Das neue Seerecht: Internationale und nationale Perspektiven. Referate und Diskussionen eines Symposiums veranstaltet vom Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel vom 1. - 4.12.1982 [1 ed.] 9783428455966, 9783428055968

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Das neue Seerecht: Internationale und nationale Perspektiven. Referate und Diskussionen eines Symposiums veranstaltet vom Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel vom 1. - 4.12.1982 [1 ed.]
 9783428455966, 9783428055968

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Das neue Seerecht

VERÖFFENTLICHUNGEN DES INSTITUTS FOR INTERNATIONALES RECHT AN DER UNIVERSITXT KIEL

Herausgegeben von Jost Delbrück · Wilfried Fiedler Wilhelm A. Kewenig · Rüdiger Wolfrum 89

Das neue Seerecht Internationale und nationale Perspektiven

Referate und Diskussionen eines Symposiums veranstaltet vom Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel vom 1.-4.12.1982

Herausgegeben von

Prof. Dr. Jost Delbrück Redaktionelle Bearbeitung: Ursula Heinz

DUNCKER & HUMBLOT

I

BERLIN

Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung, Köln

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Das neue Seerecht: internat. u. nationale Perspektiven; Referate u. Diskussionen e. Symposiums vom 1. - 4. 12. 1982 I veranst. vom Inst. für Internat. Recht an d. Univ. Kiel. Hrsg. von Jost Delbrück.- Berlin: Duncker und Humblot, 1984.

Veröffentlichungen des Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel; 89) ISBN 3-428-05596-9

NE: Delbrück, Jost [Hrsg.]; Institut für Internationales Recht (Kiel): Veröffentlichungen des Instituts ...

Alle Rechte, einschließlich das der Übersetzung, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages Ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus in Irgendeiner Weise zu vervielfältigen. @ 1984 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1984 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3·428-05596-9

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Eröffnungsansprache Dr. Jürgen Westphal, Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Bundesrepublik Deutschland auf der 3. UN-Seerechtskonferenz Tono Eitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Diskussion zum Referat von Tono Eitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die UN-Seerechtskonvention in der Perspektive der Neuen Weltwirtschaftsordnung Rüdiger Wolfrum

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Diskussion zum Referat von Rüdiger Wolfrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Militärische und sicherheitspolitische lmplikationen der neuen Seerechtskonvention Brun-Otto Bryde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Diskussion zum Referat von Brun-Otto Bryde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Der Einfluß der UN-Seerechtskonvention auf das geltende und künftige internationale Seerecht Rudolf Bernhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

Diskussion zum Referat von Rudolf Bernhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Schlußworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Liste der Teilnehmer des Symposiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

Abkürzungsverzeichnis a.A.

ABlEG AFDI AJIL AMR

Anm. AöR Art. ASW AVR

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Annuaire Fram;ais de Droit International American Journal of International Law Arbeitsgemeinschaft meerestechnisch gewinnbarer Rohstoffe Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Anti-Submarine-Warfare Archiv des Völkerrechts

Bd. BDI BGBI. Bull.BReg.

Band Bundesverband der Deutschen Industrie Bundesgesetzblatt Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung

CCD CG5 CNEXO

Conference of the Committee on Disarmament Coordinating Group of Five Centre National pour !'Exploitation des Oceans

DIHT Doc. DUD

Deutscher Industrie- und Handelstag Document Deutschland-Union-Dienst

EG EWG

Europäische Gemeinschaften Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

FA FAZ FS

Finanzarchiv Frankfurter Allgemeine Zeitung Festschrift

G5 GA GATT GYIL

Group of Five General Assembly General Agreement on Tariffs and Trade German Yearbook of International Law (Jahrbuch für Internationales Recht)

Hrsg.

Herausgeber

ICJ ICLQ ICNT IFAD IGH ILM INMARSAT

International Court of Justice The International and Comparative Law Quarterly Informal Composite Negotiating Text International Fund for Agricultural Development Internationaler Gerichtshof International Legal Materials International Organisation for Maritime Telecommunications by Satellites

8

Abkürzungsverezichnis

INTELSAT ISGH

International Telecommunications Satellite Consortium Internationaler Seegerichtshof

JIR

Jahrbuch für Internationales Recht (German Yearbook of International Law) J uris tenzei tung Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa League of Nations Treaty Series Landlocked and geographically disadvantaged states Mitglied des Bundestages mit weiteren Nachweisen New York Times Neue Zeitschrift für Wehrrecht Neue Zürcher Zeitung Ocean Development and International Law Ocean Mining Associates Ocean Mining, Inc. Official Records Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht Preparatory Investment Protection Recueil des Cours Resolution Revue general de droit international public Recht der internationalen Wirtschaft - Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Revised Single Negotiating Text siehe auch Security Council Session Stockholm International Peace Research Institute Single Negotiating Text Seerechtskonvention Supplement

JZ KSZE LNTS Llgds MdB m . w.N. NYT NZf. WR NZZ ODILA OMA OMI OR ÖZöR PIP RdC Res. RGDIP RIW/AWD RSNT

s. a.

SC Sess. SIPRI SNT SRK Suppl. Syr.J.Int'l L.&Com. UNCLOS III UNIDO UNTS ÜVRPK VN Val. VRÜ WEOG WP WVK WVR ZaöRV

Syracus Journal of International Law and Commerce Third United Nations Conference on the Law of the Sea United Nations Industrial Development Organisation United Nations Treaty Series Übereinkommen über vorläufige Regelungen für polymetallische Knollen des Tiefseebodens Vereinte Nationen Valurne Verfassung und Recht in Übersee Western European and Other Groups Warking Party Wiener Vertragsrechtskonvention Wörterbuch des Völkerrechts Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Vorwort Die dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen (United Nations Conference on the Law of the Sea - UNCLOS III) ist im Jahre 1982 zu Ende gegangen. Das umfassende Vertragswerk ist von einer großen Zahl von Staaten bereits gezeichnet worden. Teile des neuen Rechts haben darüber hinaus bereits in das Völkergewohnheitsrecht Eingang gefunden oder sind auf dem Wege dazu. Die Bundesrepublik Deutschland hat bisher ihre Unterschrift noch nicht unter das Vertragswerk gesetzt. Die Diskussion über Zeichnen oder Nichtzeichnen dauert an. Der vorliegende Band enthält die Referate und Diskussionen des neunten völkerrechtlichen Symposiums des Instituts für Internationales Recht, das vom 1. - 4. Dezember 1982 in Kiel veranstaltet wurde. Ziel des von 37 Völkerrechtlern und Vertretern der Praxis besuchten Symposiums war es, nach dem Abschluß der UNCLOS III eine erste Bilanz der Konferenzergebnisse aus wissenschaftlicher Sicht und aus der Perspektive der Praxis zu ziehen und zur Meinungsbildung über die künftig von der Bundesrepublik Deutschland zur Seerechtskonvention einzunehmende Haltung beizutragen. Das Institut dankt den Referenten, die mit ihren profunden Referaten zu einer ungewöhnlich intensiven und fruchtbaren Diskussion ebenso beigetragen haben wie die übrigen Symposiumsteilnehmer. Der Dank des Instituts gilt weiter der Fritz Thyssen Stiftung, die mit ihrer bereitwilligen und unbürokratischen Unterstützung die Durchführung des Symposiums ermöglicht hat. Um Nachsicht bittet das Institut insbesondere die Referenten für die Verzögerung der Drucklegung des Symposiumsbandes. Das Zusammentreffen der Fertigstellung mehrerer umfangreicher Publikationen mit einer enger gewordenen Personaldecke standen einer raschen Veröffentlichung entgegen. Dank der vorzüglichen Durchdringung der im Symposium behandelten Problembereiche ist jedoch die Aktualität der Beiträge und Diskussionen nicht geschmälert worden. Kiel, im Dezember 1983 J ost Delbrück

Eröffnung Von Jürgen Westphal Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich darf mich sehr herzlich für die Gelegenheit, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen, bedanken und Sie dazu beglückwünschen, daß Sie einen so interessanten Zeitpunkt für Ihr Symposium gewählt haben. In diesen Tagen wird die Bundesregierung über das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland, was die Zeichnung der UN-Seerechtskonvention angeht, beraten. Einen aktuelleren Zeitpunkt hätte man kaum finden können. Ich begrüße natürlich auch, daß die Öffentlichkeit sich zunehmend dieses Themas annimmt. Ich hätte mich gefreut, wenn die deutsche Öffentlichkeit das schon vor sieben oder acht Jahren getan hätte. Ich darf dies feststellen, weil wir hier in Kiel unter den Politikern als einzige die Bedeutung dieses Themas immer wieder herausgestellt haben. Mein Mitarbeiter, Herr Dr. Jenisch, und ich selbst haben in zahlreichen Beiträgen versucht, die Öffentlichkeit für diese Frage zu ,i nteressieren. Man muß leider feststellen, daß die Bundesrepublik Deutschland eben doch nur am Rande, nämlich hier im Norden an der l{üste, ein maritimes Land ist. So ist die öffentliche Diskussion, für die es eigentlich nie zu spät ist, doch sehr spät in Gang gekommen - zu einem Zeitpunkt, als viele Festlegungen schon erfolgt waren, so daß die Besinnung der Bundesrepublik Deutschland auf eigene nationale Interessen zu spät kam, um manche Position, die man vielleicht noch hätte beeinflussen können, zu verbessern. Das ist Vergangenheit, und ich glaube, wir dürfen Ihnen besonders dankbar sein, daß Sie sich dieses Themas noch einmal aus der Aktualität als Völkerrechtler annehmen. Für Schleswig-Holstein ist das Seerecht nicht nur eine Frage theoretischen Nachdenkens, sondern eine sehr bedeutende Frage für die Zukunft unserer Wirtschaft. Ich brauche nur die Schiffahrt und den Schiffbau, die Meerestechnik und insbesondere auch die Meeresforschung sowie die Fischerei zu erwähnen. Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, das mit der Nordsee und der Ostsee zwei Küstenlinien hat. Wenn man an die mit der Konferenz verbundenen Sicherheitsinteressen denkt sowie an die Komplexe, die damit zusammenhängen, dann

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Jürgen Westphal

versteht man, daß für Schleswig-Holstein durchaus eine Sondersituation vorliegt, die es richtig erscheinen ließ, sich von Anfang an in die Konferenz einzuschalten. Mit dem "Kieler Meeressymposium 1980" haben wir versucht, die deutschen Meeresinteressen herauszuarbeiten und zu definieren. Ich erinnere mich sehr gerne an diese interessante Tagung aus dem Jahr 1980, an der Sie, Herr Botschafter Eitel, damals mitgewirkt haben. Die Herren des Auswärtigen Amtes kamen damals nach Kiel mit der Sorge, auf die Anklagebank gesetzt zu werden. Sie konnten erfreulicherweise dann feststellen, daß es zwar viel Kritik von unserer wie auch von anderer Seite gab, aber daß es sich letztlich doch um eine sehr fruchtbare Veranstaltung gehandelt hat. Das Kieler Institut für Internationales Recht sowie das Institut für Weltwirtschaft und andere Organisationen in Kiel haben sich in den letzten Jahren verstärkt mit Seerechtsfragen befaßt, und es ist nicht erstaunlich, daß Kiel für Meeresforschung im weitesten Sinne ein Zentrum geworden ist. Erwähnt sei der Fachbereich der Meereskunde ·einschließlich der Polarforschung. Die Errichtung des Polarforschungsinstituts in Bre.merhaven anstelle von Kiel war aus hiesiger Sicht eine sachliche und regionalpolitische Fehlentscheidung, durch die wir uns aber nicht haben entmutigen lassen. Die beherrschende aktuelle Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland die UN-Seerechtskonvention zeichnen und später ratifizieren soll, stellt sich in diesen Tagen für alle Staaten. Im Vorfeld dieser Entscheidung haben wir unbeirrt von politischen und wissenschaftlichen Gegenmeinungen die Schwachstellen des neuen Seerechts und die Möglichkeiten für Verbesserungen herausgearbeitet. Wir sollten versuchen, die Vor- und Nachteile des neuen Seerechtes objektiv darzustellen, ohne von vornhel."ein den Meinungsbildungsprozeß in eine bestimmte Richtung festlegen zu wollen. Das neue Seerecht ist gekennzeichnet durch die Nationalisierung von rund 40 °/o der Weltmeeresfläche in Form von Wirtschafts- und Festlandsockelzonen zugunsten relativ weniger Langküstenstaaten, die damit über 90 fJ/o der Weltfischbestände und 85 °/o der marinen Kohlenwasserstoffvorkommen sowie sonstige Ressourcen und Forschungsmöglichkeiten verfügen werden. Es handelt sich hierbei um das wertvollste Drittel der Weltmeere. Der Text der Konvention begünstigt, wie ich meine, in unerträglicher Weise wenige Langküstenstaaten auf Kosten der großen Zahl der übrigen Staaten der Welt. Der Besitz einer Insel von nur einem Quadratkilometer Fläche löst beispielsweise eine 200 Seemeilen-Zone von 430 000 Quadratkilometer aus. Das ist fast die doppelte Fläche der Bundesrepublik Deutschland. Allein zehn Staaten, darunter acht Industrieländer und zwei Schwellenländer erhalten 54 °/o

Eröffnung

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aller Wirtschaftszonen. Mit Ausnahme der Bundesrepublik Deutschland erhalten aus geographischen Gründen aUe großen Industrieländer enorme Seeflächen und Ressourcen zur ausschließlichen eigenen Verfügung. Überspitzt gesagt, stimmt das Märchen von der gerechten Beteiligung der Dritten Welt nur für relativ wenige Küstenstaaten in Lateinamerika, Afrika und Asien. Eine große Zahl von Entwicklungsländern geht leider leer aus. Es entstehen durch diese von Graf Vitzthum zu Recht als "Terranisierung" beklagte Entwicklung auf Dauer privilegierte Küstenstaaten und verarmende Hinterländer. Von dieser geographischen Umverteilung werden zwangsläufig friedensgefährdende Konflikte ausgehen. Für die verbleibende Tiefsee ist ein ordnungspolitisch gefährliches bürokratisches Bergbausystem unter der UN-Meeresbodenbehörde in Jamaika vorgesehen, das durch Produktionsbeschränkungen, zwangsweisen Technologie-Transfer, hohe Abgaben und Stimmrechtsdominanz der Entwicklungsländer gekennzeichnet ist. Zuletzt hat das Institut für Weltwirtschaft in Kiel noch einmal dargelegt, daß dieses System gerade unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten im Hinblick auf seine Präzedenzwirkung für eine Neue Weltwirtschaftsordnung außerordentlich kritisch zu beurteilen ist. Natürlich gibt es in der Seerechtskonferenz insgesamt auch positive Ergebnisse, wie z. B. die Durchfahrtsrechte durch Küstenmeere und Meerengen ebenso wie die detaillierten Regelungen des Umweltschutzes und der Streitregelung. Für die Bundesrepublik Deutschland wäre es sicherlich interessant, den Seegerichtshof mit Sitz in Harnburg zu erhalten, dessen Kandidatur auf Anregungen zurückgeht, die SchleswigHolstein im Rahmen der deutschen Seerechtsdelegation gemacht hat. In diesem Zusammenhang fällt mir das Wort von Herrn Professor von Münch aus einer gemeinsamen Podiumsdiskussion im Vorjahr beim Deutschen Industrie- und Handelstag ein, daß "der Tausch: Richter gegen Manganknollen" wohl nicht im deutschen Interesse liegen könne. Ich meine, daß die Befürworter einer deutschen Zeichnung dazu neigen, die geschilderten positiven Aspekte zu überschätzen, zumal sie davon ausgehen können, daß die bestehenden Verkehrs- und Durchfahrtsrechte in den letzten Jahren auch unabhängig von der Unterzeichnung und Ratifizierung der Konvention zu neu entstehendem Völkergewohnheitsrecht geworden sind und damit universelle Geltung erlangen. Das ist sicherlich auch ein Thema, das hier in dieser Konferenz angesprochen wird. Ich darf darauf hinweisen, daß sich die kritischen Stimmen in der Bundesrepublik Deutschland mehren, und zwar nicht nur aus dem politischen Lager, die ein möglichst einheitliches Vorgehen der westlichen Welt fordern, sondern auch aus Kreisen der Wirtschaft. Dies ergibt sich

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Jürgen Westphal

u. a. aus der kürzlichen Stellungnahme der Industrie- und Handelskammern von Harnburg und Bremen sowie aus einer Umfrage, die das Bundeswirtschaftsministerium im Sommer dieses Jahres gemacht hat. Kurzum, hier ist Sorge, daß ein Dauerschaden für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Wirtschaft entsteht. Dies gilt in besonderem Maße für den norddeutschen Raum, wo die Meereswirtschaft rund 200 000 Arbeitsplätze in den Bereichen Schiffahrt, Schiffbau, Meerestechnik, Fischerei und Meeresforschung repräsentiert. Dies ist zugleich ein Bereich mit hohem lnnovationspotential, von dem industriepolitische vielseitige Zukunftschancen für die gesamte nationale Wirtschaft abhängen. Ein weiterer Punkt von nationalem Interesse ist die Schaffung eines integralen EG-Meeres, das als große regionale Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland gewisse Kompensationsmöglichkeiten bieten würde. Ich meine, daß diese Frage nicht weiter aufgeschoben werden darf. Sie sollte im Kreise der bestehenden EG-Mitglieder geklärt sein, bevor Spanien und Portugal beitreten. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß mit steigender Mitgliederzahl innerhalb der EG die Kompromißfähigkeit und die Konsensfähigkeit eher abnehmen. Dies gilt gerade für den Beitritt von zwei Staaten, die ihrerseits große Meereszonen einbringen. Es ist bedauerlich, daß es bisher nicht gelungen ist, dieses Thema ·einer einigermaßen vernünftigen Lösung innerhalb der EG zuzuführen. Das EG-Meer wäre zugleich wichtiger Bestandteil einer nationalen Meerespolitik, die wir m. E. benötigen, um die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland auszubauen, mit der neueren Seerechtsentwicklung in Einklang zu bringen und zum Nutzen der internationalen Zusammenarbeit ·in internationale Regelungen einzubringen. Auch beim derzeitigen Stand der Verhandlungen über die Seerechtskonferenz am Vorabend der Abschlußsitzung in Jamaika gibt es noch genügend Gestaltungsspielraum rechtlicher und wirtschaftlicher Art. Es wäre mein Wunsch, daß es Ihnen auf dieser Tagung gelingt, mitzuhelfen, diesen Gestaltungsspielraum ausfüllen. Herzlichen Dank!

Die Bundesrepublik Deutschland auf der 3. UN-Seerechtskonferenz Von Tono Eitel• Motto: "Immer die alte Geschichte! Immer der alte Meeresbodenl" (Goethe am 26. 9. 1827 zu Eckermann)

I. Die Haltung der Deutschen zur See Haltung nimmt man in einer gegebenen Situation ein, von ihr mitbestimmt und sie dann auch mitbestimmend. Golo Mann hat lin seinem gescheiten Bremer "Tabak-Kolleg" 1 dem "Seetier England" den "Landtier-Charakter der deutschen Situation" gegenübergestellt. Ich möchte in einer einführenden Bemerkung diese Situationsbeschreibung etwas präzisieren. Die Deutschen haben in derTat von jeher zu Wasser weniger geleistet als auf dem Lande. Sie haben sich aber, anders als ein Landtier, nie auf den festen Boden beschränkt, sondern sind durchaus auch in ein anderes Element, nämlich die Luft, vorgestoßen. Von Wieland dem Schmied und vom Schneider zu Ulm über den Grafen Zeppelin bis hin zu Wernher von Braun haben die Deutschen zur Eroberung von Luftund Weltraum mindestens so viel wie andere beigetragen!. Um so auffälliger ist die deutsche Zurückhaltung gegenüber der See. Hier erscheinen wir deutlich gehemmt oder, in der Freudschen Definition der Hemmung, in den Funktionen des Ichs eingeschränkt3.

* Botschafter Dr. Tono Eitel nahm am Symposium in seiner Eigenschaft als Lehrbeauftragter der Universität Bochum teil. 1 Golo Mann, Die Deutschen und das Meer, Vortrag vor dem Bremer Tabak-Kollegium, 1975, abgedr. in: Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.), Die Plünderung der Meere - Ein gemeinsames Erbe wird zerstückelt, Frankfurt arn Main 1981, 35 (36 f.). 2 Der Begriff des "Landtieres" scheint mir diesem Beitrag nicht gerecht zu werden; näher läge eine Kombination von "Landtier" und "Lufttier", also, will man den unappetitlichen Vergleich mit Fledermäusen vermeiden, etwa der aus Löwe und Adler zusammengesetzte heraldische Greif. 3 Hemmung, Symptom und Angst (1926), abgedr. in: Sigmund Freud, Studienausgabe, Frankfurt, Bd. VI, 1971, 227 ff. (235); ebenso in: Angst und Triebleben (32. Vorlesung, Neue Folge, 1932/33), abgedr. in: op. cit., Bd. I, 1969, 517 ff. (519).

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TonoEitel

Ein deutsches Heer, das, so wie Xenophons Griechen mit dem Rufe "Thalatta! Thalatta!" 4 , das heimatliche Meer freudig begrüßt, ist schwer vorstellbar. Warum haben wir keine Entsprechung zu Odysseus, Sindbad dem Seefahrer oder Hemingways Altem Mann5? Warum richten sich die unbescheidenen Wünsche des F'ischers urid syner Fru im Grimmsehen Märchen auf eine Karriere an Land 6 , warum sind die See-"Helden" der deutschen Literatur Strandvögte und Deichgrafen, die nicht das Meer befahren, sondern es, wie der alternde Faust oder wie Storms Schimmelreiter, durch Landgewinnung7 buchstäblich und, so meine ich, auch im Freudschen Sinne, verdrängen8 ? In Hauffs Märchen vom "Gespensterschiff" oder bei Richard Wagners "Fliegendem Holländer" sind die Schiffe schwimmende Särge für zu ewiger Seefahrt Verdammte, die- sehr tellurisch - , der eine durch aufgelegte Erde, der andere durch an Land zu suchende treue Liebe ihre Erlösung finden; versteht sich außerdem, daß beide Schiffsherren keine Deutschen sind9 • "Meer! Meer!"; s. Anabasis; 4. Buch, 7. Kapitel (24). Ernest Hemingway, The Old Man and the Sea, 1952. S. auch Golo Mann (Anm. 1), 40. Es scheint mir bezeichnend, daß selbst des Barons von Münchhausen Seeabenteuer in der zweiten englischen Ausgabe den Abenteuern zu Lande und in der Luft erst durch "eine andere Feder" beigefügt wurden; s. Wolf Stubbe, bore und die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen, in: Gottfried August Bürger, Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzügeund lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen, Harnburg 1967, 179 (186). 6 Auch das wohl ursprünglich indische Märchen vom Geist in der Flasche, das als die Geschichte vom Fischer und Dämonen in Tausendundeiner Nacht wiedererzählt wird [s. Enno Littmann (Übers. u. Hrsg.), Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten, 6. Bd., Leipzig 1939, 715 f. (Anhang)], gibt sich nicht viel seemännischer. 7 " ••• Das köstliche Genießen, das herrische Meer vom Ufer auszuschließen, der feuchten Breite Grenzen zu verengen und weit hinein sie in sich selbst zu drängen!" (Faust ~ Zweiter Teil, IV. Akt - im ersten Dialog zu Mephistopheles). In seinem eingangs zitierten Gespräch mit Eckermann denkt Goethe ebenfalls nur an Geologie und Fossilien des Weimarer Raumes. Auch Freud selbst vergleicht Kulturarbeit mit der "Trockenlegung der Zuydersee"; s. Die Zerlegung der psychischen Persönlichkeit (31. Vorlesung, Neue Folge, 1932/33), Freud (Anm. 3), Bd. I, 1969, 469 ff. (516); vgl. hierzu auch Thomas Mann, Freud und die Zukunft, in: Thomas Mann, Schriften und Reden zur Literatur, Kunst und Philosophie, Frankfurt am Main und Harnburg 1968, 213 (231). s ·Nach Freud tritt an die Stelle der verdrängten Vorstellung im Wege der Affektverwandlung Angst; s. Die Angst (25. Vorlesung, 1916/17), Freud (Anm. 3), Bd. I, 1969, 380 ff. (395). Nietzsche (Also sprach Zarathustra, III, 12) sieht erst seinen Übermenschen "das unentdeckte, im fernsten Meere ... suchen". 9 Bei Hauff hatte der algerische Kapitän einen Mönch ermordet und wurde von seiner sühnenden Gespensterfahrt erst durch die Berührung mit der Erde erlöst; s. Wilhelm Hauff, Sämtliche Märchen, Wien 1948, 30 ff. Die·Fabel 4

5.

Die Bundesrepublik Deutschland auf der 3. UN -Seerechtskonferenz

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Wie viele deutsche Seefahrer und Entdecker gibt es denn, die man den arabischen10, normannischen, portugiesischen, spanischen, malayischen, niederländischen oder britischen an die Seite stellen könnte11 ? Ist es Zufall, daß Briten vor mehr als 100 Jahren die ersten Manganknollen vom Tiefseeboden heraufholten? Wie steht zur See ein Volk, dem sie, so wie am alten "Haus Seefahrt" in Bremen, mit dem Slogan schmackhaft gemacht wird "Navigare necesse est, vivere non est necesse!"12? Schillers Taucher scheint daher für viele Deutsche zu sprechen, wenn er glaubt, mit seinem Sprung in die See die Götter zu versuchen13. Er nimmt deshalb auch das verdiente Ende! Eine den vorerwähnten Aussprüchen und Empfindungen vergleichbar verbreitete Einstellung zur Luft- und Raumfahrt, wo dem Bodenständigen ein gewisses Defizit an Lebensfreude noch näher zu liegen scheint, habe ich demgegenüber nicht entdecken können14. vom Fliegen Holländer ist ein alter Stoff; ich verdanke 0. Suhling (Beirut) Hinweise auf Camoes' Lusiaden (1572) und Coleridge's The Ancient Mariner (1798, von Freiligrath 1829 übersetzt). Wagner hat an Stoff von Heine; s. Ernst Elster (Hrsg.), Heinrich Heines Sämtliche Werke, Leipzig und Wien, Bd. IV, o. J., 9; 116 f. Auch eine ruhige See sieht Heine noch als "stillverderbliche Fläche"; s. Die Reinigung (11. Gedicht des 1. Zyklus von "Die Nordsee"), op. cit., Bd. I, 177. 1o Wohl nicht umsonst beschreibt der Koran Meer und Schiffahrt durchweg positiv und einladend. s. z. B. Sure 16, Vers 14: "Und Allah ist's, der das Meer euch dienstbar machte, daß ihr frisches Fleisch daraus esset und Schmuck daraus hervorholet, ihn anzulegen. Und Du siehst die Schiffe es durchpflügen, und auf daß ihr suchet nach den Gaben seiner Huld, und daß ihr vielleicht dankbar seid." Ähnlich: Sure 14, Vers 37; S. 22, V. 64; S. 23, V. 22; S. 35, V. 13; S. 45, V. 11; vgl. auch S. 31, V. 30 f.; S. 42, V. 31. Demgegenüber scheint die Bibel das Meer eher aus der Perspektive des Jonas (Jon. 1, 5 ff.) zu sehen, "wütend und wallend" (Ps. 46, 4; Jes. 51, 15), "brausend" (Ps. 65, 8; 93, 4; 96, 11; Luk. 21, 25), als Aufenthaltsort von Ungeheuern (Hi. 7, 12; Dan. 7, 3) oder als Ort des Untergangs (Ps. 46, 3; Mich. 7, 19; Matth. 18, 6; Offb. 20, 13). Schiffahrt führt dann häufig zum Schiffbruch (Ps. 48, 8; Apg. 27, 10; 2. Kor. 11, 25). u Die historische Rolle der deutschen Hanse dürfte keine volle Entsprechung sein, denn sie war wohl weniger auf Seefahrt und Entdeckung ausgerichtet als auf Sicherung kaufmännischer Positionen in bekannten, teilweise sogar vertrauten Nachbarländern; s. etwa Herbert Grundmanns Bemerkung über "Besitzfreude und Rentnergesinnung" in der Hanse, in: Bruno Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte (Hrsg. Herbert Grundmann), Bd. 1, 8. Aufl., Stuttgart 1954, 500. 12 Diesen wenig einladenden Ausspruch, den Pompeius als Weisung in einer konkreten Zwangslage getan haben soll (s. Plutarch, Biographie des Pompeius, Kap. 50), scheint man erst in Bremen als allgemeingültiges Motto gewählt zu haben. 13 "Da unten aber ist's fürchterlich, und der Mensch versuche die Götter nicht, und begehre nimmer und nimmer zu schauen, was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen". Dem entspricht der Titel von Cajus Beckers Kriegstagebuch der deutschen Marine, Oldenburg 1971: "Verdammte See". 14 Nicht hierher gehören wegen ihres apotropäischen Charakters Scherzwünsche wie "Hals- und Beinbruch" oder "Mast- und Schootbruch". 2

Seerecht

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Tono Eitel

Ich glaube also nicht ohne weiteres, daß das relativ unfruchtbare Verhältnis der Deutschen zur See die Folge ist einer Fixierung an und auf das feste Land, sondern ich halte für möglich, daß es durch eine tiefenpsychologisch verankerte Hemmung und Ablehnung unmittelbar bestimmt wird. Wenn ich auf Golo Manns zoologische Metapher zurückkomme, dann begeben wir uns, wenn wir in See "stechen", nicht wie Robbe oder Lachs in eine uns angemessene Umgebung, sondern stürzen uns- wenn überhaupt - eher wie der Lemming mit Todesverachtung in ein uns feindliches Element1 5 • Ich möchte diese einleitenden Bemerkungen ohne weitere Vermutungen über ein "Lemming-Syndrom" oder eine "Thalassophobie" mit dem Geständnis schließen, daß mir die Fragwürdigkeit meiner psychologisierenden Spekulationen und ihrer groben Verallgemeinerung bewußt ist. Indessen scheint mir die ihnen zugrunde liegende relative Unfruchtbarkeit unseres Verhältnisses zum Meer, d. h. unsere Funktionseinschränkung in diesem Bereich, gesicherte historische Wirklichkeitl6 • Solche Funktionseinschränkung kennzeichnet dann noch, hier allerdings nicht aus Mangel an Seebewußtsein, sondern wegen unserer deutschlandpolitisch bedingten Absenz in den Vereinten Nationen17, unsere Rolle bei der Vorbereitung der 3. UN-Seerechtskonferenz. II. Die Vorbereitung auf die 3. UN-Seerechtskonferenz

Bei den zwei ersten UN-Seerechtskonferenzen von 1958 und 1960 war die Bundesrepublik wegen ihrer Mitgliedschaft in UN-Sonderorganisa15 Bei der Herkunft dieser Hemmung dürfte die Nähe oder Ferne zur See kaum eine ausschlaggebende Rolle spielen. So sind z. B. auch die Bewohner mittelafrikanischer Küsten als Seefahrer nicht bekannt geworden; auch die unterschiedlichen Beschreibungen von Meer und Seefahrt in Koran und Bibel (Anm. 10) stammen in etwa aus derselben Region. Freud hält für möglich, daß die "übermäßige und unzweckmäßige, lähmende Angstreaktion" z. B. einer Höhenphobie in dem "masochistischen, gegen die eigene Person gewendeten Destruktionstrieb" ihren Ursprung habe; s. Ergänzung zur Angst, in: Nachträge zu ,Hemmung, Symptom und Angst', Freud (Anm. 3), Bd. VI, 1971, 302 (305), Fn. 1. 16 Das Fehlen z. B. einer ausdrücklichen Festlandsockelregelung im EWGVertr ag [vgl. Tono Eitel, Seerechtsreform und Internationale Politik, in: AöR 107 (1982), 100 (109)] läßt sich nur so erklären, daß bei einigen Vertragsstaaten, die wie wir ein besonderes Interesse an einer ausdrücklichen Regelung hätten haben müssen, ein waches Seebewußtsein gefehlt hat. Auch das unterschiedliche Interesse der deutschen öffentlichen oder veröffentlichten Meinung etwa an den KSZE-Folge-Konferenzen einerseits und der Seerechtskonferenz andererseits scheint mir symptomatisch zu sein. s. auch Uwe Jenisch, Zur Anwendung des Europäischen Rechts in den Meereszonen der EG-Staaten, in: GYIL 22 (1979), 239 (243 ff.). 17 Vgl. Benno Zündorf, Die Ostverträge, München 1979, 285 ff.

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tionen zugelassen und hatte auch mit angemessenen Delegationen18 aktiv teilgenommen. Als aber einige Jahre nach dem Fehlschlag der zweiten Konferenz die seerechtliche Diskussion sich 1967 in die UNGeneralversammlung verlagerte19, waren wir als Nichtmitglied der Vereinten Nationen bis zu unserem Beitritt 1973, also genau bis zum Beginn der 3. Seerechtskonferenz, auf eine Beobachterrolle zurückgedrängt. Nur von der Galerie aus konnten wir den neuerlichen Kodifikationsanlauf in der Generalversammlung2°, im Ad-Hoc-Ausschuß zur Prüfung der friedlichen Nutzung des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Jurisdiktion21 und vor allem im eigentlichen Meeresbodenausschuß22 verfolgen; dabei umfaßten Mandat und Verhandlungen des letzteren, anders als der Name vermuten läßt, ab 1970 das ganze Spektrum seerechtlicher Fragen, von Küstenmeerbreite bis Tiefseebergbau23. In diesen wichtigen Verhandlungsgremien war uns also nicht nur eine aktivere Delegationsarbeit unmöglich2 4, sondern wir waren natürlich auch im Apparat dieser Gremien nicht personell vertreten. Dabei kann die Bedeutung des personalen Elements in solchen Verhandlungen überhaupt nicht hoch genug eingeschätzt werden. So wichtige Entschließungen der UN-Generalversammlung wie die sog. Moratoriums-Resolution25 , welche bis zur Schaffung eines internationalen Meeresbodenregimes den Tiefseebergbau untersagte, oder wie die (Meeresboden-) Prinzipiendeklaration26 , welche den Meeresboden (jen18 Die Zusammensetzung der deutschen Delegation für die 1. Konferenz (1958) gibt Günter Hoog, Die Genfer Seerechtskonferenzen von 1958 und 1960 - Vorgeschichte, Verhandlungen, Dokumente, Frankfurt am Main, Berlin 1961, 14, Fn. 6, wieder. 19 s. Eitel (Anm. 16), 115 f. 2o s. von 1967 bis 1973 etwa A /Res. 2340 (XXII); 2467 (XXIII); 2574 (XXIV); 2750 (XXV) ; 2881 (XXVI); 3029 (XXVII); 3067 (XXVIII). 21 1967 bis 1968; s. den Bericht dieses Ausschusses: GA OR (XXIII) A/7230. 22 ,Ausschuß für die friedliche Nutzung des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Jurisdiktion', 1968 bis 1973; allein der Schlußbericht dieses Ausschusses umfaßt sechs Bände mit insgesamt etwa 1000 Seiten [GA OR (XXVIII), Suppl. 21, Vol. I- VI und Corr. 1, 3 (UN Doc. A/9021)]. 23 s. Anm. 22, Vol. I, 4 (Ziff. 17). 24 Immerhin nahm auf der letzten Sitzung des Meeresbodenausschusses im Sommer 1973 als inoffizieller Beobachter schon unser erster Delegationsleiter auf der späteren Konferenz, K. H. Knoke, teil. s. Moersch im Deutschen Bundestag am 25. 1. 1974, Sten. Ber., 7. Wahlper., 4960. 25 Res. 2574 D (XXIV) v. 15. 12. 1969. Für die Resolution stimmten 62 Staaten (Dritte Welt, Finnland, Schweden), dagegen 28 (NATO ohne Griechenland und Türkei, osteuropäische sozialistische Staaten ohne Rumänien, ferner Australien, Neuseeland, Kanada, Japan, Südafrika u. a.), 36 enthielten sich (Griechenland, Türkei, Rumänien, Spanien, Dritte Welt) oder nahmen nicht teil; s. UN-Press Release GA/4165 vom 17. 12. 1969, Part li, 9. 26 Res. 2749 (XXV) vom 17. 12. 1970. Ohne Gegenstimme stimmten für die Resolution 108 Staaten, 14 sozialistische Staaten enthielten sich, weshalb wohl Karl Carstens [Die Bedeutung des neuen Meeresvölkerrechts für die

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seits der Grenzen nationaler Jurisdiktion) und seine Ressourcen zum ,Gemeinsamen Erbe der Menschheit' 27 erklärte, sind ohne uns ausgeBundesrepublik Deutschland, in: Politik als gelebte Verfassung, Festschrift für Friedrich Schäfer, 1980, 104 (109)] die Deklaration als "nicht einstimmig angenommen" bezeichnet. Die zustimmenden westlichen Staaten hatten teilweise Bedenken zurückgestellt (u. a. Großbritannien, Belgien, Kanada) mit dem Hinweis, die Deklaration habe ja keine rechtlich bindende Kraft; s. Yearbook of the United Nations, 24 (1970), 69, mit einer Zusammenfassung der Abstimmungserklärungen. s. ferner Günther Jaenicke, Die Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen, 438 ff., in dem wichtigen Sammelband "Beiträge zur Dritten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen", in: ZaöRV 38 (1978), 435 - 999. 21 Der Begriff wurde 1967 vom maltesischen UN-Botschafter Arvid Pardo [Memorandum vom 17. 8. 1967, GA OR (XXII) Annex III, Agenda item 92 (UN Doc. A/6695)] in die Meeresbodendiskussion der Vereinten Nationen eingeführt; s. Wilhelm A. Kewenig, Common heritage of mankind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff, in: lngo von Münch (Hrsg.), Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer, Berlin, New York 1981, 385 ff., und Rüdiger Wolfrum, The Principle of the Common Heritage of Mankind, ZaöRV 43 (1983), 312 ff.; ders., The Common Heritage Principle: State Equality versus Equity, in: Henry H. Han (Hrsg.), World in Transition, University Press of America, 1981, 298 ff. Der Stammbaum dieses Begriffes geht aber weiter zurück: Bernardo Zuleta hat mich freundlicherweise auf Andres Bello hingewiesen, der wohl in Ableitung vom römischen Sachenrecht (res communis), auf das sich ja auch Hugo Grotius für sein mare liberum stützt, in seinem Lehrbuch "Principios de Derecho internacional", Paris 1882, 35, nichtknappe Güter, die ohne Verschlechterung oder Verringerung allen dienen können, als "patrimonio indivisible de la especie humana" bezeichnete. A. de Geouffre de la Pradelle [Le Droit de l'Etat sur la Mer Territoriale, in: RGDIP 5 (1898), 309 ff. (321)] faßte dann jedenfalls das Meer, und zwar Küstenmeer wie Hohe See, als "patrimoine de l'humanite, res communis" auf. 1937 (La Mer, Paris, 193) sah er es übrigens schon "naturellement ... saus I'autorite de la societe internationale et de ses organes, saus celle, par exemple, de la SociE~te des Nations ...". Wenige Jahre vorher hatte noch F. D. Lugard (The Dual Mandate in British Tropical Africa, Edinburgh London 1922, 61) den Anwendungsbereich des Grundsatzes auch auf Landstriche bezogen: " ... the tropics are the heritage of mankind, and neither has the suzerain Power a right to their exclusive exploitation, nor have the races which inhabit them a right to deny their bounties to those who need them." Zur Eröffnung der 1. UN-Seerechtskonferenz in Genf (1. Plenum, 24. 2. 1958, UNCLOS I, OR Val. II, 3) übernahm ihr Präsident, Prinz Wan Waithayakon, die Charakterisierung als ,Common heritage of mankind' wieder, wie de la Pradelle (a.a.O.), für das Meer und leitete daraus die Notwendigkeit sicherer und bestimmter Rechtsregeln ab. 1966 engte US-Präsident Lyndon Johnson den Anwendungsbereich ein: "We must ensure that the deep seas and the ocean bottoms are, and remain, the legacy of all human beings" [Remarks at the Commissioning of the New Research Ship, The ,Oceanographer', 13. 7. 1966, in: Presidential Documents, Weekly Compilation, II, 2, 1966, Nr. 27 - 52, 930 ff. (931)]. Pardo (a.a.O.) in seinem eingangs zitierten Memorandum wollte dann nur noch "sea-bed and ocean floor" zum ,common heritage of mankind' erklärt sehen. Die dabei in erster Linie betroffenen Ressourcen sind die sog. Manganknollen, etwa kartoffelgroße Ablagerungen von hauptsächlich Mangan, Nikkel, Kupfer und Kobalt; sie finden sich auf dem Meeresboden in mehreren tausend Metern Tiefe; vgl. Tono Eitel, Völkerrecht und Meeresnutzung, JZ 1980, 41 (46). Ausführlich zum Tiefseebergbau die Aufsätze zu "Seerechtskonvention, Tiefseebergbau und Metallmärkte" von Frederico Foders/Chung-

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handelt und verabschiedet worden. Ebenso haben wir in den beiden genannten Ausschüssen Texte zum Meeresbodenregime oder zum allgemeinen Seevölkerrecht28 weder vorschlagen noch ablehnen können. Diese Gremien haben durch ihre Arbeit zwar nicht die Entscheidungen der sich anschließenden 3. UN-Seerechtskonferenz vorweggenommen, sie waren aber die Werkstatt, in der nationale Interessen und Rechtsmeinungen zu Konzepten für die Konferenz verarbeitet wurden. Nicht nur die Grundzüge des Meeresbodenregimes, sondern beispielsweise auch die Ausschließliche Wirtschaftszone29 oder der Gegenseitigkeitsfreie Transit der Binnenstaaten zur See30 sind dort und damals ausgeformt und für die Konferenz aufbereitet worden. So nimmt es denn nicht wunder, daß schon bei Beginn der Substanzverhandlungen auf der Konferenz, nämlich 1974 in Caracas, sog. "main trends" zum allgemeinen Seevölkerrecht31 zusammengestellt wurden, die trichterförmig die Ergebnisse des Meeresbodenausschusses in die späteren Konventionsentwürfe der Konferenz hinüberleiteten. Ich weise auf diese Kontinuität zwischen den Verhandlungen einerseits und auf die Beschränkung in einer Beobachterrolle andererseits deshalb so nachdrücklich hin, weil eine vergleichbare Situation sich in der Vorbereitungskommission32 als Folge der noch unten zu besprechenden Entscheidung über die Zeichnung der Konvention erneut ergeben könnte.

soo Kim, M. Reza Rafati sowie Rolf Dick, in: Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (Hrsg.), Die Weltwirtschaft, 1982, 72-140; ferner den vom gleichen Institut herausgegebenen "Endbericht: Volkswirtschaftliche Auswirkungen der UN-Seerechtskonferenz für die Bundesrepublik Deutschland", Manuskript, Kiel, Juni 1981 (erscheint demnächst im Druck), 277 ff.; vgl. auch Wolfgang Hauser, Die rechtliche Gestaltung des Tiefseebergbaus nach der Seerechtskonvention, Frankfurt am Main 1982, S . 3 - 32. 28 s. im Bericht des Meeresbodenausschusses (Anm. 22), Vol. 1: Report of Sub-Committee I (zum Meeresbodenregime) und Vol. V: Tentative Comparative Table sowie Vol. VI: Consolidated Texts des Sub-Committee II zum allgemeinen Seevölkerrecht. 29 s. GA OR (XXVIII), Suppl. 21, Vol. V, sect. 6: "Exclusive Economic Zone beyond the Territorial Sea." 30 s. GA OR (XXVIII), Suppl. 21, Vol. V, sect. 9: "Land-locked Countries." 31 s. Statement of Activities of the Conference during its First and Second Sessions (UN Doc. A/CONF. 62/L. 8/Rev. 1), abgedr. in: UNCLOS 111, OR Vol. III, 93 (107 et seq.). 32 Die Vorbereitungskommission soll die Institutionen der Konvention vorbereiten und das Sekundärrecht zum Meeresbodenregime entwerfen. Sie wird durch eine gesonderte Entschließung der Konferenz (Res. 1), die am 30. 4. 1982 zusammen mit dem Konventionstext angenommen wurde, ins Leben gerufen. Derzeit letzte Fassung des Texts der Resolutionen in: Draft Final Act of the Third UN-Conference on the Law of the Sea, UN Doc. Al CONF. 62/121, 23 et seq, in: Platzöder Dokumente (Anm. 54) Schluß: Session 1982, Bd. I, 218 ff.

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Wenn auch nicht Mitglied der genanten UN-Gremien, so haben wir natürlich bei unseren EG-Partnern und NATO-Verbündeten ebenso wie in anderen Konsultationen unsere Interessen vorgetragen und für ihre Berücksichtigung im Verhandlungsprozeß geworben33 • Aber schon hier sei ganz deutlich gesagt, daß geographische, ökonomische und gelegentlich auch politische Unterschiede eine umfassende kongruente Interessenlage mit anderen wesentlichen Verhandlungsteilnehmern stets ausgeschlossen haben34• Der Umfang, in dem befreundete Staaten unsere Interessen uns zuliebe wahrgenommen haben, ist deshalb stets außerordentlich gering gewesen. Fairerweise sei angemerkt, daß dies auch umgekehrt gilt. Erfolgreicher waren wir, wo wir unabhängig von anderen unsere seerechtliehen Interessen verfolgten. Vor dem Internationalen Gerichtshof haben wir zwei uns günstige Urteile erstritten35 • Das erste, 1969 zur Abgrenzung unseres Festlandsockelanteils gegenüber Dänemark und den Niederlanden ergangen36, fand in seiner Abwägung von Billigkeit und Äquidistanz als Abgrenzungskriterien weltweit und auch in der Konferenz Anerkennung. Daher kann der entsprechende Artikel der Konvention {Art. 83), der zusammen mit seinem 33 s. die Antworten von Moersch im Deutschen Bundestag am 25. 1. 1974 (Sten. Ber., 7. Wahlper., 4960) und am 14. 3. 1974 (Sten. Ber., 7. Wahlper., 5608), ferner Ziff. 4 der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Mertes und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU, BT-Drucksache 7/2856 vom 28. 11. 1974. 34 Vgl. Ziff. 8 der in Anm. 33 zitierten Antwort der Bundesregierung, in der einige "Auffassungsunterschiede" dargelegt werden; ferner Ziff. 4 der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/ CSU, BT-Drucksache 7/5455 vom 23. 6. 1976, in der die Interessen der NATOPartner als "nicht ganz deckungsgleich" beschrieben werden, und Ziff. 6 zu "Meinungsunterschieden" in der EG. s. auch Bundesminister Hans-Dietrich Genscher im Deutschen Bundestag am 2. 7. 1976 (Sten. Ber., 7. Wahlper., 18462) über "die unterschiedlichen Interessenlagen auch unserer engsten Freunde und Verbündeten". ss Agent für die Bundesrepublik war in beiden Verfahren Günther Jaenicke. 36 North Sea Contineutal Shelf, Judgment, I. C. J. Reports 1969, 3 ff. Durch die auf der Grundlage dieses Urteils mit Dänemark und den Niederlanden geschlossenen Verträge konnte die Bundesrepublik ihren Nordsee-Festlandsockel von rd. 24 000 qkm auf rd. 36 000 qkm vergrößern; s. Ondolf Rojahn, in: Eberhard Menzel/Knut Ipsen, Völkerrecht, München 1979, 414. Durchweg auf das Urteil stützen sich die Rechtsausführungen des IGH in seinem späteren Urteil im Festlandsockelstreit zwischen Tunesien und Libyen: Contineutal Shelf (Tunisia/Libyan Arab. Jamahiriya) Judgment, I. C. J. Report 1982, 18 ff., 37 f., 43 ff., 59 ff. Zum nachfolgend erwähnten verweisenden Charakter von Art. 83 der Seerechtskonvention, op cit., 49. Das eingangs genannte Urteil war auch in dem Schiedsverfahren zwischen Vereinigtem Königreich und Frankreich betreffend die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen ihnen vom 30. 7. 1977 [United Nations (Hrsg.), Report of International Arbitral Awards, XVIII, 3 (50) und passim] Ausgangspunkt der Rechtsausführungen; es dürfte auch in dem Verfahren Contineutal Shelf (Libyan Arab. Jamahiriya/Malta) eine große Rolle spielen, das am 26. 7. 1982 mit der Übermittlung des Compromis beim IGH anhängig gemacht wurde.

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Pendant zur Abgrenzung von Ausschließlichen Wirtschaftszonen (Art. 74) auf der Konferenz bis zuletzt umstritten war, sich ohne Nennung von Abgrenzungskriterien auf einen Bezug auf das Völkerrecht i. S. v. Artikel 38 .des IGH-Statuts, und damit auf das Hilfsmittel dieses Urteils, beschränken. Ein solcher Bezug auf Art. 38 des IGH-Statuts kommt in der Konvention kein zweites Mal vor. Das zweite Urteil, betreffend unsere Fischereirechte vor Island37 , das nach langen Vorverfahren 1974, also erst nach Konferenzbeginn erging, bestätigte zwar ebenfalls unsere Rechtsauffassung über uns zustehende Fischereirechte, betrachtete aber das Konzept küstenstaatlicher Fischerei-Vorrechte auch jenseits des Küstenmeeres als bereits geltendes Gewohnheitsrecht. Die Konferenz hatte aber schon, wie oben bemerkt, darüber hinausgehend die Weichen in Richtung auf küstenstaatliche ausschließliche Rechte gestellt. Immerhin hat dieses Urteil dazu beigetragen, daß die Konvention (Art. 62) der Küstenstaaten in ihren Ausschließlichen Wirtschaftszonen gewisse Beteiligungsrechte dritter Staaten auferlegt. Daß die zu Eingang dieses Kapitels dargestellten Schwierigkeiten einer amtlichen Interessenvertretung die deutsche Völkerrechtswissenschaft nicht von einer gründlichen Vorbereitung auf die 3. UN-Seerechtskonferenz abgehalten hat, belegt Lagoni in seinem umfangreichen Literaturbericht38 ; die häufig grundlegenden Arbeiten von Eberhard MenzeP9 verdienen hier in Kiel sicherlich eine besondere Hervorhebung. 111. Die Konferenzziele

Wenn wir auch in der Geltendmachung unserer Interessen zeitweise behindert waren, so bestand doch Klarheit darüber, wo diese Interessen lagen und über unsere entsprechenden Konferenzziele. 1. Einfluß

Einmal galt es, im Apparat der Konferenz selbst Einfluß zu gewinnen; dies gelang, zunächst in beschränktem Umfang, mit der Wahl in einen von zwei stellvertretenden Vorsitzen im dritten der drei Hauptausschüsse der Konferenz 40 • Das Gleiche erreichte übrigens auch die 37 Fisheries Jurisdiction (Federal Republic of Germany v . Iceland), Merits, Judgment, I. C. J. Reports 1974, 175 ff. ss Rainer Lagoni, Die seerechtliche Forschung und Lehre in der Bundesrepublik Deutschland, in: AVR 20 (1982,) 199 - 228. 39 Nachgewiesen bei Lagoni (Anm. 38), Fn. 5, 15, 31, 41, 57, 65. 40 s. Prot. der 7. Sitzung des Konferenzplenums (12. 12. 1973) in UNCLOS 111, OR Val. I, 18; dort auch die Wahl der DDR in einen stellvertretenden Vorsitz des I. Ausschusses. Die Zuständigkeit der Ausschüsse wurde auf der

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DDR, die es im UN-Bereich bei Ämterverteilung nach Regionalgruppen leichter hat als wir; denn im Lager der sozialistischen Staaten Osteuropas spielt sie nach der Sowjetunion eine bedeutende zweite Rolle, während wir in der Gruppe der sogenannten Westeuropäischen und anderen Staaten nicht nur mit den Mitgliedern von EG und EFTA, sondern auch noch mit Staaten wie AustraUen und Kanada zu konkurrieren haben. Der stellvertretende Ausschußvorsitz brachte dann automatisch den Sitz im wichtigen Lenkungsausschuß (General Committee) der Konferenz41 • Als später im Rahmen des I. Ausschusses die informelle ,Arbeitsgruppe der 21' eingerichtet wurde42 , die sich zum zeitweise wichtigsten Verhandlungsgremium zwischen Nord und Süd über das Meeresbodenregime entwickelte, war die Bundesrepublik schon nahezu selbstverständlich dabei. Ähnliches galt in zunehmendem Maße für alle sonstigen uns interessierenden, in der Mitgliedschaft beschränkten und meist informellen Arbeits- und Verhandlungsgruppen, die übrigens in der Schlußphase förmlich aus dem Boden sprossen. So haben wir trotz späten Starts im Laufe der Konferenz den uns angemessenen Platz im Konferenzapparat gefunden.

2. Suchinteressen Unsere sachlichen Konferenzziele konnten nun nicht einfach als fromme Wünsche formuliert werden, sondern hatten auch Maß zu nehmen an der politischen und rechtlichen Entwicklung, die zur Konferenz geführt hatte. Sie war vor allem gekennzeichnet von der küstenstaatlichen Seenahme43 , d. h. von der Aufteilung der ozeanischen Randzonen 15. Sitzung des Konferenzplenums (21. 6. 1974) analog zur Zuständigkeit der drei Unterausschüsse des Meeresbodenausschusses wie folgt festgelegt: I. Ausschuß: Meeresbodenregime; II. Ausschuß: Allgemeines Seevölkerrecht; III. Ausschuß: Umweltschutz, Wissenschaftliche Meeresforschung, Technologietransfer. Letzterer betraf allgemeine Grundsätze (jetzt Art. 266- 278 der Seerechtskonvention) und ist nicht zu verwechseln mit dem umstrittenen Technologietransfer innerhalb des Meeresbodenregimes, also bei Ausschuß I, jetzt Annex III, Art. 5 SRK. Ausführlicher sind die Zuständigkeiten der Ausschüsse und sonstigen Gremien aufgelistet, UNCLOS 111, OR Val. III, 97. 4t s. Protokoll der 3. Sitzung des Konferenzplenums (10. 12. 1973) in UNCLOS III, OR Vol. I, 9. 42 s. Protokolle der 114. Sitzung des Konferenzplenums (26. 4. 1979) und der 45. Sitzung des I. Ausschusses (25. 4. 1979), in UNCLOS III, OR Vol. XI, 18, 49. Die Arbeitsgruppe bestand aus 10 Industriestaaten (u. a. USA, UdSSR, Japan, Frankreich, Vereinigtes Königreich, BRD), 10 Entwicklungsstaaten (u. a. Brasilien, Peru, Sierra Leone, Mauritius, Sri Lanka) und China. Innerhalb der beiden Gruppen, vor allem bei den Entwicklungsländern, war rotierende Mitgliedschaft, zumindest Sprechgelegenheit, zulässig und üblich. s. auch Schlußakte (Anm. 201), Fn. 39, wo allerdings China noch unerwähnt bleibt. 43 Zu diesem Begriff s. Hans Peter Ipsen, EWG über See, in: H. P. Ipsen/ K. H. Necker (Hrsg.), Recht über See, Festschrift für Ralf Stödter, Harnburg Heidelberg 1979, 167.

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unter die Anrainerstaaten sowie von der Belastung des dann noch übrig bleibenden Meeresbodens mit der vornehmlich von der Dritten Welt betriebenen sequestrierenden Verstrickung als "Gemeinsames Erbe der Menschheit" 44 • Als Staat mit kurzen und dann noch konkaven Küsten kann die Bundesrepub1ik aus der küstenstaatlichen Seenahme keinen Nutzen ziehen; sie verliert im Gegenteil vor fremden Küsten noch ihre traditionellen Fernfischereigebiete und möglicherweise - etwa im Bereich der Versorgungsschiffahrt - auch Verkehrsfreiheiten. Als Rohstoffimporteur und als Technologieanwender und -exporteur wird sie auch von der gesamthänderischen Bindung der zuvor für frei gehaltenen Tiefseebodenschätze getroffen. Ein erstes Konferenzziel mußte also sein, "den Grundsatz der freien Nutzungen des Meeres, wo immer nur möglich, auch in eine neue Ordnung des Seevölkerrechts ... übertragen zu sehen" 45 • Mit dieser Zielsetzung standen wir im Küstenbereich gegen ca. 120 Küstenstaaten, darunter einige unserer engsten NATO-Verbündeten und EG-Partner, sowie, beim Meeresbodenregime, gegen die Dritte Welt, nach anfängl