Das Nachrepublikanische Finanzsystem: Fiscus Und Fisci in Der Fruhen Kaiserzeit [Reprint 2012 ed.] 3110145626, 9783110145625

In der 1968 gegründeten Reihe erscheinen Monographien aus den Gebieten der Griechischen und Lateinischen Philologie sowi

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German Pages 362 [360] Year 1995

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Das Nachrepublikanische Finanzsystem: Fiscus Und Fisci in Der Fruhen Kaiserzeit [Reprint 2012 ed.]
 3110145626, 9783110145625

Table of contents :
Vorwort
1. Einleitung
2. Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit
2.1. Seneca: Die Begriffsdefinition
2.2. Augustus: Die Begründung des Finanzsystems
2.3. Von Tiberius bis Nero
2.4. Das Vier-Kaiser-Jahr 69 n.Chr.: Stabilität im Chaos
2.5. Von Vespasian bis Domitian: Die “Institutionalisierung” des Finanzsystems
3. Die “fisci provinciarum” der frühen Kaiserzeit
3.1. Der Begriff “fiscus” in republikanischer Zeit
3.2. Die Provinzialkassen der frühen Kaiserzeit
4. Ergebnisse und Ausblick
5. Bibliographie
6. Quellenverzeichnis
7. Stichwortverzeichnis

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Michael Alpers Das nachrepublikanische Finanzsystem

w DE

G

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Herausgegeben von Winfried Bühler, Peter Herrmann und Otto Zwierlein

Band 45

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1995

Das nachrepublikanische Finanzsystem Fiscus und Fisci in der frühen Kaiserzeit von

Michael Alpers

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1995

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die U S - A N S I - N o r m über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — ClP-Hinheitsaufnahme Alpers, Michael: Das nachrepublikanische Finanzsystem : Fiscus und Fisci in der frühen Kaiserzeit / von Michael Alpers. — Berlin ; N e w York : de Gruyter, 1995 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte ; Bd. 45) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1993 ISBN 3-11-014562-6 NR: GT

© Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D - 1 0 7 8 5 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. J e d e Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in G e r m a n y Druck: Arthur Collignon G m b H , Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin

Vorwort

Das vorliegende Buch bietet die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im April 1993 vom Fachbereich Geschichtswissenschaft der Universität Hamburg angenommen wurde. Mein tief empfundener Dank gilt an dieser Stelle meinem verehrten akademischen Lehrer und Doktorvater, Herrn Professor Dr. Peter Herrmann, der meine Forschungen angeregt, sie mit stets förderndem Interesse begleitet und mich dabei in jeder nur denkbaren Weise unterstützt hat. Ihm - wie auch seinen Mitherausgebern, den Professoren Winfried Bühlcr und Otto Zwierlein - verdanke ich zudem die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe "Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte" (UaLG). Zugleich möchte ich Herrn Professor Dr. Joachim Molthagen herzlich danken, der mich an die Alte Geschichte herangeführt und mich auch während der Zeit der Dissertationsarbeit in gleichbleibend freundlicher Weise begleitet hat; ihm danke ich auch für die Übernahme des Korreferates zu meiner Arbeit. Herrn Professor Dr. Helmut Halfmann danke ich herzlich für seine Förderung, die zur Fertigstellung der Arbeit wesentlich beigetragen hat. Für manchen wertvollen Rat bei der technischen Abfassung der Arbeit bin ich Herrn Dr. Christoph Schäfer und Frau stud. phil. Corinna Hoff sehr dankbar. Der Freien und Hansestadt Hamburg danke ich für die Vergabe eines zweieinhalbjährigen Promotionsstipendiums. Desgleichen danke ich für die Verleihung des Förderpreises der "Dr. Helmut und Hannelore Greve Stiftung für Wissenschaften und Kultur", der meiner Arbeit auf Vorschlag der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften im November 1993 zugesprochen wurde. Dem Andenken meiner Mutter Herta Alpers, geb. Kehl (1922 - 1976), widme ich dieses Buch.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

V

1.

Einleitung

2.

Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit

21

2.1.

Seneca: Die Begriffsdefinition

21

2.2.

Augustus: Die Begründung des Finanzsystems

29

2.3. 2.3.1. 2.3.2.

Von Tiberius bis Nero Bewahrung und Reformen: Erster Teil Exkurs: Der Begriffsgebrauch bei Plinius d.J

43 43 45

2.3.3. 2.3.3.1. 2.3.3.2. 2.3.3.3. 2.3.3.4.

Bewahrung und Reformen: Zweiter Teil Tiberius Caligula Claudius Nero

59 59 95 120 142

2.4.

Das Vier-Kaiser-Jahr 69 n.Chr.: Stabilität im Chaos

165

2.5.

Von Vespasian bis Domitian: Die "Institutionalisierung" des Finanzsystems Vespasian und Titus Domitian

192 192 235

2.5.1. 2.5.2.

1

Vili 3.

Die "fisci provinciarum" der frühen Kaiserzeit

248

3.1.

Der Begriff "fiscus" in republikanischer Zeit

248

3.2.

Die Provinzialkassen der frühen Kaiserzeit

259

4.

Ergebnisse und Ausblick

308

5.

Bibliographie

313

6.

Quellenverzeichnis

327

7.

Stichwortverzeichnis

341

1. Einleitung

νεΰρα γαρ της ηγεμονίας τα χρήματα άεί ποτε είναι ελεγε (sc. Mucianus) Cassius Dio 66,2,5. Die Bedeutung von Geldmitteln für die Ausübung von politischer Herrschaft ist, wie aus dem vorangestellten Motto ersichtlich wird, wahrlich keine neue Erkenntnis. Das mindert freilich weder ihren Wahrheitsgehalt noch ihr Gewicht. So galt denn auch für den römischen Kaiser, daß die Verfügungsgewalt über das Militär einerseits sowie über Finanzen andererseits die beiden materiellen Grundlagen seiner Machtausübung bildeten, wobei in der Regel sogar noch die Möglichkeit, sich auf ein ergebenes Heer stützen zu können, die Verfügung über finanzielle Mittel voraussetzte. Diese Verfügungsmöglichkeiten konnten nun ganz unterschiedlich gestaltet sein, was die Art und Weise anbelangt, in der der Princeps über Gelder verfügte, nämlich aufgrund eines Eigentumsrechtes, aufgrund seiner Amtsgewalt oder aufgrund seines politischen Einflusses (auctoritas). Insbesondere die beiden erstgenannten Verfügungsmöglichkeiten stehen im Zentrum der vorliegenden Untersuchung, konkret die Fragen: In welcher Weise vermochte der Kaiser über die Mittel des fiscus Caesaris einerseits und des acrarium p.R. andererseits zu verfügen1, wobei sich die Arbeit auch quantitativ in erster Linie mit der Frage nach dem Rechtscharakter des fiscus Caesaris auseinandersetzt. Diese rechtshistorische Kernfrage ordnet die Untersuchung ein in den Komplex klassischer Prinzipatsforschung, in deren Mittelpunkt ja die Fragen nach der Rechtsstellung des Princeps einerseits und nach seiner politisch-gesellschaftlichen Machtposition andererseits stehen, Probleme, die - wie die konkrete Fragestellung der Arbeit auch - immer auch die Berücksichtigung der jeweiligen republikanischen Traditionen unabdingbar voraussetzen.

Unberücksichtigt bleiben hier die das aerarium militare betreffenden Fragen; vgl. dazu bes. Corbier, I.'aerarium Saturni 347-466, 570-628, 664-670 u. 699-705; dies., Actes 1976, 197-234; dies., Cahiers 1984, 147-160.

2

1. Einleitung

Wenn auch nach einer verbreiteten Auffassung der römische Princeps rein staatsrechtlich als Privatmann (privatus) angesehen werden kann2, so wird doch die Frage nach dem sowohl rechtlichen als auch politischen Charakter dessen, was Prinzipat denn bedeutet, durchaus strittig diskutiert. Bekanntlich oszillieren die Meinungen der Forschung in vielfältiger Weise zwischen Positionen, in denen der Prinzipat unumwunden als Monarchie bezeichnet wird3, und Auffassungen, die den republikanischen Grundcharakter der augusteischen Konstruktion als wesentlich ansehen4, sofern nicht überhaupt die Unmöglichkeit einer "Definition" nach solchen Kriterien herausgestellt wird.3 Diese grundsätzliche Forschungskontroverse findet ihr Pendant in den Positionen, die im Hinblick auf die weitaus konkretere Frage nach dem Rechtscharakter des fiscus Caesaris vertreten werden. Schon die Namen der beiden Gelehrten, die die Kontroverse über das genannte Thema gleichsam begründeten, zeigen, daß hier ein zentrales Gebiet der Prinzipatsforschung berührt ist, arbeiteten doch sowohl Theodor Mommsen als auch Otto Hirschfeld über das Gebiet der kaiserlichen Finanzen im engeren Sinne wie aber auch über den Charakter des Prinzipates im allgemeinen. Gerade in der Frage der Art und Weise, in der der Princeps über den fiscus Caesaris verfügte, spitzt sich ihre Kontroverse zu: Handelte es sich beim kaiserlichen Fiskus, wie Mommsen darlegte6, um die Privatkasse (bzw. das Privatvermögen1) des Kaisers, oder

2 3

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5

6

Vgl. z.B. Meyer, Staat 365: "In streng staatsrechtlichem Sinn war der Kaiser also privatus." So fügt z.B. Wickert, RE ΧΧΉ.2 (1954), 2068, in seinem Artikel über den "Principatus (civitatis)" dem Abschnitt über die "Periodisiening der römischen Geschichte" - er behandelt dort die "Meinung der Zeitgenossen vom Charakter des Principats" - den eindeutigen Untertitel "der Principat als Monarchie" hinzu. Daß Wickerts Position sehr viel differenzierter ist, als es für die Zwecke dieser knappen Einleitung dargestellt werden kann, sei indes betont. - Vgl.auch Bérangcr, Principatus 153-163, der von einer "monarchie, fruit d'un douloureux enfantement des institutions républicaines" (161) oder auch schlicht von der "monarchie romaine" (163) spricht. So grenzt sich Castritius (Prinzipat 10) bewußt von der Position Wickerts (vgl. Anm.3) ab; für sein "Verständnis vom Prinzipat als Republik (ist) ... die Bewahrung der Souveränitätsrechte des römischen Volkes als der Quelle und Legitimitätsgrundlage jeglicher Herrschaftsausübung geradezu konstitutiv" (111), ja, er spricht sogar nur von der "sog . Prinzipatszeit" (111). Vgl. dazu die Kritik von Bleicken, Republik und Prinzipat, 9/10: "Das Prinzipat ist nicht mehr die Republik, sondern eine Monarchie, die sich ... in der Ausübung ihrer Macht im Recht selbst begrenzt." S. bes. auch 10, Anm.6! So: Syme, Revolution 323: "The Principate baffles definition." - Vgl. jetzt auch Eder, Power of Tradition 71-122. Mommsen, StR Π,2, 998: "Die kaiserliche Kasse, der fiscus Caesaris aber, nach der später üblichen Bezeichnung der fiscus schlechtweg, ist Privateigentum des Princeps ... ."

1. Einleitung

3

trifft vielmehr die Auffassung Hirschfelds vom fiscus Caesaris als zweiter (kaiserlicher) Staatskasse (bzw. Staatsvermögen) zu?8 Daß die Frage nach dem Rechtssubjekt des Fiskus nur diese klaren Alternativen zuläßt, hob zu Recht Mommsen hervor.9 Sind, was die Position Mommsens anbelangt, für die ältere Forschung insbesondere die Namen Brinz10 und Vassalli11 zu nennen, so wurde die Auffassung Hirschfelds ganz deutlich von Rostowzew12 vertreten. Im weiteren Verlauf der den kaiserlichen Fiskus betreffenden Forschung erfahren die jeweils eingenommenen Positionen eine zunehmende Differenzierung, orientieren sich mehrheitlich jedoch auch weiterhin an den Grundpositionen Mommsens und Hirschfelds. Die nun folgenden knappen Darlegungen zur jüngeren Fachliteratur können verständlicherweise diese Differenzierungen, die

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11 12

Wenn hier wie im folgenden vom Fiskus im Sinne einer "Kasse" - sei es eine Privatkasse, sei es eine Staatskasse - die Rede ist, so impliziert diese Übersetzung auch das (darin enthaltene) "Vermögen" des jeweiligen Rechtssubjektes. Wichtig ist für die vorliegende Untersuchung nicht die Frage, ob an einer bestimmten Stelle der Begriff "fiscus" mit "Kasse" oder aber mit "Vermögen" zu übersetzen ist, sondern vielmehr, ob es sich beim kaiserlichen Fiskus um eine "/Viva/kasse" bzw. ein "Priva/vermögen" oder aber um eine "Staatskasse" bzw. ein "Sloatsvetmögen" handelte. So trennt Hirschfeld (VB 8) die "kaiserlichen" von "den übrigen Staatsgeldem", sieht mithin im fiscus Caesaris eine zweite (kaiserliche) Staatskasse. Mommsen, StR 11,2, 1000, Anm.2: "... wer denn bei dem Fiscus als Rechtssubjekt zu denken ist. Es giebt dafür nur zwei logisch mögliche Auffassungen: entweder ist das Rechtssubjekt der Staat oder es ist die Person des Princeps." Für aus diesen Alternativen herausfallende Forschungspositionen vgl. Anm.22 sowie Anm.27-30. Vgl. Brinz, SBAW 1886, 487. Er modifiziert die Position Mommsens allerdings dahingehend, daß er im Fiskus eine Art von "(Zweck-) Vermögen" des "Regenten als solchem" (488) vermutet. - In diese Gesamtposition ist wohl auch die Auffassung Knapowskis (Lexikon der Alten Welt 2655/56) einzuordnen, wonach - auf Gepflogenheiten der Feldherren in republikanischer Zeit zurückgehende (vgl. dens., a.a.O. 978) - sog. "Separatrechnungen der Kaiserzeit eine besondere, vom Staatsschatz getrennte kaiserliche Kasse, den Fiskus Caesaris, bildeten." (Unter den Separatrechnungen der Republik bzw. der Kaiserzeit versieht Knapowski insbesondere die den Feldherren bzw. dem Kaiser zufallenden Beutegelder, schon Mommsen (StR Π, 2, 999) wies auf die seiner Ansicht nach parallele Behandlung von Geldern des Fiskus und "Manubiengeldem" hin; vgl. seine noch deutlichere Position in der ersten Auflage seines Werkes von 1874, zit. bei: Last, JRS 34 (1944), 53.) Diese Position Knapowskis kritisiert m.E. zu Recht Steffensen, Cl.&M. 28 (1967), 285, Anm.117; es gebe keinen Beleg dafür, "dass man die Separatrechnung für die Finanzverwaltung ... als 'fiscus' bezeichnet" habe. Vgl. Vassalli, Studi Giuridici ΠΙ,Ι, 43, 53 u. 63. Rostowzew, RE VI,2 (1909), 2385: "Alle diese Kassen (bes. die Provinzialkassen in den kaiserlichen Provinzen; Anm.d.Verf.) zusammenfassend redet man schon in ziemlich früher Zeit von einem kaiserlichen F., worunter man die kaiserliche Kasse überhaupt versteht." Den "Grundstock der Einnahmen des F." bilden auch für Rostowzew (2398) die Steuern aus den kaiserlichen Provinzen. Der Auffassung Mommsens hätte sich sicherlich keiner "von den Kaisem des 1. Jhdts." (2401) angeschlossen. Vgl. auch dens., Diz. Epigr. ΙΠ (1922), 96-139.

4

1. Einleitung

es fast verbieten, von einer communis opinio zu sprechen, nicht berücksichtigen - die Einzelauseinandersetzung damit erfolgt vornehmlich im Anmerkungsapparat -, sondern müssen sich auf eine Skizzierung der Grundlinien beschränken. 13 Hierbei steht konkret die Frage, welche Art von Geldern denn in welche Kassen flössen, genauer: ob eindeutig dem staatlichen Bereich zuzuordnende Finanzen dem fiscus Caesaris zugute kamen, im Mittelpunkt des Interesses. Denn wenn Staatsgelder den Fiskus bereicherten, kann es sich nicht (ausschließlich) um die Privatkasse des Princeps gehandelt haben. Flossen aber ausschließlich dem Kaiser als Privatmann zukommende Vermögenswerte in jene Kasse, so bezeichnet der Begriff "fiscus Caesaris" nichts anderes als dessen Privatvermögen; ein solcher Fiskus wäre mithin rechtlich dem Patrimonium Caesaris gleichzusetzen. 14 Was nun die eindeutige Orientierung an der Grundposition Mommsens betrifft, so sind aus der jüngeren Forschung insbesondere C.H.V. Sutherland sowie E. LoCascio zu nennen. Während Sutherland, ohne dieses im einzelnen zu begründen, den Fiskus einfach selbst als kaiserliche Privatkasse definiert (sie!), in welche in der Zeit von Augustus bis Trajan (fast) keine Staatseinnahmen gelangt seien 15 , postuliert LoCascio zwar eine rechtliche Identität von fiscus Caesaris einerseits und Patrimonium Caesaris andererseits, sieht gleichwohl offensichtlich keinen Widerspruch zu dieser seiner These darin, daß seiner Auffassung nach - auch Staatsgelder in diese Kaiserkasse geflossen seien. 16 Der bei weitem konsequenteste Verfechter einer Konzeption vom fiscus Caesaris als kaiserlicher Privatkasse ist zweifelsohne Fergus Millar 17 ,

Vgl. die ähnliche Problematik bei Orestano, Persone giuridiche 241, Anm.149. Von daher spielt auch die Frage nach dem Verhältnis von fiscus Caesaris einerseits und Patrimonium Caesaris andererseits für die vorliegende Untersuchung eine wichtige Rolle. Sutherland, AJPh 66 (1945), 159/60:"In order to avoid a long and probably confusing digression, we shall here adopt the hypothesis that fiscus means the personal wealth, or 'privy purse', of the princeps " Vgl. ebenda 169. - Plin. η.h. 6,84, wonach das vectigal maris Rubri in einen "fiscus" flöß, hält Sutherland (ebenda 163, Anm.85) für einen interessanten Beleg aus claudischer Zeit dafür, daß Staatseinnahmen aus kaiserlichen Provinzen in die kaiserliche "Privatkasse" gelangten. LoCascio, AUS 3 (1971/72), 60, sieht in Anlehnung an Mommsen "nessuna differenza di natura giuridica ... tra fiscus e Patrimonium." Hr fährt fort: "Il fiscus indica la cassa del Patrimonium", sieht also im fiscus "la cassa dei redditi dell' imperatore", im Patrimonium dagegen "la sostanza imperiale". Gleichwohl formuliert er seine Hypothese (96), "che il princeps non facesse, concretamente, alcuna distinzione, nelle somme che affluivano alla sua cassa, tra quelle derivanti da rendite patrimoniali e quelle originate da introiti tributari." Millar, JRS 53 (1963), 29: "... 'fiscus' ... is normally best translated as 'the Imperial estate'." Millar hält seine Position grundsätzlich aufrecht: vgl. dens.. Emperor 197/8.

1. Einleitung

5

wobei zu betonen ist, daß der britische Gelehrte seine These unter grundlegend anderen Prämissen als zuvor Mommsen aufstellt: Für den deutschen Historiker war - aufgrund seiner (inzwischen aufgegebenen) Theorie von der Dyarchie von Kaiser und Senat - die Vorstellung vom Fiskus als kaiserlicher Privatkasse durchaus vereinbar mit der Annahme, für eben diese Kasse habe es "Einnahmequellen materiell öffentlichen Charakters" gegeben 18 , worunter insbesondere die Steuern aus den vom Princeps verwalteten Provinzen zu verstehen sind. Da Mommsen ein Bodeneigentum des Kaisers an "seinen" Provinzen postulierte19, konnte er problemlos auch den fiscus Caesaris als Privateigentum des Kaisers ansehen. Für Miliar hingegen ist der Fiskus nur insofern kaiserliche Privatkasse, als in ihn eben nur Privateinkünfte des Princeps geflossen seien; dabei bietet freilich besonders die - von ihm so gesehene - Zuordnung der ohne jeden Zweifel staatlichen Einkünfte der bona caduca sowie der bona damnatorum zum fiscus Caesaris einen kaum zu widerlegenden Einwand gegen seine These. 20 Eine klare, an Hirschfeld orientierte Gegenposition, die den kaiserlichen Fiskus ausschließlich als "Staatsschatz" sieht, formuliert in der jüngeren Forschung allein G. Ürögdi 21 , der sich freilich in seiner juristischen Charakterisierung dieser Kasse keineswegs so sicher ist: "Vom staatsrechtlichen Gesichtspunkt" sei der Fiskus "eine Kompromißlösung: ein einem privatus unterstellter Staatsschatz, ein Zwitterding: eine Staatseinrichtung, welche nach den Normen des Privatrechtes beurteilt wurde." 22 Diese - angesichts der im folgenden noch zu erörternden Quellenlage durchaus verständliche - Unsicherheit des ungarischen Historikers führt nun zu einer dritten Forschungsposition, der - wenn überhaupt - das Attribut einer communis opinio beigelegt werden könnte, wonach nämlich der Begriff "fiscus (sc. Caesaris)" sowohl kaiserliches Privatvermögen als auch eine zweite (kaiserliche)

Mommsen, StR 11,2, 1004. "

Mommsen, SlR Π,2, 1088: "Die Provinzen, welche der Kaiser in Verwaltung nahm, wurden geradezu an ihn abgetreten, das heisst das Bodeneigenthum von der Gemeinde auf den Kaiser übertragen."

20

Vgl. dazu bes. Millar, J R S 53 (1963), 3 4 - 3 6 (bona caduca) und 36-37 (bona damnalonim). Auch die beiden Passagen Suet. Aug. 40,3 sowie Plin. n.h. 6, 84, wo es um Steuereinnahmen zugunsten eines "fiscus" geht, bereiten Miliar ( J R S 53 (1963), 40; vgl. seine Einschränkungen: F.mperor 623 u. 6 2 5 ) nicht unerhebliche Probleme.

21

Ürögdi, AAntHung 16 (1968), 247: " S o entstand nun unter Augustus ein besonderer Staatsschatz, über den der Princeps, d.h. seinen Intentionen gemäß seine Bediensteten verfügten. Der Fiscus wurde von öffentlichen Mitteln gespeist, und der erste Princeps verwendete diese Gelder wohl nur für öffentliche Zwecke." Vgl. dens., StudAnt 7 (1960), 61-68 (dt. Zusf.in: Bibliotheca Classica Orientalis 8 (1963), 117/18).

22

Dcrs., RH Suppl. X (1965), 224.

6

1. Einleitung

Staatskasse bedeuten konnte; auch diese Position richtet sich immerhin noch nach der Forschungsfamiroverse zwischen Mommsen und Hirschfeld aus. Hier sind in erster Linie die Arbeiten von A.H.M. Jones und Peter A. Brunt zu nennen, zwei englischen Gelehrten, die zusammen mit Fergus Millar zweifelsohne die Grundlage für die neuere Diskussion über den fiscus Caesaris erarbeitet und zu einer vertieften Durchdringung der Problematik wichtige Beiträge geleistet haben. Jones sieht in seinem Aufsatz über das Aerarium und den Fiskus eine verwirrende Mehrdeutigkeit im Gebrauch des Begriffes "fiscus", der u.a. sogar die gesamte vom Kaiser kontrollierte Finanzverwaltung habe umfassen können.23 Gegen die davon stark abweichende, oben skizzierte Deutung Millars verteidigt Brunt die Darlegungen von Jones, indem er Miliar zwar konzediert, der Fiskus habe durchaus die Privatkasse des Princeps bezeichnen können - und der Begriff "fiscus Caesaris" habe zunächst auch das kaiserliche Privatvermögen gemeint - umfasse aber "unglücklicherweise" noch andere Bedeutungsinhalte.24 In diese Gesamtposition ist auch F. DeMartino einzuordnen, der als Rechtssubjekt des Fiskus den Kaiser in seiner Eigenschaft als "Staatsorgan" und den fiscus Caesaris selbst - wie schon Jones - als Gesamtkomplex kaiserlicher Finanzen sieht.25 Letztlich sei hier noch der Rechtshisto-

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25

Jones (JRS 40 (1950), 25; der Aufsatz von Jones findet sich wiederabgedruckt in: ders., Studies 99-114 (1968); in dt. Übers, ist er seit 1987 z.T. zugänglich in: Binder (Hg.), Saeculum Augustum I, 349-360) spricht von einer "confusing ambiguity in the use of the word 'fiscus "', ein Ausdruck, der u.a. auch "the whole financial administration controlled by the emperor" habe bedeuten können. - Auf diese sehr problematische Gleichsetzung von einer Kasse oder einem Vermögen einerseits und einer FinanzVerwaltung andererseits wird im folgenden Teil der Einleitung über die Quellen und Methoden näher einzugehen sein. Vgl. dazu Anm. 54 m.Text! Brunt, JRS 56 (1966), 76 u. 78. Brunt hält seine Position aufrecht in: LCM 9.1 (1984), 2-4. (Beide Beiträge finden sich wiederabgedruckt in seiner 1990 edierten Aufsatzsammlung: Imperial Themes 134-162 bzw. 347-353.) Dabei ordnet er m.E. die Position, die Miliar (vgl. Anm. 17) vertritt, sowohl grundsätzlich als auch in bezug auf dessen spätere Einschränkungen (vgl. Anm.20) nicht angemessen ein. Da Miliar von grundsätzlich anderen Prämissen als Mommsen (vgl. Anm.18 u.19 m.Text) ausgeht, erscheint die Charakterisierung seiner Auffassung als "essentially that of Mommsen" (LCM 9.1 (1984), 2) schwerlich angebracht. (Auch Boulvert, RHD 48 (1970), 431, Anm.5, unterscheidet die grundlegend unterschiedlichen Positionen Mommsens und Millars nicht, wenn er sie beide als Vertreter der Forschungsmeinung einordnet, wonach der Fiskus seit Augustus zur Verfügung des Kaisers stehe "dans une situation de droit privé". Vgl. auch Neesen, Untersuchungen 198, Anm.15,6.). DeMartino, Costituzione romana, IV,2, 912: "... l'espressione fiscus principis indica che titolare del potere, soggetto giuridico, non è il magistrato repubblicano, ma l'imperatore in quanto organo dello stato." (Zu fragen ist hier freilich, wann denn der Kaiser ein "Staatsorgan" gewesen sein soll, wenn nicht als republikanischer Magistrat bzw. als Inhaber republikanischer Amtsgewalten!) An anderer Stelle (913) bezeichnet DeMartino den Fiskus als "complesso unitario delle finanze imperiali". Auch der italienische Forscher sieht übrigens eine Aufteilung

1. Einleitung

7

riker M. Käser erwähnt, der dem Fiskus gleichfalls Einnahmequellen privater wie staatlicher Art zuspricht, seine Unsicherheit in der rechtlichen Bewertung dieser Kasse aber deutlich zum Ausdruck bringt, indem er den fiscus Caesaris als "juristisch hybrides Gebilde" bezeichnet. 26 Diesen Schwierigkeiten hinsichtlich der rechtlichen Zuordnung des kaiserlichen Fiskus entweder zum Staat oder zum Kaiser (als Privatperson), die ja auch schon in der oben zitierten Bewertung Ürögdis ("Zwitterding") zum Ausdruck kommen, versucht eine vierte, nicht mehr an der Forschungskontroverse zwischen Mommsen und Hirschfeld orientierte Forschungsposition dadurch zu entgehen, daß sie den Fiskus als eigenständige juristische Person auffaßt. Diese vierte Position geht zurück auf L. Mitteis, der für seine Interpretation zwar auch schon keine Quellengrundlage benennen konnte, gleichwohl aber postulierte, im Fiskus sei eine "als selbständige juristische Persönlichkeit zu denkende Anstalt-

dcr "entrate statali" zwischen Aerar und Fiskus (904/5). So: Käser, Iura 16 (1965), 175. Seine ebenso differenzierte wie unsichere Position legt Käser dar in seinem Werk: Rom. Privatrecht I 2 , 305: "Eine andere Stellung hat demgegenüber (d.h. dem aerarium p.R. gegenüber; Anm.d.Verf.) der fiscus Caesaris, also das Vermögen, über das der Princeps kraft seiner Amtsgewalt allein und unabhängig von Volk und Senat verfügt.... Am ehesten hat sich der Fiskus vielmehr zu einem Vermögen des jeweiligen Princeps entwickelt, auf das das Privatrecht, wenn auch nicht vollständig und ausschließlich, anwendbar war." Vgl.ebcnda 305, Anm.22: "Man beachte aber, daß die Rechtsfigur des fiscus nicht völlig durchkonstruiert war, sondern zwischen Privat- und Staatsvermögen in der Schwebe blieb." Ders., Rom. Privatrecht Π 2 , 152 : "Diesem Privatvermögen (d.h. dem Patrimonium Caesaris; Anm.d.Verf.) stand der fiscus gegenüber, dessen Kem zu Anfang die steuerlichen und sonstigen Einkünfte aus den provinciae Caesaris bildeten (anders: Rom. Privatrecht I 3 , 305, wo Käser davon ausgeht, der fiscus Caesaris sei "offenbar aus dem Privatvermögen des Kaisers hervorgegangen"; Käser selbst [Rom. Privatrecht Π2, 586] weist auf seine zugunsten einer Theorie vom eher staatlichen Charakter des Fiskus veränderte Position hin. Vgl. demgegenüber seine doch deutlich zugunsten einer privatrechtlichen Auffassung des fiscus Caesaris tendierende Ansicht in der eisten Auflage seiner Arbeit [I1, 262]: "... Fiskus als ein im privatrechtiichen Eigentum des jeweiligen Princeps stehendes Gut..."), zu denen alsbald weitere Einnahmequellen hinzutraten Die Rechtslage des fiscus hat man in einer eigentümlichen Schwebe belassen: Er ist seiner Herkunft nach öffentliches Gut und für öffentliche Zwecke bestimmt. Damit ist gleichwohl vereinbar, daß in der Wirklichkeit des staatlichen Lebens der Princeps frei darüber verfügen konnte, daß niemand von ihm eine Rechnungslegung verlangt und ihn wegen seiner Verfügungen darüber verantwortlich macht Dennoch ist festzustellen, daß man auch späterhin den fiscus niemals als Privatvermögen des Princeps angesehen, sondern ihn stets von diesem unterschieden hat, Die Entwicklung strebt freilich einer Annäherung der beiden Gütermassen zu. Wie einerseits der fiscus durch die unkontrollierte Verfügungsfreiheit des Princeps dem Privatgut nahekam, so entwickelte sich andererseits das Patrimonium zu einem Vermögen, als dessen Träger der jeweilige Princeps gellen konnte; ...." (Hervorhebung durch d.Verf.).

8

1. Einleitung

sperson" zu erblicken.27 Ihm folgen L. Schnorr von Carolsfeld28 sowie S. Bolla, wobei letztere immerhin konzediert, daß es dem "klassischen Recht unbekannt" gewesen sei, ein "selbständiges Vermögen mit einem dauernden Zweck als juristische Person zu betrachten."29 Auch die Auffassung des französischen Historikers G. Boulvert scheint der hier skizzierten vierten Forschungsposition zuzuordnen zu sein, formuliert er doch die These, der fiscus Caesaris sei im allgemeinen Sprachgebrauch angesehen worden, als ob er ein "Rechtssubjekt" wäre bzw. die Qualität einer "juristischen Person" gehabt hätte.30 Darauf, daß es sich bei der Deutung des fiscus Caesaris als eigenständiger juristischer Person um einen (unzulässigen) Modernismus in der

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Mitteis, Rom. Privatrecht 349/50: "Das der kaiserlichen Verwaltungssphäre angehörige Vermögen heißt Fiskus. Der Begriff Fiskus wird in den Quellen nicht definiert. Eine von den realen Verhältnissen ausgehende Konstruktion kann ihn jedoch nur als eine vom Kaiser ressortierende Anstalt auffassen, welche die Bedürfnisse der kaiserlichen Verwaltung zu decken bestimmt ist. Selbst die römische Auffassung kann, wo sie den Dingen auf den Grund gehen und sich nicht hinter Worten verbergen wollte, unmöglich ernsthafterweise den Kaiser als das Subjekt des fiskalischen Vermögens betrachtet haben, obwohl im juristischen Curialsül stets vom fiscus Caesaris oder ähnlichem gesprochen wird; wer sich den Sachverhalt klar machte, musste im Fiskus eine als selbständige juristische Persönlichkeit zu denkende Anstaltsperson erblicken." Schnorr v.Carolsfeld, Juristische Person 2, Anm.ll. Bolla, Privatrechtssubjekt 33. Sie fährt dann freilich fort: "Nur der Fiskus wurde in der Praxis als solche (sc. juristische Person) aufgefaßt." Vgl. ebenda 45, wo Bolla den Fiskus als ein dem Kaiser gegenüber "selbständiges Rechtssubjekt" beschreibt. Ihre Position ist somit deutlich von denjenigen Mommsens (vgl. Anm.6) und Mülars (vgl. Anm.17) zu unterscheiden; Boulvert (RHD 48 (1970), 431, Anm.5) führt ihre Arbeit deshalb m.E. zu Unrecht unter der Position einer Auffassung des Fiskus als Privateigentum des Kaisers an. Entgegengesetzt, aber ebenso fälschlich sieht Ürögdi (RE Suppl.X (1965), 224/5) die Argumentation Bollas in der Tradition Hischfelds (vgl. Anm.8). Boulvert, Labeo 18 (1972), 203, Anm.12: "Dans le vocabulaire des auteurs latins tout se passe pourtant comme si le fiscus était sujet de droit, ... ." Ders., Domestique et fonctionnaire 44, Anm.262: "Dans le langage courante, et même chez les juristes, tout se passe comme si le fiscus avait la personnalité juridique." In gleiche Richtung scheint Boulverts Auffassung vom Fiskus als einer "caisse autonome considérée comme une entité régie par des règles exorbitantes du droit commun" (ders., RHD 48 (1970), 688) zu weisen. (Auch Millar, der doch eine ganz andere Position vertritt (vgl. Anm.17), verwendet übrigens den zuletzt unterstrichenen Begriff an einer Stelle (The Oxford Classical Dictionary 439): "It is clear that by the end of the first century, if not before, the fiscus was a recognized legal entity.") An anderer Stelle (RHD 48 (1970), 430/31) bezeichnet Boulvert den Fiskus wiederum als "ensemble financier imperial s'opposant à toute autre caisse publique ou privée". In dieser Kasse hätten sich sowohl staatliche als auch private Gelder befunden: "Sans penser que dès l'origine le fiscus, fusion des fisci eux-mêmes publics, ait compris des biens patrimoniaux, je pense qu'il est difficile de ne pas admettre bientôt une certaine intégration de ces biens patrimoniaux dans le fiscus" (a.a.O. 430, Anm.4). Gleichwohl bezeichnet Boulvert (Domestique et fonctionnaire 44, Anm.262) den kaiserlichen Fiskus auch schlicht als "caisse publique ".

9

1. Einleitung

Bezeichnung handelt, weisen in ihren Arbeiten zur Problematik eben solcher Rechtspersonen sowohl B. Eliachevitch als auch R. Orestano hin, wobei die französische Arbeit im Fiskus eine dem Kaiser unterstellte (zweite) Staatskasse sieht31, während der italienische Forscher der Kaiserkasse - wie schon Jones und Brunt - Einnahmen sowohl privater als auch staatlicher Art zuordnet. 32 Grundsätzlich ist m.E. der apodiktisch formulierten Kritik Käsers an der Auffassung vom Fiskus als "selbständige(m) Zweckvermögen" hinzuzufügen: "Eine solche Auffassung wäre unrömisch."

nichts

33

Wenn nun, wie in allen vier hier umrissenen Forschungspositionen, von einer neuen Kasse die Rede ist, sei es einer neuen Staatskasse, sei es einer neuen Privatkasse des Kaisers, so könnte der Entstehungszeitpunkt

(mitsamt den damit

verbundenen Entstehungsumständen) einer solchen Kasse vielleicht Licht auf die Frage nach ihrem Rechtscharakter werfen. In diesem Punkt gibt es wiederum eine beachtliche Vielfalt der Forschungsmeinungen, die sich freilich grundsätzlich abermals vier Positionen zuordnen lassen, wenngleich des öfteren der

Eliachevitch, Personnalité juridique 46: "... le fisc est le patrimoine public confié au prince en sa qualité de prince." Die (von Eliachevitch so gesehene) Tatsache, daß erstmals ein Staatsvermögen, den Bedingungen des Privatrechles unterworfen, rechtlich auf einer Ebene mit dem Vermögen von Privatpersonen stand, sei eine sehr bedeutsame Neuerung gewesen; es seien nunmehr alle Elemente gegeben gewesen, die es später rechtfertigen sollten, den Staat "comme personne juridique de droit privé (55) zu sehen. Dafür, daß römische Juristen diese Konzeption bezüglich des Fiskus nicht vertreten hätten, nennt Eliachevitch folgende Begründung (55): "Le fisc représentait pour les Romains non l'Etat, mais une personne concrète, vivante, celle du prince. La liaison du fisc avec le prince est si étroite qu'elle empêche les Romains de discerner que c'est l'Etat qui est derrière le prince. L'idée que le patrimoine fiscal appartient non à César, mais à l'Etat dont César n'est que le représentant, reste à jamais étrangère aux Romains." - Wie weit sich aber auch Eliachevitch von der glasklaren Begrifflichkeit Mommsens entfernt hat, zeigt, daß er die ebenso deutliche wie instruktive Alternative des deutschen Gelehrten (Rechtssubjekt des Fiskus ist entweder der Staat oder der Princeps; vgl. Anm.9) als "dilemme établi par Mommsen" (42) abqualifiziert. Orestano (Persone giuridiche 254) spricht von einem "doppio volto" des Fiskus: Im Hinblick auf den Princeps sei er ein "'oggetto' di un diritto di cui egli (i.e. der Kaiser) è titolare; e ciò non 'in quanto princeps' o 'in quanto organo dello Stato', ma in quanto la sua preminenza nell'ambito dell'organizzazione pubblica - il suo 'essere egli stesso l'ordinamento' - . . . . " (252) Deutlicher wird Orestano (247), wenn es um die Einnahmequellen des Fiskus geht; in diesem Zusammenhang spricht er von "la titolarità a lui (i.e. der Kaiset) riconosciuta dei beni man mano sottratti all'aerarium e ricompresi nel fiscus, senza più distinzione tra essi e quelli provenienti dalla fortuna personale e familiare dell'imperatore." Andererseits sieht der italienische Forscher den Fiskus im Hinblick auf (andere) Privatpersonen als "un vero e proprio 'centro di riferimento' di relazioni giuridiche distinto dalla persona dell'imperatore", gar als "autonomo 'centro di riferimento'" (260 ; vgl. 261/2); von seiner '"soggetività"' (260) könne aber nur in modemer Terminologie gesprochen werden. Käser, Rom. Privatrecht I2, 305, Anm.16.

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1. Einleitung

prozessuale Charakter in der Entstehung des Fiskus - unter Verwendung von Begriffen wie "Institutionalisierung", "Verstaatlichung" oder auch der Entstehung eines sogenannten "Krongutes" - betont wird.34 Als Entstehungszeitpunkte des (dann in aller Regel als staatlich, d.h. als Zusammenfassung der einzelnen kaiserlichen Provinzialkassen (fisci)35 zu einem zentralen fiscus Caesaris in Rom aufgefaßten) Fiskus werden der Prinzipat des Augustus36, die

Von einer "'Verstaatlichung' des Caesareneigentums" spricht beispielsweise Timpe, Kontinuität 74, der in eben dieser "'Verstaatlichung'" einen weiteren Schritt zur "Institutionalisierung" des Prinzipates sieht. Eine solche Entwicklung wird häufig mit der Entstehung eines sog. Krongutes in Verbindung gebracht, wie es etwa Rostowzew (RE VI,2 (1909), 2392) postuliert. - Die Positionen von Millar (JRS 53 (1963), 29) und Brant (JRS 56 (1966), 78) bewegen sich nicht im Spektrum der im folgenden (Anm.36-39) zitierten Forschungsmeinungen. Während Miliar die lapidare These aufstellt: "There was no moment at which an institution called 'the Fiscus' was created . The strictly correct way of describing what took place is to say that 'fiscus' gradually became the predominant technical term used in speaking of the Imperial wealth ... ", präzisiert Brunt seine Auffassung von der Kaiserkasse (vgl. Anm.24) dahingehend, daß der Begriff "fiscus" zunächst das kaiserliche Privatvermögen bezeichnet, im Laufe der Zeit aber der Prokurator "a rationibus" auch staatliche Einkünfte unter seine Kontrolle bekommen habe. (Vgl. dazu Anm.54 m.Text!) - Für Garzetti (Athenaeum 31 (1953), 326) bleibt der (von ihm so gesehene) Übergang von den einzelnen kaiserlichen Kassen zum zentralen kaiserlichen Fiskus letztlich ein "mistero". Vgl. dazu die folgenden Bemerkungen über Quellenlage und Methodik der vorliegenden Arbeit. Entstehung des Fiskus zur Zeit des Augustus: a) Ürögdi AAntHung 16 (1968), 247 : "Die Einnahme- und Ausgabeposten der verschiedenen Fisci wurden, allem Anschein nach, durch eine kaiserliche Zentralbuchhaltung in Rom gebucht und in Evidenz gehalten. Auf diese Weise standen die Saldi derprovinzialen Fisci der Verwaltung des Princeps stets zur Einsicht und die Spitzenbeträge der provinzialen Kassen zur Verfügung bereit... . Die Aufgabe einer strafferen ... Organisation des Fiscus harrte auf seine (d.h. des Augustus) Nachfolger,... ." Nennt Ürögdi 1968 den Fiskus einen "Pfeiler der Augusteischen Politik", so führte er drei Jahre zuvor (RE Suppl.X (1965), 222/3) noch aus: "Von einem zentral organisierten F. in der Stadt Rom, welcher eben ein genaues Gegenstück des aerarium, des traditionellen Staatsschatzes, gewesen wäre, kann in dieser ersten Epoche des Principates noch keine Rede sein." Vor der Regierungszeit des Claudius seien noch nicht "die Spitzenbestände (sc. aus den Kassen der kaiserlichen Provinzen) in einer Zentralkasse in Rom aufgehäuft gewesen." Erst später seien "die verschiedenen fisci unter dem Singular fiscus zusammengefaßt" worden. Kurz darauf schreibt Ürögdi (224) wiederum: "Die Begründung des F. war für den ersten princeps eine politische Notwendigkeit." (Vgl. dazu insges. Anm. 54 m.Text!) b) Last (JRS 34 (1944), 51/52) definiert zunächst selbst (sie!) den Begriff: "By 'Fiscus' without qualification will be meant that part of the financial system of the Roman empire which was controlled by the Princeps, together with the assets of that part so far as they did not belong to the Patrimonium or the res privata About the Fiscus in the sense described above one consequence follows from the definition that it must have existed from the moment when the Princeps took a part of the financial system under his control. And, as he was in at least immediate charge of the finances of the imperial provinces from the establishment of the Principate, a Fiscus as it is understood here, whatever it may have been called in those days by the Romans themselves, must have existed from 27 B.C." (Im Widerspruch dazu geht auch Last [58] für den augusteischen Prinzipat von

1. Einleitung

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Regierungszeit seines Nachfolgers Tiberius,37 (bei weitem am häufigsten) die Zeit der Regentschaft des Claudius38 sowie die Ära der flavischen Dynastie39

"the single financial system of the Roman State, which we may label with the name 'aerarium'" aus. Ein zweites dem Aerar gegenübergestelltes Finanzsystem [= Fiskus] habe es erst seit Claudius gegeben [59]. Vgl. insges. sein Entwicklungsschema zum Begriff "fiscus"; er versucht dort [58/59], gegensätzliche Positionen im Hinblick auf den "Entwickjungszeitpunkt" des fiscus Caesaiis miteinander in Einklang zu bringen.) Diese Position Lasts basiert auf einer Übeiiegung Mommsens (StR Π,2, 1001, Anm.l): Eine "kaiserliche Centralkasse" sei nicht erst von Claudius geschaffen worden. "Die finanzielle Gestion des Princeps ist undenkbar ohne eine Centralstelle, in der die Rechnungen der verschiedenen Specialverwaltungen ausgeglichen wurden und in der der Ueberschuss oder das Deficit der einzelnen Kassen Verwendung resp. Deckung fanden." c) Nach Bolla (Privatrechtssubjekt 20) "hat die ... Annahme die größte Wahrscheinlichkeit für sich, daß der Fiskus erst 21 oder 20 v.Chr. entstanden ist". Ihrer (ohnehin nur auf einem argumentum ex silentio bezüglich des augusteischen Tatenberichtes beruhenden) Argumentation mit den einzelnen von Augustus übernommenen "curae" (20-22) gelingt es allerdings nicht, die Überlegungen von Frank (JRS 23 (1933), 143) zu widerlegen. Dieser legt dar, daß die "curae" nur eine "administrative supervision" bedeuteten; sie bieten somit keinen Hinweis auf die Kasse, die für ihre finanzielle Deckung zuständig war. d) Vgl. auch: Garzetti, Athenaeum 31 (1953), 321, Anm.3; Boulvert, Esclaves et affranchis 70/71; Kienast, Augustus 314. Entstehung des Fiskus zur Zeit des Tiberius: a) DeLaet (Portorium 372, Anm.4; vgl. insges. 363-383) postuliert die Existenz des kaiserlichen Fiskus als einer (zweiten) staatlichen Zentralkasse schon unter Tiberius im Zusammenhang mit seiner Konzeption der Neuschaffung großer Zollbezirke unter dem zweiten römischen Princeps. Auf eine Diskussion über den Fiskus läßt er sich verständlicherweise nicht ein (vgl. 364, Anm.2). b) Auch Brinz (SBAW (1886), 493) vertritt die Auffassung, der Fiskus sei "von Tiberius ab das Widerspiel des aerarium p.R." gewesen. Entstehung des Fiskus zur Zeit des Claudius: a) Grundlegend für diese in der einschlägigen Forschungsliteratur bei weitem gängigste Meinung ist (wieder einmal) die Arbeit Hirschfelds (VB 3/4; vgl. auch 8): "..., daß nicht vor Claudius ein eigener Beamter als Vorstand der Zenlralverwaltung der kaiserlichen Gelder nachweisbar ist, und erst seit dieser Zeil wird sich der Begriff des Fiskus als der kaiserlichen Hauptkasse herausgebildet haben." Es sei unter Claudius zu einer "Umwandlung" gekommen, "durch welche die dem Princeps zukommenden Gelder zu einer vom Aerarium populi Romani getrennten und zu ihm im Gegensatz stehenden kaiserlichen Zcntralkasse konstituiert worden" seien. Vgl. zur Position Hirschfelds auch Anm.8. b) Rostowzew, RE VI,2 (1909), 2390: "..., und seit Claudius tritt die in der Umgangssprache als P. bezeichnete Verwaltung und die ebenso genannten kaiserlichen Kassen als ebenbürtiger und sogar überlegener Nebenbuhler neben dem Aerar hervor." (Vgl. auch 2309: "Epochemachcnd in der Geschichte des F. ist die Zeit der Regierung der Claudischen Freigelassenen.") Offiziell anerkannt worden sei der Terminus "fiscus" für die kaiserliche Kasse aber erst unter Hadrian, da er erst in dieser Zeit Aufnahme in die "Titulatur der kaiserlichen Finanzbeamten" (2386) gefunden habe, nämlich im Titel eines "advocatus fisci", c) Sutherland (AJPh 66 (1945), 169) nimmt eine - m.E. dennoch hierher gehörende - Mittelposition ein: "The fiscus, or fiscus Caesaris originated in the privy purse of Augustus; and the imperial privy purse assumed, under Tiberius, something like official status, which was openly recognized under Claudius and Nero." Zur (nach Ansicht Sutherlands) für die Entstehung des fiscus Caesaris wichtigen Regierangszeit des Claudius s. bes. 162-64; zur Position Sutherlands vgl. auch Anm. 15. d) Auch Garzetti (Athenaeum 31 (1953), 324/5) hält es für am wahrscheinlichsten, daß sich die (von ihm so gesehene) Entwicklung von den kaiserlichen "fisci" zum fiscus Caesaris in claudi-

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1. Einleitung

genannt; die Lösungsvorschläge zu dieser Frage beschränken sich demnach auf den Zeitraum bis zum Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, womit ein wichtiger, forschungsgeschichtlicher Grund für die Eingrenzung der vorliegenden Arbeit auf die Zeit des frühen Prinzipates gegeben ist. Ein weiterer, ebenso gewichtiger Grund, den die Forschungsgeschichte doch auch nur angemessen widerspiegelt, liegt darin, daß die finanzielle Machtbasis der kaiserlichen Herrschaft in den Quellen aus naheliegenden Gründen im wesentlichen für die Zeit der Begründung und allmählichen Etablierung des Prinzipates thematisiert wird, wobei mit dem Ende der flavischen Dynastie und dem Übergang zum Adoptivkaisertum doch ein deutlich sichtbarer Abschluß erreicht worden ist. Hier erscheinen nun einige Bemerkungen über die Quellenlage und die damit verbundenen methodischen

Fragen unerläßlich. Was das

qualitative und quantitative Gewicht für die hier behandelte Problematik anbelangt, so lassen sich insgesamt vier unterschiedlich relevante Quellengruppen benennen, nämlich literarische, juristische, epigraphische sowie numismatische Quellen. Das Hauptgewicht liegt, wie bei der qualitativen Fragestellung (bes.: Frage nach der Rechtsqualität des fiscus Caesaris) einerseits und der Quellengrundlage für das erste nachchristliche Jahrhundert insgesamt andererseits nicht anders zu erwarten, auf den literarischen

Quellen, die freilich wiederum - unter dem

scher Zeit vollzogen habe, e) Corbier (Actes 1977, 346/7) datiert die Entstehung des kaiserlichen Fiskus - aufgrund ihrer Deutung von Frontin, de aquis 2,118 sowie CIL VI 915 - in die Jahre 42/43 n.Chr. Corbier sieht dabei im fiscus Caesaris "malgré la Symmetrie généralement admise avec raerarium" keine Kasse, welche ein Vermögen beinhaltete, sondern "sous la direction de l'a rationibus, un organisme de contrôle de revenus distincts de ceux du Patrimonium, mais placés sous la responsabilité unique du prince" (347). (Vgl. dazu aber Anm.54 m.Text!) f) Vgl. insgesamt zu dieser Position auch die unter Anm.36 und Anm.39 angeführten Forschungsmeinungen. Entstehung des Fiskus zur Zeit der Flavier: a) Boulvert, RHD 48 (1970), 688: Zwar habe der Fiskus schon unter Claudius eine "véritable administration" erhalten, die es den kaiserlichen Finanzen erlaubt hätte, "une vie autonome" zu führen; jedoch habe es erst unter den Flaviem einen Fiskus in einem institutionellen Sinne gegeben. Diese Veränderung in der Bedeutung des Begriffes "fiscus" verschiebt Boulvert vier Jahre später (1974: Domestique et fonctionnaire 44, Anm.262) auf die Ebene des Bewußtseins: "Le fisc existe sous Claude (...) mais la prise de conscience de son existence ne s'opère pas immédiatement, et quoiqu'il en soit, les esclaves dépendant de cette caisse publique sont peu nombreux à l'époque, c'est pourquoi je crois que le tournant dans l'évolution des finances impériales doit plutôt être fixé sous les Flaviens avec la transformation du caractère du Patrimonium." Zur Position Boulverts vgl. auch Anm.30. b) DeMartino, Costituzione romana IV, 2, 913: "Tutto induce a credere che un'amministrazione fiscale unitaria esista sicuramente sotto i Flavi, mentre rimane dubbio se sia stata anche allora costituita una cassa centrale unica ovvero solo più tardi."

1. E i n l e i t u n g

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Gesichtspunkt des hier untersuchten Problemkreises - in verschiedene Gruppen aufzuteilen sind, wobei sich Überschneidungen nicht immer vermeiden lassen. Dabei ist zunächst auf die in ihrer Bedeutung schwerlich zu überschätzende Unterscheidung zwischen lateinischen und griechischen Autoren hinzuweisen, eine Unterscheidung, die bei einer Arbeit, die immer auch eine Begriffsuntersuchung ist, nicht unerhebliche methodische Fragen aufwirft, bietet doch die griechische Sprache fünf verschiedene Termini, die die Kaiserkasse bezeichnen können ("βασίλειος"; "βασιλικός"; "θησαυρός"; "ταμ(ι)εΐον"; "φίσκος"). 40 Von daher ist den lateinischen Autoren zweifelsohne der erste Rang bei der Beantwortung der Frage, was denn der "fiscus (sc. Caesaris)" sei, zuzugestehen. Eine zweite, nicht minder gewichtige Unterteilung besteht im biographischgeographischen Hintergrund der einzelnen Quellenautoren: Schreibt ein bestimmter Verfasser aus zentralrömischer Sicht, wie etwa Plinius d.J., Tacitus oder Sueton, oder überwiegt doch eindeutig eine provinziale Sichtweise, wie es etwa bei Flavius Josephus oder Philo Alexandrinus zu konstatieren ist? Diese Frage angemessen zu berücksichtigen, ist deshalb so wichtig, weil die betreffenden Autoren mit ganz ähnlichen Wendungen durchaus unterschiedliche Kassen meinen konnten, nämlich entweder eine provinziale Zentralkasse (fiscus, sc. provinciae), die als Filialkasse dem aerarium p.R. untergeordnet war, oder aber eine zentralrömischc Kaiserkasse (fiscus, sc. Caesaris), die von der gesamtrömischen Staatskasse deutlich unterschieden wurde. Dieses Problem stellt sich zentral bei Autoren aus dem griechischen Osten des Imperium Romanum - so etwa bei Plutarch -, wobei zusätzlich die unterschiedliche Sicht des Verhältnisses von Kaiser und Staat (Problem der Auffassung des Kaisers als [römischer] "Princeps" oder als [hellenistischer] "Monarch") in Rechnung zu stellen ist.41 Diese unterschiedlichen Sichtweisen konnten sogar - gerade auch in Verbindung mit der sprachlichen Problematik - zu Irrtümern und Mißverständnissen führen.42 Drittens und letztens spielt die zeitliche Einordnung der Quellenautoren

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Für die verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten des Begriffes "fiscus (sc. Caesaris)" ins Griechische s. bes. Mason, Greek Terms 29 ("βασίλειος"), 3 0 ( " β α σ ι λ ι κ ό ς " ) , 5 4 ( " θ η σ α υ ρός"), 91 ("ταμεΐον") und 97 ("φίσκος"). Vgl. auch Magie, De Romanonim vocabulis 73/74.

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Vgl. dazu etwa die Kontroverse bezüglich der bona caduca sowie der bona damnatorum zwischen Millar ( J R S 53 (1963), 3 4 - 3 7 ) und Bnmt ( J R S 56 (1966), 79-82, bes. 82).

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Solche I : chlverständnisse kommen freilich - nach Ansicht des Verf. - erstaunlich selten vor. Wenn gleichwohl einmal ein solches zu konstatieren ist, so ist sich der Verf. der methodischen Problematik dabei durchaus bewußt; eine derartige interpretation einer Quellenpassage ist immer nur als letzte Möglichkeit nach Ausschluß aller anderen Auffassungen und auf dem Hintergrund der bei weitem überwiegenden Mehrheit anderer - ebenso gewichtiger wie eindeutiger - Qucllenaussagen zulässig.

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1. Einleitung

eine große Rolle, wie es beispielsweise hinsichtlich der Frage deutlich wird, ob Autoren wie Tacitus oder Sueton sich bei der Verwendung des Begriffes "fiscus" für die Kaiserkasse (sei sie nun staatlichen oder privaten Rechtscharakters) einer "anachronistischen" Ausdrucksweise bedienten; dieses Problem gewinnt noch dadurch zusätzliches Gewicht, daß etwa der Prinzipatsbegründer selbst in seinen "res gestae", obschon dort doch auch die finanziellen Aspekte seiner Herrschaft immer wieder zur Sprache kommen, den Terminus "fiscus" gar nicht erwähnt, dieser Begriff vielmehr zur Bezeichnung der Kaiserkasse in der Literatur der Antike zeitgenössisch erstmals bei dem Philosophen Seneca belegt ist.43 Wie sehr sich die hier umrissenen Probleme überschneiden können, sei kurz am Beispiel Cassius Dios demonstriert: Zwar schrieb der Verfasser der "Römischen Geschichte" sein Werk durchaus aus übergeordneter, gesamtstaatlicher Sicht, doch bieten zum einen sein Gebrauch der griechischen Sprache, zum anderen seine zeitliche Entfernung zu den geschilderten Ereignissen (u.a. Quellenfrage) erhebliche methodische Probleme insbesondere für den augusteischen Prinzipat, zumal wenn man bedenkt, daß der Historiker der Severerzeit, der mit seiner Geschichtsdarstellung ja auch politische Ziele verfolgte - zu denken ist dabei insonderheit an die berühmte Maecenasrede! - nach eigenem Bekunden selbst nicht mehr in der Lage war, zwischen kaiserlichen Geldern einerseits und staatlichen Geldern andererseits zu unterscheiden.44 Hinzu kommt, daß es Cassius Dio in seiner Geschichtsschreibung nicht an der Darstellung (verfassungs-) rechtlicher Feinheiten gelegen war, sondern er vielmehr seinen Lesern in durchaus wertender Weise politische Machtgegcbenheiten nahebringen wollte.45 Schließlich sind auch noch Probleme, die sich aus dem Überlieferungszustand des dionischen Geschichtswerkes ergeben, zu berücksichtigen. Auf die Darlegung methodischer Sonderprobleme, die es hinsichtlich der literarischen Quellengruppen noch zu bewältigen galt - zu denken ist etwa an die dichterische Darstellung der Funktionen des kaiserlichen Prokurators "a rationibus" durch Statius46 u.a.m. -, soll hier verzichtet werden.

43 44

45

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Sen. de benef. 7,6,3. Dio 53,22,3: "ού γάρ δύναμαι διακρϊναι τους θησαυρούς αυτών (i.e.: τοΰ δημοσίου oder του Αύγουστου; vgl. 53,22,2), ... ." Vgl. dazu den grundlegenden Aufsatz von Bleicken, Hermes 90 (1962), 444-467. Miliar (Dio 73/74 u. 108, Anm.4) gelangt zu weitgehend gleichen Ergebnissen. Stat. silv. 3,3,85-105.

1. Einleitung

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Was die Rechtsquellen anbelangt, so wäre angesichts der eingangs genannten Fragestellung nach dem Rechtscharakter des fiscus Caesaris zunächst zu erwarten, daß in ihnen wenn nicht die, so doch immerhin eine Hauptquellengruppe für die Beantwortung eben dieser Frage vorliegt. Da es aber lediglich zwei Abschnitte aus den Digesten gibt, die sich eindeutig dem frühen Prinzipat, in dem ja die Grundlagen auch der finanzpolitischen Machtentfaltung für die spätere Kaiserzeit gelegt wurden, zuordnen lassen47, stellen die Rechtsquellen im Rahmen dieser Arbeit nur eine Randgruppe dar. Der bei weitem überwiegende Anteil der juristischen Quellen, in denen der Begriff "fiscus" erscheint, ist hingegen in die hohe und späte Kaiserzeit zu datieren; diese Gruppe müßte - möglicherweise auch unter Berücksichtigung der Interpolationsproblematik48 - gesondert untersucht werden, wobei bei Berücksichtigung der hier vorgelegten Ergebnisse die immer gegebene Gefahr einer Rückprojizierung späterer juristischer Aussagen auf die politische und rechtliche Lage der frühen Kaiserzeit vermieden werden könnte.49 Die inschriftlichen Quellen sind, gerade wenn sie einmal längere Texte bieten50, oftmals eine nicht unbedeutende Ergänzung bei der Beantwortung der Frage, was denn der Terminus "fiscus" aus provinzialer Sicht immerhin auch bedeuten konnte, nämlich eine Provinzialkasse. Für diese Quellengruppe gilt wie übrigens auch für die lediglich an einer Stelle ausgewerteten Münzbelege51 -, daß sie (aus den schon zu den Rechtsquellen genannten Gründen) nur dann zur Beantwortung der vorliegenden Fragestellung herangezogen werden, wenn sie eindeutig der frühen Kaiserzeit zuzuordnen sind.52

47

" 49

50 31

52

Dig. 48,13,9(10),§6 (z.Zt.d. Augustus); Dig. 48,22,1 (z.Zt. Domiüans). Zudem liegen hier m.E. jeweils Qucllenbelege für Provinzialkassen, nicht aber für den fiscus Caesaris vor. Vgl. dazu: Levy/Rabel, Index interpolationum. Derartige methodische Gefahren sind bei systematischen Darstellungen, wie sie insbesondere auch von der rechtshistorischen Forschung vorgelegt werden, m.E. nicht immer angemessen berücksichtigt worden. Auch für die spätere Zeit sollte jeweils die Frage gestellt werden, ob mit dem Begriff "fiscus" eine Provinzialkasse oder die Kaiserkasse - letztere Annahme gewinnt mit fortschreitender Zeit allerdings zunehmend an Wahrscheinlichkeit - gemeint ist, eine Frage, deren Beantwortung freilich nicht unerhebliche methodische Schwierigkeiten bereiten könnte. Vgl. z.B. Ilcrnnann, Epikrates 10, Zz.21-25. Nämlich für die Untersuchungen zum fiscus Iudaicus; vg!. Mattingly/Sydenham, RIC Π, Nerva: Nr. 58, 59, 72 u. 82. Aussagekraft erlangt eine solche Münzlegende freilich in der Regel nur auf dem Hintergrund einer hinreichenden literarischen Uberlieferang. Damit entfällt hier beispielsweise die nicht unbedeutende Gruppe der Grabinschriften, in denen - jeweils zugunsten bestimmter Kassen - Geldstrafen bei mißbräuchlicher Inanspruchnahme des betreffenden Grabes angedroht werden; vgl. dazu die beiden materialreichen älteren Arbeiten von G.Hirschfeld, (Königsberger Studien (1887), 83-144) und Merkel (Sepulcralmulten, aus dem Jahre 1892). Auch die inschrifllichen Belege der späteren Kaiserzeit sollten m.E. aufgrund

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1. Einleitung

Bezogen auf die zentrale Problemstellung der vorliegenden Untersuchung erweist sich freilich - und dies ist von methodischer Relevanz - eine andere Quelleneinteilung als bedeutsam. Danach ist zu unterscheiden zwischen Quellen, die eindeutig den fiscus Caesaris erwähnen, solchen, die eindeutig einen "fiscus provinciae" bezeichnen, sowie Quellenaussagen, die bezüglich dieser Hauptfrage indifferent sind.53 Hinzu kommt noch eine ganze Reihe von Quellenpassagen, in denen gar nicht vom "fiscus" - sei es nun die Kaiserkasse, sei es eine Provinzialkasse - die Rede ist, sondern vielmehr allgemeiner von der kaiserlichen Finanz Verwaltung, d.h. denjenigen Personen, die mit der Verwaltung kaiserlicher Gelder - seien sie nun privater, seien sie staatlicher Natur betraut waren. Es ist m.E. ein zentraler methodischer Fehler, der insbesondere den oben genannten, gleichwohl doch so fruchtbaren Diskussionsbeiträgen von Jones und Brunt eignet54, dem von A.Garzetti mit Recht hervorgehobenen Unterschied zwischen einer "cassa materiale" einerseits und einer "organizzazione di registrazioni" andererseits nicht die gebührende Beachtung zu schenken.55 In dieser Frage einer klaren und präzisen Begrifflichkeit zu entraten heißt sich die Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des fiscus Caesaris, die ja nicht nur eine juristische, sondern immer auch eine sprachliche Frage ist, zumindest ganz erheblich zu erschweren. Was nun die oben dargelegte Einteilung in eindeutig auf den fiscus Caesaris zu beziehende Quellen einerseits und eindeutig auf einen "fiscus provinciae" zu beziehende Quellen andererseits anbelangt, so ist sich der Verf. der methodischen Hauptgefahr durchaus bewußt, die darin liegt, dem fiscus Caesaris lediglich solche Quellenaussagen zuzuord-

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der hier vorgelegten Resultate in ihrer Gesamtheit einer gesonderten Untersuchung gewürdigt werden; vgl. auch Anm.49 m.Text. Orestano (Persone giuridiche 240) charakterisiert die Quellenlage diesbezüglich rechi skeptisch: "Certo, il linguaggio delle fonti - ... - presenta talune oscillazioni e apparenti contraddizioni,

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Zu Jones vgl. Anm.23, zu Bnint vgl. Anrn.34. LoCascio (AIIS 3 (1971/72), 72) sieht zwar den Ursprang der von ihm so aufgefaßten "confusione" von staatlichem Vermögen (bes.: ager publicus) und kaiserlichem Patrimonium zu Recht in der Verwaltungspraxis, hält diese begrifflich saubere Trennung zwischen Vermögen und Verwaltungspersonal in seiner Albeit aber nicht durch (vgl. z.B. 95). Vgl. zu dieser Problematik auch die in Anm.36 u. 38 zitierte Literatur zum sog. Entstehungszeitpunkt des fiscus Caesaris, insbesondere die Darlegungen Ürögdis (Anm.36a) und Corbiers (Anm.38e).

55

Garzctti, Athenaeum 31 (1953), 313. DeMartino (Costituzione romana IV,2, 913, zit. in Anm.39b; freilich hält er an anderer Stelle (898) auch eine Deutung des kaiserlichen Fiskus als "amministrazione finanziaria controllata dall'imperatore" für möglich) sieht diesen Unterschied ebenso wie Neesen (Untersuchungen 15), der die "einheitlich organisierte Zen- tralverwaltung (a rationibus)" dem "private(n) Erbgut (Patrimonium)" der Kaiser gegenüberstellt.

1. Einleitung

17

nen, die der jeweiligen Grundauffassung - sei es die einer zweiten Staatskasse, sei es die einer kaiserlichen Privatkasse - entsprechen. Dieser Gefahr einer petitio prineipii wird in zweierlei Art und Weise begegnet: Zum einen nimmt die hier vorliegende Arbeit ihren Ausgangspunkt von einer Aussage Senecas, in welcher dieser das, was denn unter dem "fiscus (sc. Caesaris)" zu verstehen sei, geradezu (wenn auch indirekt) definiert.56 Zum anderen wird jede einzelne Quellenaussage vorbehaltlos - wenngleich auch auf dem Hintergrund der Aussage des römischen Philosophen - für sich untersucht, weshalb denn auch z.T. umfangreiche Einzelinterpretationen gerade der literarischen Quellen unumgänglich erschienen. 57 Gerade dieses reiche Quellenmaterial führt zwangsläufig zur Anwendung der klassischen Methoden historischphilologischer Interpretationstechnik, wobei es sich zusätzlich als ebenso notwendig wie fruchtbar erwies, Forschungsdiskussionen aus ganz unterschiedlichen Gebieten zusammenzuführen, um eine sachlich angemessene Beurteilung schwieriger Quellenaussagen erlangen zu können.58 Bezüglich der Methodik war schließlich noch die Frage zu klären, ob der generellen Fragestellung einerseits sowie der Quellenlage andererseits eher eine systematische oder eine chronologische Herangehens- und Darstellungsweise gerecht würde. Aus zwei Gründen erscheint es dem Verf. unerläßlich, in seiner Erörterung den Prinzipaten von Augustus bis zu Domitian zu folgen: Zum einen ist, wie oben dargelegt wurde, die Frage nach dem Entstehungszeitpunkt des kaiserlichen Fiskus mit der Frage nach seiner Rechtsqualität (in der Fachliteratur) durchaus verknüpft59, einer Fragestellung also, die allein eine chronologische Heran gehensweise zuläßt; zum anderen implizieren systematische Ansätze, wie sie etwa von Miliar und Brunt, besonders aber auch von der rechtshistorischen Forschung60 bevorzugt werden, immer die Gefahr, dem hier bedeutsamen Moment der Chronologie dadurch nicht Rechnung zu tragen, daß etwa durchaus interpretationsbediirftige Quellenaussagen so bedeutender Autoren wie Tacitus oder Sueton zum ersten Jahrhundert in sachlich unangemessener Weise

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Sen. de benef. 7,6,3. Daß diese Vorgehensweise bisweilen zu argumentativen Wiederholungen führt, läßt sich schwerlich vermeiden und erscheint dem Verf. mangels Alternative durchaus vertretbar. Zu denken ist dabei etwa an schwierige tacitcische Formulierungen, wo beispielsweise (bezüglich Tac. hist. 1,90) die den Fiskus betreffende Forschungsdiskussion und die Literatur über die Rechtsproblematik bei römischen Versteigerungen gleichwertig zu berücksichtigen waren. Vgl. Anm.36-39. So beispielsweise Orestano, Persone giuridiche 232-262.

18

1. Einleitung

anscheinend eindeutigen Aussagen der Rechtsquellen aus dem zweiten und dritten Jahrhundert zugeordnet werden.61 Aus diesen Gründen wird die Chronologie in der vorliegenden Arbeit nur an zwei Stellen durchbrochen, und zwar einmal, indem den Untersuchungen u.a. zum Begriff "fiscus (sc. Caesaris)" in der Zeit des Prinzipatsbegründers die oben schon erwähnte (indirekte) Definition eben dieses Begriffes durch Seneca - es ist dies der erste zeitgenössische Beleg in der kaiserzeitlichen Literatur für einen solchen "fiscus", zu datieren in die Zeit des Kaisers Nero - vorangestellt wird; diese Voranstellung ergibt sich aus den oben angeführten methodischen Gründen.62 Zum anderen erwies es sich als sinnvoll, in einem weiteren chronologischen Exkurs vor einer Untersuchung der Begriffsbedeutung im tiberianischen Prinzipat den zeitgenössischen Begriffsgebrauch der beiden Hauptautoren dazu, nämlich des Tacitus und Suetons, durch eine eingehende Analyse der relevanten Abschnitte aus dem Panegyrikus des jüngeren Plinius auf Kaiser Trajan zu klären; dadurch konnte insbesondere die Frage beantwortet werden, ob die beiden genannten Autoren mit der Verwendung des Begriffes "fiscus (sc. Caesaris)" nur eine sprachliche Anpassung vornahmen, indem sie eine zur Zeit des Tiberius (in der Regel) noch anders benannte Kasse nur mit einem entsprechenden Ausdruck aus ihrer eigenen Zeit belegten (formaler Anachronismus), oder ob sie etwa gar - sachlich falsch - die Existenz einer Kasse, die es jedenfalls im zweiten Jahrhundert gab, in die Zeit des Augustus-Nachfolgers zurückprojizierten (inhaltlicher Anachronismus). Nach der Analyse des plinianischen - und damit auch für Tacitus und Sueton zeitgenössischen - Sprachgebrauchs erwies sich die Interpretation der wichtigen Passagen aus den Werken des Historikers sowie des Biographen des frühen zweiten Jahrhunderts als weitaus sicherer und fruchtbarer. Damit ist auch schon der letzte Punkt dieser Einleitung berührt, nämlich die Gliederung der vorliegenden Arbeit, die im folgenden kurz dargelegt und begründet werden soll, wobei in komprimierter Form insbesondere ihre zentralen Fragestellungen zu nennen sind. Dabei ist zunächst auf die Unterteilung der Arbeit in zwei Hauptteile hinzuweisen, nämlich die Darstellung der Problematik zum fiscus Caesaris einerseits sowie die Diskussion der Fragen zu den "fisci provinciarum" andererseits. Wenn zunächst der kaiserliche Fiskus behandelt werden soll, so wird damit einmal methodischen Erwägungen, wie sie oben erörtert wurden, Rechnung getragen; es werden also zunächst alle die Quellen-

61

"

Vgl. dazu auch Anm.49 m.Text. Vgl. Anm.56 m.Text.

1. Einleitung

19

aussagen interpretiert, welche (mehr oder weniger) eindeutig auf die Kaiserkasse Bezug nehmen. Erst darauf, nämlich nach einer Erörterung der Kriterien, die eine sichere Zuordnung von Quellen zum fiscus Caesaris ermöglichen, können die restlichen Quellen, die sich auf die provinzialen Filialkassen des stadtrömischen Aerars beziehen, sachgemäß einer Interpretation unterzogen werden. Warum sowohl bezüglich des fiscus Caesaris als auch bezüglich der "fisci provinciarum" chronologisch vorgegangen wird, wurde oben schon dargelegt. Der Grund für die Ungleichgewichtigkeit der beiden Hauptteile ist in der Quellenlage zu sehen, sind die Quellenautoren doch überwiegend - zu denken ist hier in erster Linie an Tacitus - zentralrömisch orientiert, so daß sie provinziale Belange kaum einmal gleichwertig in den Blick nehmen. Ziel der Darlegungen in beiden Hauptteilen ist es, das Grundsystem der Finanzverwaltung in der frühen Kaiserzeit (mit der Ausnahme des aerarium militare63) insgesamt darzustellen. Was nun den ersten Hauptteil über den fiscus Caesaris anbelangt, so ist dieser in fünf Abschnitte untergliedert: Nach der Herausarbeitung der oben schon erwähnten (indirekten) Begriffsdefinition Senecas (1) soll zunächst die Begründung des kaiserlichen Finanzsystems durch Augustus untersucht werden (2), wobei das Hauptaugenmerk zum einen auf der Begrifflichkeit, die der Prinzipatsbcgründer in seinem Rechenschaftsbericht selbst verwendet, zum anderen auf derjenigen des griechischen Historikers Cassius Dio liegt. Alsdann ist die Zeit bis zum Ende der julisch-claudischen Dynastie unter den Stichwörtern "Bewahrung" (Kassensystem) und "Reformen" (Verwaltung; bes.: a rationibus) in den Blick zu nehmen (3), woran sich die Frage der Stabilität des Finanzsystems im politisch-militärischen Chaos des Vier-Kaiser-Jahres 69 n.Chr. anschließt (4), insbesondere diejenige, ob nicht etwa der Rechtscharakter des fiscus Caesaris für die Zeit dieser Wirren als eine quantité négligeable einzuschätzen ist. Bezüglich der flavischen Dynastie ist insonderheit das Problem des Übergangs des kaiserlichen Vermögens von der julisch-claudischen Dynastie auf Vespasian und seine Söhne zu untersuchen (5), in anderen Worten also die Frage nach Tendenzen der Institutionalisierung oder gar "Verstaatlichung" des Prinzipates am Beispiel der Vermögenstradierung. Der sehr viel kürzere zweite Hauptteil über die "fisci provinciarum" besteht hingegen nur aus zwei Abschnitten, und zwar aus einer knappen Abhandlung über den Begriff "fiscus" in republikanischer Zeit - methodisch deshalb wichtig, weil hier eine Verwechslung mit dem fiscus Caesaris ausgeschlossen ist! -

63

Vgl. Anm.l.

20

1. Einleitung

einerseits (1) sowie aus einer Untersuchung der Quellentexte zu den frühkaiserzeitlichen provinzialen Filialkassen des aerarium p.R. andererseits (2). In beiden Teilen, sowohl beim fiscus Caesaris als auch bei den "fisci provinciarum", ist die für die Prinzipatsforschung (s.o.) zentrale Frage nach der Kontinuität zwischen (ausgehender) Republik und (frühem) Prinzipat berührt. Wenn nun die als Motto dieser Einleitung vorangestellte Meinung Mucians bzw. Cassius Dios von den Finanzmitteln als den "nervi principatus"64 zutrifft, so sollte eine Untersuchung der Frage nach der rechtlichen Verfügungsgewalt des Kaisers über bestimmte Gelder (fiscus Caesaris; "fisci provinciarum") die den rechtlich-politischen Charakter des (frühen) Prinzipates betreffende Problemstellung doch erhellen, vielleicht sie sogar einer Antwort näher bringen können. Daß der Verf. in der Tat die Auffassung vertritt, die oben nur thesenhaft skizzierten Interpretationsalternativen zum Prinzipat (Prinzipat als "Monarchie" oder als "Republik") als sachlich unangemessen ablehnen zu müssen, ist schon aus der Wahl des Titels "Das nachrepublikanische Finanzsystem" zu ersehen, ein Titel, der, wie die folgende Untersuchung zeigen soll, primär inhaltlich und nur sekundär chronologisch aufzufassen ist. Inwieweit der hier gewählte Titel, auf den in der abschließenden Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse noch näher einzugehen ist, nicht nur aus den im folgenden dargelegten Erörterungen zum frühkaiserzeitlichen Finanzsystem sachlich zwingend hervorgeht, sondern darüber hinaus sich auch als konstruktiv für die Diskussion über den Prinzipatscharakter insgesamt erweist, möge der Leser entscheiden.

64

Der Verf. ist sich der restriktiven Übersetzung des Begriffes "ηγεμονία" an dieser Stelle bewußt.

2. Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit

2.1. Seneca: Die Begriffsdefinition Am Anfang einer Diskussion über den fiscus Caesaris im ersten nachchristlichen Jahrhundert muß eine oben schon erwähnte Passage aus dem Werk "de beneficiis" des jüngeren Seneca stehen, die in der einschlägigen Literatur immer wieder zitiert, m.E. aber oftmals nicht so genau gedeutet wird, wie es angesichts der zu behandelnden Frage nach dem Rechtscharakter des kaiserlichen Fiskus notwendig ist. Der Philosoph macht in seinem in neronischer Zeit verfaßten Werk die Aussage, der Kaiser verfüge ("habere") über alles, sein "fiscus" hingegen enthalte ("habere") nur sein Privatvermögen. Parallel dazu führt er aus, daß sich alles im "imperium" des Kaisers befinde, in seinem "Patrimonium" aber nur sein Eigentum.65 Die Deutung dieser Aussage Senecas erscheint zunächst sehr einfach und klar: Der Kaiser vermag aufgrund seiner überragenden Machtfülle66 über alles im römischen Reich zu verfügen; sein persönliches Eigentum aber ist im kaiserlichen Fiskus enthalten, der mit dem Patrimonium Caesaris in Parallele gesetzt wird. Mit dieser Äußerung aus der Zeit des Kaisers Nero67 ist nun m.E. eine eindeutige Definition dessen gegeben, was unter dem fiscus Caesaris zu ver-

Sen. de benef. 7,6,3: "Caesar omnia habet, fiscus eius privata tantum ac sua; et universa in imperio eius sunt, in patrimonio propria." Es ist dies in der Literatur der Kaiserzeit der erste zeitgenössische Beleg für den Begriff "fiscus" i.S.v. "Kaiseikasse" überhaupt. Das "imperium" des Kaisers ist hier - parallel zum "Caesar omnia habet" - sicherlich allgemein als "Machtfülle", "Gewalt" oder "Machtbereich" aufzufassen. Die Deutung als terminus technicus ("imperium proconsularc") muß hier wegen der erwähnten Parallelisiening außer Bctrachl bleiben. Sutherland (AJPh 66 (1945), 164) bezieht diesen Satz des Philosophen auf die Regierungszeit des Claudius: "We cannot indeed be certain that Sencca's words apply to Claudius rather than to N'ero. But they would be most inappropriate for the early years of Nero's principate." Er verweist dabei auf die Äußerung Neros bei seinem Regierungsantritt (Tac. ann. 13,4, er wolle "domus" und "res publica" voneinander getrennt halten. Diese Begründung ist m.E. unzutreffend, weist doch auch die Aussage Senecas auf eine solche Trennung hin! Freilich ist sie bei Seneca realistischer formuliert.

22

2. Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit

stehen ist. Eine eingehende Interpretation soll zeigen, daß die genannte Passage68 die ebenso vielfältigen wie widersprüchlichen Positionen zur Frage nach dem Rechtscharakter des fiscus Caesaris, wie sie in der Einleitung skizziert werden, mit Ausnahme der These von F. Miliar69 m.E. nicht zuläßt. Es geht Seneca im Zusammenhang der genannten Stelle um die Erklärung folgender Aussage: "unus est sapiens, cuius omnia sunt... ."70 Wie, so der von Seneca vorweggenommene mögliche Einwand, könne jemand denn einen solchen Weisen beschenken, "si omnia sapientis sunt?"71 Es geht hier also um die verschiedenen Möglichkeiten des "Habens", des "Besitzens", des "Eigentums".72 So haben z.B. sowohl Cicero selbst als auch ein Buchhändler "Eigentum" an den Werken des republikanischen Schriftstellers: Cicero kann sie mit Fug und Recht sein geistiges Eigentum nennen, wohingegen sie der Buchhändler im juristisch-materiellen Sinne nach einem Kauf als sein Eigentum ansehen darf.73 Kurz darauf nennt Seneca ein weiteres Beispiel für die unterschiedlichen Möglichkeiten des "Habens": "Caesar omnia habet, fiscus eius privata tantum ac sua; et universa in imperio eius sunt, in patrimonio propria." Eine solche Unterscheidung könne "sine diminutione imperii" getroffen werden, da, was in einer Hinsicht nicht Eigentum des Kaisers sei, diesem in anderer Hinsicht wiederum doch "zustehe".74 Nachdem er seine Erörterungen über die verschiedenen Möglichkeiten, etwas zu "haben", zu "besitzen", "als sein Eigentum zu bezeichnen", abgeschlossen hat, beantwortet der Philosoph die eingangs bezüglich des Weisen gestellte Frage: "sie sapiens animo universa possidet, iure ac dominio sua."75 Angesichts dieses Kontextes, in dem sich der zentrale Satz Senecas zum kaiserlichen Fiskus findet, verbietet es sich m.E., dieser Aussage nicht insbesondere auch einen Wert in bezug auf die rechtliche Stellung des fiscus

" 69 70 71 72

73

74

75

Vgl. dazu bes. Last (JRS 34 (1944), 55/56), dessen "acute osservazioni" Garzetti (Athenaeum 31 (1953), 325, Anm.l) hervorhebt, sowie Boulveit (Labeo 18 (1972), 205). Vgl. Anm. 17. Sen. de benef. 7,3,2. Sen. de benef. 7,4,1. Last (JRS 34 (1944), 55/56): "The solution depends on recognizing the differences between various meanings capable of being borne by words and phrases expressing relations such as ownership, possession, and the like." Sen. de benef. 7,6,1: "libros dicimus esse Ciceronis; eosdem Dorus librarius suos vocat, et utrumque verum est: alter illos tamquam auctor sibi, alter tamquam emptor adserìt; ac recte ulriusque dicunlur esse, utriusque enim sunt, sed non eodem modo." Sen. de benef. 7,6,3: "quid eius sit, quid non sit, sine diminutione imperii quaeritur, nam id quoque, quod tamquam alienum abiudicatur, aliter illius est." Sen. de benef. 7,6,3.

2.1. Seneca: Die Begriffsdefinition

23

Caesaris beizumessen.76 Gewiß, die Bemerkungen "Caesar omnia habet" und "universa in imperio eius sunt" sind keineswegs als juristische Aussagen zu verstehen; vielmehr kommt darin die politische Machtstellung des Princeps zum Ausdruck, von dem eben nicht wie von einem hellenistischen Monarchen gesagt werden konnte: "iure civili omnia regis sunt."77 Dennoch hatte aufgrund seiner

Anders etwa: Herzog, Rom. Staatsverfassung Π, 2, 670, Anm.4: "... aber das Recht des Kaisers an Fiskus und Patrimonium wird hier eben als Verfügungsrecht über materielle Dinge gefasst gegenüber dem HetTscherrecht über das ganze Reich. Die juristische Stellung des Kaisers zum fiscus gegenüber der zu aerarium oder Patrimonium wird damit nicht definiert." Dim schließt sich Last (JRS 34 (1944), 56) an: "Seneca then wants a phrase to describe the things over which the Caesar exercises a more regular and effective right of disposition than he does over 'omnia', and for this purpose he not unreasonably chooses the words 'privata ac sua', by which it is not to be understood that any legal implications about ownership are intended." Ähnlich: Boulvert, Labeo 18 (1972), 205: "A propos de ces demiers (d.h.: "les biens privés du prince"), Sénèque déclare que cette fortune privée et personelle constitue le contenu du fîscus, et déclare plus loin que les biens propres du prince sont le Patrimonium. Dans ce texte fiscus et Patrimonium sont loin d'être opposés. (An anderer Stelle - RHD 48 (1970), 434 - wird Boulvert deutlicher, wenn er von der "équivalence" der beiden Begriffe spricht.) Mais devons-nous pour cela penser que le fiscus soit dans une situation de droit privé relativement au prince? Je ne le crois pas. Π s'agit plutôt de l'emploi de fiscus au sens de 'caisse', 'trésor' que peut avoir tout particulier." - Vgl. auch Hirschfeld (VB 4, Anm.l): "Seneca de benef. VII,6,3 ... gebraucht zwar das Wort (sc. "fiscus") ganz synonym mit dem kaiserlichen Patrimonium (...), aber versteht doch wohl darunter die sämtlichen der kaiserlichen Verfügung unterstehenden Gelder." Auf ein anderes der zahlreichen von Seneca gegebenen Beispiele verweist Last (JRS 34 (1944), 56): "nihil prohibet aliquid et sapientis esse et etiam eius, qui possidet, cui datum et adsignalum est. iure civili omnia regis sunt, et tarnen illa, quorum ad regem pertinet universa possessio, in singulos dominos discripta sunt et unaquaeque res habet possessorem suum; itaque dare regi et domum et mancipium et pecuniam possumus nec donare illi de suo dicimur, ad regem enim potestas omnium pertinet, ad singulos proprietates" (Sen. de benef. 7,4,2). Last führt aus:"Unless I am mistaken, neither there nor in his reference to Caesar and his fiscus is Seneca speaking the language of contemporary law, but is merely constructing situations at closest only remotely related to reality, which will illustrate the different senses of 'having' and 'owning' which he is trying to explain." Zu Recht weist Last darauf hin daß das Beispiel, in welchem der rex nach dem ius civüe alles besitzt, sicherlich einen hellenistischen Hintergrund (vgl. Sen. de benef. 7,3,1) habe. (Vgl. dazu: Ehrenberg, Staat der Griechen 274/5: "Das Wirtschaftssystem wurde ... dadurch bestimmt, daß der König den Staat bedeutete ... . Die enge Verbundenheit von Staat und Landwirtschaft kam ... vor allem darin zum Ausdruck, daß der König der größte, wenn nicht rechtlich sogar der einzige Grundbesitzer war." S. zum königlichen Reichtum insgesamt auch: Préaux, Monde Hellénistique I, 363-366; zum königlichen Territorium: ebenda 186-92.) Gerade deshalb aber "hinkt" der Vergleich (im Hinblick auf den jeweils eisten, die (politische) Wirklichkeit betreffenden Teil der Aussage Senecas) mit dem hier diskutierten Beispiel ("Caesar omnia habet"): Der römische Princeps war eben kein hellenistischer Monarch; die Eigentums- und Besitzverhältnisse waren deshalb auch ganz anders geartet. So war es (für einen Römer der frühen Kaiserzeit) offensichtlich möglich, von einem hellenistischen König zu sagen, ihm gehöre alles sogar nach dem ius civile - wobei dennoch die einzelnen domini ihren Besitz hätten; dem römischen Kaiser hingegen gehörte (juristisch) nicht alles. Der zweite Teil der Aussage Senecas aber ("fiscus eius privata tantum

24

2. Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit

überragenden Machtfülle der römische Kaiser schon eine Verfügungsgewalt (hier: "habere") über "alles" (sc. ihm wichtig Erscheinende), wobei nicht nur an die Steuereinkünfte aus den kaiserlichen Provinzen zu denken ist, über welche der Princeps aufgrund seines imperium proconsulare verfügen konnte, sondern an die Einkünfte des Reiches überhaupt.78 Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den Sätzen "fiscus eius privata tantum ac sua (habet)" sowie "in patrimonio (eius) propria (sunt)" um den Rechtscharakter der kaiserlichen Kasse definierende Aussagen. Denn gerade darum geht es dem Philosophen doch. Das "habere", das "Caesaris esse" kann eben auf zwei verschiedenen Bedeutungsebenen Anwendung finden. Es kann politische Verfügungsgewalt ebenso wie juristisches Eigentum bezeichnen. Nach diesem eindeutigen Beispiel kann Seneca ohne Mühe den "sapiens" in Analogie zum "Caesar" treten lassen: Wie der Kaiser kraft seines umfassenden imperium über alles verfügen kann ("universa in imperio eius sunt"), so vermag sich ein Philosoph jeden Gegenstand geistig anzueignen ("animo universa possidet); wie der Princeps in seinem fiscus/patrimonium nur sein Privateigentum ("privata"; "sua"; "propria") hat, so verfügt auch ein Weiser über seinen Privatbesitz ("sua") nur aufgrund seines Eigentumsrechtes ("iure ac dominio"). Da Seneca die Parallele vollständig durchführt, ist der juristische Charakter gerade auch der Aussage über den kaiserlichen Fiskus nicht zu bezweifeln: Der Kaiser verfügt eben auch über seinen Fiskus nur "iure ac dominio" und zwar weil er "privata tantum ac sua" enthält! Durch die parallele Stellung des "Caesar omnia habet" zum "universa in imperio eius sunt", die ja eine inhaltliche Identität zum Ausdruck bringt, wird wiederum auch der jeweils zweite Teil der Aussage in ein paralleles Verhältnis gesetzt: "fiscus eius privata tantum ac sua (habet)" und "in patrimonio (eius) propria (sunt)". Wenn aber - und dies ist unzweifelhaft der Fall "privata" und "sua" mit "propria" identisch sind, bleibt, vorausgesetzt, der Kaiser verwahrte sein Privatvermögen nicht in zwei Kassen, logisch nur eine Schlußfolgerung: Der fiscus Caesaris ist mit dem Patrimonium Caesaris (rechtlich) identisch,79 Senecas Sprachgebrauch an dieser Stelle ist jedenfalls ein-

ac sua [sc. habet]") hat ohne Zweifei einen (auch im engeren Sinne) juristischen Charakter. Insgesamt weist Millar (JRS 53 (1963), 29) den Versuch Lasts "to explain away the plain meaning of the sentence" zu Recht zurück. Zu denken ist hier etwa an die Einflußmöglichkeiten des Princeps auf die Verwaltungsbeamten des aerarium populi Romani. Der Begriff "fiscus" mag dabei mehr auf die Form, der Ausdruck "Patrimonium" mehr auf den Inhalt gehen. - Obwohl der Text m.E. die (rechtliche) Identität von fiscus und Patrimonium eindeutig belegt, wird das von Seneca beschriebene Verhältnis der beiden Begriffe zueinander

2.1. Seneca: Die Begriffsdefinition

25

deutig.80 Der fiscus Caesaris, also die Kasse, welche das kaiserliche Vermögen enthält, wird als Privatkasse, deren "Rechtssubjekt" ausschließlich der Prin-

in der Literatur bisweilen sehr zurückhaltend wiedergegeben; vgl. etwa: Boulvert, Labeo 18 (1972), 205 ("loin d'être opposés"; vgl. Anm.76); Jones, JRS 40 (1950), 25: "... it means that 'fiscus' was the bank or treasury of the Patrimonium, the emperor's private property." (Doch sieht auch Iones die genannte Seneca-Passage als "rhetorical doublet".); Baldacci, PP 24 (1969),351: "Bisogna tuttavia notare che, ... , fiscus non è affatto usato come sinonimo di Patrimonium ..., ma ha ancora il suo normale significato di 'cassa'." Einig sind sich - bei allen grundsätzlichen Gegensätzen - in ihrer klaren Deutung Miliar (JRS 53 (1963), 29: "... a formal correspondence between 'fiscus' and 'Patrimonium'.") und Brunt (JRS 56 (1966), 78: "[Für Seneca sei der Begriff "fiscus"] ... apparently synonymous with 'Patrimonium'"). 10

Ansonsten gebraucht Seneca den Begriff "fiscus" nicht im Zusammenhang mit der Person des Kaisers (vgl. Busa/Zampolli, Concordantiae Senecanae 486). In seinen Briefen ist unter "fiscus" jeweils ein Geldbeutel oder Geldsack zu verstehen (ep. 76,13: "navis ... fiscis atque opibus regiis pressa" ; ep. 87,18: "fiscus tanti est quantum habet"; ep. 119,5: "ego iam paraveram fiscos"). In seinem philosophischen Traktat über den Zorn steht der Inhalt der Geldsäcke mehr im Vordergrund (de ira 3,33,2 [bezüglich der Geldgier der Menschen]: "libet intueri fiscos in ángulo iacentes"; de ira 3,33,3 [bezüglich des Geizes eines alten Mannes]: "quid si ne propter fiscum quidem, sed pugnum acris aut inputatum a servo denarium senex sine herede monturas stomacho dirampitur?"). Vgl. zu diesen Stellen insges.: Boulvert, Labeo 18 (1972), 204/05. (In zwei weiteren Passagen der kaiserzeillichen Literatur findet der Begriff "fiscus" Erwähnung, ohne einen Bezug zur Person des Kaisers zu haben: zum einen in einer Fabel des Phaedrus, wo von einem "mulus" die Rede ist, der "fiscos cum pecunia" trägt [2,7,2; vgl. dazu: Cremona, Lexicon Phaedrianum 199: "corbis ad ferendam apta"], zum anderen in einer Satire Juvenals [14,259/60: "multus in arca fiscus"], wo der Begriff, wie Baldacci [PP 24 (1969), 350, Anm.6: "molto denaro in cassa"] richtig sieht, eindeutig auf den Inhalt des Geldsackes geht.) - Umstritten ist der letzte hier relevante Passus im Werk des Philosophen: "sponsum descendam, quia promisi, sed non si spondere me (in) incertum iubebis, si fisco obligabis." Schon die Übersetzung dieser in ihrem Sinn doch zunächst recht dunklen Passage (Sen. de benef. 4,39,3) ist schwierig. Sie müßte m.E. so lauten: "Ich werde mich (auf das Forum) begeben (zu "descendere" vgl. Gudcman.ThLL V,1 (1909-1934),Sp. 649/50: = "se demitlere, se conferre, procedere, submitli, se accomodare, persaepe pertinet ad aliquid indignum, molestum, nefas".), um (für dich) zu bürgen (zur sponsio vgl. Käser, Rom. Privatrccht I 2 , 660-2; zur Stelle selbst äußert sich Käser ausweislich seines Quellcnregisters (832) nicht), weil ich das ja versprochen habe; doch werde ich das nicht tun, wenn du mich auffordern wirst, eine Bürgschaft "in incertum" zu übernehmen, wenn du (mich) "fisco" verpflichten (verpfänden) willst." (Ungenau gibt Boulvert (a.a.O. 201) den ersten Teil der Aussage wieder: "Sénèque déclare que celui qui a garanti par sponsio une obligation doit descendre au forum comme caution, sans doute pour y être poursuivi en justice, ... ." Derjenige, der das Versprechen abgegeben hat, sich als Bürge zur Verfügung zu stellen, will ja erst noch die Bürgschaft leisten (Futur! Supinum!), er hat es aber noch nicht getan. Andernfalls ergäbe auch der zweite Tei! ["sed non si ..."] keinen Sinn.) In diesem Abschnitt aus dem Werk "de benefieiis" geht es um die Frage, bis zu welchem Grade man verpflichtet ist, sein Versprechen zu halten (vgl. Miliar, JRS 53 (1963), 32; ein anderes von Seneca (ebenda) angeführtes Beispiel lautet wie folgt: "ad ccnam ibo, quia promisi, ibo, cliam si frigus erit; non quidem, si nives cadcnt.") Diese Verpflichtung entfällt nach Seneca in bestimmten Extrcmfallen (vgl. Jones, JRS 40 (1950), 25: "... this pledge does not hold in extreme cases, ..."), z.B. wenn man (lcichlsinnigerwcise) versprochen hat, eine Bürgschaft unbestimmter Größenordnung zu übernehmen. Der Ausdruck "fisco" wird nun gemeinhin

26

2. Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit

ceps

ist 81 , geradezu

definiert.

grammatisch als Dativ und inhaltlich als fiscus Caesaris gedeutet (vgl. etwa die bei Boulvert a.a.O. 201 zitierten Übersetzungen). Dabei versteht Jones (a.a.O. 25) unter dem Fiskus die kaiserliche Finanzverwaltung ("Here 'fiscus' clearly means the imperial government in its financial aspect"). Millar hingegen sieht hier ein Beispiel für "the fiscus in litigation" (a.a.O. 31/32), wobei für ihn der fiscus Caesaris selbstverständlich auch weiterhin die kaiserliche Privatkasse ist. (Seine Deutung der dem oben zitierten Satz zugrunde liegenden Situation ist m.E. allerdings nicht zutreffend: "The passage probably reflects a situation in which a man being sued for an indefinite amount ('in incertum') by the Fiscus asks a friend to act as sponsor" [a.a.O. 32, Anm.40]. Inwiefern konnte denn der Fiskus, des Kaisers Privatkasse (bzw.: ihre Verwalter), jemanden wegen eines unbestimmten Betrages belangen? Mußte er bei einer Anklage (von der tatsächlich übrigens auch nicht die Rede ist!) nicht wenigstens erklären, was genau er für sich beanspruchte?) Die Deutung von "fisco" als Dativ ist nun zwar grammatisch möglich (dies konzediert auch Boulvert, a.a.O. 201; vgl. etwa das Fragmentum de iure fisci (edd. Huschke/Seckel/Kuebler) aus dem 5./6. Jhdt. n.Chr., wo in §5 von Gütern die Rede ist, die "velut pignoris iure fisco" obligantur), doch muß dann tatsächlich der fiscus die Kasse (incl. Verwaltung derselben) des Kaisers sein. Dies aber ist vom Inhalt des Satzes her m.E. ausgeschlossen. Es ist das Verdienst Boulverts (a.a.O. 205), auf die Deutungsmöglichkeit des "fisco" als Ablativ hingewiesen zu haben. Er führt im wesentlichen zwei miteinander verbundene Begründungen dafür an: Zum einen wäre diese Aussage Senecas ein zu solch frühem Zeitpunkt ganz vereinzelt dastehender Beleg für den Begriff "fiscus" als "une sorte d'entité, susceptible d'être titulaire de droits" (203). Er fährt fort: "Dès Sénèque certaines règles de droit fiscal autonomes par rapport au droit privé, et aussi par rapport au droit public existeraient donc. Ainsi le fiscus, institution du droit public impérial, présenterait dès cette époque certaines de ses caractéristiques essentielles. Utilisé par Sénèque le mot désignerait le Fiscus et non un fiscus, ... ." (203). Genau dies sei aber zum anderen ganz unwahrscheinlich, da der Begriff bei Seneca sonst nirgends "au sens d'une sorte d'entité régie par des règles de droit exorbitantes du droit commun" (205) verwendet worden sei. Der erste von Boulvert genannte Grand ist m.E. nicht stichhaltig, da - zumindest im ersten Jahrhundert - der fiscus Caesaris nicht als juristische Person (vgl. dazu Anm.27-33 m.Text), sondern als Kasse des Kaisers gesehen wurde (Sen. de benef. 7,6,3: "fiscus eius [= Caesaris]"! Den Bedeutungswandel sieht Boulvert allerdings erst unter den Flaviern eintreten; vgl. dazu Anm.39). Der Hinweis auf den sonstigen Begriffsgebrauch bei Seneca ist allerdings wichtig und richtig: Nur einmal (de benef. 7,6,3) bringt der Philosoph diesen Begriff in Zusammenhang mit dem Kaiser - und das in einer konkreten Art und Weise ("eius"!), die auch die anderen hier relevanten Passagen auszeichnet. Doch gibt es m.E. eine zusätzliche, inhaltliche Begründung für die Ablehnung der Deutung des hier genannten "fiscus" als Kaiserkasse: Es ist doch kaum vorstellbar, daß der Prinzenerzieher und "kaiserliche" Politiker Seneca ein Verhalten als "beispielhaft" hinstellt, das darauf hinausläuft, gegenüber der kaiserlichen Kasse bzw. ihrer Verwaltung und damit letztlich dem Kaiser selbst (aus Angst und Mißtrauen) freiwillig keinerlei Verpflichtungen einzugehen, ja, gegenüber Fiskalschuldnern dahingehende Versprechungen sogar zu brechen! Damit ist freilich auch die Deutung von Jones (s.o.) hinfällig. Das "fisco" ist vielmehr als Ablativ zu deuten, und zwar als Ablativus pretii (vgl. Leumann u.a., Lat. Grammatik, Π 128-130). So schreibt Boulvert (a.a.O., 205) zu Recht: "Ce n'est pas 'envers' le fiscus que s'engage le débiteur principal, mais 'a un fiscus, c'est à dire à une somme d'argent indéterminée contenue dans un panier." Im zweiten Konditionalsatz erläutert Seneca das "incertum" des ersten Bedingungssatzes; er gibt "un exemple explicatif d'une telle promesse d'incertum" (Boulvert, a.a.O. 206). Es ist m.E. sogar sinnvoll, die Interpretation noch schärfer zu fassen und zu übersetzen: "(Ich werde meinem

2.1. Seneca: Die Begriffsdefinition

27

Diese Deutung gerade auch des Kontextes, in welchem der wichtige Satz steht, hat noch eine weitere Konsequenz: Wenn es Seneca darum ging, Beispiele für die verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten von "habere" anzuführen, so durften die Beispiele selbst auf keinen Fall auch verschiedene Bedeutungen in sich tragen; sie mußten vielmehr eindeutig

sein. Der Begriff "fiscus (sc.

Caesaris)" konnie sich demnach nur als Beispiel eignen, wenn er

ausschließlich

die Privatkasse des Kaisers bezeichnete. Andernfalls hätte das doch der Verdeutlichung dienen sollende Beispiel eine geradezu verwirrende "Funktion" gehabt. Ein derartiger Fehlgriff ist aber Seneca kaum zu unterstellen.82 Der fiscus Caesaris ist also die Privatkasse des Princeps, in welche keine staatlichen Steuern - auch nicht aus kaiserlichen Provinzen - geflossen sein können. Diese müssen demnach weiterhin an die einzige zentrale Staatskasse, das aerarium populi Romani, gegangen sein. Genau dies bezeugt für Ägypten Velleius Paterculus, ein Zeitgenosse des Tiberius, in einem Exkurs über die römischen Provinzen: Kaiser Augustus habe, indem er Ägypten steuerpflichtig gemacht hatte, dem Aerar einen nahezu gleich hohen Betrag überwiesen, wie es sein Vater (Caesar) aus Gallien getan habe.83 Wenn aber das Steueraufkom-

Versprechen nicht nachkommen), wenn du mich auffordern wirst, eine Bürgschaft in unbestimmter H ö h e zu übernehmen, wenn du (mich) mit meinem ganzen Vermögen verpflichten wirst." Denn wie sich im fiscus Caesaris (= Patrimonium Caesaris) doch wohl das gesamte Privatvermögen des Kaisers befand (Sen. de benef. 7,6,3), so beinhaltete auch der fiscus eines beliebigen Privatmannes des (Gesamt-) Vermögen desselben. Es geht hier ja nicht u m eine nicht genau bestimmbare S u m m e , die in irgendeinem Geldsack untergebracht werden kann. Vielmehr will Seneca darauf hinweisen, daß ein Versprechen zur Bürgschaftsleistung, das den Bürgen in den Ruin treiben würde, nicht eingehalten werden müsse, ein Versprechen z.B., bei dessen Einhaltung er mit seinem ganzen Vermögen ("fisco") haften würde. So gesehen ist dem Philosophen ein vortreffliches Beispiel gelungen im Hinblick auf seine Frage nach dem Grad der Bindungswiikung eines Versprechens. Als Beleg jedoch f ü r den fiscus Caesaris - in welcher Deutung auch immer - entfällt diese Stelle. 81

Es handelt sich hier keineswegs um eine "juristische Person" (vgl. dazu Anm. 27-33 m.Text): Der fiscus ist ebenso "des Kaisers" (eius = Caesaris), wie das aerarium "des römischen Volkes" (populi Romani) ist.

82

Nach dieser Definition Senecas kann der Begriff "fiscus" also nicht "other senses too" (Brant, J R S 5 6 (1966), 76; vgl. Anm.24 m.Text) haben. Darauf verweist zu Recht Millar (Emperor 197/8): "... il would have been an inexplicable confusion on the pari of Seneca to have chosen precisely this word to use in illustrating t w o distinct meanings of the word habere: "Caesar ' h a s ' everything, his fiscus only his private properly; and all things are in his imperium, in the Patrimonium (only) his personal property." The implied equivalence between fiscus and Patrimonium is perfectly clear."

83

Veil. Pat. 2,39,2: "divus Augustus ... paene idem facta Aegyplo stipendiarla, quantum pater eius Galliis, in aerarium reditus contulil." Vgl. Dio 51,17,1; "έκ δε τ ο ύ τ ο υ τήν τ ε Αϊγυπτον υ π ο τ ε λ ή έ π ο ί η σ ε (sc. Augustus) ... ."

28

2. Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit

men84 der "kaiserlichsten" aller kaiserlichen Provinzen85 schon in das Aerar flöß86, so ist dies erst recht für die übrigen vom Princeps verwalteten Provinzen anzunehmen.87 Vellerns trifft diese Aussage zwar nur für den Zeitpunkt,

85

Vellerns gebraucht das Adjektiv "stipendiarius" synonym mit "tributarius"; vgl. etwa Veil. Pat. 2,38,1; 39,3; s. auch Mommsen, StR Π, 2, 1095, Anm.l, sowie Neesen, Untersuchungen 26-28. Ohne Zweifel war aber auch Ägypten - rechtlich gesehen - eine Provinz des römischen Volkes (und somit des Staates), wie nicht nur die hier zur Diskussion stehende Belegstelle zeigt; vgl. etwa auch: CIL VI 701 (10 v.Chr.): "... Aegypto in potestatem populi Romani redacta ..." RGDA 27: "Aegyptum imperio populi [Ro]mani adieci" (vgl. dazu Garzetti, Athenaeum 31 (1953), 320, Anm.3); Macrob. sat. 1,12,35 (das SC aus dem Jahre 27 v.Chr. über die Einführung des Monatsnamens Augustus wird dort zitiert): "Aegyptus ... in potestatem populi Romani redacta ..." ; Strabo 17,1,12,§797: "(Ägypten) επαρχία δε νΰν έστι, φόρους μεν τελούσα άξιολόγους,..." Ganz deutlich ist auch Sueton (Aug. 18,2): "Aegyptum in provinciae formam redactam ... ." Angesichts dieser eindeutigen Quellenlage (vgl. auch Dio 51,17,1; 53,13,2) ist es erstaunlich, daß die These von Ägypten als kaiserlichem Privatbesitz bis in die jüngste Zeit hinein immer wieder vertreten wird; vgl. etwa: Dahlheim, Römische Kaiserzeit 34: "Die Verwaltung des dem privaten Besitz des Kaisers zugeschlagenen Ägypten wurde einem ritterlichen Präfekten anvertraut; ... ." Quellenbelege für eine derartige zeitgenössische Auffassung fehlen. Wenn etwa Tacitus (hist. 1,11,1) schreibt, "ita visum expedire provinciam (d.h. Ägypten) ... dom(u)i retiñere" (vgl. Tac. ann. 2,59: "... Augustus ... seposuit Aegyptum ..."; auch hier wird Ägypten als "provincia" bezeichnet!), so besagt doch diese Stelle nur eine im Vergleich zu den anderen kaiserlichen Provinzen engere Anbindung Ägyptens an die domus des Princeps; sie bezieht sich auf die Verwaltung (vgl. dazu: Hirschfeld, VB 343-371), nicht auf den rechtlichen Status als römische Provinz - gebraucht doch Tacitus an eben dieser Stelle auch den terminus technicus "provincia"! - Vg!. auch die ebenso knappen wie überzeugenden Ausführungen Brunts (JRS 56 (1966), 90/91) und Rostowzews (RE VI,2 (1909), 2395). Zu den Besitzverhältnissen in Ägypten vgl. Parássoglou, Imperial Estates.

"

Selbstverständlich wurden nur eventuelle Überschüsse an die stadlrömische Zentrale weitergeleitet; vgl. Jones (JRS 40 (1950), 24): "Probably only Egypt produced a surplus over local expenditure, and this surplus was paid into the Aerarium,...." Brunt (JRS 56 (1966), 90) stellt dies in Frage: "Whether this (d.h. die Aussage des Velleius) means that Egyptian revenues surplus to local expenditure were actually paid into the aerarium may be doubted; but the least we can suppose is that they were treated as notionally due to the aerarium, and that Augustus was in account with it." Freilich konnten überschüssige Gelder auch nach anderen Orten transferiert werden, je nach Bedarf. Wichtig ist nur, daß die ägyptischen Steuergelder rechtlich - und nicht nur "notionally" - eindeutig zur Finanzmasse des aerarium populi Romani gehörten (so auch: Sutherland, AJPh 66 (1945), 154). - Zur Höhe der ägyptischen Steuergelder, für welche die hier behandelte Passage aus dem Geschichtsweik des Velieius ein wichtiger Beleg ist, vgl.: Frank, JRS 23 (1933), 147/8; dens., ES AR V, 6; 13, Anm.23; 52, Anm.43; Johnson, ESAR II, 485, Anm.2a; Wallace, Taxation 342.

17

Vgl. Brunt, JRS 56 (1966), 91: "If none the less he (i.e. Augustus) recognized his financial accountability for his administration (sc. Ägyptens), we may assume a fortiori that he did so for other provinces." Nun geht es hier aber nicht so sehr um die verwaltungstechnische Verantwortlichkeit des Augustus; vielmehr ist deutlich gesagt, daß die Steuergelder aus Ägypten an das Aerar fielen. Insofern ist auch die Kritik Brunts (a.a.O. 83) an der Position Millars nicht überzeugend, wenn er hinsichtlich einer Passage aus der Augustus-Biographie Suetons (Suet. Aug. 40,3) schreibt: "Millar's objection to the natural signification, that 'fiscus' stands for the

2.2. Augustas: Die Begründung des Finanzsystems

29

als Ägypten römische Provinz wurde8g, doch ist von einer Änderung dahingehend, daß zu irgendeinem Zeitpunkt Steuergelder an den fiscus Caesaris gingen, (für das erste Jahrhundert) nichts bekannt. Somit ergänzen sich die beiden Quellenabschnitte ganz natürlich: Der fiscus Caesaris (= Patrimonium Caesaris) enthielt alle kaiserlichen Privatgelder (Seneca), das aerarium populi Romani (bzw. seine Filialkassen) alle Steuergelder aus den Provinzen (Velleius). Diese These vom Fiskus als kaiserlicher Privatkasse gilt es im folgenden im chronologischen Ablauf für den Prinzipatsbegründer, das julisch-claudische Herrschergeschlecht, das Vier-Kaiser-Jahr sowie für die flavische Dynastie zu verifizieren. Dabei soll gerade auch die in der Forschung sehr kontrovers diskutierte Frage nach dem "Entstehungszeitpunkt" des fiscus Caesaris in die Erörterungen einbezogen werden.89

2.2. Augustus: Die Begründung

des

Finanzsystems

Für den augusteischen Prinzipat ist der Begriff "fiscus" im Sinne einer kaiserlichen Kasse zeitgenössisch nicht belegt90. Insbesondere ist hervorzuheben, daß Augustus selbst den Ausdruck in seinem Tatenbericht nicht erwähnt. Wenn er die Finanzquellen benennt, aus denen sich seine Wohltätigkeit speiste, gebraucht er die Formulierungen "privata impensa", "impensa et cura mea", "ex testamento patris mei", "ex bellorum manibiis", "ex patrimonio meo", "frumento privatim coempto", "ex manibiis", "pecunia mea" oder "ex horreo et patrimonio

"

"

public funds administered by Augustus, derives its strength only from the absence of other direct testimony that public revenues even from imperial provinces went to the 'fiscus' in the first two centuries of the Principate The argument from silence has no weight, as to my knowledge no evidence from the period in question tells us where the direct taxes did go." Veil ci us informiert aber genau darüber! (Millar, JRS 53 (1963), 29-42, nimmt überraschenderweise keinen Bezug auf diesen Passus; anders: ders., Emperor 197). VcUeius wählt im Hinblick auf die Höhe des Sleueraußommens in Ägypten an dieser Stelle zu Recht das konstatierende Perfekt "contulit" und nicht das bei regelmäßiger Zahlung des Stipendium eigentlich zu erwartende Imperfekt. Wallace (Taxation 342) formuliert denn auch sehr präzise, wenn er hinsichtlich dieser Passage von "the income from Egypt at the beginning of the reign of Augustus" spricht. Vgl. dazu Anm.36-39 m.Text. Vgl. zum folgenden insgesamt die übersichtliche Darstellung Garzettis (Athenaeuin 31 (1953), 298-328).

30

2. Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit.

meo"91. Der Prinzipatsbegründer benutzte also den Begriff "fiscus" offenbar nicht als terminus technicus für sein Privatvermögen. Als Bezeichnung für eine zweite zentrale Staatskasse entfällt der Ausdruck nach der Interpretation der oben zitierten Passagen aus den Werken Senecas und besonders des Velleius der genannte Abschnitt zeigt ja gerade die Verhältnisse zur Zeit des Augustus92 - ohnehin; wenn der Begriff "fiscus" i.S.v. "Staatskasse" (in augusteischer Zeit) Anwendung findet, so bezeichnet er Filialkassen des aerarium Saturni.93 In nicht-zeitgenössischen Quellen erscheint hingegen der Begriff "fiscus" zur Bezeichnung des Privatvermögens des Augustus. So spricht etwa Plinius d.Ä. davon, Augustus habe den Einwohnern von Neapel für den collis Leucogaeus eine jährliche Pachtsumme von 20000 HS94 "e fisco suo" zahlen lassen; Plinius beruft sich dabei auf ein in seiner Zeit noch existierendes Dekret des Kaisers.95 Doch ist letzteres kein Beleg dafür, daß in augusteischer Zeit der Aus-

91

RGDA 1; 5; 15; 17; 18; 21. Vgl. dazu: Wilcken, SBPAW 1931, 772-774. - Daß Kloft (Liberalitas 132) die von Augustus bezeichneten Gelder von Mitteln aus dem Aerar sowie "aus dem fiscus oder den entsprechenden Vorformen dieser Kasse" abgrenzt und daraus schließt, der Kaiser habe nur solche Summen nennen wollen, "die sich als persönlicher Besitz nachweisen" ließen, hängt mit seiner (m.E. nicht zutreffenden) Auffassung vom fiscus Caesaris als einer zweiten (kaiserlichen) Staatskasse (ebenda 129) zusammen. Der erste Princeps benannte als Quellen seiner liberalitas tatsächlich nur Gelder, die er - rechtlich - als sein Eigentum ansehen durfte (zu den von Augustus angeführten "manubiae" vgl. Millar, JRS 53 (1963), 30); er tat dies allerdings in der zu seiner Zeit üblichen Sprache, weshalb sich der Begriff "fiscus" nicht findet. Die Filialkassen des Aerars in den kaiserlichen Provinzen aber waren, wie unten (Kap.3.2.) gezeigt werden soll, keine "Vorformen" des fiscus Caesaris, sondern von diesem (rechtlich) eindeutig getrennt.

92

Vgl. Frank, JRS 23 (1933), 143: "Since Velleius, who knew Augustus personally, speaks of the annual revenues of Egypt as flowing to the Aerarium (...), it is the part of prudence to omit the word 'Fiscus' in speaking of Augustan finances; for certainly, if there was a Fiscus, the Egyptian revenues might be expected to lodge there." (Letztere Aussage gilt freilich nur, wenn man den Begriff "fiscus", wie es häufig geschieht, als Ausdruck für eine zweite Staatskasse auffaßt.).

93

Es handelt sich um insgesamt vier Quellenpassagen: Suet. Aug. 40,3; 101,4; Dig. 48,13,9(10),§6 (Antistius Labeo); IG V(2) 516 = Syll. 3 800 (aus Lykosura); vgl. dazu die Erörterungen in Kap.3.2. dieser Arbeit. Die Zahl ist unsicher, da der Text (vgl. Anm.95) an dieser Stelle korrupt ist. Von 20.000 HS gehen Jones (JRS 40 (1950), 25) und Miliar (JRS 53 (1963), 30) aus; LeBonnice (Pline/Livre XVIII 96) schließt sich der in einer Hs. überlieferten Zahl "ducena" an. Plin. n.h. 18, 114: "mvenitur haec (i.e. creta) inter Puteolos et Neapolim in colle Leucogaeo appellato, extatque divi Augusti decretum, quo annua vicena milia Neapolitanis pro eo numerari iussit e fisco suo, coloniam deducens Capuam, adiecitque causam adferendi, quoniam negassent Campani alicam confici sine eo metallo posse." Vgl. dazu: D'Arms, Bay of Naples 82/83.

w

95

2.2. Augustus: Die Begründung des Finanzsystems

31

druck "fiscus" schon terminus technicus für die Privatkasse des Kaisers war, denn Plinius muß ja keineswegs wörtlich aus dem Dekret zitiert haben.96 Es ist an dieser Stelle kaum zu entscheiden, ob ein anachronistischer ("offizieller") oder nur ein umgangssprachlicher Wortgebrauch vorliegt. 97 Denn daß die Kasse eines Privatmannes mit dem Begriff "fiscus" bezeichnet werden konnte, ist z.B. bei Valerius Maximus belegt, der darauf hinweist, Caesar habe nach Beendigung des Bürgerkrieges die Schulden des Pompeius "ex suo fisco" beglichen. 98 Andererseits benutzt noch Velleius - er gebraucht das Wort "fiscus" überhaupt nicht -, als er die Quelle bezeichnet, aus der sich die Wohltätigkeit des Tiberius speiste, den Begriff "Patrimonium".99 Berücksichtigt man, daß gerade auch Augustus in seinem Tatenbericht das Wort "fiscus" für seine Privatkasse nicht verwendet, so ist allerdings m.E. der Wortgebrauch des Plinius 100 , der ja immerhin dem Kaiser (und nicht irgendeiner Privatperson) einen solchen Fiskus zuschreibt, doch eher als anachronistisch anzusehen. 101 Eindeutig liegen zwei solche Anachronismen in der Augustus-Vita Suetons vor. 102 Der Biograph spricht zum einen davon, Octavian habe nach Beendi-

96

97

"

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100

101 102

Jones, JRS 40 (1950), 26: "... unfortunately we cannot be sure that the decree used these actual words." Auch LeBonnice (Pline/Livre XVHI 225) äußert in seinem Kommentar zur Stelle nur die Vermutung : "Pline a peut-être connu ce document administratif par Turranius Gracilis,..." (Vgl. zu letzterem seine Einleitung 23.) Eine Antwort auf die Frage, ob Plinius aus diesem Dokument wörtlich zitiert hat, ist damit freilich noch nicht gegeben. Diese Frage läßt Kienast (Augustus 314) offen, wenn er schreibt: "Das Wort (sc. "fiscus") konnte auch gebraucht werden, um die private Kasse des Augustus zu bezeichnen " Val. Max. 6,2,11: "(Caesar) aes alienum Pompei ex suo fisco solvi iussit." Vgl. dazu: Brunt, JRS 56 (1966), 76: "But just as we may say that a man pays something from his own pocket, meaning that he does so from his capital or income as a whole, so a Roman could say that he paid 'ex suo fisco"'. - In gewisser (keineswegs amtlicher oder auch nur offiziöser) Weise ist an dieser Stelle literarisch zun ersten Mal vom fiscus "Caesaris" die Rede, nämlich von der Privatkasse des Gaius Julius Caesar. Veil. Pat. 2,130,2: "... omnis ordinis hominum iaclurae patrimonio succurrit suo." Vgl. Miliar, JRS 53 (1963), 40, Anm.156. Dieser ist ja hinsichtlich des Wortes "fiscus" durchaus nicht einheitlich; so ist z.B. der "fiscus" in Plin. n.h. 6,84 als Provinzialkasse von Ägypten zu deuten (vgl. dazu die Bemerkungen in Kap.3.2.). So auch Kloft, Liberalitas 131, Anm.226. Boulvert (RHD 48 (1970), 432) stellt für Sueton die Behauptung auf: "... pour chaque époque il emploie le terme fiscus dans le ou les sens qu'il avait alors." Diese Behauptung müßte sich ohne Zweifel auch auf das vom Nomen abgeleitete Verb "confiscare" beziehen (vgl. Lommatzsch ThLL IV (1906-09), 226; nach den dort angeführten Belegstellen gebraucht von den für diese Arbeit relevanten Quellenautoren allein Sueton dieses Verb - und er gebraucht es von allen genannten Autoren mit Abstand am häufigsten.). Schon Garzetti (Athenaeum 31 (1953), 321, Anm.l) wies aber auf einen derartigen anachronistischen Wortgebrauch bei Sueton hin: Sucl. Aug. 15.

32

2. Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit

gung des bellum Perusinum (40 v.Chr.) die Güter seiner Gegner eingezogen ("confiscare"). 103 Zum anderen weist er darauf hin, der Kaiser habe die Summe, die er nach seinem Tode dem Volk und den Soldaten vermachen wollte, "in seiner Privatkasse" zurückgelegt ("confiscare"). 104 Nun kann "confiscare" vom Begriff her nur einen Vorgang bezeichnen, der die Einziehung (bzw. die Hinterlegung) von Vermögen in den "fiscus" beinhaltet. Somit haben diese Stellen für die vorliegende Untersuchung durchaus Bedeutung. 105 Was unter diesem "fiscus" von Sueton an den beiden genannten Stellen verstanden wird, ist deutlich: die Privatkasse des Augustus. Im ersten Fall wird damit die Geldgier des Triumvirn zum Ausdruck gebracht, im zweiten der Ort der für testamentarische Zwecke deponierten Privatgelder bezeichnet. Daß es sich hierbei um eine anachronistische Ausdrucksweise handelt, erhellt zum einen aus der Tatsache, daß der Biograph die frühesten Belege für das Verb "confiscare" bietet; zum anderen wird dies besonders deutlich daraus, daß er es schon in bezug auf den späteren Princeps verwendet, als dieser noch nicht einmal die Entscheidungsschlacht bei Actium gewonnen hatte. Zu diesem Zeitpunkt aber ist eine Einziehung von Geldern in eine Kasse, die ("offiziell") "fiscus (sc. Caesaris)" genannt wurde, ganz undenkbar. Doch muß man es keineswegs dabei bewenden lassen, diese Anachronismen festzustellen. 106 Wenn nämlich Sueton den ihm in seiner Zeit geläufigen Begriff "confiscare" für die Beschreibung eines Vorgangs benutzt, der die Einziehung von Gütern für die Privatkasse (bzw. die Deponierung von Geldern in derselben) des Octavian/Augustus beinhaltet, so ist daraus der (private) Rechtscharakter, den er eben dieser Kasse (also dem "fiscus Caesaris") zu-

,ra

104

105

Suet. Aug. 15 (mit Hinweis auf eine ihm vorliegende Überlieferung): "... ut ... devictisque is (i.e. adversaries) et confiscalis promissa veteranis praemia solverentur." - Der Begriff "confiscare" ist freilich nicht mit dem modernen "konfiszieren" (= "von Staats wegen einziehen") gleichzusetzen. Suet. Aug. 101,2: "quam summam repraesentari iussit, nam et confiscatemi semper repositamque habuerat." Den Begriff "confiscare" übersetzt präzise Lambert, Suetonius 119. - Im nächsten Satz (101,3) entschuldigt sich Augustus im Hinblick auf bestimmte Legate seines Testaments für die geringe Höhe seiner "res familiaris", seines Privatvermögens also, von dem die "summa confiscata" ein Teil war.

Die Relevanz dieser Quellenabschnitte wird in der Sekundärliteratur häufig nicht gesehen; vgl. etwa: Boulvert, R H D 48 (1970), 431-433; Millar, JRS 53 (1963), 37/38; Brunt, JRS 56 (1966), 82/83. S. hingegen Sutherland, AJPh 66 (1945), 161. 1C * Vgl. Jones, JRS 40 (1950), 26: "The language of Tacitus and Suetonius when speaking of the Julio-Claudian period, obviously cannot be pressed: their use of the term 'fiscus' is clearly at times anachronistic." Vgl. auch ebenda 27/28. Über den "anachronistischen" Sprachgebrauch bei Tacitus und Sueton s.u. (bes. in Kap.2.3.2.) Näheres.

2.2. Augustus: Die Begründung des Finanzsystems

33

schreibt, klar zu ersehen.107 Der Biograph drückte - wie es auch heutige Historiker unternehmen - ältere Vorgänge in seiner "modernen" Sprache aus; er konnte so darauf rechnen, von seinen Lesern leichter verstanden zu werden. Bedenkt man zusätzlich noch, daß Sueton der Gegenbegriff "publicare" i.S.v. Gütereinziehung "von Staats wegen" durchaus geläufig war108, so ist für das Verb "confiscare" eine ganz bewußte Wortwahl anzunehmen; er wollte damit offensichtlich die Einziehung (bzw. Deponierung) von Geldern "von Kaisers wegen" wiedergeben, d.h. die Einziehung in den privaten fiscus Caesaris. Dies

107

Vgl. auch die anderen Stellen, an welchen der Biograph das Verb "confiscare" benutzt: Suet. Tib. 49,2; Cal. 16,3; 41,2; Dom. 12,2. Auf diese Abschnitte soll im folgenden näher eingegangen werden; doch sei schon hier besonders auf Suet. Cal. 41,2 hingewiesen, wo "confiscare" die persönliche Bereicherung des Kaisers präzise wiedergibt. - Nie bezieht Sueton dieses (erst in der Kaiserzeit aufgekommene) Verb auf eine Provinzialkasse: vgl. dazu bes. die Erörterungen zu Suet. Dom. 12,2 (Kap.2.5.), aber auch zu Suet. Tib. 49,2 (Kap.2.3.3.1.).

10

* In diesem Sinne benutzt er das Verb "publicare" an drei Stellen: (vgl. zum folgenden insges.: Iloward/Iackson, Index Verborum/Sueton 198): lui. 14,1 : Die Güter der Catilinarier sollten beschlagnahmt werden; 82,4: Die Mörder Caesars hatten beabsichtigt, die Güter des Diktators einzuziehen; Claud. 25,1 : Claudius wirkte darauf hin, daß die Güter von Sklaven, die sich den Ritterling anmaßten, eingezogen wurden (so auch: Lambert, Suetonius 219: "... ließ er Hab und Gut verkaufen ..."). Sueton konstruiert hier "libertinos ... publicavit" persönlich (vgl. Cie. dom. 20; u.zit.) wie "confiscare" (vgl. etwa Suet. Aug. 15). Ausgeschlossen ist m.E. eine Interpretation, wonach die Freigelassenen selbst "eingezogen" (und dann zu servi publici gemacht) worden wären, da Sueton die Möglichkeit der Wiederversklavung als härtere Bestrafung für "undankbare" Freigelassene ("ingratos ... revoeavit in servitutem") direkt im Anschluß an das "libertinos ... publicavit" alternativ anführt. Daß "publicare" hier nicht mit "in servitutem vendere" (so: Smilda, Sucton/Oaudius 119) gleichzusetzen ist, legen schon rein sprachliche Erwägungen nahe: Den Vorgang, daß der Kaiser die libertini hätte wieder versklaven und den Ertrag der Staatskasse zukommen lassen, mit dem Ausdruck "publicare" zu bezeichnen, wäre zum einen eine starke Brachylogie (wozu Sueton allerdings gelegentlich neigt), zum anderen ein für den Biographen einmaüger Begriffsgebrauch. Vgl. auch Mommsen, StR ΙΠ,Ι, 424 u. 451, Anm.4. Häufiger verwendet Sueton den Begriff "publicare" allerdings i.S.v. "der Öffentlichkeit zugänglich machen" (Suet. Aug. 29,1; 100,4) oder "veröffentlichen" = "publizieren" (Suet. Aug. 36; Cal. 16,1). - Ganz unglücklich wird übrigens das "confiscare" u.a. in Suet. Aug. 15 von Lommatzsch (ThLL IV (1906-09), 226) mit "publicare, aliquem vel bona alieuius" wiedergegeben. Erst die Breviarienliteratur der späteren Kaiserzeit gebraucht die Verben "confiscare" und "publicare" synonym: Fest. brev. 13: "Cyprus, famosa divitiis, paupertalcm populi Romani, ut occuparetur, sollicilavit. Earn rex focderatus regebat, sed tanta fuit penuria aerarti et tam ingcns opum fama Cypriarum, ut lege data Cyprus confiscari iubcretur

Cato

Cyprias opes Romam navibus advexit." Vgl. zu diesem Vorgang aus republikanischer Zeit den Kommentar von Eadie, Breviarium 126. Auch Florus (epit. 1,44,3 = 3,9,3) spricht in diesem Zusammenhang von einer "confiscalio" des zypriotischen Königs. Vgl. dagegen Cie. dom. 20: "qui cum lege nefaria Ptolomaeum, regem Cypri ... publicasses, ... ." (Die hier angebrachte Kritik an der Gleichsetzung von "confiscare" und "publicare" gilt mit Einschränkungen auch für die Bemerkungen Fuhrmanns (RE ΧΧΙΠ,2 (1959), 2485); vgl. dazu unten (Kap.2.5.) die Diskussion über Suet. Dom. 12,2; vgl. auch Mommsen, StrR 1005, Anm.l).

34

2. Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit

aber ergibt nur Sinn, wenn der fiscus Caesaris zu Beginn des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts auch wirklich die Privatkasse

des Kaisers war.

Im folgenden soll der Begriff "fiscus" für die Zeit des Augustus anhand der dafür bei weitem umfangreichsten Aussagen Cassius Dios erörtert werden, deren Interpretation freilich nicht unerhebliche methodische Probleme aufwirft. 109 Augustus hatte, wie Dio in drei programmatischen Reden Agrippa, Augustus selbst und Tiberius betonen läßt, in dem berühmten "Staatsakt" vom Januar 27 v.Chr. dem Staat die Verfügungsgewalt über seine sämtlichen Gelder und Einkünfte zurückgegeben. 110 Mit diesem politischen Programm des Augustus steht im Einklang, daß er die Trennung von Staatsgeldern einerseits und seinem Privatvermögen andererseits klar hervorhebt.111 Gerade auch in diesem

109 110

111

Vgl. dazu Anm.44 u. 45 m.Text. Dio 52,13,1 (Agrippa fordert Augustus u.a. zur Rückgabe der Gelder an den "δήμος" auf: z.J. 29 v.Chr.): "... και άπόδος τω δήμω και τά 'όπλα και τα εθνη και τάς άρχάς και τά χρήματα." Dio 53,9,6 (Augustus hält eine Rede im Senat: z.J. 27 v.Chr.): "... έγώ ... άποδίδωμι ϋμίν m i τά οπλα κα'ι τά εθνη τάς τε προσόδους καί τούς νόμους, ... ." Dio 56,39,4 (öffentliche Totenrede des Tiberius auf seinen Vorgänger: z.J. 14 n.Chr.): "(Nachdem Tiberius darauf hingewiesen hat, daß Augustus einmal "πάντων δε των χρημάτων πλείστων δντων κρατών" gewesen sei, fährt er fort:) ..., άλλα και τά οπλα και τά εθνη καί τά χρήματα ές το μέσον ύμΐν κατέθηκεν." Sutherland (AJPh 66 (1945), 155) äußert zum letzten Satz folgende Vermutung: "... a phrase which, from its mere repetition, savours of authenticity and presumes a formal theory in a formal document." Inwieweit Cassius Dio hier - direkt oder indirekt - auf ein zeitgenössisches Dokument zurückgreift, läßt sich kaum klären (vgl. die in dieser Hinsicht sehr skeptischen Überlegungen von Miliar, Dio 84/85: "Source criticism normally ends in mere speculation The search for a proto-Dio is futile. Dio's sources were various and complex, ... ." Vgl. dazu auch die Einzeluntersuchung Manuwalds, Dio und Augustus 168-268; die hier fraglichen Passagen diskutiert Manuwald ausweislich seines Registers nicht.). Jedenfalls reflektiert der Grieche liier doch wohl ein klares augusteisches Programm. So rät Augustus den Senatoren in seiner "Rücktrittsrede" 27 v.Chr. zu folgendem Verhalten (Dio 53,10,4): "καί τά μεν ϊδια κοινά -ufi πάλει παρέχετε, των δε δημοσίων ώς αλλότριων άπέχεσθε." Daß der Prinzipatsbegründer sich selbst in der Folgezeit diese Maximen zu eigen machte, läßt Cassius Dio Tiberius in seiner Totenrede auf Augustus hervorheben (Dio 56,40, 4): "τά τε έαυτοΰ χρήματα σωφρόνως έπαύξων ές την δημοσίαν χρείαν άνήλισκεν, καί των κοινών ώς ιδίων κηδόμενος ώς άλλοτρίων άπείχετο." Vgl. dazu: Giua, Athenaeum 61 (1983), 442: "I punti toccati nell'orazione di Tiberio sono gli stessi della propaganda augustea: ...; integrità e sollecitudine di Augusto nel maneggiare il denaro pubblico (...); ... ." Giua arbeitet in ihrem Aufsatz gerade hinsichtlich der Totenrede des Tiberius auf Augustus heraus, inwieweit der severische Historiker den Prinzipatsbegründer als "modello" (449) für seine eigene Zeit herausstreichen wollte. - Kienast (Augustus 315) stellt in Frage, ob "in der Praxis eine strenge Trennung zwischen der Privatkasse und den provinzialen fisci immer erfolgt... und überhaupt immer möglich" gewesen sei. "Die Tatsache, daß dasselbe Verwaltungspersonal die öffentlichen und die privaten Gelder des Prinzeps verwaltete, mußte ihre säuberliche Trennung noch schwerer machen." Hier ist (vgl. Anm.55 m.Text) darauf hinzuweisen, daß zwischen der rechtlichen Zugehörigkeit von Geldern einerseits und ihrer Verwaltung andererseits deutlich zu unterscheiden ist - Augustus legte den Akzent ebenso korrekt wie geschickt auf den ersten

2.2. Augustus: Die Begründung des Finanzsystems

35

Punkt grenzt sich der erste Princeps deutlich vom gescheiterten Experiment seines Adoptivvaters ab, der sich allzu offensichtlich die persönliche Verfügungsgewalt über die Staatsgelder zu sichern getrachtet hatte.112 Cassius Dio mißtraut allerdings den programmatischen Aussagen des Prinzipatsbegründers. Zwar habe Augustus theoretisch Staatsgelder von seinen Privatgeldern geschieden; in der Praxis aber habe er auch über die Ausgaben von staatlichen Finanzmitteln nach Belieben verfügt. In Wirklichkeit habe der Princeps doch die Kontrolle über alle wichtigen Staatsangelegenheiten innegehabt, da er über die beiden wichtigsten Machtstützen habe verfügen können, nämlich über die finanziellen und militärischen Ressourcen des Staates.113 Doch will der severische Historiker mit dieser Beschreibung der finanzpolitischen Machtstellung des Kaisers zweifelsohne nur eine politische

Wertung (deren Hintergrund auch

eigene Erfahrungen aus seiner Zeit bildeten) abgeben; über die

verfassungs-

rechtliche Stellung des Princeps zu den Staatsgeldern sagt das nichts aus - diese wird durch die oben erwähnten programmatischen Äußerungen des Prinzipatsbegründers präzise wiedergegeben. 114

112

Punkt. Dio 43,45,2 (zJ. 45 v.Chr.; Senatsbeschluß): "... και τα δημόσια χρήματα μόνον διοικείν έκέλευσαν,... ." Suet. lui. 76,3: "praeterea monetae publicisque vectigalibus peculiares servos pracposuit." Zwar wird in diesen beiden Quellenabschnitten dem Diktator nicht unterstellt, er habe sich zum Eigentümer der Staatskasse machen wollen (er hatte sich allerdings der Bestände derselben bemächtigt, als er nach der Flucht des Pompeius nach Dyrrhachion in Rom eintraf: vgl. Plut. Caes. 35,6-11), doch ist das Ausmaß seines persönlichen Eingreifens in die Staatsfinanzen derart offensichtlich, ja gleichsam handgreiflich, daß die politischen Aussagen des ersten Princeps dazu ein klares Kontrastprogramm bieten. Vgl. Rostowzew, RE VI,2 (1909), 2386; Sutherland, AJPh 66 (1945), 155 ("... the unconcealed ruthlessness of Julius ..."); Garzetli, Athenaeum 31 (1953), 318 ("Si sa che questi (d.h. Caesar) si era praticamente impadronito dell'aerarium, valendosene con dispotica violenza, ... .").

113

Dio 53,16,1: "τω γαρ εργω και πάντων και δια παντός αύτός ό Καίσαρ, ate και των χρημάτων κυριεύων (λόγω μεν γαρ τά δημόσια άπό των εκείνου άπέκριτο, εργω δέ και ταΰτα προς την γνώμην αύτοΰ άνηλίσκετο) και των στρατιωτών κρατών, αύταρχήσειν εμελλε." Zur der Sprache des Thukydides entlehnten Wendung "λόγω" - "εργω" vgl. Millar, Dio 97/98; Giua, Athenaeum 61 (1983), 442. - Nach Dio ändert sich also hinsichtlich der finanziellen Machtposition des Augustus auch nach 27 v.Chr. nichts. Er ist immer noch "τών χρημάτων κυριεύων" - ähnlich beschreibt seine finanzpolitische Stellung vor 27 v.Chr. ja auch Tiberius in seiner Totenrede: "πάντων δέ τών χρημάτων ... κρατών" (Dio 56,39,4).

114

Auf die Notwendigkeit, jeweils genau danach zu fragen, wann Cassius Dio "constitutional measures" wiedergebe und wann es sich bei seinen Aussagen lediglich um "political judgements" handele, weist zu Recht Miliar (Dio 92) hin. Insofern ist es m.E. nicht sachgemäß, davon zu sprechen, der Bewußtseinsprozeß "vom Eigentum des Kaisers an allen Finanzen" sei bereits "unter Augustus selbst kräftig fortgeschritten". "Schon er ist nach Cassius Dio Herr aller Gelder, damit auch des aerarium, dessen Mittel er nach seinem Gutdünken einsetzt." (Kloft, Liberalilas 130). Gerade der rechtliche Terminus "Eigentum" erscheint hier unangebracht; denn

36

2. Der fiscus Caesaris in der frühen Kaiserzeit Daß Cassius Dio in seiner Zeit nicht mehr in der Lage ist, zwischen kaiserli-

chen und staatlichen Geldern zu unterscheiden, betont er selbst, als er auf den Straßenbau unter Augustus zu sprechen kommt. Es sei einerlei, ob man sage, bestimmte Straßen seien auf Kosten der Staatskasse oder auf Kosten des Augustus repariert worden. Ja, grundsätzlich sei nicht herauszufinden, ob anläßlich einer bestimmten Gelegenheit der Kaiser die Kosten selbst getragen oder aber aus der Staatskasse finanziert habe.115 Die letzte Äußerung zeigt den Grund für die Unfähigkeit Dios, kaiserliche Privatgelder von staatlichen Finanzmitteln zu unterscheiden, im Hinblick auf die Ausgabenseite:

Für den Historiker des

dritten Jahrhunderts war letztlich der Kaiser derjenige, der über die Ausgaben entschied; welcher Kasse er die Mittel für die jeweiligen Ausgaben entnahm, war allein seine Sache - der Kaiser hatte genau die Position inne, die Cassius Dio (u.a. aufgrund eigener Erfahrung) auch schon dem Prinzipatsbegründer zuschreibt: Er war Herrscher über alle Finanzmittel.116 Dieses Bild wirkt um so schlüssiger, als es auch für die Einnahmenseite

zugrundeliegt. Cassius Dio

läßt den Maecenas in einer Rede 117 , die zweifelsohne Gegebenheiten und Gedankengut der Severerzeit widerspiegelt 118 , dem Prinzipatsbegründer auch finanzpolitische Ratschläge erteilen. Bezüglich der Steuereinnahmen (φόροι;

wenn Dio v o m "Herrn der Finanzen" spricht, so meint er damit faktische Verfugungsmacht, nicht aber eine rechtliche Kompetenz. (An anderer Stelle [129] relativiert Kloft den Begriff: "Doch man m u ß genauer sagen, nicht was in Wirklichkeit dem princeps gehört, sondern was als sein Eigentum gilt, ist ausschlaggebend [sc. f ü r die Bewertung kaiserlicher Freigebigkeit]." Der Begriff "Eigentum" bleibt freilich auch dergestalt f ü r den vorüegenden Zusammenhang fragwürdig). 113

Dio 53,22,2-4: " α ί δ ' ά λ λ α ι (sc. οδοί) ύ σ τ ε ρ ο ν , ε ϊ τ ' ουν π ρ ο ς του δ η μ ο σ ί ο υ , ..., είτε κ α ι π ρ ο ς του Αύγουστου τ ι ς ειπείν έθέλει, έ π ε σ κ ε υ ά σ θ η σ α ν · ού γ α ρ δ ύ ν α μ α ι δ ι α κ ρ ί ν α ι τους θησαυρούς αυτών, ο ΰ τ ' εϊ πστε έκ τ ω ν δ η μ ο σ ί ω ν τι χ ρ η μ ά τ ω ν ò ά ε ί κρατών ε λ α β ε ν , ο ΰ τ ' εϊ ποτε α ϋ τ ό ς εδωκε, γνώμην εχω σ υ γ γ ρ ά ψ α ι · π ο λ λ ά κ ι ς τ ε γ α ρ εκάτερον α ύ τ ώ ν έγένετο, κ α ί τ ί α ν τις ές δ α ν ε ί σ μ α τ α η κ α ι δ ω ρ ε ά ς τ ά τ ο ι α ύ τ α κ α τ α λ έ γ ο ι , όποτε κ α ι τ ο ύ τ ο ι ς κ α ί έκείνοις και ό δ ή μ ο ς καί ò α υ τ ο κ ρ ά τ ω ρ έπίκοινον άεί χ ρ ώ ν τ α ι . " Vgl. Sutherland, AJPh 6 6 (1945), 156, der zu Recht darauf hinweist, daß hier Verhältnisse "in D i o ' s day" zugrandegelegt werden. S. auch Millar, Emperor 190: "Over wide areas both of revenue and of expenditure Dio's perplexity is our own; ... . N o n e the less D i o ' s comment implies that in theory some expenditures by the emperor were supposed to be from 'his o w n ' funds; ... ." (Vgl. zur Bedeutung der Unterscheidung zwischen Staatsgeldem einerseits und Privatgeldern des Princeps andererseits für die Zeit Cassius Dios auch: ders., J R S 53 (1963), 41.). Zur Möglichkeit des Kaisers, seine liberalitas auch mit Geldern aus dem Aerar zu finanzieren, vgl. Kloft, Liberalitas 131/2.

"6

Vgl. Anm.110 U.113. Dio 52,14-40. Augustus akzeptierte nach Angabe Dios (52,41,1.2) die Ratschläge des Maecenas, ohne sie alle auf einmal zu verwirklichen; einige hätten erst seine Nachfolger realisiert.

117

1,8

Vgl. dazu Anm.45 m.Text.

2.2. Augustus: Die Begründung des Finanzsystems

37

τέλη) 119 rät Maecenas dem Augustus, sich moderat zu verhalten und keine nutzlosen Ausgaben zu tätigen. Wenn er in seinen eigenen Ausgaben Zurückhaltung übe, sich hingegen bei staatlichen Ausgaben als freigebig erweise, so würde dies gewiß zu einer Akzeptanz auf Seiten der Steuerzahler führen; denn sie würden dann einsehen, daß die (finanzielle) Sicherheit des Kaisers auch ihrer eigenen Sicherheit und Prosperität dienlich sei. 120 Aus dem Zusammenhang ist ersichtlich, daß für Dio die Steuereinnahmen die finanzielle Sicherheit des Kaisers begründen: Die Steuerzahler entrichten ihre Tribute dann gerne an den Kaiser, wenn sie sehen, daß sein Umgang mit diesen finanziellen Ressourcen auch ihnen zugute kommt. Auch an dieser Stelle setzt der severische Historiker die realen Machtgegebenheiten

(bes. seiner eigenen Zeit) voraus; eine

Aussage über die verfassungsrechtlichen

Zustände der augusteischen Zeit ist

damit nicht getroffen 121 ; andernfalls müßte man ja annehmen, tributa und vectigalia seien zur Zeit des Augustus in dessen Privatkasse geflossen, eine Vermutung, die zu Recht niemand in der neueren Sekundärliteratur äussert.122 Doch obschon Cassius Dio nach eigenem Bekunden die Privatkasse des Kaisers von der Staatskasse nicht mehr zu unterscheiden vermochte, ist der

120

121 122

Dio 52,29,1. Dio 52,29,2.3: "(Die Steuerzahler sehen) ... σε σωφρόνως τε διαιτώμενον και μηδέν μάτην π α ρ α ν α λ ί σ κ ο ν τ α • τις γ α ρ ούκ αν ίδών σε προς μεν τ ά οικεία φειδωλότατον προς δέ τ α κοινά άφειδέστατον δντα, έθελοντί συντελέσειέ τι καί ά σ φ ά λ ε ι α ν καί εύπορίαν έαυτοΰ τό σέ πλουτείν είναι νομίζων;" Vgl. Anm.114. Zur Position Mommsens vgl. Anm.6. - An einer Stelle, an der Cassius Dio einmal ger.au die Kasse benennt, aus der zur Zeit Vespasians (71 n.Chr.) Rhetoren der griechischen und der lateinischen Sprache bezahlt wurden, ist ihm sogar ein Irrtum nachzuweisen: Während er diese Rcdelehrcr als "μιοθόν έκ τοϋ δημοσίου φέροντας" (Dio 66,12,1a) bezeichnet, äußert sich der dieser Zeit sehr viel nähere und (bes. was Verwaltungsbelange betrifft) präzisere Sueton (Vesp. 18) gegenteilig: "primus e fisco Latinis Graecisque rhetoribus annua centena constituil (sc. Ves p a s i a n i ) . " Mit dem Biographen stimmt folgende Aussage des Eusebius (Euseb./Hieron., Chron. z.J. 88 n.Chr.) überein: "Quintiiianus primus Romae publicum scholam et salarium e fisco aeeepit." Vgl. Millar, JRS 53 (1963) Anm.152: "Suetonius' wording is clearly to be preferred." Der Irrtum Dios ist m.E. daraus zu erklären, daß der Historiker - wieder einmal Gedankengut und Gegebenheiten der severischen Zeit zugrunde legt. Er läßt nämlich Maecenas dem Augustus auch den Ratschlag erteilen, die Söhne der Ritter und Senatoren von Lehrern militärisch ausbilden zu lassen, die öffentlich besoldet werden sollten (Dio 52,26,1: "... δ ι δ α σ κ ά λ ο υ ς ... δημοσιεύοντας έμμισθους ..."). Auch dieser Ratschlag ist ohne Zweifel "nur aus den besonderen Verhältnissen der Scvercrzeit zu verstehen" (Bleicken, Hermei 90 (1962), 462). Wenn Dio aber von "staatlich angestellten Lehrkräften" (Bleicken, a.a.O. 462) spricht, so wird es ihm - nach seinen bisher erwähnten Aussagen - kaum Schwierigkeiten bereitet haben, Zahlungen aus der kaiserlichen Privatkasse staatlicher Besoldung gleichzusetzen; eine solche sachliche Identifikation konnte sehr leicht ihren sprachlichen Niederschlag finden ("δημοσιεύω" = dem Staate dienen"; "έκ τοϋ δημοσίου" = aus der Staatskasse").

38

2. Der fiscus Caesar is in der frühen Kaiserzeit

Historiker hinsichtlich der Trennung von kaiserlichen und staatlichen Geldern bisweilen von geradezu penibler Präzision, ein Phänomen, das m.E. nur unter der Annahme verständlich wird, daß Dio für diese Abschnitte seiner Römischen Geschichte über gutes Quellenmaterial verfügte. (Er dokumentiert damit indirekt die ganz erheblichen Unterschiede zwischen der politischen Wirklichkeit gerade auch seiner eigenen Zeit - und dem Verfassungsrecht in der Zeit des Prinzipatsbegründers.) So erwähnt Cassius Dio z.B. die Begebenheit, daß der Arzt Antonius Musa den ersten Princeps im Jahre 23 v.Chr. von einer schweren Krankheit heilte. Dafür habe er eine finanzielle Belohnung sowohl von Augustus selbst als auch vom Senat erhalten, d.h., zum einen Gelder aus der Privatkasse des Princeps, zum anderen doch wohl solche aus dem aerarium Saturni. 123 Äußerst präzise beschreibt er die Art und Weise, in der Augustus der Provinz Asia im Jahre 12 v.Chr. nach einem Erdbeben Hilfe angedeihen ließ: Der Princeps habe den dieser Provinz obliegenden jährlichen Tribut aus seinem Privatvermögen an die Staatskasse gezahlt. 124 Deutlicher konnte man den Unterschied zwischen der staatlichen Kasse einerseits und der kaiserlichen Privatkasse andererseits nicht mehr hervorheben. 125 In einer dritten Passage seiner Darstellung des augusteischen Zeitalters finden sich in einem Satz der Zweifel und das Mißtrauen Dios hinsichtlich einer wirklich gegebenen säuberlichen Trennung von Staatskasse und privater Kaiserkasse neben einem - indirekten - Beleg für eben eine

solche Trennung. Cassius Dio berichtet zunächst,

Octavian habe die Kosten für bestimmte Festlichkeiten anläßlich seines Sieges

10

Dio 53,30,3: "κα'ι δια τούτο και χρήματα παρά τε του Αυγούστου και παρά της βουλής πολλά ... ελαβεν." Zudem habe er für sich und seine Nachkommen Abgabenfreiheit (ατέλεια) zugestanden bekommen. - Von einer weiteren Ehrung spricht Sueton (Aug. 59): "medico Antonio Musae ... statuam aere conialo iuxta signum Aesculapi statuemnt." (Das Subjekt dieses Satzes wird nicht genannt; möglicherweise handelt es sich um die Senatsmitglieder: vgl. das "p(atres) c(onscripti)" aus Suet. Aug. 58,2.) Diese Spendensammlung ist kaum identisch mit der Geldzahlung des Senates an Musa (Levi, Sueton/Augustus 77, führt Dio 53,30,3 in seinem Kommentar zu dieser Stelle als Parallelbeleg an), da der Zweck ja eindeutig festgelegt wurde, nämlich die Errichtung eines Standbildes. Das Geld aus dem Aerar erhielt Musa dagegen direkt. Zudem wird von Sueton auch nicht gesagt, der Spenderkreis habe sich auf die Senatsmitglieder und den Princeps beschränkt. - Der Senat hatte (wie in der Republik; vgl. Polyb. 6,13) - formalrechtlich - auch in der (frühen) Kaiserzeil die Oberaufsicht über die Staatskasse in Rom.

124

Dio 54,30,3: "επειδή τε ή 'Ασία το έθνος έπικουρίας τίνος δια σεισμούς μάλιστα έδείτο, τόν τε φόρον αύτης τον ετειον έκ των εαυτού χρημάτων τω κοινω έσήνεγκε, ... ." Der Begriff "τό κοινόν" für das aerarium Saturni ist nachzutragen bei Mason, Greek Terms 176. Dio hätte ja auch einfach formulieren können, der Kaiser habe auf die Tribute in Asia verzichtet. Auch Brant (JRS 56 (1966), 83) hebt die Ausdrucksweise Dios an dieser Stelle als "explicit" hervor.

125

2.2. Augustus: Die Begründung des Finanzsystems

39

von Actium "offenbar/scheinbar" aus seinem Privatvermögen bestritten; er fahrt nach dieser Aussage fort, der spätere Augustus sei der Staatskasse, als sie Gelder benötigte, finanziell dadurch zu Hilfe gekommen, daß er sich selbst Geld geliehen und dieses dann dem Aerar zur Verfügung gestellt habe.126 Im ersten Teil seiner Aussage nutzt Dio ein von ihm häufiger verwendetes rhetorisches Mittel, um das seiner Ansicht nach wahre Wesen der - in diesem Fall finanzpolitischen - Machtstellung des Augustus zu enthüllen: Er nutzt die ironische Wirkung des ambivalenten Adverbs "δήθεν", um auf den wahren Charakter der augusteischen Verfassung hinzuweisen.127 Wenn Dio behauptet, Octavian habe bestimmte Kosten "δήθεν" aus seinem Privatvermögen bestritten, so kann beim Leser leicht der Eindruck entstehen, realiter ("τω δντι") sei die rechtliche Zugehörigkeit der aufgewendeten Gelder zumindest nicht eindeutig bestimmbar gewesen. 128 Doch gleich im zweiten Teil des zitierten Satzes bezeugt der Geschichtsschreiber - wohl ebenso ungewollt wie eindrucksvoll -, wie genau es der Prinzipatsbegründer mit der Trennung von staatlichen, fremden und eigenen Geldern nahm. Octavian hatte sich Geld von nicht näher bezeichneten Personen geliehen und es dann, als er selbst darüber verfügen konnte, der Staatskasse zur Linderung einer finanziellen Notlage überlassen.129 Wenn derselbe anläßlich gewisser Festivitäten behauptete, diese aus eigenen Mitteln finanziert zu haben - wie er zu diesen Mitteln im Laufe der Bürgerkriegsjahre gekommen war, ist eine ganz andere Frage -, so ist das m.E. durchaus glaubwürdig. Den Historiker der Severerzeit leiteten bei seiner Insinuation an dieser Stelle wohl doch politische Erfahrungen des frühen dritten Jahrhunderts.130

126

Dio 53,2,1 (z.J. 28 v.Chr.): "ö δ'ούν Κ α ί σ α ρ ες τε τ ά ς θεωρίας έκ των ιδίων δήθεν ά ν ή λ ι σ κε, καί επειδή χρημάτων τ ω δημοσίω έδέησεν, έδανείσατό τινα και έ'δωκεν α ύ τ ω

127

"

Vgl. zum ironischen Gebrauch des Adverbs "δήθεν" bei Cassius Dio: Millar, Dio 97 ("The word δήθεν has an important part in the account of Augustus, most notably where Dio refers to the renewals of Augustus' powers.").

,a

Hindnicksvoll übersetzt den Satz Cary, Dio, vol.VI, 197: "Now Caesar allowed it to be understood that he was spending his private means upon these festivals ... ."

129

Daß Octavian dadurch jeden - auch nur indirekten - Einfluß Dritter auf die Staatskasse praktisch zu unterbinden vermochte, macht die genaue Schilderung Dios noch glaubwürdiger.

130

S o reflektiert Cassius Dio an einer weiteren Stelle (53,22,1; z.J. 27 v.Chr.) die vom Prinzipatsbegründer so hervorgehobene Trennung zwischen privaten Finanzmitteln nur sehr vage: Augustus habe, da sich der Zustand der (italischen) Straßen als sehr schlecht erwies, einige Senatoren mit der Wiederherstellung bestimmter viae beauftragt, wobei sie die dafür erforderlichen Mittel aus ihrem eigenen Vermögen ("τοις οίκείοις τ έ λ ε σ ι " ) bestreiten sollten; da die Via Flaminia für geplante militärische Unternehmungen von besonderer Bedeutung gewesen sei, habe er sich um deren Wiederherstellung selbst gekümmert ("αύτός ... έπεμελήθη"). In

40

2. Der fiscus Caesar is in der frühen Kaiserzeit

Zwei Ergebnisse lassen sich aus den obigen Überlegungen zur Darstellung der augusteischen Epoche bei Cassius Dio festhalten: Zum einen reflektiert auch das Geschichtswerk der Severerzeit noch sehr deutlich, daß der Prinzipatsbegriinder staatliche und private Finanzen sauber trennte. Dieses Faktum schließt die Existenz einer (kaiserlichen) Kasse, in welcher sich Gelder beiderlei Herkunft befunden hätten, aus. Zum anderen wissen offensichtlich weder Dio noch seine Vorlagen etwas von einer neu gegründeten zweiten Staatskasse;131 das dionische Geschichtswerk kennt im Gegenteil in diesem Abschnitt nur das alte aerarium populi Romani sowie die kaiserlichen Privatgelder.132 In den

augusteischer Sichtweise wurde - auch im Hinblick auf den Straßenbau - sowohl das (persönliche) finanzielle Engagement des Princeps als auch die Trennung zwischen kaiserlichen Privatmitteln und Geldern des Aerars sehr viel deutlicher zum Ausdruck gebracht: "S(ENATUS) P(OPULUS) Q(UE) R(OMANUS) IMPERATORI) CAE(SARI) Q(UOD) V(IAE) M(UNITAE) S(UNT) EX EA P(ECUNIA) Q(UAM) IS AD A(ERARIUM) D(ETULJT)." Diese Legende findet sich auf Münzen des Jahres (ca.) 16 n.Chr.; s. Grueber, BMCRomRep Π, 49/50, Ντ.4471-44Ί6. (Der Princeps wurde hier freilich nicht nur "als Spender der Gelder empfunden" (Kloft, Liberalitas 136, Anm.248), er war es, wie ausdrücklich gesagt, sowohl faktisch als auch rechtlich.) Cassius Dio selbst aber vermochte - ohne präzise Quellenvorlagen (vgl. aber Suet. Aug. 30,1: "quo autem facilius undique urbs adiretur, desumpta sibi Flaminia via Arimino tenus munienda reliquas triumphalibus vins ex manubiali pecunia stemendas dislribuit.") diese Trennungslinie nicht mehr scharf zu ziehen: vgl. Anm.115 m.Text. - Vgl. zu den Subventionen des Aerars von Seiten des Augustus auch RGDA 17. 131

Auf das von Augustus im Jahre 6 n.Chr. begründete aerarium militare (vgl. RGDA 17) soll im Rahmen dieser Arbeit nicht gesondert eingegangen werden; vgl. dazu Anm. 1. Die Tatsache der Existenz einer Pensionskasse für Veteranen an sich sagt freilich nichts über die (Nicht-) Existenz eines fiscus Caesaris unter Augustus aus. Sowohl Boulvert (Esclaves et affranchis 71/72) als auch Garzetti (Athenaeum 31 (1953), 319/20) vertreten eine entgegengesetzte These mit (im wesentlichen) folgender Begründung: Wenn es schon unter dem ersten Princeps einen fiscus Caesaris gegeben hätte, dann wäre es selbstverständlich gewesen, daß aus dieser Kasse die Pensionszahlungen an die Veteranen geleistet worden wären; da aber für diese Zahlungen eine besondere Staatskasse (aerarium militare) habe geschaffen werden müssen, habe eben der fiscus Caesaris zur Zeit des Prinzipatsbegründers noch nicht existiert. Dieser Argumentation liegt die (m.E. fälschlich angenommene) Voraussetzung zugrunde, daß es sich beim fiscus Caesaris um eine (kaiserliche) Staatskasse (Boulvert, a.a.O. 71: "caisse publique impériale"; Garzetti, a.a.O. 320: "cassa statale soltanto imperiale") gehandelt habe. Der fiscus Caesaris aber ist (insbes.) durch Seneca (de benef. 7,6,3) eindeutig als die Privatkasse des Princeps definiert.

"2

Gerade von Cassius Dio wäre ein mit den Mitteln der Ironie entlarvender Hinweis auf eine zweite Staatskasse, die seit 27 v.Chr. dem Kaiser unterstanden hätte und in welche die Steuergelder aus den "kaiserlichen" Provinzen geflossen wären, etwa als Kommentar nach der Rede des Augustus zu Beginn des Jahres 27 v. Chr. im Senat (Dio 53,3-10) zu erwarten gewesen. So deckt er unmittelbar im Anschluß an die Augustus-Rede den Sinn der Aufteilung der Provinzen auf: Der Princeps habe nicht so sehr daran gedacht, die Last der "unbefriedeten" Provinzen auf sich zu nehmen; vielmehr sei es ihm darauf angekommen, selbst ausschließlich über die - in eben diesen Provinzen stationierten - Streitkräfte zu verfügen (Dio 53,12,3 - mit dem Gegensatzpaar λόγω - εργω: vgl. Anm 113). Ebenfalls der Enthüllung der wahren machtpolitischen

2.2. Augustus: Die Begründung des Finanzsystems

41

Büchern über den ersten Princeps werden letztere mit Ausdrücken wie "τα ίδια" oder "χρήματα του Αυγούστου" bezeichnet; ein gängiger

Kassenbegriff

findet sich dafür nicht.133 Einen solchen Kassenbegriff für die kaiserlichen Privatgelder verwendet Cassius Dio erstmals in seiner nur in Auszügen überlieferten Darstellung des neronischen Prinzipates. Er geißelt dort die Verschwendungssucht Neros, die sehr bald zur finanziellen Erschöpfung der kaiserlichen Kasse ("τό βασιλικόν") geführt habe.134 Ohne Zweifel meint der severische Historiker mit dem Wort "βασιλικόν" - oder auch mit dem eng verwandten "βασίλειον" 135 - im Zusammenhang mit kaiserlichen Finanzmitteln den fiscus Caesaris.136 In den Büchern über den Prinzipatsbegründer (51-56) findet sich indessen weder der Ausdruck "βασιλικόν" noch der Begriff "βασίλειον" im Sinne einer Kasse des römischen Kaisers.137 Auch hinsichtlch der Einziehung bestimmter Gelder für die kaiserliche Kasse bietet das dionische Geschichtswcrk - im Gegensatz zu den Biographien Suetons - keinen Hinweis auf die Rechtsstellung des Fiskus, da es wohl Äquivalente für das lateinische

133

134

135

136 137

Absichten des Augustus dien! der Hinweis Dios (53,11,5), daß die erste Handlung ("παραυτίκα") des Princeps darin bestanden habe, seiner Leibwache - über ein entsprechendes senatus consultimi - einen gegenüber den anderen Soldaten doppelten Sold zu verschaffen. Dio beschließt diese Information mit den Worten:"oûxiJ

Baldacci, PP 24 (1969), 361. Vgl. Beer, RE IX,2 (1916), 2451-53. Vgl. auch: Baldacci, PP 24 (1969), 360; Bringmann. Zehnter 52. Baldacci, PP 24 (1969), 361/2: "... naturalmente dobbiamo tener conto del fatto che un giudeo ellenizzato del periodo flavio non poteva avere ben chiara la distinzione tra il fisco dell'imperatore e i fisci provinciali dell'età augustea, specialmente quando questi erano in province imperiali. Giuseppe ... in Bell. Π 7,3, aggiunge che i suoi (d.h. die des Archelaos) possedimenti furono immessi nel fisco imperiale (...), espressione che si deve intendere non come sinonimo di patrimonio privato dell'imperatore, ma come fisco provinciale pertinente all'imperatore." (Freilich sieht Baldacci den - zumindest rechtlich - bedeutsamen Gegensatz zwischen dem fiscus Caesaris einerseits und den "fisci provinciarum" andererseits nicht.).

1044

So: Flav. Jos., A.J. 19,1,5,§28; vgl. Anm.344 m. folg. Text.

1045

Vgl. etwa Rengstorf, Flavius Josephus/Concordance Π, 346, wo s.v. "θησαυρός" diese Stelle i.S.v. "kaiserliche Kasse, kaiserliches Vermögen ('fiscus')" gedeutet wird. Mt. 22,15-22; Mk. 12,13-17; Lk. 20,20-26; vgl. 23,2. Vgl. dazu auch Anm.346!

1046

298

3. Die "fisci provincianim" in der frühen Kaiserzeit

überhaupt sein gesamtes Herrschaftsgebiet (im römischen Sinne) "verstaatlicht" wurde.10*7 Diese Provinzialkasse aber mußte nach allen bisher angeführten Parallelen spätestens seit Claudius mit dem Begriff "fiscus Iudaicus" bezeichnet werden!1048 Ist dem italienischen Historiker in bezug auf seine Deutung der Aussage des Flavius Josephus auch zuzustimmen, so sind doch m.E. seine Schlußfolgerungen, was die Passagen aus dem Werk des älteren Plinius anbelangt, so nicht zulässig. Demnach wäre der Besitz des Archelaos, der zuvor als ager publicus an publicani verpachtet worden sei1049, nach der Beendigung des jüdischen

1047

Β al dacci (PP 24 (1969), 362-64) sieht den Übergang des Besitzes des Archelaos in das Eigentum des römischen Staates durch die Konstituierung des Gebietes des Ethnarchen als römische Provinz gegeben; die agri regii seien "ager publicus p.R." (ebenda 363) geworden. Die Aussage Cassius Dios (55,27,6), wonach "το μέρος της αρχής" des jüdischen Königs "verstaatlicht" (δημοσιοΰν) worden sei, zieht er dabei nicht heran. Nach Baldacci war der Besitz des Archelaos wohl als eine Einheit aufzufassen, so daß die Formulierung "το μέρος της άρχής" Dios mit den von Flavius Josephus verwendeten Begriffen "ούσία" bzw. "χρήματα" (Flav. Jos., B.J. 2,7,3,§111; AJ. 17,13,2,§344) identisch waren. Eine solche Auffassung, die nicht zwischen dem Privatvermögen und dem Herrschaftsgebiet des Königs unterscheidet, ist bei einem hellenistischen Herrscher durchaus denkbar (vgl. dazu Anm.77). Gleichwohl lassen die Wendung "τό μέρος τής άρχής" einerseits und die Begriffe "ούσία" bzw. "χρήματα" andererseits eine solche Trennung doch wohl zu. Dann wäre der in der "ούσία" bzw. in den "χρήματα" zu sehende königliche Privatbesitz nach der Verbannung des Archelaos unter der Rubrik "bona damnatorum" (vgl. dazu bes. Anm.171) an den römischen Staat gefallen. Hätten die horti regii zu eben diesem Privatbesitz gehört - und das ist wohl anzunehmen! - dann wären sie im Jahre 6 n.Chr. der Verwaltung des zuständigen (schon "fiscus Iudaicus" genannten?) Provinzialfiskus unterstellt worden. (Wenn aber das "δημοσιοΰν" Cassius Dios exakt die Einziehung der "ούσία" bzw. der "χρήματα" des Archelaos wiedergibt, dann wäre dies ein weiteres - sprachliches - Indiz dafür, daß die Güter des jüdischen Ethnarchen an den römischen Staat fielen. Ob auch der von Josephus verwendete Plural "θησαυροί" als sprachliches Indiz dafür herangezogen werden kann, daß es sich hier um "fisci provinciarum" (sc. des Kaisers) handelte, muß angesichts des rein provinzialjüdischen Zusammenhanges einerseits sowie des doch gewichtigen Attributes "Καίσαρος" andererseits fraglich bleiben; auf die Übereinstimmung im Numerus zwischen Suet. Aug. 101,4 und Dio 56,33,2 weist Baldacci [a.a.O. 361, Anm.47] hin.) - Brunt (JRS 56 (1966 ), 77, Anm.19; vgl. dens., LCM 9 (1984), 4) mißt der Aussage des Josephus "no juristic weight" bei und hält die Deutung der genannten "Καίσαρος θησαυροί" als jüdische Provinzialkasse für durchaus möglich.

low

Obschon Baldacci mehrfach (u.a. PP 24 (1969), 362) vom für die ούσία des Archelaos zuständigen "fìsco provinciale" in Judaea spricht, bringt er diesen erstaunlicherweise an keiner Stelle mit dem Begriff "fiscus Iudaicus" in Verbindung. In ähnlicher Weise nimmt andererseits die Fachliteratur zum fiscus Iudaicus (vgl. bes. Anm.1012) die Quellenaussagen nicht zur Kenntnis, in denen zwar von der provinzialjüdischen Filialkasse des Aerars als einem "fiscus provinciae" die Rede ist, dieser aber nicht ausdrücklich als "fiscus Iudaicus" bezeichnet wird. Baldacci, PP 24 (1969), 363.

10,9

3.2. Die Provinzialkassen derfiríihenKaiserzeit

299

Krieges von den Flaviern in direkte kaiserliche Verwaltung übernommen worden; diese Verwaltung habe Plinius mit dem Terminus "fiscus" bezeichnet.1050 Dem ist freilich entgegenzuhalten, daß der Terminus "fiscus" ein Verwaltungspersonal nur dann auch bezeichnen konnte, wenn eben dieses Verwaltungspersonal genau einer Kasse zuzuordnen war, wobei im eigentlichen Sinne nur diese Kasse "fiscus" genannt wurde. Anders formuliert: Mit "fiscus" kann nicht ein Verwaltungspersonal allein, ohne eine dazugehörige Kasse, bezeichnet werden. Wenn aber - und dies ist, wie unten noch gezeigt werden soll, durchaus wahrscheinlich -, "fiscus" bei Plinius an dieser Stelle die Provinzialkasse von Judaea (incl. Verwaltungspersonal) meint, so ist doch zu fragen, was sich genau unter den Flaviern hinsichtlich der genannten Balsamplantagen änderte; denn daß sich nach dem bellum Iudaicum etwas änderte, zeigt Plinius durch die Verwendung des Zeitadverbs "nunc" deutlich an.1051 Dafür bieten sich m.E. zwei Erklärungen an: Entweder gehörten die von Plinius genannten zwei horti regii nicht zu der im Jahre 6 n.Chr. zugunsten des Staates eingezogenen ούσία des Archelaos; dann wurden sie vielmehr erst nach dem Fall Jerusalems der Finanzgebarung der Provinz Judaea (konkret: dem fiscus Iudaicus) unterstellt. Oder aber die zur ούσία des Archelaos gehörenden horti regii waren tatsächlich nach der Einziehung im Jahre 6 n.Chr. zunächst an (auch jüdische?1052) publicani verpachtet worden; dann bestünde die Änderung des Jahres 70 n.Chr., wie es Baldacci annimmt, in der nunmehr erfolgten direkten Verwaltung der Güter durch Beamte des provinzialjüdischen Fiskus. Auch in diesem Falle ist freilich mit "fiscus" konkret der fiscus Iudaicus gemeint, nicht

1050

Baldacci, PP 24 (1969), 364: "II termine fiscus di Plinio indica dunque qui l'amministrazione provinciale imperiale dell'ager publiais nel periodo Flavio." (Wiederum weist Baldacci auf die Aufschrift "(vecti)GAL PATR(imoni)" auf gläsernen (Balsam-)behältern hin, die seiner Ansicht nach dasselbe sogar noch "con maggior precisione della Naturalis Historia" zum Ausdruck bringt; vgl. dazu aber die Kritik in Aran. 1037.) - Ahnlich unscharf faßl Jones (JRS 40 (1950), 25) den plinianischen Beleg i.S.v. "the imperial financial administration" auf. Er grenzt diese Bedeutung des Begriffes "fiscus" sogar ausdrücklich von der eines "local provincial 'fiscus'" ab. Boulvert (RHD 48 (1970), 433, Anm.20) sieht die von Plinius erwähnten Balsamplantagen zwar einerseits erworben "par des moyens publics"; andererseits aber (ebenda 431, Anm.7) schreibt er unter Bezug auf Plin. n.h. 12,123: "..., il s'agit d'une vente de biens pouvant être privés, mais fiscus est également conçu comme une entité ... ." (zum Begriff "entité" vgl. Anm.30). Auch Boulverts Beschreibung des plinianischen "fiscus" als "un ensemble 'public' bénéficiant des revenues hors du droit commun" (Labeo 18 (1972), 204; vgl. auch ebenda 205, Anm.22) vermag seine (m.E. recht konturenlose) Auffassung dieses Begriffes nicht klarer zu gestalten.

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Plin. n.h. 12,112-13. Ist die Äußerung des Plinius (n.h. 12,113) "saeviere in eam (sc. arborem = balsamum) Iudaei sicut in vitam quoque suam" vielleicht auch so aufzufassen?

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3. Die "fisci provinciarum" in der frühen Kaiserzeit

aber ein keiner bestimmten Kasse zuzuordnendes Verwaltungspersonal, das als solches hinwiederum keine Rückschlüsse darauf erlauben würde, ob es nun mit der Verwaltung von staatlichem Besitz oder aber von kaiserlichem Privateigentum beschäftigt war; die - zumindest rechtlich - saubere Trennungslinie zwischen den durch "privatum" einerseits und "publicum" andererseits gekennzeichneten Bereichen wäre sonst völlig verwischt1053 Es sind nun drei Gründe, die es m.E. als sicher erscheinen lassen, daß der plinianische Gebrauch von "fiscus" an dieser Stelle dem staatlichen Bereich zuzuordnen ist, konkret: daß mit dem zweimal verwendeten "fiscus" jeweils die provinzialjüdische Filialkasse des aerarium p.R., d.h. der fiscus Iudaicus gemeint ist. Erstens wird der Ertrag, den Rom aus den Balsamplantagen zog, mit den Steuern (tributa), die die Juden dem römischen Staat zu zahlen hatten, auf einer Ebene gesehen; Tribute aber, ob sie nun von der provinzialjüdischen Bevölkerung oder, wie Plinius es wörtlich formuliert1054, vom "balsamum" entrichtet wurden, flössen an die Staatskasse, in der Provinz Judaea also an den römischen Provinzialfiskus. Daß eben diese Kasse gemeint ist, wenn der ältere Plinius hier zweimal den Terminus "fiscus" verwendet, legt - und das ist das zweite hier anzuführende Argument - auch der provinzielle Kontext der Stelle nahe; ausdrücklich weist der Verfasser der naturalis historia bei seinen Erörterungen zum "balsamum" auf den (provinzial-) jüdischen Zusammenhang hin, waren es doch die "Iudaei", die vor dem Fall Jerusalems gegen den Balsambaum gewütet hatten.1055 Wenn aber nach Beendigung des bellum Iudaicum ein "fiscus" den wirtschaftlichen Nutzen aus den Balsamplantagen zog, die zuvor der Bevölkerung der Provinz Judaea (als Pächter?1056) zur Verfügung

Baldacci (PP 24 (1969), 367) nimmt genau dieses nicht nur für einen hellenisiert-jüdischen Historiker wie Flavius Josephus, sondern - m.E. zu Unrecht - auch für den römischen Verwaltungsfachmann Plinius d.Ä. an: "...; dobbiamo invece ammettere che non sussiste ormai (d.h. zur Zeit Vespasians) più alcuna differenza tra ίδιον e δημόσιον, cosí come non vi è differenza tra il termine fiscus usato da Plinio e il termine Patrimonium figurante sui balsamari" (vgl. zu letzterem Anm.1037). Hier wird nun wirklich einer völligen Begriffsverwirrung das Won geredet: Wohl können Patrimonium und fiscus (rechtlich) identisch sein - aber nur, wenn beide durch das Attribut "Caesaris" zu ergänzen sind! Der fiscus Iudaicus hingegen ist eine Filialkasse des aerarium p.R. und hat als solche mit dem Patrimonium (sc. Caesaris) nichts gemein. Solange von Kassen die Rede ist, bezeichnet der Begriff "fiscus" entweder eine Provinzialkasse oder, als fiscus Caesaris, die kaiserliche Privatkasse; das kaiserliche Verwaltungspersonal (in kaiserlichen Provinzen) hingegen konnte durchaus mit Belangen beider Kassen/V ermögen befaßt sein. 10

"

1055 1056

Plin. n.h. 12,112. Plin. n.h. 12,113. Vgl. Anm. 1052 m.Texl.

3.2. Die Provinzialkassen der frühen Kaiserzeit

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gestanden hatten, so war eine zusätzliche Bezeichnung eben dieses "fiscus" als Provinzialkasse - nämlich als "fiscus Iudaicus" - ganz überflüssig. Drittens erachtete derselbe Verfasser, wie oben zu zeigen versucht wurde1057, es als ebenso überflüssig, den "fiscus" im Zusammenhang mit dem Mare Rubrum also gleichfalls in einem provinzialen Kontext! - zusätzlich als "fiscus Alexandrinus" zu kennzeichnen, wohingegen der ältere Plinius den "fiscus" des Augustus durchaus durch das Possessivpronomen "suus" als kaiserliche (Privat-) Kasse kenntlich machte.1058 Nachdem nun die Aussagen sowohl des Flavius Josephus als auch des älteren Plinius in den m.E. sachlich angemessenen Rahmen einer Erörterung des "fiscus Iudaicus" gestellt worden sind, ist abschließend auf die oben gestellte Frage nach dem Verhältnis der nach der Tempelzerstörung neu an Rom zu entrichtenden Judensteuer (Ίουδαϊκον τέλεσμα) einerseits und dem von Sueton und in der Münzlegende 1059 ausdrücklich erwähnten "fiscus Iudaicus" andererseits einzugehen. Als gesichert erscheint nunmehr, daß dieser jüdische Fiskus als Provinzialkasse schon vor 70 n.Chr. existierte, er mithin keine für die nach 70 n.Chr. an den kapitolinischen Jupiter zu zahlende Judensteuer neu eingerichtete Kasse war!1060 Neu dürfte hingegen die erstmals von Sueton für die flavische Zeit (Domitian) bezeugte stadtrömische "Zweigstelle" dieser Kasse gewesen sein - wie die gleichfalls erstmals für die Zeit der flavischen Dynastie belegten stadtrömischen Verwaltungsstellen des fiscus Asiaticus und des fiscus Alexandrinus.1061 Wenn nun diese Parallele des fiscus Iudaicus zu den Provinzialkassen von Asia und Ägypten gegeben ist, ergibt sich die Erklärung der für den Prinzipat Domitians für die Stadt Rom belegten (aber wohl schon für den vespasianischen Prinzipat anzunehmenden) Existenz eines "fiscus Iudaicus" fast zwangsläufig: Im Zuge der nach den Wirren des Vier-Kaiser-Jahres 69 n.Chr. erfolgten Reform der (staatlichen) Finanzverwaltung durch Vespasian 1062 gründete dieser Kaiser auch für die Provinz Judaea eine übergeordnete stadtrömische Zentralstelle, deren Vertreter auch in Rom die (gesamtstaatlichen) Interessen in bezug auf den fiscus Iudaicus wahrnehmen konnten. Diese Neu-

1057 I0S

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1062

Plin. n.h. 6,84 (zit. in Anm.996). Plin. n.h. 18,114 (zit. in Anm.95). Suet. Dom. 12,2; zur Miinzlegende aus dem Prinzipat Nervas vgl. Anm.1015. Vgl. die gegenteilige Auffassung der in Anm.1019 genannten Fachliteratur. Diese Parallele wird - freilich mit ganz anderen inhaltlichen Konsequenzen - in der Literatur immer wieder angeführt; vgl. z.B. Rostowzew, RE VI,2 (1909), 2404; vgl. auch Smallwood, Jews 375. Vgl. dazu die Erörterungen in Anm.651 m. folg. Text

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3. Die "fisci provinciarum" in der frühen Kaiserzeit

gründung mochte im Falle der Provinz Judaea1063 dadurch motiviert sein, daß nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem reichsweit - aber auch besonders stadtrömisch! - und damit den provinzialjüdischen Horizont überschreitend die Einziehung einer für Rom neuen Steuer, nämlich des Ίουδαϊκόν τέλεσμα, organisiert werden mußte.1064 Im Rahmen des Systems provinzialer Filialkassen ("fisci provinciarum") des zentralen aerarium p.R. war sie nur konsequent: Wenn es denn (spätestens seit 44 n.Chr.) zum einen eine "fiscus Iudaicus" benannte Provinzialkasse der römischen Provinz Judaea gab, wenn es zum anderen galt, eine neue jüdische Kopfsteuer einerseits reichsweit, andererseits gerade auch stadtrömisch einzuziehen, so mußte die Zuordnung dieser neuen Steuerart zum schon bestehenden Provinzialfiskus nahe liegen. Der Zuständigkeitsbereich des fiscus Iudaicus wurde demnach in bezug auf die neue römische Kopfsteuer noch erweitert, anders formuliert: Die stadtrömischen Aufseher dieser Kasse wurden (zusätzlich zur Oberaufsicht über die provinzialjüdischen Steuerleistungen (tributa)?1065) mit der Einziehung des neuen Ίουδαϊκόν τέλεσμα in Rom betraut sowie wohl mit der Oberaufsicht über die Einziehung in den anderen Provinzen des Reiches, in denen Juden im Sinne der vespasianischen Neuregelung lebten.1066 In diesem Zusammenhang ist noch kurz auf die beiden letzten Quellentexte einzugehen, die zwar in der Spezialliteratur über den fiscus Iudaicus, nicht aber in der über den Begriff "fiscus" im allgemeinen Berücksichtigung finden, nämlich auf die inschriftlich für die Stadt Rom belegte Prokuratur "ad capitularía Iudaeorum" einerseits1067 sowie andererseits auf die bei Cassius Dio über-

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Bei den reichen Provinzen Asia und Aegypten waren sicherlich die erheblichen Einnahmeüberschüsse das Motiv für die Gründung übergeordneter stadtrömischer Verwaltungsstellen. Williams (Historia 39 (1990), 201, Anm.29), die den fiscus Iudaicus "itself with whose rough tactics Suetonius was dealing ... presumably located in Rome" sieht (vgl. dazu aber die Ausführungen im Text!), zieht eine reichsweite "area of abuse" bezüglich der neuen jüdischen Kopfsteuer in Zweifel. Nach dem Wortlaut bei Sueton (Dom. 12,2) und den bisher angestellten Überlegungen ist m.E. jedoch Thompson (Historia 31 (1982), 341) beizupflichten, wenn er schreibt, daß "his (d.h. Domitians) harsh administration of the fiscus Iudaicus must have touched all parts of the Roman empire where Jewish communities existed". Vgl. dazu die noch folgenden Erörterungen! Braithwaite (Sueton/Vespasian 60) sieht in seinem Kommentar zu Suet. Vesp. 16,1 im fiscus Iudaicus die neue Kopfsteuer (zur irrtümlichen Gleichsetzung von Steuer und Kasse vgl. Anm.1019) für die Juden; er führt sie als ein immerhin mögliches Beispiel für "fresh tributes levied in the provinces" an. Nun war aber das neue Ίουδαϊκόν τέλεσμα weder an die Provinz Judaea nach ausschließlich an Provinzen überhaupt gebunden; vielmehr wurde die reichsweit geltende Judensteuer ja auch in Rom selbst (Suet. Dom. 12,2) eingezogen. CIL VI 8604.

3.2. Die Provinzialkassen der frühen Kaiserzeit

303

lieferten Einziehungen von Gütern Verurteilter (bona damnatorum), welche jüdische Riten ausgeübt hätten.1068 Was die jüdischen "capitularía" anbelangt, so wird meist angenommen, daß es sich dabei um die ehemalige jüdische Tempelsteuer handelt, die seit Vespasian an den kapitolinischen Jupiter zu entrichten war.1069 Nur Bruce führt immerhin als alternative Erklärungsmöglichkeit an, daß der betreffende Prokurator doch ebenso mit der Einziehung der seit 6 n.Chr. von der provinzialjüdischen Bevölkerung an Rom zu entrichtenden Kopfsteuer betraut gewesen sein könnte.1070 Eine sichere Entscheidung ist m.E. hier nicht möglich, wurden doch in flavischer Zeit auch Prokuraturen zur Oberaufsicht über die Einkünfte des fiscus Asiaticus und des fiscus Alexandrinus eingerichtet.1071 Gleichwohl soll auf eine dritte Erklärungsmöglichkeit hingewiesen werden, die vielleicht eine Stütze im Plural der "capitularía" finden könnte: Der unter den Flaviem neu eingesetzte Prokurator könnte doch sowohl als Oberaufseher für die reichsweite (besonders aber auch in Rom auszuübende) Einziehung des Ίουδαϊκόν τέλεσμα als auch für die erzielten Überschüsse aus der jüdischen Provinz (in diesem Falle als stadtrömischer Kontrolleur des "eigentlichen" fiscus Iudaicus) zuständig gewesen sein.1072 Hinsichtlich der eingezogenen bona damnatorum ist zu bemerken, daß solche Güter, wie oben gezeigt wurde, grundsätzlich an die römische Staatskasse, das aerarium p.R. fielen.1073 Da es sich aber um ein "Vergehen" handelte, bei dem - wie auch bei der Einführung des neuen Ίουδαϊκόν τέλεσμα - der Bereich des Judentums als solcher insgesamt berührt war, ist es nicht auszuschließen, daß die (staatlichen!) Gewinne aus derartigen "Konfiskationen" in den "Bilanzen" des stadtrömischen Aerars unter der Rubrik "fiscus Iudaicus" aufgeführt wurden; eine solche Rubrizierung hätte dann allerdings lediglich buchhalterische Zwecke gehabt. Eine Parallele, was die Einziehung von bona damnatorum anbetrifft, würde in diesem Falle die "Konfiskation" der ουσία des Archelaos im Jahre 6 n.Chr. sein, dessen Güter, wie oben zu zeigen versucht

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