Das Pflege-Stärkungsgesetz 3: Die neuen Schnittstellen
 9783748601463

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
1. Übersicht der Änderungen
2. Eine neue (oder alte) Rolle für die Kommunen?
3. § 7 Auskunft, Aufklärung sowie § 115 Ergebnisse der Qualitätsprüfungen, Qualitätsdarstellung
4. § 7b Beratungsgutscheine
5. § 7c Pflegestützpunkte
6. § 8a Gemeinsame Empfehlungen der pflegerischen Versorgung
7. § 13 Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung zu anderen Sozialleistungen
8. § 28a Leistungen bei Pflegegrad 1
9. § 37 Pflegegeld
10. Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen, § 43a
11. § 45b Entlastungsbetrag
12. § 71 Pflegeeinrichtungen
13. § 72 Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag
14. § 75 Rahmenverträge, Bundesempfehlungen und -vereinbarungen über die pflegerische Versorgung
15. § 79 Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen
16. § 85 Pflegesatzverfahren
17. § 89 Grundsätze für die Vergütungsregelung
18. § 113b Qualitätsausschuss
19. § 114 Qualitätsprüfungen
20. § 114a Durchführung der Qualitätsprüfungen
21. § 144 Überleitungs- und Übergangsregelungen, Verordnungsermächtigung
22. Anlage 1 zu § 15 Berechnungstabelle Einzelpunkte für die Kriterien der Ziffern 5.8 bis 5.11
23. Häusliche Pflege, Haushaltshilfe und Kurzzeitpflege SGB V nach §§ 37, 38 und 39c
24. § 132a Versorgung mit häuslicher Krankenpflege
25. § 275b Durchführung und Umfang von Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch den Medizinischen Dienst
26. Änderungen SGB XII
27. SGB XII, Siebtes Kapitel, Hilfe zur Pflege
28. Überleitung §§ 137 und 138 SGB XII
Ein erstes Resümee
Autor

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Andreas Heiber

Das Pflege-Stärkungsgesetz 3 Die neuen Schnittstellen

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Inhalt Einleitug

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Eine neue (oder alte) Rolle für die Kommunen?

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  7 Auskunft, Aufklärung sowie § 115 Ergebnisse der § Qualitätsprüfungen, Qualitätsdarstellung 3.1   Was ist neu?  3.2  Nutzung der Leistungs-, Qualitäts- und Preisvergleichslisten 3.3   Gesetzestext § 7, Abs. 3 3.4   Gesetzestext § 115, Abs. 1c (neu eingefügt)

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§ 7b Beratungsgutscheine 4.1   Was ist neu? 4.2  Kritik 4.3   Gesetzestext § 7b Beratungsgutscheine § 7c Pflegestützpunkte 5.1   Was ist neu? 5.2   Kritik und Praxis 5.3   Gesetzestext § 7c Pflegestützpunkte

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§ 8a Gemeinsame Empfehlungen der pflegerischen Versorgung 33 6.1   Was ist neu? 33 33 6.2   Kritik und Praxis 6.3  Gesetzestext § 8a Gemeinsame Empfehlungen 34 der pflegerischen Versorgung

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  13 Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung § zu anderen Sozialleistungen 7.1   Was ist neu? 7.2   Kritik und Praxis 7.3  Gesetzestext § 13 Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung zu anderen Sozialleistungen



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Übersicht der Änderungen 1.1  Übersicht der Änderungen mit dem PSG II und PSG III

§ 28a Leistungen bei Pflegegrad 1 8.1   Was ist neu? 8.2   Kritik und Praxis 8.3  Gesetzestext § 28a Leistungen bei Pflegegrad 1

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§ 37 Pflegegeld 9.1   Was ist neu? 9.2   Kritik und Praxis 9.3   Gesetzestext § 37 Pflegegeld

 flege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe 10 P für behinderte Menschen, § 43a 10.1   Was ist neu? 10.2   Kritik und Praxis 10.3   Gesetzestext § 43a Inhalt der Leistung 11 § 45b Entlastungsbetrag 11.1  Was ist neu? 11.2  Kritik und Praxis 11.3  Gesetzestext § 45b Entlastungsbetrag 11.4  Folgeänderung in § 141 Besitzstandsschutz und Übergangsrecht zur sozialen Sicherung von Pflegepersonen 12 § 71 Pflegeeinrichtungen 12.1  Was ist neu? 12.2  Kritik und Praxis 12.3  Gesetzestext § 71 Pflegeeinrichtungen 13 § 72 Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag 13.1  Was ist neu?  13.2  Kritik und Praxis 13.3  Gesetzestext § 72 Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag 14 §   75 Rahmenverträge, Bundesempfehlungen und -vereinbarungen über die pflegerische Versorgung 14.1  Was ist neu? 14.2  Kritik und Praxis 14.3  Gesetzestext § 75 Rahmenverträge, Bundesempfehlungen und -vereinbarungen über die pflegerische Versorgung 15 § 79 Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen 15.1  Was ist neu? 15.2  Kritik und Praxis 15.3  Gesetzestext § 79 Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen

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16 § 85 Pflegesatzverfahren 16.1  Was ist neu? 16.2  Kritik und Praxis 16.3  Gesetzestext § 85 Pflegesatzverfahren 16.4  Gesetzestext § 84, Abs. 7 (gilt ambulant entsprechend) 17 § 89 Grundsätze für die Vergütungsregelung 17.1  Was ist neu? 17.2  Kritik und Praxis 17.3  Gesetzestext § 89 Grundsätze für die Vergütungsregelung 18 § 113b Qualitätsausschuss 18.1  Was ist neu? 18.2  Kritik und Praxis 18.3  Gesetzestext § 113b Qualitätsausschuss 19 § 114 Qualitätsprüfungen 19.1  Was ist neu? 19.2  Kritik und Praxis 19.3  Gesetzestext § 114 Qualitätsprüfungen



20 § 114a Durchführung der Qualitätsprüfungen 20.1  Was ist neu? 20.2  Kritik und Praxis 20.3 Gesetzestext § 114a Durchführung der Qualitätsprüfungen 21  § 144 Überleitungs- und Übergangsregelungen, Verordnungsermächtigung 21.1  Was ist neu? 21.2  Kritik und Praxis 21.3 Gesetzestext § 144 Überleitungs- und Übergangsregelungen, Verordnungsermächtigung 22  Anlage 1 zu § 15 Berechnungstabelle Einzelpunkte für die Kriterien der Ziffern 5.8 bis 5.11

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23  Häusliche Pflege, Haushaltshilfe und Kurzzeitpflege SGB V nach §§ 37, 38 und 39c 23.1  Was ist neu? 23.2  Kritik und Praxis 23.3  Gesetzestext § 37 Häusliche Krankenpflege 23.4  Gesetzestext § 38 Haushaltshilfe 23.5 Gesetzestext § 39c Kurzzeitpflege bei fehlender Pflegebedürftigkeit

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25  § 275b Durchführung und Umfang von Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch den Medizinischen Dienst 25.1  Was ist neu ? 25.2  Kritik und Praxis 25.3 Gesetzestext § 275b Durchführung und Umfang von Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch den Medizinischen Dienst

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26 Änderungen SGB XII 26.1  Zur Ausgangslage

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27 SGB XII, Siebtes Kapitel, Hilfe zur Pflege 27.1  Was ist neu? 27.2  Kritik und Praxis 27.3  Gesetzestext § 61 Leistungsberechtigte 27.4 Gesetzestext § 61a Begriff der Pflegebedürftigkeit 28 Überleitung §§ 137 und 138 SGB XII 28.1 Was ist neu? 28.2 Kritik und Praxis 28.3 Gesetzestext § 137 Überleitung in Pflegegrade zum 1. Januar 2017 28.4 Gesetzestext § 138 Übergangsregelung für Pflegebedürftige aus Anlass des Dritten Pflegestärkungsgesetzes

113 113 113

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119 119 121 124 124 135 135 135 136 136

Ein erstes Resümee

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Autor

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Das Pflege-Stärkungsgesetz 3

24  § 132a Versorgung mit häuslicher Krankenpflege 24.1 Was ist neu? 24.2 Kritik und Praxis 24.3 Gesetzestext § 132a Versorgung mit häuslicher Krankenpflege

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Einleitung Auf den ersten Blick erscheinen sie verwirrend, die Gesetze PSG I, II und III und man könnte fragen, warum der Gesetzgeber diese nicht zusammengefasst hat, zumindest das PSG II und III, die beide zum gleichen Zeitpunkt in Kraft treten. Vermutlich hat dies mehr mit handwerklichen Fragen und Zuständigkeiten zu tun: Während das PSG II im Kern nur Bundesangelegenheiten insbesondere der Pflegeversicherung berührt, die der Bundestag im Wesentlichen allein zu beschließen hat, hat das PSG III insbesondere weitgehende Änderungen auch im SGB XII zur Folge, so dass hier die Länderfinanzen und Länderzuständigkeiten betroffen sind und deshalb der Bundesrat hier zustimmen muss.

Das PSG III hat folgende konkrete Entwicklungsgeschichte: –– Ein REFERENTENENTWURF wurde vom Bundesministerium für Gesundheit am 26.04.2016 veröffentlicht. –– GESETZENTWURF vom 05. September 2016 (BT-Drucks. 18/9518). –– BESCHLUSSEMPFEHLUNG des Bundesrates zum Gesetzentwurf vom 23. September 2016 (Bundesrats-Drucksache 410/1/16). –– Zum Beschluss des Bundesrats hat die Bundesregierung am 12.10.2016 ihre GEGENÄUSSERUNG veröffentlicht (Bt-Drucks. 18/9959). –– BESCHLUSSEMPFEHLUNG und Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 30. November 2016 (Bundestags-Drucksache 18/10510). –– Der BUNDESRAT hat in seiner Sitzung vom 16.12.2016 der Beschlussempfehlung des Bundestages mit vier Beschlussempfehlungen zugestimmt (BRDrucks. 720/16) –– Das Gesetz ist mit BUNDESGESETZBLATT Jahrgang 2016, Teil 1, Nr. 65 vom 28.Dezember 2016, S. 3191 veröffentlicht worden und tritt zum 01. Januar 2017 in Kraft.

Das Pflege-Stärkungsgesetz 3

Mehrere Themenbereiche will der Gesetzgeber hier neu regeln: –– Die Rolle der Kommunen in der Steuerung. –– Die Möglichkeiten behinderter Pflegebedürftiger, Leistungen der Pflegeversicherung zu beziehen und die Abgrenzung der Hilfebereiche der Eingliederungshilfe zur Pflegeversicherung. –– Die Ausweitung von Kontrollmöglichkeiten zur Bekämpfung des Abrechnungsbetruges. –– Bessere Vergütung der Mitarbeiter. Darüber hinaus werden Unklarheiten in der bisherigen Gesetzgebung korrigiert sowie Gesetzesnormen noch weiter ausgeführt, um den angestrebten Zweck einfacher umzusetzen.

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Erste Kommentierung der wesentlichen Änderungen Der Tradition dieser Kommentierungsreihe (die mit dem PNG 2012 begonnen hat) entsprechend beinhaltet dieses Buch eine erste umfassende Darstellung und Kommentierung der AMBULANTEN ÄNDERUNGEN. Es soll der ersten Orientierung dienen und die Leser in die Lage versetzen, die geänderten Paragrafen zu verstehen und die daraus resultierenden Veränderungen frühzeitig zu diskutieren und einzuleiten. In dieser Ausgabe werden nun alle Fundstellen und Verweise über Fußnoten dargestellt, so dass die Lesbarkeit nicht beeinträchtigt ist, der am Detail interessierte Leser aber die Fundstellen nachschlagen kann. –– Im Text sind die Änderungen durch das Pflegestärkungsgesetz 2 (PSG2) durch eine graue Hinterlegung der Schrift und die Änderungen durch das Pflegestärkungsgesetz 3 (PSG 3) durch eine fettgedruckte Hervorhebung gekennzeichnet. –– Werden Paragrafen ohne Gesetzesangabe genannt, beziehen sich diese immer auf das SGB XI. –– Um möglichen weiteren Änderungen gerecht zu werden, wird wie bei den anderen Büchern dieser Reihe auch ein Updateservice eingerichtet, über den weitere notwendige oder/und sinnvolle Änderungen oder Ergänzungen veröffentlicht werden, siehe www.haeusliche-pflege.net/Produkte/Downloadszu-Buechern



Danksagung Und auch die Danksagung hat schon traditionelle Züge und stammt deshalb fast wörtlich aus den Vorgängerbänden: Dieses Buch ist im Wesentlichen im Januar 2017 geschrieben worden, die notwendige Zeit auch an den Wochenenden habe ich dann auch wieder meinen Kindern und meiner Frau ‚klauen‘ müssen, denen ich für ihr Verständnis Dank sagen möchte. Mein Kollege und Freund Gerd Nett von System & Praxis aus Wershofen hat mich wie schon seit langer Zeit mit Diskussionen und dem Korrekturlesen unterstützt, das Lektorat bei Vincentz (Bettina Schäfer und Klaus Mencke) hat die technische Umsetzung so getimt, dass dieses Buch schnell erscheinen kann, Ihnen allen sei hiermit gedankt. Andreas Heiber Bielefeld, der 14.01.2017

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1 Übersicht der Änderungen

PSG II und III: Die wesentlichen Änderungen für die Ambulante Pflege 2017 Hinweis:. lediglich redaktionelle Änderungen (insbesondere sprachliche Anpassung durch neuen Einstufungsbegriff) werden hier nicht aufgeführt Betroffene Geänderte Inhalte PSG II Paragrafen Geänderte Inhalte PSG III Buch, Seite SGB XI Pflegeversicherung §2 Ergänzung in Abs. 1, die Hilfen sollen auch in Form der Selbstbestimmung aktivierenden Pflege durchgeführt werden. PSG II, S. 23 § 7 Aufklärung, Aufkärung und Auskunft; Verpflichtung der Pflegekassen schon Auskunft bei Antragsstellung die Versicherten auf die indivuduelle Beratung hinzuweisen; Rahmen und praktische Grundlagen für Preisvergleichslisten; Erweiterung für weitere Angebote rund um die häusliche Versorgung. Konkretisierung der Preisvergleichslisten; Nutzung der Listen PSG III, für zweckgerechte, nicht gewerbliche Nutzung sicherstellen. S. 23 § 7a Pflegeberatung Vor der erstmaligen Beratung konkrete Benennung eines Pflegebe- PSG II, S. 27 raters oder einer sonstigen Beratungsstelle durch die Pflegekasse; Aufgabe der Pflegeberatung erweitert um Beratung zur Entlastung der Pflegepersonen; Beratung kann auf Wunsch auch gegenüber den Angehörigen oder Pflegepersonen erfolgen, auf Wunsch in häuslicher Umgebung oder Einrichtung. PSG II, S. 33 Erweiterung des Anspruchs auf Beratungstermin innerhalb von § 7b zwei Wochen bzw. Gutschein für Beratungstermin auf FolgeanträBeratungsgutge auf Pflegeversicherungsleistungen (§ 18 Absatz 3, den §§ 36 bis scheine 38, 41 bis 43, 44a, 45, 87a Absatz 2 Satz 1 und § 115 Absatz 4). PSG III, Kommunale Gebietskörperschaften, von diesen geschlossene S. 27 Zweckgemeinschaften oder nach Landesrecht bestimmte Stellen können ebenfalls als Beratungsstellen nach § 7a tätig sein und Beratungsgutscheine einlösen. § 7c Redaktionelle Verschiebung von §92 ohne inhaltliche Änderung Pflegestützpunkte PSG III, Sozialhilfeträger können auf der Basis entsprechender landesS. 29 rechtlicher Regelungen von den Pflegekassen den Abschluss von Vereinbarungen zur Einrichtung eines Pflegestützpunktes verlangen. PSG III, Bei nach Landesrecht eingerichteten sektorenübergreifenden § 8a Gemeinsame S. 33 Landespflegeausschüssen gilt das Mehrheitsprinzip bei der AbEmpfehlungen gabe von Empfehlungen. Es können neben den Landespflegeauszur pflegerischen schüssen auch regionale Ausschüsse gebildet werden. An allen Versorgung Gremien haben sich die Pflegekassen zu beteiligen und soweit notwendig verfügbare Daten bereitzustellen. Die Empfehlungen der Ausschüsse sollen bei Abschluss von Rahmenverträgen oder Vergütungsvereinbarungen mit einbezogen werden.

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1.1  Übersicht der Änderungen mit dem PSG II und PSG III

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Kapitel 1

PSG II und III: Die wesentlichen Änderungen für die Ambulante Pflege 2017 Hinweis. lediglich redationelle Änderungen (insbesondere sprachliche Anpassung durch neuen Einstufungsbegriff) werden hier nicht aufgeführt Betroffene Geänderte Inhalte PSG II Paragrafen Geänderte Inhalte PSG III Buch, Seite SGB XI Pflegeversicherung Redaktionelle Klarstellung, dass Leistungen der Häuslichen Kran- PSG II, S. 35 § 13 Verhältnis der kenpflege nach § 37 SGB V weiterhin vorgehen; PflegeunterstütLeistungen der Pflegeversicherung zungsgeld nach § 44a ist als Einkommen bei der Berechnung von Sozialleistungen zu berücksichtigen. zu anderen Sozialleistungen PSG III, Berücksichtigung von § 45b-Leistungen wird in § 45b geregelt; S. 35 Verhältnis der Pflegeversicherung zur Eingliederungshilfe wird auf dem Wege einer jeweils individuellen Vereinbarung zwischen Sozialhilfeträger und Pflegekasse geregelt. § 14 Begriff der Neudefinition der Bereiche/Module und Kriterien, die maßgeblich PSG II, S. 39 Pflegebedürftigkeit sind für den Grad der Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder Fähigkeiten. PSG II, § 15 Ermittlung des Schritte der Bewertung und Graduierung innerhalb der Bereiche S. 43 Grades der Pflegebe- sowie die Gewichtung untereinander; Definition der Pflegegrade über Punktkorridore, Regelungen für besondere Bedarfskonsteldürftigkeit, Begutachtungsinstrument lationen sowie für Kinder bis 18 Monate; Anlage 1: detailliertes (dazu auch Anlage 1 Bewertungsschema für jedes Modul; Anlage 2: Korridore innerhalb und Gewichtung aller Module. und Anlage 2) § 16 Verordnungser- Anpassung der Verordnungsermächtigung zur pflegefachlichen mächtigung Konkretisierung der Inhalte des NBA; das Ministerium kann sich dazu auch von unabhängigen Sachverständigen beraten lassen § 17 Richtlinien der Anpassung der Richtlinienvorschrift (nach der Vorschaltregelung Pflegekassen aus 2016). PSG II, Automatische Zusendung des Gutachtens; Erweiterung des § 18 Verfahren zur S. 69 Gutachtens um die Module: Außerhäusliche Versorgung und Feststellung der Pflegebedürftigkeit Haushaltsführung; Empfehlungen im Gutachten zu Hilfsmittelund Pflegehilfsmittel sind zugleich Antrag und fachliche Stellungnahme/ärztliche Verordnung. Festlegung, dass Gutachter das vollständige Gutachten an die Pflegekasse zu übersenden hat. PSG II, § 19 Begriff der Neudefinition des Anspruchs auf alle Leistungen der Sozialen Pflegeperson Sicherung: Mindestpflegezeit von 10 Stunden pro Woche, verteilt S. 77 auf 2 Tage. § 28 Leistungsarten, Redaktionelle Anpassungen; Satz 4 (Aktivierung, Kommunikation) Grundsätze wird aufgehoben (weil in § 2 berücksichtigt und ansonsten Bestandteil aller Inhalte). § 28a Leistungen Leistungsansprüche bei Pflegegrad 1. PSG II, S. 79 bei Pflegegrad 1 Konkretisierung der Ansprüche nach § 38a PSG III, (Wohngruppenzuschlag) sowie nach § 44a (Pflegezeit etc.) S. 41 § 36 Sachleistung Sprachliche Anpassung, Leistungsausweitung: Betreuung; PSG II, S. 83 einschließlich pflegefachlicher Anleitung.

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§ 38a Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen § 43 Vollstationäre Pflege § 43a Vollstationäre Pflege in Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen § 44 Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen

Sprachliche Anpassung; Beratungsbesuch nun auch bei Sachleistungskunden möglich. Es soll auf Pflegeberatung nach § 7a hingewiesen werden; auch kommunale Beratungsstellen können Besuche durchführen. Sprachliche Anpassung, Klarstellung, dass bei zeitgleicher Nutzung der Tagespflege kein Zuschuss gewährt wird (Ausnahmen nach Prüfung durch MDK möglich).

PSG II, S. 91 PSG III, S. 43 PSG II, S. 99

Keine Vorrangregelung (... wenn häusliche Pflege nicht möglich ist) mehr. Begrenzung der Leistungen weiterhin auf 266 € pro Monat; Definition der Einrichtungen analog § 71; Abgrenzung zu ambulanten Leistungen.

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Voraussetzung für Leistungsbezug nun mindestens 10 Stunden; Leistungen zur Arbeitslosenversicherung verändert, weitere Änderungen im SGB III (Arbeitsförderung), SGB VI (Gesetzliche Rentenversicherung) und SGB XII (Gesetzliche Unfallversicherung). § 45a Angebote zur Neufassung der Entlastungsleistungen (vorher § 45c) und des Umwandlungsanspruchs (vorher § 45b), VerordnungsermächtiUnterstützung im Alltag, Umwandlung gung für die Länder zur Zulassung der Leistungserbringer nach Landesrecht. des ambulanten Sachleistungsanspruchs (Umwandlungsanspruch), Verordnungsermächtigung § 45b EntlastungsNeufassung des Entlastungsbetrags in Höhe von 125 €. betrag Es bedarf keiner zusätzlichen Antragsstellung; Preishöhe auf vergleichbare Sachleistungen beschränkt; vergleichbare Regelungen sind nach Landesrecht aufzunehmen. § 45c Förderung der Anpassung der Förderrichtlinien an neue Rechtslage, förderfähig Weiterentwicklung sind nun auch Netzwerke. der VersorgungsNeue Förderung strukturierter Zusammenarbeit in regionalen strukturen und des Netzwerken. Ehrenamtes, Verordnungsermächtigung § 45d Förderung der Regelungen zur Förderung der Selbsthilfe. Selbsthilfe Beitragssatz wird von 2,35 % auf 2,55 % angehoben. § 55 Beitragssatz, Beitragsbemessungsgrenze § 71 PflegeeinrichGenauere Abgrenzung von Wohnformen im Rahmen der tungen Eingliederungshilfe. § 72 VersorgungsErgänzungen zum Gesamtversorgungsvertrag. vertrag

PSG III, S. 47

PSG II, S. 113

PSG II, S. 127

PSG II, S. 141 PSG III, S. 49 PSG II, S. 145 -

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§ 37 Pflegegeld

PSG III, S. 55 PSG III, S. 59

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Kapitel 1

PSG II und III: Die wesentlichen Änderungen für die Ambulante Pflege 2017 Hinweis. lediglich redationelle Änderungen (insbesondere sprachliche Anpassung durch neuen Einstufungsbegriff) werden hier nicht aufgeführt Betroffene Geänderte Inhalte PSG II Paragrafen Geänderte Inhalte PSG III Buch, Seite SGB XI Pflegeversicherung PSG III, § 75 Rahmenvertrag Ergänzung der Vertragsinhalte: Voraussetzungen zur VertragserS.63 füllung, Verfahren für Abrechnungsprüfung, Anforderungen an geeignete Nachweise für Vergütungsverhandlungen nach § 85. PSG III, § 79 Wirtschaftlich- Erweiterung um Abrechnungsprüfungen. S. 69 keits- und Abrechnungsprüfungen § 85 PflegesatzNachweis der geforderten Personalkosten, Schiedsstelle soll inPSG III, verfahren nerhalb von 3 Monaten entscheiden. S. 71 Vergütung muss angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos PSG III, § 89 Vergütungsenthalten; Personalvergütungen bis zur Tarifhöhe sind wirtschaft- S. 77 vereinbarung lich; höhere Vergütung bedarf eines sachlichen Grundes. ambulant § 113b Schiedsstelle Entwicklung eines Qualitätssicherungskonzeptes für neue Wohn- PSG III, Qualitätssicherung formen bis 31.03.2018; Vertragsparteien müssen genauen Zeitplan S. 81 der Aufgaben und Erfüllungsgrad dem Bundesministerium berichten; Ersatzvornahme bei Zeitverzug möglich. § 114 Erweiterung der Stichprobe von Versicherten mit SGB V-LeistunPSG III, Qualitätsprüfungen gen, auch wenn sie keine SGB XI-Leistungen erhalten. S. 87 PSG III, Pflegeeinrichtungen müssen Daten zur Auswahl zur Verfügung § 114a S. 91 stellen; Ablehnung der Teilnahme an Qualitätsprüfungen kann Durchführung der Qualitätsprüfungen erst nach Einbeziehung in die Stichprobe gegenüber dem Prüfer erklärt werden. PSG III, § 115 Ergebnisse der Daten müssen Dritten für nicht gewerbliche Darstellung zur S. 23 Qualitätsprüfungen Verfügung gestellt werden; Landesverbände der Pflegekassen müssen bis 31.03.2017 hier Regelungen treffen. PTV-A gilt noch bis 31.12.2018 in bisheriger Form. PSG II, § 115a ÜbergangsS. 181 regelung für PflegeTransparenzvereinbarungen und QualitätsprüfungsRichtlinien §§ 122 bis 124 Bisherige Übergangsregelungen (erhöhte Sach- und weitere Leistungen für Versicherte mit erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz; Häusliche Betreuung, Übergangsregelungen) werden aufgehoben. §§ 123 und 124 Durchführung von Modellvorhaben zur kommunalen Beratung Pflegebedürftiger sowie Durchführungsregelungen. Zeitpunkt der Überleitung; Überleitung der Pflegestufen auf PSG II, § 140 AnzuwenPflegegrade; Rückwirkung bei Höherstufung. S. 185 dendes Recht und Überleitung in die Pflegegrade

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§ 142 Übergangsregelungen im Begutachtungsverfahren § 143 Sonderanpassungsrecht für die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die technischen Berechnungsgrundlagen privater Pflegeversicherungsverträge § 144 Überleitungsund Übergangsregelungen, Verordnungsermächtigung

Anlage 1 zu § 15

Besitzstand für alle regelmäßigen Leistungen; Überleitung der Ansprüche nach § 45b; Bestandsschutz in der Renten- und Unfallversicherung Für Sozialhilfeberechtigte sind bei Absenkung des erhöhten Betrages nach § 45a zur Besitzsstandsregelung Leistungen in Höhe von 83€ der Pflegekasse nicht bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege anzurechnen; Konkretisierung der stationären Übergangsregelungen. Aussetzung der Wiederholungsbegutachtungen bis 01.01.2019; Aussetzung von Fristen bis 31.12.2017. Technische Änderungen durch die Einführung der Pflegegrade.

Weitere Überleitungsvorschriften: Der Anspruch auf Wohngruppenzuschlag nach § 38a besteht weiter, wenn er am 31.12.2014 bestanden hat; niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote mit Anerkennung am 31.12.2016 haben auch weiterhin eine Anerkennung. Leistungsansprüche nach § 45b aus den Jahren 2015/2016 können bis Jahresende 2018 genutzt werden; auch für schon privat bezahlte Kosten in diesen Jahren. Einzelpunktebewertung für Kriterien Ziffern 5.8 bis 5.11 verändert.

Versicherungspflichtig sind auch Pflegepersonen im Sinne Arbeitsförderung § 44 SGB XI, soweit sie selbst bisher Ansprüche nach dem SGB III (SGB III), § 26, Abs. haben; die Beiträge werden von Pflegekasse übernommen. 2b Sonstige Versicherungspflichtige SGB V Krankenversicherung § 37, 1a Häusliche Pflegebedürftigkeit auf Pflegegrade 2 bis 5 beschränkt. Krankenpflege § 37.2 In stationären Einrichtungen nach § 43a (Behindertenhilfe) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen, wenn ständige Überwachung und Versorgung durch Fachkraft erforderlich ist. § 38 Haushaltshilfe Pflegebedürftigkeit auf Pflegegrade 2 bis 5 beschränkt; Versorgung der Kinder bleibt unberührt. Rahmenempfehlungen auf Bundesebene haben Regelungen für § 132a Versorgung intensivpflegerische Versorgung aufzunehmen; Rahmenempfehmit häuslicher lungen sind den Verträgen nach § 132a zugrunde zu legen; SchiedsKrankenpflege stellenregelung eingeführt, auch das BMG hat Anrufungsrecht.

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PSG III, S. 97 PSG III, S. 101 PSG II, S. 113

PSG III, S. 103 PSG III, S. 106 PSG III, S. 107 PSG III, S. 111

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§ 141 Besitzstandsschutz und Übergangsrecht zur sozialen Sicherung von Pflegepersonen

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Kapitel 1

PSG II und III: Die wesentlichen Änderungen für die Ambulante Pflege 2017 Hinweis: Lediglich redaktionelle Änderungen (insbesondere sprachliche Anpassung durch neuen Einstufungsbegriff) werden hier nicht aufgeführt. Betroffene Paragra- Geänderte Inhalte PSG II fen Geänderte Inhalte PSG III Buch, Seite SGB V Krankenversicherung PSG III, Regelungen zum Ablauf und Durchführung, oftmals analog § 275b DurchfühS. 113 SGB XI; Betretungsrechte bei intensivmedizinischer Versorgung rung und Umfang von Qualitäts- und analog der Regelungen vollstationärer Einrichtungen SGB XI. Abrechnungsprüfungen bei Leistungen der Häuslichen Krankenpflege durch den Medizinischen Dienst SGB XII Sozialhilfe Siebtes Kapitel §§ 61 bis 66 komplett neu. PSG III, Hilfe zur Pflege S. 119 Konkretisierung der Leistung, auch der Finanzierung und § 70 Hilfe zur Weiterführung des Absicherung der Person, die den Haushalt weiterführt. Haushaltes § 71 Altenhilfe Erweiterte Aufgabendefinition. Regelungen zur Überleitung der Pflegestufen in Pflegegrade. PSG III, § 137 Überleitung S. 135 in Pflegegrade zum 01. Januar 2017 Übergangsregelung für Leistungsbezieher ohne Pflegegrad. PSG III, § 138 ÜbergangsS. 135 regelungen wegen PSG III Andere SGB PSG II, Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen für Pflegepersonen Gesetzliche S. 113 Rentenversicherung gemäß § 19, gegliedert nach Pflegegraden und Anteil der (SGB VI), § 166, Abs. Ambulanten Leistungen. 2 Beitragspflichtige Einnahmen sonstiger Mitglieder PSG II, Gesetzliche Unfall- Unfallversicherung nur für Pflegepersonen, die mindestens S. 113 10 Stunden pro Woche einen Pflegebedürftigen ab Pflegegrad versicherung (SGB VII), § 2 Abs. 1 Nr. 17 2 pflegen. Versicherung kraft Gesetz

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Die Frage der Steuerung der Pflege, der Infrastruktur und der Finanzierung sind auch ein Spiegelbild der Zusammenarbeit der BUNDESEBENE, der LÄNDER und der KOMMUNEN beim Thema Pflege und Leben im Alter. Um die Diskussion und die aktuellen Änderungen in Bezug auf Pflegeberatung, Pflegestützpunkte und Modellkommunen zu verstehen, empfiehlt sich ein Blick zurück in die Vorgeschichte und Geschichte der Pflegeversicherung: Vor Einführung der Pflegeversicherung war das Thema Pflege primär ein kommunales Thema. Denn in erster Linie waren die Kommunen über die Finanzierung der Sozialhilfe für die Pflege zuständig, einen anderen Leistungsanspruch auf Pflegeleistungen gab es vor 1995 nicht (außer den 1991 eingeführten Anspruch auf Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit im Rahmen der damaligen §§ 55 bis 58 SGB V in der Fassung von 1991 bis 1994). Zur kommunalen Daseinsvorsorge gehörte auch die entsprechende Altenhilfeplanung und Steuerung, insbesondere auch durch die Belegung etc. Mit Einführung der Pflegeversicherung wurde ein Marktmodell eingeführt, bei dem (allein) die Nachfrage eine optimale Versorgungssituation schaffen sollte. Auf eine Steuerung über Zulassungsbeschränkungen wurde verzichtet, die Pflegekassen sind zur Zulassung verpflichtet, wenn die Voraussetzungen nach § 72 SGB XI vorliegen. Die Kommunen als Steuerungsinstanz wurden weitergehend abgelöst, aber auch massiv finanziell entlastet1. Teilweise gab es auf Landesebene noch indirekte Steuerungsmöglichkeiten über die Investitionskostenförderung, die aufgrund der Objektförderung zur Steuerung genutzt wurde. In den Ländern wurden mögliche neue/andere Planungsaufgaben der Kommunen sehr unterschiedlich ausformuliert, mal mit konkreten Planungsaufgaben wie 2002 in NRW, mal völlig ohne Planungsauftrag wie in Sachsen2. Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz 2008 die verpflichtende Pflegeberatung durch die Pflegekassen sowie die Pflegestützpunkte eingeführt. Dabei hat der Bundesgesetzgeber ganz bewusst die Beratung bei den Pflegekassen angesiedelt (und nicht etwa bei den Kommunen), weil er nur hier die rechtliche Kompetenz hat: in der Gesetzesbegründung führt der Gesetzgeber das weiter aus: „Die rechtliche Ansiedlung bei den Pflegekassen empfiehlt sich unter anderem deshalb, weil damit die Entscheidungsbefugnis über die Kernleistung bei Pflegebedürftigkeit mit der Koordinierungsfunktion zusammenfällt. Hinzu kommt, dass der Bundesgesetzgeber verpflichtende Vorgaben nur gegenüber den Pflegekassen treffen kann, nicht aber beispielsweise ge1  Städtetag Positionspapier Pflege, Juni 2015 2  Städtetag Positionspapier Pflege, Juni 2015, S. 3

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2 E  ine neue (oder alte) Rolle für die Kommunen?

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genüber den Kommunen. Nach Ansicht vieler Fachleute ist aber eine wesentliche Voraussetzung für den Aufbau koordinierender Unterstützungsstrukturen, dass rechtliche Verpflichtungen geschaffen werden. Dabei ist es selbstverständlich, dass die weiteren Beteiligten nach Möglichkeit einzubinden sind und mit ihnen Einvernehmen über die erforderlichen Maßnahmen anzustreben ist. Die Pflegeberatung ist unabhängig wahrzunehmen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Pflegeberater und Pflegeberaterinnen als Mitarbeiter der Pflegekassen an die Vorgaben des § 14 des Ersten Buches gebunden sind. Danach hat jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch. Die Beratung hat nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts umfassend und individuell zu sein (vergleiche die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 29. Januar 1981, Az. 12 RK 19/80). Flankiert wird diese Pflicht durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, der etwa bei fehlerhaften Auskünften darauf gerichtet ist, zu gewährleisten, dass den Berechtigten die Leistungen zukommen, auf die sie einen gesetzlichen Anspruch haben.

Kapitel 2

Zur Ausführung der Sozialleistungen verpflichtet § 17 des Ersten Buches die Leistungsträger zudem, darauf hinzuwirken, dass die Leistungen unter anderem zügig und umfassend zur Verfügung gestellt werden. Außerdem ist auf § 20 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen, wonach unter anderem bei der Vorbereitung von Leistungsbescheiden alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen sind, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände. Auch dies sorgt mit dafür, dass die Pflegeberatung nicht einseitig interessengebunden, sondern neutral durchgeführt wird und die Interessen der Betroffenen gewahrt werden.“ 3

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Vergleicht man die Ideen und die Vorstellungen bei der Einführung mit der Wirklichkeit, sieht die Realität ernüchernd aus: Im Jahr 2013 gab es lt. Bundespflegestatistik zum Jahresende 2.626.206 Pflegebedürftige, davon wurden 1.861.775 ambulant versorgt, davon wiederum allein durch Angehörige (Pflegegeldbezieher) 1.245.029 Pflegebedürftige. 4 Im 6. Pflegebericht der Bundesregierung für den Berichtszeitraum 2011 bis 2015 wird die Situation der Pflegeberatung und der Pflegestützpunkte folgendermaßen dargestellt: Von den gesetzlichen Pflegekassen (ohne PKV-Zahlen) wurden im Jahr 2013 lt. Rückmeldungen der Pflegekassen 98.118 Pflegeberatungen durchgeführt. Auch wenn die Autoren des Berichts von einigen Unplausibilitäten berichten (Anstieg der Kosten, aber Abnahme der Fallzahlen über die Jahre; Beratungsgutscheine 3  Pf-Weiterentwicklung 2008, Gesetzentwurf Seite 46, BT Drucks. 16/7439, S. 46 4  Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2013, Deutschlandergebnisse, S. 9

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sind hier nicht berücksichtigt)5, so nutzen nur ca. 4 % aller Pflegebedürftigen dieses Angebot (auch wenn man die Gesamtzahl der Pflegebedürftigen um den Anteil der Privat-Versicherten reduziert6). Selbst wenn man als Vergleichsgröße die Anzahl der Erstbegutachtungen als Maßstab nimmt (2013: 722.468), kommt man auf eine Quote von ca. 13 %; bei Berücksichtigung auch der Höherstufungsanträge (294.250), die auf eine veränderte Pflegesituation schließen lassen, sinkt die Quote dann auf knapp 10 % ab7. Die Zahlen erscheinen auch angesichts der gesetzlichen Änderungen durch das PNG zum 01.01.2013 interessant: Mit dem PNG wurden die Pflegekassen verpflichtet, jedem Antragssteller innerhalb von 2 Wochen eine Beratung durch eigene oder mithilfe eines Beratungsgutscheins eine Beratung durch andere Pflegeberater anzubieten (§ 7b).8 Trotzdem hat die Zahl der Beratungen weiter abgenommen.

Fallzahlen der durchgeführten Pflegeberatungen aller gesetzlichen Pflegekassen 2011-2015 Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 Pflegeberatungen der Pflegekassen * 129.544 102.809 98.118 97.563 78.130

Der Gesetzgeber hat mit dem PSG II zum 01.01.2016 weitere Schritte unternommen, um mehr Beratungen durchführen zu lassen: Die Pflegekassen sind nun verpflichtet, schon beim ersten Antrag konkrete Ansprechpartner zu benennen, mit jedem weiteren Leistungsantrag (ausgenommen sind Kostenerstattungsleistungen sowie Anträge zu Hilfsmitteln) ergibt sich ein neues Recht zur Beratung innerhalb von zwei Wochen9. Auch die Errichtung von Pflegestützpunkten, die mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz auf den Weg gebracht wurde, ist zumindest nach den Erwartungen und Zahlen keine echte Erfolgsgeschichte: Da der Bund es den Ländern überlassen hat (auch weil er hier keine Kompetenzen hat), wie die Länder solche Strukturen errichten und weiterführen (§ 92c alte Fassung, seit 2016 § 7c, jeweils Absatz 1), ist das Ergebnis entsprechend heterogen. Lt. dem aktuellen Pflegebericht gab es Ende 2015 in 14 Bundesländern 416 Pflegestützpunkte, wobei die Struktur und Verteilung in den Bundesländern sehr unterschiedlich ist10. 5  6. Pflegebericht 2011-2015, S. 163 6  6. Pflegebericht 2011-2015, Tab. 23 7  6. Pflegebericht 2011-2015, Tab. 68 8  Br-Drucks. 448/12, S. 2 9  Bundesgesetzblatt Teil 1, Nr. 54 vom 28.12.2015, S. 2426 10  6. Pflegebericht 2011-2015, S. 163

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* Rückmeldungen der Ersatzkassen, AOK, BKK, IKK, LKK; in den Jahren 2011/2012 keine Angaben der KBS Beratungsgutscheine der BKK (2015 ca. 3500) nicht berücksichtigt Quelle: 6. Pflegebericht 2011-2015, S. 163

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Kapitel 2

Für die Anschubfinanzierung von Pflegestützpunkten stellte der Gesetzgeber für die Jahre 2009 bis 31.06.2011 60 Mill. Euro zur Verfügung, die jedoch nur zur Hälfte abgerufen wurden, sie wurden danach durch das PNG 2013 zur Gründungsfinanzierung ambulant betreuter Wohngruppen verwandt11. Der Städtetag sieht als Ursache für diese schleppende Entwicklung die Aufgabenübertragung auf die Länder, obwohl nach seiner Ansicht hier die Kommunen die Verantwortung tragen sollten12. Vor diesem Hintergrund hat im Mai 2015 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Empfehlungen zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege vorgelegt, die der Gesetzgeber nun mit dem PSG III umsetzen will. Folgende Punkte wurden von der Arbeitsgruppe als Empfehlungen beschlossen: –– Erprobung neuer Beratungsstrukturen („Modellkommune Pflege“) –– Initiativrecht zur Einrichtung von Pflegestützpunkten –– Optionale Einrichtung regionaler Pflegeausschüsse –– Beteiligung am Auf- und Ausbau niedrigschwelliger Angebote (heute nach § 45a: Angebote zur Unterstützung im Alltag) –– Ermöglichung sektoren- und bereichsübergreifender Gremien –– Stärkung der Kommune bei der Steuerung der sozialräumlichen Versorgungsstruktur –– Rahmenvereinbarungen zur Zusammenarbeit bei der Beratung –– Verfügbarkeit von Daten –– Kontinuierliches Monitoring13

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Die Punkte sind in folgenden Einzelvorschriften14 wiederzufinden, wobei die Umsetzung unterschiedlich beurteilt wird (dazu mehr in den Kommentaren zu den Einzelvorschriften), (siehe Tabelle Seite 21). Zum Punkt: „Stärkung der Kommune bei der Steuerung der sozialräumlichen Versorgung“ lässt sich keine auf Bundesebene umzusetzende Änderung zuordnen. Die gesamte Diskussion zur Stärkung der Kommunen hängt eben nicht nur vom Bundesgesetzgeber ab, sondern vom Dreiecksverhältnis des Bundesrechts, der landesrechtlichen Regelungen und der kommunalen Möglichkeiten. Allein schon der sehr unterschiedliche Ausbau der Pflegestützpunkte in den Bundesländern zeigt, dass es mindestens 16 verschiedene Wege und Interessenlagen gibt, wie man die Aufgabe der Beratung umsetzen will. Eine Abkehr vom marktorientierten Modell der Pflegeversicherung hin zu einer Bedarfsplanung anhand einer regionalen Altenhilfeplanung hat der Bundestag abgelehnt, ein entsprechender Antrag der Fraktion der Linken (BT-Drucks. 18/8725) fand keine Zustimmung. Auch in einzelnen Bundesländern werden solche Forderungen formuliert, wie Niedersachsen das bei der Debatte um die An11  12  13  14 

BT-Drucks. 17/9369, s. 20 Städtetag Positionspapier Pflege, Juni 2015, S. 3 Bundesministerium für Gesundheit, BL-AG Pflege Gesamtpapier, Stand 11.05.2015 Zusammenstellung vom Autor

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nahme des PSG III im Bundesrat getan hat15. Es ist aber nicht zu erwarten, dass es hier zu strukturellen Änderungen kommen wird, auch wenn gerade aus der kommunalen Sicht hier die meiste Kritik kommt. Im PSG III ist nur die Formulierung von Empfehlungen wie sie in § 8a vorgesehen ist, geregelt, dadurch kann keine Steuerung erfolgen, auch weil keine verbindliche Umsetzung vorgesehen ist16. Ob ein wie auch immer geartetes Steuerungsmodell der Pflegeinfrastruktur zu einer besseren Versorgung führt, müsste sich erst noch beweisen. Zumindest, um eine Parallele zu ziehen, funktioniert es offensichtlich nicht bei der ärztlichen Versorgung. Trotz dezidierter Steuerung über die Zulassung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gibt es Regionen mit Ärztemangel und Regionen mit Überversorgung17. Würde man marktwirtschaftlichen Prinzipien folgen, müsste man Anbietern für die Versorgung in unterversorgten Gebieten höhere Vergütungen zahlen als in überversorgten Gebieten. Ambulant ließe sich das Versorgungsangebot zumindest über entsprechend höhere Fahrtkostenpauschale realisieren, aber solche Vergütungsvereinbarungen gibt es kaum. Vielleicht sollte man erst einmal auf der Basis marktwirtschaftlicher Möglichkeiten eine Steuerung versuchen. Allerdings wäre das Resultat dann auch eine Versorgung, die je nach Wohnort unterschiedlich teuer sein kann (was stationär seit langem so ist). 15  BR-Plenarprotokoll 952, vom 16.12.2016, Anlage 11 zu Top 13, S. 563 16  Dr. Irene Vorholz, Deutscher Landkreistag Berlin, in Carekonkret Nr. 1, 06.01.2017, S. 5 17  WIDO, Pressemitteilung vom 19.07.2016: Ärzteatlas 2016: Viele Ärzte, schlecht verteilt

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Umsetzung Empfehlungen Bund-Länder-Kommission 2015 im PSG III Erprobung neuer Beratungsstrukturen § 7b Status als Beratungsstellen im Sinne („Modellkommune Pflege“) 7a, §§ 124/125 Modellvorhaben zur kommunalen Beratung Initiativrecht zur Einrichtung von Pflege- § 7c Pflegestützpunkte stützpunkten Optionale Einrichtung regionaler Pflege§ 8a Gemeinsame Empfehlungen der pfleausschüsse gerischen Versorgung Beteiligung am Auf- und Ausbau niedrig- § 45c Förderung der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und des Ehrenschwelliger Angebote (heute nach § 45a: amtes, Verordnungsermächtigung Angebote zur Unterstützung im Alltag) Ermöglichung sektoren- und bereichs§ 8a Gemeinsame Empfehlungen der pfleübergreifender Gremien gerischen Versorgung Stärkung der Kommune bei der Steuerung der sozialräumlichen Versorgungsstruktur Rahmenvereinbarungen zur Zusammenar- § 7c Pflegestützpunkte beit bei der Beratung Verfügbarkeit von Daten § 7 Aufklärung, Auskunft, § 109 Pflegestatistiken, § 115 Ergebnisse von Qualitätsprüfungen, Qualitätsdarstellung Kontinuierliches Monitoring § 13, Abs. 4b, § 125

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Mit der Möglichkeit der Einrichtung von Modellkommunen nach § 123-124 wird eine Erprobungsregelung eingeführt, die für den Zeitraum von 5 Jahren eine Erprobung in 60 Modellkommunen vorsieht. Allerdings können diese Möglichkeiten nur genutzt werden, wenn es entsprechende landesrechtliche Regelungen gibt; denn die Anträge sind bei der jeweils dafür zuständigen obersten Landesbehörde zu stellen. In diesen Modellkommunen sollen folgende Aufgaben, die bisher durch die zuständigen Pflegekassen zu übernehmen waren, auf die Modellkommunen bzw. deren Beratungsstellung übertragen werden: –– Pflegeberatung nach § 7a –– Beratungsbesuche nach § 37.3 bei Pflegegeldbeziehern –– Angebote zur Schulung nach § 4518

Kapitel 2

Kritisch darf angemerkt werden, dass alle diese Angebote dem Wunsch- und Wahlrecht des Pflegebedürftigen unterliegen: er ist nicht verpflichtet, eine Pflegeberatung nach § 7a in Anspruch zu nehmen; auch wer für die Beratungsbesuche nach § 37.3 bei Pflegegeldbezug beauftragt wird, entscheidet der Pflegebedürftige allein, ebenso die Inanspruchnahme von Schulungsangeboten nach § 45. Von daher stellt sich folglich auch die Frage, ob die Tatsache, dass in Modellkommunen die oben genannten Beratungen durch die Kommune erfolgen kann, die Kommune in die Lage versetzt, dadurch eine steuernde Funktion wahrzunehmen. Die Länder haben in ihrem Entschließungsantrag zur Verabschiedung des PSG III festgestellt, dass einerseits die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und die damit verbundenen Regelungen in den PSG-Gesetzen ein wichtiger Schritt waren, aber die in der Bund-Länderkommission ausgearbeiteten Vorschläge zur Stärkung der Kommunen nicht so umgesetzt wurden. Um nicht die Umsetzung der weiteren Regelungen des PSG III zu blockieren, haben die Länder im Entschließungsantrag die Bundesregierung aufgefordert, ihre Kritik insbesondere der Umsetzung zu den Modellkommunen nach §§ 123/124 bei nächster Gelegenheit in das SGB XI einzubeziehen19. In der Plenardebatte zur Verabschiedung des PSG III wurde als nächste Möglichkeit das GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz genannt, dass im März 2017 in Kraft treten soll20. Somit ist auch die nächste Änderung des SGB XI schon angekündigt.

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18  § 123, Abs. 1 19  BR-Drucks. 720/16, S. 7 20  BR-Plenarprotokoll 952, vom 16.12.2016, Top 13, S. 520

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3 §  7 Auskunft, Aufklärung sowie § 115 Ergebnisse der Qualitätsprüfungen, Qualitätsdarstellung Die nachfolgenden Änderungen betreffen nur einen Absatz der jeweiligen Paragrafen, die ansonsten nicht geändert wurden, daher werden hier zusammenfassend nur die Absätze kommentiert, die in den Paragrafen geändert wurden

3.1   Was ist neu? Parallel in zwei Vorschriften (§ 7, Abs. 3 und § 115, Abs. 1c) wird der Zugang zu den Daten (Preisvergleichslisten, Qualitätsnoten) der Pflegeeinrichtungen neu geregelt: Die Daten zu den Pflegeeinrichtungen (Ort, Angebot, Leistungen, Preise) und Qualitätsbeurteilungen (§ 115) sollen nicht nur von den Pflegekassen veröffentlicht werden, sondern auch Dritten zur nicht kommerziellen Nutzung. Die Nutzungsbedingungen müssen gemäß § 115, Abs. 1c bis Ende März 2017 durch die Landesverbände der Pflegekassen definiert werden.

Der Gesetzgeber eröffnet die Nutzung der Daten für Dritte, solange diese Angebote nicht gewerblich genutzt werden. Also könnten beispielsweise Verbraucherzentralen, Organisationen wie die Bertelsmann Stiftung (Weisse Liste21 ) oder andere die Daten der Pflegedienste kombiniert mit den Daten der Qualitätsprüfungen aufbereiten, eigenständig auswerten und Nutzern beispielsweise im Internet zur Verfügung stellen. Der Gesetzgeber will damit den Wettbewerb stärken22. In der bisherigen Form veröffentlichen die Pflegekassen die Daten, aber ein direkter Vergleich der Einrichtungen im Einzugsgebiet ist zwar über die Schulnoten möglich (darüber lässt sich beispielsweise im Pflegelotsen des VDAK sortieren23), nicht aber über die Preise oder Punktwerte. Diese Daten werden nur für jede Einrichtung einzeln bei den Detaildaten dargestellt. Andere Portale könnten diese Daten als Sortierkriterium nutzen und beispielsweise anhand der Punktwerte die lokalen Dienste oder auch Pflegeheime sortieren. Das würde dem Wettbewerbsgedanken des Gesetzgebers folgen. 21  www.weisse-liste.de 22  BT-Drucks. 18/10510, S. 104 23  www.pflegelotse.de

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3.2  Nutzung der Leistungs-, Qualitäts- und Preisvergleichslisten

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Diese Öffnung und damit verbundene Nutzung steht indirekt im Konflikt mit den gleichzeitig ermöglichten Vergütungsanpassungen mit der Orientierung an Tariflöhnen, wie es der § 89 erlaubt (siehe dort). Denn bei der ganzen Debatte um eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte geht unter, was zumindest in der ambulanten Praxis ein wesentlicher Faktor beim Abschluss des Pflegevertrages ist: Hier geht es primär nur um die Kosten, aber weder um die angemessene Versorgung des Pflegebedürftigen (Angehörigen) noch gar um eine angemessene Bezahlung der Pflegekräfte! Und durch die Möglichkeit für Dritte den Preis in den Mittelpunkt der Auswahl zu stellen, verstärkt sich nur der Preiswettbewerb. Denn gleichzeitig dürfen die Kunden davon ausgehen, dass alle Pflegedienste, die zugelassen sind, die durch die Pflegeversicherung garantierte Versorgungsqualität erfüllen, sonst wären sie nicht zugelassen zur Versorgung24. Gleiches gilt auch für die Angebote zur Unterstützung im Alltag, die nach Landesrecht zur Versorgung zugelassen werden (§ 45a). Da auch diese Angebote durch die Änderungen im PSG II schon seit 2016 mit aufzuführen sind, wird der Preiswettbewerb hier noch mehr Wirkung haben. Ob dies immer zu einer besseren Versorgung führt, ist nicht zu erwarten. Für die Regelungen zur Weitergabe der Daten sind die Landesverbände der Pflegekassen zuständig, weil auf Landesebene die Versorgungsverträge nach § 72 und Vergütungsvereinbarungen nach § 89 (stationär § 84) abgeschlossen werden und daher auch die Daten hier vorhanden sind. Das kann allerdings dazu führen, dass je nach Bundesland die Nutzungsbedingungen und die Datenbereitstellung unterschiedlich gehandhabt wird. Eine bundesweite Regelung oder eine Empfehlung ist nicht vorgesehen.

Kapitel 3

3.3   Gesetzestext § 7, Abs. 3

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(3) Zur Unterstützung der pflegebedürftigen Person bei der Ausübung ihres Wahlrechts nach § 2 Absatz 2 sowie zur Förderung des Wettbewerbs und der Überschaubarkeit des vorhandenen Angebots hat die zuständige Pflegekasse der antragstellenden Person auf Anforderung unverzüglich und in geeigneter Form eine Leistungs- und Preisvergleichsliste zu übermitteln; die Leistungs- und Preisvergleichsliste muss für den Einzugsbereich der antragstellenden Person, in dem die pflegerische Versorgung und Betreuung gewährleistet werden soll, die Leistungen und Vergütungen der zugelassenen Pflegeeinrichtungen, die Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a sowie Angaben zur Person des zugelassenen oder anerkannten Leistungserbringers enthalten. Die Landesverbände der Pflegekassen erarbeiten Nutzungsbedingungen für eine zweckgerechte, nicht gewerbliche Nutzung der Angaben nach Satz 1 durch Dritte; die Übermittlung der Angaben erfolgt gegen Verwaltungskostenersatz, es sei denn, es handelt sich bei den Dritten um öffentlichrechtliche Stellen. Die Landesverbände der Pflegekassen 24  § 72, Abs. 3 SGB XI

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erstellen eine Leistungs- und Preisvergleichsliste nach Satz 1, aktualisieren diese einmal im Quartal und veröffentlichen sie auf einer eigenen Internetseite. Die Liste hat zumindest die jeweils geltenden Festlegungen der Vergütungsvereinbarungen nach dem Achten Kapitel sowie die im Rahmen der Vereinbarungen nach Absatz 4 übermittelten Angaben zu Art, Inhalt und Umfang der Angebote sowie zu den Kosten in einer Form zu enthalten, die einen regionalen Vergleich von Angeboten und Kosten und der regionalen Verfügbarkeit ermöglicht. Auf der Internetseite nach Satz 2 sind auch die nach § 115 Absatz 1a veröffentlichten Ergebnisse der Qualitätsprüfungen und die nach § 115 Absatz 1b veröffentlichten Informationen zu berücksichtigen. Die Leistungs- und Preisvergleichsliste ist der Pflegekasse sowie dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch und zur Veröffentlichung nach Absatz 2 Satz 4 und 5 vom Landesverband der Pflegekassen durch elektronische Datenübertragung zur Verfügung zu stellen.

„(1c) Die Landesverbände der Pflegekassen haben Dritten für eine zweckgerechte, nicht gewerbliche Nutzung die Daten, die nach den Qualitätsdarstellungsvereinbarungen nach Absatz 1a der Darstellung der Qualität zu Grunde liegen, sowie rückwirkend zum 1. Januar 2017 ab dem 1. April 2017 die Daten, die nach den nach § 115a übergeleiteten Pflege-Transparenzvereinbarungen der Darstellung der Qualität bis zum Inkrafttreten der Qualitätsdarstellungsvereinbarungen zu Grunde liegen, auf Antrag in maschinen- und menschenlesbarer sowie plattformunabhängiger Form zur Verarbeitung und Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Das Nähere zu der Übermittlung der Daten an Dritte, insbesondere zum Datenformat, zum Datennutzungsvertrag, zu den Nutzungsrechten und den Pflichten des Nutzers bei der Verwendung der Daten, bestimmen die Vertragsparteien nach § 113 bis zum 31. März 2017 in Nutzungsbedingungen, die dem Datennutzungsvertrag unabdingbar zu Grunde zu legen sind. Mit den Nutzungsbedingungen ist eine nicht missbräuchliche, nicht wettbewerbsverzerrende und manipulationsfreie Verwendung der Daten sicherzustellen. Der Dritte hat zu gewährleisten, dass die Herkunft der Daten für die Endverbraucherin oder den Endverbrauchertransparent bleibt. Dies gilt insbesondere, wenn eine Verwendung der Daten in Zusammenhang mitanderen Daten erfolgt. Für die Informationen nach Absatz 1b gelten die Sätze 1 bis 4 entsprechend. Die Übermittlung der Daten erfolgt gegen Ersatz der entstehenden Verwaltungskosten, es sei denn, es handelt sich bei den Dritten um öffentlich-rechtliche Stellen. Die entsprechenden Aufwendungen sind von den Landesverbänden der Pflegekassen nachzuweisen.“

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3.4   Gesetzestext § 115, Abs. 1c (neu eingefügt)

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4 § 7b Beratungsgutscheine 4.1   Was ist neu? Sofern kommunale Körperschaften für die wohnortnahe Betreuung im Rahmen der Altenhilfe oder zur Gewährung der Hilfe zur Pflege im Rahmen der Sozialhilfe Pflegeberatung nach § 7a erbringen, sind sie damit auch (automatisch) Beratungsstellen und können Beratungsgutscheine einlösen. Dazu müssen die Pflegekassen entsprechende Verträge mit den kommunalen Körperschaften oder entsprechend Zweckverbänden oder Stellen abschließen. Zur Erbringung der Pflegeberatung müssen die Empfehlungen nach § 17 Abs. 1a insbesondere zur Qualifikation und Fortbildung der Pflegeberaterinnen und Pflegeberater eingehalten werden

Im Rahmen der Verabschiedung im Bundesrat hat die Parl. Staatssekretärin Ingrid Fischbach darauf hingewiesen, dass die Kommunen nun auch Beratungsgutscheine einlösen dürfen, wenn sich Versicherte in der Kommune beraten lassen wollen25. Das setzt aber die Ausstellung von Beratungsgutscheinen durch die Pflegekassen voraus. Nach der jetzigen Gesetzeslage muss eine Pflegekasse dann keine Gutscheine ausstellen, wenn sie selbst die Beratung anbietet. Hätte der Gesetzgeber hier mehr Freiheit gewollt, so hätte er die Pflegekassen verpflichten müssen, statt eigener Beratung als Wahlalternative für den Versicherten immer auch Beratungsgutscheine ausstellen zu müssen. So bleibt diese Beratungsmöglichkeit nur den Versicherten zugänglich, deren Kassen solche Gutscheine ausstellen, beispielsweise weil sie keine oder kaum eigene Pflegeberater haben! Und die Mitwirkungsmöglichkeit der Kommune erhöht sich dadurch nicht besonders. Mit der Möglichkeit, dass Kommunen auch Pflegeberatung übernehmen, ist aber nicht gleichbedeutend festgelegt, dass sich Versicherte durch die Kommunen beraten lassen. Denn ob und durch wen ein Pflegebedürftiger Beratung in Anspruch nimmt, ist weiterhin seiner freiwilligen (Aus-) Wahl überlassen.

4.3   Gesetzestext § 7b Beratungsgutscheine

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4.2  Kritik

(1) Die Pflegekasse hat dem Antragsteller unmittelbar nach Eingang eines erstmaligen Antrags auf Leistungen nach diesem Buch sowie weiterer Anträge auf Leistungen nach § 18 Absatz 3, den §§ 36 bis 38, 41 bis 43, 44a, 45, 87a Absatz 2 Satz 1 und § 115 Absatz 4 entweder 25  BR- Plenarprotokoll 952 vom 16.12.2016, S. 522

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1. unter Angabe einer Kontaktperson einen konkreten Beratungstermin anzubieten, der spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang durchzuführen ist, oder 2. einen Beratungsgutschein auszustellen, in dem Beratungsstellen benannt sind, bei denen er zu Lasten der Pflegekasse innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang eingelöst werden kann; § 7a Absatz 4 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden. Die Beratung richtet sich nach den § 7a. Auf Wunsch des Versicherten hat die Beratung in der häuslichen Umgebung stattzufinden und kann auch nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist durchgeführt werden; über diese Möglichkeiten hat ihn die Pflegekasse aufzuklären. (2) Die Pflegekasse hat sicherzustellen, dass die Beratungsstellen die Anforderungen an die Beratung nach den § 7a einhalten. Die Pflegekasse schließt hierzu allein oder gemeinsam mit anderen Pflegekassen vertragliche Vereinbarungen mit unabhängigen und neutralen Beratungsstellen, die insbesondere Regelungen treffen für 1. die Anforderungen an die Beratungsleistung und die Beratungspersonen, 2. die Haftung für Schäden, die der Pflegekasse durch fehlerhafte Beratung entstehen, und 3. die Vergütung. (2a) Sofern kommunale Gebietskörperschaften, von diesen geschlossene Zweckgemeinschaften oder nach Landesrecht zu bestimmende Stellen 1. für die wohnortnahe Betreuung im Rahmen der örtlichen Altenhilfe oder

Kapitel 4

2. für die Gewährung der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Pflegeberatung im Sinne von § 7a erbringen, sind sie Beratungsstellen, bei denen Pflegebedürftige nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Beratungsgutscheine einlösen können; sie haben die Empfehlungen nach § 7a Absatz 3 Satz 3 zu berücksichtigen und die Pflegeberatungs-Richtlinien nach § 17 Absatz 1a zu beachten. Absatz 2 Satz 1 findet keine Anwendung. Die Pflegekasse schließt hierzu allein oder gemeinsam mit anderen Pflegekassen mit den in Satz 1 genannten Stellen vertragliche Vereinbarungen über die Vergütung. Für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Sozialdaten gilt § 7a Absatz 6 entsprechend. (3) Stellen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 dürfen personenbezogene Daten nur erheben, verarbeiten und nutzen, soweit dies für Zwecke der Beratung nach den § 7a erforderlich ist und der Versicherte oder sein gesetzlicher Vertreter eingewilligt hat. Zudem ist der Versicherte oder sein gesetzlicher Vertreter zu Beginn der Beratung darauf hinzuweisen, dass die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für private Versicherungsunternehmen, die die private Pflegepflichtversicherung durchführen, entsprechend.

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5 § 7c Pflegestützpunkte 5.1   Was ist neu? Die Kommunen haben ein Initiativrecht zur Einrichtung von gemeinsamen Pflegestützpunkten mit den Pflegekassen, allerdings nur, wenn nach Landesrecht eine entsprechende Regelung vorhanden ist. Die Kosten für den Betrieb werden zu gleichen Teilen getragen. Zur Umsetzung sind entsprechende Rahmenverträge abzuschließen. Zur Konfliktlösung kann eine Schiedsstelle oder eine Schiedsperson eingesetzt werden. Es können sich auch weitere gemeinwohlorientierte Einrichtungen an der Arbeit der Pflegestützpunkte beteiligen.

5.2   Kritik und Praxis

5.3   Gesetzestext § 7c Pflegestützpunkte (1) Zur wohnortnahen Beratung, Versorgung und Betreuung der Versicherten richten die Pflegekassen und Krankenkassen Pflegestützpunkte ein, sofern die zuständige oberste Landesbehörde dies bestimmt. Die Einrichtung muss innerhalb von sechs Monaten nach der Bestimmung durch die oberste Landesbehörde erfolgen. Kommen die hierfür erforderlichen Verträge nicht innerhalb von drei Monaten nach der Bestimmung durch die oberste Landesbehörde zustande, haben die Landesverbände der Pflegekassen innerhalb eines weiteren Monats den Inhalt der Verträge festzulegen; hierbei haben sie auch die Interessen der Ersatzkassen und der Landesverbände der Krankenkassen wahrzunehmen. Hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse bei der Beschlussfassung ist § 81 Absatz 1 Satz 2 entsprechend anzuwenden. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörden zur Einrichtung von Pflegestützpunkten haben keine aufschiebende Wirkung.

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Das Initiativrecht der Kommunen zur Gründung von Pflegestützpunkten ist weiterhin zunächst abhängig von entsprechenden landesrechtlichen Regelungen und nur bei finanzieller Beteiligung möglich. Ermöglichen entsprechende Landesgesetze nicht die Einrichtung von Pflegestützpunkten, kann die Kommune auch ihr hier definiertes Initiativrecht nicht ausüben. In die Arbeit der Pflegestützpunkte können nicht mehr nur kirchliche, religiöse oder gesellschaftliche Träger und Organisationen beteiligt werden, sondern auch andere nicht gewerbliche, gemeinwohlorientierte Einrichtungen mit öffentlich zugänglichen Angeboten wie zum Beispiel Nachbarschaftszentren oder gemeinnützige Bildungsträger.

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(1a) Die für die Hilfe zur Pflege zuständigen Träger der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch sowie die nach Landesrecht zu bestimmenden Stellen der Altenhilfe können bis zum 31. Dezember 2021 auf Grund landesrechtlicher Vorschriften von den Pflegekassen und Krankenkassen den Abschluss einer Vereinbarung zur Einrichtung von Pflegestützpunkten verlangen. Ist in der Vereinbarung zur Einrichtung eines Pflegestützpunktes oder in den Rahmenverträgen nach Absatz 6 nichts anderes vereinbart, werden die Aufwendungen, die für den Betrieb des Pflegestützpunktes erforderlich sind, von den Trägern des Pflegestützpunktes zu gleichen Teilen unter Berücksichtigung der anrechnungsfähigen Aufwendungen für das eingesetzte Personal getragen.“

Kapitel 5

(2) Aufgaben der Pflegestützpunkte sind

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1. umfassende sowie unabhängige Auskunft und Beratung zu den Rechten und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch und zur Auswahl und Inanspruchnahme der bundes- oder landesrechtlich vorgesehenen Sozialleistungen und sonstigen Hilfsangebote einschließlich der Pflegeberatung nach § 7a in Verbindung mit den Richtlinien nach § 17 Absatz 1a, 2. Koordinierung aller für die wohnortnahe Versorgung und Betreuung in Betracht kommenden gesundheitsfördernden, präventiven, kurativen, rehabilitativen und sonstigen medizinischen sowie pflegerischen und sozialen Hilfs- und Unterstützungsangebote einschließlich der Hilfestellung bei der Inanspruchnahme der Leistungen, 3. Vernetzung aufeinander abgestimmter pflegerischer und sozialer Versorgungsund Betreuungsangebote. Auf vorhandene vernetzte Beratungsstrukturen ist zurückzugreifen. Die Pflegekassen haben jederzeit darauf hinzuwirken, dass sich insbesondere die 1. nach Landesrecht zu bestimmenden Stellen für die wohnortnahe Betreuung im Rahmen der örtlichen Altenhilfe und für die Gewährung der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch, 2. im Land zugelassenen und tätigen Pflegeeinrichtungen, 3. im Land tätigen Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung an den Pflegestützpunkten beteiligen. Die Krankenkassen haben sich an den Pflegestützpunkten zu beteiligen. Träger der Pflegestützpunkte sind die beteiligten Kosten- und Leistungsträger. Die Träger 1. sollen Pflegefachkräfte in die Tätigkeit der Pflegestützpunkte einbinden, 2. haben nach Möglichkeit Mitglieder von Selbsthilfegruppen sowie ehrenamtliche und sonstige zum bürgerschaftlichen Engagement bereite Personen und Organisationen in die Tätigkeit der Pflegestützpunkte einzubinden, 3. sollen interessierten kirchlichen sowie sonstigen religiösen und gesellschaftlichen Trägern und Organisationen sowie nicht gewerblichen, gemeinwohlorientierten Einrichtungen mit öffentlich zugänglichen Angeboten und insbeson-

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dere Selbsthilfe stärkender und generationenübergreifender Ausrichtung in kommunalen Gebietskörperschaften die Beteiligung an den Pflegestützpunkten ermöglichen, 4. können sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben dritter Stellen bedienen, 5. sollen im Hinblick auf die Vermittlung und Qualifizierung von für die Pflege und Betreuung geeigneten Kräften eng mit dem Träger der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch und den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch zusammenarbeiten.

(4) Der Pflegestützpunkt kann bei einer im Land zugelassenen und tätigen Pflegeeinrichtung errichtet werden, wenn dies nicht zu einer unzulässigen Beeinträchtigung des Wettbewerbs zwischen den Pflegeeinrichtungen führt. Die für den Betrieb des Pflegestützpunktes erforderlichen Aufwendungen werden von den Trägern der Pflegestützpunkte unter Berücksichtigung der anrechnungsfähigen Aufwendungen für das eingesetzte Personal auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung anteilig getragen. Die Verteilung der für den Betrieb des Pflegestützpunktes erforderlichen Aufwendungen wird mit der Maßgabe vereinbart, dass der auf eine einzelne Pflegekasse entfallende Anteil nicht höher sein darf als der von der Krankenkasse, bei der sie errichtet ist, zu tragende Anteil. Soweit sich private Versicherungsunternehmen, die die private Pflege-Pflichtversicherung durchführen, nicht an der Finanzierung der Pflegestützpunkte beteiligen, haben sie mit den Trägern der Pflegestützpunkte über Art, Inhalt und Umfang der Inanspruchnahme der Pflegestützpunkte durch privat PflegePflichtversicherte sowie über die Vergütung der hierfür je Fall entstehenden Aufwendungen Vereinbarungen zu treffen; dies gilt für private Versicherungsunternehmen, die die private Krankenversicherung durchführen, entsprechend. (5) Im Pflegestützpunkt tätige Personen sowie sonstige mit der Wahrnehmung von Aufgaben nach Absatz 1 befasste Stellen, insbesondere 1. nach Landesrecht für die wohnortnahe Betreuung im Rahmen der örtlichen Altenhilfe und für die Gewährung der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch zu bestimmende Stellen, 2. Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung, 3. Pflegeeinrichtungen und Einzelpersonen nach § 77,

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(3) Die an den Pflegestützpunkten beteiligten Kostenträger und Leistungserbringer können für das Einzugsgebiet der Pflegestützpunkte Verträge zur wohnortnahen integrierten Versorgung schließen; insoweit ist § 92b mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Pflege- und Krankenkassen gemeinsam und einheitlich handeln.

4. Mitglieder von Selbsthilfegruppen, ehrenamtliche und sonstige zum bürgerschaftlichen Engagement bereite Personen und Organisationen sowie 5. Agenturen für Arbeit und Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende dürfen Sozialdaten nur erheben, verarbeiten und nutzen, soweit dies zur Erfüllung der Auf31

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gaben nach diesem Buch erforderlich oder durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches oder Regelungen des Versicherungsvertrags- oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes angeordnet oder erlaubt ist. (6) Sofern die zuständige oberste Landesbehörde die Einrichtung von Pflegestützpunkten bestimmt

Kapitel 5

hat, vereinbaren die Landesverbände der Pflegekassen mit den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen und den für die Hilfe zur Pflege zuständigen Trägern der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch und den kommunalen Spitzenverbänden auf Landesebene Rahmenverträge zur Arbeit und zur Finanzierung der Pflegestützpunkte. Bestandskräftige Rahmenverträge gelten bis zum Inkrafttreten von Rahmenverträgen nach Satz 1 fort. Die von der zuständigen obersten Landesbehörde getroffene Bestimmung zur Einrichtung von Pflegestützpunkten sowie die Empfehlungen nach Absatz 9 sind beim Abschluss der Rahmenverträge zu berücksichtigen. In den Rahmenverträgen nach Satz 1 sind die Strukturierung der Zusammenarbeit mit weiteren Beteiligten sowie die Zuständigkeit insbesondere für die Koordinierung der Arbeit, die Qualitätssicherung und die Auskunftspflicht gegenüber den Trägern, den Ländern und dem Bundesversicherungsamt zu bestimmen. Ferner sollen Regelungen zur Aufteilung der Kosten unter Berücksichtigung der Vorschriften nach Absatz 4 getroffen werden. Die Regelungen zur Kostenaufteilung gelten unmittelbar für die Pflegestützpunkte, soweit in den Verträgen zur Errichtung der Pflegestützpunkte nach Absatz 1 nichts anderes vereinbart ist.

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(7) Die Landesregierungen werden ermächtigt, Schiedsstellen einzurichten. Diese setzen den Inhalt der Rahmenverträge nach Absatz 6 fest, sofern ein Rahmenvertrag nicht innerhalb der in der Rechtsverordnung nach Satz 6 zu bestimmenden Frist zustande kommt. Die Schiedsstelle besteht aus Vertretungen der Pflegekassen und der für die Hilfe zur Pflege zuständigen Träger der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch in gleicher Zahl sowie einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Für den Vorsitzenden und die unparteiischen Mitglieder können Stellvertretungen bestellt werden. § 76 Absatz 3 und 4 gilt entsprechend. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Zahl, die Bestellung, die Amtsdauer, die Amtsführung, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder der Schiedsstelle, die Geschäftsführung, das Verfahren, die Frist, nach deren Ablauf die Schiedsstelle ihre Arbeit aufnimmt, die Erhebung und die Höhe der Gebühren sowie über die Verteilung der Kosten zu regeln. (8) Abweichend von Absatz 7 können die Parteien des Rahmenvertrages nach Absatz 6 Satz 1 einvernehmlich eine unparteiische Schiedsperson und zwei unparteiische Mitglieder bestellen, die den Inhalt des Rahmenvertrages nach Absatz 6 innerhalb von sechs Wochen nach ihrer Bestellung festlegen. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen.

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6 § 8a Gemeinsame Empfehlungen der pflegerischen Versorgung 6.1   Was ist neu? Die Regelungen zur Bildung von Landespflegeausschüssen werden erweitert um mögliche Ausschüsse zur sektorenübergreifenden Zusammenarbeit sowie um regionale Ausschüsse. An diesen Gremien haben sich die Landesverbände der Pflegekassen entsprechend zu beteiligen, notwendige Daten, soweit diese im Rahmen ihrer Aufgaben verfügbar sind, bereitzustellen und die von den Ausschüssen getroffenen Empfehlungen in den Versorgungsverträgen, Rahmenverträgen auf Landesebene und Vergütungsvereinbarungen berücksichtigen.

Es kann nun neben einem Landespflegeausschuss sowie regionaler Ausschüsse auch ein sektorenübergreifendes Gremium geben, an dem auch die Krankenkassen, kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenhausgesellschaften mitwirken. In allen Gremien sind die Landesverbände der Pflegekassen zur Mitwirkung verpflichtet. Für die Entscheidungen zu Empfehlungen ist im sektorenübergreifenden Landespflegeausschuss keine Einstimmigkeit erforderlich, wie es anfangs im Gesetzentwurf geplant war. Dann hätten einzelne Gruppen mit ihren entsprechenden Interessen jede Vereinbarung blockieren können. Nun werden Entscheidungen mehrheitlich getroffen26. Das gilt allerdings nicht für die Pflegegremien auf Landes- und regionaler Ebene. Hier sind weiterhin nur einvernehmliche Empfehlungen möglich. Alle beschlossenen Empfehlungen sollen in die entsprechenden Verträge einbezogen werden, müssen aber nicht umgesetzt werden (Abs. 5). Während der Gesetzgeber es hier in der Gesetzesnorm bei Empfehlungen belässt, hat er es bei vergleichbaren Rahmenempfehlungen nach § 132a SGB V anders formuliert: Hier sind die Inhalte der Rahmenempfehlungen auf Bundesebene den Verträgen zugrunde zu legen (§ 132a, Abs. 1, letzter Satz, siehe Kommentierung dort). Warum der Gesetzgeber vergleichbare Sachverhalte so unterschiedlich handhabt, wird weder erläutert noch ist es nachvollziehbar.

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6.2   Kritik und Praxis

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6.3  Gesetzestext § 8a Gemeinsame Empfehlungen der pflegerischen Versorgung Für jedes Land oder für Teile des Landes wird zur Beratung über Fragen der Pflegeversicherung ein Landespflegeausschuss gebildet. Der Ausschuss kann zur Umsetzung der Pflegeversicherung einvernehmlich Empfehlungen abgeben. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere zu den Landespflegeausschüssen zu bestimmen; insbesondere können sie die den Landespflegeausschüssen angehörenden Organisationen unter Berücksichtigung der Interessen aller an der Pflege im Land Beteiligten berufen. (2) Sofern nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften ein Ausschuss zur Beratung über sektorenübergreifende Zusammenarbeit in der Versorgung von Pflegebedürftigen (sektorenübergreifender Landespflegeausschuss) eingerichtet worden ist, entsenden die Landesverbände der Pflegekassen und der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen, die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landeskrankenhausgesellschaften Vertreter in diesen Ausschuss und wirken an der Abgabe gemeinsamer Empfehlungen mit. Soweit erforderlich, ist eine Abstimmung mit dem Landesgremium nach § 90a des Fünften Buches herbeizuführen.

Kapitel 6

(3) Sofern nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften regionale Ausschüsse insbesondere zur Beratung über Fragen der Pflegeversicherung in Landkreisen und kreisfreien Städten eingerichtet worden sind, entsenden die Landesverbände der Pflegekassen Vertreter in diese Ausschüsse und wirken an der einvernehmlichen Abgabe gemeinsamer Empfehlungen mit.

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(4) Die in den Ausschüssen nach den Absätzen 1 und 3 vertretenen Pflegekassen, Landesverbände der Pflegekassen sowie die sonstigen in Absatz 2 genannten Mitglieder wirken in dem jeweiligen Ausschuss an einer nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften vorgesehenen Erstellung und Fortschreibung von Empfehlungen zur Sicherstellung der pflegerischen Infrastruktur (Pflegestrukturplanungsempfehlung) mit. Sie stellen die hierfür erforderlichen Angaben bereit, soweit diese ihnen im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben verfügbar sind und es sich nicht um personenbezogene Daten handelt. Die Mitglieder nach Satz 1 berichten den jeweiligen Ausschüssen nach den Absätzen 1 bis 3 insbesondere darüber, inwieweit diese Empfehlungen von den Landesverbänden der Pflegekassen und der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen, den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landeskrankenhausgesellschaften bei der Erfüllung der ihnen nach diesem und dem Fünften Buch übertragenen Aufgaben berücksichtigt wurden. (5) Empfehlungen der Ausschüsse nach den Absätzen 1 bis 3 zur Weiterentwicklung der Versorgung sollen von den Vertragsparteien nach dem Siebten Kapitel beim Abschluss der Versorgungs- und Rahmenverträge und von den Vertragsparteien nach dem Achten Kapitel beim Abschluss der Vergütungsverträge einbezogen werden.

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7 §  13 Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung zu anderen Sozialleistungen 7.1   Was ist neu? Die Regelungen zur Berücksichtigung des Entlastungsbetrags nach § 45b sind von § 13, Absatz 3a verschoben auf § 45b, Abs. 3, ohne jedoch diese inhaltlich zu verändern. Das Vorrangverhältnis der Eingliederungshilfe bleibt wie bisher geregelt. Zur Umsetzung müssen die beteiligten Kostenträger nun verbindlich Verträge über die Steuerung und Abwicklung abschließen, damit die Leistungen gegenüber dem Leistungsberechtigten aus einer Hand erfolgen können (Abs. 4). Eine Bundesempfehlung soll zu einer einheitlichen Rechtsanwendung führen, die allerdings erst zum 01.01.2018 abzuschließen ist. Sobald Anhaltspunkte für eine Leistungspflicht der Pflegeversicherung bestehen, hat der Träger der Eingliederungshilfe die Pflegekasse mit Zustimmung des Leistungsberechtigten am Planverfahren (nach § 58 XII) zu beteiligen. Die gesamten neuen Regelungen zum Verhältnis der Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe sollen bis zum 01.07.2019 evaluiert werden.

Dadurch, dass die Pflegeversicherung sich durch die neue Einstufungssystematik weg vom eher somatisch orientierten Schwerpunkt hin einem ganzheitlichen Leistungsangebot gewandelt hat- insbesondere auch unter Einschluss von Betreuungsangeboten- ergeben sich neue Abgrenzungsprobleme zur Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII. Bei der Abgrenzung und beim Verhältnis zur Eingliederungshilfe geht es immer auch um unterschiedliche Finanzierungszuständigkeiten: die auf Bundesebene als Versicherung positionierte Pflegeversicherung und die über die Länder zu finanzierenden Ausgaben der Eingliederungshilfe. Im Gesetzentwurf hatte der Bundesgesetzgeber noch geplant, eine formale Abgrenzung sowohl in der Pflegeversicherung als auch in der vergleichbaren Vorschrift der Sozialhilfe (§ 63b) im Gesetz zu formulieren: als Abgrenzungsmerkmal sollte das „häusliche Umfeld“ dienen. Innerhalb des häuslichen Umfeldes sollten die Leistungen der Pflegeversicherung vorrangig sein, außerhalb die der Eingliederungshilfe. Begründet wurde dies mit dem Ziel, eine „möglichst klare Abgrenzung zwischen den Leistungen der Pflege und den Leistun-

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7.2   Kritik und Praxis

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Kapitel 7 36

gen der Eingliederungshilfe zu treffen“ 27. Die Länder haben diese Vorstellung kritisiert und eine andere, differenzierte Abgrenzung vorgeschlagen. So sollten die Leistungen der Eingliederungshilfe bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (Rente) dann vorrangig vor Pflegeversicherungsleistungen sein, wenn das Ziel der Eingliederungshilfe weiter gegeben wäre. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze wäre dann die Pflegeversicherung vorrangig, wenn erst dann erstmals Ansprüche auf Eingliederungshilfeleistungen vorgelegen hätten28. Der Gesetzgeber hatte eine Prüfung dieses Vorschlages zugesagt, allerdings auch festgestellt, dass es durch eine Änderung „nicht zu einer Verlagerung der Kosten anderer Träger auf die Pflegeversicherung führen darf“29. Der nun gefundene Kompromiss lässt im Prinzip alles beim ‚Alten‘, denn die Kernvorschrift über die Abgrenzung „Die Leistungen der Eingliederungshilfe …. sind im Verhältnis zur Pflegeversicherung nicht nachrangig“(Abs. 3, Satz 3) wurde nicht geändert. Neu ist hingegen die Verpflichtung der beteiligten Kostenträger, konkrete Verträge über die Zusammenarbeit und die Abwicklung der Leistungen zu treffen. Zwar gab es ein solches Vereinbarungsrecht schon nach der alten Rechtslage in Abs. 4, allerdings nur als ‚Kann‘-Vorschrift aufgenommen. Diese wird nun als Soll-Vorschrift formuliert, so dass eine solche Vereinbarung beim Zusammentreffen von Leistungen der Pflegeversicherung und der Eingliederungshilfe abzuschließen ist. Inhaltlich verpflichtend zu klären sind im Verhältnis zum Pflegebedürftigen die Übernahme der Leistungen auch der Pflegeversicherung durch den Träger der Eingliederungshilfe (Absatz 4, Punkt 1) (Zuständigkeit), die Organisation der Abrechnung (Punkt 2) sowie konkrete Abwicklung der Übernahme und Durchführung (Punkt 3). Über § 144 Abs. 5 hat der Gesetzgeber eine Überleitungsvorschrift für bestehende Versorgungen aufgenommen (siehe dort). Dabei sind die Wunsch- und Wahlrechte des Leistungsberechtigten weiterhin nicht eingeschränkt, insbesondere welche Leistungen der Pflegeversicherung (Sach-, Geld- oder Kombileistungen) er wünscht, aber auch mögliche Wahlrechte im Rahmen der Eingliederungshilfe. Verweigert der Leistungsberechtigte die Zustimmung zum Abschluss eines solchen Vertrages, so sind die Leistungen weiterhin getrennt zu erbringen30. Die Pflegekasse ist auch frühzeitig an Teilhabeplan- oder Gesamtplanverfahren (§ 58 SGB XII) beratend zu beteiligen, wenn es Anhaltspunkte für ein Zusammentreffen beider Leistungsbereiche gibt, auch zur Vorbereitung der Verträge nach Abs. 4. Um eine Vereinfachung und eine Vereinheitlichung dieser Verträge zu erreichen, sollen der Spitzenverband Bund der Pflegekassen sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft überörtlicher Sozialhilfeträger Bundesemfehlungen zur Umsetzung bis spätestens 01.01.2018 beschließen. Bis dahin müssen die örtlichen Partner ‚allein‘ zurechtkommen. 27  28  29  30 

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Über eine Evaluierungsregelung (bis zum 01.07.2019) will der Gesetzgeber prüfen, ob und wie sich diese Regelungen bewähren auch vor dem Hintergrund der strukturellen Änderungen im SGB XI, aber auch im Recht der Eingliederungshilfe31.

7.3  Gesetzestext § 13 Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung zu anderen Sozialleistungen (1) Den Leistungen der Pflegeversicherung gehen die Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit 1. nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, 2. aus der gesetzlichen Unfallversicherung und 3. aus öffentlichen Kassen auf Grund gesetzlich geregelter Unfallversorgung oder Unfallfürsorge vor. (2) Die Leistungen nach dem Fünften Buch einschließlich der Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 des Fünften Buches bleiben unberührt. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, soweit diese im Rahmen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 des Fünften Buches zu leisten sind. (3) Die Leistungen der Pflegeversicherung gehen den Fürsorgeleistungen zur Pflege 1. nach dem Zwölften Buch,

3. nach dem Bundesversorgungsgesetz (Kriegsopferfürsorge) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, vor soweit dieses Buch nichts anderes bestimmt. Die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach dem Zwölften Buch, dem Bundesversorgungsgesetz und dem Achten Buch bleiben unberührt, sie sind im Verhältnis zur Pflegeversicherung nicht nachrangig; die notwendige Hilfe in den Einrichtungen nach § 71 Abs. 4 ist einschließlich der Pflegeleistungen zu gewähren. (4) Treffen Leistungen der Pflegeversicherung und Leistungen der Eingliederungshilfe zusammen, vereinbaren mit Zustimmung des Leistungsberechtigten die zuständige Pflegekasse und der für die Eingliederungshilfe zuständige Träger,

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2. nach dem Lastenausgleichsgesetz, dem Reparationsschädengesetz und dem Flüchtlingshilfegesetz,

1. dass im Verhältnis zum Pflegebedürftigen der für die Eingliederungshilfe zuständige Träger die Leistungen der Pflegeversicherung auf der Grundlage des von der Pflegekasse erlassenen Leistungsbescheids zu übernehmen hat,

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2. dass die zuständige Pflegekasse dem für die Eingliederungshilfe zuständigen Träger die Kosten der von ihr zu tragenden Leistungen zu erstatten hat sowie 3. die Modalitäten der Übernahme und der Durchführung der Leistungen sowie der Erstattung. Die bestehenden Wunsch- und Wahlrechte der Leistungsberechtigten bleiben unberührt und sind zu beachten. Die Ausführung der Leistungen erfolgt nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Soweit auch Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch zu erbringen sind, ist der für die Hilfe zur Pflege zuständige Träger zu beteiligen. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe bis zum 1. Januar 2018 in einer Empfehlung Näheres zu den Modalitäten der Übernahme und der Durchführung der Leistungen sowie der Erstattung und zu der Beteiligung des für die Hilfe zur Pflege zuständigen Trägers. Die Länder, die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Vereinigungen der Leistungserbringer der Eingliederungshilfe auf Bundesebene sowie die auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen sind vor dem Beschluss anzuhören. Die Empfehlung bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Kapitel 7

(4a) Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte für ein Zusammentreffen von Leistungen der Pflegeversicherung und Leistungen der Eingliederungshilfe, bezieht der für die Durchführung eines Teilhabeplanverfahrens oder Gesamtplanverfahrens verantwortliche Träger mit Zustimmung des Leistungsberechtigten die zuständige Pflegekasse in das Verfahren beratend mit ein, um die Vereinbarung nach Absatz 4 gemeinsam vorzubereiten. (4b) Die Regelungen nach Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 und 4a werden bis zum 1. Juli 2019 evaluiert. (5) Die Leistungen der Pflegeversicherung bleiben als Einkommen bei Sozialleistungen und bei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt; dies gilt nicht für das Pflegeunterstützungsgeld gemäß § 44a Abs. 3. Satz 1 gilt entsprechend bei Vertragsleistungen aus privaten Pflegeversicherungen, die der Art und dem Umfang nach den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig sind. Rechtsvorschriften, die weitergehende oder ergänzende Leistungen aus einer privaten Pflegeversicherung von der Einkommensermittlung ausschließen, bleiben unberührt. (6) Wird Pflegegeld nach § 37 oder eine vergleichbare Geldleistung an eine Pflegeperson (§ 19) weitergeleitet, bleibt dies bei der Ermittlung von Unterhaltsansprüchen und Unterhaltsverpflichtungen der Pflegeperson unberücksichtigt. Dies gilt nicht 38

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1. in den Fällen des § 1361 Abs. 3, der §§ 1579, 1603 Abs. 2 und des § 1611 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs,

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2. für Unterhaltsansprüche der Pflegeperson, wenn von dieser erwartet werden kann, ihren Unterhaltsbedarf ganz oder teilweise durch eigene Einkünfte zu decken und der Pflegebedürftige mit dem Unterhaltspflichtigen nicht in gerader Linie verwandt ist.

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8 § 28a Leistungen bei Pflegegrad 1 8.1   Was ist neu? Die Leistung ist auch dann bei Pflegegrad 1 zu gewähren, wenn keine Leistungen nach §§ 36, 37, 38, 45a oder 45b bezogen werden. Die weitere Ergänzung in Punkt 7, dass der Anspruch auf Leistungen nach § 44a im Rahmen der Pflegezeit und kurzzeitigen Arbeitsverhinderung auch dann zu realisieren ist, wenn der Pflegebedürftige lediglich in Pflegegrad 1 eingestuft ist, ergibt sich zwar aus dem Gesetzestext zu § 44a, wird hier nur noch einmal klargestellt.

Im Gesetzestext des Wohngruppenzuschlags nach § 38a war unter Abs. 2 geregelt, dass „sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 45a oder 45b beziehen“. Da im Pflegegrad 1 keine Sachleistungsansprüche vorhanden sind und Leistungen nach §45b Entlastungsbetrag auch angespart werden können, könnte es somit eine nicht gewollte Leistungslücke geben32, die mit der Einschränkung in Punkt 3 geändert worden ist. Allerdings dürften Pflegebedürftige mit der Einstufung Pflegegrad 1 eher selten in eine Wohngemeinschaft einziehen. Die Änderungen in Punkt 7 dienen lediglich der Klarstellung, denn auch nach jetziger Gesetzeslage können bei Pflegegrad 1 Leistungen nach § 44a bezogen werden. Allerdings kann man schon die Frage stellen, warum Leistungen zur Pflegezeit und kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach dem Pflegezeitgesetz (und evtl. Zuschüsse oder Fortzahlungsansprüche nach § 44a Zusätzliche Leistungen bei Pflegezeit und kurzfristiger Arbeitsverhinderung) für Angehörige von Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 relevant sein sollten? Wie der Gesetzgeber auch bei der identischen Einstufung im Rahmen der Hilfe zur Pflege zum Pflegegrad 1 ausführt, erhält diese Gruppe „aufgrund der nur geringen Ausprägung der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten … nur eingeschränkte Leistungen…33 Warum dann die Angehörigen bei diesem geringen Bedarf das Recht auf eine Auszeit oder auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung benötigen, erschließt sich nicht. Allerdings dürften kaum Angehörige in dieser Konstellation diese Leistungen nutzen.

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8.2   Kritik und Praxis

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8.3  Gesetzestext § 28a Leistungen bei Pflegegrad 1 (1) Abweichend von § 28 Absatz 1 und 1a gewährt die Pflegeversicherung bei Pflegegrad 1 folgende Leistungen: 1. Pflegeberatung gemäß den §§ 7a und 7b, 2. Beratung in der eigenen Häuslichkeit gemäß § 37 Absatz 3, 3. zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen gemäß § 38a, ohne dass § 38a, Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sein muss, 4. Versorgung mit Pflegehilfsmitteln gemäß § 40 Absatz 1 bis 3 und 5, 5. finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen oder gemeinsamen Wohnumfeldes gemäß § 40 Absatz 4, 6. zusätzliche Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen gemäß § 43b, 7. zusätzliche Leistungen bei Pflegezeit und kurzzeitiger Arbeitsverhinderung gemäß § 44a, 8. Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen gemäß § 45. (2) Zudem gewährt die Pflegeversicherung den Entlastungsbetrag gemäß § 45b Absatz 1 Satz 1 in Höhe von 125 Euro monatlich. Dieser kann gemäß § 45b im Wege der Erstattung von Kosten eingesetzt werden, die dem Versicherten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen der Tages- und Nachtpflege sowie der Kurzzeitpflege, von Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36 sowie von Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a Absatz 1 und 2 entstehen.

Kapitel 8

(3) Wählen Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 vollstationäre Pflege, gewährt die Pflegeversicherung gemäß § 43 Absatz 3 einen Zuschuss in Höhe von 125 Euro monatlich.

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9 § 37 Pflegegeld 9.1   Was ist neu? Bei Beratungsbesuchen soll auch auf die Beratungsmöglichkeiten der Pflegestützpunkte sowie auf die Rechte und Möglichkeiten der Pflegeberatung nach § 7a hingewiesen werden. Zukünftig können neben den Pflegeberatern nach § 7a die Beratungsbesuche auch durch entsprechend qualifizierte Mitarbeiter kommunaler Gebietskörperschaften durchgeführt werden.

Die Möglichkeit, dass entsprechend qualifizierte Mitarbeiter der Kommunen Beratungsbesuche nach § 37.3 übernehmen, wird in der Praxis eine ähnlich geringe Rolle spielen wie die Durchführung durch die Pflegeberater der Pflegekassen. Denn wer den Beratungsbesuch übernimmt, entscheidet allein der Pflegebedürftige, der hier den Auftrag vergibt. Deshalb stellt sich für ihn immer die Frage, ob man nicht lieber einen Pflegedienst, der im Gebiet tätig ist und einen auch später versorgen könnte, mit dem Besuch beauftragt oder einen Mitarbeiter der Kommune. Die Nähe zur Sozialhilfe wird hier ebenso negativ wirken wie bei den Pflegeberatern die Stellung als Pflegekassenmitarbeiter, auch wenn alle per Gesetz ‚neutral‘ und sachgerecht zu beraten haben. Die zum 01.01.2018 zu verabschiedende Richtlinie über die Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach § 37.3 wird hier mehr formale Klarheit schaffen, wie die Beratungsbesuche inhaltlich zu gestalten sind. Allerdings sollte der Gesetzgeber spätestens dann die zwar historisch bedingte, inzwischen aber überholte Finanzierungsregelung aufheben und auch die Vergütung dieser Leistungen im Rahmen der Vergütungsvereinbarungen nach § 89 regeln 34.

9.3   Gesetzestext § 37 Pflegegeld (1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen

34  Siehe auch Heiber in PSG II, S. 93

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bei der Haushaltsführung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Das Pflegegeld beträgt je Kalendermonat 1. 316 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2, 2. 545 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3, 3. 728 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4, 4. 901 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5. (2) Besteht der Anspruch nach Absatz 1 nicht für den vollen Kalendermonat, ist der Geldbetrag entsprechend zu kürzen; dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. Die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes wird während einer Kurzzeitpflege nach § 42 für bis zu acht Wochen und während einer Verhinderungspflege nach § 39 für bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr fortgewährt. Das Pflegegeld wird bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem der Pflegebedürftige gestorben ist. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches gilt entsprechend, wenn für die Zeit nach dem Monat, in dem der Pflegebedürftige verstorben ist, Pflegegeld überwiesen wurde. (3) Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Absatz 1 beziehen, haben 1. bei Pflegegrad 2 und 3 halbjährlich einmal,

Kapitel 9

2. bei Pflegegrad 4 und 5 vierteljährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit durch eine zugelassene Pflegeeinrichtung, durch eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz oder, sofern dies durch eine zugelassene Pflegeeinrichtung vor Ort oder eine von den Landesverbänden der Pflegekassen anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz nicht gewährleistet werden kann, durch eine von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Pflegefachkraft abzurufen. Die Beratung dient der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden. Die Pflegebedürftigen und die häuslich Pflegenden sind bei der Beratung auch auf die Auskunfts-, Beratungs- und Unterstützungsangebote des für sie zuständigen Pflegestützpunktes sowie auf die Pflegeberatung nach § 7a hinzuweisen. Die Vergütung für die Beratung ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen zu tragen, im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von den Beihilfefestsetzungsstellen. Sie beträgt in den Pflegegraden 2 und 3 bis zu 23 Euro und in den Pflegegraden 4 und 5 bis zu 33 Euro. Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch, halbjährlich einmal einen Beratungsbesuch abzurufen; die Vergütung für die Beratung entspricht der für die Pflegegrade 2 und 3 nach Satz 5. Beziehen Pflegebedürftige von einem ambulanten Pflegedienst Pflegesachleistungen, können sie ebenfalls halbjährlich einmal einen Beratungsbesuch in Anspruch nehmen; für die Vergütung der Beratung gelten die Sätze 4 bis 6.

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(4) Die Pflegedienste und die anerkannten Beratungsstellen sowie die beauftragten Pflegefachkräfte haben die Durchführung der Beratungseinsätze gegenüber der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen zu bestätigen sowie die bei dem Beratungsbesuch gewonnenen Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Verbesserung der häuslichen Pflegesituation dem Pflegebedürftigen und mit dessen Einwilligung der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen mitzuteilen, im Fall der Beihilfeberechtigung auch der zuständigen Beihilfefestsetzungsstelle. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen stellen ihnen für diese Mitteilung ein einheitliches Formular zur Verfügung. Der beauftragte Pflegedienst und die anerkannte Beratungsstelle haben dafür Sorge zu tragen, dass für einen Beratungsbesuch im häuslichen Bereich Pflegekräfte eingesetzt werden, die spezifisches Wissen zu dem Krankheits- und Behinderungsbild sowie des sich daraus ergebenden Hilfebedarfs des Pflegebedürftigen mitbringen und über besondere Beratungskompetenz verfügen. Zudem soll bei der Planung für die Beratungsbesuche weitestgehend sichergestellt werden, dass der Beratungsbesuch bei einem Pflegebedürftigen möglichst auf Dauer von derselben Pflegekraft durchgeführt wird. (5) Die Vertragsparteien nach § 113 beschließen gemäß § 113b bis zum 1. Januar 2018 unter Beachtung der in Absatz 4 festgelegten Anforderungen Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 3. Fordert das Bundesministerium für Gesundheit oder eine Vertragspartei nach § 113 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit die Vertragsparteien schriftlich zum Beschluss neuer Empfehlungen nach Satz 1 auf, sind diese innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Aufforderung neu zu beschließen. Die Empfehlungen gelten für die anerkannten Beratungsstellen entsprechend.

(7) Die Landesverbände der Pflegekassen haben neutrale und unabhängige Beratungsstellen zur Durchführung der Beratung nach den Absätzen 3 und 4 anzuerkennen. Dem Antrag auf Anerkennung ist ein Nachweis über die erforderliche pflegefachliche Kompetenz der Beratungsstelle und ein Konzept zur Qualitätssicherung des Beratungsangebotes beizufügen. Die Landesverbände der Pflegekassen regeln das Nähere zur Anerkennung der Beratungsstellen. (8) Die Beratungsbesuche nach Absatz 3 können auch von Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern im Sinne des § 7a oder von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften, die die erforderliche pflegefachliche Kompetenz aufweisen, durchgeführt werden. Absatz 4 findet entsprechende Anwendung. Die Inhalte der Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 5 sind zu beachten.

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(6) Rufen Pflegebedürftige die Beratung nach Absatz 3 Satz 1 nicht ab, hat die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen.

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10 P  flege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen, § 43a 10.1   Was ist neu? In Einrichtungen der Behindertenhilfe, die auch Pflege im Sinne des SGB XI erbringen, ist die Leistung der Pflegekasse auf pauschal maximal 266 € im Monat beschränkt. Dabei wird auch die erweiterte Definition der nicht von der Pflegekasse zu finanzierenden Einrichtungstypen des § 71 berücksichtigt (siehe auch Neudefinition § 71).

Weiterhin wird nicht verändert, dass behinderte Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen oder gleichgestellten ambulanten Wohnformen nur einen eingeschränkten Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung haben. Da die Leistungen der Pflegeversicherung als Versicherungsleistungen anderen Regelungen unterliegen wie die staatlichen Fürsorgeleistungen der Eingliederungshilfe, wäre ein finanziell größerer Zugang zu Versicherungsleistungen für die behinderten Pflegebedürftigen mit mehr Wahlfreiheit und Mitbestimmung verbunden gewesen. Trotz Kritik hat der Gesetzgeber hier weiterhin die bisherige Linie der Gesetzgebung beibehalten und die Leistungen auf maximal 266 € pro Monat begrenzt. Zwar hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum PSG III hier eine Änderung und damit einen Zugang zu allen Leistungen auch für behinderte Pflegebedürftige gefordert, der Gesetzgeber hat dies aber mit Hinweis auf die Zuständigkeit der Eingliederungshilfe abgelehnt35. Und letztlich geht es hier um die Frage der finanziellen Leistungsfähigkeit der Pflegeversicherung (siehe auch § 71).

10.3   Gesetzestext § 43a Inhalt der Leistung Für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in einer vollstationären Einrichtung im Sinne des § 71 Absatz 4 Nummer 1, in der die Teilhabe am Arbeitsleben, an Bildung oder die soziale Teilhabe, die schulische Ausbildung oder die Erziehung von Menschen mit Behinderungen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen, übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Absatz 2 genannten Aufwendungen 15 Prozent der nach Teil 2 Kapitel 8 des Neunten Buches vereinbarten Vergütung. Die Aufwen35  BT-Drucks. 18/9959, S. 36, zu Nummer 15

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Kapitel 10

dungen der Pflegekasse dürfen im Einzelfall je Kalendermonat 266 Euro nicht überschreiten. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in Räumlichkeiten im Sinne des § 71 Absatz 4 Nummer 3, die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Teil 2 des Neunten Buches erhalten. Wird für die Tage, an denen die Pflegebedürftigen im Sinne der Sätze 1 und 3 zu Hause gepflegt und betreut werden, anteiliges Pflegegeld beansprucht, gelten die Tage der An- und Abreise als volle Tage der häuslichen Pflege.

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11 § 45b Entlastungsbetrag 11.1  Was ist neu? Der Gesetzgeber stellt klar, dass es keines zusätzlichen (jährlichen) Antrags auf diese Leistung bedarf, sondern allein die Einstufung in einen Pflegegrad und der Nachweis der Kosten als Antrag ausreichen. Zu beachten sind auch die ergänzten Überleitungsregelungen in § 144, Abs. 3 (siehe dort). Das bisher in § 13 Abs. 3a geregelte Verhältnis zu Fürsorgeleistungen des SGB XII ist nun in Absatz 3 geregelt, wobei weiterhin die Leistungen nach § 45b nicht angerechnet werden. Im neuen Absatz 4 wird festgelegt, dass die von den zugelassenen Pflegeeinrichtungen verlangten Vergütungen nicht höher liegen dürfen als die Preise vergleichbarer Leistungen im Rahmen der Sachleistungen nach § 36. Für nach Landesrecht zugelassene Einrichtungen können die Länder über ihre Landesverordnungen Entsprechendes regeln.

Für viel Kopfschütteln hatte 2015 die Entscheidung der Barmer Pflegekasse geführt, die ab 2015 von ihren Versicherten jährlich einen weiteren Antrag forderte, um den Leistungsanspruch nach § 45b ab Jahresbeginn zu begründen. Dabei war mit der Erweiterung des Leistungsanspruchs auf alle Pflegebedürftige die Rechtlage nicht geändert worden. Während also wie alle anderen Pflegekassen auch die Barmer Pflegekasse für Anspruchsberechtigte im Jahr 2014 noch keinen weiteren Antrag forderte und damit selbstverständlich auch monatliche Leistungen angespart werden konnten, forderte die Barmer ab 2015 einen damit dann dritten Antrag, ansonsten seien die normalerweise angesparten Leistungsansprüche bis zum Antragseingang auf Kostenerstattung verfallen. Trotz einer vergleichbaren Rechtslage in der Verhinderungspflege und einem entsprechenden BSG-Urteil vom 12. August 2010 36 blieb die Barmer bei ihrer Auffassung und erhielt sogar noch Unterstützung durch das Bundesversicherungsamt, dass mit Schreiben vom 18.01.2016 diese Auslegung stützte37. Nicht nur Ronald Richter hat der Auslegung des Bundesversicherungsamtes widersprochen, weil sie der bestehenden Gesetzeslage widersprach38. Gleich im Referentenentwurf zum PSG III mit Stand vom 26.04.2016 hat der Gesetzgeber die jetzt erfolgte (weitere) Klarstellung eingeführt und in der Gesetzesbegründung nochmals darauf hingewiesen, dass hiermit 36  BSG vom 12.08.2010, B 3 P 3/09 R 37  http://www.bundesversicherungsamt.de/fileadmin/redaktion/Pflegeversicherung/Rundschreiben/Rundschreiben_Bewilligung_von_Leistungen_nach____45b_SGB_XI.pdf 38  Richter in Carekonkret, 11.3.2016, S. 11

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11.2  Kritik und Praxis

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Kapitel 11 50

lediglich „Auslegungsfragen zu der bestehenden Vorschrift“ geklärt werden39, offensichtlich insbesondere für eine bestimmte Kasse (Barmer) formuliert. Neben der Korrektur geht der Gesetzgeber aber noch weiter: Im Rahmen der neu geschaffenen Übergangsregelung nach § 144 Abs. 3 können Leistungsberechtigte (alle Versicherten, die seit 01.01.2015 pflegebedürftig im Sinne §§ 15 oder § 45a waren) ihre noch nicht genutzten Leistungsansprüche aus den Jahren 20152016 bis Ende 2018 für Leistungen im Sinne § 45b nutzen (mehr dazu siehe § 144); der Gesetzgeber stellt also nicht nur für die Zukunft klar, wie er die Regelung verstanden haben will; er sorgt auch dafür, dass Leistungsberechtigte ihre Ansprüche nicht durch das falsch verstandene Verwaltungshandeln einzelner Kassen verlieren, sondern diese Ansprüche weiterhin nutzen können. Als Begründung nennt er ausdrücklich die „Auslegungsprobleme“40 . Weiterhin wird die Abgrenzung der Leistungsansprüche nach § 45b zu anderen Leistungen insbesondere der Hilfe zur Pflege im Rahmen der Sozialhilfe nun im neuen Abs. 3 geregelt. Dabei wird inhaltlich nur die Regelung des bisherigen § 13, Abs. 3a übernommen, wie sie seit dem Pflege-Leistungsergänzungsgesetz mit Inkrafttreten zum 01.01.2002 Bestand hatte. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass damit keine inhaltliche Änderung verbunden ist41. Die weitere Abgrenzung zur Hilfe zur Pflege im Rahmen des SGB XII erfolgt, weil die Regelungen im SGB XII neu formuliert wurden. Explizit ist hier nochmal geregelt, dass die Regelung zum Leistungsausschluss nach § 63b nicht auf den Entlastungsbetrag nach § 45b angewendet werden darf (siehe auch Kommentierung zu §§ 62 ff. SGB XII, Seite 119). Wie bisher kann die Sozialhilfe nicht beispielsweise hauswirtschaftliche Leistungen mit dem Hinweis darauf kürzen, dass der Versicherte diese ja auch mit seinem Budget nach § 45b finanzieren könnte. Gesondert wird über die ergänzte Bestandsschutzregelung nach § 141, Abs. 2 geregelt, dass beim Bezug des bisher erhöhten Leistungsbetrags von 208 € auch ein Bestandsschutz gilt: die Differenz zum neuen Leistungsbetrag (125 €) von 83 € wird dadurch bei der Hilfe zur Pflege berücksichtigt, dass Leistungen in dieser Höhe durch die Pflegeversicherung nicht bei der Hilfe zur Pflege angerechnet werden, sie also für den Versicherten ‚zusätzlich‘ zum festgestellten Bedarf nutzbar sind. Die erst im letzten Gesetzgebungsschritt (Beschlussempfehlung und Bericht des 14. Ausschusses für Gesundheit vom 30.11.2016)42 noch eingeführte Regelung zur Höhe der Vergütung für die Kostenerstattungsleistungen hat schon im Dezember 2016 zu einigen Diskussionen geführt, auch weil beispielsweise in Niedersachsen diese Regelung dahingehend von den Landesverbänden der Pflegekassen auslegt wurde, dass damit automatisch nicht nur die Preishöhe der Sachleistungen, sondern auch deren Definitionen und Abrechnungsregelungen zu

39  Referentenentwurf zum PSG III vom 26.04.2014 14:16 Uhr 40  BT-Drucks. 18/9518, S. 81 41  BT-Drucks. 18/9518, S. 70 42  BT-Drucks. 18/10510 (Vorabfassung) (Vorabfassung)

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43  Schreiben an die Leistungserbringer der Landesverbände der Pflegekassen in Niedersachsen mit Datum vom 03.12.2016 44  Siehe BT-Drucks. 18/10510 (Vorabfassung), S. 109 45  Siehe auch Heiber u.a. in PSG II, S. 143, PSG I, S. 77 46  Siehe beispielsweise www.pflegelotse.de für den Bereich Frankfurt am Main; angegeben ist der Preis für 5 Minuten mit Stand vom 03.01.2016 47  Aktuell dazu auch Sießßegger in Häusliche Pflege 1/2017, S. 21 48  BT-Drucks. 18/5926, S. 133

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gelten hätten43. Dabei hat der Gesetzgeber hier ausdrücklich nur eine Preisobergrenze einführen wollen: In der Gesetzesbegründung hat er die Änderung damit begründet, dass in der Praxis Pflegebedürftigen für identische Leistungen (auch der Tages- oder Kurzzeitpflege) zum Teil deutlich höhere Preise in Rechnung gestellt wurden. Das sieht der Gesetzgeber als Verstoß gegen die Belange des Pflegebedürftigen als auch gegen die Interessen der Pflegeversicherung44, weshalb er diese Regelung eingeführt hat. In der Tat gab es auch veröffentlichte Empfehlungen teilweise aus Verbänden oder von Beratern, im Rahmen der Kostenerstattung höhere Preise für identische Leistungen zu verlangen, um beispielsweise nicht kostendeckende Vergütungen im Bereich der Sachleistungen damit auszugleichen. Es war aber schon immer problematisch, faktisch für die gleiche Leistung durch den gleichen Mitarbeiter unterschiedliche Preise zu nehmen45. In der Vergangenheit wurde die Hauswirtschaft in vielen Bundesländern und damit von vielen Pflegediensten eher stiefmütterlich behandelt und zum Teil weder wirtschaftlich kalkuliert noch verhandelt. Als Beispiel mag Hessen dienen: bei einer kirchlichen Sozialstation in der Stadt Frankfurt kostet die Stunde hauswirtschaftliche Versorgung (LK 13, im 5-Minuten-Takt definiert) aktuell 15,84 €, bei einer anderen immerhin 19,20 € 46; mit Blick auf einen gültigen Pflege-Mindestlohn von 10,20 € wird man sich die Frage stellen müssen, ob diese Preise die realen Kosten decken können. Der ‚Ausweg‘, die Hauswirtschaft als Entlastungsleistung mit einem richtigen oder noch höheren Preis zu refinanzieren, war verlockend, aber wie oben ausgeführt systematisch falsch47. Allerdings hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung nur die vergleichbare Preishöhe als Maßstab definiert, aber nicht festgelegt, dass auch die Leistungsstrukturen gleich sein müssen. Daher ist auch die Interpretation der Pflegekassen in Niedersachsen vom Gesetzestext nicht korrekt, wenn sie nicht nur auf die gleichen Preise, sondern auch auf die vereinbarten Leistungskomplexe verweisen. Denn der Gesetzgeber wollte mit dem Verweis auf „Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36“(§ 45b, Abs. 3) nur verdeutlichen, dass es damit keinen „Sonderbereich für das Tätigwerden zugelassener Pflegedienste (im Rahmen des) in § 45b (gibt)“48. Er hat damit aber nicht festgelegt, dass auch die Leistungsstruktur, die im Rahmen der Vergütungsvereinbarungen nach § 89 (teilweise mit Festlegungen im Rahmenvertrag nach § 75) abgeschlossen wurde, automatisch bindend ist. Der Verweis auf den Inhalt reduziert die Leistungserbringung

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nicht auf die Leistungsstrukturen, sondern nur auf den inhaltlichen Rahmen, der im § 36 auf der Basis der Bereiche des § 14 definiert wird. Zur Vergleichbarkeit der Preise muss ergänzt werden, dass im Rahmen der Sachleistungen die sogenannten investiven Kosten nach § 82, Abs. 2 nicht enthalten sind. In Ländern mit Förderung (nur noch Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und teilweise Bayern) ergeben sich dann die vergleichbaren Preise aus dem vereinbarten Preis zuzüglich des entsprechenden Landeszuschusses, in anderen Ländern die vereinbarten Preise zuzüglich der privat weiter berechneten Investitionskosten49. Ein weiteres Kriterium kann die Vergleichbarkeit erschweren oder verhindern: Wenn die Leistung im Rahmen des Entlastungsbetrages nicht vergleichbar ist mit der definierten Sachleistung. Insbesondere bei der pflegerischen Betreuung kann dies dann der Fall sein, wenn die Betreuung kalkulatorisch mit (kostengünstigen) Betreuungskräften definiert wurde, der Pflegebedürftige aber die Betreuung gern über seine Lieblings-Schwester (Fachkraft) hätte. Dann wäre die Leistung nicht vergleichbar, ein höherer Preis wäre nicht nur gerechtfertigt, sondern auch nötig50. Es wird also gerade in der ersten Zeit noch zu vielen Diskussionen mit den Kostenträger kommen über die richtige Höhe der Vergütung. Gleiches gilt im Übrigen auch für die nach Landesrecht zugelassenen Dienstleister gemäß § 45b, Abs. 1, Satz 3, Nr. 4. Hier sollen die Länder die Preisgrenzen in den entsprechenden Landesrichtlinien nach § 45a Abs. 3 definieren. Dies ist schon nach heutigem Kenntnisstand in Brandenburg51 sowie in NRW52 geschehen. Ob mit formulierten Preisobergrenzen (in NRW sind dies lt. Richtlinie zur Zeit 25 €) ein attraktiver Bereich für neue Anbieter haushaltsnaher Dienstleistungen entstehen kann, wird sich erst noch zeigen müssen.

Kapitel 11

11.3  Gesetzestext § 45b Entlastungsbetrag (1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von 1. Leistungen der Tages- oder Nachtpflege, 2. Leistungen der Kurzzeitpflege,

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49  Zur Kostenrechnung ausführlich: Heiber/Nett: Kostenrechnung und Preiskalkulation, 2013, S. 14 ff. 50  S iehe auch Heiber in PDL Praxis, Beilage Häusliche Pflege, 11/2016 51  http://bravors.brandenburg.de/verordnungen/nbea_anerkv_2016  V. NRW. Ausgabe 2016, Nr. 39, vom 12.12.2016, Seite 1035 52  G

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3. Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung, 4. Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a. Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 3 genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 eingesetzt werden. (2) Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf. Die Kostenerstattung in Höhe des Entlastungsbetrags nach Absatz 1 erhalten die Pflegebedürftigen von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel gegen Vorlage entsprechender Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der in Absatz 1 Satz 3 genannten Leistungen. Die Leistung nach Absatz 1 Satz 1 kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummern 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Näheres zur Ausgestaltung einer entsprechenden Begrenzung der Vergütung, die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verlangt werden darf, können die Landesregierungen in der Rechtsverordnung nach § 45a Absatz 3 bestimmen.

Das Pflege-Stärkungsgesetz 3

(3) Der Entlastungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 findet bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach § 13 Absatz 3 Satz 1 keine Berücksichtigung. § 63b Absatz 1 des Zwölften Buches findet auf den Entlastungsbetrag keine Anwendung. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 darf der Entlastungsbetrag hinsichtlich der Leistungen nach § 64i oder § 66 des Zwölften Buches bei der Hilfe zur Pflege Berücksichtigung finden, soweit nach diesen Vorschriften Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalte den Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 entsprechen.

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11.4  Folgeänderung in § 141 Besitzstandsschutz und Übergangsrecht zur sozialen Sicherung von Pflegepersonen Ergänzung des Absatzes 2 (2) Versicherte, 1. die am 31. Dezember 2016 einen Anspruch auf den erhöhten Betrag nach § 45b Absatz 1 in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung haben und 2. deren Höchstleistungsansprüche, die ihnen nach den §§ 36, 37 und 41 unter Berücksichtigung des § 140 Absatz 2 und 3 ab dem 1. Januar 2017 zustehen, nicht um jeweils mindestens 83 Euro monatlich höher sind als die entsprechenden Höchstleistungsansprüche, die ihnen nach den §§ 36, 37 und 41 unter Berücksichtigung des § 123 in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung am 31. Dezember 2016 zustanden, haben ab dem 1. Januar 2017 Anspruch auf einen Zuschlag auf den Entlastungsbetrag nach § 45b in der ab dem 1. Januar 2017 jeweils geltenden Fassung. Die Höhe des monatlichen Zuschlags ergibt sich aus der Differenz zwischen 208 Euro und dem Leistungsbetrag, der in § 45b Absatz 1 Satz 1 in der ab dem 1. Januar 2017 jeweils geltenden Fassung festgelegt ist. Das Bestehen eines Anspruchs auf diesen Zuschlag ist den Versicherten schriftlich mitzuteilen und zu erläutern.

Kapitel 11

Für den Zuschlag auf den Entlastungsbetrag gilt § 45b Absatz 3 entsprechend. Bei Versicherten, die keinen Anspruch auf einen Zuschlag haben und deren Ansprüche nach § 45b zum 1. Januar 2017 von 208 Euro auf 125 Euro monatlich abgesenkt werden, sind zur Sicherstellung des Besitzstandsschutzes monatlich Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von bis zu 83 Euro nicht auf Fürsorgeleistungen zur Pflege anzurechnen.

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12 § 71 Pflegeeinrichtungen 12.1  Was ist neu? Im Rahmen der Abgrenzung von Einrichtungen, in denen die Pflegeversicherung keine Leistungen erbringt, sind auch Einrichtungstypen aufgenommen worden, die insbesondere im Rahmen der Eingliederungshilfe genutzt werden wie Wohngemeinschaften (Unterpunkt 3 in Absatz 4). Wird bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände hier vergleichbar einer vollstationären Einrichtung die Versorgung sichergestellt, so können keine Leistungen der Pflegeversicherung bezogen werden. Über eine vom Spitzenverband der Pflegekassen zu erlassende Richtlinie soll bei der Abgrenzung Rechtssicherheit und eine einheitliche Rechtsauslegung geschaffen werden.

Schon nach bisheriger Rechtslage waren stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe vom kompletten Leistungsbezug der Pflegeversicherung ausgeschlossen, nur die eingeschränkte Finanzierung nach § 43a war möglich. Ursprünglich, im Gesetzesstand der Pflegeversicherung von 1995, war die Leistung für diese Gruppe gar nicht vorgesehen, erst mit dem Ersten SGB XI-Änderungsgesetz mit Gültigkeit vom 01.07.1996 ist der neue § 43a eingeführt worden. In der Begründung des Gesetzentwurfes wurde ausgeführt, dass die Trennung und die nur gering ausgestattete Leistung allein aus Finanzierungsgründen so festgelegt worden ist53. Aus dieser Historie heraus sind auch die Änderungen im Rahmen des PSG III zu verstehen. Sie berücksichtigen dabei den Umstand, dass auch in der Behindertenhilfe die Ambulantisierung, also die Abkehr von klassischen stationären Einrichtungen, fortschreitet. Solange in der Gesamtbetrachtung eine dem Umfang einer stationären Versorgung entsprechende Konstellation vorliegt (z.B. anbieterverantwortete Wohngemeinschaft), so sind die Leistungen auf den Anteil nach § 43a reduziert. Anders sieht es aus, wenn das Wohnen und die Betreuung tatsächlich getrennt sind: Behinderte Pflegebedürftige, die bei ihren Eltern oder in einer eigenen Wohnung wohnen und nur tagsüber beispielsweise in einer Werkstatt für Behinderte arbeiten, sind von dieser Regelung nicht betroffen und können hier entsprechend vollständig ambulante Leistungen für die Versorgung zuhause beziehen. Eine einheitliche Beurteilung und Rechtsauslegung wird es allerdings erst dann geben, wenn eine entsprechende Richtlinie bis zum 01.07.2019 vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen mit Zustimmung der zuständigen Bundesminis53  Siehe auch BT-Drucks. 13/2696, S. 15

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terien erlassen sein wird. Denn insbesondere der Träger der Eingliederungshilfe hätte sicherlich ein großes Interesse daran, mehr Leistungen der Pflegeversicherung durch die Schaffung von ‚ambulanten‘ Wohnformen zu erhalten. Gerade hier werden die Abgrenzungskriterien zu einer tatsächlich selbstbestimmten und damit nicht anbieterverantworteten Wohngemeinschaft eine wesentliche Rolle spielen.

12.3  Gesetzestext § 71 Pflegeeinrichtungen (1) Ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste) im Sinne dieses Buches sind selbständig wirtschaftende Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebedürftige in ihrer Wohnung pflegen und hauswirtschaftlich versorgen. (2) Stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime) im Sinne dieses Buches sind selbständig wirtschaftende Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige: 1. unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden, 2. ganztägig (vollstationär) oder tagsüber oder nachts (teilstationär) untergebracht und verpflegt werden können. (3) Für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne von Absatz 1 und 2 ist neben dem Abschluss einer Ausbildung als 1. Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger, 2. Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger oder

Kapitel 12

3. Altenpflegerin oder Altenpfleger eine praktische Berufserfahrung in dem erlernten Ausbildungsberuf von zwei Jahren innerhalb der letzten acht Jahre erforderlich. Bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, die überwiegend behinderte Menschen pflegen und betreuen, gelten auch nach Landesrecht ausgebildete Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger sowie Heilerzieherinnen und Heilerzieher mit einer praktischen Berufserfahrung von zwei Jahren innerhalb der letzten acht Jahre als ausgebildete Pflegefachkraft. Die Rahmenfrist nach Satz 1 oder 2 beginnt acht Jahre vor dem Tag, zu dem die verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne des Absatzes 1 oder 2 bestellt werden soll. Für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft ist ferner Voraussetzung, dass eine Weiterbildungsmaßnahme für leitende Funktionen mit einer Mindeststundenzahl, die 460 Stunden nicht unterschreiten soll, erfolgreich durchgeführt wurde. (4) Keine Pflegeeinrichtungen im Sinne des Absatzes 2 sind 1. stationäre Einrichtungen, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Teilhabe an Bildung oder zur sozialen Teilhabe, die schulische Ausbildung oder die Erziehung 56

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kranker Menschen oder von Menschen mit Behinderungen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen, 2. Krankenhäuser sowie 3. Räumlichkeiten, a) in denen der Zweck des Wohnens von Menschen mit Behinderungen und der Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe für diese im Vordergrund steht, b) auf deren Überlassung das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz Anwendung findet und

Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen erlässt mit dem Ziel, eine einheitliche Rechtsanwendung zu fördern, spätestens bis zum 1. Juli 2019 Richtlinien zur näheren Abgrenzung, wann die in Satz 1 Nummer 3 Buchstabe c genannten Merkmale vorliegen und welche Kriterien bei der Prüfung dieser Merkmale mindestens heranzuziehen sind. Die Richtlinien nach Satz 2 sind im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V., der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene zu beschließen; die Länder, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sowie die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene sind zu beteiligen. Für die Richtlinien nach Satz 2 gilt § 17 Absatz 2 entsprechend mit der Maßgabe, dass das Bundesministerium für Gesundheit die Genehmigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erteilt und die Genehmigung als erteilt gilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden.

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c) in denen der Umfang der Gesamtversorgung der dort wohnenden Menschen mit Behinderungen durch Leistungserbringer regelmäßig einen Umfang erreicht, der weitgehend der Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entspricht; bei einer Versorgung der Menschen mit Behinderungen sowohl in Räumlichkeiten im Sinne der Buchstaben a und b als auch in Einrichtungen im Sinne der Nummer 1 ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, ob der Umfang der Versorgung durch Leistungserbringer weitgehend der Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entspricht.

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13 §  72 Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag 13.1  Was ist neu? Die Ergänzungen beziehen sich auf die Möglichkeiten des Abschlusses von Gesamtversorgungsverträgen. Diese sollen auch für einzelne, eingestreute Pflegeplätze ebenso möglich sein wie zur Umsetzung einer quartiersnahen Unterstützung zwischen verschiedenen Versorgungsbereichen. Gemeint sind beispielsweise eingestreute Tages- und/oder Nachtpflegeplätze oder Kurzzeitpflegeplätze in einem Pflegeheim oder andere Konstellationen.

Die Möglichkeit Gesamtversorgungsverträge abzuschließen, wurde 2008 mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz eingeführt. Hintergrund war primär die Möglichkeit der gemeinsamen Nutzung personeller, aber auch sachlicher Ressourcen zur effektiveren Versorgung der Pflegebedürftigen54. Wie die Bundesregierung selbst im 6. Pflegebericht für die Jahre 2011-2015 feststellt, wird das Instrument der Gesamtversorgungsverträge kaum genutzt: Ausnahmen sind Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen; bei insgesamt über 25.000 Versorgungsverträgen gab es Ende 2015 aber nur 213 Gesamtversorgungsverträge55. Die Länder haben in ihrer Stellungnahme eine noch weitergehend formulierte Regelung angeregt, die stationären Einrichtungen, die auch die Versorgung von Bewohnerinnen und Bewohnern ermöglichen sollte, die nicht in der Einrichtung, sondern im Quartier wohnen56 (beispielsweise durch die Nutzung von Essensangeboten, Fitnessgeräten etc.). Die Bundesregierung hat im Kern diesen Gedanken aufgenommen, ihn nur nicht so konkret im Gesetz ausformuliert. Insbesondere die Pflegeheime oder anderen stationären Einrichtungen sollen mit ihrer Infrastruktur und ihren Möglichkeiten auch anderen Kundengruppen offenstehen können. Denkbar sind beispielswiese Pflegeheime, die eingestreute Plätze an Kurzzeitpflege, Tagespflege und/oder Nachtpflege anbieten oder auch als ambulanter Pflegedienst die Versorgung im benachbarten Betreuten Wohnen übernehmen. Oder eine Tagespflege, dessen Pflegebad für das Duschen von ambulant versorgten Pflegebedürftigen (ohne barrierefreies Bad) genutzt wird. Voraussetzung bei allen Varianten ist, dass die finanzielle und damit auch personelle Zuordnung (und evtl. vereinbarten Personalschlüssel) zu den verschie54  BT-Drucks. 16/7439, S. 67 55  6. Pflegebericht 2011-2015, Tab. S. 276 56  BT- Drucks. 18/9959, S. 12-13

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denen Teilbereichen weiterhin erhalten bleibt („selbständig wirtschaftende Einrichtung“ (§ 71. Abs. 1 bzw. 2)). So soll vermieden werden, dass beispielsweise ein Pflegeheim mit dem gleichen Personal noch 5 Tagespflegegäste zusätzlich versorgt und zusätzliche Einnahmen generiert, ohne zusätzliches Personal dafür vorzuhalten. Mit modernen Arbeitszeiterfassungssystemen sowie einer differenzierten Dienstplanung sollte dies unproblematisch nachweisbar sein. Auf jeden Fall setzt der Gesetzgeber mit diesen erweiterten Regelungen die Landesverbände der Pflegekassen unter Druck, solche Gesamtversorgungsverträge auch abzuschließen. Ob Pflegeheimen die Öffnung ins Quartier gelingt, hängt jedoch sicherlich von anderen Faktoren ab: denn die Heimnähe kann auch eher abschreckend wirken. Man kann dies beispielsweise bei der Tagespflege beobachten: Solitäre Tagespflegen haben einen einfacheren Marktzugang (werden schneller voll) als Tagespflegen im Heimgebäude. Werden eingestreute Plätze nur dazu genutzt, möglichst darüber neue Heimbewohner zu gewinnen, wird ein solches Konzept weder der Quartiersversorgung dienen noch wirtschaftlich erfolgreich sein. Das hat auch mit dem (leider) weiterhin schlechten Image der Heime zu tun, auch wenn vor Ort viele Einrichtungen dies erfolgreich widerlegen. Die Vernetzung und die Nutzung von Infrastruktur bietet sich bei der Tagespflege (eingestreute Plätze) und vor allem bei der Nachtpflege an: Hier könnten Heime Angebote schaffen für Menschen, die in der Nacht eine besondere Betreuung benötigen, die zuhause durch die Angehörigen nicht zu leisten ist. Bei der Tagespflege gibt es nach unserem Kenntnisstand allein in Bayern Modelle der eingestreuten Tagespflegeplätze, die auch für andere Regionen und insbesondere für kleine quartiersnahe Heime eine sinnvolle Erweiterung darstellen könnten. Natürlich gehören auch eingestreute Kurzzeitpflegeplätze, wie sie es in sehr vielen Bundesländern gibt (die oft aber nicht über Gesamtversorgungsverträge organisiert sind) zu möglichen Modellen. Für eine bedarfsdeckende quartiersnahe Versorgungsstruktur fehlen aber Angebote für die kurzzeitige Versorgung von Pflegebedürftigen, beispielsweise nur für ein Wochenende. Sehr viele stationäre Einrichtungen lehnen auch wegen der formalen Anforderungen (und bürokratischen Aufwände) eine kurzfristige Aufnahme ab. Aber gerade hier wäre eine wichtige Versorgungslücke zwischen ambulanter Versorgung bzw. der Versorgung von ambulant und Tagespflege zu schließen. Die Lücke ist nicht durch die Nachtpflege zu schließen, die losgelöst von der ‚Tag-Pflege‘ zu sehen ist. Wenn stationäre Einrichtung auch ambulante Leistungen erbringen und abrechnen wollen (z.B. ‚Duschen/Baden‘ im Heimbad oder die Versorgung im angebauten Betreuten Wohnen), benötigen sie nicht nur einen ‚zusätzlichen‘ ambulanten Versorgungsvertrag, sondern vor allem auch das entsprechende ambulante ‚Wissen‘ einschließlich der Abrechnungssystematik. Und soll/müssen auch Behandlungspflegen erbracht werden, wird zusätzlich eine Vereinbarung mit den Krankenkassen nach § 132a SGB V mit den entsprechenden Voraussetzungen benötigt, die sich nicht im Rahmen eines Gesamtversorgungsvertrages nach

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SGB XI integrieren lässt. Daher dürfte eher die Kooperation mit einem (vorhandenen) ambulanten Pflegedienst sinnvoll sein. Solche Kooperationen/Konstellationen im Rahmen eines Gesamtversorgungsvertrages sollen nach der Intention des Gesetzgebers auch dazu führen, dass die Ausweitung der Leistungen zu einem Abbau von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen hin zu mehr Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen führen soll57. Praktisch könnte dies durch einen erhöhten Personalschlüssel bei eingestreuten Tagespflegeplätzen umgesetzt werden oder aus der Kombination von ambulanter Pflege und Tagespflege. In der Realität sind allerdings die Möglichkeiten dann begrenzt, wenn die Mitarbeiter in den gleichen Zeitfenstern benötigt werden: Beispielsweise lässt sich die ambulante Morgenversorgung nicht beliebig zeitlich strecken und zur gleichen Zeit werden auch Mitarbeiter in der Tagespflege benötigt: Nur eingeschränkt kann es möglich sein, dass Mitarbeiter erst morgens in der ambulanten Versorgung tätig werden und dann ab beispielsweise 9.00 Uhr in der Tagespflege weiterarbeiten.

13.3  Gesetzestext § 72 Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag

(2) Der Versorgungsvertrag wird zwischen dem Träger der Pflegeeinrichtung oder einer vertretungsberechtigten Vereinigung gleicher Träger und den Landesverbänden der Pflegekassen im Einvernehmen mit den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe im Land abgeschlossen, soweit nicht nach Landesrecht der örtliche Träger für die Pflegeeinrichtung zuständig ist; für mehrere oder alle selbständig wirtschaftenden Einrichtungen (§ 71 Abs. 1 und 2) einschließlich für einzelne, eingestreute Pflegeplätze eines Pflegeeinrichtungsträgers, die vor Ort organisatorisch miteinander verbunden sind, kann, insbesondere zur Sicherstellung einer quartiersnahen Unterstützung zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen ein einheitlicher Versorgungsvertrag (Gesamtversorgungsvertrag) geschlossen werden. Er ist für die Pflegeeinrichtung und für alle Pflegekassen im Inland unmittelbar verbindlich.

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(1) Die Pflegekassen dürfen ambulante und stationäre Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (zugelassene Pflegeeinrichtungen). In dem Versorgungsvertrag sind Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pflegeleistungen (§ 84 Abs. 4) festzulegen, die von der Pflegeeinrichtung während der Dauer des Vertrages für die Versicherten zu erbringen sind (Versorgungsauftrag).

(3) Versorgungsverträge dürfen nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die 1. den Anforderungen des § 71 genügen, 2. die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten sowie eine in Pflegeeinrichtungen ortsübliche Arbeitsvergütung an ihre Be57  BT-Drucks. 18/10510 (Vorabfassung), S. 114

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schäftigten zahlen, soweit diese nicht von einer Verordnung über Mindestentgeltsätze aufgrund des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) erfasst sind, 3. sich verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen nach § 113 einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln, 4. sich verpflichten, alle Expertenstandards nach § 113a anzuwenden; ein Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung diese Voraussetzungen erfüllt. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Pflegeeinrichtungen sollen die Versorgungsverträge vorrangig mit freigemeinnützigen und privaten Trägern abgeschlossen werden. Bei ambulanten Pflegediensten ist in den Versorgungsverträgen der Einzugsbereich festzulegen, in dem die Leistungen zu erbringen sind.

Kapitel 13

(4) Mit Abschluß des Versorgungsvertrages wird die Pflegeeinrichtung für die Dauer des Vertrages zur pflegerischen Versorgung der Versicherten zugelassen. Die zugelassene Pflegeeinrichtung ist im Rahmen ihres Versorgungsauftrages zur pflegerischen Versorgung der Versicherten verpflichtet; dazu gehört bei ambulanten Pflegediensten auch die Durchführung von Pflegeeinsätzen nach § 37 Abs. 3 auf Anforderung des Pflegebedürftigen. Die Pflegekassen sind verpflichtet, die Leistungen der Pflegeeinrichtung nach Maßgabe des Achten Kapitels zu vergüten.

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14 §  75 Rahmenverträge, Bundesempfehlungen und -vereinbarungen über die pflegerische Versorgung 14.1  Was ist neu? Die Rahmenverträge auf Landesebene sollen um folgende Punkte ergänzt bzw. konkretisiert werden –– 1. Vertragsvoraussetzung zum Abschluss von Versorgungsverträgen: insbesondere sind hier Regelungen gemeint, die die Zuverlässigkeit des Antragsstellers betreffen –– 7. Verfahrens- und Prüfgrundsätze von Abrechnungsprüfungen im Rahmen der Prüfungen durch die Pflegekassen selbst (Abrechnungsprüfungen im Rahmen der Qualitätsprüfungen sind hier nicht gemeint) –– 10. Verfahrens- und Prüfgrundsätze zur Zahlung einer ortsüblichen Vergütung, die Voraussetzung für den Abschluss eines Versorgungsvertrages ist –– 11. Anforderungen an die nach § 85 Absatz 3 geeigneten Nachweise bei den Vergütungsverhandlungen.

Die Rahmenverträge nach § 75 werden auf Landesebene zwischen den Verbänden der Pflegekassen auf Landesebene und den Verbänden der Leistungsanbieter geschlossen. Über diese Verträge werden Rahmenbedingungen, Leistungsinhalte und Strukturen vereinbart: Öfter sind auch die konkreten ambulanten Leistungskataloge Bestandteil der Rahmenverträge. Durch die Versorgungsverträge, die auf die Inhalte der Rahmenverträge verweisen, sind die Inhalte für Leistungserbringer verbindlich, selbst wenn die Pflegedienste selbst keinem Leistungserbringerverband angehören und so auch nicht indirekt an den Verträgen mitgewirkt haben. Zu 1. Vertragsvoraussetzungen: Die eher unscheinbar formulierte Änderung über die Vertragsvoraussetzungen soll den Vertragsparteien die Gelegenheit bieten, landesspezifisch nicht nur die Zulassungsvoraussetzungen zu regeln, sondern diese insbesondere für die Fälle zu konkretisieren, in denen sie in der Vergangenheit umgangen wurden. Hier weist der Gesetzgeber gerade auf die Fälle hin, in denen einem Pflegedienst ein Versorgungsvertrag wegen Falschabrechnung entzogen wurde, dieser kurzfristig unter neuem Namen aber mit alten Gesellschaftern neu beantragt wurde. Bisher fehlten in den meisten Rahmenverträ-

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gen hierzu Konkretisierungen, die auch nach bisherigem Recht möglich waren. Der Gesetzgeber verweist beispielhaft auf den ambulanten Rahmenvertrag in Berlin in der Fassung 2015, der bereits solche Regelungen enthält58. Der Berliner Vertrag hat geregelt, dass ein Versorgungsvertrag dann nicht abgeschlossen werden darf, wenn die Person(en) (Inhabers, der Gesellschafter, der Geschäftsführer, der ständig verantwortlichen Pflegefachkraft oder deren Vertretung), die einen Pflegedienst geführt hat, der innerhalb der letzten zwei Jahre wegen Vertragsverstößen rechtswirksam gekündigt worden ist oder sie als Person selbst wegen eines Verbrechens oder einer Straftat (u.a. auch Urkundenfälschung, Untreue, Unterschlagung, Betrug) oder Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (innerhalb der letzten fünf Jahre) verurteilt wurde oder sich entgegen geltenden Vorschriften Geld- oder geldwerte Leistungen versprechen oder gewähren ließen59. Solche oder vergleichbare Regelungen sollen dazu dienen, den „Ausbau des Schutzes vor unlauteren Anbietern auf dem Pflegemarkt“60 voranzutreiben. Diese Änderungen sind in erster Linie Reaktionen auf die 2016 aufgedeckten und groß ‚ausgeschlachteten‘ Vorkommnisse mit Pflegediensten, mit oft russischstämmigen Inhabern, die im Bereich der Intensivpflege falsch oder/und betrügerisch abgerechnet haben, aber auch andere Beispiele vor allem auch aus Berlin. Insbesondere durch die Berichterstattung in der Welt am Sonntag vom 16.04.201661 und der auch vom Bundeskriminalamt behauptete gigantischen Abrechnungsbetrug hat dafür gesorgt, dass die Politik im Rahmen des PSG III einige Verschärfungen vorgenommen hat, dazu sei angemerkt, dass die behauptete Schadenssumme von 1 Milliarde Euro auf einer Schätzung eines Wettbewerbers beruht, der den Umsatz in der Intensivpflege bei 5 Milliarden € angesetzt hat. Lt. GKV-Spitzenverband liegen die Ausgaben für Häusliche Krankenpflege (die die Intensivpflege miteinschließt) insgesamt jedoch nur bei 5,26 Mrd. Euro62, so dass diese Schätzung nicht realistisch sein konnte. Die Berichterstattung und öffentliche Diskussion hat jedoch wesentlich die Gesetzgebung bestimmt63 Ein wesentliches Problem war bisher der relativ freie Zugang zu Versorgungsverträgen: Durch den gesetzlich gewollten offenen Zugang zu Versorgungsverträgen der Pflegeversicherung konnte ein Versorgungsvertrag dann nicht versagt werden, wenn die formalen Voraussetzungen vorlagen, selbst wenn ein Gesellschafter vorher wegen Betrugs verurteilt worden war. Allerdings wird die vom Gesetzgeber gewollte Wirkung dieser Vorschrift erst dann einsetzen, wenn auch alle Bundesländer ihre Rahmenverträge entsprechend zeitnah überarbeiten. Ansonsten gilt je nach Bundesland weiterhin unterschiedliches Recht.

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BT-Drucksache 18/9518, S. 73 Rahmenvertrag § 75 ambulant Berlin i.d.F. vom 28.01.2015 BT- Drucksache 18/9518, S. 72 Welt am Sonntag, 16.04.2016: „Betrug durch russische Pflegedienste grassiert“ GKV Spitzenverband: Kennzahlen der gesetzlichen Krankenversicherung, Dez. 2016 BT-Drucks. 18/9518, S. 43

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64  Bundesgesetzblatt 2008, Teil 1, Nr. 20, 30. 05.2008, S. 884 65  BT-Drucks. 18/9518, S. 73

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Zu 7. Abrechnungsprüfungen: Die Ergänzung, dass neben den Regelungen für Wirtschaftlichkeitsprüfungen auch die Prüfungen von Abrechnungen im Rahmenvertrag zu regeln sind, entspringt der gleichen Motivation wie die Änderungen zu Punkt 1. Hier können die Vertragsparteien die Überprüfung der Abrechnung durch die Pflegekasse regeln. Nicht zu verwechseln sind diese Prüfinhalte und Anweisungen, die sich auf die Abrechnungsprüfungen nach § 79 beziehen, mit den routinemäßigen Stichprobeprüfungen der Abrechnungen im Rahmen der Qualitätsprüfungen nach §§114 ff. Im Rahmen dieser Stichprobe kann nur punktuell auf Ungereimtheiten geprüft werden, der Umfang und der Ablauf wird in der Qualitätsprüfrichtlinie nach § 114a Abs. 7 festgelegt. Die Rahmenbedingungen sowie die Strukturen und Inhalte einer weitergehenden oder anlassbezogenen Abrechnungsprüfung sind hier auf Landesebene zu konkretisieren. Gleichzeitig mit diesen Änderungen hat der Gesetzgeber auch die Datenschutzregelungen in den §§ 94 und 95 (hier nicht kommentiert) erweitert, so dass alle für die Abrechnungsprüfung aber auch für die Voraussetzung der wirtschaftlichen Betriebsführung notwendigen Daten (z.B. auch Berufsurkunden etc.) den Pflegekassen vorgelegt werden können/müssen. Zu 10. Ortsübliche Vergütung: Die Regelung zur Zahlung einer ortsüblichen Vergütung als Voraussetzung für den Versorgungsvertrag, wie sie in § 72 Abs. 3 definiert ist, wurde im Rahmen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes 2008 eingeführt64. Sie sollte auch dazu dienen, dass Einrichtungen ohne tarifvertragliche Regelungen ihre Mitarbeiter nicht unterhalb des ortsüblichen Lohnniveaus bezahlten bzw. auch die Pflegekassen nicht über den zu diesem Zeitpunkt noch angewandten externen Vergleich die Einrichtungen zu niedrigeren Vergütungen zwingen konnten. Die Regelung wurde durch die Einführung des Pflege-Mindestlohnes über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz im Rahmen des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes mit Wirkung ab 2013 eingeschränkt, da für wesentliche Gruppen nun der Pflege-Mindestlohn galt. Allerdings gibt es insbesondere im vollstationären Bereich Berufsgruppen, die durch den Pflege-Mindestlohn nicht erfasst sind, für die also nur der ‚normale‘ Mindestlohn als Untergrenze gilt, beispielsweise Küchenund Hauswirtschaftskräfte oder Verwaltungspersonal. Um auch für diese Gruppen Vergütungsuntergrenzen zu definieren, die auch praktisch anwendbar sind, hat der Gesetzgeber nun den Rahmenvertragsparteien aufgegeben, hier entsprechende Abläufe und Verfahren über den Rahmenvertrag zu definieren65. Die sich so ergebenden ortsüblichen Vergütungen bilden dann sowohl die Untergrenze für die Anbieter bei der Bezahlung der Mitarbeiter als auch die Untergrenze für die Kostenträger bei der Frage einer leistungsgerechten Vergütung, soweit andere Regelungen insbesondere des veränderten § 89 (oder stationär §84) nicht wirken. Zu 11. Geeignete Nachweise für Vergütungsverhandlungen: Diese Vorschrift ist in Verbindung mit den Änderungen in § 85 und 89 zur Höhe der Personalvergü-

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tung zu verstehen. Da in Vergütungsverhandlungen insbesondere die Personalvergütung und die damit verbundenen Preisforderungen eine wesentliche Rolle spielen (im ambulanten Bereich sind sie für über 80 % aller Kosten verantwortlich), hat der Gesetzgeber den Rahmenvertragsparteien die Aufgabe übertragen, die für die Verhandlungen vorzulegenden Unterlagen genauer zu definieren66. Denn in der ambulanten Pflege gibt es bundesweit weder eine ausgeprägte Verhandlungskultur noch klar definierte Unterlagen, die dafür benötigt werden (eine Ausnahme bildet hier Nordrhein-Westfalen, dass vereinbarte Unterlagen und Verfahren auch für die ambulante Pflege kennt und womit seit langen auch Einzelverhandlungen geführt werden). Anders als im stationären Bereich spielen ambulant Personalschlüssel und Personalanhaltswerte keine Rolle, denn es werden konkrete Leistungen finanziert, nicht jedoch vorzuhaltendes Personal. Daher müssen die ambulanten Regelungen für den Nachweis anders aussehen als vergleichbare Regelungen im stationären Bereich, zumal Pflegedienste im Regelfall auch noch gemischte Einrichtungen im Sinne der Pflege-Buchführungsverordnung, § 1, Abs. 2 sind und Personal sowohl im Bereich der Pflegeversicherung als auch Krankenversicherung eingesetzt wird. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang weiterhin der § 85 Abs. 3 letzter Satz, nach dem personenbezogene Daten zu anonymisieren sind. Vorstellbar wären folglich Regelungen, nach denen die Vergütung für die im Pflegedienst vorhandenen Berufsgruppen exemplarisch beispielsweise anhand einzelner anonymisierter Lohnjournale nachgewiesen wird, ergänzt durch Bestätigungen beispielsweise einer Mitarbeitervertretung oder eines Steuerberaters, dass diese beispielhaften Lohnhöhen für alle Mitarbeiter mit vergleichbaren Aufgaben bezahlt werden.

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14.3  Gesetzestext § 75 Rahmenverträge, Bundesempfehlungen und -vereinbarungen über die pflegerische Versorgung (1) Die Landesverbände der Pflegekassen schließen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sowie des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. im Land mit den Vereinigungen der Träger der ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen im Land gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge mit dem Ziel, eine wirksame und wirtschaftliche pflegerische Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Für Pflegeeinrichtungen, die einer Kirche oder Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenverträge auch von der Kirche oder Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Pflegeeinrichtung angehört. Bei Rahmenverträgen über ambulante Pflege sind die Ar66  BT-Drucks. 18/10510, S. 114

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beitsgemeinschaften der örtlichen Träger der Sozialhilfe, bei Rahmenverträgen über stationäre Pflege die überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die Arbeitsgemeinschaften der örtlichen Träger der Sozialhilfe als Vertragspartei am Vertragsschluß zu beteiligen. Die Rahmenverträge sind für die Pflegekassen und die zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Inland unmittelbar verbindlich. (2) Die Verträge regeln insbesondere: 1. den Inhalt der Pflegeleistungen einschließlich der Vertragsvoraussetzungen und der Vertragserfüllung für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung, der Sterbebegleitung sowie bei stationärer Pflege die Abgrenzung zwischen den allgemeinen Pflegeleistungen, den Leistungen bei Unterkunft und Verpflegung und den Zusatzleistungen, 2. die allgemeinen Bedingungen der Pflege einschließlich der Kostenübernahme, der Abrechnung der Entgelte und der hierzu erforderlichen Bescheinigungen und Berichte, 3. Maßstäbe und Grundsätze für eine wirtschaftliche und leistungsbezogene, am Versorgungsauftrag orientierte personelle und sächliche Ausstattung der Pflegeeinrichtungen, 4. die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Pflege, 5. Abschläge von der Pflegevergütung bei vorübergehender Abwesenheit (Krankenhausaufenthalt, Beurlaubung) des Pflegebedürftigen aus dem Pflegeheim, 6. den Zugang des Medizinischen Dienstes und sonstiger von den Pflegekassen beauftragter Prüfer zu den Pflegeeinrichtungen, 7. die Verfahrens- und Prüfungsgrundsätze für Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen,

9. die Möglichkeiten, unter denen sich Mitglieder von Selbsthilfegruppen, ehrenamtliche Pflegepersonen und sonstige zum bürgerschaftlichen Engagement bereite Personen und Organisationen in der häuslichen Pflege sowie in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen an der Betreuung Pflegebedürftiger beteiligen können, 10. die Verfahrens- und Prüfungsgrundsätze für die Zahlung einer ortsüblichen Vergütung an die Beschäftigten nach § 72 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2, 11. die Anforderungen an die nach § 85 Absatz 3 geeigneten Nachweise bei den Vergütungsverhandlungen. Durch die Regelung der sächlichen Ausstattung in Satz 1 Nr. 3 werden Ansprüche der Pflegeheimbewohner nach § 33 des Fünften Buches auf Versorgung mit Hilfsmitteln weder aufgehoben noch eingeschränkt.

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8. die Grundsätze zur Festlegung der örtlichen oder regionalen Einzugsbereiche der Pflegeeinrichtungen, um Pflegeleistungen ohne lange Wege möglichst orts- und bürgernah anzubieten,

(3) Als Teil der Verträge nach Absatz 2 Nr. 3 sind entweder 1. landesweite Verfahren zur Ermittlung des Personalbedarfs oder zur Bemessung der Pflegezeiten oder

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2. landesweite Personalrichtwerte zu vereinbaren. Dabei ist jeweils der besondere Pflege- und Betreuungsbedarf Pflegebedürftiger mit geistigen Behinderungen, psychischen Erkrankungen, demenzbedingten Fähigkeitsstörungen und anderen Leiden des Nervensystems zu beachten. Bei der Vereinbarung der Verfahren nach Satz 1 Nr. 1 sind auch in Deutschland erprobte und bewährte internationale Erfahrungen zu berücksichtigen. Die Personalrichtwerte nach Satz 1 Nr. 2 können als Bandbreiten vereinbart werden und umfassen bei teil- oder vollstationärer Pflege wenigstens 1. das Verhältnis zwischen der Zahl der Heimbewohner und der Zahl der Pflege- und Betreuungskräfte (in Vollzeitkräfte umgerechnet), unterteilt nach Pflegestufen (Personalanhaltszahlen), sowie 2. im Bereich der Pflege, der Betreuung und der medizinischen Behandlungspflege zusätzlich den Anteil der ausgebildeten Fachkräfte am Pflege- und Betreuungspersonal. Die Heimpersonalverordnung bleibt in allen Fällen unberührt. (4) Kommt ein Vertrag nach Absatz 1 innerhalb von sechs Monaten ganz oder teilweise nicht zustande, nachdem eine Vertragspartei schriftlich zu Vertragsverhandlungen aufgefordert hat, wird sein Inhalt auf Antrag einer Vertragspartei durch die Schiedsstelle nach § 76 festgesetzt. Satz 1 gilt auch für Verträge, mit denen bestehende Rahmenverträge geändert oder durch neue Verträge abgelöst werden sollen.

Kapitel 14

(5) Die Verträge nach Absatz 1 können von jeder Vertragspartei mit einer Frist von einem Jahr ganz oder teilweise gekündigt werden. Satz 1 gilt entsprechend für die von der Schiedsstelle nach Absatz 4 getroffenen Regelungen. Diese können auch ohne Kündigung jederzeit durch einen Vertrag nach Absatz 1 ersetzt werden. (6) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene sollen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. sowie unabhängiger Sachverständiger gemeinsam mit der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe Empfehlungen zum Inhalt der Verträge nach Absatz 1 abgeben. Sie arbeiten dabei mit den Verbänden der Pflegeberufe sowie den Verbänden der Behinderten und der Pflegebedürftigen eng zusammen. (7) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene vereinbaren gemeinsam und einheitlich Grundsätze ordnungsgemäßer Pflegebuchführung für die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen. Die Vereinbarung nach Satz 1 tritt unmittelbar nach Aufhebung der gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 erlassenen Rechtsverordnung in Kraft und ist den im Land tätigen zugelassenen Pflegeeinrichtungen von den Landesverbänden der Pflegekassen unverzüglich bekannt zu geben. Sie ist für alle Pflegekassen und deren Verbände sowie für die zugelassenen Pflegeeinrichtungen unmittelbar verbindlich.

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15 §  79 Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen 15.1  Was ist neu? Die Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Landesebene durchgeführt werden können, werden nun ergänzt durch Abrechnungsprüfungen. Diese können von den Landesverbänden veranlasst und durchgeführt werden, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Abrechnung durch die Einrichtung gibt. Die formalen Regelungen zum Ablauf werden über die Rahmenverträge nach § 75 auf Landesebene geregelt. Eine vergleichbare Prüfmöglichkeit für die Leistungen der Häuslichen Krankenpflege wird im SGB V über den neuen § 275b geschaffen (siehe entsprechendes Kapitel).

In der ambulanten Praxis spielen die Wirtschaftlichkeitsprüfungen keine Rolle, denn schon die Ausgangsfrage, wann eine Leistung wirtschaftlich erbracht ist, ist nur im Einzelfall zu klären. Eine vertiefte Prüfung von Abrechnungen war zwar auch jetzt schon möglich, weil in vielen Rahmenverträgen die Beanstandung von Rechnungen und die Überprüfung dieser Fragen geregelt ist. Dies galt immer nur für konkrete und einzelne Abrechnungsfragen. Die nun neu geschaffene Möglichkeit greift viel weiter und kann systematischer die Abrechnungen prüfen. Sie stellt eine Ergänzung der stichprobenhaften Abrechnungsprüfung dar, die im Rahmen der Qualitätsprüfungen nach §§ 114 ff. durchzuführen ist. In der Praxis kann die Stichprobe der Qualitätsprüfung die Begründung für eine ausführliche Abrechnungsprüfung liefern, wenn beispielsweise in der Stichprobe sichtbar wird, dass nicht nur im Einzelfall (Ausnahmefehler) fehlerhaft abgerechnet wurde. Die in der Abrechnungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse und Rückforderungen können sich auf bis zu 5 Jahre zurückliegend erstrecken, weil die Verjährungsfrist bei Betrug im Regelfall 5 Jahre beträgt67. Gerade in der ambulanten Pflege gibt es neben eindeutiger Falschabrechnung (z.B. tatsächlich nicht erbrachte Leistung) oft auch Abgrenzungs- und Definitionsfragen, insbesondere wenn die Leistungen in den Vergütungsvereinbarungen nicht eindeutig beschrieben sind. Deshalb wird es bei einer Abrechnungsprüfung unterschiedlich zu beurteilende Sachverhalte geben: Abrechnung nicht erbrachter Leistungen wird anders zu beurteilen sein als Abrechnung von Leis67  § 78 StGB

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tungen (Leistungskomplexen), die der Pflegedienst anders interpretiert als beispielsweise der Angehörige oder der Prüfer. Pflegedienste, deren Abrechnungen nach der neuen Rechtsgrundlage geprüft werden, sollten möglichst transparent die Prüfung begleiten und evtl. mit externer Hilfe (z.B. des eigenen Spitzenverbandes) die Unterlagen auch selbst aufbereiten und auswerten. Denn ob es bei einer fehlerhaften Abrechnung zu einer Vertragskündigung oder nur zu einer entsprechenden ‚Nachzahlung‘ kommt, hängt auch vom Verlauf der Prüfung und von der Kooperation der Einrichtung ab.

15.3  Gesetzestext § 79 Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen (1) Die Landesverbände der Pflegekassen können die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der ambulanten, teilstationären und vollstationären Pflegeleistungen durch von ihnen bestellte Sachverständige prüfen lassen; vor Bestellung der Sachverständigen ist der Träger der Pflegeeinrichtung zu hören. Eine Prüfung ist nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Pflegeeinrichtung die Anforderungen des § 72 Abs. 3 Satz 1 ganz oder teilweise nicht oder nicht mehr erfüllt. Die Anhaltspunkte sind der Pflegeeinrichtung rechtzeitig vor der Anhörung mitzuteilen. Personenbezogene Daten sind zu anonymisieren. (2) Die Träger der Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, dem Sachverständigen auf Verlangen die für die Wahrnehmung seiner Aufgaben notwendigen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen.

Kapitel 15

(3) Das Prüfungsergebnis ist, unabhängig von den sich daraus ergebenden Folgerungen für eine Kündigung des Versorgungsvertrags nach § 74, in der nächstmöglichen Vergütungsvereinbarung mit Wirkung für die Zukunft zu berücksichtigen. (4) Die Landesverbände der Pflegekassen können eine Abrechnungsprüfung selbst oder durch von ihnen bestellte Sachverständige durchführen lassen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Pflegeeinrichtung fehlerhaft abrechnet. Die Abrechnungsprüfung bezieht sich 1. auf die Abrechnung von Leistungen, die zu Lasten der Pflegeversicherung erbracht oder erstattet werden, sowie 2. auf die Abrechnung der Leistungen für Unterkunft und Verpflegung (§ 87). Für die Abrechnungsprüfung sind Absatz 1 Satz 3 und 4 sowie die Absätze 2 und 3 entsprechend anzuwenden.

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16 § 85 Pflegesatzverfahren 16.1  Was ist neu? Im Rahmen der Pflegesatz- bzw. ambulant der Vergütungsverhandlung sind die Personalkosten nachzuweisen, für die eine Erhöhung verlangt wird. Dabei sind auch im Vergleich die Unterlagen aus der Vergangenheit vorzulegen. Die konkrete Umsetzung auf Landesebene ist im Rahmenvertrag nach § 75 zu regeln, der hier entsprechend zu erweitern ist (siehe § 75). Weiterhin wird konkretisiert, dass die Schiedsstelle nicht nur unverzüglich, sondern in der Regel innerhalb von drei Monaten zu entscheiden hat.

Der Gesetzgeber gibt zwar den Pflegeeinrichtungen neuerdings über § 89 das Recht, Personalkosten bis zur Höhe vergleichbarer Tarifkosten zu verlangen, allerdings zwingt er die Einrichtungen über den Nachweis nach diesem Paragrafen, die bisherigen Personalkosten und die geplanten Steigerungen zu begründen bzw. darzustellen. Bisher (seit dem PSG 2015) war dieser Nachweis nur dann notwendig, wenn eine Vergütungserhöhung mit Verweis auf einer tarifvertraglich oder aufgrund einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung vereinbarten Vergütung basierte (§ 84, Abs. 7, der über § 89, Abs. 3 entsprechend gilt). Einrichtungen, die keinem Tarifvertrag unterlagen, waren zu diesem Nachweis nicht verpflichtet (siehe auch § 89). Den Nachweis der Kosten und dem gleichzeitigen Recht auf Refinanzierung nach § 89 kann man unterschiedlich interpretieren: –– Als tarifgebundene Einrichtung kann man nun sicher die Personalkosten sowie deren Steigerung refinanzieren; positiv formuliert geht dies tendenziell in Richtung Selbstkostenerstattung, die eigentlich mit Einführung der Pflegeversicherung im Jahre 1995 abgeschafft worden ist. –– Als nicht tarifgebundene Einrichtung hat man durch den Nachweis der konkreten Personalausgaben nicht mehr die Möglichkeit, das durch die Vergütungsvereinbarung verhandelte Budget unternehmerisch einzusetzen und beispielsweise Mitarbeitern mehr oder weniger zu bezahlen (je nach Marktsituation und Angebot). Damit wird das unternehmerische Handeln wesentlich eingeschränkt. Der Gesetzgeber will dauerhaft eine bessere Bezahlung der Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen durchsetzen und scheut sich auch nicht, diesen ‚Rückschritt‘ zu machen. Er selbst sieht dies nicht als Rückkehr des Selbstkostendeckungsprinzips, das „Recht der sozialen Pflegeversicherung ist weiterhin marktmäßig ausge-

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Kapitel 16

staltet, die Vergütungen werden weiterhin prospektiv vereinbart. Das Nachweisrecht erfüllt allein den Zweck, Missbrauch zu Lasten der Beschäftigen sowie der Beitragsgemeinschaft zu verhindern.“ 68 Kritisch sehen diese Regelung vor allem die privaten Verbände wie der bpa oder der VDAB, die eine faktische, aber einseitige Rückkehr der Selbstkostenerstattung befürchten: die Posten werden zwar definiert und übernommen, aber das Risiko bleibt allein bei der Einrichtung, also beim Unternehmer69. Immerhin hat der Gesetzgeber eine Regelung zur Finanzierung des Unternehmerrisikos ins Gesetz (§ 89) aufgenommen, die hier die Lücke schließen soll. Ob dies gelingen wird, hängt auch davon ab, wie die Personalkosten definiert werden. Das ist ambulant schon deshalb schwieriger als stationär, weil dann auch die Organisationszeiten zu definieren sind, also die Frage, wie viel produktive (durch Leistungen oder Fahrtpauchalen refinanzierte) Arbeitszeit zur Verfügung steht. Hier steckt die ambulante Pflege noch in den Kinderschuhen70. Ein weiterer Aspekt wird bei der gesamten Diskussion um die Vergütung der Pflegekräfte von der Politik gern verschwiegen: Werden die Mitarbeiter besser bezahlt und wird dies durch die Pflegekassen refinanziert, sinkt der (Teilkasko-)Anteil der Finanzierung der Pflege durch die Pflegekasse zu Lasten des Eigenanteils der Versicherten (siehe dazu auch § 89). Im Bundesrat wurde diese Fragestellung immerhin von NRW thematisiert71.

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Die weitere Änderung betrifft die Dauer von Schiedsstellenverfahren, die nun innerhalb von 3 Monaten abgeschlossen sein sollen. Der Gesetzgeber begründet dies ausdrücklich mit Verweis auf die ambulante Pflege72: in den meisten Bundesländern sind bis heute (Ende Dezember 2016) weder echte Einzelverhandlungen noch daraus resultierende Schiedsverfahren verbreitet. Ausnahme seit Einführung der Pflegeversicherung ist Nordrhein-Westfalen, in einigen anderen Ländern werden immer mehr einzelne Verhandlungen geführt, oft auch als Gruppen tarifvertraglich gleicher Einrichtungen. Bis auf Baden-Württemberg gibt es in allen Bundesländern zumindest in großen Gruppen (Tarifgebundene (Wohlfahrt), andere) differenzierte Vergütungen. Nur Baden-Württemberg hat bisher eine Einheitsvergütung für alle Pflegedienste im Land, obwohl der Gesetzgeber dies seit Beginn der Pflegeversicherung anders normiert hat. Die formale Beschleunigung der Schiedsstellenverfahren soll den Pflegeeinrichtungen einen klaren zeitlichen Horizont geben und damit die Einzelverhandlungen fördern.

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BT-Drucks. 18/10510 (Vorabfassung), S. 115 Carekonkret 51/52, S. 6 mehr dazu auch „Kostenrechnung und Preiskalkulation“, A.Heiber u. G.Nett, Hannover 2013. BR Plenarprotokoll 952, 16.12.2016, S. 519 BT-Drucks. 18/10510, S. 116

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16.3  Gesetzestext § 85 Pflegesatzverfahren (1) Art, Höhe und Laufzeit der Pflegesätze werden zwischen dem Träger des Pflegeheimes und den Leistungsträgern nach Absatz 2 vereinbart. (2) Parteien der Pflegesatzvereinbarung (Vertragsparteien) sind der Träger des einzelnen zugelassenen Pflegeheimes sowie 1. die Pflegekassen oder sonstige Sozialversicherungsträger, 2. die für die Bewohner des Pflegeheimes zuständigen Träger der Sozialhilfe sowie

(3) Die Pflegesatzvereinbarung ist im voraus, vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode des Pflegeheimes, für einen zukünftigen Zeitraum (Pflegesatzzeitraum) zu treffen. Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflegedokumentationen und andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen darzulegen; es hat außerdem die schriftliche Stellungnahme der nach heimrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner beizufügen. Soweit dies zur Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall erforderlich ist, hat das Pflegeheim auf Verlangen einer Vertragspartei zusätzliche Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Hierzu gehören auch pflegesatzerhebliche Angaben zum Jahresabschluß entsprechend den Grundsätzen ordnungsgemäßer Pflegebuchführung, zur personellen und sachlichen Ausstattung des Pflegeheims einschließlich der Kosten sowie zur tatsächlichen Stellenbesetzung und Eingruppierung. Dabei sind insbesondere die in der Pflegesatzverhandlung geltend gemachten, voraussichtlichen Personalkosten einschließlich entsprechender Erhöhungen im Vergleich zum bisherigen Pflegesatzzeitraum vorzuweisen. Personenbezogene Daten sind zu anonymisieren. (4) Die Pflegesatzvereinbarung kommt durch Einigung zwischen dem Träger des Pflegeheimes und der Mehrheit der Kostenträger nach Absatz 2 Satz 1 zustande, die an der Pflegesatzverhandlung teilgenommen haben. Sie ist schriftlich abzuschließen. Soweit Vertragsparteien sich bei den Pflegesatzverhandlungen durch Dritte vertreten lassen, haben diese vor Verhandlungsbeginn den übrigen Vertragsparteien eine schriftliche Verhandlungs- und Abschlußvollmacht vorzulegen. (5) Kommt eine Pflegesatzvereinbarung innerhalb von sechs Wochen nicht zustande, nachdem eine Vertragspartei schriftlich zu Pflegesatzverhandlungen aufgefordert hat,

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3. die Arbeitsgemeinschaften der unter Nummer 1 und 2 genannten Träger, soweit auf den jeweiligen Kostenträger oder die Arbeitsgemeinschaft im Jahr vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen jeweils mehr als fünf vom Hundert der Berechnungstage des Pflegeheimes entfallen. Die Pflegesatzvereinbarung ist für jedes zugelassene Pflegeheim gesondert abzuschließen; § 86 Abs. 2 bleibt unberührt. Die Vereinigungen der Pflegeheime im Land, die Landesverbände der Pflegekassen sowie der Verband der privaten Krankenversicherung e. V. im Land können sich am Pflegesatzverfahren beteiligen.

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setzt die Schiedsstelle nach § 76 auf Antrag einer Vertragspartei die Pflegesätze unverzüglich, in der Regel binnen 3 Monaten, fest. Satz 1 gilt auch, soweit der nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 zuständige Träger der Sozialhilfe der Pflegesatzvereinbarung innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsschluß widerspricht; der Träger der Sozialhilfe kann im voraus verlangen, daß an Stelle der gesamten Schiedsstelle nur der Vorsitzende und die beiden weiteren unparteiischen Mitglieder oder nur der Vorsitzende allein entscheiden. Gegen die Festsetzung ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Ein Vorverfahren findet nicht statt; die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. (6) Pflegesatzvereinbarungen sowie Schiedsstellenentscheidungen nach Absatz 5 Satz 1 oder 2 treten zu dem darin unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Pflegeheimbewohner bestimmten Zeitpunkt in Kraft; sie sind für das Pflegeheim sowie für die in dem Heim versorgten Pflegebedürftigen und deren Kostenträger unmittelbar verbindlich. Ein rückwirkendes Inkrafttreten von Pflegesätzen ist nicht zulässig. Nach Ablauf des Pflegesatzzeitraums gelten die vereinbarten oder festgesetzten Pflegesätze bis zum Inkrafttreten neuer Pflegesätze weiter. (7) Bei unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Vereinbarung oder Festsetzung der Pflegesätze zugrunde lagen, sind die Pflegesätze auf Verlangen einer Vertragspartei für den laufenden Pflegesatzzeitraum neu zu verhandeln. Dies gilt insbesondere bei einer erheblichen Abweichung der tatsächlichen Bewohnerstruktur. Die Absätze 3 bis 6 gelten entsprechend. Im Fall von Satz 2 kann eine Festsetzung der Pflegesätze durch die Schiedsstelle abweichend von Satz 3 in Verbindung mit Absatz 5 Satz 1 bereits nach einem Monat beantragt werden.

Kapitel 16

„(8) Die Vereinbarung des Vergütungszuschlages nach § 84 Absatz 8 erfolgt auf der Grundlage, dass 1. die stationäre Pflegeeinrichtung für die zusätzliche Betreuung und Aktivierung der Pflegebedürftigen über zusätzliches Betreuungspersonal, in vollstationären Pflegeeinrichtungen in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung verfügt und die Aufwendungen für dieses Personal weder bei der Bemessung der Pflegesätze noch bei den Zusatzleistungen nach § 88 berücksichtigt werden, 2. in der Regel für jeden Pflegebedürftigen 5 Prozent der Personalaufwendungen für eine zusätzliche Vollzeitkraft finanziert wird und 3. die Vertragsparteien Einvernehmen erzielt haben, dass der vereinbarte Vergütungszuschlag nicht berechnet werden darf, soweit die zusätzliche Betreuung und Aktivierung für Pflegebedürftige nicht erbracht wird. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sind von der stationären Pflegeeinrichtung im Rahmen der Verhandlung und des Abschlusses des stationären Pflegevertrages nachprüfbar und deutlich darauf hinzuweisen, dass ein zusätzliches Betreuungsangebot besteht. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 7 entsprechend.

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16.4  Gesetzestext § 84, Abs. 7 (gilt ambulant entsprechend)

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(7) Der Träger der Einrichtung ist verpflichtet, im Falle einer Vereinbarung der Pflegesätze auf Grundlage der Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die entsprechende Bezahlung der Beschäftigten jederzeit einzuhalten. Auf Verlangen einer Vertragspartei hat der Träger der Einrichtung dieses nachzuweisen. Personenbezogene Daten sind zu anonymisieren. Das Nähere zur Durchführung des Nachweises wird in den Verträgen nach § 75 Absatz 1 und 2 geregelt.

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17 § 89 Grundsätze für die Vergütungsregelung 17.1  Was ist neu? Der Gesetzgeber hat entsprechend des BSG-Urteils vom 17.12.200973 weiter konkretisiert, dass eine leistungsgerechte Vergütung auch eine angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos enthalten muss. Weiterhin wird festgelegt, dass jede Personalvergütung, die in Vergütungsverhandlungen vom Pflegedienst verlangt wird, bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden kann. Für eine darüber hinausgehende höhere Personalvergütung bedarf es eines sachlichen Grundes, der in der Vergütungsverhandlung vorzutragen ist.

Das Bundessozialgericht hatte in seinem ersten ‚Marktpreisurteil‘ aus dem Jahre 200074 festgelegt, dass durch Tarifverträge verursachte hohe Personalkosten nach der Abkehr vom Kostenerstattungsprinzip nicht mehr zu berücksichtigen wären. Der Gesetzgeber hat danach einige Regelungen in das SGB XI eingebaut, um diese Rechtsprechung zu korrigieren, unter anderem durch die Einführung der ortsüblichen Vergütung in § 72 und § 75 (siehe dort). Das Bundessozialgericht hat selbst seine reine Marktpreis-Rechtsprechung mit den Urteilen aus 2009 korrigiert, und 2013 weiter konkretisiert, dass der „Preiskampf“ zwischen den verschiedenen Trägern von Pflegediensten und Pflegeheimen letztlich zu einer nicht vertretbaren Absenkung der Entgelte der Pflegekräfte und der Qualität der Leistungen führt, sodass sich das Entgeltniveau auf Dauer dem geltenden Mindestlohn-Niveau nähert.“75 Auch dieses Urteil hat der Gesetzgeber in seine Gesetzesänderungen im Rahmen des PSG I aufgenommen und in der bisher geltenden Fassung geregelt, dass tarifvertraglich oder nach vergleichbaren kirchenarbeitsrechtlichen Regelungen bezahlte Vergütungen wirtschaftlich sind. Denn in der Praxis hatten die Kostenträger die BSG-Urteile aus 2009 nur im Rahmen der im ersten Schritt notwendigen Plausibilitätsprüfung berücksichtigt, dann aber die Vergütungshöhe im Rahmen des externen Vergleichs trotzdem als unwirtschaftlich abgelehnt. Mit der Neuregelung durch das PSG I in 2015 waren zwar Regelungen für tarifvertraglich oder durch entsprechende kirchenrechtliche Vereinbarungen gebundene Einrichtun73  BSG, Urteil vom 19.12.2009 B 3 P 3/08 R 74  BSG, Urteil vom 14.12.2000, B 3 P 19/00 R 75  BSG Urteil vom 16.05.2013, B 3 P 2/12 R / Randziffer 17

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gen gefunden, aber bei nicht tarifgebundenen Einrichtungen wurde weiterhin der externe Vergleich angewendet, der im Regelfall zu deutlich niedrigeren Vergütungen führte. Auch diese Lücke hat der Gesetzgeber nun geschlossen. Allerdings mit der schon im § 85 diskutierten Folge, dass die Vergütungsfindung sich zusehens wieder der Selbstkostenerstattung annähert. Die aktuelle Diskussion über die Tariflöhne als Vergütungsmaßstab wird vehement geführt, so beispielsweise in der CAREkonkret vom 06.01.2017. Während die eine Gruppe dies als große Chance lobt76, befürchtet die andere Gruppe die Beschneidung jeglicher unternehmerischer Spielräume77 (siehe auch § 85). Die 2015 mit dem PSG I eingeführte Regelung zur Anerkennung von Tariflöhnen oder vergleichbaren kirchenrechtlichen Regelungen bedeutet aber nicht, dass beispielsweise alle Wohlfahrtseinrichtungen nach Tariflöhnen oder vergleichbaren kirchenrechtlichen Regelungen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vergüten. Nach einer Evaluationsstudie zur Verbreitung der Zahlung von Tariflöhnen werden nur in 25 % aller ambulanten Pflegedienste nach einem Verbandstarifvertrag oder vergleichbaren kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen die Mitarbeiter bezahlt.78 Die gleichzeitig eingeführte Regelung zur angemessenen Vergütung des Unternehmerrisikos findet sich so ebenfalls wörtlich in den schon erwähnten Urteilen des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 2009 und 2013 wieder. Es wird also nur die geltende Rechtsprechung ins Gesetz überführt. Ob damit mehr Klarheit für die Vergütungsverhandlung geschaffen wird, bleibt abzuwarten. Während es für den stationären Bereich auch nach den BSG-Urteilen mehrere Möglichkeiten der Definition des Risikozuschlages gibt (Zuschlag oder/und Auslastungsgrad des Pflegeheims), wird dies in der ambulanten Pflege problematischer zu definieren sein. Denn einerseits gibt es nicht in diesem Sinne das Auslastungsrisiko, das stationär dazu noch über die Regelung zur Abwesenheitsvergütung nach § 87a abgemildert wird. Ambulant sind die Risiken aus der Leistungserbringung andere: Neben kurzfristigen Ausfällen aufgrund von Notfällen, höhere Kosten durch Personalausfälle (beispielsweise anderer Personaleinsatz auch von höherqualifizierten Mitarbeitern) oder kurzfristig veränderte und damit längere Fahrtwege wegen Personalausfall. Gerade hier wäre es hilfreich gewesen, wenn der Gesetzgeber verbindliche Regelungen zur Definition dieses „Risikos“ über die Rahmenverträge nach § 75 vorgesehen hätte. Ohne eine Regelung auf Landesebene wird man erst über viele Einzelverhandlungen und Schiedsstellenentscheidungen zu einer landesweit gefestigten Regelung kommen, was nicht nur zeitaufwendig ist, sondern wieder eine neue Rechtsunsicherheit schafft, die der Gesetzgeber doch gerade abstellen wollte. Jedenfalls werden durch die Gesetzesänderungen in §§ 89 und 85 die Grundlagen für ambulante Verhandlungen nicht wirkungsvoll verbessert.

76  Z.B. Helmut Wallrafen, GF Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach Gmbh in Carekonkret 06.01.2017 77  Z.B. Stephan Baumann, VDAB, in Carekonkret vom 06.01.2017 78  6. Pflegebericht 2011-2015, Tab. S. 65

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Die Regelung, dass selbst eine darüber hinaus höhere Bezahlung angemessen sein kann, basiert ebenfalls auf der Rechtsprechung des BSG79. Wenn beispielsweise in Ballungsgebieten wie München oder Köln nur noch dann Leitungspositionen besetzt werden können, wenn diese Kräfte einen Zuschlag und damit eine höhere Vergütung erhalten, als das entsprechende Tarifwerk vorsieht, ist die Vergütung dennoch als wirtschaftlich anzuerkennen, wenn die Einrichtung die Besonderheit darstellt. Darin sieht allerdings das Land NRW auch ein Missbrauchspotenzial und hat mit anderen Ländern einen Entschließungsantrag vorgelegt, der in den Beschluss zum PSG III des Bundesrates eingeflossen ist80. Befürchtet wird, dass diese Regelung dazu führen könnte, dass nichttarifgebundene Einrichtungen nun gezielt Pflegefachkräfte mit den so refinanzierbar höheren Vergütungen abwerben, ohne dass es insgesamt zu einer Verbesserung der Bezahlung aller Mitarbeiter kommen würde. Deshalb hat der Bundesrat in seinem Entschließungsantrag die Evaluation dieser Regelung bis Ende 2019 gefordert.

(1) Die Vergütung der Leistungen der häuslichen Pflegehilfe wird, soweit nicht die Gebührenordnung nach § 90 Anwendung findet, zwischen dem Träger des Pflegedienstes und den Leistungsträgern nach Absatz 2 für alle Pflegebedürftigen nach einheitlichen Grundsätzen vereinbart. Sie muss leistungsgerecht sein. Die Vergütung muss einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen unter Berücksichtigung einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden. Für eine darüber hinausgehende Bezahlung bedarf es eines sachlichen Grundes. Eine Differenzierung in der Vergütung nach Kostenträgern ist unzulässig. (2) Vertragsparteien der Vergütungsvereinbarung sind die Träger des Pflegedienstes sowie 1. die Pflegekassen oder sonstige Sozialversicherungsträger, 2. die Träger der Sozialhilfe, die für die durch den Pflegedienst versorgten Pflegebedürftigen zuständig sind, sowie 3. die Arbeitsgemeinschaften der unter Nummer 1 und 2 genannten Träger, soweit auf den jeweiligen Kostenträger oder die Arbeitsgemeinschaft im Jahr vor Beginn der Vergütungsverhandlungen jeweils mehr als 5 vom Hundert der vom Pflegedienst betreuten Pflegebedürftigen entfallen. Die Vergütungsvereinbarung ist für jeden Pfle79  BSG Urteil vom 16.05.2013, B 3 P 2/12 R, Randziffer 22 80  BR-Drucks. 720/16, S. 9

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17.3  Gesetzestext  § 89 Grundsätze für die Vergütungsregelung

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gedienst gesondert abzuschließen und gilt für den nach § 72 Abs. 3 Satz 3 vereinbarten Einzugsbereich, soweit nicht ausdrücklich etwas Abweichendes vereinbart wird.

Kapitel 17

(3) Die Vergütungen können, je nach Art und Umfang der Pflegeleistung, nach dem dafür erforderlichen Zeitaufwand oder unabhängig vom Zeitaufwand nach dem Leistungsinhalt des jeweiligen Pflegeeinsatzes, nach Komplexleistungen oder in Ausnahmefällen auch nach Einzelleistungen bemessen werden; sonstige Leistungen wie hauswirtschaftliche Versorgung, Behördengänge oder Fahrkosten können auch mit Pauschalen vergütet werden. Die Vergütungen haben zu berücksichtigen, dass Leistungen von mehreren Pflegebedürftigen gemeinsam abgerufen und in Anspruch genommen werden können; die sich aus einer gemeinsamen Leistungsinanspruchnahme ergebenden Zeit- und Kostenersparnisse kommen den Pflegebedürftigen zugute. § 84 Absatz 4 Satz 2 und Absatz 7, § 85 Absatz 3 bis 7 und § 86 gelten entsprechend.

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18 § 113b Qualitätsausschuss 18.1  Was ist neu? Schon mit dem PSG II wurde festgelegt, dass der Qualitätsausschuss auch ein Konzept zur Qualitätssicherung in neuen Wohnformen zu entwickeln hat. Dieser Auftrag in Absatz 4 Punkt 6 wird nun weiter konkretisiert und mit einem Fertigstellungstermin versehen. Im neuen Absatz 8 werden die Vertragsparteien verpflichtet, dem zuständigen Bundesministerium einen genauen Zeitplan für die Umsetzung sowie die eingeleiteten und geplanten Schritte zu geben. Das Ministerium wird ermächtigt, den Zeitplan zu genehmigen. Es ist bei Abweichungen zu informieren und kann auch im Rahmen der Ersatzvornahme selbst einzelne Umsetzungsschritte beauftragen.

Mit dem PSG II hat der Gesetzgeber aus der bisherigen Schiedsstelle Qualitätssicherung einen Qualitätsausschuss gemacht, der erheblich weitergehende Verpflichtungen und Rechte hat. Der Qualitätsausschuss hat sich inzwischen in Form eines Vereins institutionalisiert und darüber eine unabhängige Geschäftsstelle Qualitätsausschuss Pflege gegründet81, die für die Umsetzung und Begleitung der Projekte zuständig ist. Durch die Ergänzung in Absatz 8, mit der das Bundesministerium jederzeit über den Stand der Entwicklung zu unterrichten ist und auch selbst im Wege der Ersatzvornahme Entscheidungen treffen kann, wird deutlich, dass die Politik die in Absatz 4 genannten Projekte (schließlich der in § 37 definierten Empfehlung zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche) im engen Zeitrahmen umgesetzt haben will. Wie bekannt, muss der Qualitätsausschuss seine Beschlüsse einvernehmlich treffen, ansonsten wird er um einen unparteiischen Vorsitzenden und zwei unparteiische Mitglieder erweitert und kann dann mit einfacher Mehrheit entscheiden. Das Bundesministerium für Gesundheit hat sich entschieden, den beamteten Staatssekretär Karl-Josef Laumann als Vorsitzenden zu benennen, der in seiner Person gleichzeitig auch noch Patientenbeauftragter der Bundesregierung sowie Bevollmächtigter für Pflege ist. Herr Laumann hält sich deshalb für nicht parteiisch, weil er weder für Kostenträger noch für Leistungsanbieter gearbeitet hat.82 Da das Ministerium gleichzeitig oberste Aufsichts- und Kontrollbehörde des Qualitätsausschusses ist, ihm entsprechend zu berichten ist und das Ministerium auch Ersatzvornahmen durchführen kann, ergeben sich so merkwürdige 81  www.gs-qsa-pflege.de 82  CareKonkret vom 04.03.2016, S. 5

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Konstellationen: Denn es könnte sein, dass der Qualitätsausschuss mit dem unparteiischen Vorsitzenden Laumann mit Mehrheit eine Entscheidung beispielsweise zum Zeitplan der Umsetzung eines Auftrags trifft, die das Bundesministerium für Gesundheit mit dem Bevollmächtigen für Pflege Laumann dann nicht genehmigt und im Wege der Ersatzvornahme anders regelt. Zumindest darf man feststellen, dass der Politik viel daran gelegen ist, ihre Vorstellungen von Qualität und Qualitätssicherung schnell und kraftvoll durchzusetzen. Welche Auswirkungen die im Gesetz definierten Vorstellungen von Qualitätssicherung und Umsetzung für die Praxis haben werden, bleibt abzuwarten. Der Gesetzgeber hat weiterhin den Auftrag zur Entwicklung von Qualitätssicherungsinstrumenten für die neuen Wohnformen konkretisiert und mit einer Zeitachse versehen. Aber gerade im Bereich der ambulanten Wohngemeinschaften wird die Bundesebene mit der sehr unterschiedlichen Definition von Wohngemeinschaften konfrontiert werden, die als Folge der Förderalisierung der Heimgesetzgebung eingetreten ist. Je nach Bundesland sind nicht nur Wohngemeinschaften unterschiedlich definiert, sie unterstehen auch je nach Bundesland zum Teil völlig unterschiedlichen formalen Regelungen. Dazu kommt, dass nicht einmal die Beurteilung der Wohngemeinschaften in Bezug auf die Regelungen nach § 38a innerhalb eines Bundeslandes von den Pflegekassen einheitlich erfolgt. Wie dann auf Bundesebene einheitliche Werkzeuge zur internen und externen Qualitätssicherung definiert werden sollen, bleibt deshalb rätselhaft oder ist, positiv formuliert, eine spannende wissenschaftliche Herausforderung.

Kapitel 18

18.3  Gesetzestext § 113b Qualitätsausschuss

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(1) Die von den Vertragsparteien nach § 113 im Jahr 2008 eingerichtete Schiedsstelle Qualitätssicherung entscheidet als Qualitätsausschuss nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8. Die Vertragsparteien nach § 113 treffen die Vereinbarungen und erlassen die Beschlüsse nach § 37 Absatz 5 in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung, den §§ 113, 113a, 115 Absatz 1a und 1c sowie § 115a Absatz 1 und 2 durch diesen Qualitätsausschuss. (2) Der Qualitätsausschuss besteht aus Vertretern des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen (Leistungsträger) und aus Vertretern der Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene (Leistungserbringer) in gleicher Zahl; Leistungsträger und Leistungserbringer können jeweils höchstens zehn Mitglieder entsenden. Dem Qualitätsausschuss gehören auch ein Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und ein Vertreter der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene an; sie werden auf die Zahl der Leistungsträger angerechnet. Dem Qualitätsausschuss kann auch ein Vertreter des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. angehören; die Entscheidung hierüber obliegt dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. Sofern der Verband der privaten Krankenversicherung e. V. ein Mitglied entsendet, wird dieses Mitglied auf die Zahl der Leistungs-

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(3) Kommt im Qualitätsausschuss eine Vereinbarung oder ein Beschluss nach Absatz 1 Satz 2 ganz oder teilweise nicht durch einvernehmliche Einigung zustande, so wird der Qualitätsausschuss auf Verlangen von mindestens einer Vertragspartei nach § 113, eines Mitglieds des Qualitätsausschusses oder des Bundesministeriums für Gesundheit um einen unparteiischen Vorsitzenden und zwei weitere unparteiische Mitglieder erweitert (erweiterter Qualitätsausschuss). Sofern die Organisationen, die Mitglieder in den Qualitätsausschuss entsenden, nicht bis zum 31. März 2016 die Mitglieder nach Maßgabe von Absatz 2 Satz 1 benannt haben, wird der Qualitätsausschuss durch die drei unparteiischen Mitglieder gebildet. Der unparteiische Vorsitzende und die weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter führen ihr Amt als Ehrenamt. Der unparteiische Vorsitzende wird vom Bundesministerium für Gesundheit benannt; der Stellvertreter des unparteiischen Vorsitzenden und die weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter werden von den Vertragsparteien nach § 113 gemeinsam benannt. Mitglieder des Qualitätsausschusses können nicht als Stellvertreter des unparteiischen Vorsitzenden oder der weiteren unparteiischen Mitglieder benannt werden. Kommt eine Einigung über die Benennung der unparteiischen Mitglieder nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist zustande, erfolgt die Benennung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Der erweiterte Qualitätsausschuss setzt mit der Mehrheit seiner Mitglieder den Inhalt der Vereinbarungen oder der Beschlüsse der Vertragsparteien nach § 113 fest. Die Festsetzungen des erweiterten Qualitätsausschusses haben die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung oder Beschlussfassung im Sinne von § 37 Absatz 5 in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung, von den §§ 113, 113a und 115 Absatz 1a. (4) Die Vertragsparteien nach § 113 beauftragen zur Sicherstellung der Wissenschaftlichkeit bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch den Qualitätsausschuss mit Unterstützung der qualifizierten Geschäftsstelle nach Absatz 6 fachlich unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen oder Sachverständige. Diese wissenschaftlichen Einrichtungen oder Sachverständigen werden beauftragt, insbesondere 1. bis zum 31. März 2017 die Instrumente für die Prüfung der Qualität der Leistungen, die von den stationären Pflegeeinrichtungen erbracht werden, und für die Qualitätsberichterstattung in der stationären Pflege zu entwickeln, wobei

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träger angerechnet. Dem Qualitätsausschuss soll auch ein Vertreter der Verbände der Pflegeberufe angehören; er wird auf die Zahl der Leistungserbringer angerechnet. Eine Organisation kann nicht gleichzeitig der Leistungsträgerseite und der Leistungserbringerseite zugerechnet werden. Jedes Mitglied erhält eine Stimme; die Stimmen sind gleich zu gewichten. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen wirkt in den Sitzungen und an den Beschlussfassungen im Qualitätsausschuss, auch in seiner erweiterten Form nach Absatz 3, beratend mit. Die auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen wirken in den Sitzungen und an den Beschlussfassungen im Qualitätsausschuss, auch in seiner erweiterten Form nach Absatz 3, nach Maßgabe von § 118 mit.

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a. insbesondere die 2011 vorgelegten Ergebnisse des vom Bundesministerium für Gesundheit und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projektes Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur Beurteilung der Ergebnisqualität in der stationären Altenhilfe und die Ergebnisse der dazu durchgeführten Umsetzungsprojekte b. Aspekte der Prozess- und Strukturqualität zu berücksichtigen sind; 2. bis zum 31. März 2017 auf der Grundlage der Ergebnisse nach Nummer 1 unter Beachtung des Prinzips der Datensparsamkeit ein bundesweites Datenerhebungsinstrument, bundesweite Verfahren für die Übermittlung und Auswertung der Daten einschließlich einer Bewertungssystematik sowie für die von Externen durchzuführende Prüfung der Daten zu entwickeln; 3. bis zum 30. Juni 2017 die Instrumente für die Prüfung der Qualität der von den ambulanten Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und für die Qualitätsberichterstattung in der ambulanten Pflege zu entwickeln, eine anschließende Pilotierung durchzuführen und einen Abschlussbericht bis zum 31. März 2018 vorzulegen; 4. ergänzende Instrumente für die Ermittlung und Bewertung von Lebensqualität zu entwickeln; 5. die Umsetzung der nach den Nummern 1 bis 3 entwickelten Verfahren zur Qualitätsmessung und Qualitätsdarstellung wissenschaftlich zu evaluieren und den Vertragsparteien nach § 113 Vorschläge zur Anpassung der Verfahren an den neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu unterbreiten sowie

Kapitel 18

6. bis zum 31. März 2018 ein Konzept für eine Qualitätssicherung in neuen Wohnformen zu entwickeln und zu erproben, insbesondere Instrumente zur internen und externen Qualitätssicherung sowie für eine angemessene Qualitätsberichterstattung zu entwickeln und ihre Eignung zu erproben.

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Das Bundesministerium für Gesundheit sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit können den Vertragsparteien nach § 113 weitere Themen zur wissenschaftlichen Bearbeitung vorschlagen. (5) Die Finanzierung der Aufträge nach Absatz 4 erfolgt aus Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung nach § 8 Absatz 4. Bei der Bearbeitung der Aufträge nach Absatz 4 Satz 2 ist zu gewährleisten, dass die Arbeitsergebnisse umsetzbar sind. Der jeweilige Auftragnehmer hat darzulegen, zu welchen finanziellen Auswirkungen die Umsetzung der Arbeitsergebnisse führen wird. Den Arbeitsergebnissen ist diesbezüglich eine Praktikabilitäts- und Kostenanalyse beizufügen. Die Ergebnisse der Arbeiten nach Absatz 4 Satz 2 sind dem Bundesministerium für Gesundheit zur Kenntnisnahme vor der Veröffentlichung vorzulegen. (6) Die Vertragsparteien nach § 113 richten gemeinsam bis zum 31. März 2016 eine unabhängige qualifizierte Geschäftsstelle des Qualitätsausschusses für die Dauer von fünf Jahren ein. Die Geschäftsstelle nimmt auch die Aufgaben einer wissenschaftlichen Beratungs- und Koordinierungsstelle wahr. Sie soll insbesondere den Qualitäts-

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ausschuss und seine Mitglieder fachwissenschaftlich beraten, die Auftragsverfahren nach Absatz 4 koordinieren und die wissenschaftlichen Arbeitsergebnisse für die Entscheidungen im Qualitätsausschuss aufbereiten. Näheres zur Zusammensetzung und Arbeitsweise der qualifizierten Geschäftsstelle regeln die Vertragsparteien nach § 113 in der Geschäftsordnung nach Absatz 7. (7) Die Vertragsparteien nach § 113 vereinbaren in einer Geschäftsordnung mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V., mit den Verbänden der Pflegeberufe auf Bundesebene und mit den auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen das Nähere zur Arbeitsweise des Qualitätsausschusses, insbesondere 1. zur Benennung der Mitglieder und der unparteiischen Mitglieder, 2. zur Amtsdauer, Amtsführung und Entschädigung für den Zeitaufwand der unparteiischen Mitglieder, 3. zum Vorsitz, 4. zu den Beschlussverfahren, 5. zur Errichtung einer qualifizierten Geschäftsstelle auch mit der Aufgabe als wissenschaftliche Beratungs- und Koordinierungsstelle nach Absatz 6, 6. zur Sicherstellung der jeweiligen Auftragserteilung nach Absatz 4, 7. zur Einbeziehung weiterer Sachverständiger oder Gutachter, 8. zur Bildung von Arbeitsgruppen,

10. zur Verteilung der Kosten für die Entschädigung der unparteiischen Mitglieder und der einbezogenen weiteren Sachverständigen und Gutachter sowie für die Erstattung von Reisekosten nach § 118 Abs. 1 Satz 6; die Kosten können auch den Kosten der qualifizierten Geschäftsstelle nach Absatz 6 zugerechnet werden. Die Geschäftsordnung und die Änderung der Geschäftsordnung sind durch das Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu genehmigen. Kommt die Geschäftsordnung nicht bis zum 29. Februar 2016 zustande, wird ihr Inhalt durch das Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bestimmt. (8) Die Vertragsparteien nach § 113 sind verpflichtet, dem Bundesministerium für Gesundheit auf Verlangen unverzüglich Auskunft über den Stand der Bearbeitung der mit gesetzlichen Fristen versehenen Aufgaben nach Absatz 1 Satz 2 und über den Stand der Auftragserteilung und Bearbeitung der nach Absatz 4 zu erteilenden Aufträge sowie über erforderliche besondere Maßnahmen zur Einhaltung der gesetzlichen Fristen zu geben. Die Vertragsparteien legen dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 15. Januar 2017 einen konkreten Zeitplan für die Bearbeitung der mit gesetzlichen Fristen versehenen Aufgaben nach Absatz 1 Satz 2 und

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9. zur Gewährleistung der Beteiligungs- und Mitberatungsrechte nach diesem Gesetz einschließlich der Erstattung von Reisekosten nach § 118 Abs. 1 Satz 6 sowie

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der Aufträge nach Absatz 4 vor, aus dem einzelne Umsetzungsschritte erkennbar sind. Der Zeitplan ist durch das Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu genehmigen. Die Vertragsparteien nach § 113 sind verpflichtet, das Bundesministerium für Gesundheit unverzüglich zu informieren, wenn absehbar ist, dass ein Zeitziel des Zeitplans nicht eingehalten werden kann. In diesem Fall kann das Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einzelne Umsetzungsschritte im Wege der Ersatzvornahme selbst vornehmen.

Kapitel 18

(9) Die durch den Qualitätsausschuss getroffenen Entscheidungen sind dem Bundesministerium für Gesundheit vorzulegen. Es kann die Entscheidungen innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Prüfung vom Qualitätsausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zu deren Eingang ist der Lauf der Frist nach Satz 2 unterbrochen. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben. Die Nichtbeanstandung von Entscheidungen kann vom Bundesministerium für Gesundheit mit Auflagen verbunden werden. Kommen Entscheidungen des Qualitätsausschusses ganz oder teilweise nicht fristgerecht zustande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit den Inhalt der Vereinbarungen und der Beschlüsse nach Absatz 1 Satz 2 festsetzen. Bei den Verfahren nach den Sätzen 1 bis 6 setzt sich das Bundesministerium für Gesundheit mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ins Benehmen.

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19 § 114 Qualitätsprüfungen 19.1  Was ist neu? Der Gesetzgeber erweitert die Regelprüfungen auch auf solche Leistungsbezieher, die Behandlungspflegeleistungen ohne weitere Sachleistungen beziehen. Bisher waren sie aus der Stichprobe ausgeschlossen.

Die Qualitätsprüfungs-Richtlinie QPR für den ambulanten Bereich ist mit Stand vom 6. September 2016 vom Bundesministerium für Gesundheit mit Schreiben vom 4. Oktober 2016 genehmigt worden. Die Stichprobe der Regelprüfung setzte sich vor der Neufassung der Richtlinie aus 10 % aller pflegebedürftigen Personen zusammen, die vom Pflegedienst mit Sachleistungen (mindestens Grundpflege) versorgt wurden, jedoch mindestens 5 und maximal 15 Personen 83. In der Neufassung wird die Stichprobe eingegrenzt auf 8 Pflegebedürftige (3x Pflegegrad 2, 3x Pflegegrad 3, 2 x Pflegegrad 4 und 5), die mindestens als Sachleistungen (auch) körperbezogene Pflegemaßnahmen in Anspruch nehmen84. Leistungsbezieher, die beispielsweise nur pflegerische Betreuung oder/und Hilfen bei der Haushaltsführung oder/und Leistungen der Häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V erhalten, sind in der aktuellen Stichprobe der Regelprüfung nicht enthalten. Genau hier setzt die Gesetzesänderung an: Nun müssen in die Stichprobe Leistungsbezieher aufgenommen werden, die (auch allein) Behandlungspflege beziehen. Damit ist das bisherige Stichprobenmuster neu zu definieren, denn nicht jeder Behandlungspflegekunde muss einen Pflegegrad haben. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der diesen Änderungsvorschlag enthält und inhaltlich begründet, datiert vom 05.09.201685. Warum das Ministerium erst noch eine neue Stichprobenregelung für die ambulante Pflege genehmigt hat, die dann nach etwas weniger als 3 Monaten schon wieder zu verändern ist, erscheint nicht ganz verständlich. Zumal die Grundstruktur nach Pflegegraden zur neuen Rechtslage nicht mehr passen kann. Es soll nach dem Willen des Gesetzgebers dann auch Qualitätsprüfungen bei Leistungsbeziehern geben, die beispielsweise regelmäßig nur eine Insulingabe erhalten oder nur beim Anziehen von Kompressionsstrümpfen unterstützt werden. In solchen Fällen wäre zu fragen, wie reduziert dann eine solche Qualitäts83  QPR ambulant vom 17.01.2014, § 6, Abs. 8 84  QPR ambulant vom 06.09.2016, § 6, Abs. 7 85  BT-Drucks. 18/9518, S. 74

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19.2  Kritik und Praxis

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prüfung aussehen müsste? Denn sämtliche Fragestellungen zur Grundpflege und Versorgungssituation wären irrelevant. Allerdings sollte man bei der Diskussion das neue Einstufungssystem und deren hohe Bewertung von Behandlungspflege nicht außer Acht lassen: Denn Leistungsbezieher, die regelmäßig beispielsweise zweimal täglich den Blutzucker gemessen sowie eine Insulininjektion bekommen, erhalten darüber schon für die Gesamtbewertung gewichtete 10 Punkte. Pflegegrad 1 ist mit 12,5 Punkten erreicht. Damit hätte diese Gruppe reale Chancen auf einen Pflegegrad 86. Da sie aber im Pflegegrad 1 keinen Sachleistungsanspruch haben, wären die Fragestellungen zur sonstigen Versorgung trotzdem nicht Prüfgegenstand.

19.3  Gesetzestext § 114 Qualitätsprüfungen (1) Zur Durchführung einer Qualitätsprüfung erteilen die Landesverbände der Pflegekassen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, dem Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. im Umfang von 10 Prozent der in einem Jahr anfallenden Prüfaufträge oder den von ihnen bestellten Sachverständigen einen Prüfauftrag. Der Prüfauftrag enthält Angaben zur Prüfart, zum Prüfgegenstand und zum Prüfumfang. Die Prüfung erfolgt als Regelprüfung, Anlassprüfung oder Wiederholungsprüfung. Die Pflegeeinrichtungen haben die ordnungsgemäße Durchführung der Prüfungen zu ermöglichen. Vollstationäre Pflegeeinrichtungen sind ab dem 1. Januar 2014 verpflichtet, die Landesverbände der Pflegekassen unmittelbar nach einer Regelprüfung darüber zu informieren, wie die ärztliche, fachärztliche und zahnärztliche Versorgung sowie die Arzneimittelversorgung in den Einrichtungen geregelt sind. Sie sollen insbesondere auf Folgendes hinweisen:

Kapitel 19

1. auf den Abschluss und den Inhalt von Kooperationsverträgen oder die Einbindung der Einrichtung in Ärztenetze, 2. auf den Abschluss von Vereinbarungen mit Apotheken sowie 3. ab dem 1. Juli 2016 auf die Zusammenarbeit mit einem Hospiz- und Palliativnetz. Wesentliche Änderungen hinsichtlich der ärztlichen, fachärztlichen und zahnärztlichen Versorgung, der Arzneimittelversorgung sowie der Zusammenarbeit mit einem Hospiz- und Palliativnetz sind den Landesverbänden der Pflegekassen innerhalb von vier Wochen zu melden. (2) Die Landesverbände der Pflegekassen veranlassen in zugelassenen Pflegeeinrichtungen bis zum 31. Dezember 2010 mindestens einmal und ab dem Jahre 2011 regelmäßig im Abstand von höchstens einem Jahr eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, den Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. oder durch von ihnen bestellte Sachverständige (Regelprüfung). Zu prüfen ist, ob die Qualitätsanforderungen nach diesem Buch und nach den auf die88

86  Siehe auch: Heiber in Häusliche Pflege 1/2017

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(3) Die Landesverbände der Pflegekassen haben im Rahmen der Zusammenarbeit mit den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden (§ 117) vor einer Regelprüfung insbesondere zu erfragen, ob Qualitätsanforderungen nach diesem Buch und den auf seiner Grundlage abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarungen in einer Prüfung der nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörde oder in einem nach Landesrecht durchgeführten Prüfverfahren berücksichtigt worden sind. Hierzu können auch Vereinbarungen auf Landesebene zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen und den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden sowie den für weitere Prüfverfahren zuständigen Aufsichtsbehörden getroffen werden. Um Doppelprüfungen zu vermeiden, haben die Landesverbände der Pflegekassen den Prüfumfang der Regelprüfung in angemessener Weise zu verringern, wenn 1. die Prüfungen nicht länger als neun Monate zurückliegen, 2. die Prüfergebnisse nach pflegefachlichen Kriterien den Ergebnissen einer Regelprüfung gleichwertig sind und 3. die Veröffentlichung der von den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, gemäß § 115 Absatz 1a gewährleistet ist. Die Pflegeeinrichtung kann verlangen, dass von einer Verringerung der Prüfpflicht abgesehen wird. 4) Bei Anlassprüfungen geht der Prüfauftrag in der Regel über den jeweiligen Prüfanlass hinaus; er umfasst eine vollständige Prüfung mit dem Schwerpunkt der Ergebnisqualität. Gibt es im Rahmen einer Anlass-, Regel- oder Wiederholungsprüfung sachlich begründete Hinweise auf eine nicht fachgerechte Pflege bei Pflegebedürftigen, auf die sich die Prüfung nicht erstreckt, sind die betroffenen Pflegebedürftigen unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen in die Prüfung einzubeziehen. Die Prüfung ist insgesamt als Anlassprüfung durchzuführen. Im Zusammenhang mit einer zuvor durchgeführten Regel- oder Anlassprüfung kann von den Lan-

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ser Grundlage abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarungen erfüllt sind. Die Regelprüfung erfasst insbesondere wesentliche Aspekte des Pflegezustandes und die Wirksamkeit der Pflege- und Betreuungsmaßnahmen (Ergebnisqualität). Sie kann auch auf den Ablauf, die Durchführung und die Evaluation der Leistungserbringung (Prozessqualität) sowie die unmittelbaren Rahmenbedingungen der Leistungserbringung (Strukturqualität) erstreckt werden. Die Regelprüfung bezieht sich auf die Qualität der allgemeinen Pflegeleistungen, der medizinischen Behandlungspflege, der Betreuung einschließlich der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung im Sinne des 43a, der Leistungen bei Unterkunft und Verpflegung (§ 87) und der Zusatzleistungen (§ 88). Auch die nach § 37 des Fünften Buches erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege sind in die Regelprüfung einzubeziehen, unabhängig davon, ob von der Pflegeversicherung Leistungen nach § 36 erbracht werden. Die Regelprüfung umfasst auch die Abrechnung der genannten Leistungen. Zu prüfen ist auch, ob die Versorgung der Pflegebedürftigen den Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention nach § 23 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes entspricht.

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Kapitel 19

desverbänden der Pflegekassen eine Wiederholungsprüfung veranlasst werden, um zu überprüfen, ob die festgestellten Qualitätsmängel durch die nach § 115 Abs. 2 angeordneten Maßnahmen beseitigt worden sind.

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20 §  114a Durchführung der Qualitätsprüfungen 20.1  Was ist neu? Die Änderung betrifft im Kern nur die in Abs. 3a neu formulierten Mitwirkungspflichten: Die Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, die Kontaktdaten aller von ihnen versorgten Leistungsempfänger den Prüfern offen zu legen. Die Prüfer sind verpflichtet, die für die Stichprobe ausgewählten Leistungsbezieher vor der Durchführung der Prüfung in verständlicher Weise über die Prüfung und die Freiheit der Mitwirkung aufzuklären. Die Einwilligung oder Nichteinwilligung kann durch den Leistungsbezieher erst nach Bekanntgabe der Einbeziehung in die Prüfung gegenüber dem Prüfer erfolgen.

Der Gesetzgeber reagiert nach eigenen Worten auf eine Entwicklung, die im Jahr 2016 zu einigen Diskussionen geführt hat. Bei Qualitätsprüfungen wurden Prüfer mit standardisierten Ablehnungen der Mitwirkung konfrontiert, die scheinbar bereits beim Abschluss der Pflegeverträge unterschrieben wurden. Auch weigerten sich Pflegedienste mit Hinweis auf den Datenschutz, den Prüfern aussagefähige Listen der versorgten Leistungsbezieher auszuhändigen, was eine Stichprobenbildung sowie die Prüfung vor Ort behinderte oder sogar gänzlich verhinderte87. Hierauf reagiert der Gesetzgeber, indem er den Abs. 3 a umbaut und ergänzt: 1. Die Pflegedienste sind nun gesetzlich verpflichtet, eine vollständige Liste der möglicherweise zu begutachtenden Leistungsbezieher dem MDK auszuhändigen. 2. Nach der ‚Ziehung‘ der Stichprobe sind die Prüfer verpflichtet, die für die Stichprobe ausgewählten Leistungsbezieher in verständlicher Weise über die Prüfung und die Entscheidungsfreiheit aufzuklären. Diese Aufklärung muss so rechtzeitig erfolgen, dass die Betroffenen ihre Entscheidung wohlüberlegt treffen können. 3. Erklärungen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung können erst nach Bekanntgabe der Einbeziehung erfolgen, also nicht auf ‚Vorrat‘. 4. Erst nach der Entscheidung des Leistungsbeziehers beginnt dann die Prüfung vor Ort.

87  Beispielsweise Report Mainz, 26.07.2016: Die Tricks der Pflegedienste Kontrollen zu verhindern

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20.2  Kritik und Praxis

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Mit diesem Vorgehen will der Gesetzgeber die mitunter auch missbräuchlich benutzten vorsorglichen Nichteinwilligungen reduzieren, ohne dem Leistungsbezieher in seinen persönlichen Rechten einzuschränken. In der Tat ist es fraglich, ob eine Unterschrift auf einer Nichteinwilligung, die vorsorglich vor längerer Zeit erfolgte, zum aktuellen Zeitpunkt noch ‚richtig‘ ist. Es kann ja auch sein, dass der Leistungsbezieher nun eine Einbeziehung wünscht (z.B. wegen Unstimmigkeiten mit dem Pflegedienst), aber sich an die vorsorgliche Unterschrift gar nicht mehr erinnert und deshalb auch keine neue Entscheidung mehr treffen kann, weil er nicht mehr gefragt wird. Andererseits wird es für die Prüfer schwierig sein, die gesetzlich vorgesehene rechtzeitige Informationspflicht umzusetzen, damit der Leistungsbezieher wie im Gesetz gefordert, ‚wohlüberlegt‘ seine Entscheidung treffen kann. Praktisch formuliert: Ist eine Bedenkzeit von einer Stunde ausreichend oder reichen 5 Minuten für eine wohlüberlegte Entscheidung? Nicht ganz zu Unrecht sieht der Gesetzgeber selbst hier praktische Probleme und formuliert zumindest in der Gesetzesbegründung, dass es „hilfreich und sachdienlich (wäre), wenn Pflegekassen z. B. im Zusammenhang mit Leistungsbescheiden bereits regelmäßig in verständlicher Weise über den Schutzzweck der Qualitätsprüfungen informieren und auf die Notwendigkeit der Durchführung von Qualitätsprüfungen zum Erhalt des Qualitätsniveaus bzw. zur Identifizierung von Verbesserungspotenzialen hinweisen.“88

Kapitel 20

20.3 Gesetzestext § 114a Durchführung der Qualitätsprüfungen (1) Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung, der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. und die von den Landesverbänden der Pflegekassen bestellten Sachverständigen sind im Rahmen ihres Prüfauftrags nach § 114 jeweils berechtigt und verpflichtet, an Ort und Stelle zu überprüfen, ob die zugelassenen Pflegeeinrichtungen die Leistungs- und Qualitätsanforderungen nach diesem Buch erfüllen. Prüfungen in stationären Pflegeeinrichtungen sind grundsätzlich unangemeldet durchzuführen. Qualitätsprüfungen in ambulanten Pflegeeinrichtungen sind grundsätzlich am Tag zuvor anzukündigen; Anlassprüfungen sollen unangemeldet erfolgen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung, der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. und die von den Landesverbänden der Pflegekassen bestellten Sachverständigen beraten im Rahmen der Qualitätsprüfungen die Pflegeeinrichtungen in Fragen der Qualitätssicherung. § 112 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) Sowohl bei teil- als auch bei vollstationärer Pflege sind der Medizinische Dienst der Krankenversicherung, der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversiche92

88  BT-Drucks. 18/10510 (Vorabfassung), S. 120

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(3) Die Prüfungen beinhalten auch Inaugenscheinnahmen des gesundheitlichen und pflegerischen Zustands von durch die Pflegeeinrichtung versorgten Personen. Zum gesundheitlichen und pflegerischen Zustand der durch Inaugenscheinnahme in die Prüfung einbezogenen Personen können sowohl diese Personen selbst als auch Beschäftigte der Pflegeeinrichtungen, Betreuer und Angehörige sowie Mitglieder der heimrechtlichen Interessenvertretungen der Bewohnerinnen und Bewohner befragt werden. Bei der Beurteilung der Pflegequalität sind die Pflegedokumentation, die Inaugenscheinnahme von Personen nach Satz 1 und Befragungen der Beschäftigten der Pflegeeinrichtungen sowie der durch Inaugenscheinnahme in die Prüfung einbezogenen Personen, ihrer Angehörigen und der vertretungsberechtigten Personen angemessen zu berücksichtigen. Die Teilnahme an Inaugenscheinnahmen und Befragungen ist freiwillig. Durch die Ablehnung dürfen keine Nachteile entstehen. Einsichtnahmen in Pflegedokumentationen, Inaugenscheinnahmen von Personen nach Satz 1 und Befragungen von Personen nach Satz 2 sowie die damit jeweils zusammenhängende Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von durch Inaugenscheinnahme in die Prüfung einbezogenen Personen zum Zwecke der Erstellung eines Prüfberichts bedürfen der Einwilligung der betroffenen Personen. (3a) Die Pflegeeinrichtungen haben im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 114 Absatz 1 Satz 4 insbesondere die Namen und Kontaktdaten der von ihnen versorgten Personen an die jeweiligen Prüfer weiterzuleiten. Die Prüfer sind jeweils verpflichtet, die durch Inaugenscheinnahme nach Absatz 3 Satz 1 in die Qua-

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rung e. V. und die von den Landesverbänden der Pflegekassen bestellten Sachverständigen jeweils berechtigt, zum Zwecke der Qualitätssicherung die für das Pflegeheim benutzten Grundstücke und Räume jederzeit zu betreten, dort Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen, sich mit den Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen, vertretungsberechtigten Personen und Betreuern in Verbindung zu setzen sowie die Beschäftigten und die Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner zu befragen. Prüfungen und Besichtigungen zur Nachtzeit sind nur zulässig, wenn und soweit das Ziel der Qualitätssicherung zu anderen Tageszeiten nicht erreicht werden kann. Soweit Räume einem Wohnrecht der Heimbewohner unterliegen, dürfen sie ohne deren Einwilligung nur betreten werden, soweit dies zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. Bei der ambulanten Pflege sind der Medizinische Dienst der Krankenversicherung, der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. und die von den Landesverbänden der Pflegekassen bestellten Sachverständigen berechtigt, die Qualität der Leistungen des Pflegedienstes mit Einwilligung der vom Pflegedienst versorgten Person auch in deren Wohnung zu überprüfen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung und der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. sollen die nach heimrechtlichen Vorschriften zuständige Aufsichtsbehörde an Prüfungen beteiligen, soweit dadurch die Prüfung nicht verzögert wird.

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Kapitel 20

litätsprüfung einzubeziehenden Personen vor der Durchführung der Qualitätsprüfung in verständlicher Weise über die für die Einwilligung in die Prüfhandlungen nach Absatz 3 Satz 6 wesentlichen Umstände aufzuklären. Ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die die durch Inaugenscheinnahme in die Prüfung einzubeziehende Person in Textform erhält. Die Aufklärung muss so rechtzeitig erfolgen, dass die durch Inaugenscheinnahme in die Prüfung einzubeziehende Person ihre Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Die Einwilligung nach Absatz 2 oder Absatz 3 kann erst nach Bekanntgabe der Einbeziehung der in Augenschein zu nehmenden Person in die Qualitätsprüfung erklärt werden und muss in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise gegenüber den Prüfern abgegeben werden, die Person des Erklärenden benennen und den Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar machen (Textform). Ist die durch Inaugenscheinnahme in die Prüfung einzubeziehende Person einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, wobei dieser nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 aufzuklären ist. Ist ein Berechtigter nicht am Ort einer unangemeldeten Prüfung anwesend und ist eine rechtzeitige Einholung der Einwilligung in Textform nicht möglich, so genügt „nach einer den Maßgaben der Sätze 2 bis 4 entsprechenden Aufklärung durch die Prüfer ausnahmsweise eine mündliche Einwilligung, wenn andernfalls die Durchführung der Prüfung erschwert würde. Die mündliche Einwilligung oder Nichteinwilligung des Berechtigten sowie die Gründe für ein ausnahmsweises Abweichen von der erforderlichen Textform sind schriftlich zu dokumentieren.

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(4) Auf Verlangen sind Vertreter der betroffenen Pflegekassen oder ihrer Verbände, des zuständigen Sozialhilfeträgers sowie des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. an den Prüfungen nach den Absätzen 1 bis 3 zu beteiligen. Der Träger der Pflegeeinrichtung kann verlangen, dass eine Vereinigung, deren Mitglied er ist (Trägervereinigung), an der Prüfung nach den Absätzen 1 bis 3 beteiligt wird. Ausgenommen ist eine Beteiligung nach Satz 1 oder nach Satz 2, soweit dadurch die Durchführung einer Prüfung voraussichtlich verzögert wird. Unabhängig von ihren eigenen Prüfungsbefugnissen nach den Absätzen 1 bis 3 sind der Medizinische Dienst der Krankenversicherung, der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. und die von den Landesverbänden der Pflegekassen bestellten Sachverständigen jeweils befugt, sich an Überprüfungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen zu beteiligen, soweit sie von der nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörde nach Maßgabe heimrechtlicher Vorschriften durchgeführt werden. Sie haben in diesem Fall ihre Mitwirkung an der Überprüfung der Pflegeeinrichtung auf den Bereich der Qualitätssicherung nach diesem Buch zu beschränken. (5) Unterschreitet der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. die in § 114 Absatz 1 Satz 1 genannte, auf das Bundesgebiet bezogene Prüfquote, beteiligen sich die privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflege-Pflichtversicherung durchführen, anteilig bis zu einem Betrag von 10 Prozent an den Kos-

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ten der Qualitätsprüfungen der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen. Das Bundesversicherungsamt stellt jeweils am Ende eines Jahres die Einhaltung der Prüfquote oder die Höhe der Unter- oder Überschreitung sowie die Höhe der durchschnittlichen Kosten von Prüfungen im Wege einer Schätzung nach Anhörung des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. und des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen fest und teilt diesen jährlich die Anzahl der durchgeführten Prüfungen und bei Unterschreitung der Prüfquote den Finanzierungsanteil der privaten Versicherungsunternehmen mit; der Finanzierungsanteil ergibt sich aus der Multiplikation der Durchschnittskosten mit der Differenz zwischen der Anzahl der vom Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. durchgeführten Prüfungen und der in § 114 Absatz 1 Satz 1 genannten Prüfquote. Der Finanzierungsanteil, der auf die privaten Versicherungsunternehmen entfällt, ist vom Verband der privaten Krankenversicherung e. V. jährlich unmittelbar an das Bundesversicherungsamt zugunsten des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung (§ 65) zu überweisen. Der Verband der privaten Krankenversicherung e. V. muss der Zahlungsaufforderung durch das Bundesversicherungsamt keine Folge leisten, wenn er innerhalb von vier Wochen nach der Zahlungsaufforderung nachweist, dass die Unterschreitung der Prüfquote nicht von ihm oder seinem Prüfdienst zu vertreten ist.

(6) Die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung und der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. berichten dem Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zum 30. Juni 2011, danach in Abständen von drei Jahren, über ihre Erfahrungen mit der Anwendung der Beratungsund Prüfvorschriften nach diesem Buch, über die Ergebnisse ihrer Qualitätsprüfungen sowie über ihre Erkenntnisse zum Stand und zur Entwicklung der Pflegequalität und der Qualitätssicherung. Sie stellen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen die Vergleichbarkeit der gewonnenen Daten sicher. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen führt die Berichte der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung, des Prüfdienstes des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. und seine eigenen Erkenntnisse und Erfahrungen zur Entwicklung der Pflegequalität und der Qualitätssicherung zu einem Bericht zusammen und legt diesen innerhalb eines halben Jahres dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen, dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den zuständigen Länderministerien vor. (7) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und des Prüfdiens-

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(5a) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen vereinbart bis zum 31. Oktober 2011 mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. das Nähere über die Zusammenarbeit bei der Durchführung von Qualitätsprüfungen durch den Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V., insbesondere über Maßgaben zur Prüfquote, Auswahlverfahren der zu prüfenden Pflegeeinrichtungen und Maßnahmen der Qualitätssicherung, sowie zur einheitlichen Veröffentlichung.

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Kapitel 20

tes des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. zur verfahrensrechtlichen Konkretisierung Richtlinien über die Durchführung der Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach § 114 sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Bereich. In den Richtlinien sind die Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität nach § 113 zu berücksichtigen. Die Richtlinien für den stationären Bereich sind bis zum 31. Oktober 2017, die Richtlinien für den ambulanten Bereich bis zum 31. Oktober 2018 zu beschließen. Sie treten jeweils gleichzeitig mit der entsprechenden Qualitätsdarstellungsvereinbarung nach § 115 Absatz 1a in Kraft. Die maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen wirken nach Maßgabe von § 118 mit. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen hat die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene, den Verband der privaten Krankenversicherung e. V. sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene zu beteiligen. Ihnen ist unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Die Richtlinien sind in regelmäßigen Abständen an den medizinisch-pflegefachlichen Fortschritt anzupassen. Sie sind durch das Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu genehmigen. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben. Die Richtlinien über die Durchführung der Qualitätsprüfung sind für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und den Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. verbindlich.

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21 § 144 Überleitungs- und Übergangsregelungen, Verordnungsermächtigung 21.1  Was ist neu? Mit dem neuen Absatz 3 wird für Versicherte, die in den Jahren 2015 und 2016 die Anspruchsvoraussetzungen auf die (bis dahin sogenannten) Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b erfüllt haben, die Möglichkeit geschaffen, nicht genutzte Leistungen aus diesen Jahren bis Ende 2018 noch zu nutzen. Das gilt auch für nachträgliche Erstattung von Kosten (Rechnungen) aus den Jahren 2015 oder 2016. Weiterhin wird geregelt, dass nicht ausgeschöpfte Fördermittel der Pflegeversicherung nach § 45c aus dem Jahr 2016 auch noch im Jahr 2017 abgerufen werden können. Für die Pflegebedürftigen, bei denen im Dezember 2016 Leistungen der Eingliederungshilfe und/oder der Hilfe zur Pflege und der Pflegeversicherung zusammentrafen, muss nur dann eine Vereinbarung nach § 13 Abs. 4 in der Fassung ab 2017 abgeschlossen werden, wenn einer der beteiligten Träger oder der Leistungsberechtigte dies verlangt.

Die Gründe für die Möglichkeit des weiteren Abrufes der Entlastungsleistungen aus den Jahre 2015 und 2016 sind in der Kommentierung zu § 45b schon ausführlich dargestellt worden (siehe Seite 49). Für die praktische Umsetzung (Erbringung und Abrechnung durch den Pflegedienst sollten folgende Punkte beachtet werden: –– Zunächst sollte der Pflegedienst für die Kunden/Interessenten klären, ob sie noch nicht verfallene Ansprüche aus den Jahren 2015 und 2016 haben. Gegenüber dem Versicherten sind die Pflegekassen zur Auskunft über den Stand der abzurufenden Leistung verpflichtet, der Versicherte könnte aber den Pflegedienst auch bevollmächtigen, für ihn diese Auskunft einzuholen. –– Dann sollte geklärt werden, zu welchen Zeitpunkt welche Leistungen abgerufen werden; denn durch die Laufzeit bis Ende 2018 kann es zu ‚Kollisionen‘ mit den normalen Leistungen kommen. –– Falls noch Leistungsansprüche aus den Jahren 2015 und 2016 im Jahre 2018 vorhanden sind, sollte vorrangig erst evtl. noch vorhandene übergeleitete Ansprüche aus 2017 ausgegeben werden, weil diese im normalen Rhythmus

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21.2  Kritik und Praxis

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Leistungsansprüche § 45b Entlastungsbetrag Jahr 2015 2016 2017

Abrufzeitraum Ende 2018 Ende 2018 bis 30.06.2018

(nächste Halbjahr) verfallen, während die Altansprüche über die Sonderregelung noch im ganzen Jahr 2018 genutzt werden können. Auch für die Neuregelung beim Zusammentreffen von Leistungen der Eingliederungshilfe und der Pflegeversicherung ist hier eine Übergangsregelung geschaffen worden, damit bereits bestehende Arrangements nicht neu verhandelt werden müssen.

21.3 Gesetzestext § 144 Überleitungs- und Übergangsregelungen, Verordnungsermächtigung

Kapitel 21

(1) Für Personen, die am 31. Dezember 2014 einen Anspruch auf einen Wohngruppenzuschlag nach § 38a in der am 31. Dezember 2014 geltenden Fassung haben, wird diese Leistung weiter erbracht, wenn sich an den tatsächlichen Verhältnissen nichts geändert hat. (2) Am 31. Dezember 2016 nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Betreuungsangebote und niedrigschwellige Entlastungsangebote im Sinne der §§ 45b und 45c in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung gelten auch ohne neues Anerkennungsverfahren als nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung hiervon abweichende Regelungen zu treffen. (3) Soweit Versicherte im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 die Anspruchsvoraussetzungen nach § 45b Absatz 1 oder Absatz 1a in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung erfüllt haben und ab dem 1. Januar 2017 die Anspruchsvoraussetzungen nach § 45b Absatz 1 Satz 1 in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung erfüllen, können sie Leistungsbeträge nach § 45b, die sie in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 nicht zum Bezug von Leistungen nach § 45b Absatz 1 Satz 6 in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung genutzt haben, bis zum 31. Dezember 2018 zum Bezug von Leistungen nach § 45b Absatz 1 Satz 3 in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung einsetzen. Die in Satz 1 genannten Mittel können ebenfalls zur nachträglichen Kostenerstattung für Leistungen nach

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§ 45b Absatz 1 Satz 6 in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung genutzt werden, die von den Anspruchsberechtigten in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 bezogen worden sind. Die Kostenerstattung nach Satz 2 ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2018 zu beantragen. Dem Antrag sind entsprechende Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der bezogenen Leistungen beizufügen. (4) Die im Jahr 2015 gemäß § 45c zur Verfügung gestellten Fördermittel, die nach § 45c Absatz 5 Satz 2 in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung auf das Folgejahr 2016 übertragen und bis zum Ende des Jahres 2016 in den Ländern nicht in Anspruch genommen worden sind, können im Jahr 2017 gemäß § 45c Absatz 6 Satz 3 bis 9 in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung von den Ländern beantragt werden, die im Jahr 2015 mindestens 80 Prozent der auf sie gemäß § 45c Absatz 5 Satz 1 in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung nach dem Königsteiner Schlüssel entfallenden Mittel ausgeschöpft haben.

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(5) In Fällen, in denen am 31. Dezember 2016 der Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung mit Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach dem Zwölften Buch, dem Bundesversorgungsgesetz oder dem Achten Buch bereits zusammentrifft, muss eine Vereinbarung nach § 13 Absatz 4 in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung nur dann abgeschlossen werden, wenn einer der beteiligten Träger oder der Leistungsbezieher dies verlangt. Trifft der Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung außerdem mit Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch oder dem Bundesversorgungsgesetz zusammen, gilt Satz 1 entsprechend.“

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22 Anlage 1 zu § 15 Berechnungstabelle Einzelpunkte für die Kriterien der Ziffern 5.8 bis 5.11 In der Anlage 1 bei der Ermittlung der Einzelpunkte für die Kriterien 5.8 bis 5.11 der Behandlungspflege hat der Gesetzgeber eine mathematische Lücke korrigiert: Es werden zwei gewichtete Einzelpunkte vergeben, wenn die Maßnahmen pro Tag mehr als einmal, aber weniger als dreimal täglich erbracht werden. In der bisherigen Regelung war der Korridor von ein- bis zweimal täglich vorgegeben, so dass eine Häufigkeit von mehr als zweimal, aber weniger als dreimal täglich nicht berücksichtigt wurde. Sie kann aber aufgrund der Umrechnung von wöchentlichen oder monatlichen Leistungen auf tägliche Leistungen vorkommen. Daher ist die Anlage entsprechend korrigiert worden. Kriterien in Bezug auf

entfällt oder selbständig

Anzahl der Maßnahmen

pro Tag 5.8 5.9 5.10

Verbandswechsel und Wundversorgung Versorgung mit Stoma Regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden 5.11 Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung Summe der Maßnahmen aus 5.8 bis 5.11 Umrechnung in Maßnahmen pro Tag

pro Woche

pro Monat

0 0 0

0 0 0

Einzelpunkte für die Kriterien der Ziffern 5.8 bis 5.11 minein- bis ein bis Maßnahmen pro Tag keine oder unter destens seltener als mehrmals wöchentlich dreimal dreimal einmal täglich täglich wöchentlich Einzelpunkte 0 1 2 3

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23 Häusliche Pflege, Haushaltshilfe und Kurzzeitpflege SGB V nach §§ 37, 38 und 39c 23.1  Was ist neu? Für die Leistungen der Grundpflege und Hauswirtschaft nach § 37, Abs. 1a, der Haushaltshilfe nach § 38 sowie der Kurzzeitpflege nach § 39c wird konkretisiert, dass diese Leistungen auch bei Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 zu Lasten der Krankenversicherung möglich sind. Versicherte in Einrichtungen der Behindertenhilfe, die pauschalierte Zuschüsse nach § 43a SGB XI erhalten, können auch dann Leistungen der Behandlungspflege beanspruchen, wenn eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erforderlich ist. Ansonsten kommt es auf den von der Eingliederungshilfeeinrichtung sicherzustellenden Versorgungsumfang an, ob andere Behandlungspflege zu Lasten der Krankenversicherung zu leisten ist.

Mit dem Krankenhausstrukturgesetz wurden zum 1. Januar 2016 ergänzende Leistungen im Bereich der Häuslichen Krankenpflege (§ 37, Abs. 1a), der Haushaltshilfe § 38 sowie der Kurzzeitpflege § 39c V eingeführt. Mit der Einführung dieser Leistungen wurde eine Leistungslücke geschlossen, die dann eintrat, wenn eine Pflegebedürftigkeit nur befristet unter 6 Monate vorlag (Beispiel: beidseitiger Armbruch). Die Leistungspflicht ist weiterhin ausgeschlossen (und auch nicht notwendig), soweit Pflegebedürftigkeit und damit andere Leistungsmöglichkeiten vorhanden waren. Mit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs ab 2017 bedarf es einer Klarstellung, dass hier nur Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 keine Ansprüche mehr haben. Denn lt. Gesetz § 15 XI liegt Pflegebedürftigkeit bereits ab Pflegegrad 1 vor, obwohl diese eher als ‚Vorpflegegrad‘ zu bezeichnende Stufe89 keinen Leistungsanspruch auf vergleichbare Sachleistungen enthält, wie sie gerade mit diesen Leistungen der Krankenversicherung sichergestellt werden sollen. Der Gesetzgeber wollte mit der Änderung 2016 Leistungslücken schließen, und musste daher ab 2017 andere Formulierungen verwenden wie vor 2017.

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23.2  Kritik und Praxis

89  Heiber in Häusliche Pflege, 11/2016, S. 10

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Kapitel 23 104

Im Bereich der Haushaltshilfe nach § 38 V wird zudem klargestellt, dass eine Pflegebedürftigkeit des Versicherten nicht die Leistungen zur Versorgung von Kindern ausschließt. Denn die Leistungen der Pflegeversicherung dienen schließlich nur der (hier hauswirtschaftlichen) Versorgung des Pflegebedürftigen, nicht jedoch anderer im Haushalt lebender Personen bzw. in diesem Fall der Kinder. Daher gibt es auch trotz Pflegebedürftigkeit einen Anspruch auf Haushaltshilfe bei der Versorgung von Kindern. Eine weitere Konkretisierung betrifft die Behandlungspflege in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.04.201590 ist Behandlungspflege in Einrichtungen der Eingliederungshilfe nur in dem Umfang Bestandteil der durch die Einrichtung zu erbringenden Leistung, wie sie im Rahmen der Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII zum festgelegten Ziel und Zweck der Einrichtung, dem Anforderungsprofil, der vorgesehenen sächlichen und personellen Ausstattung sowie zum betreuenden Personenkreis vorgesehen ist. Bei der Frage, ob die Krankenversicherung zu leisten hat, ist das im Einzelfall insbesondere in Hinblick auf das Profil der Einrichtung zu prüfen. Im Regelfall gehören hier „einfachste medizinische Maßnahmen (dazu), die für Versicherte im eigenen Haushalt von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten, …“91. Nach den Ausführungen des BSG gehören dazu beispielsweise auch An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfe, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehaltes, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), das Verabreichen von Bädern u.a.92 . Nicht dazu gehört beispielsweise die Gabe von Insulin, über die in diesem Urteil insbesondere zu verhandeln war. „Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann.“ 93 Wenn sich also eine Einrichtung der Eingliederungshilfe auf besonders körperlich beeinträchtigte Klienten spezialisiert hat, wird für die über den Versorgungsauftrag definierten Anforderungen auch eine höhere medizinische Kompetenz notwendig sein. Bei der Frage, ob nötige Behandlungspflege von der Einrichtung selbst (im Rahmen ihres (finanzierten) Auftrags oder durch die Krankenversicherung zu finanzieren ist, ist dies jeweils einrichtungsspezifisch zu prüfen.

90  91  92  93 

BSG Urteil vom 22.04.2016, B 3 KR 16/14 R a.a.O Randziffer 32 a.a.O Randziffer 35 a.a.O. Randziffer 32

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Unabhängig von den im Urteil dargestellten Differenzierungen hat der Gesetzgeber über die Ergänzung in § 37, Absatz 2 letzter Satz klargestellt, dass selbst bei entsprechender Profilierung auch dann der Anspruch auf Behandlungspflege durch die Krankenversicherung besteht, wenn im Einzelfall eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine Pflegefachkraft nötig ist. Lt. Gesetzesbegründung können auch zeitlich befristete Leistungen, zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt, dazu gehören.94 Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird es auch immer mehr behinderte Leistungsbezieher geben, die das Rentenalter erreicht haben, aber weiterhin in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben werden (beispielsweise weil sie hier im Rahmen von Werkstätten gearbeitet haben). Im Regelfall wird hier für spezialisiertere Leistungen der Behandlungspflege die Krankenversicherung zuständig sein. Die Leistungen können dann nur von einem nach § 132a SGB V zugelassenen Pflegedienst erbracht werden. Entweder müsste eine Einrichtung hier mit zusätzlichem Personal diese Anforderungen erfüllen oder, und das dürfte der Regelfall sein, wird ein externer Pflegedienst diese Leistungen übernehmen können und abrechnen. Für Pflegedienste bietet es sich an, sich in der eigenen Nachbarschaft aktiv als Kooperationspartner anzubieten.

(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist. (1a) Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

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23.3  Gesetzestext § 37 Häusliche Krankenpflege

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(2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.

Kapitel 23

(2a) Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. § 37b Absatz 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend. (3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. (4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten. (5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse. (6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. 106

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23.4  Gesetzestext § 38 Haushaltshilfe (1) Versicherte soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt erhalten Haushaltshilfe, wenn ihnen wegen Krankenhausbehandlung oder wegen einer Leistung nach § 23 Abs. 2 oder 4, §§ 24, 37, 40 oder § 41 die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Voraussetzung ist ferner, daß im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Darüber hinaus erhalten Versicherte auch dann Haushaltshilfe, wenn ihnen die Weiterführung des Haushalts wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, nicht möglich ist, längstens jedoch für die Dauer von vier Wochen. Wenn im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist, verlängert sich der Anspruch nach Satz 3 auf längstens 26 Wochen. Die Pflegebedürftigkeit von Versicherten schließt Haushaltshilfe nach den Sätzen 3 und 4 zur Versorgung des Kindes nicht aus.

Reichen Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Absatz 1a bei schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, nicht aus, erbringt die Krankenkasse die erforderliche Kurzzeitpflege entsprechend § 42 des Elften Buches für eine Übergangszeit, wenn keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches festgestellt ist. Im Hinblick auf die Leistungsdauer und die Leistungshöhe gilt § 42 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Elften Buches entsprechend. Die Leistung kann in zugelassenen Einrichtungen nach dem Elften Buch oder in anderen geeigneten Einrichtungen erbracht werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt über das Bundesministerium für Gesundheit dem Deutschen Bundestag bis Ende des Jahres 2018 einen Bericht vor, in dem die Erfahrungen mit der Einführung eines Anspruchs auf Leistungen nach dieser Vorschrift wiedergegeben werden.

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23.5 Gesetzestext § 39c Kurzzeitpflege bei fehlender Pflegebedürftigkeit

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24 § 132a Versorgung mit häuslicher Krankenpflege 24.1 Was ist neu?

24.2 Kritik und Praxis Die Verträge zur Häuslichen Krankenpflege schließen die zuständigen Krankenkassen mit Leistungserbringern ab. Dabei gibt es anders als in der Pflegeversicherung bisher weder bundesweit noch landesweit verpflichtende Regelungen. So ist es aufgrund der förderalen Strukturen und der Entwicklungsgeschichte der gesetzlichen Krankenversicherungen Realität, dass mitunter in einem Bundesland Pflegedienste drei bis vier verschiedene Verträge zur Versorgung mit Häuslicher Krankenpflege mit den unterschiedlichen Krankenkassen (-verbänden) abschließen. Dabei sind manchmal nicht nur die Vergütungen unterschiedlich, sondern auch die Vergütungssysteme (Pauschalen oder Einzelpreise) aber auch die personellen Anforderungen (mal dürfen nur Pflegefachkräfte mit dreijähriger Ausbildung Leistungen der Behandlungspflege erbringen, mal entscheidet dies die verantwortliche Pflegefachkraft).

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In den Rahmenempfehlungen nach § 132a auf Bundesebene sollen besondere Regelungen zur intensivpflegerischen Versorgung aufgenommen werden. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen mit den Pflegediensten zugrunde zu legen. Nicht mehr Gegenstand der Rahmenempfehlungen sind die konkreten Leistungsinhalte der Häuslichen Krankenpflege sowie deren Abgrenzung, weil diese Inhalte über den Gemeinsamen Bundesausschuss im Rahmen der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie geregelt sind. In den Rahmenempfehlungen sind auch die Besonderheiten über die intensivmedizinische Versorgung aufzunehmen. Neu geschaffen wird eine Schiedsstelle für die Umsetzung strittiger Fragen der Rahmenempfehlungen, die dann innerhalb von drei Monaten nach Anrufung über die strittigen Fragen zu entscheiden hat. Als neues Merkmal wird bei Abschluss von Verträgen verlangt, das die Leistungserbringer die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Auch die Verpflichtung zur Teilnahme an den neu geregelten Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b ist in den Verträgen festzuhalten. Pflegedienste haben es der Krankenkasse mitzuteilen, wenn sie mindestens zwei Versicherte intensivmedizinisch in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit versorgen.

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Kapitel 24

Schon lange gab es die gesetzliche Regelung in § 132a SGB V zur bundesweiten Rahmenempfehlung. Bisher ist lediglich am 10. Dezember 2013 eine Empfehlung zu einzelnen Themen vorgelegt worden95, auch wenn es eine gesetzlich definierte Frist zur Vorlage aller Regelungen gab (bisher: 01.07.2016) Aus Sicht des Gesetzgebers lag dies auch daran, dass insbesondere auf Bundesebene die Heterogenität der Verbände der Pflegedienste und die unterschiedlichen Interessenlagen und Prioritäten der Krankenkassen eine Einigung verhindert haben.96 Durch die Einführung einer Schiedsstellenregelung, die auch vom Bundesministerium für Gesundheit angerufen werden kann, will der Gesetzgeber dafür sorgen, dass es hier zeitnah zu entsprechenden Empfehlungen kommt, die dann in die jeweiligen Verträge zu integrieren sind. Zusätzlich ist nun über den letzten Satz in Absatz 1 geregelt, dass diese Empfehlungen nicht nur abgegeben werden, sondern deren Inhalte dann auch den Einzelverträgen mit den Diensten zugrunde zu legen sind. Trotz der zumindest für Teilthemen seit Ende 2013 vorliegenden Rahmenempfehlungen sind diese Inhalte oft noch nicht in die aktuellen Verträge integriert worden. Die nun getroffenen gesetzlichen Änderungen können dazu führen, dass es auch in diesem Bereich dauerhaft weniger divergierende Regelungen und mehr Klarheit geben wird. Wenn die gesetzliche Regelung zur Bindungswirkung umgesetzt wird, könnte es dauerhaft bundesweit einheitlichere Bedingungen für die Häusliche Krankenpflege geben als dies in der Pflegeversicherung der Fall ist. Denn hier sind die Rahmenverträge nach § 75 auf Landesebene zu schließen, auf Bundesebene ist nur eine Empfehlung vorgesehen, die keine rechtliche Bindung für die Landesebene hat. Analog zu den Regelungen im SGB XI, § 72 wird jetzt auch als Voraussetzung für den Abschluss von Verträgen nach SGB V verlangt, dass die Anbieter die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung bieten. Hiermit soll die Möglichkeit geschaffen werden, Verträge mit Einrichtungen zu versagen, die in der Vergangenheit negativ aufgefallen sind (siehe Ausführungen zu § 75, Abs. 2, Punkt 1, Seite 67). Auch die Änderungen zu den Rahmenbedingungen intensivmedizinischer Versorgung sowie die Meldepflicht sind inhaltlich in diesem Zusammenhang zu sehen. Neu festgelegt wird die Verpflichtung zur Teilnahme an Qualitäts-und Abrechnungsprüfungen im Bereich der Krankenversicherung, die über den neuen § 275 b eingeführt wird. Damit soll ebenfalls eine Lücke geschlossen werden, die in der Vergangenheit Pflegedienste mit Intensivkunden genutzt hatten: wenn die versorgten Pflegebedürftigen nur Pflegegeld bezogen, wurden sie bisher bei Qualitätsprüfungen im Rahmen des SGB XI nicht berücksichtigt.

95  https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/ambulante_ leistungen/haeusliche_krankenpflege/Bundesrahmenempfehlungen_nach__132a_Abs_1_SGB_V_ Fassung_10122013.pdf

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24.3 Gesetzestext § 132a Versorgung mit häuslicher Krankenpflege

1. Eignung der Leistungserbringer, 2. Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Fortbildung, 3. Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des Leistungserbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt und dem Krankenhaus, 4. Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung einschließlich deren Prüfung, 5. Grundsätze der Vergütungen und ihrer Strukturen einschließlich der Transparenzvorgaben für die Vergütungsverhandlungen zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte und 6. Grundsätze zum Verfahren der Prüfung der Leistungspflicht der Krankenkassen sowie zum Abrechnungsverfahren einschließlich der für diese Zwecke jeweils zu übermittelnden Daten. Um den Besonderheiten der intensivpflegerischen Versorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Rechnung zu tragen, sind in den Rahmenempfehlungen auch Regelungen über die behandlungspflegerische Versorgung von Versicherten, die auf Grund eines besonders hohen Bedarfs an diesen Leistungen oder einer Bedrohung ihrer Vitalfunktion einer ununterbrochenen Anwesenheit einer Pflegekraft bedürfen, vorzusehen. In den Rahmenempfehlungen nach Satz 4 Nummer 6 können auch Regelungen über die nach § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 in Richtlinien geregelten Inhalte getroffen werden; in diesem Fall gilt § 302 Absatz 4. Die Inhalte der Rahmenempfehlungen sind den Verträgen nach Absatz 4 zugrunde zu legen. (2) Kommt eine Rahmenempfehlung nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht zu Stande, können die Rahmenempfehlungspartner die Schiedsstelle nach Absatz 3 anrufen. Die Schiedsstelle kann auch vom Bundesministerium für Gesundheit

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(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene haben unter Berücksichtigung der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben; für Pflegedienste, die einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts oder einem sonstigen freigemeinnützigen Träger zuzuordnen sind, können die Rahmenempfehlungen gemeinsam mit den übrigen Partnern der Rahmenempfehlungen auch von der Kirche oder der Religionsgemeinschaft oder von dem Wohlfahrtsverband abgeschlossen werden, dem die Einrichtung angehört. Vor Abschluß der Vereinbarung ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozeß der Partner der Rahmenempfehlungen einzubeziehen. In den Rahmenempfehlungen sind insbesondere zu regeln:

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angerufen werden. Sie setzt innerhalb von drei Monaten den betreffenden Rahmenempfehlungsinhalt fest.

Kapitel 24

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene bilden erstmals bis zum : 01.06.2017 eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus Vertretern der Krankenkassen und der Pflegedienste in gleicher Zahl sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Rahmenempfehlungspartner einigen. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt § 89 Absatz 3 Satz 5 und 6 entsprechend. Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Zahl und die Bestellung der Mitglieder, die Erstattung der baren Auslagen und die Entschädigung für den Zeitaufwand der Mitglieder, das Verfahren sowie über die Verteilung der Kosten regeln. § 129 Absatz 9 und 10 Satz 1 gilt entsprechend. (4) Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern. Wird die Fortbildung nicht nachgewiesen, sind Vergütungsabschläge vorzusehen. Dem Leistungserbringer ist eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Fortbildung nachholen kann. Erbringt der Leistungserbringer in diesem Zeitraum die Fortbildung nicht, ist der Vertrag zu kündigen. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die vertragschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihrer Vielfalt, insbesondere der Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, an Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen nach § 275b teilzunehmen; § 114 Absatz 2 des Elften Buches bleibt unberührt. Der Leistungserbringer hat der Krankenkasse anzuzeigen, dass er behandlungspflegerische Leistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 5 erbringt, wenn er diese Leistungen für mindestens zwei Versicherte in einer durch den Leistungserbringer oder einen Dritten organisierten Wohneinheit erbringt. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen.

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25 § 275b Durchführung und Umfang von Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch den Medizinischen Dienst 25.1  Was ist neu ? Mit diesem Paragrafen wird die Rechtsgrundlage für Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen geschaffen, die nur die Einrichtungen betreffen, die nicht im Rahmen der Qualitätsprüfungen nach SGB XI berücksichtigt werden. Sowohl der Prüfrhythmus, als auch die Strukturen und Abläufe sind analog dem Ablauf in der Pflegeversicherung nachgebildet (jährliche Prüfung, grundsätzliche Ankündigung von einem Tag, Ablauf und Mitwirkung, etc.). In einer Richtlinie nach § 282 Absatz 2 Satz 3 SGB V sind die Strukturen und Abläufe bis zum 30.09.2017 verbindlich zu regeln. Abweichend erfolgt bei der Versorgung intensivmedizinsicher Versicherter (mindestens zwei versorgte Versicherte in einer Wohneinheit) grundsätzlich eine unangemeldete Prüfung. Auch hat der MDK hier besondere Betretungsrechte analog der Regelungen, wie sie auch in der vollstationären Pflege gelten.

Laut Gesetzesbegründung will der Gesetzgeber hierdurch eine Prüflücke schließen, die nach seiner Begründung nur ca. 200 bis 300 der 12.000 Pflegedienste in Deutschland betrifft97: also Einrichtungen, die entweder keinen Versorgungsvertrag nach SGB XI haben oder deren Kunden neben der Behandlungspflege nur Pflegegeld beziehen und deshalb bisher nicht geprüft wurden (siehe aber hier Änderungen § 114, Seite 87). Insgesamt sind die Prüfstrukturen vom Gesetz her dem SGB XI nachgebildet oder darauf verwiesen, so dass die Inhalte der Prüfrichtlinie des SGB V mutmaßlich im Wesentlichen mit der QPR ambulant der Pflegeversicherung identisch sein werden.

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25.2  Kritik und Praxis

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25.3 Gesetzestext § 275b Durchführung und Umfang von Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch den Medizinischen Dienst

Kapitel 25

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen veranlassen bei Leistungserbringern, mit denen die Krankenkassen Verträge nach § 132a Absatz 4 abgeschlossen haben und die keiner Regelprüfung nach § 114 Absatz 2 des Elften Buches unterliegen, Regelprüfungen durch den Medizinischen Dienst; § 114 Absatz 2 und 3 des Elften Buches gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst führt bei Leistungserbringern, mit denen die Krankenkassen Verträge nach § 132a Absatz 4 abgeschlossen haben, im Auftrag der Krankenkassen oder der Landesverbände der Krankenkassen auch anlassbezogen Prüfungen durch, ob die Leistungs- und Qualitätsanforderungen nach diesem Buch und den nach diesem Buch abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarungen für Leistungen nach § 37 erfüllt sind und ob die Abrechnung ordnungsgemäß erfolgt ist; § 114 Absatz 4 des Elften Buches gilt entsprechend. Das Nähere, insbesondere zu den Prüfanlässen, den Inhalten der Prüfungen, der Durchführung der Prüfungen, der Beteiligung der Krankenkassen an den Prüfungen sowie zur Abstimmung der Prüfungen nach den Sätzen 1 und 2 mit den Prüfungen nach § 114 des Elften Buches bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 282 Absatz 2 Satz 3. § 114a Absatz 7 Satz 5 bis 8 und 11 des Elften Buches gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass auch den für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Die Richtlinien sind bis zum 30.09.2017 zu beschließen.

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(2) Für die Durchführung der Prüfungen nach Absatz 1 gelten § 114a Absatz 1 bis 3a des Elften Buches sowie § 276 Absatz 2 Satz 3 bis 9 entsprechend. Prüfungen nach Absatz 1 bei Leistungserbringern, mit denen die Krankenkassen Verträge nach § 132a Absatz 4 abgeschlossen haben und die in einer Wohneinheit behandlungspflegerische Leistungen erbringen, die nach § 132a Absatz 4 Satz 12 anzeigepflichtig sind, sind grundsätzlich unangemeldet durchzuführen. Räume dieser Wohneinheit, die einem Wohnrecht der Versicherten unterliegen, dürfen vom Medizinischen Dienst ohne deren Einwilligung nur betreten werden, soweit dies zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. Der Medizinische Dienst ist im Rahmen der Prüfungen nach Absatz 1 befugt, zu den üblichen Geschäfts- und Betriebszeiten die Räume des Leistungserbringers, mit dem die Krankenkassen Verträge nach § 132a Absatz 4 abgeschlossen haben, zu betreten, die erforderlichen Unterlagen einzusehen und personenbezogene Daten zu erheben, zu verarbeiten

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und zu nutzen, soweit dies für die Prüfungen nach Absatz 1 erforderlich und in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 3 festgelegt ist; für die Einwilligung der Betroffenen gilt § 114a Absatz 3 Satz 5 des Elften Buches entsprechend. Der Leistungserbringer, mit dem die Krankenkassen Verträge nach § 132a Absatz 4 abgeschlossen haben, ist zur Mitwirkung bei den Prüfungen nach Absatz 1 verpflichtet und hat dem Medizinischen Dienst Zugang zu den Räumen und den Unterlagen zu verschaffen sowie die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Medizinische Dienst die Prüfungen nach Absatz 1 ordnungsgemäß durchführen kann. Im Rahmen der Mitwirkung ist der Leistungserbringer befugt und verpflichtet, dem Medizinischen Dienst Einsicht in personenbezogene Daten zu gewähren oder diese Daten dem Medizinischen Dienst auf dessen Anforderung zu übermitteln. Für die Einwilligung der Betroffenen gilt § 114a Absatz 3 Satz 5 des Elften Buches entsprechend. § 114a Absatz 4 Satz 2 und 3 des Elften Buches sowie § 277 Absatz 1 Satz 4 gelten entsprechend.

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(3) Der Medizinische Dienst berichtet dem Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen über seine Erfahrungen mit den nach den Absätzen 1 und 2 durchzuführenden Prüfungen, über die Ergebnisse seiner Prüfungen sowie über seine Erkenntnisse zum Stand und zur Entwicklung der Pflegequalität und der Qualitätssicherung in der häuslichen Krankenpflege. Die Medizinischen Dienste stellen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen die Vergleichbarkeit der gewonnenen Daten sicher. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen hat die Erfahrungen und Erkenntnisse der Medizinischen Dienste zu den nach den Absätzen 1 und 2 durchzuführenden Prüfungen sowie die Ergebnisse dieser Prüfungen in den Bericht nach § 114a Absatz 6 des Elften Buches einzubeziehen.

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26 Änderungen SGB XII 26.1 Zur Ausgangslage

Leistungsempfänger im laufenden Jahr 2013 insgedaruter mit zusätzlichen samt Pflegeleistungen eines Sozialversicherungsträgers Außerhalb von Einrichtungen 129.568 11.810 In Einrichtungen 320.086 279.494 Gesamt (Differenz wegen 444.012 288.583 Mehrfachzählungen)

allein Sozialhilfe 117.758 40.592 158.350

Prozentanteil aufstockende Leistungen Aufstocker 9,1% 87,3%

Zum Jahreswechsel 2013 (Stichtag) gab es insgesamt 334.910 Leistungsbezieher von Leistungen der Hilfe zur Pflege, bezogen auf die oben erwähnten Quoten wären dies ca. 113.000 Leistungsbezieher, die allein über Leistungen der Sozialhilfe versorgt werden weil sie keine Leistungsansprüche gegenüber der Pflegeversicherung haben und die Sozialhilfe hier nur aufstockend tätig wird. Zum Jahresende 2013 gab es insgesamt 2.626.206 Pflegebedürftige in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Folglich steigt die Zahl der tatsächlich Pflegebe98  Statistisches Bundesamt, Statistik der Sozialhilfe, Hilfe zur Pflege 2013, Tab. D 1

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Um die Wirkung der Änderungen auf die verschiedenen Teilgruppen zu verstehen, sollen hier einmal die Zahlen zum Hilfebezug im SGB XII differenziert werden. Sie basieren auf dem Bericht „Statistik der Sozialhilfe, Hilfe zur Pflege 2013“ des Statistischen Bundesamtes sowie der Bundespflegestatistik für das Jahr 2013 (dies sind die jeweils in dieser Differenzierung vorliegenden aktuellsten Daten). Im laufenden Jahr 2013 bezogen insgesamt 444.012 Leistungsempfänger Leistungen der Hilfe zur Pflege. Davon waren 320.086 in stationären Einrichtungen untergebracht, während 129.568 außerhalb von Einrichtungen, also ambulant versorgt wurden. Lt. Statistik bezogen im stationären Bereich 279.494 Leistungsbezieher auch Leistungen eines (anderen) Sozialversicherungsträgers, hier wohl primär der Pflegeversicherung. Das entspricht einer Quote von 87 %, die über Leistungen der Sozialhilfe die Finanzierung der stationären Versorgung sichergestellt haben, bei denen folglich die Sozialhilfe Teile oder insgesamt den privat zu finanzierenden Eigenanteil übernommen hat. Im ambulanten Bereich sehen diese Zahlen völlig anders aus: hier liegt die Quote der Versicherten, bei der die Sozialhilfe auch geleistet hat, nur bei 9 %, während die verbleibenden 91 % komplett über die Sozialhilfe als Kostenträger finanziert wurden98 (siehe auch tabellarische Aufstellung)

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dürftigen damit auf ca. 2.739.000 Pflegebedürftige, der Anteil der allein durch die Sozialhilfe finanzierten Pflegebedürftigen liegt bei ca. 4 %, die primär ambulant versorgt werden (Hinweis: lt. Ausfüllanleitung werden in der Bundespflegestatistik Leistungsbezieher, die lediglich über die Sozialhilfe nach SGB XII versorgt werden, aber keine Leistungsansprüche gegenüber der Pflegeversicherung haben, nicht erfasst99). Bezogen auf die Verteilung der ambulanten Leistungen im Bereich der Hilfe zur Pflege nach SGB XII erhielten mehr als doppelt soviel Pflegebedürftige (86.076) Leistungen durch eine besondere Pflegekraft (Sachleistungen) als Leistungen über Pflegegeld zur Sicherstellung der Pflege (41.108)100. Im Rahmen der Pflegeversicherung ist das Verhältnis umgekehrt: hier erhielten 1.246.00 Pflegebedürftige Pflegegeld und 616.000 Pflegebedürftige Kombi- bzw. Sachleistungen. Das entspricht einem Verhältnis von 67 % Pflegegeldempfänger101. Deshalb muss man im Rahmen der Hilfe zur Pflege zwei Leistungsgruppen unterscheiden: Versicherte der Pflegeversicherung, deren eigene Mittel und/oder familiären Unterstützungsleistungen nicht zur Versorgung ausreichen und die deshalb zusätzliche (aufstockende) Leistungen der Hilfe zur Pflege benötigen. Personen, die keine Versicherungsansprüche gegenüber einer Pflegeversicherung erworben haben und für die deshalb der Sozialhilfeträger als ‚Pflegeversicherung‘ eintritt.

Kapitel 26

Aus den statistischen Zahlen wird deutlich, dass in der häuslichen Versorgung vor allem die zweite Gruppe betroffen ist, während es im stationären Bereich im Wesentlichen um den Ersatz des Eigenanteils geht bei vorhandenen Leistungsansprüchen gegenüber einer Versicherung.

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99  Erläuterung zum Fragebogen Pflegestatistik 2015 Ambulante Einrichtungen: Bayerisches Landesamt für Statistik, https://www.statistik.bayern.de/medien/statistik/erhebungen/pfa_s9-13_ erl%C3%A4uterung.pdf mit Stand vom 06.01.2016 100  Statistisches Bundesamt, Statistik der Sozialhilfe, Hilfe zur Pflege 2013, Tab. 2 101  Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2013, Deutschlandergebnisse, S. 7

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27 SGB XII, Siebtes Kapitel, Hilfe zur Pflege

In § 61 SGB XII wird klargestellt, dass die Sozialhilfe nur dann zuständig ist, wenn die Pflegebedürftigen im Sinne § 61a SGB XII selbst (oder durch unterhaltspflichtige Angehörige) nicht in der Lage sind, diese zu finanzieren. In § 61a SGB XII wird der neu in der Pflegeversicherung eingeführte Pflegebedürftigkeitsbegriff komplett übernommen mit einer wesentlichen Einschränkung: die Pflegebedürftigkeit muss nicht von Dauer (mindestens 6 Monate) sein. Auch Personen, deren Pflegebedürftigkeit nicht dauerhaft angelegt ist, können Leistungen der Hilfe zur Pflege beziehen. Analog der Pflegeversicherung sind Leistungen der Hilfe zur Pflege erst ab Pflegegrad 1 möglich. Neben der Definition der Module und Kriterien sind auch die Pflegegradeinstufungen, die Ausnahmeregelung der besonderen Bedarfskonstellation sowie die Einstufung der Kinder mit dem System der Pflegeversicherung identisch. Neu ist im Gegensatz zum Rechtsstand 2016, dass für die Einstufung auch Pflegebedürftiger, die keine Ansprüche gegenüber der Pflegeversicherung haben, das Einstufungssystem der Pflegeversicherung gilt (§ 62 SGB XII). Die Einstufung im Rahmen der Pflegeversicherung ist nun für den Träger der Sozialhilfe bindend, auch weil die Pflegebedürftigkeitsbegriffe in beiden Rechtsbereichen identisch sind. Liegt keine Einstufung nach SGB XI in einen Pflegegrad vor, hat der Sozialhilfeträger hier eigene Feststellungen (aber nach den gleichen Kriterien) zu treffen. Er kann sich dafür sachverständiger Dritter, aber auch des MDK (gegen Kostenerstattung) bedienen. Die möglichen Leistungen der Hilfe zur Pflege sind in § 63 SGB XII zunächst summarisch aufgeführt und sind identisch mit den Leistungsdifferenzierungen im SGB XI einschließlich der Leistungen der Sterbebegleitung. Sie können auch weiterhin als Teil eines Persönlichen Budgets nach SGB IX genutzt werden. Nun sind auch bisher nicht ausformulierte Leistungen wie die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln und ein Anspruch auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, der teilstationären Pflege und der Kurzzeitpflege sowie der Sterbebegleitung sowie ein Entlastungsbetrag aufgenommen oder wie die Verhinderungspflege konkreter formuliert. Im Pflegegrad 1 sind die Leistungen (wie in der Pflegeversicherung) auf die Nutzung von Pflegehilfsmitteln, Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen sowie den Entlastungsbetrag beschränkt. Die konkret für notwendig erachtete pflegerische Bedarf muss der Träger der Sozialhilfe selbst ermitteln und festzustellen (§ 63a SGB XII)

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27.1 Was ist neu?

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Kapitel 27

In § 63 SGB XII ist ausführlich geregelt, wie mit Leistungskonkurrenz umzugehen ist. Grundsätzlich sind alle Leistungen anderer Rechtsvorschriften (insbesondere Pflegeversicherung) vorrangig. Weiter werden die Abgrenzung zur Blindenhilfe (§ 72 SGB XII) und gleichartigen Leistungen geregelt, insbesondere die anteilige Anrechnung des Pflegegeldes. Nicht angerechnet wird der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI (nur bei einer entsprechenden Leistung der Sozialhilfe nach §§ 64i oder 66 SGB XII). Geregelt ist auch die anteilige Kürzung von Pflegegeld bei Aufenthalten in teilstationären oder vollstationären Einrichtungen. Wie bisher auch im alten § 63 SGB XII geregelt sollen Leistungen der Pflege vorrangig von familiären Angehörigen, durch Nachbarschaftshilfe oder andere ehrenamtliche Pflegepersonen übernommen werden (neu nun § 64 SGB XII). Die Definition der Sachleistung Häusliche Pflegehilfe basiert auf den Sachleistungen nach § 36 SGB XI, nun wird auch die pflegerische Betreuung als neue Leistung der Sozialhilfe mit übernommen. Neu als formulierte Leistung gibt es die Verhinderungspflege (§ 64c SGB XII), die im alten Recht nur summarisch neben anderen Leisten im alten § 65 SGB XII aufgeführt war. Allerdings ist die Verhinderungspflege nicht begrenzt (beispielsweise durch den Leistungsbetrag wie im SGB XI). Als Leistungen der Sozialhilfe ausformuliert werden Leistungen zu Pflegehilfsmitteln und wohnumfeldverbessernden Maßnahmen nach §§ 64d und e SGB XII, die inhaltlich (nicht von der Kostenbegrenzung) mit der vorrangigen Leistung der Pflegeversicherung nach § 40 SGB XI identisch sind. Die unter dem Punkt § 64f SGB XII definierten anderen Leistungen entsprechen im Kern den bisherigen Leistungen nach § 65 SGB XII zur Altersversorgung der Pflegepersonen und zur Kostenübernahme im Rahmen eines Arbeitgebermodells sowie zur Beratung/Schulung von Pflegepersonen. Auch Leistungsansprüche zur teilstationären Versorgung (Tagespflege) und Kurzzeitpflege werden mit dem gleichen Vorrang und dem gleichen Leistungsinhalt des SGB XI über die §§ 64g und h SGB XII eingeführt. Jedoch fehlt hier eine finanzielle Begrenzung, so dass die Leistungshöhe wie bei der Verhinderungspflege oder der Häuslichen Pflegehilfe nicht gedeckelt ist. Neu eingeführt wird der Entlastungsbetrag aus der Pflegeversicherung nach § 45b SGB XI in den neuen Anspruch nach § 64i SGB XII auch für Leistungsbezieher über die Sozialhilfe. Aber anders als im Recht der Pflegeversicherung ist die Leistung nicht ansparbar. Sie kann nur im aktuellen Monat genutzt werden, eine Übertragungsregelung ist nicht vorgesehen. Die stationäre Pflege ist als eine nachrangige Leistung in § 65 SGB XII definiert, wenn häusliche oder/und teilstationäre Pflege nicht für die Versorgung ausreicht. Im § 66 SGB XII wird für den Pflegegrad 1 geregelt, das der Entlastungsbetrag in diesem Pflegegrad auch für Leistungen der Häuslichen Pflegehilfe (Sachleistungen) oder der teilstationären Pflege einsetzbar ist. Allerdings ist der Betrag auch für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII einzusetzen.

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Wie bisher auch ist der Pflegebedürftigkeitsbegriff der Sozialhilfe weiter gefasst als der der Pflegeversicherung. In der Fassung bis 2016 konnten auch Menschen mit geringerem Bedarf als Pflegestufe 1 und unterhalb einer Dauer von 6 Monaten Leistungen der Hilfe zur Pflege erhalten. Im neuen Recht ist ebenfalls die zeitliche Beschränkung von 6 Monaten des SGB XI aufgehoben. Durch den umfassenden Pflegebegriff des neuen Rechts bedarf es nach Ansicht des Gesetzgebers keiner Leistungen im Sinne der Hilfe zur Pflege mehr, die unterhalb des Pflegegrades 1 liegen. Er bezieht sich hier auf die Ausführungen im Umsetzungsbericht, der begründet, warum unterhalb des Pflegegrades 1 aus pflegewissenschaftlicher Sicht keine (Pflege-)Leistungen gerechtfertigt sind102. Damit nicht ausgeschlossen sind beispielsweise Leistungen nach anderen Vorschriften wie nach § 70 SGB XII Hilfe zur Weiterführung des Haushalts oder auch nach § 71 SGB XII Altenhilfe. Die Bindungswirkung nach § 62a (bis 2016 in § 62) SGB XII ist wirkungsvoller formuliert worden. War bisher vom „Ausmaß der Pflegebedürftigkeit… zu Grunde zu legen“ die Rede, wird nun von „Tatsachen“ gesprochen, die „bindend“ sind. Ausdrücklich weist der Gesetzgeber darauf hin, dass er hier bisherige Unklarheiten in der Praxis ausräumen will. Die Bindungswirkung betrifft nur die Einstufung, nicht aber den Inhalt und Umfang der Leistungen103. Diese Entscheidung trifft der Sozialhilfeträger nach § 63a SGB XII selbständig. Diese neue Bindungswirkung soll zu einer Beschleunigung der Verwaltungsverfahren führen, weil der identische Sachverhalt nicht mehr doppelt zu begutachten ist. Liegt kein Gutachten der Pflegeversicherung vor, muss die Sozialhilfe hier eigene Feststellungen zum Pflegegrad nach den gleichen Kriterien (der Pflegeversicherung) treffen. Die Feststellung des Pflegegrades kann auch durch sachverständige Dritte oder (gegen Kostenübernahme) durch den MDK erfolgen. Allerdings ist mit der Bindungswirkung nur der Pflegegrad selbst bestimmt. Im Einstufungsgutachten sind dann die Bereiche und Kriterien benannt, bei denen eine eingeschränkte Selbständigkeit oder eingeschränkte Fähigkeit vorliegt. Was im Gutachten nicht festgestellt ist, ist die Häufigkeit der täglichen Einschränkungen (bis auf Modul 3 und Modul 5). Ganz praktisch formuliert ergibt sich beispielsweise aus dem Einstufungsgutachten die Information, dass der Pflegebedürftige bei der Benutzung einer Toilette oder eines Toilettenstuhls (Kriterium 4.j) überwiegend unselbständig ist, nicht aber, wie häufig er auf die Toilette geht, also in welcher Menge er hier Unterstützungsleistungen benötigt. Diese Feststellung muss der Sozialhilfeträger in jedem Fall (allein) ermitteln und feststellen (§ 63a SGB XII). Während in der Gesetzesfassung bis 2016 die Leistungen zur Pflege eher summarisch und offen formuliert in § 63 SGB XII dargestellt waren und damit dem zuständigen Hilfeträger relativ viel Freiheit ließen, sind sie im neuen § 63 bis 102  BT-Drucks. 18/9518, S. 84 103  BT-Drucks. 18/9518, S. 88

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27.2 Kritik und Praxis

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Leistungsveränderungen Sozialhilfe Leistungsinhalte Pflegegeld Pflegesachleistung (häusliche Pflegehilfe) pflegerische Betreuungsmaßnahmen

Kapitel 27

Verhinderungspflege Pflegehilfsmittel Maßhnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes Alterssicherung für Pflegepersonen Beratung der Pflegeperson Teilstationäre Pflege Kurzzeitpflege Entlastungsbetrag im Sinne § 45b Stationäre Pflege Leistungen bei Pflegegrad 1

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bis 2016 § 64 § 61 § 61 § 65 § 65 § 65 § 61 § 61 § 61 § 61

ab 2017 §64a § 64b § 64b, Abs. 2 § 64c § 64d § 64e § 64f § 64f § 64g § 64h § 64i § 65 § 66

einschließlich § 65 SGB XII analog zum SGB XI ausgestaltet und zum Teil explizit erweitert. Die Übersicht in der Tabelle soll die neue Verortung von Leistungen darstellen. Die in § 63a, Abs. 2 SGB XII definierte grundsätzliche Reduzierung der Leistungen im Pflegegrad 1 auf den Hilfsmittelbereich (analog § 40 SGB XI) sowie den Entlastungsbetrag (analog § 45b SGB XI) wird in der Praxis zu Problemen führen, weil der Gesetzgeber hier nicht die Problematik des neuen Einstufungsbegriffs berücksichtigt: ein Pflegebedürftiger mit Pflegegrad 1 kann auch bei der Einstufung insgesamt bis zu 26,75 Punkte erreicht haben mit vornehmlich somatischen Einschränkungen, beispielsweise auch bei Toilettengängen. Dabei spielt in der neuen Einstufung die Häufigkeit eines Kriteriums (und damit die notwendige Frequenz fremder Hilfeleistung) keine Rolle, sondern nur die Einschränkung an sich. Dieser Pflegebedürftige wird Schwierigkeiten haben, den notwendigen Bedarf allein mit dem Entlastungsbetrag nach § 64 i SGB XII auszugleichen. Um seine Versorgung trotzdem sicherzustellen, könnte er auch nicht stationär versorgt werden, weil auch hier der Pflegegrad 2 die Eingangsvoraussetzung ist (siehe § 65 SGB XII). Zwar kann ein Pflegebedürftiger mit Pflegegrad 1 weitergehende Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung über § 70 SGB XII beziehen, für die notwendigen körperbezogenen Pflegeleistungen stehen ihm aber abschließend nur 125 € über den Entlastungsbetrag zur Verfügung. Hier wird es dauerhaft zu Konfliktfällen kommen, weil auch Pflegebedürftige mit keinerlei kognitiven Einschränkungen aber nicht nur geringen somatischen Einschränkungen im Pflegegrad 1 eingestuft werden, ihnen vom Gesetz her jedoch keine anderen Leistungen der Häuslichen Pflegehilfe zustehen, obwohl ein alternativer Ausgleich über ein familiäres Umfeld oder andere ehrenamtliche Pflegepersonen nicht möglich ist.

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Die Ermittlung des notwendigen pflegerischen Bedarfs insbesondere für die Leistungen, die nicht von der Einstufung und vom Gesetzesrahmen feststehen, hat der Sozialhilfeträger selbst zu ermitteln und festzustellen (§ 63a SGB XII). Während der (vorrangige) Pflegegeldbezug durch die Einstufungen festgelegt ist, sind die weiteren Leistungen von der Bedarfsfeststellung abhängig. Mit dem alten Einstufungsbegriff der Pflegeversicherung war immer auch eine Feststellung der Häufigkeit der täglich wiederkehrenden Verrichtungen sowie der zeitliche Umfang der Hauswirtschaft im Gutachten verbunden, diese Feststellungen finden sich nicht mehr in der neuen Einstufung. Selbst die zusätzlichen Bereiche im Gutachten nach § 18, Abs. 5a SGB XI (äußerhäusliche Aktivitäten sowie Haushaltsführung) umfassen nur die Feststellung des Grades der Beeinträchtigung der Selbständigkeit, nicht jedoch beispielsweise den notwendigen zeitlichen Unterstützungsbedarf oder die Häufigkeit. Dieses muss der Sozialhilfeträger selbst (noch) feststellen. Problematisch wird es dann für die Leistungserbringer wie Pflegedienste, wenn sich diese Feststellung des Sozialhilfeträgers zeitlich verzögert, aber schon vorher konkreter Versorgungsbedarf besteht. Dann kann ein Leistungserbringer (unabhängig ob ambulant, teilstationär oder vollstationär) nur Leistungen übernehmen, wenn der Sozialhilfeträger sich zu einer (und sei es vorläufigen) Kostenübernahme bereit erklärt. Und zwar auch in den Fällen, in denen der Sozialhilfeträger das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 18, Abs. 1 SGB XII (Einsetzen der Sozialhilfe) noch nicht abschließend geprüft hat oder wenn er noch keine Feststellungen zum aus seiner Sicht notwendigen Umfang treffen konnte (z.B. zeitnah kein Personal, etc.). Grundsätzlich ist der Sozialhilfeträger nach § 15 SGB XII (Vorbeugende und nachgehende Leistungen) verpflichtet, auch vorbeugend Leistungen zu erbringen, wenn dadurch eine drohende Notlage ganz oder teilweise abgewendet werden kann. Hier müssen Pflegeeinrichtungen und Sozialhilfeträger pragmatische Lösungen finden und vereinbaren, damit insbesondere die Pflegedienste nicht in Vorleistung treten und nach abschließender Prüfung die Leistungen nur teilweise finanziert bekommen (beispielsweise weil der Sozialhilfeträger nach einer eigenen Prüfung eine andere Häufigkeit von Leistungen definiert als der Pflegedienst für notwendig und der Pflegebedürftige gewünscht hat). Der Entlastungsbetrag nach § 64i SGB XII (identisch auch in § 66) ist ein monatlicher Leistungsbetrag. Aber anders als in der Pflegeversicherung ist keine Ansparregelung vorgesehen. Das heißt praktisch, dass die Leistung nur für den jeweiligen Monat genutzt werden kann, ansonsten verfällt sie. Eine Begründung für die Abweichung vom SGB XI ist in der Gesetzesbegründung nicht zu finden, mutmaßlich wollte man hier nur die Verwaltung vereinfachen. Für Versicherte mit Pflegegrad 1 ergibt sich aus den widersprüchlichen Regelungen der §§ 63, Abs. 2 und 66 SGB XII eine weitere Problematik. Laut § 63, Abs. 2

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Während nach alter Rechtslage die viel offeneren Leistungsformulierungen hier Leistungen zugelassen haben, ist dies ab 2017 formal nicht mehr möglich. Es bliebe nur der Versuch einer Höherstufung.

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SGB XII haben sie (uneingeschränkten) Zugang zu Pflegehilfsmitteln nach § 64d und Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII, so hat es der Gesetzgeber auch in der Begründung dargestellt104. Aber laut Regelung in § 66 SGB XII ist der Entlastungsbetrag zweckgebunden einzusetzen auch für die Inanspruchnahme von Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e SGB XII. Inhaltlich ergibt diese Ergänzung in § 66 SGB XII keinen Sinn, wenn alle notwendigen Maßnahmen Zur Wohnumfeldanpassung über den eigenen Leistungsanspruch nach §§ 63 d und 63 e SGB XII zu realisieren sind. Auch in der vergleichbaren Vorschrift der Pflegversicherung (§ 28a) findet sich keine solche Regelung. Eine Begründung ist in den Gesetzesmaterialien dazu nicht zu finden. Folgt man dieser Regelung, müsste ein Leistungsempfänger nach diesem Recht auch den Entlastungsbetrag zur Finanzierung dieser Maßnahmen mit einsetzen, was ihn gegenüber den über die Pflegeversicherung versicherten Pflegebedürftigen benachteiligt. Andererseits kann hier maximal ein Monatsbetrag einzusetzen sein, weil der Entlastungsbetrag im Sozialhilferecht nicht ansparbar ist (anders als in § 45b SGB XI).

27.3  Gesetzestext § 61 Leistungsberechtigte

Kapitel 27

Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. Sind die Personen minderjährig und unverheiratet, so sind auch das Einkommen und das Vermögen ihrer Eltern oder eines Elternteils zu berücksichtigen.

27.4  Gesetzestext § 61a Begriff der Pflegebedürftigkeit (1) Pflegebedürftig sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Pflegebedürftige Personen im Sinne des Satzes 1 können körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen. (2) Maßgeblich für die Beurteilung der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder Fähigkeiten sind die folgenden Bereiche mit folgenden Kriterien:

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1. Mobilität mit den Kriterien a) Positionswechsel im Bett, b) Halten einer stabilen Sitzposition, c) Umsetzen, d) Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, e) Treppensteigen; 2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten mit den Kriterien a) Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, b) örtliche Orientierung, c) zeitliche Orientierung, d) Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, e) Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, f) Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, g) Verstehen von Sachverhalten und Informationen, h) Erkennen von Risiken und Gefahren, i) Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, j) Verstehen von Aufforderungen, k) Beteiligen an einem Gespräch; 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen mit den Kriterien a) motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, c) selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, d) Beschädigen von Gegenständen, e) physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, f) verbale Aggression, g) andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, h) Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, i) Wahnvorstellungen, j) Ängste,

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b) nächtliche Unruhe,

k) Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, l) sozial inadäquate Verhaltensweisen, m) sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen; 125

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4. Selbstversorgung mit den Kriterien a) Waschen des vorderen Oberkörpers, b) Körperpflege im Bereich des Kopfes, c) Waschen des Intimbereichs, d) Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, e) An- und Auskleiden des Oberkörpers, f) An- und Auskleiden des Unterkörpers, g) mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, h) Essen, i) Trinken, j) Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, k) Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, l) Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, m) Ernährung parenteral oder über Sonde, n) Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen; 5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen in Bezug auf a) Medikation, Kapitel 27

b) Injektionen, c) Versorgung intravenöser Zugänge, d) Absaugen und Sauerstoffgabe, e) Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, f) Messung und Deutung von Körperzuständen, g) körpernahe Hilfsmittel, h) Verbandswechsel und Wundversorgung, i) Versorgung mit Stoma, j) regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, k) Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung, l) zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, m) Arztbesuche, 126

n) Besuch anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen,

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o) zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, p) Besuche von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern, q) Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften; 6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit den Kriterien a) Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, b) Ruhen und Schlafen, c) Sichbeschäftigen, d) Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, e) Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, f) Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds. § 61b Pflegegrade (1) Für die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege sind pflegebedürftige Personen entsprechend den im Begutachtungsverfahren nach § 62 ermittelten Gesamtpunkten in einen der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten entsprechenden Pflegegrad einzuordnen: 1. Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte),

3. Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte), 4. Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkte), 5. Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (ab 90 bis 100 Gesamtpunkte). (2) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen.

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2. Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte),

§ 61c Pflegegrade bei Kindern (1) Bei pflegebedürftigen Kindern, die 18 Monate oder älter sind, ist für die Einordnung in einen Pflegegrad nach § 61b der gesundheitlich bedingte Grad der Be-

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einträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten im Verhältnis zu altersentsprechend entwickelten Kindern maßgebend. (2) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten sind in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen: 1. Pflegegrad 2: ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte, 2. Pflegegrad 3: ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte, 3. Pflegegrad 4: ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte, 4. Pflegegrad 5: ab 70 bis 100 Gesamtpunkte. § 62 Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit Die Ermittlung des Pflegegrades erfolgt durch ein Begutachtungsinstrument nach Maßgabe des § 15 des Elften Buches. Die auf Grund des § 16 des Elften Buches erlassene Verordnung sowie die auf Grund des § 17 des Elften Buches erlassenen Richtlinien der Pflegekassen finden entsprechende Anwendung. § 62a Bindungswirkung Die Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad ist für den Träger der Sozialhilfe bindend, soweit sie auf Tatsachen beruht, die bei beiden Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Bei seiner Entscheidung kann sich der Träger der Sozialhilfe der Hilfe sachverständiger Dritter bedienen. Auf Anforderung unterstützt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung den Träger der Sozialhilfe bei seiner Entscheidung und erhält hierfür Kostenersatz, der zu vereinbaren ist. § 63 Leistungen für Pflegebedürftige Kapitel 27

(1) Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 1. häusliche Pflege in Form von a) Pflegegeld (§ 64a), b) häuslicher Pflegehilfe (§ 64b), c) Verhinderungspflege (§ 64c), d) Pflegehilfsmitteln (§ 64d), e) Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e), f) anderen Leistungen (§ 64f), 2. teilstationäre Pflege (§ 64g), 3. Kurzzeitpflege (§ 64h), 4. einen Entlastungsbetrag (§ 64i) und 5. stationäre Pflege (§ 65). 128

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Die Hilfe zur Pflege schließt Sterbebegleitung mit ein. (2) Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 1. Pflegehilfsmittel (§ 64d), 2. Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e) und 3. einen Entlastungsbetrag (§ 66). (3) Die Leistungen der Hilfe zur Pflege sind auf Antrag auch als Teil eines Persönlichen Budgets zu erbringen. § 17 Absatz 2 bis 4 des Neunten Buches in Verbindung mit der Budgetverordnung und § 159 Absatz 5 des Neunten Buches sind insoweit anzuwenden. § 63a Notwendiger pflegerischer Bedarf Die Träger der Sozialhilfe haben den notwendigen pflegerischen Bedarf zu ermitteln und festzustellen. § 63b Leistungskonkurrenz (1) Leistungen der Hilfe zur Pflege werden nicht erbracht, soweit Pflegebedürftige gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.

(3) Pflegebedürftige haben während ihres Aufenthalts in einer teilstationären oder vollstationären Einrichtung dort keinen Anspruch auf häusliche Pflege. Abweichend von Satz 1 kann das Pflegegeld nach § 64a während einer teilstationären Pflege nach § 64g oder einer vergleichbaren nicht nach diesem Buch durchgeführten Maßnahme angemessen gekürzt werden. (4) Absatz 3 Satz 1 gilt nicht für vorübergehende Aufenthalte in einem Krankenhaus nach § 108 des Fünften Buches oder in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 107 Absatz 2 des Fünften Buches, soweit Pflegebedürftige ihre Pflege durch von ihnen selbst beschäftigte besondere Pflegekräfte (Arbeitgebermodell) sicherstellen. Die vorrangigen Leistungen des Pflegegeldes für selbst beschaffte Pflegehilfen nach den §§ 37 und 38 des Elften Buches sind anzurechnen. § 39 des Fünften Buches bleibt unberührt.

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(2) Abweichend von Absatz 1 sind Leistungen nach § 72 oder gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften mit 70 Prozent auf das Pflegegeld nach § 64a anzurechnen. Leistungen nach § 45b des Elften Buches gehen den Leistungen nach den §§ 64i und 66 vor; auf die übrigen Leistungen der Hilfe zur Pflege werden sie nicht angerechnet.

(5) Das Pflegegeld kann um bis zu zwei Drittel gekürzt werden, soweit die Heranziehung einer besonderen Pflegekraft erforderlich ist, Pflegebedürftige Leistungen der Verhinderungspflege nach § 64c oder gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. 129

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(6) Pflegebedürftige, die ihre Pflege im Rahmen des Arbeitgebermodells sicherstellen, können nicht auf die Inanspruchnahme von Sachleistungen nach dem Elften Buch verwiesen werden. In diesen Fällen ist das geleistete Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches auf die Leistungen der Hilfe zur Pflege anzurechnen. (7) Leistungen der stationären Pflege nach § 65 werden auch bei einer vorübergehenden Abwesenheit von Pflegebedürftigen aus der stationären Einrichtung erbracht, solange die Voraussetzungen des § 87a Absatz 1 Satz 5 und 6 des Elften Buches vorliegen. § 64 Vorrang (1) Soweit häusliche Pflege ausreicht, soll der Träger der Sozialhilfe darauf hinwirken, dass die häusliche Pflege durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird. (2) Der Träger der Sozialhilfe soll darauf hinwirken, dass die häusliche Pflege durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, als Nachbarschaftshilfe oder durch sonstige, zum gesellschaftlichen Engagement bereite Personen übernommen wird. § 64a Pflegegeld

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(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 haben bei häuslicher Pflege Anspruch auf Pflegegeld in Höhe des Pflegegeldes nach § 37 Absatz 1 des Elften Buches. Der Anspruch auf Pflegegeld setzt voraus, dass die Pflegebedürftigen und die Sorgeberechtigten bei pflegebedürftigen Kindern die erforderliche Pflege mit dem Pflegegeld in geeigneter Weise selbst sicherstellen. (2) Besteht der Anspruch nach Absatz 1 nicht für den vollen Kalendermonat, ist das Pflegegeld entsprechend zu kürzen. Bei der Kürzung ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. Das Pflegegeld wird bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die pflegebedürftige Person gestorben ist. (3) Stellt die Pflegekasse ihre Leistungen nach § 37 Absatz 6 des Elften Buches ganz oder teilweise ein, entfällt insoweit die Leistungspflicht nach Absatz 1. § 64b Häusliche Pflegehilfe (1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 haben Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Pflegesachleistung (häusliche Pflegehilfe), soweit die häusliche Pflege nach § 64 nicht sichergestellt werden kann. Der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe umfasst auch die pflegefachliche Anleitung von Pflegebedürftigen und Pflegepersonen. Mehrere Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 können die häusliche Pflege gemeinsam in Anspruch nehmen. Häusliche Pflegehilfe kann auch Betreuungs- und Entlastungsleistun130

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gen durch Unterstützungsangebote im Sinne des § 45a des Elften Buches umfassen; § 64i bleibt unberührt. (2) Pflegerische Betreuungsmaßnahmen umfassen Unterstützungsleistungen zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens im häuslichen Umfeld, insbesondere 1. bei der Bewältigung psychosozialer Problemlagen oder von Gefährdungen, 2. bei der Orientierung, bei der Tagesstrukturierung, bei der Kommunikation, bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und bei bedürfnisgerechten Beschäftigungen im Alltag sowie 3. durch Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung. § 64c Verhinderungspflege Ist eine Pflegeperson im Sinne von § 64 wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus sonstigen Gründen an der häuslichen Pflege gehindert, sind die angemessenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege zu übernehmen. § 64d Pflegehilfsmittel (1) Pflegebedürftige haben Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die 1. zur Erleichterung der Pflege der Pflegebedürftigen beitragen, 2. zur Linderung der Beschwerden der Pflegebedürftigen beitragen oder 3. den Pflegebedürftigen eine selbständigere Lebensführung ermöglichen.

(2) Technische Pflegehilfsmittel sollen den Pflegebedürftigen in geeigneten Fällen leihweise zur Verfügung gestellt werden. § 64e Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes der Pflegebedürftigen können gewährt werden, 1. soweit sie angemessen sind und 2. durch sie a) die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert werden kann oder

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Der Anspruch umfasst die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Pflegehilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.

b) eine möglichst selbständige Lebensführung der Pflegebedürftigen wiederhergestellt werden kann.

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§ 64f Andere Leistungen (1) Zusätzlich zum Pflegegeld nach § 64a Absatz 1 sind die Aufwendungen für die Beiträge einer Pflegeperson oder einer besonderen Pflegekraft für eine angemessene Alterssicherung zu erstatten, soweit diese nicht anderweitig sichergestellt ist. (2) Ist neben der häuslichen Pflege nach § 64 eine Beratung der Pflegeperson geboten, sind die angemessenen Kosten zu übernehmen. (3) Soweit die Sicherstellung der häuslichen Pflege für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 im Rahmen des Arbeitgebermodells erfolgt, sollen die angemessenen Kosten übernommen werden. § 64g Teilstationäre Pflege Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 haben Anspruch auf teilstationäre Pflege in Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege, soweit die häusliche Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden kann oder die teilstationäre Pflege zur Ergänzung oder Stärkung der häuslichen Pflege erforderlich ist. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Beförderung des Pflegebedürftigen von der Wohnung zur Einrichtung der Tages- oder Nachtpflege und zurück. § 64h Kurzzeitpflege (1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 haben Anspruch auf Kurzeitpflege in einer stationären Pflegeeinrichtung, soweit die häusliche Pflege zeitweise nicht, noch nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden kann und die teilstationäre Pflege nach § 64g nicht ausreicht.

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(2) Wenn die Pflege in einer zur Kurzzeitpflege zugelassenen Pflegeeinrichtung nach den §§ 71 und 72 des Elften Buches nicht möglich ist oder nicht zumutbar erscheint, kann die Kurzzeitpflege auch erbracht werden 1. durch geeignete Erbringer von Leistungen nach dem Sechsten Kapitel oder 2. in geeigneten Einrichtungen, die nicht als Einrichtung zur Kurzzeitpflege zugelassen sind. (3) Soweit während einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation für eine Pflegeperson eine gleichzeitige Unterbringung und Pflege der Pflegebedürftigen erforderlich ist, kann Kurzzeitpflege auch in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen nach § 107 Absatz 2 des Fünften Buches erbracht werden. § 64i Entlastungsbetrag bei den Pflegegraden 2, 3, 4 oder 5 Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Entlastungsbetrag ist zweckgebunden einzusetzen zur 132

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1. Entlastung pflegender Angehöriger oder nahestehender Pflegepersonen, 2. Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags oder 3. Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten im Sinne des § 45a des Elften Buches. § 65 Stationäre Pflege Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 haben Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des Einzelfalls nicht in Betracht kommt. Der Anspruch auf stationäre Pflege umfasst auch Betreuungsmaßnahmen; § 64b Absatz 2 findet entsprechende Anwendung. § 66 Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1 Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Entlastungsbetrag ist zweckgebunden einzusetzen zur 1. Entlastung pflegender Angehöriger oder nahestehender Pflegepersonen, 2. Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags, 3. Inanspruchnahme von a) Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 64b, b) Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes nach § 64e, d) Leistungen zur teilstationären Pflege im Sinne des § 64g, 4. Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten im Sinne des § 45a des Elften Buches.“

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c) anderen Leistungen nach § 64f,

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28 Überleitung §§ 137 und 138 SGB XII

Für die Pflegebedürftigen, die nicht über die Pflegeversicherung versichert und eingestuft sind, ist die Überleitung in § 137 SGB XII geregelt: sie werden analog dem einfachen Stufensprung übergeleitet. Da es im Sozialhilferecht keine Einstufung nach § 45a SGB XI und damit auch keine erhöhten Leistungen nach § 123 SGB XI gab (wie sie durch das PNG 2013 in der Pflegeversicherung eingeführt wurden), ist eine weitergehende Überleitung weder nötig noch mangels entsprechender Einstufung nötig. Mit der zweiten Überleitungsregelung in § 138 SGB XII soll auch die Überleitung der Personen geklärt werden, die am 31.12.2016 einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege hatten, auch wenn die Ermittlung des (neuen) Pflegegrades und des notwendigen pflegerischen Bedarfs noch nicht abgeschlossen ist. Das trifft insbesondere Versicherte ohne Pflegestufe (sogenannte Pflegestufe 0) in der stationären Versorgung, für die es keine formale Überleitung gibt. Sie erhalten auch ab 2017 solange die bisher gewährten Leistungen weiter, bis die neuen Feststellungen zum Pflegegrad getroffen werden. Weiterhin ist geregelt, das keine Rückzahlung erfolgen muss, wenn die neuen Feststellungen zu geringeren Leistungen führen als übergangsweise gewährt wurden. Führen die Feststellungen nach der neuen Rechtslage zu höheren Leistungen, sind diese rückwirkend ab dem 01.01.2017 zu gewähren. Mögliche (höhere) Leistungen der Pflegeversicherung werden bei der Leistungsgewährung der Sozialhilfe angerechnet bis auf den Entlastungsbetrag nach § 45b sowie die evlt. erhöhten Zuschläge zum Entlastungsbetrag nach § 141, Abs. 2, die unberücksichtigt bleiben.

28.2 Kritik und Praxis In Kenntnis des PSG II und des Gesetzentwurfes zum PSG III gab es eine Regelungslücke für die insbesondere stationär versorgten Pflegebedürftigen ohne Pflegestufe, die nach dem damaligen Gesetzesstand keine Leistungen bekommen hätten bzw. für die eine Übergangsregelung fehlte105. Die Änderungen und Ergänzungen der Übergangsregelung haben hier Rechtssicherheit geschaffen.

105  Siehe auch bpa, Presseerklärung vom 23.09.2016 „Niemanden im Regen stehen lassen“

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28.1 Was ist neu?

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28.3 Gesetzestext § 137 Überleitung in Pflegegrade zum 1. Januar 2017 Pflegebedürftige, deren Pflegebedürftigkeit nach den Vorschriften des Siebten Kapitels in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung festgestellt worden ist und bei denen spätestens am 31. Dezember 2016 die Voraussetzungen auf Leistungen nach den Vorschriften des Siebten Kapitels vorliegen, werden ab dem 1. Januar 2017 ohne erneute Antragstellung und ohne erneute Begutachtung wie folgt in die Pflegegrade übergeleitet: 1. Pflegebedürftige mit Pflegestufe I in den Pflegegrad 2, 2. Pflegebedürftige mit Pflegestufe II in den Pflegegrad 3, 3. Pflegebedürftige mit Pflegestufe III in den Pflegegrad 4. Die Überleitung in die Pflegegrade nach § 140 des Elften Buches ist für den Träger der Sozialhilfe bindend.

Kapitel 28

28.4 Gesetzestext § 138 Übergangsregelung für Pflegebedürftige aus Anlass des Dritten Pflegestärkungsgesetzes Einer Person, die am 31. Dezember 2016 einen Anspruch auf Leistungen nach dem Siebten Kapitel in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung hat, sind die ihr am 31. Dezember 2016 zustehenden Leistungen über den 31. Dezember 2016 hinaus bis zum Abschluss des von Amts wegen zu betreibenden Verfahrens zur Ermittlung und Feststellung des Pflegegrades und des notwendigen pflegerischen Bedarfs nach § 63a in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung weiter zu gewähren. Soweit eine Person zugleich Leistungen nach dem Elften Buch in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung erhält, sind diese anzurechnen. Dies gilt nicht für die Zuschläge nach § 141 Absatz 2 des Elften Buches sowie für den Entlastungsbetrag nach § 45b des Elften Buches. Ergibt das Verfahren, dass für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 die Leistungen für den notwendigen pflegerischen Bedarf, die nach dem Siebten Kapitel in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung zu gewähren sind, geringer sind als die nach Satz 1 gewährten Leistungen, so sind die nach Satz 1 gewährten höheren Leistungen nicht vom Leistungsbezieher zu erstatten; § 45 des Zehnten Buches bleibt unberührt. Ergibt das Verfahren, dass für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 die Leistungen für den notwendigen pflegerischen Bedarf, die nach dem Siebten Kapitel in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung zu gewähren sind, höher sind als die nach Satz 1 gewährten Leistungen, so sind die Leistungen rückwirkend nach den Vorschriften des Siebten Kapitels in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung zu gewähren.

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Ein erstes Resümee Wenn man nach der Betrachtung der Neuregelungen mit dem PSG III ein erstes Resümee ziehen will, bleiben insbesondere folgende Punkte kritisch zu betrachten: Wie immer ist nach der Reform auch wieder vor der Reform. Der Bundesrat hat mit der Verabschiedung des PSG III weitere Änderungen verlangt, die auch zeitnah kommen sollen (siehe Kap. 4). So ist es nur eine Frage der Zeit, bis weitere Änderungen kommen werden. Nicht in allen Änderungen im PSG III ist eine klare Linie zu erkennen, manchmal würde man sich eine verbindlichere Klärung für einige Punkte wünschen, die der Gesetzgeber bisher nicht geregelt hat, wie z.B. zum unternehmerischen Risikozuschlag. An anderer Stelle ist die Ungeduld des Gesetzgebers erkennbar, sich nicht mehr allein auf die Selbstverwaltung zu verlassen, sondern den gesetzlichen Rahmen enger zu stecken wie mit den Regelungen zum Qualitätsausschuss nach § 113b oder zur Umsetzung der Rahmenempfehlungen nach § 132a SGB V. Mehr Geld für das Pflegepersonal heißt höhere Eigenanteile für die Leistungsbezieher!

Kann ein Marktmodell funktionieren, dessen Transparenz man noch stärkt (Preisvergleichslisten etc. auch durch Dritte), wenn gleichzeitig das Lohnniveau (und damit die überwiegenden Kosten) nicht mehr divergieren sollen? Auf jeden Fall muss die Politik nicht nur die rechtlichen Möglichkeiten verstärken (die im Übrigen die BSG-Urteile seit 2009 geschaffen hatten, deren Umsetzung aber oft genug spätestens an Schiedsstellen hängen blieb) und durchsetzen, sie muss auch die Bürger aufklären, dass Pflege ihren Wert hat und deshalb auch bei besserer Personalvergütung die Bürger und/oder die Pflegebedürftigen mehr bezahlen müssen!

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Insbesondere mit den Regelungen zur Personalvergütung werden viele Wiedersprüche sichtbar: –– Alle fordern eine bessere Bezahlung des Pflegepersonals! –– Höhere Personalvergütungen führen zu reduzieren Leistungen für die Pflegebedürftigen! –– Im Marktmodell der Pflegeversicherung ist auch der Preis ein Auswahlkriterium!

Stärkere Beratung, aber warum nicht auch durch die Pflegeeinrichtungen? Richtigerweise greift der Gesetzgeber das Thema „Beratung“ weiter auf und versucht, durch die Kommunen hier mehr Beratungsmöglichkeiten zu entwickeln. Wenn man feststellen muss, dass theoretisch eine Pflegeberatung nach § 7a rein

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Ein erstes Resümee 138

rechnerisch gerade einmal ca. 13 % der neu eingestuften Pflegebedürftigen erhalten hätten (Daten Seite 18), bleibt die Frage, wie denn die Versicherten sich informierten und informiert werden: einerseits sicherlich auch im Rahmen des Einstufungsbesuchs durch den MDK, wobei im Hinblick auf die Kriterienmenge des NBI die Frage zu stellen ist, ob im Rahmen der Einstufungsbesuche überhaupt Zeit bleibt, weitere Fragen zu beantworten. Übrig bleiben dann vor allem die Leistungsanbieter wie insbesondere die Pflegedienste, die diese Beratungslücken schließen müssen, soweit die Versicherten sich nicht über Medien etc. selbst informiert haben. Von daher stellt sich die Frage, warum es Beratung nicht als Sachleistungsanspruch gibt, wie es beispielsweise der bpa im Rahmen der Diskussion zum PSG III gefordert hat.106 Immerhin hat der Gesetzgeber durch die Ausweitung der Beratungsbesuche nach § 37.3 auf alle Sachleistungskunden tendenziell die richtige Richtung eingeschlagen. Zwar wird hier immer auch auf die fehlende Neutralität hingewiesen, die Pflegeeinrichtungen unterstellt wird, Mitarbeitern von Kommunen oder gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen aber nicht. Denn diese sind zumindest per Gesetz zur Neutralität verpflichtet107. Auch wenn die praktischen Erfahrungen oft einen anderen Eindruck hinterlassen, insbesondere wenn man hört, dass und wie im Rahmen einer Pflegeberatung nach SGB XI durch Pflegeberater der Pflegekassen öfter auch ‚geprüft‘ wird, wie denn eine verordnete Behandlungspflege selbständig übernommen werden könnte. Und in der Praxis der ambulanten Pflegedienste sind die bei der Pflegeberatung nach § 7a aufzustellenden Versorgungspläne108 so gut wie unbekannt: entweder werden sie nicht erstellt oder liegen weder den Versicherten noch den Pflegeeinrichtungen vor. Auch wenn es sich hier zunächst einmal nur um subjektive Eindrücke handelt, werden sie indirekt durch andere Aspekte bestätigt: beispielsweise die schleppende Inanspruchnahme von Leistungen nach § 45b: laut einem Bericht der Rheinischen Post würden bei der AOK Rheinland ca. 52 % der Pflegebedürftigen 2015 die Entlastungsleistungen in Anspruch nehmen; allerdings nur, wenn sie darüber hinaus von einem Pflegedienst (mit-) versorgt würden. Bei reinen Pflegegeldbeziehern läge die Quote nur bei 17  %109. Alles das sind Symptome, die eine Änderung der Beratung erforderlich machen. Die Kommunen als gestärkte Akteure dürften hier sicherlich für eine Verbesserung sorgen, aber auch die Pflegedienste sollten für ihre Beratungen eine Abrechnungsmöglichkeit bekommen. Und wie im § 37.5 vorgesehen könnten verbindliche Rahmenempfehlungen für die Beratung die ‚Neutralität‘ sicherstellen.

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Häusliche Pflege, 10/2016, S. 24 Siehe auch Begründung zur Ansiedlung der Pflegeberatung, Seite 17 (§ 7a) § 7a, Abs. 1, Satz 3 Zitiert nach: Häusliche Pflege, 10/2016, S. 11

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Leistungslücken in der Hilfe zur Pflege? Die Umsetzung der neuen Regelungen im Bereich der Hilfe zu Pflege nach SGB XII führt überraschenderweise zu Unstimmigkeiten und Leistungslücken im Pflegegrad 1, die vorher nicht vorhanden waren. Hier scheint der Gesetzgeber die Einstufungssystematik des NBI zu überschätzen, weil er auch jede Flexibilität abgeschafft hat. Hier dürfte auch kurzfristig ein Nachjustieren erforderlich sein. Der schon lange vorhandene Konflikt der Finanzierungsbereiche Eingliederungshilfe und Pflege(-versicherung) ist durch die neuen (alten) Regelungen nicht gelöst worden, hier wird es in der Praxis weiterhin viele Varianten geben, die je nach Verhandlungs- und Kassenlage gestaltet sind. Klare Grenzen sind jedenfalls nicht zu erkennen, was im Einzelfall auch positiv zu bewerten ist.

In einem Leserbrief für die Carekonkret hat Stefan Block, Geschäftsführer ASB Ambulante Pflege GmbH, Bremen, es auf den Punkt gebracht: „In keinem anderen Berufsfeld hätte so ein schwarzes Schaf einen solchen Kontrollwahn ausgelöst. Oder bekommen alle Klempner und Automechaniker nach einzelnen Betrugsfällen bundesweit hoheitliche Abrechnungsprüfungen aufgebrummt? Natürlich auf Kosten der Handwerker. Nein!...“110. Es geht nicht darum zu kritisieren, dass Betrügereien mit allen Mitteln verfolgt werden, aber das strukturelle Misstrauen, was aus den neu definierten Prüfrechten spricht, ist kein Mittel, um der Pflege das Vertrauen auszusprechen. Und die populistische Aufblähung von Betrugsfällen schafft kein Klima für konstruktive Lösungen. Dabei, und das wird bei vielen Fällen oft vergessen, kann in der ambulanten Pflege nur dann betrogen werden, wenn viele, insbesondere Pflegebedürftige und Pflegepersonen daran mitwirken! Nun gibt es noch mehr Kontrollmöglichkeiten. Aber es ist zu hoffen, dass die Pflegekassen nicht aus jeder unklaren Abrechnung gleich einen Betrugsvorwurf konstruieren. Denn schon die Definition der Leistungen in vielen Katalogen in Deutschland ist nicht so eindeutig, wie sie sein sollte. Insgesamt täte diesem Themenkomplex mehr Gelassenheit gut! Die Pflegeversicherung 2.0 beginnt! Schon der Titel des Vorgängerbuches: „Das Pflege-Stärkungsgesetz 2.0“ sollte deutlich machen, dass die mit den PSG-Gesetzen insgesamt durchgeführte Neuausrichtung durch die neue Einstufung zu einer anderen Pflegeversicherung, eben der „2.0“-Variante führen wird. Nun muss die Praxis zeigen, ob der neue Einstufungsbegriff die Erwartungen erfüllen kann und wie die gesamten Änderungen wirken.

Das Pflege-Stärkungsgesetz 3

Es lebe die Kontrolle!

Viel Arbeit, sie ist da! Andreas Heiber Bielefeld, 14.01.2017 110  Carekonkret 48/2016, 25.11.2016

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Andreas Heiber, geboren 1963 in Bielefeld. Langjährige Tätigkeit bei einem Bundesverband der freien Jugendhilfe. Mehrere Jahre angestellt im Softwarevertrieb für den sozialen Bereich; 1993 Gründung der Unternehmensberatung System & Praxis Andreas Heiber mit heutigem Sitz in Bielefeld. Fachbuchautor (u.a. Ambulante Einsatzplanung, Kostenrechnung und Preiskalkulation, Beratungshandbuch SGB XI, Studienbriefe für die Hamburger FernHochschule (Bereich ambulant), Stern-Ratgeber Pflegeversicherung, Bücher zu aktuellen Pflegereformen wie PNG, PSG 1 und PSG 2. Referent für viele Verbände und Kongresse (u.a. Altenpflege, Häusliche Pflege Managertag, Vincentz Akademie, Sozialgerichtstag, DATEV, Bank für Sozialwirtschaft). Unternehmensberatung für ambulante Pflegedienste mit den Schwerpunkten Organisation, Kostenrechnung und Vergütungsverhandlung, Entwicklung von Strategien und Quartiersversorgung, Ambulante Wohngmeinschaften sowie Umsetzung der gesetzlichen Veränderungen Seit 2002 gemeinsam mit Gerd Nett (Arzt, Unternehmensberater) in der Unternehmensberatung System & Praxis tätig.

Das Pflege-Stärkungsgesetz 3

Fotograf: Fritz Stockmeier, Bielefeld

Autor

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...weitere Titel des Autors Andreas Heiber

Unser Tipp

Das Pflege-Stärkungsgesetz 2 Pflegeversicherung 2.0 – die Änderungen meistern Andreas Heiber Seit dem 1.1.2016 greift der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff. Zum 1.1.2017 sind das neue Einstufungsverfahren und die Umstellung der Leistungen aus der Pflegeversicherung in Kraft getreten. Unternehmensberater Andreas Heiber beleuchtet die Details der Pflegereform. 2016, 140 Seiten, kart., Format 17 x 24 cm ISBN 978-3-86630-462-8, Best.-Nr. 836

Handbuch Ambulante Einsatzplanung Grundlagen, Abläufe, Optimierung Andreas Heiber, Gerd Nett Bessere Einsatzplanung für mehr Kundenzufriedenheit und wirtschaftlichen Erfolg. Das Handbuch stellt den kompletten Prozess der Einsatzplanung vor. Vom Leistungsauftrag über die Dienstplangestaltung und Soll-Tourenplanung bis zur Soll-Ist-Korrektur – so setzen Sie die Planung praktisch um. 2014, 248 Seiten, kart., Format 17 x 24 cm ISBN 978-3-86630-378-2, Best.-Nr. 374

Das SGB XI – Beratungshandbuch 2016/17 Gut beraten – Vertrauen schaffen – Nachfrage erhöhen Andreas Heiber PDL erhalten das nötige Handwerkszeug, um ihren Kunden die Leistungen der Pflegeversicherung aufzuzeigen. Die überarbeitete Ausgabe des Handbuches enthält alle Neuerungen, die sich aus dem PSG II ergeben. Da bestimmte Änderungen 2016, andere 2017 greifen, sind die jeweiligen Vorschriften im Überblick dargestellt. 2016, 308 Seiten, kart., Format 17 x 24 cm ISBN 978-3-86630-490-1, Best.-Nr. 859 Alle Bücher sind auch als eBook (ePub) erhältlich.

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Andreas Heiber,Jahrgang 1963; langjährige Tätigkeit bei einem ­Bundesverband der freien Jugendhilfe, mehrere Jahre ­angestellt im Softwarevertrieb für den sozialen Bereich; seit 1993 selbstständig als Unternehmensberater und Fachbuchautor, Geschäftsführer der Unternehmens­ beratung System & Praxis Andreas Heiber, Bielefeld.

In bewährter Tradition liefert der Autor Andreas Heiber mit diesem Buch nun auch eine umfassende Darstellung und Kommentierung der durch das Pflegestärkungsgesetz 3 (PSG 3) hervorgerufenen „ambulanten Änderungen“. Dieses Buch zum PSG 3 ist genauso aufgebaut wie die Bücher zum PSG 1 und PSG 2. Es enthält den Gesetzestext der geänderten Paragrafen, erläutert, was das Neue daran ist, und kommentiert den Text für die Praxis. So kann jede Leitungskraft eines ambulanten Pflegedienstes die daraus resultierenden Fragen und Veränderungen frühzeitig diskutieren und einleiten. · Welche   Kontroll- und Prüfrechte stehen Krankenkassen und MDK künftig in der ambulanten Pflege zu? Wie haben sich ambulante Dienste vorzubereiten? ·  Welche Rolle spielen die Kommunen bei der Steuerung? · Welche   Möglichkeiten bestehen für behinderte Pflegebedürftige, Leistungen der Pflegeversicherung zu beziehen? ·  Wie ändert sich die Hilfe zur Pflege im SGB XII? ·  Wie sehen die Regelungen zur Personalvergütung aus? Das PSG 3 bildet den Abschluss der Pflegereform. Die wesentlichen Änderungen für die Ambulante Pflege 2017 hat der Autor daher in einer Übersichtstabelle zusammengefasst. Sie enthält nicht nur den Hinweis auf die jeweiligen Paragrafen der betroffenen Gesetze, sondern verweist, wenn es um das PSG 2 bzw. PSG 3 geht, auf die konkreten Seitenzahlen des jeweiligen Buches. Besonders hilfreich, denn PSG 2 und PSG 3 treten zum gleichen Zeitpunkt in Kraft!

ISBN 978-3-74860-146-3