschichten über die Chlysten entsprachen der romantischen Idee ursprünglicher Promiskuität. […] Die russische Legende von der Stadt Kitezˇ, die zur Jahrhundertwende Texte verschiedenster Genres von der Oper zum Pamphlet hervorgebracht hatte, entsprach der nietzscheanischen Idee der ewigen Wiederkehr.] E˙tkind: Sekty, literatura i revoljucija, S. 665–666. 825 Dem Roman Die Gottesmutter wurde auf russischer Seite auch religionsgeschichtlicher Wert beigemessen, indem er sowohl im Lexikoneintrag zum Stichwort Chlysten im Brockhaus/Efron von 1903 angeführt wird, als auch vom Konstantin Kutepov in seiner Untersuchung Sekty chlystov i skopcov, Kazan’ 1882, als glaubwürdige Quelle herangezogen wurde. Vgl. Larissa Polubojarinova: Le sectarisme russe comme intertexte: Un Roi Lear de la stepe d’Ivan Tourg8niev, La MHre de Dieu de Leopold Sacher-Masoch et La Colombe d’argent d’Andr8i Bi8ly. In: Kerstin Hausbei (Hg.): Affinit8s 8lectives: les litt8ratures de langue russe et allemande, 1880–1940. Paris 2006, S. 39–50. In den 1880er Jahren erschienen die beiden Romane Die Gottesmutter und Die Seelenfängerin mehrmals auf Russisch, vgl. Polubojarinova: Sacher-Masoch in Russland; auch heute findet man die Romane und zahlreiche weitere Werke Sacher-Masochs in Russland neu aufgelegt, als gedrucktes Buch, e-book als auch Hörbuch. 2007 veröffentlichte die russische Rockgruppe »Picknick« einen Song mit dem Titel »Gerr Zacher-Mazoch«. 826 »CQ[Yf cV[bc_S, cV]QcYXYadojYf bV[cQ^bcS_ S aQ][Qf R_\mi_T_ UYb[dabQ _ ^Qa_UV, aV\YTYY Y aVS_\ogYY, ^V]Q\_ S [\QbbYhVb[_Z \YcVaQcdaV 19 SV[Q : B[QX[Q _ X_\_c_] `Vcdi[V @di[Y^Q, F_XpZ[Q Y 9UY_c 5_bc_VSb[_h_, þQ T_aQf =V\m^Y[_SQ-@VhVab[_T_, 2VWY^ ýdT CdaTV^VSQ, =Qb_^l @YbV]b[_T_, _cUV\m^lV b_hY^V^Yp ýVb[_SQ, =QZ[_SQ, HVf_SQ, 4\VRQ Db`V^b[_T_, ýmSQ C_\bc_T_.« [Solche Texte, die das Sektenwesen im Rahmen eines größeren Diskurses über das Volk, die Religion und Revolution thematisierten, gab es nicht wenig in der klassischen Literatur des 19. Jahrhunderts: Der goldene Hahn von Pusˇkin, Die Zimmerwirtin und der Idiot von Dostoevskij, Auf den Hügeln von Mel’nikov-Pecˇerskij, Die Bezˇin-Wiese von Turgenev, Freimaurer von Pisemskij, einzelne Werke von Leskov, Majkov, ˇ echov, Gleb Uspenskij und Lev Tolstoj.] E˙tkind: Sekty, literatura i revoljucija, S. 69. C 827 Siehe Diethard Kerbs, Jürgen Reulecke (Hg.): Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880–1933. Wuppertal 1998; Kai Buchholz (Hg.): Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900. Darmstadt 2001.

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existed with the more publicized revolutionary messianism.«828 Im Zuge der Suche nach neuen Gesellschaftsentwürfen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es unter den russischen Intellektuellen zu einer Wiederentdeckung der in die Häresie gedrängten Anhänger der abgespaltenen ›Altkirche‹ und anderer sektiererischer Gemeinden.829 Diese als raskolniki Bezeichneten gediehen meist in abgeschlossenen Gemeinschaften und trieben über die Jahrhunderte manch wundersame Blüten.830 Das russische Sektenwesen fand nicht nur Eingang in etliche ethnographische Studien zu Russland, sondern etablierte sich auch als beliebtes literarisch-folkloristisches Motiv.831 Vor allem aber entdeckte man diese Sekten als Fundgrube sozialrevolutionärer Ansatzpunkte.832 Der Zusammenhang zwischen religiösen und egalitär-kommunistischen Gemeinschaften833, die Verbindung von Häretik und fundamentaldemokratischen Tendenzen ist belegt.834 So widmeten sich diverse russisch-populistische Strömungen mit Nachdruck den Altgläubigen835 – es wurde versucht, eine tief ver-

828 Murvar : Messianism in Russia, S. 279. 829 Eine recht heterogene Gruppe von Orthodoxen, die sich ab etwa 1666 gegen die Reformen des Patriarchen Nikon wandte, sich im Laufe der Zeit jedoch teilweise mit allerlei älteren sektiererischen Bewegungen verbanden, welche sich mit endzeitlichen Vorstellungen vom Antichristen zunehmend radikalisierten. Im zaristischen Russland verboten und verfolgt, siedelten sich jene Raskolniki in den Randbereichen bzw. über der Grenze des Imperiums, so etwa in der Bukowina, an. 830 »8Q b\_S_] [aQb[_\] bc_p\Q b\_W^Qp, ]_XQYhVb[Qp aVQ\m^_bcm. þV]VU\V^^_ `_b\V bS_VT_ _RaQX_SQ^Yp ›aQb[_\‹ bcQ\ Ua_RYcmbp ^Q ]^_WVbcS_ aQX\Yh^Yf ›b_T\QbYZ‹, ›c_\[_S‹ Y ›bV[c‹. @_U SbV] ncY] `_^Y]Q\Qbm b_S_[d`^_bcm cadU^_ aQX\YhY]lf ]VWUd b_R_Z `a_pS\V^YZ aV\YTY_X^_T_ Y^Q[_SVaYp, `a_cYS_bc_pjYf [Q[ `aQS_b\QS^_Z gVa[SY, cQ[ Y XQ`QU^l] [_^eVbbYp].« [Hinter dem Ausdruck [raskol] stand eine komplexe, mosaikhafte Wirk-

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lichkeit. Sofort nach seiner Entstehung zerfiel der ›raskol‹ in eine Vielzahl unterschiedlicher Vereinigungen, Richtungen und Sekten. All diese umfassten eine Gesamtheit schwer voneinander zu unterscheidender Erscheinungen religiöser Andersgläubigkeit, die sowohl der orthodoxen Kirche als auch den westlichen Konfessionen entgegenstand.] E˙tkind: Sekty, literatura i revoljucija, S. 32. Siehe Mel’nikov-Pecˇerskijs Romane V lesach (1871–1874) und Na gorach (1875–1881); auch die Werke Kljuevs und Esenins bei George Ivask: Russian Modernist Poets and the Mystic Sectarians. In: George Gibian (Hg.): Russian Modernism. Culture and Avant-Garde, 1900– 1930. Ithaca 1976, S. 85–106; sowie E˙tkind: Sekty, literatura i revoljucija und Rolf Fieguth (Hg.): Orthodoxie, Heterodoxie, Häresie. Motiv und Struktur in den slavischen Literaturen. München 1996. Vgl. Vladimir D. Boncˇ -Bruevicˇ : Znacˇenie sektantstva dlja sovremennoj Rossii [Die Bedeutung des Sektenwesens für das zeitgenössische Russland]. Zˇizn’. 1902, Nr. 1, S. 324. Aleksandr I. Klibanov : Narodnaja social’naja utopija v Rossii v XIX veke [Soziale Volksutopien im Russland des 19. Jahrhunderts]. Voprosy filosofii. 1972, Nr. 11, 1972, S. 108–121, hier S. 108. Aage Hansen-Löve: Allgemeine Häretik, russische Sekten und ihre Literarisierung in der Moderne. Wiener slawistischer Almanach. Sonderband 41: Orthodoxien und Häresien in den slavischen Literaturen, 1996, S. 171–294, hier S. 206. Aleksandr E˙tkind: Russkie sekty i sovetskij kommunizm: proekt Vladimira Boncˇ-

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wurzelte russische Volksutopie, die chiliastische Vorstellung eines Paradieses auf Erden mit der sozialistischen Idee zu verbinden.836 Das Sektenwesen war ein nicht zu unterschätzendes Politikum. Sowohl der Zar als auch die russische Revolutionsbewegung räumten der Häresiologie prominente Sektoren ihrer Politik ein.837 Sacher-Masochs Begeisterung für diese Sekten entspringt ihrer mehrfachen Randständigkeit und dem damit einhergehenden Potenzial. Der Roman Die Gottesmutter spielt in einem ruthenischen Dorf an der habsburgischen Grenze zu Russland in einer bäuerlich-agrarischen Gesellschaft, während der Roman Die Seelenfängerin in Kiev, zu jener Zeit im Russischen Reich gelegen, angesiedelt ist, und hier vor allem in der Aristokratie situiert ist. Bereits an der Wahl der Schauplätze und des gesellschaftlichen Milieus kann man zwei Richtungen erkennen. Die kraftvolle Gemeinschaft eines blühenden Bauernstandes im österreichischen Galizien im Gegensatz zur dekadent-skrupellosen Gesellschaft der russländischen Metropole (wobei beide Gesellschaften sich mehr oder weniger auf ›kleinrussischem‹ Terrain bewegen). Trotz der Drastik beider Geschichten, trotz der dominanten Rolle beider im Titel der Romane eingeführten Sektenführerinnen in ihrer Unbarmherzigkeit, erscheint die Sekte aus der galizischen Provinz mit ihrer lebendigen Gottesmutter als von arbeitsamer Schaffenskraft, von ländlichem Wohlstand und einem gewissen brüderlichen Gemeinsinn geprägt – die Gemeinschaft auf russischer Seite dagegen pflegt einen Untergrund-Terror und versucht durch ihre inkognito auftretenden ›Seelenfängerinnen‹ auf subversive Weise die (Kiever) Gesellschaft zu destabilisieren. Die Atmosphäre ländlich-agrarischer Vorbildlichkeit in der Gottesmutter steht der intrigant-dekadenten urbanen Gesellschaft der Seelenfängerin gegenüber. Der überraschende Wohlstand und die Ordnung manch altgläubiger Sektengemeinschaften im ansonsten gemeinhin als ›rückständig‹ wahrgenommenen ›slawischen Osten‹ war zentrales Augenmerk etwa auch von Haxthausens vielrezipierter ethnographischer Studie über Russland.838 Bei Sacher-Masoch839 heißt es: Im hellen Sonnenlicht war das Thal, wo Mardona wohnte, in der That ein Paradies. Der Anbau hätte fleißigen Deutschen alle Ehre gemacht. Straßen und Brücken waren im besten Zustande und das Dorf so hübsch, wie Sabadil noch keines gesehen hatte. Alles

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Bruevicˇa [Russische Sekten und sowjetischer Kommunismus: das Projekt Boncˇ-Bruevicˇs]. Istoricˇeskij almanach 1996, Nr. 19, S. 275–319. Sarkisyanz: Russland und der Messianismus des Orients, S. 84–196. Mel’nikov-Pecˇerskij als zuständiger Beamter für das Sektenwesen im zarischen Innenministerium, Boncˇ-Bruevicˇ als Privatsekretär Lenins und späterer Leiter des Museums für Religionsgeschichte und Atheismus in der Sowjetunion. August von Haxthausen: Studien über die innern Zustände, das Volksleben und insbesondere die ländlichen Einrichtungen Russlands. Hannover 1847–1852, S. 413. Das Sacher-Masoch Haxthausen gelesen hat, darf mit Sicherheit angenommen werden.

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hatte einen friedlichen, sonntäglichen Charakter, nirgends sah man Armuth oder Nachlässigkeit, allerorten behaglicher Wohlstand.840

Neben der Assoziation der vorgefundenen Blüte mit dem Schaffen »fleißiger Deutscher« wird hier auch die Idee des Paradieses aufgebracht – eine Referenz an jenen russischen volkstümlichen Utopismus841, welcher in langer Tradition von der Errichtung bzw. Erlangung des Paradieses auf Erden träumt. Teil davon ist die Legende der Stadt Kitezˇ, der Mythos des beim Angriff der Mongolen auf wundersame Weise im See versunkenen ›russischen Atlantis‹. Nur besonders frommen Menschen ist angeblich der Hall ihrer versunkenen Glocken hörbar. Auch Sabadil, Protagonist der Gottesmutter, scheint bei seinem ersten Zusammentreffen mit der titelgebenden Heldin jenen Mythos zu zitieren: Neben ihm stand jetzt ein junges Weib […]. Ein schönes, mildes Madonnengesicht […] blickt aus üppigem, dunkelblondem Haar, das in großen Zöpfen aufgesteckt war, hervor […]. Sein Herz pochte heftig. […] Und jetzt klang es ihm im Ohre wie fernes Geläute einer versunkenen Stadt.842

Die Suche nach Kitezˇ mag immer spiritueller Natur gewesen sein, die Idee eines irdischen Paradieses aber blieb ein lebendiger Mythos.843 Es wird in dem Roman deutlich Bezug genommen auf die utopisch-chiliastische Idee der Errichtung eines irdischen Paradieses unter messianischer Führung – am Beispiel einer prosperierenden (ruthenischen!) Dorfgemeinschaft unter der Führung einer lebendigen Gottesmutter. So wird das Dorf, in welchem die Gottesmutter herrscht, denn auch dem Neuankömmling folgendermaßen beschrieben: »›Wißt Ihr nicht, daß Targowiza polna das Paradies ist?‹ ›Ich verstehe euch nicht.‹ ›Das Paradies, der schöne Garten.‹«844 Das Paradiesische jener Gemeinschaften war auch dem ihnen zugeschriebenen ›Urdemokratismus‹ gedankt. Die Ablehnung von Herrschafts- und Besitzideologien (bei gleichzeitiger Dominanz der Gottesmutter) machte die Sekten zu einem beliebten Referenzpunkt für sozialpolitische Ansätze. Der grundlegende Kollektivgeist845, zelebriert in vielbeschworenen Brüderlichkeitsfeierlichkeiten, war Ausgangspunkt vielerlei Phantasien. »›Bei uns, mein Freund,‹ erklärte ihm Mardona, ›giebt es keine Herren und keine Knechte, nur Brüder und Schwestern. Denn Gott hat alle Menschen gleich erschaffen und Keiner hat ein Vorrecht vor dem Anderen.‹«846 Die hier sichtbaren egalitären Bestrebungen boten An840 841 842 843 844 845 846

Sacher-Masoch: Gottesmutter, S. 30. Siehe Heller, Niqueux: Utopie in Russland. Sacher-Masoch: Gottesmutter, S. 8–9. Vgl. Heller, Niqueux: Utopie in Russland, S. 45. Sacher-Masoch: Gottesmutter, S. 8–9. Vgl. Haxthausen: Studien, S. 396. Sacher-Masoch: Gottesmutter, S. 74.

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knüpfungspunkte für sozialrevolutionäre Strömungen der Zeit. Zahlreiche moderne Sinnsucher der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts glaubten in den Sektengemeinschaften die Alternative zu westlichen Gesellschaftsansätzen zu finden.847 Mit dem Scheitern der Revolution 1848 im westlichen Europa besann man sich auf russischer Seite (gerade unter den vormaligen ›Westlern‹) auf das eigene Potenzial, machte sich auf die Suche nach einer ›Wurzel im Eigenen‹. Im Raskol meinte man – durch seine Isoliertheit und Archaik – die grundsätzlichen Eigenschaften des russischen Volkes (unter anderem auch die Idee eines ProtoKommunismus der russischen Bauerngemeinde) finden zu können. Man glaubte die Altgläubigkeit und die auf sie zurückgehenden Sekten als Ausdrucksform russischer Ideologie lesen zu können, weshalb die Sekten große Anziehungskraft auf sämtliche populistische Bewegungen und andere Sinnbzw. Gottsuchenden848 ausübten. Bis weit in das 20. Jahrhundert behielten die Sekten ihre Faszinationskraft als alternativer Gesellschaftsentwurf. Nicht minder intensiv widmete man sich dem Phänomen im sogenannten ›Silbernen Zeitalter‹, als eine ganze Reihe russischer Schriftsteller vorübergehend bis endgültig bei den Sekten verschwand849, aber auch Dorfburschen mit ihrer bäuerlich-folkloristischen Motivik zu Helden der symbolistischen Dichterelite in Petersburg wurden.850 Hansen-Löve erkennt in der Ideologisierung des neosektanstvo durch die russischen Symbolisten der Jahrhundertwende eine Vermengung von hochkultureller Hermetik mit subkultureller Häretik.851 Gerade mit und nach der Oktoberrevolution griff man die Ansätze einer egalitären Gesellschaftsstruktur und der Idee einer Erlösung im Diesseits bei den Sekten immer wieder auf. Zudem versprach die sagenumwobene Promiskuität, der kolportierte Liber847 »Wirklich entdeckt hat die russische Intelligenz den Utopismus erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Begeistert entfachten ethnographische Studien, die ›Erfindung‹ der bäuerlichen Gemeinschaft (des mir) durch Haxthausen; die Slawophilen und Demokraten sahen in ihr entweder ein Bollwerk gegen den Kapitalismus oder das Urbild des ›russischen Sozialismus‹ (Herzen). Motive und Sujets der Volks wurden von verschiedenen Schriftstellern aufgenommen […].« Heller, Niqueux: Utopie in Russland, S. 60. 848 »9X_RaQWV^^lV S ^V] bV[cQ^cl-›T_\dRY‹ S_`\_jQoc c_ bQ]lZ b_R\QX^ ^Qa_UQ, `VaVU [_c_al] ^V ]_T\Y dbc_pcm ]^_TYV `_[_\V^Yp adbb[_Z Y^cV\\YTV^gYY, – `a_bcdo WYX^m, S_bc_aWV^^do SVad, ^VaQbbdWUQojdo ]Vhcd, _b_RV^^lV _c^_iV^Yp ]VWUd `_\Q]Y. […].« [Die Darstellung der ›Tauben‹-Sektierer im Roman verkörpert genau jene verlockende Facette des Volks, der mehrere Generationen der russischen Intelligenzija nicht widerstehen konnten – das einfache Leben, schwärmerischer Glaube, unreflektierte Träume und die besondere Beziehung zwischen den Geschlechtern.« E˙tkind: Sekty, literatura i revoljucija, S. 389. 849 A. I. Dobroliubov, M. A. Kuzmin; siehe auch Nikolaj Bogomolov : Russkaja literatura nacˇala XX veka i okkul’tizm [Die russische Literatur am Anfang des 20. Jahrhunderts und der Okkultismus]. Moskva 2002 sowie E˙tkind: Sekty, literatura i revoljucija. 850 Etwa S. A. Esenin oder N. A. Kljuev. 851 Hansen-Löve: Häretik und Literarisierung, S. 230.

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tinismus der Sektengemeinden eine neue Form alternativen Zusammenlebens – versprach neben einer gesellschaftlichen und spirituellen auch sexuelle Erneuerung. Auch in Sacher-Masochs Roman wird von dieser Facette der Wiederherstellung des Paradieses auf Erden gesprochen. »›Und wie wollt ihr Duchoborzen das Paradies wieder herstellen?‹ fragte Sabadil nach einer Weile. ›Indem wir der Natur ihren Trieben, statt sie zu kreuzigen, ihre Unschuld wiedergeben.‹ gab Mardona ruhig zur Antwort.«852 Ein solches Paradies, wo »[…] der Wille zweier erwachsener Menschen verschiedenen Geschlechtes, die sich lieben, und die Zustimmung ihrer Eltern genügen, um dieselbe zu schließen. […] Die Trennung der Ehe ist ebenso leicht. Der Wille beider Eheleute genügt und macht beide Theile wieder vollkommen frei«853 – dies lässt einen wiederum an den Frühsozialisten Fourier denken, welcher mit seiner 1820 erschienenen Le Noveau Monde Amoureaux etwa auch Einfluss auf Cernysˇevskijs854 Sˇto delat’? von 1863, die ›Bibel der Sozialrevolutionäre‹, nahm. Die Möglichkeit ohne moralische Verdammung und ohne die lebenslange Bürde der Ehe Beziehungen einzugehen, ist nicht nur Bestandteil der Gesellschaftsphilosophie des Paradieses am Dniester oder aber der altgläubigen Kommune der Gottesmutter, sondern findet sich auch in den Aussagen Wanda von Dunajews, der Venus im Pelz, welche bestätigt: »ich liebe jeden, der mir gefällt, und mache den glücklich, der mich liebt.«855 Jedoch ist es keineswegs nur die wohlhabende polnische Witwe, die solche selbstbewussten Aussprüche wider die öffentliche Moral tut, auch das ruthenische Bauernmädchen steht bei Sacher-Masoch zu seinen Vorstellungen: »[…] Sie schimpfen mich, weil ich nicht heucheln kann, wie sie und ihre Weiber und Mädchen. Weil ich einen Mann ansehe, wenn er mir gefällt, weil ich mit ihm spreche, wenn er mich unterhält, weil ich – –« »Nun?« »Weil ich ihn küsse,« rief sie, »wenn ich ihn liebe, und wenn er krank vor Liebe ist, sage: »Komm’ heute Nacht zu mir!« – lebt man denn, um ein ehrbares Begräbnis zu erhalten, oder –« »So nimm dir einen Mann.« »Ich will nicht,« sprach sie stolz, »ich will mich nicht einem Manne verkaufen, wie ein Vieh, und ihm gehören, wenn er will. Ich will frei sein, ich will eine wilde Katze bleiben unter den zahmen, ich lache über diese Welt.«856

852 Sacher-Masoch: Gottesmutter, S. 84. 853 Ebda., S. 44. 854 Welcher wiederum Sacher-Masoch gelesen und sehr zu schätzen gewusst hatte, siehe Nabokovs Persiflage in seinem Roman Dar’. 855 Sacher-Masoch: Venus, S. 157. 856 Sacher-Masoch: Erntefest, S. 78.

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Solch soziosexuelle Phantasien beschränken sich aber keineswegs auf eigenwillig-selbstbewusste Frauennaturen, sondern finden durchaus auch elaborierteren Eingang in Sacher-Masochs Gesellschaftsutopien. Innerhalb der beiden Sektenromane erweitert sich das Experimentierfeld auf weitere Aspekte weiblicher sexualmoralischer Ungebundenheit. So verfügen die Sektenführerinnen etwa jeweils über junge weibliche Adeptinnen, welche sich ihren Führerinnen nicht nur ideologisch annähern, sondern mit ihnen in einem homoerotischen Genrebild auch körperlich Tuchfühlung aufnehmen.857 Jedoch müssen hier die Übergänge von revolutionären Moralvorstellungen858 zu ›schwüler‹ Männerphantasie als unklar angesehen werden. Die bei der Sekte der Chlysten (bei Sacher-Masoch unter dem Namen Duchoborzen) tatsächlich nachgewiesene Führerschaft eines weiblichen Oberhauptes, einer ›Gottesmutter‹ aus Fleisch und Blut, bot sich dem Schriftsteller als ideale Vorlage für das masochistische Ideal.859 Die zur Göttin erhobene Frau mit dem Antlitz einer christlichen Madonna, dem despotischen Gebaren einer Sultanin und der Freiheit uneingeschränkter Herrschaft wie auch Sexualmoral kommt den Sacher-Masoch’schen Vorstellungen sehr nahe. Diese Freizügigkeit war bei diesen Sekten ethnographisch nachgewiesen, blieb jedoch stets so sagenumwoben, dass sich der vorgegebene Rahmen geradezu anbot, mit ausschweifenden Phantasien gefüllt zu werden.860 Diese Inkulturierung des Peripheren, der Sprung vom ethnographischen Untersuchungsgegenstand zur literarisch-künstlerischen Verarbeitung, die Transformation von Häretik in Hochkultur sieht Hansen-Löve eindeutig als einen Prozess im Diskurs der Moderne. In diesem Zusammenhang wird auch Krafft-Ebings Psychopathia sexualis – jene Sammlung von sexuellen Abweichungen, die auch Sacher-Masoch als pathologischen Fall ausweist und den Terminus Masochismus prägt – als ein Stück Sektengeschichte.861 Das irdische Weib als Göttin, die leibhaftige Frau 857 »Dennoch war Sabadil überrascht, ja fast erschrocken, als er Mardona und Nimfodora erblickte, wie sie gleich zwei jungen Katzen auf dem Wolfsfell lagen und spielten. Er hielt den Athem an und weidete sich entzückt an diesem reizenden Knäuel junger, schöner Mädchenleiber, schimmernder Seide, weichen, schwellenden Pelzwerks, rothen Korallen und blonden und dunklen Flechten, der sich bald anmuthig löste, bald umso wundervoller verwirrte. Die Gesichter der Beiden glühten vor Freude. Sie lachten, schlugen sich scherzend mit den kleinen, zarten Händen und küssten sich.« Sacher-Masoch: Gottesmutter, S. 131–132. 858 Vgl. auch die homosexuelle Note der Novelle Die Liebe des Plato. 859 Siehe Polubojarinova: Le sectarisme russe. 860 Zu Sacher-Masochs ›Auffüllen‹ von Leerstellen bei Turgenev siehe Polubojarinova: Sacher-Masoch in Russland sowie Johanna Döring-Smirnov : Sektanstvo i literatura (»Serebrjanyj golub’« Andreja Belogo) [Sektenwesen und Literatur : »Die silberne Taube« von Andrej Belyj]. In: Robert P. Hughes (Hg.): Christianity and Eastern Slavs. Berkeley 1994, S. 191–199. 861 Hansen-Löve: Häretik und Literarisierung, S. 218.

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als Heilige, die es anzubeten gilt, welche jedoch auch willkürlich straft, war eine verlockende Vorstellung. »Wer da unten wohnt,« fragte Sabadil von Neuem, »verstehst du nicht?« »Die Muttergottes,« erwiderte das Mädchen furchtsam. […] »Die Gottesmutter ist also ein lebendiges Weib?« […] »sie ist ihr Haupt und wird als das Ebenbild Gottes auf Erden mit heiliger Scheu von ihnen verehrt.«862

Die Dominanz einer angebeteten Führerin trotz der kommunalen Absichten von Brüderlichkeit und Gleichheit ist jedoch nicht allein das widersprüchliche Phänomen einer abstrusen religiösen Sekte. Wie bereits angemerkt, steht diversen belletristischen ›Gemeinwohlprojekten‹ aus Sacher-Masochs Hand jeweils eine prophetengleiche Führerfigur voran, der nicht selten ein weibliches Göttinnen-Pendant zur Seite gestellt wird. So werden den Reformgesellschaften zudem masochistische Konstellationen eingeschrieben, was sie als irdisches Eden erstehen lässt. Irdische Gottheiten und ähnliche ›Selbstheiligungsmanöver‹ sind gemeinhin allen sektenartigen Konstellationen eigen; so nannte sich auch der Frühsozialist Enfantin, der eine Kommune freier Liebe gründete, »Messias«, ließ sich le pHre rufen und wollte seine Predigten als lebendiges Gesetz verstanden wissen. Ähnlich verfährt Sacher-Masochs Mardona, welche sich unter dem Deckmantel einer historisch belegten Sekte zum sacher-masochistischen Ideal einer lebendigen bestimmenden Göttin auswächst. »›[…] demüthige Dich. Hier auf die Knie und verehre Gott in mir!‹«863 tönt es kühn aus ihrem Munde, da helfen auch rare Momente der rationalen Einsicht nichts: »Weiberlaunen sind Euch Offenbarungen Gottes […]«864 Sacher-Masochs Prophezeiung einer Umwälzung inkludiert eben auch das ›slawische Frauenregiment‹: »In dieser geheimnisvollen Secte spielt das Weib zuerst jene mächtige und räthselhafte Rolle, der wir in der slawischen Welt des Ostens auf Schritt und Tritt begegnen.«865 So verlockend sieht Sacher-Masoch das weibliche Potenzial der ›slawischen Welt‹ in den Sekten verankert. Der österreichische Autor imaginiert in einem kleinen galizischen Dorf die aktuelle Debatte um eine proto-kommunistische Gesellschaft aus dem slawischen Raum in Kombination mit der masochistischen Phantasie einer irdischen 862 Sacher-Masoch: Gottesmutter, S. 18 und S. 27. Vgl. dazu auch Sacher-Masochs Tendenz, eine ganze Reihe von Frauen in seinen Erzählungen wiederholt als Gottesmütter in teilweise recht häretischer Manier, malen zu lassen. Olga, die Schwester des Judenraphael wird von diesem als Madonna für die Kirche seines Vaters gemalt. Die polnische Edelfrau Maria lässt sich selbst als Madonna malen und zwingt ihre Erzfeindin und Nonne als Buße täglich davor ihr Gebet zu verrichten und auch Wanda von Dunajew wird von einem deutschen Maler als Madonna porträtiert. 863 Ebda., S. 87. 864 Ebda., S. 171. 865 Sacher-Masoch: Russische Sekten.

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strafenden Gottesmutter unter den ethnographischen Vorzeichen der Häresiologie. Hier treffen sich mystische Vorstellungen einer spirituell vereinten Gemeinschaft der Gleichheit und das subversive Potenzial einer agrar-sozialistischen Kommune unter weiblicher Herrschaft, welche auch erfolgreich politische Autoritäten untergräbt. Die Gottesmutter wird letztlich ihrer zweifelhaften Umtriebe (unter anderem der eindrucksvoll inszenierten Kreuzigung ihres Geliebten) wegen verhaftet, es ist jedoch ein kaiserlicher Beamte, der ihr zur Flucht verhilft. Die Umwälzung aus dem slawischen Osten, bezogen auf sozialhierarchische Umbrüche, beinhaltet auch das Hinterfragen von Autoritäten. Das Subversive an Sacher-Masochs randständigen Themen beschränkt sich nicht auf die Auslagerung sexueller Pikanterien an die angebliche Peripherie eines ›zivilisierten Zentrums‹.866 Sacher-Masoch funktionalisierte ›das Slawische‹ nicht ausschließlich als Feigenblatt subtiler Ängste, sondern sah gerade im ›Slawischen‹ die initiale Kraft einer vehementen gesellschaftlichen und damit auch politischen Umkehrung;867 die revolutionären Versatzstücke des Wandels manifestieren sich unter anderem auch in den Sekten. So steckt in der Unterwerfung des kaiserlichen Beamten Zemiofolski unter die radikalen Ansichten Mardonas, der analphabetischen ruthenischen Sektenführerin, sehr viel mehr als die Unterwerfung eines Mannes unter die Willkür einer schönen Frau. »Küssen Sie mir die Füße.« Wiederholte sie und streckte ihm den Fuß hin, mit der nachlässigen Anmut einer im königlichen Hermelin geborenen Herrscherin, und Zemiofolski, der polnische Edelmann, der kaiserliche Richter, presste seine Lippen begeistert auf den rothen Saffianstiefel der kleinrussischen Bäuerin.868

Dem idealischen Dorfparadies wohnt durchaus politische Sprengkraft inne, besonders im habsburgisch-galizischen Kontext – der habsburgische Richter 866 »It is not without reason that Sacher-Masoch positions this depiction of the rapid inversion of sexual power relationships (Kapitulant) at the border of the Habsburg Empire. This anxiety-provoking loss of manhood is projected to the fringe of the Empire to avoid unsettling the Viennese educated bourgeois readers. Precisely because this sexual anxiety was so familiar, the familiar had to be alienated, kept remote, to maintain the comfort of distance. It had to be ghettoized pushed to the outer reaches of Empire where familiarity melded with strangeness. As Sacher-Masoch consciously breaks through the automatism of perception, he stylizes the periphery of the Empire as a place of social progress, but also as a repository for deeply held fears.« Ulrich Bach: Faraway, so close. The Tropics of Vienna in Austrian colonial utopias. Diss., Los Angeles 2004, S. 145. 867 »The projection onto the periphery of the empire of contemporary misogynist sentiments concerning gender conflicts illustrates the use of the paracolonial borderland as a lessthreatening discursive locus for innovative sociopolitical ideas. Galicia encompasses both restrictive bounderies and new possibilities for social progress and revitalization.« Ebda., S. 158. 868 Sacher-Masoch: Gottesmutter, S. 124.

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und polnische Edelmann streckt hier, in Galizien, seine Waffen vor dem schönen Geschlecht eines aufstrebenden ruthenischen Bauerntums. Das Subversive eines randständigen Sektenphänomens wirkt hier zukunftsweisend auf die gesamte Monarchie. Der Mann, kaiserlicher Beamte und Pole, beugt sich vor der Ruthenin.869 Sacher-Masoch wusste mit Galizien den östlichen Rand der Monarchie als entfernten Projektionsraum tief sitzender bürgerlicher Ängste zu funktionalisieren. Die mehrfache Randständigkeit der Sektengemeinde in Galizien – topographisch, gesellschaftlich, spirituell wie auch sexuell – lässt jedoch nicht nur einen Gefährdungsraum erstehen, sondern inszeniert die Peripherie auch als Zukunftsraum neuer Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens. SacherMasoch beschreibt das Experimentierfeld Galizien belletristisch mit Gesellschaftsentwürfen zwischen masochistischem Paradies und progressivem sozialistischen Gedankengut.870 Insofern kann man auch Sacher-Masoch selbst sektiererische Tendenzen zuschreiben, in seinen abtrünnigen Ansichten etwa der notwendigen Rolle der Slawen in der Habsburgermonarchie und den Überlegungen einer Reformierung der Geschlechterverhältnisse; Sacher-Masoch als ›Abgespaltener‹, als raskolnik vorherrschender Normen. Der utopisch-anarchische Subtext der Sekten manifestiert sich jedoch viel stärker und um einiges drastischer in Die Seelenfängerin – mit der von der galizisch-habsburgischen auf die andere, russische Seite gewechselt wird. Hier ist nicht mehr die Rede von einer provinziellen Dorfgemeinschaft mit mehr oder weniger unorthodoxen Regeln des Zusammenlebens – hier bereitet eine nicht greifbare Macht eine politische Verschwörung vor, hier hält eine ›geheime Regierung‹ handgreiflich Gericht über die moralische Beschaffenheit der Kiever Gesellschaft und ruft eine Revolution aus. Die von Mitgliedern der Sekte gelynchten offiziellen Ordnungshüter werden folgendermaßen aufgefunden: An dem Stamm des riesigen Baumes war ein Plakat angeheftet, dasselbe lautete: Todesurtheil. Bedroßew, Polizei-Kommissar in Kiew, Mirow, Polizeiagent daselbst,

869 »3 nc_] [Qa`Qcb[_] SQaYQ^cV adbb[_T_ ^Qa_U^YhVbcSQ [\Qbb_SlZ Y bV[bdQ\m^lZ UYb[dab b\YSQocbp U_ ^VaQX\YhY]_bcY. […] BcaQ^^lV `aYbcaQbcYp QSbcaYZb[_T_ Ybc_aY[Q, VT_ adb_eY\Yp Y ]QX_fYX] S aQS^_Z ]VaV Rl\Y Y^[Qa^QgYp]Y ^Qa_U^YhVb[_Z YUVY ; `_b\VU^pp WV S_`\_jQ\Q S bVRV, S Ybc_aYhVb[Y `aYV]\V]_Z e_a]V, _RjVa_]Q^cYhVb[YZ Q^cY-RdaWdQX^lZ UYb[dab.« [In dieser Karpaten-Variante russischen Volkstümlertums verschmelzen der Klassen- und der Sektendiskurs bis zur Ununterscheidbarkeit. […] Die eigentümlichen Leidenschaften des österreichischen Historikers, seine Russophilie und sein Masochismus waren gleichermaßen Inkarnationen volkstümelnder Ideen; letztere verkörperte, in historisch annehmbarer Form, einen gesamtromantischen antibourgeoisen Diskurs.] E˙tkind: Sekty, literatura i revoljucija, hier S. 140–141. 870 Siehe auch Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, S. 257.

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durch das Revolutionstribunal zum Tode verurtheilt, wurden hier gerichtet. Die geheime Regierung für das Gouvernement Kiev.871

Wenn man nun auf die von Sacher-Masoch beschworene Umwälzung Europas aus dem slawischen Osten zurückkommt, wenn man sich daran erinnert, dass diesen Sekten das ›wahre‹ russische Wesen zugeschrieben wurde, dann wird mit der Seelenfängerin jenes Bedrohungspotenzial evoziert, das im Westen unter ›slawischer Gefahr‹ firmierte – ein Hybrid aus politischer Verschwörung, quasireligiösem Fanatismus und die unterschwellige Bedrohung einer undefinierbar scheinenden Masse – eine Vorstellung, die mit dem gescheiterten Russlandfeldzug Napoleons und der Niederschlagung der polnischen Revolutionen im Zarenreich im 19. Jahrhundert zunehmend Nahrung gewann.872 Die Sekte der Seelenfängerin verspricht zwar ebenso den Himmel, das Paradies, jedoch beruht die Erneuerung der Gesellschaft hier nicht auf der Revolutionierung von Eigentumsfragen in materieller und sexueller Hinsicht, sondern auf einer durch Terror vermittelten ›moralischen‹ Reinigung und fanatischem Zelebrieren von Märtyrertum: »[…] es sind fromme Pilger von jener Sekte, die man Himmelsspender nennt. Die Luft riecht nach Blut, nimm dich in acht!«873 heißt es – eine Stimmung, die nach Aufstand klingt und unterschwelliges bunt-Potenzial874 evoziert. Im Nachsymbolismus bzw. der russischen Avantgarde wurde die subkulturelle Sphäre des sektanstvo gegenüber der hochkulturellen Häretik favorisiert, als man sich der grundlegenden Anarchie des bäuerlichen Russland, der heidnisch-sektantischen Kultur eines bunt narodnyj875 zuwandte. Schon Mel’nikov-Pecˇerskij als zarischer Beamter für Sek-

871 Sacher-Masoch: Die Seelenfängerin, Bd. 2, S. 143–144. 872 Philipp Ther : Niemand will im Osten sein. Barbarisch, rückständig, despotisch: Die Erfindung Osteuropas von der Aufklärung bis heute. Süddeutsche Zeitung. 2./3. 12. 2000, S. 275. 873 Sacher-Masoch: Die Seelenfängerin, Teil 1, S. 11. 874 bunt : ›Volksaufruhr, -erhebung, -empörung‹ im zaristischen Russland. 875 Vgl. »Nachmittags setzte sich Ewa mit ihm allein in die große Stube und erklärte ihm in ihrer ruhigen, verständigen Weise die Lehre der Steuerverweigerer. Sie haben die orthodoxe Kirche verlassen und besuchen die Gotteshäuser derselben nicht, sie beten nur zu Hause oder unter freiem Himmel und zwar ausschließlich Psalme. Sie verwerfen das Priestertum, den Eid, die heiligen Bilder, weil sie von Menschen gemacht sind, alle Sakramente, auch die Taufe und Ehe, sogar die zehn Gebote, jede weltliche Obrigkeit und jede Art Gericht […]. Sie stellen die göttlichen Gesetze über die weltlichen, unterzeichnen deshalb keine öffentlichen Urkunde und erkennen als einzige Quelle des Glaubens, der Moral und der gesellschaftlichen Ordnung die Bibel, insbesondere das neue Testament an. Das Steuerzahlen kommt nach ihrer Ansicht vom Antichrist, denn Gott hat allen da Land ohne Steuern gegeben. […] Wir zahlen sie [Steuern – S.W.] doch, man kommt und nimmt sie uns mit Gewalt, und dann leisten wir keinen Widerstand […].« Sacher-Masoch: Die Satten und die Hungrigen, Bd. 2, S. 85.

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tenfragen warnte vor der Sprengkraft der subkutanen Sektensympathie der Russen.876 Beide Sacher-Masoch’schen Sektenführerinnen zeichnen sich durch ihre drastische Willkür aus, bekommen mit Vorliebe den Titel ›Sultanin‹ aufgeprägt und bestechen mit sinnlicher Strenge – dies korrespondiert mit der genuin Sacher-Masoch’schen Vorliebe für das ›grausame slawische Weib‹: »[D]ie Russin scheint auf den ersten Blick eine Odaliske und ist im Grunde immer noch die skythische Amazone, die keine Furcht kennt, keine Erschöpfung und wo es nöthig ist, auch kein Erbarmen.«877 Mit den Bezeichnungen »Odaliske« und »Skythin« wird auf die Verbindung der ›Russin‹ (bzw. der Slawin) mit etwas Östlichem, Orientalischem angespielt, ebenso wie die Protagonistinnen ihr byzantinisches Theater zwischen christlicher Strenge und orientalischem Ornat spielen. Es ist jedoch anzumerken, dass von den zwei literarisch portraitierten Sektenführerinnen bevorzugt die Kiever Seelenfängerin in den Kontext der asiatischen Despotie gestellt wird, während die Gottesmutter tendenziell folkloristisch orientalisiert wird. Die Konversion bei der Sekte der Seelenfängerin erfolgt durch körperliche Gewalt, missioniert wird mit Hilfe von Folter. Im Rahmen eines opulenten Kostümfestes der Kiever Gesellschaft mit arrangierten Themen-Sälen wird die ›Seelenfängerin‹ denn auch dort platziert, wo sie ›hingehört‹. »Er fand sie am Eingang des kleinen Saales, welcher Asien darstellte. Sie schien ihn hier zu erwarten. ›Hier ist dein Reich,‹ sprach er, sich vor ihr neigend […].«878 In Bezug auf die hier zugrunde liegende Frage, inwiefern die beiden Romane zwei Seiten des Umbruchspotenzials des ›slawischen Ostens‹ thematisieren, lässt sich Folgendes feststellen: In beiden Romanen spielt das ›grausame (slawische) Weib‹ eine verführerische, Verderbnis bringende Rolle (eine Sacher-Masoch’sche Phantasie, die hier ethnographisch bzw. häresiologisch gerahmt wurde). Beide Sektenführerinnen kommen in Konflikt mit dem Gesetz bzw. mit den Normen außerhalb ihrer Gemeinschaft, wissen jedoch diverse Vertreter der offiziellen Macht sich gefügig zu machen. Die der Gottesmutter unterstehende Gemeinschaft jedoch pflegt in einem galizischen Dorf in österreichisch-russischer Grenzlage ein egalitär-agrarisches Idyll fortschrittlicher Wirtschaft und alternativen sozialen Zusammenlebens außerhalb jeglichen Ehezwangs. Die Adepten der Seelenfängerin hingegen wirken jenseits der habsburgischen Grenze als subversive politische Organisation 876 Pavel Mel’nikov-Pecˇ erskij: Zapiska o russkom raskole. Sostavlennaja Mel’nikovym dlja v.k. Konstantina Nikolaevicˇa po porucˇeniju Lanskogo [Aufzeichnungen zum russischen Raskol]. In: Sbornik pravitel’stvennych svedenij o raskol’nikach, sostavlennij V. Kel’sievym. London 1857, S. 169–198. 877 Sacher-Masoch: Die Seelenfängerin, Teil 1, S. 272. 878 Ebda., S. 302.

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mit quasi-terroristischen Anschlägen und urchristlichen bis heidnischen Ritualen in der gehobenen dekadenten Gesellschaft Kievs. Anhand der beiden Romane bzw. der beiden skizzierten Sekten wird sichtbar, dass der ›slawische Osten‹ bei Sacher-Masoch sowohl das Progressive einer neuen Gesellschaft, neue Formen des sozialen Zusammenlebens, der Geschlechterverhältnisse verheißt, aber auch eine staatliche Normen usurpierende Kraft mystisch-despotischen Fanatismus’ darstellt.879 Chiliastische Hoffnungen auf ein irdisches Paradies, die Vorstellungen einer neuen Gesellschaft nach dem Scheitern der Revolutionen werden dem Revolutionspotenzial aus dem Osten eingeschrieben – dieses Potenzial erweist sich jedoch als ambivalent: Es verheißt Umbruch mit der Chance auf Erneuerung wie auch Umbruch als Kippen in chaotisches Verderben.

2.3. Zusammenfassung Sacher-Masoch nahm sich Galizien gerade aufgrund seines Potenzials der Randständigkeit an. Er erkor es einerseits zum Projektionsraum westlicher Sehnsüchte nach einer vormodernen Welt, nutzte jedoch Galiziens periphere Lage (auch im Bewusstsein des Publikums) zudem für das Experimentieren mit neuen Gesellschaftsentwürfen und verortete diverse soziale wie sexuelle Häresien an dieser reibungsvollen Peripherie. Zum einen fungiert Sacher-Masochs Galizien als Raum für das Spiel mit westlichen Sehnsüchten, indem er ganz im Orientalismus-Diskurs seiner Zeit eine ›Poesie des Ostens‹ evoziert (die er dem ostslawischen Raum von Galizien bis zum russischen Zarenhof einschreibt). Hier wechselt die Feudalerotik polnischer Szlachta-Mentalität mit einer Orientalisierung der ethnischen Vielfalt und Archaik Galiziens ab. Zum anderen ridikülisiert seine ironisch gehandhabte ›Poesie des Ostens‹ die Bedürfnisse einer übersättigten Gesellschaft der Moderne nach ›authentischen‹ Sinnesreizen – eine Voraussetzung auch für Sacher-Masochs erfolgreiche literarische Karriere mit seinen »Geschichten aus dem Osten«. Als positiv imaginiertes ›halb-asiatisches‹ Schwellenland steht Sacher-Masochs 879 Wie sehr dem Sektierertum sozialrevolutionäres Potenzial eingeschrieben wurde, sieht man an der langen Beschäftigung radikaler Intelligenz mit der Idee eines Bündnisses mit der Altgläubigkeit. Sarkisyanz datiert es bereits mit den Dekabristen bzw. dem PetrasˇevskijKreis, belegt jedoch mit dem Ende der 1850er Jahre eine zunehmende Anziehungskraft, die das politische Programm Herzens auf die Popovcy-Altgläubigen übte. Die sozialistische Revolution wurde durchaus als chiliastische Erfüllung wahrgenommen. Sarkisyanz: Russland und der Messianismus des Orients, S. 88 und S. 108–109. Als sektiererische Religion siehe Rene Fülöp-Miller : Der Bolschewismus im Lichte des Sektierertums. In: Geist und Gesicht des Bolschewismus. Wien 1926, S. 100–121.

Zusammenfassung

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Galizien aber auch für eine produktive Hybridität, die seiner Idee eines befruchtenden Vielvölkerstaates Österreich entgegenkommt. Sacher-Masoch verortet genau an dieser galizischen Peripherie die Zukunft der Monarchie bzw. im Weiteren Europas. Teilweise beeinflusst von frühsozialistischen Ideen und zeitgenössischen slawophilen Debatten projiziert Sacher-Masoch ein Umbruchspotenzial nicht nur allgemein in den slawischen Osten, er bezieht sich in seiner Zukunftsweisung vielmehr ganz konkret auf den galizischen Ruthenen. Hier imaginiert Sacher-Masoch den ostgalizischen Bauern als Held einer neu anbrechenden Zukunft der Gleichberechtigung und des Gemeinschaftsidylls. In Auseinandersetzung mit zeitgenössischen galizischen Politikern und Nationalbewegungen thematisiert Sacher-Masoch den steinigen Weg der ruthenischen Selbstfindung im habsburgischen Völkergemisch und kürt den eher vernachlässigten Ruthenen zum neuen Propheten eines autonomen Gesellschaftsideals. Galizien fungiert bei Sacher-Masoch demnach als literarischer Reflexionsraum, der aktuelle Diskurse aus dem Bereich der Zivilisationskritik bis hin zu eschatologischen Gesellschaftsvisionen widerspiegelt.

3.

Karneval. Kostüm. Kulisse

Die materialreiche Verquickung von Literatur und Leben880, das stete Spiel mit Erfundenem und Erlebtem ist bereits im ersten Kapitel als Grundkomponente des Sacher-Masoch’schen Habitus herausgearbeitet worden.881 Wie sehr Verkleidungen, Vertauschungen und Täuschungen eine Rolle in Sacher-Masochs biographischem Stück spielten sowie die Tatsache, dass (Theater-)Spiel, Kostümierung, das Changieren zwischen Schein und Sein882 sich darüber hinaus wie ein roter Faden durch sein Werk ziehen, mag auch im Kontext Galizien eine (unter Umständen) gesonderte Bedeutungsebene eröffnen. Der barocke theatrum mundi-Topos, der die Gleichung von Leben und Rolle aufstellt883, kommt auch Sacher-Masochs Begeisterung für schillernde Performanz und geheimnisvolle Transformation nahe. Die Leidenschaft für den schönen Schein und die trügerische Oberfläche, sind Züge, die mit dem Nahen des Fin de SiHcle einer österreichischen bzw. Wiener Lebenshaltung an sich zugeschrieben bzw. vorgeworfen wurden. Der österreichsiche Schriftsteller und Literaturkritiker Hermann Bahr klagte:

880 Roman Lach: Obsessive Kommunikation – Leopold von Sacher-Masoch. In: Der maskierte Eros. Liebesbriefwechsel im realistischen Zeitalter. Berlin 2012, S. 163–205, hier S. 175; Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau, S. 176. 881 »Exemplarisches Modell für das Menschsein ist das Schauspiel, das Spiel in und mit Rollen. […] Die Maske (persona) verhüllt das wahre Ich, versteckt die Nacktheit und bringt doch durch die Verhüllung hindurch beides zur Erscheinung. Verhüllung und Enthüllung, Innerlichkeit und äußere Form, Privatheit und öffentliche Präsenz – in diesen Ambivalenzen findet sich das genuin Menschliche.« Kai Haucke: Plessner zur Einführung. Hamburg 2000, S. 15. 882 Lach: Obsessive Kommunikation, S. 176. 883 Vgl. Schahadat: Lebenskunst – Kunstleben, hier S. 32–35; auch Jurij Lotman vermeint vor allem im Barock, der Romantik und Anfang des 20. Jahrhunderts eine auffallende »teatral’nost’« [Theatralität] des Alltagslebens beobachten zu können, vgl. Jurij Lotman: Teatr i teatral’nost’ v stroe kul’ture nacˇala XIX veka [Theater und Theatralität in der Ordnung der Kultur Anfang des 19. Jahrhunderts]. In: Izbrannye stat’i v trech tomach, Bd. 1 [Ausgewählte Aufsätze]. Tallinn 1992, S. 269–286, hier S. 272 sowie S. 274.

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Immer bereit sich zu verwandeln und auch die Verwandlung wieder zu verwandeln und immer nur eben Verwandlung zu sein. Werden zu sein. Kein Charakter, alles Figur. Es ist ein Volk, das nur Form enthält. Es ist ein Volk, das sich immer gleich spiegeln muss. Es ist das Volk der großen Schauspieler.884

Sacher-Masochs Schwäche für Kostüm und Schein mag damit nicht nur einem genuinen Sacher-Masochismus, sondern durchaus einer Reaktion auf die Instabilität und Flüchtigkeit auf die Schwellensituation der Moderne zugeschrieben werden, wo zwischen Wirklichkeit und Theater nicht mehr unterschieden werden konnte oder wollte, wo jeder Mensch lediglich eine Rolle spielte, jede Persönlichkeit zur Figur verkam. Die zahlreichen Rollen, die Sacher-Masoch selbst angenommen hatte, vom kosmopolitischen Feingeist über den galizischen Aristokraten, vom weiblichen Schriftstellerpseudonym885 bis zum Skandalautor, aber auch philanthropischen Volksbildner in seinen letzten Lebensjahren im hessischen Lindheim886, sprechen von einem ausgeprägten Hang zum Vexierspiel. Im Folgenden sollen Sacher-Masochs biographische wie fiktionale Inszenierungen und Verkleidungen befragt werden nach dem Verhältnis von Erscheinung und Wirklichkeit, nach dem von Verstellung und ›Authentizität‹.887 Denn Inszenierungen sind stets »schöpferische Prozesse, in denen etwas entworfen und zur Erscheinung gebracht wird – […] Prozesse, welche in spezifischer Weise etwas Imaginäres, Fiktives und Reales (Empirisches) zueinander in Beziehung setzen.«888 Sacher-Masochs auffallende Motivik zwischen Darstellung und Verstellung wirft dabei die Frage nach der Haltbarkeit einer ›genuin‹ gesellschaftlichen, ethnischen sowie gender Identität auf.

3.1. Zur Theatralisierung des Lebens Wenn sogar Sacher-Masochs treuer Sekretär und Fürsprecher Carl Felix von Schlichtegroll unfreiwillig zweideutig meint, dass Sacher-Masoch mit seinem literarischen Selbstportrait für diverse französische Zeitungen die Gelegenheit 884 885 886 887

Hermann Bahr : Wien. Stuttgart 1906, S. 40–41. Zoe von Rodenbach und Charlotte Arand. Demandt: Volksbildungsverein. Siehe Erika Fischer-Lichte, Isabel Pflug (Hg.): Inszenierung von Authentizität. Tübingen 2000. 888 Erika Fischer-Lichte: Theatralität und Inszenierung. In: Erika Fischer-Lichte, Isabel Pflug (Hg.): Inszenierung von Authentizität. Tübingen 2000, S. 9–30, hier S. 22; Martin Seels Thesen zum Inszenierungsbegriff nennen sich demnach auch »Inszenieren als Erscheinenlassen«, siehe Martin Seel: Inszenieren als Erscheinenlassen. Thesen über die Reichweite eines Begriffs. In: Josef Früchtl, Jörg Zimmermann (Hg.): Ästhetik der Inszenierung. Dimensionen eines künstlerischen, kulturellen und gesellschaftlichen Phänomens. Frankfurt/Main 2001, S. 48–62.

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gegeben wurde, »das Märchen seines Lebens zu erzählen«889, so legt dies bezeichnenderweise Sacher-Masochs Umgang mit Phantasien, Wunschbildern und Realitäten offen. Sacher-Masochs biografische (wie auch fiktionale) Inszenierungen erscheinen stets als »künstlerische Arrangements«890 und nicht von ungefähr spricht Plato in Sacher-Masochs gleichnamiger Novelle davon, dass er stets »eine glänzende Ausstattung brauche, um ein wenig Illusion zu haben«.891 Sacher-Masochs Illusion eines exzeptionellen, aufregenden Lebens musste, wo nicht mit den realen Gegebenheiten vereinbar, eben inszeniert werden. Sacher-Masochs Entwurf seines biographischen Stücks wurde bedacht mit einer Vielzahl an interessanten Figuren892 und geheimnisvollen Fremden893, erotischen Abenteuern und anregenden Ungewissheiten. Neben Sacher-Masoch’s persönlicher Passion für das Theater musste auch eines seiner möglichen literarischen ›Alter-Egos‹ »[…] seine an Manie streifende Passion für das Theater und den Gedanken, Schauspieler zu werden, bald aufgeben, dafür spielte er nun, ohne es zu wissen, im Leben Komödie, und wehe Jenen, welche seine Fantasie dabei mit Rollen bedachte.«894 Das Schauspiel von Sacher-Masochs Leben war dabei geprägt von Beziehungen zu weiblichen Miminnen oder aber mimenden Weibern: Er huldigte der deutschen Theaterschauspielerin Anna Versing Hauptmann895, an der Prager Schauspielerin Anna Kol#rˇov# hob er das »sarmatische Wesen« sowie die Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit der slawischen Frau hervor.896 Der Beziehung zur Grazer Schauspielerin Caroline Herold/Clairmont entsprang ein Kind, der die Verlobung mit der dem Grazer Theater nahestehenden Künstlerin Jenny Frauenthal folgte.897 Die Leidenschaft für das Theater, für das Inszenierte, das Spielerische, die möglichen Rollenwechsel prägten ganz offensichtlich Sacher-Masochs Leben(s)-Werk. Wie obsolet letztendlich der Unterschied zwischen Identität und Rolle, zwischen Leben 889 Schlichtegroll: Sacher-Masoch und der Masochismus, S. 162. 890 Gisela Steinlechner: Blick zurück – Flucht nach vorn. Inszenierung von Autorschaft bei Peter Rosegger und Leopold von Sacher-Masoch. In: Wendelin Schmidt-Dengler, Karl Wagner (Hg.): Peter Rosegger im Kontext. Wien 1999, S. 100–118, hier S. 116. 891 Sacher-Masoch: Die Liebe des Plato; vgl. auch Lohmüller : Die verschlagene Lust, S. 116. 892 Treffen mit Bakunin, Alexandre Dumas sowie Berichte über Revolutionäre wie Jakub Szela etc. 893 Die angebliche Episode mit Ludwig II. alias Anatol auch bei Sacher-Masoch: Lebensbeichte, S. 126–141. 894 Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau, S. 84. 895 Leopold von Sacher-Masoch: Anna Versing Hauptmann. Ein Charakterkopf aus der Bühnenwelt. In: Aus dem Tagebuch eines Weltmannes. Causerien aus der Gesellschaft und der Bühnenwelt. Leipzig 1870, S. 204–212. 896 Sacher-Masoch: Eine slawische Schauspielerin. 897 Vgl. Exner : Sacher-Masoch, S. 74–75; Schlichtegroll: Sacher-Masoch und der Masochismus, S. 107 und S. 115.

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und Bühne sei, darüber resümiert auch ein galizisches Fräulein bei SacherMasoch: »›Du gehst also nicht zum Theater‹, sagte sie nach einer Weile. Warwara schüttelte sich vor Lachen. ›O! Mama!‹ rief sie, ›die Welt ist auch ein Theater und ich habe alle Anlage, meine Rolle in demselben ausnehmend gut zu spielen.‹«898 Auf dem theatrum mundi gilt es also lediglich seine Rollen geschickt zu wählen und dabei den Schein zu wahren. Der Enthusiasmus für das Theater und theatrale Strategien, der bei Sacher-Masoch stets bestimmend bleibt, muss verstanden werden als Begeisterung für die Fähigkeit des Schauspielers, sich zu verwandeln, den schmalen Grat zwischen Erscheinung und Wirklichkeit, zwischen Verstellung und Authentizität stets neu abzustecken.899 Sacher-Masochs Hang zur spielerischen Inszenierung und Theatralisierung schlägt sich besonders in seiner Ausgestaltung von Beziehungen – in Leben als auch Werk – nieder. Das Prinzip der Verstellung bzw. Verkleidung als Grundzug seiner sattsam imaginierten Beziehungstableaux wurde auch von seiner Umgebung aufgegriffen – gemäß seiner Ankündigung »und wehe Jenen, welche seine Fantasie dabei mit Rollen bedachte«.900 So beginnt der Briefwechsel, den die gelangweilte Fabrikantengattin Frau Frischauer im Gespann mit SacherMasochs späterer Ehefrau Aurora Rümelin im Jahr 1871 anzettelte, »als reine Komödie (wie der Masochismus immer eine Schlagseite zur Komödie hat)«.901 Die beiden Damen vertreiben sich die Zeit damit, sich an verschiedene aufstrebende Schriftsteller der Grazer Szene902 heranzumachen. Dabei kommt auch das für die Komödie kennzeichnende Intrigenmuster nicht zu kurz: Man bemüht sich aufrichtig, die vermutete Ideal-Rolle für den jeweils anvisierten Empfänger aufzuführen. Lach deutet diese Korrespondenz-Rollenspielchen ganz richtig als: »man legt den Monomanen, den Geizhals, den Wichtigtuer, den Scheingelehrten etc. dadurch herein, dass man seine Sprachmarotten, seine Symbole und Zeichen übernimmt, mit denen er sich den Blick auf die Wirklichkeit verstellt.«903 Sacher-Masochs bewusste, aktive Teilnahme an diesem Spiel, findet sich auch in seinem späteren Briefwechsel mit Emilie Mataja904 898 Sacher-Masoch: Testament, S. 39. 899 Vgl. »[…] enthusiasm for the ability of the performer to transform herself…[an actress] can discard the identity of her role from one moment to the next […] to stake out the narrow line between appearance and reality, between dissimulation and authenticity […].« Kristine Hecker : Die Frauen in den frühen Commedia dell’Arte-Truppen. In: Renate Möhrmann (Hg.): Die Schauspielerin: Zur Kulturgeschichte der weiblichen Bühnenkunst. Frankfurt/Main 1989, S. 27–58, hier S. 46. 900 Vgl. Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau, S. 84. 901 Lach: Obsessive Kommunikation, S. 170; vgl. auch Michael T. O’Pecko: Comedy and Didactic in Leopold von Sacher-Masoch’s Venus im Pelz. Modern Austrian Literature. Nr. 25, 2, 1992, S. 1–13 sowie Deleuze: Pr8sentation de Sacher-Masoch. 902 Vgl. Wagner : Grazer Poeten-Colonie. 903 Lach: Obsessive Kommunikation, S. 172. 904 Siehe Farin: Briefe an Emilie Mataja.

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wieder : Dass sich »zwei einander vollkommen unbekannte Menschen mit einer Schnelligkeit einig werden, die kaum zu glauben ist, liegt daran, dass beide das Stück kennen, das hier gespielt werden soll.«905 Sacher-Masoch hatte das Skript dazu mit seiner Geschiedenen Frau und der Venus im Pelz vorgelegt. Aurora Rümelin traf mit ihrem Prinzip der Verstellung, mit ihrem Schlüpfen in die vorgezeichnete Rolle, in ihrer Bedienung der Sacher-Masoch’schen atmosphärischen und charakterlichen Versatzstücke den Nerv, auf dem SacherMasochs Beziehungstheater beruhte. Auch spätere Verehrerinnen setzten bewusst die Beschwörung seiner Neigungen wie seines Stils fort. Der inszenierte Charakter der Annäherung kann für Sacher-Masoch nicht in Frage gestanden haben, da die Parallelen zu seinen bisherigen Werken offensichtlich sind und er selbst diese zitiert.906 Wie sehr die Rollenvorgabe des Dramaturgen und die Interpretation der Ausführenden ineinander greifen907, zeigt auch die Ausschlachtung des Mystifikationsaspekts, den Sacher-Masoch als Grundlage seines Beziehungstheaters vorskizziert hatte und welchen Fräulein Rümelin, spätere Wanda von SacherMasoch, gekonnt in Szene setzte. Schlichtegroll, erwiesener Gegner der Dame, beklagte in seiner Stellungnahme den Opferstatus Sacher-Masochs – »Es galt nur, ihn genügend zu mystifizieren und sich durch den Reiz des Geheimnisvollen dauernd interessant zu machen.«908 – anstatt in ihm den maßgeblichen Regisseur zu erkennen. Laut Schlichtegroll war die Maske das »Hauptrequisit ihrer Verführungskünste«.909 Tatsächlich aber spielen Masken, Larven und geheimnisvolle Stell-Dich-Eins eine dominante Rolle in der Vorgeschichte der Causa Wanda und Leopold von Sacher-Masoch. Dass die angewandten Requisiten und aufgerufenen Szenerien jedoch eine genuin Sacher-Masoch’sche Vorgabe aus seinen Romanen war, deren Regieanweisungen sich Aurora Rümelin lediglich geschickt bediente, wird hier unterschlagen. Auch hinsichtlich ihrer späteren skandalträchtigen Autobiografie warf Schlichtegroll Wanda Verstellungskünste und Verschleierung vor, denn sie würde sich »stets in dem kleidsamen Pelze der Moral, stets mit der schützenden Gefühlsmaske«910 präsentieren – alles inszenatorische Hilfsmittel, die direkt Sacher-Masochs Requisitenarsenal entnommen sind. Genau diese Gabe, sich je nach Erwartungshal-

905 Lach: Obsessive Kommunikation, S. 173. 906 Nach ebda., S. 173. 907 »Beide Partner [Sacher-Masoch und Mataja – S. W.] zeigen hier in ihrem Schauspielersein eine enorme Bewusstheit gegenüber ihrer Inszenierung […].« ebda., S.193 und »Offenbar erkennt Sacher-Masoch diese Korrespondenz als das, was sie ist: ein Spiel.« ebda., S. 193. 908 Schlichtegroll: Sacher-Masoch und der Masochismus, S. 101. 909 Ebda., S. 112. 910 Schlichtegroll: Wanda ohne Maske und Pelz, S. 269.

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tung der von ihr anvisierten Empfänger zu wandeln und verkleiden, war Aurora Rümelins Erfolgsrezept. Welch ein nettes Talent zur Intrigantin Aurorachen doch eigentlich besessen haben muß. Man vergleiche die Erotik des Vorstehenden [Brief an Sacher-Masoch vom 18. April 1862 – S.W.] nur einmal mit dem kohlrabenschwarzen Pessimismus und der interessanten Melancholie, mit der Rosegger erschreckt worden war.911

Doch Peter Rosegger, dem Aurora Rümelin noch vor Sacher-Masoch Avancen gemacht hatte, zeigte sich vielmehr irritiert von jener geheimnisvollen weiblichen Verehrerin. Er wies ihre Annäherungsversuche »aus Furcht vor Mystifikationen, die bei anonymen Briefen viel häufiger vorkommen, als Sie glauben mögen«912, zurück. Genau jene Mystifikation aber war es, auf die Sacher-Masoch sofort ansprach. Der Verschleiß von Masken, Larven und Schleiern in der Anfangszeit seiner Bekanntschaft mit Rümelin ist tatsächlich beeindruckend.913 Daneben wurde ein pikantes Inseratenspiel in diversen Lokalzeitungen gepflegt, es werden Rollen getauscht – von der Zwischenbotin bis zur tragenden Akteurin unter wechselnden exotischen Namen – Verabredungen zu einer Redoute (13. Feburar 1872)914 getroffen, Annäherungsversuche in der Verkleidung eines Domino initiiert und diverse Rendezvous und Promenaden mit Larve und Schleier im Dunkel von städtischen Alleen verabredet und abgehalten – bald ein stadtbekanntes Phänomen, über das sich die Presse spottend das Maul zerriss.915 All das, was bis zum Überdruss und teilweise bis zur Lächerlichkeit in SacherMasochs literarischem Werk imaginiert und repetiert wurde, fand sich auf dem Pflaster der Grazer Kleinstadtkulisse als provinzielles Laienstück aufgeführt. Sacher-Masoch machte sich mit erstaunlichem Feuereifer daran, vielsagende Namen für die spröde Unbekannte zu entwerfen, unter welchen korrespondiert und inseriert werden sollte.916 Das Inkognito-Spielchen mit dem Fräulein aus der Vorstadt, das sich als Dame der Gesellschaft ausgab, zog sich in die Länge, bis es endlich zu einem »Demaskieren (reizende Szene)«917 kommt. Ein Demaskieren, das sich lediglich auf das Abnehmen der Larve bezog, vorerst aber noch nicht auf die ›Lebensbeichte‹ ihrer wahren Herkunft bzw. Identität. Bis zum frühen Tod 911 Ebda., S. 232. 912 Brief Peter Roseggers, Graz, den 2. Januar 1872, zitiert nach ebda., S. 219. 913 Siehe die Tagebuch- und Briefauszüge, die bei Schlichtegroll als auch in Wandas Lebensbeichte gleicherweise polemisch eingesetzt werden, um die vieldiskutierte Beziehung ins ›rechte Licht‹ zu rücken. 914 Bei Schlichtegroll: Sacher-Masoch und der Masochismus, S. 111 und Schlichtegroll: Wanda ohne Maske und Pelz, S. 238. 915 Wiener Fremdenblatt 11, 1873, Nr. 10, nach Schlichtegroll: Sacher-Masoch und der Masochismus, S. 239. 916 Vgl. Schlichtegroll: Wanda ohne Maske und Pelz, S. 239. 917 Ebda., S. 265.

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ihres ersten – noch unehelichen – gemeinsamen Kindes hielt Rümelin vor Sacher-Masoch ihre Scheinexistenz einer dem Hause ihres Gatten entflohenen aristokratischen Dame aufrecht.918 Noch lange davor aber wurden über mehrere Monate hinweg überraschend munter und freizügig ›unter dem Schutz der Maske‹ pikante Szenarien ausgehandelt, gemeinsam einschlägige Novellen-Sujets entworfen oder erläuternde Venus-Gespräche zur phantastischen Ergänzung der später zu inszenierenden masochistischen Szenen geführt. SacherMasoch war – seinen (nur über Schlichtegrolls bzw. Wandas Zensur überlieferten) Tagebucheintragungen nach zu schließen – Feuer und Flamme, endlich mit einer vorgeblich gleichgesinnten mysteriösen Unbekannten an Kostümen919 und Drehbuch920 seiner Phantasien arbeiten zu können. Alle Beteiligten wussten, welches Spiel gespielt wurde und spielten mit. Bereits in der Geschiedenen Frau hatte Sacher-Masoch seine Protagonistin hellsichtig sprechen lassen: »Ich war nicht fähig Wanda zu sein, aber er hatte mir durch seine Novelle verrathen, was ich thun mußte, um Wanda zu scheinen.«921 Wie sehr hier schon im Roman Komödie gespielt und in Graz lediglich ein vorgegebenes Stück nachgespielt wurde922, lässt sich auch aus den sehr offenherzigen Kommentaren zu vorgegebenen Posen, Kostümen und Auftritten ablesen: »Ich beschloß zu Pferde zu steigen – so sehr ich mich auch vor diesen launenhaften, leicht erregten Thieren fürchtete; Pistolen zu schießen – wenn mich auch das Knallen verdroß; fechten zu lernen, zu politisiren und zu rauchen, vor Allem aber eine Pelzjacke zu tragen[…]. […] ich hatte meine Rolle sorgfältig studirt, auch das Costume lag bereit.«923

Der theatrale Modus des ›als ob‹ ist grundsätzlich kennzeichnend für den Sacher-Masochismus924, unverhohlen wurden in Leben und Werk Namen angenommen, Rollen verteilt, Beziehungen dramatisiert und Kulissen inszeniert. Man unterwarf sich gegenseitigen Dramaturgien, kam den jeweiligen Erwartungshaltungen entgegen und spielte so weit wie möglich nach dem vorgege918 Vgl. Exner : Sacher-Masoch, S. 79. 919 Tagebuch zitiert nach Schlichtegroll: »Fragt um Toiletten, ich erkläre alle. Bei Samtkostüm ohne Pelz will sie Seide mit Schleppe. Gassenpelz nicht zu lang. Jacke zu Theaterkostüm geschlitzt. Schlafpelz gefällt ihr sehr, aber soll schleppen, will sie.« Schlichtegroll: Wanda ohne Maske und Pelz, S. 265. 920 Brief Sacher-Masochs an Alice vom 6. April 1872: »Vergessen Sie die Larve ja nicht.« ebda., S. 246. 921 Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau, S. 71. 922 Lisbeth Exner vermutet in der 1869 fertiggestellten Venus im Pelz eine mögliche Spielanleitung für die italienische Sklaven-Episode mit Fanny Pistor, wobei die vielsagende Geschiedene Frau bereits vor seiner Begegnung mit Fanny Pistor geschrieben wurde, vgl. Exner : Sacher-Masoch, S. 70–71 und S. 145. 923 Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau, S. 71–72. 924 Lohmüller : Die verschlagene Lust, S. 260.

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benen Skript, welches in seiner aufgesetzten Theaterhaftigkeit so manches Mal als artifiziell und lächerlich wahrgenommen wurde. Spricht die Wanda des Romans zu ihrem ›Diener Gregor‹925 noch belobigend »du hast deine Rolle herrlich gespielt«926, so kann eben dieses Rollenspielen auch zur Bürde werden, wenn Charakter und Figur allzu sehr auseinanderdriften und das Schauspielhafte nur zu sehr spürbar wird: so erzählt Die geschiedene Frau, dass sie sich »in meinem stolzen Pelz wie der Esel im Löwenfell vor[kam]«927 und »das Ganze […] nichts als eine gelungene Rolle [war], bei der ich vor Scham glühte.«928 Das Projekt Wanda-Severin aus der Venus scheiterte letztlich daran, dass Wanda höhnt: »Aus welchem Theaterstück ist diese Stelle?«929 und Severin einsieht, dass seine »theatralische Attitüde recht komisch war«.930 Denn letztendlich wurde die Komödie schmerzhafter Ernst, Wanda macht aus dem masochistischen Spiel echte Gewalt und resümiert über den ›geheilten‹ Severin: »Ich habe meine grausame Rolle besser durchgeführt, als du erwartet hast […].«931 Dass Sacher-Masochs Beziehungstheater kaum jemals etwas anderes als eine »göttliche Comödie«932 war, hätte ihn dafür sensibilisieren sollen, dass dabei die Anfälligkeit für Betrug, Intrige und Hochstapelei groß ist.933 In seinen Geschichten aus der Bühnenwelt bekennt Sacher-Masoch, dass »überhaupt in allen Klassen der Gesellschaft unglaublich viel Falsches für echt ausgegeben wird«, wobei das Theater (und wir übertragen es auf jegliches In-Szene-Gesetzte) für Sacher-Masoch eine Welt ist, »wo Alles Schein, Alles trügerisch ist, wo es nichts Echtes giebt […].«934 Insofern darf sich Schlichtegroll dann auch nicht über die Rolle der Arztgattin Anna Kottowitz als Geliebte Sacher-Masochs beschweren: »Frau Kottowitz nun war nicht nur, sondern spielte noch vielmehr das unglückliche Weib.«935 – war denn Inszenierung, Spiel, Kostüm, Kulisse wie auch Publikum bzw. Öffentlichkeit entscheidender Stimulus für Sacher-Masochs Beziehungstheater. Vor allem Sacher-Masochs masochistische Rollenspiele rufen grundsätzliche 925 »Sie heißen von nun an nicht mehr Severin, sondern Gregor.« So entscheidet Wanda von Dunajew, als in das neue Arrangement der Rollen von Herrin und Diener geschlüpft wird, vgl. Sacher-Masoch: Venus, S. 241. 926 Ebda., S. 256. 927 Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau, S. 93. 928 Ebda., S. 94. 929 Sacher-Masoch: Venus, S. 346. 930 Sacher-Masoch: Venus, S. 129. 931 Sacher-Masoch: Venus, S. 349. 932 Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau, S. 91. 933 Eine Annahme, die er selbst in seinen Erzählungen nährt, vgl. seine Hochstaplerin Asra Lindström aus Sacher-Masoch: Entre Nous. 934 Leopold von Sacher-Masoch: Falscher Hermelin. Kleine Geschichten aus der Bühnenwelt. Berlin 1886, S. 1. 935 Schlichtegroll: Sacher-Masoch und der Masochismus, S. 97.

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Bedingungen des Theaters auf. Theodor Reik schrieb dem Masochismus als einer »dramatischen Perversion«936 Begrifflichkeiten zu, die oft dem Theater entlehnt sind. Die Anweisungen an die Partnerin lassen sich mit Regieanweisungen vergleichen.937 Wie auch Requisiten, Pose, Kulisse und Beleuchtung in den masochistischen tableaux eine eminente Bedeutung haben.938 SacherMasoch (bzw. Severin) war in seinem eigenen Stück gleichzeitig Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler939, zumal er wie ein Theaterproduzent Verträge mit festgelegten Konditionen und Regeln entwarf. Seine erste masochistische Episode mit Fanny Pistor – die Beziehung inspirierte den Roman Venus im Pelz – war von Anfang an ein Spiel auf Zeit, eine abgeschlossene Inszenierung mit zeitlicher Beschränkung, auf die nach Auslaufen des Kontrakts nicht mehr Bezug genommen werden durfte: »Nach Ablauf der sechs Monate ist von beiden Seiten dies Sklavenintermezzo als ungeschehen zu betrachten, keine ernste Anspielung zu machen […]. Ferner muß sie ihm täglich 6 Stunden für seine Arbeiten einräumen, seine Briefe und Schriften niemals ansehen […].«940 Im Gegensatz zu diesem florentinischen Lustspiel mit geregelten Arbeits- und Spielzeiten war Sacher-Masoch nicht mehr Herr seines eigenen Stückes, als später Aurora Rümelin das Skript in die Hand nahm und in einer immensen Geschwindigkeit in Szene zu setzen versuchte, was sie sich selbst aus Sacher-Masochs literarischen Bildern filtriert hatte. Wo einst Sacher-Masoch Bilder entworfen, Rollen verteilt und Verträge aufgesetzt hat, wurde plötzlich ihm selbst ein Vertrag mit Ultimatum unter die Nase gehalten, welcher all seine wohldurchdachten Einschränkungen und Sonderkonditionen zum Zwecke eines aufrecht zu haltenden Arbeitsethos außen vorließ und ihn seines Theaterdirektorenpostens schlicht enthob.941 Später wird sich jedoch herausstellen, dass auch Aurora Rümelin ab einem gewissen Ehealltag ihre Doppelrolle als einerseits Ehefrau und Mutter mit bedrängenden Alltagssorgen und andererseits grausame Herrin nicht mehr gemäß den Anforderungen zu spielen vermochte.942 Sacher-Masoch beklagte ihre mangelnde Rollensuffizienz, die so nicht vorgesehen war : »[…] unter Herrschaft und Mißhandlung verstehe ich nicht Gemütsaufregungen«.943 In einem Tagebucheintrag thematisierte er die Nichteinhaltung der festgeschriebenen Rollencharakteristika: »[…] ich Herrschaft unter zwei Bedingungen. 936 Theodor Reik: Aus Leiden Freuden. London 1940, S. 141. 937 Ebda., S. 68–69. 938 Siehe dazu Sacher-Masochs »photographische Szenen« bei Deleuze: Sacher-Masoch, S. 188. 939 Siehe auch Boym: Another Freedom, S. 136. 940 Schlichtegroll: Wanda ohne Maske und Pelz, S. 225. 941 Siehe ebda., S. 262. 942 Siehe Wandas Erinnerungen Sacher-Masoch: Lebensbeichte, S. 98–99 sowie S. 216–217. 943 Tagebucheintragung nach Schlichtegroll: Wanda ohne Maske und Pelz, S. 285.

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1. kein Skandal vor Leuten. 2. Arbeiten lassen. Du gegen beides fortgesetzt Exzesse.«944 Die Rolle, die sich Aurora Rümelin ausgesucht hatte, entpuppte sich als aufwändiger als gedacht und war mit ein paar Peitschenhieben nicht erfüllt, sondern erforderte ein sehr viel breiteres Repertoire. Denn der Masochismus »entstammt nicht dem Schlafzimmer«, sondern ist vielmehr eine »phantasmatische Verdrehung und Sexualisierung von Bildungscodes«. Er setzt sich zusammen »aus Vertauschungen, Umbesetzungen, Verkehrungen von hoch valenten Bildungsfetischen«945, welche das In-Szene-Setzen sehr viel anspruchsvoller und zeitintensiver machten, als von Aurora und anderen Figuren aus Sacher-Masochs Beziehungstheater vermutlich anfangs angenommen. Die Theatralisierung des Alltags, das leidenschaftliche Rollenspiel zog bei SacherMasoch jedoch noch weitere biographische Kreise – auch im bescheidenen Graz.

Exkurs: Grazer Exzentriker mit galizischem Hintergrund Sacher-Masoch war bei weitem nicht die einzige exzentrische Figur in Graz. Das Städtchen an der Mur war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keineswegs nur berüchtigtes »Pensionopolis«946, sondern beherbergte eine lebhafte literarische Szene.947 Neben zeitgenössischen erfolgreichen Schriftsteller-Größen wie Peter Rosegger, Robert Hamerling und Friedrich Kürnberger verkehrten dort noch einige andere schillernde Gestalten, nicht wenige davon Galizien-Behaftete. Karl Emil Franzos und Sacher-Masoch produzierten hier unter anderem ihre galizischen Kulturbilder, um Letzteren bildete sich außerdem ein ausnehmend buntes Grüppchen aus eigenwilligen Persönlichkeiten. Teilweise handelte es sich dabei um galizische Beamten-Nachfahren948, die sich nicht nur freundschaftlich verbunden waren, sondern sich als Söhne verdienter Staatsbeamter allesamt einem höchst unsteten, dekadenten und skandalträchtigen Leben verschrieben hatten und zudem der Massenschriftstellerei frönten. Dabei kristal-

944 Tagebucheintragung nach ebda., S. 285. 945 Hartmut Böhme: Masken, Mythen und Scharaden des Männlichen. Zeugung und Begehren in männlichen Phantasien. In: Inge Stephan Claudia Benthien (Hg.): Männlichkeit als Maskerade. Kulturelle Inszenierungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Köln 2003, S. 100–127, hier S. 111. 946 Leopold von Sacher-Masoch: Ein platonischer Harem. In: Falscher Hermelin. Geschichten aus der Bühnenwelt. Berlin o. J., S. 151–154, hier S. 152. 947 Siehe: Wagner : Grazer Poeten-Colonie. Auch Sacher-Masochs Vaterhaus in Graz diente als Treffpunkt Kulturinteressierter, siehe Exner : Sacher-Masoch, S. 48. 948 Siehe hierzu Röskau-Rydel, Isabel: Zwischen Akkulturation und Assimilation: Karrieren und Lebenswelten deutsch-österreichischer Beamtenfamilien in Galizien (1772–1918). Oldenbourg 2016.

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lisierte sich ein auffälliger Hang zu Zirkus-Sujets, zur ambivalenten Welt der Bühne sowie zu anderweitig Travestie-Lastigem heraus. Sacher-Masoch (1836–1895) landete 1854 in Graz, wo sein Vater nunmehr seinen Lebensabend als Grazer Polizeidirektor verbrachte und den Lebenswandel des Sohnes vermutlich mit Sorge und Argwohn verfolgte. Dieser wandte sich ab von einer soliden akademischen Karriere an der Universität Graz, von einem Brotberuf im Staatsapparat und etablierte sich als finanziell und gesellschaftlich schlingernder Vielschreiber und Freund von pikanten Sujets und halbweltlichem Theaterleben. Ein weiterer Galizien-Sprößling, Zeit- und Interessensgenosse und »eine der seltsamsten Litteratengestalten des 19. Jahrhunderts«949 war Emil Vacano (1840–1892), Sohn des ehemaligen »Castraloberinspectors« für Galizien und die Bukowina. Auch Vacano verbrachte einen Teil seiner Schulzeit und Jugend in Lemberg (vermutlich gemeinsam mit SacherMasoch) und stand in freundschaftlichem Kontakt zu diesem.950 Vacano machte sich vor allem dadurch einen Namen, dass er angeblich noch minderjährig mit einer Wandertruppe türmte und zuerst als Seiltänzer, bald aber in gelungener Verkleidung als berühmte Zirkuskunstreiterin reüssierte. Unter diversen Künstlernamen wie Signora Sanguemetta, Miss Corinna sowie Miß Ella verdrehte er vor allem dem männlichen Publikum den Kopf und vagierte auf diversen Kleinbühnenbrettern bis etwa 1866 durch die moldauisch-walachischen Ebenen, durch Galizien, die Bukowina und im italienischen Raum951, verdingte sich dazwischen als Statist am Wiener Burgtheater952, bis er sich – neben regelmäßigen asketischen Klosterrückzugseskapaden – auch der Schriftstellerei widmete. Vacano eng verbunden war der Schriftsteller Emerich von Stadion (1838–1901), der sich ebenfalls von einem wohlgeordneten (Offiziers-)Leben verabschiedete und sich in den 1860ern schreibend dem Grazer Kreis um

949 Ludwig Julius Fränkel: Emil(e) Mario Vacano. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd.39. 1895, S. 451–454. 950 Siehe die in der Handschriftenabteilung der Wienbibliothek dokumentierte Sacher-Vacano-Korrespondenz von 1867–1890. 951 »Von Czernowitz ging Vacano endlich nach Tarnov in Galizien. Dort war er, wenn wir nicht irren, längere Zeit als Schauspieler bei einer wandernden Truppe engagiert.« Martin Perels: Emil Vacano und seine Schriften. Fata Morgana. Encyklopaedisch-Belletristisches Wochenblatt [Probenummer 13], 3. Juli 1874, Ofen, S. 201. 952 Nach: Constant von Wurzbach: Emil Mario Vacano. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 49. 1884, S. 164–171, hier S. 165; auch bei Vacano: Emil Vacano: Mysterien des Welt- und Bühnen-Lebens. II.Teil. Berlin 1862, S. 94; außerdem Perels: Vacano: »In Prag wirkte Vacano, – der dort sowohl als in Brünn, zahlreiche Liaisons unterhielt, sich stets weiß schminkte […] auf einem Liebhabertheater, im Verein mit mehreren Dilettanten, von denen sich die geschiedene Frau eines angesehenen Advokaten in ihn verliebte, jedoch nicht allzulange darauf von dem ›falschen Manne‹ schnöde verlassen wurde.«

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Sacher-Masoch anschloss953, bis Vacano und Stadion nach beiderseitig kurzfristigen Eheversuchen954 nicht nur gemeinschaftlich literarische Werke herstellten, sondern offensichtlich ein gemeinsames Leben in St. Pölten führten.955 Stadions autobiographisch zu lesende Drei seltsame Erinnerungen956 sind entsprechend »Seinem lieben Freunde MILTSCHI VACANO« gewidmet. Vacanos Lebensstil muss für Sacher-Masoch, der stets der artistischen Lebenswelt und dem Kampf gegen die verlogene Gesellschaftsmoral verpflichtet war, anziehend gewesen sein. Vacano und Sacher-Masoch decken sich auch bezüglich der Wahl ihrer Sujets, beide produzierten unzählige leichte Skizzen aus der HalbWelt des Theaters und der Gesellschaft. Bei Sacher-Masoch nennen sich diese Falscher Hermelin. Kleine Geschichten aus der Bühnenwelt, Harmlose Geschichten aus der Bühnenwelt, Fahrende Komödianten und andere Novellen957, bei Vacano Mysterien des Welt- und Bühnenlebens, Komödianten, Künstlerblut. Indiscretionen aus dem Theaterleben, Die Coulissenwelt ohne Lampenlicht, Theater-Plaudereien.958 Thematisch bedienten sie ähnliche Themenfelder, Sacher-Masoch erwähnte seinen Freund in Falscher Hermelin auch explizit als »Emil Vacano, der geistvolle Novellist und sociale Skizzenzeichner«.959 So mag es Vacano auch gelungen sein, sich einige freundschaftliche Publikationsplätzchen in Sacher-Masochs Gartenlaube zu sichern.960 In den zeitgenössischen Literaturgeschichten findet man

953 Siehe Sacher-Masochs Brief an Emerich Stadion im Vorwort zu seiner Geschiedenen Frau: Leopold von Sacher-Masoch: An Emerich Grafen Stadion in Venedig, Graz, 12. März 1868. In: Die geschiedene Frau [1870]. Nördlingen 1980, o.S. 954 Laut Wurzbach: Vacano. 955 »Vacano, Emil Maria, 1840–1892. Österreichischer Schriftsteller. Homosexueller Freund des Grafen Stadion. Ihr Bild als Freundespaar findet sich in ›Geschlechterübergänge‹.« Aus: Magnus Hirschfeld: Die Homosexualität des Mannes und des Weibes. Berlin 1929, S. 671; erwähnt außerdem in Bernd-Ulrich Hergemöller: Mann Für Mann: Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und Mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum. Berlin 1998; Keith Stern: Queers in History. The Comprehensive Encyclopedia of Historical Gays, Lesbians, Bisexuals and Transgenders. Dallas/TX 2009; Natasha Hurley : Getting Around: Circulation and the Rise of the Gay and Lesbian Novel. Diss., New Brunswick University 2007. 956 Emerich von Stadion: Drei seltsame Erinnerungen. Bochnia 1868. 957 Leopold von Sacher-Masoch: Falscher Hermelin. Kleine Geschichten aus der Bühnenwelt. Der ersten Sammlung zweite Hälfte. Berlin 1886M; Leopold von Sacher-Masoch: Harmlose Geschichten aus der Bühnenwelt. Leipzig 1878; Sacher-Masoch: Komödianten. 958 Vacano: Mysterien des Welt- und Bühnen-Lebens; Emil Vacano: Komödianten. Leipzig 1889; Emil Vacano: Künstlerblut: Indiscretionen aus dem Theaterleben. Leipzig 1879; Emil Vacano: Die Coulissenwelt ohne Lampenlicht. Theaterplaudereien. Erfurt 1876. 959 Sacher-Masoch: Falscher Hermelin, S. 127. 960 Vgl. Oliver Bruck: Die Gartenlaube für Österreich. Zur Positionierung einer österreichischen Zeitschrift im politischen und literarischen Feld nach Königgrätz. Dipl., Universität Wien 1994, S. 194.

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Vacano auffallend oft in einem Zug mit Sacher-Masoch genannt961, besonders, als sie beide nach dem »haut-gout einer westöstlichen Liederlichkeit [schmecken]«962 und hier »geistreich Schillerndes und pikant Üppiges in einer ans Paradoxe streifenden Sprachverderbnis und Stilverwilderung novellistisch dargestellt«963 wird. Dieser Runde der »Makarts in Prosa und Duodez«964 wurde auch Graf Emerich Stadion zugezählt965, dessen Involviertheit in die Vorlieben der extravaganten Ex-Galizier sich auch in seinem Werk widerspiegelt. So ähneln sich die Erzählung Leonor aus seinen Drei seltsame Erinnerungen966 und Sacher-Masochs Die Liebe des Plato967 ganz augenscheinlich968, wobei die bei Sacher-Masoch angespielte Männerliebe bei Stadion wie auch Vacano969 sehr viel expliziter thematisiert wird. Sacher-Masoch nahm sich überdies der bunten Lebensgeschichte seines Freundes Vacano an und verewigte dessen transvestitisch-künstlerisches »MißEllathum«970 in der gleichnamigen Erzählung: »Miß Ella entfloh noch in derselben Nacht und soll jetzt, wie böse Zungen behaupten, einen sehr bekannten Schriftstellernamen tragen«971 – wie auch Friedrich Hackländer in der Zirkusgeschichte Bella Orsaniga.972 Wurzbach aber klagte noch zu Lebzeiten Vacanos, dass sämtliche über den Künstler eingeholten Informationen sich widersprechen würden: 961 Gottschall: Sacher-Masoch; Richard Meyer : Die deutsche Litteratur des Neunzehnten Jahrhunderts. In: Das Neunzehnte Jahrhundert in Deutschlands Entwicklung, Bd. 3, Berlin 1900, S. 351–352; Nagl-Zeidler-Castle: Leopold von Sacher-Masoch. In: DeutschÖsterreichische Literaturgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn. Wien, S. 417–419; Wurzbach: Vacano. 962 Rudolf Gottschall: Die deutsche Nationalliteratur des 19. Jahrhunderts [3. Aufl]. Breslau 1872, S. 296. 963 Ebda., S. 296. 964 Ebda., S. 297. 965 »Die mit Graf Emerich Stadion […] veröffentlichten drei scharf gewürzten Romane aus der österreichischen Aristokratie ›Dornen. Erinnerungen und Ahnungen‹ (1869) athmen denselben Geruch […].« Fränkel: Vacano. 966 Stadion: Drei seltsame Erinnerungen [früher erschienen als Sacher-Masochs Plato]. 967 Sacher-Masoch: Die Liebe des Plato. 968 Wer sich hier von wem inspirieren ließ, ist nicht genau zu eruieren, Stadions Werk erschien 1868, Sacher-Masochs 1870, wann bzw. wie lange die beiden jeweils daran arbeiteten, ist ungewiss. 969 Vacano: Mysterien des Welt- und Bühnen-Lebens, S. 46, S. 49 sowie S. 165. 970 »›Weib!‹ rief er wie im Delirium, ›erbarme Dich meiner, wenn Du mich nicht lieben kannst, sonst…‹ / ›Mein Gott,‹ hauchte Ella, ›wie gerne würde ich Sie glücklich sehen, aber – es ist nicht möglich – ‹› / ›Nicht möglich – warum nicht möglich?‹ ›Weil ich – gar kein Weib bin.‹« Leopold von Sacher-Masoch: Miß Ella. In: Falscher Hermelin. Geschichten aus der Bühnenwelt. Neue Folge. Berlin o. J., S. 269–287, hier S. 277; siehe auch Fränkel: Vacano, hier wiederum findet Vacanos vermutliches Vorbild Olmar Kingsley Erwähnung, ein amerikanischer Artist, der als weibliche Zirkuskünstlerin mit Namen Miss Ella Zoraya auftrat. 971 Sacher-Masoch: Miß Ella, S. 278. 972 Friedrich Wilhelm Hackländer : Bella Orsaniga. Stuttgart 1886.

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Während er noch lebe, würde er bereits als Novellenfigur verarbeitet, »wo hört da die Mythe auf, und wo fängt die Wahrheit an?«973 Auch damit zeichnet Vacano sich als Verschleierungsgenosse Sacher-Masochs aus, da sie beide nicht wenig Energie darauf verwendeten, ihre Biografie so interessant, widersprüchlich und geheimnisvoll-irritierend als möglich erscheinen zu lassen. Wurzbach erkannte hier »das sichtbare Bestreben, ein an und für sich unstetes und wechselvolles Leben in einen mysteriösen Schleier zu hüllen«.974 Sowohl die Verflochtenheit von Leben und Werk, »deren autobiographische Ingredienzen kaum auszusondern sind«975 als auch ihr beider Los als vom Broterwerb gedrängte Vielschreiber und Massenproduzenten976 verbindet Sacher-Masoch und Vacano. Diesen Hang zum Gaukler- und Vagantentum, zur Theater- und artistischen Scheinwelt schreibt Starobinski einer epochenspezifischen Sehnsucht zu: »In der kohleschwarzen Atmosphäre einer in Industrialisierung begriffenen Gesellschaft bildeten die Zirkuswelt und der Jahrmarkt-Rummel eine wundersam schillernde Insel. […] das ›Strolchleben‹ der Vaganten und Zigeuner bestach durch seine orientalisch anmutende Farbigkeit« und »stand in dem nämlichen Nimbus, der dem Schicksal des outcast anzuhaften pflegt […].«977 Sowohl Sacher-Masoch als auch Vacano positionierten sich als gesellschaftliche Grenzgänger zwischen Sein und Schein, als Künstler, die sich ein Kunstleben 973 Wurzbach: Vacano, S. 164. 974 Ebda., S. 167. Vacano selbst bestätigt in einem Brief: »Veˇtsˇina novin#rˇsky´ch biografi& mne se ty´kaj&c&ch je podivuhodnou sl#taninou fantasie a klepu˚.« Mateˇ j Sˇimácˇ ek: Sebran8 spisy XX. Vzpom&nky liter#rn&, divadeln& a jin8. Praha 1911, S. 46. 975 Fränkel: Vacano. 976 »Vor etwa einem Jahre schrieb er mir, ob ich ihm nicht eine Stelle verschaffen könnte, irgend eine, in einer Zeitung, in einem Comptoir, als Lohnschreiber, was immer, nur dass er leben könne. – Er war sehr arm und sehr einsam geworden. […] Vacano gehörte zu jenen Personen, in welchen eine launische Natur die extremsten Anlagen und Neigungen gleichsam versuchsweise zusammenzutragen liebt. […] dass er sein dadurch entstandenes Missverhältnis mit Anderen fühlte, dass er aber trotzdem seine Artung nicht verleugnete, sondern ihr unbekümmert freien Lauf ließ, das war sein Leiden und sein Glück und seinen Bravheit. ›Ich bin ein sehr ausgesprochener Charakter, ohne aber einer zu sein‹, sagte er einmal, vielleicht doch zu strenge urtheilend.« Peter Rosegger : Vacano. Erinnerungen und Briefe. Mitgetheilt vom Heimgärtner. Heimgarten. Eine Monatsschrift. XVII. Jg., Graz, S. 26–35, hier S. 28. »Meine Lebensgeschichte schreiben – das könnte ich vielleicht […] – aber wer würde es verlegen, und – wer lesen? Ich bin ja kein berühmter Mensch, nicht einmal ein Mensch, der ›in der Mode‹ ist oder sein Publicum hat. Betteln kann ich nicht, d. h. Gönner suchen, die mir helfen mit Gaben, ohne dass ich ihnen dafür etwas entgegengeben, etwas erwidern kann – ich habe das nie übers Herz gebracht […] Aus meinen Arbeiten rationellen, geregelten Nutzen ziehen, das habe ich nie verstanden. […] nur Arbeit suche ich, Beschäftigung, um mein Leben schlecht und recht weiterzutragen auf ehrliche Art ohne jemandem zur Last zu fallen.« Peter Rosegger : Noch ein Brief Vacanos. Heimgarten. XVII.Jg., Graz, S. 150–151, hier S. 151. 977 Jean Starobinski: Porträt des Künstlers als Gaukler [1970]. Frankfurt/Main 1985, S. 9 und S. 16–17.

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arrangiert hatten, und sich unter Schaustellern und Artisten, den »Fransen an den äußersten Rändern des bürgerlichen Universums«978 heimisch zu fühlen schienen. Dazu gehört auch, dass sich beide – als Masochist und bisexueller Transvestit – auch als sexuell pathologisierte outcasts979 präsentierten. Zwiespältig war auch Vacanos Changieren zwischen einem Vagantenleben980 als Seiltänzer und Zirkusreiterin, der die Männer scharenweise zu Füßen lagen und plötzlichen Rückzügen in die Klosterabgeschiedenheit: »In kaum glaublicher Mischung beobachtete man in ihm ›Patriarch und Gigerl‹ (so unterschrieb er sich einmal981). Nachts schwärmte er fast wie ein Rou8 in frivolen Balllokalen umher und am Tage kniete er verzückt in heißer Andacht vor dem Altar der Kathedrale.«982 Vacanos von Rosegger überlieferte Aussage »er sei eine Cokette [sic] und ein Betbruder in einer Person«983 wurde von diesem auch bestätigt. Abbildungen in der satirischen Zeitschrift Neue fliegende Blätter984 zeigen Vacano in zierlichen Damenschuhen mit Absatz, aber in Mönchskutte auf einem Seil tänzeln. In der rechten Hand wie ein Jongleur einen Teller balancierend, in der linken seinen Roman Die Gottesmörder.985 Die soziale Randstellung fahrender Künstler, der vage Ort zwischen bürgerlichem Vergnügen und künstlerischer Freiheit prägte sowohl Sacher-Masochs wie Vacanos Faszination für und Identifikation mit den Gestalten des Theaters wie des Zirkus, die ein gauklerisches Changieren von Identitäten und Maskerade und damit ewiges Spiel verhießen. Neben dem Verschleiern eindeutiger Identitäten verbindet ihn mit SacherMasoch auch »die Sucht nach dem Sensationellen«, das »prickelnde Ausmalen heikler Situationen in Liebe und Ehe« sowie die »vielen Skizzen aus dem Theaterleben aller Schattirungen, namentlich des vielgestaltigen Artistenvölkchens, aus der mannigfaltigen Fäulnis des internationalen High-life.«986 Bei 978 Ebda., S. 41. 979 Sacher-Masoch in Richard von Krafft-Ebing: Psychopathia sexualis. Eine klinischforensische Studie. Stuttgart 1890 und Vacano in Magnus Hirschfeld: Die Transvestiten: Eine Untersuchung über den erotischen Verkleidungstrieb, mit umfangreichem kasuistischem und historischem Material. Berlin 1910. 980 »[…] um auf Streifereien in dem ›Halb-Asien‹ zwischen Pruth und Elbe irgendwo aufzutauchen« aus: Fränkel: Vacano. Wandernde Künstler errichteten ihm angeblich 1893 in Karlsruhe ein Denkmal, ebda. 981 Rosegger : Vacano, S. 26. 982 Fränkel: Vacano. 983 »Ich besitze ein von ihm selbstgezeichnetes Bild seiner Person. Er hatte in der That einen Christuskopf. […] In den über der Brust gefalteten Händen sind die Wundmale zu sehen. Auf der edelgeformten Christusnase hat er – einen Zwicker. Treffender als durch dieses Bild kann Emil Maria Vacano wohl kaum gezeichnet werden.« Rosegger : Vacano, S. 26. 984 o. A.: Neue fliegende Blätter. Nr. 7, 1874, S. 52. 985 Emil Mario Vacano: Die Gottes-Mörder: Von einem Gläubigen. Pest 1871. 986 Fränkel: Vacano.

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Sacher-Masoch wie Vacano erstrecken sich die Theaterbretter von der Provinzbühne bis zur großstädtischen demi-monde. Ein besonderes Faible hegte Sacher-Masoch aber für das Laientheater und die provinzielle Wanderbühne: Das große Galizien hat nur zwei stehende Theater, eines in Lemberg und ein zweites in Krakau, alles Ubrige [sic] ist theatralische Prairie, offenes und dankbares Feld für fahrende Komödianten, die Zigeuner der Kunst.987

Auch Vacano thematisiert das Schmierentheater und seine gefallenen Figuren. Und sie sank herab zu den Schmieren der Wandertruppen, wo man »auf Teilung spielt.« […] welche die endlosen Landstraßen von Böhmen, Mähren, Siebenbürgen, Kroatien etc. entlangziehen, gewöhnlich auf zwei Leiterwagen, wovon der eine die Dekorationen und Garderobekiste, der andere die weibliche Mitgliedertruppe trägt, während die Männer neben gehen.988

Neben theaterbegeisterten989 und -kranken990 Personen und anderen »Typen des Theaters«991 und allem was Verkleidung und Spiel verhieß992, verschrieb sich Sacher-Masoch in Anlehnung an seinen Bekanntenkreis literarisch auch so mancher Zirkusreiterin. Aus der exotischen Welt der Vaganten hebt Starobinski gesondert die Akrobatin und Kunstreiterin hervor: »Die Zirkusreiterin ist nicht nur eine kühle Amazone oder eine von der Liebe unberührte Diana; sie ist eine schauerliche Hekate, welche die bleiche Schar an ihr Zugrundegegangener anführt.«993 Und »vibrierend von Geschmeidigkeit und Kraft« würden sie »die idealen Schinderinnen nicht nur der Phantasie«994 verkörpern. In der Schwellenfigur der draufgängerischen Akrobatin auf dem Pferd, ätherisch-weiblich, jedoch mit halsbrecherischem Wagemut und Peitsche versehen, findet sich die grausame Frau genauso wie die Option des Transvestismus. Sacher-Masoch verewigt solcherart Kunstreiterinnen u. a. in der Erzählung Miß Ella995, Asma996 sowie in Machschewe.997 987 988 989 990 991 992

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Sacher-Masoch: Komödianten, S. 7–8. Vacano: Komödianten, S. 96. Sacher-Masoch: Komödianten; Sacher-Masoch: Sascha und Saschka. Vacano: Komödianten. Leopold von Sacher-Masoch: Typen des Theaters. In: Aus dem Tagebuche eines Weltmannes. Causerien aus der Gesellschaft und der Bühnenwelt. Halle 1872, S. 190–194. Auch die Figur des Hochstaplers ist eine konstante Figur in sowohl Leben und Werk SacherMasochs: »›Wie soll ich das verstehen?‹ fragt der Offizier verwirrt. ›Daß dieser Marokordatos ein gefährlicher Betrüger und Abenteurer ist, dessen wir soeben habhaft geworden sind.‹ ›Kein Prinz?‹ ›Nein, ein Kunstreiter.‹« Sacher-Masoch: Ein exotischer Prinz, S. 11– 12; Hochstaplerfiguren auch in: Sacher-Masoch: Entre Nous; sowie sich auch der langgesuchte ›Grieche‹ Armand Rosenthal, Mitherausgeber von Sacher-Masochs Auf der Höhe und späterer Gatte Wanda von Sacher-Masochs als Hochstapler herausstellte. Starobinski: Der Künstler als Gaukler, S. 47. Ebda., S. 41. »[…] als der Name einer Kunstreiterin an sein Ohr schlug, welche damals in Wien kaum

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Auch in einem Gemeinschaftsprojekt von Vacano und Stadion findet sich ein Kapitel mit dem Titel »Der Magnet des Cirkus Hinn8«, welches in einer kurzen Episode den Aufführungs-Tod der kühnen Zirkusreiterin Miß Florence widergibt, welcher als Lebensweg angedichtet wird, dass sie aus einem steirischen Dorfe stamme, einst Mitglied einer Wandertruppe gewesen sei und in dieser Funktion bis nach Galizien gekommen sei.998 Die idealen ›Schinderinnen‹ und ›Schinder‹ (!) haben bei Sacher-Masoch bevorzugt etwas Artistisches, dezidiert Nicht-Bürgerliches an sich. Auch die Figur des ›Griechen‹ aus Venus im Pelz gehört zu diesem Menschenschlag, wobei sich darüber hinaus auch Bezugnahmen auf die Figur Vacanos und anderer Transvestiten jener Zeit vermuten lassen: der ›Grieche‹ hatte in seinem früheren Leben ebenso als Frau Furore gemacht, wie er jetzt den omnipotenten Mann darstellt: […] er ist ein Mann wie ein Weib999, er weiß, daß er schön ist und benimmt sich darnach; er wechselt vier bis fünfmal im Tage seine kokette Toilette, gleich einer eitlen Courtisane. […] In Paris erschien er zuerst in Frauenkleidern, und die Herren bestürmten ihn mit Liebesbriefen.1000

Die Grazer Exzentriker verschrieben sich somit nicht nur biographisch der Rolle von artistischen outcasts, sie beschäftigten sich auch literarisch mit der Spezies von Gauklern und Vaganten, die von galizischen Provinztheatern bis zu Zirkusreiterinnen reicht. Wer dabei wann welche Rolle spielt, ist der jeweilig gewählten Inszenierung bzw. flüchtigen biografischen oder fiktionalen (Übergangs-)Identität unterworfen.

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weniger von sich reden machte, als der berühmte Sänger. Sie hieß Miß Ella und glich einer im Aufblühen begriffenen Rosenknospe. […] Sie war trotzig, kapriciös, wie es schöne Kinder zu sein pflegen. Den Huldigungen, welche ihr von den Löwen aller Stände zu Theil wurden, setzte sie eine kalte Grausamkeit entgegen, welche ihre unzählbaren Anbeter nur noch mehr reizte und in Ekstase versetzte. Diamanten rührten sie ebensowenig als Blumen, Seufzer und Schwüre.« Sacher-Masoch: Miß Ella, S. 271. Leopold von Sacher-Masoch: Asma. In: Grausame Frauen. Sphinxe. Leipzig 1901, S. 77–86. Leopold von Sacher-Masoch: Machscheve (England). In: Jüdisches Leben in Wort und Bild [1892]. Wiesbaden 1986, S. 195–206. »Am nächsten Tage las man in der Triester Zeitung: ›[…] Miß Florence war keine Engländerin. 27 Jahre alt. Ihr wahrer Name war Hermine Floh. Ihre Eltern waren arme Schauspieler, sie selbst wurde in dem obersteirischen Gebirgsstädtchen Leoben geboren und spielte in ihrer Kindheit bei kleinen Wandertruppen.‹ […] Er hatte sich an eine Theatervorstellung erinnert […] und an das geschwätzige Schauspielerkind…, das er auf die mageren Kinderschultern geklopft hatte, und an dessen Krankenbette vor vielen, vielen Jahren seine Gattin in Galizien oben gewacht hatte.« Emil Vacano, Emerich Graf Stadion: Auf schwindelnder Höhe. In: Dornen. Erinnerungen und Ahnungen in drei Romanen. Bd. 2, Pest 1869, S. 163–259, hier S. 200–201. »Wenn er minder feine Hüften hätte, könnte man ihn für ein verkleidetes Weib halten.« In: Sacher-Masoch: Venus, S. 320. Ebda., S. 327.

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3.2. Travestien und gesellschaftliche Maskenspiele Überleitend von Sacher-Masochs biographischen Maskeraden und Schaustellereien sei auf die Relevanz und auffällige Präsenz von Verkleidungsmotiven, Karnevalsepisoden, Theatersujets, Travestien, Maskentreiben, Rollenspielen und tableaux vivants hingewiesen, die sich in Sacher-Masochs diversen Novellen und Erzählungen aus gänzlich unterschiedlichen kulturellen Räumen finden, hier jedoch mit besonderem Augenmerk auf Galizien: Die Vorzüge des Theaters in der Provinz, vor allem der östlichen Provinz bzw. Galiziens, sind laut Sacher-Masoch die Hingezogenheit, die Gefangennahme des Publikums1001 durch das Geschehen auf der Bühne: »Man vergaß Ort und Zeit, man glaubte zuerst Künstler eines ersten Theaters spielen, glaubte endlich wirkliches Leben sich entfalten zu sehen.«1002 Und die Theatermacher selbst begreifen die Notwendigkeit der Nähe des vorgetragenen Stückes zum eigentlichen Leben, die Verbindungen, die hier geschaffen werden müssen. Gerade das Volkstheater, das provinzielle Erziehungstheater, erfüllte Sacher-Masochs Meinung nach einen Zweck, den das Hauptstadttheater vielleicht schon verloren hatte, indem es zum Amüsement verkommen war. Ein junger ruthenischer Theaterliebhaber »[…] verstand vom ersten Augenblicke an, daß er einem Volke von Bauern angehörte, und daß daher die Helden seines Theaters nicht auf dem Kothurn, sondern in genagelten Stiefeln oder noch besser barfuß auftreten mußten.«1003 Die Faszination für das Volkstheater und seine Authentizität beschreibt Starobinski als romantischen Gedanken, wo die Volkskünste in ihrer namenlosen Unbefangenheit aus den Quellen der Inspiration selbst schöpften, daß sie spontaner Ausdruck des Genius der Gemeinschaft wären […]; man stoße hier wieder auf die einfach und ungestüme Welt der Ursprünge, der hemmungslosen Leidenschaften, des ungebrochenen Lachens und der frischesten Tränen: Alles hat hier, aufgrund einer untrüglichen Erfindungsgabe, den richtigen Ton, den Glanz und die Wunderlichkeit, die Staunen erregen. Aber es ist auch einen zu Ende gehende Welt, ein Phänomen, das jeden Augenblick verschwinden kann […].1004

1001 »Einmal kam die Schauspielergesellschaft von Lemberg nach Kolomea und gab dort Vorstellungen in der Volkssprache. Theofil Pisarenko fuhr mit den Seinen in die Stadt und sie saßen Alle beisammen in einer Loge, die gefüllt war wie eine Hühnersteige. Man gab ein komisches Stück aus dem Bauernleben mit Gesang. Alle lachten, nur der Alte nicht, der saß ernsthaft wie eine echter Orientale da, der das Lachen für unanständig hält.« SacherMasoch: Der neue Hiob, S. 373. 1002 Sacher-Masoch: Komödianten, S. 22. 1003 Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 54–55. 1004 Starobinski: Der Künstler als Gaukler, S. 10–22.

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Auch Sacher-Masoch erschienen die »archaischen Bilder wie der Nachglanz einer versunkenen Welt«1005 und die provinziellen Theater Galiziens erfuhren bei Sacher-Masoch eine besondere Sympathie. Die Lebenswelt der fahrenden Künstler beschrieb Sacher-Masoch in seiner unbestreitbaren Ärmlichkeit, aber auch pittoresken Anziehungskraft: Es war wirklich ein Karren, auf dem die Musen und ihre Jünger in der kleinen Kreisstadt einzogen. Vier magere Bauernpferde waren vorgespannt. Auf allerhand Kisten und Bündeln saßen vier Damen in ebenso extravaganten als schadhaften Toiletten[…]. Auch zwei Männer befanden sich auf dem Karren, von denen der eine, eine Allonge auf dem Kopfe und eine grellrote Schärpe mit verschossenen Goldfransen um den Leib, mit aller Kraft auf eine große türkische Trommel lospaukte.1006

Es gehen mit überbordender Hingabe und ärmlicher Beschränktheit die Vorbereitungen eines enthusiasmierten Veranstalters als auch begeisterten Theaterliebhabers der Kleinstadt los: Da werden mit Goldpapier hohe Damen imitiert, bemalte Leintücher als Tigerfell interpretiert, »von den Flammen der Begeisterung verzehrte Seelen mit einem Kruge hellen böhmischen Biers [befeuchtet]«1007, katzenmusikartig der »Radetzkymarsch in einer Weise [gespielt], ›die Steine erweichen, Menschen rasend machen kann.‹«1008 Dass »die Schauspieler mit ihren Federnbüschen an den Himmel [des Gasthofsaales – S.W.] stießen«1009, tut der Begeisterung keinen Abbruch. Das, was man für provinzielle Volksbelustigung halten könnte, erscheint bei Sacher-Masoch als fein improvisierte Volkskunst, wo mit bescheidensten Mitteln die Gemüter der Zuschauer bewegt werden. Auch die Routine des Standardrepertoires der fahrenden Leute wird als besondere Güte hervorgehoben: Jeder der Mitwirkenden hatte seine Rolle mindestens hundertmal und stets in derselben Umgebung gespielt, in Folge dessen klappte alles, so wie es selten auf großen deutschen Stadttheatern der Fall ist, da die Mitglieder und Novitäten rasch wechseln und es daher nie zu einem ordentlichen Ensemble und Repertoire kommt.1010

Und im Zuge der Proben zur Theateraufführung mit Laien wird bestätigt, dass »die natürliche Rednergabe und die angeborne lebhafte Mimik der Kleinrussen […] in überraschender Weise [ersetzte], was den jungen Leuten an Kunst und Schule abging […]«1011 Während »[d]ie Zuschauer […] gar nicht den Eindruck [hatten], ein Theaterstück zu sehen, sie fanden sich selbst mit ihrem Leben und 1005 1006 1007 1008 1009 1010 1011

Ebda., S. 23. Sacher-Masoch: Komödianten, S. 8. Ebda., S. 21. Ebda., S. 21. Sacher-Masoch: Mondnacht, S. 24. Sacher-Masoch: Komödianten, S. 22. Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 63.

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Treiben, ihren Leiden und Freuden und ihrer Art, sich auszudrücken, auf der Bühne wieder […].«1012 Vor allen Dingen interessant ist, dass bei Sacher-Masoch nie gewiss ist, wer Schauspieler und wer Alltagsakteur, was Kostüm und was individualistische Kleidung von Eigenbrötlern ist – wer spielt eine (angenommene) Rolle oder lediglich mehrere Facetten seiner selbst? Denn wer auf der Bühne eben noch wirklich Schauspieler war, kann bei Sacher-Masoch im selben Kostüm das Leben weiterspielen. Das Verhalten wird nicht selten als Rolle und das Leben als theatralisches Sujet wahrgenommen1013 : Die Schauspieler waren in den Kleidern geblieben, die sie auf der Bühne getragen hatten. Sascha, in den Stiefeln, den weiten Leinenhosen und dem langen, von einem Ledergürtel umspannten lauen Tuchrocke eines kleinrussischen Bauern, die hohe schwarze Lammfellmütze auf dem Kopfe […].1014

Dies erinnert nur zu sehr an das Volkskostümspektakel der um eine neue Identität ringenden gente Rutheni.1015 Andere Szenen bieten ebensolche mehrdeutigen Auslegungsmöglichkeiten: Die mutige Reiterin machte ihm […] den Eindruck einer Schauspielerin, welche nur die Rolle einer Bäuerin spielt, und sie saß auch mit einer gewissen Koketterie in ihren blutroten Männerstiefeln, ihrem bunten Rocke […], einen Kantschuk in der Hand, gleich einer Huzulin nach Männerart im Sattel.

Diese wird ob ihrer eindrucksvollen Erscheinung im einfachen kleinrussischen Kleide darauf hingewiesen »[a]ber Sie spielen hier in diesem Anzuge eine Rolle, […] und somit könnten Sie gewiß auch auf der Bühne einen fremden Charakter darstellen.«1016 Eine Rollenvielseitigkeit, die bei Sacher-Masoch kein Einzelfall ist. Personen, die in ihrer ›echten‹ Kleidung verkleidet wirken, im Kostüm aber ihrer ›wahren‹ Persönlichkeit eher gerecht werden, geben Aufschluss über das komplizierte Spiel von ›Kleider machen Leute‹ bzw. erweisen sich Gesten, Kleidung und Handlung stets als semiotisch aufgeladen.1017 Die Frage, inwieweit diese Darstellungs-, Verhüllungs- und Verstellungsmotive in ihrem jeweiligen Kontext auch auf Entgrenzungen und Mehrdeutigkeiten anspielen, inwiefern damit auch ein Spiel mit Rollenbildern und Gesellschafts1012 Ebda., S. 63; vgl. auch Sacher-Masoch: Musik und Theater, S. 84. 1013 Vgl. Jurij Lotman: Poetika bytovogo povedenija v russkoj kul’ture XVIII veka [Die Poetik des Alltagsverhaltens in der russischen Kultur des 18. Jahrhunderts]. In: Izbrannye stat’i, Bd. 1: Stat’i po semiotike i tipologii kul’tury [Aufsätze zur Semiotik und Typologie der Kultur]. Tartu 1992, S. 269–286, hier S. 258 und 263. 1014 Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 64. 1015 Siehe Kapitel 2. 1016 Sacher-Masoch: Sascha und Saschka, S. 56–57. 1017 Siehe Lotman: Bytovoe povedenie.

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normen stattfindet und festgeschriebene Bedeutungen subversiv unterwandert werden, stellt sich dieses Teilkapitel. Denn bei der Travestie handelt es sich stets um eine Dialektik von oben und unten. Lebt die Travestie als Textgenre von der Verzerrung und parodistischen ›Verkleidung‹ bekannter Stoffe, so liegt das Augenmerk in diesem Teilkapitel auf der Verkleidung im wörtlichen Sinne. Auch diese bedeutet Umkehrung, ein Spiel mit Normen, Irritation und unter Umständen auch die Überwindung von Grenzen und sozialen Identitäten. Die Verbreitung theatralischer Äußerungsformen (wie Maskenbälle und das Gesellschaftsspiel der tableaux vivants) war im 19. Jahrhundert groß und kam Sacher-Masochs Schwäche für Verkleidungsamüsements sehr entgegen. Denn Maskeraden bzw. jegliche Form von Verkleidung können »Potentialräume eröffnen und das Repertoire des Denkbaren, Vorstellbaren, Erlaubten und Erreichbaren vergrößern«1018 oder aber auch die Vielfältigkeit von Identitäten offenlegen.1019 Zum einen kennt man Sacher-Masoch für sein wiederholtes In-Szene-Setzen von Wunschbildern, was vor allem die Imaginierung seiner Frauenfiguren als irdische Göttinnen betrifft. Diese Bilder bzw. historisierenden tabelaux, die Sacher-Masoch wiederholt aufruft, kreisen immer wieder um betörende Orientalinnen, Judith-Figuren1020, einschlägig-machtbewusste Frauen wie Delilah, russische Despotinnen / la Katharina die Große, sowie (andere) herrische Sultaninnen. Zu Göttinnen stilisiert, bewegen sie sich meist im üblichen Fahrwasser zwischen verführerischer Odaliske und knutenschwingender Herrin. Männer erscheinen in dieser Realisation von Phantasmen meist als orientalische Prinzen (sei es nun in der Version des ›Griechen‹1021 oder im orientalisierten polnischen Habit1022). Kulisse und Kostümierung sind hier unverzichtbares Medium zur Verkörperung des Wunschbildes. Diese mit großem Material- und Requisitenaufwand verbundenen Sacher-Masoch’schen tableaux1023 zeigen, dass in der Maskerade jegliche Identität wählbar ist, sie ist ein befreiender Raum, der vielfältige metaphorische Möglichkeiten in sich trägt. Wenn Sacher-Masoch seine Ideale in Szene, ins Bild, ins richtige Licht setzt, kreist die Motivik der Kostüme, des Bühnenbilds oft um Gemälde, die an bildungsbürgerlichem Kul-

1018 Böhme: Masken des Männlichen, S. 103. 1019 Efrat Tseëlon: Reflections on Mask and Carnival. In: Efrat Tse[lon (Hg.): Masquerade and Identities. Essays on gender, sexuality and marginality. London 2001, S. 18–37, hier S. 25. 1020 Marion Kobelt-Groch: Judith – oder die Sehnsucht nach der grausamen Frau. Masochistische Phantasien im Werk Leopolds von Sacher-Masoch. In: Judith macht Geschichte. München 2005, S. 125–196. 1021 Sacher-Masoch: Venus. 1022 Vgl. etwa Graf Soltyk in: Sacher-Masoch: Die Seelenfängerin. 1023 Vgl. ebda.; Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau, S. 41; Sacher-Masoch: Venus.

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turgut orientiert sind.1024 Eine aus der Vielzahl idealisierter Frauen (und Männer) in Sacher-Masochs Erzählungen wird folgendermaßen charakterisiert: »Dann war es ihr angeboren, daß sie immer schön lag, saß oder stand, und ihre Arme Stellungen annahmen wie auf antiken Bildwerken.«1025 Die Bandbreite an Bildern reicht von erotischen bis politischen Machtdemonstrationen, von folkloristischen bis historisierenden Zitaten. Ausschlaggebend dabei ist, dass durch Verkleidung und Habitus jede Rolle angenommen werden kann: Und Marie? Sie wechselte ihre Erscheinung wie ein indischer Vischnu. Sie erschien in aufgeraffter geblühmter Seide, gepudertem Haar, Schönpflästerchen und Fächern, eine vollendete Marquise, und das nächste Mal als Sultanin in rothseidenen Pantalons […] auf dem Tigerfell ausgestreckt, ihren Sklaven zu beglücken. Schlag zwölf Uhr nachts endete der Zauber […]. Und die seidenen Roben und Sammthüllen, Tigerfell und Hängematte hingen wieder an den langen Haken der Trödlerbude […].1026

Szenen, die sich im Weiteren nicht nur auf spielerische tableaux beschränken. Sacher-Masoch schöpfte gerne aus lokalen Traditionen, die Kostüm, Verkleidung, Spektakel, Lärm, Unfug, Vermischung sowie Unterwanderung verhießen – bevorzugt aus Galizien. Die Funktionalisierung von lokalen Riten und Traditionen betrifft einerseits das Literarische, wenn Sacher-Masoch sich auf die groteske Körpersemiotik und das Typenreservoir der ukrainischen Literaturtradition bzw. auf Gogol’1027 bezieht. Sacher-Masoch verortet jedoch auch seine Liebe für den Karneval als besonderes Phänomen des kulturellen Kontexts der Region ebendort.1028 Was außerhalb der galizischen Geschichten austauschbare, ortlose Verkleidungsspielchen bleiben, ist im galizischen Kontext sehr viel deutlicher lokal verortet. Was anderswo vor allem wenig tiefgehendes Amüsement bleibt, ist in Galizien politisch wie gesellschaftlich stärker an ortsspezifischen Realia festgemacht. Sacher-Masochs galizische Festivitäten reichen vom örtlichen Markttagspektakel über das jüdische Purim, den ukrainischen Dreikönigstag bis zu Lemberger (Masken-)bällen. Diese Anlässe sind dominiert von 1024 1025 1026 1027

Vgl. Lohmüller: Die verschlagene Lust, S. 174. Siehe: Sacher-Masoch: Basil Hymen, S. 338. Sacher-Masoch: Die Ideale unserer Zeit, S. 147. Das chaotische Miteinander, das Aufeinandertreffen von aberwitzigsten Gestalten ist ein Grundzug auch Gogol’scher Texte. Die Bedeutung von Theater und des Theatralischen aus der barocken Tradition wurde auch für seine Prosa nachgewiesen wie auch die Beredsamkeit des Körpers ein eminenter Part Gogol’scher Groteske ist. Siehe Gavriel Shapiro: Nikolai Gogol and the baroque cultural heritage. University Park/PA 1993 und Natascha Drubek-Meyer : Gogol’s eloquentia corporis. Einverleibung, Identität und die Grenzen der Figuration. München 1998. 1028 Geradezu in der Nachfolge Gogol’s scheint sich Sacher-Masochs Beschreibung des Jahrmarkts von Nadworna lesen zu lassen, siehe Leopold von Sacher-Masoch: Frau von Soldan. Berlin 1884, S. 40.

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polyphoner Heiterkeit, cross-kulturellen Maskeraden und komödiantischen Intrigen, die Bachtin als kennzeichnend für die festlichen Phasen der karnevalesk »umgestülpten Welt« nennt. Diese entkräftet dabei vor allem hierarchische Schranken: Denn der Karneval ist nicht nur eine Maskerade, in welcher der Einzelne aus seinen alltäglichen Handlungsrollen heraustritt und unter dem Schutz der Verkleidung die Verhaltensmuster straflos übertreten kann, die im Alltag Geltung haben. Zugleich tritt das Ich ein in ein Spiel, das seinerseits zutiefst ambivalent ist. Die spielerische Übernahme von fremden Rollen, die Aufhebung überkommener Grenzen von sozialen Identitäten und sprachlichen Identifizierungen, schlägt sich nicht nur in einem bunten Synkretismus der unterschiedlichsten Diskurse und Praktiken nieder.1029

Das Spiel mit Rollen besagt zum einen mimetisches Nachbilden, impliziert jedoch dabei auch spielerisches Infragestellen.1030 Mit dem Tragen von Kostümen werden auch Manieren imitiert und nachgeahmt, welche in ihrer mimikry auch eine gehörige Portion mockery beinhalten. Diese Transformationsoption1031 von Kostüm und Maskerade ermöglicht ein Spiel mit der Vorstellung einer ›authentischen‹ Identität. Das verwirrende Verkleidungsspiel ist demnach nur zum Teil oberflächliche Lustbarkeit. Die Ahnung der Aufhebung von Grenzen und sozialen Identitäten macht subversive Untertöne möglich, die aber nicht eingefordert werden müssen. Maskerade signalisiert – wie alles Performative – Transformation, nicht Festigkeit und ist tief diskursiv und kontextuell.1032 Unter diversen lautstarken galizischen Festtagstreiben widmete sich SacherMasoch bevorzugt dem jüdischen Purim, wo sich nicht nur der gesamte Querschnitt der jüdischen Gesellschaft zusammenfand1033, sondern sich auch ein einmaliges Spektakel entfaltete, das auf den überalltäglichen Charakter und die polyphone Heiterkeit abseits gesellschaftlicher Normierung verweist. Wobei Sacher-Masoch auch immer wieder auf den dionysisch-ekstatischen Charakter

1029 Julia Encke, Caroline Pross: Arena des Wortes. Zur Theatralität von Sprache, Text und Kultur bei Michail Bachtin. In: Gerhard Neumann, Caroline Pross, Gerald Wildgruber (Hg.): Szenographien. Theatralität als Kategorie der Literaturwissenschaft. Freiburg im Breisgau 2000, S. 253–282, hier S. 270. 1030 Gertrud Lehnert: Wenn Frauen Männerkleider tragen. Geschlecht und Maskerade in Literatur und Geschichte. München 1997, S. 14. 1031 »trans-« impliziert stets eine Grenz- oder Schwellenüberschreitung. 1032 Tseëlon: Masquerade and identities, S. 9. 1033 »[…] es gab da Onkeln und Vettern, die ihr Haar mit Rosenöl gesalbt, und andere, die es mit Gänsefett geschmiert hatten, Tanten und Cousinen, deren mit Diamanten besäte Stirnbinden, dem Monde gleich, die Nacht erhellten, und andere, in verschossenen, seidenen Überrücken aus der Zeit des Wiener Kongresses und mit Hauben, welche dem Turme von Babel glichen.« Sacher-Masoch: Judenraphael, S. 89.

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dieser karnevalesken Gegenwelt hinweist.1034 Für Purim hegte Sacher-Masoch eine besondere Schwäche: Vierzehn Tage später war Purim, der jüdische Carneval.[…] Mit Anbruch der Dämmerung strahlte das Viertel der Juden in einem Meere von Glanz. Alle Thüren waren offen. Die jungen Leute durchzogen maskirt die Strassen und traten in die befreundeten Häuser ein, um allerhand Possen zu treiben. Hier und da wurde getanzt.1035

Die Offenheit der Türen und die übermütige Ausgelassenheit aller wird geschildert als »[e]s war, als ob man sich an diesem einen Purim schadlos halten wollte für all die sonst verkümmerten und vorenthaltenen Freuden, als ob man den das Jahr über zurückgedrängten Regungen von Frohsinn und munterer Laune wenigstens einmal so recht nach Herzenslust die Zügel schiessen lassen wollte.«1036 Denn Purim vereint zwei vordergründig widersprüchliche Intentionen:1037 zum einen gilt Purim als der jüdische Feiertag, welcher nationales, historisches Gedächtnis bewahrt, andererseits ist Purim ein Anlass mit den Charakteristika eines Volksfests wie geplanter Exzess, Besäufnisse, und die kurzfristige Lockerung von Tabus, was den Leuten erlaubt, die puritanischen Werte ihrer Gesellschaft für kurze Zeit abzuschütteln.1038 Das auch bei SacherMasoch mehrmals thematisierte Purim-Spiel der Geschichte von MordechaiEsther-Haman reflektiert laut Ahuva Belkin dabei nationale Rebellion wie auch soziale Anarchie. Dementsprechend auch der bacchantische Lärm (ähnlich dem des Jahrmarktes), der bei Sacher-Masoch folgendermaßen beschrieben wird: »der Löwe brüllte, der Hahn krähte, das Opferlamm blökte, die Tambourins rasten und mit ihnen wieder Trommeln, die Geigen, die Pfeifen und Becken, Pfannen und Mörser, eine infernalische Musik, sie hätte einen Toten erwecken können […].«1039 Dieser Feiertag mit seinen traditionellen Maskeraden und Performanzen ermöglichte eine kurzfristige Befreiung von sozialen Spannungen, indem er althergebrachte Normen kritisierte und destabilisierte. »›Oh!‹ schrien Markus und Honigmann zugleich, ›man hat uns zum Besten gehabt.‹ ›Vergessen Sie nicht, dass heute Purim ist‹, rief Jessika, ›heute ist jeder Scherz erlaubt.‹«1040 1034 Nach Dolgan: Poesie des Begehrens, S. 210. 1035 Leopold von Sacher-Masoch: Das Trauerspiel im Rosengässchen (Holland) [1892]. In: Jüdisches Leben in Wort und Bild. Wiesbaden 1986, S. 247–259, hier S. 256–257. 1036 Max Steif: Die Purimfeier in historischer Beleuchtung. Ost und West. H.3, März 1905, S. 171–180, hier S. 172. 1037 Siehe Ahuva Belkin: Masks and Disguises as an Expression of Anarchy in the Jewish Festival Theatre. In: Shimon Levy (Hg.): Theatre and Holy Script. Brighton 1999, S. 203– 212, hier S. 203. 1038 Siehe ebda., S. 204. 1039 Sacher-Masoch: Judenraphael, S. 97. 1040 Sacher-Masoch: Rosengässchen, S. 259.

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Neben Purim wird Sacher-Masoch auch den ruthenischen Feiertagen gerecht, wenn jene tolle Zeit begann, welche bis zum Dreikönigsabend währt und der eigentliche Carneval unserer Bauern ist1041, wenn Barbara, das aufgelöste goldene Haar, sowie Hals und Arme mit Muscheln vom Thyssaflusse umwunden, einer Russalka glich […], Bojan plötzlich als Bär zum Fenster hereinblickte, Demin und Orchim als Wölfe vermummt, ein schauerliches Duett im Hofe sangen, während Bilak mit Löckchen und falschem Bart als Jude hereinschlich und allerlei Kram auspackte […] und im Dorfe Tag und Nacht Musik, Gesang, lautes Geheul, Krähen und hundert andere Stimmen zu hören waren. […] Wenn am Dreikönigstage […] die Knaben […] die Röcke ihrer Mütter als Mäntel benützend, mit Krone und Scepter von Goldpapier […] als die drei Weisen aus dem Morgenlande erschienen […].1042

Neben den klassischen Weisen aus dem Morgenlande finden auch so manche Scharaden statt, die direkt auf das galizische Umfeld Bezug nehmen. Hier ist eine Tendenz des bäuerlichen Karnevals ersichtlich, der sich nicht nur mythischen Figuren wie der Nixengestalt Rusalka verschreibt, sondern auch gewisse Feindbilder thematisiert, die den ruthenischen Alltag in Galizien prägen, in der Verkleidung jedoch lächerlich gemacht, damit als Bedrohung bewältigt aber auch bestätigt und verfestigt werden können. So gehört die Verkleidung als Bär, Wolf oder Jude bei Sacher-Masoch zu wiederkehrenden beliebten Verkleidungsmotiven.1043 Auch das erwähnte jüdische Purim und sein Haman-EstherSpiel, das eine zentrale Episode der jüdischen Geschichte widergibt, war als Straßenspektakel Zugpferd für Protest und Spott. Banden jüdischer Knaben und Jünglinge, unter denen die talmudbeflissenen Bocherim die erste Rolle spielen, durchziehen die Straßen der Stadt und gehen von Haus zu Haus und stellen in karikierten Masken und lächerlichen Kostümen Szenen aus der biblischen Geschichte dar, welche sie mit eigentümlichen, bald lächerlich monotonen, bald koboldartig lustigen, hebräischen Gesängen begleiten.1044

Beim galizischen Purim von Sacher-Masoch geht es wild zu und er gesteht der traditionell lebenden jüdischen Gemeinde eine Wüstheit zu, die man entweder als Sacher-Masoch’sche oder aber galizische Ausprägung lesen kann: »Immer ausgelassener, immer bacchantischer wurde der Tanz, die Tollheit hatte ihren Höhepunkt erreicht, die entarteten Weiber begannen über Stühle und Tische zu springen und die lachenden, bärtigen Männer mit derben Küssen zu verfolgen 1041 Siehe auch Sacher-Masoch: Die Schlange im Paradies Bd. 3, S. 14. 1042 Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 371–372. 1043 »Sie wissen vielleicht, daß es bei uns im Gebirge Gebrauch ist, in der Zeit von Christi Geburt bis zum Dreikönigsabend allerhand Mummereien aufzuführen, die Burschen verkleiden sich als Weise aus dem Morgenlande, als Juden, alte Weiber oder auch als Wölfe und Bären.« Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 68. 1044 Sacher-Masoch: Judenraphael, S. 87.

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[…]«1045 Das Ausartend-Dionysische, der Spott innerhalb des streng regulierten Glaubensalltags, der Lärmpegel und die karikierenden Kostüme zeugen von einem Ausnahmezustand, der soziale wie gender-spezifische Rollen und Grenzen verkehren, überschreiten bzw. verschwimmen lässt. Wobei Sacher-Masoch damit weniger triebhafte, sondern vielmehr umtriebige Körper in Szene setzt.1046 Im Zuge der geschilderten Festivitäten, die sich meist auf eine lokale galizische Verkleidungstradition berufen, können Häuser betreten werden, die sonst verschlossen, können Rollen gespielt werden, die dem gesellschaftlichen Stand eigentlich nicht angemessen sind und finden Begegnungen statt, die ansonsten untersagt waren. Gerade im Zuge von Festtagen ist die Brechung des authentischen Ichs im parodischen Ich, das Ausspielen der eigenen Duplizität möglich.1047 Männer spielen Frauen, Ruthenen Juden, Juden Ruthenen, Schnorrer spielen Könige und Aristokraten verkleiden sich als Bauern. Masken des ›nationalen Anderen‹ konnten dabei auch eine Meuterei gegen ›soziale Andersheit‹ ausdrücken.1048 Konkret zu Purim wurde durch parodierendes Nachstellen und Verkleidung wie Maske ein Moment der Anarchie geschaffen, der Platz für Rebellion wie Befreiung schuf.1049 Im Chaos der »höchsten Purimslust« findet eine spöttische Auseinandersetzung nicht nur mit der eigenen Vergangenheit aus dem Hohelied statt. Die Protagonisten des Liedes Esther ziehen im Zuge des Ahasveros-Spiels in grotesken Verkleidungen durch die Straßen, Mordechai und die schöne Esther, aber auch der böse Haman mit »großer Nase« und »drei gigantischen Karfunkelwarzen«1050 auf Stelzen einherwankend. Bei SacherMasoch »durchzogen fröhliche Menschen in langen Kafthanen [die Strassen] und die Maskerade war in vollem Zug.«1051 Das Fest bzw. hier der Karneval lebt geradezu von seinem Schwellen- und Krisencharakter – das Transitorische, der Aspekt des Übergangs herrscht vor.1052 Im Falle des Purim-Spiels ist nicht nur die an sich verbotene weibliche Kostümierung eines Mannes (als Esther) gestattet1053, die Granden der biblischen Geschichte werden im Purimspiel tradi1045 Ebda., S. 90. 1046 Vgl. Strohmaier : Zur Sexualisierung kultureller Alterität, S. 22. 1047 Vgl. Wolfgang Preisendanz: Humor als Rolle. In: Odo Marquard (Hg.): Idenität. München 1996, S. 423–434, hier S. 424. 1048 Belkin: Masks in Jewish Theatre, S. 204. 1049 Nach ebda., S. 20. 1050 Sacher-Masoch: Haman, S. 220. 1051 Ebda., S. 220. 1052 Vgl. Renate Lachmann: Die Schwellensituation. Skandal und Fest bei Dostoevskij. In: Walter Haug (Hg.): Das Fest. München 1989, S. 307–325, hier S. 311–313. 1053 »Playing a female role was thus an infringement of this taboo. […] rather it was essentially yet another expression of anarchy and cutting loose, and a symbol of the licentiousness associated with the liminal phase of the holiday. Female disguises were grotesque and improvised and the actors never tried to hide their masculine identity. They stuffed their costumes with cushions, covered their heads with wigs or kerchiefs and added various

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tionell von gesellschaftlich unterprivilegierten jungen Männern aufgeführt.1054 Bei Sacher-Masoch nimmt jedoch das Karnevalhafte des Purim-Festes Gestalt auch abseits des Purim-Spiels an. In seiner galizischen Variante wird auch außerhalb des Spiels in munteren Verkleidungen unter anderem dem judophoben Alltag mit Spott und Parodie Paroli geboten. In mannigfachen Verkleidungen setzte man sich mit der sozialen Umgebung auseinander und schüttelt verankerte Ordnungen ab. Im galizischen Kontext bei Sacher-Masoch heißt es »[h]ier kam ein Trupp jüdischer Jünglinge, die als kleinrussische Bauern gekleidet waren, und vor jedem Haus Halt machten und kleinrussische Volkslieder sangen, wobei sie sich mit Geigen, Bassgeigen und Flöten begleiteten.«1055 Das Erhabene wird mittels Parodie herabgesetzt, das Heilige nähert sich ganz nach Bachtin dem Profanen an, das Hohe dem Niedrigen, Ernst, Spiel und Spott vermengen sich in komischen und grotesken Spiegelungen und Doppelungen. Die karnevalesken Elemente wie Gewalt, Verspottung von Autoritäten und die Parodie von Geheiligtem wurden zu sozialen Instrumenten, das Feierliche durch das Komische kontaminiert. Das Genre des ›Purimspiel‹ blieb Plattform für das einfache Volk, um unter Anderem nationale Helden zu karikieren – so war auch die Übertragung der biblischen Geschichte aus dem sakralen Hebräisch in das alltagssprachliche Jiddisch ein subversiver Akt.1056 Die Feiertage, insbesondere Purim, erlauben durch ihre Verkleidung und Exzesse im öffentlichen Raum einen hierarchielosen und bei Sacher-Masoch auch interkonfessionellen Umgang untereinander, den man als »karnevalistische Mesalliance« bezeichnen kann.1057 Für die kurze Zeit des Karnevals sind soziale Distinktionsmerkmale aufgehoben, eine besondere Karnevalskategorie, die Bachtin »den freien, intim-familiären, zwischenmenschlichen Kontakt« nennt, welcher »vereinigt, vermengt und vermählt«.1058 Durch die Verkleidung ist in Sacher-Masochs Judenraphael etwa nicht mehr erkennbar, wer Jude und wer Ruthene ist, wer Mann und wer Frau, wer ›dazugehörig‹ zur Gemeinschaft und wer von außen kommend:

1054 1055 1056 1057 1058

feminine trimmings. Sometimes they actually wore proper dresses but more often than not their own clothing would show beneath.« Belkin: Masks in Jewish Theatre, S. 210. »Was aber dem Purimfeste erst seinen eigentlichen, lustig übermütigen Charakter verlieh, das war eine Art Karnevalstrieben unter den verschiedenartigen Verkleidungen, wobei selbstverständlich der Phantasie der einzelnen der weiteste Spielraum gewährt wurde. Während es sonst gemäss einem biblischen Verbot für unziemlich galt, Frauenkleider anzulegen, drückte man heute ein Auge zu […].« Steif: Purim, S. 178. Unterprivilegierte junge Männer. Sacher-Masoch: Haman, S. 220. Belkin: Masks in Jewish Theatre, S. 205–206. Bachtin: Literatur und Karneval, S. 49; siehe auch Dolgan: Poesie des Begehrens, S. 210. Bachtin: Literatur und Karneval, S. 49.

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Kaum hatte man sich [im Hause Gerson Chefez – S.W.] zu Tisch gesetzt ertönten Trommeln und Trompeten, und ein prächtiger Maskenzug, in dem alle Gestalten des Buches Esther zu sehen waren, zeigte sich in der Straße. Voran zwei berittene Trompeter, dann Telesphor [ein Freund des Ruthenen Plutin – S.W.] als König Ahasveros und der Judenraphael als Haman hoch zu Roß, von assyrischen Reitern gefolgt. Hlamton, als Esther, im rotsamtenen Hermelinpelz, den Kopf mit einem weißen, goldgestickten Turban umwunden, Stirne, Hals, Brust und Arme mit Perlen und Goldmünzen geschmückt, auf einem mit Pantherfellen bedeckten Pferde, von schwarzen und weißen Sklaven begleitet. Dann Nabohoffko, als Monderisch [Mordechai], mit den Israeliten und zuletzt Tschitscherin als Heerführer an der Spitze des assyrischen Fußvolkes.1059

Der als Judenschreck bekannte Ruthene Plutin alias Judenraphael mimt hier in einer traditionell jüdischen Aufführungspraxis den historischen Feind der Juden und ergötzt damit ein jüdisches Bürgerhaus. Jeder parodiert jeden, die jüdischen Bocherim ihre eigene Geschichte und Identität, ein ruthenischer Exzentriker die schöne Esther. Der Karneval bietet die Möglichkeit einer ausdrücklichen ästhetischen Rollendistanz, man geht in seiner Rolle, in seiner neuen Identität geradezu auf, wächst in sie hinein. Parodie und Travestie usurpieren und verkehren dabei teilweise die ursprünglichen Funktionen des Festes.1060 Zu Purim war es geradezu beabsichtigt Mein und Dein zu vermischen, ja zu verwechseln: »Dass es namentlich auch an Wein nicht fehlen durfte, dafür bürgte jener bekannte talmudische Ausspruch, der es vorschrieb, sich insoweit Vergessenheit anzutrinken, bis man nicht mehr wisse, ob Haman verflucht oder Mordechai gesegnet werde.«1061 Freund und Feind sollen gegen Ende nicht mehr auseinanderzuhalten sein und so verkörpert Maskerade auch »das Unerlaubte und Ausgegrenzte, das Verdrängte und Tabuierte, das Unerreichbare und Mächtige, das Gefürchtete und Begehrte, das Heilige und Profane«.1062 Jedoch beschränken sich bei Sacher-Masoch die so häufig zu findenden Komödianterien keineswegs auf dementsprechende kalendarisch gebundene Festtage: auffallend oft ist unabhängig von Ort und Zeit von der spontanen Lust die Rede, sich einen Spaß machen, jemanden zum Besten, zum Narren halten zu wollen. Das äußert sich meist in parodistischen Verkleidungen, die einem harmlosen Scherz, übermütigem Spiel oder aber der spöttischen Bloßstellung von Persönlichkeiten der Gesellschaft dienen. Der eine bekundet »Ich bedarf wieder einmal so einer rechten Fastnachtshetze. Muß mir gute Laune machen.«1063 Ein anderer bekennt: »Wir müssen wieder einmal einen ordentlichen 1059 1060 1061 1062 1063

Sacher-Masoch: Judenraphael, S. 97–98. Vgl. Lachmann: Schwellensituation Fest, S. 311. Steif: Purim, S. 176. Böhme: Masken des Männlichen, S. 103. Sacher-Masoch: Entre Nous, S. 73.

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Spaß, eine tolle Farce in Szene setzen.«1064 Wieder ein anderer kündigt an: »Jetzt wollen wir zu eurer Belehrung, Kinder, einen echt römischen Carneval in Scene setzen.«1065 Und ein anderer Held liebte es »auch im gewöhnlichen Leben Späße in Szene zu setzen«.1066 Die Grundkomponenten von Sacher-Masochs karnevaleskem Theater sind dabei auch schon genannt: es geht vordergründig um einen Spaß, mit dem man sich gute Laune macht, der jedoch stets eine ›Belehrung‹, ein karnevaleskes Auf-den-Kopf-Stellen bisheriger Weltbilder bzw. eine Art Katharsis im Schilde führt. Es geht nicht nur um die Lust an der Verkleidung, um das »in Scene Setzen«, vielmehr um die Farce an sich, das lächerlich Machen, die Parodie und das Aufdecken von religiösem Aberglauben, gesellschaftlicher Arroganz und anderen eingefleischten gesellschaftlichen Grenzziehungen.1067 Sacher-Masoch »kommt in seinen Texten mehrfach und meist sympathisierend auf Narren, Berufskomiker oder Possenreißer sowie allgemein auf karnevaleskes Treiben zu sprechen, und das seit seiner Dissertation, in der er auf den hohen Stellenwert ausgelassener Feste, vornehmlich des Faschings in der holländischen Volkskultur hinweist.«1068 Verkleidung bedeutet eine Transformation, die eine Absage an bzw. ein Spiel mit der authentischen Identität bedeutet. Verkleidung bzw. Maske verkörpern oft das Unerlaubte und Ausgegrenzte, das Verdrängte und Tabuisierte, das Andere unseres Selbst.1069 In Anlehnung an barocke Vorlagen scheint die Devise bei Sacher-Masoch zu heißen: totus mundus agit histrionem. (Masken-)Bälle etwa dienen bei Sacher-Masoch häufig als Ort der Verschwörung1070 und Verführung1071, Travestien helfen dabei, Intrigen auszuführen, an Informationen zu kommen oder (durch cross-dressing) zu Räumen Zutritt zu bekommen, die ansonsten verschlossen wären. Die Annäherungen per Verkleidung sind mannigfaltig. Teilweise aus Spaß am Kostüm, oft um das Gegenüber zu täuschen, aber auch aus politischem Hazardspiel. So ziehen um 1846 1064 Sacher-Masoch: Judenraphael, S. 108. Siehe auch allerlei gerühmte Komiker wie etwas Zulkowski: »Zulkowski liebte es dagegen, auch im gewöhnlichen Leben Späße in Szene zu setze, und man erzählt sich heute noch allerhand Eulenspiegeleien von ihm in Warschau.« Sacher-Masoch: Duell und Unschlittkerzen, S. 46. 1065 Leopold von Sacher-Masoch: Die Aesthetik des Häßlichen. Leipzig 1880, S. 43. 1066 Sacher-Masoch: Duell und Unschlittkerzen, S. 46. 1067 Vgl. Steinlechner : Inszenierung von Autorschaft, S. 117. 1068 Dolgan: Poesie des Begehrens, S. 214. 1069 Böhme: Masken des Männlichen, S. 103. 1070 So Sacher-Masochs amüsante Geschichte über den Polnischen Aufstand 1846, bei welchem die polnischen Damen Lembergs die Habsburgischen Beamten im wahrsten Sinne des Wortes zu umgarnen hatten: Sacher-Masoch: Eine Damenverschwörung, S. 117 [Eine von Sacher-Masoch Junior verfasst Sammlung von Anekdoten, die von Erzählungen des Vaters inspiriert sein dürften]. 1071 Man denke auch an zahlreiche Dominos, die ihren Auftritt in Sacher-Masochs Erzählungen haben.

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polnische Insurgenten bei Sacher-Masoch etwa im Schutze von Kostümen durch Galizien, um für Polen Stimmung zu machen: […] die Emissäre der Pariser Nationalregierung, [die] bald hier, bald dort auftauchten, einmal im schillernden Seidengewande und reicher Kazabaika, ein andermal in der blauen Blouse des Handwerksburschen, oder dem Leinwandrocke des Bauers […].1072

Die polnischen Emissäre trieben sich laut Sacher-Masoch in bäuerlicher Tracht in den Dörfern und Schenken herum und suchten die damals noch durch Robot und Abgaben schwer gedrückten Bauern in communistischem Sinne gegen die Regierung aufzuhetzen, wobei ihn [den Emissär – S.W.] die Gewandtheit, mit der er den masurischen Dialekt und das galizisch-russische Idiom sprach, sowie die Manieren des Bauers nachahmte, vor Entdeckung schützte.1073

Das Versteckspiel unter (textiler, sprachlicher und geschlechtlicher) Verkleidung gelingt einmal mehr, einmal weniger. Von »komischen Unvorsichtigkeiten« auch innerhalb dieses politischen Theaters erzählt Sacher-Masoch, etwa von einem »Sendboten der Emigration«, welcher sich auf seiner Mission in den galizischen Karpathen dadurch verriet, »daß er als slovakischer Drahtbinder in seinen Lackstiefeletten herumging.«1074 Nicht wenige solcher kuriosen Begebenheiten und eigenwilligen Charaktere durchziehen Sacher-Masochs Werk. Zeit seines Lebens war er auf der Suche nach interessanten Figuren und dabei überzeugt, dass sich »jene Sonderlinge, welche von der Kultur ausgerottet werden wie gewisse Thierarten, die nur in der Wildniß und ihrer schrankenlosen Freiheit gedeihen«1075, sich vor allem in der Provinz bewegen, unbeschnitten von der ›Zivilisation‹, vor allem in der (östlichen) Provinz, wo das theatrum mundi noch greif- und erlebbar ist. Denn eigentlich sollten die großen Witzblätter in der Provinz erscheinen. In der Residenz, wo die Cultur alle Welt, folglich auch die ewig Lächerlichen, beleckt hat, beginnt der Mangel an echt komischen Figuren immer fühlbarer zu werden. Man muß sie sich erfinden, während sie in der Provinz wild wachsen und herrlich gedeihen, so daß man sie nur mit dem journalistischen Lasso einzufangen und in die Spalten, in denen sich täglich die Welt spiegelt, einzustellen braucht.1076

Eben diese »Sonderlinge der Provinz« erinnern nur zu sehr an die Typen aus Gogol’s Prosa, welche auf die Prototypen des barocken ukrainischen Puppen-

1072 Leopold von Sacher-Masoch: Graf Skarbek und sein Theater. In: Falscher Hermelin. Geschichten aus der Bühnenwelt. Neue Folge. Berlin o. J., S. 76–90, hier S. 76. 1073 Sacher-Masoch: Polnische Emissäre, S. 39. 1074 Ebda., S. 37. 1075 Sacher-Masoch: Graf Skarbek, S. 78. 1076 Sacher-Masoch: Ein platonischer Harem, S. 150.

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theaters [vertep] verweisen, die u. a. der Parodie des ukrainischen Alltagslebens dienten. Wir haben Sacher-Masoch bereits kennengelernt als einen, der nicht nur den Verlust der »unsterblichen Typen der russischen Komödie«1077 im wirklichen Leben beklagte, sondern auch stets ein offenes Ohr für jene letzten Charakterexemplare des ›unbeleckten‹ Ostens hatte. »Ich neigte mich stumm auf dem Sattelknopf, denn es ist ein Hauptgrundsatz von mir, die Menschen sich so ungestört und weitläufig als nur möglich explizieren zu lassen; auf diese Weise lernt man die merkwürdigsten Charaktere und Geschichten kennen.«1078 Und er traf nicht selten »eine seltene Sammlung von Originalen, wie man sie heutzutage nur noch auf dem Lande und vielleicht nur in Galizien findet.«1079 Und in dieser »Welt von Caricaturen, Gaunern und Narren«1080 finden sich jene Typen, die den plurikulturellen Raum des Randgebiets prägen, wo an der Schnittstelle verschiedenster Semiosphären1081 unterschiedliche gesellschaftliche Normen und ethnische wie gender-Rollen nicht nur miteinander in Dialog treten, sondern bei Sacher-Masoch auch ineinander übergehen können: Man hätte ihn für einen herumziehenden Schauspieler oder Gaukler halten können. Er trug grellrothe Frauenstiefel, welche seinen kleinen Fuß sehr wohl kleideten, enge, weiße Reitbeinkleider, eine violette Plüschweste und einen langen grünen Merinokaftan, unzweideutig hebräischen Ursprungs.1082

An diesem galizischen Protagonisten lassen sich nicht nur weibliche Garderobe und zarte Physis ausmachen, seine Kleidung integriert nicht nur Textilien des anderen Geschlechts, sondern auch anderer kulturell-ethnischer Zugehörigkeit, wovon der Kaftan spricht – wie sich auch der Rest des Kostüms aus unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Requisiten Galiziens zusammensetzt. Die (östliche) Provinz bietet bei Sacher-Masoch einerseits exotische, bunte Kulisse, darüber hinaus tummeln sich dort auch eine auffallende Zahl eigenwilliger Charakterköpfe, die in ihrer sonderbaren Kleidung (oder aber gar Kostümen), welche sich aus folkloristischen Versatzstücken zusammensetzt, interessante Details des ›Ostens‹ aber auch eine irritierende Verquickung weiblicher und männlicher Stilelemente, ein Ineinanderfließen mehrerer kultureller und gesellschaftlicher Identitäten abbilden. Sacher-Masochs Beschreibung von Szenen aus der Provinz gleicht damit oft einem Bühnen- bis Genrebild 1077 1078 1079 1080 1081 1082

Sacher-Masoch: Leibeigenschaft, S. 167. Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau, S. 28. Sacher-Masoch: Testament, S. 172. Leopold von Sacher-Masoch: Zur Ehre Gottes!: Ein Zeitgemälde. Leipzig 1872, S. 30. Siehe Lotman: Die Innenwelt des Denkens. Sacher-Masoch: Basil Hymen, S. 282.

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oder aber spielt mit Anleihen aus Gogol’s Typen-Reservoir. Auch die Erwähnung, dass der genannten Gestalt etwas Gauklerhaftes, an Schauspieler Gemahnendes anhaftet, fügt sich in diese Vorstellung. Die Faszination für Schauspieler und Theater schließt in der Provinz natürlich auch fahrendes Volk, Gaukler, Narren, Typen sowie jegliche Festivitäten, denen Kostümierung und theatrale Auftritte zugrunde liegen, ein. Die in Sacher-Masochs Werk so vielzitierten karnevalesken Szenen besingen eben jene Grenzaufhebungen, die laut Michail Bachtin dafür so kennzeichnend sind. Jedoch beschränken sich SacherMasoch nicht auf den Karneval selbst. Die »utopischen Zeitinseln im strengen Jahr«, die »umgestülpte Welt«1083, welche das System von Verboten und hierarchischen Schranken außer Kraft setzt, Machtverhältnisse umkehrt, finden sich zahlreich auch außerhalb kalendarischer Festivitäten. Vordergründig mag Sacher-Masoch das ludische Potenzial der Maskerade ausgeschlachtet haben, die Konsequenzen bzw. Untertöne dieser Travestien und Umkehrungen können jedoch tiefgreifender aufgefasst werden. Das Fest an sich stellt eine »regelhafte Regellosigkeit« dar, die das Abschütteln von Ordnungen möglich macht und damit eine »Identitätsentlastungsfunktion« hat.1084 Das Gros der karnevalesken Praktiken basiert bei Sacher-Masoch auf der Umkehrung von Geschlechterverhältnissen.1085 So wird zur Erbauung und Unterhaltung der Zarin Elisabeth bei Sacher-Masoch eine »Verkehrte Welt« initiiert, »[e]in Maskenfest, bei dem die Damen als Männer gekleidet, die Herren dagegen in Frauentoilette erscheinen.«1086 Interessant ist hier obendrein, wie das Verhältnis zwischen Frauen und Männern auf aus diesem Anlass gefertigten Gemälden abgebildet wird, die das Thema des Festes sowohl rahmen als auch seine hintergründige Bedeutung illustrieren sollen. Dabei werden Sacher-Masoch’sche Wunschbilder aufgerufen, die hierzu in Öl gebannt wurden. »Auf dem zweiten Bilde pflügte ein schönes kräftiges Weib ihren Acker, statt der Ochsen hatte sie vier Männer in den Pflug gespannt, welche sie mit einer großen Peitsche antrieb.« Oder aber der Anblick einer feindlichen Reiterei, welche »statt auf Pferden auf Männern reitend«1087 1083 Michail Bachtin: Literatur und Karneval: zur Romantheorie und Lachkunst. München 1969, S. 48. 1084 Joachim Küchenhoff: Das Fest und die Grenzen des Ich. Begrenzung und Entgrenzung im »vom Gesetz gebotenen Exzeß«. In: Walter Haug, Rainer Warnig (Hg.): Das Fest. München 1989, S. 99–119, hier S. 102, S. 114 und S. 111. 1085 Dolgan: Poesie des Begehrens, S. 213. 1086 Leopold von Sacher-Masoch: Ein weiblicher Sultan. Historischer Roman. Berlin 1877, S. 317; siehe auch Elisabeth Krimmer: In the Company of Men. Cross-Dressed Women Around 1800. Detroit 2004, S. 21: »Empress Elisabeth I. of Russia […] organized weekly masquerades for which all ladies had to dress like men and all men like women […].« 1087 Hier ist man an die Graphiken des polnischen Galiziers Bruno Schulz erinnert, der auffallend ähnliche Bilder imaginierte – zur Rezeption von Sacher-Masochs Texten im polnischsprachigen Raum siehe Kapitel 1.

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eine Schlacht schlagen. Zudem sitzen in einer anderen Szene »fünf reizende junge Frauen zu Gericht über einen Verbrecher«1088, während im Saale selbst man »einen hübschen weiblichen Kamschadalen auf einem Schlitten [sah], welcher statt mit Hunden mit vier Männern bespannt war, welche auf allen Vieren daherliefen.«1089 Das masoch(isti)sche Ritual stellt hier die vermeintlich natürliche Ordnung der Geschlechter in Frage.1090 Jedoch handelt es sich hierbei nicht nur um die simple Umkehrung von (Macht-)Verhältnissen. Auf dem Fest »Verkehrte Welt«, wo Frauen Männerrollen einzunehmen haben, Männer aber in weiblichen Kostümen auftreten, fiel [ihr] ein weiblicher Domino auf, ganz in Rosaseide gekleidet, eine schwarze Samtlarve vor dem Gesicht, dessen Gang und Bewegung ihr den Verdacht erregten, daß sich in demselben kein Mann sondern eine wirkliche Dame verberge. […] Die Zarin begann nun, ganz in der Weise der galanten Kavaliere der Rokokozeit, dem verdächtigen Domino den Hof zu machen.1091

Der verdächtig weibliche Domino stellt sich letztendlich als vorbildlich verkleideter Fürst Volkoff heraus. Durch die »Unordnung« über das Kostüm gelingt ein in der Schwebe Lassen von Identitäten, das die ursprünglich diametral »verkehrten« Gegensätze wiederum in sich verschwimmen lässt. Sacher-Masoch provozierte nicht nur mit seinen machtbewussten Katharinen-Figuren und Wandas die herkömmliche Vorstellung von Geschlechterverhältnissen, mit seiner Travestie-Motivik irritierte er auch traditionelle Geschlechterzuordnungen. Zahlreiche Beschreibungen effeminierter Männerkörper1092 stellen Normen in Frage: Julian etwa »war schlank wie ein Mädchen von sechzehn Jahren«1093, Baron Willfried »war mittelgroß, schlank und hatte einen Stich ins Mädchenhafte, Hübsche und Scheue«1094, ein anderer näherte sich »den Oberkörper fast mädchenhaft in den Hüften wiegend«1095, Severin wird beschrieben als »[w]enn er minder feine Hüften hätte, könnte man ihn für ein verkleidetes Weib halten«1096, der Kadett Dewinski »sah in seinem feinen weißen Rock mit den zarten hechtgrauen Aufschlägen wie ein verkleidetes schlankes Mädchen aus, so lieb und hübsch war sein Gesicht.« Dieses Fehlen definitorischer Distinktionsmerkmale bei Sacher-Masoch kann als Hinweis auf eine Kategorienkrise verstanden werden, welche die Durchlässigkeit von etablierten Grenzlinien anzeigt. 1088 1089 1090 1091 1092 1093 1094 1095 1096

Sacher-Masoch: Ein weiblicher Sultan, S. 320. Ebda., S. 321. Vgl. Strohmaier : Zur Sexualisierung kultureller Alterität, S. 19. Sacher-Masoch: Ein weiblicher Sultan, S. 322. Siehe auch Dolgan: Poesie des Begehrens, S. 220. Sacher-Masoch: Graf Donski, S. 6. Sacher-Masoch: Entre Nous, S. 22. Sacher-Masoch: Testament, S. 25. Sacher-Masoch: Venus, S. 320.

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Nicht nur werden Männer als weiblich gezeichnet1097, bei Sacher-Masoch wimmelt es vor Männern, die sich bewusst als Frauen verkleiden, unter mehr oder weniger dringlichen Umständen, meist aber stets mit deutlicher Koketterie.1098 Die Figur des Hlamton aus dem Judenraphael verkleidete sich mit Vorliebe in ein Weib. Wenn er mit roten Saffianstiefeln, mit silbernen Absätzen, die bei jedem Schritt melodisch erklangen, im kurzen Rock […] Hals und Brust mit roten Korallen bedeckt, ein rotes Tuch um den Kopf […] zwischen seinen Freunden einherging, sagte wohl jeder […]: ›Das ist die schönste Bäuerin, die ich noch in meinem Leben gesehen habe.‹1099

Auch politisch kann man sich bei Sacher-Masoch so aus der Affäre ziehen. Sacher-Masochs polnische Emissäre bahnen sich in mannigfaltiger Verkleidung ihren konspirativen Weg durch Galizien.1100 So flieht der Insurgent Dembowski von einem Edelhof bei Lemberg folgendermaßen: Der Polizeikommissär hielt den Schlitten an und ersuchte die Damen, sich zu entschleiern; dieselben gehorchten sofort, aber nicht ohne ein schalkhaftes Lächeln um die Lippen. Der Polizeikommissär erkannte die eine der beiden Damen sofort als die reizende Gräfin M***, die zweite, kaum minder schön, war ihm fremd.

Nachdem alle Dokumente geprüft und für legal erachtet wurden [knallte] der Krakuse […] mit der Peitsche, der Schlitten flog davon und mit ihm Dembowski, denn Niemand Anderer saß in dem prächtigen Damenpelz an der Seite der reizenden Gräfin M***. Seine feine Gestalt und seine edlen, jugendlich schönen Züge, sowie das dunkle schwärmerische Auge ermöglichten die weibliche Maske.1101

Die Geschlechterunterschiede werden hier als nicht eindeutig definierbar angegeben – ein Baron verkleidet sich (wieder einmal, um jemanden zum Narren zu halten) als russische Frau von Karzow und »sein Lachen klang so weiblich, so 1097 Siehe auch: »Sein Gesicht hatte in dem feinen Schnitt, dem zarten, rosig angehauchten Teint etwas weiblich Bezauberndes, das durch blauschwarze Locken und einen kurzgeschnittenen, sanft gekrausten schwarzen Vollbart nicht wenig gehoben wurde. Das Bedrückendste an ihm waren indeß seine Augen, diese großen, dunkeln Augen, welche so mädchenhaft schmachten und schwärmen […].« Leopold von Sacher-Masoch: Onze et demi. In: Soziale Schattenbilder. Aus den Memoiren eines österreichischen Polizeibeamten. Halle 1873, S. 68–80, hier S. 80. 1098 Siehe Leopold von Sacher-Masoch: Ezech Elchanan. In: Polnische Geschichten. Breslau 1878, S. 9–20 und Leopold von Sacher-Masoch: Adam und Eva. In: Falscher Hermelin. Kleine Geschichten aus der Bühnenwelt. Der ersten Sammlung zweite Hälfte. Berlin 1886, S. 227–238, hier S. 237. 1099 Sacher-Masoch: Judenraphael, S. 83. 1100 In Vorbereitung auf die polnischen Aufstände 1846 werden geheime Zusammenkünfte in allerlei originellen Verkleidungen abgehalten, Sacher-Masoch: Polnische Emissäre, S. 233. 1101 Ebda., S. 41.

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bezaubernd, daß Wolfgang immer leidenschaftlicher wurde.«1102 Und im Spielen seiner Rolle war es »dem jungen Gott […] zu Muthe, als sei er wirklich ein Weib, ein Weib, das Rache nehmen wolle, und er spielte mit Wolfgang jenes grausame Spiel, vom dem man meint, daß nur Frauen es zu spielen vermögen.«1103 Wie Männer ihre weibliche Note in Szene setzen, so lassen es sich auch die Damen bei Sacher-Masoch nicht nehmen, ihre Reize in männlicher Verkleidung auszuspielen. Zenobia etwa kommt in Männerkleidung und »sah prächtig aus. Groß und schlank glich sie vielmehr einem Manne von blendender Schönheit als einem verkleideten Weibe, wie sie jetzt in den hohen, schwarzen Stiefeln […] einen kleinen Kalpak auf das / la Titus frisirte Haar gedrückt, die Reitpeitsche in der Hand auf und ab ging.«1104 Auch Anna Kossow tritt als »blutjunger Student« auf »Nun, wie gefalle ich Ihnen? So ziehe ich auf Abenteuer aus.«1105, wie auch Valeria in Männerkleidern »ganz das Air eines schönen Jünglings« hat, denn es ist »Mode geworden, in Männerkleidern zu gehen.«1106 Vor allem in den historischen Erzählungen Sacher-Masochs, die in Russland angelegt sind, häuft sich das Theatrale als Essenz russischen Hoflebens des 18. Jahrhunderts. Es wimmelt von Maskeraden und karnevalesken Manövern, die spielerisch die Grenzen zwischen Spektakel und Leben verschwimmen lassen, zwischen Alters-, gender- und sozialen Grenzen1107, damit jedoch quasi als ›Potemkinsche Dörfer‹ tatsächlich Bezug nehmen auf die russische Realität jener Zeit.1108 Die Grenze zwischen homoerotischem Potenzial und emanzipatorischem Anspruch sind dabei nie genau auszumachen, beide Facetten bekommen ihren Raum. Mithilfe von Kleidung und Verhalten werden klassische Rollenverhältnisse getauscht, die Differenzierung zwischen Fetischstrapazierung und tatsächlicher gesellschaftlicher Subversion bleibt bei Sacher-Masoch jedoch unklar. Der Transvestismus stellt zumindest binäres Denken in Frage stellt und schafft einen Möglichkeitsraum, welcher die Idee von geschlechtlicher (und sozialer!) Identität in Frage stellt.1109 Die stetigen effeminierten Körperbeschreibungen, die zahlreichen Männer, welche als Weib berücken, die Frauen

1102 1103 1104 1105 1106 1107 1108

Sacher-Masoch: Die Ideale unserer Zeit, S. 187. Ebda., S. 190. Sacher-Masoch: Die Schlange im Paradies, Bd. 3, S. 68. Sacher-Masoch: Die geschiedene Frau, S. 35. Sacher-Masoch: Die Ideale unserer Zeit, 4. Buch, S. 24–26. Siehe dazu Lotman: Bytovoe povedenie. Siehe Larissa Polubojarinova: Rekonstrukcija – proekcija – prozrenie: obraz Rossii v istoricˇeskoj proze Zacher-Mazocha [Rekonstruktion – Projektion – Erleuchtung: Das Bild Russlands in der historischen Prosa Sacher-Masochs]. In: Leopol’d fon Zacher-Mazoch – avstrijskij pisatel’ epochi realizma. St. Peterburg 2000, S. 588–612. 1109 Marjorie Garber : Verhüllte Interessen: Transvestismus und kulturelle Angst. Frankfurt/Main 1993, S. 23.

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mit männlichen (Fetisch-)Attributen1110 laufen auch auf homosexuelles Begehren hinaus. Da, wo nicht mehr sicher ist, wer unter welcher Maske steckt, werden Begehren thematisiert, die bisherige Normen in Frage stellen. Höhepunkt der cross-dressing-Verwirrung ist Die Liebe des Plato1111, irritierende Zuneigungen ergeben sich jedoch in diesem Sacher-Masoch’schen Kostümreigen ständig: Es war noch ein Jüngling, ein schöner Kopf mit seltenem Ebenmaß der Züge, aber die Blässe des Todes bedeckte jetzt sein Antlitz und das schwarze Haar ringelte sich wilde bis auf die Schultern hinab. […] Es war ein wilder Ritt; […] ›Wir sind gerettet,‹ sprach der Emissär und drückte Romans Hand leidenschaftlich an seine Lippen. Dieser zog sie unwillig zurück, da traf ihn der Blick des Jünglings so flammend, daß er verwirrt das Haupt zurückwarf.1112

Auch hier bedroht die als Mann verkleidete Frau als Objekt männlichen Begehrens die heterosexuelle Identität.1113 ›Realität‹ kann von ›Theater‹ nicht mehr unterschieden werden.1114 Sacher-Masochs effeminierte Männer und raubeinige Frauen in Pantalons und mit Waffen, seine Travestien und Geschlechter-Parodien decken deutlich die Konstruiertheit von Geschlechter-Kategorien auf.1115 Marjorie Garber aber meint, dass das Potential des cross-dressings nicht auf gender-Angelegenheiten beschränkt ist. Vielmehr würden damit allgemein konzeptuelle Krisen, andere gesellschaftliche Brennpunkte auf die gender-Dichotomie transponiert werden. Ein Transvestit in einem literarischen Text kann durchaus als Zeichen einer epistemischen Krise anderswo funktionieren.1116 Bei Sacher-Masoch bleibt es auch nicht beim Kleidertausch als Geschlechter-Travestie, es kommt im Zuge der komödiantischen Auslotung von (Macht-)Verhältnissen auch zu sozialen Travestien, wo gesellschaftliche Identitäten ordentlich umgerührt werden. Zarin Elisabeth meint im Zuge ihres Festes »›Wir werden das heutige Spiel fortsetzen.‹ ›Verkehrte Welt?‹ ›Ja, verkehrte Welt. […] ich will verkleidet jene Orte besuchen, wo man das Volk sich ungestört aussprechen hört‹«, Elisabeth »[…] nahm hierauf die Kleider eines gemeinen Kosaken, ordnete ihr Haar in der Weise, wie es die Russen der niederen Stände tragen.«1117 Jedoch darf nicht aus den Augen verloren werden, dass Sacher-Masochs so1110 1111 1112 1113 1114 1115

Siehe Dolgan: Poesie des Begehrens, S. 221. »Er ist nicht Mann, nicht Weib, oder beides.« Sacher-Masoch: Die Liebe des Plato, S. 51. Sacher-Masoch: Emissär, S. 1–18. Lehnert: Geschlecht und Maskerade, S. 243. Siehe: Garber : Verhüllte Interessen, S. 45. Alexandra Strohmaier : Körper, Macht, Lust: Zur diskursiven Konstruktion des Masochismus. In: Peter Weibel (Hg.): Phantom der Lust: Visionen des Masochismus, Bd.1. München 2003, S. 150–161, hier S. 157. 1116 Marjorie Garber: Vested Interests. Cross-Dressing and Cultural Anxiety. New York 1998, S. 179. 1117 Sacher-Masoch: Ein weiblicher Sultan, S. 323 und S. 59.

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ziale Verkleidungsmanöver vor allem die Richtung Gesellschaftselite – Untergebene einschlagen. Die sehr viel kühnere Variante der kostümierten Verwandlung gesellschaftlich Unterprivilegierter in Höherstehende findet nur in Ausnahmen statt. Die ewige Frage danach, wie Sacher-Masochs Phantasien zu verstehen sind – als private Ästhetik oder aber versteckte Codierung – bleibt auch hier meist in der Schwebe. Möglich, dass dieses cross-dressing als Changieren zwischen Obsession und Subversion als weiteres Sacher-Masoch’sches Spiel verstanden werden muss. Deutungsoptionen bleiben zwar stets greifbar, werden aber meist nicht konsequent ausgeführt. Die Sacher-Masoch’schen Umkehrungen und Verdrehungen führen unter anderem auch zur Vermenschlichung von Tieren wie zur Vertierung von Menschen1118, was je nach Kontext als Jux oder bitterer Ernst ausgelegt wird. Als Ausbund von Karnevalslaune finden folgende Szenen statt: Auch Hunde und Katzen wurden trotz heftigen Gegendemonstrationen maskirt, der Kater mit der Flügelhaube einer französischen Bäuerin, Nero als Jokei, der Pudel im Talar und Dreispitz eines italienischen Doctors als Meister Bartolo, Dschips [der Hund – S.W.] als Lazaroni, die Katzendamen als Odalisken, dann setzte sich die ganze lustige Bande, mit allerhand Instrumenten versehen, in Bewegung […].1119

Ebenso lassen sich Menschen (vor allem Männer) in Tiere verwandeln: »›Hier‹, rief sie, ›Baruch! Ich habe ihn in einen Bären verwandelt. […] Ich habe ihm Wasser in das Gesicht gespritzt‹, gab Jessika zur Antwort, ›und habe dreimal gerufen: ›Werde ein Thier, werde ein Bär!‹ […] Jessika erhob sich, schwang den Karbatsch und liess den Bären tanzen […].«1120 Der Mann im Bären lässt sich willig handhaben von seiner schönen Tierbändigerin1121 – eine weitere weibliche Idealrolle bei Sacher-Masoch. Die masochistische Variante des unter einem zierlichen Damenfuße unterworfenen gezähmten Bären, findet bevorzugt in slawischem Umfeld statt: Statt eine Antwort zu geben, warf sich der Bär vor ihr nieder, und sie setzte, ohne sich lange zu besinnen, ihre Füße auf ihn. Dies schien ihm sehr zu gefallen, denn er stieß ein Brummen aus, das zugleich zu behaglich und so lächerlich zärtlich war, daß beide Damen in ein lautes ausgelassenes Lachen ausbrachen.1122

1118 Ausführlicher bei Christoph Dolgan: Poesie des Begehrens. Textkörper und Körpertexte bei Leopold von Sacher-Masoch. Würzburg 2009. 1119 Sacher-Masoch: Die Aesthetik des Häßlichen, S. 44. 1120 Sacher-Masoch: Rosengässchen, S. 257–258. 1121 »Es producirten sich noch Kathinka als Bärenführerin und Bellarew als vorzüglich dressirter Bär […].« Sacher-Masoch: Die Seelenfängerin, 2. Teil, S. 45. 1122 Sacher-Masoch: Ein weiblicher Sultan, S. 39.

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Und auch Diderot lässt sich bei Sacher-Masoch vor Katharina II. buchstäblich zum Affen machen.1123 Und führt als solcher vor der Zarin die lächerlichsten und akrobatischsten Kunststücke auf. Die Frau in der Rolle einer Tierbändigerin1124 thematisiert Sacher-Masoch nicht ohne Augenzwinkern: »[…] ich bin die Thierbändigerin Zoboide Knutufoff aus Odessa«1125 heißt es, und die als Raubtiere verkleideten Männer des Hauses müssen über Stöcke springen, der Bär Purzelbäume schlagen und der Löwe zu ihren Füßen liegen. Hier werden mit einer gewissen Selbstironie Sacher-Masoch’sche Versatzstücke zwischen biographischem kindlichem Frühlingserwachen bei Tante Zenobia/Zoboide1126, östlichem Knutenklischee und russländischem Schwarzmeerexotismus strapaziert. Die allgemeine Lebenshaltung derselben Dame aber lautet folgendermaßen: »Teofan halt ich mir wie einen Affen oder einen Papagei zu meinem Vergnügen«.1127 Wird hier die Vertierung von Menschen in vergnüglicher Weise als masochistischer Fetisch präsentiert, erweist sie sich in anderen Umständen als nicht gar so harmlos. Im ostgalizischen Kontext thematisiert Sacher-Masoch durchaus auch die düstere Seite des von ihm so häufig beschworenen östlichen Sklaven- und Sultan/innen-Wesens, von dem er sonst in solch farbenprächtige Grausamkeit zehrt. In der galizischen Literatur des 19. Jahrhunderts findet sich das Thema vom Tierstatus der Subalternen (meist ruthenischen Bauern) häufig: Ivan Franko beklagte das »Recht des Schweins«1128 als höherstehend als das des ruthenischen Bauern, ein Zustand, den auch sein Zeitgenosse Les’ Martovycˇ literarisch behandelte.1129 Der Missbrauchsalltag in Galizien kreist bei SacherMasoch um seine üblichen fetischistischen Versatzstücke, jedoch verliert er ob des Ernstes der Sache jegliche Erotik und humorvolle Groteske.1130 Sacher-Ma1123 »Nun, so schaffen Sie mir den Affen«, erwiderte Katharina II. rasch. / »Welchen Affen?« wiederholte Diderot erstaunt, »welchen Affen?« / »Den redenden Affen von Madagaskar«, sagte die Zarin… / »Sie selbst machen sich ihr als redenden Affen zum Geschenk.« / »Ich? – mich? – als Affen?« staunte der Pariser Philosoph. / […] »Und, wo ist der Affe? – Herr Diderot – will ich sagen«, fragte die Fürstin. Leopold von Sacher-Masoch: Diderot in Petersburg. Wien 1987, S. 38 und S. 40. 1124 Siehe »Wahrscheinlich war sie früher Kunstreiterin, denn sie reitet und kutschirt famos und liebt es in Männerkleidern herumzugehen. […] man hat sich emanzipirt und ist gleich Kunstreiterinnen und Thierbändigerinnen in Männerkleidern herumgezogen, man hat in öffentlichen Lokalen Skandal gemacht…« Sacher-Masoch: Die Schlange im Paradies, Bd. 3, S. 168 und S. 187. 1125 Ebda., Bd. 2, S. 21. 1126 Siehe Sacher-Maoch: Zenobia. 1127 Sacher-Masoch: Die Schlange im Paradies, Bd. 2, S. 31. 1128 Franko: Recht des Schweines, sowie Sacher-Masoch Graf Donski, der die Bauern als Schweine bezeichnet. 1129 Les’ Martovycˇ : Vynajdenyj rukopys pro rus’kyj kraj [Entdeckte Handschrift über das ruthenische Gebiet] [1897]. In: Tvory. Kyxv 1963, S. 50–55. 1130 Siehe das Kapitel »Der Sultan und seine Sklaven« in Sacher-Masoch: Der neue Hiob, S. 198–205.

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sochs Beschreibung der ostgalizischen Versklavungs- und Vertierungsszenen sprechen eine dezidiert sozialkritische Sprache (wie sie auch bei seinen zeitgenössischen ukrainischen Schriftstellerkollegen zu finden ist). Sacher-Masoch zitiert somit den gewohnten phantasievoll-masochistischen Herr(in)-KnechtBilderreigen, stellt diesen jedoch in illusionslosem Licht bar jeglicher pikanter Untertöne dar. Was bei Sacher-Masoch im Zarenpalast elitärer Zeitvertreib bleibt, ein Spiel, dessen mögliche gesellschaftliche Bedeutung wie ernsthafte Konsequenzen nicht weiter ausgeführt werden1131, wird im galizischen Kontext als menschenverachtendes Unverhältnis zwischen polnischem Pan und ruthenischem Bauer angeprangert. Die ›realen‹ galizischen Sklavenspiele werden mit weitaus ernsthafterem Nachdruck und weniger blumiger Kulisse geschildert als die zarischen Gesellschaftsspiele. Darf man aber in der galizischen Polyphonie und Multikulturalität, im spannungsgeladenen, heterogenen Mit- bzw. Nebeneinander einen besonderen Nährboden für Umkehrungen und Travestien vermuten? Hier in (Ost-)Galizien, wo vor allem polnische Grundbesitzer, ruthenische Bauern und jüdische Händler, Faktoren sowie Schankwirte ihr soziales, interkulturelles und -religiöses Zusammenleben bzw. dessen Konflikte austrugen, mag das Spiel mit Verkleidungen und hierarchischen Rollen, das masochistische Theater an sich, eine andere Note bekommen als Sacher-Masochs anderweitige Maskenspektakel, in denen meist eine privilegierte Elite spielerisch mit Identitäten jongliert. Iulia-Karin Patrut befindet, dass die meisten der Sacher-Masoch’schen Umkehrungen, insbesondere die Verkehrung der Geschlechterverhältnisse, in Galizien zu finden sind, ja dass Sacher-Masoch sie zu einem »Grundzug dieser Landstriche«1132 erklärt. »Er führt ein Spiel mit vielfältigen Differenzen ein, in dem Weibliches, Jüdisches, Slawisches, allgemein Osteuropäisches in eine hegemoniale Position gelangen kann«.1133 Sacher-Masoch spart jedoch auch außerhalb Galiziens nicht mit Verkehrungen, gewiss aber machte die galizienspezifische Multikulturalität ein noch bedeutungsvolleres cross-dressing möglich. Hierbei stellt sich wieder die Frage, inwiefern Sacher-Masoch das subversive Potential, das er andeutet, auch tatsächlich ausarbeitet, inwiefern er die Ordnung zu dekonstruieren vermag, »ob das in Galizien verordnete Figurengefüge insgesamt als ›deviant‹ und illegitim gedeutet wird, oder ob es um-

1131 Es sei denn Fürst Vladmir von Halycz, der in der Sacher-Masoch’schen Version seiner Lieblingssklavin für einen Tag die Herrschaft in seinem Reich überträgt, dafür sein Weib in Sklavenkleidern bedienen muss und auch im Weiteren noch einiges zu büßen hat. Leopold von Sacher-Masoch: Die schwarze Czarin. In: Liebesgeschichten aus verschiedenen Jahrhunderten. Bern 1877, S. 1–48. 1132 Patrut: (Post-)Koloniale Poetiken, S. 178. 1133 Ebda., S. 179.

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gekehrt die etablierten Asymmetrien relativiert.«1134 Das Problem besteht laut Patrut ganz richtig darin, dass Sacher-Masoch die performative Pointe in den wenigsten Texten im Sinne einer durchdachten Poetik ästhetisch überzeugend herausarbeitet.1135 Zu untersuchen ist also, inwiefern Galizien (bzw. der multikulturelle Raum der polnischen Teilungsgebiete) bei Sacher-Masoch tatsächlich als Bühne für subversive Gesellschaftsspiele dient oder letztere lediglich zum Klamauk, zur Farce verkommt, wie es in den Erzählungen außerhalb Galiziens meist der Fall ist. Das Maskenspiel von vor allem Juden und Ruthenen, die sich zu ihren Feiertagen als der jeweils andere verkleiden und parodierend Kolomijkas hüpfen oder sich Pejes an die Schläfen heften, ist das eine. Jedoch sind die Annäherungen über Vermischung und Vertauschung bei Sacher-Masoch mannigfaltig, die karnevalesken Gestalten und karnevalistischen Mesalliancen ziehen sich auch durch Alltagsclownerien, die irgendwo zwischen momentaner Belustigung und Subversion changieren. Die einen geben sich ohne ersichtlichen Anlass als der ›Andere‹ aus. So lernt der bei der jüdischen Gemeinde durch seine Karikaturen so gefürchtete wie gehasste Plutin bzw. Judenraphael sein Handwerk ursprünglich bei einem Juden, und so sehr er Juden zu Opfern seiner bösen Skizzen macht,1136 so sehr zeigt er sich auch besessen von ihrer Lebensweise, ihrer Religion, ihrer Kultur. Wenn er sich mit seinen Freunden aufmacht, durch die Gegend zu streifen, war er »stets als polnischer Jude verkleidet«, während ein anderer Freund den traditionellen ukrainischen blinden Bandura-Spieler vorstellt, ein Weiterer kleidet sich als Bauer, während der bereits bekannte schöne Hlamton »sich mit Vorliebe in ein Weib [verwandelte]«.1137 Plutin spielt stets ein grenzüberschreitendes Spiel mit Selbst- und Fremdentwürfen, die Grenzen zwischen Eigenem und Fremdem sind nicht mehr klar auszumachen. Als der boshafte Judenkarikaturist sich gegen Ende zu von der Welt zurückzieht (da ihm ein jüdisches Mädchen verwehrt wurde), sucht er sich ausgerechnet eine Hütte mit entsprechender Vorgeschichte: Zwischen den Bäumen stand eine kleine Hütte […]. Hier hatte vor Jahren ein Jude gelebt, der vor dem Bannfluch der Rabbiner geflohen war. Eines Tages hatten ihn Räuber erschlagen, und seitdem mied jeder gern den Ort.

Von dieser Hütte nimmt der Judenraphael jetzt freudig Besitz und richtete sich in derselben ein.1138Als vom Schicksal Verstoßener, seine Geliebte durch die 1134 Ebda., S. 180. 1135 Ebda., S. 181. 1136 Und auch seiner Komödien – zu den Juden als unfreiwillige Schauspieler in einem von Fremden initiierten Stück siehe Bischoff: Spiel mit den Juden. 1137 Sacher-Masoch: Judenraphael, S. 83. 1138 Ebda., S. 144.

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strikten Regeln ihres jüdischen Elternhauses ihm entzogen und daran gestorben, übernimmt er die abgelegene Unterkunft eines ebenfalls Verstoßenen, der ähnlich unter die Räder der jüdischen Orthodoxie gekommen war. Weitere Annäherungen an das ›Andere‹/den ›Anderen‹ bei Sacher-Masoch ergeben sonderbare Allianzen und »Gestaltenpaare nach dem Kontrastprinzip«1139, sowie aufwändige Kostümierungen, die nicht immer durch den Anlass begründet sind, sondern vielmehr Sacher-spezifisch anmuten. Da befreundet sich etwa die polnische Gutsbesitzerfrau Lubina unwahrscheinlicherweise mit der bitterarmen jüdischen Mutter Chaike und pilgert in Verkleidung mit ihr zum Wunderrabbi: Lubina benutzte seine [ihres Ehemannes – S.W.] Abwesenheit, kleidete sich bei Chaike in reiche jüdische Kleider, welche ihr ein jüdischer Schneider in aller Eile gemacht hatte, verbarg ihr reiches Haar unter seidenen Scheiteln und einer prachtvollen Stirnbinde und fuhr mit ihrer Vertrauten nach Sadagjra.1140

Der Zaddik enttarnt sie zwar sogleich als verkleidete Christin, verwehrt ihr jedoch nicht seine Dienste. Überhaupt erweisen sich vor allem sektenartige Führer als erhaben über reglementierte Religionen und orthodoxe Beschränkungen und bieten die Gelegenheit eines Treffpunkts für den gesamten Querschnitt der Gesellschaft.1141 Bei ebenjenem Zaddik in einem kleinen Dorf bei Czernowitz beschreibt Sacher-Masoch die bunte Gemengenlage der galizischbukowinischen Lebenswelt und zitiert dabei wiederum die Prototypenlandschaft der Region:1142 […] da gab es unsere braven kleinrussischen Bauern mit ihren ernsten wie aus Bronze gegossenen braunen Gesichtern und ihren herabhängenden Schnurrbärten, in Sieraks aus Kamelhaaren und Kutschmi aus schwarzem Lammfell, arme Schnorrer in verschossenen Talaren von allen erdenklichen Farben, reiche Jüdinnen in kostbaren Samtkaftanen und blitzenden Diamanten, Armenier, Polen, Lipowaner und deutsch Kolonisten, Schwaben in hohen Stiefeln mit Quasten, kurzen Tuchjacken, den heimatlichen Filzhut oder die Schirmmütze auf dem Kopfe, Soldaten und Zigeuner.1143

Dort, wo sich alle Konfessionen, alle sozialen Strata treffen, wird wiederum deutlich, dass bei Sacher-Masoch alle Ethnien und Religionen, samt ihrer Untergruppen, bevorzugt als Prototypen anhand ihrer Kleidung, ihrer Tracht bzw. geradezu anhand ihres Kostüms geschildert werden. Es macht jedoch auch klar, wie sehr die angenommene bzw. angezogene Identität (nicht nur die ge1139 1140 1141 1142 1143

Bachtin: Literatur und Karneval, S. 53. Sacher-Masoch: Hasara Raba, S. 259–260. Vgl. auch Sacher-Masoch: Gottesmutter. Siehe auch Shapiro: Gogol baroque. Sacher-Masoch: Hasara Raba, S. 260.

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schlechtliche) die Norm als Konvention enthüllt, die sich als Naturgesetz verkleidet.1144 Das Spiel mit Verkleidungen und Zuschreibungen kann jedoch noch skurrilere Formen annehmen, kann die Grenzen zwischen Eigenem und Fremdem endgültig verwischen und damit auch spielerisch aufs Spiel setzen. So entwickelt sich in der Erzählung Hasara Raba zwischen dem armen Juden Baruch und dem dezidiert antisemitischen polnischen Gutsbesitzer Kalinoski eine merkwürdige Allianz, die zwischen Abhängigkeit und Austauschbarkeit schwankt. Auch hier ist es, trotz der teilweise ernsten Umstände, das Moment des Spielerischen, das deren Modus des Miteinanders begründet.1145 So kommt es ganz in Gogol’scher Manier zu einem ›Nasentausch‹, der Gutsbesitzer erwirbt sich (um eine Frau zu beeindrucken) für bares Geld die schöne »griechische« Nase Baruchs. Dass hier die Nase eines Juden als anzustrebendes, klassisch-ideales Körperteil attribuiert wird, ganz im Gegensatz zu dem gängigen antisemitischen Stereotyp, und dass die jüdische Nase als erstrebenswert vom reichen Polen vorübergehend in Besitz genommen und gehegt und gepflegt wird, lässt idealisierte und verworfene Körperzeichen in eine überraschende Nähe treten.1146 Dass aber überdies – zwischen angebeteter Dame, polnischem Gutsbesitzer und Juden – über das hochverhandelte (phallische) Körperteil auch ein Vertrag abgeschlossen wird, lässt Sacher-Masochs Kontraktaffinität1147 um die Frage, wer das Szepter führt, wer wen vertraglich unterwirft, auch gesellschaftlich höchst relevant erscheinen. Es ist nicht nur das begehrte nasale jüdische Gut, welches hier erworben werden will – dank der ›idealen‹ (jüdischen) Nase erhofft sich der Pole ›potenz‹ielle Chancen bei seiner judenhassenden Angebeteten. Die Herrschaft mittels Vertrag vermittelt nicht nur, dass Macht und die daran gebundenen Rollen keineswegs einer ontologischen Ordnung folgen müssen, sondern dass diese vielmehr symbolisch ausgehandelt und damit auch reorganisierbar sind.1148 Das Verhandeln und die Tauschgeschäfte um die ideale Nase sind jedoch nicht das einzige Spiel, das das ungleiche Paar gemeinsam zur Aufführung bringt. Eine weitere Episode des Spiels mit Zuschreibungen lässt beiden sich Zutritt verschaffen zur Sphäre dieser Kalinoski abweisenden als auch dezidiert judophoben Dame. In Form eines orientalischen Theaters mit viel Pomp wird der hochnäsigen Gutsbesitzerin die Ankunft eines werbenden Osmanen vorgegaukelt: 1144 Vgl. Strohmaier : Zur Sexualisierung kultureller Alterität, S. 24; siehe auch Butler : Unbehagen der Geschlechter, S. 201–203. 1145 Siehe das Kapitel »Die Nase: Symbolische Verhandlungen um ein Körperteil« bei Bischoff: Spiel mit den Juden, S. 281. 1146 Siehe ebda., S. 281. 1147 Vgl. seine masochistischen Unterwerfungsverträge. 1148 Strohmaier : Körper-Macht, S. 154.

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Der türkische Prinz – sie hatte ihn sofort erkannt – hielt am Fuße der Treppe auf einem milchweißen Pferde, er trug ein rotes Fez, weiße Pantalons und einen blauen goldgestickten Kaftan. »Ein schöner, poetischer Mann!« war der erste Gedanke der poetischen Frau. […] Bei zwanzig Leute in türkischen Kleidern umgaben die beiden seltenen Tiere [Elefant und Dromedar – S.W.], unter ihnen fiel ein Mohr, der ganz rot gekleidet war, besonders auf. Der schöne Prinz war niemand anderer als Baruch Koreffle Rebhuhn, der Elefant und das Dromedar gehörten einer Menagerie an, welche eben in der Kreisstadt ihre Bude aufgeschlagen hatte […], die übrigen Türken Juden aus Koreffles Freundschaft, der rotgekleidete Mohr war Kalinoski selbst […]. Der Prinz blieb jedoch vor ihr stehen und murmelte einige hebräische Worte, welche für sie vollkommen türkisch klangen. […] Nun erschien der Mohr, gefolgt von zwei anderen Türken, welche entsetzlich nach Knobel rochen, aber Henryka dachte nicht im entferntesten an den verhaßten Judengeruch […].1149

Auch hier findet ein Spiel mit idealisierten Fremdbildern statt, auch hier ist ein Jude nicht nur Medium, sondern verkörpert das Ideal höchstselbst. Die polnische Dame schwelgt mehrere Wochen im Liebesglück mit ihrem »türkischen Prinzen«. Die in dieser Erzählung mehrmals thematisierte »Zusammenführung von idealisiertem und verworfenem Anderen« wird präsentiert als Theater, welches demonstriert, »dass sich beide Projektionen verdanken«.1150 Die vordergründigen Possen, die hier von einem eigentümlich zusammengesetzten Team inszeniert werden, stellen hierarchische Konstellationen sowie Stereotypen und Feindbilder genauso in Frage wie sie sie auch bedienen. Sacher-Masochs Texte entblößen teilweise einen kulturell konstruierten Vorrat arbiträrer Beziehungen, die mithilfe eines Vertrags oder aber der Travestie letztendlich beliebig veränderbar sind.1151 Die groteske Vermischung gesellschaftlich ›Unvereinbarer‹ findet sich bei Sacher-Masoch nicht selten. Die Annäherung durch Kostümtausch, die interkonfessionellen und intergesellschaftlichen Vermischungen sind vor allem im komplexen sozialhierarchischen Kontext Galizien bedeutungsvoll. Harmlos klingt noch die Geschichte von der Baronin, die gemalt werden sollte: »›Wo hast du den Pelz und gar die Hände hergenommen?‹ ›Der Pelz ist das unbestrittene Eigentum der Baronin, die [idealen – S.W.] Hände aber gehören der Kammerjungfer.‹«1152 Während die Szene um eine andere Muse, die für ein Gemälde Modell sitzt, fast blasphemisch anmutet. Das Bild der heiligen Olga war für die Dorfkirche in Auftrag gegeben worden:

1149 1150 1151 1152

Sacher-Masoch: Hasara Raba, S. 223–224. Bischoff: Spiel mit den Juden, S. 285. Vgl. Strohmaier : Körper-Macht, S. 156–157. Sacher-Masoch: Judenraphael, S. 53.

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Es war wieder Anitza [die Schwester des Judenraphael – S.W.] , nur in der hermelinbesetzten, purpurnen Schuba einer Zarin von Kiew, mit der Krone auf dem Kopfe und dem byzantinischen Heiligenschein. »Was ist das wieder für ein Streich!« rief der Pfarrer erschrocken, als er das Gemälde sah. »Ich kann doch meine Tochter nicht als Heilige in die Kirche hängen.« »Warum denn nicht«, erwiderte Plutin trocken, »Wenn schon die Tochter eines Gastwirtes, durch Raphaels Pinsel verewigt, als Madonna verehrt wird!« Schließlich beruhigte sich Samojlenko und bald sah Anitza, nicht wenig geschmeichelt, die Bauern von Winogrod vor ihrem Bilde knien und beten.1153

Diese Heilig-Malung einer einfachen Landpfarrerstochter mag nun nach SacherMasochs persönlicher Schwäche für göttinnengleiche Frauenfiguren geraten sein. Erstaunlich ist jedoch eine ähnlich gewagte Heiligsprechung bei Karl Emil Franzos, welcher in einer Erzählung einen jüdischen Mann von der Hand seiner christlichen Geliebten als Christus – »Das ist unser Herr Jesus Christus, den die Juden gekreuzigt haben!« – portraitieren lässt.1154 Auch die »Profanation« zählt zu den Grundzügen karnevalistischen Denkens und kennzeichnet ein »Spiel mit den Symbolen höherer Macht«1155 – ein Leben »frei, voll von ambivalentem Lachen, von Gotteslästerung und Profanation, von unziemlichen Reden und Gesten, von familiärem Kontakt aller mit allen.«1156 So lässt sich der sagenhafte Räuber Dobosch [Dovbusˇ] bei Sacher-Masoch nach seinem Überfall des örtlichen Bischofs in dessen Habit und Kutsche durch die Straßen fahren, wo er mit großer Geste sowohl die Wachen am Bischofspalast sowie die Bevölkerung segnet. Zusätzlich komisch gerät die Situation, als der ›echte‹ Bischof von den Husaren als mutmaßlich verkleideter Dobosch festgenommen und zum Stadtkommandanten geschleppt wird.1157 Es gibt sie, die vordergründig humoristischen Erzählungen, in welchen Machtverhältnisse eine parodistische Umkehrung erfahren, jedoch damit eine nachdrücklich subversive Möglichkeit aufgetan wird. Wenn etwa der große Judenfeind Kosciolski für ein tÞte-/-tÞte mit der schönen Jüdin Frau Leopard – auf deren Geheiß als jüdischer Schneider verkleidet – Zutritt bekommt, jedoch als solcher von dessen Gläubigern verprügelt wird: »Sie werden also heute Abend um neun Uhr in den Kleidern Weinstock’s [des Schneiders – S.W.], mit einem falschen Bart und falschen Peisselöckchen zu mir kommen und mir die Pelzjacke bringen, die er für mich gemacht hat.« […] Punkt neun Uhr trat der Roschen im jüdischen Kaftan, die Jarmurka auf dem Kopfe, das Gesicht 1153 Ebda., S. 54. 1154 Karl Emil Franzos: Das Christusbild In: Die Juden von Barnow [1877]. Stuttgart 1905, S. 127–257, hier S. 127. 1155 Bachtin: Literatur und Karneval, S. 52. 1156 Ebda., S. 57. 1157 Sacher-Masoch: Der Hajdamak, S. 80.

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durch einen röthlichen Bart und Löckchen entstellt, die Kazabaika auf dem Arme, in das Ankleidezimmer der hübschen Jüdin. […] Alle schrieen zugleich: »Haben wir Dich endlich, Schneiderseele!« […] Während es von allen Seiten Hiebe auf den verrathenen und betrogenen Koscioloski regnete, stand Frau Leopard, den Rücken an den grossen Ofen gelehnt, die Hände in den pelzgefütterten Aermeln versteckt, ruhig und behaglich da. […] Kosciolski hatte sofort begriffen, dass die schlaue Jüdin ihn in eine Falle gelockt hatte, aber er hatte sich in demselben Augenblick gesagt, dass er die Rolle des Schneiders zu Ende spielen müsse, wenn er nicht vor der ganzen Stadt lächerlich werden, ja sogar sein Amt verlieren wollte.1158

Der Kostümwechsel, den die belle juive, die sich selbstverständlich dem polnischen Werber ergeben soll, arrangiert, demonstriert auch hier, wie sehr Zuschreibungen und Selbstdarstellungen sich banaler Kleidungstracht verdanken, dank welcher man seine Erscheinung und gesellschaftlichen Status beliebig variieren könnte. Die politisch und gesellschaftlich in Galizien verorteten Kostüm-Episoden bei Sacher-Masoch vermitteln Auseinandersetzungen, die mit jeweiligen Bedrohungsszenarien und Feindbildern spielen, welche meist auf parodistische Weise entschärft werden. Die Überschreitung sozialer, ethnischer wie gender-spezifischer Rollen lässt verhärtete Grenzen verschwimmen und ›soziale Andersheit‹ fragwürdig erscheinen. Karnevalistische Mesalliancen gerade zwischen der jüdisch-ruthenisch-polnischen Bevölkerung Galiziens provozieren bei SacherMasoch eine spielerische Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdentwürfen, die als kostümiertes Spiel andere Bedingungen möglich erscheinen lassen. Bedeutungsvolle Verwechslungen bzw. provokante Platzierungen in anderem (sozialen) Umfeld lassen vorgefertigte hierarchische Zu- und Festschreibungen zumindest schwanken. Maskieren kann dabei als Ausdehnung des Begriffs Performanz verstanden werden, und wie die Performanz evoziert es die Idee einer authentischen Identität, nur um die Illusion einer solchen Identität aufzudecken.1159 Die Verkleidung beseitigt persönliche Identifikation und damit auch persönliche Verantwortung und ermöglicht den »karnevalistischen Wechsel von [nicht nur] Kleidung [sondern auch] Lebensstellung und Schicksal«.1160 Maskerade ist also nicht nur eine narrative Trope für Verschwörung und Verführung, für Intrige und Betrug, sondern ermöglicht durch das in der Schwebe Lassen von Identitäten sowohl gesellschaftliches- als auch gender-cross-dressing.1161

1158 1159 1160 1161

Sacher-Masoch: Frau Leopard, S. 154–155. Nach Tseëlon: Masquerade and identities. Bachtin: Literatur und Karneval, S. 52. Vgl. Tseëlon: Mask and Carnival, S. 32.

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Karneval. Kostüm. Kulisse

3.3. Zusammenfassung Die Sacher-Masoch attestierte Verkleidungslust, die sowohl seine biographische wie fiktionale Welt prägt, rekurriert auf ein theatrum-mundi-Konzept, welches zwischen Leben und Rolle nicht weiter unterscheidet. Biographisch schlägt sich Sacher-Masochs Theatralisierung seines Lebens in einem nach eigenem Skript und Dramaturgie entworfenen Kunstleben nieder. Seine Lebenskunst war die eines ewigen Rollenspielers, der sich auch öffentlich als Exzentriker und outcast zu präsentieren wusste. Dass er sich der Welt als Bühne bzw. der Welt der Bühne nicht isoliert hingab, davon zeugt ein eigenwilliges Grazer Grüppchen um Emil Vacano. Man widmete sich ganz augenscheinlich der epochenspezifischen Sehnsucht nach Gaukler- und Vagantentum, der artistischen Scheinwelt von Zirkus und Theater, und pflegte darin jeweils seinen Ruf als gesellschaftlicher Grenzgänger. Die Theaterhaftigkeit des Lebens dominiert auch Sacher-Masochs literarisches Werk, worin die Häufigkeit der Travestie-Momente von Entgrenzungen und Mehrdeutigkeiten spricht, die Fremdbilder und hierarchische Stellungen bedeutungsvollen Verkehrungen unterwerfen. Größtenteils finden diese im Rahmen festlicher Begebenheiten polyphoner Heiterkeit im ostlawischen, bevorzugt galizischen Raum statt und evozieren eine Bachtin’sche »umgestülpte Welt«, die teilweise Bezug auf literarische Vorbilder aus der ukrainischen (Volks-)Kultur nimmt. Karnevaleske Gegenwelten ergeben sich jedoch auch in außerkalendarischen Farcen und Komödien, die in Sacher-Masochs Texten augenfällig in Szene gesetzt werden. Diverse Possenreißer, aber auch Sonderlinge und Originale aus der Provinz, lassen die ›slawische Welt‹ als besonders fruchtbares Schwellengebiet von althergebrachten und umgedrehten Normen und Rollen erscheinen. Festlich maskierte oder aber alltäglich inszenierte »verkehrte Welten« rütteln an traditionellen Geschlechterzuordnungen und sozialen Rollenzuschreibungen. Wobei die dabei auch thematisierte Vertierung von ambivalenter Bedeutung ist: am russischen Zarenhof gedeiht bevorzugt das erotische masochistische Unterwerfungsspiel, im galizischen Kontext zeigt der Tierstatus schmerzhaft gesellschaftliche Unrechtsverhältnisse auf. Nichts desto trotz ist es vor allem die galizische Multikulturalität und deren hierarchisches Gesellschaftsgefüge, das den Nährboden für provokante Umkehrungen und Travestien bei Sacher-Masoch stellt. Der Krisen- und Schwellencharakter von karnevalistischen Festivitäten (vom jüdischen Purim bis zum ukrainischen Dreikönigstag) ermöglicht das Abschütteln und die Brechung von vorgegebenen Ordnungen durch parodistische Verkleidung und Rollentausch. Im interkonfessionellen galizischen Rahmen kommt es in Sacher-Masochs Erzählungen zudem zu »karnevalistischen Mesalliancen«, die merkwürdige Allianzen ergeben und eine spielerische Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdentwürfen

Zusammenfassung

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erlauben und damit traditionelle Rollenzuschreibungen aufweichen, wenn auch nicht konsequent unterwandern.

4.

Resümee

›Das Potenzial der Peripherie‹ eröffnet einen vielschichtigen Referenzraum, den Sacher-Masoch sich literarisch wie biographisch zu eigen machte. Es spielt auf die Eigentümlichkeiten und Eigengesetzlichkeiten des Kulturraums Ostgaliziens an, die Sacher-Masoch auf unterschiedliche Weise zu nutzen wusste. Die Analyse seiner Auseinandersetzung mit Ostgalizien brachte mehrere Facetten zutage, die bisher wenig Beachtung fanden. Sacher-Masoch funktionalisierte Ostgalizien sowohl als Projektions- als auch Ergänzungsraum. Einerseits bediente er die Vorstellung eines randständigen Ostens, der westliche Sehnsüchte nach einer vormodernen Welt befriedigen sollte. Dabei nutzte er nicht zu knapp das kolonialistisch-orientalistische Vokabular seiner Zeit. Andererseits sparte er in seiner Evokation dieser ›Poesie des Ostens‹ nicht mit Spott für die Bedürfnisse einer übersättigten Gesellschaft der Moderne, die es mit ›authentischen‹ Sinnesreizen zu versorgen galt. Weitaus interessanter als dieses Spiel mit orientalistischen Versatzstücken entpuppte sich jedoch Sacher-Masochs Funktionalisierung Ostgaliziens als Ergänzungsraum, den er ob dessen gefühlter Randstellung für das Experimentieren mit neuen Gesellschaftsentwürfen nutzte. Die sogenannte Peripherie bot sich an, diverse soziale wie sexuelle Häresien am Rande zu verorten. Augenfällig ist jedoch, dass hierfür kaum ein vager ›slawischer Osten‹ strapaziert, sondern konkret das habsburgische Ostgalizien als Anwendungsraum herangezogen wurde. Gerade als ›halb-asiatisches‹ Schwellenland, als Lotman’sche farbgebende Semiosphäre, steht das polyphone Ostgalizien hier auch stellvertretend für eine produktive Hybridität, die Sacher-Masochs Vorstellungen eines befruchtenden Vielvölkerstaates entgegenkam und die er selbst mit seiner vielbemühten Mischbiographie nährte. Seine biographische Propagierung eines vielsprachigen Kosmopolitismus resultierte dabei in der Selbst(er)findungsgeschichte einer galizischen Identität. Im Zuge einer näheren Analyse von Sacher-Masochs gesellschaftsreformerischen Ansätzen hat sich herausgestellt, dass lokale ostgalizische Problemfelder mit frühsozialistischen Ideen und aktuellen slawophilen Debatten verquickt und

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Resümee

das beschworene Umbruchspotenzial des ›slawischen Ostens‹ ganz auf den gemeinhin eher vernachlässigten ostgalizischen Ruthenen zugeschnitten wurde. Sacher-Masochs Korrespondenz mit zeitgenössischen ruthenischen Politikern und seine Auseinandersetzung mit Fragen der ruthenischen Emanzipationsbewegung schlagen sich literarisch in ruthenischen Prophetengestalten nieder. Autonome dörflich-landwirtschaftliche Sozialutopien werden in der spezifischen Gesellschaftsstruktur Ostgaliziens verortet und kommunale Gesellschaftsideale innerhalb ruthenischer Dorfgemeinschaften angewandt. Ostgalizien spielt bei Sacher-Masoch eine höchst prominente Rolle als literarischer Reflexionsraum von aktuellen Diskursen, gerade im Hinblick auf zeitgenössische Fragestellungen von Zivilisationskritik bis zu eschatologischen Gesellschaftsvisionen. Er selbst als deutschsprachiger Schriftsteller gerierte sich dabei publikumswirksam als Auskunftsgeber einer unbekannten Welt des Ostens und wusste durchaus auch aus dem Literarizitäts- und Authentizitätspotenzial des mythenbehafteten Kronlandes zu schöpfen. Der Rang als selbsternannter Repräsentant Galiziens auf dem westeuropäischen Literaturmarkt musste jedoch gegen eine gewisse ›Halb-Asien‹-Konkurrenz verteidigt werden. Der Kampf um die Deutungshoheit dieses literarischen Raums wurde von mehreren Autoren seiner Zeit gefochten. Neben dem Czortkower ›Erfinder‹ ›Halb-Asiens‹ Karl Emil Franzos, der sich im deutschsprachigen Raum ebenfalls einen Namen mit seinen Kulturskizzen aus dem Osten gemacht hatte, mokierte sich auch der Galizier Ivan Franko, später ukrainischer Nationaldichter, über Sacher-Masochs anmaßende Sprecherfunktion für die Ruthenen. Neben verschiedenen prominenten Stimmen voll der Skepsis entbrannte auch in der polnischen und ukrainischen Presse ein Rechtfertigungskampf um Sacher-Masoch als literarischem Repräsentanten Galiziens. Schon seiner biographischen Vorgeschichte als Sohn des Lemberger Polizeipräsidenten wegen, welcher die Zerschlagung diverser polnischer Aufstandsbewegungen zu verantworten hatte, war auch Sacher-Masoch Junior bei den Polen alles andere als beliebt. Zu Lebzeiten erschwerte man im polnisch geprägten Lemberg die Distribution seiner Werke, und die kursierenden polnischen Presseberichte besprechen den galizischen Erzähler alles andere als wohlmeinend. Vor allem Sacher-Masochs kritische Zeichnung der polnischen Szlachta gegenüber ihren bäuerlichen (v. a. ruthenischen) Untergebenen in Ostgalizien wurde als Affront gegen das Polentum verstanden und der Autor als »Polenfresser« verdammt. Erst zur Wende des 20. Jahrhunderts, im Zuge eines zunehmenden wissenschaftlichen Interesses an Sexualpathologie und Psychoanalyse, wurde Sacher-Masoch auch auf polnischer Seite bemüht. Dass hierbei dem ohnehin Ungeliebten zudem die Rolle des Perversen zugeschrieben werden konnte, passte in das vorgefasste negative Bild. Die ersten polnischen Übersetzungen waren insofern ganz der Venus im Pelz und anderen

Resümee

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grausamen Frauen gewidmet, die dementsprechend auch unter den dekadenten polnischen Schriftstellern mit Hang zu dämonischen Frauenfiguren Anklang fanden. Der galizische Aspekt, der zuvor so großen Widerstand ausgelöst hatte, war zu jener Zeit bereits getilgt, Sacher-Masoch nicht mehr als galizischer Schriftsteller in aller Munde, sondern teilweise durch grobe Übersetzungsfreiheiten lediglich als pathologischer Sklave bekannt. Mit dieser Einschätzung hat der Name Sacher-Masoch in Polen bis heute zu kämpfen, wie die Quellenlage bezeugt. Eine unredigierte Neuauflage der stark manipulierten ersten VenusÜbersetzung erzählt nichts von den galizischen Hintergründen ihres Verfassers und seiner Protagonisten, die neueste Auseinandersetzung mit Sacher-Masoch – Roman Polanskis Verfilmung der La Venus / la fourrure (2013)1162 – inszeniert als originelles Kammerspiel das mehrdeutige Unterwerfungsspiel zwischen Mann und Frau, der galizische Rahmen der ursprünglichen Beziehungsgeschichte bleibt aber auch hier ausgeblendet. Gänzlich anders auf ukrainischer Seite: Als Fürsprecher der vor allem bäuerlichen Ruthenen in Ostgalizien solidarisierte sich Sacher-Masoch als ohnehin stets aneckender Polarisierer schon früh mit den medial und politisch unterrepräsentierten Ruthenen. Sein nicht nur literarisches Eintreten für die ruthenische Sache im westlichen Ausland bescherte ihm manche Huldigung in den gerade erst aufkommenden ukrainischen Blättchen Ostgaliziens. Seine Verdienste um die Vermittlung des Problemfelds der gesellschaftlichen Position der Ruthenen in Ostgalizien in einer größeren Öffentlichkeit ließ ihm so manche Gunstbezeugung zuteilwerden. Übersetzungen seiner galizischen Geschichten fanden Eingang in die neugegründeten ruthenischen Zeitschriften der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und standen Seite an Seite mit denen prominenter zeitgenössischer ruthenischer Autoren. Lag die Beschäftigung mit Sacher-Masoch wie auch in Polen einen Großteil des 20. Jahrhunderts brach, so entsann man sich gerade in der Westukraine nach der Unabhängigkeit des geborenen Lembergers und frühen Fürsprechers der Ukrainer. Zahlreiche Neuübersetzungen machten hier vor allem die Galizienbezogenen Erzählungen Sacher-Masochs einem ukrainischsprachigen Lesepublikum zugänglich. Dass Sacher-Masoch neben seiner Würdigung als galizischer Schriftsteller auch als sexualpathologische Prominenz wiederentdeckt und ausgeschlachtet wird, mag mit einem postsozialistischen Nachholbedarf im öffentlichen Umgang mit nonkonformistischen sexuellen Präferenzen erklärt werden. Diese durchaus umstrittene Facette der Auseinandersetzung mit Sacher-Masoch als einer sexualisierten, pervertierten Skandalfigur aber auch als folkloristischem Galizien-Kenner in der heutigen Westukraine muss dennoch als Teil einer Wiederentdeckung anerkannt werden und wird letztendlich doch 1162 Nach dem Broadwaystück von David Ives, einer Bearbeitung von Sacher-Masochs Novelle.

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Resümee

Sacher-Masochs intensiver biographischer wie literarischer Auseinandersetzung mit den Stätten seiner Kindheit gerecht. Die so divergente heutige Beschäftigung mit Sacher-Masoch als einerseits anerkanntem Vertreter der habsburgischen Galizien-Literatur sowie interessantem Original auch der Sexualgeschichte im deutschsprachigen Raum, seine Wiederentdeckung in der postsozialistischen Westukraine und sein bescheidener Bekanntheitsgrad bzw. seine einseitige Beargwöhnung in Polen zeigen die interessanterweise nach wie vor vorherrschende Unschlüssigkeit im Umgang mit diesem Autor, der im postgalizischen Raum heute fast so zu polarisieren weiß wie zu Lebzeiten. Weiters hat die Arbeit ergeben, dass sich Sacher-Masoch mit seinen öffentlichen Bekenntnissen wie auch textuellen Bezugnahmen zu Ostgalizien bewusst in ein Spiel der Bewegung zwischen Text und Leben einschrieb, das Jurij Lotman als Form von Theatralität bezeichnete. Sacher-Masochs Verkleidungslust erstreckte sich von seinen öffentlichen biographischen Rollenspielen als selbsterkorener Galizier und exotischer slawischer Künstler von der Peripherie bis zu diversen identitären Versteckspielereien, die auch seine literarischen Texte dominieren. Sacher-Masoch beschwor damit ein theatrum-mundi-Konzept, welches zwischen Leben und Rolle nicht weiter unterscheidet. Die Theatralisierung des eigenen Lebens nach einer stets neu komponierten Dramaturgie mag vordergründig auf die Relevanz von Skript und Kulisse für seine masochistischen Posen rekurrieren. Jedoch ist das von Sacher-Masoch entworfene Kunstleben als Lebenskunst eines ewigen Rollenspielers zu verstehen, welcher sich auch öffentlich stets als Exzentriker und outcast zu inszenieren wusste. Dass er damit nicht allein war, davon zeugt sein Grazer Bekanntenkreis, der sich ebenfalls aus gesellschaftlichen Grenzgängern und Schaustellern zusammensetzte, stets an der Schwelle zum Skandal. Dass der Hang zur Theaterhaftigkeit des Lebens, die auffallende Beschäftigung mit allerhand Gaukler- und Vagantenfiguren auch einer epochenspezifischen Sehnsucht zuzuschreiben ist, rückt Sacher-Masoch wiederum der brüchigen Scheinwelt der Moderne näher. Die Häufung von Travestie-Momenten in Leben und Werk sprechen Entgrenzungen und Mehrdeutigkeiten an, die auf eine Bachtin’sche »umgestülpte Welt« anspielen. Die damit einhergehenden komödiantischen Verkehrungen polyphoner Heiterkeit und ihre Figuren bedienen sich dabei literarischer Vorbilder aus der ukrainischen (Volks-)Kultur und weisen wieder einmal auf Sacher-Masochs intensive Lektüre nicht nur von Puschkin und Turgenev sondern auch von Gogol’ hin.1163 Die von Sacher-Masoch mehrfach gezeichnete karnevaleske Gegenwelt im 1163 Grad und Ausmaß der Fremdorientiertheit auf russische und ukrainische Vorbilder der galizischen Reihe Sacher-Masochs näher zu untersuchen war nicht Teil der Arbeit und soll hier lediglich als Hinweis und Ausblick stehen bleiben.

Resümee

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ostslawischen Raum wird vor allem von individuellen Sonderlingen aus der Provinz des ›slawischen Ostens‹, für den Galizien stellvertretend steht, repräsentiert. Diese Welt der Travestie umreißt in Sacher-Masochs Erzählungen ein nicht nur kulturelles Schwellengebiet, sondern einen Raum, in welchem gesellschaftliche Normen und Rollen unterwandert werden und an traditionellen Geschlechterzuordnungen und Rollenbildern gerüttelt wird. Gerade die ostgalizische Multikulturalität samt ihres hierarchischen Gesellschaftsgefüges erweist sich bei Sacher-Masoch als besonderer Nährboden für provokante Umkehrungen und Travestien. Die thematisierten lokalen traditionellen karnevalistischen Feste werden dem Bachtin’schen Krisen- und Schwellencharakter solcher Anlässe gerecht, indem in diesem interkonfessionellen Mit- und Gegeneinander parodistische Verkleidungen und Rollentausch bisherige Gesellschaftsordnungen auf den Kopf stellen. Sacher-Masoch zeigt hier Ansätze der Hintertreibung einer ethnisch und sozial festgelegten Sprecher- und Adressatenpolitik. Merkwürdige Allianzen bringen Selbst- und Fremdbilder durcheinander, traditionelle Rollenzuschreibungen verlieren ihre Eindeutigkeit – so erweist sich Sacher-Masochs Galizien zwischen erbarmungslosem Ständealltag und komödiantisch-karnevalistischer Verkehrung genauso gut als Bühne für folkloristische Genrebilder, politische Stellungnahmen, Gesellschaftsvisionen wie auch absurdes Umkehr-Theater. Sacher-Masochs vordergründig lediglich als modernistisch-performatives Vexierspiel gelesenen Texte und Bilder sind deshalb in Ansätzen auch als soziale Interventionen lesbar. Sacher-Masochs Verbindung von Eros, sozialem Anliegen, Politik, genderPolitik und Kulturalisierungsstrategien unterlaufen dabei jedoch per se Versuche einer Vereindeutigung. Dass Sacher-Masochs Galizien und seine Codierung nicht als klar definierbar herausgestellt werden kann, bleibt auch das Interessante am Phänomen Sacher-Masoch. Anliegen der Autorin war es, Sacher-Masochs Galizien als vielschichtigen Referenzraum vorzustellen und aufzuzeigen, auf welch vielfältige und teilweise auch widersprüchliche Weise Sacher-Masoch den Raum für seine Anliegen zu funktionalisieren wusste.

5.

Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

Erstveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Zentralen Staatliches Historischen Archivs der Ukraine in L’viv (TsDIAL) sowie der Handschriftenabteilung der L’viver Stefanyk-Bibliothek. *

5.1. Korrespondenz Mychajlo Kuzems’kyj (1861–1862) Central’nyj Derzˇavnyj Istorycˇnyj Archiv Ukraxny, m. L’viv [Zentrales Staatliches Historisches Archiv der Ukraine in L’viv (TsDIAL)] Fond Nr. 130, Op.Nr. 1, spr. Nr. 934, ark. 1–22 Rus’kyj narodnyj instytut »Narodnyj Dim« m. L’viv. Zacher-Mazoch L., 1861–62 Lystuvannja z avstrijs’kym ucˇenym Sacher-Masochom Leopol’dom pro nadislani jomu informacij naukovo-fol’klornoho charakteru pro ukrajins’ke naselennja Halycˇyny [Korrespondenz mit dem österreichischen Gelehrten Sacher-Masoch Leopold bezüglich der Zusendung von wissenschaftlichfolkloristischen Informationen über die ukrainische Bevölkerung Galiziens. 1861–1862] Akt: Perepyska z Sacherom-Masochem [Briefwechsel mit Sacher-Masoch] (Ark. 1–22) *

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

Sacher-Masoch an Kuzems’kyj, Graz, den 11. Jänner 1862 (Ark. 2–6) Euer Hochwürden Hochgeehrter Herr! Euer Hochwürden haben mein Schreiben mit so viel Güte aufgenommen und beantwortet daß ich mich dadurch ermuntert fühle Euer Hochwürden mit meinen Bestrebungen näher bekannt zu machen. Ich habe oft darüber nachgedacht warum die treuen Ruthenen, unter allen Völkern Oesterreichs, am Wenigsten zur Geltung kommen können; warum Ihnen die […] Polen überall vorgezogen werden; und nicht bloß vor den Magyaren und Italienern, sondern auch vor den Slawen und Deutschen mit größerer Sympathie, von der Regierung mit größerer Rücksicht behandelt werden. Wie ist das möglich? – fragte ich mich oft – daß die Ruthenen, ein Volk von drei Milionen, das berufen ist mit der vollen Wucht seiner majestätischen Naturkraft in die Geschichte Oesterreichs einzugreifen; ein Volk dessen angeborene Inteligenz [sic], unerschütterliches […], endliches treues Gemüth, […] und geistige Frische, es allen Völkern Oesterreichs voranstellen, allen diesen Völkern nachstehen muß? Ich habe die Ueberzeugung gewonnen daß der wesentliche Grund in dem ausgeprägten conservativen, nämlich zurückhaltenden Karakter der Ruthenen liegt, welcher sich immer giebt wie er ist und wenn danach verbannt wird [?] zu stolz ist um über sein Wesen Aufklärung zu geben. So sehr dieser Zug den ruthenischen Volkskarakter auszeichnet hat derselbe doch wesentlich dazu beigetragen daß die Intereßen des ruthenischen Volkes sich so wenig Bahn brechen konnten. Der Ruthene ist Oesterreich treu, redlich, klug, muthig, an Zahl überlegen also berufen in Galizien das tonangebende Element zu sein aber er ist nicht gewöhnt sich vorzudrängen, er will geführt sein. Der Pole oponirt zwar der Regierung aber er ist ein geborener Fanfaron. Er ist beinahe der Gegensatz der Ruthenen, geltungssüchtig [?], unbeständig, leichtfertig, unredlich ohne Ausdauer in der That wie im Leiden aber wer weiß sich zur Geltung zu bringen, er macht stets Figur, er weiß Lärm zu machen, er sezt [sic] alles in Bewegung um seine Interessen zu fördern: seine stets fertige Zunge, seine geschmeidigen Reden; die polnische und deutsche, wie die französische und englische Literatur, Intriguen, Geld und schöne Weiber und behauptet sich, trotzdem daß die Regierung ihm nie traut, und verdrängt den ihr ergebenen Ruthenen überall. Ich will dieser Art von Parteitreiben nicht das Wort reden, aber auch das entgegengesetzte Verhalten muss ich verurtheilen, auch die stets conservative, wenn

Korrespondenz Mychajlo Kuzems’kyj (1861–1862)

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diese, wie bei den Ruthenen zur Passivität führt und das Volk, seine Interessen, seine Entwicklung, ja seine Nationalität in Gefahr bringt. Wenn die Ruthenen schon auf dem Boden der Heimath, dem unermüdlichen polnischen Elemente gegenüber, zu sehr in der Einkehr in sich selbst, in dem männlichen Bewußtsein des Rechtes und der Tüchtigkeit eine Entschädigung für äußere Erfolge gesucht haben so haben sie es um so mehr versäumt sich in fremde Literaturen einzuführen, sie haben nicht einmal den Versuch gemacht das deutsche Volk, das durch seinen cosmopolitischen Karakter vor allem berufen ist einem […] Volksgeiste gerecht zu werden; mit ihrem Wesen, ihrer Geschichte, ihren Zuständen und Bestrebungen bekannt zu machen. Einer der ausgezeichnetsten Söhne Galiziens der Freiherr Philip [?] von Kraus1164 hat dies, mir gegenüber, oft beklagt. Es ist Zeit, daß die Ruthenen endlich diese Bahn betreten und zunächst in der deutschen Literatur, die vor allen eine universale ist, auftreten. Das ist die Richtung in der ich für mein theures ruthenisches Volk mit aller Kraft, welche ich der Gnade Gottes danke, thätig sein will so lange mir der Herr Leben und Gesundheit giebt. Seit meinem 12.ten Jahre von Galizien entfernt, durch deutsche Bildung der Muttersprache entfremdet, ohne Kontakt mit Landsleuten musste ich die Hoffnung auf eine erfolgreiche Thätigkeit in ruthenischer Sprache aufgeben. So weh mir dies thut so erkenne ich doch daß die Entfernung von der Heimat mir dagegen unbezahlbaren Vortheil brachte. Ich bin der deutschen Sprache in so hohem Grade mächtig geworden daß ich als deutscher Schriftsteller auftreten konnte. Seit 1857 habe ich 3 Romane veröffentlicht welche eine ausgezeichnete Aufnahme fanden und deren jüngstem ich es zu danken habe daß meine Arbeiten fortan bei einem der angesehensten Verlage in Leipzig dem Mittelpunkte des Buchhandels erscheinen werden. Damit Euer Hochwürden selbst darüber urtheilen können ob ich die deutsche Sprache soweit beherrsche um die Ruthenen mit Ehren in der deutschen Literatur vertreten zu können gebe ich mir die Ehre Euer Hochwürden mein neuestes Werk zu übersenden und bitte es als ein Zeichen der vollsten Hochachtung für Sie anzusehen, der Sie im Jahre 1859 mit so viel Muth und Gelehrsamkeit die Schrift und Sprache und mit ihnen das geistige Leben ja die Zukunft der ruthenischen Nation gegen so mächtige Feinde so beredet und so erfolgreich vertheidigt haben.

1164 Vermutlich Philip von Kraus (1792 Lemberg – 1861 Wien; k.k. Finanzminister), Bruder von Karl von Kraus (1789 Lemberg – 1881 Wien; k.k. Justizminister und Präsident des Obersten Gerichtshofes).

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

Gott sei Dank stehe ich vollkomen frei und unabhängig da und brauche mich in meinem Leben durch keine anderen Rücksichten leiten zu lassen als jene die mir mein Gewissen auferlegt. So will ich denn zuerst in meiner kleinen Schrift, den Versuch wagen, eine kurze aber getreue Darstellung der Geschichte, der Zustände und der Bestrebungen der Ruthenen zu geben. Gelingt es dieser Schrift Interesse zu erregen so werden eingehende und gründliche Darstellungen leichter ein Publikum finden. Der Erfolg ist mir wahrscheinlich weil meine Arbeiten bis jetzt eine so gute Aufnahme fanden, weil die Schrift in einem bewährten Verlage erscheint und weil die geringe Leserzahl die Verbreitung unterstützen wird. Zu dieser Schrift habe ich mir die Hilfe Eurer Hochwürden erbeten weil ich besorgte, daß Fehler die ich begehen kann, man den Feinden der Ruthenen in ihrem Interesse ausgebeutet würden und diese Fehler vermieden werden können wenn ein Mann von Ihrer hohen Gelehrsamkeit und genauen Kentniß des Landes und Volkes meine Arbeit unterstützt. Euer Hochwürden haben mir diese Unterstützung so bereitwillig zugesagt daß ich nicht weiß wie ich mich Eurer Hochwürden dafür dankbar zeigen soll. Ebenso danke ich von ganzem Herzen für die übersandten Werke und bitte mir die Auslagen mitzutheilen. Das Buch: »Die ruthenische Sprach und Schriftfrage in Galizien« enthält unschätzbare Daten die mir sehr zu Statten kommen. Außerdem werde ich mir die Freiheit nehmen Eurer Hochwürden auch in mehreren […] zu Rathe zu ziehen und hoffe auf diese Weise von einem Mann wie Euer Hochwürden unterstützt ein Werk zu schaffen das seine Bestimung erhalten wird. Gestatten mir Eurer Hochwürden Ihnen vorerst in Kürze den Plan dieser Schrift mitzutheilen: dieselbe soll den Titel führen »Die Ruthenen in Oesterreich« von Dr.Leopold Ritter von Sacher Masoch Und im Verlage von T.O.Weigel in Leipzig erscheinen. Sie soll aus 3 Kapiteln bestehen I.Geschichte; II. Land und Volk; III. Aufgaben und Bestrebungen. Das I. Kapitel. Geschichte soll ein Bild der historischen Entwicklung und des historischen Lebens der Ruthenen geben. Es soll gezeigt werden wie die Ruthenen unter nationalen Fürsten eine frühe Cultur, »freie« und zweckmäßige politische Einrichtungen entwickelten aber durch die Vereinigung mit Polen in

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ihrem Aufschwunge zuerst gehemmt dann jeder nationalen und humanen Entwicklung beraubt wurden, almälig zu Sklaven herabsanken und nach jahrhundertelangem Elende erst durch die Vereinigung mit Oesterreich wieder einen Rechtszustand, Wohlstand und Kultur erhielten. Wie der Schutz des Doppelaares insbesondere in dem Landmanne eine Liebe zu Oesterreich erweckte welche 1846 seinen Arm für dasselbe bewaffnete und die Regierung bestimte ihm 1848 und 1849 die Vertheidigung der Karpatengrenze gegen die Ungaren zu übertragen. Wie der von adeligem Drucke und Robot befreite Landmann und die polnischer Vorherrschaft entgegene ruthenische Nationalität auflebten und […] bald eine reiche Thätigkeit auf allen Gebieten des Geistes entfaltete. Wie jedoch nach der Besiegung der Revolution die Regierung in Galizien zu demselben unglücklichen Systeme griff; welchem für den Verlust der Lombardei zu danken hat; durch Förderung der nationalen polnischen Bestrebungen, bis zu einem gewissen Grade, die Polen vergebens zu gewinnen suchte und dagegen die Ruthenen in ihrem natioanlen Streben hemte, die Ruthenen aber trotz der Goluchofkischen1165 Wirtschaft nicht irre wurden obwohl die Unterdrückung jetzt durch kaiserliche Beamte geübt wurde und bei der gegenwärtigen Bewegung im Lande wie im Parlamente, treu zu Oesterreich stehen und stets bereit sind sich für dasselbe zu bewaffnen. Das II. Kapitel. Land und Volk. Soll das ruthenische Land und Volk in der Gegenwart schildern; den Segen den Gott über den ruthenischen Boden ausgegossen hat, das Volk, seine Eigenthümlichkeiten, seinen Karakter, sein Leben, seine Sitten und Gebräuche; es soll den Landmann zeigen wie er treu an dem Glauben wie an der Sitte seiner Väter hängt – ein Muster von Genügsamkeit und von Ergebenheit in den Willen Gottes, seine Fähigkeiten, seinen ehrenhaften Karakter, es soll die ruthenische Geistlichkeit zeigen – die oft geschmähte – wie sie dem Volke voranleuchtet durch Bildung und Karakter, das Volk in ihr seine Vertreter und Verfechter findet, wie ihr Familienleben ein Vorbild gottgefälligen Menschenglückes giebt im Gegensatze zu der frivolen Eleganz der polnischen Edelhöfe, und wie unter ihrer Leitung sich eine Literatur entwickelte welche alle die herrlichen Seiten des Volkscharakters zur Entfaltung bringt. Das III.Kapitel. Aufgabe und Bestrebungen. Wird zuerst die Aufgabe Österreichs beleuchten. Diese kann keine nationale sein sie ist eine civilistorische. Oesterreich muß daher das Germanische aufgeben. Die deutsche Sprache kann für Oesterreich nur sein was die französische für 1165 Agenor Romuald Gołuchowski sen. (1812 Skała Podolska – 1875 Lemberg; öst. Statthalter in Galizien 1849–1859).

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

Europa ist – eine Sprache der Verständigung für alle Nationen. Außerdem haben die Deutschen in Oesterreich eine Kulturaufgabe. So glücklich sie diese lösen so unglücklich sind sie als politisches Bindungselement. Die politische Mission in Oesterreich ist den Slawen zugewiesen. Den Slawen wird es ebensowenig wie den Deutschen je gelingen ein Reich zu bilden das alle Stämme umfaßt; Wie die Deutschen werden sie sich mit der geistigen Einigung begnügen müßen. Dagegen werden jene Slawenstämme welche in Oesterreich leben zuerst berufen werden in die Weltgeschichte einzugreifen. Oesterreich hat eine große Zukunft wenn einmal ein vom Deutschthum unabhängiges Oesterreicherthum, über den natürlichen Nationalitäten eine politische Nationalität sich entwickelt haben wird. Wenn einmal alle Nationalitäten sich frei bewegen können werden sie sich in ihren gemeinsamen Interessen leicht verständigen: das wird ein Volk der Zukunft sein. In der Gegenwart sind es außer den Deutschen – welche endlich beginnen ein wirkliches großes Oesterreich über ein erträumtes Deutschland zu stellen – unter allen Nationen die Ruthenen und der polnische Landsmann allein welche unter allen Verhältnißen treu zu Oesterreich halten. Die Ruthenen vorzugsweise repräsentiren das Oesterreich der Zukunft, ein nicht deutsches Oesterreich, sie sind bestimmt ein Verbindungsglied zwischen den deutschen und den übrigen Slawen in Oesterreich zu bilden – Die Ruthenen haben eine politische Mission und Aufgabe – die weder von der Regierung noch von den Deutschen bisher gehörig gewürdigt wurde. Um diese Aufgabe zu erfüllen bedürfen sie größerer Cultur, diese werden sie jedoch nur durch die Pflege ihres Volksgeistes in ihrer Sprache erlangen, sie bedürfen vor allem einer ungehinderten freien Entfaltung ihrer Nationalität. Diese streben sie mit aller Kraft an werden sie aber nur dann erreichen wenn sie aufhören dem Polenthum unterworfen zu sein. Die Regierung gebe den Ruthenen in Ostgalizien einen selbständigen Statthalter unseres Kaisers, einen selbständigen Landtag in dem sie die Majorität bilden, die ihnen gebührende Zahl von Abgeordneten im Reichsrathe und von Mitgliedern des Herrenhauses, gebe ihnen ihre Sprache in Schule und Amt und die Ruthenen werden ihre Aufgabe in Oesterreich erfüllen. Euer Hochwürden! Dies sind die leitenden Gedanken der Arbeit. Ich bitte dieselben offen zu kritisiren; Ihr Antheil wird von meiner Seite die größte Berücksichtigung finden. Durch ihre Unterstützung ermuthigt werde ich mich jetzt mit aller Kraft auf diese Arbeit werfen und mit Gottes Hilfe dieselbe bald vollenden. Ich hoffe daß dieses Schreiben, das zu einem umfangreichen Aktenstücke ausgewachsen ist, Eurer Hochwürden im besten Wohlsein treffen und dieselbe freundliche Aufnahme finden wird die meinem ersten zu Theil wurde. Mit dieser Hoffnung zeichne ich mich

Korrespondenz Mychajlo Kuzems’kyj (1861–1862)

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Euer Hochwürden hochachtungsvoll ergebener Dr. Leopold Ritter von Sacher Masoch. Gratz 11. Jänner 1862 Wickenburggaße 1330 *

Kuzems’kyj an Sacher-Masoch, Lemberg, den 4. Jänner 1862 (Ark. 7) BQfVam =Qb_fm ýV_`_\Um 4aQg 1330 Wickenburg Gasse d`aQiQ _ `VaVbY\[d 8QcV_]\V^YZ _ ad[_`YbQfm HVaVXm […]][d `_b\Q^_ UYp 23.bcdU . 1861/11.b¦h^ .1862 […] Skizzen um die

ruthenische Sprache und Schriftfrage.

Hochwohlgeborener Herr Das hochgeschätzte Schreiben hat mich in Lemberg ereilt wo ich kurze Ferienzeit zubringe. Von dem vom hochwürdigsten Herrn Bischof übermittelten Geschichtswerke habe ich bis jetzt keine Kenntnis gehabt. Mir ist nicht bekannt die Richtung, welche Euer Hochwohlgeboren in dem neuen Geschichtswerke eingeschlagen haben, um […] an die Hand zu gehen und in dieser und Arbeit behilflich zu […] beeile ich mich an Euer Hochwohlgeboren […] die Verhältnisse der Ruthenen behandelnden Werke zu übermitteln, und wage die Bitte vorzubringen in dieser Beziehung über mich zu verfügen, und ich werde mir zur hohen Ehren anrechnen S.E. zu einer um meine Nation hochverdienstlichen Arbeit beigetragen zu haben. So eben bin ich im Begriffe nach Wien zurückzufahren wo die gefälligen weiteren Aufforderungen mich im Hause der Abgeordneten treffen können. Mit tiefer Verehrung Euer Hochwohlgeboren ergebenster Kuziemsky Lemberg den 4. Jänner 1862

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

An Seinen […] Leopold Ritter von Sacher-Masoch Hochwohlgeboren In Gratz Wickenburggasse N.1330 *

Sacher-Masoch an Kuzems’kyj, Graz, ohne Datum (Ark.8–9) Eurer Hochwürden! Hochgeschätzter Herr! Ich habe am 28. November dem Herrn Bischof Litwinowicz mein neues Geschichtswerk übersendet, ihm mitgetheilt daß ich gegenwärtig an einer Schrift über die galizischen Ruthenen arbeite und denselben gebeten gütigst mein Material durch Mittheilungen zu bereichern oder doch wenigstens die Schrift vor der Drucklegung zu kritisiren. Der Name Sacher ist in Galizien bekannt, er bezeichnet genügend die Wendung meiner Schrift. Wie mein Großvater und Vater immer für den galizischen Landmann und insbesondere für die Ruthenen Partei genommen haben so sehe auch ich mich – obwohl ferne von der Heimath und mehr deutsch gebildet – durch meinen Geburtsort, meine Muttersprache, die Ueberlieferungen meiner Familie, vorzüglich, durch mein Gefühl als Ruthenen an. Das Volk der Ruthenen in Oesterreich ist vor den übrigen Nationen des Kaiserreiches beinahe nicht bekannt und daher sehr falsch beurtheilt, oft geschmäht, nicht selten verhöhnt worden. Ich habe es mir zur Aufgabe gestellt diese Vorurtheile zu bekämpfen, Galizien und seine Zustände kenne ich, die Fähigkeit der Darstellung habe ich bewiesen schon durch mein Geschichtswerk: »Der Aufstand in Gent unter Gent unter Kaiser Karl V.« habe ich mir in Oesterreich und Deutschland eine literarische Laufbahn eröffnet. Meine Erzählung »Eine Galizische Geschichte 1846« hat ihm Jahre 1858 Aufsehen erregt und einen mehr als gewöhnlichen Erfolg gehabt: Mein jetzt im Verlage eines der ersten Verleger in Deutschland T.O. Weigel in Leipzig erscheinendes Werk: »Ungarns Untergang und Maria von Oesterreich« hat in der Wiener Zeitung vom 4. Dezember Donauzeitung vom 13. Dezember Ostdeutschen Post vom 19. November

Korrespondenz Mychajlo Kuzems’kyj (1861–1862)

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u.s.w. ausgezeichnete Beurtheilungen erfahren. Beweise genug daß ich meiner Aufgabe gewachsen bin daß meine Schrift meinem Volke nützen wird. Bis jetzt habe ich von dem Herrn Bischofe Litwinowicz keine Zeile erhalten. Ich muß daher annehmen daß er meinen Brief gar nicht erhalten hat oder durch dringende Obliegenheiten abgehalten wurde denselben zu beantworten. Ich wende mich deshalb an Euer Hochwürden, Das mir zu Gebote stehende Material habe ich benützt. Da mich jedoch der Herr Bischof bisher darüber in Zweifel gelaßen hat ob ich durch ihn weiteres Material erhalte oder nicht bin ich gehindert meine Arbeit abzuschließen. Ich bitte daher dringend mich darüber aufzuklären und mir gütigst zu schreiben ob keiner meiner Landsleute im Reichsrathe den Staatsgeschäften, im Intereße unseres Volkes, so viel Zeit abgewinnen kann um mich mit einschlägigen Mittheilungen zu unterstützen oder mindestens Irrthümer meiner Schrift vor der Drucklegung zu berichtigen. In Erwartung einer baldigen Antwort zeichne ich mich Euer Hochwürden Ergebenster Doctor Leopold Ritter von Sacher-Masoch Gratz. Wickenburggaße Nr. 1330 *

Briefkuvert Sacher-Masoch an Kuzems’kyj (Ark.10) Dem hochwürdigen Herrn Michael Kuziemski Griech.kath. Domherr von Lemberg und Reichsrath Wien Aufgeber : Dr.L.Ritter v.Sacher Masoch Wickenburggasse 1330 *

Kuzems’kyj an Sacher-Masoch, Wien, den 19. Jänner 1862 (Ark.11–14) 3./15.bVh^ . 1862 BQfeak =Qb_fk ýV_`_\mUk @VaVb\Q\k =[…] b-_VT_ B_hY^V^YV _ adbl^Qfk

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

Euer Hochwohlgeboren Hochgeehrter Herr! Indem ich mich beeile das hochgeschätzte Schreiben von 14.d.M. zu beantworten danke ich vorerst herzlich für die mir gefälligst übermittelten Werke, ich werde mich an denselben […] gleich in den ersten freien Stunden welche mir die Finanz[…?] an der ich nun sehr fleißig arbeite übrig lassen wird. Euer Hochwohlgeboren haben in Ihrem hochgeschätzten Schreiben zutreffend auseinandergesetzt, warum die Ruthenen in Galizien wie wohl sie sich um den Bestand der Monarchie so großen Verdienst erworben haben, schon in Österreich selbst von der Regierung, welcher sie doch bei jeder Gelegenheit und in allen Verhältnissen so treu und hingebend gedient haben unbeachtet – ja geradezu hintangesetzt wurden und es noch sind? Ich stimme der von Sr.Ex. in dem hochgeschätzten Schreiben entwickelten Ansicht vollkommen bei, daß die Ruthenen zunächst selbst […] die Schuld tragen, daß sie außerhalb Österreiches nicht hintauglich gekannt sind, weil sie es verabsäumt haben, sich in fremden Literaturen einzuführen. Ich will nicht versuchen diese Schuld anderer zu mildern noch zu beschönigen; ja ich will nicht einmal rechnen, ob denn diese Schuld nicht zum größten Theil auf die Regierung zurückfällt, welche; obgleich sie anerkannt und ausgesprochen hat, daß die Ruthenen das […] Element und vorzüglichste in diesen [?] bilden, es damals bis jetzt nicht nur verabsäumt hat, dieses Element zu kräftigen und zu stützen, sondern im Gegentheile […] freien und ungehinderten Entwicklung der ruth.Nationalität entgegen zu treten. So werden wir nun gezwungen im Ruthenenkampfe um die nationalen Seiten unsere besten Kräfte aufzureiben, und können vor der Hand der […] der Einführung in fremde Literaturen nicht einmal wagen. Was nun uns […] nicht gegönnt war – wollen Euer Wohlgeboren auf sich nehmen. […] kann jeder echte Ruthene nur sagen: Gott möge diesem Beginnen Gedeihen schenken! Ich übergehe nun zu dem mir gütigst mitgetheilten Plane, und werde, da Euer Hochwohlgeboren mich selbst hiezu aufgefordert haben, meine diesfälligen, jedenfalls aber […] Meinung frei und offen aussprechen. Die Eintheilung dieses Werkes ist ja […] naturgemäß und mit Sachkenntnis entworfen, daß eine bessere nicht gedacht werden könne, wenn ich mir aber irgendwelche bezügliche Bemerkungen erlauben dürfte, so könnten diese sich mir auf den Inhalt der einzelnen Kapitel beziehen. Unsere Gegner, nämlich die Polen werfen uns zunächst vor, daß unsere Nation nur zwei Schichten kennt und zwar Bauern und Geistlichkeit /popi i chłopy/.

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Um nun dieser Ansicht entgegenzutreten, wäre es erwünscht im II.Kapitel a) einen Passus über die Städte und Marktflecken, und b) über unsere Intelligenz einzuschalten. Allerdings gleichen unsere Städte und Marktflecken nicht jenen anderen und namentlich den deutschen Ländern der Monarchie – und das ist zwischen dem Landmann und dem Stadtbewohner in Galizien ein bedeutender Unterschied. Wenn auch der Mittelpunkt einer jeden Stadt und eines jeden Marktfleckens bei nur noch […] Verdrängung der […] nur mehr die Juden eingenommen haben, so verbieten die […] bis jetzt, wo sie ihnen nationalen deutsche, wo sie zu ihrem nationalen im Gegensatze zu dem Landbewohner […] Karakter treu bewahrt haben. Mit der nationalen Wiedergeburt haben sich die Ruthenen mit aller Macht auf die Literatur und auf die Ausbildung. jener Sprache geworfen und streben mit jugendlichem Eifer eine allgemein wissenschaftliche Bildung an! In der kurzen […] sind in unserer Sprache mehr Bücher gedruckt worden als früher in unseren Jahrhunderten. Allenfalls sind nicht alle Dinge von […] Klassizität, sie zeugen aber von der […] und Ausbildung, daß wir in Anbetracht auf die kurze Zeit und auf unserer […] begrenzten Mittel auf unsere junge Intelligenz nur stolz und zu den kühnsten [?] Hoffnungen berechtigt […] können. Ich wünschte nun auch über unsere Intelligenz einen Passus in jenem II.Kapitel aufgenommen zu sehen. Wie wohl ich, was das III.Kapitel anbelangt mit den Ansichten S.E. vollkommen einverstanden bin, daß das starke Germanisiren [?] der slawischen Länder für Österreich nur nachtheilbringend und an und für sich auf die Länge unhaltbar sey so möchte ich in Betrachtung der allseitigen Verhältnisse doch für die nationale Entwicklung der Ruthenen zuletzt gefährlich wachtun [?], jene in der Zukunft Österreichs die Vorzugsrolle [?] den Ruthenen im III.Kapitel zuweisen wollen. Die ruth. Nation in Galizien wie […] auf einem uralten Stamm, ist sie doch eine zu zarte Pflanze […] in der Zeit und muß sehr sorgfältig gepflegt werden damit sie nicht zertrümmern und wieder absterben. Sie hat einen […] Gegner in dem Erbfeinde; den Polen wie das Sprichwort sagt: jak s´wiat swiatem, nie był i nie be˛dzie Polak Ruzinowi [sic] bratem! Mit diesem Erbfeinde kämpft die ruth. Nation schon mehr an die […] Jahrtausend unabläßlich und setzte in den letzten Jahrhunderten dem anderen […] eine unverwüstliche […] und Zähigkeit entgegen, welche ihr bei der […] auf keine Unterstützung so doch wenigstens eine Anerkennung erwarten. Die glänzende Rolle, welche S.E. in dem III.Kapitel der ruthenischen Nation zugedacht haben, würde ihr neue Feinde auf den Leib [?] ziehen, denen die Waage [?] zu halten Sie nicht in der Lage wären. Offenbar bewerben sich um diese glänzende Rolle in Österreich in erster Linie die Czechen, und hinter

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

diesen die Serben die Croaten, ja in der neuesten Zeit wollen selbst die Slowaken [?] nicht zurück bleiben – allen diesen slawischen Stämmen und Nationen würden wir vor den Kopf stoßen wie einst Benjamin die […]. Eine noch größere Feindschaft mit den slawischen Nationen würden wir uns […]. Ich wüsste wahrlich nicht zu entscheiden, wer uns Ruthenen in Galizien jetzt entgegen steht; sind es die Polen oder die deutschen Beamten. Die Feindschaft der Deutschen hat ja noch einen bei weitem anderen nicht nationalen Grund. Die Deutschen in Galizien hassen und fürchten die Ruthenen deshalb, weil, wenn das ruthenische Element die Oberhand gewinnen würde, sie gehalten werden würden, die ruthenische Landessprache zu […]. Aus Besorgnis nur vor dieser unausweichlichen Nothwendigkeit stellen sie sich immer und überall dem ruthenischen Element entgegen, und hindern absichtlich jede Entwicklung […]. […]. Aufrichtig gesagt, sind die Ruthenen den Deutschen in Galizien nur insofern lieb, in wie fern sie sich im Lande mit Hilfe der Ruthenen gegen das mit Macht vordringende Polenthum behaupten können. Bei uns ist es den deutschen Beamten nicht […] Ruthenen ihr Ziel nur im Verbande mit Österreich suchen und zu finden haben. Meiner Ansicht nach würde es vielleicht ratsamer sein im III. Kapitel einer […] Wichtigkeit des ruthenischen Elements in Galizien […] darzuthun, […], diese Mittel wären wichtig für eine nationale Entwicklung; Einführung ihrer Sprache in Schule und Amt; Schöpfung und Nutzung der […] vorhandenen nationalen Institute: Berücksichtigung und Bevorzugung Beamten ruthenischer Nationalität; eine vollständige administrative und politische Theilung [?] Galiziens aus Gründen […] beider Nationalitäten, ein selbständiger Landtag, […] somit allem weiteren […] eines selbständigen galizisch ruthenischen Kernlandes [?], wie E.H. in dem Schlussabsatz seines II. Kapitels so treffend bezeichnet haben. Er würde übrigens nur von der stilistischen Wendung [?] und Feinheit abhängen, damit dieses Geschichtswerk nicht […] Färbung annehme. Ich schließe nun meine ohnehin zu umfangreichenen Bemerkungen und es bleibt mir nur noch übrig S.E.um Verzeihung zu bitten, daß ich mich über diese […]. Mit vorzüglicher Hochachtung Euer wohlgeboren ergebener Diener Kuziemski M. Wien den 19. Jänner 1862 An Seinen […] D.Leopold Sacher-Masoch […] in Gratz Wickenburggase N.1330. *

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Sacher-Masoch an Kuzems’kyj, ohne Ort und Datum (Ark. 16–17) Eurer Hochwürden Hochgeschätzter Herr! Ich kann Euer Hochwürden für die Kritik meines Planes nicht genug dankbar sein. Aus jeder Zeile habe ich Ihre Liebe für unser Volk, die Schärfe Ihres […], die nämliche Erfahrung herausgelesen und die Ueberzeugung gewonnen dass unser Volk nicht verloren ist so lange es Männer wie Euer Hochwürden […]. Ihre Kritik hat meine vollste Zustimung gefunden. In dem II. Kapitel werde ich Ihrem Rathe gemäß das ruthenische Bürgerthum und die ruthenische Inteligenz sehr stark betonen, das III. Kapitel Ihrer Ansicht entsprechend gestalten. Er ist für jetzt besser nur die Wichtigkeit der Ruthenen für Oesterreich hervorzuheben und auseinanderzusetzen wie die rußische Nationalität gehoben werden kann. Nach reiflicher Ueberlegung theile ich Ihre Ansicht daß eine Beleuchtung der Aufgabe der Ruthenen wie ich dieselbe beabsichtigt habe die Slawen und Deutschen aufregen würde. Euer Hochwürden haben mich auf diese Weise schon im Plane vor Fehlern bewahrt welche der rußinischen Nation in die Schuhe geschoben worden wäre. Ich arbeite fleißig an dem I.Kapitel: der Skizze der ruthenischen Geschichte und werde mir erlauben solbald dieser Abschnitt fertig ist denselben Eurer Hochwürden zur Kritik einzusenden. Ihr Antheil wird mir dabei ebenso maßgebend sein wie bei dem Plane [?]. Jenes Verhalten der Regierungsorgane in Galizien gegenüber den Ruthenen welches Euer Hochwürden so treffend bezeichnet werde ich in dem III.Kapitel ebenso geißeln wie die goluchofkische1166 Regierung in Galizien: Ueberhaupt ist es Zeit der oesterreichischen Regierung die Fehler ihres galizischen […] bloßzulegen und ich werde dies als oesterreichischer Patriot in aller Entschiedenheit thun. Die Mißgriffe haben ihren Grund zum guten Theil in dem Mangel einer immerwährend-öffentlichen Kritik und ich hoffe daß ein Reichsrath und eine freie Preße diesem Mangel mit der Zeit abhelfen werden.

1166 Agenor Romuald Gołuchowski sen. (1812 Skała Podolska – 1875 Lemberg; öst. Statthalter in Galizien 1849–1859).

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

In Oesterreich vollzieht sich jetzt einer jener Prozeße, der die Ängste, in der menschlichen Natur, Krisen nennen. Jetzt ist es Zeit sich in dem Organismus geltend zu machen. Gebe Gott daß dies unserem ruthenischen Volke gelinge. Noch eine Mittheilung nur für Euer Hochwürden. Meiner kleinen Schrift über die Ruthenen wird eine eingehende quellenmäßige »Geschichte Galiziens seit seiner Vereinigung mit Oesterreich« folgen. Seine Eccelenz Freiherr Karl von Krauß1167 hat meine Gesuche um Benützung der betreffenden Aktenstücke des Staatsarchives, des Staatsministeriums und der galizischen Statthalterei ursächlich [?] den Herren Graf Ruchberg und Staatsminister von Schmerling übergeben. Beide bezeichneten mein Unternehmen mit vollem Beifalle als ein sehr wichtiges und patriotisches und heute erhielt ich bereits ein Dekret des Herrn Staatsminister worin mir die Benützung des Archives und der Registraturen des Staatsministeriums über Galizien bewilligt wird. Da Euer Hochwürden sehr wichtig beschäftigt sind bitte ich dies Schreiben erst zu beantworten wenn ich das erste […] einsende. Genehmigen Eurer Hochwürden den Ausdruck vollster Hochachtung mit ich bleibe Ihr ergebenster Dr.Leopold Ritter von Sacher-Masoch Mein Vater Leopold Sacher Masoch beauftragt mich Euer Hochwürden herzlich zu grüßen. Er erinnert sich Ihrer oft und erzählte mir daß Sie ihn in Prag besucht haben. *

Kuzems’kyj an Sacher-Masoch, Wien, den 28. Juni 1862 (Ark. 19) An Herrn Sacher-Masoch! Euer Hochwohlgeboren! Entsprechend dem mir geäußerten Wunsche habe ich mich sogleich nach Lemberg gewendet und um die schleunige Beantwortung der gestellten Fragen nachgesucht. Man hat mir geantwortet, daß es tief einschneidende und weitläufige Fragen wären [?], an deren Beantwortung erst unsere Literaten schwitzen [?]. Indessen … wie im Briefe bis: polacy mojz˙eszowego wyznania. Bezüglich 1167 Karl von Kraus (1789 Lemberg – 1881 Wien; k.k.Justizminister und Präsident des Obersten Gerichtshofes).

Korrespondenz Mychajlo Kuzems’kyj (1861–1862)

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der 5. Frage … wie im Briefe bis: […] die Quellen auf welche in dem an mich gerichteten Briefe hingewiesen wurde. Die angeführten Werke habe ich nicht bei der Hand und die welche im Ausland herausgegeben wurden sind mir bis jetzt ganz unbekannt, ich kann mich demnach über ihren Werth nicht aussprechen, ich glaube aber, daß wenige und einige derselben in der Bibliothek in Gratz zu finden sein würden. Wenn ich in irgendwelcher Richtung S.E. in dieser Beziehung dienen könnte, so bitte mir bekannt zu geben, und es wird mir sehr angenehm sein in dieser für die Ruthenen so wichtigen Frage helfen zu können. Mit ausgezeichneter Hochachtung E. Wohlgeboren ergebenster M. Kuziemski Wien, den 28. Juni 1862 *

Sacher-Masoch an Kuzems’kyj, Graz, den 13. Juni 1862 (Ark. 20) Euer Hochwürden! Während Ihrer Abwesenheit hat sich mein Halsleiden wieder so heftig eingestellt, daß ich auf ärztlichen Rathe Wien am 10.d.M. in aller Eile verlaen mußte. Da mein Arzt hier mehrwöchentliche Ruhe nothwendig findet werde ich kaum vor Ende der heißen Jahreszeit neuerdings nach Wien fahren können. Wie schmerzlich mich das berührt können sich Euer Hochwürden denken. Ich will daher hier thätig sein so gut es geht und bitte Euer Hochwürden mir das Material, über die von Ihnen vor Ihrer Abreise übersandten Fragen gütigst auf meine […] zuzusenden. Mit ausgezeichneter Hochachtung Eurer Hochwürden Ergebenster Dr.Ritter von Sacher-Masoch Gratz, 13. Juni 1862 *

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

Mychajlo Malinovs’kyj an Mychajlo Kuzems’kyj, Lemberg, den 23. Juni 1862 (Ark. 21–22) Lemberg am 23. Juni 1862 Hochwürdiger Herr! Ich weiß selbst nicht, womit ich meine Antwort auf Ihr Schreiben vom 5./17. Juni l..J. beginnen soll. Sie Klagen über Ihrer und unsere Nation Unbilden. Was sollen wir erst als unmittelbare Duldner sagen? Die Polen treiben fort ihr Unwesen und die guten Deutschen wissen sich keinen Rath zu schaffen. Sie haben Zustände geschaffen, theils koketierend mit den Polen, theils die Denunziationen derselben fürchtend, daß wir nach Rußland gravitieren, in denen sie selbst keinen Ausweg finden können. Wo ist die deutsche Weisheit? Wo die deutsche Ehrlichkeit? Die guten Deutschen büssen und werden noch mehr büssen, das Ende dieser Busse ist nicht abzusehen. Wir haben gelitten, wir leiden und werden leiden. Sie klagen und wollen einen ruhigen Winkel finden, um Akathisten zu lesen. Warten Sie nur, wann Sie zum Landtage kommen werden. Was wird der Landtag sein? Der Reichsrath kann sich mit wenigen Polen keinen Rath schaffen: was werden sie nun im Landtage treiben? Gewiß nichts anderes, als dieß, um die Mitglieder der Majorität des Reichsrathes zu setzen und um das zu zerstören, was der Landtag zur Befestigung der Monarchie that. Aber um Gotteswillen! Warum wollen die Minister zu der oktroyirten Konstitution vom J.1848 nicht zurückkehren. Sie wollen noch den Polen, Madjaren und Italienär [sic] gut thun? Vederemo! Sie haben mir Fragen zugeschickt, welche der Herr Sacher bezüglich unserer Nationalität beantwortet wissen will. Es sind aber tief einschneidende und weitläufige Fragen, an deren Beantwortung erst unsere Literaten schwitzen. Indessen ist schon vieles von den Groß-Russen und Ruthenen darin geleistet, und zwar bezüglich der 1. Und 2.ten Frage: BVaTip B_\_S¦SQ Ybc_aip _c^_iV^iZ ]VWUd adb[Y]Y [^pXQ]Y AdaY[_SQ U_]Q. =_b[SQ 1847. – 5V^YbQ 8dRaYg[QT_ Ybc_aip UaVS^¦T_ TQ\Yg[_-adb[_T_ [^pWVbcSQ. ýmS_Sm , 1852 hQbcm I.. Bca .67–108 9bc_aY[_-[aYcYhVb[i _calS[Y =. @_T_UY^Q. =_b[SQ 1846 bca.27/85. Die ruthenische Frage in Galizien, Lemberg, 180 pag. 109–115. Da ist kurz alles gegeben. Bezüglich der 3ten Frage: W. Zaleskiego Piesni luda galicyjskiego. Z˙egota Pauli pies´ni ludu ruskiego w Galicyi. Lwow 1839 Zwei Theile. 9T^Qcik 4Q\m[Q, þQa_U^l XSlhQY Y _RapUl Xk^QUk 8RadhQ, ýmS_Sm. 1861 […]. Łozinskogo ruskoje wesile. Peremyszl 1835. 9bQ[VSYhQ `Qa_U^l `aY`_S¦U[Y. ýmS_Sm 1842. Bezüglich der 4ten Frage habe ich zu bemerken, daß das Hauptelement der galizischen Städte und Marktflecken, die von den Polen angesidelten Juden (Projekt zur Ausrottung der Ruthenen vom J.1717) bilden (Ruthenische Frage). Die Christen – Ruthenen – Polen – Deutsche – Armenier wohl auch Czechen – sind Handwerker mitunter auch in den Vorstädten Ackersleute – ohne Bildung – inter coecus [sic]

Korrespondenz Mychajlo Kuzems’kyj (1861–1862)

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spielen die Polen die Hauptrolle – welche wie Gazeta narodowa bemerkt, darum Intelligenz bilden, weil bei ihnen das Nationalgefühl erwacht ist. – d.i. weil sie die Deutschen fortjagen und Polen herstellen wollen, wo die Ruthenen als solche nicht vegitiren können und wo aus den Juden Polacy mojz˙eszowego wyznania werden sollen obgleich ruth. Ahnen die Judenkinder kränken. Oh! Das ist eine Miserabilität ohne ihres gleichen. Bezüglich der 5 ten Frage: Jana Mogilnickiego rozprawa o je˛ziku ruskim Lwjw 1848. 5^VS^Y[k adb[iZ. 8Q]¦c[Y _ adb[_Z \YcVaQcda¦. ýmS_Sm 1848 Nr .5,6,9 (3QTY\VSYhQ). 9bc_aYhVb[iZ _hVa[k _b^_SQ^ip adcm[_Z ]QcYgl. ýmS_Sm , 1849. 9bc_aYhVb[YZ XR_a^Y[k drei Theile Ruth.Sprachund Schriftfrage. Annales Ecclesiae ruthenQe auctore Michaele Lit. Bar. De Neustern Harasiewicz. Leopoli 1862. 80 Bogen stark, deren Druck bald bewerkstelliget sein wird. Michael Malinowski die Kirchen- und Staatssatzungen bezüglich des gr.kath. Ritus der Ruthenen in Galizien. Andere viele kleine Broschüren namentlich von Szaraniewicz, Ilnicki etc. Gegenwärtig arbeiten die Unsrigen an vielen Werken – Alles wäre anders, wenn die guten Deutschen die Zustände Galiziens besser eingerichtet hätten, weßhalb dann die Polen die guten Deutschen bei unseren Geistlichen und Landleuten tüchtig waschen um sie gegen dieselben einzunehmen – für die juridischen Professuren sind nur Lopuszanski und Srokowski [?] geeignet primo loco – mögen auch andere gut sein – den Herrn Chominski, welcher jetzt sehr geistig muthlos geworden ist, habe ich das Aufgetragenen gesagt, er wendet sich wieder an die kk. Staatsdruckerey, daß sie »erledige«. In Lemberg ging allgemein das Gerücht, daß Lammer [?] nach Krakow transferirt werden soll – wir glauben auch nicht daran, denn man weiß ja, daß die guten Deutschen den Polen fröhnen. Unsere Vorstellungen in Ritussachen an das Staatsministerium durch das Präsidium sind noch nicht erlediget, damit uns die polnische Geistlichkeit, welche neue Kirchen baut, weiter polonisiren kann. Wegen des Lesebuches für die Wiederholungsschulen habe ich wieder vom Konsistorium an die Statthalterei geschrieben. Die Liturgik des Popiel für die IV.Gym.Klassen ist fertig, und morgen werde ich sie zur Einführung in den Gymnasien vorlegen. Szaszkiewicz hat nach Przemysl geschrieben, um zu loben, allein die päpstliche Bulle wird sein Maul schließen. Diese Bulle (auch im B\_S_) ist nicht schlecht, und wird unsere Geistlichkeit aufmuntern. Sie schreiben wieder von römischen Geheimnissen, ich habe aber Ihnen darüber Auskunft gegeben, aber vielleicht ist mein Schreiben zu Ihnen nicht angekommen. Die Feierlichkeit des »2_WmV c¦\_« hat unser Kapitel selbst abgehalten. Sn.Exzellenz weilt in Uniow. Die Polen verschwanden, als wenn sie in Lemberg nicht wären, nur die bei ihnen dienenden Ruthenen und Rutheninnenn schreien zum Fenster heraus, und doch ist diese Feierlichkeit eine lat. polnische! Oh! Die Katholiken – pfui! Die Statuten der Nationalhäuser waren beim Majewski und Hofer [?] – sollen nach der Statthalterei Sitzung verhandelt werden. Ich habe

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

geschrieben und schreibe wieder, daß man dem H. M. […?] wenigstens den Titel eines Statthalterei Rathes geben möchte. Er ist uns sehr gewogen. Meine Empfehlung dem Hochw. Herrn Bischof, und bitte um Antwort auf mein letztes Schreiben bezüglich des Buchhalteristen Litwinowicz. Die Wand im Nationalhause ist fertig – Stiegen sind schon in Angriff genommen. Die Arbeit geht rasch vor sich – Somit Gott empfohlen Malinowsky M.

5.2. Korrespondenz Jakiv Holovac’kyj (1882) L’vivs’ka nacional’na naukova biblioteka Ukraxny im. V. Stefanyka, Viddil rukopysiv [Handschriftenabteilung Stefanyk-Bibliothek, L’viv], Hol. Nr. 491/22 *

Armand Robert, Holovac’kyj Jakiv : Holovac’kyj Ja. F., Lyst Zacher-Mazochu Leopol’d, avstr. pysmennyk. Vil’na – Lejpcig. L’viv »›Auf der Höhe‹ Redaction: Sacher-Masoch. R. Armand. Leipzig Leipzig, den 23. Novbr. 1882 Sehr geehrter Herr! Sacher-Masoch feiert am 1. Jan.1883 sein 25-jähriges Jubiläum als Schriftsteller. Man will dem Dichter an diesem Tage ein Album mit Autografen aller hervorragenden Schriftsteller, Künstler, Gelehrten, sowie seiner Freunde überreichen. Da man dem Unterzeichneten überall, wo er sich mit seinen Ansuchen gewandt hat, auf das freundlichste entgegen gekommen ist, so glaubt derselbe auch auf Ihre collegiale Gesinnung rechnen zu dürfen & bittet Sie, sehr geehrter Herr, beifolgendes Blatt mit einem Autograf zu versehen und in beigeschlossenem Couvert an meine Adresse gelangen zu lassen. Mit ausgezeichneter Hochachtung, R. Armand« *

Korrespondenz Hnat Rozˇ anovs’kyj an Volodymyr Barvins’kyj (1882)

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»6T_ 3lb_[_a_UwV ýV_`_\mUd ýV_`_\mU_SYhd BQfVak-=QX_fd. =Y\_bcYSlZ 4_bdUQak @_ `_S_Ud `aQXU^_SQ^wp USQUgQcY`pcY\Vcwp 3QiVZ \YcVaQcda^_Z UVpcV\m^_bcY `aY]YcV XQpS\V^wV S ]_V]k Yb[aV^^V]k `aYX^Q^wY 3QiVT_ bS¦c\_T_ d]Q Y R\QT_a_U^QT_ bVaUgQ, S _b_RV^^_bcY XQ 3QiV cV`\_V b_hdSbcSwV [ ]_Y]k Y 3QiY]k XV]\p[Q]k. 4Q\YhQ^Q]k, [_c_a_V `a_pS\pVcbp Sk 3QiYfk b_hY^V^Ypfk. 5SZbcS. BcQc . B_S . P .4 . 3Y\m^Q, 1 5V[QRap 1882 T.«

[Seiner Hochwohlgeboren Leopol’d Leopol’dovicˇ Sacher-Mazoch. Sehr geehrter Herr, Aus Anlass der Feierlichkeiten Ihrer 25-jährigen Tätigkeit als Schriftsteller nehmen Sie den Ausdruck meiner wahrhaftigen Achtung Ihres hellen Geistes und edlen Herzens, vor allem aber für Ihr warmes Mitgefühl meinen und Ihren Landsleuten gegenüber, den Galiziern, die in Ihren Werken vorkommen. Wirklicher Staatsrat J.H. Vil’na, 1. Dezember 1882] [Übersetzung: Stephanie Weismann]

5.3. Korrespondenz Hnat Rozˇ anovs’kyj an Volodymyr Barvins’kyj (1882) Lysty do Barvins’koho Volodymyra Hrihorovycˇa [Briefe an Barvins’kyj]. L’vivs’ka nacional’na naukova biblioteka Ukraxny im. V. Stefanyka, Viddil rukopysiv [Handschriftenabteilung Stefanyk-Bibliothek, L’viv], Barv., Fd. 5 arv, Sp. 5011, 4 ark. *

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

Hnat Rozˇ anovs’kyj an Volodymyr Barvins’kyj, Ol’chivka, den 16./28. Oktober 1882 ?\mfwS[Q U. 16 (28) W_Sc^p 1882 3lb_[_`_SQW^lZ @Q^V, @_XS_\mcV `_`a_bYcY 3Qbk Sk _U^i]k U¦\¦ _ ^QZWYS¦Zid dhQbcm Y XQ_f_cd [adW[iS adb[Yfk S ýmS_S¦. þ¦]Vg[YZ RV\\VcaYbck f_a_i_ ^Q]k XS¦bc^lZ, `Q^k BQfVak-=QX_fk, RdUV _Rf_UYcY 25 \¦c^o aih^Ygo bS_uY `YbQcV\mb[_Y U¦p\m^_bcY S UV^m ^_S_T_ A_[d 1883 ^. bc . þV bcQ^d iYa_[_ a_XS_UYcYbm _ XQb\dTQfk `Q^. oSY\pcQ U\p TQ\Yg[_-adbm[_Y bdb`i\m^_bcY. þVXT\dRYSiY Q ]_WV ^VXkd]¦SiY XT\dRYcY ]Q\_adb[_T_ UdfQ Y ^Qa_U^_T_ fQaQ[cVaQ `aVUbcQS\pu _^k S bS_Yfk `_S¦bcpfk f_cpZ bY]`QcYh^_ ^_ ^V [_^hV S¦a^_ cY`Y ]Q\_adb[~, Y VT_ eY\_b_ewp, p[k T_S_aYcm CourriHre, ^V T_UYcmbp bk Udf_]k adb[_-^Qa_U^Y]k – c_Wk bk c_h[Y bca_T_Y [aYcY[Y _ bciZ^_bcY uT_ cS_aiSk T_S_aYcY ^V ]_u cdck U¦\_, Q \YiV b[QWd, j_ ]l AdbY^l `_SY^^~ SUph^ibcm XQpSYcY XQ Z_T_ jYa~ bY]`QcwY U\p `\V]V^Y ]Q\_adb[_T_ SboUY ^VfcdSQ^_T_, `_^YWV^_T_ ! =l _R_SpXQ^~ U_a_WYcY T_\_b_]k clfk ]a\_hYb\V^^lfk esprits clairvoyants XQ TaQ^YgVo, – Q _ b[i\m[_ bVZ T_\_bk ^Qbk _Rf_UYck, c_ Z BQfVak-=QX_fk bc_Ycm ]ÞWk ^Y]Y ^Q `Vaii]k ]¦bgY. %T_ R8cits de Galicie QR_ R8cits de la Petite Russie, `dR\Y[_SQ^~ Sk ^QZ`_SQW^YZii]k Wda^Q\¦ SbVbS¦c^_~ b\QSl – S Revue des deux Mondes (f_cp Z cY`l ]_\_adb[Y S ^Yfk `aVUbcQS\V^~, p[k b[QXQ^_, ^V UdWV S¦a^~, _U^Q[_Wk UdWV bY]`QcYh^~) XQbcQSY\Y `. CourriHre-Q Sk bS_Y]k U¦\¦ _RiYa^i]k Historie de la litt. contemp.chez les slaves dSQWQcY uT_ ^QiY]k `YbQcV\V]k. 9 Sk cV`Va¦i^i]k Wda^Q\¦ »Auf der Höhe« bY]`QcYXdu `. B .–=. bk ^Q]Y – bk ^QiY]k adf_]k ^Qa_U^l]k. – C_WV Ud]Qo, Rd\_ Rl ^VSUph^_bcwo, Q j_ TiaiV, SlUQSQ\_bm Rl Y^U_\V^gwuo Xk ^Qi_Y bc_a_^l, ub\Y Rl ]l S UV^k SYiV aVhV^lZ, ^V `_b`¦iY\Y bk TaQcd\pgwuo Y X SUph^l]k dX^Q^mu]k uT_ `YbQcV\mb[_Y b\QSY. =l , TQUQo, ]_aQ\m^_ _R_SpXQ^~ S c_Z c_aWVbcSV^^lZ UV^m SadhYcY oSY\pc_SY QUaVbd XQ_b]_caV^d _ b[i\m[_ ]_Wk hYb\V^^l]Y `iU`YbQ]Y. Bp QUaVbQ `_hcYcm ^V ci\m[_ oSY\pcQ, Q\V Y ^Qbk AdbY^iS, `_XQp[_ U_[QWV ^Qid Y^cV\\YTV^c^d WYX^V^^ibcm S XQTaQ^Yh^lfk [adW[Qfk – S ýY`b[d, [_c_aYfk h\V^l `aY^Q\VWQcm [k aiW^l]k [d\mcda^Y] `\V]V^Q] %Sa_`Y. 2dUmcV W \Qb[QS~ `_cadU¦cbp SYT_c_S\V^^p]k bVY QUaVbY Y XiRaQ^mV]k `iU`YbVZ p[k ^QZhYb\V^^¦ZiYfk. %b\Y beZ]k icRdSQu jV XQb¦UQ^p, c_ XS_\mcV `_`a_bYcY `_b\iS ^QiYfk _ `iU`YbY, ]iZ RaQck ýQ^hY^k, [_ca_T_ `aY bVZ ^QT_U¦

Korrespondenz Hnat Rozˇ anovs’kyj an Volodymyr Barvins’kyj (1882)

263

`_XU_a_SYcY `a_id, `VS^_ ^Vic]_SYcm `iU`Yb Q jV Z UadTYfk bS_Yfk ``. c_SQaYiiS XQ_f_cYcm U_ bVT_. =l ]Qu]_ S`aQSU¦ ujV 2 ]¦bpg¦ hQbd, _U^Q[_W j_RY ^Vb`iX^YcYbm, \dhiV XQShQbd `_f_UYcY [_\_ U¦\Q ^Vic[\QUQohY. 1UaVbd XQ_b]_caV^d `iU`YbQ]Y XS_\mcV `aYb\QcY ^Q ]_Y ad[Y, – p TQUQo jV S cdcVi^i]k `_S¦c¦ XRYaQcY `iU`YbY, Q hVaVXk _. A_WQ^mb[_T_ S F_c¦^Y Y S ;Q\db[i]k, – `_ b¦]k iU_i\o uY S ýY`b[k ^Q ad[Y _U^_T_ X^Q[_]_T_ ]V^¦ b_cadU^Y[Q (b_aVUQ[c_aQ) Wda^Q\Q »Auf der Höhe« eaQ^gdXQ `. A . 1a]Q^UQ [_caYZ SadhYcm cdoWk `. BQfVak-=QX_fd S UV^m ^_S_T_ A_[d 1883 ^. bc . 1R_ ]_WV X^QucV p[_T_ AdbY^Q S ýY`b[d ? 2d\_ Rl ^QZic`_S¦U^¦ZiV ^Q ad[Y uT_ `VaVb\QcY QUaVbd, ^_ \VUS_ X^QZUVbm cQ]k [c_ »YXk RaQc~ ^QiVZ«. þQZic`_S¦U^¦ZiV Rd\_ Rl Slb\QcY [_T_ Xk ýmS_SQ ^Q UV^m bVZ S ýY`b[k bk QUaVb_o, Q\V cQ[wZ b`_biRk, a_Xd]¦ubm, bk [_ic_]k `_\dhV^lZ. P [a¦`[_ ^QU¦obm, j_ 3l bf_hVcV XQ^pcYbm bY]k U¦\_]k – l’objet meut la puissance – a p ^VTQUQo j_RY c_ cQ[k UdWV cadU^_ Rd\_ U_ XaVQ\YXdSQ^p. þQ Sbp[k b\dhQZ RdUmcV \Qb[QS~ `_S¦U_]YcY ]V^V.

[…] @aYZ]¦cm XQ`VS^V^p jYa_Z `aVUQ^_bc~ _c 3Qi_T_ b\dTY A_WQ^[_Sb[_T_. *

Hnat Rozˇ anovs’kyj an Volodymyr Barvins’kyj [Übersetzung Stephanie Weismann] Ol’chivka, den 16./28. Oktober 1882 Hochgeehrter Herr, erlauben Sie mir, Sie in einer Angelegenheit um die lebhafteste Mitwirkung und Engagements der ruthenischen Kreise in Lemberg zu bitten. Der uns wohlbekannte deutsche Schriftsteller, Herr Sacher-Masoch, wird am Neujahrstag 1883 sein 25-jähriges Schriftstellerjubiläum begehen. Ich werde mich nicht lange mit den Verdiensten des Herrn Jubilars für die galizisch-ruthenische Gemeinschaft aufhalten. In seinen Erzählungen stellt er kleinrussische Typen zwar nicht ganz wahrhaftig so doch zumindest mit Sympathie dar, wobei er sich nicht wirklich in den kleinrussischen Geist und Volkscharakter versetzt oder versetzen kann. Auch seine Philosophie, wie CourriHre sagt, entspricht nicht dem ruthenischen Volksgeist – auch vom Standpunkt der Kritik aus über den Wert seiner Werke zu urteilen ist hier nicht

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Annex: Briefwechsel Sacher-Masochs mit ruthenischen Intellektuellen

meine Aufgabe, ich möchte lediglich sagen, dass wir Ruthenen unsere Dankbarkeit äußern sollen für seine große Sympathie für den Stamm der Kleinrussen, den stets vernachlässigten und erniedrigten! Wir müssen die wenigen Äußerungen der esprits clairvoyants im Ausland würdigen – und soweit deren Stimme uns betrifft, steht Sacher-Masoch an erster Stelle. Seine R8cits de Galicie oder R8cits de la Petite Russie wurden in der Revue des deux Mondes, der wichtigsten Zeitschrift von weltweitem Prestige, publiziert (obwohl die kleinrussischen Typen in den Erzählungen wie gesagt nicht ganz wahrhaftig, aber mit viel Sympathie gezeichnet sind). Diese Erzählungen haben Herrn CourriHre veranlasst, in seiner umfangreichen Histoire de la litt. contemp. chez les slaves Sacher-Masoch als unsrigen Schriftsteller anzusehen. Und auch im gegenwärtigen Journal »Auf der Höhe« sympathisiert Herr S.-M. mit uns – mit unserer Volksbewegung. Ich meine auch, es wäre undankbar, oder noch schlimmer, es würde als Indolenz unsererseits ausgelegt werden, wenn wir an dem oben erwähnten Tag keine Glückwünsche mit einer dankbaren Würdigung seines literarischen Ruhms schicken würden. Wir, so meine ich, sind moralisch verpflichtet dem Jubilar an diesem Festtag eine Grußadresse mit so vielen Unterschriften als möglich zukommen zu lassen. Diese Adresse ehrt nicht nur den Jubilar, sondern auch uns Ruthenen, da es unsere intellektuelle Aktivität in ausländischen Kreisen in Leipzig bezeugen würde, deren Mitglieder zu den unterschiedlichsten kulturellen Stämmen Europas zählen. Bitte bemühen Sie sich um die Abfassung einer solchen Adresse und der Sammlung so vieler Unterschriften als möglich. Falls im Sejm eine Sitzung abgehalten wird, so bitten Sie doch unsere Abgeordneten um Unterschriften, mein Bruder Lancˇyn, den ich bei dieser Gelegenheit bitte zu grüßen, wird gewiss seine Unterschrift nicht verweigern und wird auch seine übrigen Kollegen dazu veranlassen. Wir haben noch 2 Monate Zeit, um sich jedoch nicht zu verspäten, ist es besser sich rechtzeitig mit unaufschiebbaren Angelegenheiten zu befassen. Die mit den Unterschriften versehene Adresse bitte ich an mich zu schicken, ich werde noch im hiesigen Bezirk Unterschriften sammeln sowie über Rozˇans’kyj in Chotyn und in Kalusch – dann werde ich es nach Leipzig zu Händen eines mir bekannten Mitarbeiters (Co-Redakteurs) der Zeitschrift »Auf der Höhe«, dem Franzosen R.Armand, schicken, der diese Sacher-Masoch am Neujahrstag 1883 überreichen wird. Oder kennen Sie einen Ruthenen in Leipzig? Am sinnvollsten wäre es, die Adresse in dessen Hände zu übergeben, aber dort findet sich kaum jemand »von unseren Brüdern«. Am angebrachtesten wäre es, für diesen Tag jemanden aus Lemberg mit der Grußadresse nach Leipzig zu schicken, aber dieses Vorgehen wäre natürlich

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Korrespondenz Osyp A. Markov (1889)

mit Kosten verbunden. Ich hoffe aber stark, dass Sie sich dieser Sache annehmen werden – l’objet meut la puissance – und ich denke nicht, dass das so schwer zu verwirklichen wäre. Auf jeden Fall bitte ich Sie, mir Bescheid zu geben. […] In Versicherung der vorzüglichen Hochachtung Ihres Dieners Rozˇanovs’kyj

5.4. Korrespondenz Osyp A. Markov (1889) L’vivs’ka nacional’na naukova biblioteka Ukraxny im. V. Stefanyka, Viddil rukopysiv [Handschriftenabteilung Stefanyk-Bibliothek, L’viv], Fd. Mark, Sp. 322/ 13, ark. 2 *

Sacher-Masoch an Osyp A. Markov, Lindheim, den 21. Oktober 1889 Lindheim, Ober-Hessen, 21. Oktober 1889, Hochverehrter Herr Kollege und Landsmann! Auf Rath und Empfehlung meines jungen Freundes Kapitschanko in Wien wende ich mich in einer Bitte an Sie. Ich bedarf zu meiner Verheiratung eines Zeugnisses aus meiner Heimath, daß so viel bekannt der Eheschließung nichts im Wege stehe. Es ist dies einfach eine Formsache […]. Bitte dem Lemberger Magistrat das Zeugnis nur zuzustellen, da ich erstens durch Landtagsbeschlüsse Indigena des Königreichs Galizien und am 27. Jänner 1836 in Lemberg geboren bin. Da ich aber die Nachlässigkeit polnischer Behörden kenne, so werde ich […] persönlichem Einschreiben von Ihrer Seite leichter zum Ziele kommen. Ich bitte also sich in kollegialer Weise dieser Angelegenheit anzunehmen und mir die […] und sonstige Kosten gütigst bekannt zu geben, welche ich sofort erfolgen werde. Mit vorzüglichster Hochachtung, Ihr ergebenster Doktor Leopold Ritter von Sacher-Masoch

6.

Literaturverzeichnis

6.1. Primärquellen Sacher-Masoch – Werke Sacher-Masoch, Leopold von: Basyl, der Schatzgräber und andere seltsame Geschichten. Leipzig 1880 Sacher-Masoch, Leopold von: Das verlorene Paradies [1887]. In: Michael Farin (Hg.): Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985, S. 51–52 Sacher-Masoch, Leopold von: Der Bauernkönig [1888]. In: Michael Farin (Hg.): Bruchstücke. Autobiographische Prosa 2. München 2009, S. 51–56 Sacher-Masoch, Leopold von: Der Iluj [1882]. In: Adolf Opel (Hg.): Der Judenraphael. Geschichten aus Galizien. Wien 1989, S. 294–430 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Sclavenhändlerin. In: Grausame Frauen. Hinterlassene Novellen. Leipzig 1901, S. 59–72 Sacher-Masoch, Leopold von: Er wird kommen. Eine Idylle vom Pruth. Deutsche Monatsblätter. Jg. 1, Bremen, S. 80–88 Sacher-Masoch, Leopold von: Jüdische Geschichten [1887]. In: Michael Farin (Hg.): Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985, S. 34–42 Sacher-Masoch, Leopold von: Jüdische Sekten in Galizien [1889]. In: Adolf Opel (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch: Der Judenraphael. Geschichten aus Galizien. Berlin 1989, S. 13–33 Sacher-Masoch, Leopold von: Jüdische Geschichten [1887]. In: Michael Farin (Hg.): Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985, S. 34–42 Sacher-Masoch, Leopold von: Jüdisches Leben in Wort und Bild [1892]. Wiesbaden 1986 Sacher-Masoch, Leopold von: Lola. In: Grausame Frauen. Hinterlassene Novellen. Dresden 1901, S. 3–16 Sacher-Masoch, Leopold von: Matrena. In: Grausame Frauen. Hinterlassene Novellen. Dresden 1901, S. 44–58 Sacher-Masoch, Leopold von: Unser Deputierter [1877]. In: Egidius Schmalzriedt (Hg.): Mondnacht. Geschichten aus Galizien. München 1988, S. 276–301 Sacher-Masoch, Leopold von: Zenobia. In: Michael Farin (Hg.): Souvenirs. Autobiographische Prosa. Bonn 1985, S. 25–26

268

Literaturverzeichnis

Sacher-Masoch, Hulda Edle von: Der Slawenkongreß in Prag [1888]. In: Michael Farin (Hg.): Bruchstücke. Autobiographische Prosa 2. München 2009, S. 75–82 Sacher-Masoch, Hulda Edle von: Erinnerungen an Sacher-Masoch [1910]. In: Michael Farin (Hg.): Leopold von Sacher-Masoch. Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 9–16 Sacher-Masoch, Leopold: Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985 Sacher-Masoch, Leopold von: Unsere Sclaven: Eine soziale Komödie in 5 Akten. Wien 1869 Sacher-Masoch, Leopold von: Adam und Eva. In: Falscher Hermelin. Kleine Geschichten aus der Bühnenwelt. Der ersten Sammlung zweite Hälfte. Berlin 1886, S. 227– 238 Sacher-Masoch, Leopold von: Anna Versing Hauptmann. Ein Charakterkopf aus der Bühnenwelt. In: Aus dem Tagebuch eines Weltmannes. Causerien aus der Gesellschaft und der Bühnenwelt. Leipzig 1870, S. 204–212 Sacher-Masoch, Leopold von: Artaban und Pachomia. Eine Skizze aus Kleinrußland. Westermann’s illustrierte deutsche Monatshefte. Bd. 52, Jg. 26., 1882, S. 327–331 Sacher-Masoch, Leopold von: Asma. In: Grausame Frauen. Sphinxe. Leipzig 1901, S. 77–86 Sacher-Masoch, Leopold von: Auf der Heimfahrt. In: Polnische Geschichten. Breslau 1887 Sacher-Masoch, Leopold von: Basil Hymen. In: Das Vermächtniß Kains. Zweiter Theil. Das Eigenthum. Bern 1877, S. 263–458 Sacher-Masoch, Leopold von: Choses veÅues [1888]. In: Michael Farin (Hg.): Bruchstücke. Autobiographische Prosa 2. München 2009, S. 31–34 Sacher-Masoch, Leopold von: Cipre Goldfinger. In: Neue Judengeschichten. Leipzig 1881, S. 111–126 Sacher-Masoch, Leopold von: Das Erntefest. In: Galizische Geschichten. Novellen. Berlin ca. 1880, S. 49–80 Sacher-Masoch, Leopold von: Das letzte Rendezvous. In: Soziale Schattenbilder. Aus den Memoiren eines österreichischen Polizeibeamten. Halle 1873, S. 168–178 Sacher-Masoch, Leopold von: Das Paradies am Dniester. Leipzig 1882 Sacher-Masoch, Leopold von: Das Trauerspiel im Rosengässchen (Holland) [1892]. In: Jüdisches Leben in Wort und Bild. Wiesbaden 1986, S. 247–259 Sacher-Masoch, Leopold von: Das Volksgericht. In: Das Vermächtnis Kains. Theil 1. Bern 1877, S. 52–172 Sacher-Masoch, Leopold von: Das Volksgericht. Berlin 1888 Sacher-Masoch, Leopold von: Der alte Castellan. Leipzig 1882 Sacher-Masoch, Leopold von: Der Emissär. Eine galizische Geschichte. Prag 1863 Sacher-Masoch, Leopold von: Der Gläubiger als Heirathsstifter. In: Gute Menschen und ihre Geschichten. Berlin 1887, S. 1–71 Sacher-Masoch, Leopold von: Der Hajdamak. Berlin 1888 Sacher-Masoch, Leopold von: Der Judenraphael [1882]. In: Adolf Opel (Hg.): Der Judenraphael. Geschichten aus Galizien. Wien 1989, S. 39–157 Sacher-Masoch, Leopold von: Der König von Polen. In: Galizische Geschichten. Novellen. Bern, Leipzig 1881, S. 73–88

Primärquellen

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Sacher-Masoch, Leopold von: Der Lemberger Hochverrathsproceß. Auf der Höhe. Januar, Februar, März 1882, S. 412–415 Sacher-Masoch, Leopold von: Der neue Hiob. Stuttgart 1878 Sacher-Masoch, Leopold von: Der theure Flüchtling [1893]. In: Egidius Schmalzriedt (Hg.): Mondnacht. Geschichten aus Galizien. Berlin 1988, S. 302–318 Sacher-Masoch, Leopold von: Der Thränenquell. In: Ewige Jugend und Anderes. Berlin 1886, S. 45–90 Sacher-Masoch, Leopold von: Der verwandelte Pfarrer. In: Galizische Geschichten. Berlin ca. 1880, S. 29–45 Sacher-Masoch, Leopold von: Deutsche Sklaverei. Aus den Papieren eines kleinasiatischen Naturforschers. In: Aus dem Tagebuche eines Weltmannes. Causerien aus der Gesellschaft und der Bühnenwelt. Halle 1872, S. 213–223 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Aesthetik des Häßlichen. Leipzig 1880 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Ball-Sklaven. In: Aus dem Tagebuche eines Weltmannes. Causerien aus der Gesellschaft und der Bühnenwelt. Halle 1872, S. 213–217 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Gottesmutter. Leipzig 1883 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Ideale unserer Zeit. Bern 1875 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Judith von Bialopol. In: Liebesgeschichten aus verschiedenen Jahrhunderten. Zweite Folge. Bern 1877. S. 121–154 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Liebe des Plato [1870]. Hamburg 2001 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Liebe eines Schah. In: Silhouetten Bd. 1. Leipzig 1879, S. 52–70 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Liebesgeschichte des Adam Kosabrodzki. In: Galizische Geschichten. Novellen. Neue Folge. Leipzig 1881, S. 89–96 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Mondnacht. Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft. Bd. 2, 1868, S. 57–108 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Satten und die Hungrigen [1894]. Berlin ca. 1908 Sacher-Masoch, Leopold von: Die schwarze Czarin. In: Liebesgeschichten aus verschiedenen Jahrhunderten. Bern 1877, S. 1–48 Sacher-Masoch, Leopold von: Die Seelenfängerin. Jena 1886 Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea [1866]. In: Michael Farin (Hg.): Don Juan von Kolomea. Galizische Geschichten. Bonn 1985, S. 19–61 Sacher-Masoch, Leopold von: Ein exotischer Prinz. In: Soziale Schattenbilder. Aus den Memoiren eines österreichischen Polizeibeamten. Halle 1873, S. 1–12 Sacher-Masoch, Leopold von: Ein platonischer Harem. In: Falscher Hermelin. Geschichten aus der Bühnenwelt. Berlin o. J., S. 151–154 Sacher-Masoch, Leopold von: Ein polnischer Roman. Auf der Höhe. Internationale Revue Nr. 13, Leipzig, S. 458–463 Sacher-Masoch, Leopold von: Ein Testament. In: Das Vermächtnis Kains. Zweiter Theil. Das Eigenthum. Bern 1877, S. 1–262 Sacher-Masoch, Leopold von: Ein weiblicher Sultan. Historischer Roman. Berlin 1877 Sacher-Masoch, Leopold von: Eine Autobiographie [1879]. In: Michael Farin (Hg.): Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985, S. 60–67 Sacher-Masoch, Leopold von: Eine Damenverschwörung. In: Soziale Schattenbilder. Aus den Memoiren eines österreichischen Polizeibeamten. Halle 1873, S. 114–123

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Literaturverzeichnis

Sacher-Masoch, Leopold von: Eine Schlittenfahrt. In: Galizische Geschichten. Teil 2. Leipzig, Berlin o. J., S. 79–104 Sacher-Masoch, Leopold von: Eine slawische Schauspielerin [1889]. In: Michael Farin (Hg.): Bruchstücke. Autobiographische Prosa 2. München 2009, S. 109–113 Sacher-Masoch, Leopold von: Entre Nous. Berlin 1889 Sacher-Masoch, Leopold von: Ezech Elchanan. In: Polnische Geschichten. Breslau 1878, S. 9–20 Sacher-Masoch, Leopold von: Fahrende Komödianten. In: Galizische Geschichten. Teil 1. Leipzig o. J., S. 5–28 Sacher-Masoch, Leopold von: Falscher Hermelin. Kleine Geschichten aus der Bühnenwelt. Berlin 1886 Sacher-Masoch, Leopold von: Falscher Hermelin. Kleine Geschichten aus der Bühnenwelt. Der ersten Sammlung zweite Hälfte. Berlin 1886 Sacher-Masoch, Leopold von: Frau Leopard (Polen). In: Jüdisches Leben in Wort und Bild [1892]. Wiesbaden 1986, S. 145–157 Sacher-Masoch, Leopold von: Frau von Soldan. Berlin 1884 Sacher-Masoch, Leopold von: Frauenbilder aus Galizien. In: Silhouetten. Novellen und Skizzen. Leipzig 1879, S. 9–87 Sacher-Masoch, Leopold von: Galizien [1887]. In: Michael Farin (Hg.): Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985, S. 32–34 Sacher-Masoch, Leopold von: Graf Donski. Eine galizische Geschichte Schaffhausen 1858 Sacher-Masoch, Leopold von: Graf Skarbek und sein Theater. In: Falscher Hermelin. Geschichten aus der Bühnenwelt. Neue Folge. Berlin o. J., S. 76–90 Sacher-Masoch, Leopold von: Gruß an meine Landsleute. In: Eine galizische Geschichte. 1848. Schaffhausen 1858, S. I–VIII Sacher-Masoch, Leopold von: Handelt von einem Duell, Unschlittkerzen und der Rache eines betrogenen Liebhabers. In: Falscher Hermelin. Geschichten aus der Bühnenwelt. Neue Folge. Berlin o. J., S. 44–55 Sacher-Masoch, Leopold von: Handscha [1887]. In: Michael Farin (Hg.): Souvenirs. Autobiographische Prosa. München 1985, S. 23–24 Sacher-Masoch, Leopold von: Harmlose Geschichten aus der Bühnenwelt. Leipzig 1878 Sacher-Masoch, Leopold von: Hasara Raba [1888]. In: Der Judenraphael. Geschichten aus Galizien. Wien 1989, S. 169–293 Sacher-Masoch, Leopold von: An Hieronymus Lorm in Wien [1866]. In: Leopold von Sacher-Masoch: Materialien zu Leben und Werk. Bonn 1987, S. 335–338 Sacher-Masoch, Leopold von: Im Schlitten. In: Polnische Geschichten. Breslau 1887, S. 290–299 Sacher-Masoch, Leopold von: Judengeschichten. Leipzig 1878 Sacher-Masoch, Leopold von: Kaunitz. Kultur-historischer Roman. Prag 1865 Sacher-Masoch, Leopold von: Le mouvement slaves dans les provinces autrichiennes. La Galicie aprHs le partage de la Pologne – une faute de l’Autriche – Les Petit-Russiens se retournent du cit8 du czar – l’Alsace autrichienne. Le Matin. 10.8. 1887, Paris, S. 1 Sacher-Masoch, Leopold von: Leibeigenschaft. In: Aus dem Tagebuche eines Weltmannes. Causerien aus der Gesellschaft und der Bühnenwelt. Halle 1872, S. 167–175

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Schriften-Index (wenn nicht anders angeführt, verfasst von Leopold von Sacher-Masoch)

Arbeiter-Zeitung (Zentralorgan der österreichischen Sozialdemokraten, ab 1889) 45f. Asma 204 Auf der Höhe (von Sacher-Masoch von Oktober 1881 – September 1885 in Leipzig herausgegebene Internationale Revue) 43, 44, 61, 63, 68–72, 124, 137, 204, 259, 262–264 Aus den Papieren eines kleinasiatischen Naturforschers 101f. Bella Orsaniga 201 Bibliografia Polska XIX stolecia (Bibliographie Karol Estreichers) 201 Biographisches Lexikon galizischer Schriftsteller (Biohraficˇnyj slovnyk Levyckoho J.O.) 72 Bluthochzeit in Kiev, Die 83 Coulissenwelt ohne Lampenlicht, Die. Theater-Plaudereien (Erzählungen von Emil Vacano, 1876) Culturbilder (verfasst von Karl Emil Franzos) 45, 92, 94, 122, 138, 140 Demoniczne kobiety (polnische Übersetzung von Sacher-Masochs »Grausame Frauen«, 1912/13 und 1920 in Lwjw herausgekommen) 72f. Dilo (erste ukrainische Tageszeitung in Galizien 1880–1939) 69

Don Juan von Kolomea 10, 21, 26, 39, 65, 79, 81, 86, 97, 109, 161 Don Zˇuan z Kolomyx (Ballett von Oleksandr Kozarenko nach einer Erzählung von Sacher-Masoch, 1994 in L’viv uraufgeführt) 22 Drei seltsame Erinnerungen (Erzählungen von Emerich von Stadion) 200f. Dunkel ist dein Herz, Europa (Erzählungen Sacher-Masochs, 1957 herausgegeben von Ernst Joseph Görlich) 75 Dziennik Pojczierza (Olsztyner Regionalzeitung 1880/1890) 78 Dzvin (seit 1998, westukrainische Zeitschrift) 9, 80 Emissär, Der 98, 137, 224 ˇ as (zeitgenössische L’viver Evropejskyj C Zeitschrift) 82 Falscher Hermelin. Kleine Geschichten aus der Bühnenwelt 196, 198, 200f., 218, 222 Fahrende Komödianten und andere Novellen 19, 200, 204 Figaro, Le (französische Tageszeitung, seit 1826) 52 Frauenbilder aus Galizien 81, 94, 103, 114, 172

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Schriften-Index

Galizische Geschichte, Eine, 1848 12, 31, 33, 34, 41, 158, 250 Galizische Geschichten 10, 14, 19, 39, 41, 58, 64, 79, 102f., 105, 122, 165 Gartenlaube für Oesterreich, Die (1866– 1869 von Sacher-Masoch in Wien herausgegebenes Wochenblatt) 30, 128f., 200 Gaulois, Le (Pariser Tageszeitung 1868– 1929) 20, 41 Gazeta Narodowa (populäre polnischsprachige Zeitung, 1848 und 1862–1915 in Lemberg/Lwjw herausgegeben) 48, 52, 61, 65, 71, 259 Gazeta Torun´ska (polnische Zeitung 1867– 1884) 48, 54, 58, 60, 62, 64, 69f. Geschichten aus der Bühnenwelt 196, 198, 200f., 218, 222 Geschiedene Frau, Die 10, 189, 191f., 195f., 199f., 209, 219, 223 Ghettogeschichten 11, 45 Gottesmörder, Die (Roman von Emil Vacano) 203 Gottesmutter, Die 103, 171, 174–185, 229 Graf Donski 12, 30f., 35, 41, 132, 134f., 221, 226 Grausame Frauen 72f., 100, 106, 205 Groz´ne Kobiety (polnische Übersetzung von Sacher-Masochs »Grausamen Frauen«, 1911 in Lwjw herausgegeben) 49, 72f. Harmlose Geschichten aus der Bühnenwelt 200 Hiob, der Neue 57, 75, 79, 101–104, 129, 131–146, 157, 165, 167, 171f., 206, 213, 226 ( (westukrainische kulturwissenschaftli-

che online-Zeitschrift, seit 1998) Im Schlitten 37, 149–152, 155

31

Jüdische Geschichten 103 Jüdisches Leben in Wort und Bild 10, 133, 205, 212

Kaunitz 34 Kobzar (erster und berühmtester Gedichtzyklus des ukrainischen »Nationaldichters« Taras Sˇevcˇenko, erstmals 1840 herausgegeben) 37, 140 Komödianten (Erzählungen von Emil Vacano,1889) 200, 204 Kronprinzenwerk (24-bändige landeskundliche Enzyklopädie Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, 1883 vom österreichisch-ungarischen Kronprinzen Rudolf angeregt) 32, 106 Künstlerblut. Indiscretionen aus dem Theaterleben (Erzählungen von Emil Vacano, 1879) 200 Lebensbeichte, Meine (Memoiren Wanda von Sacher-Masochs, 1906) 24, 73, 126, 191, 194, 197 Leopold von Sacher-Masoch. Die Inszenierung einer Perversion (Studie zu Sacher-Masoch von Albrecht Koschorke, 1991) 11, 17–19, 23, 39, 75, 124, 167 Liebe des Plato, Die 119, 180, 191, 201, 224 Literarische Bilder aus Rußland (eine russische Literaturgeschichte von Heinrich Joseph König, 1837) 35, 163 Machschewe 204 Marzella oder das Märchen vom Glück 26, 67, 118f., 123–125, 139, 141, 146f., 158f., 162–164, 171 Matin, Le (französische Tageszeitung ab 1883) 47, 60f. Meier Ezofowicz (Novelle von Eliza Orzeszkowa, 1878) 44 Miß Ella 199, 201, 204f. Mondnacht 10, 42, 65, 86, 101, 124–126, 135, 142, 152, 159, 162, 207 Mysterien des Welt- und Bühnenlebens (Erzählungen von Emil Vacano, 1861) 199–201

Schriften-Index

Neue Fliegende Blätter (humoristische Zeitschrift, Wien 1872–1915?) 203 Neue Freie Presse (Wiener Tageszeitung von 1871–1939) 45 Nienasycenie (»Die Unersättlichen«, Roman des polnischen Schriftstellers und Künstlers Stanisław Witkiewicz, 1930) 75 Noveau Monde Amoureaux, Le (Überlegungen von Charles Fourier, 1820) 179 Novoje Vremja (russische politische und literarische Tageszeitung, 1868– 1917) 42 Paradies am Dniester, Das 110, 114, 116– 122, 126, 131, 134, 138, 145, 147, 155, 157, 160, 164, 166, 168–170, 172, 179 Polnische Revolutionen. Erinnerungen aus Galizien 53 Polonofilstwo i polofobia (Artikel u. a. zu Sacher-Masoch von Jozef Falen´ski, 1916) 50f. Postup (L’viver (online-)Zeitung seit 1997) 47, 83 Prawda. Tygodnik polityczny, społeczny i lieracki (Warschauer Wochenblatt 1891–1915) 48, 51, 55f., 58, 61f. Pr8sentation de Sacher-Masoch. Le froid et le cruel (Studie von Gilles Deleuze, 1967) 75, 192, 197 Przegla˛d Tygodniowy Z˙ycia Społecznego, Literatury i Sztuk Pie˛knych (Warschauer Wochenzeitung 1866– 1904) 79 Przewodnik Naukowy i Literacki (ab 1874 monatliche Beilage zur Gazeta Lwowska) 51 Psychopathia Sexualis (Standardwerk des Psychiaters und Gerichtsmediziners Richard von Krafft-Ebing, 1890) 9, 180, 203 Revue des Deux Mondes (französischsprachiges monatliches Literatur- und Kul-

299 turmagazin seit 1829) 28, 48, 52, 56, 154, 262, 264 Rusalka Dnistrovaja (»Die Dniester-Nymphe. Ruthenische Volkslieder«, erster volkssprachlicher Literaturalmanach aus Galizien, 1837) 37, 128 Ruthenen in Oesterreich, Die (unvollendete Arbeit von Leopold von SacherMasoch, ca. 1861–1862) 38, 127, 246 Rzeczpospolita (zweitgrößte überregionale Tageszeitung in Polen) 80 Sascha und Saschka 19, 125, 127f., 136f., 143, 204, 206–208 Sacher-Masoch oder die Selbstvernichtung (Biographie von Reinhard Federmann, 1961) 75, 165 Sacher-Masoch und die Ukraine (Aufsatz von Anna-Halja Horbacˇ) 31, 82 Seelenfängerin, Die 103, 106, 174, 176, 183–185, 209, 225 Sˇto delat’ (»Was tun?«, Roman des russischen Literaturkritikers Nikolaj ˇ ernysˇevskij, 1863) 197 C Souvenirs 10, 18, 20, 29, 37, 47, 75, 103 Toten sind unersättlich, Die 74 Tygodnik Powszechny (katholische polnische Wochenzeitung 1878–1882) 48, 52, 58, 65, 69 Venera v chutri (ukrainische Bühnenfassung von Sacher-Masochs Roman »Venus im Pelz«, 2010 in L’viv uraufgeführt) 86f., 89 Venus im Pelz 10, 14, 26, 29, 54, 67, 72–79, 87, 89, 107, 119, 163f., 179, 192–197, 205, 238 Vermächtnis Kains, Das 55, 97, 99, 100, 107f., 115, 117f., 126, 146, 156 Vsesvit (ukrainische Literaturzeitschrift, seit 1925 bis heute) 81f. Wenus w futrze (Polnische Übersetzung der »Venus im Pelz«) 73, 76–78

300 Xie˛ga Bałochwalcza (Graphik-Zyklus von Bruno Schulz, 1920–1922) 74, 220 Zorja (»Stern«, zweiwöchentlich erscheinendes Journal »für ruthenische Fami-

Schriften-Index

lien«, von 1880–1897 in Lemberg/Galizien herausgegeben) 46f., 54, 57–59, 61f., 64, 69f., 72, 81, 116, 134

Personenindex

Bachtin, Michail (1895–1975), russischer Literaturkritiker und Semiotiker 211, 215, 220, 229, 232–234, 240f. Bahr, Hermann (1863–1934), österreichischer Schriftsteller und Literaturkritiker 98, 105, 189f. Bakunin, Michail (1814–1876), russischer Revolutionär und Anarchist 112, 191 Barvins’ky Volodymyr (1850–1883), ukrainischer Publizist, Herausgeber von Delo, der ersten ukrainischen Tageszeitung Galiziens 57, 65, 69f., 261– 263 Bazard, Amand (1891–1832), französischer Sozialist 117, 123 Belinskij, Vissarion (1811–1848), russischer Literaturkritiker, Publizist und Philosoph 112 Belyj, Andrej (1880–1834), russischer Dichter des Symbolismus 168, 180 Boym, Svetlana (1959–2015), Literaturwissenschaftlerin und Künstlerin 95, 101, 197 ˇ ernysˇevskij, Nikolaj (1828–1889), russiC scher Schriftseller, Publizist und Revolutionär 22 Chernetsky, Vitaly ; ukrainisch-amerikanischer Literaturwissenschaftler 84 Chomjakov, Aleksej (1804–1860), russischer Publizist und Slawophiler 112

Comte, Auguste (1778–1857), französischer Philosoph und Begründer der Soziologie und des Positivismus 120 Conrad, Joseph (1857–1924), polnischbritischer Schriftsteller 75 Debogorij-Mokrievicˇ, Vladimir (1848– 1926), ukrainischer Revolutionär, Narodnik 144f. Deleuze, Gilles (1925–1995), französischer Philosoph 14, 75, 192, 197 Drahomanov, Mychajlo (1841–1925), ukrainischer Historiker und politischer Denker 60f., 115, 154 Estreicher, Karol (1827–1908), polnischer Bibliograph, Herausgeber der Bibliografia Polska 72 Farin, Michael (*1953), deutscher Germanist, Verleger und Autor 10, 14, 24, 75, 99, 103, 125, 131, 165, 192 Federmann, Reinhard (1923–1976), österreichischer Schriftsteller und Übersetzer 75, 165 Fourier, Charles (1772–1837), französischer Gesellschaftstheoretiker, frühsozialistischer Denker 123, 179 Franko, Ivan (1856–1916), ukrainischer Schriftsteller, Publizist, Übersetzer und politischer Aktivist 45–47, 60, 84, 94, 116, 132f., 164, 226, 238

302 Franzos, Karl Emil (1848–1904), österreichischer Schriftsteller und Publizist aus Galizien 11f., 36f., 44–46, 50, 53, 58, 90, 92, 94, 122, 138f., 198, 232, 238 Frauenthal, Jenny (Lebensdaten unbekannt), erste Verlobte Sacher-Masochs 191 Freytag, Gustav (1816–1895), deutscher Schriftsteller 21, 50 Frischauer, Emilie (Lebensdaten unbekannt), Korrespondenzpartnerin Sacher-Masochs 192 Giesebrecht, Ludwig (1792–1873), deutscher Dichter und Historiker 68, 70 Gogol, Nikolaj (1809–1852), russischer Schriftsteller ukrainischer Herkunft 28, 37, 61, 81, 151, 210, 218, 220, 229f., 240 Görlich, Ernst Joseph (1905–1973), österreichischer Historiker und Schriftsteller 75 Hackländer, Friedrich (1816–1877), deutscher Schriftsteller 201 Hauptmann, Anna Versing (1834–1896), deutsche Theaterschauspielerin 191 Haxthausen, August Franz von (1792– 1866), deutscher Agrarwissenschaftler, Nationalökonom und Schriftsteller 112–115, 176–178 Herder, Friedrich (1744–1803), deutscher Dichter der Aufklärung, Übersetzer, Kulturphilosoph 108 Herold, Caroline (auch Clairmont) (Lebensdaten unbekannt), Schauspielerin in Graz und Mutter von Sacher-Masochs erster Tochter 191 Herzen, Alexander (1812–1870), russischer Schriftsteller, Übersetzer und Publizist 110, 112–115, 178, 186 Heyse, Paul (1830–1814), deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer 25

Personenindex

Holovac’kyj, Jakiv (1814–1888), Dichter, Historiker, Professor für ukrainische Sprache und Literatur 68f., 128, 260 Horbacˇ, Anna-Halja (1924–2011), Übersetzerin und Herausgeberin ukrainischer Literatur in Deutschland 31, 81f. Hrusˇevs’kyj, Mychajlo (1866–1934), Historiker und Aktivist der ukrainischen Nationalbewegung 65 Imielin´ski, Kazimierz (1929–2010), polnischer Sexualwissenschaftler 77 Kłan´ska, Maria (*1951), polnische Germanistin 11, 13, 79 Kol#rˇov#, Anna (Lebensdaten unbekannt), Prager Theaterschauspielerin 191 König, Heinrich Joseph (1790–1867), deutscher Autor und Literaturhistoriker, Verfasser der Literarischen Bilder aus Russland 1837 35, 117, 163 Koschorke, Albrecht (*1958), deutscher Literaturwissenschaftler 11, 17–19, 23, 39, 75, 124, 167 Kraszewski, Jjzef (1812–1887), polnischer Schriftsteller und Publizist 53, 67, 69, 151 Kürnberger, Friedrich (1821–1879), österreichischer Schriftsteller 21f., 198 Kuzems’kyj, Mychajlo (1809–1879), griechisch-katholischer Geistlicher und Aktivist der ukrainischen Nationalbewegung 37f., 40f., 47, 49, 72, 82, 126– 130, 134, 243f., 249–251, 255–258 Lelewel, Joachim (1786–1861), polnischer Historiker und Bibliograph 112 Litwinowicz, Spiridon (1819–1869), Metropolit der Ukrainischen GriechischKatholischen Kirche in Lemberg/Galizien 129, 151, 250f., 260 Lotman, Jurij (1922–1993), russischer Literaturwissenschaftler und Semiotiker 13, 94f., 99, 170, 189, 208, 219, 223, 237, 240

Personenindex

Makart, Hans (1840–1884), österreichischer Maler 28, 201 Mart_vycˇ, Les’ (1871–1916), ukrainischer Literaturwissenschaftler und Redakteur mehrerer Zeitschriften 226 Mataja, Emilie (1855–1938), österreichische Schriftstellerin und Korrespondenzpartnerin Sacher-Masochs 10, 24, 192f. Mel’nikov-Pecˇerskij, Pavel’ (1818–1883), russischer Schriftsteller 174–176, 184f. Michajlovskij, Nikolaj (1842–1904), russischer Literaturkritiker, Publizist und Theoretiker der narodniki 22, 153, 168 Mickiewicz, Adam (1798–1855), polnischer Romantiker und »Nationaldichter« 74, 112f., 151, 165, 168f. Nachlik, Jevhen (*1956), ukrainischer Literaturwissenschaftler 46, 82 Nazaruk, Juryj, Mitbegründer des L’viver Restaurant- und Projektnetzwerkes !FEST, gegründet 2007 85–87 Opel, Adolf (*1935), österreichischer Schriftsteller, Herausgeber und Filmemacher 10, 81f., 103f., 131 Orzeszkowska, Eliza (1841–1910), polnische Schriftstellerin 44, 78, 79, 160 Pietsch, Ludwig (1824–1911), deutscher Maler und Feuilletonist 43 Pistor, Fanny (Lebensdaten unbekannt), Geliebte Sacher-Masochs 164, 195, 197 Proudhon, Pierre-Joseph (1809–1865), französischer Ökonom und Soziologie 116 Rezzori, Gregor von (1914–1998), deutschsprachiger Schriftsteller 36 Rosegger, Peter (1843–1918), österreichischer Schriftsteller 191, 194, 198, 202f.

303 Rümelin, Aurora, siehe Wanda von SacherMasoch Sacher-Masoch, Wanda von (1845–1933), Schriftstellerin und 1. Ehefrau Leopold von Sacher-Masochs 24f., 27, 73, 179, 181, 192–198, 204 Sacher-Masoch, Leopold Jr. (1836–1895), österreichischer Schriftsteller galizischer Herkunft 1–256 Sacher-Masoch, Leopold Sr. (1797–1874), habsburgischer Beamter, Polizeidirektor von Lemberg/Galizien 1831–1847 38–40, 53, 56, 90, 199, 218, 250, 256 Saint-Simon, Henri de (1760–1825), französischer Theoretiker des utopischen Sozialismus 117f., 120, 156 Sˇasˇkevycˇ, Markian (1818–1843), ukrainischer Schriftsteller, Mitbegründer der ukrainischen Erweckungsbewegung 127f. Schlichtegroll, Carl Felix von (1862–1946), deutscher Schriftsteller, Sekretär und Biograph Sacher-Masochs 27, 73, 190f., 193–197 Schopenhauer, Arthur (1788–1860), deutscher Philosoph 27, 34, 102, 117, 146f., 153, 165 Schulz, Bruno (1892–1942), polnischer Schriftsteller und Graphiker 49, 72, 74, 76, 220 Sereda, Ostap (*1970), ukrainischer Historiker 7, 22, 82, 86, 142, 148 Sˇevcˇenko, Taras (1814–1861), ukrainischer Schriftsteller und »Gründungsvater« der ukrainischen Literatur 37, 46, 79, 140, 151 Sienkiewicz, Henryk (1846–1916), polnischer Schriftsteller, Nobelpreisträger 48, 52, 56, 59, 78f. Spitteler, Carl (1845–1924), Schweizer Schriftsteller und Kritiker, Nobelpreisträger 26, 28 Stadion, Emerich von (1838–1901), österreichischer Schriftsteller 199–201, 205

304 Storm, Theodor (1817–1888), deutscher Schriftsteller 41f. Svarnyk, Halyna (*1959), ukrainische Archivarin und Publizistin 7, 29, 66, 83 Thaler, Karl von (1836–1916), österreichischer Publizist und Redakteur der Neuen Freien Presse 27–29, 110f. Tissot, Victor (1844–1917), Schweizer Schriftsteller und Journalist 26f. Tolstoj, Lev (1828–1910), russischer Schriftsteller 116, 119, 174 Turgenev, Ivan (1818–1883), russischer Schriftsteller 21f., 24, 26f., 35, 41–43, 47, 89, 98, 115, 157, 174, 180, 240

Personenindex

Vahylevycˇ, Ivan (1811–1866), Mitbegründer der ukrainischen Erweckungsbewegung 128 Val’o, Maria (1925–2011), ukrainische Bibliographin und Literaturwissenschaftlerin 54, 82 Vynnycˇuk, Juryj (*1852), ukrainischer Journalist und Schriftsteller 88f. Wachholz, Leon (1867–1942), polnischer Gerichtsmediziner und Humanist 56, 59, 63, 66f., 73 Witkiewicz, Stanisław (1885–1939), polnischer Schriftsteller der Młoda Polska 74f.