Das Gleiche im Verschiedenen: Metapher des Sports und Lob des Siegers in Pindars Epinikien 3110247100, 9783110247107

Der griechische Dichter Pindar (ca. 520-440 v. Chr.) hat Preislieder für Sieger bei antiken griechischen Sportfesten wie

226 68 3MB

German Pages 384 [382] Year 2017

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Das Gleiche im Verschiedenen: Metapher des Sports und Lob des Siegers in Pindars Epinikien
 3110247100, 9783110247107

Table of contents :
Frontmatter
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie
3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs
4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen
5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions
6. Pythie 9: Der Segen des Laufens
7. Ergebnisse
Backmatter

Citation preview

Claas Lattmann Das Gleiche im Verschiedenen

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Herausgegeben von Heinz-Günther Nesselrath, Peter Scholz und Otto Zwierlein

Band 102

De Gruyter

Das Gleiche im Verschiedenen Metapher des Sports und Lob des Siegers in Pindars Epinikien

von

Claas Lattmann

De Gruyter

ISBN 978-3-11-024710-7 e-ISBN 978-3-11-024711-4 ISSN 1862-1112 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Lattmann, Claas. Das Gleiche im Verschiedenen : Metapher des Sports und Lob des Siegers in Pindars Epinikien / von Claas Lattmann. p. cm. − (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte, ISSN 1862−1112 ; Bd. 102) Revision of the author’s thesis (doctoral) − Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2008. Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-024710-7 (hardcover : alk. paper) ISBN 978-3-11-024711-4 (e-bk.) 1. Pindar − Criticism and interpretation. 2. Laudatory poetry, Greek − History and criticism. I. Title. PA4276.L38 2010 8841.01−dc22 2010037603

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Meinen Eltern

Vorwort Dieses Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die 2008 von der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angenommen wurde. Sie geht zurück auf ein Referat zu Nemee 4, das ich in einem unvergeßlichen Hauptseminar zu Pindar bei meinem späteren Doktorvater Professor Dr. Lutz Käppel gehalten habe – zu einem Lied, das den hier vorgeschlagenen Interpretationsansatz für Pindars Epinikien geradezu aufdrängt und das ich – wie der Zufall es so will – nur deshalb ausgewählt hatte, weil es sich um das Referat mit dem spätestmöglichen Termin handelte. Herrn Professor Dr. Lutz Käppel sei nicht nur für dieses Seminar und seine nachdrückliche Ermunterung, sich – zunächst im Rahmen meiner Magisterarbeit, dann im Rahmen meiner Promotion – intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen, herzlichst gedankt, sondern auch für seine immer wohlwollende, kompetente und engagiert-hilfreiche Begleitung und Förderung in all den Jahren des Entstehens dieser Arbeit. Mein Dank gilt außerdem den Kieler Professoren Dr. Jan Radicke und Dr. Thorsten Burkard, die freundlicherweise die weiteren Gutachten übernommen und mir dadurch sehr dabei geholfen haben, diese Arbeit zu verbessern. Herrn Professor Dr. Bardo Gauly (jetzt Eichstätt) danke ich für sein Gutachten zu meiner Magisterarbeit, von dem ich sehr profitiert habe. Ebenso zu Dank verpflichtet bin ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Altertumswissenschaftlichen Kolloquiums des Instituts für Klassische Altertumskunde der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, mit denen ich einzelne Abschnitte dieser Arbeit gewinnbringend diskutieren durfte. Das gleiche gilt für die Donnerstagsrunde des Internationalen Instituts für Theoretische Cardiologie (IIf TC, Kiel-Schilksee), die ein wahres Vorbild für gelebte Interdisziplinarität und die Freiheit der Wissenschaft ist. Insbesondere Herrn Professor Dr. Jochen Schaefer, Herrn Professor Dr. Wolfgang Deppert und Herrn Dr. Dr. Björn Kralemann gilt mein aufrichtiger Dank. Frau Stephanie Neu, M. A. (Hamburg) hat einige Kapitel dieser Arbeit in einer früheren Version gelesen und mir mit ihren klugen Kommentaren sehr weitergeholfen. Frau Helga Szallies (Büsum) sei herzlich dafür gedankt, daß sie mir mit großem Engagement die ersten Einblicke in die faszinierende Welt der griechischen Kultur vermittelte. Den Herausgebern der Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte danke ich sehr dafür, meine Arbeit in ihre Reihe aufzunehmen.

VIII

Vorwort

Schließlich gilt mein größter Dank meiner Familie: Ohne meine Frau Katrin und meine Kinder Lisa und Erik – von denen die eine noch rechtzeitig das Licht der Welt erblickte, um die letzte Hand an die Abgabeversion der Dissertation anzulegen, und der andere, um bei ihrer Drucklegung tatkräftig mitzuhelfen – hätte nicht nur diese Arbeit nicht entstehen können: Um auszudrücken, was ich ihnen verdanke, fehlen die Worte. Gewidmet sei dieses Buch meinen Eltern, Klaus und Christa Lattmann, die mich zeit meines Lebens liebevoll unterstützt und begleitet haben. Kiel, im August 2010

C. L.

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.....................................................................................................1 2 Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie ...........................................6 2.1 Text und Übersetzung................................................................................ 6 2.2 Problematik ................................................................................................10 2.3 Der Probierstein des Neuen....................................................................10 2.3.1 Gold und Worte...............................................................................11 2.3.2 Neid und Gefahr..............................................................................14 2.3.3 Verdienst und Anerkennung..........................................................18 2.4 Lauf und Lob..............................................................................................21 2.5 Theoretische Überlegungen zur Metapher .........................................25 2.5.1 Die schulrhetorische Theorie der Metapher..............................26 2.5.2 Die Metapherntheorie des Charles S. Peirce..............................29 2.5.3 Peirce’ Theorie und Pindars Metaphern.....................................35 2.5.3.1 Das Epinikion und sein Aufführungskontext .................37 2.5.3.2 Pindars Zeit und die Metapher...........................................39 2.5.3.3 Parallelität und Abstraktion ................................................44 2.5.3.4 Indizien und Erkenntnis ......................................................54 2.5.3.5 Zusammenfassung und Plan der weiteren Untersuchung .........................................................................59 2.6 Preis und Tat...............................................................................................62 2.7 Nemee 8 als Epinikion ..............................................................................69 3 Olympie 8: Die Teleologie des Siegs..................................................... 78 3.1 Text und Übersetzung..............................................................................78 3.2 Problematik ................................................................................................84 3.3 Die Mauer und der Ruhm .......................................................................85 3.3.1 Die Mauer und ihre Erbauer..........................................................85 3.3.2 Ein Zeichen und Apollons deutliche Deutung .........................90 3.4 Der Sieger und sein Umfeld....................................................................98 3.4.1 Alkimedon, Timosthenes und ihre Heimat...............................98 3.4.2 Melesias, Alkimedon und die Blepsiadai ................................. 102 3.5 Olympie 8 als Epinikion ........................................................................ 107

X

Inhaltsverzeichnis

4 Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen ................................................. 118 4.1 Text und Übersetzung........................................................................... 118 4.2 Problematik ............................................................................................. 124 4.3 Ringen als Poetologie ............................................................................ 125 4.3.1 Lobes- und Neidesringen ............................................................ 125 4.3.2 Der Trainer des Lobens ............................................................... 132 4.3.3 Die Wohltaten des Lobs .............................................................. 137 4.4 Drei mythische Ringkämpfe................................................................ 140 4.4.1 Telamons Ringen und Herakles’ Hilfe ..................................... 140 4.4.2 Peleus und das Ringen der Liebe ............................................... 146 4.5 Nemee 4 als Epinikion ........................................................................... 155 5 Pythie 4: Die Politik des Epinikions.................................................. 164 5.1 Text und Übersetzung........................................................................... 164 5.2 Problematik ............................................................................................. 184 5.3 Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene......................... 187 5.3.1 Ruder und Zügel ........................................................................... 187 5.3.2 Euphamos und sein Siegpreis ..................................................... 191 5.3.3 Die Euphamiden und das Wagenrennen ................................. 197 5.3.4 Die Argonauten und das Wagenrennen................................... 202 5.3.5 Zusammenfassung ........................................................................ 210 5.4 Das Wagenrennen und die Politik...................................................... 210 5.4.1 Der Mythos und die historische Situation .............................. 211 5.4.2 Iason, Pelias und Aietes ............................................................... 213 5.4.3 Damophilos und die Eiche ......................................................... 222 5.4.4 Damophilos und das Symposion............................................... 228 5.4.5 Damophilos, der Bote.................................................................. 236 5.4.6 Arkesilaos und Kyrene ................................................................. 238 5.4.7 Kyrenes Krankheit und ihre Heilung........................................ 243 5.5 Pythie 4 als Epinikion............................................................................ 247 6 Pythie 9: Der Segen des Laufens......................................................... 260 6.1 Text und Übersetzung........................................................................... 260 6.2 Problematik ............................................................................................. 268 6.3 Alexidamos’ Brautlauf ........................................................................... 270 6.4 Apollon und seine Braut....................................................................... 274 6.4.1 Apollon und das Heiraten........................................................... 274 6.4.2 Apollon und die Liebe ................................................................. 278 6.4.3 Zukünftiger Segen ........................................................................ 286 6.4.4 Zusammenfassung ........................................................................ 295 6.5 Telesikrates und der Ruhm................................................................... 298 6.6 Pythie 9 als Epinikion............................................................................ 304

Inhaltsverzeichnis

XI

7 Ergebnisse ............................................................................................... 311 Anhang .......................................................................................................... 317 Übersicht über abweichende Textentscheidungen................................... 317 Tabellarische Übersichten über die Pindarischen Epinikien.................. 318 Gliederungen der untersuchten Lieder....................................................... 320 Literatur- und Abkürzungsverzeichnis ................................................... 323 Register .......................................................................................................... 347 Sachen ................................................................................................................ 347 Namen................................................................................................................ 350 Griechische Wörter ........................................................................................ 355 Stellen................................................................................................................. 358

1Einleitung Die folgende Studie versucht zu zeigen, daß Pindars Epinikien als textlich kohärente Lieder in ihrem allgemein-kulturgeschichtlichen und konkret-situativen Kontext einzig und allein dem Siegerlob dienten, und zwar in einem weitaus umfassenderen Maße als bisher erkannt. Dieses Siegerlob wird allerdings zum größten Teil indirekt mittels metaphorischer Prozesse erzeugt. Diese verankern die Lieder in ihrem situativen Kontext und führen sie zu einer engen inneren Einheit. Daß Pindars Epinikien in einem (konkret wie auch immer gearteten) pragmatischen Zusammenhang mit der Siegesfeier eines erfolgreichen Sportlers standen, ist hinlänglich bekannt. Seit der Antike überrascht allerdings der seltsame Umstand, daß sie nur an den wenigsten Stellen einen direkten Bezug zum Sieger aufweisen – und daß sich dieser dann oft nur in Form der kargen Siegesdaten selbst zeigt (vgl. Pythie 4 und 9). Anstatt dessen finden sich in sehr viel umfangreicherem Maße und an prima vista zentralerer Stelle allgemeine, philosophische Spruchweisheit, Gebete, ausgedehnte mythische Erzählungen und poetologische Reflexionen über die Bedingungen der eigenen Dichtkunst.1 Einerseits scheinen Pindars Epinikien also Unvereinbares miteinander zu verbinden und über keinerlei innere Einheit zu verfügen, und entsprechend wurde die Suche nach dieser inneren Einheit zur Hauptaufgabe der gesamten modernen Pindarforschung im Sinne einer ‚Pindarischen Frage‘.2 Andererseits sind diese Lieder, hiermit zusammenhängend, in pragmatischer Hinsicht höchst problematisch, da sie inhaltlich nur zu einem geringen, letztlich und eigentlich unbedeutenden Teil in ihrem Anlaß aufzugehen scheinen. Ein bezeichnendes Beispiel hierfür ist Nemee 8, in der sich kein einziges explizites Sportlerlob findet, dafür aber neben ausführlichen Stellungnahmen zu den Aufgaben des Dichters ein umfangreicher Mythos. Nach den vergeblichen Versuchen des 19. Jahrhunderts, eine überzeugende Lösung für diese Probleme zu finden, und der historistischen Ablehnung jeglicher innerer Einheit unter dem Postulat, die einzige Einheit des Epini1 2

Zur Form des Epinikions s. Schadewaldt (1928), Greengard (1980). Vgl. konkret die Zusammenstellung bei Thummer 1, 82–102. Insbesondere letzteres hat dazu geführt, daß Pindar oft als Dichter des Dichters gilt (s. Bowra 1964 1, Bremer 1992 391 f. 401–412). Zur Geschichte der Pindarforschung s. Young (1970), Lloyd-Jones (1973) 109–117, Most (1985) 11–41. In letzter Zeit sind bezüglich der Einheit wichtige Fortschritte erzielt worden: s. z. B. Most (1985) und Köhnkens (1971) richtungsweisende Arbeit.

2

1. Einleitung

kions bestehe äußerlich in der Person Pindars, gab Elroy Bundy der PindarForschung in der Mitte des 20. Jahrhunderts einen entscheidenden neuen Impuls: Seine Interpretationsmaxime, daß „there is no passage in Pindar and Bakkhulides that is not in its primary intent enkomiastic – that is, designed to enhance the glory of a particular patron“,3 wird dem situativen Rahmen der Lieder prinzipiell gerecht, denn in der durch und durch musischen, oralen und festlichen griechischen Kultur hatte ausnahmslos alle lyrische Dichtung einen festen Sitz im Leben, der bei der Interpretation nicht ignoriert werden kann und darf:4 „This is an oral, public, epideictic literature dedicated to the single purpose of eulogizing men and communities“, „these eulogies are concentrated upon athletic achievement“.5 Demgemäß erweist sich die Einheit des Epinikions bei Bundy als empirisch aus dem äußeren pragmatischen Zusammenhang gegeben – allerdings auf Kosten der primär nichtsiegerzentrierten Liedbestandteile, die lediglich als Ornament verstanden werden (können), in ihrem Verhältnis zum Sieger und zum Anlaß also primär nur oberflächlich, d. h. unter Absehung von ihrem konkreten Inhalt.6 So ist – wenngleich Bundy in der Betonung der situativen Komponente des Verständnisses vollauf zuzustimmen ist – angesichts der inhaltlichen Eigenständigkeit der einzelnen Bestandteile des Epinikions ein anderer Weg einzuschlagen: Zwar ist offenbar, daß sie an sich nicht zusammengehörig, sondern kategorial verschieden sind, aber dennoch lassen sich in ihnen gleiche semantische Strukturen erkennen, die sie (unter der Oberfläche) miteinander verbinden. In diesem Sinne könnte das Epinikion nun aus Teilen bestehen, die zwar scheinbar verschieden sind, tatsächlich aber inhaltlich konvergieren – und zwar letztlich (notwendig) dadurch, daß ein Epinikion qua Text (nämlich als einheitsstiftende übergeordnete Instanz) diese Teile synthetisch in einem kohärenten Ganzen aufhebt. Damit freilich würde die disparate Gleichheit der Einzelteile zu einem tragenden Moment der Sinnkonstitution des Gesamttextes, und entsprechend wäre jeder Versuch, die Einheit des Epinikions primär ausgehend von seinen isolierten Einzelteilen – und nicht vom Ganzen (der Einzelteile) her – zu bestimmen, prinzipiell defizitär. Die semantische Gleichheit der Einzelteile des Epinikions ist allerdings – wie offenbar ist und wofür die Geschichte der Pindarforschung selbst hinrei3 4

5 6

Bundy (1986) 3. „Der ‚Sitz im Leben‘ als gattungskonstituierende Komponente“ griechischer Dichtung und ihres Sinns wird grundlegend bei Käppel (1992) 17–21 diskutiert; s. auch Kannicht (1996) 68–99 (insbesondere 70 f. 87–92) und Gentili (1990). Speziell zum Epinikion s. Kurke (1991a) 1–12, Stenger (2004) 39–52, auch Hölscher (1975) 92–94; man beachte z. B. Rösler (1980), Calame (1990), Gentili (1990), Käppel (1992), Latacz (1994), Schmitz (2002). Bundy (1986) 35 (vgl. Slater 1976). Zur Gattungsgeschichte s. Golden (1998) 74–88, Stenger (2004) 39 Anm. 145. Für ein Beispiel vgl. Bundys Behandlung der Priamel (s. u. Kap. 2.5.3.3).

1. Einleitung

3

chendes Indiz ist – nicht explizit gegeben, sondern liegt (vornehmlich) implizit vor. Damit läßt sie sich als Teil eines metaphorischen Prozesses begreifen, jedenfalls im modernen semiotischen Verständnis, das mit Charles S. Peirce die Metapher nicht wie die Schulrhetorik als reinen Schmuck auf der Wortebene mißversteht: Metaphern sind vielmehr Zeichen (in diesem Fall mehr oder weniger das Epinikion), die es vermögen, etwas anderes mit einem (anderen) Zeichen in impliziter Weise derart zu bezeichnen, daß dieses Etwas in ungewohnter, neuer Weise bezeichnet wird, und zwar auf der Grundlage einer Parallelität – die selbst wiederum zentraler Teil der Bedeutung der Metapher ist. Kurz: Metaphern zeigen (implizit und in nicht-habitualisierter Weise) das Gleiche im Verschiedenen und machen diese Gleichheit zu ihrer eigentlichen Aussage. Eine auf der Gleichheit beruhende Konvergenz der einzelnen Liedbestandteile eines Epinikions – und damit seine tatsächliche Einheit – wird sich damit nur nach hinreichender Erkenntnis seiner Metaphorik erkennen lassen. Das Gleiche im Verschiedenen im Pindarischen Epinikion ist dabei, wie im folgenden gezeigt werden soll, insbesondere auf den Sport des Siegers bezogen, und zwar derart, daß die prima vista anlaßfremden Themenbereiche, unter anderem der Mythos, implizit-metaphorisch als sportlich umgedeutet werden. Zweck ist (entsprechend der Situation) ein Lob des Sportlers – das entsprechend größer ausfallen kann, als es wegen seiner mangelnden Explizitheit keine Angriffsfläche bietet. Damit allerdings erwiese sich Bundys Postulat – daß „there is no passage in Pindar and Bakkhulides that is not in its primary intent enkomiastic“ – tatsächlich in einem weitaus fundamentaleren Sinne als vermutet als wahr, denn das primär Anlaßfremde trüge nicht indirekt-funktional, sondern direkt-inhaltlich in entscheidender Weise zum Siegerlob bei. Wenn sich die hier aufgestellte Interpretationshypothese mittels beispielhafter Interpretationen einzelner Lieder (die aufgrund der Gebundenheit der Metapher an den Gesamttext methodisch notwendig sind) als zutreffend erweisen ließe, ergäben sich wichtige Fortschritte für die Pindarforschung: 1) Die Einheit des Epinikions wäre positiv erwiesen, und die Art ihrer konkreten Beschaffenheit wäre aufgezeigt. 2) Das Epinikion erführe eine feste Verankerung in seiner lebensweltlichen Situation. Diese Verankerung konnte bisher für das Gesamtkunstwerk Epinikion wegen seiner scheinbaren Disparatheit nicht hinreichend glaubhaft gemacht werden, auch wenn sie angesichts der generellen Verfaßtheit griechischer Lyrik auch in diesem Fall schon immer gefordert zu sein schien. 3) Es wäre erwiesen, daß das Epinikion tatsächlich (primär einzig) dem Siegerlob dient, und ebenso, wie es dieses Ziel erreicht. Speziell dürfte sich zeigen, daß der Sieger in der Siegsituation in diesem Sinne metaphorisch mit den Figuren des Mythos in ihrer geschilderten mythischen Situation parallelisiert und gleichgesetzt wird. 4) Diese Erkennt-

4

1. Einleitung

nis leistete schließlich einen Beitrag zur Kulturgeschichte der frühen Klassik, denn sie beleuchtete am konkreten Beispiel die hohe, religiöse Bedeutung des Sports, mittels dessen es Menschen anscheinend gelingen konnte, literarisch als Heroen dargestellt und sogar tatsächlich als solche sozial anerkannt zu werden.7 Das Epinikion wäre damit ein eindrucksvoller literarischer Beleg für den für Pindars Zeit festzustellenden Glauben, ein Sieger bei einem panhellenischen Wettkampf erwerbe mit seinem Sieg κῦδος, „special power bestowed by a god that makes a hero invincible“8 – das selbst wiederum die soziale Grundlage der allgemeinen Hochschätzung des Wettkampfsports war, insbesondere deswegen, weil es auch der Gemeinschaft des Siegers zugute kam.9 Damit wäre Pindar allerdings kaum noch der archaische Dichter, der als Vertreter einer vergehenden adligen Gesellschaft ihren Werten die letzte poetische Form gibt, sondern ganz im Gegenteil der prototypische Dichter seiner eigenen Zeit, der Klassik.10 Im Ergebnis erwiese sich das Pindarische Epinikion als zentraler Bestandteil der Siegesfeier: Es priese den Sieger in bedeutendem Maße, indem es ihn mit den mythischen Helden der Vergangenheit parallelisierte, mithin über alle anderen Menschen erhöbe. Damit aber setzte sich Pindar, wie es die Konsequenz aus dem weitverbreiteten Pindar-Bild ist, kaum durch das Verfolgen eigener Ziele selbstherrlich über den Wunsch seines Publikums nach umfassendem Siegerlob für einen gottgeehrten Sportler hinweg und erwiese 7

Zum Athleten als Heros s. u. Kap. 2.7, zur Verwendung des Wortes ‚Heros‘ Currie (2005) 60–70. Die hier unternommene Untersuchung ist weniger historisch (wie Currie 2005) denn literaturwissenschaftlich ausgerichtet (allerdings mit kulturgeschichtlicher Einbettung). Allgemein zum religiösen Kultcharakter der panhellenischen Spiele s. Morgan (1990), Pemberton (2000). Er offenbart sich schon im Namen ἀγῶνες ἱεροί selbst (vgl. O. 8, 64, O. 13, 15, N. 2, 4, N. 6, 59) und in dem Umstand, daß die siegverleihende Instanz immer die Schutzgottheit der Spiele war (vgl. z. B. Zeus in O. 8, 83 f. und N. 3, 65, Apollon in P. 4, 66 und Poseidon in I. 2, 14). Ebenso bezeichnend ist, daß die Ursprungsdisziplin der Olympien, der Stadionlauf, auf eine religiöse Handlung zurückgeführt wurde (Meier 1993 65, Instone 2007, insbesondere 75). S. allgemein auch Meier (1993). 8 Grundlegend zum κῦδος Kurke (1993), das Zitat 132; vgl. unten Kap. 2.7 und 5.4.7. S. auch Fränkel (1962) 88: κῦδος „bezeichnet die Eigenschaft Erfolg zu haben und als Sieger hervorzugehn; es bezeichnet zugleich auch die ‚Ehre‘ des Erfolgs, das Prestige, die Autorität, die Würde und den Rang“; „die traditionelle Wiedergabe mit ‚Ruhm‘ ist falsch“ (88 Anm. 14; vgl. Stenger 2004 202–204). Vgl. konkret z. B. O. 3, 38 f., O. 4, 11 f., O. 5, 7 f., O. 8, 54, O. 9, 88, O. 10, 66 (κυδαίνειν), O. 14, 24 (κύδιμος), P. 1, 31 f. (κυδαίνειν), P. 2, 52. 89, P. 4, 66 f., N. 8, 34, N. 9, 46 f., I. 1, 10–12. 50. 9 Vgl. z. B. I. 1, 10–12. Entsprechend setzten die Heimatgemeinden wertvolle Sachpreise aus; einen Überblick gibt Stenger (2004) 45 (s. auch Mann 2001 68–81); speziell zu den Siegerstatuen s. Hermann (1988), insbesondere 119 f., allgemein zur sozialen Dimension des Sports Golden (1998), Pleket (2001), Mann (2001), auch Kurke (1991a). 10 Ersteres etwa bei Wilamowitz (1922), z. B. 463, Fränkel (1962) 583 (insgesamt auch 483– 576) und noch Degani (1997) 189 f., Zimmermann in Riemer [u. a.] (2000) 192 f. Vgl. jedoch z. B. Most (1985) 214–218.

1. Einleitung

5

sich als Nicht-Gottgeehrter in der Aufführungssituation, in der man allein den Sieger feiern wollte, keineswegs als ὑβριστής, der als ein zu dienender Funktion bestellter Dichter „a misguided and inflated conception of oneself and one’s place in the world“ hätte.11 Vielmehr zeigte er sich als Dichter, dessen anhaltende Beliebtheit – die bezeugten Daten der von ihm gepriesenen Siege reichen von 498 v. Chr. (P. 10) bis 446 v. Chr. (P. 8) – mehr als nachvollziehbar wäre, denn er hätte den hochgeschätzten Sportsieg von religiöser Bedeutung fulminant gepriesen und hätte damit die Wünsche und Erwartungen seiner Auftraggeber und seines Publikums zweifelsohne erfüllt.12 Zur Prüfung der Adäquatheit der skizzierten Grundannahmen sollen im folgenden fünf einzelne Epinikien analysiert und interpretiert werden: Nemee 8, Olympie 8, Nemee 4, Pythie 4 und Pythie 9. Diese Lieder zeigen einen jeweils anderen Aspekt des Pindarischen Epinikions: So behandelt Nemee 8 poetologisch das Siegerlob selbst (Kap. 2), Olympie 8 offenbart die historisch-teleologische Dimension des Siegs (Kap. 3), Nemee 4 die Komplementarität von Sieg und Epinikion (Kap. 4), Pythie 4 die politische Dimension des Siegs (Kap. 5) und schließlich Pythie 9 dessen Segenskraft (Kap. 6). Damit, so ist zu erhoffen, ergibt sich in der Gesamtheit der Einzelanalysen ein umfassendes und adäquates Bild Pindarischen Epinikiendichtens, und das einzelne Epinikion wird in seiner jeweils konkreten Ausformung als komplexer Text in seinem pragmatischen Kontext als metaphorisch operierender Ausdruck des Siegerlobs verstehbar. Als zusätzlicher Gewinn ergeben sich fünf Einzelinterpretationen, die nicht nur beispielhaft den allgemeinen potentiellen Nutzen des hier entwickelten Ansatzes erweisen, sondern auch zahlreiche Einzelprobleme der fünf Lieder lösen. Begonnen werden soll die Untersuchung mit Nemee 8: Dieses Lied behandelt nämlich nicht nur grundlegend das Lob – so daß hier allgemeine Einsichten in das konzeptuelle Fundament eines jeden Epinikions zu erwarten sind –, sondern es ist zugleich auch ein Extrembeispiel für das Fehlen jeglichen expliziten Siegerlobs. Entsprechend kann sich an diesem kurzen Lied paradigmatisch zeigen, daß der Sieger über das Kunstmittel der Metapher – die anhand ausgewählter konkreter Beispiele auf semiotischer Grundlage theoretisch bestimmt werden soll (Kap. 2.5) – in bedeutendem, prima vista sicherlich unerwartetem Maße gepriesen wird.

11 Cairns (1996) 8 (auch insgesamt grundlegend zur Hybris). 12 Allgemein zum Erwartungshorizont Jauß (1970) 173–177, speziell hinsichtlich des Epinikions Stenger (2004) 41 f.

2Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie 2.1Text und Übersetzung Aʹ

5

10

15

Bʹ 20

25

Ὥρα πότνια, κάρυξ Ἀφροδίτας ἀμβροσιᾶν φιλοτάτων, ἅ τε παρθενηίοις παίδων τ’ ἐφίζοισα γλεφάροις τὸν μὲν ἡμέροις ἀνάγκας χερσὶ βαστάζεις, ἕτερον δ’ ἑτέραις. ἀγαπατὰ δὲ καιροῦ μὴ πλαναθέντα πρὸς ἔργον ἕκαστον τῶν ἀρειόνων Ἐρώτων ἐπικρατεῖν δύνασθαι, οἷοι καὶ Διὸς Αἰγίνας τε λέκτρον ποιμένες ἀμφεπόλησαν Κυπρίας δώρων. ἔβλαστεν δ’ υἱὸς Οἰνώνας βασιλεύς χειρὶ καὶ βουλαῖς ἄριστος. πολλά νιν πολλοὶ λιτάνευον ἰδεῖν· ἀβοατὶ γὰρ ἡρώων ἄωτοι περιναιεταόντων ἤθελον κείνου γε πείθεσθ’ ἀναξίαις ἑκόντες, οἵ τε κρανααῖς ἐν Ἀθάναισιν ἅρμοζον στρατόν, οἵ τ’ ἀνὰ Σπάρταν Πελοπηιάδαι. ἱκέτας Αἰακοῦ σεμνῶν γονάτων πόλιός θ’ ὑπὲρ φίλας ἀστῶν θ’ ὑπὲρ τῶνδ’ ἅπτομαι φέρων Λυδίαν μίτραν καναχηδὰ πεποικιλμέναν, Δείνιος δισσῶν σταδίων καὶ πατρὸς Μέγα Νεμεαῖον ἄγαλμα. σὺν θεῷ γάρ τοι φυτευθεὶς ὄλβος ἀνθρώποισι παρμονώτερος, ὅσπερ καὶ Κινύραν ἔβρισε πλούτῳ ποντίᾳ ἔν ποτε Κύπρῳ. ἵσταμαι δὴ ποσσὶ κούφοις ἀμπνέων τε πρίν τι φάμεν. πολλὰ γὰρ πολλᾷ λέλεκται, νεαρὰ δ’ ἐξευρόντα δόμεν βασάνῳ ἐς ἔλεγχον ἅπας κίνδυνος· ὄψον δὲ λόγοι φθονεροῖσιν. ἅπτεται δ’ ἐσλῶν ἀεί· χειρόνεσσι δ’ οὐκ ἐρίζει. κεῖνος καὶ Τελαμῶνος δάψεν υἱόν, φασγάνῳ ἀμφικυλίσαις. ἦ τιν’ ἄγλωσσον μέν, ἦτορ δ’ ἄλκιμον, λάθα κατέχει ἐν λυγρῷ νείκει· μέγιστον δ’ αἰόλῳ ψεύδει γέρας ἀντέταται. κρυφίαισι γὰρ ἐν ψάφοις Ὀδυσσῆ Δαναοὶ θεράπευσαν·

2.1. Text und Übersetzung



5

10

15

Bʹ 20

25

7

Hora, Herrin, Aphrodites Herold unsterblicher Lieben, die du, sitzend auf Mädchenlidern als auch auf denen der Jungen, den einen mit den sanften Händen des Zwangs erhebst, den anderen mit anderen! Willkommen ist, ohne das rechte Maß zu verfehlen, bei jedem Werk, über allzu starke Begierden zu obsiegen zu vermögen, welche auch des Zeus und der Aigina Bett umsorgten, die Hirten der Geschenke der Kypria. Es sproß ein Sohn, Oinonas König, an Hand und Ratschlüssen der beste. Vielfach baten viele darum, ihn zu sehen. Ungerufen nämlich wollte der umherwohnenden Heroen Flor den Befehlen gerade jenes gehorchen, bereitwillig, sowohl diejenigen, die im felsigen Athen das Heer fügten, als auch diejenigen in Sparta, die Pelopeiaden. Als Bittflehender berühre ich Aiakos an seinen heiligen Knien sowohl um der befreundeten Stadt als auch um dieser Bürger hier willen und bringe eine lydische Mitra, lauttönend-bunt gefertigt, der doppelten Stadien des Deinis und seines Vaters Megas Nemeenprunkstück. Mit Gott gepflanzter Segen ist nämlich gewiß den Menschen beständiger, welcher gerade auch Kinyras belud mit Reichtum im Meereskypros einst. Ich komme jetzt zum Stehen, mit leichten Füßen und Luft holend, bevor ich etwas sage. Vieles ist nämlich schon auf vielerlei Weise gesagt worden, doch Neues, hat man es gefunden, dem Probierstein zur Prüfung zu übergeben, gerät gänzlich zur Gefahr. Ein zubereitetes Mahl sind Worte für die Mißgünstigen. Sie heftet sich immer an das Edle, mit dem Geringeren hadert sie nicht. Jene verschlang sogar Telamons Sohn, herumgerollt um das Schwert. Gewiß hält jemanden ohne Sprache, im Herzen aber voller Kampfesmut das Vergessen nieder im schrecklichen Zwist. Das größte Geschenk ist der schillernden Lüge emporgehalten. Mit verborgenen Stimmsteinen nämlich haben Odysseus die Danaer gedient.

8

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

30

Γʹ 35

40

45

50

χρυσέων δ’ Αἴας στερηθεὶς ὅπλων φόνῳ πάλαισεν. ἦ μὰν ἀνόμοιά γε δᾴοισιν ἐν θερμῷ χροΐ ἕλκεα ῥῆξαν πελεμιζόμενοι ὑπ’ ἀλεξιμβρότῳ λόγχᾳ, τὰ μὲν ἀμφ’ Ἀχιλεῖ νεοκτόνῳ, ἄλλων τε μόχθων ἐν πολυφθόροις ἁμέραις. ἐχθρὰ δ’ ἄρα Πάρφασις ἦν καὶ πάλαι, αἱμύλων μύθων ὁμόφοιτος, δολοφραδής, κακοποιὸν ὄνειδος, ἃ τὸ μὲν λαμπρὸν βιᾶται, τῶν δ’ ἀφάντων κῦδος ἀντείνει σαθρόν. εἴη μή ποτέ μοι τοιοῦτον ἦθος, Ζεῦ πάτερ, ἀλλὰ κελεύθοις ἁπλόαις ζωᾶς ἐφαπτοίμαν, θανὼν ὡς παισὶ κλέος μὴ τὸ δύσφαμον προσάψω. χρυσὸν εὔχονται, πεδίον δ’ ἕτεροι ἀπέραντον, ἐγὼ δ’ ἀστοῖς ἁδὼν καὶ χθονὶ γυῖα καλύψαι, αἰνέων αἰνητά, μομφὰν δ’ ἐπισπείρων ἀλιτροῖς. αὔξηται δ’ ἀρετά, χλωραῖς ἐέρσαις ὡς ὅτε δένδρεον ᾄσσει, ֘ἐν֙ σοφοῖς ἀνδρῶν ἀερθεῖσ’ ἐν δικαίοις τε πρὸς ὑγρόν αἰθέρα. χρεῖαι δὲ παντοῖαι φίλων ἀνδρῶν· τὰ μὲν ἀμφὶ πόνοις ὑπερώτατα, μαστεύει δὲ καὶ τέρψις ἐν ὄμμασι θέσθαι πιστόν. ὦ Μέγα, τὸ δ’ αὖτις τεὰν ψυχὰν κομίξαι οὔ μοι δυνατόν· κενεᾶν δ’ ἐλπίδων χαῦνον τέλος· σεῦ δὲ πάτρᾳ Χαριάδαις τ’ ἐλαφρόν ὑπερεῖσαι λίθον Μοισαῖον ἕκατι ποδῶν εὐωνύμων δὶς δὴ δυοῖν. χαίρω δὲ πρόσφορον ἐν μὲν ἔργῳ κόμπον ἱείς, ἐπαοιδαῖς δ’ ἀνήρ νώδυνον καί τις κάματον θῆκεν· ἦν γε μὰν ἐπικώμιος ὕμνος δὴ πάλαι καὶ πρὶν γενέσθαι τὰν Ἀδράστου τάν τε Καδμείων ἔριν.

2.1. Text und Übersetzung

30

Γʹ 35

40

45

50

Der goldenen Waffen beraubt, rang Aias mit dem Mord. Wahrlich: vollkommen ungleich haben sie den Feinden Wunden in die warme Haut gerissen, zurückgedrängt, unter der Sterbliche-schützenden Lanze, die einen um den frischgetöteten Achilleus und in anderer Mühen vielverderbenden Tagen. Die feindselige Parphasis hat es offenbar auch schon früher gegeben, die Begleiterin verschlagener Reden, listensinnend, ein übelschaffender Vorwurf, die zum einen das Glänzende vergewaltigt, zum anderen des Dunklen morsches Prestige emporstreckt. Sei mir nirgendwann ein solcher Charakter zu eigen, Vater Zeus, sondern an die einfachen Wege des Lebens möchte ich mich heften, damit ich, wenn ich gestorben bin, den Kindern nicht jenen Ruhm voll üblen Rufs anhefte! Um Gold betet man, andere um eine Ebene ohne Grenze, ich aber darum, den Bürgern zum Gefallen sogar in der Erde meine Glieder zu bergen, lobend das Lobenswerte, Tadel aber säend den Frevlern. Voller Gedeihen ist die Tugend – wie wenn ein Baum durch grünen Tau emporschießt –, wenn sie bei den Klugen unter den Männern und bei den Gerechten in den feuchten Aither erhoben wird. Der Bedarf nach befreundeten Männern ist mannigfaltig. Die Dinge der Strapaze sind das Allerhöchste, doch es sucht sogar die Freude danach, Verläßliches vor Augen zu stellen. Megas, das Zurückbringen deiner Seele ist mir aber nicht möglich. Das Ziel leerer Hoffnungen ist wie ein Schwamm. Deiner Heimat und den Chariadai aber einen Musenstein unterzustellen wohlnamiger Füße wegen, zweimal zweier, ist leicht. Ich freue mich, angemessenes Ruhmesprahlen bei einer Tat zu entsenden: Mit Zauberliedern macht irgendein Mann seinerseits die Mühe schmerzlos. Wahrlich gewiß gab es einen Festzugshymnos schon früher – und bevor es den Streit des Adrastos und den der Kadmeer gab.

9

10

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

2.2Problematik Das als Nemee 8 überlieferte Epinikion spricht den Siegern Deinis1 und Megas ein nur geringes, ja: gar kein direktes Lob aus: Innerhalb seiner fünf großen Teile – Prooimion (1–5), Aiakos-Mythos (6–12), Äußerungen des Sprechers in eigener Sache (13–22), Aias-Mythos (23–34) und diversen weiteren Anmerkungen des Sprechers (35–51) – findet sich nur in 16 und 46–48 ein expliziter Bezug auf die Siege der beiden Sportler, und dies nur indirekt und prima facie kaum beeindruckend: einmal wird das Epinikion als Schmuck (16), einmal als Stütze der Sieger und ihrer Familie (46–48) bezeichnet. Daß aber ein Lied, das nirgendwo direkt vom Sportsieg selbst handelt, den Siegern eine Stütze sein könnte, verwundert – und damit ist auch sein genereller Charakter als Preislied für einen Sportler fragwürdig. Dies gilt um so mehr, wenn Pindar sein Lied tatsächlich als Selbstverteidigung gegen neidische Kritiker und Rivalen auf Aigina verstanden und ferner der Aias-Mythos kaum einen Berührungspunkt mit den Siegern besessen haben sollte.2 Nemee 8 könnte dann nur insofern als Epinikion gelten, als Deinis’ Familie aufgrund des Siegs einen Dichter verpflichten konnte, der „capable of producing not only exciting novelties but also passionate statements of his moral convictions“ war.3 Dies wirkt jedoch befremdlich.4 Insgesamt erweist sich Nemee 8 hinsichtlich seines lebensweltlichen Kontextes als problematisch: Es besitzt keine engere Verbindung zu seinem Anlaß, und Pindar macht sich eines Aktes der Hybris schuldig – denn er erachtet zwar Deinis’ und Megas’ Sieg für unwürdig einer ausführlichen Behandlung, nicht aber seine eigene Kunst und seine bedrohte literarische Position.

2.3Der Probierstein des Neuen Der Versuch einer Lösung dieses Problems kann mit einer Betrachtung des prima vista unproblematischen Satzes ἵσταμαι δὴ ποσσὶ κούφοις ἀμπνέων τε πρίν τι φάμεν (19) beginnen: Wenn man in der Öffentlichkeit laut sprechen möchte, muß man vorher Luft holen.5 Doch daß Thema hier das laute Sprechen ist, ist angesichts des folgenden Satzes zweifelhaft: πολλὰ γὰρ πολλᾷ λέ1 2

3 4 5

Zum Namen (Deinis oder Deinias) s. Boeckh 1, 547. Zum ersten vgl. Farnell 2, 304. Politisch interpretieren das Lied Dissen 2, 468–470, Mezger (1880) 324–326, Bury (1890) 145–149, Christ (1896) 294 f., Wilamowitz (1922) 410 f., Bowra (1964) 298 f. und jüngst Carnes (1995) und (1996a); s. dagegen schon Rauchenstein (1858) 431, Köhnken (1971) 21–23 (19–24 für eine Gesamtübersicht). Henry (2005) 70. Vgl. Henrys (2005) 71 Antwort (vgl. Burnett 2005 178). Vgl. Σ N. 8, 32c; vgl. Mezger (1880) 328.

2.3. Der Probierstein des Neuen

11

λεκται (20: „vieles ist nämlich schon auf vielerlei Weise gesagt worden“). Obgleich dies offenbar als Begründung dient (γάρ), ist unklar, inwiefern: Für den Sprecher kann sich daraus, daß vieles gesagt wurde, kaum die Notwendigkeit ergeben, laut zu sprechen. Ähnliches gilt, wenn man angesichts der Partikel δέ (20) den nächsten Satz (20 f.: das Sagen von Neuem sei eine Gefahr) zusammen mit dem γάρ-Satz (20) als komplexen Gedanken faßt (obgleich γάρ [20] primär nur für den ersten Satz gilt): Ebenso wenig sind nämlich prima vista die Qualität des Inhalts und die seiner Darbringung kausal verbunden – zumal nicht ersichtlich ist, warum man in einem solchen Zusammenhang auf seine leichten Füße (19: ποσσὶ κούφοις) verweisen sollte. Aber darüber hinaus stellt sich die Frage, wer überhaupt von seinen Füßen spricht und warum er leichte Füßen, Luftholen und Sprechen in einer einzigen Aussage miteinander verbindet. Der unmittelbare Kontext gibt hierauf keine Antwort, denn er scheint von etwas anderem zu handeln: Einerseits ist im vorangehenden Satz (17 f.) allgemein vom Segen die Rede (er sei beständiger, wenn er wie bei Kinyras mit der Hilfe eines Gottes gepflanzt wurde), andererseits heißt es im folgenden (20 f.), daß vieles schon auf vielerlei Weise gesagt worden sei und daß es eine große Gefahr sei, etwas Neues zur Prüfung auf den Probierstein zu legen (20 f.). Dasselbe gilt für den mittelbaren Kontext: Auch in 13–16 und 21 f. findet sich kein direkter Hinweis darauf, wie sich 19 adäquat verstehen läßt. 2.3.1Gold und Worte Dennoch weist eine in 16 gegebene Information den Weg des Verständnisses von 19: Das Lied sei „ein Nemeen-Prunkstück für die doppelten Stadien von Deinis und seinem Vater Megas“ (16: Δείνιος δισσῶν σταδίων καὶ πατρὸς Μέγα Νεμεαῖον ἄγαλμα). Bei den Gefeierten handelt es sich also um Läufer.6 Angesichts dessen liegt es nahe, den Satz in 19, in dem von Füßen und vom Atmen die Rede ist, unter der Hypothese zu verstehen, daß es sich auch beim Sprecher – entsprechend den gefeierten Siegern – um einen Läufer handelt.7

6

7

Angesichts der Genitive sind beide Nemeensieger; s. Cole (1987) 558, Henry (2005) 77 f. Das Datum der Siege war schon in der Antike verloren: s. Σ N. 8 inscr., Farnell 2, 303 f., Hubbard (2000) 330 f. Anm. 40, Henry (2005) 69. 77 f. Im Rahmen einer politischen Deutung datieren das Lied Bulle (1868), besonders 15, Mezger (1880) 325 f., Brown (1951) 10–15, Bowra (1964) 412, Mullen (1973) 476; die Bandbreite reicht von den 490ern (Mezger) bis zu den 440er (Brown, Mullen) (für einen Überblick s. Burnett 2005 167 f.). Vgl. Mezger (1880) 328, Thummer 1, 98 f. Lefkowitz (1991) 166, allerdings ohne Bestimmung der Funktion dieser Charakterisierung. Der Sprecher stellt sich nicht als Pentathlet dar (so Σ N. 8, 32a. b; vgl. Wilamowitz 1922 407).

12

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

In der Tat läßt sich jeder Bestandteil der Äußerung auf einen Läufer und seine Tätigkeit beziehen: Erstens sind κοῦφοι πόδες mit schnellem Laufen verbunden, denn die Leichtigkeit der Füße bedingt eine Leichtigkeit der Bewegung;8 entsprechend bewegt man sich bei schneller Bewegung κοῦφα oder κούφως.9 Zweitens bedeutet das Verb ἵστασθαι im Medium (bzw. allgemein im intransitiven Gebrauch) nicht nur „sich stellen“,10 sondern es bezeichnet oftmals auch (mit Blick auf den Endpunkt des Sich-Stellens) prägnant ein Zum-Stehen-Kommen,11 insbesondere im Ziel: So verwendet es Bakchylides bezüglich eines gefeierten Läufers, der „am Endpunkt des Stadionlaufes zum Stehen kam“ (10, 21–23: τέ֘ρ֙θ]ροισιν ἔπι σταδίου | … | ἔστα)12 oder Hesiod bei Hippomenes, der im Wettlauf gegen Atalante siegreich „dem Tod und dem schwarzen Verderben entfloh und nach Luft schnappend zum Stehen kam“ (fr. 76, 22 f. MW: ἐξέφυγεν θάνατον καὶ κῆɅ[ρα μέλαιναν, | ἔστη δ’ ἀμπνείων). Drittens kommt der Sprecher (naheliegend) ebenso nach Luft schnappend zum Stehen (ἵσταμαι … ἀμπνέων), wie auch Hippomenes „nach Luft schnappend zum Stehen kam“ (Hes. fr. 76, 23 MW: ἔστη δ’ ἀμπνείων) oder der zum Stehen kommende Läufer bei Bakchylides „einen heißen Sturmwind atmete“ (22: θερμ[ὰν ἀπο]πνε֘ί֙ων ἄελλαν): Auf das Laufen folgt also ein erschöpftes Luftholen.13 Insgesamt ist damit (man beachte natürlich auch ποσσί)14 sehr wahrscheinlich, daß der Sprecher des Satzes ἵσταμαι δὴ ποσσὶ κούφοις ἀμπνέων τε πρίν τι φάμεν (19) ein Läufer ist, der von sich selbst aussagt, daß er nach ei8 9

10 11

12 13

14

Die eigentliche Bedeutung „light“ (vgl. Plat. Tht. 189 c11–d2, rep. 524 a6–10) geht also in die Bedeutung „nimble“ über (s. Slater s. v. a). Vgl. O. 14, 17, Hom. Il. 13, 158, Hes. scut. 323, Alk. fr. 117b, 6 LP, Soph. Ant. 223 f., Eur. Alc. 586, Tro. 342, Aristoph. Thesm. 659. 954, Xen. equ. 1, 13, besondere im Sportlichen Apoll. Rhod. 4, 1771, Philostr. gym. 32 (Beine), Poll. 3, 149; entsprechend wird das Verb auch hinsichtlich des Springens (B. 13, 89, Aischyl. Pers. 305, Eur. El. 439, Xen. an. 6, 1, 5) und des Fliegens (Aristoph. Av. 1373 f. 1453 f.) verwendet. Insgesamt galten alle läuferischen Disziplinen (anders als die schwerathletischen) als κοῦφος: vgl. Philostr. gym. 3 (die Unterscheidung ist schon klassisch: Eur. Alc. 1029–1031). S. allgemein KG § 374 4. Vgl. Slater s. v. 2 a: „halt, come to a halt“ (speziell N. 5, 16, allgemein LSJ s. v. B II 1) und s. Henry (2005) 79; dem entspricht das kausale Aktiv „bring to a standstill, stay, check“ (LSJ s. v. A III 1). Es wird nicht der Moment vor dem Beginn des Laufens beschrieben (so Bury 1890 153, Lefkowitz 1991 166). Dies wäre auch insofern kaum sinnvoll, als der Sprecher angesichts von ποσσὶ κούφοις (19) das Aufstellen schnell vollzöge und sich (im Kontext: s. u. Anm. 13) gerade hiervon verschnaufte: Dies hätte keine Pointe. Zur Textherstellung (von der ἔστα [23] nicht betroffen ist) s. Maehler (1982) 2, 184 f. (insgesamt auch 184–186, speziell 186 zu ἔστα). Das Verb ἀναπνεῖν hat die Grundbedeutung „einatmen“ (s. LSJ s. v. I. II); oft bezeichnet es speziell ein Atemholen nach einer Anstrengung, nicht selten auch allgemein irgendeine Erholung (s. LSJ s. v. I und vgl. ἀμπνοά in O. 8, 7; s. auch Rose 1974 163 Anm. 51); vgl. Aristoph. Av. 1121 und unten S. 89 Anm. 24. Zur Situation vgl. Plat. Soph. 231 c9–d2. Vgl. O. 1, 95, O. 10, 64 f., O. 12, 15, O. 13, 35–40, P. 9, 115, P. 10, 23 f., N. 3, 52, N. 8, 46–48, N. 10, 47 f. 63 f., I. 5, 8–10.

2.3. Der Probierstein des Neuen

13

nem schnellen (und siegreichen)15 Lauf zum Stehen komme und in seiner Erschöpfung Luft holen wolle, um sodann etwas zu sagen. Warum der Sprecher dies mitteilt, zeigt das folgende (20 f.): ‚Ich komme jetzt mit schnellen Füßen zum Stehen und hole Luft, bevor ich etwas sage‘ (19), ‚denn vieles ist schon auf vielerlei Weise gesagt worden (20: πολλὰ γὰρ πολλᾷ λέλεκται), doch (20: δέ) wenn man etwas Neues ge-/ erfunden hat (20: νεαρὰ … ἐξευρόντα), gereicht es gänzlich zur Gefahr (21: ἅπας κίνδυνος), dies zur Prüfung auf den Probierstein zu geben (20 f.: δόμεν βασάνῳ ἐς ἔλεγχον).‘16 Während hier jedoch einerseits γάρ (20) anzeigt, daß der zweite Gedanke (20 f.) den ersten (19) begründen soll, andererseits δέ (20), daß diese Begründung zweiteilig ist, ist nichtsdestoweniger unklar, wie erstens die Begründung begründend ist und in welcher inhaltlichen Beziehung zweitens die durch δέ verbundenen Teilgedanken stehen, denn die jeweils hervorgehobenen Wörter πολλά (20) und νεαρά (20) lassen sich prima vista weder gegensätzlich noch parallel noch kausal verbinden.17 Allerdings verweist δέ (20) auf einen implizit gegebenen Gegensatz zwischen πολλά (20) und νεαρά (20): 1) Das Viele ist insofern alt und bekannt, als es schon auf vielerlei Weise gesagt worden ist. Hierzu ist das Gegenteil das Neue (νεαρά), das entsprechend nicht nur neu, sondern auch (anders als die πολλά) selten ist.18 2) Letzteres ergibt sich auch daraus, daß die νεαρά erst noch er-/ gefunden werden müssen (20: ἐξευρόντα); anders als die πολλά sind sie noch nicht gesagt, mithin gehört worden. 3) Die Probe der νεαρά besteht darin, daß sie das erste Mal gesagt werden. Insofern besteht ein Kontrast zwischen λέλεκται (20) und δόμεν βασάνῳ ἐς ἔλεγχον (20 f.). 4) Die πολλά haben anders als die νεαρά den Test des Gesagt-Werdens offenbar schon bestanden und ihren Wert als Gold (worauf der Prüfstein prüft) erwiesen.19 5) Deshalb ist das Sagen der πολλά keine Gefahr, das der νεαρά hingegen schon. Von ihnen weiß man schließlich nicht, ob sie die Prüfung bestehen werden. Insgesamt machen die beiden Sätze in 20 f., die oberflächlich betrachtet von Verschiedenem handeln, eine komplementäre Aussage: Vieles wurde schon gesagt und hat seine Güte erwiesen; deshalb ist es ungefährlich, es vorzubringen; wenn man aber etwas Neues vorbringt, übergibt man es in der Äußerung der allerersten Prüfung. Begründungscharakter hat dieser Gedan15 Vgl. O. 1, 95, O. 4, 24, I. 5, 10, wo die „Schnelligkeit der Füße“ den Laufsieg bezeichnet (ebenso Xenophan. B 2, 1. 17; vgl. unten S. 277 Anm. 50). 16 Zur Konstruktion des Satzes vgl. KG § 356 1; ἅπας ist prädikativ (vgl. KG § 465 6 c, speziell Slater s. v. ἅπας A 3, wo diese Stelle mit „in every respect“ wiedergegeben ist). 17 Zur verbindenden Funktion von δέ s. GP 162–177, speziell zum kausalen Gebrauch 169 f. 18 Vgl. Miller (1982) 113. 19 Anders Miller (1982) 113; zur Funktion des Prüfsteins vgl. P. 10, 67 f., fr. 122, 16 (ebenso pae. 14, 37 f. für das Verb βασανίζειν); an allen Stellen, wo Pindar die βάσανος erwähnt (bzw. das Verb βασανίζειν gebraucht), ist explizit das Gold als das Geprüfte genannt.

14

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

ke genau dann für den Satz ἵσταμαι δὴ ποσσὶ κούφοις ἀμπνέων τε πρίν τι φάμεν (19), wenn τι nicht schlechthin „etwas“ bedeutet, sondern ‚etwas Neues‘ ist (also zu den νεαρά gehört): Vor dem (implizit) angekündigten Sagen von etwas (πρίν τι φάμεν) ist nach Meinung des Sprechers ein Luftholen (ἀμπνέων) notwendig, um mit voller Kraft sprechen zu können, denn er unterzieht es (das implizit Neue) jetzt der gefährlichen Prüfung darauf hin, ob es seiner Hoffnung entsprechend (im Bild) tatsächlich Gold ist.20 Hier offenbart sich allerdings ein wichtiger Unterschied zwischen dem zu Sagenden und Gold, denn während das Ergebnis der Prüfung von Gold nicht von der Durchführung der Prüfung abhängt, ist dies beim Sagen des Neuen anscheinend gerade der Fall: Andernfalls müßte es der Sprecher nämlich nicht für notwendig halten, vor der Äußerung Luft zu holen, denn das Luftholen betrifft nicht das Wesen des Neuen (d. h. seinen Inhalt), sondern seine Darbietung, und zwar nachdem man es wie Gold gefunden hat (ἐξευρόντα δόμεν).21 Dieser Unterschied leuchtet sachlich zweifellos ein, denn Gesagtes ist notwendig auf die Rezeption angewiesen: Seine Güte besteht anders als die des Goldes wesensmäßig nicht unabhängig von der Prüfung. Dieser Gedanke unterliegt auch dem folgenden Satz ὄψον δὲ λόγοι φθονεροῖσιν (21): Worte seien den Mißgünstigen ein „cooked or otherwise prepared food, a made dish“.22 Anscheinend begründet (δέ: vgl. oben Anm. 17) dies das vorangehende Reden von der Gefahr: Insofern einerseits das Neue noch ungeprüft ist, sich die Mißgünstigen aber andererseits gerade von Worten (λόγοι), d. h. konkret dem τι (19) und den νεαρά (20) des Sprechers, ernähren, ist in ihrer Darbringung höchste Vorsicht geboten, damit sie die Prüfung bestehen und nicht den Mißgünstigen als ὄψον dienen.23 2.3.2Neid und Gefahr Die konkrete Gefahr, die von den Mißgünstigen ausgeht, wird sodann begründet und geschildert, beginnend mit dem Gedanken, daß die Mißgunst

20 Kaum stimmt also, Pindar „wolle nichts Neues bringen, weil die Mißgunst sich darauf stürzen würde“; „jetzt verzichtet er also auf das, was einst sein Stolz war“ (Wilamowitz 1922 409, vgl. Bowra 1964 343 f.). 21 Somit bezeichnet ἐξευρίσκειν hier primär das Finden (von Gold), weniger das Erfinden (von Dichtung): vgl. Herakl. fr. 8 (ἐξευρίσκειν hier ist verstärktes εὑρίσκειν dort; s. allgemein Schwyzer II 462), Aischyl. Prom. 500–503; anders Henry (2005) 79. 22 Zu ὄψον s. LSJ s. v. I 1, zur Konstruktion des Satzes KG § 356 1 und § 423 16. 23 Angesichts dieses Zusammenhangs (man beachte die sprachliche Parallelität von λόγοι und λέλεκται, das seinerseits zwar primär auf πολλά bezogen ist, aber dennoch die Tätigkeit des Sprechers selbst beschreibt) ist unwahrscheinlich, daß die λόγοι die Worte der Mißgünstigen sind (Köhnken 1971 31; vgl. unten S. 16 Anm. 31).

2.3. Der Probierstein des Neuen

15

(φθόνος, zu ergänzen aus φθονεροῖσιν [21])24 sich immer an die Edlen hefte, mit den Geringeren jedoch nicht hadere (22: ἅπτεται δ’ ἐσλῶν ἀεί, χειρόνεσσι δ’ οὐκ ἐρίζει) bzw. – in der eigentlich zu verstehenden Umkehrung (die sich aus der Komplementarität ergibt) – daß die Mißgunst gerade mit den Edlen hadere und sich nicht an die Geringeren hefte.25 Sinnvoll ist diese Äußerung nur dann, wenn sie als Fortführung des vorangehenden Gedankens (Worte dienen den Mißgünstigen als Mahl) dient und die angekündigte Äußerung des Sprechers mit Edlen verbunden sein soll: Die Gefahr besteht, weil der Sprecher etwas Neues über Edle sagen will, und zwar deshalb, weil sich die Mißgünstigen einerseits von Worten ernähren und sie ihre Mißgunst andererseits immer auf die Edlen richten. Sie ernähren sich also von Worten, die die Edlen zum Inhalt haben, und diese Worte müssen angesichts ihres Gegners, der Mißgünstigen, Worte des Lobes sein. Die Sorge des Sprechers ist nicht unberechtigt (23): Jener, d. h. der φθόνος, habe sogar Telamons Sohn Aias verschlungen, indem er ihn um sein Schwert herumgerollt habe (κεῖνος καὶ Τελαμῶνος δάψεν υἱόν, φασγάνῳ ἀμφικυλίσαις);26 die Gefahr für den Edlen besteht also im Tod. Hierbei erscheint der Edle angesichts von δάψεν als zu reißendes Tier, als rohes Fleisch, das von einem wilden Tier verschlungen wird.27 Dies steht in einem gewissen Gegensatz zu den λόγοι (21) über ebendiese Edlen, denn diese galten als „cooked or otherwise prepared food, a made dish“ (ὄψον). So unterscheiden die Mißgünstigen anscheinend zwischen den Edlen selbst und den preisenden Worten über sie, und beides dient ihnen (und ihrer Mißgunst) als Nahrung: Die λόγοι entsprechen in Hinsicht auf die Edlen dem, was das ὄψον in Hinsicht auf 24 So schon Σ N. 8, 37; vgl. Mezger (1880) 328, Köhnken (1971) 30 (bestätigt im übrigen durch das folgende Demonstrativpronomen κεῖνος [23]); anders Stone (1935), Henry (2005) 79 f. Eine Erklärung liefert KG § 352 d (vgl. z. B. Eur. Hek. 22–24 [πατρώια θ’ ἑστία … αὐτός τε, sc. ὁ πατήρ]). 25 S. Köhnken (1971) 33 Anm. 58; er weist auf die eigentlich zu verstehende Umkehrung ἐρίζει ἐσλοῖς, χειρόνων οὐχ ἅπτεται hin. Allerdings macht nur Pindars Formulierung in ihrer inneren Verbundenheit eine vollständige, komprimierte Aussage über das Verhalten der Mißgunst hinsichtlich der Edlen und der Geringeren (vgl. Wilamowitz 1959 3, 198 f.). 26 Vgl. N. 7, 20–30 (mit Most 1985 148–156), I. 3/4, 52–57, ferner Sophokles’ Aias (und s. u.); s. allgemein Gantz (1993) 629–635, Zunker (1988) 141–162. Der Aorist des Partizips erklärt sich mit KG § 389 Anm. 8 (vgl. § 389 6 E α). Die Formulierung φασγάνῳ ἀμφικυλίσαις (24) dürfte singulär sein; die von Henry (2005) 81 (und schon Bury 1890 154, Carey 1976 40 Anm. 23) angeführte Parallele Hom. Il. 8, 86 ist keineswegs parallel, da das von einem Pferd gesagte κυλινδόμενος περὶ χαλκῷ als „rollte umher wegen der Bronze [sc. des Pfeils, das es getroffen hatte]“ zu verstehen ist (vgl. LSJ s. v. περί B II 3): Das Geschoß steckt im Gehirn des Pferdes (85), und der von ihm mitgezogene Streitwagen fährt gerade nicht mehr weiter (87–90). Vgl. zu ἀμφί z. B. ἀμφ’ ὀβελοῖσιν ἔπειραν (Hom. Il. 1, 465; Schwyzer II 438: „durchbohrten es so, daß es um die Bratspieße zu liegen kam“). 27 LSJ s. v. δάπτω: „devour, as wild beasts“ (vgl. z. B. Hom. Il. 16, 156–159); s. Bury (1890) 154, Henry (2005) 81.

16

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

das Wild ist, und so sind sie ebenso, wie jenes das kunstvoll zubereitete Mahl aus dem rohen Fleisch ist, die kunstvoll zubereitete Verfeinerung der Edlen. Folglich besteht die von den Mißgünstigen ausgehende Gefahr (20 f.) lediglich für die Edlen selbst, denn die λόγοι fallen ihnen bloß als ‚raffinierte‘ Form des Edlen selbst zum Opfer.28 Damit ist letztlich auch nicht der Sprecher gefährdet; dieser fürchtet also nicht um sich selbst, sondern um das Objekt seiner Rede. Entsprechend ist ausgeschlossen, daß 20 f. von der Gefahr für neiderregende poetische Neuerer handeln könnte,29 und insgesamt ist der Grund offenbar, warum der Sprecher kundgibt, sich vor seiner lobenden Äußerung über Edle erholen zu wollen (19): Jeder Fehler wird von den Mißgünstigen schlimmstenfalls dazu genutzt, den Edlen zu töten (20–23). Dieser Gedanke erfährt im nächsten Satz (24 f.) eine leichte Wendung: Gewiß halte jemanden, der ohne Zunge (d. h. ohne Sprache), im Herzen aber voller Kämpfertum sei, das Vergessen im unheilvollen Streit nieder (ἦ τιν’ ἄγλωσσον μέν, ἦτορ δ’ ἄλκιμον λάθα κατέχει ἐν λυγρῷ νείκει). Wie sich aus ἦτορ … ἄλκιμον (24) ergibt, ist dieser Mann in seinen Taten durch und durch edel, dies wird aber nicht nach außen dargestellt; er erreicht zwar Großes, wird aber dennoch vergessen.30 Hier wird also primär nicht zwischen dem Edlen und demjenigen, der über ihn spricht, unterschieden, sondern beide fallen im Edlen (Aias) zusammen (24: τιν’ ἄγλωσσον μέν, ἦτορ δ’ ἄλκιμον). Dies erklärt sich jedoch mit der zugrundeliegenden Situation, denn Aias und Odysseus müssen ohne fremde Hilfe die anderen Griechen davon überzeugen, daß gerade ihnen Achilleus’ Waffen gebühren; in solch einem Rechtstreit wäre die Vertretung durch einen anderen undenkbar.31 Nichtsdestoweniger ist das Prinzip identisch: Wenn das Edle keine angemessene sprachliche Form findet, ist es nicht über den Streit erhaben, geht zugrunde und wird, nicht als wahrhaft edel anerkannt, auf immer dem Vergessen anheimfallen.32 28 Zum Gedanken der Verfeinerung des Edlen vgl. N. 4, 79–85: Der Hymnos raffiniere den Besungenen so sehr, daß er wie Gold in seinem vollen Glanz erstrahlen könne. Der Hymnos verbessert den Besungenen also nicht, sondern reinigt ihn von dem weniger Wertvollen – oder besser: der Hymnos zeigt das Wertvolle des Besungenen, ohne zugleich auch das weniger Wertvolle darzustellen. Dies unterscheidet sich wenig von dem Gedanken, daß Dichtung das verfeinerte Produkt aus dem rohen Fleisch ist, das der Edle selbst darstellt. Dieser zugrundeliegende Kontrast läßt im übrigen Wilamowitz’ (1922) 407 oder Bowras (1964) 187 Wiedergabe von 21 als weniger adäquat erscheinen. 29 So Wilamowitz (1922) 409, Bowra (1964) 343 f., Henry (2005) 69; vgl. Farnell 2, 304. 30 So wird Aias, auf den sich dieser Satz implizit bezieht, tatsächlich gepriesen und nicht „nur zur Vergleichung“ herangezogen (so Wilamowitz 1922 407). 31 Damit verliert Köhnkens (1971) 31 Argumentation für das Verständnis von λόγοι (19) als Worte der Mißgünstigen ihre Grundlage (vgl. oben S. 14 Anm. 23). 32 Das Adjektiv ἄγλωσσος in 24 bezeichnet also nicht nur die Fähigkeit, sich positiv darzustellen, die Beredsamkeit (Dissen 2, 476), sondern überhaupt die Eigenschaft, daß man selbst oder irgendein anderer (also aktiv oder passiv) das eigene Edel-Sein darstellen kann: Man entbehrt als ἄγλωσσος schlechthin der sprachlichen Darstellung seiner selbst.

2.3. Der Probierstein des Neuen

17

Die Bedeutung der Sprache zeigt sich auch im impliziten Unterschied zwischen Aias und seinem Großvater Aiakos (6–12): Aiakos, Zeus’ und Aiginas Sohn (6 f.), König von Oinona (7)33, d. h. Aigina, sei in Rat und Tat der beste der Menschen gewesen (8: vgl. I. 8, 21–24, pae. 6, 134–148 [?], B. 9, 55– 57), und dies wurde von allen anderen anerkannt. Viele hätten nämlich oft darum gebeten, ihn zu sehen (8), denn man folgte gerade seinen (10: κείνου γε)34 Befehlen äußerst bereitwillig (9 f.: ἀβοατὶ … ἤθελον … ἑκόντες), vor allem die vortrefflichsten der in der Nähe wohnenden Heroen (9: ἡρώων ἄωτοι), nämlich die Herrscher in Athen und Sparta (11 f.), die wiederum selbst über viele Männer geboten (11).35 Bei Aiakos entsprachen sich also das Edle und dessen Anerkennung durch andere; er verfügte sowohl über die Fähigkeit zur großen Tat (8: χειρὶ … ἄριστος) als auch über die Fähigkeit zur alle anderen überzeugenden Sprache (8: βουλαῖς ἄριστος sowie 9 f., insbesondere πείθεσθ’ ἀναξίαις); Aias hingegen war trotz seines edlen Kämpfertums nicht fähig, seine Taten überzeugend darzustellen (24: ἄγλωσσον μέν, ἦτορ δ’ ἄλκιμον).36 Einen Mann wie Aias halte also das Vergessen nieder, der schillernden Lüge hingegen werde das größte Ehrengeschenk emporgehalten (25). Dieser Meinung ist der Sprecher deshalb, weil (26: γάρ) die Danaer Odysseus in verstohlen-hinterhältigen (und / oder geheimen) Abstimmungen gedient hätten (26).37 Hierdurch wurde Aias der goldenen Waffen des Achilleus beraubt 33 Oinona ist der alte Name der Insel Aigina (s. Apollod. 3, 12, 6, Σ N. 4, 71 sowie Zunker 1988 58, Henry 2005 75; vgl. N. 5, 16, I. 5, 34). 34 Allgemein zum steigernden Aspekt von γε s. GP 114 f. 35 Die Redundanz in den Hinweisen auf die Bereitwilligkeit (vgl. Mezger 1880 327, Dissen 2, 473 f.) schließt ein Verständnis von ἀβοατί als „without a war-cry“ im Sinne von ἀμαχητί („ohne Kampf “: Σ N. 8, 14a; Farnell 2, 304, Henry 2005 76) aus: Der Ruf (sei es der Schlacht-, sei es der Hilferuf ) wäre (wenn er ergangen wäre) von Aiakos an die anderen Griechen gerichtet gewesen und könnte nicht den gegen die Gegner gerichteten Ruf (um sie drohend zum Kommen zu bewegen) bezeichnen (vgl. Fraenkel 1962 2, 29 f.). Zur Sache selbst s. Christ (1895) 16–18, Farnell 2, 304 f., Henry (2005) 76 und vor allem Carnes (1995) 17–26; vgl. Isokr. 9, 14 f., Paus. 2, 29, 6–8. 10, Diod. 4, 60 f., Apollod. 3, 12, 6 (vgl. unten S. 72 Anm. 234). Zu ἅρμοζον στρατόν (11) s. Carey (1976) 29. Zum Anachronismus bezüglich der Nennung von Sparta und Athen s. Köhnken (1971) 21, Carnes (1995) 45 f. Zu ἄωτος s. u. S. 106 Anm. 91 (vgl. P. 4, 188). 36 Diese deutliche Gegensätzlichkeit findet eine Hervorhebung im parallelen (wenngleich sprachlich variierten) Verweis auf Wort und Tat; vgl. zum Gegensatz von Rat (βουλή) und Tat P. 3, 29 f., P. 4, 71 f., P. 5, 119 f., P. 8, 3 f., N. 1, 26 f., analog von Herz (ἦτορ) und Tat O. 4, 25; man beachte auch P. 1, 42, P. 4, 104–106, P. 5, 109–111, N. 9, 39, I. 3/4, 63– 65, fr. 133, 4, ebenso Σ N. 8, 12. 37 Zu κρυφίαισι (26) s. Köhnken (1971) 27 Anm. 29; vgl. Brown (1951) 15 Anm. 23, Carey (1976) 31, Segal (1975) 6 f., Burnett (2005) 173 f.; eine tatsächlich geheime Abstimmung sehen hier Bury (1890) 147, Miller (1982) 116, Henry (2005) 82; vgl. Σ N. 8, 44, ferner N. 7, 22–27. Freilich ist es unerheblich, ob sie tatsächlich geheim ist, denn sie ist auf jeden Fall ungerecht, von Falschheit gekennzeichnet und erlaubt den Mißgünstigen „to indulge their envious spite against Ajax’s patent excellence“ (Miller 1982 116).

18

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

(27) und als nach dessen Tod bester der Griechen derart entehrt, daß er mit dem Selbstmord rang (27) und sich nicht einmal mehr mit goldenen Waffen, sondern mit einem einfachen φάσγανον (23) das Leben nehmen mußte.38 An Aiakos und Aias zeigt sich, daß Anerkennung durch andere und ihr Fehlen – was, wenn es faktisch unberechtigt ist, auf Mißgunst zurückzufühfen ist – eine entscheidende Bedeutung für einen heroischen Menschen hat. So erscheint die in 19–22 gezeigte Vorsicht des Sprechers als gerechtfertigt. 2.3.3Verdienst und Anerkennung Daß Aias ein besseres Schicksal verdient hätte, wird in 28–32 in Form einer „strong and confident asseveration“ (28: ἦ μάν) vor Augen geführt:39 „Wahrlich: vollkommen ungleich haben sie den Feinden Wunden in die warme Haut gerissen, zurückgedrängt, unter der Sterbliche-schützenden Lanze“ (28–30). Aias hat also, wie sich im Kontext ergibt, tatsächlich ungleich mehr als Odysseus im Kampf geleistet (man beachte die Hervorhebung von ἀνόμοια durch γε). Damit ist seine Bevorzugung durch die Danaer auch in dieser Hinsicht ungerecht.40 Dieser Eindruck wird bestätigt, wenn es in bezug auf die Wunden heißt, daß die beiden „die einen um den frischgetöteten Achilleus und in anderer Mühen vielverderbenden Tagen“ (30–32) den Feinden zugefügt hätten: Hier bezieht sich der zweite Teil allgemein auf ihre Verdienste im troianischen Krieg, der erste speziell auf ihre Verdienste im Kampf um Achilleus’ Leichnam,41 und in beidem soll offenbar Aias mehr geleistet haben. Hinsichtlich des Kampfes um Achilleus überrascht dies freilich, denn gewöhnlich leistet hier Odysseus mehr, denn dieser kämpfte, während Aias den Leichnam trug.42 Relevant ist dies vor allem deshalb, weil gerade seine größere Leistung in diesem Kampf seinen Anspruch auf Achilleus’ Waffen begründet, denn diese waren von Thetis anscheinend für denjenigen ausgesetzt worden, der sich hier die größten Verdienste erwirbt.43 Entsprechend gilt Aias als der 38 Dies dürfte die Pointe des (durch die Stellung betonten) Verweises auf das Gold sein, unabhängig davon, ob Achilleus’ Waffen anderswo ebenfalls golden sind (s. Henry 2005 82; vgl. Hom. Il. 20, 268–272; 21, 165 [wo dies aber nur für die mittlere von fünf Schichten in Achilleus’ Schild gilt], Eur. Hek. 110, El. 443 f., Iph. A. 1071 f.); vgl. Köhnken (1971) 27. 39 GP 350, insgesamt 350 f. 40 Vgl. N. 7, 24–30, I. 3/4, 52 f.; man beachte Köhnkens (1971) 29 Inhaltsanalyse des Satzes. 41 S. Carey (1976) 32; zur Schwere des Kampfes vgl. Hom. Od. 24, 36–45. 42 So in der Aithiopis (s. Proklos’ Zusammenfassung); vgl. Ilias parva fr. 2 PEG, Hom. Od. 5, 308–310; 24, 36–45; die Version in Ov. met. 13, 284 f., in der Aias kämpft und Odysseus trägt, scheint nachpindarisch zu sein (vgl. Ilias parva fr. [dub.] 32 PEG; s. Henry 2005 83). S. Farnell 2, 307, O’Higgins (1989) 122 mit Anm. 19. 43 S. Köhnken (1971) 30 (er verweist auf Hom. Od. 11, 544–547); vgl. Soph. Aias 441–446.

2.3. Der Probierstein des Neuen

19

Waffen beraubt (27: στερηθεὶς ὅπλων): Aufgrund seiner Verdienste waren die Waffen rechtmäßig seine geworden, und gegen seinen Willen konnten sie ihm jetzt nur noch geraubt werden.44 Verantwortlich für den Raub war die ἐχθρὰ … Πάρφασις, das An-derWahrheit-Vorbeireden (32–34):45 Sie habe es, wie der Sprecher in einem Moment der Erkenntnis voller innerer Anteilnahme feststellt (32: ἄρα), offenbar schon immer gegeben (32: ἦν καὶ πάλαι)46 – und nicht erst in der Zeit des Sprechers (vgl. 19–22)47 –, und zwar, wie als Apposition hinzugefügt wird, als Begleiterin verschlagener Worte (33: αἱμύλων μύθων ὁμόφοιτος), listensinnend (33: δολοφραδής) und als übelschaffender Vorwurf (33: κακοποιὸν ὄνειδος). Diese negative Beschreibung der ἐχθρὰ Πάρφασις wird im angehängten Relativsatz (34) fortgeführt: Sie vergewaltige das Glänzende (τὸ μὲν λαμπρὸν βιᾶται; vgl. Sim. fr. 598 PMG), und sie halte das morsche Prestige des NichtSichtbaren empor (τῶν δ’ ἀφάντων κῦδος ἀντείνει σαθρόν). So zeigt sich (man beachte das aus 25 wiederholte Verb ἀνατείνειν), daß das der Lüge entgegengebrachte größte γέρας, das κῦδος, morsch (σαθρόν) ist und keinen Bestand haben kann. Dieser gesamte Gedanke dient als Schlußfolgerung aus dem Aias-Mythos: Aias, der Glänzende und Edle, wurde von der Πάρφασις vergewaltigt und in den Selbstmord getrieben; Odysseus hingegen gewann das κῦδος, symbolisiert in Achilleus’ Waffen – doch dieses κῦδος ist so morsch, daß Odysseus jetzt offen für seine Hinterlist und Tücke angegriffen und als jemand dargestellt werden kann, der, obwohl Aias eindeutig unterlegen, durch Verschlagenheit einen Sieg erschleichen konnte. Dieser wird durch alle Griechen (26: Δαναοί) herbeigeführt – und nicht etwa durch die Atriden (so Soph. Aias 97 f. 445–459, zumindest in entscheidender Weise: vgl. 1135–1138. 1239–1245), troianische Kriegsgefangene und Athene (Hom. Od. 11, 547 mit Scholium), bespitzelte Troianer selbst (Ilias parva fr. 2 PEG, unter Athenes Mitwirkung; Apollod. epit. 5, 6), ausgewählte Verbündete (Apollod. epit. 5, 6) oder eine Gruppe von Nereiden (so wohl in 44 S. Köhnken (1971) 26, Carey (1976) 32. 45 Zu diesem Wort s. u. S. 281 Anm. 69; vgl. Miller (1982) 116–118; daß das Adjektiv ἐχθρά (32) attributiv und nicht prädikativ aufgefaßt werden muß, zeigt die parallele Aussage in 50 f. (s. Wilamowitz 1922 408, Köhnken 1971 34 f.). 46 Zu diesem Gebrauch von ἄρα in Verbindung mit dem Imperfekt s. GP 36 f. („denoting that something which has been, and still is, has only just been realized“; zum Tempusgebrauch vgl. KG § 383 5), ebenso KG § 543 6 (vgl. Miller 1982 116). Allgemein bezeichnet ἄρα „interest“ im Sinne von „Siehe!“ (GP 33 f.; vgl. Thummer 1, 140); der anknüpfende, logisch schließende Gebrauch ist erst spät (in der Prosa mit Platon beginnend und mit Aristoteles voll ausgebildet: s. GP 40 f., wo freilich auch Beispiele aus der früheren Dichtung sekundär ein logisches Moment aufweisen). Dies schließt im übrigen aus, daß in ἦν καὶ πάλαι (32) ein Anzeichen von realem „deceit and trickery around him at the present time“ vorliegt (so Farnell 2, 307). 47 Zum Bezug s. Carey (1976) 32.

20

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Aischylos’ Hoplon Krisis fr. 174 TrGF).48 Dies wiederum zeigt, daß Aias’ eigene Gemeinschaft, der er im Kampf so viel Gutes (und insbesondere mehr als Odysseus) erwiesen hat – unter seiner (und Odysseus’) schützenden Lanze (30: ὑπ’ ἀλεξιμβρότῳ λόγχᾳ) zogen sich die Griechen im Kampf um Achilleus’ Leichnam zurück49 –, sich gegen ihn gewendet hat, und zwar aufgrund ihrer (und nicht Odysseus’) Mißgunst.50 Sie und nicht göttlicher Einfluß (Athene) ist die Ursache für Aias’ Entehrung.51 Thema des Aias-Mythos ist damit die soziale Anerkennung großer Leistung durch Gleichgestellte,52 und dies weist auf das Lob des sportlichen Sieges zurück, dessen Größe gerade von der Gemeinschaft des Siegers neidlos anerkannt werden muß.53 Dem steht der φθόνος entgegen, der mit einer Verfälschung der Wahrheit (32: Πάρφασις), Lügen (25: αἰόλῳ ψεύδει), verschlagenen Worten (33: αἱμύλων μύθων ὁμόφοιτος) und Heimtücke (33: δολοφραδής) einhergeht sowie, als Vorwurf daherkommend, Übel schafft (33: κακοποιὸν ὄνειδος), im Falle des Aias den Tod, zu dem er ihn nötigte (34: βιᾶται), und (schlimmer noch) das Vergessen; zugleich verschafft er den Geringeren unverdientermaßen (28–32) das größte Ehrengeschenk (25: μέγιστον … γέρας; vgl. O. 8, 10 f.), das κῦδος (34), „die ‚Ehre‘ des Erfolgs, das Prestige, die Autorität, die Würde und den Rang“.54 Sein Opfer sind die Edlen und nicht die Geringeren (22), und er verschlingt sie wie ein wildes Tier (23); auch von Worten über die Edlen ernährt er sich: Sie dienen ihm als Mahl (21). Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Vorsicht des Sprechers: Er hat die Gefahr erkannt, die im Sagen des Neuen besteht; trüge er Altes vor, wüßte er, daß der φθόνος ihm nichts anhaben kann, die Prüfung des Neuen darauf, ob es sich um Gold handelt, steht jedoch noch bevor. Freilich unterscheidet sich dieses Neue in noch einem weiteren Punkt von Gold, denn anders als dieses vermag es nach bestandener Prüfung sich selbst und damit seinen Inhalt, den Edlen, gegen die Mißgunst zu verteidigen. Die anstehende Prüfung auf dem Probierstein der Mißgunst legt also nicht nur eine sprachliche Güte des Neuen bloß, sondern auch (und hierin besteht der eigentliche Test: ἅπας κίνδυνος [21]), ob es sein Objekt und dessen Tugend angemessen darstel48 S. O’Higgins (1989) 122; zu den Nereiden als Richtern s. aber auch Zunker (1988) 151. 49 Zu πελεμίζεσθαι s. Farnell 2, 307, zu ὑπό in diesem Sinn Schwyzer II 525–527 (auch KG § 442 II); vgl. Hom. Il. 16, 698 f. ὑπ’ ἀλεξιμβρότῳ λόγχᾳ (30) bezieht sich nicht auf die angreifenden Troer (Farnell 2, 307), sondern auf Aias und Odysseus (konkret: ῥῆξαν [29]). 50 Vgl. Miller (1982) 115 f., Most (1985) 152 Anm. 78. Eigentlicher Nutznießer dieses Neides ist freilich Odysseus. 51 So in Hom. Od. 11, 547, Ilias parva arg. 1, fr. 2 PEG; vgl. Sophokles’ Aias. 52 Man beachte hier das Fehlen der Scham als Ursache für Aias’ Selbstmord: vgl. Sophokles’ Aias (insbesondere Soph. Aias 36–65, aber auch Ilias parva fr. 3 PEG, arg. 1 PEG). 53 Es überrascht kaum, daß in N. 7, 22–24 (wohl auch I. 3/4, 53–54b) eine ähnliche Konstellation vorliegt; vgl. Carey (1976) 33. Zum Sportlichen vgl. P. 9, 93–96. 54 So Fränkels (1962) 88 Wiedergabe von κῦδος; vgl. oben Kap. 1 und unten Kap. 5.4.7.

2.4. Lauf und Lob

21

len kann. Damit wird der Erfolg in der Prüfung zum Erfolg im Kampf gegen die Mißgünstigen, in dem es für den Edlen selbst um Leben und Tod geht.

2.4Lauf und Lob Der gedankliche Zusammenhang der Äußerung ἵσταμαι δὴ ποσσὶ κούφοις ἀμπνέων τε πρίν τι φάμεν (19) erlaubt ein Verständnis der Natur des Sprechers und seiner Absicht: Er ist als jemand, dem jegliche Mißgunst fremd ist, das genaue Gegenteil eines Mißgünstigen. Er erkennt das Edle vorbehaltlos an, er handelt nicht verstohlen, sondern offen (20 f. im Gegensatz zu 26), er redet nicht verschlagen und voller List an der Wahrheit vorbei (vgl. 32 f., wobei ἐχθρά [32] im Kontrast zu φίλας [13] steht)55, er wirft nicht vor und stiftet dadurch Übel (vgl. 33), sondern er läßt das Edle seiner wahren Natur nachgehen (vgl. 34) und verschafft ihm dadurch kein morsches, sondern ein immerwährendes κῦδος (vgl. 34), so daß das Edle nicht von Vergessen im unheilvollen Streit niedergehalten wird (24). Entsprechend bittet er Zeus darum, daß ihm niemals ein mißgünstiger Charakter zu eigen sei (35): Sein Ziel ist die aufrichtige, wahrhaftige Beschreibung der Leistung des Besungenen, so daß dieser wie Aiakos von allen anderen geachtet und geehrt wird und niemals Aias’ Schicksal erleidet. Voraussetzung der Erreichung dieses obersten Ziels ist, daß der Lobende seinen λόγοι nicht schadet. Daher hält er es in seiner läuferischen Erschöpfung für angebracht, vor der Äußerung Luft zu holen. So können die λόγοι bezüglich ihrer eigenen Qualität geprüft werden, die wiederum konkret in der der νεαρά (20) besteht. Diese sind jedoch keineswegs, wie der Zusammenhang zeigt (vgl. oben Kap. 2.3.2), neue, von Pindar erfundene Geschichten oder Züge eines Mythos: Objekt der Mißgunst ist der Inhalt und nicht der Schöpfer der λόγοι.56 Zudem wäre die explizite Kennzeichnung eines Mythos als neu (ungeachtet einer tatsächlichen Neuheit) kontraproduktiv, denn sie nähme dem Erzählten den Charakter eines Arguments.57 Damit aber bezieht sich νεαρά (20) nicht auf den Aias-Mythos oder auf den vorangehenden Verweis auf Kinyras (18), den mythischen König auf Zypern (Σ N. 8, 34a).58 55 S. Carey (1976) 32. 38. 56 Vgl. Miller (1982), insbesondere 114, Hubbard (2000) 316 f. Anm. 5. Für eine Zusammenstellung älterer Auffassungen s. Mezger (1880) 324–326, für die neuere Zeit Miller (1982) 111 f. Anm. 2; vgl. Rauchenstein (1858) 431 f., Mezger (1880) 328, Bury (1890) 147, Farnell 2, 306, Bowra (1964) 343 f., Lefkowitz (1991) 167, O’Higgins (1989) 119. 130–132, Burnett (2005) 171 Anm. 21, ferner oben S. 16 Anm. 29. 57 Vgl. den Pelops-Mythos in O. 1, der bei aller Innovation ausdrücklich nicht als neue, sondern als ursprüngliche, wahre Variante gekennzeichnet wird (28–34, vor allem 33 f.). 58 Ersteres schlägt Henry (2005) 70 vor; ebensowenig dürfte die innovative Metrik des Lie-

22

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Den tatsächlichen Inhalt der νεαρά (20) zeigt die Passage, die (abgesehen vom Kinyras-Exemplum) der mit 19 beginnenden Passage unmittelbar vorangeht (13–16): Der Sprecher berühre als Bittflehender Aiakos’ heilige Knie (13 f.) um der befreundeten Stadt und der anwesenden Bürger willen, d. h. zu ihrem Besten (13 f.: πόλιός θ’ ὑπὲρ φίλας ἀστῶν θ’ ὑπὲρ τῶνδε);59 er bringe eine lydische Mitra, lauttönend in bunter Weise gefertigt (14 f.: Λυδίαν μίτραν καναχηδὰ πεποικιλμέναν), ein entzückendes Nemeen-Prunkstück für die doppelten Stadien des Deinis und seines Vaters Megas (16: Δείνιος δισσῶν σταδίων καὶ πατρὸς Μέγα Νεμεαῖον ἄγαλμα). Der Sprecher überbringt Aiakos eine lydische Mitra (eigentlich eine Form der Kopfbinde), in verschiedenen Farben (πεποικιλμέναν) und in lauttönender Weise (καναχηδά) gefertigt, offenbar also ein kunstvolles (πεποικιλμέναν) sprachliches (καναχηδά) Kunstwerk, das seinen Inhalt laut, kraftvoll und vor allem selbstsicher-stolz verkündet (καναχηδά) – nichts anderes also als die jetzt gesungene Nemee 8.60 Sachlich erklärt sich die Bezeichnung des Liedes als lydische Mitra damit, daß eine Mitra nicht nur von Frauen getragen wurde, sondern oftmals auch als Zeichen eines sportlichen Sieges diente;61 so wird hier das Lied zum des gemeint sein (Henry 2005 72). Letzteres würde auch dem Inhalt der Passage selbst nicht gerecht: Wenn es nämlich heißt, daß gerade ein Gott (17 f.: θεῷ … ὅσπερ; zum Bezug s. Dissen bei Boeckh 2, 2, 446, Dissen 2, 475, Mezger 1880 327, Köhnken 1971 35 Anm. 64; anders Henry 2005 78; doch nicht der ὄλβος belädt Kinyras mit Reichtum, sondern der Reichtum ist der mit Gottes Hilfe gepflanzte ὄλβος) auch Kinyras mit Reichtum beladen habe, dann liegt hierin überhaupt nichts Neues: Kinyras ist nämlich schon in der Ilias (ein begüterter) Kyprier (11, 20 f.), er wird schon bei Tyrtaios (fr. 12, 6 West) als Beispiel außerordentlichen Reichtums in einem Atemzug mit Midas angeführt (vgl. Plat. leg. 660 e5 f.), und er ist schon in der vermutlich deutlich früher zu datierenden P. 2 (15 f.) insofern eng mit Apollon verbunden, als es heißt, der Gott habe ihn geliebt. Der Verweis auf Kinyras ist in N. 8 freilich nur dann argumentativ sinnvoll, wenn er auf Bekanntes, gar Evidentes verweist (wie schon ὅσπερ [18] zeigt). Schließlich kann die Kinyras-Passage schon deshalb nicht in 20 gemeint sein, weil 20 f. von den Gefahren des zukünftig noch zu Sagenden (und nicht des schon Gesagten) handelt. 59 Zur Bedeutung von ὑπέρ (13) hier s. allgemein KG § 435 I 2, insbesondere a) und c). 60 Grundbedeutung von ποικίλλειν ist „work in various colours, work in embroidery“ (LSJ s. v.); daß Pindar es als Metapher wohl immer als textile Metapher verwendet, legt z. B. ποικίλος in fr. 179 nahe (vgl. Gerber 1982 63 f., insbesondere 63: ποικίλος „denotes the skill with which different materials or different colours are combined“); vgl. für den nicht-metaphorischen Bezug auf Stoff pae. 20, 11 f., fr. 169a, 36, für den metaphorischen auf das Lied O. 6, 86 f. (πλέκων), N. 5, 41 f. (ἔψαυσας), fr. 194, 2 f., auch O. 3, 8, O. 4, 2, P. 9, 77 f.; vgl. unten S. 132 Anm. 40. 61 Vgl. zur Mitra als Frauenschmuck Alkm. fr. 1, 67–69 PMGF, als Zeichen des Sieges O. 9, 84, I. 5, 62. Lydisch ist sie in N. 8 wohl (primär) nicht deshalb, weil das Lied in lydischer Harmonie verfaßt ist (Σ N. 8, 24b, Dissen 2, 474, Mezger 1880 327, Bury 1890 152, Christ 1896 297, Farnell 2, 305, Köhnken 1971 28, Henry 2005 77; zur Tonart selbst s. Williams 1976 197–199, West 1992 181 f.; s. dagegen Bowra 1964 17 Anm. 1), sondern damit sie, ursprünglich aus Lydien eingeführt, hier von anderen, ebenfalls als Mitra bezeichneten Gegenständen unterschieden werden kann (z. B. von dem Bestandteil der Rü-

2.4. Lauf und Lob

23

selbstsicher-stolzen Zeichen des Sieges.62 Gestützt wird dies durch die auf die Mitra bezogene Apposition Δείνιος δισσῶν σταδίων καὶ πατρὸς Μέγα Νεμεαῖον ἄγαλμα (16), die diese als Schmuckstück der zwei Nemeensiege des Deinis und Megas – denen Nemee 8 offenbar gewidmet ist – ausweist.63 Hierbei muß allerdings Megas’ Sieg schon längere Zeit zurückliegen, denn Megas ist mittlerweile verstorben (44 f.). Damit können die folgenden, für das gesamte Lied relevanten Erkenntnisse (teils rekapitulierend) formuliert werden: 1) Die νεαρά sind nicht irgendwelche Neuigkeiten oder neue Mythenvarianten, sondern sie handeln von Deinis’ und Megas’ Taten, speziell von ihren Taten als Läufer.64 2) Diese sind insofern ‚neu‘, als sie erst kurz zurückliegen – das Epinikion wird bald nach Deinis’ Sieg aufgeführt worden sein, so daß von diesem bisher noch nirgendwo erzählt wurde. 3) Die νεαρά hat der Sprecher in die Form von λόγοι gebracht und möchte sie jetzt zu Gehör bringen; dabei werden sie daraufhin geprüft, ob sie durch ihre Güte die in ihnen gepriesenen Edlen Deinis und Megas angemessen gegen die Mißgunst und die Mißgünstigen verteidigen können – und ihnen damit nicht nur das Vergessen ersparen, sondern auch ein besseres Schicksal als Aias (der also als Kontrast dient) bescheren.65 4) Der Sprecher, der uns insbesondere in 19 entgegentritt, ist offenbar derjenige, der die Nemeensieger preisen möchte, und man könnte ihn als Pindar bezeichnen. Allerdings sollte beachtet werden, daß dieser implizit fingierte ‚Pindar‘ (das Ich des Textes) prinzipiell nicht mit dem historischen Pindar in seiner ganzen Seinsmannigfaltigkeit gleichgesetzt werden kann und darf –

62

63

64 65

stung: vgl. Hom. Il. 4, 137 f., s. Kirk 1985 345; s. insgesamt R. Hurschmann: „Mitra [1]“, DNP 8, 292 f.); eine andere Erklärung bietet Σ N. 8, 24a. Vgl. insgesamt Most (1985) 100 Anm. 26; Wilamowitz’ (1922) 406 Deutung, die lydische Mitra sei hier „ein Schmuckstück für die zwei Siege des Deinis und seines verstorbenen Vaters Megas“ (406) „aus Gold mit Elfenbein und Korallen“ (406 Anm. 1) überzeugt kaum (s. Farnell 2, 305 f., Bowra 1964 17 Anm. 1, Köhnken 1971 28 Anm. 32; vgl. schon Friederichs 1863 82). Zur lauten Selbstsicherheit bei Pindar vgl. O. 2, 5 f., O. 3, 8 f., P. 9, 3, N. 9, 8, N. 11, 7; deshalb dürfte an diesen Stellen insbesondere γεγωνεῖν weniger mit Slater s. v. als „proclaim, sing of “ als mit LSJ s. v. als „shout so as to make oneself heard“ zu verstehen sein (vgl. unten S. 67 f. Anm. 212). Als Lied versteht man die Mitra hier seit der Antike (Σ N. 8, 24a; vgl. Bowra 1964 17, Köhnken 1971 28, Henry 2005 77). Ein ἄγαλμα ist πᾶν ἐφ’ ᾧ τις ἀγάλλεται (LSJ s. v. 1); in gewisser Hinsicht bedeutet es also ‚Prunk (-stück)‘. Freilich ist angesichts von N. 5, 1 f. (insbesondere 1: οὐκ ἀνδριαντοποιός εἰμ’, ὥστ’ … ἐργάζεσθαι ἀγάλματα: „Kein Statuenbildner bin ich, so daß ich Prunkstücke verfertige“) zu erwägen, ob das Lied hierdurch nicht bildlich zur Siegerstatue wird (so Bury 1890 152 f.), allgemein insoweit ein ἄγαλμα als Weihgabe dazu dient, „both to honour and adorn a divinity“ (Steiner 1993 169); vgl. Ebert (1972) Nr. 3, 1 und 26, 1 (mit Eberts Kommentar 41), aber auch Kurke (1991a) 190 f. Zur Verwendung von ἄγαλμα s. allgemein Wilamowitz (1959) 3, 16 f. Die Apposition hätte dann erweiternden Charakter. Vgl. O. 10, 60–63 (s. Bundy 1972 79), P. 7, 18, P. 8, 32–34. 88–92. Primäres Ziel des Aias-Mythos ist also nicht, Aias gegen Kritik an seinem Selbstmord zu verteidigen (Henry 2005 70; vgl. aber oben S. 16 Anm. 30).

24

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

und, hinsichtlich des Textverständnisses entscheidend, sicherlich auch nicht muß.66 Diese Person soll daher im folgenden nicht als ‚Pindar‘, sondern als ‚Lobender‘ oder ‚Sprecher‘ bezeichnet werden; von ‚Pindar‘ soll nur dann die Rede ein, wenn wir ihn im Text und durch den Text hindurch als historische Person, d. h. als außertextlichen Autor, fassen können. 5) Der Sprecher von ἵσταμαι δὴ ποσσὶ κούφοις ἀμπνέων τε πρίν τι φάμεν (19), der Lobende der Nemeensieger, ist damit keineswegs tatsächlich gelaufen und müßte vor seinem Sprechen aus Ermattung verschnaufen, sondern er stellt er sich lediglich als Läufer dar, und zwar in wesentlicher Hinsicht – nämlich in Hinsicht auf seine Lobestätigkeit, die sein Wesen kennzeichnet: Er, der erschöpfte ‚Läufer‘, möchte verschnaufen, bevor er etwas sagt, denn er sieht die Gefahr, die ein Fehler seinerseits seinen Schützlingen bringen könnte, nämlich Vergessen und Tod. Wovon er tatsächlich ermattet ist, zeigt die obige Analyse, die die Äquivalenz mehrerer als oberflächlich verschieden beschriebener Tätigkeiten offengelegt hat: Insofern das Etwas-Sagen (19: τι φάμεν) dem Dem-Probierstein-zur-Prüfung-Übergeben entspricht (20 f.: δόμεν βασάνῳ ἐς ἔλεγχον), entspricht dem Neues-Finden (20: νεαρὰ … ἐξευρόντα) das Mit-schnellen-Füßenzum-Stehen-Kommen (19: ἵσταμαι δὴ ποσσὶ κούφοις), das selbst dem Verfertigen einer Mitra entspricht (15: καναχηδὰ πεποικιλμέναν), deren Überbringen (14: φέρων) wiederum dem Darbringen des Liedes, dem Etwas-Sagen entspricht. Da also in der Darstellung des Sprechers das Verfertigen des Lobliedes schnellem Laufen gleicht, resultiert die Ermattung aus dem (sorgfältigen und spätere Gefahren für den Besungenen vermeidenden) Dichten. In 19 wird damit nicht in realistischer Weise von eigenen Lauferfahrungen berichtet, sondern die läuferische Tätigkeit wird in übertragenem Sinne angeführt. Ziel ist, die eigentliche Tätigkeit des Sprechers zu beschreiben. Mit dem Laufen ist dabei eine Tätigkeit gewählt, der auch die gepriesenen Sieger nachgehen, und dies verleiht der Beschreibung der Dichtertätigkeit eine besondere Bedeutung: Der Sprecher nähert sich den Besungenen an und parallelisiert sich mit ihnen; seine Tätigkeit wird zu einer besonderen Form des Laufens – und zwar eines Laufens, das bei den Nemeen siegreich war. In diesem Sinne erklärt sich der Hinweis darauf, mit schnellen Füßen gelaufen zu sein und sich erholen zu wollen: Dies ist nur dann mitteilenswert, wenn man tatsächlich gesiegt hat. Damit stellt sich der Sprecher nicht nur als irgendein, sondern als siegreicher Läufer dar, der sein Dichten (die Parallele zum Laufen) siegreich beendet hat und (in der anderen äquivalenten Beschreibung des Dichtens) Gold gefunden hat. Seine λόγοι über das Neue werden damit den Edlen nicht nur nicht zur Gefahr, sondern werden ihnen so66 Die Sprecherebenen eines Textes differenziert Fieguth (1973). Wer das Ich der Pindarischen Epinikien ist, wird noch immer kontrovers diskutiert (wobei nicht immer hinreichend zwischen den kategorial getrennten ontologischen Status der Sprecher der einzelnen Textebenen unterschieden wird): s. D’Alessio (1994). Vgl. unten S. 38 Anm. 101.

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

25

gar größten Segen bringen: Sie werden aufgrund ihrer Güte jedem Angriff der Mißgünstigen widerstehen und werden dies in der (nach der kurzen Erholung) anstehenden Prüfung beweisen. Im Ergebnis werden die Sieger als edle, prinzipiell mit dem Heros Aias vergleichbare Sieger aufgezeigt, denen durch das Lied sogar ein besseres Schicksal als diesem zuteil wird; aufgrund seiner Güte wird der ewigen Erinnerung an sie nichts im Wege stehen. Insgesamt ist die bisher untersuchte Passage im höchsten Maße dem Zweck eines Epinikions, dem Siegerlob, dienlich.67 Dieses steht immer im Zentrum – auch dann, wenn der Sprecher von seiner eigenen Lobestätigkeit spricht: Speziell hierbei zeigt sich nämlich, daß erstens gerade seine Lieder den Gelobten ewigen Ruhm verschaffen werden und daß ihm diese zweitens als wahrhaft Edle gelten,68 vergleichbar mit Aias; sie dienen ihm sogar als Vorbild, denn er parallelisiert die vollkommene Ausübung seiner eigenen Tätigkeit mit deren vollkommener Ausübung des Laufens. So werden Deinis und Megas indirekt in hohem Maße gepriesen, auch wenn von ihnen explizit nur in einer einzigen Periode des Liedes (16) die Rede ist. Nemee 8 erweist sich damit als Lied, das entgegen dem ersten Eindruck keineswegs am Siegerlob desinteressiert ist, sondern subtil ein großes, gleichwohl verstecktes Siegerlob ausspricht, und zwar im wesentlichen durch das sprachliche Mittel der (Sport-) Metapher. Dies muß allerdings prima vista überraschen, denn im herkömmlichen Verständnis kann eine Metapher – im Widerspruch zu den bisherigen Ergebnissen – kaum sinnerzeugend wirken. So scheint es angezeigt, die Metapher näher zu betrachten, um die obige Analyse auf eine hinreichende theoretische Grundlage zu stellen.

2.5Theoretische Überlegungen zur Metapher Wo der Sprecher direkt und indirekt über sich und seine Tätigkeit spricht (13–16. 19–22. 32–34), finden sich angesichts der Kürze des Textes überraschend viele Metaphern: Unter anderem steht die lauttönend-bunt gefertigte lydische Mitra für das Siegeslied (15), das Mit-schnellen-Füßen-ans-Ziel-Gelangen (19) für das erfolgreiche Epinikiendichten, das läuferische Aufatmen (19) für die Erholung nach dem Dichten, das Übergeben des Neuen (des Goldes) an den Prüfstein (20 f.) für das Darbieten des Epinikions, ferner sind die Lobesworte ein zubereitetes Mahl (21), die Πάρφασις vergewaltigt (34) das Glänzende (34) und hält das morsche (34) κῦδος (34) des Nicht-Sichtbaren (34) empor (34). Hinzu kommen noch diejenigen Metaphern, die als Metaphern von Metaphern verwendet werden: So gilt das Neues-Auffinden 67 Letzteres wird z. B. in Lefkowitz’ (1991) 166 Analyse nicht deutlich. 68 Vgl. Miller (1982) 115.

26

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

(selbst eine Metapher vom Gold-Auffinden) anscheinend als Metapher für das Mit-schnellen-Füßen-zum-Stehen-Kommen, und dies wiederum als Metapher für das Verfertigen einer lauttönenden Mitra, und jedes einzelne als Metapher für das Verfertigen von Siegesliedern. Angesichts dieses reichen und komplexen Metapherngebrauchs (der auch vorliegt, wenn man einige der einfachen Metaphern für verblaßt hält) stellt sich die Frage, welche sprachlichen Prozesse der Metapher und ihrem angemessenen Verständnis unterliegen. Eine theoretische Klärung wäre auch dem Verständnis des gesamten Liedes förderlich, denn in ihm finden sich einzig in fünf Sätzen (in den Perioden 8. 28–32. 42. 44 f. 50 f.) keine Metaphern – so daß grundlegend der Verdacht naheliegt, daß Metaphern ein wichtiges, sinnerzeugendes Kunstmittel Pindarischen Dichtens sind. 2.5.1Die schulrhetorische Theorie der Metapher Die Metapher gehört seit der Antike zu den meistdiskutierten sprachlichen Phänomenen. Trotzdem konnte zu ihrer Erklärung bisher kein Konsens erzielt werden, nicht einmal in zentralen Fragen:69 Umstritten sind vor allem Wesen, semantischer Status und semiotische Wirkweise. Besonders kontrovers wird die Diskussion seit dem beginnenden 20. Jahrhundert geführt, zumeist ausgehend von einer Ablehnung des schulrhetorischen Ansatzes.70 69 Eine auch nur in Ansätzen umfassende Darstellung der Theorien der Metapher kann hier nicht nur angesichts ihrer Vielzahl nicht erfolgen, sondern auch infolge einer prinzipiellen Problematik: „Die Begriffsgeschichte der M. [sc. Metapher] ist ebenso wie die Sachgeschichte ihrer Theoretisierung […] gekennzeichnet durch weitreichende etym. und onomasiologische Verschiebungen bzw. Ausweitungen, die sich den Veränderungen in den ontologischen, erkenntnis- und sprachtheoretischen Basisinterpretationen der jeweils zugrunde liegenden epistemologischen Paradigmen verdanken und die zugleich diese Veränderungen mitbestimmen und anzeigen. Die Geschichte des M.-Begriffes ist zugleich die Geschichte wechselnder theoretischer Referenzkontexte und vielfältiger epistemischer Milieus“ (K. Müller-Richter: „Metapher / Metapherntheorie“, DNP 15/1, 402, insgesamt 402–408). Eine Diskussion der Metapher müßte also (vgl. Kuhn 1976) in grundsätzliche sprach- und erkenntnisphilosophische Tiefen führen, und zwar für jede einzelne Theorie. So ist auch die hier gegebene Darstellung der schulrhetorischen Metapherntheorie notwendig oberflächlich. Für einen Einstieg in die Diskussion sei auf die Sammelbände Sacks (1979), Haverkamp (1983), Ortony (1993) und die Überblicksarbeit Taverniers (2002) verwiesen; eine umfassende (mittlerweile überholte) Bibliographie bietet Shibles (1971), neuere Literatur macht Lau (2006) 14 Anm. 10 zugänglich (s. auch 13– 43); Rolf (2005) diskutiert lexikonartig 25 Ansätze, einen instruktiven historischen Überblick gibt H. Weinrich: „Metapher“, HWPh 5, 1179–1186, ausführlicher E. Eggs: „Metapher“, HWRh 5, 1099–1183; aus semiotischer Perspektive ist Nöth (2000) 342–347 hilfreich; von anderer Seite nähert sich Müller-Richters – Larcatis (1998) Anthologie poetologischer Texte (mit lesenswerter, instruktiver Einleitung 4–30). 70 S. vor allem Lau (2006) 13–43.

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

27

Dieser Theorie zufolge ist die Metapher ein Tropus, eine Form des sogenannten uneigentlichen Sprechens (man sagt etwas anderes, als man meint), in dem ein „verbum proprium […] durch ein Wort, dessen eigene proprie-Bedeutung mit der des ersetzten Wortes in einem Abbild-Verhältnis (similitudo […]) steht“ (wo also eine entweder linguistisch oder ontologisch deutbare Teiläquivalenz [tertium comparationis] zwischen substituens und substitutum existiert), ersetzt wird. Beispielsweise werde im Satz „Achill ist ein Löwe“ das verbum proprium „Krieger“ durch „Löwe“ ersetzt, weil zwischen der Bedeutung von „Löwe“ und „Krieger“ die Teiläquivalenz „Stärke und Plötzlichkeit“ bestehe.71 Entsprechend wird diese Theorie seit Max Black als Substitutionstheorie der Metapher bezeichnet.72 Aus ihr ergeben sich zahlreiche (teils schon oft festgestellte) theoretische Probleme: 1) Es muß eine hypothetische Normalform der Sprache postuliert werden, von der die Metapher (als Tropus) eine Abweichung darstellt.73 Diese Annahme scheint nicht nur an sich fragwürdig zu sein, sondern auch hinsichtlich der meisten einzelnen Metaphern selbst: Zwar wird zum Beispiel in der Löwen-Metapher „Löwe“ scheinbar für „Krieger“ verwendet, so daß als Normalform „Achilleus ist ein Krieger“ angegeben werden könnte, doch ist dies keineswegs eine adäquate und sinnerschöpfende Wiedergabe des Ursprungssatzes „Achilleus ist ein Löwe“. Zudem scheint es sogar bei zahlreichen Metaphern überhaupt keine Normalform zu geben; dies zeigt sich schon an dem diskutierten Beispielsatz ὄψον δὲ λόγοι φθονεροῖσιν (21) – denn was könnte das verbum proprium für ὄψον sein? –, aber auch an der vor allem 71 So z. B. Lausberg (1990) 78 (132 zum tertium comparationis des Beispiels; vgl. MüllerRichter [wie oben Anm. 69] 403). Das verbum proprium ist definiert als „Wortkörper […], der dem idiomatischen Bestande der Wortkörper der betreffenden Sprache angehört und dem der Redner den Wortinhalt […] beilegt, der diesem Wortkörper im System der betreffenden Sprache üblicherweise zukommt“ (Lausberg 1990 46), der Tropus als „die ‚Wendung‘ (τρέπεσθαι) des semantischen Zeichen-Pfeils eines Wortkörpers vom ursprünglichen Wortinhalt weg zu einem anderen Wortinhalt. […] In dem Satz ‚Achill ist ein Löwe‘ mit dem Satzinhalt ‚Achill ist ein wilder Krieger‘ ist der Wortkörper ‚Löwe‘ von seinem ursprünglichen Wortinhalt (‚Raubtier mit diesen und jenen Merkmalen‘) abgewendet und einem neuen Wortinhalt (‚wilder Krieger‘) zugewendet worden. Geläufiger ist die Auffassung des gleichen Vorgangs als immutatio [d. i. mit Lausberg 1990 32 „der Ersatz mindestens eines dem Ganzen bisher angehörenden Bestandteils durch einen bisher dem Ganzen fremden Bestandteil“] […]: der Wortkörper ‚Löwe‘ ersetzt den Wortkörper ‚wilder Krieger‘“ (Lausberg 1990 63). 72 S. Black (1983a) 61–63; sie scheint sich allerdings nicht auf Aristoteles (s. vor allem Aristot. poet. 1457 b6–9, vgl. die folgenden Beispiele: 1457 b9–33) zurückführen zu lassen: s. Lau (2006) 13–43. 117–270; vgl. Lieb (1983) 343–345 und Quint. inst. 8, 6, 5 f. Moderne strukturalistische Ansätze weisen zum schulrhetorischen eine bemerkenswerte Ähnlichkeit auf: vgl. Jakobson (1983), Eco (2002) 182–184. 73 Vgl. z. B. Lausberg (1998) 248 (meine Hervorhebung): „A word […] is substituted for the word standing in the natural context of the sentence and the sense.“

28

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

in letzter Zeit verstärkt zu Bewußtsein gekommenen allgemeinen metaphorischen (Teil-) Verfaßtheit von Sprache überhaupt.74 2) Mit Metaphern ist (da man prinzipiell etwas anderes sagt, als man meint) prinzipiell keine eigene Bedeutung verbunden: Das verbum translatum nimmt im neuen Kontext exakt und einzig die Bedeutung des ersetzten verbum proprium an. Im Beispiel bedeutet „Löwe“ also das, was im Normalfall „Krieger“ bedeutet, und der eigentliche Sinn des Satzes ergibt sich erschöpfend aus der zu rekonstruierenden Normalform „Achilleus ist ein Krieger“ – auch wenn „Achilleus ist ein Löwe“ prima facie deutlich mehr Sinnpotential enthält.75 Metaphern werden damit zu einem bloßen Schmuck der Rede und dienen als solcher vornehmlich der delectatio; aus diesem Grund finden Metaphern (als Tropen) ihren systematischen Platz als ornatus in verbis singulis.76 So sind letztlich auch keine im eigentlichen Sinne kreativen Metaphern möglich, denn das tertium comparationis muß von der Metapher prinzipiell unabhängig und ihr vorgängig sein. 3) Als ornatus in verbis singulis, speziell als verborum immutatio, wird die Metapher auf die Ebene des Wortes beschränkt, metaphorische Phänomene anderer Sprachebenen müssen also notwendig als systematisch verschieden klassifiziert werden. So gilt zum Beispiel die Metaphorik auf Satz- und Textebene als Allegorie.77 Ähnliches gilt für andere, prima facie der Metapher äquivalente Phänomene wie den Vergleich, das Exemplum, die Vossianische Antonomasie, das Ainigma, das Emblem, die Parabel, die Prosopopoiie und (je nach Definition und Beschaffenheit) das Symbol sowie die Hyperbole – letztlich sogar für die metaphorische Periphrase.78 Etwaige Erkenntnisse be74 Zum ersten vgl. Black (1983b) 382 f., zur allgegenwärtigen Metaphorizität z. B. Richards (1983), Lakoff – Johnson (1980), Blumenberg (1999). Das Problem läßt sich nicht dadurch lösen, daß man alle Metaphern, für die sich kein verbum proprium finden läßt, als Katachresen klassifiziert (s. allgemein U. Neumann: „Katachrese“, HWRh 4, 911–915; vgl. Lausberg 1998 § 562 [S. 254–256]) – denn daß sich kein verbum proprium finden läßt, scheint, wie schon ein Blick auf N. 8 zeigt, eher die Regel als die Ausnahme zu sein. 75 Vgl. Lausberg (1998) § 552 (S. 248) allgemein zum Tropus: „The semantic voluntas […] of the speaker intends the new word inserted into the context of the sentence to have the same meaning as the word it replaces: so the tropus gives the tropically applied word a new meaning“; vgl. Müller-Richter (wie oben Anm. 69) 403. 76 Vgl. Lausberg (1998) § 538 (S. 242 f.), zur Systematik §§ 541–598, speziell § 552 (S. 248). 77 Vgl. die Systematisierung und Definition der Allegorie bei Lausberg (1998) §§ 895–901 (S. 398 f., insgesamt S. 398–403), wo sie, getrennt von der Metapher, ihren Platz als figura sententiae findet. Vgl. § 893 (S. 397 f.) zur Bedeutung der figurae per immutationem: „The semantic voluntas […] has two levels: a serious level, at which the real voluntas is meant, and a playful level, at which another voluntas is obviously meant, which itself only serves as means of expression of the serious voluntas.“ 78 Vgl. Lausberg (1998): Vergleich § 404 (S. 191 f.) und §§ 843–847 (S. 377–380); Exemplum §§ 410–425 (S. 196–202); Vossianische Antonomasie § 581 (S. 265 f.); Ainigma § 899 (S. 400 f.); Hyperbole („metaphor with vertical gradations“) § 579 (S. 263 f.); me-

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

29

züglich einer ähnlichen oder identischen Wirkweise all dieser sprachlichen Mechanismen – man beachte die alte Frage, inwieweit Metapher und Vergleich einander gleichen79 – werden damit ausgeschlossen. Dies gilt auch hinsichtlich metaphorischer Prozesse, die sich anderer Medien als der natürlichen Sprache bedienen, denn auch diese sind theoretisch prinzipiell nicht als Metaphern (im eigentlichen Sinne) faßbar.80 2.5.2Die Metapherntheorie des Charles S. Peirce Während die schulrhetorische Theorie Wesen und Wirken der Metapher anscheinend nicht befriedigend erfassen und erklären kann, gilt dies für die vom amerikanischen Philosophen Charles S. Peirce vorgeschlagene Metapherntheorie nicht. Bei ihr handelt es sich zwar lediglich um einen einzigen Satz (was der schulrhetorischen Erklärung freilich auch genügt), der zudem eine kryptische Randbemerkung in seinem umfangreichen Werk darstellt, doch ist sie durch ihre systematische Verankerung in der allgemeinen Peirceschen Zeichentheorie hinreichend verstehbar. Entsprechend kann eine eingehende Explikation – sie erfordert eine philosophisch komplexe Argumentation – nicht hier erfolgen; anstatt dessen sollen lediglich die Grundzüge und Vorteile dieser Theorie gegenüber der schulrhetorischen Theorie summarisch entfaltet werden.81 Die Theorie besteht aus folgender Definition: Those [sc. hypoicons, eine bestimmte Form des Peirceschen Zeichens, dessen genaue Natur fürs erste unerheblich ist] which represent the representative character of a representamen [sc. Zeichen] by representing a parallelism in something else, are metaphors.82

Leicht vereinfacht bestimmt dies Metaphern als sprachliche Meta-Zeichen, die mittels ihrer besonderen Beschaffenheit zeigen, daß ein bestimmtes, anderes Zeichen – das sich als ‚metaphorisiertes Zeichen‘ bezeichnen läßt – für etwas anderes als gewöhnlich stehen kann, und zwar auf der Grundlage eines Parallelismus zwischen diesem anderen und dem ursprünglich Bezeichneten. Wenngleich diese Definition der schulrhetorischen Erklärung sehr ähnlich zu sein scheint, bestehen dennoch gravierende prinzipielle Unterschiede: taphorische Periphrase § 595 (S. 271); Symbol Kurz (2004) 70–74. 79 In Aristot. rhet. 1406 b20–25 wird der Vergleich als Metapher, in Quint. inst. 8, 6, 8 f. die Metapher als Vergleich bestimmt. Vgl. Black (1983a) 66–68: Die Vergleichstheorie sei ein Sonderfall der Substitutionstheorie. 80 Vgl. Band 25 der Zeitschrift für Semiotik (Heft 1–2: „Metaphern in Bild und Film, Gestik, Theater und Musik“, Heft 3–4: „Metaphern in Sprache, Literatur und Architektur“). 81 Vgl. Verf. (im Druck), wo die Peircesche Metapherntheorie im Rahmen der Peirceschen Zeichentheorie expliziert und für die Literaturwissenschaft nutzbar gemacht wird. 82 Peirce CP 2.277.

30

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

1) Bei Peirce ist die Metapher ein per definitionem hierarchisch übergeordnetes Zeichen, das eine Aussage über ein (dadurch hierarchisch untergeordnetes) anderes Zeichen macht. Bei diesem übergeordneten Zeichen kann es sich damit in der Regel nicht um ein gewöhnliches Wort („Löwe“) handeln, sondern es muß notwendig umfassender als das metaphorisierte Zeichen sein (zum Beispiel „Achilleus ist ein Löwe“) – und zwar gerade so umfassend, daß es zeigen kann, daß das metaphorisierte Zeichen („Löwe“) für etwas anderes stehen kann (also das, was gemeinhin „Achilleus“ bezeichnet).83 Daß dies richtig sein muß, ist offenbar – denn kein Wort kann an sich eine Metapher sein, sondern ist dies prinzipiell immer erst in einem bestimmten Kontext: Während „Löwe“ an sich immer einen Löwen und niemals einen Krieger oder Achilleus bezeichnet, kann dieses Zeichen erst im Rahmen einer übergeordneten Äußerung wie „Achilleus ist ein Löwe“ das bezeichnen, was ansonsten „Achilleus“ bezeichnet – und zwar wohlgemerkt ohne den Umweg über das hypothetische, postulierte verbum proprium. Ähnliches ist für die Metapher ὄψον δὲ λόγοι φθονεροῖσιν (21) festzustellen, in dem die beiden Zeichen ὄψον und λόγοι derart verbunden sind, daß ὄψον als Zeichen für das verwendet wird, was gewöhnlich λόγοι bezeichnet. So ist die Metapher tatsächlich ein Meta-Zeichen, das für das von ihr Bezeichnete – die ungewöhnliche Zeichenhaftigkeit des metaphorisierten Zeichens für etwas anderes – gerade das eigentliche Zeichen ist. Metaphern sind damit wesensmäßig metasprachlich: Sie sind Zeichen, die von Zeichen handeln, und zwar hinsichtlich ihres sprachlichen Kerns, der Zeichenhaftigkeit. Dies ist im übrigen theoretisch keineswegs problematisch, da Zeichen für Peirce nicht mit Wörtern identisch sind; vielmehr ist ein Zeichen allgemein (und leicht vereinfacht) alles das, was irgend etwas anderes bezeichnet; somit sind nicht nur Wörter, sondern auch zum Beispiel Bilder, Sätze, Melodien oder Bücher Zeichen.84 2) Eine Metapher zeigt prinzipiell eine ungewöhnliche, neue Verwendungsmöglichkeit des metaphorisierten Zeichens für etwas anderes an, denn dieses bezeichnet in der Metapher „something else“. Zum Beispiel bezeichnet ὄψον, wie der Wörterbucheintrag zeigt, gewöhnlich nicht das, was λόγοι bezeichnet. Wenn es dies täte, handelte es sich per definitionem nicht um eine Metapher, sondern um ein sog. symbol, eine Zeichenform which is constituted a sign merely or mainly by the fact that it is used and understood as such, whether the habit is natural or conventional, and without regard to the motives which originally governed its selection.85 83 ‚Stehen für‘ wird (wie allgemein in dieser Arbeit) selbstverständlich nicht im Sinne der Substitutionstheorie, sondern im Sinne der Peirceschen Semiotik verwendet: vgl. Peirce CP 2.228 und Peirce CP 1.564. 84 Vgl. Verf. (im Druck) Kap. 3. 85 Peirce CP 2.307 (meine Hervorhebung); vgl. Peirce CP 2.222; 2.278.

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

31

Derartige symbols sind mehr oder weniger das, was gemeinhin als sprachliches Zeichen gilt, zum Beispiel Wörter wie λόγος. Nur insoweit eine Metapher (mithin das in ihr metaphorisierte Zeichen) nicht habitualisiert verstanden wird, darf sie also als Metapher gelten; mit der Lexikalisierung verlieren Metaphern damit ihre Eigenschaft des Metaphernseins und werden zu gewöhnlichen Zeichen (symbols). Ein Beispiel hierfür ist das ursprünglich als Metapher gebildete Zeichen „Stuhlbein“, das ja in der Regel gerade nicht als Metapher, sondern lexikalisiert als gewöhnliches Zeichen (wie „Stuhl“ oder „Bein“) verstanden wird.86 Allerdings können offenbar auch derartige Zeichen wieder zu Metaphern werden, nämlich dann, wenn man sie in einem bestimmten Kontext (der hier zum Beispiel von anderen Beinen oder von der Fortbewegung handeln oder aus Ausführungen wie diesen bestehen könnte) als Metaphern verwendet und versteht. Ob Zeichen (die selbstverständlich die entsprechenden definitorischen Voraussetzungen erfüllen müssen) als Metaphern aufzufassen sind, zeigt sich damit immer erst im Kontext und ist letztlich eine Frage der textlichen Kohärenz. Wenn also eine potentielle Metapher im Kontext sinnvoll als Metapher verstanden werden kann (unabhängig von einer eventuell mittels anderer Texte feststellbaren Lexikalisierung), ist es legitim und sogar geboten – zumal bei einem derart bewußt komponierenden Autor wie Pindar –, sie tatsächlich auch als Metapher aufzufassen (jedenfalls solange es keine gewichtigeren Argumente für die gegenteilige Annahme gibt). Ein Beispiel hierfür ist nicht nur der Satz ὄψον δὲ λόγοι φθονεροῖσιν (21), der nicht-metaphorisch verstanden lediglich falsch, als Metapher jedoch äußerst sinnvoll ist, oder der Satz ἵσταμαι δὴ ποσσὶ κούφοις ἀμπνέων τε πρίν τι φάμεν (19), der sich in einem metaphorischen Verständnis mit deutlich höherem Grad an Kohärenz in seinen Kontext fügt,87 sondern auch, daß δάψεν (23) schon insofern adäquater als Metapher denn als (ursprünglich metaphorisches) symbol aufzufassen ist, als sich im Kontrast mit ὄψον (21) eine höhere Kohärenz, mithin ein sinnvollerer Gesamttext ergibt, in dem Metaphern ähnlichen Inhalts ein differenziert-komplexes semantisches Netz bilden. 3) Metaphern sind Zeichen, die die neue Zeichenhaftigkeit des metaphorisierten Zeichens lediglich anzeigen, ohne sie aber zu beweisen. Ursächlich hierfür ist, daß Metaphern sog. icons sind (speziell hypoicons; s. o. S. 29).88 Diese icons zeigen ihr Objekt generell in unanalysierter Weise, d. h. mehr 86 Wobei eine Lexikalisierung desto schneller eintreten dürfte, je mehr es sich um eine Katachrese handelt (s. allgemein U. Neumann: „Katachrese“, HWRh 4, 911–915). 87 Allein diese Beispielmetapher, die sich im Kontext auch nicht-metaphorisch lesen ließe, zeigt, daß Theorien, die eine Metapher wesensmäßig durch einen logischen Widerspruch oder einen Kategorienfehler charakterisiert sehen, nicht hinreichend sein können (vgl. Rolf 2005 49–52. 195–204). 88 Allgemein zu icons s. Verf. (im Druck) Kap. 3.

32

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

oder weniger als Sinnesmannigfaltigkeit ohne begriffliche Strukturierung. Dies ist zum Beispiel auch bei Bildern, ebenfalls icons, der Fall, die an sich gleichfalls nicht begrifflich strukturiert sind, sondern dies erst (zum Beispiel) durch eine sprachliche Beschreibung werden. Entsprechend zeigt eine Metapher wie „Achilleus ist ein Löwe“ (welcher Satz ganzheitlich betrachtet werden muß, da sich ansonsten bloß eine falsche Aussage ergäbe) die Zeichenhaftigkeit von „Löwe“ für das, was ansonsten „Achilleus“ bezeichnet, lediglich an, beweist aber nicht deren eventuelle sachliche Richtigkeit. Ebenso beinhaltet ὄψον δὲ λόγοι φθονεροῖσιν (21) keine Begründung der Richtigkeit der gezeigten Zeichenhaftigkeit des metaphorisierten Zeichens ὄψον für das, was gewöhnlich λόγοι bezeichnet. Damit postuliert die Metapher die von ihr gezeigte Zeichenhaftigkeit des metaphorisierten Zeichens, und zwar in, wenn man es so nennen möchte, bildhafter Weise. Diese Bildhaftigkeit besteht aber (wie man angesichts der Bestimmung der Metapher als icon fälschlicherweise annehmen könnte) primär nicht in der Bildhaftigkeit des Zeichens ὄψον (oder seinem Objekt) für das, was gewöhnlich das Zeichen λόγοι bezeichnet (eine derartige Erklärung löste keines der Probleme, vor die uns die Metapher stellt, sondern verschöbe die konkrete Metapher nur in ein anderes Medium),89 sondern sie ist abstrakterer Natur: Sie besteht in der Verbildlichung (ὄψον δὲ λόγοι φθονεροῖσιν) der abstrakten Zeichenhaftigkeit eines Zeichens (ὄψον) für den gewöhnlichen Gegenstand eines anderen Zeichens (den des Zeichens λόγοι). Metaphern bilden also (ohne begründende Erklärung) abstrakte Zeichenprozesse ab. Da freilich Zeichenprozesse mit Peirce nichts anderes als Denk-Prozesse sind, könnten wir Metaphern auch als Bilder des Denkens bezeichnen – und zwar ganz offenbar des neuen Denkens. 4) Metaphern zeigen die neue Zeichenhaftigkeit des metaphorisierten Zeichens dadurch, daß sie einen Parallelismus zwischen dem Objekt des metaphorisierten Zeichens (welches z. B. gewöhnlich durch ὄψον bezeichnet wird) und dem neuen Bezeichneten (z. B. dem Objekt des Zeichens λόγοι) zeigen. Dieser Parallelismus ist die implizite (besser: implizierte) Grundlage der Zeichenhaftigkeit; er muß (anders als in der schulrhetorischen Theorie: s. o. S. 27) nicht unabhängig von der Metapher und damit vor ihrer Bildung bestehen (was in der Substitutionstheorie im übrigen auch für die translatio audax gilt, denn jede Metapher greift prinzipiell auf das sachlich vorher gegebene tertium comparationis zurück), sondern er wird (entsprechend der Definition, aus der sich dies analytisch ergibt) in dem Moment, in dem wir ein Zeichen als Metapher deuten, postuliert, unabhängig davon, ob er vorher tatsächlich (in welcher Form auch immer) bestand (der Parallelismus ist also wesensmäßig immer ein Parallelismus in Abhängigkeit von der speziellen Metapher): Metaphern fordern auf, danach zu suchen, worin der in ihnen ab89 S. zu solchen Ansätzen Rolf (2005) 61–75.

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

33

strakt gezeigte Parallelismus besteht, und nicht, ob er besteht; der Parallelismus ist Teil der Aussage der Metapher, nicht ihre vorgängige Bedingung. Damit erschaffen Metaphern neue Bedeutung, die sich nicht analytisch aus den an der Metapher beteiligten Zeichen selbst ergibt, sondern als (systemtheoretisch gesprochen) emergentes Phänomen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß eine Metapher notwendig originell sein muß (vgl. das AchilleusBeispiel), aber dennoch erschafft sie immer eine hinsichtlich ihrer Bestandteile neue, nicht-habitualisierte Bedeutung: So denkt man bei „Löwe“ eben gewöhnlich nicht automatisch an Achilleus, sondern an einen Löwen, während es gerade die Leistung der Metapher „Achilleus ist ein Löwe“ ist, Achilleus mit dem Zeichen „Löwen“ zu bezeichnen (wobei der Unterschied zur gewöhnlichen Prädikation darin besteht, daß es sich um „a parallelism in something else“ handelt). Eine Metapher hat damit, anders als in der schulrhetorischen Theorie, eine wesensmäßig sinnstiftende Funktion; der postulierte Parallelismus hat dabei eine ungleich allgemeinere Natur als das tertium comparationis der Substitutionstheorie, denn bei ihm kann es sich erstens um alles handeln, was denkbarerweise als parallel angesehen werden könnte, und zweitens ist er nicht auf ein einzelnes Vergleichsmoment beschränkt: Achilleus ist zum Beispiel in so vielen Hinsichten mit einem Löwen parallel, in denen es im Kontext sinnvoll erscheint, also unter Umständen auch in Hinsicht auf seine Bestialität, seine Größe, seine Gestalt etc. Die Frage danach, wann genau eine Hinsicht als sinnvoll gelten darf, führt zum nächsten Punkt. 5) Insofern Metaphern Zeichen sind, verfügen wir mit der Peirceschen Zeichentheorie über den allgemeinen Schlüssel zu ihrem Verständnis: Prinzipiell besteht der Prozeß des Zeichenverständnisses darin, daß man, mit einem Zeichen konfrontiert, eine Hypothese über seine Bedeutung aufstellt, sodann ableitet, welche Konsequenzen sich aus dieser Hypothese ergeben müßten, und schließlich prüft, ob sich diese Konsequenzen am Zeichen selbst und im Kontext verifizieren lassen.90 Ähnlich wurde oben die Metapher ἵσταμαι δὴ ποσσὶ κούφοις ἀμπνέων τε πρίν τι φάμεν (19) expliziert, ausgehend von der Hypothese, es liege ein Parallelismus von Läufer und Sprecher vor. Bei der folgenden Verifizierung hat sich gezeigt, welch große Bedeutung der Kontext (verstanden im weitesten Sinne)91 für das Verständnis einer Metapher hat, denn ohne ihn wäre weder diese Metapher als Metapher zu erkennen noch ließe sich für ihre einzelnen Elemente bestimmen, welche ungewöhnliche Zeichenhaftigkeit sie besitzen. 90 S. Verf. (im Druck) Kap. 4. 91 Allgemein differenziert den Kontext Coseriu (2007) 124–137; angesichts der Bedeutung des Sitzes im Leben für das Epinikion vgl. besonders 132 zum „praktischen oder okkasionellen Außer-Rede-Kontext“; der Außer-Rede-Kontext ist eine wesentliche Komponente der Bedeutung des Zeichens selbst. Vgl. grundsätzlich Peirce MS 318 (1907), KP 3 243– 250, ebenso Coseriu (2007) 143–146, insbesondere 143 f.

34

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Damit läßt sich die Metapher textlinguistisch als Textfunktion fassen, d. h. als „Funktion des Sprechens in einer bestimmten Situation, […] des Sprechens zu einem bestimmten Zweck“, ähnlich der Aufforderung, der Antwort, der Bitte, der Ironie, dem Befehl etc.92 Diese Textfunktionen können, müssen aber nicht eine einzelsprachlich besondere Form haben (wie etwa die Textfunktion der Frage im Deutschen; doch auch hier verhindern die Kategorien ‚Satzfrage‘ und ‚rhetorische Frage‘ eine eineindeutige Zuordnung von Textfunktion und einzelsprachlicher Form).93 „Textfunktionen müssen also immer im Text selbst identifiziert werden“; sie sind „textspezifisch in der Hinsicht, daß sie nicht einfach auf Funktionen der übrigen Ebenen der Sprache reduziert werden können“.94 Dies dürfte nun auch (ganz den bisherigen Erkenntnissen entsprechend) für die Textfunktion der Metapher gelten.95 Mit dem Charakter der Metapher als icon hängt zusammen, daß es für eine Metapher niemals eine einzige eindeutige Interpretation geben kann, wie es bei gewöhnlichen Zeichen (d. h. symbols) in weit höherem Maße der Fall ist (s. Punkt 3). So stellt die Metapher ἵσταμαι δὴ ποσσὶ κούφοις ἀμπνέων τε πρίν τι φάμεν (19) nicht nur einen einzigen Parallelismus dar, sondern ganz verschiedene, unter anderem den zwischen Epinikiendichter und Läufer, den zwischen dem Sprecher des Liedes und Deinis und Megas, den zwischen siegreichem Dichten und Laufen, den zwischen dem siegreichen Laufen und dem Finden von Gold etc. Dabei ist es letztlich Aufgabe des Rezipienten der Metapher, sie in den jeweils (im Rahmen eines kohärenten Gesamtsinns des Textes) möglichen Hinsichten zu analysieren. Die Notwendigkeit dieser Mitarbeit ergibt sich theoretisch daraus, daß die Metapher nicht eindeutig für ihre Aussage argumentiert, sondern per definitionem immer erst analysiert werden muß, um überhaupt als metaphorisches Zeichen verstanden werden zu können. Regulatives Prinzip ist die Sinnkohärenz des Textes. Die Analyse der Metapher kann (wie bei jedem Zeichen) sprachlich erfolgen, insbesondere in Form einer Paraphrase. Eine solche Paraphrase kann zwar aufgrund der wesensmäßigen Unbestimmtheit der Metapher diese niemals vollständig explizieren – doch gilt dies letztlich für jedes Zeichen, da es als Zeichen immer auf eine Interpretation (d. h. auf ein interpretant) angewiesen ist. Paraphrasen explizieren Metaphern also hinreichend.96 Gleichwohl erfordert eine Metapher mehr kreative Aufmerksamkeit als ein gewöhnliches Wort (symbol), denn ihre Interpretation ist nicht habitualisiert.

92 93 94 95

S. Coseriu (2007) 60–63 (das Zitat 60). Coseriu (2007) 62. Coseriu (2007) 63 bzw. 61. Auch der Sinn ist eine Textfunktion; er beruht auf dem (sprachlichen und außersprachlichen) Kontext (Coseriu 2007 143 f.). 96 Anders z. B. Black (1983a) 78 f.

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

35

6) Schließlich zeigt sich die Peircesche Definition der Metapher imstande, den metaphorischen Prozeß an sich zu erfassen; was die schulrhetorische Tradition nur als wesensmäßig anders geartete sprachliche Phänomene zu beschreiben vermag, kann auf ein einziges grundlegendes semiotisches Prinzip zurückgeführt werden. So wird das Verbindende von (schulrhetorisch gesprochen) Metapher, Allegorie, Vossianischer Antonomasie, Emblem etc. offenbar. Insbesondere zeigt sich, daß (schulrhetorisch gesprochen) in der Tat eine enge Verwandtschaft von Metapher und Vergleich besteht, zumindest dem Vergleich, der ohne argumentative Begründung, mithin implizit operiert; die ‚Metapher‘ „Achilleus ist ein Löwe“ besagt damit (bis auf den Grad der Emphase) dasselbe wie der ‚Vergleich‘ „Achilleus ist wie ein Löwe“. Als entscheidend erweist sich damit nicht das Vorhandensein einer Vergleichspartikel (vgl. oben S. 29 Anm. 79), sondern die Implizitheit des Metaphernicon, das die ungewohnte Zeichenhaftigkeit des metaphorisierten Zeichens zeigt. Vergleiche können damit Metaphern sein, müssen es jedoch nicht. Der damit einhergehende Verlust an Beschreibungskategorien könnte zwar prima vista als Nachteil der Peirceschen Theorie erscheinen, ist tatsächlich jedoch einer ihrer großen Vorzüge: Sie vermag nämlich unter Absehung von irrelevanten Oberflächenphänomenen die Natur eines zentralen sprachlichen Mechanismus semiotisch hinreichend zu erklären, und zwar bezüglich seiner (in semiotischer Hinsicht zentralen) semantischen Leistung. Auf welcher Ebene innerhalb eines Zeichens oder in welchem Medium (also ob bildlich, sprachlich etc.) ein metaphorischer Prozeß stattfindet, erweist sich hinsichtlich seiner Metaphorizität als unerheblich – hinsichtlich des Sinns des Zeichens Metapher ist vielmehr allein entscheidend, daß er stattfindet. Offenbar ist die Peircesche Metapherntheorie eine leistungsfähige Theorie, die semiotisch adäquat das Wesen der Metapher, ihr semantisches Potential und die Weise ihrer interpretatorischen Explikation aufdeckt. Damit ist sie für die hier vorgenommene Analyse Pindarischer Epinikien geeignet. 2.5.3Peirce’ Theorie und Pindars Metaphern Auch wenn die Peircesche Theorie der Metapher aus moderner Sicht ein adäquates Instrumentarium des Metaphernverständnisses bietet, läßt sich fragen, ob es nicht anachronistisch ist, Texte des frühen 5. vorchristlichen Jahrhunderts aus den Anfängen abendländischer Literatur mit einer modernen, auf über zwei Jahrtausenden Philosophiegeschichte aufruhenden Theorie des 19. / 20. nachchristlichen Jahrhunderts erklären zu wollen. Ein derartiger Einwand verfehlt jedoch sein Ziel: Die Peircesche Theorie ist nicht die vorgängige Grundlage irgendeines Metapherngebrauchs, sondern erklärt lediglich in allgemeiner, modernen sprach- und literaturwissen-

36

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

schaftlichen sowie philosophischen Kriterien genügender und sachadäquater Weise ein sprachliches Phänomen, das sich schon reichlich in den allerersten literarischen Schriftzeugnissen des Abendlandes findet und das für alle Menschen seit Anbeginn zum basalen sprachlichen Instrumentarium gehört.97 Insofern Pindars Metaphern also Metaphern sind, kann die Peircesche Theorie tatsächlich einen objektiv adäquaten allgemeinen Verständnisrahmen bieten – ebenso, wie sich etwa ein Nominativ in einem griechischen Satz der vorsprachtheoretischen Zeit Pindars als Nominativ bestimmen läßt. Der Gebrauch (einer Metapher) ist schließlich unabhängig von seiner bewußten Theoretisierung: Auch ohne eine Theorie der Sprache läßt sich sprechen. Allerdings ist mit dem vorgebrachten Einwand ein gewichtigerer Einwand verwandt: Auch wenn die Peircesche Theorie die Metapher an sich theoretisch adäquat erfassen kann, folgt hieraus noch nicht notwendig, daß auch Pindar ihr volles Potential ausgeschöpft hat oder dies auch nur wollte. Hätte Pindar die Metapher für das gehalten, was die schulrhetorische Tradition in ihr sieht, hätte er wohl auch nur ausschließlich derartige Metaphern verwendet. Damit aber wäre es nicht legitim, sie im Rahmen der Peirceschen Theorie in der vorgeschlagenen Weise zu explizieren. Doch schon die bisherige Untersuchung von Nemee 8 hat einen Metapherngebrauch aufgezeigt, der Metaphern erstens zur Sinnstiftung (zudem im zentralen Bereich des Siegerlobs) einsetzt, der zweitens nicht auf die Wortebene beschränkt ist und dessen Zweck sich drittens im Rahmen der Peirceschen Theorie (und nicht in dem der Substitutionstheorie) hinreichend explizieren läßt: derart verstanden, erhöhen die Metaphern die Kohärenz des Textes und tragen zum Erreichen seines Zieles (des Siegerlobs) bei. So ist es legitim, Pindars Metaphern mittels dieser Theorie zu erschließen – und sogar geboten, insofern sich erst dann ein Sinn des Textes zeigt, der mit seinem lebensweltlichen Ziel konvergiert. Voraussetzung ist allerdings die Annahme, daß Pindars Publikum verständig genug gewesen sein mußte, die oftmals offenbar nicht einfach zu explizierenden Metaphern tatsächlich im Aufführungskontext – d. h. im Rahmen einer kurzen öffentlichen Darbietung – verstehen zu können: Ohne das Verständnis der Metaphorik hätte ein Pindarisches Epinikion wie Nemee 8 sein Ziel, das Siegerlob, offenbar nicht erreichen können. Eine derartige Annahme könnte insbesondere für die Anfänge abendländischer Literatur als unwahrscheinlich erscheinen, und so könnte auch der darauf aufbauenden Hypothese, das Siegerlob werde indirekt durch die Metaphorik erzielt, von vornherein der Boden entzogen sein – unabhängig davon, ob sich auf ihrer Grundlage ein kohärenter Sinnzusammenhang konstruieren ließe. Zu klären

97 Vgl. Lakoff – Johnson (1980), Lakoff (1993).

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

37

ist also, ob das Sinnpotential der Metapher von den intendierten Rezipienten der Lieder auch tatsächlich aktualisiert werden konnte. Dieser Vorbehalt erweist sich bei näherer Prüfung jedoch aus vier (im folgenden ausgeführten) Gründen als irreführend: 1) Die Aufführungssituation der Epinikien gewährleistete ein hinreichendes Verständnis der Metaphern. 2) Metaphern waren zu Pindars Zeiten ein in Dichtung und Philosophie verbreitetes Ausdrucksmittel. 3) Die für metaphorische Operationen charakteristischen Denkmechanismen finden sich auch in anderer Gestalt im gesamten Pindarischen Werk und in zahlreichen Texten des frühen 5. Jhs. 4) Man war mit der Methode des Verstehens von Metaphern vertraut. 2.5.3.1

Das Epinikion und sein Aufführungskontext

Schon die bloße Existenz der Pindarischen Epinikien ist ein hinreichendes Indiz dafür, daß sie im Kern und damit notwendig auch in ihrer Metaphorik verstanden wurden: Pindar hätte nicht über fünfzig Jahre lang seiner Tätigkeit als Dichter (insbesondere für mächtige Herrscher wie Hieron von Syrakus) nachgehen können, wenn man ihn nicht verstanden hätte – und ihn sogar (insofern er dem Sieger nicht die geschuldete Achtung dargebracht hätte) für einen ὑβριστής gehalten hätte. Wenn sich also die Möglichkeit zeigt, daß Pindars Epinikien mittels einer komplexen Metaphorik ein substantielles Siegerlob aussprechen, ohne Berücksichtigung dieser Metaphorik aber kein (oder nur ein ungleich geringeres) Siegerlob zu erkennen wäre, muß bis zum Gegenbeweis davon ausgegangen werden, daß diese Metaphorik – scheine sie auch noch so schwer verständlich – essentieller Bestandteil der Sinnstruktur ist und als solcher auch verstanden wurde. Angesichts des grundsätzlich oralen Charakters der griechischen Kultur überrascht es kaum, daß man komplexe Gedanken im Rahmen einer kurzen öffentlichen Aufführung hinreichend verstehen konnte – zumal man auch die etwa zeitgleich entstandenen Tragödientrilogien bzw. -tetralogien eines Aischylos verstand, deren ganzer komplexer Handlungsbogen sich nicht nur in einer Aufführung von vielen Stunden entwickelte, sondern deren eigentlicher Sinn sich oftmals erst vom Ende her erschloß.98 Dies gilt zumindest für die Orestie, die sich erst im nachhinein und sicherlich überraschend „als riesige dramatische Aitiologie der politisch-religiösen historischen Verhältnisse Athens“ erweist.99 Wenn aber ein solch umfangreiches und komplexes Werk 98 Abgesehen davon war man ja angesichts des Charakters der griechischen Kultur prinzipiell niemals nur passiver Rezipient von Chorlyrik, sondern immer auch potentieller Produzent: Man denke nur an den Dithyrambenagon in Athen (vgl. Kannicht 1996 89 f.). 99 Käppel (1998) 279; man beachte seine Analyse der gesamten Handlungskonstruktion der Trilogie (insbesondere die Synthese 272–280).

38

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

beim ersten Hören verstanden werden konnte (Tragödien wurden bekanntlich für eine einzige Aufführung verfaßt), wird dies für ein kurzes Epinikion von vielleicht fünfzehn Minuten Aufführungslänge um so mehr gelten müssen – und um so mehr wird sich zugleich die Möglichkeit ergeben haben, ein solch kurzes Werk konzentrierter und komplexer zu gestalten! Dessen ungeachtet steht jedoch keineswegs fest, daß ein Epinikion schon beim ersten Hören verstanden werden mußte: Nicht nur ist wahrscheinlich, daß man es nach der Uraufführung privat (N. 4, 13–22) und in der ganzen griechischen Welt (N. 5, 1–8) wiederholt sang (vgl. auch N. 6, 31–34), sondern es ist ebenso denkbar (zumindest auf der Grundlage unseres dürftigen Wissens über die Aufführungssituation), daß das Lied nicht nur einmal, sondern mehrmals hintereinander gesungen wurde, zum Beispiel im Rahmen einer feierlichen Prozession (κῶμος), in der der Sieger in die Stadt geführt und von der Gemeinschaft empfangen wurde.100 In der Wiederholung hätte sich dann nach und nach ein vollständiges Bild anfangs eventuell noch unklarer semantischer Verhältnisse ergeben. Wenngleich dies nicht als abschließende Antwort auf die vieldiskutierte Frage nach der Aufführungssituation des Epinikions gelten soll (sie wird ohne textexterne Indizien prinzipiell nicht zu geben sein), dürfte dieser Vorschlag dennoch insofern nicht als von vornherein inadäquat erscheinen,101 als eine derartige Situation in etlichen Liedern tatsächlich fingiert wird: So ist zum Beispiel im Prooimion von Nemee 9 (1–10) von einem Komos vom Siegesort Sikyon in des Siegers Chromios Heimat Aitna auf Sizilien die Rede, in dessen Rahmen das Epinikion (d. h. Nemee 9 selbst) gesungen werden solle und der am Liedschluß – man beachte den Imperativ ἐγκιρνάτω τις (50, sc. κρατῆρα) – in ein (fingiertes) Symposion (d. h. die eigentliche Siegesfeier) mündet (48–55).102 100 Zum Komos s. Heath (1988), Morgan (1993), Pfeijffer (1999a) 38 f. Anm. 49 (auch zum überraschenden Wortgebrauch); vgl. Cole (1992) 11–32, besonders 16–25. Diod. 13, 82, 7, berichtet, daß im Jahr 412 v. Chr. der Olympiensieger Exainetos aus Akragas bei seiner Rückkehr mit 300 Zweigespannen aus Schimmeln in die Stadt geleitet wurde. Dazu, daß ein Epinikion (auch) während einer solchen Prozession gesungen worden sein könnte, vgl. schon Fränkel (1962) 488 (Anm. 6 mit Verweis auf N. 2: vgl. unten Anm. 102), ebenso Cole 1992 24 Anm. 35, Heath 1988 192 f.). Schon vor der Aufführung wäre dann ein Teil der Bevölkerung bei den Proben mit dem Liedinhalt vertraut geworden. 101 Vgl. Heath (1988) 192. Es konnten z. B. auch Paiane im Rahmen einer Prozession dargebracht werden: s. allgemein Käppel (1992) 82 (vgl. D’Alessio 1997, insbesondere 30 f., Schröder 1999 74 f.). Zur Frage der Aufführungssituation geben einen knappen Überblick Felson (1999) 11 Anm. 30, Strauss Clay (1999) 25 Anm. 1; s. auch Stenger (2004) 44–49; an Einzelpositionen seien Heath (1988), Burnett (1989), Carey (1989a), Lefkowitz (1989), Morgan (1993), Carey (2007) angeführt. Vgl. jüngst Neumann-Hartmanns (2009) Studie zum Aufführungsrahmen der Epinikien (mit Neumann-Hartmann 2007). 102 Vgl. P. 9, 71–75 (s. Pfeijffer 1999a 40 f.); an den folgenden Stellen wird das (in der Regel gerade gesungene) Lied als Komos bezeichnet (bzw. im Komos lokalisiert): O. 2, 46 f., O. 3, 4–6, O. 4, 6–12 (zu 10 f. s. Farnell 2, 33), O. 6, 17 f., O. 8, 9 f., O. 10, 76–85, O. 11, 16,

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

39

2.5.3.2 Pindars Zeit und die Metapher Insbesondere in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts bediente man sich in außergewöhnlich hohem Maße einer metaphorischen Sprache zur pointierten Sinnerzeugung. Dies zeigt sich deutlich an Pindars Zeitgenossen Aischylos,103 insbesondere an den 467 v. Chr. aufgeführten Sieben gegen Theben, in denen (unter anderem) der Schiffahrtsmetaphorik eine zentrale Funktion zukommt.104 Mit ihr setzt das Stück auch prägnant ein (1–3): Κάδμου πολῖται, χρὴ λέγειν τὰ καίρια, ὅστις φυλάσσει πρᾶγος ἐν πρύμνηι πόλεως οἴακα νωμῶν, βλέφαρα μὴ κοιμῶν ὕπνωι. Bürger des Kadmos, es soll das Rechte sagen, wer Wache über die Dinge auf dem Heck der Stadt hält, das Steuerruder in der Hand, und dabei die Lider nicht einschlafen läßt.105

Eteokles, der Sprecher dieser Verse, zeigt sich mit seinen ersten Worten als Kapitän des Staatsschiffes Theben, der vor lauter Wachsamkeit kein Auge zutun darf, um es vor den heranbrechenden Feinden zu schützen (32 f.): πληροῦτε θωρακεῖα, κἀπὶ σέλμασιν πύργων στάθητε … Füllt das Dollbord, und auf dem Heckdeck der Türme stellt euch auf !106

103

104 105 106

O. 13, 29 f., O. 14, 16–20, P. 3, 72–76, P. 4, 1–3, P. 5, 20–26. 96–107, P. 8, 70 f., P. 9, 89 f., P. 10, 1–6. 53 f., N. 1, 1–7, N. 2, 24 f. („the ode ends strangely as no other of Pindar’s odes end“ [Farnell 2, 253]: mit der Aufforderung, die Stimme zu erheben: ἁδυμελεῖ δ’ ἐξάρχετε φωνᾷ [25]), N. 3, 1–12, N. 6, 31–34, N. 8, 50 f., I. 3/4, 7 f. 90 f., I. 6, 57–59, I. 7, 16–21, I. 8, 1–6; vgl. auch O. 5, 9–14, P. 2, 1–8, N. 1, 19–24 (insbesondere in Verbindung mit 1– 7), N. 4, 9–11, N. 7, 68 f. Auch das futurische, imperativische oder optativische δέκεσθαι läßt sich, bezogen auf das Lied oder den Sieger, oftmals in diesem Sinne verstehen (zumal das Verb „becomes almost a technical term in komastic literature“ [Heath 1988 180, ferner 189–192]): vgl. O. 4, 6–12, O. 5, 1–3, O. 6, 98–100, O. 13, 29 f., P. 5, 20–23, P. 8, 1–5, P. 9, 71–75, P. 12, 1–8, N. 4, 11–13, N. 11, 1–9; entsprechend ist die Darbringung des Liedes (d. h. das Empfangen) oft mit einem Akt des Führens (ἄγειν) verbunden: O. 13, 29 f., P. 7, 13, P. 9, 71–75, P. 10, 1–6. 64–66, I. 2, 33 f. Vgl. insgesamt aber auch Heath (1988), insbesondere 193; zur Siegesfeier als Symposion s. u. S. 238 Anm. 250. Skeptisch zeigt sich Neumann-Hartmann (2009) 125–131, doch s. insbesondere Verf. (2010). Auf die umfangreiche übrige Metaphorik des Stückes kann hier nicht eingegangen werden; s. insgesamt zu Aischylos Petrounias (1976), insbesondere ix und seine auch in Hinblick auf Pindar wichtigen Schlußfolgerungen (301–316); vgl. Kurke (1991a) 11 zu Pindar. Vgl. Aristophanes’ Aischylos-Parodie in den Fröschen. Sie kann hier nur oberflächlich expliziert werden; ausführlicher behandeln sie Petrounias (1976) 33–51, Hansen (1955) 27–57, van Nes (1963) 75–87; vgl. Hutchinson (1985) 52. Zum letzten Gedanken vgl. Hom. Od. 5, 270 f., zu οἴακα νωμῶν unten S. 189 Anm. 27. Zur nautischen Metaphorizität hier s. Petrounias (1976) 38 f. 333 f. (Anm. 156) (anders Hutchinson 1985 47); sie zeigt sich unter anderem in σέλμασιν (32; s. van Nes 1963 102– 105; zur Stelle 78–80; vgl. Fraenkel 1962 2, 108–111).

40

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Dies legt ihm auch ein Späher nach seiner Rückkehr nahe (62–64): σὺ δ’ ὥστε ναὸς κεδνὸς οἰακοστρόφος φάρξαι πόλισμα, πρὶν καταιγίσαι πνοάς Ἄρεως· βοᾶι γὰρ κῦμα χερσαῖον στρατοῦ· Umschirme107 wie ein sorgsamer Steuermann die Stadt, bevor der Atem des Ares herniederstürmt, denn laut schreit die Landwoge des Heeres.

Diese Woge fürchtet auch der Chor thebanischer Mädchen (112–115): κῦμα περὶ πτόλιν δοχμολόφων ἀνδρῶν καχλάζει πνοαῖς Ἄρεος ὀρόμενον. Eine Welle aus helmbuschnickenden Männern schäumt empor108 rund um die Stadt, vom Atem des Ares getrieben.

In dieser Situation müsse man sich, wie Eteokles dem Chor deutlich macht, wie ein vernünftiger Steuermann verhalten (208–210): τί οὖν; ὁ ναύτης ἆρα μὴ ’ς πρῶιραν φυγών πρύμνηθεν ηὗρε μηχανὴν σωτηρίας νεὼς καμούσης ποντίωι πρὸς κύματι; Was also? Hat ein Seemann etwa, wenn er vom Heck zum Bug geflohen ist, jemals ein Mittel der Rettung gefunden, wenn das Schiff sich an der Meereswoge abmüht?109

Etwas später malt der Chor die Übel nach der Eroberung aus; auch er spricht vom Wind des Ares (343 f.) und sieht die Stadt im Schiffbruch (360–362): μαινόμενος δ’ ἐπιπνεῖ λαοδάμας μιαίνων εὐσέβειαν Ἄρης. … πολλὰ δ’ ἀκριτόφυρτος γᾶς δόσις οὐτιδανοῖς ἐν ῥοθίοις φορεῖται. Rasend weht der völkerbezwingende Ares entgegen und befleckt die Frömmigkeit. … Und es wird, ununterscheidbar vermengt, die gewaltige Gabe der Erde in wertlosen Brechern umhergetrieben.110

In diesem Unwetter ermahnt ein zweiter Späher (der von Polyneikes am siebten Tor berichtet hat) Eteokles, dem Bruder entgegenzutreten (652): 107 Zur nautischen Metaphorizität von φάρξαι (63) s. Hutchinson (1985) 52, Petrounias (1976) 39 und auch Taillardat (1965), insbesondere 83–86; vgl. Alk. fr. 6, 7 LP. 108 Zur Bedeutung des Verbs καχλάζειν s. Barrett (1964) 386. 109 Vgl. zum letzten Alk. fr. 6, 1–3 LP, fr. 73, 1–4 LP, fr. 326, 1–5 LP. 110 Zu 360–362 s. Petrounias (1976) 43. Dies ist ein Schiffbruch (anders Hutchinson 1985 101): s. ῥοθίοις und φορεῖται (362; vgl. LSJ s. v. II bzw. II, speziell Alk. fr. 326, 4 LP).

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

41

…· σὺ δ’ αὐτὸς γνῶθι ναυκληρεῖν πόλιν. Beschließe du aber, selbst als Schiffseigner der Stadt zu wirken!111

Während der Kampf tobt, ist die Stadt für den Chor ein Schiff in stürmischem Meer (758–761): κακῶν δ’ ὥσπερ θάλασσα κῦμ’ ἄγει τὸ μὲν πίτνον, ἄλλο δ’ ἀείρει τρίχαλον, ὃ καὶ περὶ πρύμναν πόλεως καχλάζει. Wie ein Meer von Übeln bringt es Wogen, die eine niederfallend, die andere erhebt es dreimalbrechend, welche gerade um das Heck des Schiffes herum hochschäumt.

Doch dann tritt ein Bote auf, der vom Ausgang der Schlacht berichtet und den Mädchen Mut zuspricht, denn die Stadt sei gerettet (795–798): πόλις δ’ ἐν εὐδίαι τε καὶ κλυδωνίου πολλῆσι πληγαῖς ἄντλον οὐκ ἐδέξατο. στέγει δὲ πύργος, καὶ πύλας φερεγγύοις ἐφαρξάμεσθα μονομάχοισι προστάταις. Die Stadt ist112 in heiterem Wetter und hat durch der Welle viele Schläge kein Bilgewasser aufgenommen.113 Dies hat der Turm draußen gehalten, und die Tore haben wir mit verläßlichen alleinkämpfenden Wächtern umschirmt.114

Offenbar ist das gesamte Stück von nautischen Metaphern durchzogen.115 Doch zugleich zeigt sich, daß die Metaphorik sehr zielgerichtet eingesetzt wird, denn sie spiegelt den Fortgang der Handlung: Das Stück beginnt mit dem Staatsschiff in ruhiger See (1–3), das, da man einen Sturm heraufkommen sieht, befestigt wird (32 f.); das Herannahen des Sturms wird durch den Späher bestätigt (62–64) und bewahrheitet sich dann tatsächlich (112–115); diesem Unwetter will der Steuermann Eteokles standhalten (208–210). Den gefürchteten ungünstigen Ausgang des Kampfes malt später der Chor als 111 S. van Nes (1963) 123. 112 Es handelt sich (wie schon der Sinnzusammenhang der Botenrede zeigt) nicht um eine „illogical polar expression“ (Hutchinson 1985 175), sondern um einen Nominalsatz (vgl. z. B. Hom. Od. 20, 298; s. Schwyzer II 622 f.; zu τε καί [795] s. allgemein GP 511–513); allerdings könnte ἐν (795) verkürztes ἔνεστι (regelmäßig mit bloßem Dativ konstruiert: vgl. LSJ s. v. I 1) sein (s. Schwyzer II 423; zu bloßem ἐν statt häufigerem ἔνι vgl. Hom. Il. 13, 797, Od. 9, 134). Vgl. van Nes (1963) 65 f. 113 Vgl. Alk. fr. 6, 3 LP, fr. 326, 6 LP. 114 Das in 797 verwendete Verb στέγειν hat die Grundbedeutung „cover closely, so as to keep a fluid either out or in“ (LSJ s. v.); sekundär bedeutet es speziell „keep out water“ (LSJ s. v. A I); die verblaßt-metaphorische Verwendung „fend off, repel“ scheint erst später belegt zu sein (vgl. LSJ s. v. A 2); vgl. Petrounias (1976) 41. 49. 115 Den angeführten ließen sich noch weitere hinzufügen: s. Petrounias (1976) 34–51.

42

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Schiffbruch aus (343 f. 360–362), doch kann dieser aufgrund von Eteokles’ Steuermannsfähigkeiten (652) trotz des immer stärker wütenden Unwetters (758–761) – der Kampf erreicht mit den Kämpfen an den sieben Toren den Höhepunkt – verhindert werden, so daß die Stadt schließlich ins rettende heitere Wetter gelangt (795–798). Die Situation Thebens wird offenbar mit der Situation eines von Schiffbruch bedrohten Schiffes in ungünstigem Wetter parallelisiert. Da diese Parallelität lediglich implizit dargestellt wird, liegt eine Metaphorik im Peirceschen Sinne vor: Die Situation des Schiffes gewinnt einen (metaphorisch-ungewöhnlichen) Zeichencharakter für die Situation Thebens, und zwar – da die jeweilige Ausformung der Metapher spezifisch auf die konkrete Situation abgestimmt ist – in ihrer gesamten Handlungsdynamik. Die Originalität des Metapherngebrauchs liegt also nicht in den Einzelbildern selbst, sondern in seiner Abbildhaftigkeit bezüglich der Dynamik der dargestellten Handlung, die die Metaphorik als sekundäres, eigenständiges Zeichensystem verständnisfördernd und kommentierend spiegelt.116 Daß sie zu genau diesem Zweck verwendet wird, zeigt sich nicht zuletzt darin, daß die in der griechischen Literatur ansonsten reiche Schiffahrtsmetaphorik hier einerseits fast allein auf die inhaltlich zentrale Staatsschiffmetaphorik fokussiert wird und andererseits in Aischylos’ anderen Dramen fast gänzlich fehlt.117 Ein weiteres Indiz ist, daß sie nicht nur von allen wichtigen Figuren (Eteokles, dem Chor und den verschiedenen Spähern) verwendet wird, sondern daß diese sie unabhängig voneinander verwenden: Sie sprechen vom Schiff Theben, ohne vom Gebrauch derselben Metapher durch die anderen Figuren wissen zu können. Zum Beispiel hat der erste Späher Eteokles in 1–3 und 32 f. nicht gehört, und angesichts des Beginns der Parodos in 78 ebenso der Chor nicht Eteokles und den Späher. Damit charakterisiert die Schiffahrtsmetaphorik nicht Äußerungen oder Handlungen einzelner Figuren, sondern hat eine funktionale Bedeutung für das gesamte Stück. Damit aber muß Aischylos’ Publikum (jedenfalls seiner Einschätzung nach) imstande gewesen sein, über eine ganze Tragödienlänge hinweg die feinen Unterschiede in den einzelnen Ausformungen der Metapher wahrzunehmen und sie in ihrer subtilen, aber für das Gesamtstück bedeutsamen Sinndifferenz zu verstehen. Dies ist um so bemerkenswerter, als die schiffahrtsmetaphorischen Passagen gegenüber der Gesamtlänge des Stücks verschwindend kurz und nicht immer hervorgehoben sind, sich dabei aber inhaltlich und sprachlich exakt aufeinander beziehen – und die Schiffahrtsmetaphorik 116 Vgl. Hansen (1955) 118, auch Hutchinson (1985) 52: Aischylos „has joined images themselves familiar into a striking and distinctive combination“. Zur bedrohlichen Größe des Meeres vgl. unten S. 129 Anm. 26. 117 S. Hansen (1955) 27–30; zur Geläufigkeit dieser Metaphorik vgl. Alk. fr. 326 LP, Thgn. 667–682, bei Pindar P. 1, 86, P. 4, 272–276, P. 10, 71 f.; zu Aischylos s. Hansen (1955) 50.

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

43

nicht die einzige Metaphorik des Stücks ist und sich im Mittelteil eine lange Passage einschiebt, in der sie fast überhaupt nicht vorkommt.118 Diese operiert jedoch ihrerseits sinnhaft mit (im Peirceschen Sinne) metaphorischen Elementen, nämlich den Schildwappen der einzelnen Kämpfer: Wenn von Tydeus’ Vollmond (387–390 bzw. 397–406), von Kapaneus’ nacktem Fackelträger (432–434 bzw. 444 f.), von Eteoklos’ Hopliten (465–469), von Hippomedons Typhos (491–496 bzw. 510–513), von Parthenopaios’ Sphinx (539–544 bzw. 560 f.) und von Polyneikes’ Dike (642–649 bzw. 658– 671) die Rede ist, dienen diese Wappen als Parallele zu ihren Trägern und spiegeln sie implizit-bildhaft wider. Damit besteht hier eine metaphorische Zeichenbeziehung – die den Zeichencharakter (es sind ja Wappen) höchst sinnfällig macht.119 Diese implizite Metaphorizität muß für Aischylos’ Publikum so leicht dechiffrierbar gewesen sein, daß er die Wappen nicht nur ohne weitere Explikation sinnhaft verwenden konnte (die metaphorische Applikation der Wappen auf ihre Träger mußte angesichts der fehlenden Explizitheit vom Zuschauer selbst vorgenommen werden), sondern daß er Eteokles die Beziehung der Wappen zu ihren Trägern ohne vorherige Klärung ihres Sinns auf einer höheren Sinnebene (zumeist sogar ironisch) kommentieren lassen konnte. So ist das Thema dieser Passage primär nicht die Wappen selbst, sondern die Richtigkeit der impliziten Behauptung, daß sie aufgrund eines Parallelismus Zeichencharakter für ihre Träger haben – kurz: die Richtigkeit der behaupteten Metaphorizität. Aus der Betrachtung der Metaphorik der Sieben gegen Theben ergibt sich, daß ein Dichter zu Pindars Zeiten in hoher Subtilität und Komplexität Metaphern (im Peirceschen Sinne) in ungleich längeren Dichtungen als Epinikien sinnstiftend verwenden konnte, und zwar offenbar in einer Weise, die nicht verrätselnd, sondern verständnisfördernd wirkte. Dies kann aber nur dann möglich gewesen sein, wenn die Metapher ein alltägliches dichterisches Kunstmittel war. Gerade dies legen auch andere Zeugnisse dieser Zeit nahe, zum Beispiel Parm. fr. 1, das den philosophischen Weg zur Wahrheit metaphorisch als Fahrt in einem von den Sonnentöchtern geleiteten Wagen zu einem von Dike bewachten Tor und ins Reich der Wahrheit darstellt und so in anspruchsvoller Weise eine komplexe philosophische Aussage metaphorisch derart ausdrückt, daß das Bild selbst den zugrundeliegenden Sachverhalt in seiner Parallelität anschaulich vor Augen führt und Zeichencharakter für ihn erhält.120 Doch auch bei fast allen anderen Autoren dieser Zeit zeigt sich eine Alltäglichkeit der Metapher. 118 Zum ersten s. insgesamt Petrounias (1976) 33–74. 119 Hier zeigt sich im übrigen deutlich der Vorzug der (auch prinzipiell semiotisch gebotenen) Medienunabhängigkeit der Metapher im Peirceschen Sinne (s. o. S. 30. 35). 120 S. insbesondere Fränkel (1960) 157–162, Primavesi (2005) 76–82, zur Metaphorik Hölscher (1952), insbesondere 72 f., Snell (1975) 221–224, zu Parmenides insgesamt Sedley

44

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

2.5.3.3 Parallelität und Abstraktion Der Parallelismus der Metapher beruht offenbar auf dem Gleichen im Verschiedenen.121 Die Suche hiernach war das Programm der gesamten damaligen Philosophie: Insofern sie nach den abstrakten Prinzipien des Seins und Denkens strebte, zielte sie gerade auf das Gleiche im Verschiedenen, das das Einzelne zu einander parallelen Ausformungen des Allgemeinen macht. Herausragender Vertreter dieser Suche ist der etwa zwanzig Jahre vor Pindar geborene Heraklit. Er suchte das Gleiche freilich nicht nur im bloß Verschiedenen, sondern sogar im Gegensätzlichen, das ihm als wesentliche, lebensspendende Natur der Dinge galt, ausgedrückt im Bild (oder besser: der Metapher) des Bogens und der Lyra mit ihrer παλίντονος ἁρμονίη (fr. 78 f.).122 Die Grundidee zeigt der programmatische Beginn seiner Schrift (fr. 1): τοῦ δὲ λόγου τοῦδ’ ἐόντος αἰεὶ ἀξύνετοι γίνονται ἄνθρωποι καὶ πρόσθεν ἢ ἀκοῦσαι καὶ ἀκούσαντες τὸ πρῶτον· γινομένων γὰρ πάντων κατὰ τὸν λόγον τόνδε ἀπείροισιν ἐοίκασι πειρώμενοι καὶ ἐπέων καὶ ἔργων τοιουτέων ὁκοίων ἐγὼ διηγεῦμαι κατὰ φύσιν διαιρέων ἕκαστον καὶ φράζων ὅκως ἔχει· τοὺς δὲ ἄλλους ἀνθρώπους λανθάνει ὁκόσα ἐγερθέντες ποιοῦσιν ὅκωσπερ ὁκόσα εὕδοντες ἐπιλανθάνονται. In bezug auf diesen λόγος [hier unübersetzt, da er „nicht nur das Wort, sondern auch den Sinn mitbegreift“123], der ewig ist, sind die Menschen unverständig, sowohl vor dem Hören als auch dann, wenn sie ihn das erste Mal gehört haben. Denn obgleich alle Dinge nach diesem λόγος sind, gleichen sie Unerfahrenen als Erfahrende sowohl solcher Worte als auch solcher Werke, von welchen ich in Hinblick auf jedes berichte und es dabei der Natur gemäß einteile und zeige, wie es sich verhält. Den anderen (1999). Wenn eine Beziehung zwischen O. 6, 22–27 und dem Parmenides-Fragment besteht (insbesondere 1 f. 5. 17 f.: s. Fränkel 1960 158), wäre nicht nur Pindars ParmenidesKenntnis bewiesen (was wichtige Aufschlüsse über Pindars Publikum erlaubte), sondern hinsichtlich O. 6, 22–27 ergäbe sich außerdem, daß das Epinikion implizit als Instrument der Erkenntnis der Wahrheit erschiene, denn der Sprecher reiste gleichsam zum von Dike bewachten Tor und zum Reich der Wahrheit (s. zu letzterem Verdenius 1967, insbesondere 101–110; gegen die Annahme einer gemeinsamen Vorlage beider Texte [so Fränkel] spricht die Abgestimmtheit der Parmenideischen Metapher auf ihre Bedeutung: So wird eine bewußte Bezugnahme Pindars auf Parmenides anzunehmen sein). Die Pointe wäre nicht nur, daß O. 6 als im höchsten Maße der Wahrheit zu entsprechen schiene (zur Wahrhaftigkeit s. u. mit S. 69 f. Anm. 220), sondern vor allem, daß (das Lied wird metaphorisch als Wagen dargestellt, der von den siegreichen Maultierstuten geführt wird) gerade der gefeierte Olympiensieg dem Reich der Wahrheit entspräche. 121 Vgl. Petrounias’ Fazit (1976 315) seiner Untersuchung zu „Funktion und Thematik der Bilder bei Aischylos“, daß „bei ihm das Metaphorische in der Erkenntnis des ὅμοιον ἐν τῷ ἀνομοίῳ besteht“. 122 S. Röd (1988) 101–107, Hussey (1999); zur Gestalt von fr. 78 s. Kahn (1979) 195–202. 123 Snell (1966) 139; s. insgesamt zu dieser Stelle 138–140, insbesondere 139 f.: „Dieser Logos ist natürlich zuerst die Lehre des Heraklit, die er vortragen will. Aber dieser Logos hat Wirklichkeit. […] Es ist der Sinn, der in der Welt liegt, der der Welt erst ihren Gehalt gibt.“ Vgl. Guthrie 1, 419–434, Verdenius (1966), Kahn (1979) 96–100, Hölscher (1952).

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

45

Menschen aber ist verborgen, soviel sie wachend tun, gerade so, wie sie, soviel sie schlafend tun, vergessen.

In diesem kunstvoll komponierten Fragment (einem der ersten griechischer Prosa überhaupt) ist die inhaltliche Aussage innig mit der sprachlichen Form verbunden, denn „der ganze Bau des Fragments stellt sich dar als ein immer wiederholtes Zerfallen in Gegensätze und stets neues Zusammenschließen zur Einheit“124 – er steht also (als Zeichen verstanden) in einer metaphorischen Parallelität zu seinem Inhalt. Offenbar war man zu Pindars Zeit darum bemüht, komplexe Gedanken sprachlich bewußt und kunstvoll so auszudrücken, daß Form und Inhalt kongruieren (vgl. Parm. fr. 1). Dabei denkt Heraklit zu so früher Zeit nicht nur auf hochabstraktem Niveau über die grundsätzliche Beschaffenheit der Welt nach (vgl. das noch abstraktere Nachdenken des mit Pindar etwa gleichaltrigen Parmenides über τὸ ὄν und τὸ μὴ ὄν), sondern er weist dem Logos, also dem Denken und der Sprache, eine zentrale Funktion zu: Allein er bringt das gegensätzlich Verschiedene der Natur (die an sich immer verborgen ist: fr. 10)125 in einem willentlich-bewußten Akt des Verstehens zur allgemeineren Einheit, bis schließlich alles eins und eines alles ist (vgl. fr. 36. 124); das Denken allein erkennt also das verborgene Verbindende und drückt es sprachlich aus. Entsprechend läßt sich die Metapher bei Pindar verorten: Wenn Nemee 8 Epinikiendichten und Laufen in metaphorischer Parallelität zeigt, ist dies keineswegs vorher bekannt oder offensichtlich, sondern dies ist in den Augen des Sprechers eine neue Erkenntnis über das Gleiche im Verschiedenen, die von ihm durch einen aktiven Verstandes-Akt gewonnen wurde und nun in Form einer Metapher präsentiert wird. Die Metapher ihrerseits erfordert sodann eine analoge Verstandesleistung seitens des Rezipienten, denn im Text selbst ist die in ihr verhüllte Erkenntnis (der Natur der Metapher gemäß) unausgesprochen; der Akt der ursprünglichen Erkenntnis muß also (geleitet durch den Sprecher) wiederholt werden. Die hierbei gewonnene Erkenntnis soll die Welt in ihrem verborgenen Wesen verständlich machen, so daß der Rezipient einsieht, daß Epinikiendichten und Laufen in tiefer Wirklichkeit tatsächlich parallel und wesensgleich sind und sich lediglich an der Oberfläche unterscheiden. Die Metapher ist also Erkenntnisinstrument und -darstellung zugleich. Sie stellt eine aktive, originelle Deutung der Welt dar, sowohl für Pindar als auch für Heraklit. Während die Erkenntnis bei Heraklit aber auf die Einheit der Gegensätze gerichtet ist, ist sie bei Pindar (soweit wir es bisher beurteilen können) auf die Einheit des (nur) Verschiedenen bezogen – aber ohne Zwei124 Snell (1966) 139 Anm. 3, der dies im folgenden anschaulich aufzeigt (insgesamt behandelt er 129–151 „Die Sprache Heraklits“); vgl. Hölscher (1952); zur sprachlichen Form vorsokratischer Philosophie s. Most (1999). 125 S. Graham (2003).

46

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

fel handelt es sich um dasselbe Denkschema: In beiden Fällen liegt ein vom Einzelnen ausgehendes Streben nach einem abstrakten Allgemeinen vor, das in einem aktiven Verstandesakt erkannt und mitgeteilt wird; einzig das Allgemeine wird leicht verschieden konkret bestimmt. Doch ist gerade dieser Unterschied ein weiteres Indiz dafür, daß beide Autoren gleichermaßen vom zeitgenössischen Streben nach dem Allgemeinen geprägt sind. Für das Mitteilen des Allgemeinen ist die Metapher entsprechend ihrer Natur ein adäquates Mittel, denn sie zeigt die Parallelität des Verschiedenen bildlich auf: Sie repräsentiert als Zeichen den das Verschiedene zur Einheit bringenden Denkakt unmittelbar und offenbart in ihrer Interpretation das gesuchte Allgemeine als Teil ihrer Bedeutung. Nicht ohne Grund sieht Peirce also in ihr einen der wenigen Ursprünge echten neuen Wissens.126 Außer der Metapher leisten noch andere, explizitere Mittel Pindar denselben Dienst. Ein Beispiel ist N. 8, 37–39, wo es heißt, daß einige um Gold beteten (37: χρυσὸν εὔχονται), andere um eine grenzenlose Ebene (37 f.: πεδίον δ’ ἕτεροι ἀπέραντον), der Sprecher aber darum, den Bürgern sogar noch im Tode gefallen zu wollen (38: ἐγὼ δ’ ἀστοῖς ἁδὼν καὶ χθονὶ γυῖα καλύψαι)127, und zwar als jemand, der das Lobenswerte lobt und den Frevlern Tadel sät (39: αἰνέων αἰνητά, μομφὰν δ’ ἐπισπείρων ἀλιτροῖς): Hier werden drei an sich verschiedene Dinge (Gold, Macht und Anerkennung als vollkommen Lobender) explizit als in paralleler Weise wünschenswert dargestellt (wobei das Dritte sogar herakliteisch ist, da ein einzelner die Gegensätze Lob und Tadel in sich vereinigt und als allein-konstitutive Aspekte desselben Allgemeinen ausweist)128, und zwar nicht so, daß das Loben über die anderen beiden Dinge gestellt wird,129 sondern (ganz der Formulierung entsprechend) so, daß alle drei parallelisierten Bereiche gleichberechtigt sind. Die Reihenfolge ist also nicht wertend, sondern dient dem argumentativen Zweck, am Aufzäh126 Peirce CP 2.222: „Every symbol is, in its origin, either an image of the idea signified, or a reminiscence of some individual occurrence, person or thing, connected with its meaning, or is a metaphor“ (wobei die drei Möglichkeiten den Formen des hypoicon entsprechen). Vor dem Hintergrund der Metapherndefinition in Peirce CP 2.277 besagt dies nichts anderes als Peirce CP 2.278: „The only way of directly communicating an idea is by means of an icon; and every indirect method of communicating an idea must depend for its etablishment upon the use of an icon“ (also z. B. einer Metapher). 127 Eventuell ist hier mit der Überlieferung elidiertes καλύψαιμι zu lesen (womit sich ein syntaktisch vollständiger, pointierter Satz ergäbe): s. Young (1966) 9–15 (vgl. Headlam 1905 149, aber auch Henry 2005 85, dessen angeführte Paraphrase in Σ N. 8, 63 jedoch keine definitive Bestätigung darstellt). Vgl. unten S. 65 Anm. 201. 128 Zur herakliteischen Gegensätzlichkeit bei Pindar s. Fränkel (1962) 552; vgl. N. 8, 1–3, P. 8, 1–14 (mit Fränkel 1962 567–569), außerdem P. 1, 1–16, P. 2, 49–52, N. 4, 93–96, I. 5, 52 f.; vgl. Snell (1975) 89. 91 f. 94. Ähnliches ist auch für die Erinyen / Eumeniden in Aischylos’ Orestie festzustellen (s. Käppel 1998 279 f., ebenso unten mit S. 50 Anm. 151). 129 Vgl. Carey (1976) 34, Race (1982) 80 und (1990) 15.

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

47

lungsende ausführlicher über das letzte Element sprechen zu können, das den Sprecher als Lobenden besonders betrifft. Daß keine Wertung vorliegt, zeigt auch der Rest des Liedes: 1) In 20 f. wird das Lobes-Dichten metaphorisch mit dem Finden von Gold parallelisiert (so daß νεαρὰ […] ἐξευρόντα [20] ≈ χρυσὸν εὔχονται [37]: s. o. S. 25 f.; die Metapher in 20 f. findet also indirekt eine Explikation im Text selbst). Dies kann angesichts des Argumentationszieles kaum eine Herabsetzung des Goldes implizieren. 2) Der Erwerb einer Ebene ist gerade das, worum Aias vor Troia betet;130 Aias’ Tätigkeit gilt dem Sprecher aber nicht als unwichtige Tätigkeit, sondern ganz offenbar als wesentliche und eigentliche Grundlage der eigenen Lobestätigkeit. 3) Abgesehen davon wird es für einen Griechen kaum etwas Lobenswerteres als Reichtum oder Macht gegeben haben – zumal eine Bevorzugung des Lobes insofern wenig sinnvoll wäre, als dieses notwendig eines konkreten Objektes bedarf, um Lob zu sein. Die drei Aufzählungselemente in 37–39 werden also nicht verschieden gewertet.131 Zugleich läßt sich erkennen, daß sie sehr zielgerichtet gewählt sind, denn sie stehen in einem sinnvollen Zusammenhang mit dem Rest des Liedes – der wiederum der Aussage in 37–39 ihre eigentliche Pointe verleiht.132 Priameln sind also bei Pindar allgemein nicht so zu verstehen, daß „die abschließende Aussage […] sich als höchste, kontrastierende, oder auch als spezifizierende […] Steigerung abhebt“,133 sondern sie drücken eine gleichwertige Parallelität aller aufgezählten Elemente aus – und zeigen damit gerade das Gleiche im Verschiedenen: „Solche Ketten drücken aus, daß gewisse hohe Werte einander entsprechen, jeder in seinem besonderen Geltungsbereich“; „durch eine Aufreihung der Gipfeldinge auf mehreren Gebieten deutet der Dichter auf das hin was ihnen allen gemeinsam ist, den überragenden Wert.“134 Entsprechend wird zum Beispiel im Prooimion von Isthmie 5 (1–10) der überragende Wert als Theia verkörpert, Mutter der Sonne, aber auch und vor allem „‚Mutter‘ aller Werte“; „alles Licht in dieser Welt stammt […] letzt130 Man beachte nur, wie häufig in der Ilias vom πεδίον Troias die Rede ist (allein im dritten Gesang viermal: 14. 133. 252. 263); selbstverständlich besteht der Wunsch nicht nach Land für die Landwirtschaft (Σ N. 8, 63). 131 Auch daß die „Motivverbindung Gold – Land […] aus einer älteren Tradition übernommen und zur rein formalen Hervorhebung des Höchstwerts […] eingeführt ist“, erscheint als unzutreffend (so Schmid 1964 59, insgesamt 58–61). 132 Anders Schmid (1964) 48. 133 H. A. Gärtner: „Priamel“, DNP 10, 304 (insgesamt 304 f.); zum Verständnis von 37–39 als Priamel s. Köhnken (1971) 28, O’Higgins (1989) 127, Race (2000) 15, Henry (2005) 84 f.; zur Priamel bei Pindar s. Bundy (1986) 4–10, auch Race (1982), insbesondere zu Pindar 73–81 (seine Feststellung, daß Pindar „the indisputed master of the priamel“ [73] sei, läßt ein angemessenes Verständnis der Priamel um so notwendiger erscheinen). 134 So Fränkel (1962) 524 bzw. 556, letzteres im Rahmen einer aufschlußreichen Diskussion des Prooimions von I. 5 und O. 1 (554–557). Vgl. Snell (1975) 182 f.

48

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

lich von ihr; aber, wie Pindar nun feststellt, vieles andere noch“:135 Sie ist das Gemeinsame, das sowohl als „die Göttliche“136 die einzelnen angeführten Bereiche Sonne, Gold, Kriegs- und Sporterfolg verbindet als auch als Mutter ihre ursächliche Grundlage bildet. Durch ein übergeordnetes Gleiches werden also an sich getrennte Bereiche explizit parallelisiert – wie semantisch gleichwertig auch in der implizit operierenden Metapher: Erfolg in Sport und Krieg ist Gold und gleicht der Sonne. Die grundsätzliche Gleichwertigkeit beider Kunstmittel zum Ausdruck der Parallelität zeigt sich noch deutlicher darin, daß eine explizite Nennung des Allgemeinen wie in Isthmie 5 ungewöhnlich ist. Meist ist es wie in N. 8, 37–39 gedanklich zu ergänzen: Hier ist es der Wunsch eines Edlen, als dessen spezielle (gleich legitime) Objekte Gold (allgemein: Reichtum), Land (allgemein: Macht) und schließlich (diesen Wunsch hat der Sprecher selbst) Anerkennung als Lobender angeführt werden. Der Weg zu diesen Zielen ist jeweils derselbe: erstens die vollkommene Ausübung der jeweiligen Tätigkeit und zweitens die Unterstützung eines Gottes, der den jeweiligen Segen ursächlich pflanzt (17 f.). Im Falle des Lobenden besteht die vollkommene Ausübung darin, daß er das Lobenswerte lobt und den Frevlern Tadel sät (39) – und hierin ist er Aias parallel, der seine Kunst in der Schlacht bewies und seine Freunde schützte und seine Gegner tötete (28–30). Eine weitere Parallele ist, daß Aias mit seinen Waffen (dem Schwert) ebenso gegen seine Gegner (Troer) kämpfte wie der Lobende mit seinen Waffen (dem Lob) gegen seine Gegner (die Neider). Andererseits versichert sich der Lobende tatsächlich und ausdrücklich göttlicher Unterstützung, denn er wendet sich an den indirekt als Gott charakterisierten Aiakos: Insofern der mit Gottes Hilfe begründete und aus seiner Hilfe hervorgehende Segen den Menschen der gewiß beständigere Segen sei (17),137 begründet dies angesichts der Partikel γάρ die vorangehende Aussage ἱκέτας Αἰακοῦ σεμνῶν γονάτων … ἅπτομαι (13 f.), und damit gilt Aiakos hier als Gott.138 Auch wird der Lobende in 13–18 explizit mit demjenigen parallelisiert, der den Wunsch nach Gold hat, denn das Exemplum für die Beständigkeit des gottgegebenen Segens ist Kinyras, der reiche kretische König. Folglich werden in Nemee 8 Reichtum, Macht und Erfolg im Loben sowohl explizit (37–39) als auch implizit-metaphorisch (semantisch gleichwertig) parallelisiert. Hierbei wird das Loben nicht über die anderen Tätigkeiten 135 Fränkel (1962) 556; s. aber auch Thummer 2, 81–87. 136 Fränkel (1962) 555. 137 Zum Wert des ὄλβος vgl. Slater s. v. ὄλβος sowie ὄλβιος, speziell in Verbindung mit dem Sportsieg O. 6, 96–100, O. 7, 7–10, P. 5, 14–23, P. 9, 1–4, N. 9, 1–3. 138 Dies entgeht Wilamowitz (1922) 406 (der jedoch den Bezug richtig bestimmt) oder Köhnken (1971) 36; richtig Dissen 2, 474 f., Mezger (1880) 327, Bury (1890) 146 f. 153. Zur Nähe, sogar Gleichheit von Gott und Heros s. Bremmer (2006) 20 (mit Literatur).

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

49

gestellt, sondern der Lobende ordnet sich ausdrücklich denjenigen, die nach Reichtum und Macht streben, bereitwillig unter (42–44): Es seien nämlich die mit Mühen verbundenen Dinge die allerhöchsten (42 f.: τὰ μὲν ἀμφὶ πόνοις ὑπερώτατα), doch auch die Freude (über den Erfolg nach den Mühen) suche danach, Verläßliches (ein glaubwürdiges, wahrhaftiges Loblied: s. o. S. 21) vor Augen zu stellen (43 f.); insbesondere hierfür brauche man Freunde (42; vgl. 13: πόλιός … ὑπὲρ φίλας), die wiederum anders als die Mißgünstigen gerade keinen Haß zeigen (32).139 Während also das Loben und die beiden parallelen Tätigkeiten denselben Gesetzen gehorchen und insofern parallel sind, sind sie zugleich nicht identisch und befinden sich in einem hierarchischen Verhältnis zueinander: Sie sind verschieden, aber dennoch gleich. Metaphorisch parallel ist hierzu Aiakos’ Verehrung durch die anderen Heroen, denn obgleich alle ἡρώων ἄωτοι (9) sind, tritt dennoch ein einziger von ihnen in seiner Exzellenz hervor, und ihm ordnen sich alle anderen bereitwillig unter; dies entspricht dem Verhältnis von Lobendem und Gelobtem. Außer der Metapher dienen also auch andere Kunstmittel dem Aufzeigen des Gleichen im Verschiedenen, allerdings mit höherem Grad an Explizitheit. In ihnen ist das abstrakte Verbindende wie in N. 3, 70–75 oft ein allgemeines Prinzip:140 Wenn sich nämlich der Probe (πείρα) gemäß der Erfolg zeigt, ist diese ein Prinzip – das selbst dem als Prinzip gefaßten Leben unterliegt, das alles lenkt und zur Beachtung des rechten Maßes (τὸ παρκείμενον)141 drängt. Dies zeigt, daß Prinzipien bei Pindar oft als Personifikationen abstrakter Begriffe erscheinen. An ihnen ist sein Werk äußerst reich. Sie sind nicht nur konventionell (Chariten, Dike oder Themis),142 sondern oft außergewöhnlich: Akerdeia (O. 1, 53),143 Alala (fr. 78, 1), Aletheia (O. 10, 4, fr. 205, 2), Angelia (O. 8, 82: s. u. S. 106 Anm. 94), Atrekeia (O. 10, 13), Charis (O. 1, 30, O. 6, 76, O. 7, 11, fr. 123, 14),144 Chronos (O. 2, 17, O. 8, 28 f., O. 10, 55, N. 1, 46,145 N. 4, 43, fr. 33), Chrysos (fr. 222), Doxa (P. 9, 75: s. u. 139 Zur Bedeutung der φιλία in N. 8 s. Carey (1976) 38; s. allgemein Schadewaldt (1928) 279 Anm. 2, Kurke (1991a) 85–107. 135–159, Stenger (2004) 334–338. Man beachte Hdt. 7, 237, wo Xerxes seinen Gesprächspartner Achaimenes, der Demaratos zuvor (7, 236) Mißgunst wegen der Erfolge des Xerxes unterstellt hat (7, 236, 1: φθονέει τοι εὖ πρήσσοντι), mit dem Hinweis darauf zurechtweist, daß gerade Demaratos’ Eigenschaft, Xerxes’ ξένος zu sein, das Fehlen jeglicher Mißgunst verbürge – sie seien schließlich keine πολιῆται (vgl. zum ξένος-Gedanken bei Pindar O. 4, 14–18, P. 10, 61–66, N. 7, 61–63). 140 Vgl. O. 1, 1–7, O. 2, 1–7, O. 3, 42–45, O. 11, 1–8, O. 12, 1–12a, P. 1, 1–16, P. 5, 107–117, P. 8, 1–12, N. 10, 1–22, I. 1, 45–51; zu N. 3, 70–75 s. Stoneman (1979) 70–75 (zu καί [74] s. u. S. 67 f. Anm. 212). 141 Stoneman (1979) 74 f. 142 Vgl. Slater s. v. χάρις 2 b, δίκα 3 bzw. θέμις 2, zu den Chariten auch Kannicht (1996) 71 f. 143 S. Gerber (1982) 90. 144 S. zur ersten Stelle Gerber (1982) 64 f.; analog ist ‚Hora‘ (N. 8, 1: s. u. Anm. 146). 145 Vgl. Gerber (1962).

50

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Kap. 6.5), Echo (O. 14, 21), Eirene (O. 13, 7), Elpis (fr. 214, 3), Eniautos (pae. 1, 5), Eunomia (O. 9, 16, O. 13, 6), Euthymia (fr. 155, 3), Hebe (O. 6, 58, P. 9, 109, N. 1, 71, N. 7, 4, N. 10, 18, I. 3/4, 77), Hesychia (O. 4, 16, P. 8, 1), Hora (P. 4, 247, N. 8, 1: s. Kap. 2.7),146 Hybris (O. 13, 10), Hypnos (P. 9, 25: s. u. S. 298 Anm. 135), Kindynos (O. 1, 81),147 Koros (O. 13, 10), Nemesis (P. 10, 44), Nomos (fr. 169a, 1: s. u. Kap. 2.5.3.4), Olympia (O. 8, 1: s. u. S. 109 Anm. 106), Phorminx (P. 1, 1), Polemos (fr. 78, 1), Potmos (N. 4, 42, N. 5, 40, I. 1, 39), Prophasis (P. 5, 28: s. u. S. 298 Anm. 135), Tycha (O. 12, 2, fr. 39 f.) etc.148 Diese Personifikationen sind die abstrakten Prinzipien, in deren Wirkbereich der Mensch handelt und die das abstrakte allgemein-verbindende Gleiche zwischen verschiedenen Bereichen darstellen. Besonders deutlich ist dies, wenn scheinbar Konkretes wie der Strahl als Tochter der Sonne und Mutter der Augen angeführt wird (pae. 9, 1 f.: Ἀκτὶς ἀελίου …, ὦ μᾶτερ ὀμμάτων), denn der Strahl, „die in unser Leben hineinwirkende Kraft des Sonnenlichts“,149 wird hier zum allgemeinsten Wirkprinzip des Sehens. Derartige Personifikationen finden sich bei Pindar in vielfältiger, mitunter überraschender Weise.150 Dies verbindet ihn nicht nur mit Aischylos, in dessen Orestie die Erinyen / Eumeniden „als reines Fortpflanzungsprinzip“ in Form handelnder Figuren verkörpert sind und in aller Abstraktheit „das Kausalitätsprinzip komplexer Handlungs- und Ereignisgemenge, und zwar in allen Lebensbereichen“, darstellen,151 sondern auch mit der Philosophie seiner Zeit, die ebenfalls göttliche Wirkprinzipien personifiziert-anschaulich wirken läßt: Man denke nur an Heraklits Dike (fr. 44. 69. 87), Polemos (fr. 83) und Aion (fr. 94) sowie an Parmenides’ Dike / Ananke / Genesis (fr. 1, 14, test. 1. 54. 58. 61), Eros (fr. 13) und (jedenfalls test. 54 nach zu urteilen) Bellum, Discordia, Cupiditas, Morbus, Somnus, Oblivio und Vetustas.152 Gerade an diesem Autor wird deutlich, daß solche Personifikationen nichts anderes als abstrakte Prinzipien bar jeder eigenen, unabhängigen Existenz sein können, denn bei ihm wäre außerhalb des Seins selbst kein Platz für irgend etwas anderes als das Sein selbst (s. insbesondere fr. 8, 24 f.); die Personifikationen sind damit Abstraktionen des Wirkens des Seins.153 Vor 146 Mit Hes. theog. 901–903 sind die Horen Dike, Eirene und Eunomia; Hora ist bemerkenswert (s. Henry 2005 73; von Burnett 2005 169 nicht hinreichend beachtet). 147 S. Gerber (1982) 125–127. 148 S. allgemein Fränkel (1962) 552; vgl. Farnell 2, 466–468. 149 Fränkel (1962) 549, insgesamt 548 f. (vgl. 549 f. 553). 150 Vgl. Fränkel (1962) 551, insgesamt zu den Personifikationen 549–557. 151 S. Käppel (1998) 279 f., ebenso 233–238 zur allmählichen Sichtbarmachung des Prinzips, das schließlich im dritten Stück als handelnde Figur offenbar wird (vgl. Brown 1983). 152 Zu Parmenides’ Personifikationen s. Northrup (1980), Schwabl (1957). 153 Empedokles personifiziert seine vier Elemente Feuer, Luft, Erde und Wasser als Zeus, Hera, Hades und Nestis (fr. 12 in Verbindung mit fr. 25, 16–18; vgl. Aristot. metaph. 985 a31–33), ebenso seine allgemeinsten Wirkprinzipien Streit (Νεῖκος) und Liebe (Φιλότης),

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

51

diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, wenn bei Pindar der Gott τὸ πάν ist (fr. 140d) und göttliche Macht oft nicht in Form olympischer Götter oder von Personifikationen auftaucht, sondern als namenloser θεός.154 Auch wenn Personifikationen schon in früherer Zeit, etwa bei Hesiod, belegt sind,155 zeigen sich bei Pindar und seinen Zeitgenossen zwei entscheidende Neuerungen: Erstens geht es Hesiod um eine literarische Darstellung des Bekannten – geläufige Vorstellungen werden personifiziert zu Göttern erhoben –, Heraklit, Parmenides und oftmals auch Pindar hingegen darum (vgl. das Ἀκτίς-Beispiel), für ein Prinzip die gerade passende Personifikation zu finden. Die Reihenfolge des Vorgehens kehrt sich damit in signifikanter Weise um. Zwar scheint es sich zweitens etwa bei Heraklits Πόλεμος (fr. 83) um eine Personifikation wie bei Hesiod zu handeln, doch personifiziert Heraklit nicht nur einen Allgemeinbegriff zu einer wirkenden Macht, sondern er abstrahiert ihn derart, daß sich die Personifikation nicht nur auf das gemeinhin als πόλεμος Verstandene bezieht, sondern auf alles, was dem allgemeinen Prinzip des Krieges entspricht; die Personifikation des Abstraktums geht also mit einer Abstraktion zum Prinzip einher.156 Insofern aber Heraklit mit Πόλεμος etwas anderes als den gewöhnlichen Begriffsinhalt von πόλεμος bezeichnet, nämlich ein (vorher unbezeichnetes) Prinzip, und dieses zugleich durch die implizierte Parallelität mit dem Wort πόλεμος mit Inhalt füllt, liegt – im Gegensatz zu Hesiod – nichts anderes als eine Metapher vor. die er wiederum mit Freude (Γηθοσύνη) und Aphrodite gleichsetzt (vgl. fr. 25 f., fr. 120 f.). 154 Vgl. Farnell 2, 466: Pindar „can transcend the pluralism of this system and discern a higher unity and a deeper significance in the concept θεός, the all-pervading divine power that sums up all these several entities, a word that stands for the highest reality in the Kosmos.“ Vgl. O. 1, 64. 106, O. 2, 21, O. 4, 12, O. 9, 103, O. 13, 104, P. 1, 56, P. 2, 49 f. 88 f., P. 3, 110, P. 4, 232. 274, P. 5, 25. 117, P. 10, 21, N. 6, 24, N. 7, 32. 89, N. 8, 17, I. 3/4, 23, I. 8, 10, fr. 108a, 1, fr. 108b, 1, fr. 140d, fr. 141, fr. 225; vgl. den abstrakten Gottesbegriff bei Xenophanes (B 14–16) und anderen Vorsokratikern (vgl. unten mit S. 58 Anm. 183). 155 Vgl. z. B. Eris in erg. 11–26; s. insgesamt zur Theogonie West (1966) 33 f.; vgl. Reinhardt (1960) 7–40 („Personifikation und Allegorie“), Schwabl (1957), Stafford (2000). 156 Vgl. Tag und Nacht bei Parmenides, die als allgemeinster Gegensatz alle andere Gegensätzlichkeit umfassen (insbesondere fr. 8, 53–59, fr. 11, test. 204). Nicht ohne Grund dürfte also die Allegorese älterer Texte (etwa Homer) – in deren Rahmen „ein nichtallegorischer Text so behandelt [wird], als ob er eine Allegorie wäre“, wobei „auf den auszulegenden Text […] ein zweites, prinzipiell beliebiges System bezogen [wird], etwa eine philosophische oder theologische Dogmatik“ (H. Cancik-Lindemaier u. D. Sigel: „Allegorese“, DNP 1, 519, insgesamt 518–523) – gerade gegen Ende des 6. Jhs. für Theagenes von Rhegion das erste Mal bezeugt sein (DK 8; s. allgemein S. Matthaios: „Theagenes [2]“, DNP 12/1, 248; s. neben W. Freytag: „Allegorie, Allegorese“, HWRh 1, 330–393 [speziell 330–341] auch Käppel in Zuntz 2005 xx f., Pfeiffer 1978 25–29, Most 1999 339–342, Primavesi 2005 72–74); vgl. die Allegorien des Pherekydes von Syros, eines ungefähren Zeitgenossen des Theagenes (DK 7; speziell zur Datierung s. Pfeiffer 1978 26 f., insgesamt L. Käppel: „Pherekydes [1]“, DNP 9, 769 f.; vgl. KRS 54–78) und die Allegorese des Metrodoros von Lampsakos (DK 61). Vgl. insgesamt Primavesi (2005).

52

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Insgesamt zeigen sich bei Pindar also verschiedene Spuren des zeitspezifischen Strebens nach Abstraktion: Metaphern, (metaphorisierende) Personifikationen und priamelartige Aufzählungen; sie offenbaren implizit oder explizit das Gleiche im Verschiedenen. Allerdings wird dies auch durch weitere Kunstmittel erreicht: Erstens die abstrakte Gnomik, die das Einzelphänomen als Sonderfall eines Allgemeinen ausweist und so das Verschiedene auf ein Gleiches zurückführt. Allein in Nemee 8 finden sich zahlreiche gnomische Äußerungen (4 f. 17. 24 f. 40–44. 45).157 Sie stehen oft explizit mit dem Einzelfaktum in Verbindung, z. B. in 44 f.: Es sei unmöglich, Megas’ Seele zurückzubringen (44 f.); das Ziel leerer Hoffnungen (als Pertinenzgenitiv zu verstehen) sei wie ein Schwamm (45: κενεᾶν δ’ ἐλπίδων χαῦνον τέλος).158 Hier wird das Einzelne (44 f.) durch die folgende allgemeine Aussage (45) erklärt (so daß δέ kausal ist: vgl. oben S. 13 Anm. 17). Entsprechend wird in 17 das vorangehende konkrete Bittflehen (13–16) explizit mit der allgemeinen Aussage begründet (γάρ), daß gottgepflanzter Segen beständiger sei. Im Allgemeinen, das seinen Ausdruck in der Gnome findet, findet das Einzelne offenbar seine tiefere Begründung – und genau dies ist der eigentliche Zweck, das Allgemeine anzuführen: Es macht das Einzelne sinnvoll. Was bei der Metapher unausgesprochen ist – das Gleiche –, ist in der Gnome explizit, oftmals mit Bezug auf das Einzelne, nicht selten jedoch auch ohne das Einzelne in einer (für Pindar typischen) Kette allgemeiner Aussagen (vgl. 42–44), zu der das jeweils Einzelne (um das es eigentlich geht) suppliert werden muß. Zweitens durch Polyptota und vergleichbare Konstruktionen, die bei Pindar auffällig häufig sind (insbesondere eingebettet in Gnomen).159 Ein Beispiel ist N. 3, 6 f.: διψῇ δὲ πρᾶγος ἄλλο μὲν ἄλλου, ἀεθλονικία δὲ μάλιστ’ ἀοιδὰν φιλεῖ („Es dürstet eine andere Tat nach anderem, der Wettkampfsieg jedoch liebt am meisten den Gesang“): Nachdem sich im ἄλλος-Polyptoton als Teil der Gnome das allgemeine Prinzip gezeigt hat, wird eine der konkreten Realisationsformen des Prinzips spezifiziert, und zwar durch die Bestimmung von πρᾶγος ἄλλο als ἀεθλονικία, ἄλλο als ἀοιδά und (des metaphorischen) διψᾶν (metaphorisch) als φιλεῖν.160 Drittens durch die Substantivierung von Adjektiven des Neutrums, die, vom Einzelfaktum abstrahierend, die an ihnen haftende allgemeine Eigen157 S. grundlegend zur Gnome Stenger (2004) 36–38 (insgesamt 1–38; auch Stenger 2006), speziell für Pindar auch Bischoff (1938). 158 Zur räumlichen Metaphorik s. Kurke (1991a) 45 f. 159 Zum nominalen Polyptoton s. Gygli-Wyss (1966), speziell zu Pindar 101–105; offenbar ist es in der Lyrik vor Pindar relativ selten (98–101); insbesondere ab Aischylos setzt ein reger Polyptotongebrauch ein (107–123, insbesondere 107 f.). 160 Ganz ähnlich die Polyptota (etc.) in O. 14, 5–7, P. 1, 41 f.; vgl. O. 1, 113 f., O. 2, 33 f. 53–56, O. 6, 77–81, O. 7, 10–12. 94 f., O. 8, 12–14, O. 9, 104–107, P. 2, 13 f. 83. 85. 88 f., P. 3, 47– 53. 103–109, P. 8, 76–78, P. 10, 53 f., 59 f., P. 11, 41–45, N. 1, 25–30, N. 3, 41 f. 70–74, N. 4, 91 f., N. 7, 5 f. 54 f., N. 8, 3. 8. 20. 39, I. 1, 47, I. 3/4, 18 f. 23 f., I. 5, 16.

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

53

schaft in abstrakter Form vor Augen führen: Allein in der kurzen Nemee 8 finden sich mit πολλά (20), νεαρά (20), τὸ … λαμπρόν (34), αἰνητά (39), πιστόν (43) und τὰ … ἀμφὶ πόνοις (42) sechs eindeutige Belege, denen man noch τῶν … ἀφάντων (34), ἀλιτροῖς (39) und (abhängig vom Verständnis von πλαναθέντα) ἀγαπατά (4) hinzufügen könnte.161 Die Substantivierung des Adjektivs ist zwar ein aus späterer Zeit (zum Beispiel von Platon) vertrautes Phänomen, doch sprachgeschichtlich setzt sie verstärkt erst mit der Philosophie der Zeit Heraklits ein, und zwar offenbar mit dem Zweck, „die Eigenschaft von den Dingen ‚abzutrennen‘“ – was freilich nichts anderes ist, als das Gleiche im Verschiedenen zu benennen.162 Insgesamt zeigt sich, daß Pindars Zeit und speziell Pindars Werk von einem starken Streben nach Abstraktion gekennzeichnet ist, das das Gleiche im Verschiedenen aufzeigen soll. Diesem Ziel dienen explizite wie implizite sprachliche Mittel, unter anderem Metaphern, (metaphorisierende) Personifikationen abstrakter Prinzipien, Gnomik, Polyptota (und ähnliches) und substantivierte Adjektive des Neutrums. Sie verbinden das konkrete Einzelne mit dem abstrakten Allgemeinen und weisen es als dessen Aktualisierung aus. Dabei unterscheiden sie sich insofern, als teils das Allgemeine explizit benannt wird, ohne das Einzelne anzuführen (Gnomik), teils nur die Einzelfakten angesprochen werden, ohne das Allgemeine gesondert zu zeigen (Metapher). Gleichwohl liegt in allen Fällen die Überzeugung zugrunde, daß das Einzelne erst durch die Anbindung an das Allgemeine verstanden werden kann, also erst in der Erkenntnis des Gleichen.163 Gerade dieser Gedanke scheint Pindar und die Philosophie seiner Zeit eng verbunden zu haben.

161 Vgl. für die Olympien: O. 1, 30. 31. 35. 46. 82. 84. 99. 104. 113, O. 2, 23. 24. 59. 69. 73. 85. 86. 87, O. 3, 17. 44, O. 7, 23, O. 8, 12 f., O. 9, 28. 40. 100, O. 10, 87. 91. 93 (2x), O. 11, 18, O. 12, 6. 10. 12a, O. 13, 11. 45. 63. 115, O. 14, 5. 6. Zwar zeigen sich deutliche Unterschiede in der Häufigkeit, doch dürfte dies nicht durch die Entstehungszeit bedingt sein: Sowohl frühe als auch späte Lieder weisen viele (O. 1. 2 [476] bzw. 13 [464]) als auch wenige substantivierte Adjektive (O. 11 [476] bzw. O. 6 [468?]) auf; vgl. P. 10 als frühestes (12. 19. 60. 63) und P. 8 als spätestes Lied (6. 15. 33. 51. 73. 82. 88. 93). 162 Snell (1966) 149; s. insbesondere die erhellende Diskussion von fr. 49 (insbesondere τὰ ψυχρὰ θέρεται); vgl. Snell (1975) 205–210 und KG § 403 a), wo sich fast kein Beleg für die Zeit vor dem 5. Jh. findet (vgl. § 403 insgesamt und Schwyzer II 173–175, besonders 175); vgl. speziell Heraklit. fr. 1. 11. 27. 30. 32. 93. 124 und vor allem 54. 118. Für die Abstraktion ist jedoch nicht der Artikel entscheidend (so Snell), denn sie wird inhaltlich durch die Erhebung des Adjektivs zum Allgemeinbegriff vollzogen; dies zeigt Heraklit. fr. 49 selbst (τὰ ψυχρὰ θέρεται, θερμὸν ψύχεται, ὑγρὸν αὐαίνεται, καρφαλέον νοτίζεται), denn hier besteht kein Bedeutungsunterschied zwischen dem artikulierten und dem nicht-artikulierten Adjektiv (zum Grund s. u. a. KG § 462 l; vgl. Plat. symp. 186 d6–e1, aber auch KG § 465 Anm. 6 f ). In der Philosophie begegnet die Substantivierung des Adjektivs vereinzelt schon bei Xenophanes (B 34: τὸ σαφές; B 35: τὰ ἔτυμα). 163 Vgl. Snells (1975) 89 Charakterisierung von Pindars Dichten.

54

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

2.5.3.4 Indizien und Erkenntnis Für die später allgemein angewandte Methode der Erkenntnis des das Einzelne verbindenden Allgemeinen, das sog. Tekmerienverfahren, ist einer der ersten Zeugen Pindars Zeitgenosse Alkmaion (B 1).164 Es handelt sich um „eine Methode naturwissenschaftlicher Hypothesenbildung durch Analogieschlüsse […], die bisweilen auch allgemeine Regeln auf Grund eines analogischen Induktionsverfahrens aufstellt“.165 Konkret wird „ein Vorgang nicht anschaulicher Art […] einem zweiten anschaulichen verglichen, dergestalt, daß der erste durch den zweiten eine besondere Beleuchtung erfährt“;166 dabei dienen mit Anaxagoras (B 21a) τὰ φαινόμενα als ὄψις τῶν ἀδήλων.167 Offenbar beruht dieses Verfahren darauf, verschiedenes Einzelnes (das teils sichtbar, teils verborgen ist) als konkrete Formen eines verbindenden Allgemeinen zu erweisen, wobei man entweder das eine Einzelne mit dem anderen Einzelnen oder aber das Allgemeine aufgrund des (evtl. mehrfachen, als analogisch interpretierten) Einzelnen (induktiv) zu ‚erschließen‘ (τεκμαίρεσθαι) versucht.168 Die Tekmerienmethode ist die zentrale Methode der Wissenschaft des 5. Jahrhunderts – und damit derjenigen Zeit, die, wie ebenfalls Alkmaion (B 1a) bezeugt, soeben voller Stolz entdeckt hat, daß gerade das Verstehen den Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichne und jene nur wahrnähmen, ohne zu verstehen; jede Erkenntnis wird damit zu einem aktiven Akt. Dieser Gedanke ist Allgemeingut der damaligen Zeit: In der Philosophie begegnet er nicht nur bei Alkmaion, sondern, beginnend mit Heraklit, unter anderem bei Parmenides, Anaxagoras und (etwas später) Demokrit.169

164 Guthrie 1, 341–343. 357–359 bestimmt Alkmaions Geburt auf etwa 510 v. Chr., das Erscheinen seiner Schrift auf den Zeitraum zwischen 480 und 440 v. Chr. (ähnlich Lloyd 1991 167 f. [168 Anm. 6 zu weiteren Ansätzen]); insgesamt s. Guthrie 1, 341–359, Lloyd (1991) 164–193 („Alcmaeon and the Early History of Dissection“), Mansfeld (1975); vgl. auch Triebel-Schubert (1984) 40 mit Anm. 3 für weitere Literatur. 165 Diller (1971) 119; grundlegend zum Verb τεκμαίρεσθαι Diller (1971) 119–143 („Ὄψις ἀδήλων τὰ φαινόμενα“), insbesondere 125 f., Regenbogen (1961) 141–194 („Eine Forschungsmethode antiker Naturwissenschaft“). 166 Regenbogen (1961) 145. 167 S. Regenbogen (1961) 153 f. (insgesamt 153–155), Diller (1971) 119–143; vgl. Heraklit. fr. 22. Vgl. Hölscher (1952) 74: „Man muß das Sichtbare als Zeichen verstehen lernen, als das Sich-anzeigen des Unsichtbaren“; „das Sichtbare ist […] etwas, worin sich das wahre Wesen, die Physis, zugleich andeutet und verbirgt“ (74; insgesamt 73–75); vgl. fr. 80. 168 Das Gegenteil ist die göttliche Gewißheit: περὶ τῶν ἀφανέων, περὶ τῶν θνητῶν σαφήνειαν μὲν θεοὶ ἔχοντι … (Alkmaion B 1: „Über das Unsichtbare, über das Sterbliche haben die Götter Gewißheit […]“). 169 Vgl. Heraklit. fr. 1. 2. 4. 8. 9. 16. 18. 22. 27. 28. 29. 31. 32. 33. 124, Anaxag. B 21a, Parm. fr. 6, Demokr. B 6–11. 117. 125. S. auch Snell (1975) 91 zum Verhältnis von Heraklit und Pindar (Suche des Göttlichen „nur durch eigene persönliche geistige Leistung“).

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

55

Nicht zuletzt mit der Begeisterung am Denken des Neuen dürfte es zusammenhängen, daß man die durch Analogieschluß gewonnenen Erkenntnisse nicht nüchtern berichtete, sondern oftmals fast übermütig in gesuchte Metaphern (die Zeichen neuen Denkens) kleidete – man kannte offenbar noch nicht die methodische Zügelung des Peripatos:170 Ein Beispiel ist Empedokles, der das Meer als Schweiß der Erde bestimmt, ausgehend von dem (durch Aristoteles in seinem Bericht supplierten) Analogieschluß, daß durch die Erwärmung der Erde durch die Sonne das Meer als deren Schweiß entstehe – weswegen es freilich salzig sei, denn auch Schweiß sei salzig (Aristot. meteor. 353 b12–14; 357 a24–28; Emp. fr. 59). Ähnlich werden in fr. 86 Haare, Blätter, Federn und Schuppen (als Einzelnes) als konkrete Formen desselben bestimmt, wobei bezeichnenderweise der spezifische Charakter dieses Allgemeinen unbestimmt bleibt und in einem aktiven eigenen Akt der Erkenntnis vom Rezipienten (ausgehend vom gegebenen Einzelnen) zu supplieren ist; und in entsprechender Weise ist in fr. 79 die Rede davon, daß Bäume Eier (insbesondere Oliven) legen (οὕτω δ’ ὠοτοκεῖ μακρὰ δένδρεα πρῶτον ἐλαίας), so daß ein Einzelnes in implizite Analogie zu einem anderen Einzelnen gesetzt wird, wobei abermals das verbindende Gleiche (das Allgemeine), mithin die (neuerliche) Erkenntnis des gefundenen und in der Metapher repräsentierten Parallelismus, zu supplieren ist.171 Das Tekmerienverfahren (anscheinend häufiger in metaphorischer Form präsentiert)172 war nicht nur bei Empedokles oder Alkmaion (vgl. seine Rede von Monarchie und Isonomie in Begriffen der richtigen Mischung der Gegensätze im Körper: B 4)173 das zentrale Mittel der Erkenntnis, sondern es findet sich zum Beispiel auch bei Herodot und Thukydides. Anscheinend ist es im 5. Jh. so verbreitet, daß als witzige Parodie naturphilosophischer Theoriebildung empfunden werden kann, wenn sich Strepsiades in Aristophanes’ Wolken die von Sokrates gegebene Erklärung des Blitzes durch die Analogie einer beim Braten geplatzten Wurst vor Augen führt (404–411).174 Doch ist 170 Anschaulich hierzu Regenbogen (1961) 160–169, insbesondere 168 („Signum des verwegenen Forschergeistes der vorsokratischen Wissenschaft“). Vgl. unten Anm. 172. 171 Vgl. fr. 81, ebenso Anaxag. B 22, wo das Eiweiß die Milch der Vögel ist (s. Curd 2007 76). 172 Vgl. Emp. fr. 103. 106 (s. zu letzterem Regenbogen 1961 192–194); insgesamt zur Bedeutung der Metapher bei Empedokles s. Regenbogen (1961) 158–161, besonders 159 („Blick in das Wesen der Sache“). Zur diesbezüglichen Äquivalenz von impliziter Metapher und expliziter Analogie vgl. Regenbogen (1961) 160–169, wobei später (vor allem im Peripatos) gerade die Implizitheit der Vorwurf der Unklarheit (und Unwissenschaftlichkeit) traf (162; vgl. Aristot. top. 139 b34 f., an. post. 97 b31–39, meteor. 357 a24–28 [mit Bezug auf Emp. fr. 59: s. o.]). Vgl. Lloyd (1987) 183–187. 173 S. Triebel-Schubert (1984). 174 Zu Herodot vgl. 2, 33 (mit Diller 1971 121), zu Thukydides s. Schwinge (2008) 14–20; zur Aristophanes-Stelle Diller (1971) 121, Dover (1968) 153; vgl. die von Regenbogen (1961) 146–149 angeführten medizinischen Analogieschlüsse vom Ende des 5. Jhs., bei

56

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

vor allem entscheidend, daß dieses Verfahren auch bei Pindar entgegentritt, mitunter sogar in expliziter Form: Zum Beispiel bietet fr. 169a einen der allerersten Belege für das Verb τεκμαίρεσθαι in der neuen, naturphilosophischen Bedeutung „erschließen“:175 Νόμος ὁ πάντων βασιλεύς θνατῶν τε καὶ ἀθανάτων ἄγει δικαιῶν τὸ βιαιότατον ὑπερτάτᾳ χειρί. τεκμαίρομαι ἔργοισιν Ἡρακλέος· Nomos, der König von allem, sowohl vom Sterblichen als auch vom Unsterblichen, führt, das Gewalttätigste züchtigend mit oberster Hand. Ich erschließe das aus den Werken des Herakles.176

Wie dieses Fragment konzentriert zeigt, war Pindar nicht nur allgemein mit Gedanken der Philosophie seiner Zeit vertraut, sondern ebenso mit deren Methodik und Sprache: Es belegt neben einer Kenntnis des Tekmerienverfahrens den Gebrauch des philosophischen substantivierten Adjektivs im Neutrum (βιαιότατον, wohl auch πάντα, θνατά, ἀθάνατα), die Personifizierung eines Prinzips (Νόμος – dessen Prinzipiencharakter der Inhalt deutlich macht), die Metapher (βασιλεύς und ἄγει … ὑπερτάτᾳ χειρί) und den Gedenen oftmals sogar experimentell die Tekmeria selbst herbeigeführt werden; Regenbogen betont zu Recht, daß die Analogien nicht bloße lumina orationis sind, sondern als Mittel des Beweises eine zentrale methodische Bedeutung haben (145. 150–155). 175 Außer bei Alkmaion ist das Verb bis zur Zeit Pindars nur bei Pherekydes FGrH 3 F 174 (freilich in einem evtl. unechten Fragment) und Archelaos B 1 bezeugt; vorher bedeutete es, wie sich bei Homer und Hesiod erkennen läßt, „mark out, indicate, designate, esp. of the gods“ (LSJ s. v. I). Bei Pindar finden sich noch weitere Belege für die neue Bedeutung: Neben O. 8, 3 (wo es indirekt auf das Erschließen des Sinns eines Zeichens bezogen ist: s. u., insbesondere Kap. 3.3.2) hat anscheinend auch das Aktiv in O. 6, 73 und N. 6, 8 diesen Sinn (außer daß es von der zeichengebenden Seite ausgeht; es ist bei Pindar das allererste Mal bezeugt: Gerber 1999 51); vgl. τέκμαρ in N. 11, 44, wobei die gesamte Stelle (43–45) an das Alkmaion-Prooimion erinnert (B 1), außerdem P. 10, 63. Damit sind die Anfänge der Methode vor Empedokles zu datieren (pace Regenbogen 1961 168) – und (wenn auch nicht lange) vor Pindar, der sie mit Sicherheit nicht erfunden haben wird, sondern sich ihrer nur zu eigenen Zwecken bedient. 176 Zu diesem Fragment, insbesondere zur Bedeutung von Νόμος (die hier freilich ebenso wie die von δικαιῶν unerheblich ist; s. Kyriakou 2002 199–202) s. Lloyd-Jones (1972) (insbesondere 45 f. mit Lit.), Kyriakou (2002) 195 f., insbesondere Anm. 3, Stier (1927), Meier (1995) 305–311. Gegen Lloyd-Jones’ Identifikation des Nomos mit Zeus ist mit Guthrie 3, 133 einzuwenden, daß Nomos über allem steht (zu Lloyd-Jones’ Entgegnung hierauf s. 56), so daß er auf ein Prinzip, nicht auf den höchsten Gott verweist; dieser wiederum wird, da er selbst diesem Prinzip unterworfen ist, in seiner Stellung von diesem Prinzip abgelöst (im Hintergrund steht Hesiods Beschreibung von Zeus als θεῶν βασιλῆα καὶ ἀνδρῶν [theog. 897; vgl. 923]: Pavese 1993 145 f.; vgl. Heraklit. fr. 83 [wo Polemos die Stelle des Nomos einnimmt]: s. Kahn 1979 207–210, Classen 1996 194).

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

57

brauch eines Mythos, der im folgenden Herakles’ und Geryoneus’ Kampf erzählt und der als ein Einzelnes als Grundlage der erschlossenen (τεκμαίρομαι) und am Fragmentanfang dargestellten allgemeinen Erkenntnis über die Natur des Prinzips Νόμος dient. Dieses Fragment vereint also alle angeführten Mittel zum Ausdruck des Gleichen im Verschiedenen und zeigt eine ausgeprägte Nähe zur zeitgenössischen Philosophie. Dies macht einen prima facie überraschenden Zug Pindarischen Dichtens verständlich, nämlich die oftmals anzutreffende Selbstcharakterisierung des Sprechers als σοφός, die damit offenbar in mehr als der technischen Meisterschaft als Dichter begründet war177 – wie auch schon der Umstand nahelegt, daß in den Epinikien auch deren Rezipienten als σοφοί (vgl. P. 4, 295 f., P. 9, 77 f., N. 8, 40–42) und συνετοί (vgl. O. 2, 83–86) gelten. Dieser Intellektualismus verbindet Pindar mit dem anderen großen Dichter seiner Generation, Aischylos, der ebenso „nicht der eingefleischte Traditionalist, der wenn auch imponierende Vertreter einer vom Fortschritt überrollten Epoche, der ‚laudator temporis acti‘“ war.178 Ganz im Gegenteil war Pindar ein moderner Dichter – wie sich schon an der innovativen Sprache, Metrik und anscheinend auch Musik zeigt179 –, der für ein modernes Publikum schrieb, das insbesondere mit der Methode des τεκμαίρεσθαι vertraut war und so die mit den sprachlichen Mitteln der Zeit (besonders der Metapher) explizit und implizit dargestellte Erkenntnis des Allgemeinen oder des Einzelnen als Sonderfall eines Allgemeinen verstehen und würdigen konnte – und das ebenso mittels des gezielten Anführens und Fingierens von τεκμήρια genau dorthin gesteuert werden konnte: Nichts anderes leisten zum Beispiel die Mythen, die, wie in fr. 169a, als τεκμήρια die Grundlage der eigentlich interessierenden Erkenntnis bilden und die oftmals (wie gerade der Herakles-Geryoneus-Mythos: vgl. oben Anm. 176) zu diesem Zweck radikal (wenn auch subtil) umgeschrieben werden. Die Mythen dienen nicht nur als τεκμήρια, sondern oftmals (wenn durch sie implizit ein Einzelnes mit einem anderen Einzelnen parallelisiert wird) auch als Grundlage einer Metapher, in deren Rahmen ein Zeichen metaphorisiert wird: So wird etwa in Nemee 8 der große aiginetische Held Aias implizit mit den Siegern Deinis und Megas parallelisiert, so daß das Zeichen „Aias“ zur möglichen Bezeichnung für die beiden Sieger wird – mit allen sich 177 S. Maehler (1963) 92–96, auch Stenger (2004) 326–334. Einzelne Stellen für den häufigen Bezug auf die σοφία anzuführen erübrigt sich (vgl. Slater s. vv. σοφία, σόφισμα, σοφιστάς, σοφός); vgl. die Bedeutung der σοφία in Heraklit. fr. 9 (s. Kahn 1979 105). 17. 54. 118 (vgl. Darcus Sullivan 1984). 178 So Röslers (1970) 104 f. Fazit seiner Untersuchung der „Reflexe vorsokratischen Denkens bei Aischylos“; zu Pindar vgl. oben S. 4 Anm. 10 und Kurke (1991a) 163–165. 179 Vgl. Snells (1975) 90 f. Charakterisierung der Metrik; ähnlich sucht Pindar ja auch in der Sprache (z. B. in der gesuchten Syntax) nach grundlegend neuen Wegen (vgl. Snell 1975 283 f.); zur Modernität der Musik beachte man die Überreste des programmatischen zweiten Dithyrambos (fr. 70b; s. Porter 2007, insbesondere 6 f.).

58

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

hieraus ergebenden inhaltlichen Konsequenzen, aus denen indirekt ein großes Siegerlob folgt. Daß viele der Mythen bei Pindar in ähnlicher Weise eine semantische Funktion erfüllen und im Rahmen einer komplexen Metaphorik zu verstehen sind, ist damit keine unwahrscheinliche Annahme. Dabei muß Pindar ein großes Zutrauen in die Fähigkeiten seines Publikums zur adäquaten Interpretation seiner Lieder gehabt haben, entsprechend der allgemeinen außerordentlich optimistischen Sicht auf die Fähigkeit des Menschen zur wahren Erkenntnis: Zwar ist ihm das wahre Wesen der Welt verborgen (vgl. Heraklit. fr. 10), zwar verfügt er nicht wie die Götter über Klarheit (Alkmaion B 1), aber dennoch ist es ihm (im Gegensatz zu allen anderen Lebewesen) bei hinreichender intellektueller Anstrengung prinzipiell möglich, das Wahrgenommene in seinem Wesenskern zu verstehen. Dieser Erkenntnisoptimismus drückt sich nicht nur beispielhaft bei Alkmaion (B 1. 2) aus, sondern zeigt sich bei fast allen anderen Philosophen dieser Zeit: Nach Heraklit verfügen prinzipiell alle Menschen über die Fähigkeit zur Erkenntnis, die sich im und durch den (wohlgemerkt objektivierten) λόγος realisiert,180 nach Parmenides dringt der νοῦς hinter die Phänomene zur wahren Natur des Seins vor,181 bei Empedokles gelangt die μῆτις in ihrer Erkenntnis so weit, wie gewöhnliche Menschen in ihrer Abstumpfung nicht kommen (vgl. fr. 8 f. 16. 109), und schließlich sind mit Anaxagoras die Phänomene für den Verständigen eine Schau des Verborgenen (B 21a). Im Verstehen-Können der Welt nähert sich der Mensch, soweit es ihm prinzipiell möglich ist, Gott an,182 und damit wird auch das Verstehen und das sich hieraus ergebende wahre Wissen göttlich – oder es ist (mit Heraklit) das σοφόν der höchste Gott, „das Weltprinzip selbst“.183 Das Denken vermag also, die mannigfaltigen, oberflächlich verschiedenen Phänomene der Welt zur Einheit, auf den Begriff, zu bringen und damit zu verstehen. Genau dies spiegelt sich in der Vokabel συνιέναι (mit der Grundbedeutung „bring or set 180 Vgl. fr. 1–4. 16 f., vor allem fr. 29. 31, ebenso fr. 36. 78 (zum Verb ὁμολογεῖν s. Voigtländer 1995 146 f.); s. insgesamt Voigtländer (1995), Verdenius (1966) 98. 181 Vgl. fr. 6 (s. Hölscher 1956 385–390), fr. 7; zur grundsätzlichen Ähnlichkeit von Parmenides und Heraklit in dieser Hinsicht s. Verdenius (1967), insbesondere 99. 182 Bezeichnenderweise fehlt dieser Gedanke noch bei Xenophanes mit seinem grundsätzlichen Erkenntnis-Skeptizismus (B 34): Er trennt nicht unsichere Wahrnehmung und das Wirkliche erkennende Verstandesleistung, sondern er weist uneingeschränkt das Wissen dem Göttlichen und das Meinen dem Menschen zu (B 23–25. 35). Diesen grundsätzlichen Unterschied zeigt wohl auch Heraklit. fr. 18, wo Hesiod, Pythagoras, Xenophanes und Hekataios der Vorwurf der πολυμαθίη gemacht wird, die wiederum dem νοῦς entgegengestellt wird (vgl. fr. 19). 183 Verdenius (1966) 92 f. (das Zitat 93); so fr. 118 (auch fr. 54); vgl. fr. 123 (mit Fatouros 1994 65–68), Alkmaion B 1. 2 und Anaxagoras’ Νοῦς (insbesondere B 12). Schwerlich kann also überraschen, daß Parmenides und Empedokles die berichtete Erkenntnis der Welt von einem Gott verkünden lassen – der allerdings gerade mit der menschlichen Erkenntnis identisch ist (vgl. fr. 1 bzw. fr. 8).

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

59

together“)184, die nicht nur von Alkmaion (B 1a) oder Heraklit (fr. 1. 2. 78) verwendet wird, sondern nicht selten auch von Pindar, und zwar in derjenigen Bedeutung, die sich offenbar erst zu Anfang des 5. Jahrhunderts herausgebildet hat.185 Dieses Zusammenbringen des Einzelnen zum Allgemeinen und die Erkenntnis des Einzelnen als Sonderfall des Allgemeinen ist freilich auch bei der Metapher das eigentliche Kunststück. 2.5.3.5 Zusammenfassung und Plan der weiteren Untersuchung Offenbar konnte Pindars Publikum in der Aufführungssituation höchst subtile komplexe Metaphorik verstehen und würdigen: Erstens gewährleistete die Aufführungssituation selbst ein hinreichendes Verständnis, zweitens war man mit der Metapher als semiotischem Phänomen vertraut, drittens zeigen sich in Pindars gesamtem Epinikienwerk Spuren von den der Metapher unterliegenden und ihr äquivalenten Denkprozessen, und viertens konnte das Verständnis der Metapher auf ein damals allgemein verbreitetes Verfahren der Erkenntnisgewinnung zurückgreifen. Pindar erweist sich damit als prototypischer Dichter seiner Zeit, der frühen Klassik, deren optimistisches Streben nach Erkenntnis und deren sprachlicher Darstellung er anscheinend teilt – wenngleich sein Wirken (zumindest in den Epinikien) primär selbstverständlich nicht auf die Welterkenntnis als solche ausgerichtet ist, sondern auf das Lob eines siegreichen Sportlers.186 Bei Pindar ist also (anders als in der Philosophie) inhaltlich nicht das Allgemeine zentral, sondern das Einzelne – wenngleich das Einzelne immer vor dem Hintergrund des (zu erschließenden und darzustellenden) Allgemeinen gedeutet und verstanden werden muß. Der Sieg zeigt erst in der Anbindung an allgemeinste Prinzipien, als deren konkrete Realisation er erkannt wird, seine eigentliche Bedeutung. Eine der Aufgaben des Epinikions ist damit, ebendiese Anbindung zu leisten, den Sieg also als Teil des Weltganzen zu deuten. Dieser Deutung dient vornehmlich die Metapher, die also kaum magisches Residuum im Denken Pindars 184 LSJ s. v. I 1. 185 Vgl. LSJ s. v., wo sich für Homer (II 1) noch die einen passiven Vorgang bezeichnende Bedeutung „perceive, hear“ findet (ähnlich II 2: „to be aware of, take notice of, observe“), während für die prägnante, einen aktiven Vorgang bezeichnende Bedeutung „understand“ (II 3) – den alle Pindar-Stellen aufweisen (P. 3, 80, fr. 105a, 1, besonders N. 4, 31; vgl. Slater s. v.) – nur Belege aus dem 5. Jh. angeführt sind; ein ähnliches Ergebnis zeigt sich bei den Ableitungen σύνεσις (vgl. LSJ s. v. I [„uniting, union“] bzw. II [„faculty of quick comprehension, mother-wit, sagacity“], für Pindar N. 7, 60) und συνετός (vgl. LSJ s. v., insbesondere a, für Pindar O. 2, 85, P. 5, 107, fr. 215, 12); vgl. Snell (1973) 180 und (1977/78) (der 93 f. auf die Mühe des συνιέναι und 96 auf die Ähnlichkeit zu Heraklit hinweist), ebenso Wilamowitz (1959) 3, 152 f. Vgl. Heraklit. fr. 33. 186 Vgl. Snell (1975) 91 f.

60

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

war, sondern vielmehr in moderner Weise bewußt-artifiziell die Erkenntnis über das Wesen des Sieges bildhaft abbildet.187 Die Metaphorik ist damit weder Schmuck noch bloßes dekoratives Element des Epinikions, sondern dient (neben den anderen angeführten Mitteln) seinem zentralen Zweck. Zum adäquaten Verständnis der Pindarischen Epinikien müssen die in ihnen verwendeten Metaphern untersucht werden, und zwar speziell diejenigen sportlichen Metaphern, die einen direkten Bezug zum Sieger aufweisen: Mittels ihrer dürften er und sein Sieg mit anderem parallelisiert und als Sonderfall eines Allgemeinen gedeutet werden, entsprechend der lebensweltlichen Funktion der Lieder mit dem Zweck des Lobes. Angesichts der Analyse von Nemee 8 ist zu vermuten, daß dieses indirekte Siegerlob (anders als das explizite, das anscheinend spärlich ist oder sogar gänzlich fehlt) den Hauptanteil des gesamten Siegerlobs bildet. Die Metaphorik muß dabei, wie die bisherige Analyse erwiesen hat, im Gesamtkontext des Liedes analysiert werden: Pindars Dichtung ist ein komplexes und dichtes, mit hoher Ökonomie verfertigtes sprachliches Gewebe.188 Sie ruft eindringlich in Erinnerung, daß ein Text grundsätzlich mehr als eine Ansammlung einzelner Sätze ist, sondern diese immer zu einer höheren Einheit verbindet; erst diese besitzt (in Abhängigkeit vom außertextlichen Kontext) die Eigenschaft des Sinns. Entsprechend hat auch das Pindarische Epinikion als Text die grundlegende Eigenschaft, über Thema, Funktion und Kohärenz zu verfügen,189 wobei seine kohärente Sinnstruktur offenbar thematisch und funktional dem Siegerlob gewidmet ist. Diese Erkenntnis ist angesichts der Geschichte der Pindarforschung für die weitere Untersuchung entscheidend, denn eine Kohärenz und innere „Einheit“ wurde Pindars Epinikien oftmals abgesprochen.190 Dieser Vorwurf geht freilich schon an sich am eigentlichen Problem vorbei, denn jeder Text besitzt qua Text immer schon eine „Einheit“. So wäre allein danach zu fragen, worin diese Einheit konkret besteht: Zwar scheint das 187 Zum Magischen vgl. Lausberg (1998) 251 f. 188 Vgl. Snell (1975) 89–91, insbesondere 90 (wenngleich seine Erklärung, Pindar sehe die Teile seiner Dichtung nicht als „die subordinierten und dienenden Glieder eines organischen Ganzen“ [90], anscheinend nicht adäquat ist). Vgl. z. B. die obige Analyse von 19– 22 und 28–32 (zu letzterer s. Köhnken 1971 29). 189 Vgl. Drosdowski (1995) 805 (insbesondere 815 zur Kohärenz). 190 Vgl. Wilamowitz (1922); s. Youngs (1970) Überblick über die Pindarforschung (vgl. Lloyd-Jones 1973, besonders 109–117, Most 1985 11–41, Heath 1986, Krummen 1990 10– 30). Die ‚Einheit‘ eines Epinikions ist also kaum „von einem neuzeitlichen Begriff des Kunstwerks bestimmt, der das ästhetische Gebilde als autonome Einheit vorstellt und damit den komplexen Aufführungsbedingungen antiker Dichtung nicht gerecht wird“ (Bremer 1992 392). Daß Verstehen immer darauf aus ist, Sinn (d. h. semantische Kohärenz) zu erkennen, zeigt eindrücklich Ecos (1998) 247–278 Beispiel einer Geschichte, die partout keinen Sinn ergeben will: Offenbar ist nicht nur nicht verboten, das Unausgesprochene zu supplieren (sofern es sich in die Sinnstruktur fügt), sondern dies ist sogar eine Grundgegebenheit von Literatur (und Sprache allgemein); vgl. oben S. 33 Anm. 91.

2.5. Theoretische Überlegungen zur Metapher

61

Epinikion an sich (d. h. außerhalb seiner selbst) disparate Elemente (s. o. Kap. 1) zu beinhalten, doch könnte diese Disparatheit nur oberflächlich betrachtet bestehen – und die poetische (synthetische) Einheit des Textes Epinikion das vermeintlich Unverbundene als wesensmäßig verbunden aufzeigen, ja: (postulierend) deuten. Das Epinikion wäre dann als globale Metapher zu verstehen, die die Parallelität des Verschiedenen offenbart, zum Beispiel die von Sieger und mythischer Figur oder von Sieg und Heldentat. Seinen dichterischen Ausdruck findet dieser Gedanke bei Pindar selbst, wenn es in N. 7, 77–79 heißt, daß die Muse Gold mit weißem Elfenbein und der Lilienblüte aus dem Meerestau verleime (Μοῖσά τοι κολλᾷ χρυσὸν ἔν τε λευκὸν ἐλέφανθ’ ἁμᾶ καὶ λείριον ἄνθεμον ποντίας ὑφελοῖσ’ ἐέρσας) – zu einem neuen Ganzen, einem neuen kostbaren und schönen einheitlichen Kunstwerk aus verschiedensten Kostbarkeiten.191 Gerade in der in der Einheit aufgehobenen Verschiedenheit vollenden sich die Schönheit und die eigentliche Natur des Pindarischen Kunstwerks. Die Kohärenz des Pindarischen Epinikions beruht also auf der planvoll herbeigeführten Konvergenz der oberflächlich disparat wirkenden Bestandteile des Liedes. Dieses wiederum wird dadurch zum sprachlichen Ausdruck einer originellen Weltdeutung, die den Zweck hat, die Stellung des Siegers in der Welt und die Bedeutung seines Sieges zu bestimmen – und so den Sieger zu preisen. Daß im Pindarischen Epinikion das Verschiedene zur Einheit gebracht werden soll, zeigt sich schon im Sprachlichen, denn es ist durch einen hohen Grad an Kohäsion gekennzeichnet: Seine scheinbar unvereinbaren einzelnen Bestandteile sind durch Partikeln, Relativpronomina, Demonstrativpronomina etc. eng miteinander verbunden und in eine explizite inhaltliche Relation zueinander gesetzt. So werden zum Beispiel umfangreiche mythische Passagen mittels eines Relativpronomens eingeleitet, das seinen Bezugspunkt außerhalb des Mythos hat (vgl. z. B. O. 8, 31, P. 4, 4, P. 9, 5, N. 4, 25)192 – was nicht auf eine etwaige, die Einheit des Liedes sprengende Unvereinbarkeit hinweist, sondern den Mythos mit dem restlichen Lied aufs engste verbindet. Interpretatorische Aufgabe ist dann zu ergründen, inwieweit der Kohäsion eine Kohärenz entspricht, in welcher semantischen Relation also der Mythos zum restlichen Lied steht; diese freilich ist eine genuine Schöpfung im Rahmen des Liedes, denn sie hat vor seiner Komposition nicht bestanden (vgl. oben zu Deinis und Aias). Die Kohäsion in Fällen scheinbarer Disparatheit ist also ein Signal des metaphorischen Grundcharakters des Epinikions, und damit erscheint die Verbundenheit des prima vista Unverbindbaren (wie in der Philosophie der Zeit Pindars und im übrigen entgegengesetzt zu vielen Texten der Moderne und Postmoderne) als wesentliche Aussage des Textes. 191 S. Bremer (1992) 405 f. 192 S. allgemein Bonifazi (2004), inbes. die Übersichten 44–48.

62

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Kurz: Pindar hat anscheinend die Einheit des Textes gerade darin gesehen, das Verschiedene in der höheren Einheit aufzuheben und als in seinem tiefen Wesen miteinander verbunden aufzuzeigen. Aufgabe der Interpretation ist dann, die Natur dieser Verbindung zu bestimmen – mit anderen Worten: nach dem Gleichen im Verschiedenen zu suchen. Auf dieser Grundlage soll nun die Analyse von Nemee 8 zu Ende geführt werden und eine Analyse von vier weiteren Epinikien erfolgen: Olympie 8, Nemee 4, Pythie 4 und Pythie 9. Leitfrage soll entsprechend den bisherigen Ergebnissen sein, inwieweit diese Lieder durch die Metaphorik des Sports inhaltlich an ihren lebensweltlichen Kontext angebunden werden und inwieweit diese als Grundlage des Siegerlobs dient. Hierfür bieten sich die ausgewählten Lieder insofern an, als sie wenig bis kein explizites Lob des Siegers enthalten, ihn aber dennoch implizit, vor allem mittels der Metaphorik, preisen. Dies geschieht unter einem jeweils anderen Aspekt, so daß sich insgesamt ein umfassendes Bild des Pindarischen Preises des Sportlers zeigt: Nemee 8 widmet sich dem Lob des Siegs, Olympie 8 der Teleologie des Siegs, Nemee 4 der Poetologie des Siegs, Pythie 4 der Politik des Siegs und Pythie 9 der Segenskraft des Siegs. Eine derartige Untersuchung ist bisher noch nicht geleistet worden, auch wenn zur Metaphorik bei Pindar zahlreiche Analysen vorliegen. Diese beschränken sich jedoch größtenteils darauf, thematisch ähnliche Metaphern des ganzen Corpus zusammenzustellen oder nur Einzelstellen zu behandeln, ohne das jeweilige einzelne Lied als Referenzrahmen zu beachten, oder die Metapher nicht im Peirceschen Sinne als sinnkonstitutiv anzusehen.193

2.6Preis und Tat Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, enthält Nemee 8 zwar kein direktes Lob der Sieger Deinis und Megas, preist sie aber indirekt in überraschend hohem Maße. Insbesondere parallelisiert der Lobende sich und seine Kunst mit den Geehrten und ihrer Kunst (die wiederum Aias und Aiakos 193 Man beachte zur Metaphorik bei Pindar allgemein Goram (1859), Dornseiff (1921b) 44– 69, Norwood (1956), Bernard (1963), Bowra (1964) 239–277, Stoneman (1981), Steiner (1986), zur Metaphorik einzelner Bereiche McCracken (1934), Becker (1937) 50–100, Duchemin (1952), Hoey (1965), Simpson (1969), Péron (1974), Bremer (1976), Stoneman (1976), Lefkowitz (1984), Kurke (1991), Lefkowitz (1991) 161–168, Pfeijffer (1994), Nünlist (1998) passim, Griffith (1999), zur Metaphorik einzelner Stellen (insbesondere des Sports) Poliakoff (1982), Lomiento (1990), Carnes (1999); vgl. Thummer 1, 144 f., allgemein auch Silk (1974) passim, ebenso Gerber (1969) 122–125 und (1989) 127–130. Vgl. jüngst Patten (2009), der sich den Liedern allerdings nicht aus hermeneutischer, sondern aus poststrukturalistischer Sicht nähert.

2.6. Preis und Tat

63

und ihrer Kunst gleichen), und hierdurch verheißt er, daß sein Lob genauso siegreich wie das Laufen der Geehrten sein wird: Sie werden wie Aiakos geehrt werden. Einerseits werden die Sieger also, insofern sie mythischen Helden gleichgestellt werden, an sich gepriesen, andererseits wird auch ihr Sieg als so überragend dargestellt, daß er schlechthin vorbildhaft ist. Der letzte Gedanke wird nach dem Mythos in der Passage 35–37 vertieft: Nach der Erkenntnis der prinzipiellen Schlechtigkeit der Πάρφασις (32–34; angesichts der Beschreibung ist auch dies eine Personifikation)194 erbittet der Lobende von Zeus, daß er niemals einen solchen Charakter habe (35); er wolle sich vielmehr an die einfachen Wege des Lebens anheften (35 f.: ἀλλὰ κελεύθοις ἁπλόαις ζωᾶς ἐφαπτοίμαν), damit er, wenn er gestorben ist, seinen Kindern nicht jenen Ruhm voll üblen Rufs anhefte (36 f.).195 Dieses Gebet nimmt nicht nur sprachlich die Charakterisierung der Mißgunst in 22 auf, insofern jeweils von einem ‚Heften‘ die Rede ist (ἅπτεται [22] ≈ ἐφαπτοίμαν [36] ≈ προσάψω [37]), und weist den Lobenden in seiner geradlinigen Ehrlichkeit gegenüber den doppelsinnenden Mißgünstigen als charakterlich gut aus (ἁπλόαις wird nicht als lexikalisierte Metapher verwendet, sondern hat angesichts der Doppelheit der Mißgünstigen [32–34] eine semantische Prägnanz)196, sondern es erneuert auch die Parallelität von Lobendem und Gelobten: Ebenso wie diese in ihrem Lauf einfache Wege, d. h. einen einfachen Stadionlauf, laufen (vgl. Σ O. 10, 76b), möchte der Lobende in seinem Leben, speziell im für ihn charakteristischen Loben, ebenfalls solche (diesmal metaphorisch) einfachen Wege laufen. Diese unverfälschte Ehrlichkeit garantiert, daß man weder für sich selbst noch für seine Kinder üblen Ruhm erwirbt – daß also das κῦδος aus diesem Sieg nicht morsch, sondern beständig ist. Im nächsten Satz (37–39) führt der Lobende drei prinzipiell gleichberechtigte (s. o. S. 46–49) Arten einfacher Wege an, nämlich erstens im Erwerb von Reichtum, zweitens im Krieg und drittens im Loben.197 Da letzteres ihn selbst betrifft, erläutert er es näher und führt aus, daß das Loben auf 194 Vgl. Carey (1976) 32 f. 195 Zum Satz selbst s. Wilamowitz (1922) 407 mit Anm. 2; der Artikel τό (37) erklärt sich mit KG § 463 3 A c (ein zunächst unbestimmtes Substantiv wird näher bestimmt und zugleich mit einem anderen Substantiv kontrastiert; dieser Gegensatz wird durch die Litotes verstärkt: s. u. S. 252 Anm. 304). Weniger adäquat ist, τὸ δύσφαμον (37) von κλέος (36) zu trennen und als substantiviertes Adjektiv im Gegensatz zu κλέος aufzufassen (Christ 1896 299); Bezugspunkt dieses schlechten κλέος wären dann im Kontext die Danaer (26; s. o. S. 20 mit Anm. 50). Vgl. P. 11, 55–58, s. allgemein Kurke (1991a) 35–61. 196 Vgl. LSJ s. v. ἁπλόος II b und διπλόος IV 2; s. Henry (2005) 84. 197 Der Sprecher betet also darum, daß ihm in seinem Bereich (dem Loben) das allgemein Wünschenswerte (einfache Wege des Lebens) gewährt werde; so liegt ein Bezug auf den Lobenden selbst vor. Dieser wird von Carey (1976) 33 f. zu Unrecht bestritten: vgl. 37– 39, insbesondere αἰνέων αἰνητά, μομφὰν δ’ ἐπισπείρων ἀλιτροῖς (39; dies läßt sich kaum mit „agreeing with my peers in all things“ wiedergeben).

64

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

einfachem Weg im Loben des Lobenswerten (39: αἰνέων αἰνητά) und im Säen von Tadel für die Böswilligen bestehe (39: μομφὰν δ’ ἐπισπείρων ἀλιτροῖς). Wer dies (wie der Sprecher) tut, gefalle den Bürgern sogar noch im Tod (38: ἐγὼ δ’ ἀστοῖς ἁδὼν καὶ χθονὶ γυῖα καλύψαι)198 – was inhaltlich zum Anfang der Passage zurückführt (36 f.). Zu den beiden anderen Formen des einfachen Lebens finden sich nähere Bestimmungen an anderer Stelle: So wissen wir einerseits, daß man Reichtum wie Kinyras als frommer Mann (18) erwerben muß, und andererseits, daß man Krieg wie Aias oder Aiakos führen muß – wenn man tatsächlich das erreichen möchte, was der Lobende durch sein Loben für sich selbst erhofft. Allen drei Tätigkeiten ist freilich das Laufen, Megas’ und Deinis’ Tätigkeit, parallel; durch ihren Sieg hierin haben auch sie anscheinend nicht nur sich selbst Ruhm verschafft, sondern auch ihren Kindern. Dies offenbart sich im späteren Hinweis auf Megas’ Tod (44 f.), denn Megas’ vollkommenes Beschreiten seines einfachen Weges, des Laufens, läßt jetzt auch seinen Sohn Deinis den Ruhm des Vaters genießen, so daß er als Sieger doppelt profitieren kann. Damit ist dieses Epinikion letztlich kein Gemeinschaftsepinikion für Vater und Sohn, sondern (angesichts des früheren Todes der konkreten Aufführungssituation entsprechend) einzig Deinis gewidmet, dessen zwei Quellen der öffentlichen Anerkennung es vor Augen führt. Die lobende Nennung des Vaters erfolgt also vor allem in dieser Hinsicht. Die Allgemeinheit des Gebetes in 35 f., die ihre erste Anwendung in 36 f. bezüglich des Lobenden findet und sodann in 37–39 bezüglich zweier weiterer Bereiche, gilt also indirekt auch für Deinis und Megas; hierdurch wird der große Segen aus ihrer Tat, echter und beständiger Ruhm, gezeigt. Voraussetzung ist in allen Fällen das Gehen einfacher Wege – und gerade dies haben Deinis und Megas bei den Nemeen (angesichts der Metaphorik offenbar nicht im Diaulos-, sondern im Stadionlauf ) getan.199 Beide werden also zum Vorbild für gutes, erfolgreiches und geachtetes Leben schlechthin, und ihr Laufsieg wird zum Modell für alle anderen guten Menschen, sei es im Erwerb von Reichtum, sei es im Krieg, sei es im Loben.200 Ein derart siegreiches Lob (das seinen Sieg durch das Lob des Lobenswerten und den Tadel der Böswilligen erlangt: 39) stärkt die (von den anderen edlen Menschen, unter anderem Kriegern und Läufern gezeigte) ἀρετά 198 S. insbesondere Bury (1890) 156. 199 Daß es Siege im Stadionlauf sind, zeigt schon δισσῶν σταδίων (16): Dies ist als doppelter Stadionsieg (von Deinis und Megas) zu verstehen; s. Henry (2005) 77 f. (insbesondere 78: „the periphrasis [sc. δισσῶν σταδίων für den Diaulos] is neither attested nor probable“); vgl. Σ N. 8 inscr. und 26, Mezger (1880) 327, Bury (1890) 10, Meinel (1890) 17 f.; anders Rauchenstein (1858) 432 f., Postgate (1881) 256, Christ (1896) 294, Farnell 2, 306. 200 Damit greift Köhnkens (1971) 35 Erklärung des Lobs zu kurz (göttliche Herkunft der Aigineten). Ähnliches gilt für Bowras (1964) 398 Erklärung der Passage 35–39.

2.6. Preis und Tat

65

und hebt sie in den feuchten Aither zu Zeus Wohnsitz (40–42: αὔξηται … | ֘ἐν֙ σοφοῖς ἀνδρῶν ἀερθεῖσ’ ἐν δικαίοις τε πρὸς ὑγρόν | αἰθέρα), gerade so, wie ein Baum durch frischen Tau emporschießt (40: χλωραῖς ἐέρσαις ὡς ὅτε δένδρεον ἄισσει).201 Das Kriterium dafür, ob man als Lobender Gold gefunden hat (20 f.), besteht also darin, daß das Lob gerecht und klug (41: σοφοῖς), d. h. wahrhaftig und angemessen ausfällt (und so seinen Sieg über die Mißgünstigen erringt).202 Das Lob ist zwar fein wie Tau, gewährleistet aber, daß der Ruhm des Besungenen ewig währt: Es erreicht, daß der Baum in den feuchten Aither (41 f.) gelangt, wo also niemals Mangel an Wasser und damit an der 201 Mit Boeckh ist in 41 ἐν zu ergänzen (vgl. den parallelen Ausfall von ἐν in 25 und falsch überliefertes ἐν in 31) und in 40 die Überlieferung als zweisilbiges ἄισσει (statt ἀίσσει: s. Henry 2005 85) bzw. mit Turyn als αὔξηται (statt αὔξεται; allgemein s. u. S. 228 Anm. 203; zur geforderten Länge s. Henry 2005 85, Bowra 1933 85) neu zu interpretieren. Letzteres läßt sich als intensives Perfekt verstehen: vgl. KG § 384 4 (besonders die Erklärung des parallelen τέθηλα; vgl. P. 11, 53). Zu lesen ist damit αὔξηται δ’ ἀρετά, χλωραῖς ἐέρσαις ὡς ὅτε δένδρεον ἄισσει, | ֘ἐν֙ (40 f.). Dies ist dem Snell–Maehlerschen Text nicht nur wegen der größeren Nähe zur Überlieferung (angesichts von Σ N. 8, 68 schon die antike Textgestalt) vorzuziehen, sondern auch, weil bezüglich der ἀρετά schwer verständlich wäre, warum sie ἀίσσει, wenn sie im Lob in den Aither emporgehoben würde. Vielmehr wächst sie dadurch und wird gestärkt, daß das Lob sie in den Aither emporhebt, und zwar so, wie ein Baum durch Tau gestärkt emporschießt (s. Farnell 2, 307 f.; vgl. Rauchenstein 1877 70, Postgate 1925 386, Köhnken 1971 34 f. Anm. 62). Entscheidend ist hier die Stärkung der ἀρετά, nicht ihre schnelle Bewegung – über die sie, wie Deinis und Megas gezeigt haben, ohnehin verfügt. Gegen die hier angenommene Textgestalt ist im übrigen kein treffendes Argument, daß „ὡς ὅτε is not elsewhere in Pindar followed by a finite verb“ (Henry 2005 85; vgl. Headlam 1905 149 f.), denn daß in entsprechenden Gedanken fast nie (O. 6, 2, P. 11, 40, N. 9, 16, I. 6, 1; vgl. Slater s. v. ὡς a α, ὥς b, ὥσπερ, ὥστε b, ὥτε, οἷον 1 c sowie ὅστε, ὅς τε b α) finites Verb steht, hat seinen Grund darin, daß die Wiederholung des finiten Verbs unnötig wäre (vgl. Hes. scut. 421–423), da „das Verb aus dem Hauptsatze zu ergänzen“ ist (KG § 581 1, vgl. den ges. Paragraphen); hier hingegen soll sich ein komplexes metaphorisches Gesamtbild ergeben, in dem von ἀρετά und Baum Verschiedenes gesagt wird (vgl. I. 6, 47–49 mit ὥσπερ und finitem Verb; dies ist ein einziger, durch τόν eingeleiteter und durch μέν – δέ binnengegliederter Relativsatz [vgl. Thummer 1, 182]; das Akkusativobjekt zu ἑπέσθω erklärt sich mit KG § 555, besonders Anm. 4 f. [vgl. Aischyl. Ag. 812, Aristoph. Thesm. 835]; τόν wäre im Kontext andernfalls kaum zu erklären; vgl. z. B. Hom. Od. 9, 391–394). S. zu dieser Stelle Stoneman (1981) 132, Bowra (1964) 264 f. und vgl. Bury (1890) 156, Lasso de la Vega (1989) 9–12. Eine Textänderung könnte überflüssig sein, wenn man Youngs (1966) 9–15 Ausführungen zur Worttrennung am Periodenende folgt (s. zu dieser Stelle 13 f.; er führt sieben Beispiele und zahlreiche parallele Fälle von überlieferter Elision am Periodenende und Stellung von Enklitika am Periodenanfang an: vgl. S. 151 Anm. 121); der überlieferte Text selbst wäre (mit dreisilbigem ἀίσσει) hinsichtlich der Quantitäten metrisch korrekt. Zu ὑγρόν (41) s. Henry (2005) 87; der Aither ist Zeus’ Wohnsitz z. B. in Hom. Il. 2, 412; 4, 166; 15, 192, Od. 15, 523, Hes. erg. 18, Eur. fr. 487 TrGF. Zur botanischen Metaphorik in αὔξηται und insgesamt in diesem Lied (u. a. 7. 17. 39) s. Carey (1976) 35. 38 (vgl. Carnes 1995 10 f.). 202 Die Formulierung ֘ἐν֙ σοφοῖς ἀνδρῶν … ἐν δικαίοις τε (41) hat also einen weiteren Sinn, als z. B. Mezger (1880) 329 annimmt; richtig hierzu Carey (1976) 35.

66

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Grundlage des Gedeihens des Lobes (des Baumes) bestehen wird. Dieses wird (in göttlichen Gefilden) immer gedeihen (40: αὔξηται). Der Lobende leistet dem Besungenen also einen immensen Freundschaftsdienst. Dies erklärt, warum er in Form einer Gnome davon spricht, daß der Bedarf nach Freunden mannigfaltig sei (42), und diesen allgemeinen Gedanken in den nächsten beiden Sätzen konkretisiert: Erstens stehe alles mit Mühen Verbundene am höchsten (42 f.: τὰ μὲν ἀμφὶ πόνοις ὑπερώτατα); hierzu zählen insbesondere Krieg und Sport, also Aias’ und Aiakos’ bzw. Deinis’ und Megas’ Tätigkeit.203 Damit definiert der Lobende seine eigene Tätigkeit diesen beiden anderen Tätigkeiten explizit als dienend (s. o. S. 48 f.), wobei sich eine komplementäre Gegenseitigkeit zeigt, als diese, wie Aias’ Beispiel und χρεῖαι (42) nahelegen, offenbar ihrerseits notwendig des Lobes bedürfen.204 Doch auch wenn (42: μέν) zweitens diese Tätigkeiten die höchsten sind, sucht auch die Freude (43) – wie sich aus dem Kontext ergibt, über das mit Mühen Erreichte (vgl. P. 9, 93–96) – danach, etwas Glaubwürdiges vor Augen zu stellen (43 f.). Der Freundesdienst soll also nicht das Maß übersteigen, sondern sich, wie der Zusammenhang mit dem folgenden Gedanken deutlich macht, am korrespondierenden Maß des Erreichten orientieren, das zwar höchstmöglich, aber nicht unendlich groß ist. Allgemein heißt dies zum einen, daß der Freundesdienst des Lobenden aufgrund seiner Freude über den mit Mühen erreichten Sportsieg nicht unglaubwürdig sein soll; das Lied selbst (Nemee 8) soll also (auch hier) wahrhaftig, d. h. klug und gerecht sein (vgl. unten S. 69 f. Anm. 220).205 Speziell heißt dies aber auch, daß kein Lied einen Menschen zurück ins Leben bringen könnte. Ein derartiges Versprechen wäre in der Tat unglaubwürdig, und so spricht der Lobende direkt Megas an und teilt ihm mit, daß es ihm nicht möglich sei, dessen Seele zurückzubringen (44 f.), denn (45: δέ) leerer Hoffnungen Ziel (oder Ergebnis) sei (mit einer Metapher aus ähnlichem Bereich, die die Entsprechung bildhaft vor Augen führt) wie ein Schwamm (45: κενεᾶν … ἐλπίδων χαῦνον τέλος). Ziel des Sprechers ist jedoch etwas NichtSchwammartiges, und dies qualifiziert auch seine Hoffnungen als nicht-leer; diese bestehen darin, den Besungenen echten Ruhm zu verschaffen. Der Sprecher läßt sich also nicht von der Freude über den Erfolg des Freundes überwältigen, sondern bleibt sich seiner Grenzen bewußt – und kann gerade hierdurch seinen Freundesdienst optimal verrichten.206 203 Zur Mühe im Sport vgl. unten S. 137 f. Anm. 67, im Krieg z. B. P. 1, 54, I. 6, 54. 204 Vgl. fr. 181 vor dem Hintergrund von Kurke (1991a) 85 f. (insgesamt 85–107). 205 Zu πιστόν (44), mit Sicherheit ein Neutrum (anders Σ N. 8, 71b, Wilamowitz 1922 408), s. Farnell 2, 308 f.; Henrys (2005) 87 f. Vorschlag (vgl. freilich Carey 1976 36) „pledge of friendship“ scheint dem Text nicht gerecht zu werden (zumal die angeführte Parallele O. 11, 4–6 nicht eng genug ist; ähnlich Mezger 1880 330, Farnell 2, 308 f.). 206 Das Wort τέλος (45) aktualisiert die Parallelität von Laufen und Dichten; zur Verwen-

2.6. Preis und Tat

67

Hierzu strebt er ein nicht-schwammartiges, erreichbares Ziel an (46– 48): Zwar könne man Megas nicht zurückbringen, aber es sei leicht,207 Megas’ Heimat und Familie, den Chariadai (46),208 einen Musenstein als Stütze unterzustellen (47: ὑπερεῖσαι λίθον Μοισαῖον), und zwar dank zweimal zweier Füße mit (aufgrund des Sieges) gutem, wohlbekanntem Namen (47 f.). Insofern hier das Lied metaphorisch mit einer Statuenbasis gleichgesetzt wird,209 werden im Gegenzug Megas’ Heimat und die Chariadai mit einer Statue gleichgesetzt, und zwar, wie die Konstellation impliziert, ihrer selbst: Sie sind (in der Metapher) die Abbilder ihrer eigenen Pracht, und diese Pracht macht das Lied als Statuenbasis zugänglich. Diese liefert die notwendigen Informationen zum Verständnis der Statue und läßt das ansonsten anonyme Kunstwerk im öffentlichen Raum als Zeichen für das Dargestellte fungieren.210 Allerdings bleibt ihre Pracht gänzlich ihre eigene: Sie wird nicht durch das Lied erschaffen, sondern dieses gewährleistet bloß, daß sie erkannt werden kann (wie sich analog an Aias zeigt, dessen ἀρετά aufgrund des Fehlens von Sprache nicht erkannt werden konnte).211 Die so bestimmte Funktion des Epinikions erklärt freilich, daß Nemee 8 keines expliziten Siegerlobes bedarf, denn die Leistungen der Sieger (47 f.) sprechen (nachdem sie zugänglich gemacht wurden) für sich. Ein derartiges impliziertes Siegerlob ist schwer steigerbar. Ein Siegerlob stattet der Lobende aber gerne ab, wie der folgende Abschluß des Liedes zeigt: Er selbst entsende bei einer Tat gerne ein angemessenes stolzes, selbstbewußtes Wort (48 f.), wobei ein Mann seinerseits (49 f.: δὲ … καί) durch Zauberlieder die Mühe schmerzlos mache (49 f.).212 Der Tat dung im Sportlichen s. u. S. 276 Anm. 47. 207 Zu ἐλαφρόν (46) s. Farnell 2, 309, Carey (1976) 41 Anm. 53, Henry (2005) 88 f.; vgl. Headlam (1900) 10, Lasso de la Vega (1986/87) 369–371; s. auch unten Anm. 209. 208 Zur Bedeutung von πάτρᾳ (46) s. Σ N. 8, 79, Friederichs (1857) 423 f., Bury (1890) 157, Farnell 2, 309, Henry (2005) 88 (vgl. O. 8, 20, O. 12, 16; anders Dissen bei Boeckh 2, 2, 449 f., Dissen 2, 480, Mezger 1880 330). 209 Vgl. Plat. Phaid. 99 b8 f., vor allem N. 5, 1 f., ferner κρηπίς in P. 7, 1–4, fr. 194, 1; s. Smith (2007) 84. 92 (vgl. Steiner 1993 166 f.). Zur Stelle s. Henry (2005) 89, auch Σ N. 8, 79b, Farnell 2, 309, Bowra (1964) 20, Steiner (1993) 164 f. Das Adjektiv ἐλαφρόν (46) ist nicht auf λίθον (47) zu beziehen (so Bowra 1964 20), da der inhaltliche Kontrast des gesamten Satzes zu οὔ μοι δυνατόν (45) besteht: Die entscheidende Aussage ist die Leichtigkeit der bevorstehenden Aufgabe (vgl. Carey 1976 41 Anm. 53; zur Konstruktion vgl. N. 7, 77). 210 Vgl. Smith (2007) 84; s. auch Thomas (2007) 152–163. 211 Somit führt ein Verständnis von 47 als „‚to place a musical stone support underneath‘, as of a statue“ (Henry 2005 89) mit Verweis auf 41 im Sinne von „to raise up by means of a song“ nicht weit genug, zumal die Bilder selbst unabhängig sind und die andere Bildseite, Megas’ Heimat und die Chariadai, nicht berücksichtigt wird. 212 Zum κόμπος im Lob vgl. P. 10, 4 (negativ), I. 1, 40–45 (positiv), I. 5, 22–25 (pos.; man beachte das zu πρόσφορον hier parallele ἐοικότα dort); vgl. oben S. 23 Anm. 62 und καύχα (etc.) in O. 9, 38 f. (neg.), N. 9, 7 (pos.), I. 5, 51 (neg.). Zu πρόσφορον (48) s. Köhnken (1971) 32 Anm. 55, auch Gerber (2002) 56 f. Zu καί (50) s. GP 305 f. („often approximating in sense to αὖ“) und vgl. O. 10, 30, P. 6, 44, I. 1, 40; die Stellung schließt eine kopula-

68

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

(49: ἔργῳ) wird also die (magisch-ärztliche) Liedkunst (49: ἐπαοιδαῖς: vgl. unten S. 138 Anm. 69, S. 248 Anm. 291) mittels einer μέν-δέ-Konstruktion (und unterstützendem καί) gegenübergestellt; hierbei handeln beide Sätze (48 f. bzw. 49 f.) trotz ihres verschiedenen Aspekts primär von der Tätigkeit des Lobenden, einmal speziell (48 f.: χαίρω … ἱείς), einmal allgemein (49 f.: ἀνήρ … τις), wobei zugleich der Gegensatz zwischen Tat und Lied unterliegt. Im Ergebnis läßt das Lied die Mühen der Tat vergessen.213 Dieser Zusammenhang ist, wie der letzte Satz des Liedes zeigt, uralt und gilt nicht nur im Sportlichen, sondern für jeden κάματος (50 f.): Das Preislied habe es im Rahmen einer prächtigen Feier (50: ἐπικώμιος ὕμνος; s. o. S. 38 f. Anm. 100. 102) wahrlich und gewiß früher schon gegeben (50 f.: ἦν γε μὰν … δὴ πάλαι)214 – und auch vor dem Streit zwischen Adrastos und den Kadmeern (51), d. h. vor den Nemeen, die während des Zuges gegen Theben als Leichenspiele für den von Schlangen getöteten Opheltes / Archemoros gestiftet wurden.215 Das Lob ist damit ebenso alt wie die üble Nachrede (32–34), und beide erscheinen (herakliteisch) als zwei Seiten ein und desselben, des allgemeinmenschlichen Verhaltens gegenüber dem Edlen und seinen Erfolgen.216 Der Lobende kann also nicht Unmögliches schaffen. Er kann aber sehr wohl dafür sorgen, daß Leistung angemessen gewürdigt wird (indem er auf sie hinweist), und so seiner Freundespflicht nachkommen. Daß er dies bereitwillig tut (48: χαίρω), bedarf eigentlich keiner Erwähnung, offenbart jedoch nochmals die Parallele zu Aiakos und den anderen Heroen (6–12), deren Verhältnis ebenso von bereitwilliger Anerkennung geprägt war.217

213 214 215

216 217

tive oder steigernde Bedeutung aus. Zum Gedanken vgl. N. 3, 17 f., N. 4, 1–5 (s. u. S. 138 Anm. 69), P. 9, 103 f. Vgl. Wiskemann (1876) 22; anders Rauchenstein (1858) 434, Farnell 2, 309. Zu γε μάν s. GP 347–350, besonders 347; δή (51) geht hier dem hervorgehobenen Wort voraus: s. GP 228. S. Σ N. 8, 85, Dissen 2, 481 f., Mezger (1880) 330, Bury (1890) 158, Christ (1896) 300, Wilamowitz (1922) 408; vgl. Henry (2005) 90. Zur Sache vgl. B. 9, 10–24, Σ N. hyp. b. c, Apollod. 3, 6, 4, Paus. 2, 15, 2 f.; s. Maehler (1982) 2, 152, Miller (1992) 81, Decker (1995) 57. Das früheste Zeugnis des Mythos ist Sim. fr. 553 PMG, ebenso wurde er in Aischylos’ Nemea und Euripides’ Hypsipyle behandelt (s. Gantz 1993 510–512). Daß die Nemeen als Leichenspiele für Opheltes / Archemoros galten, zeigt sich besonders daran, daß sich auf dem Festgelände spätestens seit dem 6. Jh. ein Heroon des Archemoros befand (Miller 1988 142 f. und 1992 81; vgl. Ebert 1972 205 f.) und daß man den Sellerie der Siegerkränze sowie die grauen Roben der Schiedsrichter als Zeichen der Trauer ansah (Σ N. hyp. d; s. allgemein Yiannakis 1990). Das andere Aition der Nemeen, Herakles’ Tötung des Löwen (Σ N. hyp. a, Kall. fr. 54–59 Pf.), ist sekundär (s. Maehler 1982 2, 251–253). Zum sprachlichen Bezug von 50 f. (ἦν … πάλαι καὶ πρὶν …) auf 32 (ἦν καὶ πάλαι) s. schon Mezger (1880) 330 und Bury (1890) 148. 158; zur Priorität des Lobes s. Carey (1976) 37. Vgl. Carey (1976) 36.

2.7. Nemee 8 als Epinikion

69

2.7Nemee 8 als Epinikion Abschließend ist zusammenfassend zu bestimmen, wie Nemee 8 im Aufführungskontext als Epinikion verstanden werden konnte. Zwar beinhaltet das Lied kein direktes Siegerlob, aber es ließ sich, ausgehend von einer Analyse des Satzes in 19, erkennen, daß das indirekte, insbesondere metaphorisch geleistete Lob jegliches explizite Lob überflüssig macht: Die Sieger werden mit den aiginetischen Helden Aias und Aiakos und ebenso mit dem Lobenden selbst parallelisiert und gleichgesetzt; in ihrer Tätigkeit zeigt sich ein Paradigma erfolgreichen Handelns edler Menschen schlechthin. Insofern speziell der Lobende sich an ihm orientiert, ist garantiert, daß ihr Ruhm (wie der des Aiakos, aber anders als der des Aias) ewig währt.218 Ferner spiegeln die Entfaltung der Eigenschaften des edlen Kriegers und des edlen Lobenden die Eigenschaften der Sieger, die dadurch ihrerseits als überragende Kämpfer und gerechte Menschen erscheinen. Aias und Aiakos dienen damit nicht als bloße exempla für Deinis,219 sondern über die metaphorische Parallelisierung mit ihnen werden er und sein Vater indirekt selbst zu großen Helden. Insgesamt werden beide in bedeutendem Maße gelobt, freilich indirekt und vor allem durch die Metaphorik. Mittels ihrer ordnet Pindar den Sieg in übergreifende Zusammenhänge ein und deutet ihn als wichtiges Ereignis der Geschichte: Er ist Paradigma für alle Bestrebungen eines edlen Menschen; diese haben zwar jeweils verschiedene Bereiche, doch sind sie in ihrer Verschiedenheit verbunden und gehorchen wesenhaft denselben Prinzipien. Nemee 8 ist damit ein wahrhaftiges Epinikion: Es leistet ein weitaus größeres Lob, als man es für einen Sportsieg hätte erwarten können. Doch ist dies selbst ein wichtiger Grund für die Indirektheit des Lobs, denn ein implizites Lob kann deutlich größer als ein explizites ausfallen: Wie nicht zuletzt der Inhalt von Nemee 8 selbst nahelegt, fordert jegliches Lob den Widerspruch der Mißgünstigen heraus, die meinen, die Leistungen des Gelobten würden übertrieben positiv dargestellt. Wenn jedoch das Lob erst in der Interpretation der (gezielt, aber subtil) gegebenen τεκμήρια entsteht, kann nichts Anstoß erregen – und man beschützt den Gelobten vor den Gefahren durch die Mißgunst (19–21), so daß er nicht Aias’ Schicksal fürchten muß. Der Lobende wahrt also das rechte Maß, den καιρός, und beweist seinen Sinn für die Wahrheit:220 Er stellt das Gepriesene seiner wahren Natur gemäß 218 Vgl. Carey (1976) 37 f. 219 So Carey (1976) 37 f. 220 Zur Bedeutung des Wortes καιρός s. u. S. 229 f. Anm. 210; zu parallelen Gedanken vgl. O. 9, 35–41, O. 13, 47 f., P. 1, 81–88, P. 3, 107–109, P. 8, 6–12 (vgl. N. 4, 95 f.), P. 9, 76–79, P. 10, 4, N. 1, 18, N. 11, 46 f.; zur Wahrhaftigkeit vgl. O. 1, 28–29 in Verbindung mit 46– 52, O. 2, 90–98, O. 4, 1–3. 17 f., O. 6, 19–21. 87–91, O. 13, 98–100, P. 5, 107 f., N. 1, 18, N. 7, 49 f. 61–63. 69–73 und N. 4, 95 f., N. 8, 39; entsprechend dürfte oftmals der Bezug

70

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

dar, also weder zu positiv (vgl. 45) noch zu negativ (vgl. 32–34). Dieser Gedanke findet eine explizite Formulierung am Beginn des Liedes (4 f.): Hinsichtlich jedes Werkes sei es erstrebenswert, nicht vom rechten Maß wie (angesichts der Vorbildhaftigkeit der Läufer metaphorisch signifikant) vom rechten Weg abzuweichen (4: καιροῦ μὴ πλαναθέντα) und fähig zu sein, über ungewöhnlich starke Begierden die Oberhand zu gewinnen.221 In der Fähigkeit dazu zeigt sich die Bewahrung des rechten Maßes – und je stärker man ist, desto mehr Mühe ist zum Obsiegen notwendig, und desto lobenswerter und willkommener wird dieser Erfolg. Während dies auch für das Verhalten des Lobenden gegenüber dem Wunsch danach gilt, Megas wieder ins Leben zu holen (trotz seiner Freude siegt er über seine Begierden und beschränkt sich aufs Loben im rechten Maß: 43–45), ist dies jedoch primär ein Kommentar zur Liebesvereinigung von Zeus und Aigina (6–12):222 Ungewöhnlich starke Begierden (6: οἷοι), prinzipienhaft personifiziert als Hirten der Geschenke der Kypria (6 f.),223 umsorgten auch deren Bett (6), aber dennoch (wie zu ergänzen ist) vermochten beide, das rechte Maß zu bewahren. Hieraus ging großer Segen hervor, nämlich Aiakos, der spätere König von Oinona (7), den alle anderen Heroen bereitwillig ehrten (7–12) – und der vom Lobenden auch jetzt noch als segenspendend und sogar als Gott angesehen wird (13–18; s. o. S. 48).224 Künderin solcher ambrosischer, begierdenerzeugender Lieben ist die Herrin Hora (1),225 die Mädchen und Jungen auf den Lidern sitzt (2) und dadurch den einen mit sanften Händen emporhebt (3), den anderen mit anderen (3; d. h. genau gegenteilig verfährt),226 und zwar in beiden Fällen mit den

221

222 223 224 225 226

auf δίκη zu verstehen sein: vgl. O. 2, 95 f., O. 6, 12–14, P. 4, 280 f. (s. u., insbesondere Kap. 5.4.5), P. 9, 95 f., N. 3, 29, N. 7, 48, N. 8, 41 und vor allem P. 8, 70–72, wo mit dem Verweis auf Δίκη die Bitte an die Götter um Neidlosigkeit in Verbindung steht (was einen aufschlußreichen Blick auf den Liedanfang erlaubt, in dem als Dikes Tochter Hesychia eingeführt wird; anders freilich Pfeijffer 1995); s. insgesamt Bundy (1972) 90–92 (vor allem Anm. 114), Stenger (2004) 334–344. Zur Metapher in πλαναθέντα (4) s. Bury (1890) 151 (vgl. Hom. Il. 23, 321); es verweist auf κελεύθοις ἁπλόαις ζωᾶς (35 f.). Zum Komparativ ἀρειόνων (5) s. KG § 540 Anm. 7. Vgl. Bulman (1992) 10 f. Zur Allgemeinheit der Begierden (5: Ἐρώτων) vgl. P. 10, 59–62 (und s. Carey 1976 27 f.). Dem Zusammenhang wird also Mezger (1880) 326 nicht gerecht, wenn er 4 f. wie folgt faßt: „Glücklich ist der zu preisen, dem auch in der Liebe alles nach Wunsch geht.“ Letzteres läßt sich im engeren Sinne als „sexual gratification“ verstehen (Henry 2005 75); zur Personifikation vgl. Mezger (1880) 326 f. Zum Zusammenhang in 6–8 s. Carnes (1995) 8; man beachte auf Aiakos bezogenes ἔβλαστεν (7) (s. Carnes 1986 57–61) neben auf den allgemeinen Segen bezogenem φυτευθείς (17); zu Oinona s. o. S. 17 Anm. 33. Zum doppelten Genitiv s. allgemein Wilamowitz (1959) 3, 46–48. Zum Fehlen des Hauptsatzes nach Vokativ s. Fraenkel (1962) 3, 698 (wenngleich das Prooimion von P. 1 nicht parallel ist: der Hauptsatz ist in 5 f. gegeben; καί [5] bedeutet „so-

2.7. Nemee 8 als Epinikion

71

Händen des Zwangs (3: ἀνάγκας) durch die „unwiderstehliche Allgewalt des Eros“227. Hora ist dabei in erster Linie „the spring-time of life, the bloom of youth“:228 Insofern sie als Übermittlerin (1: κάρυξ) die jeweilige Begierde erzeugt, ist sie konkret als personifizierte Jugend des Siegers Deinis selbst zu fassen; für den Sprecher sitzt sie auf dessen Lidern und macht ihn dadurch selbst zur vollkommenen Verkörperung der Jugend.229 Als solche erzeugt sie aber offenbar Begierde, die wiederum für den Lobenden konkret darin besteht, dem Freund Gutes zu erweisen.230 Dies kann er durch das Loben erreichen, die Sichtbarmachung der Leistung des Gefeierten durch das Unterstellen eines Musensteines. Größeren Begierden hingegen (etwa bezüglich des Megas) muß er widerstehen; diese wären nicht mehr wünschenswert. Insofern ὥρα aber auch allgemein „the fitting time or season for a thing“ bezeichnet,231 ist sie nicht nur Verkörperung der Jugend (des Siegers), sondern auch des (ins Zeitliche gewendeten) Prinzips des rechten Maßes, und als solche hebt sie den einen mit sanften Händen, den anderen mit anderen Händen empor (3): Somit hat sich speziell auch in Deinis’ Sieg dieses Prinzip gezeigt, und insofern bei ihm diese Eigenschaft und die Jugendlichkeit konvergieren, findet sich die eigentliche Ursache für seine Vorbildhaftigkeit für alle Edlen, die einen einfachen Weg beschreiten wollen. Hierdurch ist er das vollkommene Vorbild für den Lobenden, der nichts mehr als das rechte Maß bewahren muß, so daß unter keinen Umständen der Eindruck aufkommt, daß er übertreibt und einen Akt der Hybris begeht: Dann nämlich erzeugte er bei seinen Zuhörern nichts als Überdruß (vgl. O. 13, 1–12, insbesondere 10: Ὕβριν, Κόρου ματέρα θρασύμυθον), und dieser Überdruß (vgl. aus anderem Blickwinkel 19–34) richtete sich gegen den Gelobten selbst.232 gar“); zur Interpunktion s. Barrett (1964) 259. Vgl. Henry (2005) 73, Postgate (1925) 389. 227 Von der Mühll (1976) 233 (vgl. Ast 1803 223–225); s. Henry (2005) 74 zu ähnlichen Verwendungen des Wortes ἀνάγκη. 228 LSJ s. v. B II 1; vgl. O. 10, 104, fr. 122, 8 (auch O. 9, 94). 229 Vgl. Von der Mühll (1976) 231–237; zur Verbindung von Schönheit und athletischer Leistung vgl. O. 6, 75 f., O. 8, 19 f. (s. u. S. 99 Anm. 63), O. 9, 91–94, O. 10, 99–105, P. 9, 97– 100, P. 10, 55–60, N. 3, 19–21, N. 4, 35 (s. u. S. 127 f. mit Anm. 21), N. 6, 11–13, N. 11, 11– 16, I. 2, 1–5, I. 7, 21 f., auch O. 9, 65 f. Zu dieser Stelle s. auch Σ N. 8, 1a, Dissen 2, 473, Bury (1890) 150 f., Carey (1976) 26–28, Henry (2005) 73 und vgl. Steiner (1998), Hubbard (2003) sowie unten S. 74 f. 230 Vgl. Fränkel (1960) 361 f. (Hora als Verbindung von ἔρως und ἀρετή); Hora ist anstatt des Eros hier deswegen gewählt, weil „she may usurp the functions of Eros without forcing the passage into an exclusively erotic framework“ (Carey 1976 27) – womit auch die Allgemeinheit des Prinzips deutlicher wird. 231 LSJ s. v. B I 1; vgl. O. 6, 28, P. 4, 43. 247. 232 Vgl. O. 2, 95–100, P. 1, 81–88, P. 8, 29–34, N. 7, 48–53, N. 10, 19–22; s. Bulman (1992) 13 f. und Bundy (1972) 89–91 (mit Anm. 111): „True praise does not consist of an exhaustive enumeration of accomplishments“ (90 f.). Allgemein zum mit dem κόρος verbundenen φθόνος s. Bulman (1992) 15–36, auch Kurke (1991a) 209–218 (insgesamt 195–224).

72

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Der Wahrung des rechten Maßes dienen zwei Mittel: 1) Der Lobende betont die eigene Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit. Durch sie erscheint das vorgebrachte Lob, auch wenn es überaus groß ausfällt, dennoch nicht unglaublich; dies verhindert schon im vorhinein Kritik.233 Entsprechend ruft der Lobende gerade Aiakos an (13–16), denn, insofern dieser einer der gerechtesten Menschen überhaupt ist, zeigt er, daß er sich der Legitimität des Lobes sicher ist.234 2) Der Lobende lobt indirekt und verhindert so offene Kritik: So zeigt Nemee 8 als globale Metapher (unter anderem) die Parallelität von Aias und den Siegern, ohne sie explizit zu behaupten, und sorgt gerade hierdurch für ein effektvolles Lob. Entsprechendes gilt für die Parallelisierung der Sieger mit Aiakos; sie impliziert, daß auch die Gefeierten irgendwann einmal sogar als Gott verehrt werden. Dies ist nicht unwahrscheinlich: Auch historische Personen wie Kleomedes von Astypalaia (frühes 5. Jh.), Euthymos aus Lokroi (frühes 5. Jh.), Oibotas aus Dyme (8. Jh.) und Theagenes von Thasos (frühes 5. Jh.), allesamt hervorragende Sportler mit panhellenischen Siegen, genossen nach ihrem Tod (oder sogar schon zu Lebzeiten) heroische oder gar göttliche (Theagenes, Euthymos) Ehren – wobei interessanterweise die Kulte älterer Athleten wie Oibotas erst lange nach ihrem Tod, nämlich im 5. Jahrhundert aufkamen, also in der Zeit von Deinis, Megas und Pindar.235 Dieser Umstand erlaubt die für ein adäquates Verständnis der Bedeutung des Athletischen zu Pindars Zeit zentrale Erkenntnis, daß man in den Athleten anscheinend die Heroen der eigenen Zeit sah. Deutlich zeigt sich dies an Milon von Kroton, dem überragenden Ringer, der 511/510 v. Chr. als Herakles, bekränzt mit seinen Olympienkränzen und ausgestattet mit Löwenfell und Keule, seine Mitbürger in die Schlacht gegen die Sybariten geführt haben soll,236 oder an Oibotas, der in der Schlacht von Plataiai erschienen sein soll, um zusammen mit den Griechen gegen die Perser zu kämpfen (Paus.

233 Vgl. oben S. 69 f. Anm. 220, auch N. 8, 42–44, N. 9, 32–34, zum Gedanken O. 1, 30–35. 234 Dies ist der primäre Grund für Aiakos’ Anrufung, unabhängig davon, ob das Lied im Aiakeion aufgeführt wurde (so Dissen bei Boeckh 2, 2, 440, Dissen 2, 468, Mezger 1880 324, Bury 1890 146, Wilamowitz 1922 406; vgl. Henry 2005 77); zum Aiakeion selbst s. Zunker (1988) 69–72. Zu Aiakos’ Gerechtigkeit vgl. I. 8, 21–24 (wo er über die Götter richtet – wenn dies nicht proleptisch als Ergebnis des folgenden Mythos zu verstehen ist: Hubbard 1987 5–16), Plat. apol. 40 e7–41 b7, Gorg. 523 e6–524 a7 (vgl. aber Christ 1895 24 f.), Apollod. 3, 12, 6, Plut. Thes. 10; s. insgesamt Gantz (1993) 220 f., Carnes (1986) 44–50. 61 f. Vgl. oben S. 17 Anm. 35. 235 S. grundlegend Fontenrose (1968); insbesondere zu Theagenes s. Decker (1995) 133–136 und vgl. Paus. 6, 11, 2–9, zu Euthymos s. Currie (2002); vgl. Boehringer (1996), Smith (2007) 100 f. Heroisierungen sind auch für von Pindar besungene Sieger wie Hieron und Theron bezeugt (s. u. Anm. 241). S.speziell Currie (2005) 120–157 (auch insgesamt). 236 Diod. 12, 9, 5 f.; allgemein zu Milon s. Decker (1995) 131–133, Mann (2001) 175–177.

2.7. Nemee 8 als Epinikion

73

6, 3, 8). Ihr Heroenstatus ließ panhellenische Sportsieger oft sogar als Talisman im Krieg gelten.237 Insgesamt scheinen Athleten gerade in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts eine außerordentliche gesellschaftliche Anerkennung genossen zu haben, die ihnen nicht nur im Militärischen, sondern auch im Sozialen und im Politischen zugute kam: So wirkten Athleten als Oikisten oder als Politiker, zum Beispiel Timasitheos von Delphi (Hdt. 5, 72, 4 in Verbindung mit Paus. 6, 8, 6), Theagenes von Thasos (Dio. 31, 95) und der Boxer Glaukos von Karystos, der in den 480ern für Gelon Kamarina verwaltete (und vom Seegott Glaukos abstammen sollte: Paus. 6, 10, 1, insgesamt 1–3).238 Ebenso gehen bei solch bedeutenden Männern wie Alkmaion, Arkesilaos, Chromios, Demaratos, Hieron, Kallias, Kimon, Megakles, Miltiades, Theron und später Alkibiades das Politische und das Agonistische Hand in Hand. Beispielhaft zeigt auch Herodot diese hohe Bedeutung des Sports, denn er rechnet bei Alkmaion, Demaratos, Kallias, Kimon oder Miltiades einen bei panhellenischen Wettspielen, vor allem den Olympien errungenen Sieg zu den größten Errungenschaften ihres Lebens – und führt ihn nicht nur als kriegerischen Leistungen gleichwertig an, sondern offenbar sogar als etwas, was selbst weiteren kriegerischen Erfolg einbrachte.239 Der entscheidende Grund hierfür ist, daß ein Sieger bei den ἀγῶνες ἱεροί κῦδος erwarb (vgl. oben S. 4 mit Anm. 8), „special power bestowed by a god that makes a hero invincible“240 (vgl. Kap. 1 und 5.4.7) – wobei „hero“ nicht metaphorisch zu verstehen ist: Durch seinen Sieg konnte ein Sportler, vom Gott mit κῦδος gesegnet, offenbar tatsächlich zum Heros werden, und als dieser war er der höchsten Verehrung würdig. Nicht ohne Grund konkurrierten also die vornehmsten und bedeutendsten Männer Griechenlands bei den panhellenischen Spielen miteinander, insbesondere in den hippischen, aber auch in den gymnischen Disziplinen.241 Man denke – um nur einige der von 237 S. Kurke (1993), besonders 133–137; vgl. z. B. Hdt. 5, 102 (auch 6, 35 f.). 238 S. Smith (2007) 100, ebenso zu Glaukos Mann (2001) 245 f. (und 307 f. zu einem Epinikion des Simonides für diesen Sportler); vgl. Σ Aischin. 3, 189. 239 Vgl. neben Pindars Epinikien (und deren jeweiliger Thematik) Hdt. 5, 47; 5, 71; 6, 36; 6, 70; 6, 103; 6, 122; 6, 125 f.; 8, 47; 9, 33; interessant ist N. 11, da der gewählte Prytane Aristagoras vor allem für seinen sportlichen Erfolg gepriesen wird (11–32), und Xenophan. B 2; vgl. unten Kap. 5 zu P. 4 (politische Bedeutung des Pythiensiegs für Arkesilaos IV.) sowie oben Kap. 1. 240 Grundlegend zur Bedeutung des Wortes κῦδος Kurke (1993), das Zitat 132; vgl. unten Kap. 5.4.7. Vgl. Fränkel (1962) 88: κῦδος „bezeichnet die Eigenschaft Erfolg zu haben und als Sieger hervorzugehn; es bezeichnet zugleich auch die ‚Ehre‘ des Erfolgs, das Prestige, die Autorität, die Würde und den Rang“; „die traditionelle Wiedergabe mit ‚Ruhm‘ ist falsch“ (88 Anm. 14). 241 Vgl. Gerbers (1982) xv Anmerkungen, ebenso Köhnken (1974); zu Hieron s. Diod. 11, 66, 4, zu Theron Diod. 11, 53, 2, zu Gelon Diod. 11, 38, 5; man denke auch an Miltiades auf der Chersones (Hdt. 6, 38), Battos und seine Nachfahren in Kyrene (P. 5, 94–103)

74

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

Pindar und Bakchylides Geehrten anzuführen – für die erste Hälfte des 5. Jhs. an Hieron aus Syrakus / Aitne (O. 1, P. 1–3, B. 3–5), dessen General Chromios aus Syrakus / Aitne (N. 1. 9), Theron aus Akragas (O. 2. 3), dessen Bruder Xenokrates aus Akragas (P. 6, I. 2), den Alkmaioniden Megakles aus Athen (P. 7) und Arkesilaos aus Kyrene (P. 4. 5) (sowie später Alkibiades); entsprechend erklärt sich, warum ein so mächtiger Mann wie Thorax, der Herrscher über Thessalien, eine Feier zu Ehren des Pythiensiegers Hippokleas, (wohl) seines Verwandten, veranstaltet (P. 10, insbesondere 64–66).242 Für letzteres wird freilich ebenso wichtig gewesen sein, daß das κῦδος nicht nur dem Sieger, sondern auch seiner gesamten Heimat zugute kam: So verschafft der Sieger Herodotos mit den Kränzen seiner Heimat Theben ebenso κῦδος (I. 1, 12: καλλίνικον πατρίδι κῦδος) wie Hieron seiner Neugründung Aitna (P. 1, 31 f.: κλεινὸς οἰκιστὴρ ἐκύδανεν πόλιν γείτονα).243 Das κῦδος wird durch das Epinikion öffentlich zur Schau gestellt, das so den Charakter der Sieger als Heroen offenbart – und damit eine zentrale lebensweltliche Funktion und Bedeutung innehat:244 Hierin dürfte der tiefere Grund dafür liegen, daß Deinis und Megas in Nemee 8 mit Aias und Aiakos parallelisiert werden. Dies fügt sich jedoch in den zeitgeschichtlichen Rahmen: Beginnend mit der Jahrhundertwende war man bereit – in einem revolutionären Bruch zur archaischen Epoche – derartige Menschen in außerordentlich hohem Maße (religiös) zu ehren. Dies zeigt sich insbesondere daran, daß sich panhellenische Sieger von nun an immer stolzer und selbstbewußter in Form von Siegerstatuen in der Öffentlichkeit präsentierten und sich (unter dem Anspruch der Wahrhaftigkeit: ἀλήθεια) immer mehr zum Abbild perfekter Männlichkeit stilisierten245 – die selbst wiederum das Idealbild der

242

243 244 245

und Brasidas in Amphipolis (Thuk. 5, 11, 1: s. Hornblower 1996 449–457); vgl. Currie (2005) 3. Zur Herkunft der Athleten s. Mann (2001) 33–39, Pleket (2001), Golden (1998), insbesondere 141–175, auch Young (1988); für einen Überblick über den Forschungsstand s. Müller (1996), 46 f. Anm. 23; für Pindars Lieder vgl. unten S. 76 Anm. 251. Kurke (1991a) 1–12 skizziert die zugrundeliegende Ideologie. Zu Alkibiades s. Kap. 5.4.7; Syrakus’ Macht in der ersten Hälfte des 5. Jhs. zeigt z. B. Hdt. 7, 157–162 (insgesamt 153–167); zu Chromios s. Braswell (1992) 27 f. (vgl. Leutsch 1859, insbesondere 45–57); zu Theron K. Meister: „Theron“, DNP 12/1, 431 f.; zu Megakles K. Kinzl: „Megakles [2]“, DNP 7, 1134, ausführlich (besonders hinsichtlich der Agonistik) Mann (2001) 86–102 (vgl. Hornblower 2004 249–251), überblickshaft zur politischen Bedeutung seiner Familie E. Stein-Hölkeskamp: „Alkmaionidai“, DNP 1, 509–511; zu Arkesilaos s. u. Kap. 5 (insbesondere 5.4); zu Thorax vgl. Hdt. 9, 1. 58, auch 7, 130, zur Herrschaftsposition der Aleuadai Hdt. 7, 6, 2 (s. auch Stamatopoulou 2007). Die kulturgeschichtlichen Hintergründe beleuchtet Kurke (1991a) 163–194. S. insgesamt Kurke (1993); vgl. O. 4, 11 f., O. 5, 7 f., O. 10, 66, N. 9, 11 f. Kurke (1993) 155. Vgl. zu den Statuen Smith (2007) 91, insgesamt 88–94, ebenso Pollitt (1974) 14–23; die Zeugnisse für Siegerstatuen in Olympia sind bei Hermann (1988) gesammelt.

2.7. Nemee 8 als Epinikion

75

Götter-Darstellungen war.246 Entsprechend wandelt sich auch der Stil der Weihinschriften der Siegerstatuen (bzw. davor der Dreifüße), die, noch etwa zur Mitte des 6. Jhs. maßvoll bescheiden, mehr und mehr stolz-arrogant den Triumph verkündeten, oft ohne Hinweis auf göttliche Hilfe.247 Entsprechendes ist für die zeitgleiche Philosophie festzustellen, in der man die eigenen intellektuellen Leistungen hervorkehrt und sich selbst für die wahre Erkenntnis der Welt preist, sogar glaubt, im Akt der Erkenntnis zu einem Gott geworden zu sein (vgl. Empedokles und Parmenides) – einem Gott, der ebenso wie der Mensch im allgemeinen das Idealbild der Götterdarstellung ein abstrakt-objektiviertes Abbild des menschlichen Denkens selbst ist! Ein ähnliches Bild zeigt sich in der übrigen, in allem von einem umfassenden Wandel gekennzeichneten griechischen Kultur, denn überall tritt ein stolz-arrogantes Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten hervor, nicht zuletzt im politisch-militärischen Bereich, kulminierend im Sieg über das Perserreich.248 Dies alles läßt sich auf den Begriff des Könnensbewußtseins bringen, das offenbar in der gesamten griechischen Gesellschaft seine Spuren hinterläßt, insbesondere in Religion, Kunst, Philosophie und Literatur249 – und außer speziell in der Dichtung Pindars, eines durchweg stolz-arroganten Dichters (dessen σοφία gerade auch das Können des Könnensbewußtseins bezeichnet: s. o. S. 57 mit Anm. 177 f.),250 auch im Athletischen: Nur so ist nämlich erklärlich, wieso ein Laufsieger wie Deinis voller Ernst und glaubwürdig als heroengleich dargestellt werden konnte. Die Möglichkeit hierzu beruhte freilich auch darauf, daß ein Sieger wie Deinis meist einem alten, adligen Geschlecht angehörte, so daß er, insofern man sich auf einen heroischen Stammvater und über ihn auf einen Gott zurückführte, letztlich schon von Geburt an heroischer Natur war: So führten sich zum Beispiel die Philaidai, denen Miltiades und Kimon angehörten, auf Aias zurück, die Aleuadai, die thessalischen Herrscher, und ebenso die spartanischen Könige auf Herakles, die Alkmaioniden auf Alkmaion, den Enkel Nestors, des Sohnes des Poseidonsohnes Neleus, und die Emmenidai, denen Theron von Akragas angehörte, auf die Labdakidai, mithin über Agenor 246 Vgl. Meier (1993) 71 f.; die Idealität der Schönheit behandelt Steiner (1998). 247 Ein Überblick findet sich bei Thomas (2007) 152–163 (vgl. 165). Beispiele sind Ebert (1972) Nr. 11 [56 f.]. 12 [58 f.]. 14 [64–66]. 15 [66–69]. 16 [69–71]. 19 [77–79]. 20 [79– 82] und vor allem 26 [92–96] (s. Maróti 1990). Hiermit vergleiche man die frühen Epigramme Nr. 2 [36 f.]. 3 [38–42]. 4 [42 f.]. 5 [44–46]. 6 [46–48], in denen insbesondere die jeweils den Sieg schenkende Gottheit genannt ist. 248 Vgl. den Reflex dieses Sieges in I. 8, 1–15a; den grundlegenden (vor allem konzeptuellen) Wandel im Politischen beleuchtet Meier (1995) 275–325; zum Wandel in der Philosophie s. o. Kap. 2.5.3.3–4, der in der gesamten Literatur ist wohlbekannt (man denke nur an das Aufkommen der Prosaschriftstellerei und des Dramas). 249 Zum Könnensbewußtsein s. Meier (1995) 435–499. 250 S. Meier (1995) 472 f., vor allem Anm. 96.

76

2. Nemee 8: Das Loben und seine Poetologie

ebenfalls auf Poseidon.251 Genealogisch sind damit viele der Sportsieger den Helden des Mythos gleichwertig – wenn man nicht gleich unmittelbare göttliche Vaterschaft annahm (oder konstruierte, um den genealogischen Mangel auszugleichen, der verhindert hätte, im Sportler einen Heros zu sehen?) wie zum Beispiel bei Diagoras von Rhodos (Hermes oder Herakles) und Theagenes (Herakles).252 Derartige Menschen sind demnach immer schon Heroen – wenngleich anscheinend so lange bloß mutmaßlich, bis sie eine überragende, heroische Leistung vollbringen, aufgrund deren sie für würdig erachtet werden können, tatsächlich als Heros zu gelten; eine kategoriale Trennung zwischen Mensch und Heros existiert für diese Zeit offenbar nicht.253 Beispielhaft zeigt sich dies auch daran, daß in der neu gefundenen Simonides-Elegie auf die Kämpfer von Plataiai (frr. 10–18 W) insbesondere die Anlage des Prooimions diese Kämpfer mit den homerischen Kämpfern vor Troia parallelisiert und gleichstellt.254 Bewiesene Vortrefflichkeit garantiert also, daß man (wie Aiakos in N. 8) als Heros anerkannt wird; Vortrefflichkeit hat aber fraglos auch ein Sportler bei den panhellenischen Spielen im Sieg über alle anderen Griechen bewiesen. Gerade solch ein Sieg (der griechische Sport war 251 Zu den Philaidai vgl. Plut. Alc. 1, 1, Pherekyd. FGrH 3 F 2 und s. Möller (1996), Higbie (1997) 292–298; zu den spartanischen Königen P. 10, 1–5 (ebenso zu den Aleuadai; s. o. Anm. 242), Hdt. 7, 204; 8, 131; zu den Emmenidai O. 2, 35–47 (vgl. Gantz 1993 202 f., Apollod. 2, 1, 4); s. allgemein J. Rüpke: „Genealogie“, DNP 4, 905–908. Bezeichnend ist die Nennung der Familie des Siegers bzw. die Zurückführung seiner Herkunft auf einen Gott / Heros z. B. in O. 6 (Iamidai, abstammend, wie der Mythos zeigt, von Apollon und Poseidon), O. 7 (Eratidai; abstammend von Herakles und Amyntor, also über zwei Linien von Zeus [20–23]; vgl. Σ O. 7, 42a), O. 8 (Blepsiadai, abstammend von Zeus: 15 f. [?: s. u. S. 99 mit Anm. 58]), O. 13 (Korinthier, abstammend vom Herakliden Aletes [13 f.]), P. 7 (Alkmaionidai: s. o. Anm. 242), P. 8 (Meidylidai), P. 10 (Aleuadai: s. o. Anm. 242), N. 4 (Theandridai), N. 6 (Bassidai), N. 7 (Euxenidai), N. 8 (Chariadai), I. 3/4 (Kleonymidai, verbunden mit den Labdakidai), I. 6 (Psalychiadai; ebenso I. 5). Ebenso führt sich der König von Kyrene, Arkesilaos IV., dessen Sieg P. 4 und P. 5 feiern, über den Stadtgründer Battos auf den Argonauten und Poseidonsohn Euphamos zurück (s. Kap. 5); die Battiaden wurden in Kyrene als Heroen verehrt (vgl. P. 5, 94–98: Battos ist ἥρως und seine gestorbenen Nachfahren βασιλέες ἱεροί; s. Krummen 1990 147, Currie 2005 228–246). 252 Vgl. für Diagoras Σ O. 7 inscr. c (s. Decker 1995 136–138), für Theagenes Paus. 6, 11, 2. 253 Vgl. (unabhängig von der Gesamtdeutung) fr. 133 (wo man in 3 f. die Parallelisierung von politischer Macht, körperlicher Kraft und Klugheit beachte); s. insgesamt zu diesem Fragment Bluck (1961) 69. 277–286, Willcock (1995) 173 f., Holzhausen (2004), Currie (2005) 129 f. Erhellend sind auch Alkibiades’ Ausführungen bei Thukydides (6, 16) nach seinem Olympiensieg 416 v. Chr. im Rahmen der Werbung für die Sizilische Expedition (s. Mann 2001 102–113 und grundlegend Kurke 1991a 163–194; vgl. unten Kap. 5.4.7). 254 Diese Elegie wurde jüngst eingehend diskutiert: zur Heroisierung der Kämpfer s. LloydJones (1994) 1, Boedeker (1995), Aloni (1997), Boedeker (2001), Fantuzzi (2001), Bremmer (2006), Meyer (2007) (s. insgesamt Boedeker – Sider 2001, Kowerski 2005). Ein ähnlicher Gedanke unterliegt Thukydides’ Archäologie (1, 2–19), denn sie soll den Peloponnesischen Krieg als größten Krieg aller Zeiten erweisen – und damit als größer als den Troianischen (1, 9–11; s. Schwinge 2008 13–20). S. insgesamt Currie (2005) 89–119.

2.7. Nemee 8 als Epinikion

77

nicht ohne Grund niemals Mannschaftssport) war offenbar das entscheidende Indiz für den Heroenstatus dieses Menschen. Im Kontext der kulturellen Umstände ist damit die Annahme einer Gleichsetzung von Deinis mit einem der größten mythischen Heroen keineswegs abwegig. Ganz im Gegenteil: Die Erkenntnis der Möglichkeit, einen Menschen als Heros darzustellen, ist die zentrale Grundlage eines angemessenen Verständnisses des Pindarischen Epinikions, das offenbar nicht nur in Hinsicht auf seine Verbindungen zu Philosophie und Literatur ein Produkt seiner Zeit ist, sondern auch in seiner Bereitschaft, Menschen zu Heroen zu erklären, wenn sie großartige Leistungen wie einen Sportsieg über alle anderen Griechen bei einem heiligen Kultfest vollbracht haben. Und dies macht schließlich auch nachvollziehbar, warum man anscheinend streng darüber wachte, diese Ehre nicht vorschnell zu erweisen, und eine gefühlte Hybris hart sanktionierte: Es geht um das Höchste, was ein Mensch erreichen konnte. In diesem Sinne ist freilich das indirekte (durch die Metapher geleistete) Lob zweckdienlich, denn es ist bei gleichem Ergebnis (als Statuenbasis den Heroenstatus des als glänzendes Abbild seiner selbst dienenden Besungenen zu demonstrieren) die am wenigsten angreifbare Form des Lobes – und es wirkt entsprechend effektvoller. Akzeptieren wir dies, erweisen sich Pindars Epinikien tatsächlich als Epinikien, die, in Intention und Gestaltung ein Spiegelbild ihrer Kultur, theoretisch und praktisch ihr hochgestecktes Ziel erreichten – wie gerade die achte Nemee, die den Sieger subtil in einem immensen Maß zu preisen versteht.

3Olympie 8: Die Teleologie des Siegs 3.1Text und Übersetzung Aʹ

5

10

15

20

Bʹ 25

30

Μᾶτερ ὦ χρυσοστεφάνων ἀέθλων, Οὐλυμπία, δέσποιν’ ἀλαθείας, ἵνα μάντιες ἄνδρες ἐμπύροις τεκμαιρόμενοι παραπειρῶνται Διὸς ἀργικεραύνου, εἴ τιν’ ἔχει λόγον ἀνθρώπων πέρι μαιομένων μεγάλαν ἀρετὰν θυμῷ λαβεῖν, τῶν δὲ μόχθων ἀμπνοάν. ἄνεται δὲ πρὸς χάριν εὐσεβίας ἀνδρῶν λιταῖς· ἀλλ’ ὦ Πίσας εὔδενδρον ἐπ’ Ἀλφεῷ ἄλσος, τόνδε κῶμον καὶ στεφαναφορίαν δέξαι. μέγα τοι κλέος αἰεί, ᾧτινι σὸν γέρας ἕσπετ’ ἀγλαόν. ἄλλα δ’ ἐπ’ ἄλλον ἔβαν ἀγαθῶν, πολλαὶ δ’ ὁδοί σὺν θεοῖς εὐπραγίας. Τιμόσθενες, ὔμμε δ’ ἐκλάρωσεν πότμος Ζηνὶ γενεθλίῳ, ὃς σὲ μὲν Νεμέᾳ πρόφατον Ἀλκιμέδοντα δὲ πὰρ Κρόνου λόφῳ θῆκεν Ὀλυμπιονίκαν. ἦν δ’ ἐσορᾶν καλός, ἔργῳ τ’ οὐ κατὰ εἶδος ἐλέγχων ἐξένεπε κρατέων πάλᾳ δολιχήρετμον Αἴγιναν πάτραν, ἔνθα σώτειρα Διὸς ξενίου πάρεδρος ἀσκεῖται Θέμις ἔξοχ’ ἀνθρώπων. ὅ τι γὰρ πολὺ καὶ πολλᾷ ῥέπῃ, ὀρθᾷ διακρῖναι φρενὶ μὴ παρὰ καιρόν δυσπαλές· τεθμὸς δέ τις ἀθανάτων καὶ τάνδ’ ἁλιερκέα χώραν παντοδαποῖσιν ὑπέστασε ξένοις κίονα δαιμονίαν – ὁ δ’ ἐπαντέλλων Χρόνος τοῦτο πράσσων μὴ κάμοι – Δωριεῖ λαῷ ταμιευομέναν ἐξ Αἰακοῦ, τὸν παῖς ὁ Λατοῦς εὐρυμέδων τε Ποσειδάν, Ἰλίῳ μέλλοντες ἔπι στέφανον τεῦξαι, καλέσαντο συνεργόν

3.1. Text und Übersetzung



5

10

15

20

Bʹ 25

30

79

Mutter der Goldkranzwettkämpfe, Olympia, Herrin der Wahrheit, wo Seher beim Erschließen aufgrund von Brandopfern den hellblitzenden Zeus auf die Probe stellen, ob er nicht ein Wort betreffs derjenigen Menschen hat, die im Herzen erstreben, große Vortrefflichkeit zu erlangen und von den Mühen ein Aufatmen. Vollbracht wird es als Dankesgeschenk für die Frömmigkeit der Männer in ihren Gebeten. Auf, schönbäumiger Hain von Pisa am Alpheios, nimm diesen Umzug und diese Bekränzung hier an! Groß ist gewiß desjenigen Ruhm für immer, dem dein Geschenk glänzend folgt. Verschiedenes kommt aber zu verschiedenen Menschen vom Guten, und es gibt mit Hilfe der Götter viele Wege des Erfolges. Euch, Timosthenes, loste das Schicksal dem Zeus Genethlios zu, der dich in Nemea hervorscheinend sein ließ und Alkimedon beim Hügel des Kronos zu einem Olympiasieger machte. Schön war er anzusehen, und als jemand, der mit seiner Tat seine Gestalt nicht widerlegte, ließ er als Sieger im Ringen als seine Heimat verkünden das langrudrige Aigina, wo die Retterin, des Zeus Xenios Beisitzerin, geübt wird, Themis, weit über Menschenmaß hinaus. Denn über das, was sich nach vielen Seiten hin weit neigt, mit aufrechtem Sinn eine Entscheidung nicht gegen das Angemessene zu treffen ist schweres Ringen. Ein Gesetz der Unsterblichen hat gerade diesen seeumzäunten Ort hier Fremden aus aller Welt untergestellt, als göttliche Säule – die sich erhebende Zeit werde nicht müde, dies zu tun! –, zugeteilt dem dorischen Volk von Aiakos, den der Sohn der Leto und der weitherrschende Poseidon, als sie gedachten, bei Ilios einen Kranz zu bauen, als Mitwerker zu sich riefen

80

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

35

40

Γʹ 45

50

55

60

65

Δʹ

70

75

τείχεος, ἦν ὅτι νιν πεπρωμένον ὀρνυμένων πολέμων πτολιπόρθοις ἐν μάχαις λάβρον ἀμπνεῦσαι καπνόν. γλαυκοὶ δὲ δράκοντες, ἐπεὶ κτίσθη νέον, πύργον ἐσαλλόμενοι τρεῖς, οἱ δύο μὲν κάπετον, αὖθι δ’ ἀτυζόμενοι ψυχὰς βάλον, εἷς δ’ ἐνόρουσε βοάσαις. ἔννεπε δ’ ἀντίον ὁρμαίνων τέρας εὐθὺς Ἀπόλλων· ‘Πέργαμος ἀμφὶ τεαῖς, ἥρως, χερὸς ἐργασίαις ἁλίσκεται, ὡς ἐμοὶ φάσμα λέγει Κρονίδα πεμφθὲν βαρυγδούπου Διός, οὐκ ἄτερ παίδων σέθεν, ἀλλ’ ἅμα πρώτοις ἄρξεται καὶ τερτάτοις’. ὣς ἦρα θεὸς σάφα εἴπαις Ξάνθον ἤπειγεν καὶ Ἀμαζόνας εὐίππους καὶ ἐς Ἴστρον ἐλαύνων. Ὀρσοτρίαινα δ’ ἐπ’ Ἰσθμῷ ποντίᾳ ἅρμα θοὸν τάνυεν, ἀποπέμπων Αἰακόν δεῦρ’ ἀν’ ἵπποις χρυσέαις καὶ Κορίνθου δειράδ’ ἐποψόμενος δαιτικλυτάν. τερπνὸν δ’ ἐν ἀνθρώποις ἴσον ἔσσεται οὐδέν. εἰ δ’ ἐγὼ Μελησία ἐξ ἀγενείων κῦδος ἀνέδραμον ὕμνῳ, μὴ βαλέτω με λίθῳ τραχεῖ φθόνος· καὶ Νεμέᾳ γὰρ ὁμῶς ἐρέω ταύταν χάριν, τὰν δ’ ἔπειτ’ ἀνδρῶν μαχᾶν ἐκ παγκρατίου. τὸ διδάξασθαι δέ τοι εἰδότι ῥᾴτερον· ἄγνωμον δὲ τὸ μὴ προμαθεῖν· κουφότεραι γὰρ ἀπειράτων φρένες. κεῖνα δὲ κεῖνος ἂν εἴποι ἔργα περαίτερον ἄλλων, τίς τρόπος ἄνδρα προβάσει ἐξ ἱερῶν ἀέθλων μέλλοντα ποθεινοτάταν δόξαν φέρειν. νῦν μὲν αὐτῷ γέρας Ἀλκιμέδων νίκαν τριακοστὰν ἑλών, ὃς τύχᾳ μὲν δαίμονος, ἀνορέας δ’ οὐκ ἀμπλακών ἐν τέτρασιν παίδων ἀπεθήκατο γυίοις νόστον ἔχθιστον καὶ ἀτιμοτέραν γλῶσσαν καὶ ἐπίκρυφον οἶμον, πατρὶ δὲ πατρὸς ἐνέπνευσεν μένος γήραος ἀντίπαλον· Ἀίδα τοι λάθεται ἄρμενα πράξαις ἀνήρ, ἀλλ’ ἐμὲ χρὴ μναμοσύναν ἀνεγείροντα φράσαι χειρῶν ἄωτον Βλεψιάδαις ἐπίνικον,

3.1. Text und Übersetzung

35

40

Γʹ 45

50

55

60

65

Δʹ

70

75

81

für die Mauer, denn es war tatsächlich vorherbestimmt, daß es, wenn Kriege losbrechen, in städteverheerenden Kämpfen wilden Rauch ausatmen sollte. Funkelnde Schlangen sprangen, als er neu erbaut worden war, auf den Turm zu dritt; zwei von ihnen fielen hinunter, und sofort warfen sie voller Furcht ihre Seelen fort, eine aber sprang mit einem Schrei herein. Es sprach, nachdem er das Zeichen gegenüber bedacht hatte, gradheraus Apollon: „Pergamos wird bei der Arbeit deiner, Heros, Hand genommen, wie mir das Zeichen sagt, vom Kroniden geschickt, dem schwerdonnernden Zeus, nicht ohne deine Kinder, sondern es wird von zugleich Ersten und Dritten beherrscht werden!“ So also sprach der Gott verläßlich und eilte zum Xanthos, zu den schönpferdigen Amazonen und zum Istros mit seinem Gefährt. Der Dreizackschwinger jedoch lenkte zum Meeresisthmos den Wagen schnell, geleitend Aiakos hierher auf goldenen Stuten, um Korinths Hügelkamm beaufsichtigen zu können, den festesberühmten. Nichts Gleiches wird unter Menschen angenehm sein. Wenn ich Melesias’ Prestige von den Bartlosen im Hymnos zu durchrennen aufgesprungen bin, soll mich die Mißgunst nicht mit rauhem Stein bewerfen! Denn auch aus Nemea will ich in gleicher Weise dieses Dankesgeschenk nennen, und das der Männerkämpfe danach aus dem Pankration. Das Lehren ist gewiß für den Wissenden einfacher. Unverständig ist das Nicht-im-voraus-Wissen. Leichter nämlich sind der Unerfahrenen Sinne. Betreffs jener Werke könnte jener wohl weit über andere hinaus sagen, welche Weise einen Mann voranschreiten läßt, der gedenkt, aus heiligen Wettspielen begehrtesten Ruhm davonzutragen. Indem Alkimedon ihm jetzt einerseits als Geschenk den dreißigsten Sieg errang, er, der durch göttliche Fügung und ohne Verfehlen der Männlichkeit auf vier Jungenkörper von sich die überaus verhaßte Heimkehr, allzu ehrlose Zunge und einen verstohlenen Heimweg abwendete, hat er andererseits dem Vater des Vaters Kraft eingehaucht, des Alters Gegenringer. Den Hades vergißt gewiß ein Mann, der Angemessenes erfährt. Ich aber muß die Erinnerung erwecken und der Hände Flor aufzeigen, den für die Blepsiadai siegreichen,

82

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

ἕκτος οἷς ἤδη στέφανος περίκειται φυλλοφόρων ἀπ’ ἀγώνων. ἔστι δὲ καί τι θανόντεσσιν μέρος κὰν νόμον ἐρδομένων· κατακρύπτει δ’ οὐ κόνις 80 συγγόνων κεδνὰν χάριν. Ἑρμᾶ δὲ θυγατρὸς ἀκούσαις Ἰφίων Ἀγγελίας ἐνέποι κεν Καλλιμάχῳ λιπαρόν κόσμον, Ὀλυμπίᾳ ὅν σφι Ζεὺς γένει ὤπασεν. ἐσλὰ δ’ ἐπ’ ἐσλοῖς 85 ἔργα θέλοι δόμεν, ὀξείας δὲ νόσους ἀπαλάλκοι. εὔχομαι ἀμφὶ καλῶν μοίρᾳ νέμεσιν διχόβουλον μὴ θέμεν, ἀλλ’ ἀπήμαντον ἄγων βίοτον αὐτούς τ’ ἀέξοι καὶ πόλιν.

3.1. Text und Übersetzung

denen schon der sechste Kranz umliegt aus blätterbringenden Wettspielen. Gewiß haben auch die Gestorbenen einen Anteil am nach der Sitte Vollbrachten, und es verbirgt kein Staub 80 der Verwandten teuren Dank. Wenn er Hermes’ Tochter Angelia hört, dürfte Iphion Kallimachos vom glänzenden Schmuck erzählen, den in Olympia ihnen als Geschlecht Zeus gewährte. Edle Taten füge er 85 edlen bereitwillig hinzu, heftige Krankheiten wehre er ab. Ich bete darum, daß er um das Schicksal der Schönen keine zwiefachgesinnte Vergeltung lege, sondern ein Leben ohne Leid bringend stärke er sie und die Stadt.

83

84

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

3.2Problematik Olympie 8 feiert den aiginetischen Ringer Alkimedon, der 460 v. Chr. einen Sieg als παῖς errang.1 Obgleich das Lied der reifen Schaffensperiode Pindars entstammt – er war etwa sechzig Jahre alt –, wird es zumeist negativ beurteilt,2 insbesondere weil es (wie sich aus der Anrede Olympias im Prooimion ergebe) in aller Eile noch am Wettkampfort selbst komponiert und einstudiert worden sei.3 Doch ein größeres Problem als mangelnde Kunstfertigkeit scheint zu sein, daß Alkimedons Sieg strenggenommen nur ca. neun Perioden, also ein Zehntel des Liedes, gewidmet sind (17–20. 65–69). Dies ist zwar mehr als in Nemee 8 (und zumindest in expliziter Form), doch stellt sich anscheinend auch hier die Frage, ob das Lied den Sieger tatsächlich substantiell lobt – zumal andere Dinge und Personen zum Teil in größerem Maße gepriesen werden, unter anderem Olympia (1–11), Timosthenes (15 f.), Aigina (21–30), Melesias (54–64) und die gesamte Familie des Siegers (74–84). Das Preislied scheint also kaum ein Preislied für Alkimedon allein zu sein. Ebenso hat auch der Mythos (31–52), die mit 22 Perioden mit Abstand längste Passage des Liedes, keinen offensichtlichen Bezug zum Sieger oder zum Anlaß – denn was könnte den Mauerbau eines reifen, zivilisationsstiftenden Mannes ohne Kampf, Gefahr und Bewährung mit dem Olympiensieg eines Knaben im Ringen verbinden?4 Zumal Aiakos’ Tat kein Erfolg, sondern eine Niederlage zu sein scheint, denn er, „having helped to make a wall that will not stand“, scheint als Mensch lediglich die Garantie dafür zu liefern, daß „something that was under divine protection could yet be destroyed“: „The flaw in the divine product is the work of a non-divine hand.“5 Der negative Ton des Mythos scheint aber in einem Epinikion unpassend zu sein,6 zumal im Vergleich mit Nemee 8 die Betonung von Aiakos’ Minderwertigkeit gegenüber den Göttern überrascht. Insgesamt stellt sich damit die Frage, welche kohärente Sinnstruktur das Lied besitzt und wie es als Epinikion verstanden werden konnte. Die Beant1 2 3

4 5 6

S. Σ O. 8 inscr. und (unabhängig) Afric. Ol. 80 (was die Datierung sichert). Zur Altersklasse (s. insbesondere 68) vgl. Pfeijffer (1998) 32–34 (auch unten S. 318 Anm. 2). S. Wilamowitz (1922) 405 und (etwas positiver) Farnell 1, 46. Vgl. Race (1990) 141–164. So Farnell 2, 59 (ebenso 1, 46). Das Lied müßte allerdings (wenn dies nicht in Siegeserwartung schon vorher geschehen wäre: vgl. unten S. 110 Anm. 110) in weniger als einem Tag verfaßt und einstudiert worden sein: Ab 468 v. Chr. wurden die Kämpfe in den Kampfsportarten von Mittag bis Abend des vierten Tages, also am vorletzten Tag der Spiele, ausgetragen. Grundsätzlich scheinen die Sieger (außer durch die Siegerproklamation und ein gemeinsames Festmahl am fünften und letzten Tag) jedoch nicht gesondert geehrt worden zu sein (Lee 2001 102). Vgl. Burnett (2005) 212. Burnett (2005) 212 bzw. 213; ähnlich schon Didymos (Σ O. 8, 41a). Vgl. zur Aussage des Mythos Mezger (1880) 383; s. schon Dissen 2, 100 f.

3.3. Die Mauer und der Ruhm

85

wortung dieser Frage beginnt am besten mit demjenigen Liedbestandteil, der das größte Problem darzustellen scheint: dem Mythos – zumal er selbst in seinem inneren Zusammenhang höchst problematisch ist.

3.3Die Mauer und der Ruhm Der Aiakos-Mythos wirkt nicht nur wie ein Fremdkörper, sondern scheint auch widersprüchlich zu sein: Poseidon und Apollon ziehen den Menschen Aiakos zum Mauerbau für Troia hinzu, weil die Stadt später fallen soll, denn eine nur von Götterhand erbaute Mauer (die ja die Stadt vor dem Fall bewahrt hätte) könnte nicht zerstört werden. Nach dem Bau zeigen sich drei Schlangen, von denen die ersten beiden beim Angriff sterben, die dritte hingegen siegreich ist, und dies wird von Apollon anscheinend so gedeutet, daß Aiakos’ erste (insbesondere Telamon) und dritte Kindergeneration (insbesondere Neoptolemos) siegreich sein würden, die zweite jedoch (insbesondere Achilleus und Aias) nicht.7 Damit aber widersprechen sich Schlangenzeichen und Deutung grundlegend: Während im Zeichen der entscheidende Unterschied zwischen den beiden ersten und der dritten Schlange besteht, besteht er in der Deutung zwischen der ersten (Telamon) und dritten Aiakidengeneration (Neoptolemos) einerseits und der zweiten (Achilleus / Aias) andererseits.8 Diese Unstimmigkeit verwundert um so mehr, als die Deutung sowohl von Apollon selbst (43 f.) als auch vom Erzähler (41. 46) als hinreichend und passend verstanden wird. Erklärt wird dies zumeist als dichterischer Fehler oder als Unvermögen, zwei widersprechende Mythenvarianten zur Übereinstimmung bringen zu können.9 Doch Pindar dürfte mit etwa 60 Jahren zu erfahren für solch eine offensichtliche Ungereimtheit gewesen sein. 3.3.1Die Mauer und ihre Erbauer Den Mythos vom Mauerbau von Troia für Laomedon kennt schon die Ilias (7, 452 f.; 21, 441–457):10 Poseidon und Apollon sollen in Zeus’ Auftrag einen einjährigen Dienst für Laomedon ableisten (ein Grund wird nicht angegeben)11 und zusammen eine Stadtmauer erbauen (vgl. Hes. fr. 235 MW) 7 8 9

So Burnett (2005) 213 f.; s. u. für andere Deutungen. Vgl. nur Farnell 2, 63 f. Letzteres bei Burnett (2005) 213 f. (mit einem Erklärungsversuch der dabei zugrunde liegenden Motivation); vgl. Farnell 1, 45; 2, 63 f. 10 S. Gantz (1993) 221, Zunker (1988) 82; zur zweiten Stelle auch Richardson (1993) 91 f. 11 In Σ O. 8, 41b ist eine Bestrafung für einen Aufstand, bei Hellanikos FGrH 4 F 26 und Apollod. 2, 5, 9 eine Prüfung Laomedons genannt; vgl. insgesamt Zunker (1988) 82 f.

86

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

bzw. Poseidon diese Mauer bauen und Apollon Laomedons Kühe hüten; dieser prellt sie um den Lohn und droht ihnen Gewalt an (vgl. Apollod. 2, 5, 9). Pindar hat diesen Mythos also nicht erfunden.12 Doch sind zwei Züge nur bei ihm bezeugt (sieht man von Euphorion ab: Σ O. 8, 41a): Aiakos’ Beteiligung und das Schlangenzeichen. Da schon Didymos hierfür keinen früheren Autor nennen konnte, ist wahrscheinlich, daß beides auf Pindar selbst zurückgeht.13 Damit stellt sich jedoch die Frage, ob sich mit dieser Änderung des bekannten Mythos eine bestimmte Aussageabsicht verbindet. Angesichts von N. 8, 19 liegt die Vermutung nahe, daß hier der Sieg des geehrten Ringers zum Zweck des Siegerlobs aufgenommen wird, und dies läßt sich – insofern derjenige im Ringen siegte, der seinen Gegner insgesamt dreimal zu Boden warf – konkret wie folgt fassen:14 Durch Aiakos’ zusätzliche Beteiligung steigt die Anzahl der Mauererbauer auf drei, was den Mauerbau metaphorisch als Ringkampf deutet; dies impliziert, daß Aiakos’ Beteiligung den Erfolg (Sieg) der Erbauer insgesamt garantiert, denn sein (nur als Mensch zu leistender) Beitrag entspricht dem dritten Niederwurf. Gegen diese Annahme spräche nicht, daß eine zeitliche in eine personelle Dreiheit transformiert wird, denn der „dritte Niederwurf war eine verbreitete griechische Metapher [sc. metaphorisiertes Zeichen] für eine entscheidende Niederlage“15 und wird zumal von Angehörigen eines Ringers erkannt worden sein können. Allerdings ergäbe sich eine prima vista problematische12 Vgl. die Bekanntheit voraussetzenden Bezugnahmen bei Euripides (Andr. 1009, Tro. 4– 7, Hel. 1509–1511). 13 Σ O. 8, 41a; vgl. Carey (1989b) 5 Anm. 19 und Hubbard (1987) 19–21, der dies unter anderem mit Verweis auf Didymos’ Zuverlässigkeit (vgl. Harding 2006 1–4. 31–39 sowie umfassend Deas 1931 19–27) glaubhaft macht. Zweifel zeigen Wilamowitz (1922) 405 (freilich kaum zwingend begründet), Burnett (2005) 213; für beide ist allerdings „a disinclination to credit Pindar with invention on this scale“ (Carey 1989b 5 Anm. 19) als Ursache zu vermuten. Unwahrscheinlich ist, daß es sich um eine aiginetische Lokaltradition handelt (so Farnell 1, 45, Zunker 1988 82 f.; überzeugend hiergegen Hubbard 1987 20 f., hiergegen jedoch wiederum Carnes 1995 24 Anm. 44). 14 Als Bodenwurf galt, wenn man den Gegner mit Rücken, Schultern oder Bauch den Boden berühren ließ; die Kampfdauer selbst war nicht begrenzt (vgl. Σ Aischyl. Eum. 589; s. Gardiner 1978 183, Poliakoff 1989 39, Doblhofer [u. a.] 1998 402–407); als Niederwurf galt wohl auch, den Gegner so festzuhalten, daß er sich nicht mehr entwinden konnte, ebenso eine Bodenberührung des Knies (s. Poliakoff 1982 10 und 1989 40). S. zum Ringen insgesamt Gardiner (1905), Poliakoff (1982, 1989), knapp Weiler (1981) 169–176, Decker (1995) 79–83, für eine umfassende Quellensammlung Doblhofer [u. a.] (1998). 15 Poliakoff (1989) 39 f. Allein bei Aischylos finden sich mehrere metaphorische Verwendungen dieser Regel: explizit in Ag. 171 f. (s. Fraenkel 1962 2, 104), Choeph. 339, implizit in Eum. 589, Ag. 1551 f. (s. u. S. 91 Anm. 31); s. insbesondere Poliakoff (1980) zur Funktion der Ringkampfmetaphorik in der Orestie (vgl. Petrounias 1976 167–170. 190 f.). Entsprechend sind die Ableitungen τριακτήρ (im übrigen nicht τριαστής: s. Harris 1968) im Sinne von „victor“ und τριάζειν (Gardiner 1978 183) im Sinne von „conquer, vanquish“ lexikalisiert (LSJ s. vv.); vgl. Etym. m. s. v. τριάσσειν.

3.3. Die Mauer und der Ruhm

87

re Implikation: Da der Mauerbau einem (Ring-) Kampf entspräche, handelte es sich bei ihm um einen Kampf gegen Troia, den die Stadt durch Aiakos’ Beteiligung verlöre. Der Erfolg des Mauerbaus bestünde dann nicht im Schutz der Stadt, sondern in ihrer späteren Einnahme. Doch ist gerade dies die Pointe des Mythos: 1) Nicht nur wird nirgendwo positiv gesagt, daß die Mauer zu Troias Schutz gebaut werde, sondern ganz im Gegenteil zeigt hieran niemand ein Interesse; alle scheinen vielmehr die Voraussetzungen des späteren Untergangs aktiv und willentlich herbeiführen zu wollen. Insbesondere die beiden Götter sind nicht unzufrieden oder überrascht, als Apollon den Untergang der Stadt durch das Bauwerk prophezeit, sondern sie reisen ohne Unmutsbezeugung sofort ab (47–52) – und grollen Aiakos, dem eigentlich Verantwortlichen, nicht nur nicht, sondern Poseidon belohnt ihn (nach Apollons Deutung) sogar fürstlich dadurch, daß er ihn auf goldenen Stuten nach Aigina geleitet (50 f.) und ihn damit als Herrscher einsetzt (s. u. S. 111–113).16 So aber handeln keine Götter, deren Werk durch menschliche Beteiligung gegen ihren Willen zunichte gemacht wird, sondern Götter, denen ein Werk nach Plan verläuft. Damit ist der spätere Untergang voll und ganz in ihrem Sinne, und zwar sowohl nach Fertigstellung der Mauer (d. h. zur Zeit von Apollons Deutung, im übrigen vor der Lohnprellung: 37) als auch zu Beginn des Mauerbaus selbst. Letzteres zeigt sich in 31–33 konkret auch darin, daß die Götter Aiakos allein und willentlich herbeirufen (s. das Medium καλέσαντο [32]),17 und zwar μέλλοντες … στέφανον τεῦξαι (32). Dies läßt sich sprachlich (der Infinitiv des Aorists wird bei μέλλειν immer „nur da angewandt, wo der Begriff der momentanen Handlung, sei es in ingressivem oder in abschliessendem Sinne, in den Vordergrund tritt“) nur als ‚gerade als sie damit zu beginnen gedachten, den Kranz zu verfertigen‘ oder als ‚gerade als sie aufzuhören gedachten, den Kranz zu verfertigen‘ verstehen.18 In beiden Fällen offenbart sich die Bedeutung, die die Götter Aiakos zuweisen: Sie halten es für notwendig, daß Aiakos entweder die ganze Zeit oder zumindest am Schluß beteiligt ist. 2) Die Götter rufen Aiakos hinzu, weil vorherbestimmt ist (33: ἦν ὅτι … πεπρωμένον), daß die Stadt19 in städteverheerenden Kämpfen (35) wilden Rauch ausatmen solle (36), wenn die Kriege losbrechen (34). Aiakos’ Beteili16 Diese Pointe des Mythenabschlusses entgeht z. B. Wilamowitz (1922) 405. 17 Vgl. allgemein KG § 374 1 (vgl. 5). 18 Das Zitat KG § 388 Anm. 4; μέλλειν bedeutet „ich denke“, und „dieses ist entweder ‚ich gedenke etwas zu thun‘, will etwas thun, oder ‚ich bedenke mich etwas zu thun‘, ich zögere, zaudere.“ Im Kontext kommt freilich nur das erste in Frage (man beachte ὅτι [33]). 19 Das Bezugswort zu νιν (33) dürfte Ἰλίῳ und nicht τείχεος sein (so Σ O. 8, 44a): Das Pronomen steht nur selten für αὐτό, ungleich häufiger jedoch für αὐτόν oder αὐτήν (vgl. Slater s. v. νιν); zudem ist hier entscheidend, daß die Stadt und nicht die Mauer in Flammen aufgeht (gegen Boeckh 2, 2, 182). Vgl. Slater s. v. ἀμπνέω a.

88

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

gung am Mauerbau ist also notwendig dafür, daß sich das Schicksal vollziehen und Troia untergehen kann. Genau deswegen (33: ὅτι, hervorgehoben durch die Stellung von ἦν [33])20 rufen die Götter in Kenntnis der Sachlage freiwillig einen Helfer herbei, dessen Hilfe den späteren Untergang der Stadt garantieren kann. Damit muß jedoch (in Verbindung mit 1) die Mauer intentional zum Untergang der Stadt gebaut worden sein: Etwas anderers wäre bei Apollons Allwissenheit unmöglich (vgl. P. 9, 42–49: Kap. 6.4.2). Dann aber ist eine Ringkampfmetapher semantisch keineswegs unpassend: a) Aiakos’ Beitrag ist in der Tat der dritte Niederwurf der Stadt und entscheidet den gesamten Kampf um Troias Zukunft. b) Der Beitrag der beiden Götter wird adäquat als die ersten beiden Niederwürfe erfaßt, denn diese bringen zwar nicht den Sieg, d. h. Troias Untergang (Götterwerk wäre nicht zerstörbar), bereiten aber durch ihren eigenen Bau und das Hinzuziehen von Aiakos die notwendige Grundlage dafür, daß dieser mit dem dritten Niederwurf den endgültigen Sieg erringen kann. c) Ebenso wird die Rolle Troias adäquat erfaßt, denn es erfährt im Mauerbau durch Apollon, Poseidon und Aiakos jeweils einen Niederwurf und damit insgesamt die Niederlage. 3) Die paradoxe Eigenschaft der Mauer, intendierter Garant des Untergangs zu sein, zeigt sich in der Formulierung Ἰλίῳ μέλλοντες ἔπι στέφανον τεῦξαι (32): Während der στέφανος hier prima vista (metaphorisch) die Mauer bezeichnet, der gesamte Ausdruck folglich als ‚die Götter wollten zu Ilios hinzu eine Mauer bauen‘ zu verstehen ist, ist die Wahl gerade dieses Wortes signifikant, denn ein στέφανος ist bei Pindar fast immer der Siegeskranz, insbesondere an drei anderen Stellen dieses Liedes (1. 10. 76).21 Doch ein Siegeskranz ist die Mauer für Troia ja offenbar nicht (zumal die Stadt ihn sich selbst erringen müßte), sondern ihn erwerben sich die Erbauer der Mauer und speziell Aiakos für sich selbst. Der Ausdruck bedeutet damit in seiner Metaphorizität neben ‚zu Ilios hinzu eine Mauer bauen‘ zugleich ‚gegen Ilios einen Siegeskranz verfertigen‘, so daß der Inhalt des Kampfes (der Mauerbau) und 20 Diese Wortstellung dient „to emphasize a more important word or words“ (Gerber 1982 83 f.), womit ἦν ὅτι … πεπρωμένον ‚denn in der Tat war es vorherbestimmt, daß […]‘ bedeutet (zu ἦν vgl. O. 1, 35. 55 mit Gerber 1982 70); vgl. die Stellung des Relativpronomens in O. 2, 23, P. 3, 89, P. 4, 246, P. 6, 50, fr. 12 (für weiteres s. Gerber 1982 33, KG § 606 5). 21 Vgl. Slater s. v., besonders a; die unter b angeführten Stellen („garland as a sign of festivity or success“) sind meist ebenso (als Zeichen der Festesfreude) mit dem Sieg verbunden (vgl. LSJ s. v.). Bei Slater s. v. ist als Beleg für die Bedeutung „circling wall“ nur diese Stelle verzeichnet (vgl. LSJ s. v.); anderswo kennt sie anscheinend nur Anakreon (fr. 391 PMG), allerdings mit dem klärenden Zusatz πόλεως (vgl. LSJ s. v. I, ebenso Soph. Oid. K. 14 f.). Angesichts dessen liegt keine lexikalisierte Metapher vor, sondern die metaphorische Bedeutung „Stadtmauer“ ergibt sich aus einem aktiven Verstehensakt; dieser kann aber von der gewöhnlichen Bedeutung von στέφανος (in der ca. 500 Wörter langen O. 8 dreimal [1. 10. 76, also zweimal vorher] und ausschließlich im Sinne von „Siegeskranz“ verwendet) nicht unbeeinflußt sein.

3.3. Die Mauer und der Ruhm

89

der Sieg selbst (symbolisiert im Kranz) miteinander in unauflösbarer dialektischer Ambiguität verwoben sind (die obige Übersetzung versucht das Schweben des Sinns durch das neutrale „bei“ zu erhalten):22 Die von scheinbaren Freunden auf Troia gebaute Mauer ist der im Bauen gegen die Stadt errungene Siegeskranz ihrer sich tatsächlich als Gegner erweisenden Erbauer. Für dieses Verständnis spricht neben der allgemeinen Verwendung des Wortes στέφανος in diesem Lied im übrigen auch die spätere Formulierung ἐξ ἱερῶν ἀέθλων μέλλοντα ποθεινοτάταν δόξαν φέρειν (64) zum Ausdruck des Sieges bei Kranzwettspielen (konkret bezogen auf die Siege von Melesias’ Schülern), die inhaltlich-sprachlich parallel zu der Formulierung in 32 ist (μέλλοντα ποθεινοτάταν δόξαν φέρειν ≈ μέλλοντες … στέφανον τεῦξαι, und eine ἐξ ἱερῶν ἀέθλων ποθεινοτάτα δόξα ist, da heilige Spiele Kranzspiele sind, der στέφανος). Damit ist der Mauerbau als Ringkampf zu verstehen, den die drei Erbauer gegen die Stadt mit entscheidender Beteiligung des Aiakos gewinnen; während die Leistung der beiden Götter (in auffälliger Verkehrung wegen ihrer Vollkommenheit) defizitär ist, erringt Aiakos durch seinen dritten Niederwurf einen bedeutenden Siegeskranz für die gesamte Gruppe. Der Ton des Mythos ist also nicht negativ, sondern ausgesprochen positiv: Schließlich wird erstens der Sieg des gefeierten Ringers Alkimedon implizit-metaphorisch mit Aiakos’ Ringerfolg verglichen, um so auffälliger, als Aiakos’ Ringen zuvor noch niemals erzählt worden war. Zweitens wird durch die zuvor nicht bestehende kausale Verknüpfung von Mauerbau und späterem Untergang der Grund für letzteren mit bemerkenswerten Konsequenzen neu gedeutet:23 Der Mauerbau wird in 33–36 letztlich final damit begründet, daß er zum Ruhm der Aiakiden erfolgt; allein dank der Mauer können sich Telamon, Achilleus, Aias und Neoptolemos als Helden erweisen.24 Aiakos’ Beteiligung 22 Zu ἐπί mit Dativ als „gegen“ vgl. KG § 438 II, zu τεύχειν Slater s. v. a α; ἐπί ist hier eher nachgestellte Präposition als Präverb (mithin als ἔπι zu akzentuieren), da ein Verb ἐπιτεύχειν nur an dieser Stelle bezeugt wäre (s. LSJ s. v.); eine derartige Stellung der Präposition (s. KG § 452) wäre keineswegs ungewöhnlich (insbesondere wenn man von μέλλοντες absieht, das einer übergeordneten Satzhierarchie angehört: s. KG § 607; nachgestellte Präpositionen können aber auch, insbesondere in der Dichtung, weit von ihrem Bezugswort entfernt sein: vgl. Soph. Aias 792 f.). Die in LSJ mit „make or build for“ angegebene Bedeutung von ἐπιτεύχειν dürfte im übrigen nicht korrekt sein, da „für“ im Bedeutungsspektrum des Präverbs ἐπι- nicht enthalten ist (s. LSJ s. v. G, Schwyzer II 466). 23 Mythenkritik eines religiösen Pindar sehen hier Christ (1895) 22 f., Wilamowitz (1922) 405, aber: Warum sollte er einen Mythos kritisieren, dessen kritisierte Kausalbeziehung zwischen Mauerbau und Einnahme er (augenscheinlich) erst selbst erfunden hat? Denn bezeichnenderweise fehlt gerade dies in der Ilias-Variante (vgl. Carnes 1986 69 f.). 24 Auch hier liegt insofern eine auf der Siegesbedingung beruhende Ringkampfmetaphorik vor, als die syntaktisch-metrische Dreigliederung der Infinitivkonstruktion die Stationen Ausbruch der Kriege – Kämpfe – Untergang chronologisch abbildet, wobei der Untergang dem dritten Niederwurf entspricht. Zugleich finden sich Wörter, die im übrigen Lied in agonistischem Sinn verwendet werden: μάχαις (35) entspricht μαχᾶν (58) mit Be-

90

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

ist damit nicht nur notwendig für den Untergang der Stadt, sondern auch dafür, daß seine Nachkommen ihre Vortrefflichkeit beweisen können. Genau hiervon handelt nun gerade Apollons Deutung des Schlangenzeichens (41– 46) ebenso wie dieses selbst (37–40; vgl. P. 4, 71–78, insbesondere mit S. 253 Anm. 305). 3.3.2Ein Zeichen und Apollons deutliche Deutung Gerade als die Mauer erbaut ist (37),25 springen drei schimmernde Schlangen gegen sie (37 f.); von ihnen fallen zwei hinunter (38) und werfen sofort ihr Leben voller Furcht davon (39; d. h. sterben), die dritte springt jedoch mit einem Schrei auf sie hinauf (40).26 Ebenso wie im Mauerbau zeigt sich auch hier ein Ringkampf: Nicht nur liegt eine Dreizahl der Angreifer vor, sondern die drei Schlangen sind wie die Angreifergruppe Poseidon, Apollon und Aiakos in zwei Teilgruppen geteilt: Während die jeweils ersten beiden Angreifer keinen Erfolg haben, erringt der jeweils dritte den Sieg. Dabei wird mit dem Sterben der ersten beiden Schlangen die Erfolglosigkeit der beiden Götter parallelisiert und das Eindringen der dritten mit Aiakos’ Erfolg. Dieses Ergebnis bestätigen die Details der Darstellung: 1) Die Schlangen weisen eine ebenso schimmernde Haut auf, wie Ringer ölig schimmern, gerazug auf Melesias (vgl. LSJ s. v. I 2; s. zur Auffälligkeit der Verwendung Friederichs 1860 32; doch vgl. unten S. 142 Anm. 87), und ἀμπνεῦσαι (36) nimmt ἀμπνοάν (7) auf, allerdings in Spiegelung der Dialektik der Mauer mit entgegengesetzter Bedeutung: ἀμπνεῦσαι (36) scheint wie ἀμπνοάν (7) eine Erholung (den Schutz durch die Mauer) zu bezeichnen (mit dem Genitiv ὀρνυμένων πολέμων [34] als Objekt, parallel zu τῶν … μόχθων [7]), doch καπνόν (36) zeigt (durch Satz-, Perioden- und Strophenende betont), daß nicht das Atmen der Erholung, sondern das Röcheln des Untergangs bezeichnet ist (λάβρον … καπνόν [36] ist innerer Akkusativ zum Infinitiv [im Sinne von „breathe forth, send forth“: LSJ s. v. ἀναπνέω III 1], der Genitiv ὀρνυμένων πολέμων [34] genitivus absolutus oder Attribut zu μάχαις). Zur Metaphorik vgl. Aischyl. Ag. 63–67 (s. Poliakoff 1980 252. 256). 25 Das Schlangenzeichen kann sich nicht eine Generation früher zur Zeit der Erbauung der Stadt selbst zeigen; so nimmt es anscheinend Slater s. v. κτίζω a und νέος b an, wenn er κτίσθη νέον (37) auf Ilios (32: Ἰλίῳ) bezieht (mit adverbiellem νέον, denn Ἴλιος ist bei Pindar ein Femininum: vgl. Slater s. v., Boeckh 2, 2, 182). Vielmehr ist im Temporalsatz in 37 das Subjekt aus τείχεος (33) oder πύργον (38) zu ergänzen und κτίζειν allgemein als „build“ (vgl. LSJ s. v.) zu verstehen (vgl. Boeckh a. a. O.). 26 Zu 39 vgl. Dornseiffs (1921a) Übersetzung (228): „und ließen sofort zerschellt das Leben“ (so schon Σ O. 8, 49a; vgl. LSJ s. v. αὖθι 1 bzw. ψυχή I). Zu ἐνόρουσε (40) s. LSJ s. v.: „leap in or upon“, gewöhnlich auf einen Angriff bezogen. Die Konstruktion des gesamten Satzes klärt KG § 406 7 f. mit Anm. 11: Es „stellt […] das Subjekt des Verbum finitum den Teilbegriff, das in gleichem Kasus stehende Partizip dagegen den Gesamtbegriff dar.“ Das Partizip ἐσαλλόμενοι (38) dürfte als Partizip des Präsens lediglich „die Handlung nur als in der Ausführung begriffen darstellen“, „ohne Rücksicht auf den wirklichen Abschluss“ (gemeinhin als „konativ“ gefaßt: KG § 382 7); zu οἱ δύο (38) vgl. z. B. P. 3, 98.

3.3. Die Mauer und der Ruhm

91

de in der Mittagssonne des Mittsommers zur Zeit der Spiele.27 Dieses Schimmern ist für Schlangen überraschend, denn das in 37 verwendete Adjektiv γλαυκός bedeutet lediglich „gleaming“, ohne eine Farbe zu bezeichnen; es wäre eher ποικίλος (oder ähnliches) zu erwarten gewesen.28 2) Die Angreifer sind Schlangen (37: δράκοντες), genauer: Würgeschlangen, die mit Ringern insbesondere die ringenden, drückenden und pressenden Bewegungen teilen.29 3) Die Schlangen verhalten sich nicht schlangentypisch, sondern wie Ringer: Obwohl sie grundsätzlich nicht springen können, sondern sich in der Regel schlängelnd fortbewegen, springen sie wie Ringer auf ihren Gegner, den Turm (38: ἐσαλλόμενοι)30, sogar so hoch, daß zwei auf ihn wie im Ringen niederfallen können (38: κάπετον),31 und die dritte läßt wie der Ringer Epharmostos in O. 9, 93 einen Siegschrei erschallen (40: βοάσαις).32 27 Zum öligen Schimmern der (bekanntlich nackten: s. Thuillier 1988, Golden 1998 65–69) Haut s. Lukian. Anach. 1 f. 29, Heliod. 10, 31, 3, Anth. Pal. 14, 28, 3, Theokr. 2, 51, Ov. met. 6, 241. Zum Zeitpunkt der Ringkämpfe im Programm der Spiele s. Lee (2001) 60– 66, zu dem der Olympien im Juli oder August Lee (2001) 7–13. 28 Vgl. LSJ s. v. γλαυκός I: „orig. without any notion of colour, gleaming“, auch s. v. γλαύσσω, zu ποικίλος insbesondere P. 8, 46, P. 10, 46 f.; s. allgemein Sancassano (1996/97) 84–87. Augen sind γλαύκωψ in O. 6, 45, P. 4, 249. Die Schwierigkeit der Erklärung von γλαυκοί (37) zeigen nicht zuletzt die divergierenden Erklärungen des Wortes, z. B. als φοβεροί (Σ O. 8, 48b: „furchteinflößend“) und „feurig“ (Mezger 1880 380). 29 Vgl. Aristot. rhet. 1361 b24 f. zu den Anforderungen an einen Ringer. Das Wort δράκων bezeichnete (jedenfalls in späterer Zeit) Würgeschlangen und allgemein (auch bei Homer) große Schlangen (s. H. Gossen – A. Steier: „Schlange“, RE II A, 1, 494–557, besonders 495. 531–534; vgl. Philum. 30, 1 f.; zum Verhältnis von ὄφις und δράκων s. Dodds 1960 206); zum Vergleich von Ringern und Schlangen vgl. Ov. met. 9, 63, von Ringern und Aalen Lukian. Anach. 1. 28. Zum Motiv der Schlange als Angreifer oder als Verteidiger der Heimat s. Sancassano (1996/97) 80–84; vgl. z. B. Hom. Il. 22, 90–98 (Hektor als Verteidiger) sowie 2, 308–332; 3, 30–37; 12, 200–229 (Achaier als Angreifer). 30 Vgl. Gossen–Steier (wie Anm. 29) 497, Hanns Sachße: „Schlangen“, in: Lexikon der Biologie, Bd. 7, Freiburg 1986, 293 f.; zu ἐσαλλόμενοι (38) vgl. LSJ s. v., speziell Demosth. or. 54, 8, wo sich in einem ähnlichen, von Ringkampfbegriffen durchsetzten Kontext das mehr oder weniger gleichbedeutende Partizip ἐναλλόμενοι findet. 31 Das Objekt ist dem Kontext zu entnehmen (vgl. KG § 597, besonders 2 b). Gewöhnlich bezeichnet καταπίπτειν den Niederwurf (z. B. Aischyl. Ag. 1551 f.; mit metaphorisierter Siegesbedingung im Ringen), doch auch den Niederwurf durch Niederfallen auf den Gegner: vgl. P. 8, 81 f. (τέτρασι δ’ ἔμπετες ὑψόθεν σωμάτεσσι [„Auf vier Körper bist du im Angriff herniedergefallen“]; wegen ὑψόθεν liegt trotz ἔμπετες dieselbe Handlung vor). 32 Über den Schlangenschrei geht Gildersleeve (1890) 196 hinweg („Mythical serpents may make mythical outcry“). Allerdings ist auf Aischyl. Sept. 380 f. hinzuweisen: Τυδεὺς δὲ μαργῶν καὶ μάχης λελιμμένος μεσημβριναῖς κλαγγῆσιν ὡς δράκων βοᾶι („Tydeus aber, voll von Raserei und Kampfesbegierde, schreit wie eine Schlange mit mittäglichem Gezisch“). Hier ist jedoch (gegen Wilamowitz 1922 404 Anm. 2) eher Tydeus’ Schreien als Schlangenzischen als umgekehrt das Schlangenzischen als Geschrei zu verstehen: μεσημβριναῖς κλαγγῆσιν ὡς δράκων bildet eine gedanklich auf die Schlange bezogene Einheit (s. Hutchinson 1985 108), und βοᾶι hat als Subjekt den Menschen Tydeus (zu Eur. Her. 880–883 in diesem Zusammenhang s. Wilamowitz 1959 3, 197–199).

92

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

Das Schlangenzeichen spiegelt mittels seiner Ringkampfmetaphorik den als Ringen gedeuteten Bau der Stadtmauer; die drei Schlangen ringen ebenso wie die Erbauer der Mauer siegreich gegen die Stadt. In der Parallelität wird durch die Betonung des entscheidenden Beitrags der dritten Schlange Aiakos’ Leistung weiter hervorgehoben: Diese hat nicht nur wie Aiakos mehr als die anderen beiden geleistet, sondern auch einen stolzen Kampfesmut bewiesen (40: ἐνόρουσε βοάσαις), während diese (die beiden Götter) ἀτυζόμενοι (39: „distraught from fear, bewildered“, „terrified“)33 waren; sie überragt sie so sehr, daß der Unterschied zwischen ihnen mittels des Kontrastes von Leben (Erfolg) und Tod (Niederlage) ausgedrückt wird. Das Schlangenzeichen wird von Apollon umgehend, aber nach gründlicher Überlegung gedeutet (41–46),34 beginnend mit der Feststellung, daß Pergamos (d. h. Troia) am Ort der Arbeit der Hand des Heros genommen werde (42: Πέργαμος ἀμφὶ τεαῖς, ἥρως, χερὸς ἐργασίαις ἁλίσκεται).35 Diese Aussage bestätigt inhaltlich Aiakos’ zentrale Bedeutung für die Ziele des Mauerbaus, und ebenso die Erkenntnis, daß das Schlangenzeichen den Mauerbau spiegelt, denn beide haben die Niederlage Troias zum Ergebnis (als reale Ursache bzw. im Bild des Zeichens), so daß Apollon berechtigt ist, vom Schlangenzeichen auf den Untergang der Stadt durch Aiakos’ Werk zu schließen. Im Relativsatz (43 f.), der sich anschließt, bekräftigt Apollon seine Deutung mit dem Hinweis darauf, daß das Zeichen von Zeus, der höchsten Instanz, geschickt worden sei.36 Das folgende (45 f.) beschließt Apollons Deutung, allerdings nicht sofort verständlich: οὐκ ἄτερ παίδων σέθεν, ἀλλ’ ἅμα πρώτοις ἄρξεται καὶ τερτάτοις. Nicht nur ist unklar, was ἄρξεται, „a hopeless word“,37 meint, sondern auch, wie die Zahlwörter πρώτοις und τερτάτοις zu verstehen sind (zumal τετράτοις überliefert ist), und nicht weniger, was dies im Rahmen des Gesamtmythos bedeuten könnte. 33 LSJ s. v. I bzw. Slater s. v. 34 Das Zeichen ist den Göttern offenbar nicht ungünstig, und so kann ἀντίον (41) nicht „adverse“ bedeuten. Vielmehr hat es den Sinn „opposite, to face“ (LSJ s. v. I 1 a bzw. I 2; vgl. Slater s. v.; dies ist anscheinend die gewöhnliche Bedeutung bei Pindar); vgl. Farnell 2, 63. Ob wir τέρας abstrakt als „sign, wonder, marvel, portent“ oder konkret als „monster“ fassen (LSJ s. v. I bzw. II), ist im Kontext unerheblich. Zur (sachlich gegebenen) Vorzeitigkeit des Partizips ὁρμαίνων (41) s. u. S. 99 Anm. 60. 35 Die Präposition ἀμφί (42) „schwebt hier zwischen dem lokalen ‚da herum, wo du gearbeitet hast‘ und dem kausalen ‚um deiner Mitarbeit willen‘“ (Von der Mühll 1964 53; anders Bossler 1862 44; vgl. Schwyzer II 438); damit schwebt auch ἐργασίαις (42) zwischen abstraktem und konkretem Sinn (vgl. KG § 346 2–5, insbesondere 2); vgl. Boeckh 2, 2, 182. Auszuschließen ist eine Anspielung auf Hom. Il. 6, 433–439 (so Boeckh, Dissen 2, 182; dagegen Von der Mühll 1964 53 f.). 36 Zum vorliegenden genitivus auctoris s. allgemein Schwyzer II 119. 37 Farnell 2, 64; vgl. Wilamowitz (1922) 404 Anm. 3.

3.3. Die Mauer und der Ruhm

93

Freilich liegt angesichts von παίδων σέθεν eine Generationenzählung von Aiakos’ Nachkommen vor, so daß πρώτοις auf Telamon (weniger auf Peleus oder Phokos)38 und τερτάτοις (als erschlossene äolische Form von τριτάτοις) auf Neoptolemos (weniger auf Epeios)39 zu beziehen sein könnte. Ferner muß das überlieferte τετράτοις als sachlich falsch ausscheiden, weil nach Neoptolemos als Mitglied der dritten Generation keine vierte Aiakidengeneration mehr Troia hätte einnehmen können.40 Hier hilft es nicht, Aiakos (als zu der durch πρώτοις bezeichneten Generation gehörig)41 in die Zählung einzuschließen – weil er, wie sich aus παίδων σέθεν ergäbe, unmöglich ein Kind seiner selbst sein könnte – oder eine inklusive Zählung anzunehmen.42 38 S. Farnell 2, 448 und Σ O. 8, 53e. 59. 60. Peleus’ Beteiligung ist unwahrscheinlich (fr. 172 ist für Pindar der einzige Beleg); Phokos erscheint bei Pindar nur in N. 5, 9–18, wo auf seine Ermordung durch Peleus und Telamon angespielt wird; vgl. S. 146 f. Anm. 102. 39 Vor Troia kämpft auch ein Epeios, Sohn des Phokossohnes Panopeus, insbesondere Erbauer und Insasse des hölzernen Pferdes (vgl. Hom. Il. 23, 664–699, Od. 8, 493, Apollod. epit. 5, 14). Zwar gibt es anscheinend (s. Zunker 1988 90–93) zwei verschiedene Helden namens Phokos, aber ungeachtet der Frage ihrer Identität scheint sicher zu sein, daß Epeios direkter Aiakosnachkomme ist (skeptisch Robbins 1986 318 Anm. 6; s. auch T. Scheer: „Epeios [1]“, DNP 3, 1066). Pindar scheint ihn jedoch nicht zu kennen. 40 S. Ahrens (1860) 52, der τερτάτοις vorschlug (dagegen Farnell 2, 64, Beattie 1955 2, Hill 1963 3 Anm. 3, Robbins 1986 319, Zunker 1988 81; vgl. Turyns Text). Ahrens’ Konjektur ist insofern plausibel, als τέρτος im Äolischen anscheinend häufig war (vgl. Alk. fr. 129, 7 LP und die Eigennamen Τέρτιος und Τερτίκων [Von der Mühll 1964 51]; vgl. LSJ s. v. τέρτος und s. Hubbard 1987 18 Anm. 35). Die Wahl des ungewöhnlichen Wortes könnte damit zusammenhängen, daß τρίτατος metrisch nicht möglich ist (s. Hubbard); zumindest entkräftet dies Robbins’ (1986) 319 Anm. 15 Einwand, daß „Pindar’s regular word for ‚third‘ is in any case τρίτος“. Angesichts der Seltenheit von τερτάτοις ist ein Abschreibfehler nicht unwahrscheinlich, insbesondere auf der Grundlage eines eventuell vorherigen Abschreibfehlers τετάρτοις (in Σ O. 8, 59. 60 eine – metrisch inkorrekte – Variante). 41 Oder auch nicht: συμπεριλαμβάνει καὶ τὸν Αἰακόν· πρῶτοι γάρ εἰσιν οἱ περὶ Πηλέα καὶ Τελαμῶνα, δεύτεροι δὲ Ἀχιλλεὺς καὶ Αἴας τούτων ὄντες υἱοί· τρίτος δὲ Νεοπτόλεμος· συγκαταριθμουμένου δὲ καὶ Αἰακοῦ γίνεται τέταρτος. … πρώτοις οὖν τοῖς περὶ Πηλέα πολεμήσασι, τετάρτοις Νεοπτολέμῳ, συναριθμουμένου καὶ Αἰακοῦ, εἰ καὶ μὴ ἐμαχέσατο (Σ O. 8, 59: „Er schließt auch Aiakos mit ein, denn die ersten sind die um Peleus und Telamon, die zweiten Achilleus und Aias, deren Söhne, und der dritte ist Neoptolemos; zählt man auch Aiakos hinzu, wird er vierter. […] πρώτοις nun: die Kriegführenden um Peleus, τετάρτοις: Neoptolemos, mitgezählt ist auch Aiakos, auch wenn er nicht mitkämpfte“). Ähnlich unverständlich ist Σ O. 8, 60. 42 Daß „Aeacus is the first generation of his own descendants“, vertritt Robbins (1986) 318 f. (vgl. Carey 1989b 4 Anm. 17) mit Verweis auf P. 4, 47 f. 65. 143 f. Doch sind dies keineswegs „excellent analogies“: 1) In τετράτων παίδων κ’ ἐπιγεινομένων αἷμά οἱ [sc. Euphamos] κείναν λάβε … ἄπειρον (P. 4, 47 f.) ist durch αἷμα keine zusätzliche, fünfte Nachkommengeneration bezeichnet; vielmehr ist gesagt, daß das Blut von Euphamos’ Nachfahren (also diese selbst: vgl. N. 11, 33 f., Hom. Il. 1, 250) jenes Festland (sc. Libyen) schon in der vierten Nachkommengeneration (als die „great-great-grandsons of Argonauts“ [Robbins]) hätte besiedeln können (s. Braswell 1988 127 f.: insbesondere ist der Genitiv adnominal [vgl. Schwyzer II 129], und ἐπιγεινομένων bedeutet „born after“). 2) In P. 4, 65 wird der

94

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

Diese Lösung ergäbe hinsichtlich der sachlichen Grundlage des Mythos einen befriedigenden Sinn, denn Telamon (als Mitglied der ersten Generation) tut sich bei Herakles’ Krieg gegen Troia hervor,43 und Neoptolemos (als Mitglied der dritten Generation) darf insoweit als eigentlicher Bezwinger der Stadt gelten, als er mit Priamos und Astyanax das troische Königsgeschlecht auslöscht.44 Damit aber bleibt offen, was ἄρξεται bedeuten könnte – denn mit der ersten und dritten Aiakidengeneration kann die Einnahme der Stadt kaum beginnen,45 zumal die Stadt mit der dritten Generation endgültig beSieger Arkesilaos IV. als παισὶ τούτοις ὄγδοον … μέρος bezeichnet, obgleich er „seventh (for us) in line from the Battus who founded the city“ (Robbins) sei. Allerdings ist fraglich, ob παισὶ τούτοις Battos’ Kinder bezeichnen kann, denn diese wurden vorher weder explizit noch implizit erwähnt; dies aber wäre angesichts des Demonstrativpronomens notwendig (nicht nachvollziehbar Braswell 1988 153). Vielmehr dürfte παισὶ τούτοις auf die kurz zuvor (50–53) von Medea prophezeite Zeugung des Herrschers von Libyen aus dem Geschlecht der Euphamiden zu beziehen sein, so daß hiermit alle (acht) Könige von Kyrene (einschließlich des ersten: Battos) bezeichnet wären; von ihnen wäre Arkesilaos tatsächlich das ὄγδοον … μέρος (alternativ, aber gleichbedeutend ließe sich der Ausdruck auf υἱὲ Πολυμνάστου [59] beziehen, als der Battos angeredet wird; „diese Kinder“ wären dann Polymnastos’ Kinder). Auch hier liegt also keine inklusive Zählung vor (die auch Braswell 1988 153 f. annimmt; zu den Battiaden insgesamt s. B. Patzek: „Battiaden“, DNP 2, 496 f.; παισὶ τούτοις bedeutet angesichts der ebenfalls fehlenden kontextuellen Vorbereitung auch nicht „this generation of the descendants of the colonizers“ [Kirkwood 1982 181] [ähnlich Σ P. 4, 115c, Burton 1962 152]; vgl. Illig 1932 78–81). 3) In P. 4, 142–145 erklärt Iason gegenüber Pelias: μία βοῦς Κρηθεῖ τε μάτηρ καὶ … Σαλμωνεῖ· τρίταισιν δ’ ἐν γοναῖς ἄμμες αὖ κείνων φυτευθέντες σθένος ἀελίου χρύσεον λεύσσομεν („Eine einzige Kuh ist Kretheus und […] Salmoneus Mutter, und unter den dritten Kindern sind wiederum wir, von jenen gepflanzt, und erblicken die goldene Kraft der Sonne“). Hier wird freilich nicht inklusiv gezählt (so auch Braswell 1988 228), sondern es ist gesagt, daß Kretheus und Salmoneus, von denen Iason bzw. Pelias abstammen (κείνων φυτευθέντες: das Verb drückt die direkte Abkommenschaft aus [vgl. LSJ s. v.]), dieselbe Mutter haben; von ihr aus gerechnet befinden sich Iason und Pelias als deren Urenkel in der dritten Nachkommengeneration (die Abstammungslinien ergeben sich mit Ainarete, Kretheus [Tyro], Aison, Iason bzw. Ainarete, Salmoneus, Tyro [Poseidon], Pelias). Keine der drei Stellen weist also eine unerwartete, inklusive Zählung auf. Diese wäre in O. 8 im übrigen schon wegen σέθεν (45) von vornherein ausgeschlossen (womit auch Robbins’ Urteil über die erwartete, exklusive Zählung nicht zu halten ist: „the exclusive reckoning that does not include Aeacus in his own family is anomalous too“). 43 Zum Mythos s. Zunker (1988) 121–126, Gantz (1993) 400–402. 442–444; vgl. unten S. 142 f. Anm. 91 f. Zu Telamons Taten hier vgl. Diod. 4, 32, 5, Apollod. 2, 5, 9; 2, 6, 4 (leicht abgewandelt Diod. 4, 49, 3–7); seine Beteiligung findet sich in N. 3, 36 f., N. 4, 25 f. (hier ist sogar Herakles lediglich Telamons Helfer: s. u. Kap. 4.4.1), I. 5, 34–37, I. 6, 27–31. Schon in der Ilias finden sich Verweise auf diesen ersten Troia-Krieg (5, 638– 642. 648–651; auch 20, 144–148). 44 Seine entscheidende Bedeutung zeigt N. 7, 34–36, pae. 6, 104; zu seiner Tötung des Priamos s. Paus. 10, 27, 2, zu der des Astyanax 10, 25, 9 und Ilias parva fr. 21, 1–5 PEG, ferner Gantz (1993) 650. Zum Teil wird Astyanax jedoch von Odysseus getötet; diese Variante ist aber deutlich weniger verbreitet (Gantz 1993 651. 655–657). 45 Vgl. LSJ s. v. I.

3.3. Die Mauer und der Ruhm

95

siegt ist. Ebensowenig wird die Stadt von der ersten (insbesondere Telamon) und dritten Generation (insbesondere Neoptolemos) beherrscht,46 denn obschon Telamon zusammen mit Herakles die Stadt einnimmt, herrscht er niemals über sie: Nach der Einnahme werden zwar Laomedon und all seine Söhne außer Priamos getötet, doch dieser wird auf der Stelle zum neuen König bestimmt (vgl. Apollod. 2, 6, 4; 3, 12, 3–5, Diod. 4, 32, 4 f.; 4, 49, 3–7) – schließlich will Herakles einzig den wortbrüchigen Laomedon bestrafen. Die Lösung des Problems wurde in einer Emendation von ἄρξεται gesehen, unter anderem in ἄγξεται, ῥάξεται, ῥήξεται, freilich immer mehr oder weniger im Sinne von „Pergamos wird zerstört werden“.47 Insofern gesagt wäre, daß Troia durch die erste und die dritte Aiakidengeneration zerstört würde, überzeugt dies prima vista, doch hinsichtlich des in Olympie 8 erzählten Mythos selbst ergibt sich das Problem, daß Apollon (wie auch der Sprecher des Liedes) die Deutung als Deutung des Schlangenzeichens anführt, in diesem Zeichen sich aber nicht die zweite von der ersten und dritten Schlange, sondern die dritte von den ersten beiden unterscheidet. Damit läge jedoch ein offener Widerspruch in der Sinnstruktur des Mythos vor, der angesichts der engen und expliziten narrativen Verbindung von Zeichen und Deutung um so weniger hinzunehmen ist.48 Folglich scheint der überlieferte Text weder sinnvoll noch emendierbar zu sein. Allerdings fordert der Text selbst, daß sich Deutung und Zeichen zur Deckung bringen lassen sollen – nur ist die Lösung augenscheinlich nicht oberflächlich gegeben, freilich nicht verwunderlich, ist doch Apollon der „Gott […] der verschlüsselten Orakel“, zu dem die „indirekte, verhüllte Offenbarung“ gehört und der darum „Loxías, der ‚Schräge‘“ heißt:49 Apollons schwer verständliche Äußerungen waren nicht in ihrem ersten Sinn zu verste46 S. LSJ s. v. II 4. 47 Ahrens (1860) 52 schlug ἄγξεται vor, ein Verb der Ringersprache (vgl. Poll. 3, 155, LSJ s. v.), das etwa „wird gewürgt“ bedeutet. Ähnlich ist ῥάξεται („wird zu Boden geschmettert werden“), ebenfalls ein Wort des Ringens (vgl. Poll. 3, 155, LSJ s. v.), verteidigt von Gildersleeve (1890) 196, Wilamowitz (1922) 404 Anm. 3, Von der Mühll (1964) 51–53, Hill (1963) 3 f. Bergk und Wiskemann schlugen ῥήξεται und πράξεται („es wird zerbrochen werden“ bzw. „es wird [nämlich die eroberung] vollbracht werden“ [Rauchensteins 1877 66 Übersetzung]), Rauchenstein (1877) 66 οἴξεται („es wird sich öffnen oder geöffnet werden“), Jurenka (1895) 199 f. εἴρξεται („cingit“). Beattie (1955) 1 f. plädiert für ἀέξεται in Verbindung mit τετράτοις, und zwar im Sinne von „but with the first generation it will reach completion and the fourth“, so daß mit πρώτοις Aiakos und mit τετράτοις Neoptolemos und Epeios bezeichnet wären (zu letzterem s. aber oben S. 93 Anm. 39); allerdings ist (abgesehen vom fragwürdigen Gesamtsinn) zweifelhaft, ob ἀέξειν diese Bedeutung haben kann, zumal es mit Bezug auf die letzte Generation kaum klug gewählt wäre (vgl. LSJ s. v. und s. die ablehnende Diskussion bei Hill 1963 4). 48 Dieses Problem sieht Beattie (1955) 1 f. für alle vorgeschlagenen Emendationen (außer seiner eigenen; s. aber oben Anm. 47); vgl. Hubbard (1987) 18 f. 49 Burkert (1977) 231 f.

96

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

hen, sondern mußten wie ein Rätsel gelöst werden; dies nicht beachtet zu haben, wurde zum Beispiel dem Barbaren Kroisos zum Verhängnis.50 Wenn dies aber der Fall ist, dürfen (und müssen) wir vom späteren Ereignis ausgehend den Sinn des Orakels ergründen, das seinerseits dieses spätere Ereignis in mehrdeutig-paradoxer Weise voraussagt. Hierzu gibt es einen sprachlich einfachen Weg, der die Deutung zugleich mit dem mythischen Hintergrund vereinbar macht – wir müssen uns nur von der Prämisse lösen, daß die Wörter πρώτοις und τερτάτοις beide auf eine identische genealogische Zählung von Aiakos’ Nachkommengenerationen verweisen. Die entscheidende Frage ist nämlich, von wem überhaupt gesagt werden könnte, daß er Troia eingenommen hat – denn dies ist angesichts von Πέργαμος … ἁλίσκεται (42) offenbar der Kern von Apollons Ausführungen. An diesen Kern schließt sich – unterbrochen durch den adverbiellen Relativsatz in 43 f. (ὡς … Διός,), der das Zeichen auf Zeus zurückführt – als weiterer Satzteil der Zusatz „nicht ohne deine Kinder“ an (45: οὐκ ἄτερ παίδων σέθεν; die Interpunktion bei Snell – Maehler verschleiert also die syntaktischen Verhältnisse). Dies hebt (durch die Litotes betont: s. u. S. 252 Anm. 304) die allgemeine Bedeutung von Aiakos’ Kindern für die Einnahme hervor – und hier hat speziell Neoptolemos Entscheidendes vollbracht: Insofern er Priamos und Astyanax getötet hat, darf er als jemand gelten, der tatsächlich über die (endgültig besiegte) Stadt geherrscht hat, und zwar als Angehöriger der dritten Generation als erster von Aiakos’ Nachkommen. Genau dies ist die Lösung von Apollons Rätsel: Troia werde aufgrund der Arbeit des Heros Aiakos nicht ohne entscheidende Mithilfe seiner Kinder genommen (42. 45), sondern (45: ἀλλά) von den zugleich ersten und dritten (45 f.: ἅμα πρώτοις … καὶ τερτάτοις) unter ihnen beherrscht werden (45: ἄρξεται). Damit ist erstens ἄρξεται (45) passivisch als „beherrscht werden“ aufzufassen (parallel zu ἁλίσκεται [42]),51 zweitens ἅμα (45) nicht als Präposition, sondern als Adverb (wie bei ἅμα … καί auch die Regel zu sein scheint), das zwei Eigenschaften einer einzigen Person als gleichwertig miteinander verbindet,52 und drittens der Dativ als dativus auctoris, freilich sach50 S. Hölscher (1952) 72 f. (mit Beispielen); vgl. P. 8, 40 (zus. mit dem Orakel 44–55). 51 Zur passiven Verwendung des Verbs vgl. LSJ s. v. II 4; zum passivischen Sinn der medialen Futurform vgl. Aischyl. Pers. 589, Hdt. 7, 159 und s. allgemein KG § 376, insbesondere 3 (vgl. Barrett 1964 159 f.). 52 Zu ἅμα vgl. LSJ s. v. B bzw. A (trotz des Dativs: vgl. Soph. Aias 689 f., Oid. T. 136); vgl. die folgenden Stellen, an denen Eigenschaften einer einzigen Person verbunden werden: Hom. Il. 1, 343; 2, 707 (ὁ δ’ ἅμα πρότερος καὶ ἀρείων: „er aber war der zugleich ältere und stärkere“); 3, 109; 13, 299 (Φόβος φίλος υἱὸς ἅμα κρατερὸς καὶ ἀταρβής: „Phobos, sein zugleich starker und furchtloser Sohn“); 17, 150 (Σαρπηδόν’ ἅμα ξεῖνον καὶ ἑταῖρον: „Sarpedon, zugleich Gastfreund und Gefährte“); 20, 334 (ὃς σεῦ ἅμα κρείσσων καὶ φίλτερος ἀθανάτοισιν: „der im Vergleich mit dir sowohl stärker ist als auch von den Göttern mehr geliebt wird“), Od. 3, 111; 9, 48; 19, 184. Bei all diesen Beispielen und bei Pindar immer ist

3.3. Die Mauer und der Ruhm

97

lich angemessen, denn im Gegensatz zur ὑπό-Konstruktion bezeichnet er neben der bloßen Urheberschaft „die Person, welche an dem passiven Zustande teil nimmt, oder für welche derselbe vorhanden ist“.53 Genau hierauf kommt es aber an, denn Troias Beherrscht-Werden wird von der dritten Kindergeneration nicht nur herbeigeführt, sondern auch ausgeübt. Diese Lösung des Rätsels ist nicht nur in sich und hinsichtlich des mythischen Kontextes stimmig, sondern paßt auch zum Schlangenzeichen, so daß sich der gesamte Mythos als sinnvoll erweist.54 Auch wenn sie sich prima vista nicht aufdrängt, ist sie damit angemessen – und vielleicht sollten wir, die wir uns nicht wie Kroisos als Barbaren zeigen wollen, sie im Gegenteil sogar gerade deswegen für wahrscheinlicher als eine Lösung halten, die „das Orakel in seinem ersten und einfachen Sinne nimmt.“55 Diese Vorsicht legt schon der auktoriale Kommentar zum Abschluß der Prophezeiung nahe, in dem es heißt, Apollon habe verläßlich gesprochen (46: ὣς ἦρα θεὸς σαφὰ εἴπαις).56

53 54

55 56

festzustellen, daß ἅμα eine tatsächliche Gleichzeitigkeit bezeichnet (vgl. Slater s. v., insbesondere die dort verzeichnete Grundbedeutung: „at the same time“ [in O. 13, 30 ist νικῶν im Sinne von „Sieger sein“ zu verstehen, denn das Partizip bezieht sich primär nicht auf den früheren Sieg, sondern auf den gegenwärtigen Zustand zur Zeit des Festes: es ist ἄγει [29] untergeordnet, das zeitgleich mit δέξαι … στεφάνων ἐγκώμιον τεθμόν [29] ist; vgl. KG § 382 4, insbesondere d, Schwyzer II 274 f.]). So erscheint ein Bezug von ἅμα πρώτοις … καὶ τερτάτοις (45 f.) auf verschiedene Generationen schon von vornherein als ausgeschlossen. Ursache der (scheinbaren) Ambivalenz dürfte die Artikellosigkeit der Poesie sein, denn ein Artikel zeigte eindeutig, ob die Dative eine oder zwei Personengruppen bezeichnen (τοῖς ἅμα πρώτοις καὶ τερτάτοις bzw. ἅμα τοῖς πρώτοις καὶ τοῖς τερτάτοις). Vgl. im übrigen Fraenkel (1962) 2, 166–168. KG § 378 11; s. KG § 422 c. Der Vorwurf fehlender Kohärenz findet sich schon in den Scholien und in der Folge bei späteren Interpreten: Danach repräsentierten die Schlangen entweder Aias, Achilleus und Neoptolemos (denn die ersten beiden stürben bei der Erstürmung: Σ O. 8, 52a und 53e, Farnell 1, 45 und 2, 64; einen Überblick gibt Hubbard 1987 17 Anm. 33) oder die Erbauer der Mauer, also Apollon, Poseidon und Aiakos (Σ O. 8, 49b, Robbins 1986 318, Hubbard 1987 18 mit Anm. 34). Das erste Verständnis widerspricht jedoch Apollons Deutung: Erstens gehören Aias und Achilleus derselben Generation an, so daß Telamons und Peleus’ Generation ausgelassen würde (zumal Aias nicht bei der Erstürmung stirbt: Hubbard 1987 19); zweitens können sich die Pluralformen παίδων, πρώτοις und τερτάτοις nicht primär auf einzelne Personen beziehen, sondern nur in dem Sinne, daß sie als Mitglied der jeweiligen Generation gelten sollen. Am zweiten Verständnis ist problematisch, daß in der Deutung selbst von den Erbauern der Mauer keine Rede ist, sondern einzig (und dies explizit) von den Aiakiden; Robbins’ (a. a. O.) Behauptung, diese Deutung befreie davon, das Zeichen mit Apollons Deutung zu vereinbaren, ist im übrigen verfehlt, ebenso die, daß die Annahme, die Schlangen repräsentierten die Anzahl der Generationen, einzig auf dem Schlangenzeichen in der Ilias (2, 308–329) beruhe (wo die Schlangen für die verbleibenden Jahre bis zur Einnahme Troias stehen) und daß deshalb die Schlangen in O. 8 nicht mit der Anzahl der Generationen in Verbindung stünden. Vgl. Hölscher (1952) 72 f. Allgemein zur Bedeutung des Adjektivs σαφής s. Wilamowitz (1959) 3, 18 („σαφὴς ist das

98

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

3.4Der Sieger und sein Umfeld Der Sinn des Aiakos-Mythos ruht auf einer Metaphorik des Ringens auf: Er zeigt drei strukturell gleiche, von jeweils verschiedenen metaphorisierten Zeichen repräsentierte Ringkämpfe gegen Troia, die von drei verschiedenen Gruppen gekämpft werden: der erste von Poseidon, Apollon und Aiakos, der zweite von den drei Schlangen und der dritte von den drei Aiakidengenerationen. In ihnen allen wird die Siegesbedingung im Ringen metaphorisch auf die drei Kämpfer projiziert; hierdurch wird der jeweils dritte Kämpfer (Aiakos, die dritte Schlange und die dritte Aiakidengeneration) zum eigentlichen Sieger, der den endgültigen Sieg für die Gruppe erringt; er überragt seine beiden Mitkämpfer, die aber dennoch die Voraussetzung dafür schaffen, daß er selbst Erfolg haben kann. Die drei als Ringkampf gedeuteten Kämpfe gegen Troia haben dabei eine jeweils verschiedene Funktion: Erstens dient der Mauerbau als sachliche (schicksalsbestimmte) Grundlage für den späteren Fall der Stadt. Zweitens wird Troia im Kampf der Aiakiden tatsächlich besiegt; ihr Sieg (und ewiger Ruhm) beruht auf Aiakos’ vorherigem Erfolg, konkretisiert in der Mauer selbst. Drittens dient der Kampf der Schlangen als Modell für die anderen beiden Kämpfe, primär als Grundlage von Apollons Deutung bezüglich der Aiakiden, sekundär auch indirekt-rückblickend für den Mauerbau (s. o. Anm. 54). Damit erweist sich der Aiakos-Mythos als pointiert-sinngeladener Text, und zwar auf der Grundlage einer Metaphorik des Ringens. Dies läßt vor dem Hintergrund der Untersuchung von Nemee 8 fragen, ob diese Metaphorik nur der Erzeugung des Sinns des Mythos allein dient oder nicht auch hier, in einem Epinikion für einen Ringer, dem Siegerlob. Zur Beantwortung ist freilich eine Kenntnis der Informationen über den Sieger und sein Umfeld notwendig. Diese werden in den zwei Passagen 15–30 und 54–84 gegeben. 3.4.1Alkimedon, Timosthenes und ihre Heimat Die Passage 15–30 widmet sich Timosthenes’ (15 f.) und Alkimedons (17– 20) Erfolgen sowie ihrer Heimat Aigina (21–30): Zuerst wird dem direkt angesprochenen Timosthenes eröffnet, daß das Schicksal ihn und Alkimedon (15: ὔμμε) Zeus Genethlios zugelost habe (15 f.); dieser habe Timosthenes in Nemea hervorscheinend sein lassen (16–18, sc. als Sieger)57 und Alkimedon was sich als das was es ist augenfällig darstellt“), Barrett (1964) 223 f. (223: „for sure, reliably“); vgl. Beattie (1955) 1, Mezger (1880) 46. 57 Zu πρόφατον (16) s. Wilamowitz (1922) 405 Anm. 3, Farnell 2, 61, Von der Mühll (1954) 184–186.

3.4. Der Sieger und sein Umfeld

99

beim Kronoshügel zum Olympiensieger gemacht (17 f.). Hierbei kam Zeus eine doppelte Funktion zu, denn einerseits hat er den Siegern als Schutzgottheit den Sieg gewährt (insbesondere 18: θῆκεν), andererseits ist er, wie γενεθλίῳ (16) zeigt, göttlicher Urvater ihres Geschlechts, der Blepsiadai (75).58 Hieraus ergibt sich, daß Timosthenes offenbar Alkimedons Verwandter war, allerdings ist unklar, ob (z. B.) Bruder oder Großvater, und ebenso, in welcher Disziplin er in Nemea siegte.59 Im folgenden (19 f.) heißt es zu Alkimedon, er sei im Kampf schön anzusehen gewesen und habe, ohne durch seine Tat seine Gestalt zu beschämen,60 als sieghaft Überlegener im Ringen (20: κρατέων πάλᾳ)61 das langrudrige Aigina als seine Heimat ausrufen lassen.62 Bei ihm entsprechen sich also Schönheit und Tat, und seine Schönheit wird zum äußeren Anzeichen für seine vollkommene Kämpfernatur.63 Hieran schließt der folgende Relativsatz (21– 23) ein Lob von Alkimedons und Timosthenes’ Heimat Aigina an: Dort werde Themis, die Beisitzerin des gastfreundbeschützenden Zeus, geehrt, die Retterin, und zwar weit darüber hinaus, wie Menschen sie gewöhnlich vereh58 Entsprechend dem oben in Kap. 2.7 festgestellten Brauch und analog zu P. 4, 166 f., wo Iason Zeus als gemeinsamen Vorfahren anführt (Ζεὺς ὁ γενέθλιος), um mit einem Schwur seine Abmachung mit Pelias zu besiegeln; richtig Slater s. v. γενέθλιος (vgl. oben S. 93 f. Anm. 42). Allgemein ist Zeus Genethlios der Gott, der über die Geburt wacht: s. Farnell 2, 60 f. (der diese Stelle allerdings dahingehend versteht, daß die beiden Sieger „born favourites of Zeus“ seien [61]), allgemein C. Englhofer: „Geburtstag“, DNP 4, 843–845, insbesondere 843. Als primärer Grund ist unwahrscheinlich, daß die Mitglieder der Familie „Zeus in einem alten Geschlechtskult verehrten“ (Wilamowitz 1922 403). 59 Vgl. zu ersterem Σ O. 8 inscr. a. Carey (1989b) 1–6 sieht in Timosthenes Alkimedons Großvater, unter anderem deswegen, weil der in 70 f. genannte Großvater ansonsten (für Pindar ungewöhnlich) namenlos bliebe; hiergegen wendet allerdings Kurke (1991b) 293– 298 ein, daß der Name gerade deswegen nicht genannt worden sein könnte, weil der Großvater wie der Sieger Alkimedon geheißen haben könnte; vgl. aber unten S. 114 f. zu dessen Identität). Ob die Disziplin das Ringen war (Σ O. 8 inscr.), ist ungewiß. 60 Die Litotes ἔργῳ τ’ οὐ κατὰ εἶδος ἐλέγχων (19) entspricht grundsätzlich „einer besonders nachdrücklichen positiven Feststellung“ (Köhnken 1976 63; er übersetzt: „rechtfertigte er durchaus den äußeren Eindruck“); vgl. P. 8, 35 f., I. 3/4, 13 f., I. 8, 65a f. und allgemein unten S. 252 Anm. 304. Zur sachlich gegebenen Vorzeitigkeit von ἐλέγχων (19) (die Handlung findet vor der in 20 ausgedrückten statt) s. allgemein KG § 389 Anm. 9. 61 Zum Tempus von κρατέων (20) s. o. S. 96 f. Anm. 52. 62 ἐξένεπε (20) ist kausativ (vgl. KG § 373 6, speziell Gildersleeve 1890 194), da nicht der Sportler, sondern der Herold die Heimat verkündigte (s. Crowther 1994 140 f. 143–146; den Zusammenhang zeigt P. 1, 29–33); damit ist die Wiedergabe dieser Stelle in LSJ s. v. irreführend („declared Aeg. [to be] his country“). 63 In diesem Sinne erklärt sich die Verbindung von Schönheit und Erfolg im Kampf: vgl. oben Anm. 60 und S. 71 Anm. 229 sowie unten S. 127 Anm. 21, speziell O. 9, 65 f. 91–94 (letzteres ebenfalls auf den Sieger bezogen), N. 3, 19–21, I. 7, 21 f.; vgl. Ebert (1972) Nr. 12 [58 f.], insbesondere V. 3 (bezogen auf den Sieger): κάλλιστον μὲν ἰδεῖν, ἀθλεῖν δ’ οὐ χείρονα μορφῆς („äußerst schön anzusehen, im Kämpfen aber nicht schlechter als seine Gestalt“) im Lichte des dazugehörigen Kommentars (mit weiteren Parallelen); vgl. Steiner (1998).

100

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

ren (23: ἔξοχ’ ἀνθρώπων). Aigina erscheint damit als fromme Insel, auf der Themis und das Gastrecht geehrt werden – oder besser: wie Sport (erfolgreich) „geübt werden“ (22: ἀσκεῖται);64 in diesem Sinne wird das Befolgen von Themis metaphorisch zu einer sportlichen Übung, und insofern man auf Aigina hierin alle Menschen übertrifft, zeigt man eine ins Religiöse gewendete ideale Befähigung zum (metaphorisch verstandenen) Sportler – und damit eine größtmögliche Frömmigkeit, die offenbar metaphorisch parallel zur implizierten sportlichen Befähigung ist.65 Dies wird im nächsten Satz (23–25) näher begründet (23: γάρ): Auf Aigina werde Themis geübt, weil es schwierig sei (25: δυσπαλές), über das, was sich weit und in vielerlei Weise neige (23: ὅ τι … πολὺ καὶ πολλᾷ ῥέπῃ), mit aufrechtem Sinn (24: ὀρθᾷ … φρενί) und nicht gegen das in der jeweiligen Situation Angemessene zu urteilen (24: διακρῖναι … μὴ παρὰ καιρόν).66 Da dies als Begründung dient, kann die Frömmigkeit Aiginas kein passiver Zustand sein, sondern erfordert offenbar eine aktive, kunstvolle Anstrengung. Den Inhalt der Θέμις gibt angesichts des Begründungsverhältnisses ὅ τι … πολὺ καὶ πολλᾷ ῥέπῃ, ὀρθᾷ διακρῖναι φρενὶ μὴ παρὰ καιρόν (23 f.) an. Hierbei handelt es sich um einen mühevollen, aber dennoch siegreich bestandenen Ringkampf: Wie es für einen Ringer schwer ist, über das, was sich viel und in vielerlei Richtung neigt (23: πολὺ καὶ πολλᾷ ῥέπῃ; vgl. O. 9, 91 f.: φῶτας … ὀξυρεπεῖ δόλῳ … δαμάσσαις [„Männer mit schnellschwankender List bezwingend“]), richtig zu urteilen (24: διακρῖναι) und ihm angemessen zu begegnen (24: μὴ παρὰ καιρόν), so daß man aufrecht bleibt und keinen Niederwurf erleidet (24: ὀρθᾷ … φρενί: das Aufrechtsein ist metaphorisch auf die Urteilsinstanz übertragen),67 so ist auch die Themis kein leichtes Unterfangen – doch niemand anderem als den Aigineten ist dies in so vollendeter, übermenschlicher 64 Das Verb ἀσκεῖν hat die Grundbedeutung „work raw materials“ und heißt oft „practise, exercise, train, […], properly of athletic exercise“ (vgl. LSJ s. v. I bzw. II; für die zweite Bedeutung vgl. Hdt. 9, 33, 2, Plat. leg. 795 b6, Thg. 128 e2). Der unterstellte spezielle Sinn „honour a divinity, do him reverence“ (LSJ s. v. I 3) findet sich bei keinem anderen Autor als Pindar und ist insofern fraglich (s. Farnell 2, 61 f.). 65 Hier zeigen sich also keine „signs of hurried composition“, insofern „ἀσκεῖται is only appropriate to an impersonal Themis, Σώτειρα and πάρεδρος are only appropriate to a personal goddess“ (Farnell 2, 62); auch hier wird die Pindarische Ausgestaltung des Göttlichen als Prinzip deutlich (s. o. Kap. 2.5.3.3). 66 Zu πολύ (23) s. insbesondere Slater s. v. 3 c, zu πολλᾷ (23) LSJ s. v. πολύς III 1 b, zu ῥέπῃ (23) LSJ s. v. I 1 bzw. 2, zu διακρῖναι (24) LSJ s. v. III; die Grundbedeutung „separate one from another“ (LSJ s. v. I) scheidet aus, weil keine zwei zu scheidenden Objekte vorliegen; vgl. fr. 168, 6. Allgemein zum Wort καιρός s. u. S. 229 f. Anm. 210; vgl. I. 2, 22 (s. insbesondere Wilson 1980 186), auch vgl. Philostr. gym. 14. 67 Das Wort ὀρθός hat die Grundbedeutung „straight“, und zwar in vertikaler und horizontaler Dimension (LSJ s. v. I bzw. II: „upright, standing“ bzw. „straight“); hiervon leitet sich die übertragene, sekundäre Bedeutung „right, true, correct“ ab (LSJ s. v. III, insbesondere 2); vgl. Slater s. v.; für den Ringkampf vgl. ὀρθοπάλη in Lukian. Lex. 5.

3.4. Der Sieger und sein Umfeld

101

Weise möglich (22 f.: ἀσκεῖται … ἔξοχ’ ἀνθρώπων).68 Diese Metaphorisierung des Ringens zum Ausdruck der Frömmigkeit zeigt sich eindeutig auch im letzten Wort des Satzes: δυσπαλές (25) bedeutet nämlich keineswegs allgemein „difficult“, sondern speziell „hard to wrestle with“, zumal in engem Kontakt zu πάλᾳ (20).69 Insgesamt erscheint Aigina damit als diejenige Insel, auf der beide (ineinander übergehenden) Tätigkeiten in vollkommener Weise ausgeübt werden. Herausragendes Beispiel hierfür ist Alkimedon, der κρατέων πάλᾳ (20). Ein Teil der Frömmigkeit ist gewiß die Gastfreundschaft, und speziell für diese werden die Aigineten im nächsten Satz gepriesen (25–30): Eine Satzung der Unsterblichen habe gerade diese seeumzäunte Insel hier (25: καὶ τάνδ’ ἁλιερκέα χώραν)70 Gastfreunden aus aller Welt als göttliche Säule (d. h. Stütze: vgl. O. 2, 81 f.) untergestellt. Aigina vermag also durch sein vollkommen und ohne eigenen Niederwurf (d. h. siegreich) ausgeübtes Ringen (Themis), Fremden eine Stütze zu sein; die Kunstfertigkeit im Ringen (in der Themis) garantiert die Gastfreundschaft, wobei die Vollkommenheit in beidem offenbar in göttlicher Gunst (25: ἀθανάτων; 27: δαιμονίαν) begründet liegt. Hierin scheint, beachtet man den Hinweis auf die Lage im Meer (25: ἁλιερκέα), auch Aiginas Eigenschaft, Handelsmetropole zu sein, auf,71 so daß nicht nur abstrakt die aiginetische Gastfreundschaft gelobt wird. Damit werden insgesamt vier verschiedene Bereiche, in denen sich Aigina auszeichnet, durch metaphorische Parallelisierung ineinander verwoben: Frömmigkeit, Ringen, Gastfreundschaft und Handelskompetenz.72 Angesichts des gedanklichen Zusammenhangs erscheinen die letzten drei als Sonderformen der Themis; diese garantiert und legitimiert den allgemeinen Erfolg der Insel – wobei durch die Metaphorisierung gerade das Ringen zur wichtigsten Form der Ausübung dieser Frömmigkeit wird (vgl. das Laufen in N. 8, 35–39). Aufgrund ihrer wird auch der parenthetisch geäußerte Wunsch, daß die kommende Zeit nicht müde werde, dies zu tun (28 f.),73 nicht uner68 Zu ἔξοχα s. allgemein KG § 420 2 b; ἔξοχ’ ἀνθρώπων (23) bedeutet „herausragend über Menschen“, und insofern „Menschen“ nicht näher qualifiziert ist (z. B. als „über alle anderen Menschen“), ist das Menschenmaß schlechthin Übersteigende bezeichnet. 69 Beide Bedeutungen finden sich in LSJ und Slater s. v.; vgl. Aischyl. Eum. 559. Renehan (1969) 218 erkennt den Bezug aufs Ringen (ebenso in ἀντίπαλον [71]), allerdings ohne Konsequenzen; vgl. Nash (1990) 110, Mezger (1880) 379, Gildersleeve (1890) 195. 70 Zu καί (25) vgl. GP 316–323, insbesondere 317. 320. Es kann hier nicht „auch“ bedeuten, da kein passender Vergleichspunkt gegeben ist (womit auch kein impliziter Bezug auf Olympia vorliegt: so Farnell 2, 62 f.). 71 Vgl. Σ O. 8, 28b, 29b, Boeckh 2, 2, 180, Farnell 2, 62, Mezger (1880) 378 f., Wilamowitz (1922) 404, Lehnus bei Albini (1989) 139. 72 Zur Bedeutung der Gastfreundschaft im Selbstbild der Aigineten s. u. S. 161 Anm. 154; ebenfalls hierzu und zur Bedeutung des Handels auf Aigina s. Zunker (1988) 31–35. 73 Allgemein zu χρόνος bei Pindar s. Fränkel (1960) 10–12. 20 f. Das Verb ἐπανατέλλειν (LSJ

102

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

füllt bleiben, und so steht Aigina eine nicht nur fromme, sondern auch erfolgreiche Zukunft bevor. Insbesondere wird sie die vollkommene Heimat für Ringer wie Alkimedon und Timosthenes sein und ihnen gerade dadurch bedeutende Siege verschaffen, und zwar auf der Grundlage göttlicher, im Frömmigkeitsringen erworbener Gunst (15–18. 25–27). 3.4.2Melesias, Alkimedon und die Blepsiadai Die zweite Passage zum Sieger (54–84) ist dreigeteilt: 54–64 ist Melesias, 65–73 (bzw. 76) Alkimedon und 74–84 den Blepsiadai gewidmet. Im ersten Teil wird Melesias (der Athener oder wohl eher Aiginete gewesen sein könnte)74 als aktiver Sportler (54–59) und als Trainer (59–64) – sicherlich des Alkimedon, vielleicht auch des Timosthenes75 – gelobt. Er war jedoch nicht nur bei Alkimedon erfolgreich, sondern seine Schüler konnten insgesamt schon dreißig Siege erringen, anscheinend bei panhellenischen Spielen (64: ἐξ ἱερῶν ἀέθλων); speziell der dreißigste Sieg war Alkimedons jetziger Olympiensieg (65 f.).76 Zwei seiner Schüler (deren Siege wohl vor dem Alkimedons zu datieren sind) kennen wir im übrigen namentlich: Der eine ist der aiginetische Ringer Timasarchos, dessen Nemeensieg als παῖς Nemee 4 preist (das Trainerlob findet sich in 93–96; s. u. Kap. 4), der andere ist der aiginetische Ringer Alkimidas, dessen Nemeensieg ebenfalls als παῖς Nemee 6 preist (das Trainerlob findet sich in 64–66). Wie eine Gnome aufzeigt (59–61), ist die allgemeine Grundlage des Trainererfolgs das Wissen: Lehren sei gewiß leichter für einen Wissenden s. v. I: „raise“) erweitert, transitiv aufgefaßt, die mit κίονα (27) gegebene Metapher. 74 Wir besitzen hierzu kein eindeutiges antikes Zeugnis: laut Σ O. 8 inscr. b war er Aiginete, laut Σ N. 4, 155a Athener. Nichtsdestoweniger sehen ihn als Athener Farnell 2, 65, WadeGery (1932), insbesondere 208–211 (Vater des athenischen Politikers Thukydides), Woloch (1963); hiergegen Wilamowitz (1922) 398 Anm. 1 (der wohl zu Recht eine Verwechslung mit dem athenischen Trainer Menandros aus N. 5, 48 erkennt), Von der Mühll (1964) 55, Gerber (1999) 35. Kirchner (1996) zieht in einer prosopographischen Untersuchung insbesondere Wade-Gerys These (167–175) in Zweifel: Melesias sei wohl Athener gewesen, nicht aber Thukydides’ Vater. Man beachte aber die hier unten vorgebrachte Vermutung zu Melesias’ aiginetischer Herkunft als Alkimedons Großvater (insbesondere S. 114 f.). Zu Melesias als Trainer bei Pindar s. Kramer (1970) 82–97. 75 So Whitmore (1918) 346 (vgl. Paton 1890). Allerdings trifft seine Annahme, Timosthenes sei auf Alkimedon eifersüchtig, weil sich ihr Rangverhältnis durch den Olympiensieg umgekehrt habe, ebensowenig zu wie die, daß in 56–59 zu Timosthenes’ Besänftigung dessen und nicht Melesias’ Siege genannt sind (hiergegen schon Gildersleeve 1919 103). 76 Daß in 65 f. nicht von dreißig Siegen seiner Schüler, sondern von dreißig siegreichen Schülern die Rede ist (so Σ O. 8, 86a. c, Mezger 1880 381, Wilamowitz 1922 397 f.), widerspricht dem Text (νίκαν τριακοστάν; richtig Σ O. 8, 86e), ebenso (da Thema Melesias’ Trainertätigkeit ist), daß diese Siege Melesias’ eigene enthalten (so Carey 1989c 287).

3.4. Der Sieger und sein Umfeld

103

(59 f.),77 während das Nicht-vorher-Wissen unverständig sei (60), denn die Sinne der Unerfahrenen seien allzu leicht (61; oder: leichter als die der Erfahrenen; vgl. oben S. 12 Anm. 9, S. 70 Anm. 221). Diese allgemeine Aussage wird dann auf Melesias angewendet (62–64): In bezug auf jene Werke dürfte jener (Melesias) wohl weit mehr als andere sagen können (62 f.), welche Art und Weise, Methode einen Mann voranbringen werde (63), der gedenkt, aus heiligen Wettspielen den begehrtesten Ruhm davonzutragen (64).78 Melesias verfügt also angesichts seines Erfolgs über das notwendige Maß an Wissen, und dies wird in der vorangehenden Passage (54–59) beglaubigt, eingeleitet durch den Wunsch (54 f.), daß die Mißgunst den Sprecher nicht mit einem rauhen Stein bewerfe, wenn er – ausgedrückt in einer Metapher des Laufens – mit seinem Lied gerade aufgesprungen sei, um Melesias’ κῦδος aus den Wettkämpfen der Bartlosen zu durchrennen (εἰ δ’ ἐγὼ Μελησία ἐξ ἀγενείων κῦδος ἀνέδραμον ὕμνῳ).79 Ausgangspunkt ist die vorangehende Gnome (53) mit dem Inhalt, daß nicht Gleiches unter Menschen freudebringend sei (τερπνὸν δ’ ἐν ἀνθρώποις ἴσον ἔσσεται οὐδέν).80 Dies läßt sich angesichts des unmittelbar vorangehenden Hinweises auf die Isthmien und ihren Schutz77 Nach Forbes (1933) 167 müsse διδάξασθαι (59) auf Timosthenes im Sinne von „to get oneself taught“ bezogen sein, nicht aktiv auf Melesias; ein aktiver Sinn ist aber möglich (s. LSJ s. v. I 1). Alternativ ließe es sich mit Mezger (1880) 381 als „sich Schüler heranzuziehen“ oder mit Gildersleeve (1890) 198 als „intense διδάξαι“ verstehen; vgl. unten Anm. 81. 78 Der Akkusativ κεῖνα … ἔργα (62 f.) neben dem Fragesatz (63 f.) als Inhalt des Sagens erklärt sich mit KG § 412 3 (anders Boeckh 2, 2, 184); zu μέλλοντα (64) vgl. oben S. 87 Anm. 18. Zu τρόπος (63) s. Thimme (1935) 22. 79 Die Mißgunst darf (wie Von der Mühll 1964 55 betont, sich aber z. B. auch aus N. 8 ergibt [s. o., besonders Kap. 2.3]; vgl. Bulman 1992) nicht mit der Begründung, ihre Nennung sei sonst unerklärlich, dahingehend gefaßt werden, daß sie sich gegen den Athener Melesias richte (so Farnell 2, 65; s. aber unten S. 114 f. zu dessen Herkunft sowie oben Anm. 74; vgl. unten S. 124 Anm. 1). Zur Sportmetapher in ἀνέδραμον (54) vgl. LSJ s. v. II 1, speziell Hdt. 3, 36, 4; weniger wahrscheinlich läuft der Lobende (wie in einem Diaulos) zum Startpunkt, also zu den Anfängen von Melesias’ Erfolgen, zurück (Kramer 1970 95). Bei dem Aorist ἀνέδραμον handelt es sich um den emphatischen Aorist eines (metaphorischen) Verb des Sagens, der im Deutschen am besten durch das Perfekt übersetzt wird („ich habe hiermit gesagt u. s. w.“: KG § 386 9 c; vgl. Von der Mühll 1964 55 Anm. 15, allgemein auch Käppel 1992 117 Anm. 106). Damit liegt im Aorist auch kein Wechsel der Intention (Farnell 2, 65); vgl. zu dieser Stelle Carey (1989c) 287–290, Bulman (1992) 35. 80 Subjekt ist also ἴσον und nicht τερπνόν oder οὐδέν. Ausführlich diskutiert diesen Satz Carey (1989c) 287–290 (mit einer Darstellung der bisherigen Deutungen); umfassend arbeitet die Forschung Lloyd-Jones (1991) 240 f. auf: 1.) ‚Nichts wird in gleicher Weise Gefallen finden bei den Menschen‘, d. h.: Nicht jeder wird mit dem Lob des Melesias zufrieden sein. 2.) ‚Nichts Angenehmes wird in gleicher Weise unter Menschen verteilt sein.‘ 3.) ‚Keine Freude wird genauso groß sein wie die des Aiakos.‘ 4.) ‚Keine Freude unter den Menschen wird genauso groß sein wie die der Götter.‘ 5.) ‚Keine Freude unter den Menschen wird dieselbe bleiben.‘ 6.) ‚Götter sind überall fröhlich, Menschen nur an ihrem eigenen Platz.‘ Er selbst ersetzt ἴσον durch ἀεί (241 f.), und zwar im Sinne von 5.). Vgl. aber die Gnome in 12–14, die dem hier vorgeschlagenen Sinn entspricht.

104

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

gott Poseidon (52) und angesichts des direkt folgenden allgemeinen Verweises auf Melesias’ Erfolg als aktiver Sportler (54: ἐξ ἀγενείων κῦδος) in Verbindung mit dem emphatischen Aorist (s. o. Anm. 79) und dem Umstand, daß der Sprecher offenbar Melesias ein potentiell Mißgunst erregendes Lob für ebendieses κῦδος abgestattet zu haben meint, so verstehen, daß er indirekt auf einen Isthmiensieg des Melesias als ἀγένειος hinweist, wohl im Pankration (vgl. 59).81 Hieran schließt sich die Nennung zweier weiterer Siege an, zuerst eines Nemeensieges (56 f.): Diese χάρις (im Sinne von „Sieg“) wolle der Sprecher in gleicher Weise (56: ὁμῶς) auch hinsichtlich Nemeas (56: καὶ Νεμέᾳ) nennen; hierbei bestätigen speziell die Wörter καί (56), ὁμῶς (56) und ταύταν (57) die Deutung von 53–55.82 Melesias’ dritter Sieg ist ein Sieg im Pankration der Männer (58 f.)83, wohl ebenfalls bei den Nemeen. Da dieser Sieg als Pankrationsieg gesichert ist, liegt nahe, dasselbe auch für die anderen beiden Siege anzunehmen (wenngleich dies nicht notwendig ist, insofern viele Athleten oftmals in beiden Disziplinen Erfolg hatten).84 Offenbar war Melesias mit seinen drei Siegen bei panhellenischen Spielen ein bemerkenswert erfolgreicher Sportler. So findet die folgende gnomische Aussage bezüglich des Wissens des Trainers (59–61) ihre naheliegende Anwendung auf Melesias; dieser erscheint als jemand, der in der Tat von allen Menschen am besten lehren könne (62–64). Dies beruht, wie die Dreizahl der Siege metaphorisch nahelegt, auf der Vollkommenheit seines aktiven sportlichen Erfolgs (vgl. unten zu N. 4, insbesondere 25–32). Die folgende Passage (65–73) hat Alkimedons eigene Erfolge zum Thema: Er habe jetzt für Melesias den dreißigsten Sieg als Geschenk errungen (65 f.), wobei er durch die Fügung einer Gottheit (67) und ohne ein Verfehlen der Männlichkeit (67; s. u. S. 252 Anm. 304; vgl. oben S. 99 Anm. 60) auf vier Gegner85 eine äußerst hassenswerte Heimkehr, allzu entehrende Nach81 Den Isthmiensieg hat zuerst Christ (1896) 65 erkannt; vgl. Bischoff (1938) 61 f., Von der Mühll (1964) 54 f., Lloyd-Jones (1991) 240, Carey (1989c) 289 f. (mit einem Ringkampfsieg); die Gnome ist damit nicht „in itself trite, and does not make a serviceable link“ (Farnell 2, 65; vgl. Wilamowitz 1922 405). Manche beziehen ἐξ ἀγενείων κῦδος (54) auf die Ehre durch die Siege seiner Schüler (z. B. Rauchenstein 1877 66, Mezger 1880 381, Gildersleeve 1890 197, Whitmore 1918 346, Forbes 1933, Kurke 1991b 294–296; dagegen Friederichs 1860 31 f., Nairn 1901a 13, Farnell 2, 65). Dies widerspricht aber insbesondere dem Sinn des Wortes κῦδος (s. o. Kap. 1), da man dieses sich nur selbst gewinnen kann. 82 Zu χάρις s. Slater s. v. 1 a (vgl. unten S. 108 Anm. 101), zum Anschluß Carey (1989c) 289 f. Es liegt fern, in ταύταν (57) einen Bezug auf Alkimedons Ringkampfsieg zu sehen (Gildersleeve 1890 198), da hiervon lange nicht gesprochen wurde. 83 Zum überlieferten Genitiv μαχᾶν (58; freilich anders akzentuiert, was aber unerheblich ist), das nicht durch die Konjektur μάχας ersetzt werden muß, s. Farnell 2, 65 f. 84 S. Decker (1995) 77–79; Pankration galt im übrigen als Mischung aus Ringen und Boxen (Plut. symp. 2, 4, 1; vgl. Aristot. rhet. 1361 b25 f.). 85 Zu ἐν (68) vgl. Slater s. v. A 8. Eine Vierzahl ist nicht ungewöhnlich: vgl. P. 8, 81 f., Ebert (1972) Nr. 32, 2, Nr. 55, 6 (auf einen Faustkämpfer); eine Dreizahl findet sich in Nr. 72, 7,

3.4. Der Sieger und sein Umfeld

105

rede und einen verstohlenen Heimweg von sich selbst abwendete86 (68 f.; hier offenbart die Dreizahl des auf die Gegner Abgewendeten metaphorisch die Vollkommenheit des sozialen Siegs); hierdurch habe er seinem Großvater Kraft eingehaucht, den Gegenringer des Alters (70 f.: πατρὶ δὲ πατρὸς ἐνέπνευσεν μένος γήραος ἀντίπαλον). Dieser Satz mit seiner komplexen Binnengliederung – μέν (65) korrespondiert mit δέ (70) (so daß die Teilsätze in Subordination zueinander stehen)87, μέν (67) mit δέ (67), und ἑλών (66), erweitert durch einen Relativsatz (67–69), erläutert modal (oder kausal) ἐνέπνευσεν (70) – läßt Alkimedon nicht nur als Wohltäter seines Trainers und als seine Konkurrenten weit überragenden Ringer erscheinen, sondern weist ihm sogar göttliche Kraft zu, denn gewöhnlich haucht nur ein Gott μένος ein:88 Der jugendliche Sieger überträgt seine Kraft auf jemanden, der selbst keine eigene Kraft besitzt, hierdurch aber in den Stand versetzt wird, ein Ringen gegen das Alter, seinen ἀντίπαλος, aufzunehmen.89 Das Leben wird also metaphorisch mit dem Ringen parallelisiert, und es wird impliziert, daß der Großvater ab jetzt ebenso erfolgreich wie Alkimedon gegen das Alter kämpft; er hat also (in der Aktualisierung der abschließenden Gnome) Angemessenes erfahren und kann den Hades gewiß vergessen (72 f.).90 Der dritte Abschnitt hat die Blepsiadai zum Thema: Der Sprecher wolle die Erinnerung erwecken und die für die Familie siegreiche Exzellenz der

86

87 88

89 90

Nr. 73A, 3 (s. auch Lee 2001 64–66, Crowther 1993 für einen Überblick). Selbstverständlich nahmen damit nicht nur fünf Athleten am Wettkampf teil; vielmehr dürften es, da die jeweils Unterlegenen ausschieden und einige Ringer prinzipiell auch Ephedroi (Ringer, die für eine oder mehrere Runden aussetzten; vgl. Lukian. Herm. 39 f., N. 4, 93–96 mit Σ N. 4, 155b) gewesen sein könnten, neun bis dreiundzwanzig gewesen sein (vgl. Ebert 1972 109 f.). Allerdings ist fraglich, ob es speziell auch bei den Olympien Ephedroi gab, da anscheinend das Bewerberfeld im Vorfeld in einer dreißigtägigen Trainingsphase verkleinert wurde (s. Crowther 1991, Lee 2001 65) und dabei faire Bedingungen für alle Sportler geschaffen wurden. Daher wird Alkimedon tatsächlich kein Ephedros gewesen sein (dies erschließt Christ 1896 66 aus 8; dagegen schon Mezger 1880 376 f., Gildersleeve 1890 198). Vgl. P. 8, 81–87; zur sozialen Dimension vgl. Ebert (1972) 10–15; zum Medium s. Mezger (1880) 381. Der Verweis auf die γυῖα evoziert den Ringkampf selbst, denn diese sind in ihm (wie in allen Kampfsportarten) zentral: vgl. N. 4, 73, ferner P. 4, 253, N. 4, 5, N. 5, 39, N. 7, 73, I. 5, 59 und insgesamt unten S. 137 f. Anm. 67. Zwar nicht gewöhnlich, aber nicht selten: s. GP 378 f. (369 für eine Klassifizierung). Vgl. Hom. Il. 10, 482 (Athene); 15, 60. 262 (Apollon); 17, 456 (Zeus); 19, 159 (ein Gott); 20, 110 (Apollon); 24, 442 (Hermes), Od. 24, 520 (Athene), Apoll. Rhod. 2, 613 (Athene), außerdem Plat. symp. 179 b1 f. Zur Stelle und zur Bedeutung des Wortes μένος s. auch Preisshofen (1977) 100 f. (vgl. zu letzterem auch Braswell 1979 183 f.); vgl. Kurke (1991a) 65 und (1991b) 293 f. Zum Wort ἀντίπαλος vgl. N. 11, 26; s. auch Renehan (1969) 218. Vgl. LSJ s. v. ἀραρίσκω B V bzw. LSJ s. v. πράσσω II; Subjekt zu ἄρμενα πράξαις (73) ist der Großvater aus 70: Thema des Kontexts ist das Alter und der entsprechend nahe, vom Sieger Alkimedon abgewendete Tod (70 f.); vgl. Boeckh 2, 2, 185 (anders Nash 1990 85).

106

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

Hände aufzeigen (74 f.),91 also an ihre früheren Erfolge erinnern. So gibt er im folgenden Relativsatz kund, daß den Blepsiadai jetzt schon der sechste Kranz aus blätterbringenden (d. h. panhellenischen, heiligen) Wettkämpfen umgelegt worden sei (76).92 Auch die schon Gestorbenen hätten einen Anteil an (d. h. profitierten von) den Dingen, die dem Brauch entsprechend getan wurden (77 f.),93 und so verberge kein Staub den teuren Dank der Verwandten (79 f.). Wenn Iphion, einer dieser Verwandten, wahrscheinlich Alkimedons Vater, Hermes’ Tochter Angelia (also die personifizierte Botschaft)94 höre (80 f.), dürfte er Kallimachos den fetten Schmuck verkünden (82 f.), den Zeus ihrem Geschlecht in Olympia gewährte (83 f.).95 Alkimedons Sieg bewirkt also nicht nur für Melesias und den Großvater Gutes, sondern bringt Iphion und Kallimachos Freude sogar noch im Tod. 91 Zu ἄωτος bei Pindar s. Raman (1975): Er bezeichne ursprünglich „‚nap‘ or ‚pile‘ on the surface of cloth or on the body of sheep“ (205), woraus sich über die diesem innewohnende „idea of ‚surface‘ or „top‘“ die abstrakte Bedeutung „the best, the quintessence“ ergeben habe (205); vgl. Silk (1974) 239 f., Pfeijffer (1999b) 635–637. 92 Zur Betonung von ἕκτος (76) durch die Wortstellung s. o. S. 88 Anm. 20. Nach Carey (1989b) 1 wurden die übrigen Erfolge der Familie größtenteils bei lokalen Sportfesten errungen, aber hiergegen sprechen die Formulierungen στέφανος und φυλλοφόρων ἀπ’ ἀγώνων (76). Derartige Siege werden daher deutlich mehr als sechs gewesen sein (so richtig Kurke 1991b 294–296) – doch s. u. zur Sechszahl der Kränze (Kap. 3.5). 93 Hier ἐρδόμενον statt ἐρδομένων im Sinne von „Auch die Verstorbenen bekommen ihren Anteil, der nach dem Herkommen geopfert wird“ zu verstehen (Wilamowitz 1922 405 Anm. 3, Kurke 1991a 66; vgl. unten S. 228 Anm. 203) wird offenbar dem Sinnzusammenhang nicht gerecht. Das Verb ἔρδειν ist nicht auf das Religiöse beschränkt: vgl. mit Bezug auf das Agonistische O. 10, 91–93, N. 3, 17–23 und allgemein Slater s. v. 94 Vgl. zu dieser außergewöhnlichen Personifikation Philostr. im. 2, 32, 1 und s. Nash (1990) 90 f., zum Gedanken O. 14, 20–24. Auch ihre Eigenschaft als Hermes’ Tochter dürfte einzigartig sein (vgl. Farnell 2, 66); dies könnte sich damit erklären, daß er als Hermes Psychopompos die Gestorbenen in die Unterwelt geleitet (so Segal 1985 210), aber auch damit, daß er als Hermes Enagonios, d. h. Gott des Wettkampfs (vgl. O. 6, 79, P. 2, 10, N. 10, 53, I. 1, 60), als Erfinder des Ringens und als dieser als Vater der Palaistra gilt (vgl. Σ O. 6, 134c. d. e, Σ Plat. Lys. 206 d, Heliod. 10, 31, 1, Philostr. gym. 16), diese also zur Schwester der Siegesbotschaft wird; zu Hermes als Ringer s. Dickie (1993), insbesondere 129–132. Insgesamt wäre der kausale Zusammenhang zwischen Wettkampfsieg und Botschaft zu den Toten in der göttlichen Genealogie kodiert. 95 Iphion und Kallimachos könnten Alkimedons Vater und Onkel gewesen sein (so die Vermutung in Σ O. 8, 106f, hinsichtlich Iphions anscheinend bestätigt durch Afric. Ol. 80). Beattie (1955) 3 sieht in Kallimachos Alkimedons Urgroßvater (so daß, freilich mit τετράτοις [46], Kallimachos in demselben Verhältnis zu Alkimedon wie Aiakos zu Neoptolemos stünde). Carey (1989b) 6 vermutet angesichts der Wortstellung eher Kallimachos als Vater und Iphion als einen anderen Verwandten; hiergegen spricht aber Afric. Ol. 80. Zu interpungieren ist vor Ὀλυμπίᾳ (83; s. Lavagnini 1932 281 f.), nicht dahinter (so Boeckh 2, 2, 186, Snell – Maehler), da dies eine Bestimmung zu ὤπασεν (84) ist (zur Wortstellung vgl. oben S. 88 Anm. 20). Der doppelte Dativ σφι … γένει (83) erklärt sich damit, daß „der erste Dativ durch den zweiten gleichsam appositionsmässig in irgend einer Beziehung näher bestimmt wird“ (KG § 424 Anm. 2: „ihnen dem Geschlechte = ihrem G.“).

3.5. Olympie 8 als Epinikion

107

Damit ist es folgerichtig, wenn der Sprecher im Schlußgebet (84–88) die bisherigen Taten der Familie (also einschließlich Alkimedons Sieg) als ἐσλὰ … ἔργα (84 f.) bezeichnet: Gute Werke wolle er, Zeus (zu ergänzen aus 83), bereitwillig zu den guten Werken hinzugeben (84 f.) und scharfe, heftige Krankheiten abwehren (85); um das Schicksal der Schönen (vgl. 19: s. o. S. 99) wolle er keine feindlichgesinnte Vergeltung legen (86), sondern er stärke, indem er ein Leben ohne Leid bringe (87), die Familie und die Stadt (88).

3.5Olympie 8 als Epinikion Die Passagen 15–30 und 54–84 loben nicht nur Timosthenes für seinen Nemeensieg und Melesias für seine Sportler- und Trainertätigkeit, sondern auch Alkimedon: In der ersten Passage wird er als Olympiensieger gepriesen, der als vollkommener Ringer das Ideal männlicher Tugend verkörpert, in der zweiten erscheint sein Sieg als für sein Umfeld höchst segensreich. Damit ist Olympie 8 tatsächlich ein Epinikion, das ein großes Lob zu spenden vermag – zumal der Sieger als Aiginete offenbar aus der Heimat geborener Ringer stammt. Allerdings bleibt offen, warum nicht nur Alkimedon, sondern auch seine Heimat und mehrere andere Personen so umfänglich gelobt werden und warum das eigentliche Siegerlob nicht deutlicher ausfällt, und ebenso, welcher Zusammenhang zwischen Mythos und Siegerlob besteht. Insofern einzig Timosthenes (und nicht Alkimedon) direkt angesprochen wird (15) (Verwandte werden ansonsten in der Regel nur mit deutlichem Bezug auf den gerade errungenen Sieg gepriesen) und auch die drei früheren Erfolge des Trainers ausführlicher als der nur knapp angeführte Sieg Alkimedons (17 f.) behandelt werden – zumal dieser bei der zweiten Nennung (65 f., trotz 67–69) primär nur der dreißigste Sieg eines Melesias-Schülers ist – und der Trainer insgesamt wie nirgendwo sonst bei Pindar (vgl. das Melesias-Lob in N. 4, 93–96 und N. 6, 64–66, das Menandros-Lob in N. 5, 48 f. und das Pytheas-Lob in I. 5, 59–61) präsent ist,96 könnte die Ursache für die Spärlichkeit des eigentlichen Siegerlobs (trotz 67–69) darin bestehen, daß das gesamte Lied weniger ein Epinikion für Alkimedon allein sein sollte, sondern, wie schon Didymos vorschlug (Σ O. 8 inscr. a; vgl. b), ein Gemeinschaftsepinikion für drei Sportler, um deren herausragende Leistung in einem einzigen Lied öffentlich zu preisen. Dies entspräche den semantischen Strukturen des Mythos: Melesias und Timosthenes bilden zusammen mit Alkimedon eine Dreiergruppe, wobei Alkimedon mit Aiakos als drittem Mauererbauer, der dritten Schlange und 96 Vgl. Pfeijffer (1998) 32–34, Thummer 1, 35 f. Zum sportlichen Lob der Verwandten vgl. aber Thummer 1, 49–54; s. zum Trainerlob Farnell 2, 65.

108

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

der dritten Aiakidengeneration parallel ist und auf der Grundlage der Arbeiten der beiden Vorkämpfer Melesias und Timosthenes (entsprechend den beiden Göttern, den beiden Schlangen und den ersten beiden Aiakidengenerationen) durch seinen Sieg (den entscheidenden dritten Niederwurf ) den Sieg für die Gesamtgruppe erringt, worin deren Ringkampf höherer Ordnung (wie der Mauerbau oder der Kampf um Troia) seinen fulminanten Abschluß findet. Damit werden Mythos und Realität parallelisiert, und der gesamte Mythos wird zu einem metaphorisierten Zeichen. Hiermit ist ein bedeutendes Lob Alkimedons verbunden: 1) Der Gruppensieg (d. h. die allein in diesem Lied als solcher gedeuteten Erfolge von Melesias, Timosthenes und Alkimedon) war nur aufgrund von Alkimedons Beitrag möglich. 2) Wenngleich Timosthenes und Melesias wie Apollon und Poseidon beeindruckende (erwachsene) Athleten sind, bedurften sie der Hilfe eines prima vista Schwächeren, eines Knaben. Nur durch ihn konnte ihr gemeinschaftliches Ringen (in dem die ersten beiden Niederwürfe ‚lediglich‘ Isthmien- und Nemeensiege waren) seinen Abschluß im objektiv bedeutendsten sportlichen Sieg finden, einem Olympiensieg.97 Dessen Unvergleichlichkeit zeigen schon die Prooimien von Olympie 1 und 2, doch auch der Beginn von Olympie 8 selbst (1–14), wo das personifizierte Olympia als Mutter von Goldkranz-Wettspielen (1) und Herrin der Wahrheit angerufen wird (2).98 Letzteres wird in 2–7 vertieft: In Olympia würden Seher durch das Schließen aufgrund von Feueropfern (3: ἐμπύροις τεκμαιρόμενοι)99 Zeus auf die Probe darüber stellen, ob er nicht ein Wort für sie bezüglich derjenigen Menschen habe, die es im Herzen begehrten, große Vortrefflichkeit und ein Aufatmen (eine Erholung) von den Mühen (3–7) zu erlangen;100 das Aufatmen wiederum werde (sc. von den Göttern oder speziell Zeus) aus Dank für die sich in den Gebeten der Männer zeigende Frömmigkeit vollbracht (8).101 Dies bildet die sachliche Grundlage für die folgen97 98 99 100

S. zur unterschiedlichen Wichtigkeit der Spiele Cairns (1991). Zur Singularität dieser Personifikation s. Farnell 2, 59. Zur Sache s. Parke (1967) 184, zum Verb τεκμαίρεσθαι oben Kap. 2.5.3.4. Der Dativ θυμῷ (6) ist wie in P. 4, 96 lokativisch: vgl. Braswell (1988) 188 und zu dieser Stelle Boeckh 2, 2, 180, Mezger (1880) 378, Gildersleeve (1890) 194, Christ (1896) 62. 101 Das Subjekt zu ἄνεται (8) ist aus ἀμπνοάν (7) zu ergänzen (so auch Garrod 1915 132; s. KG § 352 e); als Urheber ergibt sich aus dem Kontext Zeus. Daß anstatt dessen eine unpersönlich-passivische Konstruktion im Sinne von λιταὶ ἀνύονται (so Mezger 1880 378, Gildersleeve 1890 194, LSJ s. v. ἄνω II) oder im Sinne von „it is accomplished“ mit instrumentalem λιταῖς (8; „the prayers of men bring happy accomplishment“: Farnell 2, 60) vorliegt, ist weniger wahrscheinlich (vgl. Garrod 1915 132). Der Dativ λιταῖς (8) ist am ehesten direkt auf das Substantiv εὐσεβίας (8) zu beziehen, und zwar im Sinne von ‚die Frömmigkeit durch die / in den Gebeten‘ (s. allgemein KG § 424); vgl. Jurenka (1895) 199 f. Zum χάρις-Konzept s. Scott (1984), MacLachlan (1993), speziell für Pindar auch Gundert (1935) 30–76 (besonders 31), Kurke (1991a) 85–107 (vgl. unten S. 139 Anm. 74). Vgl. zum Prooimion (insbesondere zu δέσποιν’ ἀλαθείας [2]) auch Race (1990) 142–146.

3.5. Olympie 8 als Epinikion

109

de Aufforderung an den schönbäumigen Hain von Pisa am Alpheios (9), d. h. Olympia,102 diesen Komos und diese Kranzdarbringung (10; gemeint ist die Siegesfeier mitsamt Epinikion: s. o. Kap. 2.5.3.1) anzunehmen, und hierauf folgt die allgemeine (indirekt an Alkimedon gerichtete) Versicherung, daß der Ruhm desjenigen gewiß immer groß sein werde (10), dem Olympias Geschenk glänzend folge (11).103 Nichtsdestoweniger kämen zu jedem einzelnen jeweils andere gute Dinge (12 f.), und es gebe viele Wege des Erfolgs mit Hilfe der Götter (13 f.). Insoweit diese allgemeinen Gnomen (die „the variety of blessings“ und „the many ways in which the gods grant success“ kombinieren)104 zu Timosthenes’ Nemeensieg überleiten, wird dieser mit Alkimedons Olympiensieg grundsätzlich gleichgestellt (als ἀγαθόν und Form der εὐπραγία), erscheint aber angesichts des Liedanfangs (insbesondere 1) zugleich als weniger wertvoll.105 Dies wiederum bestätigt die Erkenntnis, daß der Olympiensieger Alkimedon Melesias und Timosthenes weit übertroffen hat (weswegen Olympie 8 auch zweifellos vor allem Alkimedon gewidmet ist)106 und ihnen sein Sieg einen Sieg höherer Ordnung verschafft hat. Die Parallelität von Mythos und aktueller Situation scheint damit erneut auf. Für sie zeigen sich weitere Indizien: 1) Die Gnome in 53 leitet inhaltlich 102 Allgemein bezeichnet ἀλλά, kombiniert mit einem Imperativ, „a transition from arguments for action to a statement of the action required“ (GP 14, insgesamt 13–15). Zur Wiederholung s. Dissen 2, 94. 103 Allgemein zum Relativpronomen ὅστις s. u. S. 220 Anm. 172 (ebenso zum Modus; vgl. Braswell 1980 205–214). 104 Race (1982) 77, insgesamt 77 f. 105 Vgl. die Hierarchie des ähnlichen Verschiedenen in N. 8, 35–45 (s. o. S. 46–48); damit handelt es sich kaum um „one of his [sc. Pindars] favourite commonplaces“, dessen Relevanz unklar sei (Farnells 2, 60); vgl. allgemein Cairns (1991). 106 Dies erklärt die Anrufung Olympias in 1 f. 9–11. So ist die Annahme, das Lied werde in Olympia (Dissen 2, 178, Mezger 1880 375, Gildersleeve 1890 192, Farnell 2, 59) oder in einem (postulierten) Olympieion auf Aigina (Wilamowitz 1922 403) dargeboten, keineswegs zwingend. Aus dieser Anrufung ließe sich auch grundsätzlich nicht auf den Aufführungsort schließen, da Olympia nicht als Ort, sondern als personifizierte Gottheit angerufen wird (freilich mit Ortscharakter: ἵνα; die zweite Anrufung in 9–11 ist lediglich Variation); als personifizierte Gottheit ist sie aber nicht an den Ort Olympia gebunden (vgl. Whitmore 1918 344 f.). Doch dessen ungeachtet ist (wenn man denn derartige Schlüsse aus dem Lied heraus ziehen möchte) Aigina als Aufführungsort unzweifelhaft, und zwar weniger aufgrund von τάνδ’ ἁλιερκέα χώραν (25; vgl. allgemein zu diesem Demonstrativpronomen bei Pindar unten S. 293 Anm. 117, auch KG § 467 4) als aufgrund von δεῦρο (51): Dies muß insofern Aigina bezeichnen, als es den Ort angibt, zu dem Poseidon Aiakos bringt, zweifellos Aigina (kaum bedeutet es allgemein „towards Greece“ [Farnell 2, 64, vgl. Heimsoeth 1840 15, Mezger 1880 375]); so wird (zumindest in der fingierten Sprechsituation) das Epinikion auf Aigina lokalisiert (anders Boeckh 2, 2, 183; vgl. LSJ s. v. δεῦρο, Σ O. 8, 66, Whitmore 1918 344 f., Carey 1989c 287 Anm. 3; kaum richtig ist, daß „Poseidon, who wishes to attend the Isthmian festival, gives Aiakos a lift so far: after that, Aiakos can find his own way back to Aigina“ [Farnell 2, 64 f.]). Dies schließt Hast des Dichtens als Ursache für die angebliche mangelnde Kunstfertigkeit des Liedes aus.

110

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

äquivalent zur Gnome in 12–14 (die von Alkimedons zu Timosthenes’ Sieg führt) über die Nennung der Isthmien (52: s. o. S. 103 f.) von Aiakos’ TroiaRingkampfsieg zu Melesias’ Isthmiensieg über. 2) Sowohl die Ringkämpfe als auch der Mauerbau gelten als „Werk“: ἔργῳ bzgl. Alkimedons Olympiensieg (19), συνεργόν bzgl. Aiakos als Mauererbauer (32), ἐργασίαις bzgl. Aiakos’ Mauerwerk (42), ἔργα bzgl. des Ringens (63; man beachte das bezeichnend differenzierende Pronomen κεῖνα [62]), ἔργα bzgl. der Familienerfolge (85). Diese Bezugnahmen sind insoweit hervorgehoben, als sie sich an metrisch analogen Stellen befinden, nämlich nicht nur alle (bis auf συνεργόν) in der Epodos, sondern sogar dreimal (19. 63. 85) in demselben Vers und zweimal (63. 85) an gleicher Stelle am Versanfang.107 Der Begriff des ἔργον verbindet tatsächliches und metaphorisches Ringen und weist mittels des Wortes συνεργόν (32) das gemeinsame Gesamtwerk als entscheidend aus, beides entsprechend der als grundlegend erkannten semantischen Struktur.108 3) Mythos und aktuelle Situation werden eng in einem umgreifenden religiösen Sinnzusammenhang verbunden, insbesondere im Gedanken, daß der Erfolg mit Hilfe der Götter errungen wird (8. 12–14):109 Wie vor Troia der schwerdonnernde Zeus (44: βαρυγδούπου Διός) in Form der Schlangen ein Wort über Aiakos, sein Werk und die Zukunft zu Apollon spricht (43: ὡς ἐμοὶ φάσμα λέγει), so hat der hellblitzende Zeus (3: Διὸς ἀργικεραύνου) in Olympia ein Wort über Menschen (4: τιν’ ἔχει λόγον), die nach großer Vortrefflichkeit streben, und die Bedeutung dieses Wortes erschließen die Seher (2 f.: μάντιες ἄνδρες … τεκμαιρόμενοι) genauso wie Apollon (41: ἀντίον ὁρμαίνων τέρας … Ἀπόλλων). Beide Situationen sind direkt parallel, und so ist das Ergebnis der Deutung in Olympia und bei Apollon (der nicht lügen darf: vgl. P. 9, 42) die Wahrheit (2: ἀλαθείας).110 Die Wahl von Schlangen für das 107 S. Mezger (1880) 383. 108 So ist die συνεργία sicherlich ein vereinigendes Motiv des Epinikions (Robbins 1986 319– 321), doch in umfassenderem Maße (und nicht nur vornehmlich zwischen Melesias und Alkimedon); vgl. O. 9, 66, P. 8, 80, I. 3/4, 86 für die agonistische Verwendung von ἔργον (speziell Ringen / Pankration). 109 Vgl. Dickson (1988), insbesondere 115, und (1990). 110 Zur Parallelität vgl. Hubbard (1987) 21, Dickson (1990) und schon Boeckh 2, 2, 181 f. Das Orakel in Olympia wurde nicht in Sportfragen, sondern nur in Kriegsdingen konsultiert (s. Sinn 1991 38–51, besonders 40 Anm. 31); die Nennung des Orakels erfolgt also nicht deswegen, weil Alkimedon oder seine Familie es (mit positivem Ergebnis) vor dem Sieg bezüglich des eigenen Erfolgs befragt hätte (Boeckh 2, 2, 180, Mezger 1880 375, Farnell 2, 60, Carey 1989b 5 f.). Vielmehr soll der Sport als Form des Kriegs erscheinen, damit eine Parallele zu den Taten des Aiakos und der Aiakiden entsteht (was auch die Allgemeinheit des Prooimions erklärt). Allgemein zur Nähe von Athleten und Kriegern s. Lavrencic (1991), Crowther (1999) und vgl. neben Hdt. 9, 33 etwa I. 5, 43–63 (s. Race 1983 116 f.); für Pindar s. die hier unternommene Analyse von N. 4, N. 8 und P. 4. Man beachte in O. 8 μαχᾶν ἐκ παγκρατίου (58 f., bezogen auf Melesias) neben πτολιπόρθοις ἐν μάχαις (35, bezogen auf die Troia-Kriege); vgl. oben S. 89 f. Anm. 24.

3.5. Olympie 8 als Epinikion

111

Zeichen ist folglich nicht beliebig, denn sie verfügen von Natur aus über die körperlichen (s. o. S. 91) und (als mantische Tiere) seherischen (vgl. 60 f., besonders προμαθεῖν) Voraussetzungen für das Ringen;111 sie sind das ideale metaphorische Modell für einen Ringer. 4) In beiden Situationen folgt dem Erfolg (5 f.: μεγάλαν ἀρετὰν … λαβεῖν) die Erholung von den Strapazen (7: τῶν … μόχθων ἀμπνοάν). Diese besteht, wie sich im Zusammenhang mit dem folgenden ergibt (9 f.), bei Alkimedon in der jetzigen Siegesfeier. Bindeglied ist die allgemein notwendige Frömmigkeit als Voraussetzung der Gewährung des Aufatmens (8: s. o. S. 108), über die Alkimedon freilich auch angesichts der offenbar göttlichen Hilfe bei seinem Olympiensieg (insbesondere 67: τύχᾳ … δαίμονος) verfügt. Bei Aiakos dient als Erholung von den Strapazen die Herrschaft über Aigina, wohin ihn Poseidon zum Dank nach dem erfolgreichen Abschluß des Mauerbaus bringt (50 f.). Diese ist also ursächlich in seinem Ringkampfsieg über Troia begründet, wobei eine weitere Grundlage Aiakos’ Frömmigkeit ist, die er nicht nur allgemein besitzt (s. o. S. 17 zu N. 8, 6–12), sondern speziell auch dadurch bewiesen hat, daß er den Göttern half, als sie ihn brauchten (31–36).112 Der Mythos ist damit dem aktuellen Anlaß parallel und dient als metaphorisiertes Zeichen für ihn. Dies impliziert folgendes: 1) Die Bedeutung von Alkimedons Sieg gleicht derjenigen der Taten des Aiakos und der dritten Aiakidengeneration. 2) Alkimedon hat zusammen mit Melesias und Timosthenes einen Ringkampf höherer Ordnung gewonnen, entsprechend dem Mauerbau und dem Kampf der Aiakiden vor Troia. 3) Alkimedon hat (wie Aiakos und die dritte Aiakidengeneration) im Vergleich mit Melesias und Timosthenes einen ungleich bedeutenderen Sieg errungen und den entscheidenden Beitrag zum Gesamtsieg geleistet, obwohl er als Knabe den beiden Erwachsenen scheinbar unterlegen ist. 4) Melesias’ und Timosthenes’ Siege sind nicht unbedeutend, denn sie bilden die notwendige Voraussetzung für Alkimedons dritten Niederwurf, entsprechend Apollons und Poseidons Taten bzw. denjenigen der anderen Aiakidengenerationen. 5) Alkimedons Sieg beruht (wie Aiakos’ Sieg) auf seiner Frömmigkeit; diese Frömmigkeit kommt ihm als Aigineten als wesensmäßige Eigenschaft qua Herkunft zu. Auf der Grundlage der Metaphorisierung des Mythos erhalten die drei in Olympie 8 geehrten Sportler Melesias, Timosthenes und vor allem Alkimedon ein indirektes, aber bedeutendes Lob. Wenn man die Gesamtanlage des Liedes hinreichend berücksichtigt, erhalten sie sogar ein noch bedeutenderes 111 Zu den Aiakiden und speziell Neoptolemos als Schlangen vgl. Borthwick (1976) 202– 205 und (1967) 19. 112 Das auf Troia bezogene Verb ἀμπνεῦσαι (36), angesichts von λάβρον … καπνόν (36) für die Stadt eindeutig negativ, zeigt, daß dieser Kausalzusammenhang auch im Negativen gilt: Laomedon, für den die Mauer gebaut wurde, war als jemand, der deren Erbauer ebenso wie Herakles um den Lohn prellte, alles andere als fromm (s. u. S. 142 f. Anm. 91).

112

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

Lob: Ein ähnlicher Ringkampf höherer Ordnung, wie ihn Melesias, Timosthenes und Alkimedon zusammen siegreich entschieden haben, findet sich auch in der gesamten mythisch-geschichtlichen Entwicklung, die ihren Ausgang vom Ringkampfsieg im Mauerbau nimmt. Wenn dieser nämlich als erster Niederwurf gilt, ist die hierauf beruhende Bezwingung Troias ein zweiter Niederwurf, auf dem wiederum der jetzige Gesamtsieg von Melesias, Timosthenes und Alkimedon als dritter Niederwurf aufruht. Dieser bildet dann das Ziel einer in mythischen Urzeiten begonnenen Entwicklung, die in Alkimedons Sieg kulminiert. Alkimedons Sieg verschafft damit nicht nur Timosthenes und Melesias einen grandiosen Sieg, sondern diese drei Ringer vollenden einen gewaltigen Ringkampf, der die Geschichte an ihr vorherbestimmtes Ziel bringt: Alkimedons Sieg wäre (im Vergleich mit Melesias’ und Timosthenes’ Sieg) eine unerreichbare Leistung hinsichtlich der Gegenwart und (im Vergleich mit dem Mauerbau von Troia und den Kriegen gegen Troia) hinsichtlich der bisherigen Geschichte. Auf dieses eine Ziel hin wurden die anderen beiden Siege (in beiden Dimensionen) unternommen und bilden die notwendige, aber dennoch nicht hinreichende Voraussetzung für diesen größtmöglichen Erfolg. So erhält Alkimedon ein wahrlich überraschend großes Lob: Sein Sieg ist unvergleichlich bedeutender als sogar der Sieg der Griechen über Troia. Die semantische Struktur dieses Siegerlobs zeigt Abbildung 1. Metaphorisches Modell der jeweils zugrundeliegenden Struktur ist dabei das Schlangenzeichen, speziell für den Sieg der Aiakiden (wie von Apollon gedeutet), ferner für den Mauerbau, für Melesias’, Timosthenes’ und Alkimedons Sieg und für die gesamte geschichtliche Entwicklung. Insgesamt zeigt sich ein Kontinuum der Zeit, das mit Aiakos und dem Mauerbau beginnt und sich über die Übergabe von Aigina an ihn als Siegpreis (50 f.) und die weitere Zuweisung der Insel an die Dorier (30)113 bis zu Alkimedons Erfolg erstreckt. 113 Die Formulierung Δωριεῖ λαῷ ταμιευομέναν ἐξ Αἰακοῦ (30) verursacht große Probleme, wenn man sie als „von dorischem Volk verwaltet seit Aiakos“ (so Dornseiff 1921a 227) auffaßt, denn es wäre impliziert (s. Zunker 1988 63; vgl. 35 f.), daß die Dorier unter Aiakos’ Herrschaft nach Aigina eingewandert wären. Dies aber ist in der mythischen Chronologie unmöglich, da die Einwanderung erst nach Aiakos erfolgt (s. Zunker, vgl. Hdt. 1, 56, Thuk. 1, 12; ähnlich I. 9, 1–4; vgl. unten S. 198 Anm. 65): Nach dessen Tod und seiner Söhne Flucht war Aigina nach geläufiger Tradition verlassen und wurde erst später neu besiedelt. Deshalb schlägt Farnell 2, 63 vor, den Dativ nicht als dativus auctoris, sondern als dativus commodi zu verstehen (er übersetzt „held in trust for the Dorian folk […] since the days of Aiakos“). Unklar wäre aber, was dies im Kontext bedeuten könnte. Statt dessen bietet sich angesichts der mythischen Chronologie an, das Partizip ταμιευομέναν als Passiv von „deal out, dispense“ (LSJ s. v. II 1; vgl. Aristot. gen. an. 770 a21 f.: ταμιευομένης ἐκ τῆς λεκίθου τῆς τροφῆς αὐτοῖς [„die Nahrung haben sie aus dem Eigelb erhalten“]) mit einem Dativ des Empfängers und der den Urheber des Zustands bezeichnenden Präposition ἐξ (KG § 378 11; diese Konstruktion „stellt den Urheber gleichsam als die Quelle dar, aus der der passive Zustand hervorgeht“) aufzufassen. Gesagt wäre dann, daß die Do-

113

3.5. Olympie 8 als Epinikion

Alkimedon



3. Wurf

Timosthenes



Melesias Modell 3. Schlange



2. Schlange



1. Schlange Aiakos

3. Aiakiden

Poseidon

2. Aiakiden

Apollon

1. Aiakiden

൹ ൹

1. Wurf

൹ ൹

2. Wurf

Abbildung 1: Semantische Struktur des Siegerlobs in Olympie 8

Dieses zeitliche Kontinuum findet eine Entsprechung in einem räumlichen, insoweit die Insel Aigina als ideale Heimat für Ringer als Bindeglied fungiert, das den sportlichen Erfolg im (metaphorischen und tatsächlichen) Ringen garantiert, und zwar sowohl zu mythischer Zeit (Aiakiden) als auch gegenwärtig (Aigineten),114 kulminierend in Alkimedons großartigem Erfolg – den freilich die mythischen Aigineten, die Aiakiden, gerade nicht erringen konnten, trotz ihres Heroentums, der sie scheinbar allen heutigen Menschen überlegen macht. Anstatt dessen vermochte es der unscheinbare Knabe Alkimedon (zusammen mit Timosthenes und Melesias), das τέλος der Geschichte zu erreichen, in dem die Gegenwart die Vergangenheit fulminant übertrifft. Damit wird Alkimedon ein beinahe unglaubliches Lob dargebracht. Es beruht auf dem subtilen Einsatz einer Metaphorik des Ringens und erzeugt insbesondere durch die metaphorische Parallelisierung von Mythos und Gegenwart eine bedeutungsvolle Sinnstruktur. Angesichts dessen erklären sich die prima vista unverständlichen Änderungen des Mythos – die jedoch noch rier in Aiakos’ Herrschaftsnachfolge standen, ohne daß jedoch Aiakos und die Dorier zeitgleich auf der Insel gewesen sein müßten (zur Bedeutung des Verbs vgl. Plat. rep. 508 b6, insgesamt Boeckh 2, 2, 181); dabei würde der ansonsten bestehende zeitliche Abstand zwischen ihnen vernachlässigt. Vgl. Carnes (1986) 96–102. 114 Ein chronologischer Zusammenhang freilich, der generell und insbesondere in der Genealogie akzeptiert wurde: s. o. Kap. 2.7, insbesondere S. 76 Anm. 251; vgl. Higbie (1997) 305. Deutlich wird dies konkret für Aigina z. B. in N. 6, 17 (vgl. Gerber 1999 56); vgl. unten Kap. 4.5 (zu N. 4, 11 f. 46–53) sowie Kap. 5.5.

114

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

weitaus verständlicher werden, wenn erkannt ist, welche sechs Kränze es denn überhaupt konkret sind, die die Blepsiadai erringen konnten (74–76). Wenn Melesias, Timosthenes und Alkimedon in Olympie 8 einen gemeinsamen Ringkampf höherer Ordnung gekämpft haben, erschiene ihre Zusammenstellung pointierter, wenn sie derselben Familie angehörten, der Sieg höherer Ordnung also der der Blepsiadai wäre.115 Dann freilich gehörten zu den sechs Kränzen der Familie diejenigen Kränze, die diese drei Athleten bei panhellenischen Spielen errungen haben, also Timosthenes’ nemeischer (15 f.), der olympische des Knabenringers Alkimedon (17 f.) und drei des Melesias: ein isthmischer als ἀγένειος (52–55) und zwei nemeische, einer als ἀγένειος (56 f.), einer im Pankration der Männer (58 f.). Damit fehlt der sechste – doch dieser läßt sich, da Olympie 8 nicht nur Alkimedons Olympiensieg feiert, sondern auch den fulminanten Sieg der gesamten Familie, der konzeptuell aber erst hier erschaffen wird, metaphorisch im Epinikion selbst sehen, das die gesamte Familie analog zu einem heiligen Agon für ihren sportlichen Erfolg mit einem angemessenen Siegpreis versorgt. Damit wäre es in einem pointierten Sinne tatsächlich eine Kranzdarbringung (10: στεφαναφορίαν)116, und dieser Kranz käme wie die übrigen fünf von blätterbringenden Agonen (76: φυλλοφόρων ἀπ’ ἀγώνων): Entscheidende Grundlage ist nämlich Alkimedons Sieg bei den olympischen Kranzspielen, wo ja Zeus gerade jetzt auch den gesamten Blepsiadai einen fetten Schmuck gewährte (82–84: λιπαρὸν κόσμον, Ὀλυμπίᾳ ὅν σφι Ζεὺς γένει ὤπασεν).117 Wenn diese Deutung richtig ist, lösen sich weitere Probleme, vor die uns das Lied stellt: 1) Es ergibt sich eine Erklärung für den singulären Sachverhalt, daß ein Trainer so ausführlich für eigene sportliche Erfolge gelobt wird, denn Melesias wäre hier primär nicht Trainer, sondern Familienmitglied; als solcher wäre er aber auch des Lobes als aktiver Sportler würdig.118 2) Melesias 115 Zum sozialen Hintergrund vgl. Kurke (1991a) 12–34, insbesondere 20. 116 Vgl. zum Wort Hdt. 5, 102, 3 (στεφανηφόρους … ἀγῶνας), aber auch Farnell 2, 60. 117 Die Formulierung in 74–76 weist trotz des Hinweises auf Mnemosyne nicht zwingend nur auf frühere Siege schon verstorbener Blepsiadai hin – zumal schon deswegen nicht, weil in den sechs Kränzen Alkimedons und Timosthenes’ Kränze eingeschlossen sein müssen. Der Hinweis soll also lediglich in Erinnerung rufen, daß jeder Sieg der Lieder bedarf, damit sich Spätere (wie wir) an ihn erinnern können (vgl. N. 7, 11–16); folglich ist er in seiner grundsätzlichen Natur in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit gerichtet. Mnemosyne ist im übrigen mit Hes. theog. 53 f. Mutter der Musen (vgl. I. 6, 74 f.) und hat generell eine Funktion als Mittlerin (s. Segal 1985 200 f., speziell zu dieser Stelle 209– 211). Dazu, daß zusätzlich zur tatsächlichen Bekränzung des Siegers bei den Spielen (vgl. O. 4, 11, O. 7, 15, O. 14, 24, ebenso Slater s. v. στεφανόω und στέφανος) der Lobende den Sieger durch sein Lied bekränzt, vgl. O. 1, 100–103 (s. Gerber 1982 152), P. 8, 56 f., P. 9, 4 (s. u. S. 269 Anm. 12), N. 5, 53 f., N. 8, 13–16 (s. o. Kap. 2.4), I. 3/4, 62. Zur Zählung der Siege vgl. I. 1 (s. u. S. 300 f. Anm. 141). 118 Vgl. I. 5, in der Pytheas, der Verwandte und Trainer des Siegers Phylakidas, in 18 f. für seinen eigenen sportlichen Erfolg und in 59–61 für seine Trainertätigkeit gelobt wird.

3.5. Olympie 8 als Epinikion

115

wäre nicht nur Aiginete und Mitglied der Blepsiadai, sondern es könnte sich bei ihm auch um den ansonsten namenlosen Großvater aus 70 handeln; die Formulierung πατρὶ … πατρός (70) erklärte sich dann zwanglos als Variation zur Vermeidung einer Wiederholung.119 Sachlich wäre dies gewiß nicht ausgeschlossen, denn als Trainer, dessen Schüler schon dreißig panhellenische Siege errungen haben, könnte Melesias zumindest vom Alter her zweifellos Alkimedons Großvater sein. 3) Es erklärt sich die – da ungefähr gleichlang mit dem Schlangenzeichen, dessen Deutung oder dem Mauerbau – unmotiviert ausführlich wirkende Aufzählung derjenigen Orte, zu denen die Götter nach ihrem Mauerbau reisen, nämlich Apollon zum Xanthos, zu den Amazonen und zum Istros (d. h. zu den Hyperboreern)120 und Poseidon nach Korinth (d. h. zu den Isthmien), mithin zu den Orten ihrer Verehrung (47–52): Insoweit nämlich angesichts der Gnomen in 12–14 und 53 die Verehrung als Analogon zu einem Sportsieg eines Menschen gelten kann, sind die Erbauer der Mauer in ihrem Verhältnis zueinander in einem weiteren Punkt (metaphorisch) parallel zu Melesias, Timosthenes und Alkimedon; Apollon gleicht nämlich mit seinen drei Orten Melesias mit seinen drei Siegen, Poseidon mit seinem einen Ort Timosthenes mit seinem einen Sieg und Aiakos mit seinem einzelnen und seinem zugleich für die Gruppe errungenen Sieg Alkimedon mit seinem Sieg, für den dasselbe gilt. Beide Dreiergruppen hätten damit jeweils sechs Siege errungen, von denen der zeitlich letzte (Aiakos’ und Alkimedons) als Sieg eines einzelnen der gesamten Gruppe den Sieg gebracht hätte. Entsprechend haften den Siegen auch dieselben Attribute an: Ebenso wie Melesias seinen bedeutendsten Sieg (den im Pankration der Männer) als letzten erringen konnte, wird Apollon am letzten Ort, bei dem paradiesischen Volk der Hyperboreer (vgl. P. 10, 31–46), am meisten verehrt,121 und ebenso wie Aiakos 119 Die Partikelkombination μέν (65) … δέ (70) steht dem nicht entgegen, da beides angesichts der Wortstellung auf Verschiedenes abzielt; zum Großvater s. o. S. 99 Anm. 59. Ein unabhängiges Argument für Melesias’ aiginetische Herkunft (abgesehen von der überwiegenden Bezeugung in den Scholien: vgl. oben S. 102 Anm. 74) könnte gerade darin bestehen, daß sie nicht genannt ist: Zumindest im Falle des gesichert athenischen Trainers Menandros verweisen sowohl Pindar (N. 5, 48 f.) als auch Bakchylides (13, 190–198) explizit auf seine nicht-aiginetische Herkunft. Wenn wie hier (in unüblicher Weise) sogar explizit eigene sportliche Erfolge angeführt werden (die ja immer auch Erfolge der Heimat sind), wäre dies aber aller Wahrscheinlichkeit nach notwendig gewesen. 120 Vgl. O. 3, 13–16, Σ O. 8, 63; s. auch Farnell 2, 64. Die Lokalisierung erfolgt wohl gegen das geographische Wissen der Zeit, wie Pearson (1934), insbesondere 337 feststellt. 121 Dies spiegelt sich in den geographischen Verhältnissen, insofern Apollon stetig nach Norden reist (anders Farnell 2, 64): vgl. zum Xanthos Hom. Il. 6, 172 (wenn nicht der Skamandros gemeint ist: vgl. Hom. Il. 20, 74); die Amazonen lokalisierte man im 6. Jh. v. Chr. in Skythien, im 5. Jh. v. Chr. am Thermodon am Süden des Schwarzen Meeres (vgl. Hdt. 4, 110), im Epos jenseits von Troia (s. J. H. Blok: „Amazones. A.–C.“, DNP 1, 575). καί (47) vor Ἀμαζόνας (47) verbindet nicht Xanthos und Amazonen zu einer Ein-

116

3. Olympie 8: Die Teleologie des Siegs

hat Alkimedon den bedeutendsten Sieg der drei Mauererbauer errungen, so daß beide mit der Herrschaft über Aigina bzw. (unter anderem) der jetzigen Siegesfeier eine angemessene ἀμπνοά für ihre Mühen erlangen. 4) Schließlich wird die Gestaltung des gesamten Liedes als Epinikion transparent, denn es zeigt sich, daß in ihm die Siegesbedingung im Ringen pointiert-metaphorisch zu einem bedeutenden Lob nicht nur für drei herausragende aiginetische Sportler genutzt wird, sondern für ihre gesamte Familie und vor allem für den unübertrefflichen Olympiensieger Alkimedon. Damit erweist sich Olympie 8 als äußerst kohärentes Ganzes, das einzig und allein auf die Erfüllung seines lebensweltlichen Zweckes ausgerichtet ist und dies subtil, aber um so wirkungsvoller erreicht.

heit (Whitmore 1918 347), sondern reiht beides aneinander; ἐς (47) ist trotz der Stellung auf alle Aufzählungselemente bezogen (vgl. KG § 451 3; auch Wilamowitz 1959 3, 62 f.).

4Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen 4.1Text und Übersetzung Aʹ

5

Bʹ 10

15

Γʹ 20

Δʹ 25

30

Εʹ 35

Ἄριστος Εὐφροσύνα πόνων κεκριμένων ἰατρός· αἱ δὲ σοφαί Μοισᾶν θύγατρες ἀοιδαὶ θέλξαν νιν ἁπτόμεναι. οὐδὲ θερμὸν ὕδωρ τόσον γε μαλθακὰ τεύχει γυῖα, τόσσον εὐλογία φόρμιγγι συνάορος. ῥῆμα δ’ ἐργμάτων χρονιώτερον βιοτεύει, ὅ τι κε σὺν Χαρίτων τύχᾳ γλῶσσα φρενὸς ἐξέλοι βαθείας, τό μοι θέμεν Κρονίδᾳ τε Δὶ καὶ Νεμέᾳ Τιμασάρχου τε πάλᾳ ὕμνου προκώμιον εἴη· δέξαιτο δ’ Αἰακιδᾶν ἠύπυργον ἕδος, δίκᾳ ξεναρκέι κοινόν φέγγος. εἰ δ’ ἔτι ζαμενεῖ Τιμόκριτος ἁλίῳ σὸς πατὴρ ἐθάλπετο, ποικίλον κιθαρίζων θαμά κε τῷδε μέλει κλιθείς ὕμνον κελάδησε καλλίνικον Κλεωναίου τ’ ἀπ’ ἀγῶνος ὅρμον στεφάνων πέμψαντα καὶ λιπαρᾶν εὐωνύμων ἀπ’ Ἀθανᾶν, Θήβαις τ’ ἐν ἑπταπύλοις οὕνεκ’ Ἀμφιτρύωνος ἀγλαὸν παρὰ τύμβον Καδμεῖοί νιν οὐκ ἀέκοντες ἄνθεσι μείγνυον, Αἰγίνας ἕκατι. φίλοισι γὰρ φίλος ἐλθών ξένιον ἄστυ κατέδρακεν Ἡρακλέος ὀλβίαν πρὸς αὐλάν, σὺν ᾧ ποτε Τροΐαν κραταιὸς Τελαμών πόρθησε καὶ Μέροπας καὶ τὸν μέγαν πολεμιστὰν ἔκπαγλον Ἀλκυονῆ, οὐ τετραορίας γε πρὶν δυώδεκα πέτρῳ ἥροάς τ’ ἐπεμβεβαῶτας ἱπποδάμους ἕλεν δὶς τόσους. ἀπειρομάχας ἐών κε φανείη λόγον ὁ μὴ συνιείς, ἐπεί ῥέζοντά τι καὶ παθεῖν ἔοικεν. τὰ μακρὰ δ’ ἐξενέπειν ἐρύκει με τεθμός Ὧραί τ’ ἐπειγόμεναι· ἴυγγι δ’ ἕλκομαι ἆτορ νεομηνίᾳ θιγέμεν. ἔμπα, καίπερ ἔχει βαθεῖα ποντιὰς ἅλμα μέσσον, ἀντίτειν’ ἐπιβουλίαις· σφόδρα δόξομεν

4.1. Text und Übersetzung



5

Bʹ 10

15

Γʹ 20

Δʹ 25

30

Εʹ 35

119

Der beste Arzt für überstandene Mühen ist Euphrosyne. Denn die weisen Töchter der Musen, die Lieder, verzaubern sie durch ihre Berührung. Nicht einmal warmes Wasser bewirkt so sehr, daß die Glieder entspannt sind, wie die Lobrede, die Gefährtin der Phorminx. Denn länger als Werke lebt das Wort, das durch das Wirken der Chariten die Zunge aus der Tiefe des Herzens herausholt, welches aufzustellen für den Kronossohn Zeus, Nemea und das Ringen des Timasarchos als Hymnenvorfestzug mir vergönnt sei. Nehme es der Aiakiden schönturmiger Sitz entgegen, durch fremdenbeistehendes Recht allen ein Licht. Wenn durch die gewaltige Sonne Timokritos, dein Vater, noch gewärmt würde, dürfte er im bunten Spiel der Kithara mit diesem Lied wohl oft im Liegen in einem Hymnos den prächtigen Sieger preisen, der eine Kette aus Kränzen vom Wettkampf von Kleonai geschickt hat und vom fruchtbaren, wohlnamigen Athen, und weil im siebentorigen Theben beim glänzenden Grab des Amphitryon die Kadmeer ihn nicht unwillig mit Blüten vereinigt haben, mit Aiginas Beistand. Zu Freunden nämlich als Freund gekommen blickte er in die gastliche Stadt hinab auf den gesegneten Hof des Herakles, mit dem einst Troia der starke Telamon verheert hatte und die Meroper und den großen Krieger, den ehrfurchtgebietenden Alkyoneus, nicht bevor der jedoch zwölf ganze Viergespanne mit einem Felsen und doppelt so viele daraufstehende, pferdezähmende Helden überwältigt hatte. Kampfesungeprüft dürfte wohl erscheinen, wer die Erzählung nicht versteht, denn daß derjenige, der etwas tut, auch etwas erleidet, ist nur natürlich. Doch diese großen Dinge zu verkünden, davon halten mich das Fest und die drängenden Horen zurück, und durch die Iynx werde ich so gezogen, daß mein Herz das Neumondfest berührt. Widerstehe gleichwohl, auch wenn dich das tiefe Meereswasser um die Mitte hält, den hinterhältigen Angriffen: Wir werden dafür berühmt sein, weit

120

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

40



45

Ζʹ 50

55

Ηʹ 60

Θʹ 65

70

Ιʹ 75

80

ΙΑʹ

85

δαΐων ὑπέρτεροι ἐν φάει καταβαίνειν· φθονερὰ δ’ ἄλλος ἀνὴρ βλέπων γνώμαν κενεὰν σκότῳ κυλίνδει χαμαὶ πετοῖσαν. ἐμοὶ δ’ ὁποίαν ἀρετάν ἔδωκε Πότμος ἄναξ, εὖ οἶδ’ ὅτι Χρόνος ἕρπων πεπρωμέναν τελέσει. ἐξύφαινε, γλυκεῖα, καὶ τόδ’ αὐτίκα, φόρμιγξ, Λυδίᾳ σὺν ἁρμονίᾳ μέλος πεφιλημένον Οἰνώνᾳ τε καὶ Κύπρῳ, ἔνθα Τεῦκρος ἀπάρχει ὁ Τελαμωνιάδας· ἀτάρ Αἴας Σαλαμῖν’ ἔχει πατρῴαν, ἐν δ’ Εὐξείνῳ πελάγει φαεννὰν Ἀχιλεύς νᾶσον· Θέτις δὲ κρατεῖ Φθίᾳ, Νεοπτόλεμος δ’ ἀπείρῳ διαπρυσίᾳ, βουβόται τόθι πρῶνες ἔξοχοι κατάκεινται Δωδώναθεν ἀρχόμενοι πρὸς Ἰόνιον πόρον. Παλίου δὲ πὰρ ποδὶ λατρίαν Ἰαολκόν πολεμίᾳ χερὶ προστραπών Πηλεὺς παρέδωκεν Αἱμόνεσσιν δάμαρτος Ἱππολύτας Ἀκάστου δολίαις τέχναισι χρησάμενος· τᾷ Δαιδάλου δὲ μαχαίρᾳ φύτευέ οἱ θάνατον ἐκ λόχου Πελίαο παῖς· ἄλαλκε δὲ Χίρων, καὶ τὸ μόρσιμον Διόθεν πεπρωμένον ἔκφερεν· πῦρ δὲ παγκρατὲς θρασυμαχάνων τε λεόντων ὄνυχας ὀξυτάτους ἀκμάν τε δεινοτάτων σχάσαις ὀδόντων ἔγαμεν ὑψιθρόνων μίαν Νηρεΐδων. εἶδεν δ’ εὔκυκλον ἕδραν, τὰν οὐρανοῦ βασιλῆες πόντου τ’ ἐφεζόμενοι δῶρα καὶ κράτος ἐξέφαναν ἐς γενεάς οἱ. Γαδείρων τὸ πρὸς ζόφον οὐ περατόν· ἀπότρεπε αὖτις Εὐρώπαν ποτὶ χέρσον ἔντεα ναός· ἄπορα γὰρ λόγον Αἰακοῦ παίδων τὸν ἅπαντά μοι διελθεῖν. Θεανδρίδαισι δ’ ἀεξιγυίων ἀέθλων κάρυξ ἑτοῖμος ἔβαν Οὐλυμπίᾳ τε καὶ Ἰσθμοῖ Νεμέᾳ τε συνθέμενος, ἔνθα πεῖραν ἔχοντες οἴκαδε κλυτοκάρπων οὐ νέοντ’ ἄνευ στεφάνων, πάτραν ἵν’ ἀκούομεν, Τιμάσαρχε, τεὰν ἐπινικίοισιν ἀοιδαῖς πρόπολον ἔμμεναι. εἰ δέ τοι μάτρῳ μ’ ἔτι Καλλικλεῖ κελεύεις στάλαν θέμεν Παρίου λίθου λευκοτέραν – ὁ χρυσὸς ἑψόμενος αὐγὰς ἔδειξεν ἁπάσας, ὕμνος δὲ τῶν ἀγαθῶν ἐργμάτων βασιλεῦσιν ἰσοδαίμονα τεύχει φῶτα – κεῖνος ἀμφ’ Ἀχέροντι ναιετάων ἐμάν

4.1. Text und Übersetzung

40



45

Ζʹ 50

55

Ηʹ 60

Θʹ 65

70

Ιʹ 75

80

ΙΑʹ

85

121

den Feinden überlegen im Licht an Land zu gelangen. Ein anderer Mann hingegen mit neidvollem Blick läßt seine leere Meinung im Dunkel umherwälzen, wenn sie zu Boden gegangen ist. Doch von derjenigen Fähigkeit, welche mir der Herr Schicksal gab, weiß ich gut, daß die Zeit sie mit ihrem Kommen zum Ziel bringen wird, denn sie ist vorherbestimmt. Webe, süße Phorminx, gerade dieses Lied hier jetzt mit lydischer Harmonie zu Ende, das Lied, das beliebt auf Oinona und Kypros ist, wo Teukros fernab herrscht, der Telamonsohn. Aber Aias hält das väterliche Salamis und im Gastlichen Meer Achilleus die leuchtende Insel. Thetis jedoch herrscht über Phthia und Neoptolemos über das sich weit erstreckende Festland, wo rinderweidende, hoch emporragende Anhöhen liegen, bei Dodona beginnend, bis hin zum Ionischen Meer. Doch am Fuße des Pelion hatte Peleus Iolkos – ein Schutzflehender mit kriegerischer Hand – den Haimones in die Sklaverei übergeben, er, der sich die trickreichen Kunstgriffe der Hippolyte, der Gattin des Akastos, zunutze gemacht hatte. Denn mit dem Messer des Daidalos hatte ihm einen Tod aus dem Hinterhalt des Pelias Kind gepflanzt. Doch dies wehrte Chiron ab, und Peleus trug das von Zeus zugeteilte Schicksal davon: Indem er das allbeherrschende Feuer und verwegensinnender Löwen äußerst scharfe Krallen und die Schärfe ihrer äußerst furchtbaren Zähne erschlaffen ließ, machte er eine der hochthronenden Nereiden zu seiner Frau. Er sah die wohlgerundete Versammlung, in der sitzend ihm die Könige des Himmels und des Meeres Geschenke zeigten und ihm Kraft über Generationen hinweg offenbarten. Was von Gadeira aus im Dunkel liegt, ist nicht schiffbar: Wende zurück zum Festland Europa die Takelage des Schiffs! Denn ungangbar ist für mich, die gesamte Erzählung von Aiakos’ Kindern zu durchschreiten. Doch den Theandriden bin ich als ein Herold gliederstarker Wettkämpfe bereitwillig gekommen, derjenigen in Olympia, am Isthmos und in Nemea (denn ich hatte es mir vorgenommen), wo sie geprüft wurden und dann nicht ohne fruchtberühmte Kränze nach Hause gingen, wo, wie wir hören, deine Vatersfamilie, Timasarchos, Siegesliedern ein Diener gewesen ist. Wenn du mich aber aufforderst, auch dem Bruder deiner Mutter, Kallikles, eine Stele aufzustellen, die weißer noch als Parischer Marmor ist – raffiniertes Gold zeigt all seine Strahlen, und ein Hymnos über gute Taten bewirkt, daß Götterkönigen gleich ein Mann wird –, soll er, auch wenn er am Acheron wohnt, meine

122

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

γλῶσσαν εὑρέτω κελαδῆτιν, Ὀρσοτριαίνα ἵν’ ἐν ἀγῶνι βαρυκτύπου θάλησε Κορινθίοις σελίνοις, ΙΒʹ τὸν Εὐφάνης ἐθέλων γεραιὸς προπάτωρ 90 ἀείσεται, παῖ, ὁ σός. ἄλλοισι δ’ ἅλικες ἄλλοι· τὰ δ’ αὐτὸς ἀντιτύχῃ, ἔλπεταί τις ἕκαστος ἐξοχώτατα φάσθαι. οἷον αἰνέων κε Μελησίαν ἔριδα στρέφοι ῥήματα πλέκων ἀπάλαιστος ἐν λόγῳ ἕλκειν 95 μαλακὰ μὲν φρονέων ἐσλοῖς, τραχὺς δὲ παλιγκότοις ἔφεδρος.

4.1. Text und Übersetzung

123

Zunge finden, die preist, wo er im Wettkampf des lautdonnernden Dreizackträgers von korinthischem Sellerie erblühte. ΙΒʹ Ihn soll Euphanes, Dein alter Vorfahr, 90 bereitwillig besingen, mein Kind. Alle Menschen haben je andere Altersgenossen. Was einem jedem selbst widerfährt, dies erhofft er als das Hervorragendste zu bezeichnen. Wie dürfte wohl derjenige, der im Lob des Melesias ihm nacheifert, den Streit besiegen, indem er Worte flicht, unberungen darin, mittels der Rede jemanden zu Fall zu 95 bringen, sanft sinnend den Guten, den Boshaften jedoch ein rauher, ausgeruhter Gegner!

124

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

4.2Problematik Nemee 4 ist ein Epinikion für den aiginetischen Ringer Timasarchos, der (wohl nach 474 v. Chr.) bei den Nemeen als παῖς siegte.1 Dieses Lied stellt uns ähnlich wie Nemee 8 und Olympie 8 vor zwei gravierende Probleme: Es scheint erstens inhaltlich höchst disparat (sogar ein Paradebeispiel Pindarischer Disparatheit)2 zu sein und zweitens seinen lebensweltlichen Zweck zu verfehlen: Von insgesamt zwölf Strophen beinhalten strenggenommen nur die zweite und dritte ein direktes Siegerlob (13–24). Die anderen haben anderes zum Thema: die zweite (9–13) und zehnte bis zwölfte fast ausschließlich Timasarchos’ Familie, seine Heimat und seinen Trainer (73–96), die vierte und sechste bis neunte Mythen (25–32. 46–72) sowie die fünfte und sechste poetologische Reflexionen über das eigene Dichten (33–46), die so umfangreich sind, daß diese Passage einigen modernen Kommentatoren beinahe als Selbstparodie gilt.3 Doch nicht nur sie, sondern insbesondere auch die Mythen scheinen keinerlei inhaltlichen Bezug zum Rest des Liedes und speziell zum Siegerlob zu besitzen. Zudem wirken sie in einem Epinikion für einen Ringer unpassend: Erstens ist in 25–32 nicht Herakles, der Schwerathlet par excellence,4 die Hauptperson, sondern Telamon, und zweitens fragt 1

2 3 4

Die Datierung ist unsicher (für einen Überblick s. Farnell 2, 263, Bowra 1964 409, Willcock 1995 93); gewöhnlich wird 473 v. Chr angenommen (Farnell, Bowra, Willcock, Snell – Maehler). Wenn bei den Isthmien tatsächlich ab 475/474 v. Chr. Siegeskränze aus Sellerie anstatt aus Fichtenlaub verliehen wurden (s. Broneer 1962), wäre dies ein sicherer terminus post quem für N. 4, da Kallikles, ein inzwischen verstorbener Onkel des Siegers, bei den Isthmien mit Sellerie bekränzt wurde (86–88). Da dieser Sieg schon deutlich früher errungen wurde (91 f.), wäre sogar eine Abfassungszeit in den 460ern anzunehmen. Allerdings könnte das Hauptzeugnis für den terminus post quem des Wechsels der Kränze (Aischylos, Isthmiastai fr. 78c, 39 TrGF) nicht hinreichend beweiskräftig sein, da in ihm möglicherweise nicht von Sieges-, sondern von Kultkränzen die Rede ist (so Blech 1982 131–134; s. insgesamt A. Wessels und R. Krumeich in Krumeich [u. a.] 1999 132 Anm. 10); nichtsdestoweniger kennt Pindar für die Isthmien nur Kränze aus Sellerie (O. 13, 33, N. 4, 88, I. 2, 16, I. 8, 64; vgl. Blech 1982 133). Ebenfalls für eine frühe Datierung könnte sprechen, daß das Lied strophisch verfaßt ist (vgl. O. 14, P. 6. 12, N. 2. 9, I. 8; s. auch Bernardini in Gentili 1995 309). Unabhängig davon kann sich die akzeptierte Datierung des Sieges vor 460 v. Chr. nicht auf das Argument stützen, Pindar hätte einen athenischen Trainer Melesias nach 460 v. Chr. auf Aigina nicht wie in 93–96 loben können (Bowra 1964 144), denn dieser kam anscheinend nicht aus Athen (s. o. zu O. 8, besonders S. 102 Anm. 74, S. 114 f.; vgl. Köhnken 1971 189 f.). Vgl. Maloney (1964) und s. die zusammenfassende Darstellung bei Köhnken (1971) 188– 191. Zur Gliederung s. Willcock (1995) 93 und vgl. Mezger (1880) 396–398, Bury (1890) 62, Fraccaroli (1893) 325, Maloney (1964) 182, Köhnken (1971) 191 f., Carey (1980a) 52 f. So Burnett (2005) 125. Vgl. Kramer (1970) 108–138, besonders 136. Vgl. Milon, der als Herakles zur Schlacht erschien (s. o. Kap. 2.7); so hieß ein Ringkampf- und Pankrationsieger Nachfolger des Herakles (s. Poliakoff 1989 188–191, Gardiner 1978 181, Doblhofer [u. a.] 1998 407).

4.3. Ringen als Poetologie

125

sich hinsichtlich des Peleus-Mythos in 54–60, „why a myth with such apparently limited potential for kleos – turning down a sexual advance being less obviously heroic than sacking Troy – represents […] the pinnacle of Aiakid glory.“5 Und drittens wirkt der Katalog der Herrschaftsbereiche in der Gedichtmitte (46–53) in Länge und Inhalt unmotiviert. Insgesamt erweckt das Lied den Eindruck größter Disparatheit und fehlender Relevanz hinsichtlich seines lebensweltlichen Anlasses. Allerdings ist angesichts der obigen Analysen nicht unwahrscheinlich, daß es sich tatsächlich anders verhält, denn das Lied beinhaltet auffällig viele Wörter aus dem Bereich des Ringens, insbesondere in 33–46 und 93–96 (unter anderem ἐρύκει, ἕλκομαι, ἔχει … μέσσον, χαμαὶ πετοῖσαν bzw. στρέφοι, πλέκων, ἕλκειν, ἔφεδρος),6 und es finden sich zahlreiche Dreiergruppen, unter anderem Zeus, Nemea, Timasarchos’ Ringen (9 f.), Nemea, Athen, Theben (17–19), Troia, Meroper, Alkyoneus (25–27), Feuer, Krallen, Zähne (62–64) sowie Olympia, Isthmos, Nemea (75).7 Diese Bezüge zum Ringen bestehen kaum aus stilistischen Gründen allein,8 sondern dienen aller Wahrscheinlichkeit nach dem Siegerlob. Dies soll eine eingehende Analyse erweisen.

4.3Ringen als Poetologie Unbestritten beinhalten die Passagen 33–46 und 93–96 eine auffällige Metaphorik des Ringens.9 Insoweit sie vom Loben handeln, sind sie poetologisch, und daher lassen sich von ihrer Untersuchung über Nemee 4 selbst hinaus weisende Erkenntnisse bezüglich des Pindarischen Epinikiendichtens im allgemeinen erhoffen (vgl. oben Kap. 2). 4.3.1Lobes- und Neidesringen Der Beginn des auf den Telamon-Mythos folgenden Abschnitts (33–35) läßt sich als Erklärung des Sprechers darüber verstehen, den begonnenen mythischen Exkurs nicht weitererzählen zu wollen,10 da „die festgesetzte Norm, der τεθμός, des Epinikions, das nun doch zur (abgemachten) Zeit fertig werden 5 6 7 8 9 10

Carnes (1996b) 15. Vgl. Williams (1976) 143, Willcock (1995) 94. Vgl. zur Häufigkeit von Dreiergruppen Henry (2005) 30. So Willcock (1995) 94. S. insbesondere Köhnken (1971) 208. 216. τά (33) enthält eine deiktische Komponente (vgl. KG § 457 f., insbesondere § 457 2, § 457 Anm., § 458 3; s. Düring 1933 16); zu μακρά (33) s. Henry (2005) 35. 94 und vgl. P. 4, 247 (mit Braswell 1988 340).

126

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

soll“, hindere und / oder das Epinikion den Gattungsgesetzen (τεθμός, d. h. ὁ νόμος τοῦ ἐγκωμίου, der darin bestehe, nicht abzuschweifen) genügen solle (also der subjektive Wille des Sprechers der objektiven Verpflichtung nachgebe) und ein zum Neumondfest lockender Zauber dazu dränge, das Epinikion endlich zu beenden.11 Dies wäre jedoch nicht nur insofern merkwürdig, als der Telamon-Mythos (25–32) kaum ausschweifend erzählt ist, das Pindarische Kunstmittel der Überleitung mißverstanden zu sein scheint und generell die Existenz einer solchen poetischen Regel fragwürdig ist, sondern auch insofern, als das Lied tatsächlich kein Ende findet und wenig später sogar ein um so längerer Mythos (46–72) folgt.12 Ein überzeugenderes Verständnis zeigt sich bei Berücksichtigung der expliziten Verweise auf das Ringen, neben ἕλκομαι (35; ἕλκειν bezeichnet ein Ziehen am Gegner, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen)13 auch die Dreizahl von τεθμός, Zeit und Iynx:14 Beides verweist auf einen metaphorischen Ringkampf zwischen diesen drei Akteuren und dem Sprecher (33: με; 35: ἕλκομαι). Insofern diese Passage als Überleitung dienen soll – nämlich vom Telamonmythos zu der folgenden Passage, in der der Sprecher poetologisch über sein Verhältnis zum aktuellen Anlaß reflektiert –, liegt nahe, τεθμός als κῶμος oder „festival“ zu fassen,15 entweder mit Verweis auf das gerade begangene Fest oder auf die Wettspiele als Ursache dieses Festes, und ὧραι (34) auf die (rechte) Zeit, ebenso bezogen auf die von den Umständen (dem 11 Vgl. Σ N. 4, 53. 56. 58. 60, Farnell 2, 266, Von der Mühll (1957) 128, auch Gundert (1935) 64, Williams (1976) 188–196, Willcock (1995) 99 f., Henry (2005) 23. 35. Pindar wolle „prouver à ses adversaires qu’il peut composer une ode selon toutes les règles du genre“ (Maloney 1964 174). Zu τεθμός als ‚poetischer Regel‘ s. Σ N. 4, 53a, Dissen 2, 399, Rauchenstein (1858) 254 f., Mezger (1880) 394, Wilamowitz (1922) 402 f., Schadewaldt (1928) 284 Anm. 3, Farnell 2, 266, Gundert (1935) 64 f., Bowra (1964) 196, Williams (1976) 188–196, Miller (1983) 205–207, Bundy (1986) 3 Anm. 11, Willcock (1995) 100, Lefkowitz (1991) 47–50. 134–136, Kyriakou (1996) 21; vgl. Slater s. v. c γ (singulär); dagegen Whitmore (1910) 105 f., Köhnken (1971) 205–208, Carnes (1996b) 22 Anm. 22. 12 Zum ersten s. Kyriakou (1996); vgl. Carey (1980a) 148, der zu Recht die literarische Funktion solcher Passagen betont. Lefkowitz (1991) 147–160, insbesondere 151–153, diskutiert Gründe für das Mißverstehen der Überleitungen in den Scholien (und in der Folge in Teilen der modernen Forschung). Der Text selbst gibt keinen Hinweis darauf, τεθμός als poetische Regel zu verstehen, und ebensowenig entspricht dies der allgemeinen Wortbedeutung (LSJ s. v.; vgl. Carey 1980a 147); ähnliches gilt für Whitmore (1910) 108 (τεθμός als „the rule of conduct“). Zum letzten vgl. Whitmore (1910) 105. 13 S. Poliakoff (1982) 141; vgl. N. 7, 103, Hom. Il. 23, 715, Nonn. Dion. 37, 563. 714. 14 Die Partikel δέ (35) ist weniger adversativ (Bury 1890 72, Köhnken 1971 211) als fortführend (Dissen bei Boeckh 2, 2, 384, Mezger 1880 394, Fraccaroli 1893 316, Von der Mühll 1957 128 f., Willcock 1995 100, Kyriakou 1996 21, Palaiogeorgou 2003 261). Sie fügt einen zusätzlichen Grund für das in 33 genannte Verhalten an (vgl. Carey 1980a 147 f.). 15 Vgl. Slater s. v. c α bzw. β (vgl. O. 7, 88, O. 13, 29 bzw. O. 6, 69, O. 13, 40, N. 10, 33, auch Nonn. Dion. 37, 605); vgl. Slater s. v. κῶμος (ebenso oben Kap. 2.5.3.1), LSJ s. v. θεσμός, Thummer (1957) 117.

4.3. Ringen als Poetologie

127

Fest) geforderten Notwendigkeiten.16 Schließlich bezaubert und bannt den Sprecher in einem dritten Niederwurf die Iynx (35), eine magische Vorrichtung für einen Liebeszauber17 (das Verb ἕλκειν findet auch hinsichtlich der Iynx Verwendung), so daß sein Herz (ἆτορ, als natürliches Organ eines Liebeszaubers) den Neumond berührt. Der Sprecher wird also (in der Metapher) endgültig niedergerungen, wobei der Neumond – an dem wohl die Nemeen gefeiert wurden, der also für den aktuellen Sieg steht18 – metaphorisch den Boden im Ringen bezeichnet.19 Somit teilt der Lobende mit, daß er (in der von ihm fingierten Sprechsituation, die sein Sprechen als improvisierte Handlung darstellt) so sehr von einem großen Zauber bezwungen werde, daß er den Mythos nicht weitererzählen könne, sondern auf den jetzigen Anlaß zurückkommen müsse.20 Dieser Zauber ist ein Liebeszauber, der auf der (natürlichen) Anmut des Siegers selbst beruht, der (homoerotisches) Verlangen in allen anderen, den Sprecher eingeschlossen, erzeugt, ein von ihm ausgehender, unentrinnbarer Bann.21 Es 16 Vgl. Slater s. v. a und LSJ s. v., insbesondere A II und B sowie P. 4, 247. Angesichts von ἐπειγόμεναι (34) erscheinen die Ὧραι personifiziert (vgl. O. 4, 1–3, allgemein oben Kap. 2.5.3.3); vgl. Quint. Smyrn. 4, 226 zur Verwendung des Partizips ἐπειγόμενος im Ringen. 17 Eigentlich der Vogel Wendehals, mit dem man ursprünglich, in ein Rad gebunden, einen Liebeszauber betrieb; später wurde hieraus ein Rad ohne Vogel (s. Gow 1952 41 zu Theokrit. 2, 17, insbesondere Tafel 4 f. mit Vasenbildern und modernen Nachbildungen, ferner Gow 1934, Tavenner 1933, Bury 1886); vgl. P. 4, 213–219, auch Σ N. 4, 56, Σ P. 4, 381. 18 S. Perlman (1989); communis opinio ist, daß hier der Neumond genannt sei, weil an ihm das Fest zu Timasarchos’ Ehren stattgefunden habe (s. Dissen bei Boeckh 2, 2, 379 f., Dissen 2, 393, Mezger 1880 394, Christ 1896 262 f., Farnell 2, 266, Köhnken 1971 211 Anm. 96, Willcock 1995 100 f., Palaiogeorgou 2003 261 Anm. 23, Henry 2005 23. 35; skeptisch Von der Mühll 1957 129). Eine dritte Möglichkeit ist, νεομηνία als allgemeine Bezeichnung für ein Fest zu verstehen (s. Nilsson 1918 37, speziell zu dieser Stelle Von der Mühll 1957), da der Neumondtag anscheinend ein verbreiteter Festtag war (Nilsson 1918 36– 38). Welche dieser Lösungen richtig trifft, ist hier allerdings insoweit irrelevant, als alle gleichermaßen auf den Bereich des gefeierten Sieges verweisen. 19 Zu ἕλκειν im Ringen s. o. mit Anm. 13. Der Infinitiv θιγέμεν (35) dürfte konsekutiv sein (vgl. KG § 471 2 und § 473 7), wobei das Verb mit dem Dativ (νεομηνίᾳ [35]) konstruiert ist (vgl. Slater s. v., Mezger 1880 393 f., Farnell 2, 266, Von der Mühll 1957 128 f.; Dissen 2, 383 f., Rauchenstein 1858 254 f. fassen νεομηνίᾳ als temporalen Dativ; Bury 1890 72 versteht νεομηνίᾳ als zu ἴυγγι gehöriges Adjektiv); der Akkusativ ἆτορ (35) ist damit innerer Akkusativ, der einschränkend den von der Handlung betroffenen Bereich nennt (vgl. KG § 410, insbesondere 1. 6 a), ἴυγγι (35) auktorialer Dativ (vgl. KG § 423 18 c). Zum Boden im Ringen (hier: der Neumond) vgl. Hom. Il. 23, 719, zu ἆτορ O. 1, 4 (s. auch Slater s. v. und Darcus Sullivan 1995 und 2001). In I. 3/4, 9–11 steht das ἦτορ mit εὐφροσύνα in Verbindung, die wiederum im Prooimion von N. 4 mit der Siegesfeier verbunden ist (s. Bundy 1986 2); in O. 1, 3–7 kommt vom ἦτορ das Verlangen, die sportlichen Wettkämpfe zu besingen (vgl. pae. 6, 12–15; s. Darcus Sullivan 2002 96–98). 20 Vgl. Carey (1980a) 149. Zum καιρός-Motiv s. Lefkowitz (1991) 48 f., Wilson (1980) 181– 183; vgl. O. 13, 45–48, P. 1, 81–84, P. 9, 76–79 (s. u. S. 302 f. Anm. 146), P. 10, 4, N. 1, 18. 21 Vgl. oben S. 71 Anm. 229, besonders O. 9, 91–94, O. 10, 99–105, N. 8, 1–5; vgl. Aischyl.

128

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

liegt also keine Rechtfertigung des eigenen Dichtens vor (mit dem Ziel der Verteidigung gegen andere Dichter), sondern einerseits selbstreflexiv eine Darstellung der eigenen Motivation für das gewählte Vorgehen, andererseits ein indirektes Siegerlob. Letzteres wird dadurch gesteigert, daß die Ringkampfmetaphorik den Lobenden als durch die jetzigen, äußeren Umstände (Feier, Zeit und Anmut des Siegers) endgültig besiegt erscheinen läßt. Hierauf folgt eine Unterhaltung des Sprechers mit einer zweiten Person (36–43); sie weist eine komplexe Verbindung von Metaphern verschiedener Bereiche auf, nämlich Licht, Seefahrt und Ringen.22 Gleich im ersten Satz (36 f.) wird eine Ringkampf- mit einer Seefahrtsmetapher verflochten, wenn es heißt, daß der Angeredete, ein namenloses Du (zu Unrecht oftmals für Pindar selbst gehalten)23, vom Meer um die Mitte gefaßt werde (36 f.: ἔχει … μέσσον).24 Dieses Um-die-Mitte-Fassen bezeichnet einerseits einen für den Ergriffenen mißlichen Ringkampfgriff, da er sich (ohne sich leicht befreien zu können) in einer Lage befindet, in der er hochgehoben und zu Boden geworfen werden kann; entsprechend steht dieser Griff häufig metaphorisch für eine ausweglose Situation oder eine Niederlage.25 Andererseits ist der Gegner metaphorisch ein tiefes Meer (36), und dies ergänzt das Bild einer

22

23 24

25

Pers. 988 für die Verwendung von ἴυγξ im Sinne von ‚Verlangen‘; vgl. Gow (1952) 41. Damit drängen auch innere Beweggründe zur Rückkehr zum aktuellen Anlaß; es liegt „a dramatically heightened variant of the ‚ἑκών-motif ‘“ vor (Miller 1983 208). Zur Homoerotik im agonistischen Kontext s. Instone (1990) 33–35, Hubbard (2003). Diese wohl am kontroversesten diskutierte Stelle des Liedes behandeln Mezger (1880) 394, Whitmore (1910), Wilamowitz (1922) 402 Anm. 2, Farnell 2, 266 f., Bundy (1986) 3 Anm. 11, Köhnken (1971) 205–212, Péron (1974) 92–100, Carey (1980a) 148–153, Miller (1983), Willcock (1982) 8–10 und (1995) 99–101, Bulman (1992) 62–65, Kyriakou (1996) 22–25, Palaiogeorgou (2003, mit weiterer Literatur), Henry (2005) 35–37. Insgesamt gibt es zwei Positionen: Entweder handele die Stelle von einem Kampf zwischen Pindar und seinen Dichterrivalen, d. h. Simonides (Σ N. 4, 60b, Mezger, Whitmore, Bundy, Miller, Bulman), oder von einem Kampf des Epinikions für Timasarchos und seinen Ruhm (Köhnken, Poliakoff, Kyriakou). Festzuhalten ist aber, daß sich nie „der ‚Neid‘ gegen den (Ruhm des) Dichter(s) selber wendet; das Lied kann nur insofern ‚Neid‘ erregen, als es die Leistung des Besungenen übertreibt“ (Köhnken 1971 209 Anm. 86; vgl. oben Kap. 2). Vgl. Σ N. 4, 60, Farnell 2, 266 f. Im konzessiven Einschub ist aus ἀντίτεινε (37) im Hauptsatz ein Akkusativ σε, bezogen auf μέσσον (37), zu ergänzen. Hier könnte der seltene Fall vorliegen, daß καίπερ (36) einen Nebensatz einleitet (s. Scheidweiler 1955 sowie Farnell 2, 266, Ussher 1960 46, Williams 1976 188, Willcock 1995 101); allerdings wenden sich hiergegen nicht ohne Grund GP 486, Henry (2005) 35 f. (vgl. Diggle 2004 187). So könnte notwendig sein, καἰ (oder κεἰ) περέχει (Ahrens 1860 57) oder κεἴπερ ἔχει (Donaldson 1854 219–221) zu lesen. S. allgemein Poliakoff (1982) 40–53, insbesondere 40, speziell zu dieser Stelle 138–140, ebenso Gardiner (1978) 189–193; zum metaphorischen Gebrauch vgl. Aristoph. Ach. 274 f. 571, Equ. 388, Ran. 469, Nub. 1047. Daß hier davon die Rede ist, daß das Meer zwischen ihnen liege (Σ N. 4, 58c, Wilamowitz 1922 402 Anm. 2, Farnell 2, 266 f., Köhnken 1971 211), ist nicht nur hinsichtlich des Sinns problematisch, sondern es fehlt auch eine sprachliche Parallele (s. Henry 2005 36).

4.3. Ringen als Poetologie

129

ungünstigen Situation um den Aspekt der unermeßlichen Größe des Gegners. So entsteht der Eindruck, daß der Angesprochene im Begriff ist, jeden Moment seinen Kampf gegen einen übermächtigen Gegner ohne Hoffnung auf Rettung zu verlieren.26 Aber, so fährt der Sprecher unerwartet fort, trotz der ungünstigen Lage (36: ἔμπα) solle sich der Angesprochene dennoch den gegnerischen hinterhältigen Plänen (zum Niederwurf ) widersetzen (37).27 Dem unentwindlichen Ringergriff wird mit einer Anweisung zum Durchhalten geantwortet. Damit gibt der Sprecher dem Angesprochenen eine taktische Anweisung in dessen Ringkampf, den er durch diese gewinnen soll (über den Sieg im Ringen entschied nicht nur Kraft, sondern auch Listen, Täuschungen etc.):28 Wenn der Angesprochene sich wie empfohlen verhält (das Asyndeton drückt eine Folge aus), werden er und der Sprecher sehr (σφόδρα [37] ist durch die Stellung betont) dafür bekannt sein, den Feinden überlegen im Licht ans Ziel zu gelangen (37 f.: σφόδρα δόξομεν δαΐων ὑπέρτεροι ἐν φάει καταβαίνειν).29 Ein anderer, neidvoll blickender Mann hingegen (39; φθονερά ist innerer Akkusativ zu βλέπων)30 rolle im Dunkeln eine leere, zu Boden gefallene Mei26 Vgl. I. 1, 36–38. Da die Metaphern auf Verschiedenes abzielen (unermeßliche, bedrohliche Größe des Gegners bzw. Aussichtslosigkeit der Lage) und sich entsprechend inhaltlich ergänzen, ist Farnells 2, 266 Einwand, „to grip one round the waist is a very good hold in wrestling, but the grip of the tide is more effective if it is over one’s head“, nicht stichhaltig, ebensowenig Henrys (2005) 36 Einwand, daß das Meer niemanden um die Mitte halten könne (vgl. Aischyl. Eum. 558 f.). Das Meer steht oftmals für große Bedrohung: vgl. Aischylos’ Sieben gegen Theben (s. Hutchinson 1985 52 und oben Kap. 2.5.3.2), Hom. Il. 4, 422–428; 15, 379–389 (mit Verschmelzung von Bild und realer Situation), Aischyl. Pers. 87–92; s. insgesamt van Nes (1963) 30–61, insbesondere 60 Anm. 2. 27 ἔμπα (36) bezieht sich also auf den folgenden konzessiven Einschub (so auch Σ N. 4, 58b, Dissen bei Boeckh 2, 2, 384, Bury 1890 72, Christ 1896 263, Farnell 2, 266 f.; vgl. Plat. rep. 495 d4–6, wo ὅμως auf καίπερ vorausweist), nicht auf 33–35 (Carey 1980a 149, Miller 1983 204 f., Bulman 1992 63); dafür spricht auch der asyndetische Anschluß (vgl. KG § 546 5 e). Auf das Ringen ließe sich angesichts der Bedeutung auch ἀντιτείνειν beziehen (Köhnken 1971 208, Willcock 1995 101), doch läßt sich keine direkte Parallele anführen. 28 In O. 9, 91 besiegt der Ringer Epharmostos seine Gegner ὀξυρεπεῖ δόλῳ (vgl. oben Kap. 3.4.1 zu O. 8, 23); vgl. I. 3/4, 63–69, ebenso B. 11, 33, Hom. Il. 23, 725, Xen. Kyr. 1, 6, 32. Zur Bedeutungskomponente der List in ἐπιβουλία vgl. LSJ s. v. ἐπιβουλεύω etc., ebenso unten S. 150 Anm. 117 und Ebert (1972) Nr. 34 [113–115]. 29 Zu dieser Verwendung des Verbs δοκεῖν vgl. O. 13, 56, P. 6, 40 sowie Slater s. v. 1 a, LSJ s. v. II 5, zu καταβαίνειν Slater s. v. b. Zwar bedeutet καταβαίνειν auch „go down into the scene of contest“ (s. LSJ s. v. I 3), so daß eine Sportmetapher vorliegen könnte (Farnell 2, 267, Köhnken 1971 208 f., Bulman 1992 64 f., Willcock 1995 101; dagegen Kurke 1991a 52 mit Anm. 34, Henry 2005 36; vgl. Pfeijffer 1999b 653–659), doch ist nicht auf den Eintritt in den Kampf abgezielt, sondern auf das Ergebnis des Kampfes (so daß sich die Kampfszene in 36 f. chronologisch in die Argumentation fügt). Einzig sekundär könnte eine Sportmetapher vorliegen, insofern man wegen seiner Kampfstärke dafür berühmt sein wird, glänzend in den Ring einzutreten. Zur Betonung durch die Wortstellung vgl. KG § 606 3. 30 Zu ἆλλος (39; so auch Snell – Maehler) s. Henry (2005) 36 f.; vgl. O. 6, 74–76 mit Race

130

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

nung umher – oder angesichts des vorangehenden Ringkampfbildes besser: lasse sie umherrollen. Der Inhalt dieses Satzes zeigt eine zum Vorangehenden parallele, freilich entgegengesetzte Struktur: Insofern die Meinung zu Boden gefallen ist (41: χαμαὶ πετοῖσαν), dies aber im Ringen nichts anderes als das Erleiden eines Niederwurfes ist,31 erscheint diese Meinung als unterlegen, und dies bringt sie zusammen mit dem neidischen Mann in einen Gegensatz zum Wir des ersten Satzes – das freilich dafür bekannt sein werde, den Feinden überlegen zu sein (38: ὑπέρτεροι, auch bildlich zu verstehen: vgl. P. 8, 81). Diese Feinde sind aber offenbar niemand anderes als die leere Meinung und der neidisch blickende andere Mann, und auch ihre Beziehung zueinander ist parallel: Die Meinung erscheint als Ringer, der neidische Mann hingegen als derjenige, der der Meinung Anweisungen gibt, nämlich als deren Trainer. Die Anweisung besteht nun offenbar darin, sich nach dem Niederfall auf dem Boden zu wälzen (40: κυλίνδει). Dies freilich läuft darauf hinaus, daß die unterlegene Ringer-Meinung den offenkundigen Sieg des Gegners nicht eingestehen und trotz der Niederlage weiterkämpfen soll.32 Insgesamt ergibt sich ein Gegensatz zweier Gruppen: auf der einen Seite der Sprecher mit dem von ihm angeredeten Du, auf der anderen der neidische Mann und (s)eine Meinung; diese ist, dem Wesen des Neiders entsprechend, neidvoll (und leer: 40). Beide Gruppen bestehen aus einem Trainer (Sprecher bzw. neidvoller Mann) und einem Ringer (Du bzw. leere Meinung). Der Gedankengang legt einen tatsächlich ausgeführten Ringkampf zwischen beiden nahe, der, unterstützt durch die Lichtmetaphorik, die erste Gruppe als Sieger (38: ἐν φάει), die zweite als Verlierer (40: σκότῳ) erweist.33 Damit steht fest, wer die beteiligten Personen sind und was das Ziel des Ringens ist: Wenn die neidvolle Meinung ringt, ist ihr Gegner (als ihr wesensmäßiges Gegenteil) das Lob, und wenn der Neid vom Neider trainiert wird, wird das Lob vom Lobenden trainiert; der Sprecher hat also die in ei(1983) 109 f.; zu φθονερὰ … βλέπων (39) s. Willcock (1995) 101 und vgl. KG § 410 3 c. 31 Vgl. P. 8, 93, O. 9, 12 und s. Köhnken 1971 208; Farnell 2, 267 und Williams (1976) 197 bezweifeln das Vorliegen einer Ringkampfmetapher, doch legt dies der Kontext im Vergleich mit O. 9, 12, P. 8, 93 nahe (auch wenn das Bild in P. 6, 37 ein anderes ist: Williams 1976 197); vgl. Aischyl. Choeph. 964 und 263. 934. 971, ebenso Visa-Ondarçuhu (2002). 32 Das Verb könnte hier das Wälzringen bezeichnen, eine Technik, die eher zum Pankration gehört: s. Gardiner (1978) 181–183, Doblhofer [u. a.] (1998) 394 f.; dies ließe sich als Urteil über das unsachgemäße / unfaire Ringen der Meinung verstehen. Auf jeden Fall ist κυλίνδει (40) mehr als „the usual ὁρμαίνει“ (so Henry 2005 37); vgl. Lomiento (1990). Mit Sicherheit ist es kausativ (vgl. KG § 409 6, Lomiento 1990). Sprachlich schwer verständlich ist Köhnkens (1971) 209 Wiedergabe (vgl. Nicholson 2001 49 Anm. 51). 33 Vgl. Bremer (1976) 254, Köhnken (1971) 209. In N. 4 ist der Sieg mit dem Licht verknüpft, insbesondere bei der Nennung von Timasarchos’ früheren Siegen (18 f.: λιπαρᾶν … ἀπ’ Ἀθανᾶν, 20: Ἀμφιτρύωνος ἀγλαὸν παρὰ τύμβον); auch in 12 f. ist das Licht in bezug auf Aigina positiv besetzt (s. Bremer 1976 240), ebenso in 49 f. 79–85 (der Hymnos gleiche parischem Marmor und Gold; vgl. Bremer 1976 290); vgl. Hölscher (1975) 96.

4.3. Ringen als Poetologie

131

nem Epinikion von ihm zu erwartende Eigenschaft. Zweck des Ringens von Neid und Lob ist die angemessene Darstellung überragender Leistung (vgl. N. 8); diese Darstellung kann ihren Sieg davontragen, wenn sie sich an die Anweisungen des Lobenden hält. Diese sind angesichts der Sache nichts anderes als das Dichten des Epinikions (das konkrete ringende Lob), so daß hier eine in eine Ringkampfmetaphorik gekleidete grundsätzliche poetologische Aussage vorliegt – und als grundsätzliche Maxime des Lobens das Ingrößter-Gefahr-hinterhältigen-Plänen-Widerstehen ausweist.34 Wie in Nemee 8 wird auch hier die Tätigkeit des Lobenden mit der Tätigkeit des Gelobten parallelisiert. Diese findet nicht nur eine Spiegelung, sondern wird auch in ihrer Vorbildhaftigkeit gepriesen, und zwar speziell in ihrer überlegenen Sieghaftigkeit: Folgt man im Loben den Regeln guten Ringens, ist ein Sieg unter allen (auch noch so hoffnungslos scheinenden) Umständen sicher. Dies ist ein großes Lob für Timasarchos, aber auch für seinen Trainer Melesias, der dem überragenden Lobenden der vierten Nemee gleicht. Damit sind die Prinzipien des Ringens und Lobens die gleichen – doch muß man sie, je nachdem, welche besondere Tüchtigkeit das Schicksal einem verliehen hat, in seinem eigenen Gebiet umsetzen (41–43).35 Pindar verteidigt sich also nicht gegen Dichterrivalen wie Simonides – zumal dies insofern merkwürdig wäre, als dies alexandrinischen und römischen Gepflogenheiten entspräche und kaum mit dem in den Epinikien entworfenen Selbstbild des Lobenden übereinstimmte: vgl. Nemee 8, P. 9, 95 f. etc.36 Und ebensowenig zeigt er in einer Art Selbstlob, „that poetic composition is also a difficult job involving pain and effort“.37 Vielmehr lobt der Sprecher des Epinikions Timasarchos und seinen Trainer – insbesondere da34 Da die gesamte Passage diesen Gegensatz von Lobendem (und Lob) und Neidendem (und Neid) thematisiert, kann sie nicht davon handeln, daß Pindar seine Art des Dichtens gegenüber anderen Lobesdichtern verteidigt (s. o., insbesondere S. 128 Anm. 22), denn dieser andere Dichter müßte eine neidvolle Meinung gerade bei seiner eigentlichen Tätigkeit, beim Dichten von Lobliedern, haben (ἄλλος ἀνήρ ist im übrigen nicht zwangsläufig „a (hypothetical) laudator“ [Miller 1983 208]). Objekt der Meinung der beiden Parteien muß vielmehr eine große Tat sein, die die eine Partei neidvoll, die andere wohlwollend entgegennimmt (s. o. S. 128 Anm. 22 und vgl. oben zu N. 8; vgl. Köhnken 1971 207–209. 222). Auch in dieser Hinsicht scheidet ein Verständnis von τεθμός im Sinne einer poetischen Regel des Verfassens von Gedichten aus (s. o. S. 126 Anm. 11). 35 Zur Allgemeinheit dieser Passage s. Köhnken (1971) 209–211, insbesondere 209; vgl. Slater (1969) 89 f.; zum Wort χρόνος vgl. oben S. 101 f. Anm. 73. 36 Vgl. oben S. 128 Anm. 22, unten S. 299; gegen einen Selbstbezug spricht auch der Kontext (33–35. 44–46). Man beachte die Diskussion um das Prooimion von Kallimachos’ Aitia (vgl. Bundy 1972): Offenbar ist es inadäquat, Pindars Epinikien mit den Maßstäben des alexandrinischen Literatur- und Wissenschaftsbetriebs und nicht mit denen moderner Literaturwissenschaft zu verstehen – also in Pindar den polemisch-neidvollen und nicht den Lobes-Dichter zu sehen (vgl. Lefkowitz 1991 147–160, ebenso unten Kap. 5.4.3). 37 Palaiogeorgou (2003) 264.

132

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

durch, daß er den Wert des eigenen Lobes vor Augen führt, das sich (in seinem Ringen gegen den Neid) an den beiden Gelobten orientiert: Mit diesen Vorbildern wird der Ruhm (des Siegers) aus dem Epinikion niemals durch Angriffe gefährdet sein und immer bestehen. Die metaphorische Parallelisierung von Dichten und Ringen erfüllt also zwei Funktionen: Siegerlob und Aufweisen des ewigen Fortlebens dieses Lobs. Primär nur in Hinsicht hierauf wird der Wert der eigenen, als dienend beschriebenen Tätigkeit betont. Eine besondere Pointe ist, daß die auf den vorgängigen Produktionsprozeß bezogenen Reflexionen über das Loben, die der Sache nach außerhalb des eigentlichen Epinikions stehen, in das Epinikion integriert werden – und zwar in einer Fiktion, die das Verfassen des Epinikions metaphorisch als Trainieren des Lobes und das Wirken des Lobes metaphorisch als dessen Ringen deutet, wobei das Loben selbst nicht aus einem expliziten Siegerlob besteht, sondern in der Wiedergabe der fingierten Trainingssituation (vgl. N. 8, 19– 22). Das eigentliche Siegerlob ist damit implizit und entsteht in der Entschlüsselung der Metapher auf der Grundlage des Erschließens ihrer Voraussetzung: Timasarchos’ und Melesias’ vollkommener Kunst. 4.3.2Der Trainer des Lobens Der Schluß des Liedes weist eine weitere poetologische Passage mit auffälliger Metaphorik des Ringens auf (93–96).38 Sie dient vor allem der Charakterisierung einer bestimmten Person – des Subjekts des Satzes, dessen genaue Identität aber nicht sofort ersichtlich ist (insbesondere 94–96):39 Als erstes ist zu erfahren, daß diese Person Wörter flechte (94: ῥήματα πλέκων). Obgleich das Verb πλέκειν metaphorisch durchaus konventionell das Dichten bezeichnet,40 verweist es dennoch, unterstützt durch den Kontext, ebenso auf das Ringen, denn es steht für ein Verschlingen im Kampf; es ist für das Ringen sogar so charakteristisch, daß beides mitunter synonym war.41 Sport und Dichten werden also auch hier metaphorisch zusammengeführt. Dasselbe 38 Das Vorhandensein dieser Metaphorik ist allseits anerkannt: s. Σ N. 4, 151a und 153, Dissen 2, 408, Mezger (1880) 396, Bury (1890) 80, Christ (1896) 266 f., Köhnken (1971) 216–219, Williams (1976) 211, Poliakoff (1982) 137–141, Bernardini (1983) 119 f., Willcock (1995) 108, Nicholson (2001), insbesondere 45 f. 48 f., Henry (2005) 47 f. 39 S. Bury (1890) 232–234, Köhnken (1971) 215–219, Poliakoff (1982) 140 f., Willcock (1995) 108 f., Henry (2005) 47; s. auch unten, insbesondere S. 135 Anm. 59. 40 Vgl. O. 6, 86 f., P. 12, 8, pae. 3, 12, [Eur.] Rhes. 834 sowie mit ähnlichem Bildbereich (Weben) N. 4, 44, fr. 179, ebenso I. 1, 32–35; vgl. LSJ s. v. πλέκω, insgesamt Nünlist (1998) 110–118. 206–223. 41 S. Poliakoff (1982) 75–85, insbesondere 75: „the clinch or grasp of the athletes, or, in a wider sense, their general struggle“; allerdings ist das Verb nicht auf das Ringen beschränkt, sondern kann bei allen drei Kampfsportarten Anwendung finden.

4.3. Ringen als Poetologie

133

gilt für die Fortführung, wo sich als weitere Eigenschaft ἀπάλαιστος ἐν λόγῳ ἕλκειν (94) findet: Einerseits drückt ἀπάλαιστος eine Unbesiegbarkeit (und Unbesiegtheit)42 im Ringen aus, andererseits ἕλκειν ein Herunterziehen des Gegners (s. o. zu 35, insbesondere S. 126 Anm. 13). Der Zielbereich der Metapher wird durch ἐν λόγῳ (94) (vgl. ῥήματα [94]) angegeben, wobei λόγος nicht nur allgemein ‚Rede‘ (im Sinne von ῥήματα [94]), sondern prägnant εὐλογία bedeuten dürfte.43 Damit wird das Subjekt des Satzes metaphorisch durch ῥήματα πλέκων ἀπάλαιστος ἐν λόγῳ ἕλκειν (94) dahingehend charakterisiert, daß es im Lobesringen niemandem unterliege. Auf dieser Grundlage thematisieren die letzten beiden Perioden des Liedes (95 f.) die Einstellung des Subjekts zu den ἐσλοί und den παλίγκοτοι, die angesichts der μέν-δέ-Konstruktion offenbar genau entgegengesetzt ist:44 μαλακὰ … φρονέων (95) zu den ἐσλοί, den παλίγκοτοι gegenüber aber ein τραχὺς … ἔφεδρος (96). Die παλίγκοτοι werden zwar oft allgemein als „adversaries“ verstanden, aber gleichwohl zeigt das Wort in seiner Komposition an, daß es speziell Menschen bezeichnet, die anderen Menschen gegenüber (παλιν-) mit κότος („anger“, „grudge, rancour, ill-will“) reagieren.45 Der Unterschied zwischen den παλίγκοτοι und ἐσλοί liegt also in ihren moralischen Eigenschaften, wobei sich vor dem Hintergrund von 36–41 erkennen läßt, daß zu den παλίγκοτοι konkret die Mißgünstigen, zu den ἐσλοί die geehrten Sportler (und Menschen wie der Lobende) zählen (entsprechend der Differenzierung in N. 8).46 Diesen παλίγκοτοι gegenüber möchte die charakterisierte Person, unter erneuter Aufnahme eines Ringkampfbildes, ein τραχὺς … ἔφεδρος sein:47 Ein solcher ἔφεδρος ist ein Ringer, der im Wettkampf bei ungerader Teilnehmerzahl eine Runde aussetzt und so von seinem nächsten Gegner schwerer zu besiegen ist; entsprechend bezeichnet das Wort oftmals auch nur verblaßt einen ‚schweren Gegner‘.48

42 S. Schwyzer I 501–504, vgl. unten S. 221 Anm. 175; zur Konstruktion des Infinitivs ἕλκειν (94) s. KG § 473 3. 43 S. zu dieser Verwendung von ἐν Slater s. v. A 9. Dies liegt näher als die Bedeutung „during, within, in the course of “ (Slater s. v. A 1 b), weil die Betonung mehr auf dem Bereich als auf der Prozessualität des Vorgangs liegt (im Sinne von „in the telling“: Slater s. v. λόγος B 1 a). Zum Sinn εὐλογία vgl. Slater s. v. λόγος B b. 44 Vgl. GP 371. 45 Ersteres z. B. LSJ s. v. I 2, Slater s. v.; s. zum zweiten Slater bzw. LSJ s. v. κότος. Das Vorderglied παλιν- ist mit LSJ s. v. πάλιν III im Sinne von „in turn“ (vgl. παλίμφημος, παλίντιτος, παλίωξις) zu verstehen (vgl. Köhnken 1971 217). 46 Zu ἐσλός in bezug auf sportliche Leistungen vgl. N. 3, 29, N. 8, 22 (s. o.), I. 3/4, 7. 47 Vgl. P. 8, 82: Der siegreiche Ringer Aristomenes besiegt die Gegner κακὰ φρονέων. 48 Vgl. oben S. 104 f. Anm. 85, s. Poliakoff (1982) 7; metaphorisch verwendet wird das Wort z. B. in Aischyl. Choeph. 866–868 (s. Poliakoff 1980 254. 257 f.), [Eur.] Rhes. 119, Aristoph. Ran. 792, s. ebenso LSJ s. v. II 4 und neben Σ N. 4, 155b unten S. 159.

134

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

Insgesamt stellt die bisherige Charakterisierung das Subjekt der Passage dahingehend dar, daß es erstens lobt, zweitens hierin weder besiegt noch besiegbar ist und sich drittens moralisch richtig verhält (denn es lobt die Guten und kämpft gegen deren Neider).49 Mittel der Darstellung ist eine Ringkampfmetaphorik, deren Zielbereich das (moralisch korrekte) Loben ist. Warum das Loben als Ringen dargestellt wird, zeigt 93, wo die Charakterisierung ihren Ausgang mit der Einschätzung nimmt, daß jemand den Streit wenden dürfte (κε … ἔριδα στρέφοι);50 dies bedeutet als Ringkampfmetapher nichts anderes, als daß er obsiegt.51 Dieses Obsiegen wird im (schon analysierten) Rest des Satzes (94–96) expliziert. Damit zeigt sich, daß der vom Subjekt besiegte (= siegreich beendete) Streit (93) offenbar der mit den Mißgünstigen ist, der als Ringen ausgetragen wird (parallel zur anderen poetologischen Passage, nur daß hier die Trainer selbst miteinander ringen).52 Der Sieg ist dabei sicher, wie neben der Charakterisierung in 94–96 (v. a. ἀπάλαιστος) auch das satzeinleitende exklamatorische οἷον (93: „wie!“) zeigt.53 Allerdings gilt dies nicht für jeden Lobenden, sondern nur für den αἰνέων … Μελησίαν (93). Hier zeigt sich die Bedingung für den überragenden Erfolg im Loben (also für den im potentialen Optativ geäußerten Gedanken des Hauptsatzes).54 Die gewöhnlich angenommene Bedeutung von αἰνεῖν, „loben“,55 paßt hier jedoch nicht, denn es wäre gesagt, daß der Lobende siegreich lobe, wenn er Melesias lobe. Dies aber wäre ein kaum pointierter Abschluß des Liedes, zumal in 94–96 anscheinend allgemein (besonders παλιγκότοις und ἐσλοῖς) über siegreiches Loben gesprochen wird und nicht nur über den Einzelfall Melesias. Pointierter wäre die Aussage, wenn man αἰνεῖν im Sinne von „nacheifern“ faßt:56 Man dürfte das Lobesringen genau dann 49 Vgl. zum letzten pae. 2, 31–34. Die Schlechten und Guten sind damit nicht Rivalen bzw. Befürworter des Dichters Pindars (vgl. N. 8, 39; vgl. Köhnken 1971 217 f.). 50 Das Partizip ist konditional (s. u. Anm. 54), weshalb κε (93) trotz der Stellung zu στρέφοι (93) gehört (s. allgemein KG § 398 2 Anm. 1). 51 Das Verb zeigt als Wort des Ringens Pollux 3, 155; vgl. LSJ s. v. A V; s. Kirkwood (1989). 52 Zu ἔρις hier s. Kirkwood (1989), Bulman (1992) 57; Kirkwood zeigt, daß sie im Sinne einer negativen Konkurrenz (vgl. Hes. erg. 17–26) aufzufassen ist und überdies die Formulierung ἔριδα στρέφοι nicht im Sinne von ἕδραν στρέφειν zu verstehen ist: Dies bezeichnet einen Standortwechsel zum Niederwurf des Gegners (s. Gardiner 1978 189) – der aber der Streit, nicht die eigene Kunst ist (wie ein metaphorischer Gebrauch implizierte). 53 So schon Didymos (Σ N. 4, 151a); vgl. KG § 562 4, Slater s. v. 2 (s. Boeckh 1, 525); Willcocks (1995) 108 „for example“ erklärt nicht, warum man beim Loben Erfolg haben dürfte (hiergegen schon Bury 1890 234); kaum überzeugt Aristarchs οἶον (Σ N. 4, 151a). 54 Vgl. KG § 396 1: Der Optativ mit ἄν drückt hier eine Vorstellung mit Rücksicht auf die Verhältnisse und Umstände, unter denen die Verwirklichung erfolgen könnte, aus; diese Umstände werden durch αἰνέων … Μελησίαν expliziert. Daher ist dieses Partizip anders als die in 94–96 aufzulösen (vgl. unten Anm. 57). 55 Vgl. LSJ s. v. II. 56 Vgl. I. 7, 31–33; s. Bury (1890) 232–234, Köhnken (1971) 216, Willcock (1995) 108, Nich-

4.3. Ringen als Poetologie

135

gewinnen, wenn man sich Melesias zum Vorbild nimmt. Da Melesias bekanntlich ein äußerst erfolgreicher Ringer und Trainer war (vgl. O. 8: s. o. S. 102–104), wäre damit nicht nur offenbar, daß ein solches Lobesringen erfolgreich wäre, sondern Melesias würde darüber hinaus implizit dafür gelobt, sowohl ein vollkommener aktiver Sportler (denn sein Ringen wäre das Vorbild des Lobens) als auch ein vollkommener Trainer zu sein (denn er wäre das Vorbild der Nachahmung). Dieses Lob wäre ähnlich dem in Olympie 8 ausgestaltet, einzig übertroffen dadurch, daß es betont das Lied beschließt.57 Die Person, von der die Rede ist, könnte entweder speziell Euphanes, Timasarchos’ in 89 genannter Vorfahre,58 oder allgemein τις ἕκαστος (92) sein (der ebenso vorgeschlagene Pindar scheidet aus sprachlichen Gründen aus).59 Gegen Euphanes spricht jedoch, daß die Gnome in 91 f. den vorangehenden, Euphanes betreffenden Gedanken verallgemeinernd abschließt und zugleich das neue Subjekt τις ἕκαστος (92) einführt. Damit ist dies das naheliegende Subjekt von 93–96. Hinzu kommt das inhaltliche Argument, daß sich ein allgemeines Subjekt weitaus besser in den Gedankengang fügt: ‚Wenn Du, Timasarchos, mich bittest, Kallikles zu besingen (79–81), weil ein Hymnos den Besungenen königsgleich macht (82–85), soll er mich, auch wenn er schon am Acheron ist, vernehmen, wie ich ihn für den Isthmiensieg lobe (85– 88).60 Allerdings sollte ihn besser Euphanes, dein älterer Verwandter, besin-

57

58 59

60

olson (2001) 47 (dagegen Farnell 2, 273). Das Verb αἰνεῖν bedeutet weniger „loben“ als „‚sagen‘ […], dann aber probare“ (Wilamowitz 1959 3, 52); „it stands on the verge between ‚to say yes to something, to agree with something‘ or the like and ‚to promise something, to pledge oneself to it‘ and so on“ (Fraenkel 1962 3, 87 f.; vgl. 3, 55). Vgl. Köhnken (1971) 219. Hinter στρέφοι (93), πλέκων (94) und ἕλκειν (94) sollte nicht interpungiert werden, da die Satzglieder nicht parallel, sondern hierarchisch geordnet sind (vgl. oben Anm. 54): ῥήματα πλέκων (94) qualifiziert κε … ἔριδα στρέφοι (93) unter der Bedingung αἰνέων … Μελησίαν (93), und zum modalen ῥήματα πλέκων (94) tritt prädikativ als ergebnisausdrückende Apposition (vgl. KG § 405 3) ἀπάλαιστος ἐν λόγῳ ἕλκειν (94), wiederum modal-prädikativ erweitert durch μαλακὰ μὲν φρονέων ἐσλοῖς (95) und τραχὺς δὲ παλιγκότοις ἔφεδρος (96) (vgl. KG § 492, insbesondere 2, allgemein § 485). Das Wort προπάτωρ bezeichnet weniger speziell den Großvater (Slater s. v., Willcock 1995 108) als allgemein den Vorfahren (LSJ s. v.; vgl. Henry 2005 47). S. Σ N. 4, 151, Boeckh 1, 524 f., Rauchenstein (1858) 258, Leutsch (1868/1869) 8, Bury (1890) 232–234, Köhnken (1971) 215–219; Wilamowitz (1922) 397 Anm. 1 faßt das Partizip αἰνέων substantiviert (vgl. zur Artikellosigkeit KG § 462 l mit § 458). Aus 92 ist nicht nur τις, sondern τις ἕκαστος als Subjekt zu ergänzen (s. u. Anm. 63). Pindar ist hier auch nicht direktes Subjekt (Bulman 1992 76), zumal das Prädikat in der 3. Person steht (indirekt beziehen diesen Satz Mommsen 1864 329, Leutsch 1868/1869 8 auf Pindar). Das Adjektiv κελαδῆτιν (86) ist prädikativ und nimmt den ἵνα-Satz zu sich, der den Ort des Sieges bezeichnet (‚als eine, die besingt, wo er …‘; vgl. Heimsoeth 1840 51 f., Willcock 1995 107, Henry 2005 45 f.; s. allgemein KG § 424 und vgl. § 409 5 und 3 Anm. 4), nicht jedoch den Ort der Feier für das geforderte Lied auf Kallikles (Dissen 2, 394, Farnell 2, 272; vgl. unten Anm. 62); vgl. Leutsch (1868/1869) 7, Herwerden (1897) 52, Lendrum (1914). Unzutreffend ist, daß Kallikles als Toter Pindars Lieder nicht hätte hören können

136

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

gen (89 f.), denn ein jeder Mensch hat jeweils andere Zeitgenossen und wünscht vor allem dasjenige, was ihm selbst begegnet, zu preisen (91 f.);61 dies dürfte man freilich genau dann, wenn man sich Melesias zum Vorbild nimmt, siegreich tun (93–96).‘62 Damit liegt in 91–96 eine allgemeine Aussage mit dem Inhalt vor, daß ein jeder das gegenwärtige Große zu preisen sucht und dies dann glücken dürfte, wenn er sich Melesias’ Ringen zum Vorbild nimmt. Freilich soll diese Aussage ihre konkrete Anwendung auf Euphanes als auch auf den Lobenden des Liedes selbst finden (entsprechend der Natur der allgemeinen Aussagen bei Pindar: s. o. S. 52),63 wobei einerseits Euphanes Kallikles lobt, andererseits der Lobende Timasarchos (und Melesias). So (Henry): Zwar ist richtig, daß „‚find‘ does not mean ‚hear‘“, aber gleichwohl läßt sich γλῶσσαν εὑρέτω nicht anders verstehen, als daß Kallikles selbst die Stimme hört, nachdem er sie gefunden hat; zur Sache vgl. neben P. 5, 96–107 auch O. 8, 81–84, O. 14, 20–24; s. allgemein Segal (1985). 61 Hieraus läßt sich nicht ableiten, daß die Sänger des Liedes „certainly boys, given the lines about praising members of one’s own age-group“ (Burnett 2005 125), seien, denn dies vermengte Schöpfer und Darbringer des Lobs (zumal die Stelle nicht unmittelbar von Timasarchos handelt und es nicht um das Alter, sondern um die Zeitgenossenschaft geht). 62 Überliefert ist unmetrisches ὁ σὸς ἀείσεται, παῖ (90). Dies versucht Boeckh 1, 524 nach Hermann als σὸς ἄεισέν ποτε, παῖ herzustellen (ähnlich Rauchenstein 1858 256–258 und 1877 68, Leutsch 1868/1869 7, s. auch Ast 1803 217–220, Wiskemann 1876 17, Fraccaroli 1893 321 f. Anm. 3, Shackle 1920, auch Snell – Maehler). Dies erklärt jedoch nicht den Überlieferungsfehler (s. Bury 1890 79, Farnell 2, 272; weitere Vorschläge bei Ahrens 1860 59, Bury 1890 79, Young 1966 19), zumal das überlieferte Futur deutlich besser zum folgenden, insbesondere zur Gnome paßt (und durch Σ N. 4, 144a. c und 148a bestätigt wird: s. Mommsen 1864 329, Nairn 1901b 195, Henry 2005 47): ‚Jeder hat andere Zeitgenossen (s. Bury 1890 79, Henry 2005 47), und so sollte nicht ich, sondern Euphanes Kallikles besingen; ich hingegen werde besingen, was ich selbst erlebt habe: Timasarchos und seinen Sieg‘ (vgl. Nairn 1901b 195, zum modalen Futur KG § 173 5; Pindar verspricht hier keine zukünftige Isthmie für Kallikles [so Bury 1890 78, Farnell 2, 272; vgl. allgemein Race 2004 86–92, insbesondere 86 Anm. 32 für weitere Literatur, sowie Kannicht 1969 2, 283]; ebenso heißt es lediglich unbestimmt, daß Euphanes als jemand, der als alter Mann gestorben ist oder gestorben sein wird, Kallikles am Acheron besingen soll, so daß Euphanes sowohl tot sein könnte [Σ N. 4, 144a] oder angesichts von γεραιός [89; Henry 2005 47; vgl. Barrett 1964 413] bald sterben wird). Damit scheint eine nur leichte, die Metrik wiederherstellende Umstellung des Textes wie ἀείσεται, παῖ, ὁ σός (Mommsen 1864 329; s. auch Schnitzer 1867 52, Williams 1976 210, Henry 2005 4. 47; vgl. Nairn 1901b 195) angezeigt zu sein (zum Artikel vgl. KG § 465 3). Der asyndetische Anschluß von 93–96 erklärt sich als Explikation (vgl. KG § 546 5 a ε), denn das in 91 f. genannte Loben wird in 93–96 erklärend auf das Ringen (speziell des Melesias) zurückgeführt; vgl. O. 1, 52, O. 9, 40 und die Beispiele in Dissen 1, 273–275. Aus dieser Stelle ergibt sich im übrigen nicht, daß Pindar „has a relatively low opinion of the poetry of the past“ (Willcock 1995 108), zumal dies bezüglich eines Angehörigen des Siegers deplaziert wäre. 63 Subjekt von 91–96 ist damit τις ἕκαστος (92: ‚wohl jeder‘: vgl. KG § 470 3) (inhaltlich anders Farnell 2, 273, Henry 2005 47) und insbesondere nicht τις (Σ N. 4, 153a. b, Farnell, Henry, Leutsch 1868/1869 8, Bury 1890 79, Köhnken 1971 216), in der Tat ein „colourless, indefinite subject“ (Farnell).

4.3. Ringen als Poetologie

137

wird am Schluß des Liedes nicht nur der Trainer Melesias gepriesen, sondern auch dessen Schüler Timasarchos. Damit ergibt sich folgendes hinsichtlich von 93–96: 1) Melesias wird dahingehend gelobt, daß sein Ringen vollkommenes Vorbild für jeden Lobenden ist. 2) Timasarchos wird immerwährender Ruhm zugesichert, denn das Lob wird genauso erfolgreich wie Melesias’ Ringen sein. 3) Trotz der vorgeblichen Ablehnung eines Kallikles-Lobes wird dieser dennoch gelobt, denn die Gnome in 91 f. setzt implizit dessen sportlichen Erfolg mit dem des Timasarchos gleich. Beide sind gleich lobenswert, und dies wird auch durch die zahlreichen Anklänge der Kallikles-Passage an den Liedanfang nahegelegt (s. u. S. 139 f. Anm. 78).64 4) Es erfolgt eine poetologische metaphorische Gleichsetzung von Loben und Ringen, die impliziert, daß für beide Tätigkeiten dieselben Prinzipien gelten; diese Gleichsetzung hat nicht das Selbstlob Pindars zum Zweck (indem er sich mit Melesias gleichsetzte), sondern vielmehr die Bekräftigung, der Ruhm werde ewig dauern und niemals von Mißgünstigen zunichte gemacht werden können.65 Der Lobende ordnet sich in einer dienenden Position Timasarchos und Melesias unter (vgl. N. 8, 42 f.). Insgesamt verschafft der Lobende Timasarchos die bedeutendste Wohltat: immerwährenden Ruhm. Dies verweist zurück an den Anfang des Epinikions (1–8), der von der Wirkung des Lobes handelt. Da auch diese Passage wichtige poetologische Aussagen über das Loben enthält, die einen Bezugspunkt im Sportlichen haben, sei sie abschließend betrachtet.66 4.3.3Die Wohltaten des Lobs Das Lied beginnt mit der Versicherung, daß es allgemein nach durchstandenen Mühen (d. h. konkret auch bei sportlichen Kämpfen)67 keinen besseren 64 S. Wiskemann (1876) 17. 65 Ziel ist also nicht nur das Beweisen sprachlicher Virtuosität (Henry 2005 47). 66 Zur Nähe zum Sportlichen s. Maloney (1964) 174, Köhnken (1971) 191–195, Bernardini (1983) 95–99, Bulman (1992) 58 f., Willcock (1995) 94 f.; vgl. auch Machemer (1993). 67 Vgl. Slater s. v. πόνος, zu κρίνειν LSJ s. v. II 2 b, Slater s. v. κρίσις, Σ N. 4, 1. Die πόνοι verweisen im Kontext (Siegesfeier anläßlich eines sportlichen Erfolgs; Verweis auf warmes Wasser [s. u., insbesondere Anm. 70]; Nennung der εὐλογία) auf die Anstrengungen des Sports (vgl. schon Σ N. 4, 1, ebenso Williams 1976 160–162), auch wenn das Wort an sich selbstverständlich nicht auf diesen Bereich eingeschränkt ist (in diesem Sinne negiert Henry 2005 28 den Bezug auf das Sportliche; doch seine Parallelen sind in diesem Zusammenhang gerade deshalb nicht beweiskräftig, weil sie nicht im Kontext eines Epinikions stehen); vgl. O. 5, 15, O. 11, 4, P. 5, 54, P. 8, 73, N. 6, 24, N. 7, 74, N. 8, 42, N. 10, 24, I. 1, 42, I. 3/4, 17b, I. 3/4, 65, I. 5, 25, I. 6, 11, I. 8, 8, ebenso μόχθος in O. 8, 7, O. 10, 93, N. 5, 48, N. 7, 16, I. 1, 46, κάματος in P. 5, 47, I. 8, 1, καματώδης in N. 3, 17 und πονεῖν in O. 6, 11, P. 9, 93, I. 1, 40. Auch die Nennung der γυῖα (5) verweist auf den Sport (vgl. 73, außerdem O. 8, 68, O. 9, 111, P. 8, 37, N. 7, 73, B. 9, 38; 11, 10 f.; 12, 8 sowie Nonn.

138

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

Arzt als das Fest gebe (1 f.: Ἄριστος Εὐφροσύνα πόνων κεκριμένων ἰατρός): Das Fest vermag durch die Lieder, die in seinem Rahmen gesungen werden, mittels der Berührung heilend zu verzaubern (2 f.);68 in der medizinischen Metaphorik sind dabei die Lieder das Werkzeug des Festes, der heilenden Hand des Arztes parallel (3: ἁπτόμεναι).69 Nicht einmal warmes Wasser, so fährt der Sprecher fort, vermag die Glieder so weich zu machen (4 f.) wie eine Lobrede, die Begleiterin der Phorminx (5), also konkret das Epinikion als musikalisch ausgestalteter Preis eines Menschen, konkret des Siegers. Die positive Wirkung eines Liedes erscheint damit als die größtmögliche Wohltat für einen Sportler nach durchstandenen Mühen. Dabei ist der Vergleichspunkt des warmen Wassers insoweit signifikant gewählt, als warmes Wasser, mit dem ein Sportler nach dem Kampf Schweiß, Sand und Lehm abwaschen und sich von der harten Anstrengung erholen konnte, in den Sportstätten selten war.70 Doch nicht nur sorgt das Epinikion gegenwärtig für die größtmögliche Erholung, sondern zukünftig für noch mehr, denn es ist langlebiger als ἔργματα (6) – jedenfalls dann, wenn die Zunge es durch die Fügung der Chariten aus dem tiefen Sinn herausholt (7 f.).71 Diese ἔργματα (6) sind freilich nicht mit den Taten des Siegers gleichzusetzen,72 denn nicht nur wäre dies,

68 69

70

71

72

Dion. 37, 726, hinsichtlich anderer gymnischer Disziplinen P. 4, 253, N. 5, 39, I. 5, 59, B. 7, 7): „Wenn es Mühe gab, folgt das Angenehme um so mehr“ (N. 7, 74: εἰ πόνος ἦν, τὸ τερπνὸν πλέον πεδέρχεται); vgl. Carey (1981) 96 f. S. Headlam (1905) 148 f., Machemer (1993); vgl. P. 3, 51, B. 10, 52 f.; 11, 9–14 (insbesondere 12). Zur Interpunktion von 2 f. s. Renehan (2002/2003) 107, der (allerdings wenig überzeugend: s. Henry 2005 28) Μοισᾶν θύγατρες (2) als eingefügte Apposition auffaßt. Entsprechend ist νιν (3) nicht auf Εὐφροσύνα (1) im Sinne von ‚bringen durch Zauber hervor‘ (Aristarch [Σ N. 4, 5], Mezger 1880 392, Bury 1890 68, Machemer 1993), sondern auf πόνων κεκριμένων (1) zu beziehen (Didymos [Σ N. 4, 5], Headlam 1905 148 f., Farnell 2, 264, Slater s. v. νιν d, Henry 2005 28; vgl. zur Sache Hom. h. 16, 1–4, Aischyl. Choeph. 670 f.). Hierfür spricht auch, daß die Lieder zur Εὐφροσύνα gehören („‚festal cheer‘ […] is not produced by music, but with music heals and soothes the pains of the weary athlete“ [Farnell]). Eine dritte Lösung ist, in νιν den aus πόνων κεκριμένων supplierten Sieger zu sehen (so Boeckh 1, 521, Dissen 2, 395; vgl. Rauchenstein 1858 252 f., Willcock 1995 95). Eine zusammenfassende Diskussion der Problematik gibt Köhnken (1971) 192–194. Zur medizinischen Metaphorik (insbesondere zum Verzaubern und Berühren) s. Machemer (1993), zum Gedanken vgl. N. 3, 17 f., N. 8, 49 f. (s. o. S. 67 f., unten S. 248 Anm. 291) S. Poliakoff (1989) 30; vgl. O. 12, 19, Aischyl. Choeph. 670, Aristoph. Nub. 837. 1045 (mit Dover 1968 201 f.). Zusammenfassend diskutiert τεύχει (4) Martinelli Tempesta (2004), insbesondere 27–33; vgl. neben Henry (2005) 29 Williams (1976) 168–175, der auf den etymologisierenden Rückbezug von τεύχει auf τύχᾳ (7; vgl. die Grundbedeutung „the act of a god“ [LSJ s. v. I 1 a]) hinweist; dieser impliziert eine sachliche Parallelität. Der Relativsatz ist im Sinne von KG § 559 1 konditional; hier steht der Optativ mit ἄν im Sinne von KG § 399 3, § 560 4 b (vgl. 7) und § 577 2 als Ersatz für den Konjunktiv als Modus der Erwartung und umschließt zugleich eine Behauptung über das unter (den in 9–11 gegebenen) Umständen mögliche Eintreten der Erwartung. Trotz N. 1, 7, N. 4, 83 f., I. 1, 26 f. (vgl. die Deutung in Σ N. 4, 10b); vgl. Slater s. v.

4.3. Ringen als Poetologie

139

wenn das ῥῆμα (6) das des Lobenden ist, arrogant, sondern ebenso wenig sinnvoll: Inhalt des ῥῆμα sind die Taten des Siegers, die durch das ῥῆμα genauso lange wie dieses selbst leben (vgl. P. 3, 114 f., N. 7, 11–16, fr. 121). Vielmehr wird durch ἔργματα (6) auf eine andere Form der Siegerehrung verwiesen, konkret die allgemein als „Werk“ bezeichnete Siegerstatue (vgl. N. 5, 1– 5).73 Sowohl in Gegenwart als auch in Zukunft übertrifft also das Lob im Rahmen des fröhlichen Festes alles andere, was ein Sportler Gutes erfahren könnte. Die Festesfreude – personifiziert als Εὐφροσύνα (1), eine der Chariten, die offenbar nicht grundlos in 7 f. als Garanten der Ewigkeit des Lobes fungieren74 – sorgt dafür, daß die Loblieder die durchstandenen Kampfesmühen verzaubern und vergessen machen, und ebenso dafür, daß sie länger als alles andere Gute wirken können.75 Festesfreude und Loblied gehen eine enge innere Verbindung ein, und vor allem die während des Festes gesungenen Lieder vermögen zu heilen, konkret Nemee 4. Das Prooimion ist also ein prägnantes Programm des Epinikions im allgemeinen und führt pointiert vor Augen, welch positive Wirkung ein jedes Preislied zu erreichen vermag. Dies ist die Aussicht, die der Lobende gibt, und so kann die gesamte Nemee 4 nach Beendigung des Prooimions als ὕμνου προκώμιον (11) bezeichnet werden: als Vor-κῶμος, der aus einem ὕμνος (d. h. Epinikion) besteht (der Genitiv ist also Appositionsgenitiv):76 Ein Preislied, wie der Sprecher es gerade beschrieben hat (9: τό, bezogen auf das durch den Relativsatz in 7 f. bestimmte Nomen ῥῆμα [6]), wolle er jetzt, so betet er (9– 11: μοι … εἴη),77 als einen solchen Vor-κῶμος für den Kronossohn Zeus, Nemea und Timasarchos’ Ringkampf aufstellen (9–11). Dieses Aufstellen (9: θέμεν: Simplex für das Kompositum ἀναθέμεν: vgl. 80) verweist freilich auf den vorangehenden Vergleich und beschreibt das Lied metaphorisch als Statue. Dieser Gedanke wird gespiegelt in 79–85, wo sich (unter Aufnahme der Lichtmetaphorik der poetologischen Passagen) zahlreiche sprachliche Parallelen zum Liedanfang zeigen.78 Diese Passage handelt davon, daß der Spre73 Entsprechend wird ἔργον gebraucht: O. 6, 3 f., O. 7, 52. 83–86; vgl. neben ἐργάζεσθαι in N. 5, 1 auch I. 2, 46 (mit Thummer 2, 53, Kurke 1991a 250 f.) und die analoge Metapher in 79–85, wo das Preislied eine Stele aus parischem Marmor ist (vgl. Hor. carm. 3, 30). 74 Vgl. Slater s. v. χάρις 2 (s. Köhnken 1971 193 f.); Chariten „may be recognized wherever χάρις is, particularly in festivity, music […], and love“ (West 1978 162). Zum χάρις-Konzept beachte man O. 14 und oben S. 108 Anm. 101. Eine personifizierte Auffassung Euphrosynes legt auch der Vergleich mit einem Arzt nahe; vgl. I. 3/4, 9–11 und s. Köhnken 1971 195 Anm. 24; zur Funktion Euphrosynes (und der der anderen Chariten) s. Miller (1977) 228 f. (und 231 f.). S. grundlegend auch Kannicht (1996) 71–73. 79 f. 75 Vgl. O. 10, 91–96, N. 3, 17 f., N. 7, 14–16, N. 8, 49 f.; Euphrosyne und Sieg sind auch in B. 10, 52 f. verbunden. 76 Zum Genitiv s. KG § 402 d; anders Slater s. v.: „prelude to a κῶμος“, doch s. Kap. 2.5.3.1. 77 Zu εἴη c. inf. vgl. P. 1, 29, P. 2, 96, I. 1, 64–67. 78 So τεύχει (4) ≈ τεύχει (84), θέμεν (9) ≈ θέμεν (81), κελάδησε (16) ≈ κελαδῆτιν (86), γλῶσσα

140

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

cher für Timasarchos’ Verwandten Kallikles eine Stele, die weißer als parischer Marmor ist, aufstellen solle (79–81, insbesondere 81: στάλαν θέμεν Παρίου λίθου λευκοτέραν), in der Metapher also einen Hymnos, und zwar über gute Taten (83 f.: ὕμνος … τῶν ἀγαθῶν ἐργμάτων; ἐργμάτων ist offenbar allgemeiner als in 6 zu fassen): Ein solcher Hymnos entspreche raffiniertem Gold, weil er die guten Taten so darzustellen vermag, daß sie (wie raffiniertes Gold) in vollem Glanz erstrahlen.79 Semantisch entsprechen dabei (in syntaktischer Verkehrung) dem Gold (82: ὁ χρυσός) die guten Taten (83 f.: τῶν ἀγαθῶν ἐργμάτων), der Raffination selbst (82: ἑψόμενος) der Hymnos (83: ὕμνος), und im Ergebnis ist dem Strahlen in vollem Glanz (83: αὐγὰς ἔδειξεν ἁπάσας) eine königliche Gottesgleichheit (84 f.: ἰσοδαίμονα τεύχει φῶτα) parallel. Das im Rahmen des Festes dargebrachte Epinikion ist die vorzüglichste Wohltat für einen Sportler, der mit Mühen eine große, edle Tat vollbracht hat: Es vermag, den Ruhm dieses Sportlers zukünftig am Leben zu erhalten.

4.4Drei mythische Ringkämpfe Die Untersuchung der drei poetologischen Passagen des Liedes (1–8. 33–46. 91–96) hat eine metaphorische Parallelisierung von Loben und Ringen erwiesen. Diese Parallelisierung erfolgt zum Zweck des Siegerlobs: Zum einen wird der Sieger (und sein Trainer) als vollkommener Sportler (bzw. Trainer) gezeigt, zum anderen wird (voller Selbstbewußtsein) die ewige positive Wirkung des Lobes vor Augen geführt.80 Die Sportmetaphorik bindet also Passagen, die prima vista keine Beziehung zum Liedanlaß besitzen, eng und funktional an ihn an. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob nicht dasselbe hinsichtlich der umfangreichen mythischen Passagen des Liedes gilt, die ja ebenfalls keine offensichtliche Beziehung zur Siegesfeier zeigen.81 4.4.1Telamons Ringen und Herakles’ Hilfe Der erste Mythos des Liedes (25–32) hat drei kriegerische Erfolge des Aiakossohnes Telamon zum Thema, erzählerisch ausgehend von einer Erwähnung (8) ≈ γλῶσσαν (86) sowie ὕμνου (11), ὕμνον (16) ≈ ὕμνος (83); s. neben Leutsch (1868/ 1869) 7, Bury (1890) 74 auch Köhnken (1971) 214, Williams (1976) 208–210. 79 S. zu dieser Art des Vergleichs KG § 581 9; vgl. Σ N. 4, 133. Die gegenüber Snell – Maehler geänderte Interpunktion zeigt an, daß es sich bei 82–85 um eine Parenthese handelt (vgl. unten S. 234 Anm. 232). Die Idee der Metapher ist dieselbe wie die der λόγοι-ὄψονMetapher in N. 8, 21 (s. o., insbesondere Kap. 2.3.2). 80 Offenbar ist dies eine poetologische Aussage und nicht „self-parody“ (Burnett 2005 125). 81 Insgesamt grundlegend zu den mythischen Passagen s. Köhnken (1971) 188–219.

4.4. Drei mythische Ringkämpfe

141

des Herakles (24): Mit ihm habe der starke Telamon einst Troia, die Meroper und den großen, gewaltigen Krieger Alkyoneus vernichtet (25–27). Die vor dem Hintergrund der obigen Analyse auffällige Dreizahl der Gegner läßt es naheliegend erscheinen, daß Telamon hier metaphorisch drei Niederwürfe erringt und so einen Ringkampf siegreich besteht. Ein erstes Indiz für die Richtigkeit dieser Annahme ist, daß Alkyoneus als dritter (und über den Sieg entscheidender) Gegner als der bedeutendste dargestellt wird. Dies zeigt sich nicht nur an der Länge der auf ihn bezogenen Beschreibung, sondern auch daran, daß gerade er Telamon und seinen Leuten am schwersten zusetzt (27– 30): Er habe nicht besiegt werden können, bevor er (‚wohlgemerkt‘: γε [28]) zwölf Viergespanne und doppelt so viele daraufstehende pferdebezwingende Heroen mit einem Stein getötet hatte. Doch (so die Einordnung in einen allgemeinen Verständnisrahmen) wer dies nicht verstehe (31),82 dürfte als offenbar kampfesunerfahren erscheinen (30), denn selbstverständlich erleide derjenige, der etwas tut, auch etwas (31 f.) – entsprechend der am Liedbeginn formulierten Einsicht über die allgemeinen Mühen des Kampfes, der damit anscheinend in Ringen und Krieg derselbe ist:83 Krieg wird im Telamon-Mythos als Ringkampf gedeutet, der seine konkrete Entscheidung im dritten Niederwurf im Kampf gegen Alkyoneus findet – was freilich den folgenden, ansonsten überraschenden Themenwechsel erklärt (33–35: s. o. Kap. 4.3.1).84 Als weiteres Indiz zeigt sich, daß die Kämpfenden mit Attributen belegt werden, die auch bei Athleten Anwendung finden: So bezeichnen die hinsichtlich Telamon und Alkyoneus verwendeten Wörter κραταιός (25), μέγαν (27) und ἔκπαγλον (27) die für einen Ringer entscheidenden Eigenschaften Stärke und Größe,85 die wiederum für die ebenfalls (hinsichtlich des Ringens und des Krieges) thematisierte Beschwerlichkeit des Kampfes sorgen. So kulminiert auch in dieser Hinsicht der gesamte Telamon-Mythos in dem Kampf zwischen den gewaltigen Ringern Telamon und Alkyoneus. Die metaphorische Parallelisierung von Krieg und Ringen wird dabei textuell durch das 82 Das Wort λόγον (31) ist hier nicht zwingend als „rule, principle, law“ zu verstehen (so LSJ s. v. III 2 d), sondern hat eher die allgemeinere Bedeutung „saying“ (s. Guthrie 1, 422 f.). 83 S. o., insbesondere S. 137 f. Anm. 67. Die Beschwerlichkeit eines Ringkampfssiegs zeigt sich z. B. im Kampf von Odysseus und Aias in Hom. Il. 23, 700–739, die potentielle Gefährlichkeit an blutigen Verletzungen (Hom. Il. 23, 716 f., Nonn. Dion. 37, 574 f.), an Fußverletzungen (Lukian. Okyp. 31 f.) und an gebrochenen Knochen (Finger: Paus. 6, 4, 3; allgemein: Lib. or. 64, 119, Lukian. Anach. 9, Quint. Smyrn. 4, 225 f.). 84 Damit beruht zum einen das textliche Ungleichgewicht im Telamon-Mythos nicht nur auf dem Vorliegen eines Trikolons, in dem dies gewöhnlich sei (Henry 2005 30). Zum anderen besteht keine Gefahr des Fortfahrens (und ein Grund zum Abbruch) hinsichtlich einer ungünstigen Publikumsreaktion (Willcock 1995 100). 85 Vgl. ἔκπαγλος bezüglich des Pankratiasten Strepsiades in I. 7, 22 (vgl. S. 213 Anm. 127); zu κραταιός (bzw. κρατερός) vgl. B. 11, 20 f., Hom. Il. 23, 720, auch O. 10, 100, N. 7, 73, N. 11, 14; zu μέγας vgl. Hom. Il. 23, 708. 722. Vgl. allgemein Aristot. rhet. 1361 b21–26.

142

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

Wort ἀπειρομάχας (30) weiter befördert (bezeichnenderweise aufgenommen durch πεῖραν ἔχοντες [76] mit Bezug auf den sportlichen Erfolg der Theandridai – was nahelegt, daß gerade diese kampfeserfahrenen Menschen [76] die Kernaussage des Mythos verstehen werden [30 f.])86 und ebenso durch den Begriff der μάχη.87 Insgesamt werden Telamons Kämpfe gegen Troia, die Meroper und Alkyoneus in 25–32 metaphorisch als großer Ringkampf dargestellt, den Telamon fulminant besteht88 – obgleich gerade der letzte Gegner nur mit Mühe zu besiegen war. Dies illustriert die Beschwerlichkeit und Gefährlichkeit eines jeden (über die Metaphorik auch: sportlichen) Kampfes.89 Daneben fällt auf, daß hier ein Telamon-Mythos erzählt wird: Gewöhnlich kämpft gegen Troia, die Meroper und Alkyoneus der hier als Nebenperson fungierende Herakles,90 während Telamon lediglich Helfer ist – freilich kaum überraschend, denn alle drei Kämpfe finden in direktem Zusammenhang mit Herakles’ Zug gegen Troia statt, den er zu Laomedons Bestrafung dafür unternimmt, daß dieser ihn um den Lohn für die Tötung des Meeresungeheuers geprellt hatte, das von Poseidon (und Apollon) wegen der Verweigerung des Lohns für den (in Olympie 8 erzählten) Mauerbau geschickt wurde.91 An diesem Zug nimmt Telamon nicht einmal in allen, zumal nicht 86 S. Bury (1890) 71. 87 Vgl. O. 2, 43 f., O. 7, 15, O. 8, 58 (s. o. S. 89 f. Anm. 24), P. 8, 25–27, N. 5, 19, I. 1, 50, B. 2, 4 f.; s. Lavrencic (1991), Crowther (1999); vgl. oben S. 110 Anm. 110. 88 Zur Relevanz des Telamon-Mythos im Gesamtlied s. Köhnken (1971) 196–198; ihm zufolge hat er jedoch bloß die Funktion, die „Gastfreundschaft zwischen Herakles und Telamon, Theben […] und Aigina […], und […] die Anstrengungen und Schmerzen, die dem schließlich erreichten Erfolge vorausgegangen sind“, aufzuzeigen. Zu Telamon als mythischem Ringer vgl. Σ P. hyp. a (Sieger bei den ersten Pythien). 89 Vgl. oben S. 66 Anm. 203, S. 137 f. Anm. 67; man beachte die bei panhellenischen Spielen bezeugten Todesfälle im Ringen (s. Brophy – Brophy 1985, insbesondere 172–177). 90 Wohl aufgrund der gewöhnlichen Mythenvariante hielt man die Kämpfe auch in N. 4 oft für die des Herakles (Σ N. 4, 42. 43. 49. 50. 53, Bury 1890 71, Farnell 2, 265 f., Maloney 1964 173 f.). Doch kehrt ein solches Verständnis die sprachlichen Verhältnisse des Textes (25 f.: σὺν ᾧ … Τελαμὼν πόρθησε) genau um (so spricht Maloney 1964 173 f. von „Héraclès, qui, en compagnie du ‚vigoureux Télamon a ruiné Troie et les Méropes … et le gigantesque Alcyonée‘“; vgl. Henry 2005 23). Daher sprechen sich hiergegen zu Recht Köhnken (1971) 196–198, Carey (1980a) 148, Miller (1983) 203, Willcock (1982) 7 f. (der freilich 1995 93 trotzdem von „Telamon’s assistance to Herakles“ spricht) aus. 91 Zuerst zusammenhängend überliefert bei Hellanikos FGrH 4 F 26b (vgl. F 108 f.; s. u. Anm. 92): Nach Laomedons Wortbruch nach dem Mauerbau (s. o. Kap. 3.3.1) schickt Poseidon ein Meeresungeheuer gegen Troia, das großen Schaden anrichtet; das von Laomedon befragte Orakel trägt ihm auf, zur Befreiung der Stadt dem Ungeheuer seine Tochter auszusetzen; dies tut er, verspricht aber zugleich demjenigen, der das Ungeheuer tötet, die unsterblichen, Tros von Zeus für Ganymedes geschenkten Pferde als Lohn; der zufällig anwesende Herakles tötet mit Athenes Hilfe das Ungeheuer, erhält von Laomedon aber sterbliche Pferde zum Lohn; nach Bemerken des Betrugs unternimmt er einen Feldzug gegen die Stadt, zerstört sie und nimmt sich die Pferde. Dieser Mythos war alt und beliebt, da die Darstellungen bei verschiedenen Autoren weitestgehend übereinstimmen

4.4. Drei mythische Ringkämpfe

143

den frühen Darstellungen teil.92 In der gewöhnlichen Variante erstürmen die Griechen Troia, töten Laomedon und alle seine Söhne außer Priamos – den sie als neuen König einsetzen –, reisen ab und werden durch Heras Einwirkung nach Kos verschlagen, wo sie in Kämpfe mit den Meropern verwickelt werden, diese aber schlagen können.93 Während diese Chronologie auch für Nemee 4 unterstellt werden darf, zeigt sich in dem bei Pindar folgenden Kampf gegen Alkyoneus insofern ein Problem, als Herakles nach den Meropern gewöhnlich nicht auf Alkyoneus trifft, sondern auf die Giganten, gegen die er auf Bitten der Götter im Rahmen der Gigantenschlacht kämpft; die Götter können nach einem Orakel nämlich nur durch die Mithilfe eines Menschen den Sieg davontragen, und und oftmals bloße Anspielungen genügen: Hom. Il. 5, 628–651 (Herakles’ Zug; Grund: Pferde; Laomedons Wortbruch); 14, 249–251 (Zerstörung Troias durch Herakles); 20, 144–148 (Athenes Hilfe), Hes. fr. 43a, 63 f. MW (Herakles’ Zug; Grund: Pferde); fr. 165, 10 MW (Herakles’ Zug; Grund: Pferde), Peisandros fr. 11 PEG (Telamons Beteiligung), Soph. Aias 434–436 (Telamons Erfolge vor Troia); 1299–1303 (Telamons Beteiligung; Belohnung durch Herakles), Eur. Tro. 799–818 (Telamons Beteiligung; Grund: Pferde), Isokr. 9, 16 (Herakles’ Feldzug; Telamons Beteiligung), Diod. 4, 32; 4, 42 (Herakles als Argonaut in Troia; Lohn: schnelle Pferde, verbleiben bis zur Rückkehr aus Kolchis in Troia; späterer Betrug; Telamons Taten); 4, 49 (Telamons Taten; Erstürmung von Troia auf der Rückfahrt der Argonauten; Zeugnis für von Argonautenfahrt unabhängigen Zug: 4, 49, 7 f.), Apollod. 2, 5, 9; 2, 6, 4 (teils wie Hellanikos, teils wie Diodor); Ov. met. 11, 211–217; 13, 22 f., Hyg. fab. 89 (Lohn: Hesione und über Wasser und Ähren laufende Pferde), N. 3, 36 f. (fehlende Erwähnung des Herakles), I. 5, 34–37 (Begleitung der Aiakiden), I. 6, 24–37 (Telamons Beteiligung; Laomedons Wortbruch; Zerstörung der Stadt), O. 8, 45 f. (Beteiligung der Aiakiden an Troias Untergang), fr. 172 (Herakles’ Feldzug, Peleus’ Beteiligung im Rahmen der Argonautenfahrt). Vgl. Gantz (1993) 400– 402. 442–445, Zunker (1988) 121–132 sowie O. 8, 31–52 (s. o. Kap. 3.3.2). 92 Telamons Beteiligung (vgl. oben Anm. 91) findet sich erst nach Homer und Hesiod; zum Teil dringt er sogar als erster in die Stadt ein und muß den eifersüchtigen Herakles mit einem Altar besänftigen (Hellanikos FGrH 4 F 109, ähnlich Apollodor, Diodor); Telamons Beitrag schildern auch andere Autoren positiv (z. B. Peisandros). 93 Diese weitaus seltener bezeugte Episode findet schon Erwähnung in Hom. Il. 14, 249– 256 und 15, 24–30 sowie bei Pherekydes FGrH 3 F 78, Σ Hom. Il. 14, 255, Hes. fr. 43a, 61–64 MW, Apollod. 2, 7, 1, Ov. met. 7, 363 f., Quint. inst. 8, 6, 71 und scheint sogar Thema eines eigenen Epos, der Meropis (6. Jh.?), gewesen zu sein (s. PEG); vgl. für Pindar I. 6, 31 f., fr. 33a (außer in fr. 33a ist Telamon beteiligt), ebenso Σ N. 4, 42. Auch dieser Mythos dürfte bekannter gewesen sein, da Homer eine knappe Anspielung genügt (vgl. Gantz 1993 444); s. insgesamt Gantz (1993) 444 f., Zunker (1988) 127 f. Den Namen ‚Meroper‘ bezeugen Hom. h. 3, 42, Pherekydes FGrH 3 F 78, Σ N. 4, 40. 42, I. 6, 31 f. Unklar ist, wer der Angreifer ist: Apollodor nennt die Meroper, Hesiod Herakles, und zwar mit ausdrücklicher Bezeichnung der Ursache als gering. Diese geringe Ursache könnte ein Ringkampf gewesen sein, den der schiffbrüchige Herakles mit einem koischen Hirten namens Antagoras kämpfte, nachdem er ihn in seiner Not um einen Widder gebeten hatte (Plut. qu. Gr. 58; vgl. Hirschberger 2004 280 zum Hesiod-Fragment). Diese Mythenvariante hätte also hinsichtlich des Ringens und der Gastfreundschaft eine thematische Verbindung zu diesem Lied (vgl. unten S. 161 f.).

144

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

dieser Mensch ist in der Regel Herakles (mitunter neben Dionysos).94 Allerdings könnte Alkyoneus für Pindar als Gigas gelten, mithin der Kampf gegen ihn im Rahmen der gesamten Gigantenschlacht zu verorten sein: Alkyoneus wird nämlich von ihm als riesenhafter Krieger beschrieben, als welche zu dieser Zeit wohl auch die Giganten galten,95 und ebenso findet der Kampf offenbar in Phlegrai statt und damit an genau derselben Stelle wie die Gigantomachie96 – an der dann anscheinend nicht nur Herakles, sondern auch Telamon beteiligt wäre. Gegen diese Vermutung scheint jedoch zu sprechen, daß erstens Alkyoneus nicht sehr früh explizit als Gigas bezeugt ist und daß zweitens in allen anderen Darstellungen nur Herakles als menschlicher Kämpfer an der Gigantomachie teilnimmt; in Nemee 4 müßten hingegen neben Telamon noch 94 Herakles’ Beteiligung kennen die frühesten Zeugnisse für die Gigantomachie: Hes. fr. 43a, 65 MW (wohl auch theog. 954, fr. 195, 28 f. MW), Eur. Her. 177–180. 1190–1194. 1272, Apollod. 1, 6, 1 f.; 2, 7, 1, Diod. 1, 24, 2; 4, 15, 1; 4, 21, 6 f., bei Pindar P. 8, 16–18, N. 1, 67–69, N. 7, 90; vgl. zur Gigantomachie auch Xenophan. B 1, 21, Ibykos 192a, 2 SLG (allem Anschein nach), Eur. Ion 206–218. 987 f., Aristoph. Av. 823–825, adesp. fr. 655, 23 TrGF, Orph. h. 32, 12, Plat. rep. 378 c3 f., symp. 190 c3 f. Mitunter wird auch Dionysos als zweiter Nicht-Gott, dessen Teilnahme notwendig ist, genannt (so Σ N. 1, 101, Diod. 4, 15, 1). Das Orakel erwähnt insbesondere Apollodor, wo die Bedingung für den Sieg der Götter συμμαχοῦντος … θνητοῦ τινος (1, 6, 1: „wenn ein Sterblicher als ihr Verbündeter mitkämpft“) ist. Zur Gigantenschlacht insgesamt s. Gantz (1993) 445–454, Vian (1952), insbesondere 193–195 zu Herakles’ Beteiligung, zum Kampf gegen Alkyoneus Robert (1884), Vian (1952) 217–221, Zunker (1988) 128–131, Gantz (1993) 419–421. 445 (alle diskutieren aufschlußreich auch bildliche Zeugnisse). 95 Vgl. Alkyoneus’ Beschreibung als τὸν μέγαν πολεμιστὰν ἔκπαγλον Ἀλκυονῆ (N. 4, 27: „den großen Krieger, den ehrfurchtgebietenden Alkyoneus“) und τὸν βουβόταν οὔρεϊ ἴσον … Ἀλκυονῆ (I. 6, 32 f.: „den Kuhhirten Alkyoneus, einem Berge gleich“); in N. 4, 28–30 zerstört er mit einem einzigen Steinwurf zwölf Viergespanne (γε). Mitunter wird bezweifelt, ob die Giganten in früher Zeit tatsächlich als riesenhaft galten (vgl. Gantz 1993 445 f.), doch scheint dies zumindest ab der Odyssee (7, 206: Ähnlichkeit mit Kyklopen; 10, 105– 124: Ähnlichkeit mit Laistrygonen, die zum Teil eindeutig als Riesen beschrieben sind: vgl. insbesondere 112 f. in Verbindung mit I. 6, 32 f.) und spätestens im 5. Jh. der Fall zu sein: vgl. Hes. theog. 185 f. (groß), Aischyl. Sept. 424 (Kapaneus ist als großer Kämpfer ein Gigas: s. Fraenkel 1964 285), Eur. Phoin. 1130–1133 (ein Gigas trägt eine Stadt auf seinem Schild). Nichtsdestoweniger waren Giganten in früher Zeit Hopliten; erst gegen Ende des 5. Jahrhunderts sind sie nicht mehr menschenähnlich, sondern Monster: vgl. etwa Σ Hom. Od. 7, 59 (wo ihr Sitz in Phlegrai und ihr Kampf gegen die Götter als nachhomerisch bezeichnet werden) und Hes. theog. 185 f. Als Monster sind sie das erste Mal (bildlich) für 380 v. Chr. belegt (s. Gantz 1993 450–453; vgl. Apollod. 1, 6, 1). 96 Ort der Gigantomachie ist anscheinend schon seit frühester Zeit Phlegrai (zumindest, wenn Hes. fr. 43a, 65 MW richtig ergänzt ist; vgl. oben Anm. 95); sicher ist diese Lokalisierung für Pindar (N. 1, 67–69), Euripides (Her. 1190–1194, Ion 987 f.), Aristophanes (Av. 823–825), adesp. fr. 655, 23 TrGF, Orph. h. 32, 12, Apollodor und Diodor (s. für beide oben Anm. 94, wenngleich Diodor noch andere Orte kennt). Phlegrai ist der alte Name für Pallene (vgl. Hdt. 7, 123, 1). Auch Alkyoneus wird meist dort besiegt, jedenfalls bei Pindar (I. 6, 32 f.) und in fr. 985b, 12 f. PMG. Vgl. Vian (1952) 189–191.

4.4. Drei mythische Ringkämpfe

145

mindestens 24 weitere Menschen (29 f.) an der Schlacht beteiligt sein – und wahrscheinlich noch mehr, denn es soll kaum gesagt sein, daß Telamon und Herakles die einzigen menschlichen Überlebenden seien (28–30).97 Beide Einwände erweisen sich jedoch als nicht stichhaltig: Erstens besitzt Alkyoneus, obgleich nicht explizit als Gigas bezeichnet, die entscheidenden körperlichen Charakteristika eines Gigas des frühen 5. Jhs., nämlich Größe und Kampffertigkeit. Er erscheint sogar in späteren Zeugnissen als der bedeutendste oder älteste der Giganten, und speziell mit dem Kampf gegen ihn beginnt zum Teil die gesamte Gigantomachie.98 Zweitens schließt es die mythische Situation grundsätzlich überhaupt nicht aus, daß neben Herakles weitere Menschen an der Schlacht teilnehmen könnten, denn daß Herakles den Sieg der Götter garantiert, heißt nicht, daß er nicht eine eigene Streitmacht mitbringen könnte. Vielmehr läßt gerade dies der gewöhnliche Zeitpunkt seiner Hinzuziehung nach der Rückkehr aus Kos auf dem Rückweg aus dem mit großer Streitmacht eingenommenen Troia erwarten. Somit ist wahrscheinlich, daß Alkyoneus in Nemee 4 als Gigas aufzufassen ist und daß Telamon Teilnehmer an der Gigantomachie ist. Zumindest legt dies die Reihenfolge der drei Kämpfe, die Lokalisierung des AlkyoneusKampfes, Alkyoneus’ Charakterisierung und seine spätere Beschreibung als Gigas nahe. Daß dann aber von Telamons Beteiligung nirgendwo anders die Rede ist, weist darauf hin, daß dies ein spezieller Zug der Pindarischen Variante ist – den freilich schon der singuläre Umstand nahelegt, daß Telamon ins erzählerische Zentrum rückt: Dieser nämlich erringt alle Siege, während Herakles ihn bloß unterstützt; entsprechend ist er Subjekt des Satzes (26: πόρθησε), und Herakles taucht nur in der Mytheneinleitung σὺν ᾧ (25) auf, die – zumindest was den eigentlichen Kampf angeht – eine untergeordnete Rolle impliziert. Herakles’ Erfolge werden damit, ganz der Tradition des Mythos widersprechend, Telamon zugeschrieben, und anscheinend ganz besonders sein wohl bedeutendster, der über die Giganten (vgl. Hes. theog. 954, fr. 195, 28 f. MW, Pi. N. 1, 67–69): Dieser wird zum entscheidenden Erfolg in 97 Allein der Umstand, daß noch andere Menschen teilnehmen müßten, läßt Gantz (1993) 445 schließen, daß es sich um zwei verschiedene Ereignisse handeln müsse – auch wenn „the coincidence of place and time is striking“. Seine eigene Lösung des Problems überzeugt jedoch nicht und scheint im Gegenteil eher für den hier gemachten Vorschlag zu sprechen. Zu Herakles’ Beteiligung s. o. Anm. 94. 98 Gigas ist er bei Philochoros FGrH 328 F 186 (vgl. Σ N. 4, 43, Σ I. 6, 47), ältester Gigas in adesp. fr. 985b, 13 f. PMG. Bei Apollod. 1, 6, 1 ist er neben Porphyrion der bedeutendste und sogar einzige unsterbliche Gigas. Mit dem Kampf gegen ihn beginnt die Gigantomachie in Σ N. 4, 43, Σ I. 6, 47 und anscheinend auch Apollod. 1, 6, 1: Der Gigas Alkyoneus habe Herakles angegriffen, als dieser Rinder (des Geryoneus?) aus Erytheia vorbeitrieb, bzw. habe Helios’ Rinder gestohlen bzw. Helios’ Rinder aus Erytheia; hieraus habe sich die Gigantomachie ergeben. Dieser Zusammenhang dürfte angesichts von βουβόταν (I. 6, 32) auch bei Pindar zugrunde liegen. Vgl. Gantz (1993) 402–408 zu Geryoneus.

146

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

Telamons Karriere – und ist wichtiger noch als der über Troia, womit sich auch die prima facie überraschende Hervorhebung dieses Kampfes erklärt. Doch wird gleichzeitig noch mehr erreicht, denn Telamons Kampf wird zu einem Ringen, in dem ihm Herakles hilft. Vor dem Hintergrund der poetologischen Passagen zeigt sich in ihrem Verhältnis ein Trainer-Schüler-Verhältnis: Telamon kämpft unter Herakles’ Anleitung (25: σύν)99 gegen seine drei Gegner und erringt (wie sollte es unter der Anleitung des Athleten par excellence anders sein?) nach drei Niederwürfen einen grandiosen Sieg. 4.4.2Peleus und das Ringen der Liebe Ein Trainer-Schüler-Verhältnis ist nicht nur für den Telamon-Mythos festzustellen, sondern auch für den Peleus-Mythos (54–68), sowohl im ersten Teil zur Eroberung von Iolkos (54–60) als auch im zweiten Teil zur Hochzeit mit Thetis (61–68). Allerdings ist dies zumindest im Iolkos-Mythos nicht sofort ersichtlich, ist er doch aufgrund der komprimierten Erzählweise nicht gleich in allen Details verständlich. Als Kern dieses Mythos steht jedoch fest, daß Peleus Iolkos unterwirft und den Haimones (d. h. Thessalern: Strab. 9, 5, 23) übergibt, nachdem er von Akastos aus dem Hinterhalt angegriffen worden ist. Fraglich ist allerdings, welche Bedeutung Hippolyta (57) und Chiron (60) zukommt und welche Funktion das Messer (59) und die Listen (57 f.) haben, und ebenso, was die Partizipien προστραπών (55) und χρησάμενος (58) bedeuten: Die gewöhnlichen Bedeutungen der Verben (‚anflehen‘ bzw. ‚benutzen‘) scheinen nämlich insoweit unpassend zu sein, als das eine für den Krieg gegen Iolkos benutzt wird und das andere zu implizieren scheint, daß Peleus mit seiner Feindin Hippolyta zusammenarbeitet.100 Eine Lösung zeigt sich auf der Grundlage einer Betrachtung der Darstellung dieses Mythos bei anderen Autoren:101 Nach Peleus’ (und Telamons) Tötung des Phokos wird er aus Aigina verbannt und schließlich in Phthia als Schutzflehender aufgenommen, wo ihn der König Eurytion entsühnt und mit seiner Tochter (oder Verwandten) verheiratet.102 Etwas später tötet Pe99 Da sich jeweils zwei Kämpfer auf dem Wagen befinden (28–30), könnte das Verhältnis eines von Wagenlenker und παραβάτης sein (s. Bury 1890 71, allgemein L. Burckhardt: „Parabatai“, DNP 9, 305), so daß Herakles’ Eigenschaft als Lenkender und Telamons Eigenschaft als unmittelbar Kämpfender (er ist Subjekt zu πόρθησε [26]) auch bildlich vor Augen tritt. Implizit rückte Telamon an Zeus’ Stelle: Traditionell kämpften Herakles und Zeus gemeinsam in einem Wagen (s. Wilamowitz 1959 3, 48; vgl. Eur. Her. 177–180). 100 Vgl. LSJ s. v. προστρέπω bzw. χράω C; zu προστραπών (55) s. Ahrens (1860) 57 f., Henry (2005) 40. Zur Diskussion um χρησάμενος (58) s. u. S. 148–150; einen Überblick gibt Nicholson (2001) 33–35; zur Problematik s. Farnell 2, 269, Wilamowitz (1922) 175 f. 101 Einen Überblick geben Lesky (1956), Gantz (1993) 225–228, Zunker (1988) 95–104. 102 Der Mord an Phokos sowie Peleus’ und Telamons hierauf folgendes Exil findet sich bei

4.4. Drei mythische Ringkämpfe

147

leus Eurytion bei der Kalydonischen Jagd unabsichtlich und muß sich erneut ins Exil begeben, diesmal zu Akastos nach Iolkos, der ihn abermals entsühnt.103 Akastos’ Frau Hippolyte (oder Astydameia) verliebt sich bald darauf in ihn und versucht ihn zu verführen; dies lehnt Peleus aber, die Gebote der Gastfreundschaft achtend, entschieden ab, woraufhin sie ihn bei ihrem Ehemann der Anstiftung zum Ehebruch bezichtigt.104 Dieser entschließt sich zur Bestrafung für die mutmaßliche Verletzung der Gastfreundschaft und lockt Peleus zum Pelion, um dort, wenn er schläft, sein (besonderes, von Hephaistos gefertigtes und / oder geschenktes) Messer zu verstecken, damit er, allein gelassen, den umherstreifenden Kentauren schutzlos ausgeliefert sei und den Tod finde.105 Doch Chiron kommt rechtzeitig zu Hilfe (und findet anscheinend ebenfalls das versteckte Messer wieder); Peleus wendet sich gegen Akastos und nimmt Iolkos (meist alleine und ohne Heer) ein.106

103 104

105

106

Pindar in N. 5, 14–16; vgl. Apollod. 3, 12, 6, Paus. 2, 29, 10; s. Zunker (1988) 90–94. Zum Aufenthalt in Phthia bei Eurytion, Sohn des Aktorsohnes Iros, vgl. fr. 48, wo Peleus mit Polymela, der Tochter des Aktor, verheiratet ist. Bei Pherekydes (FGrH 3 F 1b und F 62) und Apollodor (3, 13, 1–3) ist seine Frau die Eurytion-Tochter Antigone, wobei die Pherekydes bezeugende Stelle ΣA Hom. Il. 16, 175 für andere Autoren auch die Aktor-Tochter Eurydike, die Alkmaion-Tochter Laodameia sowie die Namen Kleodora und Polydora nennt (welche auch Namen seiner Tochter sind: Hom. Il. 16, 173–178, Hes. fr. 213 MW, Apollod. 3, 13, 1–3). Bei Apollodor erhält Peleus von Eurytion außer der Tochter zusätzlich ein Drittel des Herrschaftsgebiets. Zu Eurytions Tötung vgl. fr. 48, ferner Apollod. 1, 8, 2; 3, 13, 1–3, Ant. Lib. 38, Σ Aristoph. Nub. 1063. Vgl. neben N. 5, 25–34 unter anderem Apollod. 3, 13, 1–3, Σ Apoll. Rhod. 1, 224. Akastos’ Frau ist bei Pindar Hippolyta, bei Apollodor Astydameia (in Σ N. 4, 92 und Σ N. 5, 46a sogar Kretheis, Tochter der Hippolyte bzw. des Hippolytos, wohl aber als Mißverständnis des Patronymikons Κρηθεΐς in N. 5, 26: s. Gantz 1993 227). Vgl. Hes. fr. 209 MW, auch Σ N. 4, 92. 95b, Σ Apoll. Rhod. 1, 224. Eine weitere Variante ist Σ Aristoph. Nub. 1063, wo Akastos Peleus offen zur Prüfung seiner Unschuld (die ihn retten werde) zurückläßt. Zum Messer vgl. Hes. fr. 209, 3 MW, Σ P. 3, 167a, Σ Lykophr. 178, Σ Apoll. Rhod. 1, 224, Phot. Bibl. 190, 152a, 22 f. Peleus erhält es zu verschiedenen Zeitpunkten: bei den Leichenspielen für Pelias (Σ Aristoph. Nub. 1063), als Geschenk zur Hochzeit mit Thetis (Σ N. 4, 107a, Σ P. 3, 167a, Σ Lykophr. 178, Phot. Bibl. 190, 152a, 22 f. [alle Geschenke 22–28]) oder in der Gefahr auf dem Pelion (Σ N. 4, 92a, Σ Aristoph. Nub. 1063), und zwar immer aus göttlicher Hand, offenbar als Belohnung für seine σωφροσύνη (Anakreon fr. 497 PMG, Aristoph. Nub. 1063). Bei Pindar kann er das Messer nicht in der Gefahr oder nach deren Überstehen bei der Hochzeit erhalten, da es eine Funktion bei Akastos’ Anschlag hat (vgl. unten mit Anm. 108) und die Hochzeit bei Pindar immer erst nach der Eroberung von Iolkos stattfindet (vgl. N. 3, 32–36, N. 5, 25–31 und unten Anm. 106). Peleus’ Messer scheint sprichwörtlich gewesen zu sein, wie sich (zum Teil indirekt) aus Aristoph. Nub. 1063, Paus. Gr. π 20, Lib. epist. 758, 1, Theodoros epist. 6 ergibt (vgl. Mezger 1880 395, Nicholson 2001 35). Die Rettung hat nichts mit dem Wiederfinden des Messers zu tun (jedenfalls nach Apollod. 3, 13, 3 zu urteilen: s. Gantz 1993 226; vgl. jedoch Σ Apoll. Rhod. 1, 224, wo sie damit zusammenzuhängen scheint, daß Hermes oder Chiron ihm das Messer wiedergibt). Iolkos wird mitunter von Peleus allein eingenommen (Hes. fr. 211 MW, N. 3, 34), zum Teil

148

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

Dieser Gesamtzusammenhang macht die in Nemee 4 komprimiert erzählte Variante verständlich: Hippolyta verliebt sich in Peleus und, von ihm zurückgewiesen, verleumdet ihn voller List bei Akastos, damit er für seine Zurückweisung den Tod finde (57 f.: δάμαρτος Ἱππολύτας Ἀκάστου δολίαις τέχναισι; vgl. N. 5, 25–34). So verleitet sie Akastos zu einem Anschlag auf Peleus aus dem Hinterhalt (59 f.: φύτευέ οἱ θάνατον ἐκ λόχου), konkret durch das Verstecken von Peleus’ von Hephaistos geschmiedetem Messer (59: τᾷ Δαιδάλου … μαχαίρᾳ),107 ohne das er den Kentauren auf dem Pelion schutzlos ausgeliefert ist.108 Peleus gerät daraufhin wie erwartet in große Gefahr, aus der ihn aber Chiron erretten kann (60: ἄλαλκε δὲ Χίρων).109 Im Anschluß nimmt Peleus Iolkos ein und übergibt die Stadt den Thessalern in die Knechtschaft (54–56: λατρίαν Ἰαολκόν … παρέδωκεν Αἱμόνεσσιν).110 Freilich ist damit noch nicht geklärt, wie die Partizipien προστραπών (55) und χρησάμενος (58) zu verstehen sind, denn das eine impliziert eine Verbindung von Peleus’ Schutzflehen mit der Eroberung von Iolkos, das andere ein Benutzen von Hippolytas Listen durch Peleus. Eine Lösung ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang: 1) Das Partizip προστραπών (55) erinnert daran, daß Peleus ursprünglich als Schutzflehender nach Iolkos gekommen ist. Sei-

107

108

109 110

mit Hilfe von Iason und den Dioskuren (Pherekydes FGrH 3 F 62, Apollod. 3, 13, 7). Mitunter (jedoch nicht in Hes. fr. 211 MW oder bei Pindar: vgl. oben Anm. 105) findet die Einnahme erst nach der Heirat mit Thetis statt (z. B. bei Apollod. 3, 13, 7). Wohl ist auch hier das Messer von Hephaistos geschmiedet: Anscheinend war Daidalos schon früh ein Beiname dieses Gottes (Gantz 1993 lxix Anm. 30 [zu S. 226], ebenso Leutsch 1868/1869 4 f., Bury 1890 75, Henry 2005 41; dagegen Farnell 2, 270 f., Willcock 1995 104 f.). Daß es ein anderes Messer ist (Carnes 1999 6 f.), ist angesichts von dessen (früh bezeugter) Sprichwörtlichkeit (vgl. oben Anm. 105) unwahrscheinlich, zumal „we have no other knowledge, however, of a ‚sword of Daidalos‘“ (Willcock 1995 105). Allenfalls ließe sich Δαιδάλου mit Didymos (Σ N. 4, 95b. c, s. Carnevali 1980 9 f.) in δαιδάλῳ ändern (Boeckh 1, 522, Dissen 2, 403 f., Farnell 2, 270 f.) und hierin das HephaistosMesser sehen, doch ist dies angesichts der Bezeugung des Beinamens Daidalos unnötig. Zum Gesamtzusammenhang s. Köhnken (1971) 203 (der über die indirekte Funktion des Messers die Verbindung zu Hesiods Version aufzeigt; vgl. Bury 1890 75). Das Verb φυτεύειν verweist metaphorisch auf die Indirektheit von Akastos’ Plan (vgl. LSJ s. v.; s. auch Köhnken 1971 203, Henry 2005 41), denn Akastos bereitet die vorgesehene Tötung durch das versteckende Einpflanzen des Verteidigungsmittels lediglich vor, so daß Peleus’ Tod hieraus wie eine Pflanze hervorsprießen kann (damit ist φύτευε [59] nicht mit Willcock 1995 105, Köhnken 1971 203 Anm. 54 als konativ zu erklären [vgl. jedoch oben S. 90 Anm. 26]); vgl. P. 9, 111 f. (s. u. Kap. 6.3, besonders S. 270 Anm. 17). Bildlich verweist es ebenso auf das Verstecken des Messers. Insgesamt zeigt sich auch hier eine Nähe zu Hesiod (s. o., besonders Anm. 107; man beachte den Verweis auf das Pelion in 54). Durch die Rückgabe des Messers offenbar nicht: Dies waren wohl zwei unabhängige Handlungen (s. o. Anm. 106). Wie man sich also Chirons Hilfe vorzustellen hat, ist unklar (s. aber auch Gantz 1993 226). Das Wort λατρίαν (54) ist proleptisch (vgl. KG § 406 5); vgl. Σ N. 4, 88. 92b, Pearson (1929) 88, Henry (2005) 39.

4.4. Drei mythische Ringkämpfe

149

ne (aus den göttlichen Gesetzen der Gastfreundschaft resultierende) Schutzbedürftigkeit wird mit der Hinterhältigkeit seiner Gastgeber kontrastiert, so daß diese als schlechte, frevelhafte Menschen erscheinen.111 2) Für das Partizip χρησάμενος (58) zeigen sich zwei Möglichkeiten des Verständnisses:112 Entweder ist das Verb allgemein als „experience, suffer, be subject to“ zu fassen; dann ist Peleus Hippolytas List ausgeliefert.113 Hiergegen spräche nicht, daß eine solche Verwendung in der Regel nur in Hinblick auf Naturgewalten und äußere, insbesondere soziale Umstände vorliegt,114 denn der Gegner träte (vgl. das Meer in 36 f.) metaphorisch als übermächtig wirkende Naturgewalt in Erscheinung, im Kontrast zum hilfsbedürftigen Schutzflehenden. Oder das Verb könnte in der gewöhnlichen Bedeutung ‚benutzen‘ darauf verweisen, daß Peleus den Angriff seiner Feinde zu einem Gegenangriff zu nutzen versteht und sich gerade so seinen Sieg sichern kann.115 Dies wäre freilich 111 Ein Eingriff in den Text ist also unnötig (vgl. Henry 2005 40), ebenso die Annahme einer besonderen Wortbedeutung für προστρέπειν (vgl. LSJ s. v. I 2: „approach (as an enemy)“, ebenso Christ 1896 264, Pearson 1929 88). Vielmehr handelt es sich angesichts der Tötung des Eurytion um das für Peleus passende Verb (vgl. LSJ s. v. I 1 zu προστρόπαιος: „of one who has incurred pollution by committing a crime and turns to a god or man to obtain purification“ [vgl. Garvie 1986 117], ebenso Ahrens 1860 58; richtig Williams 1976 201 f.). Hier ist προστραπών also entweder absolut verwendet (vgl. KG § 597 2 b) oder mit dem Akkusativ Ἰαολκόν (als Angeflehtem) konstruiert (vgl. LSJ s. v.). Die zentrale Bedeutung der Gastfreundschaft für das griechische Rechtsverständnis zeigt sich z. B. daran, daß in Aischylos’ Agamemnon der Krieg gegen Troia als (metaphorisch in Form eines Prozesses) vollzogene Bestrafung für deren Verletzung durch Alexandros charakterisiert ist (z. B. 40–71. 399–403; s. u. a. Fraenkel 1962 2, 27 f. 209 f.). 112 Eine Textänderung (z. B. Köhnkens 1971 200–203 χρησαμένου für χρησάμενος; für weitere Vorschläge s. Köhnken, Henry 2005 40 f.), ist also unnötig, zumal sie das semantische Problem nicht löst (Carnes 1999 4 f.). 113 Zu dieser Bedeutung s. LSJ s. v. C III 1; so Dissen 2, 403, Mezger (1880) 395. 114 S. Bury (1890) 74 f., Farnell 2, 269, Köhnken (1971) 201, Carnes (1996b) 22 f.; vgl. auch Carnes (1999) 2 f. 115 So Carnes (1999); vgl. Carnes (1986) 231–233 und (1996b) 19–35, insbesondere 22 f. Es handelt sich um eine Variante des schon antiken und von Wilamowitz (1922) 175 f., Bury (1890) 74 f. gebilligten Vorschlags, es sei εἰς πρόφασιν τιμωρίας oder εἰς πόρθησιν τῆς Ἰωλκοῦ αἰτίᾳ (Σ N. 4, 92b bzw. c) o. ä. ergänzen (allgemein hiergegen Farnell 2, 269 f., Köhnken 1971 200 f.). Carnes’ Vorschlag zeigt sich jedoch in einem von „sudden reversal of fortune“ (S. 6; vgl. unten Anm. 116) geprägten Kontext passend. Vgl. zum Gedanken Heliod. 10, 32, 1 f., Quint. inst. 2, 12, 1 f. sowie I. 3/4, 63–69, wo ein solches Gegenmanöver, mit der Listigkeit eines Fuchses kombiniert, zu einer wichtigen Voraussetzung des Erfolgs wird (zur Syntax dieser Stelle s. Willcock 1995 81–83). Der inhaltlich beschriebene Wechsel des Schicksals wird sprachlich nachgebildet, denn die (freilich nicht seltene) späte Nennung des Subjekts und die Verwendung des Partizips χρησάμενος erweckt den (sich im nachhinein als falsch erweisenden) Eindruck, Peleus breche mit Hilfe der Gattin seines Gastfreundes die Gastfreundschaft. Gerade diese kunstvolle Irreführung dürfte den Hauptteil der Schwierigkeiten dieser Stelle verursachen (s. Nicholson 2001 35 f.). Unwahrscheinlich ist, mit Nicholson (2001), insbesondere 55, speziell in τέχναισι (58) einen dem Epinikion allgemein zugrunde liegenden ideologischen Konflikt zwischen aristokra-

150

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

eine Ringkampfmetapher, die darauf zurückgreift, daß man im Ringen die Wucht des Angriffs zu einem Gegenangriff nutzen kann, in Aufnahme des in 31 f. formulierten (und ebenfalls auf einen metaphorischen Ringkampf bezogenen) Gedankens der Reziprozität. Der Iolkos-Mythos evoziert damit komprimiert den Hintergrund des gesamten Mythos (besonders Schutzflehen und Ehebruch) und offenbart dessen innere Gegensätze: Hippolytas relevante Eigenschaft ist nicht, Akastos’ Frau zu sein (57: δάμαρτος Ἱππολύτας Ἀκάστου), sondern sie ist Ehebrecherin; Peleus ist eigentlich Schutzflehender (55: προστραπών), sieht sich aber gefährlichen und hinterhältigen Angriffen ausgesetzt (57 f.: δολίαις τέχναισι; 59 f.: φύτευέ οἱ θάνατον ἐκ λόχου), und schließlich nutzt (58: χρησάμενος) er die Listen, die seinen Untergang herbeiführen sollten, zu seinem eigenen Vorteil, so daß sie unerwartet den Untergang ihrer Urheber selbst herbeiführen.116 Nicht zuletzt diese hohe semantische Dichte der Darstellung dürfte verantwortlich dafür sein, daß diese Passage so kontrovers diskutiert wurde. An dieser Stelle zeigen sich – parallel zur poetologischen Passage 33–46 und dem Telamon-Mythos – auch im Iolkos-Mythos zwei Trainer-SchülerBeziehungen, gestützt durch die zentrale Funktion hinterhältiger Angriffe (insbesondere 57 f. 59 f. bzw. 37):117 Peleus erscheint als Chirons Ringkampfschüler und Akastos als Hippolytas Schüler. Diese ist nämlich Urheberin der List, die Akastos ins Werk setzt (57 f. bzw. 59 f. – und die Peleus wie ein kluger Ringer zu einem Gegenangriff nutzt: χρησάμενος [58]), und hat insofern die Funktion eines Trainers (vgl. N. 6, 66). Dasselbe gilt für Chiron, der die Niederlage von Peleus abwehrt (60: ἄλαλκε δὲ Χίρων). Beiden Trainern ist der Trainer in 36–38 parallel, der seinen Schüler ebenfalls vor hinterhältigen Angriffen bewahrt (36 f.) und ihm so den Sieg sichert (37 f.). Allerdings ließe sich einwenden, daß Hipp0lyta nicht Akastos’ Trainer sein könne, da sie tatsächlich hinterlistig einen Kampf herbeiführt, der Akastos letztlich ins Verderben führt – doch können Qualität und Motivation des Trainers kaum als Einwand gelten. Zudem stachelt auch der parallele Neider als Trainer seinen Neid zu hinterhältigen Angriffen an, die der Lobende durch seine Trainerkunst ebenso wirkungslos machen kann. Diese enge inhaltliche Parallele bestätigt die vorgeschlagene Deutung, insbesondere deswegen, weil es sich überraschenderweise um Hippolytas Pläne handelt (vgl. Hes. fr. 209 MW: Akastos eigener Plan). Im Ergebnis wird die mythitischer und anti-aristokratischer Wertordnung zu sehen. 116 Vgl. Carnes (1996b) 21; eine vergleichbare paradox-ironische Wendung nehmen auch die hinterhältigen Pläne von Pelias und Aietes in P. 4 (s. u., insbesondere S. 219. 253). 117 Vgl. Köhnken (1971) 205; auch das Wort τέχνη beinhaltet Trickserei: vgl. P. 4, 249; s. Müller (1974) 11 f., Braswell (1988) 343; vgl. Damagetos XI Page, Nonn. Dion. 37, 579 f., Hom. Il. 23, 725 und oben S. 129 Anm. 28. Zur Bedeutung der Technik im Ringen s. Doblhofer [u. a.] (1998) 373–376. 409–419, Poliakoff (1989) 22. 39.

4.4. Drei mythische Ringkämpfe

151

sche Begebenheit metaphorisch als Ringkampf gedeutet, in dem sich zwei Gruppen von Trainer und Schüler gegenüberstehen, inhaltlich parallel zum Telamon-Mythos, zu dem sich als weitere Ähnlichkeit die Parallelisierung von Krieg und Sport zeigt (vgl. konkret πολεμίᾳ χερί [55]).118 Die Darstellung von Peleus als Ringer hat freilich eine Grundlage in der Mythentradition, denn er ist einer der mythischen Ringer par excellence, bekannt nicht zuletzt durch seinen Kampf mit Thetis, der schon auf Vasenbildern des 7. Jhs. als Ringkampf dargestellt wurde.119 Als Ringkampf wird dieser Kampf auch in Nemee 4 dargestellt (61–68), und zwar in mehrererlei Hinsicht:120 1) Wie im Telamon-Mythos wird auch hier auf die Siegesbedingung im Ringen verwiesen, denn Peleus kämpft gegen eine Thetis in dreierlei Form, nämlich Feuer, Löwenkrallen und Zähne (62–64: πῦρ … θρασυμαχάνων τε λεόντων ὄνυχας … ἀκμάν τε … ὀδόντων).121 2) Beide Kämpfer verfügen über Eigenschaften, die für Ringer von zentraler Bedeutung sind, nämlich Mut und Verwegenheit (62: θρασυμαχάνων), Brutalität und Stärke (62: λεόντων), Gefährlichkeit (63 f.: ὄνυχας ὀξυτάτους ἀκμάν τε δεινοτάτων … ὀδόντων) und angesichts eines Gegners wie πῦρ … παγκρατές (62) Unerschrockenheit und Schmerzunempfindlichkeit.122 Ein Teil dieser Qualitäten verschafft auch 118 Zur Hand im Kampfsport vgl. Slater s. v. b, speziell O. 8, 75, N. 6, 66, B. 2, 4, B. 11, 36, Nonn. Dion. 37, 711. 714 f. 119 Peleus ringt z. B. gegen Atalante (Apollod. 3, 9, 2; 3, 13, 3); vgl. Philostr. gym. 3. Zum Kampf mit Thetis s. Henry (2005) 41 (zu bildlichen Zeugnissen Zunker 1988 114–116). 120 Zwar wird dieser Kampf auch in N. 4 meist als Ringkampf gedeutet, aber hierfür wird (wenn überhaupt) außer dem Verweis auf andere Darstellungen kein Beleg angeführt (vgl. Köhnken 1971 206, Williams 1976 200 f., Bulman 1992 71, Willcock 1995 105). In der Literatur ist diese Stelle außer Soph. fr. 150, 2 TrGF die früheste Erwähnung. 121 Vgl. Henry (2005) 30. Peleus hat also nicht nur die zwei Gegner Feuer und Löwe (Zunker 1988 112, Köhnken 1971 199 Anm. 28), auch nicht (mit der Mythentradition) die drei Feuer, Löwe und Schlange (Kramer 1970 85–88) und auch nicht eine unbestimmte Anzahl (Bury 1890 76: „the fire, the lion, the dragon and other shapes which she assumed“; vgl. Dissen 2, 404, Christ 1896 265). Das überlieferte Enklitikon τε (64) scheint korrekt zu sein, auch wenn das Periodenende es von seinem Bezugswort trennt (Young 1966 9– 15; vgl. O. 9, 65, O. 10, 18, O. 14, 5, P. 9, 99, I. 8, 10; s. allgemein zur Problematik Snell 1982 7. 68; vgl. S. 65 Anm. 201). So ist eine Textänderung in καί (die eine äußerst ungewöhnliche Wortstellung zur Folge hätte: vgl. LSJ s. v. C 1, GP 325–327) unnötig, „zumal da in jener Verbesserung die gezwungene Stellung des καί auch darum noch anstössiger ist, dass dasselbe vom Worte, wozu es gehört, nämlich von ἀκμάν, durch den Vers ebenso getrennt ist wie das τε“ (Boeckh, GKS 5, 260; vgl. Willcock 1995 105, Carey 1978 41 Anm. 40); eine solche Textänderung machte daher eine Umstellung notwendig, z. B. ὄνυχας ὀξυτάτους σχάσαις | καὶ δεινοτάτων ἀκμὰν ὀδόντων (Henry 2005 42). 122 Vgl. die Beschreibung des siegreichen Pankratiasten Melissos in I. 3/4, 63–65: τόλμᾳ γὰρ εἰκὼς θυμὸν ἐριβρεμετᾶν θηρῶν λεόντων ἐν πόνῳ („Denn in der Mühe gleicht er im Herzen dem Mut laut brüllender, ungeheuerlicher Löwen“), wobei πόνῳ auf den Sport verweist (vgl. oben S. 137 f. Anm. 67). Zur Verwendung von θρασύς in bezug auf Kampfsportarten und insbesondere das Ringen vgl. O. 1, 96, P. 8, 37, N. 5, 39, N. 10, 3, B. 2, 4 (auch Aischyl. Ag. 168 mit Fraenkel 1962 2, 169 f., Poliakoff 1980 252 f.), von κρατεῖν O. 8, 20, O. 9, 84,

152

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

dem Ringer Telamon seinen Sieg (25–32). 3) Im Partizip σχάσαις (64) liegt ein Verweis auf das Ringen vor, insofern es das Entlassen des Gegners aus der Umklammerung nach dessen Niederwurf bezeichnen dürfte.123 Damit ist der Kampf zwischen Peleus und Thetis auch in Nemee 4 als Ringen dargestellt. Dieses kann von Peleus nur unter mühevollen Gefahren gewonnen werden, ebenso wie auch sein Ringen gegen Akastos sowie das Telamons und das des Lobes.124 Bei aller Parallelität zeigt sich jedoch insofern ein bedeutender Unterschied, als Peleus, anders als Telamon oder das Lob, unmittelbar nach seinem Sieg belohnt wird: Er darf nicht nur Thetis heiraten (65), sondern sogar zusammen mit den Göttern das Hochzeitsfest feiern (66–68); diese offenbaren ihm darüber hinaus die glänzende Zukunft seiner Familie (68).125 Etwas Größeres als dies, so die naheliegende Schlußfolgerung, kann kein Mensch erreichen. Entsprechend endet hier der Mythos (69–72) mit einer geographischen Metapher, die die Unüberschreitbarkeit von Peleus’ Erfolg ausdrückt: Was westlich von Gadeira (d. h. den Säulen des Herakles) liegt, kann kein Mensch erreichen; dies sind die Grenzen der dem Menschen zugänglichen Welt.126 So ergibt sich die Aufforderung (das Asyndeton ist konsekutiv), das Schiff (zur geographischen Metapher passend das Epinikion)127 zum Festland Europa128 zurückzulenken, in der Metapher (analog zur Überleitung in 33–35) der aktuelle Anlaß. Letzteres zeigt auch die Fortführung des Gedankens ab 73, deren erstes Wort Θεανδρίδαισι (73) explizit auf die Siegerfamilie verweist. Diese Überleitung setzt ferner Peleus’ und Telamons Erfolge gleich, denn in 71 f. ist

123

124 125

126 127 128

O. 10, 100, P. 10, 16. 23, N. 5, 45, N. 10, 25, B. 6, 7. 15, von μηχανή I. 3/4, 20 sowie von ὀξύς O. 9, 91 (vgl. Plat. Charm. 159 c8 f.). Zwar spricht παγκρατές (62) und der Verweis auf das Kratzen und Beißen prima vista für eine Bezugnahme auf das Pankration (so Nicholson 2001 44 f.), doch steht hiergegen die Dreiermetaphorik des Ringens. Vgl. Σ N. 4, 101b (Metapher vom Rudern). Das Verb bedeutet ursprünglich „‚to loosen‘ (a grip), ‚to release‘ (tension), hence in medicine ‚to release‘ (blood pressure etc.) by cutting a vein“ (Maehler 2004 187 zu B. 17, 121; er übersetzt die Pindar-Stelle mit „‚made the lions’ claws and and teeth lose their force‘, ‚made them limp‘“; vgl. Käppel 1992 174); vgl. κώπαν σχάσον in P. 10, 51 (vgl. Eur. Tro. 811, Kall. fr. 11, 3 Pf.). Zur Schwierigkeit dieser Stelle s. Farnell 2, 271 (vgl. Σ N. 4, 101, LSJ s. v. 7). Vgl. die andersgearteten Darstellungen in N. 3, N. 5, I. 8 (Epinikien für Pankrationsieger). Die Hochzeit findet sich schon in Hom. Il. 24, 62 f. (zu den Geschenken s. o. S. 147 Anm. 105); s. insgesamt Gantz (1993) 229 f., zum Text unten S. 156 f. Anm. 142. Die glänzende Zukunft ist nicht auf Achilleus und Neoptolemos beschränkt, sondern umfaßt die gesamte Familie (man beachte 71 f.: λόγον Αἰακοῦ παίδων). Die Bedeutung der Anwesenheit der Götter zeigt auch P. 3, 93–95. Die Säulen des Herakles sind bei Pindar häufig mit einem nicht übertreffbaren Erfolg eines Sportlers oder Helden verbunden: vgl. O. 3, 42–45, N. 3, 19–23, I. 3/4, 29–31; s. zu dieser Stelle auch Carnes (1996b) 34 f. Das Epinikion als Schiff ist bei Pindar nicht selten: vgl. hier 69 f.; s. Köhnken (1971) 211 Anm. 98, ebenso Nünlist (1998) 265–276. Zu Europa als Kontinent an dieser Stelle s. Henry (2005) 44.

4.4. Drei mythische Ringkämpfe

153

ohne Einschränkung von Aiakos’ Kindern (Αἰακοῦ παίδων) die Rede, deren Geschichte nicht zur Gänze behandelt werden könne; diese Erfolge sind also allesamt (wie die Aufnahme der vorangehenden geographischen Metapher [69: insbesondere οὐ περατόν] durch ἄπορα [71] bestätigt) ‚westlich von Gadeira‘129 und finden entsprechend hier ihren erzählerischen Abschluß. Die vermeintliche Aussparung der übrigen Taten von Aiakos’ Kindern erweist sich damit als implizite Evozierung all ihrer Taten.130 Daß diese Taten ihre gerechte Entlohnung finden werden, wird durch den Katalog der Herrschaftsbereiche der Mitglieder der Familie beglaubigt (46–53),131 der hervorgehoben im Zentrum des Liedes vom Telamon- zum Peleus-Mythos überleitet. In ihm zeigt sich nicht nur die Pracht der Familie, sondern er bestätigt auch die Verheißung der Götter während des Hochzeitsfestes erzählerisch im vorhinein. Doch ist an diesem Katalog ebenso bemerkenswert, daß der Erfolg der Familie über einen erneuten metaphorisierenden Verweis auf die Siegesbedingung im Ringen als vollkommen charakterisiert wird: Der Katalog beinhaltet nämlich zweimal drei Orte, von denen die ersten drei (Aigina, Kypros, Salamis) Telamons Familienteil zugeordnet sind und die zweiten drei (die Insel Leuke im Schwarzen Meer, Phthia und das von Neoptolemos beherrschte Festland) Peleus’ Familienteil.132 Damit erscheint die Herrschaftspracht der gesamten Familie als unübertrefflich.133 Gesichert wird diese Pracht (entsprechend der Semantik der Ringkampfmetaphorik) durch Peleus’ letzten Sieg – mit dem es freilich eine besondere Bewandtnis hat: Insofern nämlich das Hochzeitsfest gewöhnlich erst am Morgen nach der Hochzeitsnacht stattfand,134 läßt sich der Kampf mit Thetis metaphorisch als ihre Liebesvereinigung in der Hochzeitsnacht verstehen, auf die am folgenden Tag das geschilderte Hochzeitsfest folgt. Dies entspräche der Darstellung in I. 8, 44 f., wo dieser Kampf ausdrücklich als Liebesver129 Vgl. Carnes (1996b) 35. 130 Damit kehrt Pindar auch nicht deswegen zum aktuellen Anlaß zurück, weil er durch überlange Mythen den Unwillen des Publikums erregen könnte (so Bulman 1992 72). 131 Das Herrschen steht metaphorisch für das Ehren-Genießen (man beachte das Präsens): s. Köhnken (1971) 198 f., Miller (1983) 204 Anm. 7. 132 Zur Bezeichnung Oinona für Aigina s. o. S. 17 Anm. 33. Zur Frage, ob Ἀ- oder Εὐbzw. -ξέν- oder -ξείν- zu lesen ist, s. Henry (2005) 38. Zur Insel Leuke, auf der sich insbesondere im 5. Jh. ein bedeutendes Kultzentrum des Achilleus befand, s. West (2003) 156. 162–166. Zu ἀπείρῳ (51) ist anzumerken, daß Epeiros zu Pindars Zeiten noch kein Eigenname war (s. Henry 2005 38); Neoptolemos’ dortige Herrschaft findet sich z. B. in pae. 6, 109 f., N. 7, 36–39; zu den einzelnen Orten s. ansonsten Henry (2005) 37–39. Das Verb ἀπάρχειν bedeutet wohl „reign far from home“ (Slater s. v.; vgl. Dissen 2, 402, Bury 1890 73, Farnell 2, 267 f.). 133 Zur zentralen Stellung dieser Passage s. insbesondere Köhnken (1971) 198 f. (der Iolkos allerdings irrtümlich zu den angeführten Herrschaftsbereichen zählt: Peleus übergibt die Stadt aber sofort nach der Einnahme den Haimones [54–56]). 134 S. R. Oswald: „Hochzeitsbräuche und -ritual“, DNP 5, 650–656.

154

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

einigung geschildert ist. Damit wiederum ginge das, was in bedeutender Weise zum zukünftigen Familienruhm beiträgt (68), in unmittelbarer Weise aus Peleus’ Ringkampfsieg über Thetis hervor, nämlich Achilleus – der damit in der Metaphorik zu Peleus’ eigentlichem Siegpreis wird.135 Zugleich wird Peleus’ und Thetis’ Ringen von einer Vergewaltigung zu einem freundschaftlichen Kampf zwischen Liebenden136 – auch wenn Thetis in anderen Darstellungen gegen ihren Willen zur Hochzeit mit Peleus gezwungen wird.137 Allerdings spräche hiergegen schon, daß in Nemee 4 keineswegs von einem späteren Groll der Thetis gegenüber Peleus die Rede ist (vgl. Hom. Il. 18, 428– 434), und vor allem, daß Peleus durchweg positiv charakterisiert ist: Insbesondere angesichts seines von σωφροσύνη und Religiosität geprägten Verhaltens gegenüber Hippolyta – in der anderen Pindarischen Darstellung dieses Mythos (I. 8) übrigens der wichtigste Grund für Zeus, Thetis gerade mit Peleus zu verheiraten138 – wäre die Vergewaltigung einer Göttin gänzlich unwahrscheinlich, zumal die Götter ein derartiges Verbrechen kaum durch ihre Anwesenheit bei der Hochzeitsfeier geadelt hätten.139 135 In der Ilias ist Achilleus ihr einziges Kind: vgl. 18, 54–60. 436–438; 24, 540. 136 Vgl. Alkaios fr. 42 LP (mit auffälliger Ähnlichkeit zu I. 8, 44 f.), ebenso Lukian. asin. 8– 11 (mit Poliakoff 1982 101–127), Archilochos fr. 119 W, Aischyl. Ag. 1206, Aristoph. Ach. 271 f., Anth. Pal. 12, 206, Longos 3, 19, 2. Ähnlich werden in Apollod. 3, 9, 2 (ganz Thetis’ Verwandlung entsprechend) Atalante und ihr Mann Melanion während der Liebesvereinigung in Löwen verwandelt (was als „symbol of sexual power“ dienen dürfte: Woodbury 1982 254; vgl. aber auch Frazer 1921 1 401 Anm. 2). 137 Die traditionelle Sicht zum Charakter des Kampfes bei Pindar findet sich bei Köhnken (1971) 204, Bulman (1992) 71, Carnes (1996b) 15; beispielhaft ist auch Zunker (1988) 105. Eine Heirat gegen ihren Willen findet sich z. B. in Hom. Il. 18, 428–434 (s. Gantz 1993 228 f.). Daß sie Peleus bald nach der Hochzeit verläßt, ist im übrigen spätere Erfindung: s. Robbins (1993) 7 f. (vgl. Hom. Il. 18, 54–60). 138 Vgl. I. 8, 38–40 (auch Hom. Il. 24, 61). Zwar soll nicht Zeus’ Motivation aus anderen Darstellungen übertragen werden (zumal die Unterschiede nicht grundlos bestehen: s. Carnes 1996b; man beachte nur die verschiedenen Begründungen für die Verbindung der beiden, die bei Lesky 1956, Zunker 1988 109–111, Gantz 1993 228–231 zusammengefaßt sind – vgl. aber unten Anm. 139), aber auch hier liegt Peleus’ Frömmigkeit zugrunde, zumal ohne sie ein großes Götterfest anläßlich seiner Hochzeit schwer vorstellbar wäre. In I. 8, 40 ist Peleus εὐσεβέστατος; auch macht die gesamte Darstellung kaum den Eindruck einer Vergewaltigung. Vgl. Gerber (1982) 108 zum Tantalos-Mythos in O. 1. 139 Gewöhnlich sind es die Götter, die Menschen vergewaltigen; der umgekehrte Fall (sieht man von Aiakos und Psamathe ab) ist nur für Peleus und Thetis bezeugt (s. die Übersicht bei Robson 1997 83–89). Schwerlich ist hier eine Vergewaltigung mit Peleus’ Frömmigkeit vereinbar (vgl. Ixion in P. 2; allgemein s. o. Kap. 2.7 zum Prooimion von N. 8). Im Rahmen des hier gemachten Vorschlags erscheint Peleus’ Ringen mit Thetis nicht als unvereinbar mit derjenigen Variante, in der Peleus seine Braut aufgrund seiner Sophrosyne zugesprochen bekommt: Nach ihrer Verbindung durch Zeus ringen sie ihr (metaphorisches) Liebesringen (dies könnte im übrigen auch die Überleitung τὸ μόρσιμον Διόθεν πεπρωμένον [61] implizieren; in diesem Sinne dürfte jedenfalls die Darstellung in I. 8 zu verstehen sein, insbesondere 46 f. [wo ἄνακτα Peleus meint]: s. Thummer 2, 137). Ebensowe-

4.5. Nemee 4 als Epinikion

155

4.5Nemee 4 als Epinikion Die bisherige Analyse von Nemee 4 hat offengelegt, daß der Eindruck größter Disparatheit und fehlender Relevanz hinsichtlich des lebensweltlichen Anlasses nicht gerechtfertigt ist: Die Metaphorik des Ringens verbindet inhaltlich die Bestandteile des Liedes und leistet so ein nicht unbedeutendes (indirektes) Siegerlob. Allerdings stellt sich die Frage, ob sich diese beiden Funktionen der Sportmetaphorik noch konkreter fassen lassen. Dies ist auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse in der Tat möglich: Erstens wird in den poetologischen Passagen 1–8. 33–46. 93–96 das Loben als (metaphorische) Form des Ringens beschrieben und / oder mit dem Sport in eine enge Verbindung gebracht. Das Lob vermag, wenn es richtig ringt (sich angemessen gegen den Neid zur Wehr setzt), einem Sportler den vollkommenen Siegpreis zu verschaffen: immerwährenden Ruhm. Der Lobende selbst ist ein Trainer, der sein Lob gegen den vom Neider trainierten Neid unterstützt; entsprechend fungiert Melesias, der Ringer und Timasarchos’ Trainer, als perfektes Vorbild eines jeden Lobenden. Zweitens sind die Mythen (25–32. 46–72) als Ringkämpfe dargestellt: Sie zeigen einerseits, über welche Qualitäten ein Ringer verfügen muß, andererseits aber auch, daß für den Erfolg der richtige Trainer entscheidend ist (konkret Herakles und Chiron), und ebenso, was durch den Sieg im Ringen erreicht werden kann: die Heirat mit einer Göttin und immerwährender Erfolg für die Familie. Insgesamt weist das Lied einen engen thematischen Zusammenhalt auf, hergestellt hauptsächlich dadurch, daß die Metaphorik Dichten und Krieg als Ringen deutet. Abgesehen davon werden die Liedteile auch in den Details inhaltlich verbunden, unter anderem durch die Bedeutung der List (33–46. 54–60), die Thematisierung der Trainer-Schüler-Beziehung (25–32. 33–46. 54–60. 61–72. 93–96) und das (mit dem Ringen verbundene: 30–32. 93–96) Motiv der Reziprozität (25–32. 33–46. 54–60. 93–96). Insbesondere die Mythen werden noch durch ein weiteres Band zusammengehalten, denn Nemee 4 beinhaltet genau drei mythische Ringkämpfe: einen des Telamon und zwei des Peleus. So werden nicht nur einzelne, unzusammenhängende mythische Ringkämpfe erzählt, sondern ein Ringkampf höherer Ordnung, der mit Peleus’ Sieg über Thetis sein Ende findet. Entsprechend folgt auf diesen Sieg ein großes Fest, in dem bezeichnenderweise die Götter den zukünftigen Erfolg der gesamten Familie als gesichert offenbaren. Der dritte Kampf beschert also der Gesamtfamilie den vollkommenen Sieg nig bestehen Probleme bei der Vereinigung beider Varianten bei Apollod. 3, 13, 5, wo beide Begebenheiten durch οὖν verbunden sind. Zu beiden Varianten s. Zunker (1988) 109– 111 (insgesamt 104–120). Die Variante in I. 8 geht in ihrer spezifischen Ausgestaltung wohl direkt auf Pindar zurück (s. Köhnken 1975 33 f. Anm. 19).

156

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

und sichert ihr für alle Zeiten Ruhm und Herrschaft, beglaubigt im Herrschaftskatalog der Gedichtmitte. Dieser Kampf (mitsamt der Möglichkeit der Belohnung) hat seine sachliche und moralische Grundlage in Peleus’ Bewährung gegenüber Akastos und Hippolyta, und in diesem Sinne ist τὸ μόρσιμον Διόθεν πεπρωμένον (61) angesichts von ἔκφερεν (61) konkret als die aufgrund der Frömmigkeit gewährte (die Form eines Siegpreises annehmende) Chance der Bewährung gegen Thetis aufzufassen.140 Die Siegesfeier ist also nicht nur die Feier des letzten Siegs des Peleus, sondern auch und vor allem Gesamtfeier aller drei erzählten mythischen Ringkampfsiege – und damit ist (im Spiegel der Entfaltung der mythischen Kämpfe) offenbar, daß man sich, nachdem man zu Hause mit den ersten Kämpfen begonnen hat (22–24), mit diesen Taten ‚westlich von Gadeira‘ befindet (69–72):141 Es gibt keine größere Tat mehr, die man vollbringen könnte; es handelt sich um den größtmöglichen Erfolg. Dabei demonstriert das Fest in konkreter Weise den Gedanken des Prooimions, daß Festesfreude der größte Lohn für die Mühen des Kampfes (die sich auch in Telamons und Peleus’ anderem Sieg gezeigt haben) ist – und es ist zugleich ein Beispiel dafür, wie Festesfreude ihr Werk vollbringt, nämlich durch Gaben und durch die Verkündigung einer glänzenden Zukunft (68). Damit liegt es nahe, κράτος ἐξέφαναν ἐς γενεάς οἱ (68)142 als konkrete Ausformung der im Prooimion an140 Während τὸ μόρσιμον Διόθεν πεπρωμένον (61) fraglos die Heirat mit Thetis bezeichnet, ist umstritten, was ἔκφερεν (61) bedeutet und wer Subjekt des Satzes ist (s. die Zusammenfassung bei Köhnken 1971 203–205): Prinzipiell könnte Chiron, Peleus oder τὸ μόρσιμον Subjekt sein, mit jeweils verschiedenen Bedeutungen von ἔκφερεν (vgl. allgemein LSJ s. v.): 1) Chiron sorgt für die Vollendung oder Ausführung des Schicksals (Dissen bei Boeckh 2, 2, 386, Dissen 2, 404, Bury 1890 75 f., Christ 1896 265, Farnell 2, 271, Nicholson 2001 51 f.); 2) Peleus trägt das Schicksal als Lohn davon oder erfüllt es (Mezger 1880 395, Willcock 1995 105, Henry 2005 41); 3) τὸ μόρσιμον geht in Erfüllung (Leutsch 1868/ 1869 5, Köhnken 1971 212) oder bringt Peleus ans Ziel (Williams 1976 204 f.; vgl. LSJ s. v. ἐκφέρω IV). Gegen 1) spricht das Fehlen früher Belege für diese Bedeutung (s. Köhnken 1971 204); kein zwingendes Argument wäre im übrigen, daß Chiron zuvor Subjekt ist, ohne daß der Subjektswechsel markiert wird, denn spätestens mit 62 ist Peleus unangezeigt Subjekt. Die anderen beiden Vorschläge sind möglich und verständlich, wenngleich das Verständnis mit Peleus als Subjekt eine besondere inhaltliche Pointe hat (vgl. zur Bedeutung Hom. Il. 23, 785, Od. 15, 469 f.); zudem ergibt sich eine enge inhaltliche Parallele von ἀρετάν … πεπρωμέναν (41–43) und τὸ μόρσιμον … πεπρωμένον (61), wenn man ἀρετά konkret als Erfolg faßt (vgl. LSJ s. v., s. Willcock 1995 18 f.; vgl. Köhnken 1971 208 f., Carey 1980a 150, Bulman 1992 70, Nicholson 2001 52). 141 Zur sequentiellen Entfaltung der geographischen Metapher s. Kurke (1991a) 50–53, insbesondere 51: „The frame of the myth is spatial; it begins with Herakles’ oikos and ends at Gades, the farthest limit of the hero’s wanderings“ – und schreitet noch darüber hinaus. 142 Als Herstellung des unmetrisch überlieferten ἐς γενεὰς αὐτῷ (68) ist ἐγγενὲς αὐτῷ oder ἐς γένος αὐτῷ akzeptiert (Farnell 2, 271, Köhnken 1971 205 Anm. 70), doch ist einerseits eine Änderung des poetischeren γενεά in das gewöhnlichere ἐγγενής bzw. γένος nicht wahrscheinlich (s. Young 1966 18, Williams 1976 206 f., vgl. LSJ s. vv.), und andererseits wäre

4.5. Nemee 4 als Epinikion

157

geführten εὐλογία im Rahmen des Festes aufzufassen, und dies befestigt die Parallelität beider Situationen weiter – so daß auch Nemee 4, das Siegeslied für Timasarchos, der göttlichen Verkündigung des immerwährenden Erfolgs der Familie des Aiakos metaphorisch parallel wird. Damit zeigt sich sowohl eine globale, zusammenfassende semantische Struktur der mythischen Passagen als auch ihre inhaltliche Konvergenz mit den poetologischen Passagen. So bleibt einzig als Frage offen, wie diese Passagen mit dem Rest des Liedes, der unmittelbar den Sieger Timasarchos zum Thema hat, in Verbindung stehen könnten. Dieser Rest beinhaltet freilich neben dem direkten Lob des Siegers, seines Sieges und seiner Familie sportmetaphorische Formulierungen, die indirekt zum Siegerlob beitragen, insbesondere die Passagen 9 f., 17–19 und 75 mit einer Dreiermetaphorik. In der ersten (9 f.) wird die Dreiergruppe Zeus, Nemea und Timasarchos’ Ringen angeführt, in der, entsprechend der Art der Metapher, Timasarchos’ Ringen eine besondere Hervorhebung erfährt und implizit als das Wichtigste in dieser Reihe erscheint. Gleiches gilt für die Aufzählung von Olympia, Isthmos und Nemea (75), in der ebenfalls Nemea – der Ort von Timasarchos’ Sieg – als der bedeutendste Ort angeführt wird.143 Schließlich werden mit Nemea, Athen und Theben (17–19) diejenigen Orte angeführt, aufgrund der Wortstellung ἐγγενὲς αὐτῷ im Sinne von „die ihm eingeborene Kraft“ zu verstehen (vgl. LSJ s. v. ἐγγενής), so daß die Götter Peleus zeigten, welche Kraft er selbst habe – doch hat er selbst sie gerade zuvor im Kampf gegen Thetis offenbart. Näher liegt, αὐτῷ als Glosse für οἱ oder ἱν aufzufassen und ἐς γενεάς οἱ bzw. ἱν zu lesen (Young 1966 18; Williams ähnlich, nur wie Boeckh 1, 522 mit γενεάν), denn dies erklärt die Textverderbnis besser und ist insofern sinnvoller, als die Götter Peleus nicht die eigene Kraft, sondern die seiner Nachkommen offenbarten. Zu γενεά s. insbesondere Slater s. v. (zum metonymischen Gebrauch des Abstraktums für das Konkretum s. KG § 346 2–5; vgl. z. B. P. 4, 136 oder γένεσις für den Erzeuger [z. B. Hom. Il. 14, 201]); ἐς bezeichnet hier entweder allgemein die Hinsicht (vgl. Slater s. v. 1 d sowie 2 d) oder speziell die zeitliche Erstreckung (im Sinne von ‚über die Generationen‘; vgl. KG § 432 1 2 b, Slater s. v. 1 e). 143 Der Olympiensieg wird nur hier und nur im Vorübergehen angeführt, während der Isthmiensieg der in der zehnten und elften Strophe ausführlich angeführte Sieg des Kallikles sein dürfte. Dieser Unterschied könnte darin begründet sein, daß ein Nemeensieg problemlos als bedeutender als ein Isthmiensieg dargestellt werden konnte, kaum jedoch als bedeutender als ein Olympiensieg. Eventuell könnte es sich beim Olympiensieg auch um Timasarchos’ eigenen Sieg gehandelt haben, der aber wegen der objektiv höheren Bedeutung hier übergangen wird; dann ergäbe sich eine enge Parallelität von Mythos und aktueller Situation, insofern Kallikles (wie Telamon) einen Sieg errungen hätte, Timasarchos hingegen (wie Peleus) zwei, wobei Timasarchos’ letzter Sieg Peleus’ letztem entspräche (passend zur Parallelität der Feierlichkeiten: s. u.). Einen Olympiensieg des Kallikles sieht Bury (1890) 65 f. 78; zum syntaktischen Bezug der drei Ortsangaben auf ἀεξιγυίων ἀέθλων (73) s. Henry (2005) 44. Das Partizip συνθέμενος (75) ist weniger als „covenant, agree to do“ (LSJ s. v. B II 3) denn als „put together for oneself, i.e. observe, give heed to“ (LSJ s. v. B I 1) aufzufassen, hier mehr oder weniger „sich vornehmen“ (vgl. P. 4, 277): Das Lob beruht nicht auf Vereinbarung, sondern auf Schuld (χρέος) (vgl. unten S. 309 Anm. 167).

158

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

an denen Timasarchos bisher siegen konnte, allerdings mit überraschender Nennung von Theben und nicht von Nemea, dem Ort des gerade gerühmten Sieges, an letzter Stelle.144 Dies ist aber nur scheinbar ein Problem, denn die Reihenfolge im Lied beruht auf dem Kontext der Stelle, insofern am Anfang der dritten Strophe ein Bezug zum Vater benötigt ist, der seinen (in Nemea) siegreichen Sohn lobt, am Ende der Strophe hingegen ein überleitender Gedanke (Theben) zu Herakles, der wiederum zu Telamons Siegen führt. Da jedoch chronologisch Timasarchos’ Nemeensieg der letzte ist, ist er auch in der tatsächlichen Reihenfolge der bedeutendste – abgesehen davon, daß auch sachlich ein Nemeensieg weit über den beiden anderen, lokalen Siegen stand.145 Damit weisen auch diese drei Passagen eine Verwendung von Sportmetaphorik auf, wobei die in der Dreiergruppe verbundenen Dinge das Attribut der Sieghaftigkeit erhalten – und dies sind die Erfolge der Theandridai, speziell des Timasarchos und speziell in Nemea, also gerade der in Nemee 4 gefeierte Sieg, der in der Metaphorik indirekt als bedeutendster Sieg einer an bedeutenden Siegen nicht armen Familie erscheint. Ebenso wichtig für die Aussage des gesamten Liedes ist, daß die unmittelbar dem Sieger gewidmeten Passagen und die poetologischen und mythischen Passagen eine inhaltliche Konvergenz aufweisen, insbesondere hergestellt durch das Ringen, das sowohl (der Sachlage entsprechend) in Hinsicht auf Timasarchos als auch in den anderen Passagen den konzeptuellen Hintergrund bildet. Diese Konvergenz bewirkt, daß die mythischen Passagen Timasarchos’ Ringen ästhetisch spiegeln und daß sich dabei insbesondere zeigt, welch großer Anforderungen sein Ringkampfsieg bedurfte – um nicht die Mühen zu vergessen, die jedoch das Fest und das Loblied in diesem Moment wegzuzaubern vermögen (1–8).146 Doch über diese Spiegelung hinaus erhält 144 Κλεωναίου (17) erklärt sich daher, daß Nemea im Herrschaftsbereich von Kleonai lag (Σ N. 4, 21c); dieser Nemeensieg ist der gerade errungene Sieg. Zur Konstruktion des Satzes s. Willcock (1995) 98, wobei πρός (gegen Krummen 1990 36 f. Anm. 6; s. auch insgesamt 35–40) am besten als „towards“ (LSJ s. v. C 3) aufzufassen ist. 145 Es handelt sich wohl um die Panathenäen in Athen und die Iolaeia / Herakleia in Theben (s. Σ N. 4, 21c und 32, Farnell 2, 265, Willcock 1995 97, zu letzteren auch Carey 1981 91; vgl. Σ O. 7, 153e, Σ I. 1, 79b und unten S. 300 f. Anm. 141; s. grundlegend und insbesondere zur Identität der Feste Schachter 1986 25–30. 64 f.; s. auch Krummen 1990 75–79). Zur Reihenfolge in Siegeskatalogen s. Race (1990) 20 Anm. 21: „In general, victory catalogues begin with the most important victories (usually the occasion for the ode) and do not build to a climax“ (vgl. die Übersicht bei Gerber 2002 71–78). 146 In dieser Hinsicht erkennen Köhnken (1971) 196–198. 212 f. und Carnes (1999) 9 eine Relevanz der Mythen für den Sieger; hinsichtlich des Telamon-Mythos ist dies mehr oder weniger die communis opinio (vgl. Σ N. 4, 50b; s. auch Carey 1980a 150 f. 162). Eines der Ziele ist die Darstellung der allgemein mit jedem Kampf verbundenen πόνοι, was wiederum indirekt speziell Timasarchos’ Kampf als mühevoll ausweist. Nicht gesagt ist jedoch, daß er tatsächlich in hohem Maße mühevoll war oder es für Telamon anfangs nicht gut stand (Σ N. 4, 50b, Fraccaroli 1893 325, Farnell 2, 266, Willcock 1995 99).

4.5. Nemee 4 als Epinikion

159

Timasarchos durch die metaphorische Parallelität zu Telamon und Peleus ein gewaltiges Lob. Ähnliches gilt für Melesias, der in metaphorischer Parallelität sowohl zu den mythischen Trainern Herakles und Chiron als auch zum Lobenden selbst steht, die allesamt ihre Schüler (Telamon, Peleus, das Lob) zum fulminanten Sieg brachten bzw. bringen: Melesias ist als Trainer vollkommenes Vorbild für jeden (auch metaphorisch verstandenen) Ringer und gleicht Chiron und Herakles. Die metaphorische Parallelisierung von Lob und Ringen und insbesondere von Lobendem und Melesias bzw. Lob und Timasarchos impliziert, daß das (in Form von Nemee 4 ausgesprochene) Lob ebenso erfolgreich wie Timasarchos sein wird – und dieser Erfolg des Lobes garantiert im Gegenzug den Besungenen immerwährenden Ruhm, den sie sich freilich, insofern ihr Ringen metaphorisch Vorbild des Lobens ist, durch ihre Vortrefflichkeit letztlich selbst verschaffen. Genau deshalb werden in Nemee 4 poetologische Überlegungen angestellt – und nicht wegen eines Kampfes mit Dichterrivalen oder als „complicated explanation and moralising“.147 Vielmehr sind die poetologischen Passagen für das Siegerlob zentral, denn sie verheißen immerwährenden Ruhm und sprechen den Geehrten indirekt Lob aus. Die Verkündigung dieses Lobs wird ebenfalls in den mythischen Passagen gespiegelt, denn sie ist Peleus’ Hochzeitsfeier metaphorisch parallel. Dies zeigen die Bezüge zwischen der Beschreibung dieser Feier und anderen Stellen des Liedes: So ist sie mit dem Prooimion verbunden, das die positive Wirkung einer jeden Siegesfeier thematisiert (s. o. Kap. 4.3.3) und ebenso mit dem Liedschluß (ἕδραν … ἐφεζόμενοι [66 f.] ≈ ἔφεδρος [96] – was die Verwendung dieses spezielleren Wortes anstatt von etwa παλαιστής erklärt).148 Ferner wird das im Rahmen des Götterfestes verwendete Wort βασιλῆες (67) durch βασιλεῦσιν (84) aufgegriffen: Während Peleus durch die Aufnahme in die Götterrunde den Königen des Himmels (67) gleichgestellt wird, vermögen ähnliches die Lieder, die die Besungenen solchen Königen angleichen (82– 85); sie werden ihnen nicht nur „equal in fortune or happiness“, sondern sie werden „godlike“ (84: ἰσοδαίμονα)149 – wie jetzt Timasarchos (und Melesias). Bestätigt wird diese Deutung des jetzigen Festes durch seine strukturelle Position, denn es befindet sich an der gleichen Stelle wie Timasarchos’ Sieg, 147 So Willcock (1995) 93 (vgl. auch 100). 148 Zum Bezug selbst s. schon Bury (1890) 233 f. 149 Vgl. LSJ s. v., wo für die erste Bedeutung nur diese Stelle angeführt ist; für die zweite Bedeutung vgl. Aischyl. Pers. 634, Ariphron fr. 813, 4 PMG; „god“ (bzw. „heaven, gods“) ist auch die weitaus häufigere Bedeutung für das Wort δαίμων selbst (s. Slater s. v.; vgl. Barrett 1964 371, West 1978 182, aber auch Fraenkel 1962 3, 632 f.). Zugleich ist ein Bezug auf die Könige im Katalog der Gedichtmitte gegeben (Mezger 1880 397 f.), so daß auch diese als „godlike“ gelten sollen. Vgl. Currie (2005) 151 f. Durch die wörtlichen Anklänge (vgl. 4–8 mit 44–46) ist der Katalog selbst „ein Beispiel für eine uneingeschränkte εὐλογία φόρμιγγι συνάορος“ (Köhnken 1971 213), und dies erhöht seine poetische Relevanz weiter.

160

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

nämlich nach einem in zweierlei Hinsicht dritten Sieg: Während Timasarchos’ Sieg sein eigener dritter (17–24) und zugleich der dritte panhellenische der Gesamtfamilie ist (75), ist Peleus’ letzter Sieg gegen Thetis’ Zähne (63 f.) sein dritter Einzelsieg gegen Thetis und zugleich der dritte der Familie der Aiakiden – und damit ist der Erfolg des Siegers selbst wie auch seiner Familie vollkommen (vgl. oben S. 157 Anm. 143). Timasarchos’ jetziger Sieg wird wie Peleus’ letzter Sieg zum Garanten des zukünftigen Glücks der Familie, und so hat man sicherlich allen Grund zum Feiern.150 Diese Feier wird in der Spiegelung in Peleus’ Hochzeitsfest zugleich zu einem Fest, das herrlicher nicht sein könnte – und das den Beginn einer herrlichen Zukunft der Theandriden bezeichnet, den der Lobende (wie die Götter gegenüber Peleus) mit seinem Lied im Moment der Feier selbst prophezeit. So scheint das Fest, auf dem Loblieder gesungen werden, in der Tat mehr als alles andere bewirken zu können, wenn Mühen überstanden sind. Die Verbindung der Liedteile untereinander impliziert, daß Timasarchos’ Sieg gleichberechtigt mit Telamons und Peleus’ Erfolgen ist, denn er wird auf diese zurückgeführt und erscheint als deren würdiger Nachfolger: Wie gesehen haben die beiden Aiakiden durch ihre Ringkampfsiege für den ewigen Erfolg ihrer Familie gesorgt, der im Katalog der Herrschaftsgebiete vor Augen geführt wird. An diesem Katalog ist besonders seine Verbindung mit dem Telamon-Mythos bemerkenswert, denn die erste Hälfte der Herrschaftsbereiche gehört zu Telamons Familienteil (s. o. S. 153): Während Teukros, der Herrscher über Kypros, als Τελαμωνιάδας (47) bezeichnet wird, besitzt Aias das väterliche Salamis (48: Σαλαμῖν’ ἔχει πατρῴαν).151 Die Integration von Aigina und die enge sprachliche Verbindung mit Kypros (46: Οἰνώνᾳ τε καὶ Κύπρῳ) deutet dann aber darauf hin, daß auch diese Insel zum Herrschaftsgebiet von Aiakos’ Familie gehört, auch wenn der Name des Herrschers fehlt. Insofern also das gerade gesungene Lied mit Timasarchos’ Sieg den (‚westlich von Gadeira gelegenen‘) Sieg eines Aiakiden verherrlicht (vorbereitet auch durch die Bezeichnung von Aigina als Αἰακιδᾶν ἠύπυργον ἕδος [11 f.]; vgl. δέ in 73, bezogen auf τὸν ἅπαντα [72]),152 wird verständlich, warum es auf Kypros beliebt ist (45 f.: πεφιλημένον … Κύπρῳ). Aiginas jetziger Segen wird damit (der Verheißung während der Hochzeitsfeier entsprechend) auf Peleus’ und Telamons Erfolge zurückgeführt, aber ebenso auf Timasarchos’ Erfolg, den gerechten Lohn früheren (Ringkampf-) Erfolgs.153 150 Insofern gehören alle drei mythischen Kämpfe zusammen; nicht nur der Telamonmythos besitzt eine besondere Relevanz für Timasarchos (so Carey 1980a 146–151). 151 S. Köhnken (1971) 198; vgl. 212: „Aus dem […] Katalog von Einflußbereichen […] geht hervor, wie sehr sich der Ruhm der Aiakiden aus Aigina in der Welt durchgesetzt hat.“ 152 Vgl. Carnes (1986) 92 (auch 91–95). Zu καί (44) s. Slater s. v. C 3, Willcock (1995) 102. 153 Dies klingt schon in Αἰγίνας ἕκατι an (22: „mit Aiginas Beistand“; zur Bedeutung s. Maehler 1973 381; anders Henry 2005 33; vgl. Σ N. 4, 30. 36a). Daß die Nennung The-

4.5. Nemee 4 als Epinikion

161

Doch hat der jetzige Sieg nicht nur im Erfolg der Vorfahren seine Rechtfertigung, sondern auch in der besonderen Frömmigkeit der Insel und ihrer Bewohner, die sich in ihrer (Gast-) Freundschaft zeigt, die das gesamte Lied motivisch durchzieht (auch verallgemeinert als Reziprozitätsprinzip),154 sowohl die mythischen als auch die poetologischen Passagen als auch diejenigen Passagen, die dem Sieger und seiner Familie gewidmet sind: So wird Aigina explizit als δίκᾳ ξεναρκέι κοινὸν φέγγος (12 f.) charakterisiert,155 und von ebensolcher Gastfreundschaft ist auch das Verhältnis zu Theben geprägt, demonstriert an ihrem Verhalten gegenüber Timasarchos (22 f.: φίλοισι […] φίλος ἐλθὼν ξένιον ἄστυ). Diese Gastfreundschaft wird erzählerisch auf Herakles’ und Telamons Freundschaft zurückgeführt, wobei der in diesem Zusammenhang erzählte Mythos selbst (auch) als Beispiel für das Prinzip der Reziprozität (das der Freundschaft unterliegt) verstanden werden darf, jedenfalls angesichts der Deutung des Mythos durch den Lobenden selbst (31 f.).156 Ähnlich liegt der Gedanke der Freundschaft und der Reziprozität auch dem Peleus-Mythos zugrunde, insofern Peleus die Gebote der Gastfreundschaft wahrt, die Akastos verletzt, und die Reziprozität auch im Kampf aktiv umzusetzen versteht, da er die Angriffe auf ihn zum eigenen Sieg nutzen kann – und schließlich auch insofern, als das Hochzeitsfest selbst eine reziproke Belohnung für Peleus’ Frömmigkeit und Tüchtigkeit darstellt. Schließlich haben Freundschaft und Reziprozität auch in den poetologischen Passagen eine Funktion, sowohl positiv im Verhältnis von Trainer (Lobender) und Schüler (Lob) sowie vom Guten zum Schlechten (95 f.) als auch negativ im Verhalten der Mißgünstigen gegenüber den Erfolgreichen – aber bedeutender darin, daß der Lobende sich selbst als κάρυξ ἑτοῖμος (74) bezeichnet (entsprechend Euphanes’ Beschreibung als ἐθέλων [89]): Dies offenbart die Reziprozität des Lobpreisens (man beachte die Bedeutung der Chariten [s. o. Kap. 4.3.3; vgl. insbesondere das Prooimion]). Sie zeigt sich nicht nur im Verhalten des Lobenden gegenüber dem Gelobten, sondern auch im parallelen Verhalten von Timokritos, Timasarchos’ Vater, und Euphanes, die ebenfalls loben.157 In diesem Sinne ruht die metaphorische Parallelisierung

154

155 156 157

bens keine politischen Implikationen hat, zeigen Youngs (1979) 139 Anm. 18 Anmerkungen zu B. 9, 53–55 und I. 8, 16–18. Die Partikel γάρ im nächsten Satz (22) bezieht sich nicht auf Αἰγίνας ἕκατι (22), sondern auf οὐκ ἀέκοντες (21) (Maehler 1973 382). Zur (Gast-) Freundschaft s. Konstan (1997), zur Reziprozität Gill, Postlethwaite, Seaford (1998), zum Zusammenhang beider Konzepte Konstan (1998). Die Bedeutung der (Gast-) Freundschaft für N. 4 betonen Köhnken (1971) 196–198, Bulman (1992) 56–76. Sie erklärt sich anscheinend damit, daß sich die Aigineten selbst diese Eigenschaft zugute hielten: vgl. O. 8, 25–27 (s. o. Kap. 3.4.1), N. 3, 1–3, N. 5, 8 und s. Hornblower (2007). Zum Dativ s. Farnell 2, 264, Williams (1976) 175 f., insgesamt Bremer (1976) 240. Zu 31 f. als Formulierung des Reziprozitätsprinzips vgl. Bury (1890) 71, ebenso Aischyl. Ag. 1563 f., Choeph. 306–314 (s. Garvie 1986 125–129). Zu κελάδησε (16) ist ein Akkusativ der Sache (16: ὕμνον) und ein Akkusativ der Person ge-

162

4. Nemee 4: Ringerlob im Lobesringen

von Ringen und Loben auf dem Fundament des in beiden Tätigkeiten grundlegenden Prinzips der Reziprozität, und die von den Ringern und Lobenden gezeigte Reziprozität weist diese Menschen als ebenso fromm wie Herakles und Telamon aus und macht insbesondere Aigina, Timasarchos’ (und wohl auch Melesias’: s. o. S. 114 f.) Heimat, zum δίκᾳ ξεναρκέι κοινὸν φέγγος (12 f.). Insgesamt ist Nemee 4 keineswegs eine disparate Ansammlung verschiedenster Gedanken, sondern ein kunstvoll durchkomponiertes Lied, das seinen Zweck, das Siegerlob, fulminant erfüllt: Timasarchos’ Sieg erscheint nicht nur als hervorragend, sondern als Sieg, der sich mit den großartigsten Siegen der Vergangenheit messen lassen kann und der würdig ist, wie die Hochzeit von Peleus und Thetis begangen zu werden. Das Lied offenbart den Erfolg der Aiakiden in Vergangenheit (Peleus und Telamon), Gegenwart (insbesondere Timasarchos) und Zukunft – jedenfalls impliziert dies die Parallele des Festes. Timasarchos’ Sieg wird damit zur Fortführung früherer Heldentaten und zum Fundament zukünftiger. Der Sieger erhält damit ein Lob, das ihn königs- und göttergleich macht. Poetisches Mittel zur Erzeugung dieses Lobs ist eine kunstvolle Metaphorik des Ringens, die die verschiedenen Aussageebenen des Liedes eng miteinander verknüpft, insbesondere durch eine Spiegelung der aktuellen Situation im Mythos – allerdings mit etwas anders geartetem Ergebnis als in Olympie 8, in der Alkimedons Sieg weniger Parallele zu früheren Siegen als deren Vollendung ist. Zugleich zeigt die Metaphorik des Ringens im Rahmen poetologischer Reflexionen, daß das Siegerlob keine Bedrohung fürchten muß, sondern dem Sieger ewigen Ruhm verschafft – denn es wird nach Melesias’ Vorbild trainiert und kämpft wie Timasarchos. So werden beide ewig dafür bekannt sein, im scheinenden Licht als Sieger zu wandeln.

hörig (16: καλλίνικον: vgl. O. 9, 2, P. 1, 32, P. 11, 46; s. Williams 1976 178–180; vgl. allgemein KG § 411 3 b, speziell P. 9, 1–4 [s. u. S. 269 Anm. 12]); damit erübrigt sich eine Änderung von ὕμνον in υἱόν (Bergk; auch Bury 1890 70, Fraccaroli 1893 315 Anm. 1, Farnell 2, 264 f., Willcock 1995 96, Henry 2005 32) oder von πέμψαντα (18) in πέμψαντος (Mezger 1880 393) oder πέμψαντι (Christ 1896 261) und ebenso die Neu-Interpretation des Textes als ὕμνων (Young 1966 16 f.; vgl. unten vgl. S. 228 Anm. 203). So ergibt sich auch der inhaltlich geforderte Bezug von νιν (21) auf den Sieger (zu diesem Einwand s. insbesondere Köhnken 1971 215 Anm. 104, Willcock 1995 96). Zu κλιθείς (15) als Verweis auf das Symposion im kleinen Kreis vgl. sachlich Aristoph. Nub. 1354–1358 (vgl. Farnell 2, 264, Williams 1976 176–178, Neumann-Hartmann 2009 142 f.); es ist daher anders als bei Snell – Maehler, nämlich ohne Kommata zu interpungieren (und τῷδε μέλει [15] auf κελάδησε [16] zu beziehen). Mit τε (19) wird der οὕνεκα-Satz (19–22) mit dem Partizip πέμψαντα (18) parallelisiert (s. Farnell 2, 265, Henry 2005 32).

5Pythie 4: Die Politik des Epinikions 5.1Text und Übersetzung Aʹ

5

10

15

20

Bʹ 25

Σάμερον μὲν χρή σε παρ’ ἀνδρὶ φίλῳ στᾶμεν, εὐίππου βασιλῆι Κυράνας, ὄφρα κωμάζοντι σὺν Ἀρκεσίλᾳ, Μοῖσα, Λατοίδαισιν ὀφειλόμενον Πυθῶνί τ’ αὔξῃς οὖρον ὕμνων, ἔνθα ποτὲ χρυσέων Διὸς αἰετῶν πάρεδρος οὐκ ἀποδάμου Ἀπόλλωνος τυχόντος ἱέρεα χρῆσεν οἰκιστῆρα Βάττον καρποφόρου Λιβύας, ἱεράν νᾶσον ὡς ἤδη λιπὼν κτίσσειεν εὐάρματον πόλιν ἐν ἀργεννόεντι μαστῷ καὶ τὸ Μηδείας ἔπος ἀγκομίσαι ἑβδόμᾳ καὶ σὺν δεκάτᾳ γενεᾷ Θήραιον, Αἰήτα τό ποτε ζαμενής παῖς ἀπέπνευσ’ ἀθανάτου στόματος, δέσποινα Κόλχων· „εἶπε δ’ οὕτως ἡμιθέοισιν Ἰάσονος αἰχματᾶο ναύταις· ‚Κέκλυτε, παῖδες ὑπερθύμων τε φωτῶν καὶ θεῶν· φαμὶ γὰρ τᾶσδ’ ἐξ ἁλιπλάκτου ποτὲ γᾶς Ἐπάφοιο κόραν ἀστέων ῥίζαν φυτεύσεσθαι μελησιμβρότων Διὸς ἐν Ἄμμωνος θεμέθλοις. ἀντὶ δελφίνων δ’ ἐλαχυπτερύγων ἵππους ἀμείψαντες θοάς, ἁνία τ’ ἀντ’ ἐρετμῶν δίφρους τε νωμάσοισιν ἀελλόποδας. κεῖνος ὄρνις ἐκτελευτάσει μεγαλᾶν πολίων ματρόπολιν Θήραν γενέσθαι, τόν ποτε Τριτωνίδος ἐν προχοαῖς λίμνας θεῷ ἀνέρι εἰδομένῳ γαῖαν διδόντι ξείνια πρῴραθεν Εὔφαμος καταβαίς δέξατ’ – αἰσίαν δ’ ἐπί οἱ Κρονίων Ζεὺς πατὴρ ἔκλαγξε βροντάν –, ἁνίκ’ ἄγκυραν ποτὶ χαλκόγενυν ναῒ κριμνάντων ἐπέτοσσε, θοᾶς Ἀργοῦς χαλινόν· δώδεκα δὲ πρότερον

5.1. Text und Übersetzung



5

10

15

20

Bʹ 25

Heute mußt du neben dem befreundeten Mann stehen, dem König des pferdeberühmten Kyrene, damit du zusammen mit dem im Festzug feiernden Arkesilaos, Muse, den Hymnenwind stärkst, geschuldet den Lato-Kindern und Pytho, wo einst die Beisitzerin der goldenen Adler des Zeus, ohne daß Apollo gerade fern des Landes war, die Priesterin, in einer Weissagung Battos als Kolonisten des fruchttragenden Libyen verkündete, damit er, der die heilige Insel schon verlassen hatte, gründe die schönwagige Stadt auf der leuchtenden Brust und das Wort der Medea zurückbringe im siebzehnten Geschlecht, das theraiische Wort, das einst des Aietes mächtiges Kind fortgeblasen hat aus unsterblichem Mund, die Herrin der Kolcher: „So sprach sie zu den Halbgöttern, des Kriegers Iason Seeleuten: ‚Hört, Kinder hochgesinnter Männer und Götter! Ich erkläre nämlich, daß von dieser meergeschlagenen Erde hier aus irgendwann einmal des Epaphos Tochter, der Städte Wurzel, den Menschen zur Sorge, gepflanzt werden wird auf des Zeus Ammon Fundamenten. Kurzflügelige Delphine für schnelle Pferde eintauschend und für Zügel Ruder und für windfüßige Wagenkästen werden sie sie lenken. Jenes Zeichen wird es vollenden, daß großer Städte Mutterstadt Thera wird, jenes Zeichen, das einst in den Fluten des Tritonischen Sees vom Gott, einem Manne gleichend, der Erde gab als Gastgeschenk, Euphamos, vom Bug abgestiegen, entgegennahm – günstig ließ für ihn der Kronossohn Zeus, der Vater, Donner erschallen –, als er uns, die wir den Bronzekieferanker an das Schiff hingen, begegnete, der schnellen Argo Gebißstück. Zwölf Tage lang

165

166

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

30

35

40

45

Γʹ

50

55

ἁμέρας ἐξ Ὠκεανοῦ φέρομεν νώτων ὕπερ γαίας ἐρήμων ἐννάλιον δόρυ, μήδεσιν ἀνσπάσσαντες ἁμοῖς. τουτάκι δ’ οἰοπόλος δαίμων ἐπῆλθεν, φαιδίμαν ἀνδρὸς αἰδοίου πρόσοψιν θηκάμενος· φιλίων δ’ ἐπέων ἄρχετο, ξείνοις ἅ τ’ ἐλθόντεσσιν εὐεργέται δεῖπν’ ἐπαγγέλλοντι πρῶτον. ἀλλὰ γὰρ νόστου πρόφασις γλυκεροῦ κώλυεν μεῖναι. φάτο δ’ Εὐρύπυλος Γαιαόχου παῖς ἀφθίτου Ἐννοσίδα ἔμμεναι· γίνωσκε δ’ ἐπειγομένους· ἂν δ’ εὐθὺς ἁρπάξαις ἀρούρας δεξιτερᾷ προτυχὸν ξένιον μάστευσε δοῦναι, οὐδ’ ἀπίθησέ ἱν, ἀλλ’ ἥρως ἐπ’ ἀκταῖσιν θορών, χειρί οἱ χεῖρ’ ἀντερείσαις δέξατο βώλακα δαιμονίαν. πεύθομαι δ’ αὐτὰν κατακλυσθεῖσαν ἐκ δούρατος ἐναλίαν βᾶμεν σὺν ἅλμᾳ ἑσπέρας ὑγρῷ πελάγει σπομέναν. ἦ μάν νιν ὤτρυνον θαμά λυσιπόνοις θεραπόντεσσιν φυλάξαι· τῶν δ’ ἐλάθοντο φρένες καί νυν ἐν τᾷδ’ ἄφθιτον νάσῳ κέχυται Λιβύας εὐρυχόρου σπέρμα πρὶν ὥρας. εἰ γὰρ οἴκοι νιν βάλε πὰρ χθόνιον Ἀίδα στόμα, Ταίναρον εἰς ἱερὰν Εὔφαμος ἐλθών, υἱὸς ἱππάρχου Ποσειδάωνος ἄναξ, τόν ποτ’ Εὐρώπα Τιτυοῦ θυγάτηρ τίκτε Καφισοῦ παρ’ ὄχθαις, τετράτων παίδων κ’ ἐπιγεινομένων αἷμά οἱ κείναν λάβε σὺν Δαναοῖς εὐρεῖαν ἄπειρον. τότε γὰρ μεγάλας ἐξανίστανται Λακεδαίμονος Ἀργείου τε κόλπου καὶ Μυκηνᾶν. νῦν γε μὲν ἀλλοδαπᾶν κριτὸν εὑρήσει γυναικῶν ἐν λέχεσιν γένος, οἵ κεν τάνδε σὺν τιμᾷ θεῶν νᾶσον ἐλθόντες τέκωνται φῶτα κελαινεφέων πεδίων δεσπόταν, τὸν μὲν πολυχρύσῳ ποτ’ ἐν δώματι Φοῖβος ἀμνάσει θέμισσιν Πύθιον ναὸν καταβάντα χρόνῳ ὑστέρῳ νάεσσι πολεῖς ἀγαγὲν Νείλοιο πρὸς πῖον τέμενος Κρονίδα.‘ ἦ ῥα Μηδείας ἐπέων στίχες. ἔπταξαν δ’ ἀκίνητοι σιωπᾷ ἥροες ἀντίθεοι πυκινὰν μῆτιν κλύοντες.“ ὦ μάκαρ υἱὲ Πολυμνάστου, σὲ δ’ ἐν τούτῳ λόγῳ

5.1. Text und Übersetzung

30

35

40

45

Γʹ

50

55

hatten wir zuvor aus dem Okeanos über die leeren Rücken der Erde hinweg die Meeresplanke getragen, die wir auf meine Überlegungen hin an Land gezogen hatten. Da kam alleinwandelnd die Gottheit heran, den glänzenden Anblick eines ehrwürdigen Mannes angenommen habend. Mit lieben Worten begann er, mit welchen fremden Ankömmlingen Wohltäter sogleich ein Essen ankündigen. Aber als Grund hinderte ja das süße Erreichen des Ziels daran zu bleiben. Er erklärte, Eurypylos, des Gaiaochos Sohn, des unvergänglichen Ennosidas, zu sein, und er erkannte, daß wir in Eile waren. Auf nahm er sogleich Erde mit der Rechten und suchte danach, dies als das erstbeste Gastgeschenk zu geben, und nicht gehorchte er ihm nicht, sondern der Heros, ans Ufer gesprungen, in dessen Hand seine eigene Hand gepreßt, nahm den göttlichen Klumpen entgegen. Ich habe herausgefunden, daß er, hinabgespült von der Planke ins Meer ging, mit der Flut des Abends dem nassen Meer folgend. Gewiß hatte ich oft die mühenlösenden Diener angetrieben, ihn zu bewachen. Ihre Sinne jedoch vergaßen dies, und jetzt liegt bei dieser Insel hier hingeschüttet des weitplätzigen Libyens unvergänglicher Same vor der Zeit. Denn wenn er ihn zu Hause am Erdenmund des Hades hingeworfen hätte, zum heiligen Tainaros gekommen, Euphamos, Sohn des Pferdeherrschers Poseidon, der Herr, den einst Europa, des Tityos Tochter, geboren hatte an des Kaphisos Ufern, dann hätte unter den vierten nachgeborenen Kindern sein Blut jenes weite Festland zusammen mit den Danaern ergriffen. Denn dann erheben sie sich aus dem großen Lakedaimon und dem argivischen Schoß und Mykene. Jetzt freilich wird er in den Betten fremdländischer Frauen ein erlesenes Geschlecht finden, das mit der Ehrung der Götter, zu dieser Insel hier gekommen, einen Mann gebiert, der schwarzwolkigen Ebenen Herrn, den dereinst in goldreichem Haus Phoibos in Orakeln dazu auffordern wird, wenn er in den pythischen Tempel zu späterer Zeit hinabgestiegen ist, mit Schiffen viele zum fetten heiligen Bezirk des Kronossohnes am Nil zu führen.‘ So also der Medea Wortreihen, und es kauerten ohne Bewegung in Schweigen die gottgleichen Heroen beim Vernehmen ihren klugen Sinns.“ Glückseliger Sohn des Polymnastos, dich hat in dieser Rede

167

168

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions 60 χρησμὸς ὤρθωσεν μελίσσας

65

Δʹ

70

75

80

85

90

Δελφίδος αὐτομάτῳ κελάδῳ, ἅ σε χαίρειν ἐστρὶς αὐδάσαισα πεπρωμένον βασιλέ’ ἄμφανεν Κυράνᾳ, δυσθρόου φωνᾶς ἀνακρινόμενον ποινὰ τίς ἔσται πρὸς θεῶν. ἦ μάλα δὴ μετὰ καὶ νῦν, ὥτε φοινικανθέμου ἦρος ἀκμᾷ, παισὶ τούτοις ὄγδοον θάλλει μέρος Ἀρκεσίλας, τῷ μὲν Ἀπόλλων ἅ τε Πυθὼ κῦδος ἐξ ἀμφικτιόνων ἔπορεν ἱπποδρομίας. ἀπὸ δ’ αὐτὸν ἐγὼ Μοίσαισι δώσω καὶ τὸ πάγχρυσον νάκος κριοῦ· μετὰ γάρ κεῖνο πλευσάντων Μινυᾶν θεόπομποί σφισιν τιμαὶ φύτευθεν. τίς γὰρ ἀρχὰ δέξατο ναυτιλίας, τίς δὲ κίνδυνος κρατεροῖς ἀδάμαντος δῆσεν ἅλοις; θέσφατον ἦν Πελίαν ἐξ ἀγαυῶν Αἰολιδᾶν θανέμεν χείρεσσιν ἢ βουλαῖς ἀκνάμπτοις. ἦλθε δέ οἱ κρυόεν πυκινῷ μάντευμα θυμῷ, πὰρ μέσον ὀμφαλὸν εὐδένδροιο ῥηθὲν ματέρος τὸν μονοκρήπιδα πάντως ἐν φυλακᾷ σχεθέμεν μεγάλᾳ, εὖτ’ ἂν αἰπεινῶν ἀπὸ σταθμῶν ἐς εὐδείελον χθόνα μόλῃ κλειτᾶς Ἰαολκοῦ, ξεῖνος αἴτ’ ὦν ἀστός. ὁ δ’ ἦρα χρόνῳ ἵκετ’ αἰχμαῖσιν διδύμαισιν ἀνὴρ ἔκπαγλος· ἐσθὰς δ’ ἀμφοτέρα νιν ἔχεν, ἅ τε Μαγνήτων ἐπιχώριος ἁρμόζοισα θαητοῖσι γυίοις, ἀμφὶ δὲ παρδαλέᾳ στέγετο φρίσσοντας ὄμβρους· οὐδὲ κομᾶν πλόκαμοι κερθέντες ᾤχοντ’ ἀγλαοί, ἀλλ’ ἅπαν νῶτον καταίθυσσον. τάχα δ’ εὐθὺς ἰὼν σφετέρας ἐστάθη γνώμας ἀταρβάκτοιο πειρώμενος ἐν ἀγορᾷ πλήθοντος ὄχλου. τὸν μὲν οὐ γίνωσκον· ὀπιζομένων δ’ ἔμπας τις εἶπεν καὶ τόδε· „Οὔ τί που οὗτος Ἀπόλλων, οὐδὲ μὰν χαλκάρματός ἐστι πόσις Ἀφροδίτας· ἐν δὲ Νάξῳ φαντὶ θανεῖν λιπαρᾷ Ἰφιμεδείας παῖδας, Ὦτον καὶ σέ, τολμάεις Ἐπιάλτα ἄναξ. καὶ μὰν Τιτυὸν βέλος Ἀρτέμιδος θήρευσε κραιπνόν ἐξ ἀνικάτου φαρέτρας ὀρνύμενον, ὄφρα τις τᾶν ἐν δυνατῷ φιλοτάτων ἐπιψαύειν ἔραται.“

5.1. Text und Übersetzung

169

60 das Orakel der delphischen Biene

65

Δʹ

70

75

80

85

90

aufgerichtet mit von selbst kommendem Laut, die dich dreimal willkommen hieß und als den vorherbestimmten König für Kyrene aufzeigte, als du fragtest, welche Wiedergutmachung für die übelklingende Stimme es geben werde von den Göttern. Gewiß danach und auch jetzt, wie in der Blüte des rotblumigen Frühlings, sprießt diesen Kindern als achter Teil Arkesilaos, dem Apollon und Pytho Prestige verliehen haben aus dem Pferderennen der Amphiktyonen. Ihn will ich den Musen übergeben und auch das allgoldene Vlies des Widders. Denn als um dessentwillen die Minyer fortsegelten, wurden gottgesandte Ehren ihnen gepflanzt. Welcher Anfang also empfing sie der Schiffahrt, und welche Gefahr band sie mit starken Nägeln aus Adamant? Vorherbestimmt war, daß Pelias durch ehrenvolle Aioliden sterbe, durch deren Hände oder deren unbiegsame Ratschlüsse. Und es kam zu ihm, seinem gescheiten Sinn, ein schaudern machendes Orakel, gesprochen am Nabel, in der Mitte der baumreichen Mutter, daß er vor dem Einschuhigen unter allen Umständen sehr auf der Hut sein solle, wann immer er von den hohen Quartieren ins klar gesehene Land des berühmten Iolkos kommt, sei er nun ein Fremder oder ein Bürger. Der kam freilich im Laufe der Zeit mit Doppelspeeren, ein ehrfurchtgebietender Mann. Kleidung zweierlei Art hielt ihn, sowohl die einheimische der Magneten war an seine wundervollen Glieder gefügt, und mit einem Leopardenfell war er gegen die schaudernden Unwetter geschützt. Auch der Haare glänzende Locken waren nicht geschoren und fort, sondern den ganzen Rücken flossen sie herab. Und schnell stellte er sich mit geradem Schritt, seine furchtlose Einstellung auf die Probe stellend, auf den Marktplatz, als die Menge ihn füllte. Zwar erkannten sie ihn nicht, aber dennoch waren sie voller Ehrfurcht, und einer sagte sogar das folgende: „Es ist doch wohl dieser Mann nicht etwa Apollon und bestimmt wohl auch nicht der Gatte der Aphrodite mit seinem Bronzewagen? Auf Naxos, sagt man, dem fruchtbaren, seien gestorben der Iphimedeia Kinder, Otos und du, verwegener Epialtas, Herr. Und gewiß hat den Tityos der schnelle Pfeil der Artemis erjagt, aus dem unbesiegbaren Köcher geschnellt, damit man die möglichen Lieben zu berühren begehrt.“

170

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Εʹ 95

100

105

110

115



120

125

τοὶ μὲν ἀλλάλοισιν ἀμειβόμενοι γάρυον τοιαῦτ’· ἀνὰ δ’ ἡμιόνοις ξεστᾷ τ’ ἀπήνᾳ προτροπάδαν Πελίας ἵκετο σπεύδων· τάφε δ’ αὐτίκα παπτάναις ἀρίγνωτον πέδιλον δεξιτερῷ μόνον ἀμφὶ ποδί. κλέπτων δὲ θυμῷ δεῖμα προσήνεπε· „Ποίαν γαῖαν, ὦ ξεῖν’, εὔχεαι πατρίδ’ ἔμμεν; καὶ τίς ἀνθρώπων σε χαμαιγενέων πολιᾶς ἐξανῆκεν γαστρός; ἐχθίστοισι μὴ ψεύδεσιν καταμιάναις εἰπὲ γένναν.“ τὸν δὲ θαρσήσαις ἀγανοῖσι λόγοις ὧδ’ ἀμείφθη· „Φαμὶ διδασκαλίαν Χίρωνος οἴσειν. ἀντρόθε γὰρ νέομαι πὰρ Χαρικλοῦς καὶ Φιλύρας, ἵνα Κενταύρου με κοῦραι θρέψαν ἁγναί. εἴκοσι δ’ ἐκτελέσαις ἐνιαυτοὺς οὔτε ἔργον οὔτ’ ἔπος ἐκτράπελον κείνοισιν εἰπὼν ἱκόμαν οἴκαδ’, ἀρχαίαν κομίζων πατρὸς ἐμοῦ, βασιλευομέναν οὐ κατ’ αἶσαν, τάν ποτε Ζεὺς ὤπασεν λαγέτᾳ Αἰόλῳ καὶ παισὶ τιμάν. πεύθομαι γάρ νιν Πελίαν ἄθεμιν λευκαῖς πιθήσαντα φρασίν ἁμετέρων ἀποσυλᾶσαι βιαίως ἀρχεδικᾶν τοκέων, τοί μ’, ἐπεὶ πάμπρωτον εἶδον φέγγος, ὑπερφιάλου ἁγεμόνος δείσαντες ὕβριν κᾶδος ὡσείτε φθιμένου δνοφερόν ἐν δώμασι θηκάμενοι μίγα κωκυτῷ γυναικῶν κρύβδα πέμπον σπαργάνοις ἐν πορφυρέοις νυκτὶ κοινάσαντες ὁδόν, Κρονίδᾳ δὲ τράφεν Χίρωνι δῶκαν. ἀλλὰ τούτων μὲν κεφάλαια λόγων ἴστε. λευκίππων δὲ δόμους πατέρων, κεδνοὶ πολῖται, φράσσατέ μοι σαφέως· Αἴσονος γὰρ παῖς ἐπιχώριος οὐ ξείναν ἱκάνω γαῖαν ἄλλων. φὴρ δέ με θεῖος Ἰάσονα κικλῄσκων προσαύδα.“ ὣς φάτο, τὸν μὲν ἐσελθόντ’ ἔγνον ὀφθαλμοὶ πατρός· ἐκ δ’ ἄρ’ αὐτοῦ πομφόλυξαν δάκρυα γηραλέων γλεφάρων, ἃν περὶ ψυχὰν ἐπεὶ γάθησεν ἐξαίρετον γόνον ἰδὼν κάλλιστον ἀνδρῶν. καὶ κασίγνητοί σφισιν ἀμφότεροι ἤλυθον κείνου γε κατὰ κλέος, ἐγγὺς μὲν Φέρης κράναν Ὑπερῇδα λιπών, ἐκ δὲ Μεσσάνας Ἀμυθάν· ταχέως δ’ Ἄδματος ἷκεν καὶ Μέλαμπος

5.1. Text und Übersetzung

Εʹ 95

100

105

110

115



120

125

Während sie nun im gegenseitigen Wechsel derartiges ertönen ließen, kam auf Maultieren und einem polierten Lastkarren Hals über Kopf Pelias voller Eile. Er war sofort voller Staunen, in Ausschau nach dem hervorstechenden Schuh, allein am rechten Fuß. Doch verbergend im Herzen seine Furcht sprach er zu ihm: „Welche Erde, Fremder, nennst du deine Heimat? Und wer von den bodengeborenen Menschen hat dich aus seinem weißen Bauch hervorgeschickt? Ohne sie mit hassenswertesten Lügen zu beflecken nenne deine Herkunft!“ Ihm antwortete er voller Mut mit freundlichen Worten wie folgt: „Ich erkläre, daß ich die Erziehung des Chiron bringen werde. Denn von der Höhle komme ich, von Chariklo und Philyra, wo des Kentauren Töchter mich großzogen, die reinen. Zwanzig Jahre vollendend und ohne daß ich Werk oder Wort vom Gewöhnlichen abweichend ihnen gesagt hätte, bin ich nach Hause gekommen, die alte Ehre meines Vaters davonzutragen, königlich beherrscht nicht nach göttlicher Fügung, einst überantwortet von Zeus dem Anführer des Volkes Aiolos und seinen Kindern. Denn ich habe herausgefunden, daß Pelias sie gesetzeslos im Vertrauen auf seinen weißen Sinn unseren Eltern, die sie rechtmäßig innehatten, gewaltsam fortgeraubt hat, die mich, als ich das Licht das allererste Mal sah, in Furcht vor einer Freveltat des übermütig-arroganten Anführers, eine Klage wie um einen Dahingeschiedenen dunkel in den Häusern darbringend, vermischt mit dem Wehklagen der Frauen, heimlich in purpurnen Windeln fortschickten, mit der Nacht den Weg teilend, und dem Kronossohn Chiron übergaben sie mich zur Erziehung. Aber dieser Worte Hauptpunkte kennt ihr. Doch die Häuser der Väter mit ihren Schimmeln, teure Bürger, zeigt mir deutlich! Denn als Aisons Kind komme ich als Einheimischer nicht zur fremden Erde anderer. Das göttliche Tier hat mich mit dem Namen Iason benannt und angeredet.“ So sprach er, den beim Hineingehen die Augen des Vaters erkannten, und es sprudelten da von seinen alten Augenlidern Tränen hervor, als er sich in seiner Seele freute beim Anblick des eigenen herausragenden Sohnes, des schönsten der Männer. Und zu ihnen kamen beide Brüder auf die Kunde von jenem hin, aus der Nähe Pheres, die Quelle Hypereia verlassen habend, und aus Messana Amythan. Schnell kamen Admetos und Melampus

171

172

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

130

135

Ζʹ 140

145

150

155

160

εὐμενέοντες ἀνεψιόν. ἐν δαιτὸς δὲ μοίρᾳ μειλιχίοισι λόγοις αὐτοὺς Ἰάσων δέγμενος ξείνι’ ἁρμόζοντα τεύχων πᾶσαν ἐυφροσύναν τάνυεν ἀθρόαις πέντε δραπὼν νύκτεσσιν ἔν θ’ ἁμέραις ἱερὸν εὐζοίας ἄωτον. ἀλλ’ ἐν ἕκτᾳ πάντα λόγον θέμενος σπουδαῖον ἐξ ἀρχᾶς ἀνήρ συγγενέσιν παρεκοινᾶθ’· οἱ δ’ ἐπέσποντ’. αἶψα δ’ ἀπὸ κλισιᾶν ὦρτο σὺν κείνοισι· καί ῥ’ ἦλθον Πελία μέγαρον· ἐσσύμενοι δ’ εἴσω κατέσταν· τῶν δ’ ἀκούσαις αὐτὸς ὑπαντίασεν Τυροῦς ἐρασιπλοκάμου γενεά· πραῢν δ’ Ἰάσων μαλθακᾷ φωνᾷ ποτιστάζων ὄαρον βάλλετο κρηπῖδα σοφῶν ἐπέων· „Παῖ Ποσειδᾶνος Πετραίου, ἐντὶ μὲν θνατῶν φρένες ὠκύτεραι κέρδος αἰνῆσαι πρὸ δίκας δόλιον τραχεῖαν ἑρπόντων πρὸς ἔπιβδαν ὅμως· ἀλλ’ ἐμὲ χρὴ καὶ σὲ θεμισσαμένους ὀργὰς ὑφαίνειν λοιπὸν ὄλβον. εἰδότι τοι ἐρέω· μία βοῦς Κρηθεῖ τε μάτηρ καὶ θρασυμήδεϊ Σαλμωνεῖ· τρίταισιν δ’ ἐν γοναῖς ἄμμες αὖ κείνων φυτευθέντες σθένος ἀελίου χρύσεον λεύσσομεν. Μοῖραι δ’ ἀφίσταιντ’, εἴ τις ἔχθρα πέλει ὁμογόνοις, αἰδῶ καλύψαι. οὐ πρέπει νῷν χαλκοτόροις ξίφεσιν οὐδ’ ἀκόντεσσιν μεγάλαν προγόνων τιμὰν δάσασθαι. μῆλά τε γάρ τοι ἐγώ καὶ βοῶν ξανθὰς ἀγέλας ἀφίημ’ ἀγρούς τε πάντας, τοὺς ἀπούρας ἁμετέρων τοκέων νέμεαι πλοῦτον πιαίνων· κοὔ με πονεῖ τεὸν οἶκον ταῦτα πορσύνοντ’ ἄγαν· ἀλλὰ καὶ σκᾶπτον μόναρχον καὶ θρόνος, ᾧ ποτε Κρηθεΐδας ἐγκαθίζων ἱππόταις εὔθυνε λαοῖς δίκας – τὰ μὲν ἄνευ ξυνᾶς ἀνίας λῦσον, ἄμμιν μή τι νεώτερον ἐξ αὐτῶν ἀναστάῃ κακόν.“ ὣς ἄρ’ ἔειπεν, ἀκᾷ δ’ ἀνταγόρευσεν καὶ Πελίας· „Ἔσομαι τοῖος· ἀλλ’ ἤδη με γηραιὸν μέρος ἁλικίας ἀμφιπολεῖ· σὸν δ’ ἄνθος ἥβας ἄρτι κυμαίνει· δύνασαι δ’ ἀφελεῖν μᾶνιν χθονίων. κέλεται γὰρ ἑὰν ψυχὰν κομίξαι Φρίξος ἐλθόντας πρὸς Αἰήτα θαλάμους

5.1. Text und Übersetzung

130

135

Ζʹ 140

145

150

155

160

173

wohlgesinnt ihrem Cousin. Zum Festmahl empfing Iason sie mit sanften Worten und bereitete angemessene Gastgeschenke, und er dehnte die gesamte Festesfreude aus, in insgesamt fünf Nächten und Tagen den heiligen Flor des Wohllebens pflückend. Aber am sechsten legte der Mann die ganze Geschichte voller Ernst von Anfang an dar und vertraute sie seinen Verwandten an, und sie folgten. Schnell sprang er von den Liegen auf zusammen mit ihnen, und sie kamen zu Pelias’ Megaron. Sie strömten hinein und stellten sich auf. Sie vernahm er selbst und begegnete ihnen, der lockenlieblichen Tyro Geschlecht. Indem Iason ein freundliches Gespräch mit sanfter Stimme herauströpfeln ließ, legte er ein Fundament aus klugen Worte: „Sohn des Poseidon Petraios, es sind der Sterblichen Sinne allzu schnell darin, einen listenreichen Nutzen anstatt der Gerechtigkeit gutzuheißen, obwohl sie dennoch den harschen Morgen nach dem Fest erreichen. Aber es ist notwendig, daß ich und du durch die Kontrolle der Leidenschaften zukünftigen Segen weben. Einem gewiß Wissenden sage ich dies: Eine einzige Kuh ist Kretheus Mutter und dem verwegensinnenden Salmoneus, und unter den dritten Kindern sind wiederum wir, von jenen gepflanzt, und erblicken die goldene Kraft der Sonne. Die Moiren sollen davor zurückschrecken, wenn es eine Feindschaft zwischen Menschen derselben Abstammung gibt, die Scheu zu verbergen. Nicht ziemt es sich für uns beide, mit bronzegearbeiteten Schwertern und Speeren die große Ehre der Vorfahren zu zerteilen. Denn sowohl die Schafe als auch der Rinder gelbbraune Herden überlasse ich dir sowie alle Fluren, die du unseren Eltern fortgenommen hast und weidest, deinen Reichtum mästend. Und nicht ist mir eine zu große Last, daß dein Haus sich hierum kümmert – sehr wohl aber das Zepter des Alleinherrschers und der Thron, auf dem sitzend einst der Kretheide dem Volk aus Reitern die Gerechtigkeit auf geradem Wege lenkte – dies gib ohne Leid für alle frei, damit uns nicht irgendein neueres Übel hieraus aufersteht.“ So also sprach er, und sanft erwiderte ihm auch Pelias: „So will ich sein. Aber schon umgibt mich der alte Teil des Lebens. Deine Blüte der Jugend jedoch wallt gerade auf. Du kannst fortnehmen den Zorn der Erdgötter. Denn es fordert Phrixos uns auf, seine Seele zurückzubringen, indem wir zu den Gemächern des Aietes gehen

174

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Ηʹ

165

170

175

180

Θʹ 185

190

δέρμα τε κριοῦ βαθύμαλλον ἄγειν, τῷ ποτ’ ἐκ πόντου σαώθη ἔκ τε ματρυιᾶς ἀθέων βελέων. ταῦτά μοι θαυμαστὸς ὄνειρος ἰὼν φωνεῖ. μεμάντευμαι δ’ ἐπὶ Κασταλίᾳ, εἰ μετάλλατόν τι· καὶ ὡς τάχος ὀτρύνει με τεύχειν ναῒ πομπάν. τοῦτον ἄεθλον ἑκὼν τέλεσον· καί τοι μοναρχεῖν καὶ βασιλευέμεν ὄμνυμι προήσειν. καρτερός ὅρκος ἄμμιν μάρτυς ἔστω Ζεὺς ὁ γενέθλιος ἀμφοτέροις.“ σύνθεσιν ταύταν ἐπαινήσαντες οἱ μὲν κρίθεν, ἀτὰρ Ἰάσων αὐτὸς ἤδη ὤρνυεν κάρυκας ἐόντα πλόον φαινέμεν παντᾷ. τάχα δὲ Κρονίδαο Ζηνὸς υἱοὶ τρεῖς ἀκαμαντομάχαι ἦλθον Ἀλκμήνας θ’ ἑλικογλεφάρου Λήδας τε, δοιοὶ δ’ ὑψιχαῖται ἀνέρες Ἐννοσίδα γένος αἰδεσθέντες ἀλκάν ἔκ τε Πύλου καὶ ἀπ’ ἄκρας Ταινάρου, τῶν μὲν κλέος ἐσλὸν Εὐφάμου τ’ ἐκράνθη σόν τε, Περικλύμεν’ εὐρυβία. ἐξ Ἀπόλλωνος δὲ φορμιγκτὰς ἀοιδᾶν πατήρ ἔμολεν, εὐαίνητος Ὀρφεύς. πέμψε δ’ Ἑρμᾶς χρυσόραπις διδύμους υἱοὺς ἐπ’ ἄτρυτον πόνον, τὸν μὲν Ἐχίονα, κεχλάδοντας ἥβᾳ, τὸν δ’ Ἔρυτον. ταχέες {δ’} ἀμφὶ Παγγαίου θεμέθλοις ναιετάοντες ἔβαν, καὶ γὰρ ἑκὼν θυμῷ γελανεῖ θᾶσσον ἔντυνεν βασιλεὺς ἀνέμων Ζήταν Κάλαΐν τε πατὴρ Βορέας, ἄνδρας πτεροῖσιν νῶτα πεφρίκοντας ἄμφω πορφυρέοις. τὸν δὲ παμπειθῆ γλυκὺν ἡμιθέοισιν πόθον ἔνδαιεν Ἥρα ναὸς Ἀργοῦς, μή τινα λειπόμενον τὰν ἀκίνδυνον παρὰ ματρὶ μένειν αἰῶνα πέσσοντ’, ἀλλ’ ἐπὶ καὶ θανάτῳ φάρμακον κάλλιστον ἑᾶς ἀρετᾶς ἅλιξιν εὑρέσθαι σὺν ἄλλοις. ἐς δ’ Ἰαολκὸν ἐπεὶ κατέβα ναυτᾶν ἄωτος, λέξατο πάντας ἐπαινήσαις Ἰάσων. καί ῥά οἱ μάντις ὀρνίχεσσι καὶ κλάροισι θεοπροπέων ἱεροῖς Μόψος ἄμβασε στρατὸν πρόφρων· ἐπεὶ δ’ ἐμβόλου κρέμασαν ἀγκύρας ὕπερθεν, χρυσέαν χείρεσσι λαβὼν φιάλαν

5.1. Text und Übersetzung

Ηʹ

165

170

175

180

Θʹ 185

190

und die dickflockige Haut des Widders holen, durch die er einst aus dem Meer gerettet wurde und vor der Stiefmutter gottlosen Geschossen. Dies erzählt mir ein wunderlicher Traum, der zu mir gekommen ist. Ich habe bei der Kastalia um ein Orakel nachgesucht, ob irgend etwas gesucht werden solle, und es treibt mich an, so schnell als möglich mit einem Schiff eine Entsendung vorzunehmen. Diesen Wettkampf vollende bereitwillig! Und ich schwöre, daß ich es dir überlassen werde, allein und als König zu herrschen. Ein starker Eideszeuge sei uns Zeus, unser beider Geburtsgott.“ Diese Vereinbarung billigend schieden sie voneinander, aber Iason selbst trieb schon die Herolde an, die bevorstehende Seefahrt überallhin zu offenbaren. Und schnell kamen die drei unermüdlichkämpfenden Söhne des Kroniden Zeus mit Alkmene und mit der rundlidrigen Leda und die zwei hochhaarigen Männer vom Geschlecht des Ennosidas, ehrfürchtig für ihr Kämpfertum betrachtet, aus Pylos und vom hohen Tainaros, deren Ruhm edel vollendet wurde, des Euphamos als auch deiner, weitmächtiger Periklymenos. Von Apollon her kam der Lyraspieler, der Lieder Vater, der vielgepriesene Orpheus, und es schickte Hermes mit goldenem Stab seine Zwillingssöhne zur unaufhörlichen Mühe, einerseits Echion, andererseits Erytos, beide gepriesen für ihre Jugend. Schnell kamen die, die bei den Fundamenten des Pangaios wohnten, denn auch der König der Winde drängte bereitwillig und mit freudigem Sinn sehr schnell Zetas und Kalais, der Vater Boreas, Männer, die mit Federn am Rücken starrten beide, mit purpurnen. Das allüberzeugende süße Verlangen hatte den Halbgöttern Hera entzündet nach dem Schiff Argo, damit nicht einer zurückbliebe und das Alter gefahrlos bei der Mutter im Warten reifen ließe, sondern damit sie sogar um den Preis des Todes das schönste Mittel zum Hervorbringen ihrer Vortrefflichkeit zusammen mit den anderen Altersgenossen für sich entdeckten. Als nach Iolkos der Seefahrer Flor hinabgelangt war, musterte Iason alle und lobte sie. Und da prophezeite für ihn der Seher Mopsos mittels heiliger Vogelzeichen und Lose und ließ das Heer bereitwillig einsteigen. Als sie über den Schiffsschnabel von oben herab die Anker gehängt hatten, rief mit einer goldenen Schale in den Händen

175

176

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

195

200

205

Ιʹ 210

215

220

225

ἀρχὸς ἐν πρύμνᾳ πατέρ’ Οὐρανιδᾶν ἐγχεικέραυνον Ζῆνα καὶ ὠκυπόρους κυμάτων ῥιπὰς ἀνέμους τ’ ἐκάλει νύκτας τε καὶ πόντου κελεύθους ἄματά τ’ εὔφρονα καὶ φιλίαν νόστοιο μοῖραν· ἐκ νεφέων δέ οἱ ἀντάυσε βροντᾶς αἴσιον φθέγμα· λαμπραὶ δ’ ἦλθον ἀκτῖνες στεροπᾶς ἀπορηγνύμεναι. ἀμπνοὰν δ’ ἥρωες ἔστασαν θεοῦ σάμασιν πιθόμενοι· κάρυξε δ’ αὐτοῖς ἐμβαλεῖν κώπαισι τερασκόπος ἁδείας ἐνίπτων ἐλπίδας· εἰρεσία δ’ ὑπεχώρησεν ταχειᾶν ἐκ παλαμᾶν ἄκορος. σὺν Νότου δ’ αὔραις ἐπ’ Ἀξείνου στόμα πεμπόμενοι ἤλυθον, ἔνθ’ ἁγνὸν Ποσειδάωνος ἕσσαντ’ ἐνναλίου τέμενος, φοίνισσα δὲ Θρηϊκίων ἀγέλα ταύρων ὑπᾶρχεν, καὶ νεόκτιστον λίθων βωμοῖο θέναρ. ἐς δὲ κίνδυνον βαθὺν ἰέμενοι δεσπόταν λίσσοντο ναῶν, συνδρόμων κινηθμὸν ἀμαιμάκετον ἐκφυγεῖν πετρᾶν. δίδυμαι γὰρ ἔσαν ζωαί, κυλινδέσκοντό τε κραιπνότεραι ἢ βαρυγδούπων ἀνέμων στίχες· ἀλλ’ ἤδη τελευτὰν κεῖνος αὐταῖς ἡμιθέων πλόος ἄγαγεν. ἐς Φᾶσιν δ’ ἔπειτεν ἤλυθον, ἔνθα κελαινώπεσσι Κόλχοισιν βίαν μεῖξαν Αἰήτᾳ παρ’ αὐτῷ. πότνια δ’ ὀξυτάτων βελέων ποικίλαν ἴυγγα τετράκναμον Οὐλυμπόθεν ἐν ἀλύτῳ ζεύξαισα κύκλῳ μαινάδ’ ὄρνιν Κυπρογένεια φέρεν πρῶτον ἀνθρώποισι λιτάς τ’ ἐπαοιδὰς ἐκδιδάσκησεν σοφὸν Αἰσονίδαν, ὄφρα Μηδείας τοκέων ἀφέλοιτ’ αἰδῶ, ποθεινὰ δ’ Ἑλλὰς αὐτάν ἐν φρασὶ καιομέναν δονέοι μάστιγι Πειθοῦς. καὶ τάχα πείρατ’ ἀέθλων δείκνυεν πατρωίων· σὺν δ’ ἐλαίῳ φαρμακώσαισ’ ἀντίτομα στερεᾶν ὀδυνᾶν δῶκε χρίεσθαι. καταίνησάν τε κοινὸν γάμον γλυκὺν ἐν ἀλλάλοισι μεῖξαι. ἀλλ’ ὅτ’ Αἰήτας ἀδαμάντινον ἐν μέσσοις ἄροτρον σκίμψατο καὶ βόας, οἳ φλόγ’ ἀπὸ ξανθᾶν γενύων πνέον καιομένοιο πυρός χαλκέαις δ’ ὁπλαῖς ἀράσσεσκον χθόν’ ἀμειβόμενοι,

5.1. Text und Übersetzung

195

200

205

Ιʹ 210

215

220

225

177

der Anführer auf dem Heck den Vater der Uraniden, den speerblitzenden Zeus, an und bat um schnellgeleitende Wucht der Wellen und Winde und um wohlwollende Nächte und des Meeres Wege und wohlwollende Tage und um das teure Schicksal der Gelangens ans Ziel. Aus den Wolken tönte ihm günstig der Laut des Donners entgegen, und leuchtend kamen Strahlen, aus einem Blitz hervorgebrochen. Ein Aufatmen ließen die Heroen geschehen, den Zeichen des Gottes vertrauend. Er verkündigte ihnen, sich in die Riemen zu legen, der Zeichendeuter, und er gab süße Hoffnungen kund. Das Rudern ging aus schnellen Händen dahin ohne Verdruß, Von des Notos Brisen geleitet kamen sie zum Mund des Ungastlichen Meeres, wo sie einen heiligen Bezirk des Meeres-Poseidon gründeten – es gab dort eine rote Herde thrakischer Stiere – und eine neugebaute Platte eines Altars aus Steinen. Als sie in die tiefe Gefahr dahinschossen, beteten sie zum Herrn der Schiffe, daß sie der unwiderstehlichen Bewegung der zusammenlaufenden Felsen entkämen. Denn Zwillinge waren es, lebende, und sie rollten rascher umher als die Reihen tiefdröhnender Winde. Aber schon hatte ihnen das Ende jene Seereise der Halbgötter gebracht. Zum Phasis kamen sie dann, wo sie mit den dunkelgesichtigen Kolchern ihre Kraft maßen vor Aietes selbst. Und die Herrin der schnellsten Pfeile, jochte die bunte Iynx vierspeichig unlöslich in den Kreis und brachte den Wahnsinnsvogel vom Olymp, die Zyperngeborene, den Menschen das erste Mal, und sie lehrte den Aisoniden gründlich bezaubernde Gebete und ließ ihn klug werden, damit er von Medea die Scheu vor den Eltern wegnehme und das ersehnte Hellas sie, in den Sinnen brennend, schüttele mit der Peitsche der Peitho. Und schnell offenbarte sie ihm die Erfüllung der väterlichen Wettspiele: Mit Öl bereitete sie ein heilendes Gegenmittel gegen harte Schmerzen und gab es ihm zum Einsalben, und sie versprachen sich, eine gemeinsame und süße Hochzeit untereinander zu schließen. Aber als Aietes in ihre Mitte den Pflug aus Adamant gepflanzt hatte und die Rinder, die Flammen von ihren braunen Kiefern atmeten, brennenden Feuers, und die ihre bronzenen Hufe gegen die Erde im Wechsel schmetterten,

178

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

230

ΙΑʹ

235

240

245

250

ΙΒʹ 255

τοὺς ἀγαγὼν ζεύγλᾳ πέλασσεν μοῦνος. ὀρθὰς δ’ αὔλακας ἐντανύσαις ἤλαυν’, ἀνὰ βωλακίας δ’ ὀρόγυιαν σχίζε νῶτον γᾶς. ἔειπεν δ’ ὧδε· „Τοῦτ’ ἔργον βασιλεύς, ὅστις ἄρχει ναός, ἐμοὶ τελέσαις ἄφθιτον στρωμνὰν ἀγέσθω, κῶας αἰγλᾶεν χρυσέῳ θυσάνῳ.“ ὣς ἄρ’ αὐδάσαντος ἀπὸ κρόκεον ῥίψαις Ἰάσων εἷμα θεῷ πίσυνος εἴχετ’ ἔργου· πῦρ δέ νιν οὐκ ἐόλει παμφαρμάκου ξείνας ἐφετμαῖς. σπασσάμενος δ’ ἄροτρον, βοέους δήσαις ἀνάγκᾳ ἔντεσιν αὐχένας ἐμβάλλων τ’ ἐριπλεύρῳ φυᾷ κέντρον αἰανὲς βιατὰς ἐξεπόνησ’ ἐπιτακτὸν ἀνήρ μέτρον. ἴυξεν δ’ ἀφωνήτῳ περ ἔμπας ἄχει δύνασιν Αἰήτας ἀγασθείς. πρὸς δ’ ἑταῖροι καρτερὸν ἄνδρα φίλας ὤρεγον χεῖρας, στεφάνοισί τέ νιν ποίας ἔρεπτον, μειλιχίοις τε λόγοις ἀγαπάζοντ’. αὐτίκα δ’ Ἀελίου θαυμαστὸς υἱὸς δέρμα λαμπρόν ἔννεπεν, ἔνθα νιν ἐκτάνυσαν Φρίξου μάχαιραι· ἔλπετο δ’ οὐκέτι οἱ κεῖνόν γε πράξασθαι πόνον. κεῖτο γὰρ λόχμᾳ, δράκοντος δ’ εἴχετο λαβροτατᾶν γενύων, ὃς πάχει μάκει τε πεντηκόντερον ναῦν κράτει, τέλεσεν ἃν πλαγαὶ σιδάρου. μακρά μοι νεῖσθαι κατ’ ἀμαξιτόν· Ὧρα γὰρ συνάπτει καί τινα οἶμον ἴσαμι βραχύν· πολλοῖσι δ’ ἅγημαι σοφίας ἑτέροις. κτεῖνε μὲν γλαυκῶπα τέχναις ποικιλόνωτον ὄφιν, ὦ Ἀρκεσίλα, κλέψεν τε Μήδειαν σὺν αὐτᾷ, τὰν Πελιαοφόνον, ἔν τ’ Ὠκεανοῦ πελάγεσσι μίγεν πόντῳ τ’ ἐρυθρῷ Λαμνιᾶν τ’ ἔθνει γυναικῶν ἀνδροφόνων, ἔνθα καὶ γυίων ἀέθλοις ἐπεδείξαντο κρίσιν ἐσθᾶτος ἀμφίς καὶ συνεύνασθεν. καὶ ἐν ἀλλοδαπαῖς σπέρμ’ ἀρούραις τουτάκις ὑμετέρας ἀκτῖνος ὄλβου δέξατο μοιρίδιον ἆμαρ – ἢ νύκτες· τόθι γὰρ γένος Εὐφάμου φυτευθὲν λοιπὸν αἰεί τέλλετο· καὶ Λακεδαιμονίων μιχθέντες ἀνδρῶν ἤθεσιν ἔν ποτε Καλλίσταν ἀπῴκησαν χρόνῳ νᾶσον· ἔνθεν δ’ ὔμμι Λατοίδας ἔπορεν Λιβύας πεδίον

5.1. Text und Übersetzung

230

ΙΑʹ

235

240

245

250

ΙΒʹ 255

179

führte er sie und brachte sie dem Jochriemen nahe – allein. Gerade Furchen fuhr er antreibend, und auf schlitzte er einen Klafter tief den Rücken der klumpigen Erde. Er sprach wie folgt: „Dieses Werk soll der König als jemand, der über ein Schiff herrscht, mir vollenden, und er soll die unvergängliche Matte davontragen, das Vlies, leuchtend mit goldenem Troddel!“ So also sprach er, und Iason, das safranfarbene Gewand im Vertrauen auf Gott fortwerfend, machte sich ans Werk. Das Feuer behinderte ihn nicht aufgrund der Anweisungen der in allen Heilmitteln kundigen Gastfreundin. Er zog den Pflug, band mit dem Zwang durch das Geschirr die Rindernacken, warf auf den starkflankigen Wuchs den Stachelstab unaufhörlich, und so vollbrachte der gewaltige Mann voller Mühe das auferlegte Maß. Es schrie – mit gleichwohl sprachlosem – Schmerz Aietes, voller Bewunderung für dessen Kraft. Dem starken Mann entgegen streckten die Gefährten ihre Hände, mit Kränzen aus Gras bekränzten sie ihn, und mit sanften Worten begrüßten sie ihn. Sofort verkündet der bewundernswerte Sohn des Helios von der leuchtenden Haut, wo es die Dolche des Phrixos aufgespannt hatten. Er hoffte, daß jene Mühe von ihm nicht mehr vollbracht werden könne. Denn es lag im Dickicht, und es war in unmittelbarer Nähe zu den äußerst gierigen Kiefern einer Schlange, die an Dicke und Länge einen Fünfzigruderer übertrifft, den Schläge von Eisen vollendeten. Zu weit ist es mir, auf der Fahrstraße ans Ziel zu gelangen, denn Hora drängt, und einen kurzen Weg kenne ich, denn viele andere führe ich auf dem Weg der Kunst: Er tötete die funkeläugige, buntrückige Schlange mit Listen, Arkesilaos, und er raubte Medea zusammen mit ihr selbst, die Peliastöterin, und sie kamen in Kontakt mit des Okeanos Gestaden, dem Roten Meer und dem Volk der lemnischen Frauen, der männertötenden, wo sie auch in Gliederwettspielen um ein Gewand eine Entscheidung aufzeigten und miteinander das Bett teilten. Und in fremdländischen Fluren empfing damals den Samen eures Segensglanzes der vorherbestimmte Tag – oder vielmehr: die Nächte. Denn dort wurde das Geschlecht des Euphemos gepflanzt und begann für die Zukunft für immer zu existieren. Und nachdem sie sich mit den Wohnstätten lakedaimonischer Männer vermischt hatten, siedelten sie mit der Zeit irgendwann über auf die Insel Kalliste. Von dort aus verlieh euch der Latoide Libyens Ebene,

180

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions 260 σὺν θεῶν τιμαῖς ὀφέλλειν ἄστυ χρυσοθρόνου

265

270

275

ΙΓʹ

280

285

290

διανέμειν θεῖον Κυράνας ὀρθόβουλον μῆτιν ἐφευρομένοις. γνῶθι νῦν τὰν Οἰδιπόδα σοφίαν· εἰ γάρ τις ὄζους ὀξυτόμῳ πελέκει ἐξερείψειεν μεγάλας δρυός, αἰσχύνοι δέ οἱ θαητὸν εἶδος, καὶ φθινόκαρπος ἐοῖσα διδοῖ ψᾶφον περ’ αὐτᾶς, εἴ ποτε χειμέριον πῦρ ἐξίκηται λοίσθιον, ἢ σὺν ὀρθαῖς κιόνεσσιν δεσποσύναισιν ἐρειδομένα μόχθον ἄλλοις ἀμφέπῃ δύστανον ἐν τείχεσιν, ἑὸν ἐρημώσαισα χῶρον. ἐσσὶ δ’ ἰατὴρ ἐπικαιρότατος, Παιάν τέ σοι τιμᾷ φάος. χρὴ μαλακὰν χέρα προσβάλλοντα τρώμαν ἕλκεος ἀμφιπολεῖν. ῥᾴδιον μὲν γὰρ πόλιν σεῖσαι καὶ ἀφαυροτέροις, ἀλλ’ ἐπὶ χώρας αὖτις ἕσσαι δυσπαλὲς δὴ γίνεται ἐξαπίνας, εἰ μὴ θεὸς ἁγεμόνεσσι κυβερνατὴρ γένηται. τὶν δὲ τούτων ἐξυφαίνονται χάριτες. τλᾶθι τᾶς εὐδαίμονος ἀμφὶ Κυράνας θέμεν σπουδὰν ἅπασαν. τῶν δ’ Ὁμήρου καὶ τόδε συνθέμενος ῥῆμα πόρσυν’· ἄγγελον ἐσλὸν ἔφα τιμὰν μεγίσταν πράγματι παντὶ φέρειν· αὔξεται καὶ Μοῖσα δι’ ἀγγελίας ὀρθᾶς. ἐπέγνω μὲν Κυράνα καὶ τὸ κλεεννότατον μέγαρον Βάττου δικαιᾶν Δαμοφίλου πραπίδων. κεῖνος γὰρ ἐν παισὶν νέος, ἐν δὲ βουλαῖς πρέσβυς ἐγκύρσαις ἑκατονταετεῖ βιοτᾷ, ὀρφανίζει μὲν κακὰν γλῶσσαν φαεννᾶς ὀπός, ἔμαθε δ’ ὑβρίζοντα μισεῖν, οὐκ ἐρίζων ἀντία τοῖς ἀγαθοῖς οὐδὲ μακύνων τέλος οὐδέν. ὁ γὰρ καιρὸς πρὸς ἀνθρώπων βραχὺ μέτρον ἔχει. εὖ νιν ἔγνωκεν· θεράπων δέ οἱ, οὐ δράστας ὀπαδεῖ. φαντὶ δ’ ἔμμεν τοῦτ’ ἀνιαρότατον, καλὰ γινώσκοντ’ ἀνάγκᾳ ἐκτὸς ἔχειν πόδα. καὶ μὰν κεῖνος Ἄτλας οὐρανῷ προσπαλαίει νῦν γε πατρῴας ἀπὸ γᾶς ἀπό τε κτεάνων· – λῦσε δὲ Ζεὺς ἄφθιτος Τιτᾶνας. ἐν δὲ χρόνῳ μεταβολαὶ λήξαντος οὔρου ἱστίων. – ἀλλ’ εὔχεται οὐλομέναν νοῦσον διαντλήσαις ποτέ

5.1. Text und Übersetzung 260 damit ihr sie durch die Ehrung der Götter stärkt, ihr, die ihr zur

265

270

275

ΙΓʹ

280

285

290

Verwaltung der göttlichen Stadt der goldthronenden Kyrana rechturteilende Klugheit entdeckt habt. Erkenne jetzt die Weisheit des Oidipus! Denn wenn jemand Zweige mit scharfschneidiger Axt abschlägt, die einer großen Eiche, und ihr die bewundernswerte Gestalt zuschanden macht, läßt sie, auch wenn sie fruchtgeschwunden ist, über sich selbst urteilen, ob sie irgendwann einmal zuletzt ins winterliche Feuer kommen solle oder ob sie mit aufrechten herrschaftlichen Säulen zusammen gepflanzt sich mühevoll-unglücklich anderswo sorgt, in Stadtmauern, ihren Platz verlassen habend. Du aber bist ein äußerst passender Arzt, und Paian beschenkt dich mit Licht. Es ist notwendig, durch sanftes Handauflegen die Wunde eines Geschwürs zu umsorgen. Leicht nämlich ist es, die Stadt zu erschüttern, auch für die allzu Schwachen, aber sie auf dem Land wiederum zu begründen, wird gewiß sofort ein schweres Ringen, wenn nicht Gott den Anführern ein Steuermann wird. Dir wird dafür der Dank zu Ende gewoben. Wage es, um das glückselige Kyrene deinen ganzen Eifer aufzuwenden. Von den Worten des Homer stimme auch diesem zu und halte es in Ehren: Der gute Bote, sagte er, bringe jeder Sache die größte Ehre. Gestärkt wird auch die Muse durch die rechte Nachricht. Es bemerkte Kyrana und der äußerst berühmte Palast des Battos die gerechten Sinne des Damophilos. Denn dieser, unter Knaben jung, in Ratschlüssen ein alter Mann, der hundertjähriges Leben erlangt hat, läßt die üble Zunge der offenen Stimme verwaist werden und hat gelernt, den Anmaßenden zu hassen, ohne gegen die Guten zu streiten oder irgendein Ende hinauszuzögern. Denn das Angemessene hat in den Augen der Menschen ein kurzes Maß. Sehr gut kennt er ihn: Als Diener, nicht als Arbeiter begleitet er ihn. Man sagt, es sei dies am betrüblichsten: das Gute zu kennen und aus Zwang seinen Fuß fernzuhalten. Und wahrlich: Jener Atlas ringt jetzt mit dem Himmel, fern der väterlichen Erde, fern den Besitztümern. – Es erlöste Zeus, der unvergängliche, die Titanen, und mit der Zeit geschehen, wenn der Wind sich legt, die Wechsel der Segel. – Aber er betet darum, daß er, wenn er die verfluchte Krankheit ausgeschöpft hat, irgendwann einmal

181

182

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

οἶκον ἰδεῖν ἐπ’ Ἀπόλλωνός τε κράνᾳ συμποσίας ἐφέπων 295 θυμὸν ἐκδόσθαι πρὸς ἥβαν πολλάκις ἔν τε σοφοῖς δαιδαλέαν φόρμιγγα βαστάζων πολίταις ἡσυχίᾳ θιγέμεν, μήτ’ ὦν τινι πῆμα πορών, ἀπαθὴς δ’ αὐτὸς πρὸς ἀστῶν· καί κε μυθήσαιθ’, ὁποίαν, Ἀρκεσίλα, εὗρε παγὰν ἀμβροσίων ἐπέων πρόσφατον Θήβᾳ ξενωθείς.

5.1. Text und Übersetzung

sein Haus sehe und, bei der Quelle des Apollon Gelage begehend, 295 sein Herz oft der Jugend hingebe und unter den klugen Bürgern mit der reichverzierten Phorminx in den Händen die Ruhe berühre, weder jemandem ein Leid bringend und selbst ohne Leid von den Bürgern. Und er könnte erzählen, Arkesilaos, welche frische Quelle unsterblicher Worte er in Theben fand als Gastfreund.

183

184

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

5.2Problematik Überliefert ist Pythie 4 als Epinikion für den kyrenischen König Arkesilaos IV., der 462 v. Chr. mit dem Pferdeviergespann bei den Pythien siegte.1 Bei näherer Betrachtung scheint es jedoch tatsächlich kein Epinikion zu sein:2 Nicht nur ist es mit 299 (außerordentlich langen) Perioden weit länger als jedes andere erhaltene Pindarische Epinikion (und chorlyrische Lied), sondern es beinhaltet auch eine angesichts der Gesamtlänge nur verschwindend geringe Zahl von Perioden (2 f. 64–67), die direkt dem Sieg gewidmet sind: Auf ein Prooimion (1–3) folgt die Erzählung von Kyrenes Gründung durch Battos (4–63), die als von Medea während der Argonautenfahrt vorhergesagt dargestellt wird (11–58), woraufhin Arkesilaos als Battos’ Nachfolger charakterisiert und für seinen Sieg gelobt wird (64–67); hierauf folgt die Erzählung des Kontextes von Medeas Prophezeiung, d. h. der Argonautenfahrt (68–262); das Lied endet mit einem Epilog zu Arkesilaos und Kyrene (263–299). Arkesilaos’ Sieg erscheint in diesem Rahmen nur als äußerer Anlaß, nicht als eigentliche Ursache des Epinikions.3 Dies ist aber nicht zwangsläufig ein Problem, besitzen wir doch mit Pythie 5 ein anderes (umfangreiches) Epinikion, das demselben Sieg gewidmet ist und Pindars Verpflichtung zum Siegerlob hätte erfüllen können.4 So hätte es Pindar freigestanden, in Pythie 4 andere, gewichtigere Themen als den vergänglichen Sportsieg zu behandeln, vor allem den (hier das erste Mal zusammenhängend bezeugten) Argonautenmythos, und ferner poetisch die Gattungsgrenzen zur Epik hin auszuloten.5 Zudem könnte er die Gelegenheit genutzt haben, Partei in einer innenpolitischen Angelegenheit des Staates Kyrene zu ergreifen, nämlich „to show that the Euphemids [zu denen sich Arkesilaos zählte] were divinely chosen to become kings of Cyrene and that their rule is in accordance with the will of the gods“ (vor allem 4–63) und (auf dieser Grundlage, allerdings letztlich gegen den herrschenden König) „to set the stage for the recall of the Cyrenaean exile Demophilus“, von Arkesilaos selbst 1 2 3 4 5

Zur Datierung s. Σ P. 4 inscr. a, Σ P. 5 inscr., zur Pythienzählung unten S. 268 Anm. 1. Vgl. z. B. Farnell 1, 112. Vgl. Braswell (1988) 1 (auch 23) und schon Σ P. 4 inscr. a. b, Σ P. 4, 1a, Σ P. 5 inscr., ferner Chamoux (1953) 178, Duchemin (1967) 91 f., Lesky (1971) 229 f., Wilhelm (1973) 1 f., Giannini (1979) 35 f., Robbins (1975) 205 f., Pinsent (1985) 4. Dieses Verhältnis von P. 4 und 5 ist schon in Σ P. 5 inscr. unterstellt; vgl. Burton (1962) 135–137, Giannini (1979) 35 f., Braswell (1988) 23, de Jong (1991) 207. Allgemein zu P. 5 s. Lefkowitz (1991) 169–190, Krummen (1990) 98–151, auch Giannini bei Gentili (1995). Zum Eindruck des Epischen vgl. Wilamowitz (1922) 387 f., Wilhelm (1973) 85, Kirkwood (1982) 161 f., Hornblower (2004) 243 („epyllion or mini-epic about Jason, the Argonauts and Medea“). Einen umfassenden Überblick über den Argonautenmythos geben Braswell (1988) 6–23 (vor P. 4), Dräger (2001) 5–58 (bis zu den orphischen Argonautika), Scherer (2006) 9–56 (bis ins 3. / 2. Jh.); vgl. Gantz (1993) 340–373.

5.2. Problematik

185

zuvor verbannt (277–299).6 Pythie 4 wäre dann so etwas wie ein „Empfehlungsbrief “, anscheinend im Auftrag des Verbannten.7 Allerdings stellt sich die Frage, ob der Dichter Pindar derart einflußreich gewesen sein könnte, daß „the recipient, Arcesilas, is urged […] to a specific action, namely, reconciliation with Damophilus, who ordered and paid for the ode“8 – zumal der König des mächtigen Staates Kyrene sich hätte zwingen lassen müssen, eine derart folgenreiche innenpolitische Handlung – eine öffentliche Begnadigung hätte ja zweifellos (auch) immensen Symbolcharakter – zu vollziehen.9 Und unwahrscheinlich ist, daß ein (exponierter) Verbannter zur eigenen Propaganda ein solches Lied in Kyrene hätte aufführen lassen können, insbesondere wenn die Begnadigung noch nicht beschlossen war,10 sei es in einer öffentlichen Aufführung, sei es privat (d. h. mit einem nur von Pindar ohne Chor dargebrachten Lied) vor dem König selbst.11 Auch hätte Pindar in ein vom König selbst in Auftrag gegebenes Lied kaum eine unerbetene Bitte um Begnadigung seines Gastfreundes Damophilos hätte einfügen können. Ebenso fragwürdig ist, daß Damophilos’ schon ausgehandelte Begnadigung mittels des Epinikions lediglich verkündigt werden sollte,12 denn das Lied wäre auch in diesem Fall als Forderung erschienen, die, von einem ausländischen Dichter vorgebracht, mit Sicherheit unangemessen gewirkt hätte: Wäre Arkesilaos auf sie eingegangen, hätte er nicht Stärke, sondern Schwäche gezeigt – und kaum etwas würde ihm in der (wie die Verbannung selbst belegt) angespannten Situation mehr geschadet haben. Diese allgemeinen Überlegungen machen eine Interpretation von Pythie 4 als Bitte um Damophilos’ Begnadigung unwahrscheinlich – zumal die zugrundeliegende Rekonstruktion der historischen Situation, insbesondere bezüglich Damophilos’ Verbannung, sachlich nicht haltbar ist und sich auch nicht mit dem Text vereinbaren läßt. Dies freilich legt – abgesehen davon, daß die Funktion des zweiten Mythosteils, also zweier Drittel des Gesamtliedes (68–262), unbestimmt und nicht auf das unterstellte Ziel ausgerichtet wäre (und angesichts der nicht-chronologischen Erzählung des gesamten Argonautenmythos das eigentliche Beweisziel inmitten des Liedes versteckt 6

Braswell (1988) 23; vgl. Sandgren (1972) 12, Wilhelm (1973) 1 f., Chamoux (1953) 178. 188, ebenso Wilamowitz (1922) 376. 378, Wilhelm (1973) 2. 7 Mezger (1868) 74; vgl. Hermann (1839) 138, Wilhelm (1973) 2, Gelzer (1985) 96 Anm. 3. 8 Lattimore (1948) 19, vgl. Mezger (1880) 218 f., Wilamowitz (1922) 385. 9 Wie man sich dies vorzustellen hätte, zeigt Wilamowitz (1922) 378; vgl. 384 (und ebenso 385 zum vorauszusetzenden Selbstverständnis Pindars). 10 Letzteres z. B. bei Lattimore (1948) 22; vgl. unten Anm. 12; hiergegen Braswell (1988) 5. 11 Letzteres bei Burton (1962) 135, Mitchell (1966) 109, Wilhelm (1973) 1 f., Giannini (1979) 35; allerdings hätte der von der Legitimität von Arkesilaos’ Herrschaft handelnde Teil nur in der Öffentlichkeit seine Wirkung entfalten können (s. u.). 12 So Gildersleeve (1890) 278, Carey (1980b) 148, Braswell (1988) 5; skeptisch hingegen Lattimore (1948) 22, Duchemin (1967) 90–92 (die einen Fehlschlag annimmt).

186

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

hätte)13 – schon der erste Satz nahe, der das Lied wie ein Epinikion beginnen läßt: In ihm werden der Sieg, der Sieger, sein Herkunftsort, die Siegesdisziplin, der Siegesort, die Schutzgottheit der Pythien und die momentane Siegesfeier selbst angeführt (1–3).14 Damit aber ist Thema des Liedes nicht Damophilos’ Begnadigung, sondern der Preis von Arkesilaos’ Sieg. Da sich das Lied aber darüber hinaus auch (und prima vista: vor allem) mit anderem (dem Argonautenmythos) zu beschäftigen scheint, stellt sich (wie seit der Antike) die Frage, wie es als Epinikion verstanden werden konnte. Hier könnte freilich abermals die Erforschung der Sportmetaphorik hilfreich sein: Mittels ihrer könnte das – virtuos auf verschiedenen Zeitebenen erzählte15 – oberflächlich Verschiedene als Gleiches ausgewiesen und mit dem Zweck des Lobes an den aktuellen Anlaß gebunden worden sein.16

13 Vgl. Braswells (1988) 57 kaum überzeugende Erklärung; zu weiteren Vorschlägen s. u. 14 Vgl. die Anmerkungen Thummers 1, 43 Anm. 19. 15 Für eine Analyse s. Wilhelm (1973) 64–66, Hurst (1983), de Jong (1991). Medeas Prophezeiung (11–56) wird nicht direkt vom Sprecher des Epinikions, sondern von der Pythia im Rahmen ihres Orakels erzählt. Dies zeigt 59 f., wo der Epinikiensprecher nach Abschluß von Medeas Rede zu Battos selbst sagt, daß ihn der χρησμὸς … μελίσσας Δελφίδος („das Orakel der delphischen Biene“) ἐν τούτῳ λόγῳ („durch diese Rede“) wiederhergestellt habe: Insbesondere angesichts von τούτῳ ist das gesamte zuvor Gesagte von der Priesterin geäußert worden, wird ihre Rede also zuerst indirekt, dann direkt wiedergegeben (richtig hierzu Felson 1999 18 f., nicht hingegen zu 61–63: Dies kann insofern nicht zum λόγος der Priesterin gehören, als von ihr in der dritten Person die Rede ist; zum Übergang von indirekter in direkte Rede s. allgemein KG § 595 5 und vgl. I. 8, 31–45 [indirekt: 31–35a, direkt: 35a–45, ebenfalls unvermittelt]). Den Abschnitt umschließen die (auch metrisch) korrespondierenden Wörter χρῆσεν (6) und χρησμός (60), so daß die Einheit auch textlich markiert ist. Anders faßt es Braswell (1988), der σὲ … ἐν τούτῳ λόγῳ χρησμὸς ὤρθωσεν (59 f.) als „you it was whom in accordance with this speech the oracle […] exalted“ wiedergibt (43; s. 143 f.; vgl. Schroeder 1922 35), doch läßt sich „in accordance with this speech“ mit „exalted“ hinsichtlich der Pythia kaum gedanklich verbinden. Zudem ist nicht dies der entscheidende Punkt, sondern daß die Pythia Battos durch ihre Rede von der Krankheit (derentwegen er das Orakel befragen wollte: 63) gesunden läßt (vgl. LSJ s. v. ὀρθόω II; zum instrumentalen Sinn von ἐν vgl. KG § 431 1 3) a), speziell N. 11, 17, O. 1, 15, P. 2, 8). Die implizierte Situation von Battos’ Anrede ist, wie Inhalt und Tempuswahl nahelegen, die Epinikienaufführung in Kyrene, nicht die Orakelerteilung in Delphi (so Felson 1999 19 f.). Zum Zusammenhang von Orakel und Battos’ Heilung s. Krummen (1990) 143 f. 16 Zur Verschiedenheit beachte man z. B. Delage (1937) 124. Angesichts der Länge des Liedes können umfangreiche Passagen hier nur summarisch behandelt werden; insgesamt sei deshalb auf Braswells (1988) Kommentar verwiesen, der auch als Grundlage der weiteren Ausführungen dienen soll (vgl. Kirkwood 1982 161–200, Giannini bei Gentili 1995). Ansonsten beachte man Wilhelm (1973), Graham (1978), Giannini (1979), Segal (1986), Calame (2003) 43–67. Einen groben Forschungsüberblick geben Wilhelm (1973) 2–11, Graham (1978) 1–30, für ältere Arbeiten auch Mezger (1880) 202–206.

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

187

5.3Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene Der erste mythische Abschnitt des Liedes (11–58) besteht fast gänzlich aus Medeas Prophezeiung für die Argonauten auf Thera (13–56), deren ergriffene Reaktion (57 f.) die inhaltliche Bedeutung dieser Passage hervorhebt.17 Ursächlich für diese Hervorhebung ist, daß die Prophezeiung einzig von der Gründung Kyrenes, der Heimatstadt des Siegers, handelt. Besonders deutlich zeigt sich dies an Beginn (14–16) und Ende (53–56), aber auch daran, daß der gesamte Inhalt in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gründung steht – zumal für den Sprecher die Motivation seines Berichts ausdrücklich darin besteht, aufzuzeigen, daß Battos (dem zuvor die Gründung der Stadt des späteren Siegers Arkesilaos aufgetragen wurde: 4–8) als Erfüller von Medeas Prophezeiung gelten müsse (9–11). In diesem hervorgehobenen Element des Liedes findet sich nun bezeichnenderweise eine prominente Metaphorik des Sports, die die Siegesdisziplin, das Rennen mit dem Viergespann, aufnimmt. 5.3.1Ruder und Zügel Während Medea am Anfang ihrer Prophezeiung nach der Anrede der Argonauten (13) die Besiedelung Kyrenes von Thera aus direkt vorhersagt (14– 16),18 beschreibt sie dasselbe unmittelbar danach in alternativer Weise erneut (17 f.): Die Kolonisten19 würden kurzflügelige Delphine mit schnellen Pferden tauschen (17: ἀντὶ δελφίνων δ’ ἐλαχυπτερύγων ἵππους ἀμείψαντες θοάς) und Zügel und windfüßige Wagenstände anstatt von Rudern handhaben (18: ἁνία τ’ ἀντ’ ἐρετμῶν δίφρους τε νωμάσοισιν ἀελλόποδας). Dies ist prima vista ein „oracular way of indicating that they [sc. die Kolonisten] will become landsmen instead of islanders“,20 doch muß auffallen, daß die neue Tätigkeit der Kolonisten offenbar gerade im Wagenlenken besteht. Dies freilich dürfte in einem Epinikion für einen Sieger im Wagenrennen eine wichtigere Funktion haben, als lediglich als „another allusion to Arcesilaus’ chariot victory“21 zu dienen – zumal eine solche Erklärung die Anspielung in einem primär nicht auf Arkesilaos bezogenen Mythos letztlich unmotiviert sein ließe. Daß tatsächlich ein Bezug auf Arkesilaos’ Sieg besteht, zeigt sich daran, daß die Pferde (17) nicht nur Teil irgendeines Gespanns sind, sondern eines Gespanns, wie es beim sportlichen Wagenrennen eingesetzt wurde: Es han17 Das Erstaunen beruht nicht auf dem Inhalt der Prophezeiung (Giannini 2000 19; vgl. Graham 1978 78 f.; man beachte besonders πυκινὰν μῆτιν κλύοντες [58]). 18 Zur genauen Bedeutung dieser Stelle s. u., insbesondere S. 242 mit Anm. 266. 19 Zum Subjekt des Satzes s. Braswell (1988) 87. 20 Braswell (1988) 84 (vgl. 86 und Mezger 1880 207); vgl. Σ P. 4, 29d. 21 Braswell (1988) 84; ähnlich Duchemin (1967) 111, Wilhelm (1973) 57.

188

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

delt sich nämlich um Stuten (17: θοάς), wie sie zu diesem Zweck (im Gegensatz zu Rennen mit einzelnen Pferden)22 im 5. Jahrhundert eingesetzt wurden.23 Entsprechend werden auch die anderen elementaren Bestandteile solcher Gespanne angeführt: Zügel (18: ἁνία) und Wagenkästen (18: δίφρους). Insofern die Kolonisten für solche Gespanne die Instrumente der Seefahrt, insbesondere die Ruder (18: ἐρετμῶν), eintauschen würden, besagt der Satz, daß sie mit der Stadtgründung nicht mehr der Seefahrt, sondern dem als Sport betriebenen Wagenrennen nachgehen werden. Damit wird Kyrene immer schon eine Wagenfahrerstadt sein – als welche sie historisch wohl tatsächlich galt24 und als welche sie insbesondere in Pythie 4 dargestellt wird, wenn sowohl sie selbst mit εὐίππου (2) und εὐάρματον (7) als auch ihre Pferde mit θοάς (17) und ihre Wagenkästen mit ἀελλόποδας (18)25 qualifiziert werden. Diese Charakterisierung der Stadt erfolgt freilich nicht ohne Grund, erscheint durch sie doch Arkesilaos, der Sieger im Wagenrennen, als Mensch, der durch seine Herkunft ein geborener Wagenlenker ist – ein fraglos großes Lob. Doch ist zugleich ein noch größeres Lob impliziert, denn insofern diese Eigenschaft der Kyrenaier (und speziell des Arkesilaos) von Medea (als gottbestimmte Zukunft) vorhergesagt wird, ist sie göttlich legitimiert. Dies verweist im übrigen auch auf den im Prooimion geäußerten Gedanken, daß der jetzige Sieg den Leto-Kindern und Pytho geschuldet sei (3). Der Satz in 17 f. charakterisiert das Wagenlenken der Kyrenaier jedoch sogar als vollkommen kunstfertig: Im Tausch entsprechen Delphine und Ruder einerseits Pferden, Zügeln und Wagenkästen andererseits. Die Formulierung verbindet speziell die Ruder des Schiffes und die Zügel des Wagens (18) sowie die Delphine und die Pferde (17). Allerdings haben Ruder eine andere Funktion als Zügel, und ebenso ist die Grundlage der Äquivalenz von Delphinen und Pferden nicht sofort ersichtlich.26 Sinnvoll ist dies jedoch insofern, als die Gleichsetzung weniger funktional als visuell operiert: Der Wa22 S. McDevitt (1994) 503 Anm. 3; vgl. O. 1, P. 3 und B. 5 (Hengst Pherenikos). 23 S. McDevitt (1994), dem gemäß die gewöhnliche Erklärung, „tragedy (and lyric; epic vacillates) normally has ἵπποι and πῶλοι fem. when used of a team of horses“ – wobei es sich um „a question not of sex but of gender“ (Barrett 1964 204; vgl. Maehler 1982 2, 41 und insbesondere zu dieser Stelle Braswell 1988 85 f.) und um eine literarische Konvention handele –, „not quite to the point“ (502) ist: Wie P. 2, 8, N. 9, 52, B. 3, 3 f., B. fr. 20C, 4 zeige, wo ein unmittelbarer Bezug auf das gefeierte Wagenrennen vorliegt, gelte sowohl für Pindar als auch für Bakchylides, daß „real-life chariot teams, where the sex is indicated, are invariably mares“ (McDevitt 1994 503), während bei mythischen Pferden die Geschlechtszuweisung schwanke (vgl. O. 6, 14, O. 7, 71; allerdings stellt sich auch hier die Frage, ob nicht Sport und Mythos metaphorisch parallelisiert sein könnten). 24 Kyrene war für seine Pferde berühmt: vgl. Hdt. 4, 170, Soph. El. 701 f. 727, Kall. fr. 716, 2 Pf., Paus. 6, 12, 7 (ebenso P. 5, 85, P. 9, 4; s. auch Braswell 1988 60 f.). 25 Vgl. O. 5, 3, für eine interessante Umkehrung der Metapher Aischyl. Sept. 371. 26 Vgl. zur Parallelität von Zügeln und Rudern Eur. Hipp. 1219–1222, zu letzterem Hom. Il. 10, 437, h. 5, 217, N. 1, 6, B. 5, 39 und s. Braswell (1988) 86.

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

189

genlenker lenkt vom Wagenkasten aus mit den Zügeln die Pferde außerhalb des Wagenkastens, und entsprechend lenkt der Seemann mit seinen Rudern (Zügeln) vom Schiff aus die Delphine (Pferde) außerhalb des Schiffes (Wagenkastens).27 Es zeigt sich also das Bild eines Schiffes, um das herum Delphine schwimmen, die von Rudern gelenkt werden (vgl. fr. 234).28 Damit erscheinen die Kolonisten als Seeleute, die über die schnellsten Tiere des Meeres, die Delphine, zu gebieten vermögen.29 Explizit zeigt sich diese Schnelligkeit in den parallelen Attributen ἐλαχυπτερύγων (17), bezogen auf die Delphine, und θοάς (17), bezogen auf die Pferde.30 Die Kolonisten haben ihr Seemannshandwerk also in der Tat verstanden – und so, vermittels der Gleichsetzung, auch das jetzige Wagenlenken: Die Kyrenaier sind nicht nur ein Volk von Wagenlenkern, sondern von vollkommen kunstfertigen Wagenlenkern, die über delphinschnelle Pferde gebieten – und dies gilt selbstverständlich auch konkret für den gefeierten Sieger Arkesilaos. Nichtsdestoweniger waren die Kyrenaier vor der Stadtgründung vollkommene Seefahrer,31 die ihre jetzt im Hippodrom bestrittenen Rennen erfolgreich zur See bestritten. Diese Parallelität, als Metapher verstanden, impliziert eine Wesensgleichheit beider Tätigkeiten, und im Rahmen dieser besteht die Möglichkeit, aufgrund derselben natürlichen Begabung in beiden Bereichen gleichermaßen erfolgreich zu sein: Die Prinzipien des Erfolgs sind dieselben. In 17 f. ist damit weder lediglich auf Arkesilaos’ Wagensieg angespielt noch in orakelhafter Weise gesagt, daß aus Insel- jetzt Landbewohner würden, sondern vielmehr wird einerseits Arkesilaos’ Erfolg metaphorisch überhöht und derart in geschichtliche Dimensionen eingeordnet, daß er sportlich und moralisch als verdient erscheint, und andererseits wird der Sie-

27 Das Verb νωμᾶν wird in beiden Bereichen in zweierlei Bedeutung verwendet: Zügel und Steuerruder lassen sich ebenso νωμᾶν („handle“ [LSJ s. v. II 1]: I. 1, 15 bzw. Aischyl. Sept. 3) wie Gefährte und Schiffe („drive“ [LSJ s. v. II 1]: Aischyl. Ag. 782 bzw. P. 1, 86]); s. auch Gildersleeve (1890) 283, Braswell (1988) 86 f.; vgl. Graham (1978) 54 f. 28 Vgl. Kannicht (1969) 2, 379. 29 Zur Schnelligkeit vgl. P. 2, 50 f., N. 6, 64–66 (mit Gerber 1999 86 f.), I. 9, 6 f., fr. 234, 2; s. auch Henderson (1992) 154 f. Nicht ohne Grund wird also Poseidon, auch Herr der Pferde (s. u. Anm. 33), oft mit Delphinen gezeigt (s. Burkert 1977 216) – in welcher Gestalt er auch in der Startanlage des olympischen Hippodroms auftaucht (Paus. 6, 20, 10– 14; s. Sinn 2004 47; ähnlich dienen im römischen Hippodrom Delphinfiguren als Rundenanzeiger: Cass. Dio 49, 43; s. Quinn-Schofield 1966, Balil 1966). Delphine galten auch als Pferde des Meeres: vgl. Lukian. VH 2, 39, DMar. 8, 2 und die Geschichten von Delphinreitern wie Arion (Hdt. 1, 23 f.). 30 Zwar ist es später nicht unüblich, Flossen als Flügel zu bezeichnen (s. Braswell 1988 85; vgl. Aristot. HA 505 b21, 537 b3, ferner die in LSJ s. v. πτέρυξ II 1 sowie πτερύγιον 1 angegebenen Stellen), aber dies ist hier das erste Mal bezeugt (s. Braswell 1988 85; vgl. West 1978 315 f.). Zur Schnelligkeit durch Flügel vgl. nur O. 1, 87 (mit Gerber 1982 134 f.). 31 Vgl. Graham (1978) 51–55.

190

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

ger zum prototypischen Vertreter seines Volks, dessen bezeichnende Eigenschaft er, wie bei den Pythien bewiesen, in vollkommener Weise verkörpert.32 Daß die Kyrenaier, wie in 17 f. impliziert, vor der Stadtgründung vollkommene Seefahrer waren, wird dadurch glaubhaft gemacht, daß ihre Vorfahren zur Insel Thera gelangten (51 f. 258 f.), von wo aus sie selbst mit Schiffen nach Kyrene kamen (15–18. 56). Allerdings zeigt sich ein noch weitaus entscheidenderes Indiz, insofern sich die Kyrenaier letztlich auf den Argonauten Euphamos zurückführen: Konkret ist es nämlich sein während der Argonautenfahrt auf Lemnos begründetes Geschlecht (50 f. 250–257), das von Lemnos nach Lakedaimon (257 f.), weiter nach Thera (51 f. 258 f.) und schließlich nach Libyen gelangt (6–8. 53–56. 259–262). Die Kyrenaier sind also direkte Nachkommen eines Argonauten, und damit steht ihre natürlich gegebene Kunstfertigkeit in der Seefahrt außer Frage. Freilich ist Euphamos nicht nur irgendein Argonaut, sondern Sohn des Poseidon (45. 172–175), der nicht nur Herr des Meeres (204. 207), sondern auch Herr der Pferde ist33 – in welcher Funktion er auch in 45 erscheint, wo Medea von Euphamos als υἱὸς ἱππάρχου Ποσειδάωνος (45) spricht. In der Person des Poseidon-Sohnes Euphamos konvergieren damit in natürlicher Weise die Künste der Schiffahrt und des Wagenlenkens, und ihre metaphorischsachliche Parallelität wird personifizierend auf einen einzigen Urheber zurückgeführt – freilich auf der Grundlage der mythischen Tradition, die Euphamos im 6. Jahrhundert offenbar nicht nur als Argonauten, sondern auch als kunstvollen Wagenlenker kennt.34 In diesem Rahmen stellt der Wechsel der Kyrenaier von der Seefahrt zum Wagenrennen sicherlich keinerlei Schwierigkeiten dar, sondern läßt sie dieselbe Tätigkeit in bloß anderer Gestalt ausüben; sie, die Argonauten ihrer Zeit, gehen ihrer natürlichen Begabung den geänderten Umständen entsprechend zu Lande, aber ebenso kunstfertig wie früher zu See nach, und dies gilt insbesondere für Arkesilaos, der nicht nur König aller Kyrenaier ist, sondern über alle anderen Griechen bei den Pythien siegen konnte: Er ist sozusagen der moderne Argonaut schlechthin. 32 Dem steht nicht entgegen, daß in Kyrene wohl tatsächlich ein gewisser Wechsel von Delphinen zu Pferden stattgefunden hat, denn Münzen der frühesten Zeit zeigen Delphine, Münzen späterer Zeit Wagengespanne als Wahrzeichen der Stadt (s. Braswell 1988 85). 33 Pferdegott ist Poseidon insbesondere in O. 13, 69, P. 6, 50, I. 1, 52–54, pae. 15, 1–3, fr. 243 (vgl. O. 5, 21); s. allgemein Detienne (1971), Burkert (1977) 217 f. Als Poseidon Petraios ist er Vater aller Pferde (vgl. Σ P. 4, 246), und als dieser erscheint er auch in 138 (zur Alliteration s. Silk 1974 224–228); Pferde- und Seegott zugleich ist er z. B. in Aristoph. Equ. 551–564, Nonn. Dion. 37, 310. Im olympischen Hippodrom wurde er als Poseidon Hippios verehrt (obgleich nur einer der göttlichen Patrone des Pferdesports, ist er hervorgehoben: s. Sinn 2004, besonders 46 f.; vgl. Paus. 5, 15, 5 f.; vgl. oben Anm. 29). 34 Bei Pelias’ Leichenspielen siegt er im Wagenrennen: vgl. die Kypseloslade und den Amphiaraos-Krater (s. Braswell 1988 22 f. 126 f.; vgl. Paus. 5, 17, 9). Vgl. Graham (1978) 64 f.

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

191

5.3.2Euphamos und sein Siegpreis Die in Medeas Metapher implizierte Parallelität von Seefahrt und Wagenrennen hat nicht nur in den Kyrenaiern ihr intendiertes Bezugsobjekt, sondern im Gegenzug auch in den zur See fahrenden Argonauten, denn diese sind in entsprechender Weise als Wagenlenker dargestellt. Angesichts der Bedeutung des Euphamos, des gleichermaßen in Schiffahrt und Wagenlenken bewanderten Vorfahren aller Kyrenaier, in der Pindarischen Darstellung der Argonautenfahrt ist dies auch keineswegs unwahrscheinlich – doch es zeigen sich weitere Belege, insbesondere in dem auf die soeben untersuchte Passage folgenden Abschnitt 19–37: Hier erzählt Medea davon, wie ihnen in der libyschen Wüste unmittelbar vor dem Aufbruch am Tritonischen See (20 f.) der Gott Triton in Gestalt des Menschen Eurypylos begegnet sei35 und ihnen diejenige Erdscholle überreicht habe, die die spätere Besiedlung Libyens von Thera aus legitimiert (19–37). Insofern Medea den Anker, den die Argonauten in der Vorbereitung des Aufbruchs gerade ans Schiff hängen (24 f.), mittels einer Apposition metaphorisch als θοᾶς Ἀργοῦς χαλινόν (25) – also als ‚Gebißstück des Pferdes Argo‘, mit dem es über die Zügel gelenkt wird – bezeichnet,36 werden nicht nur Zügel und Gebißstück gleichgesetzt, sondern es wird zugleich die Argo als Pferd, genauer: Wettkampfpferd (s. o. Kap. 5.3.1) beschrieben. Entsprechend ist das Schiff genauso „schnell“ (25: θοᾶς) wie die Pferde der Kyrenaier (17: ἵππους … θοάς),37 und ebenso ist sein Anker „bronzekiefrig“ (24: χαλκόγενυν), so daß es ein visuelles Attribut eines Pferdes erhält.38 Die metaphorische Par35 Zum Verständnis von 28 f. s. Fraenkel (1963) 105, der zu Recht darauf hinweist, daß πρόσοψις primär nicht πρόσωπον bedeutet (so auch Long 1964 239 f.). Anders faßt das Wort Braswell (1988) 106 f., doch besteht kein Grund für eine Bedeutungseinengung: Entscheidend ist die gesamte Erscheinung der Person Eurypylos und nicht nur ihr Gesicht (vgl. 76–92) – auch wenn abstrakte Nomina auf -σις generell eine konkrete Bedeutung annehmen können (s. Long 1968 14–18, allgemein KG § 346 2–5, insbesondere 2). 36 S. LSJ s. v. sowie allgemein zum Gebißstück Anderson (1961) 40–78. 37 Zwar ist θοός ein konventionelles Attribut von Schiffen (s. Braswell 1988 100 f.), doch betont die Wiederholung die metaphorische Parallelität von Gespann und Schiff. 38 Zu den Ankern griechischer Schiffe (die sich am Bug befanden) s. Casson (1971) 250– 258; sie bestanden teils gänzlich aus Eisen und ähneln auch damit den ebenfalls aus Eisen (oder Bronze; χαλκός bezeichnet speziell in der Dichtung auch allgemein ‚Metall‘: s. LSJ s. v. II) gefertigten Gebißstücken (s. Anderson 1961 73–75; Tafel 33 zeigt vier auf 550– 490 v. Chr. datierte, in Olympia gefundene Gebißstücke, wohl Weihgaben [eins aus Bronze, drei aus Eisen]; Gebißstücke aus Bronze wurden z. B. in Delphi, Dodona und Olympia gefunden [Anderson 1961 75]). Das Adjektiv χαλκόγενυς bedeutet damit nicht ‚einen bronzenen Kiefer habend‘, sondern ‚ein bronzener Kiefer seiend‘; vgl. χαλκ]έɅοπ’ αὐλῶν ὀμφάν (pae. 3, 94) und ἴυγγα τετράκναμον … ἐν … ζεύξαισα κύκλῳ (214 f.; von Aphrodite), wo τετράκναμος ‚vier Speichen seiend‘ bedeutet (wie bei χαλκόγενυν [24] proleptisch: vgl. KG § 405 3; zur oftmals erst im Sinnzusammenhang festgelegten Bedeu-

192

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

allelisierung operiert also wie in 17 f. auf visueller und nicht auf funktionaler Grundlage: Während ein Gebißstück dem Pferd die Befehle des Wagenlenkers übermittelt, soll der Anker das Schiff still an einer Stelle halten.39 Diese Gleichsetzung findet noch weitere textliche Unterstützung: 1) Euphamos steigt von der Argo wie von einem Pferd (oder Pferdegespann) ab: Während das verwendete Verb καταβαίνειν (22) für das Verlassen eines Schiffes nicht üblich ist, bezeichnet es oftmals das Absteigen von Pferd oder Wagen.40 Hiermit erklärt sich auch, wie Euphamos überhaupt vom Bug herabsteigen bzw. ans Ufer springen (36: ἐπ’ ἀκταῖσιν θορών) kann, denn während dies bei einem Schiff wegen der Höhe und Weite nicht leicht möglich sein dürfte, ist dies bei einem Wagen oder Pferd (selbstverständlich) der Fall.41 2) Nur so erklärt sich, warum Euphamos während des Ankerlichtens vom Bug (22: πρῴραθεν) springen kann, denn dies überrascht insofern, als Schiffe gewöhnlich mit dem Heck zum Ufer ankerten und dort mit den Hecktauen festgemacht wurden; die Anker wurden vom Bug ins tiefere Wasser hinabgelassen:42 Bei einem gewöhnlichen Ankerlichten wäre Euphamos’ Sprung also überhaupt nicht möglich. Wenn hier allerdings die Argo metaphorisch als Pferd (oder Gespann) gezeigt wird, kann erstens das im Bild gerade angeschirrte und zum Losreiten bereitgemachte Schiff in der richtigen Richtung (nämlich zur See) stehen und zweitens Euphamos in der Position des nach vorne schauenden Wagenlenkers erscheinen (der sich ja an anderer Position als der Steuermann befindet).43 Im Rahmen der (ebenfalls visuell operieren-

39

40 41 42 43

tung eines Kompositums s. Schwyzer I 428–431, allgemein 425–455). Die alternative Erklärung von ἄγκυραν … χαλκόγενυν – „objects that can ‚bite‘ can be said to have ‚jaws‘ (and ‚teeth‘)“ (Braswell 1988 99; vgl. Gildersleeve 1890 284) – erklärt nicht, warum überhaupt von einem beißenden Anker die Rede ist. Zur Verbindung von χαλινός und Kiefer vgl. O. 13, 85, Aischyl. Sept. 123 f. 206 f., Eur. Alk. 492. Vgl. insgesamt unten S. 207 Hinsichtlich der Funktion sind eher Gebißstück und Ruder parallel: vgl. Aischyl. Sept. 206 f., Opp. Hal. 1, 191 f. (mit Σ; vgl. Plut. Praecepta gerendae reipublicae 5). Wenig sinnvoll ist die Rede vom „‚bridle,‘ which recovers its function as an anchor“ (Calame 2003 46). Von der Metapher in 17 f. unterscheidet sich die in 24 f. dadurch, daß das Schiff hier mit dem Pferd, dort mit dem Wagenkasten parallel ist. Doch ändert dies nichts an der eigentlichen, Schiffahrt und Wagenlenken parallelisierenden Metapher, als deren variierende, dem situativen Kontext angepaßte Ausformungen beide Aussagen also zu verstehen sind. Vgl. LSJ s. v., insbesondere 1, Slater s. v.; vgl. Hom. Il. 5, 109, Hdt. 9, 76, 1, N. 6, 51. Für ein Schiff wäre z. B. ἀποβαίνειν oder ἐκβαίνειν zu erwarten (vgl. LSJ s. vv. I 1). Zum Herunterspringen vom Pferd vgl. z. B. Hom. Il. 3, 29; 8, 320; 10, 528; in P. 4, 36 liegt eine prägnante Konstruktion vor: vgl. KG § 447 A, insbesondere c. Wie in Apoll. Rhod. 3, 1278–1280 könnte aber auch die Übermenschlichkeit des Helden betont sein. S. hierzu Braswell (1988) 93 f.; vgl. Hom. Il. 1, 432–437, Apoll. Rhod. 3, 1278; zum Ruder s. Casson (1971) 224–228, zum Anker oben Anm. 38. Vgl. 191 f. (ἐμβόλου … ὕπερθεν). Dies dürfte der Grund für Euphamos’ Position sein. Alternativ könnte er πρῳρεύς sein (so Σ P. 4, 36c und 61; dagegen Braswell 1988 93), also mehr oder weniger erster Maat (allgemein zum πρῳρεύς s. Casson 1971 300–303). Hiergegen spricht (auch wenn er vornehm-

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

193

den) Metapher erweist sich das Bild also als stimmig, nicht jedoch im Rahmen der Beschreibung eines gewöhnlichen Ablegens44 – und so wird insgesamt auch die weitere (mithin auch die vorherige) Fahrt der Argo metaphorisch als Wagenrennen gedeutet, entsprechend der allgemeinen metaphorischen Gleichsetzung von Schiffahrt und Wagenrennen in 17 f. Diese findet sich auch in der auf das Ankerlichten (24 f.) folgenden Passage 25–27, in der Medea erzählt, daß die Argonauten vor ihrer Begegnung mit Eurypylos die Argo, vom Okeanos kommend, zwölf Tage lang „über die wüsten Rücken der Erde“ (26) getragen hätten: Insofern beim Wagenrennen genau zwölf Runden zu absolvieren waren,45 ist die Angabe der spezifischen Dauer des Tragens eine neue konkrete Ausformung der schon festgestellten grundlegenden Metapher, die hier einen neuen Aspekt der Parallelität beider Bereiche zeigt. Indem die räumliche in eine zeitliche Erstreckung umgewandelt wird,46 wird das Tragen der Argo durch die Wüste zu einem metaphorischen Wagenrennen – analog im übrigen zu den metaphorischen Ringkämpfen in Olympie 8 und Nemee 4, in denen die Siegesbedingung in gleicher Weise abstrahiert auf andere Bereiche übertragen wird: Das Wüstenrennen wird nämlich nicht gegen konkrete Gegner, sondern allein durch die absolulich als Argo-Wagenlenker gezeigt werden soll) nicht, daß gewöhnlich Lynkeus πρῳρεύς war (so Braswell 1988 93), denn dieser nimmt in P. 4 an der Fahrt nicht teil (s. u. S. 202– 204; insgesamt werden die nicht-thessalischen Teilnehmer in 169–191 aufgeführt). 44 Damit erklären sich gewisse sonderbare Züge der Darstellung, nämlich „(1) why the Argonauts were weighing anchor, and (2) how the ship was supposed to be moored so that Euphemus could leap from the prow on the shore“ (Braswell 1988 93). Zweiteres ist bisher unerklärt, und für ersteres – was sich im Rahmen der hier vorgeschlagenen Deutung ganz natürlich als Vorbereitung des Losfahrens mit dem Gespann Argo ergibt – muß man umständlich und ohne Berücksichtigung der Situation (die Argonauten haben die Wüste durchquert und wollen zügig weiterreisen: 32–34) annehmen, „that the Argonauts (a) first launched their ship on reaching Triton’s lake, (b) sailed through it to the river leading from it, (c) moored their ship somewhere along its bank […], and (d) were then weighing anchor to leave the region when the god appeared“ (Braswell 1988 94). 45 S. u. a. Ebert (1989) 101–104 und (1991); vgl. O. 2, 50, O. 3, 33, P. 5, 33 (hierzu Lee 1986 mit einer Widerlegung der Ansicht, hier seien sechs Runden gemeint). „Da ja die Pferde für ganz bestimmte Anforderungen an Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer trainiert werden mußten“ (Ebert 1991 27; vgl. Bell 1989 175), dürfte dies die allgemein zu absolvierende Distanz gewesen sein, damit überall gleiche Wettkampfbedingungen herrschten (vgl. unten S. 197 Anm. 61). Zwölf Tage dauert das Tragen zwar auch bei Apollonios Rhodios (4, 1386 f.), doch wird dies auf Pindars Darstellung zurückzuführen sein. 46 Da der griechische Akkusativ allgemein beide Erstreckungen bezeichnen kann (s. KG § 410 5), wird hier elegant eine zyklische räumliche Erstreckung im Hippodrom (die Runde) in eine zyklische zeitliche Erstreckung in der Wüste (den Tag) und eine lineare zeitliche Erstreckung im Hippodrom (die Zeit) in eine lineare räumliche Erstreckung in der Wüste (die Wegstrecke) transformiert und damit die zeitliche mit der räumliche Dimension (und umgekehrt) vertauscht. Dabei bleibt der zyklische Charakter der Strecke erhalten, so daß kein Bedeutungsverlust eintritt. Die Transformation ist im übrigen insofern notwendig, als der Weg durch die Wüste kaum zyklisch sein darf.

194

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

te Leistung gewonnen – wie auch das metaphorische Wagenrennen zur See in 17 f.47 Der überragenden Leistung entsprechend werden die Argonauten vom Gott Triton mit der Erdscholle belohnt, deren Überreichung sich im Rahmen der Metapher – ähnlich wie Peleus’ Belohnung nach seinem Sieg über Thetis in Nemee 4, der ja auch der Gesamtsieg der Familie war (s. o. Kap. 4.5) – als metaphorische Siegerehrung verstehen läßt, genauer als eine Art Phyllobolie, wie sie gewöhnlich (wie hier) unmittelbar nach dem Sieg stattfand: In ihr wurde der Sieger bekränzt, mit Blüten beworfen und / oder mit anderen Geschenken beschenkt.48 In diesem Sinne wird der Erhalt der Erdscholle (mithin die spätere Euphamiden-Herrschaft über Libyen) zur Belohnung für einen Sieg in einem (metaphorisch sportlichen) Wettkampf.49 Dieses Verständnis wird durch eine enge strukturelle Parallele gegen Ende des Liedes gefestigt, wo Iason von seinen Gefährten für das Bestehen der Pflugprobe (ebenso metaphorisch ein sportlicher Wettkampf: s. u. S. 204– 207) in ähnlicher Weise geehrt wird (239–241), denn sie bekränzen ihn genauso mit improvisierten Siegeskränzen aus Gras und begrüßen ihn mit freundlichen Worten (240 f.: στεφάνοισί τέ νιν [sc. Iason] ποίας ἔρεπτον, μειλιχίοις τε λόγοις ἀγαπάζοντι), wie Triton die Argonauten mit freundlichen Worten begrüßt (29 f.: φιλίων δ’ ἐπέων ἄρχετο) und Euphamos mit der Scholle ein improvisiertes Geschenk überreicht (besonders 35: προτυχὸν ξένιον).50 Auch wenn Tritons primäre Motivation in der Situation zweifellos die Gastfreundschaft (22. 30. 35) ist, zeigt die enge Parallele dennoch, daß wir Tritons Geschenk (auch) als Siegpreis verstehen sollen51 – zumal auch Iasons Argonauten primär durch ihre Freundschaft motiviert sind, wie nicht zuletzt Aietes’ entgegengesetzte, unaufrichtige Reaktion bestätigt (s. u. S. 221). Damit werden Belohnung und (Gast-) Freundschaft eng verbunden. Diese ist Grundlage der angemessenen Anerkennung einer (sportlichen) Leistung52 – die tatsächlich als groß gelten darf: Die Argonauten haben die Ar47 Vgl. das metaphorisierte Fackelrennen in Aischyl. Ag. 281–314, insbesondere 314 (mit Denniston – Page 1957 97 f.; vgl. Fraenkel 1962 2, 166–168). 48 S. allgemein Blech (1982) 109–126, besonders 125 f. und 112 f. (bezeugte Geschenke); vgl. Eratosthenes FGrH 241 F 14, P. 9, 123 f., P. 4, 239–241, N. 4, 19–22 (Phyllobolie / Bekränzung), ebenso die metaphorische Phyllobolie in P. 8, 56 f. (s. Nisetich 1975 58). 49 Die Erdscholle symbolisiert die Herrschaft über das gesamte Land (s. Nilsson 1920 / 1921, Strosetzki 1958, insbesondere 7–17, Braswell 1988 92 f.). Daß dieses Motiv verbreitet war, beweist nicht, daß Pindar die Begebenheit nicht erfunden haben könnte (so Jackson 1987 26 f.; vgl. unten S. 250 Anm. 297). Bei Apoll. Rhod. 3, 1278–1407 findet sich keine solche Bekränzung (was freilich auch andere Gründe hat: s. Köhnken 2000 66 f.). 50 Zur sich inhaltlich entsprechenden, in den Einzelheiten jedoch variierten erzählerischen Doppelung dieser Übergabe s. Pinsent (1985) 4, Braswell (1988) 112. 51 Vgl. Hom. Od. 8, 385–420 (mit Hainsworths Kommentar in Heubeck [u. a.] 1988 372). 52 Vgl. zur Freundschaft N. 3, 76–80, Slater s. v. φίλος (o. ä.) und oben S. 49 Anm. 139; s. speziell zu dieser Stelle Graham (1978) 61, Athanassaki (2003) 102 f. Die Lesart οὐδ’ ἀπίθησέ νιν (36), verstanden als „and he [sc. Eurypylos] did not fail to persuade him“ (Bras-

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

195

go innerhalb von nur zwölf Tagen vom Okeanos bis zum Tritonischen See in der Kyrenaia53 über mindestens 1000 km mit ihren Händen54 quer durch die Wüste (26: νώτων ὕπερ γαίας ἐρήμων; vgl. Hdt. 4, 191, 3) getragen: Selbst für einen Heros ist dies – schon anderswo als in einer Wüste – nicht leicht zu bewältigen. Die Belohnung durch Triton ist sachlich also gerechtfertigt.55 Bemerkenswert ist freilich, daß die Wüstendurchquerung überhaupt erzählt wird: Während die Argonauten etwa bei Hekataios (kaum überraschend) von Kolchis über den Phasis in den Okeanos und von dort über den Nil zurück ins Mittelmeer gelangen und dann heimfahren,56 hätten sie bei

53

54 55

56

well 1988 42. 144 f.; so schon Σ P. 4, 63a), überzeugt kaum, da nicht von einem Überreden die Rede ist, sondern vom ritualisierten Befolgen eines Gebots der Gastfreundschaft (vgl. 29–31 mit Herman 1987 58–69, besonders 59; vgl. B. Wagner-Hasel: „Geschenke. I. Griechenland“, DNP 4, 984–988, konkret Hom. Od. 9, 266–268) – zumal die Emphase der Litotes (vgl. Köhnken 1976, besonders 62; s. u. S. 252 Anm. 304) hinsichtlich eines Überredens nicht sinnvoll wäre (‚er überredete sogleich‘), denn es wäre die Notwendigkeit einer Überredung betont und die Argonauten erschienen als wenig religiös und als feindselig; „refusal to reciprocate was tantamount to a declaration of hostility“ (Herman 1987 60, insgesamt 58–69). Daher ist mit Hermann (und Snell – Maehler) οὐδ’ ἀπίθησέ ἱν zu lesen (also die Wortgrenze unter Annahme eines eingedrungenen ν ἐφελκυστικόν neu zu interpretieren), und zwar im Sinne von ‚und nicht gehorchte Euphamos Eurypylos nicht [d. h. ‚er gehorchte sogleich‘], sondern er [sc. Euphamos] nahm das Geschenk an‘. Hieraus ergibt sich nicht das Problem einer „awkward word-order“, insofern „the (normally) strong adversative particle ἀλλ’ should mark the change of the new subject ἥρως“ (Braswell 1988 115), denn ἀλλά drückt hier (wie gewöhnlich) den Gegensatz auf der Satzebene aus (vgl. GP 1; freilich kann der ἀλλά-Satz brachylogisch sein); dieser besteht zwischen δέξατο (37) und οὐδ’ ἀπίθησε (36), nicht zwischen οὐδ’ ἀπίθησε und ἥρως (36) (hierfür müßte das Subjekt von ἀπίθησε explizit benannt sein). So liegt die gewöhnliche, ausschließlich bezeugte (s. Kirkwood 1982 178, Braswell 1988 144) intransitive Verwendung des Verbs vor (vgl. formelhaft οὐδ’ ἀπίθησε in Hom. Il. 1, 220; 2, 166. 441 u. ö.). Der See ist nicht genau zu lokalisieren, aber die politische Aussage des Liedes spricht für eine Nähe zu Euhesperides (s. u., besonders Kap. 5.4.7; vgl. Delage 1930 265 f., der darauf hinweist, daß Eurypylos wohl ein mythischer vorgriechischer König der Kyrenaia ist: s. u. S. 251 Anm. 300). Dies ist auch die Lokalisierung bei Pherekydes (FGrH 3 F 75; s. Delage 1930 265), Kallimachos (fr. 37 Pf.; s. Delage 1930 268), Apollonios Rhodios (4, 1391. 1444. 1539; s. Delage 1930 261–270), Strabon (17, 3, 20, wo das unter den Ptolemäern an der Stelle von Euhesperides gegründete Berenike παρὰ λίμνην τινὰ Τριτωνίδα liegt), Diodoros (4, 56, 6); zu anderen Lokalisierungen (etwa bei der Kleinen Syrte bzw. als Kleine Syrte und weiter westlich) s. W. Huß: „Triton [2]“, DNP 12/1, 834, Delage (1930) 261– 270 und (1937) 125, Chamoux (1953) 83 Anm. 2 und 226 Anm. 6, Braswell (1988) 90. Hierauf weist auch ὕπερ (26) mit Genitiv hin: Es „bezeichnet die Oberfläche, aber nur ein Schweben über derselben oder eine leise Berührung derselben“ (KG § 435). Hier liegt also nicht „der Gedanke an ein südliches Land von überschaubarer Größe zugrunde“ (Zimmermann 1999 114), ganz im Gegenteil. Vgl. den Preis dieser Wüstendurchquerung bei Apoll. Rhod. 4, 1381–1387 (auch 4, 1375–1377) – die allerdings bei gleicher Dauer (12 Tage) einen ungleich kürzeren Weg umfaßt: Mit demselben Ziel beginnt sie an der libyschen Mittelmeerküste, wohl nahe der Großen Syrte (Delage 1930 253–261). Hekataios FGrH 1 F 18a; er läßt (wie auch andere) den Nil im Okeanos entspringen (s.

196

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Pindar vom Roten Meer, einem Teil des Okeanos (der durchaus auch das heute als Rote Meer bekannte Gewässer umfaßt),57 wenn sie schon nicht direkt durch den Nil gefahren wären, zwangsläufig nach vergleichsweise kurzer Wanderung zum Mittelmeer58 oder zum Nil und über diesen ebenfalls ins Mittelmeer gelangen müssen.59 Doch weder ist die Rede vom Nil noch vom direkten Weg zum Mittelmeer, sondern nur von einer beschwerlichen Reise durch die Wüste zum Tritonischen See, die, für sich betrachtet, hinsichtlich der geographischen Verhältnisse und der gesamten Reiseroute weder notwendig noch gerechtfertigt wäre – im übrigen auch dann nicht, wenn man berücksichtigt, daß die Übergabe der Scholle am Tritonischen See erfolgen muß, denn hierhin hätten die Argonauten auch im Rahmen einer ungleich kürzeren Wanderung (wie bei Apollonios Rhodios: s. o. Anm. 55) oder (es sind Argonauten) mit dem Schiff gelangen können. Wenn die Argonauten dieses Ziel freilich nach Vollbringen einer großartigen sportlichen Leistung erreichen, kann die Übergabe der Scholle (und damit der Herrschaft) poetisch auf elegante Weise als berechtigte Belohnung dargestellt werden: Die Übereignung der Herrschaft über das Land des späteren Kyrene an Euphamos, den Vorfahren der Kyrenaier und damit auch des jetzigen Königs Arkesilaos,60 wird durch einen Sieg in einem mythischen (metaphorischen) Wagenrennen legitimiert, also auf einen sportlichen Erfolg zurückgeführt. Insofern der Sieg der Argonauten in derjenigen Disziplin errungen wird, in der auch Arkesilaos bei den Pythien erfolgreich war, erscheint – da, wie ge-

57

58 59 60

Zimmermann 1999 77–79); den Weg über den Phasis in den Okeanos kennt auch Hes. fr. 241 MW; zu anderen Wegen s. Wehrli (1955), Gantz (1993) 362, Jacoby zum Hekataios-Fragment (FGrH 1a 323). Oft sind Hin- und Rückweg gleich (Soph. fr. 547 TrGF, Eur. Med. 432–434. 1261–1264, Herodoros FGrH 31 F 10, Kall. fr. 9 Pf., Diod. 4, 49). Daß bei Pindar das Rote Meer Teilmeer des Okeanos ist, ist das naheliegende Verständnis der unterschiedlichen Angaben zum Rückweg in 26 (ἐξ Ὠκεανοῦ) und 251 (ἔν τ’ Ὠκεανοῦ πελάγεσσι … πόντῳ τ’ ἐρυθρῷ); s. insbesondere F. Gisinger: „Okeanos“, RE 17, 2, 2345 f., insgesamt 2308–2349, vgl. Aischyl. fr. 192 TrGF. Zumindest ist dies wahrscheinlicher, als daß die Argonauten vom Okeanos in das Rote Meer und wieder zurück in den Okeanos gelangen, bevor sie Libyen durchqueren (so Braswell 1988 346, der auch eine Zwischenstrecke auf dem Nil nicht ausschließt). Das antike Rote Meer entspricht etwa dem heutigen Arabischen Meer, d. h. dem nordwestlichen Indischen Ozean, als dessen Gölfe der Persische Golf und das heutige Rote Meer galten (s. H. Treidler, B. Brentjes: „Erythra thalatta“, DNP 4, 106 f. sowie Gisinger a. a. O.). Wie die Formulierung nahelegt, dürfte in Hes. fr. 241 MW diese kurze Wanderung gemeint sein; eine weite Wanderung nach Westen oder durch ganz Libyen (d. h. Afrika: s. Zimmermann 1999 23–133) wäre hier kaum sinnvoll (vgl. Braswell 1988 345 f.). Zur antiken Geographie Libyens s. insbesondere Zimmermann (1999). Man beachte die Formulierung γαῖαν διδόντι (21), die nicht nur als Übergabe der βῶλαξ selbst (vgl. 37) verstanden werden kann (so Slater s. v. γᾶ, γαῖα a, Braswell 1988 92 f.), sondern auch als Übergabe des gesamten Landes (vgl. LSJ s. v. γαῖα und γῆ, insbesondere I 1 bzw. II sowie Slater s. v. γᾶ, γαῖα, insbesondere b); hierfür spricht auch die bald folgende (26) Verwendung von γαῖα in ebendiesem Sinne.

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

197

sehen, politische Macht auf dem Können im Sport beruht und diesem entsprechend von den Göttern verliehen wird – auch Arkesilaos’ jetzige Macht über Kyrene implizit als göttlich legitimiert: Auch er ist höchst kunstfertig im Wagenrennen, und zwar als herausragender Angehöriger eines Volkes, das in der Nachfolge des Argonauten Euphamos schon von Natur aus über diese Fähigkeit verfügt. Damit erscheint Arkesilaos’ Pythiensieg in der Parallele zum Sieg der Argonauten erstens als Sieg, der ebenso übermenschliche Leistungen erfordert hat (ein Rennen von zwölf Runden im Olympischen Hippodrom hatte eine Länge von etwa 14 km und wurde über etwa 20 bis 30 Minuten mit durchschnittlich 30 bis 45 km/h gefahren)61, und zweitens als Sieg, der dennoch mit heroischer Leichtigkeit errungen wurde und entsprechend um so bewundernswerter ist. Die metaphorische Spiegelung des sportlichen Sieges im Mythos preist Arkesilaos also nicht nur deutlich effektvoller, als es die unmittelbare Beschreibung der sportlichen Strapazen hätte leisten können, sondern legitimiert seine Herrschaft doppelt, indem sie sie auf den sportlichen Erfolg der Argonauten und seinen eigenen zurückführt. 5.3.3Die Euphamiden und das Wagenrennen In Medeas Prophezeiung erscheint auch die gesamte Geschichte der Euphamiden mitsamt der Gründung Kyrenes als metaphorisches Wagenrennen, denn die Stadt wird genau zwölf Generationen nach dem Auszug der Euphamiden aus der Peloponnes gegründet. Der zugrundeliegende, im Lied implizierte chronologische Hintergrund ist wie folgt: Die Euphamos übergebene Erdscholle (19–23. 42 f.) ist nicht nur die Voraussetzung der Stadtgründung, sie ist auch für die Verzögerung der Kolonisation verantwortlich, denn sie wird infolge der Unachtsamkeit der Diener von Bord gespült (38–41) und gelangt nach Thera (42 f.), also zum Ort von Medeas Prophezeiung (42). Wäre die Erdscholle, wie Medea den Dienern aufgetragen hatte (40 f.), bewacht und nicht von Bord gespült worden, hätte Euphamos selbst sie bei sich zu Hause am Tainaros hinwerfen (43 f.) und seine Nachkommenschaft (48: αἷμά οἱ) schon in der vierten Generation (ἐπιγεινομένων [47]: „born after“)62 zusammen mit den Danaern63 das weite Festland Libyens in Besitz nehmen können (43–48).64 In dieser vierten 61 62 63 64

Lee (2001) 37; die Distanzen in Delphi waren wohl identisch (vgl. oben S. 193 Anm. 45). S. Braswell (1988) 127 f.; vgl. oben S. 93 f. Anm. 42. Zu den Danaern hier s. insbesondere Braswell (1988) 128 f. Da sowohl aus textexterner als auch aus Medeas textinterner Sicht die in 43–46 formulierte Bedingung unerfüllbar ist (die Scholle ist schon von Bord gespült worden), erklärt sich die Wahl des Aorists in Protasis und Apodosis (s. allgemein KG § 574 bzw. KG § 572 2; vgl. § 392 6); entsprechend ist auch ein futurisches Bedingungsgefüge weniger

198

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Generation würden sie nämlich die Peloponnes verlassen (48 f.), anscheinend infolge der Rückkehr der Herakliden, d. h. der Dorischen Wanderung, durch die die vordorische Bevölkerung verdrängt wird.65 Auffällig ist, daß sich die Chronologie nicht an den Euphamiden selbst (wie man angesichts von αἷμά οἱ [48] hätte erwarten sollen) oder an den vordorischen spartanischen Königen (mit Tyndareos als Euphamos’ Zeitgenossen, Menelaos, Orestes und Teisamenos wäre man in der dritten Nachkommengeneration, in der die Herakliden die Peloponnes erobern: Paus. 2, 18, 6– 9) orientiert, sondern am Geschlecht der Herakliden, also an den sich erst etablierenden dorischen spartanischen Königen: Nur hier nämlich befindet man sich in der vierten Nachkommengeneration (Herakles als Euphamos’ Zeitgenosse [vgl. 171 f.], Hyllos, Kleodaios, Aristomachos, Aristodemos).66 Dies überrascht allerdings, da die nach Thera auswandernden Euphamiden in keiner genealogischen Beziehung zu den Eroberern stehen. Doch läßt sich bei näherer Betrachtung erkennen, daß keine andere Generationenzählung möglich gewesen sein dürfte, denn allem Anschein nach hat es lakedaimonische Euphamiden niemals gegeben.67 Zumindest gilt dies für Pythie 4: Euphamos findet in der von Medea referierten Gründungsgeschichte (50– 56) nach Nicht-Eintritt der hypothetischen Zukunft eine Nachkommenschaft in den Betten fremdländischer Frauen (50 f.; vgl. 254–257), so daß es lakedaimonische Euphamiden nur dann gegeben hätte, wenn die Scholle nicht verlorengegangen wäre. Damit ist nicht nur deren Auswanderung aus der Peloponnes selbst fiktiv, sondern auch das gesamte auswandernde Geschlecht.68 In diesem Fall ließen sich nach ihm aber nur schwerlich die anderen fiktiven Ereignisse datieren, und die Generationenfolge der fiktiven Euphamiden selbst muß auf ein anderes Geschlecht zurückgeführt werden. Hierfür boten sich die Herakliden an, zumal durch den Verweis auf sie zugleich der Grund für die Auswanderung benannt ist.69 Damit erweist sich die passend (so z. B. Braswell 1988 122 f.; vgl. Kocevalov 1930 49–51). 65 Auch wenn die Historizität der Dorischen Wanderung heute höchst zweifelhaft ist, stand sie für die Griechen fest (vgl. z. B. Thuk. 1, 12, P. 5, 69–73, auch oben S. 112 f. Anm. 113). 66 S. Gildersleeve (1890) 285 f., Braswell (1988) 127 f.; s. u. S. 200 f. Anm. 75 f. (vgl. zur allgemeinen Bedeutung der Genealogie die Philaiden: Möller 1996). Nach spartanischer (und offenbar auch Pindarischer) Version erobert Aristodemos mit seinen Brüdern Temenos und Kresphontes die Peloponnes und erhält Lakedaimon (Hdt. 6, 52); er stirbt aber zumeist vor Abschluß der Eroberung. Sie wird erst durch seine Brüder und seine Söhne Eurysthenes und Prokles beendet (vgl. Apollod. 2, 8, 2–5, Paus. 2, 18, 7; 3, 1, 6). 67 Vgl. den wenig überzeugenden Versuch Maltens (1911) 109–142, solch einen Familienteil glaubhaft zu machen (dagegen Chamoux 1953 69–91). 68 Nach Σ P. 4, 79b hat Euphamos am Tainaros Laonome (als Amphitryons und Alkmenes Tochter Herakles’ Schwester) zur Frau; nach Σ P. 4, 455b hat er auf Lemnos von Lamache eine Tochter Leukophane. 69 Die Generationenzählung in 47 ist also, da nicht auf den Euphamiden beruhend, absolut, und daher ist auch die Genitivkonstruktion (die nicht von αἷμά οἱ [48] abhängen

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

199

gesamte Apodosis (47–49) als Fiktion, die nur dazu dient, ein Gegenstück zur tatsächlichen Gründungsgeschichte Kyrenes zu bilden (doch s. u.). Diese wird wie folgt erzählt: Das auf Lemnos gezeugte (50 f. 254–257) Geschlecht der Euphamiden gelangt nach Lakedaimon (257 f.) und von dort nach Thera (258 f.), von wo aus Apollon es nach Libyen zur Gründung von Kyrene schickt (53–56. 259–262); hierbei wird insbesondere Battos als Mitglied dieses Geschlechts hervorgehoben (51–53). Mit dieser knappen Schilderung stimmt die ausführlichere Herodots, des zeitlich nächsten Zeugen, in den wesentlichen Punkten überein70 – obgleich sie nach dem Ende der Königsherrschaft in Kyrene (440 v. Chr.?: s. u. S. 224 Anm. 185) verfaßt wurde (vgl. 4, 163) und obgleich zwei Varianten (eine theraiische und eine lakedaimonische) angeführt werden. Diese unterscheiden sich freilich vor allem in Hinsicht auf Battos’ Rolle71 und beinhalten beide gleichermaßen die folgenden Ereignisse (4, 145–149): Die Kindeskinder der Argonauten (4, 145, 2: τῶν ἐκ τῆς Ἀργοῦς ἐπιβατέων παίδων παῖδες) wurden von Pelasgern aus Lemnos vertrieben72 und gingen nach Lakedaimon, wo sie um Aufnahme baten und vorbrachten, daß sie mit den Argonauten dieselben Stammväter wie die Lakedaimonier hätten; sie wurden aufgenommen und mit Lakedaimonierinnen verheiratet, doch nicht lange danach beschloß man, die Ankömmlinge zu töten, da sie zu viel politische Mitsprache einforderten; schließlich ließ man sie das Land verlassen, und während der größte Teil von ihnen in andere Gebiete auswanderte, schloß sich ein kleiner Teil einem gewissen Theras an, der Siedler nach Kalliste, das später nach ihm benannte Thera, führte. Trotz der generellen Übereinstimmung fallen drei Abweichungen zu Pindars Version auf: Erstens liegt eine Einschränkung auf Euphamos’ Nachfahren vor. Zweitens ist Euphamos’ Geschlecht ein fremdländisches (50 f.: ἀλλοδαπᾶν … γυναικῶν ἐν λέχεσιν; 254 f.: ἐν ἀλλοδαπαῖς … ἀρούραις); dies wird kann) absolut zu fassen (anders Braswell 1988 127 f.). Die Generationenzählung schließt aus, daß das Verlassen der Peloponnes mit der äolischen Wanderung (vor der Rückkehr der Herakliden) in Verbindung steht, denn diese führt Penthilos, Atreus’ Urenkel, an; sie findet also in der dritten Nachkommengeneration statt. Die Vertreibung ergibt sich wohl auch aus ἐξανίστανται (49; s. Braswell 1988 129 f.; doch vgl. unten S. 201 Anm. 77). 70 Hdt. 4, 145–158; zur Vereinbarkeit s. Malten (1911) 107 f. (insgesamt 95–108), Calame (2003) 86–108. Pindars Version verläuft geradliniger und ist auf einen Preis des Battos ausgerichtet: Während hier Battos nur ein einziges Orakel gegeben wird und er sich sogleich auf den Weg macht, gibt es bei Herodot mehrere Orakel, und Battos wirkt unentschlossener und weniger tatkräftig. Eine weitere Version bietet Menekles FGrH 270 F 6. 71 S. Hdt. 4, 150, 1; 4, 154, 1. Angesichts des politischen Umbruchs in Kyrene nicht lang zuvor ist bemerkenswert, daß Battos in der kyrenischen Variante (4, 154–158) deutlich positiver als in der theraiischen (4, 150–153) dargestellt wird. Dies dürfte seinen Grund darin haben, daß „regardless of the regime […], Cyrenians were proud of the exploits of the first settlers and first founder and king“ (Malkin 2003 158, insgesamt 157–160; vgl. 169). Zu einem Vergleich beider Varianten s. Osborne (1996) 8–17, Malkin (2003). 72 S. zu dieser Episode Hdt. 6, 137–139 (vgl. 5, 26 sowie Thuk. 4, 109, 4).

200

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

durch Λακεδαιμονίων μιχθέντες ἀνδρῶν ἤθεσιν (257 f.) in sinnvoller Weise dahingehend ausgeräumt, daß es mit dem Aufenthalt in Lakedaimon ein griechisches Geschlecht wird73 (vgl. P. 5, 72–83, wo einzig die spartanische Abstammung Erwähnung findet).74 Drittens läßt Herodot die Euphamiden in der zweiten Nachkommengeneration Lakedaimon erreichen (als „Kindeskinder“ der Argonauten), nicht hingegen wie Pindar in der vierten Nachkommengeneration – obgleich sie auch bei Herodot kurz nach der dorischen Wanderung nach Lakedaimon gelangen: Theras ist der Onkel der Aristodemos-Söhne Eurysthenes und Prokles und übt als ihr Vormund (der Vater verstirbt nach ihrer Geburt) die Herrschaft aus (Hdt. 4, 147, 1–3; 6, 52). Da Aristodemos als einer der Herakliden die Peloponnes erobert, ist die Ankunft der Lemnier direkt nach der dorischen Wanderung anzusetzen, also ungefähr zu demselben Zeitpunkt, an dem die fiktive Gründung von Kyrene durch die vordorischen Peloponnesier stattgefunden hätte. Nicht zuletzt dies beweist, daß diejenigen Euphamiden, die Kyrene gründeten, keine Beziehung zur vordorischen (in 47 f. gemeinten) Bevölkerung gehabt haben können – die aber wiederum als fiktive Rückprojektion der tatsächlichen Verhältnisse dient. Vor dem Hintergrund dieser komplizierten Chronologie ergibt sich in Hinsicht auf Pythie 4, daß – da die tatsächliche Gründung von Kyrene in der 17. Generation stattfinde (10), die dorische Wanderung hingegen für die fünfte Generation anzusetzen ist – zum einen die Gründung Kyrenes genau zwölf Generationen später als unter anderen Umständen möglich stattfand und daß zum anderen von der Ankunft der Euphamiden in Lakedaimon bis zur Gründung Kyrenes ebenfalls genau zwölf Generationen vergehen. Dabei bezieht sich die Zählung der 17. Generation offenbar auf die Generationen der dorischen spartanischen Könige (ab dem Doppelkönigtum seit Eurysthenes die Agiaden, die bedeutendere Linie),75 was wiederum nicht nur eine formale Konsistenz der Generationenzählung ergibt, sondern auch eine histo73 So könnte ἤθεσιν (258) in doppeltem Sinne zu verstehen sein („abodes“ und „customs“: Braswell 1988 355). 74 Anscheinend ist dies das gewöhnliche kyrenische Selbstverständnis: vgl. neben P. 5, 72– 76 (s. Krummen 1990 130–141) Kall. h. 2, 72–75, Syn. Ep. 113 und die bei Krummen (1990) 135 Anm. 13 angeführten Stellen. Die dorische Tradition zeigt sich nicht nur im Dialekt, sondern auch in der Verehrung des Apollon Karneios mitsamt dem Begehen der Karneen (vgl. Kall. h. 2, 71–89; s. Krummen 1990 130–141, Malkin 2003 164–166). 75 Eine Liste der Agiaden gibt Hdt. 7, 204 (die niedrigere Stellung der Eurypontiden zeigt Hdt. 6, 51 f.); s. insgesamt M. Meier: „X. 2. Könige von Sparta“, DNP S1, 180–183. Zur inklusiven Generationenzählung vgl. Kall. h. 2, 74, wo ἕκτον γένος Οἰδιπόδαο Theras als Polyneikes’ Ur-Ur-Enkel, also die (einschließlich Oidipus) sechste Generation bezeichnet (s. Williams 1978 68 f.). Da die Wörter γενεά und γένος nicht gleichbedeutend mit παῖδες sind (der Bezugspunkt ist ein anderer), liegt keine Parallele zu einer angenommenen, sachlich aber ausgeschlossenen inklusiven Zählung von Aiakos’ Nachkommen in O. 8 vor (s. o., insbesondere Kap. 3.3.2).

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

201

risch korrekte Bestimmung des Zeitraums der Stadtgründung, denn zur Zeit der Gründung Kyrenes (631 v. Chr.) dürfte in Sparta als 16. Nachkomme des Herakles und damit in der 17. (inklusive gezählten) Herakliden-Generation Anaxandros regiert haben, dessen Regierungszeit wohl in den 2. Messenischen Krieg fällt (ca. 635/25–610/00).76 Diese seltsame Konstruktion in Verbindung mit der auffälligen, anders nicht erklärbaren Generationenzählung erklärt sich damit, daß hierdurch das zwischen dem Aufbruch aus Lakedaimon und der Ankunft in Kyrene Geschehene erstens metaphorisch als Wagenrennen gedeutet werden kann, das die Euphamiden zweitens siegreich bestehen und dessen verdienter Siegpreis drittens Libyen und Kyrene ist77 – alles in bedeutungsvoller Parallele zum metaphorischen Wagenrennen der Argonauten durch die Wüste, das Euphamos ebendiese Herrschaft über Libyen ursprünglich sicherte. Der Endpunkt des Wagenrennens der Euphamiden / Kyrenaier – begonnen durch den Dorier Theras, der der entscheidenden, fünften Generation des Aristodemos angehört – ist dabei Battos’ mehrmals erzählte Ankunft in Delphi, denn ebenso wie Triton Euphamos spontan begrüßt und beschenkt (insbesondere 30: ἄρχετο, 31: πρῶτον),78 wird auch Battos (also in einer Art Phyllobolie, die die würdige Entgegnung auf die große Tat ist) spontan begrüßt und beschenkt 76 Zu Anaxandros s. Paus. 3, 3, 4; 4, 15, 1–3, zur Datierung des 2. Messenischen Krieges Parker (1991). Auch bei den Eurypontiden dürfte die 17. Generation regiert haben, nämlich Laotychidas (s. Paus. 4, 15, 1–3, zur Königsliste Hdt. 8, 131): Zwar bestimmt z. B. Parker (1991) 36 den Anfang von dessen Herrschaft auf ca. 615 v. Chr., doch ist dies lediglich ein Schätzwert aufgrund der durchschnittlichen Generationenlänge (Anm. 60). Eine Übersicht über die Gründungsdaten Kyrenes gibt Malten (1911) 190–193 (vgl. Chamoux 1953 120–124). Hier ist jedoch aus drei Gründen 631 v. Chr. anzusetzen: Erstens scheint dieses Datum auf Herodots Zahlen zu basieren, die wegen ihres hohen Alters prima facie verläßlicher als die anderen, deutlich späteren antiken Angaben erscheinen und die (was entscheidender ist) diejenigen gewesen sein dürften, die man zu Pindars Zeiten für richtig hielt (weswegen hier die Frage ihrer tatsächlichen Korrektheit unerheblich ist). Zweitens muß das andere exakte Gründungsdatum (762 v. Chr.) deswegen ausscheiden, weil es offenbar eine rein hypothetische Rekonstruktion aufgrund von Pindars Generationenzählung ist (s. Malten 1911 190–193); diese ist jedoch keine Zählung der Euphamiden-, sondern der Heraklidengenerationen. Drittens entsprechen einem Gründungsdatum um 631 v. Chr. die archäologischen Zeugnisse (s. Chamoux 1953 115–127, Boardman 1966 152 und 1994 143, Malkin 2003 162 f. mit Anm. 25). 77 Die Sportmetapher könnte durch ἐξανίστανται (49) gestützt sein, da dieses Verb geläufig den Rennstart bezeichnet haben könnte (zumindest in den läuferischen Disziplinen, denkbarerweise auch in den hippischen): Vgl. Herodots (8, 59) Schilderung einer Beratung über das Vorgehen nach dem Fall Athens, in der unter Benutzung dieses Wortes (mit hinzugefügtem, das zeitliche Verhältnis ausdrückendem προ-) der korinthische Stratege Adeimantos Themistokles vorhält, daß diejenigen, die in einem Rennen zu früh starteten, von den Schiedsrichtern gemaßregelt würden (ἐν τοῖσι ἀγῶσι οἱ προεξανιστάμενοι ῥαπίζονται; vgl. Plut. Them. 11, 3; zur Sache s. Decker 1995 123 f., Crowther – Frass 1998). 78 S. insbesondere zu πρῶτον (31) Kirkwood (1982) 178.

202

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

(59–63, insbesondere 60: αὐτομάτῳ κελάδῳ),79 und zwar mit demselben Geschenk, der Herrschaft über Libyen. Erst in diesem Rahmen lösen sich zwei schwerwiegende Probleme des Textes: Erstens zeigt sich ein hinreichender Grund für die prima vista höchst merkwürdige Verzögerung der Kolonisation (die demzufolge für diesen konkreten Erzählzusammenhang erfunden worden sein dürfte),80 und zweitens für die Verwendung des seltsamen chronologischen Maßes: Beides zusammen erlaubt, die mythischen Ereignisse als metaphorisches Wagenrennen zu deuten, das die (dorisierten) Euphamiden so siegreich bestehen, daß sie als Siegpreis die Herrschaft über Libyen erhalten – und zwar in einer (wie sich schon am Siegpreis zeigt) sowohl zum Argonautenmythos der vierten Pythie als auch zu Arkesilaos’ Sieg parallelen Weise. 5.3.4Die Argonauten und das Wagenrennen Die metaphorische Deutung der Argonautenfahrt als metaphorisches Wagenrennen begegnet nicht nur am Liedanfang, sondern auch im zweiten Mythosteil, der die Vorgeschichte und die Gefahren der Argonautenfahrt erzählt (70–262): Erstens wird die gesamte Fahrt allgemein als mühevoller Wettkampf charakterisiert. So fordert nämlich zum einen Pelias Iason zum Besorgen des Goldenen Vlieses mit den Worten τοῦτον ἄεθλον ἑκὼν τέλεσον (165: „diesen Wettkampf vollende bereitwillig“) auf, 81 wodurch die Fahrt (dem durchgängigen Wortgebrauch bei Pindar entsprechend) zum „contest“ wird,82 und zum anderen ist die gesamte Unternehmung eine „Mühe“ (178: πόνον), was (wie so oft) auf die Mühe des Wettkampfes verweist.83 Zweitens wird die Teilnehmerzahl der Expedition sportmetaphorisch mit dem Attribut der erfolgsgarantierenden Vollständigkeit belegt: Insofern nämlich mit Iason als Kapitän (insbesondere 194), den Zeussöhnen Hera79 S. Parke (1962), Braswell (1988) 144–146, insbesondere 144: „i.e. without his having asked a question first“; ἀνακρινόμενον (63) ist also als ‚als du dabei warst zu fragen‘ zu verstehen (vgl. Schwyzer II 259 und oben S. 90 Anm. 26). 80 Außerdem erklärt sich hiermit, warum die Gründung nicht direkt von Lakedaimon aus erfolgte, sondern über Thera führte; s. insbesondere Strosetzki (1958) 11–13. 81 Vgl. Graham (1978) 179. 82 Vgl. Slater s. v. ἄεθλος. Bei 40 Belegen in den Epinikien wird ἄεθλος abgesehen von dieser Stelle einzig in O. 1, 84, P. 4, 220 und I. 6, 48 in (primär) nicht-sportlichem Kontext verwendet (laut Slater s. v. b im Sinne von „task“), doch zeigt eine nähere Betrachtung, daß die scheinbare ‚Aufgabe‘ immer metaphorisch als ‚Wettkampf ‘ gedeutet wird (s. u. S. 206 zu P. 4, 220; vgl. Slater s. v. ἄεθλον, dazu Gerber 1982 15 sowie 130 zu O. 1, 84). 83 Vgl. O. 5, 15, P. 5, 54, I. 1, 42, insbesondere I. 3/4, 17b (τετραοριᾶν πόνοις: „mit den Mühen mit den Viergespannen“), auch O. 6, 11, I. 1, 40 (πονεῖν), I. 1, 46 (μόχθος), P. 5, 47 (κάματος); zum Gymnischen vgl. oben S. 137 f. Anm. 67.

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

203

kles, Polydeukes und Kastor (171 f.), den Poseidonsöhnen Euphamos und Periklymenos (172–175),84 dem Apollonsohn85 Orpheus (176 f.), den Hermessöhnen Echion und Erytos (178 f.), den Boreassöhnen Zetes und Kalais (179–183)86 und schließlich Mopsos (189–191. 200 f.)87 insgesamt zwölf Argonauten an der Fahrt teilnehmen (und dies in keiner anderen bekannten Darstellung der Fall ist und insbesondere auch bei Pindar an anderer Stelle andere Argonauten genannt sind)88, dient die Zahl 12 (wie in der Medea-Prophezeiung zur Charakterisierung der Wüstendurchquerung und der Genera84 Man könnte αἰδεσθέντες ἀλκάν (173) anstatt als „with a feeling of awe for their valour“ oder „with an awe-filled respect for their valour“ (Braswell 1988 253, vgl. Σ P. 4, 308, Christ 1896 161, Burton 1962 161 f.) passivisch (vgl. KG § 377 4 b, auch Schwyzer II 240) mit hinzutretendem Akkusativobjekt (vgl. KG § 410 6) als ‚hinsichtlich ihrer Stärke voller Ehrfurcht betrachtet‘ verstehen, und zwar als preisendes Attribut ihrer Kampfeskraft, inhaltlich parallel zu εὐαίνητος Ὀρφεύς (177) und zu Iason selbst (86). Zweifellos richtig ist jedoch, daß das Partizip nicht das Kommen begründen kann (so Mezger 1868 76, Gildersleeve 1890), da der Grund für alle Argonauten der in 184–187 genannte ist (s. Braswell 1988 253). Das umstrittene Adjektiv ὑψιχαῖται (172) bezeichnet wohl eine Haartracht (Schroeder 1922 43, Kirkwood 1982 189, Braswell 1988 252; anders Maxwell-Stuart 1976), allerdings nicht bloß eine „archaic und distinguished“ (Braswell), sondern eine in den Augen von Pindars Zeitgenossen dorische: Während man im übrigen Griechenland nach den Perserkriegen die Haare (teils äußerst) kurz trug, behielten die Spartaner und die mit ihnen sympathisierenden Griechen die lange Haartracht bei (s. Smith 2007 112). 85 Dies scheint ἐξ Ἀπόλλωνος (176) im Kontext (insbesondere 178 f.) zu implizieren, insbesondere in Verbindung mit ἔμολεν (177) (Chairis [Σ P. 4, 313a], Delage 1937 128 Anm. 3, Duchemin 1967 132 f.). Alternativ besteht der Bezug auf φορμιγκτάς (176) (vgl. Schwyzer II 416 f.), so daß Orpheus durch Apollon φορμιγκτάς wäre (Σ P. 4, 313b, Schroeder 1922 43, Burton 1962 161). Sprachlich ist dies nicht zu entscheiden – aber vielleicht ist mit Braswell (1988) 256 festzustellen, daß „what Pindar has done is strongly to imply that Orpheus was the son of Apollo without actually stating it.“ 86 Die Partikel γάρ (181) erklärt ταχέες (179) (Braswell 1988 261); damit ist Subjekt von 179 f. Zetes und Kalais (anders Friederichs 1857 417 f. und 1863 29–31). 87 Da Mopsos die Argonauten das Schiff besteigen läßt (189–191) und sie nach Zeus’ günstigem Zeichen zum Rudern antreibt (200 f.), ist ausgeschlossen, daß er nicht mitfährt, zumal eine Expedition einen Seher erfordert (vgl. Gantz 1993 343). Gegen seine Teilnahme spricht nicht seine fehlende Nennung in 171–183, denn hier sind (wie sich in 169–171 zeigt) nur die von außerhalb Thessaliens stammenden Argonauten genannt. Entsprechend wird auch Iason nicht erwähnt, ebenso ein Thessaler wie der Ampyx-Sohn Mopsos aus der thessalischen Stadt Titaron (woher er auch den Beinamen Titaresios trägt; vgl. zu beidem Hes. scut. 181, Apoll. Rhod. 1, 65. 1083 mit Σ Apoll. Rhod. 1, 65, ebenso Lykophr. 881, Σ Lykophr. 904; zur Unterscheidung dieses Mopsos vom Teiresias-Enkel Mopsos s. Braswell 1988 275). Mopsos nimmt auch bei Apollonios Rhodios teil (1, 65 f.). 88 So hat Apollonios Rhodios 55 (1, 20–227), Apollodor 45 Argonauten (1, 9, 16 f.); einen Überblick geben Scherer (2006) 43–56, Gantz (1993) 343–345 (der bezeichnenderweise anmerkt, daß „Pindar is rarely one for full details, but still the list is briefer than we might have expected“ [343]); s. auch Braswell (1988) 247 f. und P. Dräger: „Argonauten“, DNP 1, 1066–1069. Nicht recht befriedigt Wilhelms (1973) 77 Erklärung, daß Pindar nur so wenige Argonauten anführe, „as to not delay the action too long“. Pindar kennt z. B. auch die Argonauten Klymenos (O. 4, 19), Eurytion (fr. 48) und Peleus (fr. 172).

204

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

tionenabfolge) dazu, der Teilnehmerzahl das Attribut der Vollkommenheit zuzuweisen, denn sie wird, entsprechend der Gesamtzahl der zu absolvierenden Runden (s. o., insbesondere S. 193 Anm. 45), mit der Siegesbedingung im Wagenrennen parallelisiert. Hiermit wird, konkretisiert in Form der Argonauten selbst, das Gelingen der Fahrt angezeigt, und zwar auf Grundlage des ein analoges Verständnis garantierenden Gebrauchs dieser Zahl in ebendieser Weise im ersten Mythosteil.89 Drittens erscheint Iason als geborener Wagenlenker: Gleich bei seinem ersten Erscheinen fragen sich die Iolker voller Bewunderung, ob es sich bei ihm um Apollon oder nicht doch um den χαλκάρματος … πόσις Ἀφροδίτας (87 f.), d. h. Ares, handele; dieses (nur hier belegte) Epitheton zeigt (insbesondere im Munde der Iolker), daß Iason offenbar den Eindruck eines Wagenlenker-Gottes macht.90 Doch auch Iasons gesamte Familie ist anscheinend seit jeher mit Pferden verbunden: Zum einen redet er selbst von seinen Vorfahren als λευκίππων … πατέρων (117; dies ist auch insofern bedeutsam, als der Besitz von Schimmeln etwas Besonderes war)91, zum anderen werden die Thessaler insgesamt (also auch Iason) als Reitervolk bezeichnet (153: ἱππόταις … λαοῖς), dem Iasons Vater Aison das Recht lenkte (153: εὔθυνε … δίκας).92 Iason ist damit, wie sich an seiner Erscheinung zeigt (87 f.), als Thessaler (153) und als Mitglied seiner Familie (117. 153) ein geborener (wie es der Erfolgreiche bei Pindar immer sein muß)93 Wagenlenker und entsprechend der ideale Anführer eines (metaphorischen) Wagenrennens, der Argonautenfahrt. Diese Eigenschaft zeigt sich, in leicht abgewandelter Form, auch bei Aietes’ Pflugprobe (220–241), die, wie die Themenangabe des Restes der Erzählung in 211–213 zeigt,94 als Kern der Ereignisse in Kolchis zu verstehen ist: Sie 89 Daß in P. 4 nur die Göttersöhne explizit angeführt werden und tatsächlich noch mehr Argonauten mitfahren (so Delage 1937 127 f., Braswell 1988 247 f.), hat keine Grundlage im Text. Zur konkreten Auswahl der Argonauten s. u., insbesondere S. 252 Anm. 302. 90 Mit οὔ τί που eingeleitete Fragen sind „incredulous or reluctant questions“ (GP 492: „Surely this cannot be Apollo?“; vgl. KG § 589 3); s. Kap. 5.4.2 zur Funktion dieser Äußerungen. Die Schwierigkeit einer alternativen Erklärung des Epithetons zeigt Σ P. 4, 154. 91 S. Braswell (1988) 205 f.; vgl. Demosth. or. 21, 158 sowie O. 6, 95, P. 1, 66, P. 9, 83, fr. 202. 92 Zum Verb εὐθύνειν / ἰθύνειν vgl. LSJ s. v. ἰθύνω 2 (s. auch Braswell 1988 236 f.). Vgl. (mit Bezug auf Pferde und Wagen) auch Hom. Il. 11, 528; 16, 475; 24, 149. 362, Eur. Hipp. 1227. Die Bedeutung des Gerade-Fahrens zeigt Nestors Ratschlag an Antilochos in Hom. Il. 23, 316–325 (s. Richardson 1993 210); vgl. Aischyl. Choeph. 1021–1024. Zu den Thessalern als Reitervolk vgl. z. B. Hdt. 7, 196, Eur. El. 815–817, Plat. leg. 625 c10–d4. 93 Zu diesem bei Pindar wichtigen Gedanken vgl. z. B. N. 3, 40–42. 94 Wie Braswell (1988) 294 zeigt, ist in 211–213 nicht ein ansonsten unbekannter Kampf gegen die Kolcher unmittelbar nach der Ankunft gemeint (so Gildersleeve 1890 298, Wilamowitz 1922 390, Schroeder 1922 44 f., Duchemin 1967 100, Wilhelm 1973 79, Graham 1978 163 f., Kirkwood 1982 192), sondern „the actual trial of strength which Iason is to undergo later“ (vgl. Norwood 1915). So ergibt sich eine Art Ringkomposition, und dies weist gerade die Pflugprobe als Höhepunkt der Geschehnisse aus. Freilich könnte der

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

205

kann Iason nämlich nicht nur durch Medeas gegen das Feuer schützende Zauberkünste (221 f. 233)95 oder seine Kraft – die sich in seiner Beschreibung als βιατὰς … ἀνήρ (236) und in der Überwindung der großen und starken Tiere (235: ἐριπλεύρῳ φυᾷ) zeigt – bestehen, sondern (und erst dies ist hinreichend) aufgrund der Fähigkeit, die Tiere anzuschirren, den Pflug zu ziehen und die Tiere mit einem κέντρον anzutreiben (234–236) – wie ein Wagenlenker, der seine Tiere anschirren (man denke an die Wagenfahrer-Argonauten im ersten Mythosteil), das angeschirrte Gespann fahren (228: ἤλαυνε, bezogen auf Aietes) und mit dem κέντρον, dem „horse-goad“, antreiben muß.96 Die Pflugprobe ist damit in ihrem Wesen einem Wagenrennen (bei aller Unterschiedlichkeit) parallel, und entsprechend kann Iason erneut seine Fähigkeiten als Wagenlenker offenbaren. Wohl deshalb trägt er auch ein safranfarbenes (d. h. orange-gelbes) Gewand (232), wohl das traditionelle safranfarbene Gewand der Wagenlenker, die ξυστίς:97 Safran war ansonsten keineswegs „a colour regularly associated with divinities and princely persons in early Greek“,98 sondern eine Farbe, die als kostbar und vor allem als passend für Frauen galt, die ihre Männer verführen wollten. Dementsprechend war safranfarbene Kleidung gewöhnlich mit Weiblichkeit und / oder Schwelgerei verbunden99 – mit welchen Attributen Iason aber im Kontext dieses Epini-

95

96

97 98 99

auffällig mißverständliche Vorverweis auch die erzählerische Spannung erhöhen sollen, insofern er die Erwartung eines späteren offenen Kampfes zwischen Griechen und Kolchern in Aietes’ Anwesenheit nahelegt. Daß sich diese Erwartung dann nicht erfüllt, läßt Iason jedoch um so mehr als geschickten Anführer erscheinen, der auf rohe Gewalt verzichten kann (s. u. Kap. 5.4.2 zur Charakterisierung Iasons). Anders als bei Apollonios Rhodios (z. B. 3, 1256–1258) zeigt sich, daß „Jasons heroische Reputation durch die Hilfe der Medea bei der Erringung des Vliesses nicht geschmälert wird“ (Köhnken 2000 62, insgesamt 62–67): Sie gibt ihm lediglich ἀντίτομα στερεᾶν ὀδυνᾶν (221 f.) und Hinweise zum Schutz vor dem Feuer (233). Zum κέντρον s. LSJ s. v. 1; vgl. Hom. Il. 23, 387. 430, Soph. El. 716, Eur. Her. 882, Hipp. 1194, Iph. A. 220, Aristoph. Nub. 1297–1302, Xen. Kyr. 7, 1, 29 sowie Weiler (1981) 202. Zum Verb ἐλαύνειν s. LSJ s. v.; vgl. zum intransitiven Gebrauch Hom. Il. 5, 366; 23, 429 und O. 6, 48. 76, O. 8, 47, zudem O. 4, 1, P. 5, 85, fr. 89a, 3 (s. KG § 373 2). S. Pekridou-Gorecki (1989) 131 f.; vgl. neben Suda ξ 169 s. v. Ξυστίς, Hesychios ι 806 s. v. ἱππικὸν χλίδος, Harpokr. s. v. Ξυστίς besonders Σ Aristoph. Nub. 70a; s. Irwin (1984) 155. Braswell (1988) 319; dieselbe Erklärung gibt Braswell (1992) 59 zu N. 1, 37 f. S. allgemein Pekridou-Gorecki (1989) 36, Irwin (1984) 157–161; insbesondere an folgenden Stellen tragen Frauen safranfarbene Gewänder: Hom. Il. 8, 1 (Eos), Hes. theog. 273 (Enyo), 358 (Telesto), Aischyl. Ag. 239 (Iphigenie), Eur. Phoin. 1491 (Antigone), Aristoph. Eccl. 879 (alte Frau), Lys. 219 f. (Merkmal einer schönen Frau), Nonn. Dion. 9, 47; 14, 160; 20, 191; 21, 25; vgl. Eur. Hek. 466–474, Poll. 7, 55 f., Aristoph. Lys. 645 (mit Scholion). Entsprechend läßt Aristophanes auch Männer safranfarbene Gewänder tragen: Agathon (Thesm. 137 f., vgl. Austin – Olson 2004 102), Mnesilochos als Spion bei den Thesmophoriazusen (Thesm. 1044) und Blepyros in den Gewändern seiner Frau (Eccl. 332). Die luxuriöse Kostbarkeit safranfarbener Gewänder zeigt sich z. B. in Plat. rep. 420 e (ξυστίδες), Eur. Phoin. 1491, Timaios FGrH 566 F 50; vgl. LSJ s. v. γαλέη I 4,

206

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

kions kaum belegt werden sollte. Daher darf sein Gewand hier wohl tatsächlich als ξυστίς aufgefaßt werden.100 Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, daß die gesamte Pflugprobe als Wettkampf erscheint,101 denn Iason wird, wie oben gesehen, nach der Bewältigung der Aufgabe wie ein Sieger bei einem sportlichen Wettkampf mit einer Phyllobolie geehrt und von Aietes mit dem ausgesetzten Siegpreis belohnt,102 beides analog zu den Argonauten und Euphamos im ersten Mythosteil. Darüber hinaus charakterisiert erstens die Formulierung ἀέθλων … πατρωίων (220) die Pflugprobe explizit als sportlichen Wettkampf (s. o., insbesondere S. 202 mit Anm. 82), zweitens werden als Thema der Passage 220– 241 die sportlichen Wettspiele des Aietes angegeben (und damit die Kämpfe, auf die in 212 f. verwiesen wurde), und drittens verweist in Aietes’ Aufforderung τοῦτ’ ἔργον … τελέσαις (229 f.: „durch das Vollbringen dieser Tat“) das Substantiv ἔργον (wie oftmals bei Pindar) auf eine sportliche Tat (auch im hippischen Bereich; vgl. oben S. 110)103, wobei zugleich Pelias’ Aufforderung zur Fahrt nach Kolchis – die selbst ihren Bezugspunkt im Agonistischen hatte (165: τοῦτον ἄεθλον … τέλεσον: s. o. S. 202) – in Erinnerung gerufen wird. Schließlich verweist viertens ἐξεπόνησε (236) auf den mit dem sportlichen Erfolg verbundenen πόνος, wie es kurz zuvor (178) auch hinsichtlich der gesamten Argonautenfahrt der Fall war (s. o. S. 202 mit Anm. 83). Insgesamt erscheint Aietes’ Aufgabe als sportliche Aufgabe, die die Fähigkeiten eines Wagenlenkers erfordert. Diese kann Iason als geborener Wagenlenker kunstvoll beweisen, und entsprechend wird er von seinen Gefähr-

100

101 102 103

Aischyl. Pers. 660 (vgl. Irwin 1984 159). Eine Ausnahme scheint prima facie N. 1, 37 f. zu sein, wo der Säugling Herakles eine safranfarbene Windel trägt, doch hierfür liegt (in einem Lied für einen Sieger im Wagenrennen) ein ähnlicher Grund wie in P. 4, 232 vor (vgl. unten Anm. 100 und zur [Diskussion um die] Parallelität von Chromios und Herakles vor allem Radt 1966 164–174, Rose 1974, Segal 1974 36 f., Carey 1981 118–120, Dönt 1982, Newman – Newman 1982, insbesondere 218, Petrucione 1986 41–45, Braswell 1992 54–56, Erbse 1999, ferner Σ N. 1, 49). Hätte Iasons Königlichkeit bezeichnet werden sollen, wäre das Gewand wohl genauso purpurn, wie es seine Windeln sind (114; hierzu richtig Braswell 1988 204); vgl. Apoll. Rhod. 1, 721–724. Die alternative Erklärung der überraschenden Gewandfarbe ist, daß Safran erst mit dem Ende des 5. Jhs. eine Frauenfarbe wurde (Irwin 1984 159, insgesamt 159–161) – Pindar also auf eine ältere Tradition zurückgreife –, doch kann dies insofern nicht überzeugen, als außer bei Pindar (P. 4, 232, N. 1, 37 f.) Männer nur dann, wenn sie unmännlich und / oder schwelgerisch wirken sollen, safranfarbene Kleidung tragen (sieht man von Dionysos in Aristoph. Ran. 46 f. ab, der jedoch kaum als männlicher Gott gelten darf; s. Irwin 1984 159 f. und vgl. oben Anm. 99). Vgl. Ruck – Matheson 1968 (21), Graham (1978) 179, Köhnken (1993b) 34. S. o., insbesondere S. 194 Anm. 48 sowie Burton (1962) 166, Duchemin (1967) 143, Graham (1978) 179, Pinsent (1985) 5, Braswell (1988) 327–329, Köhnken (1993b) 34; zum Vorverweis s. o. S. 204 f. Anm. 94. Zum Hippischen vgl. O. 5, 15, P. 2, 17, P. 5, 119, P. 7, 19, N. 1, 26, I. 2, 24, I. 3/4, 7.

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

207

ten feierlich geehrt und erhält von Aietes, wie nach der Phyllobolie üblich (s. o. S. 194 mit Anm. 48) den Siegpreis, das Goldene Vlies – jedenfalls vorgeblich, denn tatsächlich lockt er ihn in einen Hinterhalt (241–243).104 Diese vorschlagene Deutung der Pflugprobe wird im übrigen durch eine strukturelle Parallelität zur gesamten Argonautenfahrt gefestigt,105 insofern Iason in beiden Situationen zur Erlangung einer ihm an sich rechtmäßig zustehenden Sache eine von einem hinterhältigen König (beides Göttersöhne) gestellte Aufgabe ausführen muß, sie aber dank seiner gottgleichen (Wagenlenker-) Natur siegreich bestehen kann. Letzteres ist auch unmittelbar nach der Pflugprobe der Fall, denn Iason kann Aietes’ Hinterhalt dadurch entgehen, daß er – abermals aufgrund seiner Wagenlenkerqualitäten – die das Vlies bewachende Schlange bezwingt: Da sie einem Pentekonter (245 f.) gleicht, kann Iason, der Kapitän, sie besiegen106 – ein guter Kapitän aber ist, wie gesehen, immer auch ein guter Wagenlenker (man beachte insbesondere 229–231). So können die Schlangenkiefer (244: γενύων) ihm genauso wenig anhaben wie die Kiefer der Argo den Argonauten beim Anschirren (24: χαλκόγενυν) und die Kiefer der Rinder ihm selbst und Aietes ebenfalls beim Anschirren (225: γενύων) – und damit erweist sich in der Parallelität als Grundlage der Bewältigung der Schlange (249) ihr vorheriges Anschirren (244).107 Entsprechend wird auch dies als Mühe (243: πόνον) qualifiziert und erscheint als Teilaufgabe eines (metaphorischen) Wagenrennens (man beachte ἀέθλων … πατρωίων in der Einleitung der gesamten Passage [220]).108 Iasons Pflugprobe ist die Probe aller Argonauten auf Lemnos vergleichbar (252–257), denn auch diese ist ein sportlicher (genauer: gymnischer) Wettkampf um den Preis eines Gewands (253: γυίων ἀέθλοις … ἐσθᾶτος ἀμφίς) – und bringt angesichts der männertötenden Lemnierinnen höchste Gefahr (252: Λαμνιᾶν … γυναικῶν ἀνδροφόνων).109 Der Siegpreis erinnert speziell an 104 Wie Nicholson (2000) vorschlägt, könnte das Wort στρωμνάν (230) in Aietes’ Verkündigung des Siegpreises (229–231) einen (unfreiwilligen) Vorverweis darauf beinhalten, daß Iason nicht nur das Vlies, sondern auch Medea als Siegpreis (250) davontragen wird (vgl. Apoll. Rhod. 4, 1141–1143, wo es auf Iasons und Medeas Hochzeitsbett ausgebreitet wird, und ebenso unten, insbesondere S. 253 Anm. 306). 105 Vgl. Ruck – Matheson (1968) 21. 106 So verdeutlicht 246 (mit sonst unklarer Funktion: Pinsent 1985 5) die Metapher. 107 In der Parallelität zu den anderen Beschreibungen eines Anschirrens in diesem Lied könnte auch das problematische εἴχετο (244) verständlich werden. 108 Man beachte auch das prima vista seltsame σπασσάμενος (234), denn sachlich ist kaum nachvollziehbar, warum von einem Ziehen die Rede ist: „We should expect either that the plough was turned round or heaved up from its track and planted down afresh, neither of which senses is given by σπασσάμενος“ (Norwood 1915 6). Doch insofern auch bei der Wüstendurchquerung einem Ziehen (27: ἀνσπάσσαντες) ein Anschirren folgt (24 f. neben 234 f.), festigt dieses Partizip die metaphorische Parallelität beider Situationen. 109 Vgl. zu diesen Wettkämpfen Simonides fr. 547 PMG, O. 4, 18–27; ἐσθᾶτος ἀμφίς (253) be-

208

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Iasons Siegpreis, doch seine Nennung allein festigt die strukturelle Parallelität dieser Begebenheit zu den anderen erzählten (metaphorischen) Wettkämpfen.110 Weitaus bemerkenswerter ist allerdings, daß die gesamte Argonautenfahrt mit diesem Wettkampf ihr eigentliches Ende findet: Danach wird lediglich erzählt, daß die Argonauten mit den lemnischen Frauen ihr Bett teilten und hieraus Euphamos’ Geschlecht erwachsen werde, das Libyen in Besitz nehmen werde (254–262). Mit dem Wettkampf endet also die Erzählung der Argonautenfahrt, und die Geschichte der Euphamiden beginnt, die vermittelt über das Lied bis in die aktuelle Gegenwart hineinreicht. Damit wird jedoch überraschenderweise die Zeugung der Euphamiden zum göttlich bestimmten τέλος der Argonautenfahrt (man beachte 255 f.: μοιρίδιον ἆμαρ – ἢ νύκτες)111 – und nicht die Rückkehr nach Iolkos (wie angesichts von 32 f. 196 zu erwarten), die Bezwingung des Pelias (nur beiläufige Erwähnung: 250) oder die Gewinnung des Vlieses.112 Letztere wird vielmehr an keiner einzigen Stelle des Epinikions erzählt, insbesondere nicht am vermeintlichen Höhepunkt der Erzählung (246) – an dem diese sogar unerwartet abgebrochen und schnell dem Ende entgegengeführt wird.113 Doch zeigt sich gerade hieran, daß nicht der Erhalt des Vlieses für die Erzählung zentral ist, sondern die (an ihrem Ende als Höhepunkt erzählte) Zeugung der Euphamiden, zweifellos besonders hervorgehoben durch das

110 111

112 113

zeichnet nicht τῆς ἐσθῆτος χωρὶς, τουτέστι γυμνοί (so mit Σ P. 4, 451 Nairn 1901a 11; dagegen schon Bossler 1862 42, Schroeder 1922 45 f., Braswell 1988 351; zu einem Gewand als Siegpreis vgl. O. 9, 97 f., zu ἀμφί P. 9, 105). Zu den männermordenden Lemnierinnen s. Braswell (1988) 348 f. Die Gefahr wird durch die Nähe von Πελιαοφόνον (250) zum ähnlichen Kompositum ἀνδροφόνων (252) weiter hervorgehoben (s. O’Higgins 1997 123 f.), zumal Πελιαοφόνον wohl für diese Stelle neu gebildet wurde (Braswell 1980 217–222). Zur Textgestalt s. Kirkwood (1982) 195 f., Braswell (1988) 349–351, Gentili (1991) 83 f. Zur Parallelität der Siege von Arkesilaos und den Argonauten auf Lemnos vgl. Calame (2003) 51. Zwar ließe sich dies mit Braswell (1988) 353 f. als „the destined days or nights“ (ἆμαρ als altertümlicher Plural: vgl. Hom. Il. 5, 490; so auch Schwyzer II 39 Anm. 3) verstehen, doch wäre dies (abgesehen von der Inkonzinnität) kaum pointiert – im Gegensatz zu einem Verständnis von ἤ als „oder vielmehr, oder genau genommen“ (KG § 538 3; so Heimsoeth 1840 32, Mezger 1880 216, Gildersleeve 1890 300), also als (vorgebliche) Korrektur des zuvor Gesagten; νύκτες verwiese dann (man beachte 254: συνεύνασθεν) einerseits auf den Zeitpunkt der Zeugung, angesichts des Plurals andererseits auf die Länge der Liebesfreuden (‚den Samen eures Glücks nahm damals der schicksalsbestimmte Tag auf – oder genau genommen: die schicksalsbestimmten Nächte‘). Hiergegen ist kein Einwand, daß ein solches ἤ „inevitably stands at the beginning of a new clause“ (Braswell 1988 354), denn auch dann, wenn dies ausnahmslos gelten sollte, kann ἢ νύκτες als brachylogischer (und pointierter) Einzelsatz gefaßt werden (s. allgemein KG § 597, insbesondere 1). Vgl. Schroeder (1922) 39. S. Köhnken (1993b) 31–34, besonders 33: „Why is the Fleece, everything in the narrative has been leading up to (so much so that modern critics have sometimes been deceived into believing that its winning is actually told), suddenly and permanently dropped?“

5.3. Das Wagenrennen und die Gründung von Kyrene

209

(auch für antike Rezipienten bestehende) Überraschungsmoment.114 Damit erklärt sich, daß der Lemnosaufenthalt anders als in allen anderen Varianten der Argonautenfahrt auf dem Rückweg stattfindet – und daß er hier überhaupt stattfinden kann, implizierte er doch in anderem Kontext eine unmotivierte Irrfahrt auf der letzten Etappe von Thera nach Iolkos.115 Ferner zeigt sich, daß nicht der νόστος, verstanden als ‚Heimkehr‘, (ein) Hauptbegriff des Liedes ist,116 denn von der Rückkehr wird – ebenso wie von der Gewinnung des Vlieses – nirgendwo erzählt: Vielmehr ist die Fremde (letztlich Kyrene) das Ziel.117 Im Ergebnis wird das Geschlecht der Euphamiden geehrt, dem auch Arkesilaos angehört,118 denn es wird zum Ergebnis der Argonautenfahrt und beruht als dieses auf den heroischen Leistungen der Argonauten – die in Pythie 4 auf die Könnerschaft im Wagenrennen zurückgeführt werden, wobei speziell die Zeugung der Euphamiden der Siegpreis für das erfolgreiche Bewältigen einer sportlichen Aufgabe ist.

114 Nicht wahrscheinlich sind die von Köhnken (1993b) 33 angeführten Gründe (Hinweis auf die Bestrafung der Übeltäter mittels der Nennung von Medea; Hervorhebung der Pflugprobe, die Iasons Arete zeige), denn ihnen steht die Erzählabfolge entgegen. Narratologisch analysiert die Stoffverteilung de Jong (1991), insbesondere 203–209. Der Lemnos-Aufenthalt findet im übrigen, wie schon das Futur εὑρήσει (50) zeigt, nach Medeas Prophezeiung auf Thera statt (anders Sandgren 1972 19). 115 Die Unwahrscheinlichkeit dieser Irrfahrt betont Delage (1937) 126; zur gewöhnlichen Position der Lemnos-Episode s. Braswell (1988) 347 f., Gantz (1993) 345–347. Daß sie auf der Rückfahrt stattfindet, ist (außerhalb von P. 4) allein schon deshalb unpassend, weil Medea anwesend wäre, wenn Iason mit Hypsipyle Nachkommen zeugt. In P. 4 stellt dies jedoch kein Problem dar (das z. B. Duchemin 1967 146 sieht), da dies zum einen gerade nicht erzählt wird und zum anderen der Fokus nicht auf Iason, sondern auf Euphamos (und dessen Nachkommen) liegt. Ähnlich wird z. B. in O. 1 Pelops’ Sieg über Oinomaos allein auf die von Poseidon geschenkten Pferde zurückgeführt und Myrtilos’ in anderen Darstellungen zentrale Hilfe übergangen (vgl. Pherekydes FGrH 3 F 37; s. insbesondere Köhnken 1971 203, Gerber 1982 136), und ebenso ist bei der preisenden Erwähnung von Pelops’ Nachkommenschaft (89: ἔτεκε λαγέτας ἓξ ἀρεταῖσι μεμαότας υἱούς) nicht an das Thyestesmahl zu denken (s. Gerber 1982 140 f.). 116 So Gildersleeve (1890) 281, Burton (1962) 168. 173, Ruck – Matheson (1968) 19, Robbins (1975) 206 f., Carey (1980b) 144, Kirkwood (1982) 161. 163, Arrighetti (2003) 49. 117 Vgl. Giannini (1979) 38. Es führt nicht weiter, von „colonization, itself a form of homecoming“ (Ruck – Matheson 1968 23) zu reden. Auch νεῖσθαι (247) beinhaltet nicht primär „the notion of ‚homecoming‘“ (Graham 1978 181 Anm. 39; vgl. Slater s. v. νέομαι und LSJ s. v. νοστέω sowie νόστος; s. Von der Mühll 1968 229 f., Verdenius 1969; Bonifazi 2009). Thema des zweiten Mythosteils ist nicht „the Argonautic voyage with its mission of finding the Golden Fleece and then of returning home“ (Wilhelm 1973 54; doch vgl. schon Král 1852 3 f.), sondern „Anfänge und Gefahren der Fahrt der Argonauten“ (70 f.), eingebettet in den Argonautenmythos, der die Gründung Kyrenes aitiologisch begründet (zum rhapsodischen Charakter dieser Einleitung s. Race 1990 107 Anm. 59). 118 Vgl. Braswell (1988) 347 f.

210

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

5.3.5Zusammenfassung Der Sportmetaphorik kommt auch in Pythie 4 eine entscheidende semantische Funktion zu, insbesondere weil unter anderem die folgenden mythischen und historischen Ereignisse metaphorisch als Wagenrennen gedeutet werden: erstens die Wüstendurchquerung der Argonauten, deren Siegpreis die Euphamos von Triton übergebene Erdscholle ist; zweitens die Geschichte der Euphamiden, beginnend in Lakedaimon und endend in Kyrene, wobei Siegpreis die von Apollon verliehene dortige Herrschaft ist; drittens Aietes’ Pflugprobe, deren Bewältigung die Argonauten mit einer Phyllobolie feiern; viertens der Kampf gegen die Schlange, belohnt durch das Goldene Vlies; schließlich fünftens die gesamte Argonautenfahrt mit der Zeugung der Euphamiden auf Lemnos als Siegpreis. All diese Wagenrennen sind grundsätzlich als Spiegelung von Arkesilaos’ jetzigem Sieg zu verstehen, durch die dieser gedeutet und überhöht wird: Arkesilaos’ Sieg ist all diesen von mythischen Heroen (insbesondere von den Argonauten) errungenen Siegen gleichwertig; Arkesilaos erscheint (in der Metapher, aber auch durch die Genealogie) als moderner Euphamos oder Iason. In diesem Sinne erklärt sich auch die explizite textliche Verbindung von Arkesilaos und den Argonauten in 67 f. und am unmittelbaren Liedanfang (vor allem 1–11). Im Ergebnis wird Arkesilaos aber nicht nur für seinen Pythiensieg gepriesen, sondern seine Herrschaft wird über die metaphorischen Parallelen auch als verdient und gottgewollt charakterisiert. Sie beruht nicht nur auf einer einzelnen Großtat, sondern auf mehreren von ihm selbst und seinen Vorfahren gezeigten übermenschlichen sportlichen Leistungen: erstens Euphamos’ Sieg in der Wüste, zweitens Battos’ Sieg in der Geschichte der Euphamiden und drittens Arkesilaos’ eigenem Sieg. Dieser ist Aktualisierung der Vergangenheit und vorläufiger Höhepunkt der Geschichte der Euphamiden zugleich. Damit erweist sich Pythie 4 (entgegen der communis opinio) tatsächlich als Epinikion, das, insbesondere mittels des Mythos, den Gefeierten für seinen sportlichen Erfolg, aber auch für die Ausübung seiner Herrschaft in außerordentlicher Weise zu loben versteht.

5.4Das Wagenrennen und die Politik Im Rahmen der bisherigen Ergebnisse zeigt das Lied mittels des Argonautenmythos insbesondere die Legitimität der Battiadenherrschaft auf. Dies entspricht mehr oder weniger der communis opinio, allerdings kann sich diese – da die Sportmetaphorik nicht hinreichend berücksichtigt wird – nur auf den äußerlichen Umstand stützen, daß Euphamos, Battos’ Vorfahren, die libysche Erdscholle von einem Gott übergeben und Battos von Apollon die Kolonisa-

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

211

tion aufgetragen wird.119 Erst bei Erkenntnis der Sportmetaphorik zeigt sich der tiefere Zusammenhang der Ereignisse, denn als Kausalnexus fungiert der sportliche Erfolg der Kyrenaier im (metaphorischen) Wagenrennen, und zwar seit Euphamos – und so auch jetzt: Arkesilaos’ Pythiensieg steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Legitimation seiner Herrschaft. Warum diese Legitimität allerdings aufgezeigt werden sollte, ist noch unklar: Vorgeschlagen wurde, daß Arkesilaos ein Zeichen gegenüber der Opposition, vertreten durch den Verbannten Damophilos, setzen wollte, doch hat sich dies noch nicht zweifelsfrei im Text erwiesen. Zur Klärung müssen daher die noch nicht eingehend untersuchten Teile des Liedes genauer betrachtet werden, insbesondere der zweite Mythosteil (70–262) und der Liedschluß mit Damophilos’ angenommener Begnadigung (263–299). 5.4.1Der Mythos und die historische Situation Die Funktion des zweiten Mythosteils (70–262) wurde bisher wie folgt bestimmt:120 Zum einen habe Pindar lediglich die Vorgeschichte der Euphamos-Episode vervollständigen wollen.121 Dies überzeugt jedoch nicht, da der erste Mythosteil (10–56) ungleich kürzer als der zweite (70–262) ist, obwohl diese pragmatisch belanglose Vervollständigung nur die Vorgeschichte des eigentlich zentralen ersten Mythosteils wäre – was um so mehr überrascht, als dann irrelevante Szenen breit ausgemalt werden, zum Beispiel die Begegnungen zwischen Pelias und Iason. So wäre die eigentliche Pointe der EuphamosSzene verlorengegangen: Diese gerät nicht nur in Vergessenheit, sondern wird zu einer untergeordneten Episode der Argonautenfahrt. Zum anderen würden Arkesilaos und Damophilos im zweiten Mythosteil in den mythischen Figuren Iason und Pelias gespiegelt, wobei (u. a.) entweder erstens die Gleichsetzungen Iason = Arkesilaos und Pelias = Damophilos, zweitens Iason = Damophilos und Pelias = Arkesilaos, drittens Pelias / Iason = Arkesilaos oder viertens Iason = Damophilos / Arkesilaos gälten.122 Zweck sei, den historischen Personen mythische Vorbilder vor Augen 119 S. außer den in der Einleitung zu P. 4 angeführten Arbeiten speziell Giannini (1979) 39, narratologisch de Jong (1991), insbesondere 202 f., Arrighetti (2003) 50. 120 Wenn man ihn nicht gleich wie Wilamowitz (1922) 378 als unorganischen Bestandteil zum „poetischen Genuß“ (384) abtut (vgl. 392, Farnell 1, 114, Uruschadze 1981 64). 121 Einen anderen Grund führt auch Braswell (1988) nicht an (vgl. 23–30. 160), im übrigen nicht unähnlich zu den oben in Anm. 120 angeführten Positionen. Nach de Jong (1991) 209 habe der erste Mythosteil Arkesilaos gnädig stimmen sollen, damit er die Belehrungen des zweiten Teils günstig aufnehme (ähnlich Mezger 1880 221, Farnell 1, 114). 122 Die erste vertreten Delage (1937) 127, de Jong (1991) 208 f., Schubert (2004) 23 f., die zweite Friederichs (1863) 40 f., Sandgren (1972) 18 f., die dritte Mezger (1868), insbesondere 82 f. (74 gegen die ersten beiden Vorschläge), Robbins (1975) 209 (mit Pelias als Ne-

212

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

zu stellen, an denen sie ihr politisches Handeln ausrichten und lernen könnten, ihre Differenzen friedlich beizulegen.123 Doch keine dieser Gleichsetzungen ist haltbar: Die erste zeigt Arkesilaos (Iason) kaum vereinbar mit der historischen Situation als Damophilos’ (Pelias’) Herausforderer.124 Die zweite deutet an, daß Damophilos (Iason) bald Arkesilaos (Pelias) beseitigen und die Herrschaft übernehmen werde (vgl. 71 f. 250), was Damophilos’ Begnadigung kaum zuträglich gewesen wäre.125 Die dritte und vierte vereinigt Iasons und Pelias’ unvereinbare Charaktere in einer Person, was (abgesehen von den eben vorgebrachten Einwänden) schon deshalb nicht sinnvoll sein kann, weil gerade dieser Gegensatz im Zentrum der Darstellung steht (der Mythos hat also nicht ohne Grund zwei Hauptpersonen). Und gegen ausnahmslos alle Vorschläge spricht, daß jede Gleichsetzung mit Pelias (sei es von Arkesilaos, sei es von Damophilos) beleidigend und / oder herabsetzend wäre. Dies betrifft auch diejenigen Vorschläge, die Pelias von der Gleichsetzung ausnehmen und nur Iason als positive Parallele bestimmen, denn dies verbietet sich insofern, als der Sinngehalt des Mythos in Verbindung mit der unterstellten historischen Situation (die Verbannung folgt aus der Herrschaftssituation, die im Zentrum des Mythos steht und auf den Charaktereigenschaften der Figuren beruht) zwangsläufig die Übertragung der Figurenkonstellation impliziert. Hierdurch werden auch die negativen Eigenschaften der jeweiligen Figur übertragen: Wenn zum Beispiel die Identifikation Iason – Damophilos so offenbar ist wie behauptet, wird Arkesilaos (und das restliche Publikum) nicht ausgeschlossen haben können (die argumentativ gut begründete Uneinigkeit der modernen Gelehrten ist hinreichendes Indiz), daß er nicht der Hybristes Pelias sein soll. Eine solche fehlende Eindeutigkeit wäre in einer derart delikaten Angelegenheit unangebracht gewesen und hätte Arkesilaos kaum zur Gnade bewogen, besonders gativbeispiel), die vierte Carey (1980b), insbesondere 144, Kirkwood (1982) 163. Ferner sind auch Kombinationen zu verzeichnen: So sieht Schroeder (1922) 42 lediglich die Parallele Iason – Damophilos, Hurst (1983) 166 Anm. 17 die zwischen Iason und Arkesilaos. Da mittlerweile fast alle Möglichkeiten vertreten wurden, aber dennoch kein Konsens erzielt wurde, überrascht die verbreitete Skepsis gegenüber jedweder Gleichsetzung kaum (so Lattimore 1948 23, Braswell 1988 371, Arrighetti 2003 50 f.; vgl. Robbins 1975 207 f.). 123 Vgl. insbesondere Duchemin (1967) 99 (doch s. o. Kap. 5.2). 124 Richtig hiergegen Braswell (1988) 371. 125 Zu Recht bezeichnet Gildersleeve (1890) diesen Vorschlag als „incredible“ (281) und „monstrous“ (302); ähnlich Schroeder (1922) 42 f., Burton (1962) 167, Braswell (1988) 371. Ebenfalls kaum glaubhaft ist, daß hier eine versteckte Drohung gegen Arkesilaos vorliegt (so Schwenck 1843). Die in diesem Zusammenhang unbequeme Tötung des Pelias spielt Carey (1980b) 149 herunter, was jedoch besonders angesichts von θέσφατον ἦν Πελίαν … θανέμεν (71 f., bezeichnenderweise nicht hinreichend beachtet) nicht überzeugen kann – zumal in der konkreten Ausgestaltung der Argonautenfahrt gerade dasjenige hervortritt, wodurch Pelias diesem Satz gemäß sterben werde: Iasons Rat (in Iolkos) und Tat (in Kolchis) (72: χείρεσσιν ἢ βουλαῖς; vgl. de Jong 1991 206 f.); s. u. S. 253 Anm. 305.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

213

dann, wenn nicht er selbst das Lied in Auftrag gegeben hätte, es sogar gegen seinen Wunsch aufgeführt worden wäre – und wenn er tatsächlich ein „tyrannus, audaciae plenus, et, ut credere fas est, iniustitiae summae“ war.126 Während alle bisherigen Vorschläge damit als unannehmbar erscheinen, darf als sicher gelten, daß Pindar einen Mythos nicht so ausführlich erzählt hätte, wenn er sich einem angemessenen Verständnis gänzlich verschlösse. Daher soll im folgenden der Versuch einer Deutung unternommen werden, beginnend bei dem inhaltlich so prominenten charakterlichen Kontrast zwischen Iason einerseits sowie Pelias und Aietes andererseits. 5.4.2Iason, Pelias und Aietes Iason zeigt sich sogleich bei seiner ersten Erscheinung als schöner, kräftiger und kriegskundiger Mann: Er ist ein ἀνὴρ ἔκπαγλος (79), ein gewaltiger Krieger,127 θαητοῖσι γυίοις (80), der wie ein homerischer Held zwei Lanzen und ein Fell trägt (79–81),128 dessen Haar über den Rücken wallt (82 f.) und der sich selbstsicher und furchtlos auf die Agora stellt (83–85). Allein deswegen betrachten ihn die Iolker (die ihn ja nicht erkennen: τὸν … οὐ γίνωσκον· … ἔμπας [86]) voller Ehrfurcht (86: ὀπιζομένων) und vergleichen ihn im Gespräch sogar mit Apollon (87), Ares (87 f.), den Aloadai Otos und Ephialtes (88 f.) sowie Tityos (90–92) (zur Form der Frage s. o. S. 204 Anm. 90). Insoweit all diese Vergleiche jeweils verschiedene Eigenschaften Iasons betonen, wird er in komplementärer Weise als vollkommen charakterisiert: Mit Apollon verbindet ihn seine jugendliche Schönheit129 (auch schon in 82 f. und später in 122 f.), mit Ares sein kriegerisches Auftreten (schon in 79 vorweggenommen)130 und sein Wagenlenkertum (87: χαλκάρματος; s. o. S. 204) und mit Otos, Ephialtes und Tityos, den Riesen göttlicher Abstam126 Sjöström (1845) 14; vgl. Chamoux (1953) 198, der in ὑβρίζοντα (284) „une allusion au tyran, […] donc à Arcésilas lui-même“ sieht. Dieser Einwand gilt auch dann, wenn man die Deutung des Mythos als Parabel ablehnt und anstatt dessen annimmt, daß die entscheidenden Züge der Erzählung „might be apparent to the king when Pindar asks him to recall a political opponent whom he has banished“ (Burton 1962 168). 127 Das Adjektiv ἔκπαγλος (79) „suggests strength that terrifies“ (Kirkwood 1982 183); vgl. N. 4, 27 (Alkyoneus), I. 6, 54 (Aias), fr. 169a, 13 (Diomedes) und in diesem Sinne I. 7, 22 vom siegreichen Pankratiasten Strepsiades; vgl. 236, wo Iason ein βιατὰς … ἀνήρ ist. 128 S. Gildersleeve (1890) 289, Braswell (1988) 174. 177 (dagegen aber Fraenkel 1962 2, 320 Anm. 1). 129 Vgl. Hom. h. 3, 448–450, zum Vergleich Iasons mit Apollon auch Apoll. Rhod. 1, 307– 310. Angesichts von 82 f. ist daran zu erinnern, daß Apollon ἀκερσεκόμης ist (s. Schroeder 1922 39, Duchemin 1967 121; vgl. P. 3, 14, P. 9, 5, I. 1, 7, I. 7, 49, Hom. Il. 20, 39); s. allgemein Burkert (1977) 225. 227, vgl. unten S. 215 Anm. 140. 130 Das ganze Ausmaß des Vergleichs wird deutlich, wenn man sich Ares’ Gestalt und Funktion vergegenwärtigt: s. Burkert (1977) 262–264.

214

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

mung, eine gewaltige körperliche Statur, im Falle der Aloadai, der nach Orion schönsten Sterblichen, ebenfalls die Schönheit.131 An den letzten drei Vergleichen verblüfft allerdings, daß diese Riesen Frevler waren, die die göttliche Ordnung stürzen wollten (insbesondere 89: τολμάεις),132 denn die Aloadai fesselten Ares und / oder wollten in den Himmel gelangen und / oder Artemis und Hera vergewaltigen, und Tityos wollte Leto vergewaltigen.133 Entsprechend läßt Artemis die Aloadai auf Naxos sich gegenseitig töten, und Tityos muß durch den Pfeil der Artemis sterben134 – denn die Sterblichen sollten, wie es Pindar formuliert, lernen, nur das zu begehren, was ihnen möglich und erlaubt ist (88–92).135 Damit aber erweisen sich die drei Vergleiche als erzählerisch höchst sinnvoll, denn sie sind insofern spannungserzeugend, als sie für das Aufeinandertreffen von Iason und Pelias das Schlimmste befürchten lassen:136 Ein Mann von so göttlichem Auftreten kann, wenn er kein Gott ist, nur ein Frevler sein und sich selbst für einen Gott halten.137 Doch diese Erwartung erfüllt sich nicht, denn Iason zeigt sich bei seiner ersten Begegnung mit Pelias als besonnener und freundlicher Mann (94– 120): Auf die Frage, wer er sei, antwortet er mutig (101: θαρσήσαις), sanft (101: ἀγανοῖσι λόγοις) und – in Antwort auf μὴ ψεύδεσιν καταμιάναις (99 f.) unter Betonung seiner Rechtschaffenheit (105) – ehrlich, denn er erklärt ohne Umschweife, daß er die von Pelias unrechtmäßig angeeignete Macht über Iolkos zurückerlangen wolle (102–119).138 131 Zu den Aloadai s. Gantz (1993) 170 f.; zu Schönheit, Größe und Abstammung von Poseidon s. Hom. Od. 11, 305–320, zu Tityos Hom. Od. 11, 576–581. Bei Pherekydes (FGrH 3 F 55) ist er Zeus’ Sohn von Elara (so auch Apollod. 1, 4, 1, Hes. fr. 78 MW). 132 Entsprechend gilt der Vergleich als unpassend: vgl. Σ P. 4, 156b. 160a, Norwood (1915) 6. 133 Das erste wird in Hom. Il. 5, 385–394 erzählt, das zweite in Hom. Od. 11, 305–320 (vgl. Pi. fr. 162), alles zusammen bietet Apollod. 1, 7, 4; zu Tityos s. Hom. Od. 11, 576–581. 134 Zum Tod der Aloadai s. Apollod. 1, 7, 4, Pi. fr. 163 (vgl. Σ P. 4, 156; in Hom. Od. 11, 318– 320 tötet sie Apollon). Zu Tityos s. Pherekydes FGrH 3 F 56, wo ihn jedoch Artemis und Apollon töten; nur von Apollon wird er bei Apoll. Rhod. 1, 759–762, Apollod. 1, 4, 1 getötet, ebenso in einem der delphischen Paiane (Paian 46 Käppel 1992; die Bedeutung dieses Siegs zeigt sich in seiner hevorgehobenen Erwähnung: s. Furley – Bremer 2001 99). 135 Da auch die Aloadai die ihnen gesetzten Grenzen überschreiten, bezieht sich der angegebene Zweck der Bestrafung (92) nicht nur auf Tityos (Burton 1962 154 f., Braswell 1988 184), sondern auf alle drei Frevler; zum Gedanken vgl. P. 3, 19–26, P. 11, 50 f., I. 7, 47 f. und besonders den Ixion-Mythos in P. 2, 21–48, dessen Kerngedanke χρὴ δὲ κατ’ αὐτὸν αἰεὶ παντὸς ὁρᾶν μέτρον (34: „Man muß immer mit Blick auf einen selbst auf das Maß einer jeden Sache schauen“) ist. Vgl. (allerdings auf das Alter bezogen) fr. 127, fr. 123, 1 und ebenso das Prooimion von N. 8 (1–5). Vgl. unten S. 229 f. Anm. 210 zum Wort καιρός. 136 Vgl. Graham (1978) 103–106. 137 Vgl. Graham (1978) 104 f. Der Vergleichspunkt liegt also keineswegs nur in der Größe der Riesen, „with which Iason’s imposing stature is compared by implication“ (Braswell 1988 184; vgl. Burton 1962 154 f.), denn diese Größe dient allein als Grundlage des eigentlichen Vergleichspunktes, der Bedrohlichkeit für die Ordnung. 138 Zu ἐκτράπελον (105) s. Braswell (1988) 195–197 und ausführlicher (1982) 310–312.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

215

Auch beim Gastmahl, das er anläßlich seiner Rückkehr veranstaltet (127–131), erweist er sich als zuvorkommend (128: μειλιχίοισι λόγοις) und beeindruckend großzügig, denn er macht passende Gastgeschenke (129) und läßt für fünf Tage und Nächte eine ununterbrochene Festesfreude herrschen (129 f.), in der er den „heiligen Flor des Wohllebens“ pflückt (130 f.: δραπὼν … ἱερὸν εὐζοίας ἄωτον).139 Dieses göttliche Fest macht Iason, den Jüngling von zwanzig Jahren (104), der von außerhalb zurückkehrt, im übrigen auch sozial zu dem Mann, der er körperlich schon ist (78–92), so daß es initiatorischer Natur ist (was den Vergleich mit Apollon [87] um so treffender macht).140 Als Mann zeigt sich Iason auch dann, wenn er dennoch ernst sein kann (132: λόγον θέμενος σπουδαῖον) und seine Gäste voller Tatkraft und Zielstrebigkeit zu Pelias führt (132–135) und vor ihm trotz des ihm und seiner Familie zugefügten Unrechts (109–112) abermals seine Freundlichkeit (136 f.: πραῢν … μαλθακᾷ φωνᾷ ποτιστάζων ὄαρον), aber auch eine vorausplanende Klugheit beweist (138: βάλλετο κρηπῖδα σοφῶν ἐπέων). Dabei erstrebt er entgegen der ersten (und danach durch das Vorführen seiner Tatkraft erzeugten) Erwartung eine friedliche Einigung (138–155): Mit dem Hinweis darauf, daß Menschen oft den listig-verschlagen erreichten Gewinn (140: κέρδος ҕ… δόλιον) dem Recht vorzögen, erklärt er, daß Pelias und er sich beherrschen müßten, damit zukünftiger Segen entstehen könne (139– 141);141 dies sei moralisch geboten (147: πρέπει), weil sie die Verwandtschaft verbinde (142–148).142 Entsprechend kompromißbereit und großzügig wolle er Pelias alle geraubten Besitztümer behalten lassen (148–151), wenn er nur die rechtmäßige Herrschaft (also die Aisons) wiederherstellen könne (152– 155). Dies ist nicht nur angesichts seiner Jugend beachtenswert,143 sondern 139 S. Braswell (1988) 215–218, besonders 216 (zu ἱερόν [131]). Zu ἄωτος s. o. S. 106 Anm. 91. 140 Vgl. Burkert (1977) 227: Apollon ist „der Ephebe an der Schwelle des Erwachsen-Seins, noch mit dem langen Haar des Knaben […]. Er ist Inbegriff jenes ‚Wendepunktes der Jugendblüte‘, télos hébes, den der Ephebe erreicht hat und mit dem Fest, das ihm Einlaß in die Männergesellschaft verschafft, auch schon hinter sich läßt“. Zum Ephebenstatus Iasons s. Graf (1987) 97 f., Hunter (1988) 448–452; vgl. oben S. 213 Anm. 129. 141 S. Köhnken (1970) 8–10, Braswell (1988) 224 f.; vgl. P. 1, 92, N. 7, 17 f. (wo derselbe Gegensatz von Klugheit [vgl. P. 4, 138] und Gewinnstreben vorliegt), I. 7, 47 f. und insbesondere Hes. erg. 327–335, Thgn. 197–210. Wie es richtig sein sollte, zeigt P. 8, 13–15. Zur Bedeutung von κέρδος (140) s. allgemein Roisman (1990). 142 Der prima vista seltsame Vergleich Ainaretes mit einer Kuh (142 f.) „does not seem to be attested elsewhere in Greek“ (Braswell 1988 227 f., hier 227; vgl. Herwerden 1897 44, Norwood 1915 6, Kirkwood 1982 181. 187). Er ließe sich mit Hdt. 4, 186 dahingehend erklären, daß Kühe den libyschen Nomaden als Verkörperung der Isis heilig waren (s. Hdt. 2, 41) und daß die in Libyen lebenden Griechen diese Verehrung übernahmen (so aßen z. B. die kyrenischen Frauen aus Respekt vor Isis kein Kuhfleisch; zu beidem s. H. W. Helck: „Isis“, KlP 2, 1463 f.). Der Kuhvergleich wäre also überaus preisend (zum Asyndeton s. Maehler 2000 424 Anm. 13). Zur Generationenzählung s. o. S. 93 f. Anm. 42. 143 Vgl. die Hybris der jungen Freier in der Odyssee (s. Hölscher 2000 264–267).

216

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

auch, weil er eindeutig im Recht ist und keineswegs auf den Usurpator Pelias zugehen müßte. Nach Pelias’ Zustimmung zu diesem Vorschlag (156–168) versammelt Iason die Argonauten (169–171). Im Katalog der herbeieilenden nicht-thessalischen Heroen wird deutlich, über welch großes Ansehen Iason als Anführer verfügt: Sogar bedeutende Göttersöhne wie Herakles ordnen sich bereitwillig (wie zuvor seine Verwandten: 132–135) seinem Befehl unter (insbesondere 188 f. 194).144 In entsprechender Weise genießt er aufgrund seiner (bereits gegenüber Pelias bewiesenen) Frömmigkeit die Gunst der Götter: Diese findet die höchstmögliche Bestätigung darin, daß Zeus seine Unterstützung signalisiert (191–201), aber auch darin, daß Poseidon die Argonauten nach einem ihm gewidmeten Opfer erhört und sie sicher ans Ziel bringt (203–212).145 Auch Hera hilft ihnen (184–187),146 und Aphrodite lehrt Iason Beschwörungsformeln, mit denen er Medea gewinnen kann (213–219).147 Angesichts dieser Unterstützung kann sich Iason später (232–237) auch voller Gottesvertrauen (232: θεῷ πίσυνος) an Aietes’ Pflugprobe wagen. Alles in allem wird Iason überaus positiv dargestellt: Er ist jung, schön, mutig, kräftig, kampfeserfahren, tatkräftig, führungsstark, kompromißbereit, rechtschaffen, ehrlich, fromm und großzügig, kurz: ein beeindruckender und gottgleicher Mann – und trotzdem weiß er um seine menschliche Natur und fällt nicht der Verblendung oder der Hybris anheim.148 Gänzlich gegenteilig werden Iasons Gegenspieler charakterisiert: Von Pelias hören wir als erstes, daß er einen gerissenen Sinn habe (73: πυκινῷ … θυμῷ; vgl. O. 13, 52), und etwas später, daß zwar auch er angesichts Iasons gestaunt habe, nicht aber wie die anderen wegen dessen gottgleicher Erscheinung, sondern weil er den Schuh entdeckt habe (95 f.), vor dem er im Orakel (71–78) gewarnt worden war. Dieses Schuhs wegen war er nämlich, nachdem er das Gerede der Iolker gehört hatte, in aller Eile gekommen (93–95);149 sei144 Man vergleiche Apollonios Rhodios’ Iason, der kaum die Pindarische Lichtgestalt ist (s. Köhnken 2000 und 2003; vgl. Hadas 1936, Klein 1983, Hunter 1988). 145 Die Größe der Gefahr zeigt sich darin, daß die Symplegades gerade das erste (und letzte: 210 f.) Mal durchfahren werden – und vor allem hierfür war die Argo berühmt ( Jackson 1997); vgl. unten S. 255 Anm. 314. 146 Dies ist ihre gewöhnliche Rolle: vgl. Hom. Od. 12, 69–72. 147 Zur Heirat Medeas vgl. O. 13, 53; zu Medea in der frühgriechischen Dichtung insgesamt s. Giannini (2000). 148 Vgl. Burton (1962) 156. 168 (auch Mezger 1868 82, Giannini 1979 49–60). Narratologisch bemerkenswert ist, daß Iason am Anfang des Mythos (d. h. ab 78) aus drei Perspektiven (Erzähler, Einwohner von Iolkos, Iason selbst) in komplementärer Weise charakterisiert wird (s. Köhnken 1993a 56 und 1993b 28 f.; vgl. de Jong 1991, insbesondere 207– 209; vergleichbar ist Kyrenes Charakterisierung in P. 9, 17–35). 149 So richtig Friederichs (1863) 43 f., der „die Häufung προτροπάδαν Πελίας ἵκετο σπεύδων“ als Verweis auf Pelias’ „Furcht, dies möchte der vom Orakel prophezeite Mann sein“, bestimmt. Die Motivation seines Erscheinens zeigt auch das Partizip παπτάναις (95), denn

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

217

ne Furcht verbirgt er jedoch im Herzen (96 f.: κλέπτων … θυμῷ δεῖμα)150 und überspielt sie mit zuvorkommender Freundlichkeit, wenn er höflich nach der Herkunft des Fremden fragt (97–100).151 Diese (narrativ betonte) Diskrepanz zwischen gespielter Freundlichkeit und feindseligem Innern152 offenbart Pelias’ Charakter, der bei aller Klugheit durchtrieben, unehrlich und falsch ist – und dies wird sogleich bei seinem ersten Auftreten deutlich, insbesondere im Kontrast mit dem gottgleichen Iason. Die Pointe ist dabei, daß Pelias sich für den Rezipienten des Epinikions durch seine eigene Aufforderung an Iason, seine Herkunft nicht mit hassenswertesten Lügen zu beflecken (99 f.: ἐχθίστοισι μὴ ψεύδεσιν καταμιάναις … γένναν; die eindeutig negativen Wörter ἔχθιστος, ψεῦδος153 und καταμιαίνειν heben dies hervor), gerade selbst derart bloßstellt (seine Lüge ist ja offenbar), daß man ihn nur noch für einen schlechten Menschen halten kann.154

150 151

152 153 154

dieses Verb drückt eine Zielgerichtetheit aus (vgl. LSJ s. v. II: „look round for, look after“; die mit „having set eyes on“ für diese Stelle angegebene Bedeutung [vgl. Giannini 1979 52 Anm. 69] scheint im Kontext unpassend zu sein). Hier hält sich Pelias im übrigen an seinen gottgegebenen Auftrag (75: τὸν μονοκρήπιδα πάντως ἐν φυλακᾷ σχεθέμεν μεγάλᾳ). Zum Dativ s. Braswell (1988) 188. Pelias’ Begrüßung ist nicht beleidigend (so Mezger 1880 211, Schroeder 1922 40, Campbell 1955, Burton 1962 155 f., Ruck – Matheson 1968 20, Sandgren 1972 15, Wilhelm 1973 71, Graham 1978 110–112, Giannini 1979 52 Anm. 71, Kirkwood 1982 184, Köhnken 1993a 56–58 und 1993b 29 Anm. 16), sondern höflich (s. Braswell 1988 189–192 und Hermann 1839 139, Christ 1896 156, Danielsson 1927 4–7, Shorey 1930). Insbesondere πολιᾶς (98: „venerable“ [Braswell]) und die abschließende Aufforderung in 99 f. („don’t befoul your honourable birth […] by trying to conceal it“ [Braswell 1988 191]) unterstellen dem Angeredeten eine edle Herkunft, was kaum beleidigend sein kann. Zum ebenfalls nicht beleidigenden Wort χαμαιγενέων (98) vgl. Hom. Il. 5, 442, h. 2, 353, h. 5, 108, Hes. theog. 879 (zur Bedeutung s. Braswell 1988 190). Herabsetzend ist Pelias’ Begrüßung im übrigen auch nicht deswegen, weil er Iason anders als seine Mitbürger nicht als Gott oder Halbgott anspricht (Köhnken 1993a 57 f.), denn er ist im Vergleich mit ihm mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar höherstehend, da er unmittelbarer göttlicher Abstammung ist (138). Die Höflichkeit von Pelias’ Frage (vgl. die karge Homerische Formel τίς πόθεν εἰς ἀνδρῶν; πόθι τοι πόλις ἠδὲ τοκῆες; [z. B. Hom. Od. 1, 170; s. Braswell 1988 189]) bestätigt auch ein Vergleich mit B. 5, 86–88, wo Herakles Meleager ähnlich befragt, und zwar aus aufrichtiger Bewunderung (s. Maehler 1982 2, 107 und 2004 120; vgl. B. 18, 31 f., P. 9, 33– 35, adesp. fr. 1b, 6–8 (d) TrGF). Im übrigen wäre es unvernünftig, wenn Pelias unfreundlich nach Iasons Herkunft fragte, denn diese Information hat für ihn keine Bedeutung: Da er weiß, daß er sich vor einem Einschuhigen in acht nehmen muß, sei es ein Fremder, sei es ein Bürger (78; s. u. S. 253 Anm. 305), er diesen Einschuhigen aber eindeutig identifiziert hat (95 f.), muß er dessen genaue Identität nicht mehr erfahren – er muß ihn bloß beseitigen, und hierbei hätte Unfreundlichkeit kaum geholfen (wie er angesichts von πυκινῷ … θυμῷ [73] weiß; vgl. Graham 1978 108). Pelias ist auch in seiner zweiten Rede (scheinbar) freundlich und entgegenkommend (156–168; s. Burton 1962 158). S. Mezger (1868) 80 f. S. zu dem Wort ψεῦδος Köhnken (1971) 47 Anm. 56. Damit liegen hier (vgl. 71–78) zwei verschiedene narratologische Ebenen vor (vgl. unten S. 253 Anm. 305).

218

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Darüber hinaus erfahren wir von Iason, daß Pelias die von Zeus Iasons Familienteil übertragene Herrschaft (107 f.)155 mit Gewalt geraubt habe (110: ἀποσυλᾶσαι βιαίως) und gegen den Willen der Götter (107: οὐ κατ’ αἶσαν)156 ausübe, daß er verbrecherisch sei (109: ἄθεμιν) und weiße Sinne besitze (109: λευκαῖς … φρασίν) – was, auch wenn unklar ist, ob sie dadurch (unter anderem) als abnorm, gefühllos, neidisch, verweiblicht oder feige gelten sollen, kaum freundlich gemeint ist157 –, daß seine Eltern den Frevel des anmaßenden Anführers hätten fürchten müssen (111 f.)158 und so gezwungen gewesen seien, ihn heimlich in der Nacht zu Chiron zu schicken (114 f.),159 und insgesamt daß großes Leid über die Familie gekommen sei (112 f.). Damit ist Pelias (man beachte, daß Iasons Anklage unwidersprochen bleibt) das genaue Gegenstück zu Iason: Abgesehen von einer gewissen Klugheit ist er feige, falsch, unehrlich, grausam, verschlagen, gesetzlos, unfromm und schlicht frevelhaft. Pelias’ Frevelhaftigkeit (111 f.: ὑπερφιάλου … ὕβριν) fällt dabei um so mehr auf, als zu erwarten war, daß eigentlich der gottgleiche Ephebe Iason diese Eigenschaft aufweisen müsse (s. o. S. 213–216).160 Auch bei der zweiten Begegnung von Iason und Pelias zeigt sich ein ähnliches Bild:161 Abermals ist es Iason, der eine Einigung herbeiführen will, nicht Pelias, obgleich dieser im Unrecht ist. Pelias antwortet zwar freundlich (156: ἀκᾷ) und stimmt Iason zu (156 f.), aber nicht, ohne ein Aber (157: ἀλλά) nachzuschieben: Zwar räume er den Thron, aber zuvor müsse Iason das Goldene Vlies aus Kolchis beschaffen (157–162); das delphische Orakel habe ihn 155 Man beachte ἀρχεδικᾶν (110), auf Iasons Eltern bezogen: Auch wenn die genaue Wortbedeutung unklar ist, gilt, daß „the word must surely imply that Iason’s ancestors were the original, lawful possessors of what Pelias has taken away by force“ (Braswell 1988 200– 202, hier 202). 156 Angesichts von Zeus’ Willen, daß Iasons Familienteil herrsche, ist ein abgeschwächtes Verständnis von οὐ κατ’ αἶσαν (107) als nicht „befittingly“ (Slater s. v. αἶσα d) oder „improperly“ (Braswell 1988 45, auch 197 f.) zu unpointiert: „Aisa bezeichnet den zugeordneten Anteil und das Schicksal“, wobei sie „uns einen Zwang auferlegt dem wir uns nicht entziehen können“ (Fränkel 1962 183). Vgl. P. 8, 12 f. 157 „That λευκαῖς is derogatory we can hardly doubt“ (Bowra 1964 246), aber „the precise meaning […] is likely to remain a mystery“ (Burton 1962 157). Einen Überblick über die Vorschläge geben Darcus (1977), insbesondere 96 Anm. 13, Stanford (1952), Ardizzoni (1973/1974), Braswell (1988) 199 f.; s. z. B. Σ P. 4, 194, Hesychios λ 717 s. v. λευκαὶ φρένες und λ 746 s. v. λευκῶν πραπίδων, Maguire (1879) 381, Postgate (1889), Schroeder (1922) 40 f., Farnell 2, 156, Burton (1962) 157 f., Bowra (1964) 246 f., Pavese (1964) 308–310, Bremer (1976) 294 Anm. 117, Pavese (1990) 61 f., Briand (1993). Zum Wort φρήν s. Darcus (1979). Vielleicht könnte die Beobachtung hilfreich sein, daß Iason in 139 f. von φρένες redet, die voller List nach Gewinn strebten, ohne an den Tag der Abrechnung zu denken, denn auch dies ist mit Blick auf Pelias gesagt (s. o. S. 215 mit Anm. 141). 158 Ein ὑβριστής ist er auch in Hes. theog. 992–996. 159 Zur Bedeutung Chirons als eines Erziehers junger Heroen s. Brillante (1991). 160 S. Brillante (1991), insbesondere 19–24. 161 Zur Bezogenheit beider Gespräche aufeinander s. Köhnken (1993a).

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

219

beauftragt (163 f.), doch er sei schon zu alt, Iason hingegen stehe in der Blüte der Jugend und könne die Aufgabe erfüllen (157–159); tue er dies, so schwöre er bei Zeus Genethlios (165–167; s. o. S. 99 mit Anm. 58), werde er ihm die Macht überlassen. Tatsächlich ist dies jedoch kein Entgegenkommen, sondern eine Offenbarung von Pelias’ verschlagener Falschheit: Erstens müßte er Aison, dem noch lebenden rechtmäßigen König (120–123), oder dessen Sohn Iason sofort den Thron überlassen und dürfte keine Bedingung stellen. Zweitens hat er selbst den Auftrag erhalten, das Vlies zu holen (164), und diesen göttlichen Auftrag kann er nicht delegieren – zumal drittens das Wort ἑκών (165) in der Aufforderung an Iason ganz offenbar nicht den Umständen entspricht, denn Pelias läßt Iason faktisch keine Wahl.162 Pelias Entgegenkommen ist also nur gespielt: Sein Ziel ist, König zu bleiben und Iason in den Tod zu schicken.163 Dies wird dadurch bestätigt, daß er nach Iasons Rückkehr entgegen der Abmachung nicht auf den Thron verzichtet, sondern von Medea getötet werden muß (250: Πελιαοφόνον) – und gerade dieser schicksalsbestimmte Tod war ja auch der sachliche Ausgangspunkt der gesamten Argonautenfahrt (71 f.), durch die Iason ironischerweise auch das Mittel zu Pelias’ Bestrafung in die Hand bekommt: Medea (250).164 Von Anfang an steht damit fest, daß Pelias niemals auf den Thron verzichten wird, und damit ist sein Eid ein Meineid – und dies wird erzählerisch durch dessen feierliche Bekräftigung (165–167) deutlich hervorgehoben.165 Pelias’ ganze Rede ist damit von Falschheit und Frevelhaftigkeit durchzogen.166 Pelias’ Charakterisierung ist durchgängig negativ. Eine Veränderung seines (oder Iasons) Charakters ist nicht festzustellen.167 Dies schließt aus, daß wir als Aussage des zweiten Mythosteils annehmen dürfen, daß „if a man like Pelias could be softened by the nobility and restraint of Jason, it is inevitable that a man like Arcesilas will deal mercifully with a man like Damophilus“.168 Als Frage ist allerdings noch offen, warum Iason Pelias überhaupt zustimmt (168), denn er hätte mit der Hilfe seiner Verwandten und Bekannten 162 Wenn man ἑκών (165) lediglich im Sinne von „for your part“ (Braswell 1988 245) versteht, verliert die Formulierung ihre im Kontext eindeutige Falschheit (vgl. Slater s. v.). 163 Richtig bemerkt Burton (1962) 159, daß Pelias’ „design is the more sinister for the language in which he unfolds it and the air of piety with which he sets the στονόεντας ἀέθλους before Jason.“ Vgl. Friederichs (1863) 44, Graham (1978) 134–139. 164 Zu Πελιαοφόνον (250) s. Braswell (1980) 217–222. 165 Richtig hierzu Maehler (2000) 425 f. 166 Vgl. Mezger (1868) 82, Giannini (1979) 49–60 (anders Sandgren 1972 17, Carey 1980b, besonders 149 f., doch vgl. die oben angeführten Hinweise auf die Diskrepanz zwischen Schein und Sein). Bezeichnend ist, daß Pelias Iason unter dem Vorwand der religiösen Pflichterfüllung (s. Burton 1962 159 f., Kirkwood 1982 188) in den Tod schicken möchte. 167 Vgl. insbesondere Köhnken (1993a) 58 und (1993b) 30 f. sowie Graham (1978) 138: „Pelias’ second speech […] presents not a change, but a fuller revelation of character.“ 168 Carey (1980b) 150.

220

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Pelias gewaltsam besiegen können (133–135),169 zumal es ihm hätte bewußt sein müssen, daß Pelias lügt, da er andernfalls die Macht sofort an Aison, den rechtmäßigen König, hätte übergeben müssen. Hierauf könnte eine Antwort sein, daß Pindar mit der Argonautenfahrt Iasons „appropriately heroic response to an opportunity to display his prowess or rather to realize his ἀρετά“ zeigen wollte,170 doch Iason hat (abgesehen davon, daß er hier kein draufgängerischer Abenteurer ist: vgl. Diod. 4, 40, 1–3) dennoch einen guten Grund für seine Zurückhaltung: Iason ist im Gegensatz zu Pelias fromm und achtet die Verwandtschaft (138–148). Auch wenn er Zweifel an Pelias’ Ehrlichkeit hat, muß er auf dessen Vorschlag eingehen, um einen offenen Konflikt zu vermeiden, der ihn dazu zwänge, einen Verwandten (der seinerseits bisher noch keinen Verwandten getötet hat) zu töten. Andererseits ist sein Auftrag zwar gefahrvoll (71), doch kann er sich des Schutzes der Götter sicher sein – der ihm dann auch die Möglichkeit verschaffen wird, einen gegebenenfalls meineidigen Pelias nach der Heimkehr zu bestrafen.171 Iasons anderer Gegenspieler, Aietes, ist zwar weniger umfangreich als Pelias, aber dennoch ebenso eindeutig negativ charakterisiert: Obgleich er als Siegpreis für die Pflugprobe das Goldene Vlies verspricht (229–231),172 gibt er Iason nach dem (für ihn unerwarteten)173 Bestehen der Aufgabe zwar sofort (241: αὐτίκα) kund, wo das Vlies liegt, verschweigt aber, daß es von einer riesigen Schlange bewacht wird (241–246), und zwar in der Hoffnung, daß Iason getötet werde (243). Damit handelt er nicht anders als Pelias, denn auch dieser hatte Iason auf eine Reise geschickt, von der er nicht mehr zurückkehren sollte – kaum hingegen erscheint Aietes hier als jemand, „der seinen bösen Willen bändigen kann und der das Gefühl für Gerechtigkeit doch nicht ganz verloren hat“.174 169 S. Carey (1980b) 146 f., der anmerkt, daß singulär ist, daß Iason Pelias nicht allein gegenübersteht. Dies unterstreicht seine Zurückhaltung (vgl. Köhnken 1993a 60 Anm. 42). 170 Braswell (1988) 220. 171 So ist „die sittliche Mässigung […] nicht der Ausfluss von Schwäche, sondern das Resultat freiester Selbstbeherrschung und lauterster Frömmigkeit“ (Mezger 1868 82; vgl. Carey 1980b 146 f.). Zur Singularität der Vereinbarung s. u. S. 249 Anm. 296. 172 Das Relativpronomen ὅστις (230) ist kaum abschätzig (so Gildersleeve 1890 298); auch wird es primär nicht dazu verwendet, „to indicate which of the several kings present in the expedition he means […], the one who is in command of the others of this rank, i.e. the primus inter pares“ (Braswell 1988 316 f.). Vielmehr bezeichnet das Relativpronomen generell (auch) „einen Gegenstand in Rücksicht auf seine Gattung, auf seine Art und sein Wesen, sein Vermögen, seine Fähigkeit (solcher, welcher), daher auch wenn der Adjektivsatz einen Grund für die Handlung des Hauptsatzes enthält: als ein Mann der“ (KG § 554 1 Anm. 1): Als ein Mann, der ein Schiff führt (führen kann), kann Iason die Pflugprobe bestehen und das Vlies davontragen (zum Modus s. § 558 6; vgl. unten S. 228 Anm. 203). 173 Dies zeigt sich sprachlich vor allem in der Partikel γε in κεῖνόν γε … πόνον (243), bezogen auf die Bezwingung der Schlange: vgl. GP 114 f. 121–123. 174 Sandgren (1972) 19.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

221

Auch Aietes’ Reaktion auf das Bestehen der Probe ist zu Pelias’ Verhalten parallel: Wie Pelias bei seiner ersten Begegnung mit Iason erstaunt ist (95 f.), staunt Aietes über Iasons unerwartete Stärke (238: δύνασιν … ἀγασθείς), und wie Pelias seine Furcht im Herzen verbirgt (96 f.), schreit Aietes zwar erstaunt auf, behält aber seinen Schmerz für sich und spricht ihn nicht aus (237: ἴυξεν … ἀφωνήτῳ περ ἔμπας ἄχει). Dieses Verstecken der wahren Gefühle hat wie bei Pelias den Zweck, Iason nicht mißtrauisch werden zu lassen, denn wenn Aietes offenen Unwillen äußerte, könnte seine (geplante, zweite) List nicht mehr erfolgreich sein.175 Aietes’ Falschheit steht dabei die (durch die erzählerische Kontrastierung hervorgehobene) Aufrichtigkeit von Iasons Gefährten gegenüber, die ihn – wie es bei einem großartigen Sieg notwendig ist (s. o. zu Nemee 8) – ohne List und aufrichtig feiern (239–241), parallel im übrigen zu Iasons Verwandten, deren aufrichtige Freude über Iasons Rückkehr im Kontrast zu Pelias’ Reaktion steht (120–131). Insgesamt werden im zweiten Mythosteil (70–262) Iason, seine Gefährten und seine Familie als äußerst tugendhaft, Pelias und Aietes hingegen als schlecht dargestellt, und zwar in eindeutiger und polarer Weise;176 diese Polarität läßt die Unterschiede um so stärker hervortreten. Die Charakterisierungen bilden dabei den inhaltlichen Kern des zweiten Mythosteils – und nicht die Darstellung der eigentlichen Argonautenfahrt. Hierfür ist schon ein Indiz, daß ansonsten zentrale Episoden wie die Harpyien oder der Kampf gegen die Spartoi in Kolchis fehlen oder nur knapp (und dann zumeist in sportmetaphorischem Rahmen) abgehandelt werden.177 175 Deshalb ist ἀφωνήτῳ (237) hier nicht als „inarticulate“ (Braswell 1988 325; vgl. Christ 1896 165) zu verstehen, auch wenn es grundsätzlich unbestimmt ‚derart, daß keine φωνή damit verbunden ist‘ (mit Barrett 1964 290 f.; vgl. Fraenkel 1962 2, 136 f. und allgemein Schwyzer I 501–504) bedeutet und das Wort φωνή auch „any articulate sound“ (LSJ s. v. I 3) bezeichnen kann. Vielmehr schreit Aietes laut ἰού (wovon sich das Verb ἰύζειν ableitet: s. LSJ s. v.) und drückt vorgeblich „joyful surprise“ (LSJ s. v. ἰού 2) aus, ähnlich den Argonauten, deren Freude jedoch echt ist; zugleich empfindet er Schmerz, den er aber nicht sprachlich ausdrückt, der also keine φωνή hat. Komprimiert führt dies Aietes’ Falschheit vor Augen – die schon im Ruf ἰού selbst enthalten ist, der neben „joyful surprise“ auch „grief or annoyance“ (LSJ s. v. 1) ausdrückt. Zu ἔμπας (237) s. Radt (1958) 200–208, Braswell (1988) 325; hier verstärkt es περ (237; vgl. Schwyzer II 582 und Hom. Il. 14, 1). Aietes ist auch bei anderen Autoren hinterhältig, etwa in den Naupaktia, wo er die Argonauten zu einem Fest einlädt, um ihr Schiff zu verbrennen und sie selbst zu töten (vgl. Herodoros FGrH 31 F 52 f.); für einen Vergleich von Aietes’ Reaktion bei Pindar und Apollonios Rhodios s. Köhnken (2000) 61 f. Man beachte, daß es in einigen Darstellungen (z. B. Herodoros FGrH 31 F 9) ein Orakel gibt, daß Aietes durch seine eigenen Nachkommen getötet werde (was dem Pelias gegebenen Orakel entspricht [73–78]). 176 Vgl. Mezger (1868) 79–82. 177 Vgl. Burton (1962) 163 f.; einen umfassenden Überblick über die Abenteuer der Fahrt gibt Gantz (1993) 345–365. Pindar erzählt offenbar das, was für seine Aussage insgesamt entscheidend ist; kaum ist die Auswahl nur auf lyrische Gattungskonventionen (Burton 1962 163) oder die Bekanntheit des Ausgelassenen (Pinsent 1985 2; ähnlich Friederichs

222

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

5.4.3Damophilos und die Eiche Die ausführliche, eindeutige und im Zentrum der Darstellung stehende Charakterisierung der handelnden Personen im zweiten Mythosteil bestätigt die vorgebrachten Einwände gegen die Gleichsetzung von Iason und Pelias mit Arkesilaos und Damophilos in jeglicher Kombination – zumindest dann, wenn tatsächlich die Rechtmäßigkeit der Battiadenherrschaft mit Hinblick auf Damophilos’ Begnadigung dargestellt werden sollte. Der zweite Mythosteil scheint damit nicht auf die historische Situation zu beziehen zu sein, und zugleich scheint er auch kaum als Vervollständigung des ersten Mythosteils dienen zu können – zumal er zwangsläufig in der unterstellten historischen Situation eine solche Brisanz hätte, daß er kaum nicht-allegorisch verstanden worden sein könnte und Arkesilaos als ὑβριστής Pelias gezeigt hätte. Ein methodischer Ausweg aus dieser Aporie könnte sein, die entscheidende Prämisse der bisherigen Vorschläge zu prüfen: daß nämlich Pindars Ziel Damophilos’ Begnadigung war – denn gerade diese Annahme zwingt zu den vorgeschlagenen Gleichsetzungen, in denen sich der politische Gegensatz widerspiegelt. Ohne diese Prämisse wäre keine derartige Gleichsetzung notwendig – wobei ihre Adäquatheit allein schon deshalb fraglich ist, als von Damophilos’ Begnadigung nirgendwo im Lied (jedenfalls explizit) die Rede ist. Ausdrücklich sprechen von ihr erst die antiken Kommentatoren: ἡ γὰρ δὴ προκειμένη ᾠδὴ ἱστορικὴν ἔχει παρέκβασιν. τὰ γὰρ ἐπὶ Κυρήνης κτίσεως καὶ τῶν ἐπ’ αὐτῇ ταραχῶν περιέχει. ὁ δὲ Ἀρκεσίλαος τοὺς μὲν ἀνεῖλε, τοὺς δὲ ἐφυγάδευσεν, ἐν οἷς τις ἦν καὶ Δαμόφιλος, ὃς ἐκπεσὼν τῆς πατρίδος ἦλθεν εἰς Θήβας, ὑπὲρ οὗ φαίνεται ὁ Πίνδαρος παρακαλῶν καὶ βουλόμενος αὐτὸν διαλλάξαι … Das vorliegende Lied enthält nämlich einen geschichtlichen Exkurs, denn es beinhaltet die Ereignisse bei der Gründung Kyrenes und diejenigen während der Unruhen dabei. Arkesilaos tötete die einen, und er verbannte die anderen, unter denen sich auch ein gewisser Damophilos befand, der nach seiner Verbannung aus der Heimat nach Theben kam und für den Pindar offenbar Fürbitte einlegt und eine Begnadigung erreichen möchte […].178 τάττεται ἡ ᾠδὴ εἰς τοὺς ἐπινίκους, μεῖζόν τι ἢ κατὰ ἐπίνικον οὖσα διὰ τὸ μεμηκύνθαι καὶ πραγμάτων ἔχειν ἀφήγησιν ἐντοπίων, τὸ δὲ ἀνωτάτω καταλλαγὴν φυγάδος Δαμοφίλου τινός. 1857 422; vgl. Köhnken 1993a) zurückzuführen; vgl. Wilamowitz (1922) 392. Vielmehr werden die anderen Abenteuer vor allem deswegen ausgelassen, damit sie nicht vom „portrayal of Jason as the ideal hero“ (Wilhelm 1973 82, insgesamt 82 f.) ablenken. 178 Σ P. 4 inscr. a. Daß, wie gesagt zu sein scheint, Damophilos sein Exil in Theben verbracht hat (ähnlich Mezger 1868 74 und 1880 202, Schroeder 1922 33, Bowra 1964 137, Robbins 1978 206, Calame 2003 66), ist historisch unwahrscheinlich, denn der natürliche Platz für einen verbannten Kyrenaier war Thera, wo die Bürger der Kolonie besondere Rechte genossen. Dies zeigt sich z. B. während der Unruhen unter Arkesilaos III. um 520 v. Chr. (s. Hdt. 4, 164, 2, allgemein Malkin 2003 166 f.); vgl. unten S. 243 f. Anm. 272.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

223

Dieses Lied ist in die Epinikien einsortiert, obgleich es wegen seiner Ausgedehntheit und wegen des Enthaltens einer Darstellung örtlicher Geschehnisse, zuvorderst der Aussöhnung mit einem Flüchtling, einem gewissen Damophilos, länger ist, als es für ein Epinikion üblich ist.179

Wenn wir aber eine Pindar-Stelle (besonders wenn sich schwerwiegende Probleme ergeben) allein mit Hilfe der Scholien deuten, „ist wache Kritik von Nöten, um so weit wie möglich zu scheiden, was die Scholiasten wirklich wußten, und was sie sich nur ausgedacht haben“, da „sich die Kommentatoren nicht gescheut haben, besondere Ereignisse und Umstände aus dem Nichts hervorzuzaubern“,180 hier mit dem Ziel, den Sachverhalt zu erklären, daß einem sonst unbekannten Damophilos so viel Platz eingeräumt wird. Bei näherer Betrachtung bestätigt sich dieser Verdacht, denn alle Angaben der Scholien zu Damophilos könnten aus dem Lied selbst herausgesponnen sein, gemäß dem antiken Erklärungsprinzip des εἰκός, der wahrscheinlichen Vermutung.181 Dies zeigt nicht zuletzt die Erklärung der für die obige Deutung zentralen Passage 263–269, die Damophilos als Eiche beschreibe: ὃ δὲ αἰνίττεται, ἔστι τοιοῦτον. ἐστασίασάν τινες ἐν τῇ Κυρήνῃ κατὰ τοῦ Ἀρκεσιλάου, βουλόμενοι αὐτὸν μεταστῆσαι τῆς ἀρχῆς· ὁ δὲ ἐπικρατέστερος αὐτῶν γενόμενος ἐφυγάδευσεν αὐτοὺς τῆς πατρίδος. ἐν τοῖς οὖν στασιώταις ἦν καὶ ὁ Δημόφιλος, ὃς καὶ αὐτὸς ἀνάστατος γέγονε τῆς πατρίδος, καὶ φυγαδευθεὶς ἔρχεται εἰς Θήβας καὶ ἀξιοῖ τὸν Πίνδαρον (τινὲς δὲ, ὅτι καὶ τὸν μισθὸν τοῦ ἐπινίκου δίδωσι τῷ Πινδάρῳ αὐτός), ὥστε τῇ τοῦ ἐπινίκου γραφῇ διαλλάξαι αὐτὸν πρὸς τὸν Ἀρκεσίλαον. ἦν δὲ αὐτῷ καὶ πρὸς γένους. Was im Rätsel gesagt wird, ist das folgende: Es erhoben sich einige in Kyrene gegen Arkesilaos im Wunsch, ihn von der Herrschaft zu entfernen. Er aber gewann die Oberhand über sie und verbannte sie aus der Heimat. Unter diesen Aufständischen war auch Damophilos, der auch selbst aus der Heimat verbannt wurde. Als Flüchtling kam er nach Theben und bat Pindar (einige sagen auch, daß er selbst ihm sogar den Lohn für das Epinikion gab), daß er ihn durch das Schreiben des Epinikions mit Arkesilaos versöhne. Er war mit ihm auch verwandt.182

In dieser Erklärung beruhen alle ‚historischen‘ Fakten (außer der Verwandtschaft, die aber niemand für glaubhaft hält, zumal ihr Bezug unklar ist) auf Angaben im Lied selbst:183 Die Verbannung ergibt sich in Verbindung damit, daß die Eiche ihren Platz verlassen hat (269), daraus, daß sich Damophilos 179 Σ P. 4, 1a; vgl. Σ P. 5 inscr. 180 S. Fränkel (1961) (das Zitat 397), grundlegend auch Lefkowitz (1991) 72–88 (insbesondere das Fazit 88); für ein Beispiel vgl. unten Anm. 185 und Davies (2007) 49–52 zu den Varianten zur Gründung der Pythien in den hypotheseis der Pythien-Scholien. Das mangelhafte Textverständnis der Scholiasten zeigt sich schon daran, daß als Quelle des Homerzitats in 278 Hom. Il. 15, 207 angegeben wird: s. u. S. 228 Anm. 204. 181 Lefkowitz (1991) 76. 182 Σ P. 4, 467; vgl. 468a; weitere Stellen sind: Σ P. 4 inscr. a (s. o.), 1a (s. o.), vgl. auch 480a, 489a, 497b, 499, 501a, 510a, 511a, 514a. b, 521, 530a. 183 Dies räumt auch Braswell (1988) 360 ein; zu Damophilos’ angeblicher Verwandtschaft (mit wem auch immer: Σ P. 4, 467) s. Wilamowitz (1922) 376 f.

224

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

nicht in Kyrene aufhalte und erkrankt (verbannt) sei (289 f. 293 f.), sein Aufenthalt in Theben aus 299 und die Angabe, daß ein Teil der Aufständischen getötet wurde, aus dem Verbrennen der Eiche (266). Ferner ist die Angabe, daß ein Teil der Aufständischen getötet und ein Teil verbannt wurde, eindeutig aus dem zweigeteilten εἰ-Satz in 266–269 abgeleitet, wobei dem ersten Satzteil (dem Verbrennen) die Tötung, dem zweiten Satzteil (dem Verbringen an einen anderen Ort) die Verbannung entspricht. Für die Deutung der Scholien läßt sich damit kein einziger unabhängiger Beleg anführen. Doch abgesehen davon mahnt schon die Angabe, daß Pindar von Damophilos bezahlt worden sei,184 zur Vorsicht, denn kein antiker Kommentator hat hiervon Jahrhunderte später Kenntnis gehabt – und noch viel mehr mahnt zur Vorsicht, daß diejenigen Ereignisse, die unter Arkesilaos IV., dem Pythiensieger, geschehen sein sollen, in verblüffender Weise den nach Herodot unter Arkesilaos III. geschehenen entsprechen: Unter dessen Herrschaft fand nämlich tatsächlich ein Aufstand statt, der mit dem Ergebnis niedergeschlagen wurde, daß ein Teil der Aufständischen getötet, der andere verbannt wurde.185 Daß aber dieselben Ereignisse unter zwei Königen derselben Stadt und desselben Namens mit demselben Ausgang stattgefunden haben, ist kaum wahrscheinlich. Wahrscheinlich ist allerdings, daß ein antiker Erklärer aus Versehen oder Unkenntnis die gleichnamigen Könige verwechselt hat – und damit ‚historische‘ Fakten geschaffen hat, die ein adäquates Verständnis von Pythie 4 noch immer nachhaltig behindern. 184 Diese Spekulation findet sich z. B. noch bei Lattimore (1948) 19. 22, Duchemin (1967) 92, Carey (1980b) 143 f., Pinsent (1985) 2, Braswell (1988) 360 f., de Jong (1991) 207. 185 S. Mitchell (1966) 99–103 (und 1974). Vgl. die Nennung Hesychias am Beginn von P. 8 (1); sie wird alternativ mit στάσεις περὶ τὸν τῆς νίκης τοῦ Ἀριστομένους καιρόν (Σ P. 8, 1a: „Bürgerkriegen in der Zeit von Aristomenes’ Sieg“; so auch Pfeijffer 1995) und διὰ τὸ νεωστὶ λελύσθαι τὰ Περσικά (Σ P. 8, 1b: „weil jüngst die Perserkriege geendet hatten“) erklärt. Dies legt nahe, „that the ancient commentators had no more specific information than we do about the historical ambiance in which the ode was performed“ (Lefkowitz 1991 81): Angesichts der sicheren Datierung von P. 8 auf 446 scheidet die zweite Erklärung aus, und für die erste gibt es keine unabhängige Bestätigung (die Einnahme Aiginas durch Athen fand 13 Jahre vorher statt); s. Lefkowitz (1991) 72–88, insbesondere 75–81. Ein entsprechender Eindruck stellt sich auch bei Lattimores (1948) 22 Erklärung zu P. 4 ein: „There were tremors at least of stasis when the Fourth Pythian was written, and stasis, not long afterward, was to cost Arcesilas his life. It is hard to disconnect these upheavals from the issue between the King and Damophilus“ (vgl. Wilamowitz 1922 376 f., Ruck – Matheson 1968 25) – wenn man bedenkt, daß „not long afterward“ mindestens zehn, wenn nicht zwanzig Jahre später bedeuten muß (nach Chamoux 1953 201–210 endete die Monarchie 439 v. Chr.; nach Σ P. 4 inscr. b haben die Könige für 200 Jahre geherrscht, was bei einem Gründungsdatum von 631 v. Chr. auf die 430er Jahre führt, so daß Arkesilaos sogar noch dreißig Jahre nach seinem Pythiensieg von 462 v. Chr. geherrscht hätte; vgl. Mitchell 1966 110–112). Im übrigen fällt auf, daß, „to judge by Damophilos, the opposition to Arkesilas IV earlier in his reign had been aristocratic, and the sudden appearance of the democratic faction is surprising“ (Mitchell 1966 110).

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

225

Nicht einmal der Text des Eichenvergleichs selbst läßt sich mit der herkömmlichen Deutung hinreichend verstehen, insbesondere wegen der fehlenden engen Korrespondenz der Vergleichsgegenstände,186 aber, wie eine nähere Betrachtung zeigt, auch wegen weiterer gravierender Probleme: Der gesamte Vergleich besteht, eingeleitet durch einen kurzen Satz (263), aus einem einzigen Konditionalsatz mit einer zweiteiligen, durch δέ verbundenen Protasis (263 f.) mit dem Sinn ‚wenn man einer Eiche die Äste abschlägt‘ sowie einer Apodosis (265–269), die zu Beginn (265) mit καὶ φθινόκαρπος ἐοῖσα („auch wenn sie fruchtgeschwunden ist“) die Protasis leicht variierend aufnimmt und mit διδοῖ ψᾶφον περ’ αὐτᾶς im Sinne von „läßt über sich selbst urteilen“ die eigentliche Folge benennt.187 Der Rest des Satzes gibt den genauen Inhalt des Urteils an (266–269), so daß es sich bei ihm weniger um eine zweite Protasis als um eine indirekte Doppelfrage handelt, abhängig von διδοῖ ψᾶφον περ’ αὐτᾶς (265):188 Die Eiche läßt, auch wenn ihre Äste abgehauen sind und sie als Baum zu existieren aufhört, über sich selbst ein Urteil zu, konkret darüber, was mit ihr geschehe, wenn sie ihren Platz verlassen hat (269: ἑὸν ἐρημώσαισα χῶρον), d. h. gefällt wurde. Im einzelnen werden zwei Möglichkeiten angeführt: Die erste ist, daß sie zu guter Letzt ins winterliche Feuer kommt (266: εἴ ποτε χειμέριον πῦρ ἐξίκηται λοίσθιον). Die zweite (267 f.) läßt sich auf zweierlei Weise verstehen: entweder dahingehend, daß die Eiche zusammen mit aufrechten, herrschaftli186 Vgl. Braswell (1988) 361 (man beachte die Zuflucht zu „graphic details“ angesichts der mangelnden Korrespondenz): „The parable […] was correctly explained by the sch. ad loc., whose explanation is easily inferred from the text itself. The oak represents the exiled Demophilus. The only points of correspondence between the oak of the parable and Demophilus are (1) the marring of the branches, which corresponds to Demophilus’ loss of civic rights and the enjoyment of his property, and (2) the displacement of the oak, which stands for Demophilus’ exile. […] The rest […], which can only apply to a tree, is there simply to provide graphic details. Attempts […] to see other or still further correspondences are futile and only confuse what is basically a simple comparison.“ Vgl. Mezger (1880) 218 f., Christ (1896) 166 f., Wilamowitz (1922) 384 f., Farnell 1, 113 f., Ruck – Matheson (1968) 24 f., Graham (1978) 190–200. Alternativ sieht man die Eiche als den Staat Kyrene (s. u. S. 242 f. Anm. 269), den kyrenischen Adel (so Schroeder 1922 47; doch s. u. S. 227 Anm. 199) oder (vornehmlich) als Iason (Mezger 1868 86, Graham 1978 197–200); eine Ausnahme stellt insbesondere Thummer 1, 43 Anm. 20 dar. 187 Zur Bedeutung von διδοῖ ψᾶφον (265) vgl. Aischin. 1, 77 (richtig hierzu Calder 1943, inkorrekt z. B. Gildersleeve 1890 301; s. auch Burton 1962 169). Das Wort ψῆφος muß im übrigen nicht „vote“ (LSJ s. v. II 5 b) bedeuten, sondern „is often used of an individual’s decision to punish or acquit“ (Hutchinson 1985 77); vgl. auch Aischyl. Sept. 198, Soph. Ant. 60, wo es die Entscheidungen der Herrscher bezeichnet (und LSJ s. v. II 5 c). 188 Zweite Protasis ist der Satzteil bei Braswell (1988) 362–364, Doppelfrage bei Burton (1962) 169. Für eine indirekte Doppelfrage ist eine εἰ-ἤ-Konstruktion durchaus üblich (vgl. KG § 589 14); entsprechend wird in Aischin. 1, 77 der Inhalt der ψῆφος durch ὅστις Ἀθηναῖος ὄντως ἐστὶ καὶ ὅστις μή („wer tatsächlich Athener ist und wer nicht“) in gleichwertiger Konstruktion angegeben (vgl. Eur. Or. 48–51).

226

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

chen189 Säulen aufgestellt wird (267: σὺν ὀρθαῖς κιόνεσσιν δεσποσύναισιν ἐρειδομένα) und einer elenden Mühe (268: μόχθον … δύστανον) an anderer Stelle, nämlich in der Stadtmauer (268: ἄλλοις … ἐν τείχεσιν)190 nachgeht (268: ἀμφέπῃ)191, oder (unter der Annahme, es sei Damophilos’ Exil bezeichnet)192 dahingehend, daß „supported by the upright columns of a master, it engages in wretched toil within other city walls“,193 nämlich denen der neuen Heimat. Das Kriterium der Entscheidung ergibt sich damit aus der Frage, ob „other city walls“ das Exil bezeichnen kann. Dies wäre sprachlich möglich, doch es erforderte ein Verständnis von 266–269 als zweiter Protasis, da das Exil (das in diesem Teilsatz allegorisch ausgedrückt sei) in der herkömmlichen Deutung nicht Inhalt oder Folge des Urteils über die Eiche sein kann, sondern dessen vorausliegende Bedingung (im Sinne einer zweiten Protasis) sein muß: Damophilos wartet im Exil auf das Urteil über sich. Insgesamt ergäbe sich folgender Sinn: ‚Wenn eine stattliche Eiche zuschanden gemacht wird, so daß sie abstirbt und gefällt werden muß, läßt sie dennoch über sich urteilen, wenn sie (unter dieser Bedingung) verbrannt wird oder im Exil ein unglückliches Leben fristet.‘ Hieran ist jedoch problematisch, daß sich, abgesehen vom fehlenden Inhalt des Urteils,194 auch hinsichtlich der angenommenen historischen Situation kein befriedigender Sinn ergäbe: Erstens würfe Pindar Arkesilaos vor, 189 Das Adjektiv δεσποσύναισιν (267) kann entweder als „equivalent of a genitive attribute δεσπότου“ (Braswell 1988 368) oder so verstanden werden, daß es „‚les qualités souveraines‘ du chêne“ (Duchemin 1967 149 f.) bezeichnet. Für zweiteres spricht die allgemeine Suffixbedeutung (s. Schwyzer I 529). 190 Richtig hierzu Schroeder (1922) 47: „nach bekanntem Gräzismus für ἄλλοθι, ἐν τείχεσιν, im Gegensatz zu ἑὸν χῶρον, in der Landschaft“ (s. auch Friederichs 1857 419 f., Fraenkel 1962 2, 228 Anm. 1, Duchemin 1967 150, Slater s. v. ἄλλος A 2); skeptisch zeigt sich Braswell (1988) 368 f. (s. u. Anm. 193), doch s. KG § 405 Anm. 1. 191 S. Braswell (1988) 369. Zur Sache vgl. z. B. Hom. Od. 9, 184–186. 192 Braswell (1988) 361. 193 Braswell (1988) 51; s. 367–369 für eine Diskussion der Stelle. Hierbei ist folgendes anzumerken: 1) unter ἄλλοις … ἐν τείχεσιν (268) wird eine fremde Stadt, d. h. das Exil verstanden (368 f.; doch s. o. Anm. 190). 2) σὺν … κιόνεσσιν (267) wird, bezogen auf ἐρειδομένα (267), instrumental aufgefaßt, so daß sich das Bild eines Architravs ergibt (367; so auch Burton 1962 170, Kirkwood 1982 197); s. aber unten, insbesondere S. 227 f. Anm. 202 (vgl. Friederichs 1863 35: „Danach würden die königlichen Säulen der Eiche dienen, während doch gerade das Umgekehrte erwartet wird“). Alternativ erklärt Friederichs (1857) 419 f. ἐρειδομένα (267) mit Σ P. 4, 468a dahingehend, daß die Eiche zur Schwelle werde, so daß sie „beladen mit den königlichen Säulen […] sklavengleich unter ihnen“ liege. Zusammenfassend zu den Vorschlägen s. Schroeder (1922) 47, der sich angesichts des sonstigen Wortgebrauchs Pindars für das Verständnis „stattlich ragende Säule“ ausspricht. 194 Vgl. die Erklärungen Braswells (1988 365: „The tree ‚submits itself to a vote‘ in the sense that it ‚gives account of itself ‘, i.e. of its positive qualities“; vgl. LSJ s. v. ψῆφος II 5 c) oder Kirkwoods (1982 197: „lit. ‚gives a vote,‘ i.e., gives testimony or affirmation of its innate worth“).

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

227

Damophilos’ wunderschöne Gestalt (264: θαητὸν εἶδος; ähnlich 264: μεγάλας δρυός)195 geschändet zu haben (264: αἰσχύνοι), also ein großes Unrecht begangen zu haben.196 Pindar trüge damit kaum zur Versöhnung bei, sondern beschuldigte Arkesilaos öffentlich in drastischer Weise.197 Zweitens könnte niemand den von Damophilos erlittenen Schaden wiedergutmachen, denn die einst stattliche Eiche wäre gefällt und befände sich nur mehr als toter Baumstamm ohne Äste an einem anderen Ort (269: ἑὸν ἐρημώσαισα χῶρον). Es wäre hier also nicht nur „Demophilus’ loss of civic rights and the enjoyment of his property“198 gezeigt, sondern zugleich auch die unwiderrufliche Perpetuierung dieses Zustands; auch wenn Arkesilaos es wollte, könnte er Damophilos nicht rehabilitieren.199 Drittens wären nur zwei Elemente des Vergleichs auf Damophilos anwendbar, nämlich die erste Protasis und in der zweiten Protasis der Verweis aufs Exil; der Rest muß zu „graphic details“ erklärt werden.200 Viertens schöbe sich zwischen den 269 endenden Eichenvergleich und die allererste Nennung von Damophilos in 281 eine umfangreiche, thematisch auf Arkesilaos selbst ausgerichtete Passage; dieser Einschub hätte das Verständnis des Vergleichs kaum erleichtert.201 Der Eichenvergleich hat also nicht Damophilos zum Thema. Damit ist der Teilsatz in 267–269 keine zweite Protasis. Der Gesamtsinn ergibt sich dann wie folgt: ‚Wenn eine stattliche Eiche zuschanden gemacht wird, so daß sie abstirbt und gefällt werden muß, läßt sie dennoch über sich urteilen, ob sie im Feuer verbrannt werden soll oder ob sich noch ein Nutzen aus ihr ziehen läßt.‘ Dieser Nutzen besteht darin, daß sie zusammen mit anderen Säulen einen – wenngleich unglücklichen (268: δύστανον): sie wurde gefällt und ist kein Baum mehr – ehrenvollen und fordernden Dienst versieht.202 Die Pola195 Vor allem das Adjektiv θαητός ist zweifellos positiv (vgl. 80); vgl. P. 9, 108 f. (s. u. S. 306). 196 Das Verb αἰσχύνειν, ursprünglich auch zur Bezeichnung des Verstümmelns von Leichen gebraucht (vgl. Hom. Il. 18, 24. 27. 180), drückt einen schweren moralischen Vorwurf aus: vgl. Hom. Il. 6, 207–210; 23, 570–572, Od. 2, 85 f.; 8, 269 f. (s. Cairns 1993 57 f.). 197 Vgl. Friederichs (1863) 40. 46 Wiedergabe, ferner Mezger (1868) 87. Dies überrascht um so mehr, als die Parabelform eigentlich der Diplomatie dienen sollte (Braswell 1988 363). Im übrigen ist hinsichtlich der Frage, ob etwas als beleidigend empfunden wird, letztlich allein entscheidend, welches Sinnpotential und nicht welche Sinnintention ein Text hat. 198 Braswell (1988) 361. 199 Vgl. Schroeder (1922) 46 f.: „Die Parabel vom Eichbaum erzählt uns die Geschichte eines großen, herrlichen Baumes […]; nun aber ist er tot […]. […] Da nun aber diesem zweierlei Schicksale bevorstehen sollen, die weder gleichzeitig noch in der Reihenfolge ‚Tod und Dienstbarkeit‘ einen einzelnen treffen können, scheidet für das Bild des Baumes Damophilos […] von selber aus.“ Dieser Einwand gilt auch für Schroeders eigenen Vorschlag, die Eiche symbolisiere den Adel Kyrenes, denn die einzelne Eiche kann nur entweder verbrennen oder als Säule dienen. 200 Braswell (1988) 361. 367 f. (vgl. oben S. 225 Anm. 186). 201 S. Thummer 1, 43 Anm. 20 (vgl. Friederichs 1857 420, Schroeder 1922 47). 202 Die Präposition σύν (267) ist also am besten soziativ zu verstehen (vgl. Schwyzer II 488–

228

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

rität der beiden Urteilsmöglichkeiten in 266–269 besteht also darin, daß die Eiche entweder nur zum Verfeuern gut ist oder eine solche Stärke hat, daß sie noch eine wichtige Aufgabe übernehmen kann.203 In 266–269 liegt also eine indirekte Doppelfrage vor, die den Inhalt des Urteils über die Eiche benennt. Insgesamt ist es aus grundsätzlichen und textspezifischen Gründen inakzeptabel, die Eichenpassage als Parabel auf Damophilos zu deuten. Die Angaben der Scholiasten sind auf fehlerhafter Grundlage aus dem Text herausgesponnen und für die Interpretation wertlos. Ebensowenig darf der Argonautenmythos, insbesondere sein zweiter Teil (70–262), als Parallele zu einem historischen Konflikt zwischen dem König Arkesilaos und dem Verbannten Damophilos verstanden werden, deren Ziel Damophilos’ Begnadigung ist. 5.4.4Damophilos und das Symposion Offen ist bisher, wie sich die Eichen-Passage (263–269) angemessen verstehen läßt. Voraussetzung hierfür ist ein Verständnis des gesamten Liedschlusses (277–299, d. h. der 13. Triade) in Verbindung mit 270–276 ohne Rückgriff auf die Annahme von Damophilos’ Verbannung. Diese Passage beginnt mit dem Arkesilaos anempfohlenen Homer-Zitat (277 f.), daß ein guter Bote jeder Sache die größte Ehre bringe (278: ἄγγελον ἐσλὸν … τιμὰν μεγίσταν πράγματι παντὶ φέρειν).204 Dieser allgemeine Gedanke findet im nächsten 490); das Partizip ἐρειδομένα hat dann den Sinn „to be fixed firm, planted“ (LSJ s. v. III 2); s. o., insbesondere S. 226 Anm. 193 und vgl. Mezger (1868) 83 und (1880) 218. Damit handelt gerade dieser Teil des Satzes nicht primär von der Erniedrigung der Eiche (so Friederichs 1863 35; richtig hierzu Schroeder 1922 47). 203 Nicht korrekt ist, daß „the two functions of the exiled oak both testify to its excellence“ (Kirkwood 1982 197, vgl. Gildersleeve 1890, Graham 1978 196). Mit Heyne ist der Konjunktiv ἀμφέπῃ zu lesen, der die Parallelität der Alternativen auch sprachlich zeigt (266: ἐξίκηται); der Konjunktiv hat jeweils futurischen Sinn „zur Bezeichnung eines Verbalinhalts, dessen Verwirklichung erwartet wurde“ (Schwyzer II 311, insgesamt 311–313). Textlich liegt eine bloße Neuinterpretation der Überlieferung vor: Zu Pindars Zeiten wurde Ο für die im ionischen Alphabet durch Ο, ΟΥ und Ω repräsentierten Laute geschrieben (entsprechend Ε für Ε, ΕΙ und Η); der Metagrammatismos fand in der ersten Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. statt und war eine Interpretation des Abschreibers, an die wir nicht gebunden sind: s. Irigoin (1952) 22–28, Farnell 2, xviii–xix, Braswell (1988) 80 f.; vgl. ἕσπετ’ – ἕσπητ’ in O. 8, 11 (s. Braswell 1980 205–214) und ἐρδομένων – ἐρδόμενον in O. 8, 78. 204 Nicht ist Hom. Il. 15, 207 (ἐσθλὸν καὶ τὸ τέτυκται, ὅτ’ ἄγγελος αἴσιμα εἰδῇ: „Zumindest ist es gut, wenn ein Bote das Schickliche kennt“ [zu καί s. GP 293, zu τέτυκται LSJ s. v. τεύχειν III]; so Σ P. 4, 493, Fitch 1924 57, Burton 1962 170 f., Duchemin 1967 151, Kirkwood 1982 198, Braswell 1988 377 f., Mann 1994 324 Anm. 54) gemeint, denn beide Aussagen sind trotz oberflächlicher Ähnlichkeit grundverschieden, zumal Homers Satz von Iris’ Verhalten handelt und Iris Poseidon von Zeus ausrichtet, daß er sich ihm unterordnen solle. Dies paßt kaum zur unterstellten Situation von P. 4 (zudem bezieht sich 207 nicht auf 203, wie anzunehmen wäre: Burton 1962 171). Vgl. unten S. 241 f. Anm. 265.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

229

Satz (279) eine direkte Anwendung: Auch die Muse (279: καὶ Μοῖσα ≈ 278: πράγματι παντί) werde durch die richtige Botschaft (279: δι’ ἀγγελίας ὀρθᾶς ≈ 278: ἄγγελον ἐσλόν) gestärkt (279: αὔξεται ≈ 278: τιμὰν μεγίσταν … φέρειν). Im Zusammenhang beider Aussagen ergibt sich, daß die Muse dann gestärkt wird, wenn ihr Ehre zuteil wird; doch offen ist, wer im konkreten Fall der Bote ist. Vorgeschlagen wurde Pindar selbst.205 Doch nicht nur gibt der Kontext hierauf keinen Hinweis, er macht im Gegenteil sogar deutlich, daß der Bote Damophilos sein muß: Die Darstellung seiner moralischen Güte soll nämlich offenbar seine Eigenschaft als guter Bote begründen.206 Der Anfang der Passage (279–287) charakterisiert Damophilos in mehrfacher Hinsicht als moralisch vollkommen:207 Ganz Kyrene wisse, daß er einen gerechten Sinn habe (279–281), er verfüge trotz seiner Jugend über ein reifes Urteilsvermögen (281 f.), er bringe die Übelredenden zum Schweigen (283),208 er wisse den Übeltäter zu hassen (284),209 ohne mit den Guten im Streit zu liegen (285), und er wisse, eine Sache schnellstmöglich zu vollbringen (286) – was insofern bemerkenswert ist, als der καιρός („what is proper, appropriate, just right“)210 für einen Menschen äußerst knapp bemessen sei 205 So Σ P. 4, 493, Mezger (1868) 87, Wilamowitz (1922) 385, Wilhelm (1973) 88, Kirkwood (1982) 198, Braswell (1988) 379. 206 Vgl. Carey (1980b) 148. 207 Anscheinend ist Damophilos prototypischer Vertreter der εὐνομία, auf die man in dorischen Staaten, also auch in Kyrene, wert legte: s. Erasmus (1960), Krummen (1990) 145 f.; vgl. O. 13, 6, N. 9, 29 f., I. 5, 22 (auch O. 9, 16), B. 13, 186; s. u. S. 233 Anm. 226. 208 S. zu dieser Stelle Thomas (1888), Duchemin (1967) 152, Braswell (1988) 383 f.; richtig erklärt sie Race (1983) 97 Anm. 7. 209 Daß „Pindar is discreetly alluding to the reason for his banishment“, weil „the aorist suggests that Demophilus did not necessarily know it from the beginning“ (Braswell 1988 383; vgl. Duchemin 1967 152), ist nicht zwingend: ἔμαθε konstatiert, daß Damophilos das Angeführte irgendwann einmal (und nicht erst im Exil) gelernt hat und jetzt weiß. Vgl. Aischyl. Prom. 1068 (τοὺς προδότας γὰρ μισεῖν ἔμαθον: „die Verräter nämlich habe ich zu hassen gelernt“), was offenbar nur auf das jetzige Wissen, nicht auf das frühere Lernen abzielt, und Hom. Il. 6, 444–446, wo Hektor gegenüber Andromache (ἐπεὶ μάθον ἔμμεναι ἐσθλὸς | αἰεὶ καὶ πρώτοισι μετὰ Τρώεσσι μάχεσθαι, | ἀρνύμενος πατρός τε μέγα κλέος ἠδ’ ἐμὸν αὐτοῦ: „denn ich habe gelernt, edel zu sein und immer unter den ersten der Troer zu kämpfen, den großen Ruhm des Vaters und meinen eigenen aufrechterhaltend“) kaum andeuten möchte, daß er früher feige und nicht edel gewesen sei; vgl. Fränkels (1962) 90 f. und vor allem Snells (1973) 182 Erklärung dieser Stelle: „ἔμαθον ist hier nicht so sehr ‚ich habe gelernt‘ immer edel zu sein, sondern […] ‚ich habe es erfahren und es ist meine Gewohnheit geworden‘, – das meint, wie allgemein anerkannt wird, ‚nach meinem Herkommen, nach der Tradition, in der ich aufgewachsen bin, verhält man sich so‘. Darin liegt: es ist selbstverständlich für mich – dergleichen ‚lernt‘ man zu jener Zeit in solcher Gesellschaft nicht.“ Vgl. neben N. 7, 17 f. (wo μανθάνειν Sache der σοφοί ist) auch LSJ s. v. μανθάνω. Damophilos ist jemand, der weiß, was recht ist, nicht einer, der sich bessern müßte. Abgesehen davon handelt diese Aussage nicht vom Hassen des ὑβρίζειν, also des eigenen Frevler-Seins, sondern des ὑβρίζοντα, also eines anderen, frevlerischen Menschen. 210 Barrett (1964) 231; vgl. Fränkel (1962) 509–511, insbesondere 509: „die Norm der treffsi-

230

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

(286). Doch Damophilos kenne ihn gut und folge ihm als θεράπων (287: „clever attendant“) und nicht als δράστας (287: „ordinary worker or servant […] from whom no special qualities would be expected“).211 Aber – und hiermit beginnt der letzte Abschnitt des Liedes (287–299) – es sei, wie man sagt, am betrüblichsten (288: ἀνιαρότατον), wenn jemand, der die (moralisch) guten Dinge kenne (288: καλὰ γινώσκοντα), aus Zwang (288: ἀνάγκᾳ) fernbleiben müsse (289: ἐκτὸς ἔχειν πόδα).212 Dies gilt anscheinend auch für Damophilos (289 f.): Auch er (289: καὶ μὰν κεῖνος)213 ringe jetzt fern der väterlichen Erde und fern dem Besitz wie Atlas mit dem Himmel.214 Da dies eine konkrete Aktualisierung des vorangehenden Gedankens (289: καὶ μὰν κεῖνος) ist, kennt offenbar auch Damophilos die guten Dinge (288) und ist als guter Mensch charakterisiert. Genau dies glaubhaft zu machen ist Ziel von 279–287 – wie schon der Einleitungssatz mit seinem Hinweis auf Damophilos’ gerechten Sinn (279–281) in Verbindung mit γάρ (281) zeigt. Unklar ist allerdings, warum überhaupt Damophilos fern der Heimat ist, und hierfür wird oftmals seine Verbannung angeführt. Doch wäre dies nicht mit dem Text vereinbar: Damophilos leide an einer Krankheit (293: νοῦσον), die er (ausgedrückt in einer nautischen Metapher) ausschöpfen müsse (293: διαντλήσαις), um irgendwann einmal wieder nach Hause zu gelangen (293 f.), dort zu feiern (294), sich seiner Jugend hinzugeben (295), unter den Bürgern die Phorminx zu spielen und dabei Ruhe zu erfahren (295 f.).215 Hierum und um das Ende seiner Krankheit betet Damophilos momentan (293: εὔχεται).

211

212 213 214 215

cheren Wahl und weisen Beschränkung, der Sinn für das jeweils den Umständen Angemessene, Geschmack, Takt u. ä.“ Allgemein zur Wortbedeutung s. auch Wilson (1980), besonders 180–187 mit einer Analyse des Pindarischen Wortgebrauchs (allgemein „due measure“). Vgl. O. 13, 47 f., P. 9, 78 f., ferner Hes. erg. 694, B. 14, 16–18, Aischyl. Suppl. 1059–1061, Soph. Oid. T. 873–879, Eur. Med. 125–130. Insgesamt steht dem Maß des καιρός die ὕβρις gegenüber (vgl. Thuk. 2, 65, 9); vgl. auch oben S. 69 Anm. 220. Speziell zu P. 4, 286 stellt Wilamowitz (1880) 509 zu Recht fest, daß καιρός hier auf das Ganze (und nicht bloß auf οὐδὲ μακύνων τέλος οὐδέν [286]) zu beziehen ist. S. Braswell (1988) 385–387, beide Zitate 385; s. auch Schroeder (1922) 48, Burton (1962) 171. Subjekt des Satzes in 287 dürfte Damophilos sein, οἱ dürfte sich auf καιρός beziehen (s. Braswell 1988 385–387); anders Pearson (1924) 154 f.: „καιρός is his servant, and does not attempt to run away from him as it does from most people“ (155). Letztlich ist jedoch entscheidend, daß in beiden Deutungen Damophilos und καιρός eng verbunden sind. Zu dieser Wendung s. LSJ s. v. πούς I 6 e, Braswell (1988) 388. Zu dieser Partikelkombination s. GP 352: „like καὶ δὴ καί, introducing an instance of a general proposition“. Zur sprachlichen Form der Metapher s. Braswell (1988) 388 und vgl. Gerber (1982) 12 f. Bei Pindar bezeichnet ἡσυχία (trotz fr. 109) nicht zwangsläufig die politische Ruhe (Burton 1962 172, Braswell 1988 397), denn das Wort hat einen größeren Begriffsinhalt. Auch am Beginn von P. 8 (1–14) hat die Bedeutungseinengung eine inadäquate politische Interpretation befördert (s. Lefkowitz 1990 72–88; vgl. oben S. 224 Anm. 185, unten S. 232 Anm. 224; vgl. P. 11, 54–64). In P. 1, 70 ist die Ruhe zwar mit der Politik verbunden, aber es handelt sich um eine Ruhe vor äußeren Feinden, den Phöniziern und Etruskern.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

231

Explizit ist also nicht vom Exil, sondern von einer Krankheit die Rede – allerdings könnte diese metaphorisch für das Exil stehen, insbesondere in Hinsicht auf Arkesilaos’ Charakterisierung als Arzt (270 f.), die Damophilos’ Begnadigung naheliegend als Heilakt beschriebe.216 Doch ist dies kaum haltbar: Nicht nur heißt es nirgendwo, daß Damophilos’ Krankheit von Arkesilaos komme, sondern ganz im Gegenteil ist gesagt, daß die von Arkesilaos zu heilenden Krankheiten von anderen, nämlich allzu schwachen Menschen (272: ἀφαυροτέροις)217 verursacht wurden, und zwar an einem Dritten, der Stadt (272: πόλιν).218 Zu den ἀφαυρότεροι kann Arkesilaos jedoch nicht gehören, denn einerseits erschiene er als schwach (was kaum dem angenommenen Liedziel dienlich wäre), und andererseits wäre in Verbindung mit dem folgenden Satz gesagt, daß er den von ihm selbst hervorgerufenen Schaden (das Exil) beheben solle. Dies aber ließe sein Handeln insgesamt als wenig sinnvoll oder klug erscheinen, und damit würde Pindar ihn nicht nur für frühere politische Maßnahmen kritisieren, sondern sogar offen beleidigen. Auch dies wäre der Liedintention kaum förderlich. Zudem zeigen sich gravierende innere Widersprüche dieser Position: Angesichts der Erschütterung (272) wäre nicht Arkesilaos, sondern der vermeintliche Aufrührer Damophilos einer der allzu schwachen Menschen; insofern jedoch die Erschütterung Ursache des Exils gewesen sein müßte, hätte nicht Arkesilaos (entsprechend dem Sinn des unterstellten Bildes), sondern Damophilos die Krankheit erzeugt. Dies aber wäre im Rahmen einer Metapher, die Exil als Krankheit faßt, kaum sinnvoll und sogar faktisch inkorrekt (und Arkesilaos würde in seiner Autorität herabgesetzt). Ferner litte Damophilos nicht an einer eigenen Krankheit, sondern er wäre Verursacher der Krankheit eines Dritten (der Stadt), welche wiederum Arkesilaos heilen sollte (273–276). An dieser Krankheit kann Damophilos jedoch nicht selbst leiden, da sie die gesamte Gemeinschaft (272: πόλιν) betrifft – zumal er als Verbannter strenggenommen nicht mehr zu ihr gehörte. Seine Krankheit kann demnach nicht sein Exil und Arkesilaos nicht der Heiler dieses Exils sein – was sich freilich schon daran zeigt, daß Damophilos selbst die Krankheit ausschöpfen müsse (293: νοῦσον διαντλήσαις), denn dies bezeichnet kein passives Geheiltwerden, sondern ein aktives, eigenes Heilen (vgl. Hom. Od. 5, 394– 398; s. o.). Damit erweist sich insgesamt die Annahme von Damophilos’ Verbannung (erneut) als nicht haltbar.

216 S. z. B. Robbins (1975) 212. Auffällig ist, daß für diese Metapher keine Parallele angeführt wird (vgl. Braswell 1988 393); sie ist auf jeden Fall nicht gebräuchlich (vgl. Lloyd 2003 12, insbesondere Anm. 2; vgl. unten S. 239 Anm. 257). 217 Den Komparativ erklärt KG 540 Anm. 7 (vgl. Braswell 1988 375); s. o. S. 70 Anm. 221, vgl. in diesem Lied 139. Insbesondere Kinder sind ἀφαυρός (z. B. in Hom. Il. 7, 235). 218 Vgl. Carey (1980b) 146.

232

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Die letzte Metapher gibt allerdings einen Hinweis darauf, wie Damophilos in diesem Lied charakterisiert sein soll, denn sie gleicht ihn insofern Arkesilaos an, als beide als Heiler erscheinen, und zwar im Rückgriff auf die nautische Metaphorizität in 270–276 (zumal an beiden Stellen ein Schiff in Seenot ist). Damit wird Damophilos einerseits mit Arkesilaos gleichgesetzt, andererseits aber auch mit den anderen (ausnahmslos edlen) Seefahrern des Liedes.219 Speziell mit Arkesilaos verbinden ihn noch (mindestens) fünf weitere Punkte: 1) Beide sind jung (65 bzw. 281 f.).220 2) Beide kennen den καιρός (270 bzw. 286 f.).221 3) Beide erscheinen als Ringer, die mühevoll über ihre Gegner siegen (273: δυσπαλές bzw. 290: προσπαλαίει). 4) Beide sind als Feiernde dargestellt (2 bzw. 293–299). 5) Es besteht eine Freundschaft zwischen ihnen und dem Sprecher des Epinikions (1: ἀνδρὶ φίλῳ bzw. 299: ξενωθείς), was um so mehr betont ist, als das Lied mit diesem Gedanken öffnet und schließt. Damophilos ist damit wie Arkesilaos von Natur aus gut, und als solcher wird er auch niemals ein Aufständischer gewesen sein.222 Allerdings scheint sich insofern ein Problem zu ergeben, als Damophilos die Ruhe berühren und niemandem ein Leid bringen noch von irgendwem ein Leid erfahren wolle (296 f.) – denn dies wirkt wie eine Umschreibung seiner politischen Unterordnung.223 Doch das Wort ἡσυχία dient bei Pindar gewöhnlich nicht als Gegenteil des Wortes στάσις, sondern bedeutet „rest from toil“.224 Diese Mühen sind bei Damophilos die Mühen der Krankheit. Deshalb beinhaltet sein Gebet (293–297) den Wunsch, befreit von seiner Krankheit in Kyrene ausgelassen feiern zu dürfen, so daß die Ruhe, an der er teilha219 Auch wenn das Kompositum διαντλεῖν tatsächlich „is always used metaphorically and never literally as is sometimes the simplex“ (Braswell 1988 393), kann die ursprüngliche, nautische Bedeutung des Verbs prinzipiell reaktiviert werden (s. o. Kap. 2.5.2), zumal in einem Kontext voller nautischer Metaphorik (insbesondere 291–293) und angesichts der häufigen metaphorischen Verwendung des Simplex (s. van Nes 1963 143–145). 220 Vgl. die zu Damophilos’ Beschreibung in 281 f. parallele Beschreibung von Arkesilaos in P. 5, 109–111, der 462 v. Chr. wohl tatsächlich noch jung war (s. u. S. 247 mit Anm. 289). Dies spricht ebenfalls gegen die obigen Gleichsetzungstheorien: Pelias ist ein Greis und Iason erst zwanzig Jahre alt (vgl. Schroeder 1922 43). 221 Vgl. Carey (1980b) 151. 222 Vgl. O. 4, 14–16, O. 11, 16–19, P. 3, 68–76, I. 2, 35–42, besonders P. 5, 107–117, P. 6, 44– 54: Kaum dürften die hier für ihre moralische Güte Gepriesenen wie Damophilos frühere Rechtsbrecher gewesen seien, die jetzt erst zur wahren Rechtmäßigkeit gefunden haben. Damophilos ähnelt auch Iason in seiner Moralität, wie insbesondere ein Vergleich von 237 f. und 283 (bei aller Verschiedenheit) offenbart, aber auch das hinsichtlich beider verwendete Wort μέτρον (237. 286) – und ebenso, daß beide zu feiern verstehen. 223 So Braswell (1988) 397. 224 Nach Braswell (1988) 397 ist ἡσυχία der Gegensatz zu στάσις, doch außer in fr. 109 (wohlgemerkt keinem Epinikion) findet er sich bei Pindar nirgends. Freilich ist die Explizitheit des Gegensatzes in fr. 109 auffällig; so liegt nahe, daß ἡσυχία gewöhnlich gerade nicht der Gegensatz zu στάσις ist. Zur Bedeutung „rest from toil“ vgl. Slater s. v., insbesondere N. 1, 70, N. 9, 48, O. 2, 32 (ἡσύχιμος); so dürfte auch O. 4, 16, P. 1, 70 zu verstehen sein.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

233

ben möchte (296: ἡσυχίᾳ θιγέμεν; nicht „Ruhe schaffen“, „Ruhe halten“ o. ä.)225, ein Aspekt des Festes ist – welches wiederum das Thema des gesamten Satzes ist (besonders 294: συμποσίας ἐφέπων).226 Mittel zur Teilhabe ist die Musik, und entsprechend ist φόρμιγγα βαστάζων (296) sprachlich ἡσυχίᾳ θιγέμεν (296) zum einheitlichen Gedanken ‚im Spiel der Kithara Ruhe finden‘ untergeordnet.227 Damophilos wünscht sich also nicht, sich in Kyrene politisch ruhig zu verhalten (was auch ein seltsamer Gebetswunsch wäre, da die Erfüllung in der eigenen Macht stünde), sondern im Fest und konkret im Musizieren unter Kennern (295 f.: ἐν … σοφοῖς … πολίταις) Ruhe von den Mühen seiner Krankheit zu erfahren. Entsprechend seinem guten Charakter möchte er im Rahmen des Festes (wie es sich hier gehört) niemandem Leid antun noch eines erfahren (297) (vgl. P. 3, 71, P. 6, 52–54, I. 2, 37). Insofern es im folgenden Satz (298 f.) heißt, daß er von seinem Thebenaufenthalt angemessen berichten könnte, wird sein Bericht zum (indirekten) Lob dieses Aufenthaltes. Damit rückt Damophilos in die Position des Lobenden (entsprechend dem Sprecher eines Epinikions), wobei 297 die ideale Bedingung des Lobens beschreibt: als Lobender Gutes zu bringen und weder Leid zu erzeugen noch (von den Neidern und Mißgünstigen) zu erfahren.228 Die positiven Eigenschaften in dieser Passage sind also die Eigenschaften eines Lobenden im Rahmen eines Festes (vgl. N. 4, 13–22).229 Auch am Schluß des Liedes (298 f.) bestätigt sich, daß Damophilos der gute Bote aus 278 ist, denn wenn er von seinem Aufenthalt in Theben berichtet, ist er offenbar ein Bote. Konkret charakterisiert ihn als solchen implizit auch der Sprecher des Epinikions, zugleich Sender und Objekt der Nachricht, denn er ist sich sicher, daß die Botschaft aus Theben (299) den Emp225 Vgl. Slater s. v. θιγγάνω. 226 Vgl. N. 9, 48, auch P. 3, 72–76, P. 6, 47–49, N. 7, 80–84; s. auch Krummen (1990) 148. Das Fest ist bei Pindar oft mit Eunomia verbunden: O. 1, 37–39, O. 9, 13–16, P. 5, 65–67, N. 9, 29–32, I. 5, 21 f. (vgl. Gerber 1982 74 f., speziell B. 13, 186–189, Hom. Od. 1, 226– 229). Als allgemeinen Zusammenhang hält Burton (1962) 146 fest, daß die Verbindung von Fest, Frieden und Eunomie für aristokratische Gesellschaften charakteristisch war. Grundlegend hierzu Dickie (1984), Slater (1981). Vgl. oben S. 229 Anm. 207. 227 Passend werden die Gedanken in 294–296 insofern sprachlich parallel ausgedrückt, als jeweils ein Partizip einem Infinitiv untergeordnet wird (s. Graham 1978 215). 228 Vgl. zum zweiten insbesondere O. 8, 55, wo den Sprecher seine Lobestätigkeit in Gefahr bringt (s. o. S. 103); einen ähnlichen Zusammenhang zeigt N. 8, 35–45 (s. o. Kap. 2.6). 229 Die konkrete Ausgestaltung von Damophilos’ Lob könnte auf seinen Namen verweisen: Er bringt als ‚Freund seines Volkes‘ Festesfreude (mithin Eunomia: vgl. oben Anm. 226). Entsprechend läßt sich auch Arkesilaos’ Beschreibung verstehen. Ähnliche Namensdeutungen liegen z. B. in der Telesikrates gewidmeten Pythie 9 vor, in der (nicht nur deswegen) der τέλος-Begriff prominent ist (s. u. S. 308 f.; s. Köhnken 1985, besonders 109 f., zu P. 4 Graham 1978 231 Anm. 2); vgl. I. 6, 49–54 (Aias von αἰετός), fr. 105a (Hieron von ἱερά) und O. 9, 41–46, N. 2, 10–12; s. allgemein Bowra (1964) 211–214 (211 zur mystischen Bedeutung von Namen), auch Pfeiffer (1978) 19–21. Vgl. unten S. 248 f. Anm. 292.

234

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

fänger (Arkesilaos und die Kyrenaier) erreichen wird. Textlich unterstützt dies der jeweils vorliegende Bezug auf die Musik (279 bzw. 295 f.). Allerdings stellt sich die Frage, wie 291–293 zu verstehen ist, wo von den Titanen und ihrer Erlösung durch Zeus die Rede ist – deren (und damit allegorisch Damophilos’) Taten scheinen nämlich auf die Auflehnung gegen die rechte Ordnung zu verweisen, und damit ihre Bestrafung auf sein Exil und ihre Begnadigung auf seinen Wunsch nach Begnadigung.230 Der Kontext der Aussage (277–299) verhindert jedoch solch ein Verständnis: Da die gesamte Passage von Damophilos’ auf seiner moralischen Güte beruhenden Eignung als Bote handelt (vgl. schon die Themenangabe am Passagenanfang), ist der gedankliche Zusammenhang nur dann schlüssig, wenn Damophilos tatsächlich der Bote ist. Dies schließt jedoch kategorisch aus, daß die letzte Triade von seiner Begnadigung handelt, denn diese könnte kaum Pindars Bote Damophilos übermitteln, sondern einzig ein Dritter: Pindar.231 Freilich wäre ein Verständnis des Verweises auf die Titanen im angeführten Sinne im Kontext nicht nur unwahrscheinlich, sondern unmöglich: Daß Damophilos momentan gegen seine Krankheit wie Atlas gegen den Himmel kämpfe (289 f.), drückt metaphorisch die Größe einer Krankheit aus, für deren Bezwingung übermenschliche Kräfte wie die eines Atlas benötigt werden; da Damophilos über sie offenbar verfügt, besteht für ihn kein Grund zur Verzweiflung. Zwischen diesen Gedanken und das im folgenden angeführte Gebet (293: ἀλλ’ εὔχεται) um Rückkehr nach Kyrene schiebt sich eine inhaltlich zweigeteilte Parenthese (291–293):232 Der unvergängliche Zeus habe die Titanen erlöst, und mit der Zeit geschehe ein Wechsel der Segel, wenn der Wind nachlasse. Erstens ist also auch scheinbar Unmögliches möglich, denn Zeus hat sogar die Titanen begnadigt, seine größten Gegner.233 So besteht prinzipiell auch die Möglichkeit, daß er Damophilos gesunden läßt.234 Zweitens währt nichts ewig, sondern alles wird sich irgendwann mit Sicherheit ändern: Auch Damophilos’ Krankheit wird irgendwann enden. So ist der Wunsch des folgenden Gebets nicht unerfüllbar. Beide Gedanken zusammen drücken also aus, daß das Ende von Damophilos’ Krankheit sicher ist, auch wenn der genaue Zeitpunkt ungewiß ist (inhaltlich im übrigen parallel zum Wandel in Iolkos nach Iasons Ankunft 230 231 232 233

So z. B. Braswell (1988) 390 f.; vgl. Σ P. 4, 518, Graham (1978) 212–214. Vgl. Braswell (1988) 379. Es liegt eine Parenthese vor, weil sich ἀλλά (293) an 290 anschließt (s. Braswell 1988 391). Zu Zeus’ Freilassung der Titanen vgl. fr. 35, Aischyl. frr. 190–193 TrGF (Chor aus Titanen, die aus dem Tartaros entlassen sind), Eum. 644 f. (mit Sommerstein 1989 204), zu Kronos’ Freilassung und seiner Herrschaft auf der Insel der Seligen O. 2, 76 f., Hes. erg. 173a–c (s. West 1978 195 f.); Aufenthaltsort der Titanen ist in der Regel der Tartaros (z. B. Hom. Il. 8, 478–481; 14, 203 f. 273 f. 278 f.; 15, 225, h. 3, 334–336, Hes. theog. 851, Aischyl. Prom. 219–221); s. allgemein Gantz (1993) 46–48. 234 Zur Verwendung des Verbs λύειν in bezug auf eine Krankheit vgl. etwa P. 3, 50 f.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

235

[78 ff.], wie der zu ἐν … χρόνῳ [291] parallele Dativ χρόνῳ [78] nahelegt: der Zustand in Iolkos gleicht einer Krankheit).235 Damit verweist die Nennung der Titanen (291) auf etwas anderes als Damophilos’ Rebellion, die wir nur unter eklatanter Mißachtung des Kontextes hier erkennen könnten. Doch schon die zugrundeliegende Prämisse ist unhaltbar: Die Fesselung der Titanen im Tartaros, von der Zeus sie erlöst, ist keine Bestrafung für einen Aufstand gegen den rechtmäßigen Herrscher, sondern eine Folge der Titanomachie, die wiederum nicht der Versuch des Sturzes des rechtmäßigen Herrschers Zeus war, sondern mit Zeus’ Revolte gegen den Titanen Kronos begann, seinen Vater und legitimen Herrscher.236 Wenn in der unterstellten Allegorie dann Arkesilaos Zeus und Damophilos Kronos (oder einem anderen Titanen) entspräche, wäre das Ergebnis in der angenommenen historischen Situation bestenfalls grotesk.237 Insgesamt zeigen sich folgende Ergebnisse: 1) Der gute Bote aus 278 ist Damophilos.238 2) Der Rest der letzten Liedtriade (279–299) ist Begründung und Explikation dieser Behauptung. 3) Damophilos ist weder verbannt noch im Streit mit Arkesilaos, sondern dient als dessen Bote. 4) Momentan kann er seiner Botentätigkeit wegen einer Krankheit nicht nachgehen. 5) Nirgendwo erscheint Damophilos als Beteiligter an einem Aufstand – außer bei einer Deutung einzelner Stellen unter Mißachtung des Kontextes. Im übrigen spricht hiergegen auch, daß Damophilos als junger Mann beschrieben wird: 235 Vgl. unten S. 239 Anm. 257; allgemein zu χρόνος bei Pindar vgl. oben S. 101 f. Anm. 73. 236 Zur Titanomachie s. Gantz (1993) 44–56; zu Kronos vgl. Hes. theog. 476. Der tatsächliche Sachverhalt zeigt sich z. B. in Hes. theog. 820 und Apollod. 1, 1–2 (besonders 1, 2, 1). Zur Unrechtmäßigkeit von Zeus’ Tat s. z. B. Aischyl. Eum. 640–646, Aristoph. Nub. 902–906 (s. Dover 1968 211) und (im Zusammenhang) auch Plat. Euthyphr. 5e 5–6a 3. 237 Vgl. etwa Kirkwoods (1982) 200 Erklärung: „Zeus freed the Titans even though they had fought against his assumption of power.“ Doch Zeus ist Aufrührer und Kronos rechtmäßiger König (z. B. Hes. theog. 462. 476. 486, erg. 111), und zwar im goldenen Zeitalter, in dem das Recht herrscht (z. B. Hes. erg. 109–126 mit West 1978 172–177; die auch belegte negative Charakterisierung des Kronos [s. Versnel 1987, insbesondere 122–127] ändert bezüglich der Herrschaftsverhältnisse nichts). Daß die Titanen Aufrührer seien (vgl. bezüglich dieses Liedes Σ P. 4, 518a, Braswell 1988 390), dürfte auf die vor allem in hellenistischer Zeit verbreitete Verwechslung von Titanen und Giganten zurückgehen (s. Gantz 1993 447; die frühesten Belege scheinen Eur. Hek. 466–474, Iph. T. 223 f. zu sein). Die Giganten sind freilich (anders als die Titanen) in der Tat Aufständische gegen die herrschenden Götter (mitunter besteht eine Verbindung zur Titanomachie, da Gaia die Giganten aus Zorn über die Niederlage der Titanen gebiert: Apollod. 1, 6, 1). Zur Gigantomachie s. o. zu N. 4, 25–32 (Kap. 4.4.1). 238 Daß nicht Damophilos der Bote sein könne, „since there can be no question of the reference being to the exiled Demophilus […], who could hardly be conceived of as appearing until he had been formally recalled“ (Braswell 1988 379), erweist sich als petitio principii. Auch dies zeigt die Unmöglichkeit der Verbindung von Damophilos’ Botensein mit der Bitte um Begnadigung (Carey 1980b 148; vgl. Kirkwood 1982 198) und ferner, daß die Aussagen in 278 f. auf Damophilos angewendet werden sollen (anders Felson 1999 29).

236

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Ein Mann, von dem man zum Zeitpunkt der Liedaufführung sagen kann, daß er unter Kindern jung sei (281: ἐν παισὶν νέος) und sich der ἥβη hingebe (295),239 wird schwerlich Jahre zuvor (so viel Zeit müßte bis zu einer öffentlich inszenierten Begnadigung vergangen sein, damit sie als Gnadenakt eines souveränen Herrschers und nicht als Eingeständnis von Schwäche erscheint) in erster Reihe (nur so hätte die Begnadigung den Symbolcharakter gehabt, ohne den sie politisch wirkungslos gewesen wäre)240 an einem bedeutenden Aufstand gegen einen König beteiligt gewesen sein können. Offen ist damit allerdings noch immer, warum das zu Ehren von Arkesilaos’ Sieg verfaßte Lied mit einem Lob des Boten Damophilos endet. 5.4.5Damophilos, der Bote Die Gnome, daß der gute Bote jeder Sache die größte Ehre bringe, wird in dreifacher Weise dahingehend spezifiziert, daß Damophilos (der Bote) die Muse (die Sache) stärke (Ehre bringe).241 Die Muse ist, wie der Liedanfang zeigt, mit der Feier von Arkesilaos’ Sieg und seiner Lobpreisung verbunden (1–3);242 sie solle den Delphi und den Letokindern geschuldeten Hymnenwind stärken (3: Λατοίδαισιν ὀφειλόμενον Πυθῶνί τ’ αὔξῃς οὖρον ὕμνων), also das gerade gesungene Lied. Wenn Damophilos also die Muse stärkt, stärkt er damit auch das Lob des Arkesilaos, und so ist der Preis des Boten Damophilos letztlich dem eigentlichen Zweck des Liedes zweckdienlich. Grundsätzlich könnte der Empfänger von Damophilos’ Botschaft Arkesilaos (und ganz Kyrene) als Empfänger einer Botschaft Pindars oder Pindar (bzw. der Lobende) als Empfänger einer Botschaft von Arkesilaos oder vom Wettkampfort sein. Für Arkesilaos als Empfänger sprechen jedoch zwei Parallelstellen, die ebenfalls von einer Botentätigkeit handeln. Erstens I. 2, 43– 239 Selbstverständlich wird dies übertrieben sein – was aber nicht ausschließt, daß Damophilos tatsächlich jung war (so Preisshofen 1977 108): Einen Mann mittleren Alters mit Kindern zu vergleichen hätte schwerlich lobend gewirkt (vgl. z. B. Hom. Il. 2, 289 f.; 7, 234– 236; 11, 389 f.). Wenn man hingegen einem Mann, der gerade das Erwachsenenalter erreicht hat und noch wie ein halbes Kind wirkt, die Fähigkeiten eines Mannes zuweist, handelt es sich um ein Lob: vgl. neben Hom. Il. 2, 336–343; 3, 108–110; 9, 57–59 z. B. Aischyl. Sept. 532–537, wo Parthenopaios als ἀνδρόπαις ἀνήρ (533) mit seinem ersten Bart den anderen Kriegern in nichts nachsteht (vgl. Hutchinson 1985 127; zu weiteren Stellen s. Preisshofen 1977 33 Anm. 93; vgl. Telemachos in der Odyssee [z. B. 3, 124 f.] und speziell Aischyl. Sept. 622 sowie allgemein Aristot. rhet. 1389 a3–1390 b13). 240 Vgl. z. B. Duchemin (1967) 87. 241 S. o. S. 228 f. So ist ein Verständnis wie „such a fair messenger is the poet’s Muse“ (Gildersleeve 1890 279) inadäquat. 242 Zu σάμερον μὲν χρή (1) s. Slater (1969) 87 f. und vgl. O. 6, 28 (vgl. GP 359 f., wo für diese Stelle zu Recht ein emphatischer Gebrauch festgestellt wird). Allgemein hierzu D’Alessio (2004). Zu χρή s. allgemein Barrett (1964) 164 f.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

237

48, gleichfalls am Schluß des Liedes. Hier ergeht der Auftrag an einen Boten Nikasippos, das (gerade gesungene) Lied dem Adressaten des Liedes, einem (wie in Pythie 4 vertrauten) Gastfreund des Sprechers zu überbringen und aufzuführen (besonders 47 f.: ταῦτα, Νικάσιππ’, ἀπόνειμον, ὅταν ξεῖνον ἐμὸν ἠθαῖον ἔλθῃς: „Dies, Nikasippos, teile aus, wenn du zu meinem vertrauten Gastfreund kommst“).243 Zweitens O. 6, 87–91,244 wo einem Aineas, wohl dem Chorodidaskalos,245 die Aufführung des Liedes aufgetragen wird (besonders 87 f.: ὄτρυνον νῦν ἑταίρους, Αἰνέα, πρῶτον μὲν Ἥραν Παρθενίαν κελαδῆσαι: „Treibe jetzt die Gefährten an, Aineas, so daß sie zuerst Hera Parthenia besingen“). Hier wird Aineas als rechter Bote (90: ἄγγελος ὀρθός)246 bezeichnet, sprachlich und inhaltlich parallel zu Pythie 4 (278: ἄγγελον ἐσλόν; 279: ἀγγελίας ὀρθᾶς).247 Angesichts beider Stellen, die Pindar als Sender und Personen aus dem Umkreis des Gefeierten als Boten zeigen, dürfte auch in Pythie 4 die Botschaft von Pindar an Kyrene gerichtet und von Damophilos, dem von Pindar als geeignet charakterisierten Boten, zu übermitteln sein. Hiergegen scheint aber zu sprechen, daß Damophilos zur Aufführungszeit anscheinend nicht in Kyrene ist (289 f.) und, dem Epinikion selbst zufolge, wegen seiner Erkrankung an der Ausübung seiner Botentätigkeit gehindert ist. Vor diesem Hintergrund zeigen sich zwei Möglichkeiten des Verständnisses des Liedschlusses: 1) Damophilos hat vor seiner Krankheit eine Nachricht an Pindar übermittelt, die entweder von Arkesilaos stammte und / oder in einem Bericht vom Pythiensieg bestand; besonders im zweiten Fall ist Damophilos’ Glaubwürdigkeit zentral für die Glaubwürdigkeit des Liedes selbst, so daß die Aussage, ein guter Bote stärke die Muse, transparent wird. Hierfür spräche auch der Inhalt von Damophilos’ Bericht in 298 f., der davon handelt, „welche Quelle [sc. Pindar] ambrosischer Worte [sc. Pythie 4] er fand, als er kürzlich in Theben bewirtet wurde“.248 2) Damophilos war nur zum Zeitpunkt der Liedkomposition erkrankt und konnte nach seiner Genesung das Lied wie Aineas und Nikasippos an den Bestimmungsort bringen, wo es dann in seinem Beisein aufgeführt wurde. In diesem Fall bezieht sich νῦν (290) auf die Gegenwart des Verfassens, nicht der Aufführung.249 Dies 243 S. Thummer 1, 51–54, der festhält, daß derartige Aussagen häufig am Liedende stehen (53); zur zeitlichen Situation ist grundlegend D’Alessio (2004), insbesondere 285–288. 244 Für eine Zusammenfassung der Diskussion s. Hutchinson (2001) 413–418, Slater (1969) 88–91; zur zeitlichen Situation s. auch hier D’Alessio (2004), besonders 288–290. 245 S. Slater (1969) 89. 246 Zu ὀρθός hier s. Bundy (1986) 65 (es betone das „truth-telling“ des Lobenden). 247 Vgl. Carey (1980b) 148. 248 S. Gildersleeve (1890) 304. Da die Äußerung von der Quelle der Lieder, nicht von den Liedern selbst handelt, trifft kaum zu, daß „the poet boldly perpetrates an illusion of its [sc. des Liedes] earlier performance ‚lately‘ in Thebes“ (Felson 1999 30 Anm. 61). 249 Daß dies möglich ist, zeigt ein Vergleich mit N. 3 vor dem Hintergrund von Slaters Anmerkungen (1969), besonders 87 f.; vgl. O. 6, 87–91 (s. o.), allgemein D’Alessio (2004).

238

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

wäre insofern pointiert, als das Symposion in 293–299 mit dem Symposion zu Arkesilaos’ Ehren zusammenfiele (auf das der Liedanfang mit κωμάζοντι σὺν Ἀρκεσίλᾳ [2] hinweist). So ginge die Feier im Lied (wie metaphorisch auch in N. 4: s. o. S. 159 f.) in die Feier außerhalb des Liedes über250 – und dies bestätigte gleichzeitig Damophilos’ Glaubwürdigkeit als Bote in überzeugender Weise: Seine behauptete Rechtschaffenheit wäre dadurch bewiesen, daß die Götter seine Bitte um Heilung erhört hätten. Welcher dieser Vorschläge (die sich nicht ausschließen müssen) als wahrscheinlicher anzusehen ist, läßt sich aufgrund unseres fehlenden Wissens nicht mehr bestimmen. Nichtsdestoweniger zeigt sich, daß das Liedende ausschließlich vom guten Boten Damophilos und seiner Bedeutung für das Siegerlob handelt. 5.4.6Arkesilaos und Kyrene Der Eichenvergleich (263–269) handelt nicht von Damophilos.251 Wovon er tatsächlich handelt, enthüllt ein unbefangener Blick auf seinen Kontext, beginnend mit der folgenden Passage (270–276) zu Arkesilaos, dem Heiler (270: ἰατὴρ ἐπικαιρότατος) und von Apollon Geehrten (270: Παιάν τέ σοι τιμᾷ φάος)252. Man müsse – wie der Sprecher allgemein fortfährt, um die Anrede als Arzt begründend zu explizieren (271–274)253 – die Wunde eines Geschwürs ohne Unterlaß mit sanftem Handauflegen dienend umsorgen (271), denn (272: γάρ) während es auch allzu Schwachen leichtfalle, eine Stadt zu erschüttern, werde es zweifellos (273: δή) sofort (273: ἐξαπίνας)254 zu einem 250 Vgl. Strauss Clay (1999) 29 f., Felson (1999) 30 f. Auch die Siegesfeier ist ein Symposion (s. Strauss Clay 1999; vgl. N. 9, 46–55). Vgl. B. 17 mit Käppel (1992) 173–178. 183. 189. 251 Sekundär sind Damophilos und Eiche tatsächlich parallel, denn beide sind fern der Heimat und stützen als Säule wie Atlas ein großes Gewicht (vgl. Gildersleeve 1890 303, Graham 1978 211 f.). Unmöglich ist dies jedoch die Hauptaussage der Eichenpassage und ein Beleg für eine Verbannung (s. o., insbesondere S. 223 f.). 252 Braswell (1988) 372 f. übersetzt diesen Satz mit „bestows as an honour on you (σοὶ is dat. commodi) the light of deliverance“ (vgl. Bremer 1976 264 f.); vgl. N. 3, 83 f., O. 1, 23 f. 253 Vgl. LSJ s. vv. ἀμφιπολέω („attend constantly“) und ἀμφίπολος. Das Asyndeton ist nicht folgernd (Braswell 1988 373), denn aus Arkesilaos’ Charakterisierung als Arzt (270) kann nicht die allgemeine Aussage in 271 folgen (‚du bist der passendste Arzt, also muß man ein Geschwür mühevoll pflegen‘; möglich wäre dies bei einer Ergänzung von σε, doch verlöre die Aussage dann ihre Allgemeinheit). Das Asyndeton ist vielmehr explikativ (vgl. KG § 546 5 a δ, speziell Soph. Ant. 1194 f.): ‚du bist der passendste Arzt, [und ich sage dies,] weil man ein Geschwür mühevoll pflegen muß‘. Damit ist ἐπικαιρότατος (270; mitsamt der Ehrung durch Apollon) hervorgehoben; impliziert ist, daß Arkesilaos ein Geschwür heilen müsse und die (angeführte) Maßregel für die Behandlung eines Geschwürs kennt und umsetzen kann. Zu ἐπικαιρότατος (270) als „most fitting“ s. Braswell (1988) 372 und oben, insbesondere S. 229 f. Anm. 210 (vgl. zum Wort Soph. Oid. T. 873–879). 254 Gewöhnlich wird ἐξαπίνας (273) in den εἰ-Satz gezogen (vgl. den Text von Snell – Maeh-

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

239

schweren Ringen, sie neu zu begründen, wenn nicht ein Gott den Anführern zum Steuermann werde (273 f.).255 Hier verbindet die prima vista schwer verständliche Partikel γάρ (272) beide scheinbar unabhängigen Gedanken und erklärt sie auseinander: Eine Stadt, die an einem Geschwür leidet (erschüttert wurde), wieder zu heilen (neu zu begründen) ist schwer und erfordert große Mühe. Diese Aufgabe ist unvorstellbar groß und nur mit göttlicher Hilfe zu bewältigen. So begründet γάρ (272) die Mühsal der Pflege.256 Erschwert wird das Verständnis dadurch, daß der Gedanke durch unvermittelte Metaphern verschiedener Bereiche ausgedrückt wird: Die Stadt ist krank und Arkesilaos ihr Heiler, zugleich ist die Stadt ein Schiff mit den Herrschern (d. h. Arkesilaos) als Seemännern und dem Gott als Steuermann, und daneben sind die metaphorischen Schwierigkeiten der Stadt zur See (das Erschüttert-Werden) eine Krankheit,257 während die Neugründung zu Land (273: ἐπὶ χώρας … ἕσσαι, hinsichtlich eines Schiffes auch als „correction of a tottering structure“ zu verstehen)258 als Gesundung erscheint, die selbst ein Ringen ist (δυσπαλές: s. o. zu O. 8, 25, insbesondere S. 101 mit Anm. 69). Insgesamt ergibt sich ein komplexes Metapherngeflecht – das aber komprimiert die entscheidenden Gedanken des Liedes ausdrückt (s. u. Kap. 5.5). Zum Abschluß des Gedankens (275 f.) gibt der Sprecher seiner Meinung Ausdruck, daß dieses Geschenk Arkesilaos von göttlicher Seite (aus θεός zu

255

256

257

258

ler und Bowra), denn „the epiphany of a god is traditionally sudden“ (Braswell 1988 376). Doch pointierter ist das Adverb in der Apodosis (vgl. Turyns Text): Genau in dem Moment, in dem der Gott in der Gefahr (272) nicht zum Steuermann wird, wird es schwierig (272: δυσπαλὲς δὴ γίνεται ἐξαπίνας). Hier ist der Staat durchaus konventionell ein Schiff; vgl. P. 1, 86. 91 f., P. 10, 71 f., außerdem Soph. Ant. 162 f. und die Schiffsmetaphorik in Aischylos’ Sieben gegen Theben (vgl. oben Kap. 2.5.3.2); zum Gott als Steuermann vgl. P. 5, 122 f. Zur μέν-ἀλλά-Konstruktion (272 f.) vgl. 139–141, O. 9, 49–53, P. 1, 22–24; s. GP 5–7, besonders 5: „The strong adversative particle disturbs the equipoise between the clauses, and the second clause states a consideration which goes some way towards invalidating the first: ‚Aye, but‘“. Schwerlich ist mit Braswell (1988) 375 μὲν γὰρ … ἀλλά (272 f.) als „anticipatory γάρ combined with an adversative ἀλλά“, mithin der γάρ-Satz als Begründung des ἀλλά-Satzes (vgl. GP 71) aufzufassen, denn es kann nicht schwer sein, eine Stadt neu zu begründen, weil sie von Schwächeren leicht erschüttert werden könne. Vielmehr betont die Unausgewogenheit der Konstruktion, daß der Inhalt des ἀλλά-Satzes viel schwerer als der des μένSatzes zu erreichen ist (vgl. oben Anm. 255; dasselbe betont δή [273]: vgl. GP 204), und dies entspricht dem Gesamtgedanken. Die Partikel γάρ (272) expliziert damit den vorangehenden Satz (die Begründung erstreckt sich wenigstens bis 274). Zur nautischen Metaphorizität von πόλιν σεῖσαι (272) s. Braswell (1988) 375 (gegen z. B. Gildersleeve 1890 302). Der Zustand eines Staatswesens wird (im Gegensatz zum Exil: vgl. oben S. 231 Anm. 216) durchaus konventionell in Begriffen von Gesundheit und Krankheit gefaßt (vgl. Lloyd 2003 12 f., insbesondere Anm. 2); man beachte z. B. Thuk. 3, 82 f. und vor dem Hintergrund von Lloyd (2003) 84–88 Sophokles’ Oidipus Tyrannos (wo der Staat durch das Exil des Krankheitsverursachers geheilt wird). Braswell (1988) 375; s. auch Gildersleeve (1890) 302.

240

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

ergänzen [274]) zu Ende gewoben werde (275: τούτων ἐξυφαίνονται χάριτες),259 und daher solle er sich (entsprechend der in ἀμφιπολεῖν implizierten Mühe [271]) daran wagen, seinen ganzen Eifer Kyrene zu widmen, um die Stadt glückselig zu machen (276).260 Kyrene befindet sich also in schwerer See oder leidet an einem Geschwür und bedarf eines Heilers (Arkesilaos). Dies überrascht jedoch vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse, denn bei einer Annahme von politischen Problemen in Kyrene scheint sich eine Deutung des Liedes als Inszenierung von Damophilos’ Begnadigung von selbst zu ergeben – was sich aber als ausgeschlossen erwiesen hat. Eine Lösung zeigt sich auf der Grundlage einer abschließenden Betrachtung des Eichenvergleichs (263–269), dessen Bedeutung im Kontext sich jetzt hinreichend adäquat verstehen läßt: Wenn man einer Eiche die Äste abschlägt, läßt sie immer noch darüber urteilen, ob sie verfeuert werden soll oder anderweitig verwendet werden kann; sie besitzt einen inneren Wert; gleichwohl ist sie verunstaltet und ohne Frucht und muß gefällt werden; an ihrem Platz kann sie nicht mehr bleiben. Genau dies müßte auch für Kyrene gelten, denn es wird ja mit einer Eiche parallelisiert: Es ist ebenso von einer Krankheit befallen und befindet sich in schwerer See, und außerdem wird es im Lied metaphorisch als Pflanze dargestellt (s. u. S. 242 f. 255 f.). Doch in Wirklichkeit verhält es sich gänzlich anders, denn dieser Stadt hilft der Heiler Arkesilaos, der auch die schwierigsten ärztlichen Aufgaben so erfüllen kann, daß der Patient gesundet – wenn auch mit Mühe: Er rettet die Stadt aus den Schwierigkeiten, in die sie die schwachen Menschen (mit größter Leichtigkeit) gebracht haben, und bei dieser Rettung stehen ihm die Götter lenkend bei. Dank Arkesilaos muß Kyrene trotz der Ähnlichkeit mit einer Eiche nicht gefällt werden und kann an seinem Platz gesunden – und das, obwohl die Stadt nur noch aus Wurzeln und Stamm besteht. Damit bezieht sich der Eichenvergleich auf die gesamte Stadt – wobei dieser Vergleich in 270–276 ins Unerwartete gewendet wird, insofern das als zwangsläufig Erwartete (der Tod Kyrenes) durch Arkesilaos’ politische Heilkunst überraschend abgewendet werden kann. Grundlage dieser Heilkunst ist, daß Arkesilaos (und insgesamt alle Herrscher Kyrenes: ὔμμι [259]) die Stadt mit rechtsinnender Klugheit regiert (260–262)261. Diese Klugheit hat 259 S. Σ P. 4, 489d, Braswell (1988) 376. Hier klingt ein Dank für die Heilung der Stadt an – der angesichts der textilen Metapher in ἐξυφαίνονται (275; vgl. N. 4, 44 [s. o. S. 132 Anm. 40]) und angesichts von χάριτες (275; vgl. insbesondere Slater s. v. 1 b α) speziell dieses Epinikion sein könnte. 260 Zum proleptischen Gebrauch des Adjektivs im Genitiv s. Braswell (1988) 376 f. Ihm zufolge bedeutet εὐδαίμων hier weniger „glücklich“ als „favoured by the divine powers“ (vgl. Hes. erg. 826 mit West 1978 363 f.). Beide Bedeutungen müssen sich jedoch nicht ausschließen (s. Wilamowitz 1959 3, 107–109). Unabhängig davon ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß in Kyrene momentan Probleme bestehen könnten. 261 Zur Konstruktion des Satzes s. Braswell (1988) 359.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

241

Arkesilaos’ Familie – wie sich aus dem Medium ἐφευρομένοις (262) ergibt – aus eigener Kraft gefunden,262 weshalb die Ehrung durch den Heilgott Apollon (270) nicht mehr überrascht. Die Klugheit der Battiaden wird sogar mit Oidipus’ Klugheit verglichen, die (wie es in der Einleitung des Eichenvergleichs heißt) Arkesilaos erkennen solle (263: γνῶθι νῦν τὰν Οἰδιπόδα σοφίαν). Diese besteht aber lediglich darin, daß man die gefällte Eiche je nach ihrer Qualität einem anderen Verwendungszweck zuführen könne. Die Klugheit der Battiaden hingegen vermag, die zerschundene Eiche zu heilen – wenn es auch Zeit braucht, mit der jedoch immer ein Wechsel der Winde kommt.263 Die Battiaden und besonders Arkesilaos sind also klüger als Oidipus – wahrlich ein großes Kompliment.264 Der Eichenvergleich (263–269) bildet damit in zweierlei Hinsicht einen integralen Bestandteil des Epinikions: Erstens zeigt er (in bezug auf das vorangehende) Arkesilaos als klüger als Oidipus und zweitens (in bezug auf das folgende) als unübertrefflichen Meister der politischen Heilkunst, der mittels seiner σοφία die zerschundene Eiche Kyrene trotz der bedrohlichen Situation gesund machen wird.265 262 KG § 374 5 übersetzt das (mit dem Kompositum gleichbedeutende: Braswell 1988 360) Simplex mit „für sich ausfindig machen, durch Bemühungen erlangen“; zum Verb selbst vgl. P. 12, 7. Die Partizipialkonstruktion ist nicht mit „while you can discover the right counsel of rule“ (Lattimore 1948 20) zu übersetzen, da das Partizip ἐφευρομένοις (262) von ὔμμι (259) abhängt, das wiederum Objekt zu ἔπορεν (259) ist, und dies drückt die in der Vergangenheit liegende Intention Apollons aus, Libyen gerade diesen Menschen zu verleihen (vgl. Friederichs 1863 34 f.). Erklärbar ist das Mißverständnis aus dem inadäquaten Verständnis des Liedschlusses. 263 Daß man beides vergleichen soll, legt auch der Kontrast der Formulierungen ὔμμι … ὀρθόβουλον μῆτιν ἐφευρομένοις (259–262) und γνῶθι … τὰν Οἰδιπόδα σοφίαν (263) nahe. Zum Charakter dieser σοφία vgl. die Sprüche der sieben σοφοί (DK 10, insbesondere A 3). 264 Vielleicht zeigt sich hier sogar „the tremendous power denied even the great healer gods, Apollo and Asclepius: the power to restore life“ (O’Higgins 1997 124), so daß das Kompliment noch unglaublicher würde. 265 Daher ist γνῶθι νῦν τὰν Οἰδιπόδα σοφίαν (263) nicht „simply another way of inviting him [sc. Arkesilaos] to consider a riddle“, wobei „the implication is that he will thereby become acquainted with the kind of wisdom characteristic of Oedipus“ (Braswell 1988 362; so schon Σ P. 4, 467) – zumal dieses Verständnis auch sprachlich unmöglich erscheint (s. Edmunds 1981 225 Anm. 14, Gildersleeve 1890 301; vgl. z. B. Mezgers 1868 79 Erklärung). Auch wenn „the specific skill of Oedipus was his ability to solve riddles“ (Braswell 1988 362; vgl. Duchemin 1967 149; s. allgemein Gantz 1993 490–502), ist hier lediglich von seiner σοφία die Rede, die sich aber im Inhalt des Eichenvergleichs offenbart. Dieser σοφία des Oidipus wird Arkesilaos’ μῆτις entgegengestellt, um sie als größer zu erweisen (weshalb Thema hier auch nicht Damophilos’ oder Oidipus’ Exil ist; zu letzterem s. Gildersleeve 1890 301 f., Edmunds 1981 255 Anm. 14, Kirkwood 1982 197). Oidipus’ Spruch wird sich angesichts der Formulierung τῶν δ’ Ὁμήρου καὶ τόδε συνθέμενος ῥῆμα (277 f.) irgendwo bei Homer (nach antikem Verständnis: s. Fitch 1924; vgl. Mann 1994, insbesondere 324 f.) befunden haben; hiergegen spricht nicht, daß er nicht in den überlieferten Texten aufzufinden ist (auch das ‚Homer‘-Zitat in 278 ist nirgendwo bezeugt: s. o. S. 228

242

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Die implizite Parallelisierung von Kyrene und Eiche wird textlich dadurch gestützt, daß die Stadt und ihre Bevölkerung mehrmals mittels botanischer Metaphern beschrieben werden: Erstens werde Libyen „mit der Wurzel von Städten, die den Menschen zur Sorge sein werden, bepflanzt werden“ (15: ἀστέων ῥίζαν φυτεύσεσθαι μελησιμβρότων), wobei ῥίζα „is not Cyrene as metropolis of the others but the original settlement out of which the modern towns (Cyrene herself included) have now grown“.266 Entsprechend ist zweitens das Geschlecht der Euphamiden ein Same, den fremde Erde aufnehme und der auf Lemnos für eine ewige Zukunft gepflanzt worden sei (254–257). Und drittens θάλλει (65: „sprieße“, „grüne“) mit Arkesilaos „wie inmitten des purpurblütigen Frühlings“ (64: ὥτε φοινικανθέμου ἦρος ἀκμᾷ) gerade jetzt das Geschlecht der Battiaden (vgl. 69. 130. 144: s. u. S. 255 f.).267 Auf der Grundlage dieser botanischen Metaphern läßt sich der Eichenvergleich zwanglos auf Kyrene beziehen. Darüber hinaus erlauben sie, die konkrete historische Situation Kyrenes (jedenfalls wie in Pythie 4 dargestellt) zu erschließen, denn insofern aus der in Libyen gepflanzten Wurzel (15) zuerst Kyrene entstand und dann die Tochterstädte Barke, Taucheira und Euhesperides,268 lassen sich in diesen letzten drei Städten die Zweige des Stammes Kyrene erkennen und die gesamte, vorher stattliche Eiche im gesamten Staatsgebilde Kyrene, das die gesamte „Ebene Libyens“ (259: Λιβύας πεδίον) umfaßt.269 Diese Eiche ist anscheinend an ihren Zweigen (an den Tochter-

266 267 268 269

Anm. 204). Es könnte noch ein weiteres Lob für Arkesilaos und die Battiaden impliziert sein, insofern das Bild der zerschundenen Eiche und ihrer Verpflanzung mehr oder weniger auf die gesamte Geschichte der Euphamiden (einschließlich der Kyrener) anwendbar ist, die im Laufe der Zeit mehrmals ihre Heimat verlassen und unter fremden Herrschern dienen mußten: Von Lemnos vertrieben sie die Pelasger (nach Apoll. Rhod. 4, 1760 Tyrsener), so daß sie aus Lakedaimon über Thera nach Libyen gelangten (vgl. Hdt. 4, 147– 156; 6, 137–139, ebenso Apoll. Rhod. 4, 1757–1764). Jetzt aber, unter den heilkundigen Battiaden, ist derartiges nicht mehr nötig, denn sie können den Stamm, wenn ihn eine Krankheit befallen sollte, an Ort und Stelle heilen, so daß kein Fällen mehr nötig ist. Da jedoch eine gefällte Eiche nicht zur Reproduktion fähig ist (insbesondere 265), könnte das Bild nur für jede einzelne Vertreibung gelten; es wäre hinsichtlich der Gesamtgeschichte nur sekundär anwendbar. Zum in der Zeit des Könnensbewußtseins aufgeladenen Begriff σοφία vgl. oben Kap. 2.7, insbesondere S. 75 mit Anm. 250. Barrett (1954) 435 Anm. 1 (vgl. Braswell 1988 81–83); zur passiven Bedeutung von φυτεύσεσθαι (15) s. Braswell (1988) 83, allgemein KG § 376, besonders 3 (s. o. S. 96 Anm. 51). Vgl. LSJ s. v. θάλλει. Zur Generationenzählung s. o. S. 93 f. Anm. 42. S. Chamoux (1953) 174, Braswell (1988) 82 f.; vgl. Hdt. 4, 170: τὸ γὰρ παρὰ θάλασσαν Κυρηναῖοι νέμονται („Denn das Gebiet entlang des Meeres bewohnen die Kyrenaier“). Als den Staat Kyrene (allerdings verstanden als Gesamtheit der Bürger) faßt die Eiche z. B. Friederichs (1857) 420 (vgl. Carey 1980b 146). Dies ist jedoch nicht möglich, wenn man den Vergleich nicht als Grundlage der Aussage über Arkesilaos’ übermenschliche Heilerfähigkeit (die mehr vermag als Oidipus hinsichtlich der Eiche) versteht: „Aber auch der Staat kommt hier noch nicht in Frage: die πόλις liegt in Trümmern, auf dem Boden, und ist nicht leicht wieder aufgebaut, aber sie ist doch nicht ἑὸν ἐρημώσαισα χῶρον,

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

243

städten) zerschunden, nicht jedoch am Stamm (an der Stadt Kyrene selbst). Nicht zuletzt dies schließt ebenfalls eine Revolte gegen Arkesilaos aus. 5.4.7Kyrenes Krankheit und ihre Heilung Kyrene ist (jedenfalls nach Pythie 4) in einer schwierigen politischen Lage, allerdings nicht wegen eines Aufstandes in der Stadt Kyrene, sondern wegen Problemen hinsichtlich der Tochterstädte. Die genauen Umstände lassen sich aufgrund der Überlieferungslage nicht genau bestimmen. Dennoch finden wir beim Lokalhistoriker Theotimos im ersten Buch περὶ Κυρήνης eine Information, die nicht nur die bisherigen Ergebnisse bestätigt, sondern auch die pragmatische Dimension des Liedes insgesamt erhellt:270 διαπίπτουσαν δὲ τὴν πρᾶξιν αἰσθόμενος Ἀρκεσίλαος καὶ βουλόμενος δι’ αὑτοῦ τὰς Ἑσπερίδας οἰκίσαι πέμπει μὲν εἰς τὰς πανηγύρεις ἵππους ἀθλήσοντας Εὔφημον ἄγοντα, νικήσας δὲ τὰ Πύθια καὶ τὴν ἑαυτοῦ πατρίδα ἐστεφάνωσε καὶ ἐποίκους εἰς τὰς Ἑσπερίδας συνέλεγεν. Εὔφημος μὲν οὖν ἐτελεύτα· Κάρρωτος δὲ τῆς Ἀρκεσιλάου γυναικὸς ἀδελφὸς διεδέξατο τὴν τῶν ἐποίκων ἡγεμονίαν. Als Arkesilaos bemerkte, daß es schlecht um die Angelegenheit stand, und im Willen, daß durch ihn selbst Hesperides gegründet werde, entsandte er zum einen Euphamos mit Pferden, die im Wettkampf konkurrieren sollten, zu den Festversammlungen, und zum anderen bekränzte er nach seinem Pythiensieg seine Heimat und sammelte mit seiner Hilfe Siedler für Hesperides. Als Euphamos dann starb, übernahm Karrhotos, der Bruder von Arkesilaos’ Frau, die Führung der Siedler.

Etwas ähnliches berichtet, wenn auch knapper, Σ P. 4, 455e, wo vier Euphamoi aufgezählt und unterschieden werden; von ihnen sei τέταρτος ὁ κατὰ τὸν Ἀρκεσίλαον, ὃν ξενολογήσοντα ἔπεμψεν ὁ βασιλεὺς καὶ τὸν Πυθικὸν ἀγῶνα ἀγωνιούμενον („der vierte der zu Arkesilaos’ Zeiten, den der König entsandte, damit er Söldner versammele und an den Pythischen Wettspielen teilnehme“). Beide Zeugnisse (die offenbar anders als die Angaben zu Damophilos unabhängig von Pythie 4 bzw. 5 sind)271 bestätigen (auch wenn sie etliche Fragen offenlassen und neue folgen lassen) die bisherigen Erkenntnisse: Nach Theotimos gibt es politische Probleme im Staat Kyrene, die mit der Kolonie Euhesperides verbunden sind und Arkesilaos meinen lassen, diese Tochterstadt (die freilich schon länger bestand)272 brauche neue, zusätzliche Siedler; diese und wie soll nun sie gar in der Zerstörung (πῦρ λοίσθιον) oder ἄλλοις ἐν τείχεσιν ihren Wert erkennen lassen?“ (Schroeder 1922 47). 270 Theotimos FGrH 470 F 1 (= Σ P. 5, 34); nach Jacoby ist wahrscheinlich, daß er „mindestens die geschichte des letzten königs in den einzelheiten erzählte“, doch „seine zeit ist unbestimmbar“ (FGrH 3b 367). 271 S. Hornblower (2004) 245–247; richtig Braswell (1988) 4 Anm. 10. Skeptisch zeigt sich Lefkowitz (1991) 175, doch erweist sie nicht die Unzuverlässigkeit dieser Zeugnisse. 272 S. Chamoux (1953) 152. 174. Erstmals erwähnt wird die Stadt in Hdt. 4, 204 in der Er-

244

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

möchte er mittels der Teilnahme an panhellenischen Wettspielen gewinnen. Mit beiden Aufgaben betraut er einen gewissen Euphamos und nach dessen Tod seinen Schwager Karrhotos, den in Pythie 5 gepriesenen Wagenlenker.273 Insbesondere dessen Nennung und der Hinweis auf den Pythiensieg lassen es dabei als sicher erscheinen, daß der in Pythie 4 und 5 gefeierte Sieg einer der erhofften Siege war.274 Unklar ist allerdings, was der Hintergrund der Formulierung διαπίπτουσαν … τὴν πρᾶξιν ist, warum Euhesperides neue, noch anzuwerbende Siedler brauchte und inwiefern ein panhellenischer Sieg hierbei geholfen haben könnte.275 Während sich die ersten Fragen kaum noch beantworten lassen,276 liegt die Antwort auf die letzte Frage nahe: Durch die Teilnahme am Wagenrennen bei einem panhellenischen Wettkampf konnte Arkesilaos allen Griechen beweisen, daß er über hinreichende finanzielle Ressourcen zur erfolgreichen Umsetzung seiner politischen Pläne und insbesondere zur Entlohnung der Söldner verfügte. Man denke nur daran, daß er für das Wagenrennen nicht nur Pferde und einen Wagenlenker benötigte, sondern auch eine Vielzahl von Helfern (Pferdepfleger, Pferdetrainer, Tierärzte, Handwerker, Köche usw.), und alles mußte mitsamt technischem Gerät und Ersatzpferden in aufwendiger Weise von Kyrene nach Griechenland verschifft werden277 – zumal allein die Pferdezucht ungeheure Kosten verursachte: Nicht ohne Grund galt sie immer als exklusives Betätigungsfeld des Adels. Dies zeigt beispielhaft die bei Isokrates (16, 33) angeführte Motivation des Alkibiades, mit sieben Gespannen an den Olympien des Jahres 416

273

274 275 276

277

zählung von der Ermordung des Arkesilaos III. in Barke und der folgenden, von seiner Mutter Pheretime initiierten persischen Expedition gegen diese Stadt. Diese ist zwar nicht genau datierbar, fand mit Sicherheit aber in den letzten beiden Jahrzehnten des 6. Jhs. statt (Chamoux 1953 152; Mitchell 1966 99–103 bestimmt als Zeitraum 518–513 v. Chr.; vgl. Mitchell 1974). Archäologische Funde legen eine Gründung in der ersten Hälfte des 6. Jhs. nahe (Boardman 1966 155 f.). In P. 5, 26–53 wird Karrhotos unzweifelhaft als Wagenlenker gepriesen (anders, aber wenig überzeugend Wilamowitz 1922 376: s. Lefkowitz 1991 175 f., Currie 2005 248–254). Dies schließt aber nicht aus, daß er noch eine andere Funktion innehaben konnte. Daß das Wagenlenken nicht als eines Adligen unwürdig empfunden wurde, zeigt sich schon daran, daß der Sieger Herodotos in I. 1, 14–16 als Wagenlenker gelobt wird. Außerdem errang Arkesilaos 460 v. Chr. einen Olympiensieg im Wagenrennen (Σ P. 4 inscr. a; vgl. P. 5, 124 mit der Bitte hierum). Da das Theotimos-Zeugnis nur einen Pythiensieg nennt, wird Euphamos irgendwann zwischen 462 und 460 v. Chr. gestorben sein. Vgl. zu letzterem Braswell (1988) 4 Anm. 13. Vielleicht ähnelte Arkesilaos’ Motiv dem Hierons, der Katane als Aitna neu gründete (Diod. 11, 49, 2; s. Berve 1953, besonders 548 f.), oder dem von Arkesilaos III., der Samier in Kyrene ansiedelte (s. Mitchell 1966 110; vgl. die in Hdt. 7, 156, Thuk. 6, 5, 3 angeführten Neugründungen sizilischer Städte; vgl. Mann 2001 286–288). Vielleicht wollte sich Arkesilaos auch von den Persern lösen, sich zuvor aber noch der Unterstützung des griechischen Mutterlandes versichern (Mitchell 1966 108 f.). Vgl. Anm. 287. Anschaulich hierzu Decker (1995) 106 f.

5.4. Das Wagenrennen und die Politik

245

v. Chr. teilzunehmen (u. a.: Pferdezucht sei τῶν εὐδαιμονεστάτων ἔργον),278 und daran, daß das dann siegreiche Gespann allein den Wert von fünf oder acht Talenten gehabt haben soll, etwa das 70- bzw. 110-fache Jahreseinkommen eines Arbeiters279 und sicherlich auch hinsichtlich des Vermögens der Oberschicht ein immenser Wert: Im Athen des späten fünften Jahrhunderts besaßen von insgesamt 20.000 bis 30.000 Bürgern nur etwa 300 Bürger Land im Wert von mehr als drei bis vier Talenten (hätten sich also allein das eine Gespann leisten können), und nur wenige besaßen mehr als 100 oder mehr Talente.280 Entsprechend soll auch die spartanische Prinzessin Kyniska, am Beginn des vierten Jahrhunderts v. Chr. erste Siegerin im Wagenrennen, von ihrem Bruder zur Pferdezucht angehalten worden sein, damit sie zeige, daß der Erfolg in den hippischen Disziplinen nur auf Reichtum beruhe.281 Und diesen Reichtum – offenbar groß genug, um Konkurrenten vom Schlage eines Hieron oder Theron (die selbst allerdings kurz zuvor verstorben waren) zu besiegen – hat Arkesilaos durch seinen Sieg ganz Griechenland auch insofern effektvoll gezeigt, als Feste wie die Olympien eine wichtige kommunikative Funktion in der gemeingriechischen Öffentlichkeit erfüllten.282 Arkesilaos’ Motivation zur Teilnahme an den Wagenrennen war damit genuin (macht-) politischer Natur. Dafür, daß er primär nur darauf abgezielt haben könnte, daß „the prestige thereby acquired for Cyrene was intended to impress and to some extent placate his potentially rebellious subjects at home“, gibt es keine Anhaltspunkte.283 Die sportlichen Anstrengungen und speziell der erhoffte und dann errungene Sieg hatten vielmehr eine wichtige Funktion in dem bei Theotimos umrissenen politischen Plan – ähnlich wie die Olympienteilnahme für Alkibiades, der unter anderem mit ihrer Hilfe die Athener zur Sizilischen Expedition bewegen wollte (jedenfalls nach Thuk. 6, 16–18, insbesondere 6, 16, 2). Doch hat es neben dem Zurschaustellen des eigenen Reichtums (der bei Pindar also nicht zufällig in den Epinikien für hippische Sieger zentral ist, 278 Vgl. Thuk. 6, 16, 2 (für den Zusammenhang auch 6, 15, 2 f.), Eur. 755 PMG; zur Gesamtzahl der Teilnehmer beachte man Ebert (1989) 96–98 und das (fiktive) pythische Wagenrennen in Soph. El. 698–708 mit zehn Konkurrenten; s. auch Decker (1995) 179 f. 279 Zu den Wertangaben s. Isokr. 16, 46 bzw. Diod. 13, 74, 3; s. insgesamt Golden (1998) 169. 280 D. Rathbone: „Großgrundbesitz“, DNP 4, 1244–1249; s. auch J. Spielvogel: „Private Vermögen. I. Griechenland“, DNP 10, 345–349. Pheidippides’ Pferd in Aristophanes’ Wolken (21–23; vgl. 12–16) hat z. B. einen Wert von zwölf Minen, also mit 1.200 Drachmen in etwa dem dreifachen Jahreseinkommen eines Arbeiters, und das Wagenkästelchen mitsamt zwei Rädern hat einen Wert von drei Minen (31). Man beachte auch Golden (1998) 169–175, der insbesondere die politische Dimension des Pferdesports hervorhebt (vgl. z. B. Hdt. 6, 70, ebenso oben Kap. 1), ferner Golden (1997). 281 Vgl. Ebert (1972) Nr. 33 [110–113], ebenso Xen. Ag. 9, 6, Plut. Ages. 20, 1. 282 S. z. B. Bell (1989) 177, vgl. 187. 283 Braswell (1988) 4 Anm. 13.

246

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

ebenso wie der πόνος in den Epinikien für Kampfsportler)284 einen weiteren Grund für Arkesilaos zur Teilnahme an den Pythien und Olympien gegeben, nämlich den Erwerb von κῦδος, „special power bestowed by a god that makes a hero invincible“ (s. o. Kap. 1)285 – denn dieses κῦδος hat Arkesilaos für seine politischen Ziele benötigt. Entsprechend heißt es in Pythie 4, daß Apollon und Pytho ihm κῦδος aus dem Pferderennen der Amphiktyonen verliehen hätten (66 f.: τῷ μὲν Ἀπόλλων ἅ τε Πυθὼ κῦδος ἐξ ἀμφικτιόνων ἔπορεν ἱπποδρομίας), und damit wird dieses κῦδος, errungen durch den sportlichen Sieg, zur Grundlage seines erhofften politischen Erfolgs (zur Nähe von Sport und Krieg in dieser Hinsicht vgl. I. 1, 50 f.). Dabei kommt es, wie in Kap. 1 gesehen, generell nicht nur dem Sieger (also Arkesilaos) selbst, sondern auch seiner gesamten Heimat (also Kyrene) zugute – was auch bei Theotimos deutlich wird, denn es heißt, daß Arkesilaos durch seinen Sieg Kyrene bekränzt habe (νικήσας δὲ τὰ Πύθια καὶ τὴν ἑαυτοῦ πατρίδα ἐστεφάνωσε).286 Arkesilaos’ Verbindung politischer Pläne mit der Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen ist damit im kulturellen Kontext folgerichtig und zielführend. Der konkrete historische Kontext dieser Pläne ist allerdings aufgrund unseres beschränkten Wissens nicht mehr erkennbar, doch ließe sich etwa an einen Aufstand in Euhesperides selbst oder einen Angriff der Perser, der Karthager oder libyscher Stämmen denken, insofern nicht unwahrscheinlich, als Euhesperides eine noch nicht allzu alte Gründung war.287 Letztlich ist dies jedoch bezüglich Pythie 4 unerheblich, da es nichts am hier entwickelten grundsätzlichen Verständnis des Liedes ändert, insbesondere nicht in pragmatischer Hinsicht: Kyrene gleicht momentan einer Eiche, deren Äste abgeschlagen wurden, von denen einer (oder, als rhetorische Zuspitzung der Lage im Bild: alle; dies widerspricht nicht dem Text) Euhesperides ist; Arkesilaos kann jedoch durch seine überragenden politischen Heilkünste den Baum Kyrene gegen alle Erwartung heilen, wobei er hierzu zusätzliche Siedler zur Neugründung der Stadt anwirbt.288 Eine zentrale Bedeutung in diesem politischen Plan kommt dem sportlichen Sieg zu, der zur legitimierenden und kausal erfolgbringenden Grundlage der weiteren politischen Bestrebungen wird. Insgesamt ergibt sich damit (anders als im Fall der communis opinio) eine tragfähige ungefähre Vorstellung von der historischen Situation zur Zeit von Arkesilaos’ Pythiensieg und der pragmatischen Dimension von Pythie 4. 284 285 286 287

S. u. a. Szastyńska-Siemion (1981), insbesondere 92; vgl. Slater s. v. δαπάνα. Grundlegend hierzu Kurke (1993), das Zitat 132. Zum Zusammenhang s. Kurke (1993) 141 (insgesamt 137–141). S. o. S. 243 f. Anm. 272; vgl. die ethnographischen Ausführungen in Hdt. 4, 168–199. Thuk. 7, 50, 2 bezeugt für 413 v. Chr. einen Angriff libyscher Stämme auf Euhesperides (s. Mitchell 1966 113). Angesichts der Figurenkonstellation im Mythos wäre auch ein Familienkonflikt (mit Putsch in Euhesperides nach dem Tod von Battos IV.) denkbar. 288 Theotimos’ ἐποίκους ≈ αὖτις ἕσσαι (273; vgl. LSJ s. v. αὖθις II: „of Time, again, anew“).

5.5. Pythie 4 als Epinikion

247

5.5Pythie 4 als Epinikion Pythie 4 legitimiert mittels einer Metaphorik des Wagenrennens Arkesilaos’ Herrschaft und führt diese Legitimation auf den gegenwärtigen und früheren sportlichen Erfolg zurück (Kap. 5.3). Die dichterische Darstellung dieser Herrschaftslegitimation kann nicht im Rahmen eines Aufstandes und einer jetzigen Versöhnung der Bürgerkriegsparteien erfolgt sein, sondern diente der Lösung aktueller politischer Probleme (ungeklärter Ursache) hinsichtlich der Tochterstadt Euhesperides (Kap. 5.4): Diese sollten anscheinend durch eine Neuansiedlung von Siedlern gelöst werden, bei deren Anwerbung panhellenische Sportsiege helfen sollten. Einen solchen Erfolg sicherte sich Arkesilaos durch Siege mit dem Pferdeviergespann bei den Pythien des Jahres 462 v. Chr. und zwei Jahre später bei den Olympien. Pythie 4 ist Preis und Deutung eines mit diesem Zweck angestrebten Pythiensieges. Offen ist zum Teil aber noch, wie Arkesilaos konkret für seinen Sieg gepriesen und wie dieser von Pindar gedeutet wird, wie das Lied also als Epinikion zu verstehen ist. Zwar sind Arkesilaos’ politische Bestrebungen die Grundlage für die spezifische Ausgestaltung des Argonautenmythos, doch ist die genaue Funktion des zweiten Mythosteils, mithin der Gesamtzusammenhang des Liedes noch immer unklar. Fest steht allerdings, daß der hier prominent hervortretende Iason in verschiedener Hinsicht als metaphorische (d. h. implizite) Spiegelung des Arkesilaos zu verstehen ist: 1) Iason ist (im Kontrast zu Pelias und Aietes) der ideale Herrscher, der sich trotz seiner Gottähnlichkeit nicht anmaßt, tatsächlich ein Gott zu sein. Er verkörpert trotz seiner Jugend den gerechten und frommen Menschen, ganz wie der junge Arkesilaos (besonders 65 und P. 5, 109–111),289 der sich als idealer Herrscher gegenüber seinen Feinden behaupten muß (beides 270–276). 2) Zusammenhängend hiermit sind Iason und Arkesilaos Heiler, die durch ihre Kunst das Gemeinwesen gesunden lassen. Diese Charakterisierung erfolgt bei Arkesilaos explizit (270), bei Iason implizit, aber unmißverständlich: Zum einen bekundet er selbst hervorgehoben am Anfang seiner ersten Rede, daß er die Lehre Chirons bringen werde (102: Φαμὶ διδασκαλίαν Χίρωνος οἴσειν), und diese ist zuallererst die Heilkunst (vgl. P. 3, 1–11);290 außerdem kennt er durch Aphrodite Bezaube289 S. Schroeder (1922) 34; Zweifel bringt Braswell (1988) 152 f. vor, doch verband man allgemein (wie in 65 f.) die Jugend mit dem Sprießen (65: θάλλει) im Frühling (s. u. a. Irwin 1984 152–155). Chamoux’ (1953) 173 Kriterium für Arkesilaos’ jugendliches Alter, Pindars Ton, ist offenbar nicht stichhaltig. 290 S. Robbins (1975) 209 f. Es trifft zu, daß „Chiron’s teaching was not confined to medicine“ (Carey 1980b 146 Anm. 25; vgl. P. 6, 19–27), doch „the most important skill of the centaur in the Greek sources […] is the use of herbs or drugs for healing“ (Mackie 2001 1; s. auch 4): Chiron ist heilkundig (s. u., auch Plut. symp. 3, 1, 3) und lehrt Iason (vgl. N. 3, 53 f., Hes. fr. 40 MW, Σ Hes. theog. 993), Achilleus (Hom. Il. 11, 828–832) und

248

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

rungen (217: ἐπαοιδάς), eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Heilers.291 Zum anderen zeigt er dieses Heilertum (volksetymologisch) in seinem Namen – den ihm, wie es betont am Ende und Höhepunkt von ebendieser ersten Rede heißt (vgl. oben S. 233 Anm. 229), der Heiler Chiron und nicht seine Eltern gaben (119).292 3) Iolkos und Kyrene sind in ähnlich schwieriger, Asklepios (N. 3, 54 f., P. 3, 5–7; vgl. Hom. Il. 4, 217–219). Vgl. aber Kurke (1990) 92–94. 291 In P. 3, 51 ist dies als erste ärztliche Tätigkeit genannt; vgl. N. 4, 1–3 (s. o. Kap. 4.3.3, insbesondere S. 138 mit Anm. 68), N. 8, 48–50, Σ P. 4, 385a; aufschlußreich ist Plat. Charm. 155 e5–8. Nichtsdestoweniger ist hier die eigentliche Heilerin Medea (221 f. 233; s. Mackie 2001 2), wenngleich Iason selbst sie durch die Iynx, ein Zaubergerät (s. o. S. 127 Anm. 17), gewinnen kann (s. insbesondere Mackie 2001 15 Anm. 23). Das Adjektiv σοφόν (217) ist prädikativ (vgl. KG § 411 1 f ) (vgl. Kirkwood 1982 192). 292 S. Robbins (1975) 210 f., Köhnken (1993b) 30 f. (vgl. Schroeder 1922 41, Sandgren 1972 16); man beachte die Namensähnlichkeit zur Heilgöttin Iaso (vgl. Aristoph. Pl. 701, Paus. 1, 34, 3). Da Ἰάσων kurzes, ἰατήρ (etc.) hingegen (in der Regel) langes Iota hat, kann es sich nur um eine Volksetymologie handeln (s. Braswell 1988 370 f.), wenngleich ἰατρός (etc.) mitunter auch mit kurzem Iota gemessen wurde (vgl. z. B. B. 1, 149, Eur. Hipp. 296; s. Barrett 1964 215). Für antike Etymologien sind unterschiedliche Vokalquantitäten jedoch unerheblich: vgl. O. 6, 53–57, wo Ἴαμος (mit ῑ: 71; in 43 liegt Vokalkürzung vor) von ἴον (mit ῐ: 55) abgeleitet wird (vgl. unten N. 2, 10–12). Adäquates hermeneutisches Kriterium ist also nicht (sprachwissenschaftlich korrekt) die Vokalquantität, sondern der Sinn des Textes – in dem aber Iason offenbar als Heiler charakterisiert wird (Schüler Chirons [s. o. Anm. 290], Parallelität zum Heiler Arkesilaos); daß „in the absence of Iason’s name ἰατήρ would suggest Ἰάσων to no one except perhaps a critic of an allegorical cast of mind determined to find correspondences at all costs“ (Braswell 1988 370; vgl. aber dessen allegorische Deutung des Mythos: s. o. S. 225 Anm. 186), kann daher nicht überzeugen. Zu Namensetymologien vgl. I. 6, 49–54 (Aias von αἰετός), fr. 105a (Anrede Hierons mit ζαθέων ἱερῶν ἐπώνυμε πάτερ), N. 2, 10–12 (Orion [12: Ὠαρίωνα] von ὀρειᾶν […] Πελειάδων [11]), O. 3, 31 f. (Hyperboreer versteckt erklärt mit πνοιαῖς ὄπιθεν Βορέα ψυχροῦ), N. 7, 1 f. (Anrufung Eleithyias, γενέτειρα τέκνων, in Aufnahme des Siegernamens Sogenes, freilich sehr versteckt: s. Lloyd-Jones 1973 129). In P. 2, 21–48 wird der Name ‚Kentauros‘ implizit auf „‚Luftstachler‘, ‚Luftstecher‘, als κεντῶν τὴν αὔραν“ zurückgeführt, wobei Pindar „die Mutter [sc. die Wolke] dem Sprößling – wie das auch sonst vorkommt – den Namen nach der Tätigkeit des Vaters geben“ läßt (Von der Mühll 1976 242–247, hier 245; vgl. Most 1985 85) – wobei zum einen „die Brücke von den Kentauren zum ohnehin schon bestraften Sünder Ixion [die z. B. bei Pherekydes FGrH 3 F 51 nicht besteht] allein über dessen Verbindung mit dem Luftgebilde der Wolke“ geht (ebd.), zum anderen Spuren philosophischen Denkens auffallen, denn für Pindar muß ganz offenbar „die physikalisch-allegorische Deutung der Ἥρα als ἀήρ schon festgestanden“ haben (247); vgl. fr. 85, fr. 85a, O. 9, 41–46, P. 12, 6–27, B. 6, 1 f. (Λάχων … λάχε). Auch Pindars Zeitgenosse Hekataios verwendet Etymologien (z. B. FGrH 1 F 15: Oineus als κληθεὶς ἀπὸ τῶν ἀμπέλων [„benannt nach dem Weinstock“], denn οἱ … παλαιοὶ … Ἕλληνες οἴνας ἐκάλουν τὰς ἀμπέλους [„die früheren Griechen nannten den Weinstock οἴνα“]), und Aristophanes nennt seine Figuren nicht grundlos Lysistrate, Peisetairos, Euelpides, Dikaiopolis etc. (vgl. Dornseiff 1956 101–123 [„Redende Namen“], besonders 120–122). Schon in der Odyssee findet sich die (implizite) Etymologie von Skylla und Charybdis (12, 85–87 bzw. 104; vgl. Aischyl. Choeph. 621 mit Garvie [1986] 214: κυνόφρων verweist hier über das unausgesprochene σκύλαξ etymologisierend auf Σκύλλα), der Harpyien (1, 241; 14, 371; 20, 77)

5.5. Pythie 4 als Epinikion

249

von einem Unwetter erschütterter Situation, so daß sie metaphorisch parallelisiert sind – und mit dem Bild der Eiche beschrieben werden, was wiederum abermals Iason und Arkesilaos parallelisiert.293 4) Iason und Arkesilaos unternehmen großangelegte Unternehmungen, um die rechtmäßige, göttlich legitimierte Herrschaft wiederherzustellen. So wird verständlich, warum Iason, der in anderen Darstellungen des Argonautenmythos zufällig und nicht um der Herrschaft willen nach Iolkos kommt, dies in Pythie 4 erklärtermaßen aus eigenem Antrieb tut – und mit dem einzigen Wunsch, die zu Unrecht von Pelias ausgeübte Herrschaft zurückzufordern und die Ordnung wiederherzustellen, ganz Arkesilaos entsprechend (270–276).294 Ebenso wird verständlich, warum bei Pindar nicht Aison, sondern überraschenderweise Pelias unrechtmäßig über Iolkos herrscht (156 f.; dies bestreitet Pelias nicht),295 während in allen anderen Darstellungen immer Pelias und nie Aison legitimer Herrscher ist.296

293 294

295 296

und die implizite Erklärung von Penelopes Namen als „die den Einschlag abstreifende“ (z. B. 19, 138–150), ganz abgesehen von den Etymologien der Traumpforten (19, 560– 567); s. Risch (1947) 81–84. Etymologien sind auch für Pherekydes von Syros (z. B. B 1) bezeugt, ebenso für Heraklit (z. B. fr. 79 und fr. 49 [ἀοιδοί als ‚Unwissende‘]: s. Voigtländer 1995 150 f. Anm. 40, Verdenius 1966 95–97). Vgl. Risch (1947) (72 zur Sinnhaftigkeit von Namen) (s. o. S. 233 Anm. 229, s. u. S. 302 Anm. 144, S. 305 Anm. 154, S. 308 f.). Man beachte die in ähnlichen Situationen verwendeten Formulierungen πάντα λόγον θέμενος σπουδαῖον (132) und θέμεν σπουδὰν ἅπασαν (276) (s. Giannini 1979 56 Anm. 83). Vgl. Apoll. Rhod. 1, 8–14, Apollod. 1, 9, 16 (wie Pherekydes FGrH 3 F 105), wo Iason aus eigenem Antrieb bzw. von Pelias eingeladen zu einem von diesem veranstalteten Opferfest nach Iolkos kommt; bei Diod. 4, 40, 1–3 ist einziges Motiv die Ruhmsucht. Diesen auffälligen Zug der Pindarischen Variante hebt schon Friederichs (1863) 39 f. hervor, der zu Recht auf die zentrale Gegensätzlichkeit „zwischen einem ungerechten Tyrannen und einem edlen von jenem wider alles Recht behandelten Verwandten“ (40) hinweist. Vgl. oben S. 218 Anm. 155; er gilt hier (insbesondere 106–110) noch nicht einmal als Aiolide, hat also überhaupt keinen Herrschaftsanspruch; für Iason ist Pelias lediglich Poseidons Sohn (138). Zu den Abstammungslinien s. o. S. 93 f. Anm. 42. Zu Aison vgl. oben S. 218 mit Anm. 155; bei Apollod. 1, 9, 16 herrscht nach Kretheus Pelias über Iolkos, wobei Kretheus Stadtgründer ist (Apollod. 1, 9, 11; nicht unbedeutend ist also, daß Aison in 152 als Κρηθεΐδας erscheint); ebenso ist in Hes. theog. 995 Pelias μέγας βασιλεύς (vgl. fr. 33a, 2–7 MW, Diod. 4, 68, 3; für eine mögliche Erklärung dieses prima vista verblüffenden Sachverhalts s. Broadbent 1968 311 f.); s. auch Gantz (1993) 190 f., der zu Recht auf Pelias’ Leichenspiele als Zeichen der Legitimität seiner Herrschaft hinweist. Ebenfalls nur hier findet sich die Vereinbarung der Herrschaftsübergabe (152–157. 168; s. Gantz 1993 365), an der wiederum auffällt, daß Iason freiwillig der Fahrt zustimmt (bei Apollonios Rhodios handelt es sich um Pelias’ Befehl [1, 3: ἐφημοσύνῃ Πελίαο, vgl. 1, 15 f.; s. Köhnken 2000 58]). Eine hinsichtlich der Herrschaftsverhältnisse ähnliche Version findet sich erst in Σ Hom. Od. 12, 69, Σ Hes. theog. 993, wo Aison allerdings bald nach Iasons Geburt stirbt (vgl. Diod. 4, 50, 1–3). Daß Apollodors Variante die gewöhnliche sein muß, zeigt sich daran, daß nach Pelias’ Tod über Iolkos niemals Iason, sondern immer der Pelias-Sohn Akastos herrscht, Iason hingegen zumeist seine eigene Stadt gründet (Pherekydes FGrH 3 F 103, Pi. fr. 273; s. Gantz 1993 365–368).

250

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Die metaphorische Parallelität zwischen Iason und Arkesilaos verstärkt diejenige ihrer Situation, einschließlich ihrer Unternehmungen zur Lösung der Probleme. Diese Parallelität beruht vor allem auf der im Lied vorgenommenen Deutung der Argonautenfahrt als eines metaphorischen Wagenrennens, in dem beide überragend siegen. Damit besteht die Parallelität zwischen Iason und Arkesilaos im gesamten Lied ohne Einschränkung. Dies erklärt, warum überhaupt Iasons Charakterzeichnung (im Kontrast zu denen des Pelias und des Aietes) im Zentrum des zweiten Mythosteils steht: Mittels ihrer kann Arkesilaos indirekt gelobt werden, denn er erscheint als beeindruckender Mann von natürlicher, auf moralischer Vollkommenheit beruhender Autorität, ein gottähnlicher Anführer, der andere heldenhafte Menschen zu sportlichen, d. h. hier auch politischen Erfolgen führen kann. Bei Iason gehört hierzu Euphamos’ Erfolg bei der Wüstendurchquerung, der wiederum Grundlage eines politischen Erfolgs, der Erringung der Herrschaft über Libyen, ist und diesen göttlich legitimiert. Insoweit freilich die (hier das erste Mal so lokalisierte) Übergabe der Scholle im Gebiet von Euhesperides erfolgt, wo sich der Triton-See befindet (s. o. S. 195 Anm. 53),297 ist die Funktion des ersten Mythosteils die Legitimation der Battiadenherrschaft nicht bloß über die eigentliche Stadt Kyrene, sondern vor allem über Euhesperides; sie erwirbt sich insbesondere Euphamos durch seinen großen sportlichen Erfolg.298 In dessen Nachfolge steht nun Arkesilaos, der hierdurch ebenfalls einen gottgegebenen Herrschaftsanspruch hat (was auch die ausführliche Klärung der genealogischen Verhältnisse im Epinikion erklärt). Allerdings hat er selbst die Legitimation durch seinen eigenen Pythiensieg (als Wiederholung des mythischen Sieges) aktualisiert, der (wie die Metaphorik zeigt) dem des von Euphamos für Iason errungenen gleichwertig ist. Der herausragenden Rolle des mythischen Euphamos unter Iason entspricht (nach dem obigen Scholienzeugnis) die des Euphamos zu Arkesilaos’ 297 Braswell (1988) 89 f. Auffällig ist der Unterschied zu Herodots Darstellung (4, 179; s. Braswell 1988 89), in der Iason vor der eigentlichen Argonautenfahrt (er wollte um die Peloponnes herum nach Delphi fahren) mit der Argo nach Libyen verschlagen wird (freilich in eine andere Gegend: s. Malten 1911 131); hier begegnet er dem Gott Triton, dem er auf dessen Bitten hin einen Dreifuß schenkt und der ihm dann den Weg zurück ins Meer zeigt; als Gegenleistung weissagt der Gott, daß wenn einer der Nachkommen der Argonauten den Dreifuß zurückerhalte, hundert griechische Städte in dieser Gegend entstünden. Angesichts der Paßgenauigkeit der Pindarischen Variante zur Intention der Darstellung (der sich auch etliche andere Züge des Mythos fügen) ist es nicht nur nicht „unlikely that he invented it“, sondern sogar unwahrscheinlich, daß „its origins are doubtless to be sought in the legends which grew up around the Cyrenaean royal house“ (Braswell 1988 89; vgl. oben S. 194 Anm. 49). Auch Medeas Prophezeiung dürfte Pindar erfunden haben; zumindest wird sie nirgendwo anders erzählt (s. Giannini 1979 40). 298 So ist unwahrscheinlich, daß „Pindare, en plaçant le lac Triton en Cyrénaïque, a suivi des traditions locales qui lui permettaient de rattacher Cyrène à la légende argonautique“ (Delage 1937 125).

5.5. Pythie 4 als Epinikion

251

Zeiten, der die Führung der politisch-sportlichen Expedition innehatte und als solcher (wenn er da noch lebte) stellvertretend für Arkesilaos in Delphi den Siegpreis entgegennahm. So zeigt allein schon die Gleichheit der Namen die (von Pindar konstruierte metaphorische) Parallelität der Ereignisse an. In diesem Sinne erklärt sich die Zweiteilung des Argonautenmythos mit verschiedenen Hauptpersonen: Im ersten Teil steht Euphamos in (metaphorischer) Parallelität zum zeitgenössischen Euphamos, womit sich eine Parallele des Argonautensiegs zum jetzigen Sportsieg ergibt. Beide Euphamoi sind (ungeachtet ihrer Leistung und edlen Herkunft) dem Herrscher (Arkesilaos bzw. Iason) untergeordnet, und ihre Erfolge sind nur Erfolge im Rahmen der vom Herrscher angeführten Gesamtfahrt. Diese ist das Thema des zweiten Mythosteils, wo Iasons und Arkesilaos’ Situation metaphorisch parallel sind. Die historische Situation wird damit im Spiegel des exakt zugeschnittenen Argonautenmythos gedeutet, wobei sein zweiter Teil die Fahrt insgesamt erzählt, sein erster, hierarchisch untergeordneter Teil einen zentralen Erfolg in ihrem Rahmen. Genau dies zeigt neben der Gesamtanlage des Liedes schon der Umstand, daß die in Medeas Prophezeiung erzählte EuphamosEpisode durch die Einleitung εἶπε δ’ οὕτως ἡμιθέοισιν Ἰάσονος αἰχματᾶο ναύταις (11 f.) thematisch in den Rahmen der gesamten Argonautenfahrt eingeordnet wird, die ihrerseits als die Fahrt Iasons charakterisiert wird: Dieser ist von Anfang an die Hauptperson des Mythos.299 Zugrunde liegt der Gedanke, daß politischer Erfolg auf (metaphorisch und nicht-metaphorisch) sportlichem Erfolg beruht, dieser selbst auf der Könnerschaft im Sport. So treten Sport und Politik in eine metaphorische Parallelitätsbeziehung; Politik wird nach den Prinzipien des Sports erfolgreich. Allerdings bedarf es zum Sieg der wohlwollenden Unterstützung durch die Götter, wie das gesamte Lied zeigt, besonders wenn der Erfolg von den Göttern belohnt wird: So verleiht Triton (als Eurypylos)300 Euphamos die Herrschaft über Libyen und Apollon dessen Nachkommen, insbesondere Battos, Libyen (53–56. 259–262) sowie Arkesilaos den Pythiensieg (3. 66 f.). 299 S. Lattimore (1948) 21, Duchemin (1967) 100; vgl. Sandgren 1972 12 f. Dies kündigt komprimiert den zweiten Mythosteil an (‚Seereise von Halbgöttern unter Führung des Kriegers Iason‘); vgl. Burton (1962) 150 f. 300 Das Erscheinen des Gottes als Eurypylos (33 f.) könnte erzählerisch dadurch motiviert sein, daß dieser Eurypylos ein mythischer libyscher König sein könnte, so daß sich die Legitimität der Euphamos übergebenen Herrschaft weiter erhöhte. Bei Akesandros, einem Lokalhistoriker des 4. Jhs. v. Chr. (?), herrscht dieser Eurypylos zur Zeit der Entführung von Kyrene nach Libyen durch Apollon (FGrH 469 F 1; vgl. Apoll. Rhod. 4, 1559–1561, Diod. 4, 56, 6; s. u. S. 296 f.). Freilich könnte dies auch eine „later rationalization of the story as found in Pindar rather than an ancient local tradition“ sein (Braswell 1988 110, mit Hinweis auf Phylarchos FGrH 81 F 15, wo dieser König Eurytos heißt; anders jedoch Studniczka 1893 2, Malten 1911 115 Anm. 1). Ansonsten wäre unerklärlich, warum Triton hier als Eurypylos erscheint (s. Braswell 1988 110).

252

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Die Parallelität dieser Siegerehrungen wird dabei durch die Wiederholung von ἔπορεν (66. 259) und die Ähnlichkeit der Umschreibungen von Arkesilaos und Battos (2: βασιλῆι Κυράνας ≈ 62: βασιλέα … Κυράνᾳ) betont.301 Den Argonauten stehen auch Hermes (178 f.), Boreas (179–183), Zeus, Hera, Aphrodite und Poseidon bei, letzterer unter anderem dadurch, daß er Euphamos’ und Eurypylos’ Vater ist.302 Vor allem zeigt er sich in Funktionen, die (in Pythie 4) für den (metaphorisch-) sportlichen Sieg entscheidend sind, nämlich als Gott der See (204. 207: δεσπόταν … ναῶν) und der Pferde (45: ἱππάρχου Ποσειδάωνος: vgl. oben S. 190 Anm. 33), und er tritt gerade dann als Gott der Erde auf (33: Γαιαόχου … Ἐννοσίδα), wenn Triton Euphamos die libysche Erde verleiht.303 Daneben kommt Apollon eine hohe Bedeutung zu, nämlich als Schutzgott der Pythien (3. 66), als Gott der Heilkunst (270) und als Gott der Orakelkunst. Gerade letzteres ist entscheidend, insofern die Orakel äußerst eng mit der Handlung verbunden sind: Die Pythia weissagt die bevorstehende Gründung Kyrenes (insbesondere 59 f.) und die Erfüllung der Prophezeiung Medeas (durch οὐκ ἀποδάμου Ἀπόλλωνος τυχόντος [5] als unumgänglich charakterisiert)304, die wiederum die spätere Besiedlung von Kyrene beinhaltet (13–56), und zwar aufgrund der Erdscholle selbst als eines Zeichens (19: ὄρνις). Schließlich warnt ein Orakel Pelias vor dem Einschuhigen (73–78), und ein weiteres heißt ihn Phrixos’ Seele holen (159–164). Die Orakel lenken die Menschen und lassen sie die göttlichen Pläne ausführen, insbesondere das vorletzte, ohne das Pelias Iason nicht auf die Reise geschickt 301 Zu letzterem s. Felson (1999) 19; ähnlich ist es in P. 5 (Krummen 1990 142 f. 149). 302 Vgl. Mezger (1868) 76 f., Graham (1978) 150. Die zehn zu Iason und Mopsos hinzustoßenden Argonauten sind so gewählt, daß die göttlichen Entsender den Erfolg sichern (Zeus, Poseidon, Apollon, Hermes, Boreas – dessen prima vista seltsame Prominenz sich hiermit erklären dürfte: vgl. Friederichs 1857 418 und 1863 30 f.). Ziel der Auswahl ist also nicht nur „donner à l’expédition d’Argo plus de grandeur religieuse“ (Delage 1937 127). 303 Poseidons Epitheton Ἐννοσίδας, wohl als Ἐννοσίγαιος verstanden (s. Braswell 1988 111; vgl. Käppel 1992 120 Anm. 113), bezieht sich auf seine Eigenschaft als Erderschütterer, während Γαιάοχος (die genaue Bedeutung ist umstritten: s. Braswell 1988 110) oft mit ἔχειν verbunden wurde (vgl. Aischyl. Suppl. 816, Soph. Oid. T. 160 mit Hutchinson 1985 95, auch Slater s. v.: „holding the earth“; s. Gerber 1982 55), was ihn als Gott der Erde charakterisiert (s. Burkert 1977 217). Man beachte Hom. Il. 15, 185–199, wo Poseidon in der Erzählung von der Verteilung der Herrschaftsbereiche zwischen sich, Zeus und Hades darauf hinweist, daß die Erde (wie der Olympos) allen dreien gemeinsam sei (193). Für P. 4 dürfte nicht unwichtig sein, daß man Poseidon in Libyen verehrte (vgl. Hdt. 2, 50). 304 S. Köhnken (1976) 66; er stellt fest, daß die Litotes bei Pindar „durchweg die Funktion hat, einer Aussage […] starken Nachdruck zu geben“ (66), und zwar im Sinne einer „verdeckten Superlativität“ (67); s. auch Race (1983). Diese liegt im übrigen in der Sache selbst: Die Litotes läßt etwas mittels einer kontradiktorischen Beschreibung eine bestimmte Eigenschaft in kategorialer Weise nicht besitzen; damit aber besitzt es die entsprechend gegenteilige Eigenschaft (anders als bei positiver Formulierung) ohne jedweden Anteil der negierten Eigenschaft: Wenn etwa Euphamos Triton οὐδ’ ἀπίθησε (36), gehorcht nichts an ihm nicht, er gehorcht ihm voll und ganz. Vgl. oben S. 99 Anm. 60.

5.5. Pythie 4 als Epinikion

253

hätte, ohne die jedoch sein eigener Tod, von den Göttern (ohne daß er es wußte) beschlossen (71 f.), nicht hätte eintreten können.305 Diese Lenkung durch die Götter ist immer auch gerecht: Die Guten (Iason, Euphamos, die Argonauten, Battos, Arkesilaos) werden beschützt und belohnt, die Schlechten (Pelias, Aietes) getäuscht und bestraft – ironischerweise infolge ihrer eigenen Hinterhältigkeit: Wie Iason es Pelias voraussagt (139 f.), erleben sie ihren ‚rauhen Morgen nach dem Fest‘ (Pelias stirbt, Aietes verliert Tochter und Vlies), das sie im Glauben an die Sieghaftigkeit ihrer List schon gefeiert haben.306 Das Geschehen offenbart also eine schicksalhafte Gerechtigkeit, der entsprechend auch Arkesilaos bei den Pythien seine gerechte Belohnung erhalten hat und jetzt mit einem Gott als Steuermann (274) Kyrene wieder der Gesundheit zuführen kann. Dieser Gott dürfte speziell Apollon sein, der nicht nur Heilgott und Beschützer der Seeleute und Kolonisten ist, sondern die Fähigkeit zur (erbetenen) Lenkung schon dadurch bewiesen hat, daß er Arkesilaos zum Pythiensieg gelenkt hat.307 Dies parallelisiert implizit erneut Arkesilaos’ Pythiensieg und Iasons Argonautenfahrt – wie explizit auch schon in 64–69: Arkesilaos ist ein moderner Iason, der mit göttlicher Zustimmung seine rechtmäßige Herrschaft wiederherstellen möchte; sein Erfolg beruht nicht nur auf seinem guten Charak305 Zu θέσφατον ἦν (71) als „it was divinely ordained“ s. Braswell (1988) 165 (und oben, insbesondere S. 212 Anm. 125). Zum Verhältnis von 71 f. und 73–78 s. Köhnken (1993b) 26– 28, der unter anderem hervorhebt, daß zwar der Rezipient des Epinikions, nicht aber Pelias um sein eigenes Ende weiß. Narratologisch liegen zwei Informationsebenen vor: Einmal ist von einem Aioliden die Rede (72), einmal wird die Herkunft explizit offengelassen (78). Man beachte hinsichtlich der Anlage der Erzählung, „dat dit orakel […] de belangrijkste oorzaak is voor de tocht“ (de Jong 1991 205). 306 S. Köhnken (1993b) 33 f., Mezger (1868) 78–80; zu 139 f. s. o. S. 215 mit Anm. 141. 307 S. Burkert (1977) 226; vgl. P. 5, 60. Gott der Seeleute ist Apollon Embasios (z. B. Apoll. Rhod. 1, 404) oder Delphinios – zumindest wird diese Epiklese so in Hom. h. 3, 388– 544, insbesondere 493–495 gedeutet, wo Apollon als Delphin auf das Schiff der kretischen Seeleute springt und sie nach Delphi lenkt (allgemein zur Problematik s. Graf 1979, vgl. aber auch Risch 1947 90 f.). – Oder ist Arkesilaos selbst der Gott? Angesichts der Charakterisierung von Damophilos als Mann, der Arkesilaos in mehrererlei Hinsicht parallel ist und seine Aufgabe zugleich unter dessen Leitung erfüllt, ließe sich die Passage auch so verstehen, daß zwischen beiden dasselbe Verhältnis wie zwischen Arkesilaos und dem Gott herrscht, und damit wäre Arkesilaos als Gott bezeichnet (wiederum entsprechend Iasons Gottähnlichkeit: s. unter anderem 87–92 mit der berichteten Rede der Iolker; entsprechend ist Iason ausdrücklich Steuermann [194]). So könnte auch das in seinem Bezug auffällig uneindeutige τούτων (275) zu verstehen sein, das sich in Verbindung mit χάριτες (275) nicht nur als „this favour“ (so Braswell 1988 51), sondern auch als „Dank hierfür“ (s. o., insbesondere S. 240 Anm. 259) verstehen läßt, sich also (man beachte 276) sowohl auf das Neubegründen der Stadt (273) als auch auf das SteuermannWerden (274) beziehen läßt. Letzteres ließe Arkesilaos indirekt als Gott erscheinen – was die (Hybris ausschließende) Zweideutigkeit von 270–276 keineswegs ausschließen zu wollen scheint (zur heroischen Verehrung der Battiaden s. o. S. 76 Anm. 251).

254

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

ter, sondern auch auf seiner Abstammung vom Argonauten Euphamos, einem vollkommenen Wagenlenker. Über dessen Wagenlenkerkunst verfügen auch seine Nachkommen, die Euphamiden, die mittels ihrer die Herrschaft über Libyen errungen haben und hiernach der Wagenlenkerkunst in ihrer eigentlichen Form (und nicht mehr der der Seefahrt) nachgehen. Auch diese Gleichsetzung von Wagenlenker- und Seefahrerkunst verbindet mythische und aktuelle Ebene, so daß abermals die Argonautenfahrt als metaphorische Parallele zu Arkesilaos’ Unternehmungen erscheint – und impliziert wird, daß die erneute Kolonisation von Euhesperides glücken wird.308 Arkesilaos’ politische Seefahrt soll durch das Epinikion selbst unterstützt werden, denn die Muse, deren Beistand der Sprecher erbittet (1 f.), solle den Hymnenwind309 stärken, der den Kindern der Leto und Pytho geschuldet sei (3). Hier erscheint Arkesilaos als Seefahrer (vgl. 274 f. und oben Anm. 307), dem die Götter den benötigten Wind wegen seines Pythiensiegs verleihen.310 Der Wind selbst besteht aus Hymnen, Lobpreisungen, die eine Folge des Erfolgs sind (3), und er wird durch göttlich unterstützte Dichtung derart vergrößert, daß Arkesilaos auf seiner Fahrt noch schneller vorankommt – ähnlich den Argonauten, die nicht nur auf ihr eigenes Rudern angewiesen sind,311 sondern von den Göttern Wind geschenkt bekommen (202–204). Die Dichtung erweist sich als Arkesilaos’ Dienerin, die seinen Erfolg noch zu vergrößern versteht, besonders durch die Hilfe des guten Boten Damophilos, der die Muse selbst stärkt (278 f.), die wiederum den Hymnenwind stärkt (1– 3), der Arkesilaos möglichst schnell an sein Ziel, die politische Heilung Kyrenes (270–276), führen kann, und zwar durch das Bringen von Ehre. Diese Ehre ist einer der Schlüsselbegriffe des Liedes: Die Euphamiden kommen mit göttlicher Ehrung nach Thera und bringen Battos hervor (50– 53), den Argonauten wird durch ihre Fahrt Ehre gepflanzt (69), Zeus verleiht Aiolos und seinen Kindern die Ehre (= Macht) in Iolkos (107 f.),312 die wiederum von Iason und Pelias nicht geteilt werden soll (147 f.), den Battiaden wird Libyen verliehen, damit sie es mit göttlicher Ehrung stärken (259 f.), Arkesilaos wird von Apollon geehrt (270), und der gute Bote bringt jeder Sache die größte Ehre (278). Insofern Pindar das Wort τιμά oftmals zur Bezeich308 Die Ähnlichkeit von Argonauten und Arkesilaos zeigt sich auch darin, daß einerseits Iason versteht, in kluger Weise einen (metaphorischen) Sockel (seiner Rede) zu errichten (138), und andererseits alle Argonauten, einen heiligen Bezirk für Poseidon zu gründen (204–206) (wobei dasselbe Verb wie bei Arkesilaos’ Neugründung verwendet wird: ἕσσαντο [204] bzw. ἕσσαι [273]); vgl. Nicholson (2000), insbesondere 194. 309 Der Genitiv ist also adnominal: vgl. Schwyzer II 129. 310 Es ist also nicht vom Liederschiff die Rede, in dem „the ode embarks on an Argonautic voyage of its own“ (Felson 1999 20). 311 Zu ὑπεχώρησεν (202) s. Morrison (1950) 5. 312 Das (auch für Pindar) auffällige Hyperbaton hebt die τιμά und ihre Legitimität hervor: s. Race (2002) 25.

5.5. Pythie 4 als Epinikion

255

nung der aus dem sportlichen Erfolg erwachsenden Ehre verwendet,313 überführt dies ebenfalls politischen und sportlichen Erfolg ineinander und charakterisiert beides als äquivalente göttliche Belohnung einer großartigen Leistung. Aufgabe der Dichtkunst ist, diese Belohnung zu vergrößern: Sie bringt dem Besungenen die größte Ehre. Diese erscheint um so größer, je mehr die überstandenen Gefahren betont werden, und dies geschieht nicht nur allgemein in der Einleitung des zweiten Mythosteils (71): Große Gefahr besteht nämlich erstens für Iason in Iolkos als Pelias’ Herausforderer, zweitens für alle Argonauten in der Durchfahrt durch die Symplegaden (207–210)314 und drittens für Iason in Kolchis beim Pflügen mit den feueratmenden Rindern (224–237) und der Bezwingung der Schlange (244–246. 249). Die Gefährlichkeit der Fahrt ist freilich der eigentliche Antrieb der Heroen zur Teilnahme: In ihnen habe Hera ein Verlangen nach der Argo entflammt, so daß sie nicht bei der Mutter ihr Leben ohne Gefahr verbringen, sondern sogar um den Preis des Todes das schönste Mittel finden wollten, ἀρετά für sich selbst hervorzubringen (184– 187).315 Entsprechend beruht ihr späterer Ruhm auf der Bewährung in der Gefahr (68 f.), die wiederum zu den θεόπομποι … τιμαί (69) führt. Parallel ist auch die Lage in Kyrene gefährlich, das sich in schwerer See befindet, aus der sie nur ein Arkesilaos erretten kann, der Heiler, der den todkranken Baum gesunden lassen kann. Sprachlich zeigt sich diese Gefahr insbesondere in der Aufforderung an Arkesilaos, seinen ganzen Eifer Kyrene zu widmen, denn hier wird das Verb τλᾶν, d. h. „audere, wagen, es über sich gewinnen“ verwendet und so an die Motivation der Argonauten erinnert.316 Die verschiedenen Sinnebenen des Liedes verbindet auch die botanische Metaphorik:317 Der Staat Kyrene (14–16. 263–269), Arkesilaos (64 f.) und die Euphamiden (254–257) erscheinen als Pflanze, die eingepflanzt wird, die sprießt oder der es übel ergeht, während Libyen entsprechend fruchttragend 313 Vgl. O. 12, 15, O. 13, 37, P. 8, 5, N. 10, 38, I. 1, 34. 66, I. 2, 34, fr. 221, 2, O. 9, 84 (τιμάορος), N. 9, 54 (τιμαλφεῖν), ebenso τιμᾶν in O. 2, 45, N. 6, 41, parth. 2, 41 f. 314 Vgl. Eur. Med. 1 f., Andr. 794–796, Apoll. Rhod. 1, 2 f.; s. o. S. 216 Anm. 145. 315 S. zu dieser vieldiskutierten Passage Braswell (1988) 267–272, besonders 271 f.: Ihr unterliege ein „contrast between the inactive life without danger and the active realization of excellence bought even at the price of death“ (271); s. aber auch Σ P. 4, 332a, Düring (1933) 4, Farnell 2, 161, Race (1985), D’Alfonso (1996); zum Gedanken vgl. O. 1, 81–84 (s. Race 1983 103 f.), O. 6, 9–11, fr. 228, Eur. Med. 248–250, Eur. fr. 1052, 5–9 TrGF, Aristot. eth. Nic. 1124 b6–9; s. allgemein Gerber (1982) 124 f., speziell zum Wort κίνδυνος Mette (1952). Die Infinitive sind epexegetisch (vgl. KG § 472 c; s. Kirkwood 1982 190). 316 Die sprachliche Parallelität der auf die Argonauten bezogenen Formulierung φάρμακον κάλλιστον ἑᾶς ἀρετᾶς … εὑρέσθαι (187) und der auf die Battiaden bezogenen Formulierung ὀρθόβουλον μῆτιν ἐφευρομένοις (262) legt nahe, daß die μῆτις der Battiaden ihr φάρμακον ἑᾶς ἀρετᾶς ist. Zum Verb τλᾶν s. KG § 484 23. 317 S. Calame (2003) 53–55.

256

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

(6: καρποφόρου) und fruchtbar (52: κελαινεφέων,318 56: πῖον) ist. Ferner erhält Euphamos Erde (21: γαῖαν), Ackerland (34: ἀρούρας) bzw. eine Erdscholle (37: βώλακα), den Samen Libyens (42 f.: Λιβύας … σπέρμα), und es werden die Euphamiden als Same im lemnischen Ackerland gepflanzt (255: σπέρμ’ ἀρούραις; vgl. Aischyl. Sept. 750–757), ähnlich wie Iason und Pelias gepflanzt werden (144: φυτευθέντες) und den Argonauten Ehre gepflanzt wird (69: θεόπομποί σφισιν τιμαὶ φύτευθεν). In diesem Kontext besteht Iason auch seine (Wagenlenkerqualitäten erfordernde) Pflugprobe, weshalb auch gerade diese Episode so ausführlich erzählt worden sein dürfte (220–241).319 Die botanische Metaphorik sorgt für den Zusammenhalt der Sinnebenen und zeigt überdies, daß Erfolg (in jedem Bereich) mit Wohlergehen und sprießendem Leben verbunden ist – weswegen nach der Wüstendurchquerung aus unfruchtbarem Boden (26: νώτων … γαίας ἐρήμων) durch die göttliche Hand im Schenken auch fruchtbares Land (34: ἀρούρας) wird.320 Insgesamt erweist sich Pythie 4 als komplexes Lied, das mittels der Metaphorik des Wagenrennens die aktuelle politische Situation so deutet, daß diese mittels eines sportlichen Erfolgs, selbst Teil einer größeren (metaphorisch) sportlichen Unternehmung, gelöst werden kann, wobei hinter allem ein als Sportsieg gedeuteter (mehrmaliger) Erfolg der Argonauten steht. Hieraus folgt, daß ebenso wie der Argonautensieg unter Euphamos’ Führung, symbolisiert in der Erdscholle, das Unterpfand des weiteren Erfolgs der Argonauten unter Iasons Führung (Zeugung der Euphamiden und hierüber Gründung von Kyrene) ist, der unter Euphamos’ Führung errungene Erfolg bei den Pythien, symbolisiert im Siegeskranz, das Unterpfand des weiteren Erfolgs unter Arkesilaos’ Führung ist, konkret der Wiederbegründung von Euhesperides. Nicht zuletzt dies erklärt, warum der Argonautenmythos in dieser speziellen Form erzählt wird, insbesondere warum er zweigeteilt ist: Der erste Teil ist eine metaphorische Parallele zu Arkesilaos’ Pythiensieg (weshalb auch die Annahme, das Lied hätte schon nach der dritten Triade [69] enden können, nicht gänzlich abwegig ist)321, der zweite Teil hingegen zu Arkesilaos’ gesamter politischer Unternehmung. Letzterer ist also als Darstellung des übergeordneten Ziels der semantisch eigentlich entscheidende. Damit offenbart sich die eigentliche Pointe des Epinikions: Wenn die Wüstenepisode Arkesilaos’ jetzigen Pythiensieg spiegelt, spiegelt sich die 318 S. Braswell (1988) 132 f. und Calame (2003) 54, der auf die Beschreibung von Kyrenes Gründungsplatz mittels ἐν ἀργεννόεντι μαστῷ (8) (s. Graham 1978 40 Anm. 15) und auf die von Kyrene als ματρόπολιν (20) hinweist. 319 Man beachte vor allem 227: ὀρθὰς … αὔλακας, 228 f.: βωλακίας … νῶτον γᾶς und die zweimalige Erwähnung des ἄροτρον (224. 234), insbesondere hinsichtlich 34. 255; zur Parallelität von Wagenlenken und Pflügen vgl. fr. 234, 1 f. 320 S. Graham (1978) 59 f. 321 Vgl. Wilamowitz (1922) 384, Burton (1962) 150, Wilhelm (1973) 63 Anm. 7.

5.5. Pythie 4 als Epinikion

257

Aufführungssituation des Epinikions (die Siegesfeier) in dem Aufenthalt der Argonauten auf Thera, während dessen Medea ihre Prophezeiung verkündet, in der sie weissagt, daß Kyrene gerade wegen des Erhalts der Erdscholle (des Siegpreises des metaphorischen Wagenrennens) gegründet werde; die Erfüllung dieser Prophezeiung zeigt dann der zweite, auf dieses Ziel ausgerichtete Mythosteil. In der Parallelität entspricht damit der mythischen Medea (die den Sportsieg der Argonauten verherrlicht) der Sprecher des Epinikions, der wiederum seinerseits den Erfolg von Arkesilaos’ Unternehmung prophezeit: Das (neu-) gegründete Euhesperides wird über eine genauso glänzende Zukunft wie Kyrene verfügen, und zwar auf der Grundlage des errungenen Siegpreises, des pythischen Siegeskranzes (der der Erdscholle entspricht). Zuvor wird Euhesperides von den angeworbenen Siedlern jedoch wie Kyrene von den Euphamiden gegründet werden, und damit entspricht deren Anwerbung der Zeugung der Euphamiden, der direkten Folge des (metaphorisch) sportlichen Sieges des Argonauten. Dies erklärt, warum Pindar entgegen der mythischen Tradition den an sich (d. h. in anderem Kontext) seltsam am Ende der Fahrt plazierten Aufenthalt auf Lemnos zum Höhepunkt der Fahrt macht. Für Arkesilaos wird der pythische Siegeskranz als Zeichen des Erfolgs zum Unterpfand der Anwerbung und Ansiedlung der Siedler, deren Erfolg ab jetzt als gesichert erscheint. Arkesilaos hat also mit dem Pythiensieg sein Ziel erreicht, und sein politischer Erfolg ist aufgrund des sportlichen Erfolgs garantiert. Als Summe des gesamten Epinikions darf dann die komplexe Metaphorik in 270–276 gelten, die die inhaltlichen Stränge des Liedes – (politische) Heilkunst, Schiffahrt, stellvertretend für die Wagenlenkerkunst, Gottgeliebtheit, botanische Metaphorik – zu einem Ganzen vereinigt.322 Bei diesem Ganzen handelt es sich um ein Epinikion, das mittels einer sportlichen Metaphorisierung der Politik und der historischen Situation (und einem hiermit einhergehenden radikalen Umschreiben des Mythos) sein Ziel erreicht: nicht etwa einen Fürstenspiegel,323 sondern die heroisierende Preisung des Arkesilaos für seinen Sportsieg (vgl. Abbildung 2).

322 Die semantische Dichte der Epodos der 12. Triade läßt sie als würdigen Abschluß des Liedes erscheinen, der die gesamte 13. Triade nur mehr als Epilog folgt (so z. B. Mezger 1880 221). Angesichts dessen und da die 13. Triade keinen integralen Bestandteil der eigentlichen Liedaussage darstellt (wenngleich sie auf den Rest des Liedes bezogen ist), ist nicht auszuschließen, daß diese erst nach dem Eintritt von Damophilos’ Krankheit nachträglich angefügt wurde. Dann läge in der formalen Gestaltung des Liedes eine strukturelle Sportmetapher vor: Es wäre mit seinen zwölf Triaden ein metaphorisches Wagenrennen, das Pindar mit Arkesilaos als Vorbild und gleichzeitig zu seinen Ehren gewönne. 323 Vgl. Wilamowitz’ (1922) 383 Kommentar zu P. 5.

258

5. Pythie 4: Die Politik des Epinikions

Abbildung 2: Semantische Struktur von Pythie 4

6Pythie 9: Der Segen des Laufens 6.1Text und Übersetzung Aʹ

5

6a

10

14a 15

20

25



Ἐθέλω χαλκάσπιδα Πυθιονίκαν σὺν βαθυζώνοισιν ἀγγέλλων Τελεσικράτη Χαρίτεσσι γεγωνεῖν ὄλβιον ἄνδρα διωξίππου στεφάνωμα Κυράνας, τὰν ὁ χαιτάεις ἀνεμοσφαράγων ἐκ Παλίου κόλπων ποτὲ Λατοΐδας ἅρπασ’ ἔνεικέ τε χρυσέῳ παρθένον ἀγροτέραν δίφρῳ, τόθι νιν πολυμήλου καὶ πολυκαρποτάτας θῆκε δέσποιναν χθονός ῥίζαν ἀπείρου τρίταν εὐήρατον θάλλοισαν οἰκεῖν. ὑπέδεκτο δ’ ἀργυρόπεζ’ Ἀφροδίτα Δάλιον ξεῖνον θεοδμάτων ὀχέων ἐφαπτομένα χερὶ κούφᾳ καί σφιν ἐπὶ γλυκεραῖς εὐναῖς ἐρατὰν βάλεν αἰδῶ ξυνὸν ἁρμόζοισα θεῷ τε γάμον μιχθέντα κούρᾳ θ’ Ὑψέος εὐρυβία, ὃς Λαπιθᾶν ὑπερόπλων τουτάκις ἦν βασιλεύς, ἐξ Ὠκεανοῦ γένος ἥρως δεύτερος, ὅν ποτε Πίνδου κλεενναῖς ἐν πτυχαῖς Ναῒς εὐφρανθεῖσα Πηνειοῦ λέχει Κρέοισ’ ἔτικτεν, Γαίας θυγάτηρ. ὁ δὲ τὰν εὐώλενον θρέψατο παῖδα Κυράναν, ἃ μὲν οὔθ’ ἱστῶν παλιμβάμους ἐφίλησεν ὁδούς, οὔτε δείπνων οἰκοριᾶν μεθ’ ἑταιρᾶν τέρψιας, ἀλλ’ ἀκόντεσσίν τε χαλκέοις φασγάνῳ τε μαρναμένα κεράϊζεν ἀγρίους θῆρας, ἦ πολλάν τε καὶ ἡσύχιον βουσὶν εἰρήναν παρέχοισα πατρῴαις, τὸν δὲ σύγκοιτον γλυκύν παῦρον ἐπὶ γλεφάροις Ὕπνον ἀναλίσκοισα ῥέποντα πρὸς ἀῶ. κίχε νιν λέοντί ποτ’ εὐρυφαρέτρας ὀβρίμῳ μούναν παλαίοισαν ἄτερ ἐγχέων ἑκάεργος Ἀπόλλων. αὐτίκα δ’ ἐκ μεγάρων Χίρωνα προσήνεπε φωνᾷ·

6.1. Text und Übersetzung



5

6a

10

14a 15

20

25



Ich möchte den bronzebeschildeten Pythiensieger zusammen mit den tiefgegürteten Chariten verkünden, Telesikrates, mit lautem Ausruf, den gesegneten Mann, zur Bekränzung der pferdetreibenden Kyrana, die der langhaarige Latoide einst aus dem windprasselnden Schoß des Pelion mit sich riß und auf goldenem Wagen das Mädchen der Wildnis dorthin brachte, wo er sie zur Herrin der kleinviehreichen und fruchtreichsten Erde machte, damit sie die dritte Wurzel des Festlandes, die liebliche, sprießend bewohne. Es hieß die silberfüßige Aphrodite den delischen Gastfreund willkommen mit einer Berührung des gottgebauten Wagens mit leichter Hand, und sie warf ihnen aufs süße Bett liebliche Scham, als sie die eingegangene Ehe dem Gott und der Tochter des weitgewaltigen Hypseus zusammenfügte, der damals der im Kampf überlegenen Lapithen König war, von Okeanos dem Geschlechte nach, ein Heros, der zweite, den einst in des Pindos berühmten Schluchten die Naiade beglückt durch das Ehebett des Peneios gebar, Kreoisa, der Erde Tochter. Er aber zog das wohlarmige Mädchen Kyrana groß, das weder des Webstuhls wiederkehrende Wege liebte noch der Speisen Freuden mit den Gefährtinnen des Haushalts, sondern mit bronzenen Speeren und mit dem Schwert wilde Bestien im Kampf abschlachtete und dabei gewiß großen und ruhevollen Frieden den väterlichen Kühen bereitete, aber den süßen Bettgenossen nur wenig, wenn er auf die Lider fiel, erschöpfte, den Schlaf, gegen Morgen. Es traf auf sie einst der Weitköchrige, gerade als sie mit einem gewaltigen Löwen alleine rang ohne Waffen, der Ferntreffer Apollon. Sofort rief er Chiron aus den Hallen mit seiner Stimme:

261

262

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens 30 „σεμνὸν ἄντρον, Φιλλυρίδα, προλιπὼν

31a

35

39a 40

45

50

Γʹ

55

56a

60

64a

θυμὸν γυναικὸς καὶ μεγάλαν δύνασιν θαύμασον, οἷον ἀταρβεῖ νεῖκος ἄγει κεφαλᾷ, μόχθου καθύπερθε νεᾶνις ἦτορ ἔχοισα· φόβῳ δ’ οὐ κεχείμανται φρένες. τίς νιν ἀνθρώπων τέκεν; ποίας δ’ ἀποσπασθεῖσα φύτλας ὀρέων κευθμῶνας ἔχει σκιοέντων, γεύεται δ’ ἀλκᾶς ἀπειράντου; ὁσία κλυτὰν χέρα οἱ προσενεγκεῖν. ἦρα καὶ ἐκ λεχέων κεῖραι μελιαδέα ποίαν;“ τὸν δὲ Κένταυρος ζαμενής, ἀγανᾷ χλοαρὸν γελάσσαις ὀφρύϊ, μῆτιν ἑάν εὐθὺς ἀμείβετο· „κρυπταὶ κλαΐδες ἐντὶ σοφᾶς Πειθοῦς ἱερᾶν φιλοτάτων, Φοῖβε, καὶ ἔν τε θεοῖς τοῦτο κἀνθρώποις ὁμῶς αἰδέοντ’, ἀμφανδὸν ἁδείας τυχεῖν τὸ πρῶτον εὐνᾶς. καὶ γὰρ σέ, τὸν οὐ θεμιτὸν ψεύδει θιγεῖν, ἔτραπε μείλιχος ὀργὰ παρφάμεν τοῦτον λόγον. κούρας δ’ ὁπόθεν γενεάν ἐξερωτᾷς, ὦ ἄνα, κύριον ὃς πάντων τέλος οἶσθα καὶ πάσας κελεύθους ὅσσα τε χθὼν ἠρινὰ φύλλ’ ἀναπέμπει χὠπόσαι ἐν θαλάσσᾳ καὶ ποταμοῖς ψάμαθοι κύμασιν ῥιπαῖς τ’ ἀνέμων κλονέονται χὤ τι μέλλει χὠπόθεν ἔσσεται, εὖ καθορᾷς. εἰ δὲ χρὴ καὶ πὰρ σοφὸν ἀντιφερίξαι, ἐρέω· ταύτᾳ πόσις ἵκεο βᾶσσαν τάνδε, καὶ μέλλεις ὑπὲρ πόντου Διὸς ἔξοχον ποτὶ κᾶπον ἐνεῖκαι, ἔνθα νιν ἀρχέπολιν θήσεις ἐπὶ λαὸν ἀγείραις νασιώταν ὄχθον ἐς ἀμφίπεδον· νῦν δ’ εὐρυλείμων πότνιά σοι Λιβύα δέξεται εὐκλέα νύμφαν δώμασιν ἐν χρυσέοις πρόφρων, ἵνα οἱ χθονὸς αἶσαν αὐτίκα συντελέθειν ἔννομον δωρήσεται, οὔτε παγκάρπων φυτῶν νάποινον οὔτ’ ἀγνῶτα θηρῶν, τόθι παῖδα τέξεται, ὃν κλυτὸς Ἑρμᾶς εὐθρόνοις Ὥραισι καὶ Γαίᾳ ἀνελὼν φίλας ὑπὸ ματέρος οἴσει. ταὶ δ’ ἐπιγουνίδιον θαησάμεναι βρέφος αὐταῖς, νέκταρ ἐν χείλεσσι καὶ ἀμβροσίαν στάξοισι, θήσονταί τέ νιν ἀθάνατον Ζῆνα καὶ ἁγνὸν Ἀπόλλων’, ἀνδράσι χάρμα φίλοις ἄγχιστον ὀπάονα μήλων,

6.1. Text und Übersetzung

263

30 „Die heilige Höhle, Phillyride, verlasse

31a

35

39a 40

45

50

Γʹ

55

56a

60

64a

und das Herz der Frau und ihre große Gewalt bewundere: Welchen Streit führt sie mit furchtlosem Kopf, hoch über die Mühsal als Mädchen das Herz haltend! Von Furcht sind ihre Sinne nicht sturmgeschüttelt. Welcher der Menschen zeugte sie? Von welchem Gewächs fortgerissen hat sie die Schlupfwinkel schattenspendender Berge inne und kostet von unersättlichem Kämpfertum? Es ist recht, meine berühmte Hand ihr zuzuführen. Ist es recht, auch aus den Betten das honigsüße Gras zu scheren?“ Ihm antwortete der mächtige Kentaur, mit sanfter Braue freundlich lachend, sofort mit seinem Rat: „Verborgen sind der weisen Verlockung Schlüssel zu heiliger Zuneigung, Phoibos, und bei den Göttern und den Menschen gleichermaßen scheut man sich davor, beim ersten Mal in aller Offenheit das süße Bett zu erreichen. Denn auch dich, dem es nicht gestattet ist, die Lüge zu berühren, brachte die sanfte Leidenschaft dazu, in irreführender Weise diese Rede zu halten. Denn über das Mädchen, woher ihr Geschlecht stamme, fragst du mich aus, Herr, du, der du das vorherbestimmte Ziel aller Dinge kennst und alle Wege und alles, was die Erde an Frühlingslaub hervorschickt, und wie viele Sandkörner im Meer und in den Flüssen durch die Wogen und den Schwung der Winde durcheinandergewirbelt werden und was geschehen soll und woher es kommen wird, überdeutlich siehst. Wenn es jedoch notwendig ist, sich mit einem wahrhaft Weisen zu messen, will ich sprechen: Ihr als Gatte bist du in dieses Waldtal hier gekommen, und du gedenkst, sie über das Meer zu Zeus’ hervorragendem Garten zu tragen, wo du sie zur Stadtherrin machen wirst, wenn du ein Inselvolk versammelst für die ebenenumgebene Anhöhe. Jetzt aber wird die weitwiesige Herrin Libya für dich die Braut berühmt empfangen in goldenen Häusern voller Wohlwollen, wo sie ihr den Anteil an der Erde sofort schenken wird, der ihr rechtmäßig zusteht, der weder unvergeltend mit allerlei Frucht tragenden Pflanzen noch ohne Kenntnis der wilden Tieren ist, wo sie einen Sohn gebären wird, den der berühmte Hermes den schönthronenden Horen und Gaia, nachdem er ihn unter der Mutter weg aufgenommen hat, bringen wird. Sie werden voller Bewunderung für den Säugling auf ihren eigenen Knien Nektar ihm auf die Lippen träufeln und Ambrosia, und sie werden es bewirken, daß er unsterblicher Zeus und reiner Apollon, lieben Männern Freude, nächster Gefährte des Kleinviehs,

264

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens 65 Ἀγρέα καὶ Νόμιον, τοῖς δ’ Ἀρισταῖον καλεῖν.“

70

75

Δʹ

80

81a

85

89a 90

95

100

Εʹ

ὣς ἄρ’ εἰπὼν ἔντυεν τερπνὰν γάμου κραίνειν τελευτάν. ὠκεῖα δ’ ἐπειγομένων ἤδη θεῶν πρᾶξις ὁδοί τε βραχεῖαι. κεῖνο κεῖν’ ἆμαρ διαίτασεν· θαλάμῳ δὲ μίγεν ἐν πολυχρύσῳ Λιβύας, ἵνα καλλίσταν πόλιν ἀμφέπει κλεινάν τ’ ἀέθλοις. καί νυν ἐν Πυθῶνί νιν ἀγαθέᾳ Καρνειάδα υἱὸς εὐθαλεῖ συνέμειξε τύχᾳ, ἔνθα νικάσαις ἀνέφανε Κυράναν, ἅ νιν εὔφρων δέξεται καλλιγύναικι πάτρᾳ Δόξαν ἱμερτὰν ἀγαγόντ’ ἀπὸ Δελφῶν. – ἀρεταὶ δ’ αἰεὶ μεγάλαι πολύμυθοι· βαιὰ δ’ ἐν μακροῖσι ποικίλλειν ἀκοὰ σοφοῖς· ὁ δὲ καιρὸς ὁμοίως παντὸς ἔχει κορυφάν. – ἔγνον ποτὲ καὶ Ἰόλαον οὐκ ἀτιμάσαντά νιν ἑπτάπυλοι Θῆβαι, τόν, Εὐρυσθῆος ἐπεὶ κεφαλάν ἔπραθε φασγάνου ἀκμᾷ, κρύψαν ἔνερθ’ ὑπὸ γᾶν διφρηλάτα Ἀμφιτρύωνος σάματι, πατροπάτωρ ἔνθα οἱ Σπαρτῶν ξένος κεῖτο, λευκίπποισι Καδμείων μετοικήσαις ἀγυιαῖς. τέκε οἱ καὶ Ζηνὶ μιγεῖσα δαΐφρων ἐν μόναις ὠδῖσιν Ἀλκμήνα διδύμων κρατησίμαχον σθένος υἱῶν. κωφὸς ἀνήρ τις, ὃς Ἡρακλεῖ στόμα μὴ περιβάλλει, μηδὲ Διρκαίων ὑδάτων ἀὲ μέμναται, τά νιν θρέψαντο καὶ Ἰφικλέα, τοῖσι τέλειον ἐπ’ εὐχᾷ κωμάσομαί τι παθών ἐσλόν. Χαρίτων κελαδεννᾶν μή με λίποι καθαρὸν φέγγος. Αἰγίνᾳ τε γάρ φαμὶ Νίσου τ’ ἐν λόφῳ τρὶς δὴ πόλιν τάνδ’ εὐκλέϊξεν, σιγαλὸν ἀμαχανίαν ἔργῳ φυγών, οὕνεκεν, εἰ φίλος ἀστῶν, εἴ τις ἀντάεις, τό γ’ ἐν ξυνῷ πεποναμένον εὖ μὴ λόγον βλάπτων ἁλίοιο γέροντος κρυπτέτω· κεῖνος αἰνεῖν καὶ τὸν ἐχθρόν παντὶ θυμῷ σύν τε δίκᾳ καλὰ ῥέζοντ’ ἔννεπεν. πλεῖστα νικάσαντά σε καὶ τελεταῖς ὡρίαις ἐν Παλλάδος εἶδον ἄφωνοί θ’ ὡς ἕκασται φίλτατον παρθενικαὶ πόσιν ἤ υἱὸν εὔχοντ’, ὦ Τελεσίκρατες, ἔμμεν, ἐν {τ’} Ὀλυμπίοισί τε καὶ βαθυκόλπου Γᾶς ἀέθλοις ἔν τε καὶ πᾶσιν

6.1. Text und Übersetzung

265

65 Agreus und Nomios, anderen aber Aristaios heiße.“

70

75

Δʹ

80

81a

85

89a 90

95

100

Εʹ

So also sprach er und rüstete ihn zu, daß er das liebliche Ziel, die Heirat, erreiche. Schnell ist, wenn die Götter sich schon beeilen, die Tat, und die Wege sind kurz. Besagtes klärte besagter Tag, und sie vereinigten sich im goldreichen Gemach Libyen, wo sie die schönste Stadt umsorgt und die in Wettkämpfen berühmte. Und jetzt hat im hochheiligen Pytho sie des Karneiadas Sohn mit wohlsprießendem Glück vereinigt, wo siegend er Kyrana ausrufen ließ, die ihn wohlwollend empfangen wird, ihn, der dem frauenschönen Vaterland die begehrte Doxa aus Delphi zuführt. – Große Leistungen sind immer voller Worte, aber weniges schmuckreich bei großen Dingen zu sagen ist, was Kluge hören: Das rechte Maß hat in gleicher Weise den Gipfel jeder Sache inne. – Es erkannte einst das siebentorige Theben, daß ihn auch Iolaos nicht mißachtete, den man, nachdem er Eurystheus’ Kopf mit des Schwertes Schärfe erbeutet hatte, tief unten in der Erde in des Wagenlenkers Amphitryon Grab verborgen hatte, wo sein Vatersvater, der Sparten Gastfreund, lag, übergesiedelt zu den weißpferdigen Straßen der Kadmeer. Es gebar, sich ihm und Zeus in Liebe vereinigt habend, die kämpferische Alkmena in gleichen Wehen die schlachtensiegende Kraft von Zwillingssöhnen. Tumb ist ein Mann, der Herakles nicht mit seinem Mund umgibt und nicht immer sich der Wasser der Dirke erinnert, die ihn und Iphikles großzogen, die ich feiern möchte, der ich etwas vollkommen Gutes dem Gebet gemäß erfahren habe. Der tönenden Chariten reines Licht verlasse mich nicht! Denn sowohl auf Aigina, erkläre ich, und wahrhaftig dreimal am Hügel des Nisos hat er diese Stadt hier berühmt gemacht und ist damit der Ohnmacht des Schweigens durch die Tat entflohen, weil man, sei man Freund der Bürger, sei man Gegner, das im Gemeinwohl gut mit Mühsal Vollbrachte nicht, indem man dem Wort des Meeresgreises Schaden zufügt, verbergen soll. Jener sagte, man solle sogar den Feind loben von ganzem Herzen und mit Recht, wenn er Schönes vollbracht hat. Als einen, der auch in den Sommerfesten der Pallas am meisten siegte, hat man dich gesehen, und sprachlos hat jedes der Mädchen für sich darum gebetet, daß du sein liebster Ehemann oder Sohn seiest, Telesikrates, und in den Olympischen als auch der tiefgebauschten Gaia Spielen und in überhaupt allen

266

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

105

106a

110

114a 115

120

125

ἐπιχωρίοις. ἐμὲ δ’ οὖν τις ἀοιδᾶν δίψαν ἀκειόμενον πράσσει χρέος, αὖτις ἐγεῖραι καὶ παλαιὰν δόξαν ἑῶν προγόνων, οἷοι Λιβύσσας ἀμφὶ γυναικὸς ἔβαν Ἴρασα πρὸς πόλιν Ἀνταίου μετὰ καλλίκομον μναστῆρες ἀγακλέα κούραν, τὰν μάλα πολλοὶ ἀριστῆες ἀνδρῶν αἴτεον σύγγονοι, πολλοὶ δὲ καὶ ξείνων, ἐπεὶ θαητὸν εἶδος ἔπλετο· χρυσοστεφάνου δέ οἱ Ἥβας καρπὸν ἀνθήσαντ’ ἀποδρέψαι ἔθελον. πατὴρ δὲ θυγατρὶ φυτεύων κλεινότερον γάμον ἄκουσεν Δαναόν ποτ’ ἐν Ἄργει οἷον εὗρεν τεσσαράκοντα καὶ ὀκτὼ παρθένοισι πρὶν μέσον ἆμαρ ἑλεῖν ὠκύτατον γάμον· ἔστασεν γὰρ ἅπαντα χορόν ἐν τέρμασιν αὐτίκ’ ἀγῶνος· σὺν δ’ ἀέθλοις ἐκέλευσεν διακρῖναι ποδῶν, ἅντινα σχήσοι τις ἡρώων, ὅσοι γαμβροί σφιν ἦλθον. οὕτω δ’ ἐδίδου Λίβυς ἁρμόζων κόρᾳ νυμφίον ἄνδρα· ποτὶ γραμμᾷ μὲν αὐτὰν στᾶσε κοσμήσαις, τέλος ἔμμεν ἄκρον, εἶπε δ’ ἐν μέσσοις ἀπάγεσθαι, ὃς ἂν πρῶτος θορών ἀμφί οἱ ψαύσειε πέπλοις, ἔνθ’ Ἀλεξίδαμος, ἐπεὶ φύγε λαιψηρὸν δρόμον, παρθένον κεδνὰν χερὶ χειρὸς ἑλών ἆγεν ἱππευτᾶν Νομάδων δι’ ὅμιλον. πολλὰ μὲν κεῖνοι δίκον φύλλ’ ἔπι καὶ στεφάνους· πολλὰ δὲ πρόσθεν πτερὰ δέξατο νικᾶν.

6.1. Text und Übersetzung

105

106a

110

114a 115

120

125

267

einheimischen. Von mir fordert man jedoch nun, der ich den Liederdurst stille, eine Schuld ein: erneut aufzuerwecken auch den alten Ruhm seiner Vorfahren, welche für eine libysche Frau kamen zur Stadt Irasa als Freier um des Antaios schönhaarige, hochbekannte Tochter, um die sehr viele Edle der Männer baten, Verwandte und auch viele Fremde, denn bewundernswert war ihre Gestalt. Ihre blühende Frucht der goldbekränzten Hebe wollten sie abpflücken. Doch der Vater – im Willen, seiner Tochter eine rühmlichere Ehe als gewöhnlich zu pflanzen – hörte von Danaos, wie er einst in Argos für seine achtundvierzig Mädchen, bevor der Mittag sie erfaßte, eine äußerst rasche Ehe fand: Denn er stellte die gesamte Schar sogleich an das Ziel des Wettkampfplatzes, und durch den Wettkampf mit den Füßen, befahl er, solle entschieden werden, welche irgendeiner derjenigen Heroen erhalte, die als Schwiegersöhne gekommen waren. So gab der Libyer seiner Tochter einen Bräutigam und verband sie miteinander: An die Linie stellte er sie, die er zuvor geschmückt hatte, damit sie ein hohes Ziel sei, und er sagte inmitten aller, daß sie wegführen dürfe, wer als erster im Sprung ihre Gewänder berühre, wo Alexidamos, da er dem flinken Lauf entflohen war, das teure Mädchen mit der Hand an der Hand faßte und durch die Menge der Reiternomaden führte. Zwar warfen sie viele Blüten auf ihn und Kränze, doch hatte er viele Federn auch früher schon empfangen für seine Siege.

268

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

6.2Problematik Ebenso wie Pythie 4 wurde Pythie 9 zu Ehren eines kyrenischen Siegers verfaßt, eines gewissen Telesikrates, Sohn des Karneiades, der 474 v. Chr. im Waffenlauf siegte.1 Beide Lieder verbindet darüber hinaus, daß auch Pythie 9 ungewöhnlich lang ist (genauer: das zweitlängste erhaltene Epinikion) und ausgedehnte mythische Passagen enthält, denen gegenüber die unmittelbar dem Sieger gewidmeten Passagen stark zurücktreten. Die mythischen Passagen haben freilich nicht Kampf, sondern fast ausschließlich Liebesvereinigung und Heirat zum Thema: Nach dem Prooimion (1–4) wird Apollons und Kyrenes Liebesvereinigung erzählt (5–70), hierauf folgt (in Aufnahme des Prooimions)2 ein knapper Verweis auf Telesikrates’ Sieg (71–75), woran sich, verbunden durch eine Gnome (76–79) und nach der Nennung eines thebanischen Siegs des Telesikrates ein thebanischer Mythos anschließt (79– 89a); nach einer Zusammenfassung von Telesikrates’ früheren Siegen (89a– 103) folgt ein Mythos zu Alexidamos’ Heirat mit Antaios’ Tochter (103–125). Diese in einem Epinikion für einen Waffenläufer unerwartete Prominenz der Liebesthematik überrascht, zumal sie dadurch betont ist, daß sie unabhängig voneinander dreimal vorliegt.3 Sie ist für ein adäquates Verständnis des Liedes zu erklären.4 Dies geschieht zumeist mittels der Annahme, im Leben des Siegers habe es (zuvor oder bevorstehend) ein mit Liebe oder Heirat verbundenes Ereignis gegeben: Nach Dissen habe er in Theben ein Mädchen vergewaltigen wollen und werde, mit Gewalt davon abgehalten, durch das Lied zu σωφροσύνη ermahnt;5 nach Hermann habe er ein Mädchen geliebt, das er mit diesem Lied für sich zu gewinnen suchte;6 Mezger meint, „dass […] das ganze Gedicht nur den einen Zweck zu haben scheint, den Telesikrates zur raschen Benützung seines Sieges für die Brautwerbung anzuspornen“,7 und für Woodbury ist „Telesikrates […] eligible to marry, if not promised in marriage“.8 An all diesen Vorschlägen ist jedoch problematisch, daß außertextliche Umstände ohne konkrete Indizien aus dem Text heraus konstruiert werden, die wiederum zur Grundlage des Textverständnisses selbst werden. 1

2 3 4 5 6 7 8

Überliefert ist der Sieg für die 28. Pythien (Σ P. 9 inscr.; hier ist auch ein Stadionsieg für die 30. Pythien bezeugt). Zur Frage, ob die ersten Pythien 586 oder (wahrscheinlicher) 582 v. Chr. stattfanden, s. Bennett (1957) bzw. Mosshammer (1982), Gerber (2002) 25 f., Finglass (2007) 19–27. S. Köhnken (1985) 71. S. Köhnken (1985) 71 f.; vgl. Hamilton (1974) 73. Vgl. Köhnken (1985) 72 (insgesamt 72–74), ebenso Fränkel (1962) 511 mit Anm. 20, Woodbury (1982) 245 f. Dissen 2, 302 f. 312 f. Hermann (1839) 161 f. Mezger (1880) 251. Woodbury (1982) 245; vgl. Kirkwood (1982) 216.

6.2. Problematik

269

Zudem lassen sich für keinen Vorschlag auf der Grundlage des Textes derart zwingende Argumente anführen, daß er sich beweisen ließe. Dies wäre aber insofern notwendig, als die jeweilige Rekonstruktion der Situation so unterschiedlich erfolgt.9 Die unauflösliche Vielfalt ähnlicher Interpretationen fordert damit dazu auf, nach einer anderen Verständnismöglichkeit zu suchen – die vielleicht ebenso erklären könnte, inwieweit Pythie 9 tatsächlich ein Epinikion ist.10 Daß es als solches verstanden werden soll, gibt zumindest das Lied selbst an seinem Anfang kund: Es beginnt mit der Versicherung, den Sieger besingen zu wollen (1–4), und zwar in Form einer vollständigen Siegesproklamation mit Siegernamen (3: Τελεσικράτη), Siegesdisziplin (1: χαλκάσπιδα),11 Siegesort (1: Πυθιονίκαν) und Heimat des Siegers (4: Κυράνας), also in Aufnahme der Ausrufung am Wettkampfort.12 Als Ausgangspunkt einer Klärung kann die Beobachtung dienen, daß im letzten Mythos des Liedes (103–125) zweimal ein Wettlauf zentral ist, der 9 Vgl. Köhnken (1985) 73 f. 10 Gegen die Erklärung der Liebesthematik mit Telesikrates’ Lebensumständen wendet sich schon Heimsoeth (1847) 1–10. 11 Waffenläufe wurden anfangs in einer stilisierten Rüstung aus Helm, Schild und Beinschienen ausgetragen, so daß von den Defensivwaffen nur der Panzer fehlte (vgl. Pausanias’ Beschreibung der Statue des ersten Siegers im olympischen Waffenlauf 520 v. Chr. [6, 10, 4]); später wurde sie auf den Schild reduziert (vgl. Paus. 6, 10, 4); vgl. O. 4, 22, P. 10, 13 f., I. 1, 23 und s. Aigner [u. a.] (2002) 415–418, Neumann (1977). Der Schild ist auch bei Pindar das wichtigste Merkmal eines Waffenläufers: P. 9, 1, I. 1, 23. Zu einer kyrenischen Bronze (vielleicht aus Telesikrates’ Zeit – und seine Siegerstatue?) s. Hausmann (1977b) 59–61; sie weist Helm und Schild, aber keine Beinschienen auf (eine Statue für Telesikrates in Delphi mitsamt Helm bezeugt Σ P. 9 inscr. b). 12 „Die vollständige Siegesproklamation in den ersten vier Versen [… ist] in ihrer relativen Schmucklosigkeit und Unmittelbarkeit […] für Pindar […] bemerkenswert“ (Köhnken 1985 71). Die Formulierung διωξίππου στεφάνωμα Κυράνας (4) läßt sich verschieden bestimmen: A) als Apposition zu ὄλβιον ἄνδρα (4) (Farnell 2, 202), B) als Lobeslied, und zwar 1) als Satzapposition im Akkusativ (Gildersleeve 1890 339, Nisetich 1975 63 f., Carey 1981 67; vgl. KG § 406 6, also als „ein Bewirktes, ein Ergebnis, eine Folge, Bestimmung oder Absicht“; vgl. Wilamowitz 1959 3, 19 f.) oder 2) als inneres Objekt zu γεγωνεῖν (3), das a) kein weiteres Objekt hat (Τελεσικράτη … ὄλβιον ἄνδρα [3 f.] also nur zu ἀγγέλλων [2] zu ziehen ist: Bundy 1986 20 f., Race 1990 109) oder b) Τελεσικράτη … ὄλβιον ἄνδρα (3 f.) als direktes Objekt zu sich nimmt (Slater s. v. γεγωνέω a; vgl. KG § 411 3 b, ferner N. 4, 16 [s. o. S. 161 f. Anm. 157; es wäre nicht ausgeschlossen, daß Τελεσικράτη … ὄλβιον ἄνδρα [3 f.] auch zu ἀγγέλλων [2] Objekt ist). Angesichts von P. 12, 5 und I. 3/4, 61–63 dürfte B) wahrscheinlicher als A) sein, wobei der Sprecher (2: ἀγγέλλων) offenbar den Sieger (Τελεσικράτη [3] mitsamt der Apposition ὄλβιον ἄνδρα [4]) als χαλκάσπιδα Πυθιονίκαν (1) (d. i. ein Akkusativ des Prädikats: vgl. KG § 411 1) ausruft; zur Wiederholung der Ausrufung des Siegers am Siegesort durch das Siegeslied s. Burton (1962) 36, Nisetich (1975) 63 f. Auf die Siegesproklamation folgt ein Mythos vermittels der Gleichsetzung von Ortsnymphe und Ort, hier durch das Relativpronomen τάν (5) realisiert und durch διωξίππου (4) vorbereitet (s. Ruck – Matheson 1968 209): vgl. O. 6, 28–30.

270

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

darüber entscheiden soll, wer der Bräutigam von Antaios’ Tochter wird. Dies deutet auf eine metaphorische Gleichsetzung von Laufen und Heiraten hin, die insofern für die Liedaussage wichtig sein könnte, als Pythie 9 einen Sieg in einem Lauf-Wettbewerb feiert. Auch hier könnte eine metaphorische Semantisierung einer mythischen Erzählung vorliegen, die ihren Bezugspunkt im Sportlichen hat und Telesikrates’ Sieg im Spiegel des Mythos zum Zweck des Siegerlobs deutet – wenngleich sich Alexidamos, der mythische Läufer, insofern von Telesikrates unterscheidet, als er kein Waffenläufer ist und dem Laufen nicht als Sport nachgeht, sondern um eine Braut zu gewinnen.

6.3Alexidamos’ Brautlauf Die Handlung des Mythos ist wie folgt: Es sind viele Freier in die libysche Stadt Irasa gekommen, um eine libysche Frau, die Tochter des Antaios, zu heiraten (105–106a),13 vortreffliche Männer (107: ἀριστῆες), sowohl einheimische Libyer14 als auch Fremde (107 f.), darunter Vorfahren (genauer: ein Vorfahre)15 des Telesikrates (105: ἑῶν προγόνων, οἷοι). Der Grund für die Vielzahl der Freier ist die schöne Gestalt des Mädchens (108 f.); diese veranlaßte sie, die Frucht ihrer Jugend pflücken zu wollen, die (in eigentlicher Unvereinbarkeit der Bilder) in voller Blüte steht (109–111: οἱ Ἥβας καρπὸν ἀνθήσαντ’ ἀποδρέψαι ἔθελον).16 Ihr Vater Antaios – im Bestreben, für seine Tochter die Grundlage einer Heirat zu legen (ausgedrückt in der botanischen Metapher φυτεύων … γάμον: 111 f.),17 die ruhmvoller als gewöhnlich ist (112: κλεινότερον: vgl. oben S. 70 Anm. 221) – hört davon, wie Danaos seine 48 Töchter (nach der Hochzeit mit den Aigyptos-Söhnen und deren Ermordung)18 in Argos in einer äußerst schnellen Hochzeit verheiratet hat, nämlich an einem einzigen Morgen, bevor der Mittag sie ereilte (111–116):19 Er 13 Als Namen der Frau nennen die Scholien Alkeis oder Barke (Σ P. 9, 185a). Dieser Antaios dürfte derjenige sein, gegen den später Herakles kämpft (vgl. I. 3/4, 70–73 und besonders Pherekydes FGrH 3 F 75; so Σ P. 9, 185a. c, Farnell 2, 212, Magrath 1977, Carey 1981 99 f.); anders Σ P. 9, 185b. d, Chamoux (1953) 283–285. Zu den frühen Mythenvarianten s. auch Zuntz (1957) 409–413. 14 Köhnken (1985) 105; vgl. Carey (1981) 100. 15 S. Carey (1981) 99. 16 Diese Unvereinbarkeit verdeckt Gildersleeve (1890) 347: „Flower and fruit are one“. 17 Zum Tempus des Partizips φυτεύων (111) und der sich daraus ergebenden Bedeutung s. allgemein KG § 382 7; vgl. oben S. 90 Anm. 26, ferner N. 4, 59 (s. o. S. 148 Anm. 108). 18 Von den insgesamt 50 Danaostöchtern war Hypermestra noch mit dem Aigyptos-Sohn Lynkeus verheiratet, und Amymone hatte Poseidon zu sich genommen (s. Σ P. 9, 195b sowie Gantz 1993 207 f.; vgl. Pherekydes FGrH 3 F 4, Apollod. 2, 1, 5). 19 Zu πρὶν μέσον ἆμαρ ἑλεῖν (113) s. Farnell 2, 213; zu verstehen ist πρὶν μέσον ἆμαρ ἑλεῖν (Farnell 2, 212 f., Carey 1981 100 f.; vgl. Boeckh 2, 2, 329) und nicht εὗρεν … πρὶν μέσον ἆμαρ

6.3. Alexidamos’ Brautlauf

271

stellte sie an das Ende eines Wettkampfplatzes (114a: ἐν τέρμασιν … ἀγῶνος)20 und trug den Freiern auf, in einem mit den Füßen ausgetragenen Wettkampf (115: σὺν … ἀέθλοις … ποδῶν) darüber zu entscheiden (115: διακρῖναι)21, welche Tochter irgendeiner der Helden für sich erlange (116: ἅντινα σχήσοι τις ἡρώων).22 Genau dieses Vorgehen nimmt sich Antaios zum Vorbild und verbindet seine Tochter in entsprechender Weise mit einem Bräutigam (117 f.). Bis zum Liedschluß wird sodann die Durchführung dieser Verheiratung erzählt (118–125): Antaios stellt seine Tochter geschmückt an die Ziellinie (118: ποτὶ γραμμᾷ … στᾶσε ≈ 114 f.: ἔστασεν … ἐν τέρμασιν … ἀγῶνος)23, damit sie das allerhöchste Ziel und der allerhöchste Preis sei (118: τέλος ἔμμεν ἄκρον).24 Hierauf gibt er bekannt (≈ 115 f.), daß seine Tochter fortführen dürfe (119: ἀπάγεσθαι), wer sie im Sprung des Rennens (119: θορών) als erster an den Kleidern berühre (120: ἀμφί οἱ ψαύσειε πέπλοις).25 Im hierauf folgenden Rennen übertrifft Telesikrates’ Vorfahr Alexidamos alle Konkurrenten (121: φύγε λαιψηρὸν δρόμον)26, faßt das Mädchen mit der Hand an der Hand (122: παρθένον κεδνὰν χερὶ χειρὸς ἑλών) und führt sie (123: ἆγεν) sogleich durch die umstehende Menge der Nomaden, d. h. der Bewohner von Irasa. Diese feiern das Paar und bewerfen es mit Blüten und Kränzen (123 f.: πολλὰ … φύλλ’ …

20 21 22 23 24 25 26

[sc. γενέσθαι], ἑλεῖν … γάμον (im Sinne von „wie Danaos […] darauf kam, […] noch ehe es Mittag wurde, zu erreichen die schnellste Hochzeit“ [Bremer 1992 203]; so Σ P. 9, 195a, Schroeder 1922 90, Kirkwood 1982 232; vgl. Mezger 1880 248): Deutlich sinnvoller ist, daß Antaios hörte, ‚welche äußerst schnelle Hochzeit Danaos fand‘, als daß er hörte, ‚welche äußerst schnelle Hochzeit zu ergreifen Danaos herausfand‘. Das Relativpronomen οἷον ist wohl auf γάμον zu beziehen (‚welche Hochzeit […]‘), denn Antaios interessiert speziell die Art der Hochzeit (111 f.; vgl. Duchemin 1967 84). Zur konkreten Bedeutung von ἀγῶνος (114a) vgl. Hom. Il. 23, 685, Thuk. 5, 50, 4 (vgl. LSJ ἀγών I 2, zu τέρμασιν [114a] aber auch LSJ s. v. I, Aigner [u. a.] 2002 460). Der Infinitiv διακρῖναι (115) hat angesichts von ἐκέλευσεν (115) (denn Antaios fordert sich nicht selbst zum διακρῖναι auf ) die Freier zum Subjekt; das Aktiv anstatt des Mediums erklärt sich mit Schwyzer II 229 (vgl. KG § 375 2). Zu diesem Brautlauf vgl. Apollod. 2, 1, 5, Paus. 3, 12, 1 f., Etym. m. s. v. στάδιον. Zu den Wörtern γραμμή und τέρμα in diesem technischen Sinn vgl. Poll. 3, 147, zur (vgl. Poll. 3, 147 und s. Aigner [u. a.] 2002 456) ungewöhnlichen Verwendung von γραμμή als Ziel vgl. Aristot. eth. Nic. 1174 a32–b2. In ihr konkretisiert sich die Doppeldeutigkeit des Wortes τέλος: sowohl „winning-post, goal in a race“ als auch „prize“ (LSJ s. v. III 2 a bzw. b [zu dieser Stelle: „perh. ‚to be the winning post and prize‘“]); zum Infinitiv ἔμμεν (118) s. u. S. 288 Anm. 95. Zum doppelten Dativ οἱ … πέπλοις (120) vgl. oben S. 106 Anm. 95. Der Akkusativ λαιψηρὸν δρόμον (121) ist entweder 1) innerer Akkusativ (s. Slater s. v. φεύγω c, Schroeder 1922 90 [„schnellen Laufs“], Kirkwood 1982 233; vgl. aber Σ P. 9, 214c, Herwerden 1897 49) oder er steht 2) als Abstraktum für das Konkretum (‚er enteilte dem Lauf ‘ im Sinne von ‚er enteilte den anderen Läufern‘: vgl. oben S. 156 f. Anm. 142). Für 2) spricht die allgemeine Verwendung des Verbs φεύγειν (vgl. die parallele, metaphorische Verwendung in 92: s. u. S. 301 Anm. 142) und daß nicht nur gesagt wäre, daß Alexidamos schnell läuft, sondern auch (das hier Entscheidende), daß er erster im Ziel ist.

272

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

καὶ στεφάνους). Der Mythos und mit ihm das gesamte Lied schließt sodann mit einem Hinweis darauf, daß Alexidamos derartige Siegerehrungen (125: πτερὰ … νικᾶν) schon oftmals zuvor empfangen habe.27 Der Alexidamos-Mythos beinhaltet eine Verschachtelung zweier Mythen, die von einer Hochzeit handeln, die der Vater durch einen Laufwettbewerb unter den Freiern entscheiden läßt. Der eine, die Verheiratung der Danaiden, dient dabei als Vorbild des anderen, der Verheiratung der AntaiosTochter. Allerdings entsprechen sich beide Hochzeiten nicht exakt: Während im Danaiden-Mythos die Zahl der Freier und Töchter gleich groß ist – der Lauf entscheidet, welche Tochter ein jeder der Helden erhält (116: ἅντινα σχήσοι τις ἡρώων)28 –, konkurrieren um Antaios’ Tochter unzählig viele hervorragende Männer (105–108), deren Lauf entscheidet, wer sie zur Braut erhält (119 f.: ἀπάγεσθαι, ὃς ἂν … ψαύσειε).29 Ansonsten bringt in beiden Mythen (mutatis mutandis) ein sportlicher Sieg die Hochzeit mit einem Mädchen, das Ziel und Siegpreis des Laufes ist (114 f. bzw. 118), ferner ist das Kriterium des Sieges jeweils die erste Berührung des Mädchens (116 bzw. 119 f.), und schließlich besteht ein expliziter ursächlicher Zusammenhang zwischen körperlicher Anstrengung und Sportsieg, der selbst wiederum zur Heirat berechtigt (115 bzw. 119 f.). Beide Mythen verbinden also Sport und Heirat aufs engste, so daß beides ineinander übergeht: Das Gewinnen der Braut ist ein sportlicher Wettkampf, dessen konkretes Ziel die Braut selbst ist. Allerdings wäre gerade letzteres nicht zu erwarten gewesen: In Brautagonen findet ein Rennen gewöhnlich ohne Beteiligung der Braut statt, und der Sieg dient lediglich als Voraussetzung und Kriterium für die Bestimmung des Bräutigams, der danach mit der Braut verheiratet wird. Dies wird bei einem Vergleich mit den anderen Darstellungen der Verheiratung der Danaiden deutlich, in denen das Ziel nie durch die Töchter, sondern (zum Beispiel) durch sprießenden Sellerie markiert ist;30 Pindars Ineinssetzung von Braut 27 Die πτερὰ … νικᾶν (125) „describe the actual leaves thrown over the victor, floating round him like feathers“ (Burton 1962 59; vgl. Dissen 2, 324, Christ 1896 214, Kirkwood 1982 233; vgl. O. 14, 22–24); anders Carey (1981) 101 f. 28 Dies ist nicht die gewöhnliche Variante: Bei Paus. 3, 12, 1 f. (Apollod. 2, 1, 5 macht keine näheren Angaben) sind die Freier deutlich zahlreicher als die Töchter, so daß der Wettlauf mehrmals wiederholt wird, bis alle Töchter verheiratet sind. Bei Pindar findet Danaos hingegen für alle 48 Töchter an einem einzigen Vormittag einen Ehemann (112–114). Daß es dabei gleich viele Freier und Töchter gibt, zeigt sich auch daran, daß die Freier exakt mit ihrer Ankunft Danaos’ Schwiegersöhne werden (116: ὅσοι γαμβροί σφιν ἦλθον), im Gegensatz übrigens zu den Bewerbern um Antaios’ Tochter, die (sprachlich parallel) lediglich als Freier nach Irasa kommen (105–106a: ἔβαν … μναστῆρες). Zur Syntax beider Stellen s. u. S. 275 f. mit Anm. 44. 29 Vgl. Myers (2007) 233–235. 30 Etym. m. s. v. στάδιον (Sellerie); auch in Apollod. 2, 1, 5 und Paus. 3, 12, 1 f. sind Ziel und Preis nicht gleichgesetzt (bei Pausanias darf der erste zuerst wählen).

6.3. Alexidamos’ Brautlauf

273

und Ziel hat keine Parallele.31 Damit erweisen sich der Alexidamos- und der Danaiden-Mythos in Pythie 9 nicht als Variante eines gewöhnlichen Brautlaufes, sondern sie zeigen eine Metapher, die implizit zwei an sich getrennte Bereiche parallelisiert und konzeptuell den Laufsieg mit dem Erlangen der Berechtigung zur Heirat verbindet, und zwar dergestalt, daß beides zu ein und derselben Handlung wird: Laufen berechtigt zur Heirat, und man läuft, um zur Heirat berechtigt zu sein; das Gewinnen einer Braut wird zu einem sportlichen Erfolg und sportlicher Erfolg zum Gewinnen einer Braut. Diese Tätigkeiten zeigen eine konkrete Abfolge, die auch andere Stellen des Liedes aufnehmen (s. u.). So besteht der Alexidamos-Mythos aus den folgenden Einzelhandlungen: 1) Die Braut wird als Siegpreis am Ende der Laufbahn aufgestellt; sie ist Ziel und Siegpreis zugleich (118). 2) Es wird offiziell verkündet, daß sie der Siegpreis sei und daß sie erhalte, wer sie zuerst berührt (119 f.). 3) Der Wettlauf findet statt, und es gibt einen Sieger (121 f.). 4) Sieger und Braut werden vom Brautvater verbunden (117 f.). 5) Der Sieger führt die Braut davon (123). 6) Es findet eine zusätzliche Ehrung statt (123–125). Bei einem Vergleich mit dem Ablauf eines tatsächlichen Hochzeitsfestes zeigen sich auffällige Ähnlichkeiten, die wiederum wichtige Erkenntnisse über den Brautlauf in Pythie 9 erlauben:32 Gewöhnlich wurde zuerst eine Verlobung zwischen Brautvater und Bräutigam (oder dessen Vater) vereinbart (ἐγγυαλίζειν oder ἁρμόζειν);33 die Heirat selbst begann mit einer Prozession, in deren Rahmen der Bräutigam die Braut vom Elternhaus zu seinem Haus führte (ἀγωγή, als Verb dient ἄγειν),34 wo beide von der Mutter des Bräutigams empfangen und am Herd des Hauses von den Mitgliedern des Haushalts (mit Eßwaren oder Münzen) beworfen wurden.35 Hierzu ist Pindars Darstellung des Brautlaufs parallel, denn die Punkte 4) bis 6) sind Teil der üblichen Zeremonie: Antaios verbindet seine Tochter mit Alexidamos (4) (117: ἐδίδου … ἁρμόζων), dieser führt sie davon (5) (119: ἀπάγεσθαι; 123: ἆγεν), und beide werden feierlich als Brautpaar empfangen und beworfen (6) (123 f.). Dieses Bewerfen findet zwar mit Blüten statt, doch bekräftigt dies die metaphorische Ineinssetzung von Heirat und Laufsieg, insofern die übliche Phyllobolie in eine funktional ähnliche Handlung im Rahmen der Hochzeitszeremonie übergeht.36 Die Mythoselemente 1) bis 3) die31 Vgl. Arr. Ind. 17, 4, Σ Hom. Il. 6, 397a und den von Odysseus gewonnenen Brautlauf bei Paus. 3, 12, 1–4. Ähnlich sind diejenigen Wettrennen um eine Braut, in denen der Freier mit dem Vater (z. B. Pelops und Oinomaos: Apollod. epit. 2, 5) oder der Freier mit der Braut selbst kämpft (z. B. mit Atalante: Hes. fr. 76 MW, Apollod. 3, 9, 2; s. Gantz 1993 335–339; vgl. oben Kap. 2.3.1). 32 S. Carson (1982), insbesondere 121–124. 33 S. Carson (1982) 121 f. (mit Anm. 3 f. für Belegstellen); vgl. LSJ s. v. ἁρμόζω I 2. 34 S. Carson (1982) 122 (mit Anm. 5 für Belegstellen); vgl. LSJ s. v. B 2 für das Medium. 35 S. Carson (1982) 122 f. 36 S. Carson (1982) 123 f. Zur Phyllobolie s. o. S. 194 mit Anm. 48.

274

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

nen dem Brautvater als Kriterium zur Wahl des Bräutigams auf Grundlage der bewiesenen körperlichen Leistungskraft; offenbar wird dies, wenn Antaios unmittelbar nach dem Lauf Braut und Bräutigam verbindet (117 f.). Erneut zeigt sich damit, wie eng Sport und Hochzeit in Pythie 9 miteinander verbunden sind, wobei die metaphorische Parallelisierung nicht nur allgemein behauptet, sondern plastisch vor Augen geführt wird. Im Ergebnis werden beide Seiten der Metapher inhaltlich aufgewertet: Die Hochzeit wird einerseits dadurch ruhmvoller als gewöhnlich (112), daß sie zum Laufwettbewerb wird, und andererseits ist der Siegpreis in Form einer Braut so schön, daß er kaum von einem Kranz, dem gewöhnlichen Siegpreis, übertroffen werden könnte (108). Entsprechend wird nach dem Verweis auf die Schönheit von Antaios’ Tochter ihre Jugend durch χρυσοστεφάνου (109), also mit eindeutigem Verweis auf den στέφανος des Sports, qualifiziert (vgl. oben S. 88 Anm. 21): Antaios’ Tochter steht in voller Blüte (110: ἀνθήσαντα) und ist in ihrer ganzen Schönheit (insbesondere 106: καλλίκομον; 108: θαητὸν εἶδος)37 die Frucht (der Siegpreis) des Freiens (110: καρπόν), die alle Freier, um ihretwillen so zahlreich gekommen (105–108), pflücken (für sich gewinnen) wollen (wobei der Preis des Freiens durch die Ausgestaltung der Hochzeit zum Preis des Laufens wird); sie ist die Goldkranz-Jugend, ein goldener (Sieges-) Kranz voller Jugend.38

6.4Apollon und seine Braut Im Alexidamos-Mythos liegt eine metaphorische Parallelisierung von Laufen und Heirat mit spezifischer Semantik vor. Diese Metapher ist dadurch hervorgehoben, daß sie das Lied beschließt und thematisch den Anlaß des Liedes, Telesikrates’ Laufsieg, spiegelt. So liegt die Vermutung nahe, daß sie auch im restlichen Gedicht semantisch wirksam sein könnte, wo Thema eine Heirat (oder eine Liebesvereinigung) ist. Ob dies zutrifft, soll sich in der Untersuchung des Apollon-Kyrene-Mythos (5–70) als des zentralen Liedbestandteils erweisen. Er erzählt die Liebesvereinigung des Gottes mit der Nymphe. 6.4.1Apollon und das Heiraten Die chronologische (freilich nicht erzählerische) Reihenfolge der Geschehnisse des Apollon-Mythos entspricht exakt derjenigen des Alexidamos-My37 Vgl. Schroeder (1922) 90 zur „Verherrlichung der Schönheit des libyschen Mädchens“. 38 Zum Appositionsgenitiv s. KG § 402 d (vgl. O. 6, 57 f., wo es jedoch um das Erlangen der eigenen Jugend geht); zum Abstraktum für das Konkretum vgl. oben S. 156 f. Anm. 142.

6.4. Apollon und seine Braut

275

thos:39 Nachdem sich Apollon in Kyrene verliebt hat (26–28), wendet er sich an Chiron um Hilfe (29–37); dieser prophezeit Kyrenes ruhmreiche Zukunft (38–65), und noch am selben Tag (66–68) bringt Apollon sie auf seinem Wagen nach Libyen, wo beide freundlich empfangen werden (9–11) und, als inhaltlicher Höhepunkt, ihre Liebesvereinigung stattfindet (12 f. 68 f.).40 Hierzu ist der Alexidamos-Mythos (bzw. der darin eingebettete Danaiden-Mythos) strukturell parallel, nicht nur allgemein, weil Hochzeiten erzählt werden (was bei Apollon freilich überrascht: γάμον [13]; πόσις [51]):41 1) Apollon gewinnt seine Braut durch rasches Zupacken (6: ἅρπασε; dies impliziert keine Gewalt: s. u. S. 279 Anm. 53) wie Alexidamos (122: ἑλών) und die Danaiden-Freier (116: σχήσοι); diese Parallele zeigt sich auch in der Betonung der Zeit an analoger Stelle durch wiederholtes ἆμαρ (68. 113).42 2) Apollon führt seine Braut (6: ἔνεικε, 53: ἐνεῖκαι) ebenso fort wie Alexidamos (119: ἀπάγεσθαι, 123: ἆγεν). 3) Alle Bräute sind παρθένοι (Kyrene: παρθένον [6]; Danaiden: παρθένοισι [113]; Antaios’ Tochter: παρθένον [122]). 4) Apollon und Kyrene werden ebenso wohlwollend wie Alexidamos und seine Braut empfangen (56 f.: δέξεται … πρόφρων bzw. 123 f.). 5) Die Motivation des Bemühens um die Braut wird jeweils ausführlich geschildert, einmal die Schönheit von Antaios’ Tochter (105–111), einmal Kyrenes Kämpfertum (30–35). Angesichts der Ähnlichkeit befinden sich die erzählten Begebenheiten in einer metaphorischen Parallelitätsbeziehung, so daß Apollons Gewinn von Kyrene im Rahmen der Struktur des Alexidamos-Mythos zu verstehen ist – und insgesamt der Apollon-Mythos als eine ebensolche Heirat.43 Die Parallelität impliziert, daß insbesondere auch die Voraussetzungen der Hochzeiten parallel sind, daß also Apollon seine Braut aufgrund derselben Qualitäten und Leistungen wie Alexidamos erwirbt, d. h. aufgrund eines Laufsiegs. Hiervon ist zwar explizit nicht die Rede, doch ist die Annahme nicht nur wegen der Strukturgleichheit der Mythen legitim, sondern auch, weil einerseits Apollon als vollkommener Läufer charakterisiert wird und andererseits sein Brauterwerb indirekt mit Alexidamos’ Laufsieg parallelisiert wird. Letzteres zeigt sich, wenn Chiron durch ταύτᾳ πόσις ἵκεο (51) die Situation dahingehend deutet, daß Apollon zu Kyrene als Ehemann gekommen sei. Hier ist πόσις als Apposition zum im Prädikat enthaltenen Personalpronomen die „aus der im Satze ausgesprochenen Handlung hervorgehende Wirkung oder ein Ergebnis“:44 Vor seinem Kommen war er nicht Kyrenes 39 Vgl. Felson-Rubin (1978) (Strukturähnlichkeit der Handlungen), Carey (1981) 69 f. 40 Der Genitiv Λιβύας (69) ist (besonders wegen ἵνα) ein Appositionsgenitiv: s. o. Anm. 38. 41 Vgl. Carey (1981) 69 f.; er weist zu Recht darauf hin, daß Apollons Heirat in ihrer Merkwürdigkeit nur vor dem Hintergrund des Alexidamos-Mythos zu verstehen ist. 42 Zur Betonung der Schnelligkeit (auch in den anderen Mythen) s. Köhnken (1985) 108. 43 Vgl. Felson-Rubin (1978). 44 KG § 406 5 (vgl. § 405 3). Gemeint ist also nicht „πόσις ἐσόμενος“ (Schroeder 1922 83; vgl.

276

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

Gatte und konnte es auch nicht gewesen sein. Wenn er aber durch sein Kommen bewirkt, daß Kyrene seine Ehefrau wird, liegt derselbe Sachverhalt wie bei Alexidamos und den Danaidenfreiern vor, die ebenso durch das Kommen zu den Mädchen zu ihren Ehemännern werden. Im Rahmen dieser Parallelität wird Kyrene zum Ziel und Siegpreis Apollons. So hat auch er einen Brautlauf absolviert, durch den er sich die Berechtigung zur Heirat erworben hat. Dies zeigt sich auch sprachlich in κίχε (26), das zur Beschreibung der Begegnung von Kyrene und Apollon verwendet wird, denn Apollon sieht nicht etwa die mit dem Löwen ringende Kyrene, sondern er erreicht sie, trifft sie45 – und hat damit ebenso wie Alexidamos und die Danaidenfreier körperlichen Kontakt mit ihr (120: ψαύσειε; 122: ἑλών). Kyrene wird also anscheinend ebenso wie die Bräute in den anderen Mythen durch ein berührendes Ergreifen gewonnen, so daß Apollon wie Alexidamos und die Danaidenfreier dadurch Kyrenes Ehemann (51: πόσις) wird, daß er sie mittels seiner läuferischen Annäherung erreicht (26: κίχε; 51: ἵκεο). Apollons und Alexidamos’ Brauterwerb sind damit prinzipiell (d. h. metaphorisch) gleich. Darüber hinaus wird Apollon indirekt als vollkommener Läufer charakterisiert, und zwar erstens im Gespräch mit Chiron und zweitens durch den Sprecher des Epinikions selbst. Ersteres geschieht, wenn Chiron diejenigen Bereiche aufzählt, von denen Apollon als Sehergott höchste Kenntnis besitzt (44–49): Er kenne das vorherbestimmte Ziel aller Dinge (44: κύριον … πάντων τέλος) und alle Wege (45: πάσας κελεύθους), und ebenso wisse er, wo etwas den Anfang nimmt (48 f.: χὠπόθεν ἔσσεται) und was bevorsteht (48: χὤ τι μέλλει).46 All dies ist nicht nur genau das, was jeder siegreiche Läufer kennen muß, sondern es liegt auch insofern ein deutlicher Verweis auf den Alexidamos-Mythos vor, als dort das Ziel des Laufes als τέλος (118) bezeichnet wird,47 bezeichnenderweise die Braut bzw. die (hier gleichbedeutende) Heirat mit dem Mädchen (66: γάμου … τελευτάν, ebenso ein „Ziel“: vgl. fr. 108a). Vor dem Hintergrund des Alexidamos-Mythos erscheint Apollons Wissen als profundes Wissen im Bereich des siegreichen Laufens, denn er weiß, was Boeckh 2, 2, 329, Dissen 2, 323). Auch wenn in πόσις Apollons Intention liegen sollte, erfüllt sie sich mit dem Prädikat des Satzes: Er ist mit diesem Satz Kyrenes Mann (und kann es nicht mehr zukünftig werden: ἐσόμενος). Vgl. neben 116 (s. o. S. 272 mit Anm. 28) 105–106a, wo οἷοι Λιβύσσας ἀμφὶ γυναικὸς ἔβαν Ἴρασα πρὸς πόλιν … μναστῆρες sprachlich analog ist, denn mit ihrer Ankunft werden die Männer zu Freiern. Dieselbe Konstruktion wird dabei in bezug auf Alexidamos als auch in bezug auf die Danaidenfreier und Apollon verwendet. Freilich unterscheidet sich der konkrete Status der Ankömmlinge (ausgedrückt in den Appositionen), entsprechend der jeweiligen Situation. 45 Vgl. Slater und LSJ s. v. 46 Vgl. Gildersleeve (1890) 342. 47 Vgl. Köhnken (1985) 108 f.; zum Wort τέλος im Sport vgl. oben S. 271 Anm. 24 und besonders Hes. fr. 76, 21 MW, Plat. rep. 613 c3, Aristot. rhet. 1409 a31–34, Plut. De cohibenda ira 10, Poll. 3, 147, Σ P. 9, 209; s. auch Myrick (1994) 141–144.

6.4. Apollon und seine Braut

277

sein Ziel ist und – er kennt alle Wege – wie er es optimal erreicht. Bestätigt wird diese Deutung im übrigen auch dadurch, daß eine solche spezifische Charakterisierung Apollons anscheinend singulär ist.48 Etwas ähnliches zeigt sich in der Gnome im Anschluß an Chirons Rede (67 f.), die ihre Anwendung in Apollons Raschheit bei der Umsetzung der Hochzeit findet: Wenn die Götter sich schon beeilten (67: ἐπειγομένων ἤδη θεῶν), sei die Tat rasch (67 f.: ὠκεῖα … πρᾶξις) und die Wege kurz (68: ὁδοί … βραχεῖαι).49 Hier betonen alle drei Gnomenelemente die entscheidende Eigenschaft eines Läufers, die Schnelligkeit, über die Apollon als Gott offenbar in herausragendem Maße verfügt.50 Entsprechend erreicht Apollon noch am Tag des Gesprächs mit Chiron und seiner ersten Begegnung mit Kyrene sein Ziel, die Hochzeit (66: γάμου … τελευτάν; vgl. oben S. 274 Anm. 38). Der Gewinn Kyrenes erweist sich damit in der Metaphorik erneut als ein vom Gott siegreich bewältigter Lauf, der exakt Alexidamos’ Lauf parallel ist. Allerdings bestehen zwischen beiden Mythen zwei nicht unerhebliche Unterschiede: Erstens hat Apollon keine Gegner, und zweitens gibt es keinen Brautvater, der Kyrene als Preis aussetzt (doch s. u. Kap. 6.4.3). Diese Unterschiede sind allerdings poetisch und sachlich im Interesse einer kohärenten Erzählung begründet: Erstens wäre es im Rahmen dieses Liedes kaum sinnvoll, wenn sich Apollon vor anderen auszeichnete, denn entweder gewönne er gegen Menschen, was kaum ehrenhaft wäre, oder er siegte über Götter, was aber den Fokus auf seine Überlegenheit über andere Götter verlegte, was hier jedoch primär gar nicht interessiert. Vielmehr ist allein die absolute Leistung des Gottes von Belang, die am besten in einer abstrahierten Form eines Sportsieges ohne Gegner offenbar werden kann (vgl. die Wüstendurchquerung in P. 4: s. o. Kap. 5.3.2, insbesondere S. 193 f. Anm. 47). Zweitens wäre es grotesk, wenn der Gott Apollon die Einwilligung des Menschen Hypseus zur Hochzeit mit Kyrene bräuchte. Beide Unterschiede zwischen den Mythen sind also wohlbegründet und dienen der Anpassung des Mytheninhalts an die sachlich andere Grundsituation, entsprechend dem Prinzip des Gleichen im Verschiedenen.

48 Vgl. Hom. h. 3, Kall. h. 2, 42–64 und s. die Übersicht über seine Funktionen bei K. Wernicke: „Apollon“, RE 2, 1, 41–72. 49 S. auch Becker (1937) 55 Anm. 14. 50 Die Schnelligkeit ist das einzige Kriterium für den Laufsieg; vgl. 121 (ebenso 114: ὠκύτατον γάμον), O. 1, 95, O. 4, 24, P. 11, 49 f., I. 5, 10, Xenophan. B 2, 1. 17. In Plut. symp. 8, 4, 4 ist von Apollon Dromaios die Rede, dem man auf Kreta und in (wohlgemerkt: s. o. S. 200 Anm. 74) Lakedaimon opfere (vgl. Paus. 5, 7, 10). Götter sind zwar immer schnell (Woodbury 1972 565 f.), doch ist hier die Schnelligkeit durch den Kontext und die Betonung der Wege hervorgehoben (weshalb auch mehr als eine Überleitungsformel vorliegt: so Bundy 1986 2).

278

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

6.4.2Apollon und die Liebe Wenn Apollons und Alexidamos’ Gewinn der Braut parallel ist und dies seinen sprachlichen Ausdruck darin findet, daß das Berühren der Braut dem Sieg entspricht (26: κίχε bzw. 122: ἑλών), scheint sich ein Problem aus der Einleitung des Apollon-Mythos (5 f.) zu ergeben, in der es heißt, daß Apollon Kyrene vom Pelion fortgerissen und nach Libyen gebracht habe (6: ἅρπασ’ ἔνεικέ τε): Sowohl ἅρπασε (6) als auch κίχε (26) müßte nämlich Alexidamos’ Ergreifen (122: ἑλών) parallel sein, doch diese beiden Handlungen sind zweifellos voneinander getrennt; zwischen ihnen liegt das Treffen mit Chiron. Eine einzige Handlung im Alexidamos-Mythos entspräche damit zwei Handlungen im Apollon-Mythos, und dies ist insofern problematisch, als Apollons Handlung kaum ein Brautlauf sein könnte, wenn er zweimal die Braut berührte, aber sie nur einmal (und zwar nach dem zweiten Mal) heiratete. Allerdings erweist sich dies bei genauer Betrachtung des Hauptbestandteils des Mythos, der Begegnung mit Chiron (29–66), als Scheinproblem. Nach seinem Zusammentreffen mit Kyrene (26–28) wendet sich Apollon augenblicklich (29: αὐτίκα) an Chiron und fordert ihn auf, seine Höhle zu verlassen und den θυμός und die δύνασις des Mädchens zu bewundern (30–32).51 Sodann stellt er zwei Fragen: nach Kyrenes Abstammung (33–35) und nach der Rechtmäßigkeit der Liebesvereinigung mit ihr (36 f.). Hierauf reagiert Chiron mit Amüsement (38 f.) und gibt eine zweigeteilte Antwort, in der er Apollons Allwissenheit thematisiert (39–49) und Kyrenes Zukunft prophezeit (50–65). Gerade der erste Antwortteil ist in seinem genauen Verständnis umstritten, und dies ist insofern mißlich, als an ihm das Verständnis der Begegnung, mithin des gesamten Mythos hängt. Eine Klärung sollte mit der am meisten umstrittenen Teilpassage 39–43 beginnen. Daß es in ihr um Liebe (39a: ἱερᾶν φιλοτάτων), Scham (41: αἰδέονται), das Erlangen der Liebesvereinigung (41: ἁδείας τυχεῖν … εὐνᾶς) und einen Gegensatz zwischen Verborgenheit und Offenheit (39: κρυπταί; 41: ἀμφανδόν) geht, ist offenbar. Fraglich ist jedoch, in welchem Verhältnis diese Elemente zueinander stehen und ob, wie vor allem in der älteren Forschung vertreten, ein Gegensatz zwischen einer von Apollon beabsichtigten gewaltsamen (6: ἅρπασε, 36: χέρα οἱ προσενεγκεῖν) und einer von Chiron empfohlenen einvernehmlichen Liebesvereinigung (39a: Πειθοῦς) vorliegt (vgl. die oben referierten Gesamtinterpretationen).52 Letzteres dürfte jedoch kaum der Fall sein, allein schon deshalb, weil es seltsam wäre, wenn der Gott Apollon (!) den Kentauren Chiron um Erlaubnis für eine Vergewaltigung bäte – und noch weitaus seltsamer, wenn Apollon das Mädchen unmittelbar nach 51 Zur Brachylogie in ἐκ μεγάρων Χίρωνα προσήνεπε φωνᾷ (29) s. Schroeder (1922) 80. 52 So Illig (1932) 36 f., Winnington-Ingram (1969) 9–11.

6.4. Apollon und seine Braut

279

einer eindeutigen Ermahnung Chirons tatsächlich vergewaltigte.53 Ebensowenig scheint es in Apollons und Chirons Gespräch um Apollons unkonventionelle, nicht normgerechte erotische Absicht, einen „Beischlaf ‚in aller Offenheit‘“, zu gehen, zu dem das „übergrosse Verlangen des Gottes“ dränge.54 Grundlage dieses Verständnisses ist die Parallelität zu der in der Ilias (14, 153–353) erzählten Begegnung von Zeus und Hera, der Διὸς ἀπάτη:55 Zeus, überwältigt von einem Verlangen, das er seit den Anfängen ihrer Liebe nicht mehr verspürt hatte, möchte, von Hera durch List veranlaßt, auf der Stelle mit ihr schlafen (insbesondere 294–296); sie aber lehnt die Offenheit der Liebesvereinigung mit einem Verweis auf ihre Scham ab und schlägt vor, sie sollten sich in Zeus’ Gemach begeben (330–340); hierauf umhüllt Zeus sie beide an Ort und Stelle mit einer Wolke und schläft mit ihr (342–351). Zwischen beiden Erzählungen bestehen zahlreiche (auch sprachliche) Ähnlichkeiten, insbesondere die thematische Relevanz des unstillbaren Verlangens, der Liebesvereinigung und des hierauf bezogenen Schamgefühls.56 Dennoch zeigen sich signifikante Unterschiede, die es ausschließen, daß beide Mythen dieselbe Gesamtaussage haben: Zum einen geht Zeus’ Verlangen auf eine List Heras zurück, um ihren Mann von der Schlacht vor Troia abzulenken (159–165. 197. 300. 329); ihre Scham ist vorgeschoben (329–340). Beides ist in bezug auf Kyrene und Apollon nicht sinnvoll. Zum anderen wäre unverständlich, warum Apollon, wenn er voller Begierde ist (43: ὀργά: s. u., besonders S. 281 Anm. 68), nicht (wie sonst auch)57 auf der Stelle das Mädchen fortreißt, sondern aus eigenem Antrieb (29) singulär Chiron herbeiruft und nach der Rechtmäßigkeit der Liebesvereinigung fragt – und sich dem Risiko aussetzt, von Chiron daran erinnert zu werden, daß ein sofortiges Stillen des Verlangens der geforderten Scham widerspricht, und dies wohlgemerkt als der allwissende Gott, als den ihn auch Chiron beschreibt (44– 49).58 Dies wäre kaum klug, und als der göttliche σοφός par excellence (50) wüßte er selbst, daß es kaum der Befriedigung seiner Leidenschaft diente. 53 Vgl. Woodbury (1972) 565, Köhnken (1985) 81–85. Erstens bezieht sich ἅρπασε (6) nicht auf den ursprünglichen Wunsch des Gottes, und zweitens bezeichnet ἁρπάζειν „nicht so sehr die Gewaltsamkeit wie die Geschwindigkeit des Handelns“ (s. Köhnken 1985 82 f.; vgl. P. 4, 34, Hom. Il. 12, 445 und die variierte Umschreibung der mit ἅρπασε identischen Handlung in 67 f.: ὠκεῖα … πρᾶξις; vgl. Woodbury 1972 565). 54 Köhnken (1985), die Zitate 88 bzw. 89. 55 Illigs (1932) 37 Hinweis auf die Ähnlichkeit hat erst Köhnken (1985), insbesondere 86– 91, für eine Gesamtinterpretation genutzt. 56 S. insgesamt Köhnken (1985) 86–91. 57 Vgl. Apollod. 3, 10, 3, angeführt von Illig (1932) 37 Anm. 7; vgl. 36 Anm. 1. 58 Vgl. Köhnken (1985) 89: „Apoll ist von Kyrene genauso hingerissen wie Zeus von Hera, und wie Zeus von Hera, so muss auch Apoll von Chiron an das zu respektierende Schamgefühl erinnert werden.“ Warum sich aber Apollon in seiner Leidenschaft um das Schamgefühl des Mädchens (s. u. mit Anm. 59) kümmern sollte, ist unklar.

280

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

Entscheidender ist jedoch, daß bei Pindar nicht – wie bei Zeus und Hera (insbesondere 330–336) – die bloße Scham vor einer öffentlich vollzogenen Liebesvereinigung thematisiert ist, sondern die davor, ἀμφανδὸν ἁδείας τυχεῖν τὸ πρῶτον εὐνᾶς (41). Sei es, daß dies die Scham des Mädchens,59 die des Gottes oder – angesichts der Allgemeinheit von ἔν τε θεοῖς τοῦτο κἀνθρώποις ὁμῶς αἰδέονται (40 f.) wahrscheinlicher – schlechthin die eines jeden ist, ergibt sich aus der Kombination von ἀμφανδόν und τὸ πρῶτον (das bei Homer nicht ohne Grund fehlt) eine unannehmbare Konsequenz: Unabhängig davon, ob es sich um die erste Liebesvereinigung überhaupt oder die mit einer bestimmten Person handelte, wäre gesagt, daß man nur beim ersten Mal Scham vor einer öffentlichen Liebesvereinigung empfinde, danach hingegen (so ergibt sich zwangsläufig) nicht mehr. Dies aber wäre grotesk.60 Damit erlauben die Ilias- und Pindar-Stelle trotz ihrer auffälligen Ähnlichkeit keine Ineinssetzung ihres Inhalts. Vielmehr muß die Pindar-Stelle – gegebenenfalls freilich mit Rückgriff auf Elemente der Zeus-Hera-Szene (auch in ihrer Differenz) – in ihrem unmittelbaren Kontext verstanden werden.61 Ausgangspunkt hierfür ist der Satz in 40 f., der in der Situation am ehesten wie folgt aufzufassen ist: Apollon, der göttliche Ephebe,62 liebt zum ersten Mal, und Chiron, der weise Kentaur, klärt ihn darüber auf, wie sich Erstverliebte gewöhnlich verhalten (40 f.). Sie – seien sie Götter, seien sie Menschen (40: ἔν τε θεοῖς … κἀνθρώποις ὁμῶς) – empfänden Scham darüber (40 f.: τοῦτο … αἰδέονται), beim ersten Mal (41: τὸ πρῶτον) – hier also: bei ihrer ersten Liebe63 – in offener Weise (41: ἀμφανδόν) das süße Ehebett (d. h. die Ehe oder die Liebesvereinigung)64 zu erlangen (41: ἁδείας τυχεῖν … εὐνᾶς). Junge, sexuell unerfahrene Menschen schämten sich also, offen zu zeigen, jemanden zu begehren und eine Ehe (oder Liebesvereinigung) zu erstreben.

59 Köhnken (1985) 88 f., insbesondere Anm. 47. 60 „Die Worte τὸ πρῶτον sind unverständlich“ (Sitzler 1924; vgl. Naber 1884 38 f. und Schroeders 1922 82 Lösungsversuch: „nicht etwa in betontem Gegensatz zu allen folgenden Vereinigungen […], überhaupt ohne Prägnanz, also auch nicht etwa mit Nachdruck, ‚so geradhin‘, ‚mit Umgehung jeder Art von Peitho‘ […]: es umschreibt eben nur Ἥβας καρπὸν ἀνθήσαντ’ ἀποδρέψαι“). Vgl. Dissen 2, 312, Mezger (1880) 242, Gildersleeve (1890) 342 (der 336 in seiner Paraphrase ebengerade τὸ πρῶτον ausläßt). Zur Unmöglichkeit einer solchen Aussage vgl. nur Apoll. Rhod. 2, 1019–1025. 61 Vgl. die parallele Charakterisierung Atalantes in Thgn. 1290–1294 und Kyrenes durch Apollon in 33 f. (s. Fränkel 1962 503 Anm. 4): Diese Parallelität erzeugt keine Übertragung der Bedeutung, sondern eine besondere Pointe der Darstellung (s. u., insbesondere S. 290 mit Anm. 102); vgl. die bildliche Darstellung Atalantes: Ley (1990). 62 S. o. S. 213 Anm. 129, S. 215 Anm. 140, insbesondere auch Schroeder (1922) 78. 63 Vgl. Woodbury (1972) 567 f. 64 Da der Motivation in beiden Fällen sexuelle Begierde zugrunde liegt, ist letztlich unerheblich, ob wir εὐνά als „marriage“ (vgl. Slater s. v. a) oder als „embrace, love-making“ (vgl. Slater s. v. b) verstehen (vgl. LSJ s. v. I 4).

6.4. Apollon und seine Braut

281

Die Formulierung ἀμφανδὸν ἁδείας τυχεῖν … εὐνᾶς (41) bezieht sich also nicht auf den offenen Vollzug der Liebesvereinigung, sondern auf deren offenes Erlangen, also um das, was der eigentlichen Liebesvereinigung vorangeht. Es sind die Probleme eines wegen seiner Unerfahrenheit schüchternen und unbeholfenen jungen Mannes angesprochen, nicht hingegen die Frage, ab wann man seine Sexualität schamlos vor den Augen aller ausleben dürfe. Diese αἰδώς insbesondere im Bereich der Sexualität, die Apollon hier zeigt, stand einem jungen Menschen gut an und galt geradezu als für ihn typisch.65 Entsprechend schließen sich die folgenden Ausführungen Chirons (42– 49) an. In ihnen wird die allgemeine Aussage in 40 f. auf Apollon angewendet und zugleich das vorangehende begründet,66 wie sich sprachlich in καὶ γὰρ σέ (42) zeigt:67 ‚Denn auch dich, Apollon, hat die μείλιχος ὀργά (43; ‚deine Leidenschaft‘)68 dazu gebracht (43: ἔτραπε), in irreführender Weise zu sprechen (43: παρφάμεν τοῦτον λόγον)69 – obwohl es dir, dem allwissenden Sehergott, verboten ist, die Unwahrheit auch nur zu berühren (42: τὸν οὐ θεμιτὸν ψεύδει θιγεῖν; vgl P. 3, 29 f., Aischyl. Eum. 614–618).‘ Chiron erkennt, daß Apollon, getrieben von jugendlich-verliebter Leidenschaft und zugleich zurückgehalten durch jugendliche Scham, einen Ausweg sucht: Er möchte sich einerseits bei dem Erwachsenen (und Erzieher) Chiron versichern, ob sein Verhalten rechtens ist, und andererseits seine Leidenschaft, deren er sich schämt, verbergen; zugleich erhofft er, von Chiron genau das zu hören, was er selbst empfindet, und so eine externe Bestätigung zu erhalten.70 Doch Chiron führt seine Äußerung zur Scham Erstverliebter weiter begründend aus (43–49): Er sage dies, weil Apollon ihn nach der Herkunft des Mädchens frage (43 f.: κούρας δ’ ὁπόθεν γενεὰν ἐξερωτᾷς, ὦ ἄνα; κούρας ist durch die Stellung betont),71 obwohl er selbst doch das vorherbestimmte Ziel 65 S. Woodbury (1972), insbesondere 568 f.; vgl. Fränkel (1962) 508; zur Sache vgl. Hom. Od. 6, 66 f. (Nausikaas Scham, mit ihrem Vater über die Hochzeit zu sprechen), Aristot. eth. Nic. 1128 b15 f. (in anderem Zusammenhang), Plat. Charm. 158 c6. 66 S. Woodbury (1972); vgl. Carey (1981) 74 f. 67 Vgl. zur Partikelkombination GP 108–111, insbesondere 108; γάρ „gives the motive for saying that which has just been said: ‚I say this because …‘“ (GP 60 f., das Zitat 60). Vgl. Woodbury (1972) 570 Anm. 39. 68 S. Köhnken (1985) 85. 89 f. (vgl. Burton 1962 41, Fraenkel 1972 84, Carey 1981 79 f.), anders Woodbury (1972) 570–572 mit Anm. 38 (ὀργά als „aidôs“). Nichtsdestoweniger handelt Apollon in beiden Fällen aus Liebe. 69 S. Woodbury (1972) 570, Illig (1932) 38. 70 Anders bestimmt die Funktion von παρφάμεν (43) Kirkwood (1982) 225. 71 Wenn der Satz als Frage aufgefaßt wird, hat δέ (43) „a note of surprise, impatience, or indignation“ (GP 173; s. allgemein 173–177), wobei „even when the δέ question is very considerably postponed, the particle still often seems to look back to the preceding speech, rather than to mark a connexion with the present speaker’s opening words“ (GP 175). Da Fragen bei Pindar allerdings meist eingeleitet werden (s. u. S. 285 Anm. 83), dürfte es sich eher um eine Aussage zur Begründung des vorangehenden καὶ γὰρ σέ … ἔτραπε μείλιχος

282

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

aller Dinge und alle Wege (44 f.) kenne und genauestens überblicke (49), wie viele Blätter die Erde im Frühling emporschickt (46), wie viele Sandkörner im Meer und in den Flüssen durch Wellen und Wind aufgewirbelt werden (46–48), was im Begriff ist, zu werden (48: vgl. 52 f.: μέλλεις ҕ… ἐνεῖκαι), und woher es sein wird (48 f.) – obwohl er selbst also schlechthin alles kenne und wisse (vgl. Hdt. 1, 47).72 Angesichts dessen erscheint Apollons Verhalten als absurd, und so ist Chiron amüsiert und verblüfft – letzteres im übrigen angezeigt durch die Wortstellung in 43 f., denn eine Verschränkung von Haupt- und Nebensatz wie hier durch γενεάν findet gewöhnlich nur dann statt (und ist erst dann sinnvoll), wenn der Hauptsatz vorangeht.73 Chirons Aussage, daß Liebe sogar Götter zu seltsamen Handlungen antreiben könne, erweist sich damit als wahr, denn ein allwissender Gott, dem die Lüge nicht erlaubt ist, gibt irreführend vor, etwas nicht zu wissen. Freilich lügt er nicht im strengen Sinne, denn seine Fragen sind keine Feststellungen und damit weder wahr noch falsch (30–37). Er versucht aber, durch Irreführung seine Begierde zu verheimlichen, was ihm jedoch angesichts seiner allgemein bekannten Natur bei einem Gesprächspartner wie Chiron nicht gelingt, so daß dieser auf die Unbeholfenheit des Gottes mit heiterem und wohlwollendem Amüsement reagiert (38: ἀγανᾷ χλοαρὸν γελάσσαις ὀφρύϊ).74 Dennoch entspricht er (ganz der Erzieher, der er ist)75 der Bitte des Gottes (50 f.: wenn es denn notwendig sei, sich mit einem wahrhaft Weisen gleichzustellen, wolle er sprechen)76 und prophezeit ausführlich (in amüsanter Verkehrung der Rollen: Chiron ist vor Pythie 9 nirgendwo prophetisch begabt) die Zukunft Kyrenes und die Folgen ihrer Verbindung (51–65).77 ὀργὰ παρφάμεν τοῦτον λόγον (42 f.) handeln (zu δέ ≈ γάρ s. GP 169 f.). 72 Hier versammeln sich „the three aspects of nature that most frequently betoken innumerability in Greek“, „leaves, grains of sand, and waves“: s. McCartney (1960) (das Zitat 79); vgl. zu den Frühlingsblättern Hom. Il. 2, 467 f.; 2, 800 f.; Od. 9, 51, Apoll. Rhod. 4, 216 f., zu den Wellen Hom. Il. 11, 305–309, Apoll. Rhod. 4, 214 f., zum Sand O. 2, 98–100, Hom. Il. 2, 800 f.; 9, 385. 73 KG § 600 4; demgemäß heißt dieses Phänomen „Prolepsis oder Antizipation“. 74 Vgl. Woodbury (1972) 563 f. 572, auch Schroeder (1922) 82, Gow (1944), Francis (1972), Fowler (1983), Pavese (1990) 68–70 und vor allem Carey (1981) 77. 75 Vgl. umfassend J. Escher: „Chiron“, RE 3, 2, 2302–2308, besonders 2304–2307. Die Annahme, Apollo „is still enrolled as a pupil in the Centaur’s school for heroes“ (Woodbury 1972 562 f.), ginge allerdings zu weit, denn die Pointe ist anscheinend, daß gerade die außergewöhnliche Situation Chirons Hilfe erfordert. Gegen die Annahme einer LehrerSchüler-Beziehung wendet sich z. B. Jakob (1994) 429. Vgl. oben S. 247 f. Anm. 290. 76 Zu καί (50) vgl. GP 319 f. (zur Position 325 f.); zur „Metapher einer gleichschwebenden Wage“ in ἀντιφερίξαι (50) s. Schroeder (1922) 83. 77 Das Adjektiv ζαμενής (38) bedeutet nicht „inspired“ (Slater s. v. a, Farnell 2, 203, Woodbury 1972 563), sondern „‚very strong‘, ‚mighty‘, ‚fierce‘“ (Braswell 1979 190, insbesondere zu dieser Stelle 188 f.; vgl. Braswell 1988 75 f.); μάντις ist Chiron eindeutig erst in Eur. Iph. A. 1064–1066. Bei Pindar ist ζαμενής gegenüber dem folgenden ἀγανᾷ insofern pointiert,

6.4. Apollon und seine Braut

283

Zuerst gibt er kund, daß Apollon zu Kyrene gekommen und dadurch ihr Gatte geworden sei (51 f.) und jetzt im Begriff stehe, sie über das Meer zum hervorragenden Garten des Zeus, nach Libyen, zu bringen (52 f.); er gibt Apollon also, wie erwünscht, zu verstehen, daß seine Liebe zu Kyrene rechtens sei. Was Chiron prophezeit, tut Apollon auch unverzüglich (66–69), wobei der kausale Zusammenhang zwischen Chirons Billigung und Apollons Handeln in εἰπὼν ἔντυεν … κραίνειν (66) augenfällig wird. Chiron nimmt also dem sexuell unerfahrenen Gott, der das erste Mal verliebt ist, die Scham (daß es seine eigene ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang von Chirons Rede), und dies ist erzählerisch amüsant präsentiert, wenn man an den bekannten Apollon denkt: Der göttliche σοφός (50) entdeckt die Welt der Gefühle.78 In diesem Zusammenhang wird die Einleitung zu Chirons Antwort verständlich (39 f.), an der schon sprachlich problematisch ist, daß nicht sofort ersichtlich ist, welche Elemente attributiv und welche prädikativ aufzufassen sind. Mit ihr will Chiron in allgemeiner Weise zu verstehen geben, daß die Liebe im verborgenen wirkt: Verborgen seien die Riegel (39: κρυπταὶ κλαΐδες ἐντί), die zur heiligen Liebe gehören (39a: ἱερᾶν φιλοτάτων),79 mit anderen Worten: Die Gemächer (die κλαΐδες impliziert) der Liebe, in denen sie sich erfüllt, sind auf verborgene Weise verschlossen und öffnen sich auf ebenso verborgene Weise – und nur so. Liebe wird im verborgenen durch Peitho (39 f.: σοφᾶς Πειθοῦς) bewirkt, hier anscheinend nicht die personifizierte Überredung schlechthin, sondern die erotische Überredung, der erotische Liebreiz, „holder of the keys (κλῃδοῦχος) of the shrine of the holy loves“.80 Ebendieser Liebreiz Kyrenes brachte auch Apollon zum Lieben (26–35), wobei er für den Gott offenbar in der Stärke und im Mut des Mädchens bestand, also überraschenderweise in männlichen Tugenden. Entscheidend in 39 f. ist also das hervorgehobene prädikative Adjektiv κρυπταί (39): Die von Peitho geöffneten Türen der Liebe sind auf verborgene als es die Kentaurenwildheit mit Chirons Freundlichkeit kontrastiert (Braswell 1979 189 mit Anm. 26). Vgl. Carey (1981) 80. 78 Die fehlende Ausdrücklichkeit (die aber der Darstellung ihren Charme nähme) und Apollons Apostrophierung als σοφός (50) wendet Köhnken (1985) 81 gegen die Annahme seiner Unerfahrenheit ein; zu den Verwendungsbereichen des Wortes σοφία vgl. LSJ s. v. 79 Man beachte den großen Bedeutungsumfang des Worts φιλότης (LSJ s. v. 1: „friendship, love, affection“); zur Erklärung der Genitive vgl. Mezger (1880) 242, Fraenkel (1972) 84. 80 Woodbury (1972) 567, insgesamt 567 f.; vgl. Dissen 2, 312, Burton (1962) 44, Carey (1981) 77 f., zur Sache fr. 122, 1–4, fr. 123, 14, P. 4, 219, Hes. erg. 73 f., Anakreon fr. 384 PMG, Aischyl. Suppl. 1038–1040 (wo Pothos und Peitho Kinder der Aphrodite sind). S. allgemein Stafford (2000) 111–113 (insgesamt 111–145), Fränkel (1962) 503 sowie 338 (mit Anm. 15): „Peitho ist die Macht verführerischer Einwirkung auf fremden Willen.“ Daher ist hier nicht von einer Vergewaltigung die Rede (insofern „peitho implies its opposite, which is bia (or ananke)“: Winnington-Ingram 1969 10 f., das Zitat 10), und ebensowenig liegt ein Hinweis auf „das harmonische Einverständnis beider Partner“ vor, auf das Chiron mahnend hinweisen wollte (Köhnken 1985 93).

284

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

Weise verschlossen. Hierzu steht im Gegensatz (angeschlossen durch die neutrale Partikel καί [40]), daß man sich schäme, offen (41: ἀμφανδόν, in betonter Aufnahme von κρυπταί [39]) nach der Liebesvereinigung zu streben, wenn man das erste Mal verliebt ist (40 f.). Während Liebe (und mit ihr verbunden Begierde) also im verborgenen entsteht, ist es (jedenfalls τὸ πρῶτον [41]) mit Scham verbunden, sie offen zu zeigen.81 Hieran knüpft Chiron die Anwendung der allgemeinen Aussagen auf Apollons Verhalten am Anfang seiner Antwort an (42 f.): Er sage dies nur deshalb (42: γάρ), weil auch Apollon (42: καὶ … σέ), der nicht einmal in die Nähe der Lüge kommen dürfe (42), die Leidenschaft (43: μείλιχος ὀργά), erzeugt im verborgenen durch Kyrenes erotischen Liebreiz, dazu gebracht habe, aus Scham (um nicht zu zeigen, was er fühlt) eine irreführende Rede zu halten (43). Die Διὸς ἀπάτη entspricht also nicht dem Pindarischen Apollon-Mythos, sondern dient angesichts der auffälligen Ähnlichkeit als Folie: Apollon und Kyrene stehen in einem impliziten Kontrast zu Zeus und Hera, was vor allem ihre Aufrichtigkeit und jugendlich-naive Leidenschaft betont; nicht der Betrug ist das Thema, sondern die ehrliche Liebe, die um so ehrlicher ist, als der liebende Ephebe Apollon (amüsant kontrastiert mit Zeus) schüchtern ist. Damit läßt sich der tiefere Grund für die unterschiedliche Ausgestaltung des Apollon- und Alexidamos-Mythos erkennen: Unmittelbar bevor sich Apollon an Chiron wendet, erringt er den Siegpreis seines Laufes, Kyrene, indem er sie erreicht (26: κίχε); um die Heirat zu vollenden, muß er sie noch ergreifen und fortführen. Dies tut er zwar auch (6: ἅρπασε; 66–69), bezeichnenderweise aber erst nach seiner Unterredung mit Chiron. Diese war für ihn notwendig, weil ihn seine Scham davon abgehalten hatte, die Braut fortzuführen – denn wenn er sie fortführte, machte er sein sexuelles Begehren offenbar: Das Ziel des Fortführens ist schließlich das Ehebett (12 f.); in ihm wird die Ehe von (wohlgemerkt: vgl. Hom. Od. 22, 444) Aphrodite dann auch unmittelbar nach ihrer Ankunft in Libyen endgültig geschlossen (9– 13). Die Begegnung mit Chiron hat also einen initiatorischem Effekt; Apollon wird in ihr dazu ermuntert, seiner Rolle als Mann nachzukommen. In diesem Sinn ist der letzte Teil von Apollons Äußerungen gegenüber Chiron zu verstehen (36 f.). Damit löst sich auch das sprachliche Problem, daß ἦρα (37), verstanden als Partikel zur Einleitung der Frage ὁσία κλυτὰν χέρα οἱ προσενεγκεῖν (36), als letztes Wort der Frage (man beachte καί [37]) im herkömmlichen Verständnis eine singulär späte Stellung im Satz hätte.82 Dieses Problem ließe sich zwar auch durch Interpunktion hinter προσενεγκεῖν 81 Die von Köhnken (1985) 85. 88 f. aufgezeigte Hervorhebung der Gegensätzlichkeit von κρυπταί (39) und ἀμφανδόν (41) kontrastiert also nicht öffentlich und heimlich vollzogene Liebesvereinigung; ebensowenig ist Thema das bloße Sprechen über die Liebesvereinigung (vgl. Σ P. 9, 68. 73, Schroeder 1922 82). 82 S. allgemein GP 283 f., speziell zu dieser Stelle Farnell 2, 203.

6.4. Apollon und seine Braut

285

(36) lösen, so daß zwei Fragen vorlägen, von denen die zweite durch ἦρα (37), die erste durch keine Partikel eingeleitet wäre, doch werden bei Pindar echte Fragen immer durch Fragepronomina oder -partikeln eingeleitet.83 Inhaltlich und sprachlich ist adäquater, den Satz in 36 als Aussage aufzufassen, dem sich der Satz in 37 als Frage anschlösse. Dies wäre nicht nur das naheliegende Verständnis der Sätze selbst (denn die Partikel ἦρα [37] wäre das erste Wort der von ihr eingeleiteten Frage), sondern es spiegelte sich hierin auch Apollons momentane Situation: Einerseits hat er seinen Siegpreis schon errungen, und zwar dadurch, daß er ihn läuferisch erreicht und berührt hat, ausgedrückt in κλυτὰν χέρα οἱ προσενεγκεῖν (36); diese Formulierung entspricht dem Siegeskriterium im Alexidamos-Mythos (120: ἀμφί οἱ ψαύσειε πέπλοις; 122: παρθένον κεδνὰν χερὶ χειρὸς ἑλών). Daß dies rechtens ist, ist ihm zwar bewußt (36: ὁσία), doch noch zögert er aus Scham, sie ins Ehebett zu führen, denn er ist sich unsicher, ob es auch (37: καί) rechtens ist (aus 36 ist ὁσία zu ergänzen: vgl. oben S. 208 Anm. 111), das honigsüße Gras aus dem Ehebett zu mähen (37: ἐκ λεχέων κεῖραι μελιαδέα ποιάν) – mit anderen Worten: die Liebesvereinigung zu vollziehen (vgl. 109–111). Er will also erfahren, ob die Liebesvereinigung ebenfalls rechtens ist, und dies ist erst dann verständlich, wenn Apollon sich tatsächlich schämt, ἀμφανδὸν ἁδείας τυχεῖν τὸ πρῶτον εὐνᾶς (41). Genau nach diesem sichtbaren Erlangen der Liebesvereinigung fragt der Gott: ‚Auch wenn es, wie ich weiß, rechtens ist, eine Braut zu gewinnen, ist es auch rechtens, sich in Liebe mit ihr zu vereinigen?‘ Der erste Teil dieser Äußerung zielt damit auf Apollons theoretisches Wissen über das Heiraten ab (und so entspricht der Gott Chirons Charakterisierung in 44–49), der zweite Teil auf sein Schamgefühl, das vom Wissen unabhängig ist. Da Chiron den Sinn der Frage versteht, beantwortet er sie adäquat dahingehend, daß es keineswegs verboten sei, die Liebesvereinigung 83 So an folgenden Stellen in den Epinikien (Doppelfragen und aneinander anschließende, in einer Periode stehende Fragen sind nur einmal verzeichnet; Kriterium ist die Interpunktion bei Snell – Maehler): O. 1, 82–84, O. 2, 1 f. 89 f. 98–100, O. 6, 4–7, O. 9, 30– 35, O. 10, 60–63, O. 13, 18 f. 20–22, P. 2, 78, P. 4, 70. 71. 97 f. 98 f., P. 7, 5/6–8, P. 8, 95, P. 9, 33. 33–35, P. 10, 4, P. 11, 22–25. 38–40, N. 3, 26 f., N. 10, 76 f., I. 1, 5, I. 5, 41 f., I. 7, 1– 15. Einzig in O. 13, 67 (Εὕδεις Αἰολίδα βασιλεῦ) steht keine Frageeinleitung, allerdings ist dies eine rhetorische Satzfrage, die als Aussage oder Aufruf verstanden werden kann („Du schläfst, Aiolide, König“ bzw. „Du schläfst, Aiolide, König!“). Zu P. 9, 43 f. s. o. S. 281 f. Anm. 71. Anders scheint es sich in den Fragmenten zu verhalten, wo sich eingeleitete Fragen in pae. 8, 65–67, pae. 9, 1–3. 3–5, fr. 61, 1 f., fr. 89a, fr. 140d, nicht-eingeleitete in fr. 29, pae. 4, 46–48, pae. 9, 6. 13–20 (?) finden; letztere sind jedoch (abgesehen von pae. 4, 46–48) disjunktive Fragen, in denen das Fehlen einer Einleitung im ersten Glied durchaus üblich ist (KG § 589 12 mit Anm. 11). Da eine solche disjunktive Frage in P. 9, 36 f. nicht vorliegt (es ist keine inhaltliche Alternative gegeben), verbleibt einzig pae. 4, 46–48, doch ist dies wie O. 13, 67 eine behauptende Satzfrage. Die referierte Interpunktionsänderung in 36 f. findet sich bei Carey (1981) 76 (dagegen Casevitz 1994 114 f.; vgl. Gildersleeve 1890 341, der nach ἦρα interpungiert, doch s. Carey 1981 76).

286

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

mit einer Frau zu erlangen, einzig schäme man sich hiervor, sei man Gott, sei man Mensch – jedenfalls dann, wenn man noch unerfahren in Liebesdingen ist (41: τὸ πρῶτον).84 Versteht man also 36 als Aussagesatz (oder äquivalent als rhetorische Satzfrage),85 dem sich die durch ἦρα (37) eingeleitete eigentliche Frage anschließt, lösen sich die sprachlichen Probleme dieser Stelle und entsprechen sich Chirons Aussage sowie Sinn und Motivation von Apollons Frage:86 Chiron antwortet Apollon tatsächlich. Damit besteht der angeführte Unterschied zwischen dem Apollon- und dem Alexidamos-Mythos nicht grundlos: Er erfüllt eine wichtige erzählerische Funktion. Der Apollon-Mythos ist tatsächlich parallel zum AlexidamosMythos, und auch in ihm wird ein (metaphorischer) Brautlauf erzählt. Dabei erfüllt die Aufspaltung einer Handlung im Alexidamos-Mythos in zwei im Apollon-Mythos nicht nur den Zweck, einen liebesunerfahrenen Apollon zeigen zu können, sondern sie ermöglicht auch, den Segen aus der Heirat (bzw. in der metaphorischen Semantik: dem Laufen) theologisch zu deuten. 6.4.3Zukünftiger Segen Nach Chirons amüsiert-verwunderter Antwort und seinem Hinweis darauf, in welcher Lage sich der liebende Gott befindet (38–49), teilt er ihm mit, daß er durch sein Kommen zu Kyrene ihr Gatte geworden sei (50–52). Hiermit wird er, entsprechend Antaios im Alexidamos-Mythos, mutatis mutandis zum Brautvater, der Apollon die Berechtigung zur Heirat bescheinigt. Allerdings ist er dies nicht tatsächlich noch hat er die Braut vor dem Wettlauf als Preis ausgesetzt, sondern er ist eine dritte, eigentlich unbeteiligte Person, die im nachhinein Apollon darüber aufklärt, was er getan hat: einen Brautlauf gewonnen zu haben. Dieser Unterschied im Detail ist auf den veränderten mythischen Rahmen zurückzuführen: Der Gott Apollon kann die Berechti84 So erscheint τὸ πρῶτον (41) als subtile Pointe, wenn man daran denkt, wie Apollon später in Liebesdingen verfährt: vgl. oben S. 279 mit Anm. 57. 85 Der Aussagesatz in 36 ist damit asyndetisch an die vorangehende Frage 33–35 angeschlossen, durchaus nicht ungewöhnlich: Von den oben in Anm. 83 angeführten Fragen folgen denen in O. 2, 1 f. 89 f., O. 10, 60–63, P. 4, 71, P. 8, 95, N. 3, 26 f., I. 5, 41 f., pae. 4, 46–48, pae. 8, 65–67, pae. 9, 13–20, fr. 140d asyndetisch angeschlossene Aussagen, denen in O. 9, 30–35, P. 4, 98 f., N. 10, 76 f., I. 1, 5 asyndetisch angeschlossene Aufforderungen. 86 Für weitere Lösungen vgl. Herwerden (1897) 47 f., Casevitz (1994), besonders 116 f.; dieser faßt ἦρα (37) nicht als Partikel auf, sondern verbindet es im Sinne von χάριν (vgl. LSJ s. v. ἦρα B) mit προσενεγκεῖν als Pindarische Variante der epischen Wendung ἦρα φέρειν ἐπί τινι (vgl. Hom. Il. 1, 572. 578; 14, 132, Od. 3, 164; 16, 375; 18, 56); als Subjekt tritt zu den Infinitiven κλυτὰν χέρα (36); alles zusammen sei als Aussage (und nicht als Frage) zu verstehen: „Il est dans les attributions divines qu’une main illustre lui apporte son aide bienveillante et cueille sur sa couche la fleur d’amour douce comme le miel.“

6.4. Apollon und seine Braut

287

gung zur Heirat nur durch sein Gott-Sein und das Vollbringen einer göttlichen Leistung erwerben; entsprechend kann auch der Preis nicht vorher ausgesetzt werden, sondern es kann sich erst im nachhinein in Chirons Deutung (freilich elegant: s. o. S. 275 f. mit Anm. 44 zu ταύτᾳ πόσις ἵκεο [51]) offenbaren, daß Kyrene sein Siegpreis war. Doch Chirons erzählerische Funktion besteht nicht nur in dieser Prophezeiung, sondern auch darin, den Sieg in der abschließenden Prophezeiung (52–65) theologisch zu deuten, wenn er über Kyrenes Zukunft (52–58) und diejenige ihres und Apollons87 Sohnes Aristaios (59–65) spricht. Dies erweist eine nähere Betrachtung: Apollon stehe im Begriff (52: μέλλεις: vgl. oben S. 87 Anm. 18), Kyrene über das Meer nach Libyen zu bringen (52 f.), wo er sie zu einer Herrscherin über eine Stadt machen werde (54), wobei er hierfür ein Volk aus Seefahrern versammeln werde (54 f.), das schon aus Pythie 4 bekannte der von Battos angeführten Siedler aus Thera.88 In der näheren Zukunft jedoch (55: νῦν δέ)89, wenn Apollon seine Braut nach Libyen gebracht hat, werde Libya selbst, eine Herrin mit weiten Wiesen (55), sie in ihrem goldenen Haus (56) wohlwollend willkommen heißen (56 f.) und sie sofort mit dem ihr rechtmäßig zustehenden Anteil an Land beschenken (56a f.).90 Dieser ist, wie die Litotes (58) anzeigt (vgl. allgemein oben S. 252 Anm. 304), sowohl äußerst fruchtbar als auch äußerst reich an Tieren. Dort werde sie einen vortrefflichen Sohn gebären (59–65), der von Hermes, dem „im Auftrage der Götter, als Götterbote“91, handelnden Gott, unmittelbar nach der Geburt (61) zu den Horen und Gaia gebracht werde, die ihm voller Bewunderung (62: θαησάμεναι)92 Nektar und Ambrosia, die göttliche, unsterblich machende Speise,93 auf die Lippen träufelten (63) und dadurch bewirkten (63: θήσονται), daß man ihn unsterblichen Zeus und reinen Apollon (63 f.: ἀθάνατον Ζῆνα καὶ ἁγνὸν Ἀπόλλωνα), Freude der Menschen (64: ἀνδράσι χάρμα φίλοις),94 nächsten Hüter der Herden (64a: ἄγχιστον ὀπάονα μή87 Dies zeigt der Erzählzusammenhang in 51–65 nur implizit; vgl. Hes. fr. 216 MW, zu Aristaios auch Hes. fr. 217 MW, Diod. 4, 81, Σ Apoll. Rhod. 2, 498. 88 Vgl. P. 4, 6–8 (besonders 8: ἐν ἀργεννόεντι μαστῷ neben P. 9, 55: ὄχθον ἐς ἀμφίπεδον), 53– 56. 259–262; s. o. Kap. 5.3; zum zeitlichen Verhältnis in P. 9 s. Athanassaki (2003) 95–101. 89 Zu νῦν (55) s. KG § 498 1, LSJ s. v. I 3 („presently“). 90 Zum Verb συντελέθειν (57) s. Carey (1981) 82; es bedeute συνεῖναι, so daß οἱ … συντελέθειν ἔννομον (sc. χθονὸς αἶσαν) „to accompany her as her legal possession“ meine; „the accumulation of αἶσαν, συντελέθειν, ἔννομον, δωρήσεται, νήποινον suggests a legalistic framework, the giving of wedding presents perhaps […] or a dowry, or an ‚unveiling present‘“. 91 Zu Recht von Jurenka (1893) 299 angemerkt; vgl. unten S. 304 Anm. 150. 92 Zu θαησάμεναι s. Schroeder (1922) 83 f., Carey (1981) 82 f.; αὐταῖς (62) gehört zu ἐπιγουνίδιον (62) (vgl. Wilamowitz 1922 267 Anm. 4; zu Bergks 1869 188 αὐγαῖς s. Schroeder 1922 83 f., Carey 1981 83). Zur staunenden Bewunderung in diesem Wort s. Mette (1961), insbesondere 53 und 56–58 zu Pindar. 93 Vgl. O. 1, 60–64, Hom. Il. 19, 37–39. 347 f. 352–354, allgemein Richardson (1974) 238 f. 94 Der Dativ ἀνδράσι … φίλοις (64) erklärt sich mit KG § 424 1.

288

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

λων), Agreus (65: „Jäger“) und Nomios (65: „Herden-“) nennen würde, andere aber (65: τοῖς δέ) auch Aristaios (63–65: νιν … Ἀρισταῖον καλεῖν).95 Bemerkenswert ist, daß Chiron der Apollon eigentlich interessierenden Kyrene kaum mehr Platz als Aristaios einräumt, er also nicht auf Apollons Frage einzugehen scheint.96 Dies fällt um so mehr auf, als Chiron nichts zu Kyrenes Herkunft und Abstammung sagt, wonach Apollon ihn aber zuerst gefragt hatte (33–35). Diese Information wird überraschenderweise schon in 13–17 gegeben, und zwar nicht von Chiron und für Pindar ungewöhnlich ausführlich: Ihr Vater sei der von Okeanos abstammende Lapithenkönig Hypseus, den Kreoisa, Gaias Tochter, Peneios am Pindos geboren habe. Damit sind Vater, Großvater und Großmutter väterlicherseits sowie (weiterhin bezüglich Kyrenes väterlicherseits) der Vater des Großvaters und die Mutter der Großmutter genannt: Pindar macht den Eindruck, er suche „den Anschluß an das Katalogepos wohl in der ausgedehnten Genealogie“.97 Allerdings war es Pindar im Rahmen der Darstellung des Kyrene-Mythos in Pythie 9 gar nicht anders möglich, als die Genealogie (nach der Apollon freilich fragen muß) nicht durch Chiron, sondern durch das Ich des Textes vorzubringen, und zwar zeitlich vor Apollons eigener Frage: Chiron kann nämlich nicht auf Apollons Frage nach Kyrenes Herkunft eingehen, wenn er sagen will (und hinsichtlich der narrativen Schlüssigkeit: muß), daß der Gott 95 Die Akkusative in 64–65 lassen sich nicht sinnvoll mit θήσονταί … νιν (63) (zum Verb s. Farnell 2, 204; vgl. Schroeder 1922 84 f.) verbinden. Daher müssen sie von καλεῖν (65) abhängen (so Σ P. 9, 115a, Jurenka 1893, Wilamowitz 1922 267 mit Anm. 4, Robbins 1978 100, Woodbury 1982 256 f. Anm. 40; anders Boeckh 2, 2, 324, Dissen 2, 315, Christ 1896 209 f., Farnell 2, 204, Fränkel 1962 504). Sie bezeichnen dann die verschiedenen Namen, die Aristaios beigelegt werden bzw. unter denen er angerufen wird (letzteres bei Jurenka 1893; angesichts von τοῖς δέ [65] freilich nicht in einem einzelnen Gebet, sondern von verschiedenen Menschen; zum Verb καλεῖν [65] vgl. LSJ s. v. I 3, speziell O. 6, 58, P. 2, 12, P. 4, 195, I. 8, 5a). Fast alle Epiklesen sind für Apollon bezeugt: Opaon (64a), Agreus (65), Nomios (65) und auch Aristaios (65) (vgl. K. Wernicke: „Apollon“, RE 2, 1, 41–72). Der Infinitiv καλεῖν (65) wird hier „als Ergänzung der Satzaussage in final-konsekutivem Sinne dazu verwandt […], die erstrebte oder mögliche Folge zu bezeichnen“ (KG § 473 7; vgl. KG § 471 2 und Anm.; vgl. 8: οἰκεῖν; anders Jurenka 1893), bezeichnet also die Intention der Göttinnen; die aktive Diathese erklärt sich mit KG § 473 Anm. 13 (s. Boeckh 2, 2, 324, Jurenka 1893 300), wobei der Dativ τοῖς δέ (65) „Dativ des thätigen Subjekts“ ist (vgl. zur Ellipse von τοῖς μέν o. ä. GP 166). Zur Notwendigkeit dieser Analyse (und des Bezugs von ἀθάνατον [63] auf Ζῆνα [64]) s. Woodbury (1982) 256 f. Anm. 40. Allerdings ist der erste Eindruck, daß Aristaios zu Zeus und Apollon gemacht werde; erst mit καλεῖν (65) zeigt sich das richtige Verständnis (vgl. Eur. Ion 74 f.), wohl nicht ohne Grund: Ohne daß gesagt wäre, Aristaios sei tatsächlich Zeus oder Apollon, wird der Eindruck von Aristaios’ Göttlichkeit weitestmöglich erhöht, ohne daß der Name Aristaios jedoch zu einer Epiklese eines anderen Gottes würde (zum Gott Aristaios vgl. oben Anm. 87). 96 Dies wird meist damit erklärt, daß Pindar seiner Mythenvorlage, der Ehoie, eng gefolgt sei und ungeprüft Überflüssiges übernommen habe (Farnell 2, 202). 97 Wilamowitz (1922) 267; vgl. Burton (1962) 38–40.

6.4. Apollon und seine Braut

289

unter dem Einfluß des Verlangens überraschende Dinge tut, nämlich sich als der Wissende schlechthin unwissend zu stellen – er erzählte dann nämlich etwas, wovon er wüßte, daß der Gott selbst es schon längst weiß, so daß er sowohl seiner Aussageintention gegenüber Apollon aufs schwerste entgegenwirkte als auch als narrative Figur unglaubwürdig würde. Vielmehr gibt Chiron die eigentliche, treffende Antwort auf Apollons Frage in 51–65 – obwohl dieser auch sie schon kennt: Er wollte von Chiron aber keine sachliche Information, sondern Hilfe hinsichtlich seiner Scham, und diese bringt Chiron gerade dadurch, daß er unmißverständlich offenbart, daß höchster Segen aus Apollons Verbindung mit Kyrene hervorgeht und daß sie ὁσία ist. Apollons Problem ist seine Scham, nicht sein Wissen.98 Damit ist Apollons Frage nach Kyrenes Herkunft nur das Mittel, mit Chiron in unverfänglicher Weise ins Gespräch zu kommen. Wenn dies aber der Fall ist, gibt es erzählerisch keine andere Möglichkeit, als Kyrenes Herkunft vor Apollons und Chirons Begegnung zu klären, denn während die Klärung an sich angesichts von Apollons späterer Frage (und Kyrenes relativer Unbekanntheit) notwendig war (insofern ansonsten gerade hierin die Pointe der Darstellung hätte gesehen werden können), wäre sie nach dieser Begegnung als überflüssig erschienen. Sinnvoll ist sie dann aber wiederum nur vor Kyrenes eigentlicher Charakterisierung, denn dann ergibt sich eine aus sich selbst entwickelnde Entfaltung des gesamten Mythos: Auf den einleitenden Anfang (5–13) mit der Nennung des Höhepunkts des Mythos (der Liebesvereinigung) folgt die Vorgeschichte, die, bei den Anfängen beginnend, allgemein über die Herkunft des Mädchens aufklärt (13–17) und über die Schilderung ihres Charakters (17–25) zur hierin liegenden Ursache von Apollons Liebe kommt (26–28), die wiederum sein Aufsuchen von Chiron motiviert (29)99 und den liebenden Jüngling seine (irreführenden) Fragen nach Kyrenes Herkunft fragen (30–35) und seine Gefühle offenbaren läßt (36 f.); Chiron seinerseits durchschaut die Eröffnung des Gesprächs (38– 50) als das, was sie ist: als Versuch des Gottes, sich von der Scham zu befreien, und nimmt dem Gott gerade dadurch seine Scham, daß er den Segen der Vereinigung mit Kyrene offenbart und anzeigt, daß sie insofern nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten ist (51–65). Letzteres belegt die Prophezeiung zu Aristaios im Kontext des Liedganzen, denn sie zeigt eine frappante Parallelität von Kyrene und Aristaios: Sie ist wie ihr Sohn Jägerin und Beschützerin der Herden (18–28), weswegen ihr Frauenbeschäftigungen wie das Weben auch nicht zusagen (17–19);100 lieber 98 So vergißt er auch niemals sein Wissen (Kirkwood 1982 226). 99 Der frühe Bericht zur Genealogie leistet also mehr als „to secure a balanced distribution of parts, to avoid overloading Chiron’s speech to an unbearable degree“ (Carey 1981 70). 100 Angesichts der fehlenden satzverbindenden Partikel liegt ein Relativsatz zu Κυράναν (18) vor (es ist also ἃ … und nicht ἁ … zu lesen); zu μὲν … ἀλλά s. oben S. 239 Anm. 255 f.

290

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

kämpft sie mit Bronzespeeren und mit dem Schwert gegen wilde Tiere, um sie zu zerstümmeln und den väterlichen Kühen Frieden zu verschaffen (20– 23). Diesen Aufgaben gibt sie sich so sehr hin, daß sie nur wenig Zeit zum Schlafen findet, oder besser: finden möchte (23–25)101 – wobei „der ‚holde Bettgenosse Schlaf ‘ […] eine Pointe“ haben dürfte, denn „die Griechen assoziierten die Jagd mit Abneigung gegen die Liebe.“102 Ihrem Charakter entsprechend bescheinigt Apollon dem Mädchen einen θυμός und eine μεγάλη δύνασις (30), Furchtlosigkeit angesichts großen Haders (31; im Ausruf drückt sich Apollons Hingerissenheit aus), „eine Seelenhoheit, die sich durch gemeine Regungen nicht anfechten läßt“103 (31a f.), nicht von Furcht sturmgeschüttelte Sinne (32: φόβῳ … οὐ κεχείμανται φρένες)104 sowie unersättliches Kämpfertum (35: ἀλκᾶς ἀπειράντου)105 – das sie von ihren Vorfahren, deren „‚ὅπλα überlegen sind‘“, den „‚(im Kampf ) überlegen[en]‘“ Lapithen (14: Λαπιθᾶν ὑπερόπλων), geerbt hat.106 All dies ist „doppelt anzuerkennen bei einem Weibe (γυναικός 30), vollends einem so jungen (νεᾶνις 31)“107. Damit ist Kyrene ebenso wie Aristaios dadurch, daß sie ihrem Wesen entsprechend lebt, den Menschen eine große Freude (64: ἀνδράσι χάρμα φίλοις). So ist offenbar, daß Aristaios seine positiven Eigenschaften, die im Zentrum seines göttlichen Wirkens stehen, von seiner Mutter Kyrene geerbt hat und ihr vor allem in dieser Hinsicht gleicht. Augenfällig zeigt sich dies daran, daß Aristaios ebenso die Epiklese Ἀγρεύς (65) trägt, wie Kyrene ἀγροτέρα (6) ist.108 Die Aufzählung von Aristaios’ Kulttiteln (64–65) ist also nicht „undigested epic material“,109 denn mit ihr verbindet sich eine wichtige Aussage, die unter anderem eine Wesensidentität von Kyrene und Aristaios feststellt. Diese Parallelität besteht jedoch in einem entscheidenden Punkt nicht: Während er als Gott unsterblich ist, ist sie dies als Mensch trotz göttlicher 101 Richtig Schroeder (1922) 80 (mit Verweis auf Hom. Il. 11, 548–555); vgl. Σ P. 9, 43c, Dissen 2, 309, Burton (1962) 42, Lyne (1971) 377 mit Anm. 3, Carey (1981) 72 f., Kirkwood (1982) 224; vgl. Hom. Il. 11, 172–174, wo Jagdzeit des Löwen die Nacht ist. Im Kontext weniger überzeugt das Verständnis Boeckhs 2, 2, 322, Gildersleeves (1890) 340 f., Fränkels (1962) 502 mit Anm. 3 („Jäger gehen vor Tau und Tag an ihr Werk […]. Der Schlaf kurz vor der Morgenröte galt als der wohligste“; Thema ist aber nicht die Jagd von Wild, sondern der Schutz der Herden vor nächtlichen Löwenangriffen). Vgl. Farnell 2, 203, Luppino (1957) 122–124, Capra – Gilardi (2002) 129 f.; vgl. unten S. 297 Anm. 130. 102 Fränkel (1962) 507 mit Anm. 10; vgl. Euripides’ Hippolytos und oben S. 280 Anm. 61. 103 Schroeder (1922) 81. 104 Vgl. Aischyl. fr. 145, 16 TrGF; so sind hier die φρένες ein Schiff: vgl. Plat. Ion 540 b. 105 Zu diesen Wörtern s. Fränkel (1962) 503 mit Anm. 4 (ἀλκή: „nicht: physische Stärke“). 106 So die Herleitung bei Frisk s. v., dessen Ableitung von ὅπλον (auch wenn sie nicht korrekt sein sollte: s. Szemerényi 1977 6) naheliegend ist (obgleich das Wort zumeist im Sinne von „anmaßend, übermütig, übermäßig, gewaltig“ verwendet wird; vgl. Chantraine s. v.). 107 Schroeder (1922) 81. 108 Vgl. Köhnken (1985) 78 f. 109 So Burton (1962) 38; vgl. Wilamowitz (1922) 267.

6.4. Apollon und seine Braut

291

Abstammung (13–17) nicht, jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Geburt. Daher nimmt Hermes ihn auch der Mutter fort, denn er darf nicht mit menschlicher Speise in Berührung kommen, damit er unsterblich werden kann.110 Dieser Unterschied ist allerdings wohlbegründet, und diese Erkenntnis führt zu einem tieferen Verständnis des Mythos selbst: Aristaios ist als das direkte Produkt der Liebesvereinigung von Kyrene und Apollon die Folge des (metaphorisch-) sportlichen Sieges Apollons, der ihn zur Hochzeit berechtigt hat, und auf der Grundlage dieses Sieges verewigt er die Eigenschaften der begehrten Person, und zwar konkret durch die Liebesvereinigung.111 Damit wird Kyrene zwar nicht selbst unsterblich, doch gerade ihre (für Apollon) begehrenswerten Eigenschaften leben in einem anderen weiter und werden in ihrem eigentlichen Sein unsterblich gemacht, und zwar so, daß dieser neue Träger ihrer Eigenschaften ebenso wie die Mutter aller Bewunderung würdig ist (31: θαύμασον bzgl. Kyrene ≈ 62: θαησάμεναι bzgl. Aristaios). Doch obwohl Kyrene nicht unsterblich-göttlich wird, profitiert auch sie von der Liebesvereinigung: Sie darf in Libyen herrschen (54–58), und zwar von dem Moment an, an dem sie von der Herrin Libya (55) für Apollon (55: σοι) wohlwollend (56a: πρόφρων) in ihrer neuen Heimat empfangen wird (freilich impliziert dies in Verbindung mit 69 f., auch sie erlange durch ihre Herrschaft Unsterblichkeit). Diese bietet ihr die allerbesten Voraussetzungen dafür, daß sie (und ihr Sohn Aristaios) ihr Wesen ausleben kann, denn Libyen ist reich an Tieren und Pflanzen, reich an Vieh (6a: πολυμήλου), mit reicher Ernte (7: πολυκαρποτάτας; man beachte doppeltes πολυ-), lieblich (8: εὐήρατον), und Kyrenes durch die Heirat erworbener weitwiesiger (55: εὐρυλείμων) Teil des Landes verfügt sowohl über Pflanzen mit allerlei Frucht als auch über wilde Tiere (56a–58).112 All dies und besonders letzteres (58: οὔτ’ ἀγνῶτα θηρῶν, offenbar nur dann als positive Qualifizierung zu verstehen, wenn es auf Kyrenes Bewährung als Jägerin verweist) zeigt, daß das Land, in das Kyrene geführt wird, ihr genau entspricht und die besten Voraussetzungen für die Bewährung ihrer Tugenden bietet. Dies zeigt sich schon am Anfang des Mythos, wenn Kyrenes Eigenschaft, ἀγροτέρα zu sein (6), mit der durch drei Epitheta umschriebenen Fruchtbarkeit (6a–8) eng verbunden wird. Dabei führt θάλλοισαν (8), bezogen auf Ky110 S. Carey (1981) 83, vgl. oben S. 287 Anm. 93. 111 S. Köhnken (1985) 95. 112 Angesichts der letzten Stelle trifft nicht zu, daß Kyrene im Verlauf von P. 9 von einem unkultivierten zu einem kultivierten Land wird (Felson-Rubin 1978 359; auch Robbins 1978): Hierzu müßten die Attribute in 56a–58 proleptisch sein, doch wäre dann unverständlich, warum das Land gerade im von Libya vollzogenen Akt des Übergebens fruchtbar geworden sein sollte. Im übrigen war Kyrene nach Hdt. 4, 198 f. mit drei Ernteperioden tatsächlich fruchtbar, besonders bei Euhesperides. In Verbindung mit 64a f. erscheint die Qualifizierung διωξίππου … Κυράνας (4) als besonderes Beispiel der allgemeinen Natur Kyrenes.

292

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

rene, das fruchtbare Gedeihen des Mädchens, dieses von Apollon hierher, in den hervorragenden Garten des Zeus (53: κᾶπον), gebrachten Pflänzleins (33: ποίας δ’ ἀποσπασθεῖσα φύτλας), in ihrer neuen Heimat in anschaulicher Weise metaphorisch vor Augen113 – wobei diese Metaphorik das Gedeihen der Person selbst mit dem Ausleben ihrer Tätigkeit im Bereich der Vegetation inhaltlich verbindet und damit als zwei Seiten ein und derselben Sache ausweist. Kyrene erscheint gewissermaßen als libysche πότνια θηρῶν, als libysche Artemis (παρθένον ἀγροτέραν [6]),114 und so ist sie die prototypische Jägerin und Herdenbeschützerin in einem gleichfalls prototypischen Land Libyen. Damit hat Apollons Sieg zweifachen Nutzen: für die Braut selbst und für das Produkt der Liebesvereinigung. Doch sind Nutznießer nicht nur diese, sondern auch (und vor allem) diejenigen Menschen, um die sie sich kümmern und denen sie helfen – denn beide verfügen über Eigenschaften, die wesensmäßig auf das Gemeinwohl gerichtet sind. Wichtig ist, daß dieser Nutzen auf dem beruht, weswegen Apollon Kyrene begehrt und für sich gewinnen will: auf Kyrenes Vollkommenheit in der Jagd und im Beschützen des Viehs.115 So stillt er nicht nur sein eigenes Verlangen, sondern erreicht hierdurch (konkret die Liebesvereinigung), daß das Begehrte unsterblich wird und größten Segen bewirkt. Individueller und sozialer Nutzen sind identisch. Insofern Apollon Kyrene durch einen (metaphorischen) Sportsieg gewinnt, handelt der Apollon-Mythos nicht nur von Kyrenes und Apollons Heirat, sondern er zeigt allgemein auf, daß und wie aus sportlichem Erfolg Segen erwächst, und zwar, in seinen Worten gesprochen, für die durch den Sieg gewonnene Braut, deren Nachkommenschaft und schlechthin alle Menschen, und dies gerade deswegen, weil in der neuen Heimat der Braut vollkommene natürliche Voraussetzungen für ihr Gedeihen gegeben sind. Damit erfolgt die Ausgestaltung von Chirons Prophezeiung in Pythie 9 mit der prima vista seltsamen und unmotivierten Thematisierung von Aristaios’ Zukunft nicht ohne Grund, denn Chiron kann mit seinen Ausführungen Apollon nicht nur von der Rechtmäßigkeit seiner Verbindung mit Kyrene (36) 113 Zum Bezug von θάλλοισαν (8) s. Gildersleeve (1890) 339; vgl. Ruck – Matheson (1968) 210. Kyrenes Harmonie mit der Natur könnte auf ihrer Abstammung beruhen: Kreoisa, durch Peneios’ Ehebett erfreut (16: εὐφρανθεῖσα Πηνειοῦ λέχει, mit auffälliger, die Parallelität anzeigender Ähnlichkeit zu ἐπὶ γλυκεραῖς εὐναῖς [12]: Winnington-Ingram 1969 10), gebiert Kyrenes Vater Hypseus; diese Kreoisa ist Tochter der Erde (17: Γαίας θυγάτηρ), selbst wiederum mit der üppigen Natur verbunden (vgl. Ruck – Matheson 1968 209). 114 Der Beiname Ἀγροτέρα gehört eigentlich zu Artemis (vgl. Hom. Il. 21, 471, B. 5, 123 f.; 11, 37, Aristoph. Thesm. 115, auch Pi. fr. 357, Hom. h. 27; s. Austin – Olson 2004 93); Artemis Agrotera wurde auch in Kyrene verehrt (G. Wentzel: „Agrotera“, RE 1, 1, 906 f.); vgl. Woodbury (1972) 562 Anm. 6, Fraenkel (1972) 82, Radici Colace (1975), Kirkwood (1982) 222 f., auch Studniczka (1890) 132–174, besonders 145–165 (Kyrene als „Doppelgängerin der Artemis“ [145]). 115 Vgl. Woodbury (1982) 255 f.

6.4. Apollon und seine Braut

293

überzeugen, sondern er zeigt auch, daß sie geboten ist: Aus ihr geht ein neuer Gott hervor, der das Gute verewigt, das Apollon in Kyrene liebt. Dieser Gedanke findet eine spiegelnde Wiederaufnahme im thebanischen Mythos (80–88): Man habe Iolaos, nachdem er Eurystheus den Kopf abgeschnitten hatte, am Grab seines Großvaters Amphitryon bestattet, der in Theben als Gastfreund eine neue Heimat gefunden hatte (80–83).116 Alkmene habe jenem und Zeus eine „schlachtensiegende Kraft von Zwillingssöhnen“ (86) in einer einzigen Wehe geboren (84–86). Jeder, der der Sprache mächtig ist, führe Herakles im Munde (87: κωφὸς ἀνήρ τις, ὃς Ἡρακλεῖ στόμα μὴ περιβάλλει) und erwähne immer die Wasser der Dirke, die ihn und seinen Bruder Iphikles genährt hatten (88).117 Dieser Mythos ist nicht nur ein Preis thebanischer Helden, sondern er ist auch auffällig parallel zum Apollon- und Alexidamos-Mythos. Dies zeigt sich, wenn man die Vulgata des Mythos beachtet: Als Alkmenes Vater Elektryon, der König über Mykene, einen Kriegszug gegen die Teleboer zur Rächung des Todes seiner Söhne unternehmen will, übergibt er das Königreich und seine Tochter Amphitryon unter der Bedingung, daß sie bis zu seiner 116 Zu Eurystheus’ Tod s. Gantz (1993) 463–465; bei Strab. 8, 6, 19, Paus. 1, 44, 10 tötet ebenfalls Iolaos Eurystheus (vgl. Σ P. 9, 137), bei Apollod. 2, 8, 1, Diod. 4, 57 hingegen Hyllos; in Euripides’ Herakliden setzt Iolaos Eurystheus gefangen, ohne ihn zu töten. 117 Überzeugend Young (1979): „The only people who do not include Herakles in their speech are people who cannot talk at all. Mutes. κωφοί“ (142; vgl. Nash 1982 81–86). Die Passage 79–96 ist damit keine persönliche Verteidigung Pindars gegen Vorwürfe der Illoyalität gegenüber Theben (vgl. Youngs 1979 134 f. Wiedergabe, speziell Σ P. 9, 151, Farnell 1915, 1931 und 2, 207 f., Wilamowitz 1922 263–266, Duchemin 1967 65–68, Winnington-Ingram 1969 11 f., Péron 1976 77 f., Hubbard 1991, besonders 23–25 mit knappem Überblick). So bezeichnet πόλιν τάνδε (91) nicht Theben (so Dissen 2, 300. 319 f., Gildersleeve 1890 346, Christ 1896 203 f., Farnell 1915 194 f. und 2, 208, Wilamowitz 1922 265 f., Duchemin 1967 65, Floyd 1968 186, Péron 1976 67–72), sondern Kyrene, nämlich als denjenigen Ort, dem Telesikrates als Bürger Ehre gebracht hat (91: εὐκλέϊξεν; s. u. S. 301 Anm. 143); vgl. Burton (1962) 50–54, Fränkel (1962) 505, Carey (1981) 65. 94 f., Kurke (1991a) 208 f., D’Alessio (1994) 131 f., Capra – Gilardi (2002) 130–132, Felson (2004) 382–385; zum Futur δέξεται (73) s. D’Alessio (2004) 290 f. (freilich könnte eine ähnliche Situation wie in N. 9, 1–5 fingiert sein: s. Carey 1981 85 f.). Was allgemein τάνδε (91) betrifft, gab es sicherlich keine „fixed encomiastic convention that the demonstrative ὅδε connected with a geographical place must designate the home of the victor“ (Hubbard 1991 25; vgl. Race 1990 83 Anm. 62), aber dennoch trifft nicht zu, daß „the reference of πόλιν τάνδ’ is […] absolutely clear from the context here, and it is clearly Thebes (which is named in v. 80, whose heroes are celebrated in vv. 79–89, and whose Διρκαίων ὑδάτων are recalled in v. 88)“ (Hubbard 1991 26): ὅδε wird bei Pindar deiktisch oder kataphorisch, niemals anaphorisch verwendet (vgl. Slater s. v., KG § 467); so kann mit πόλιν τάνδε in diesem Kontext nur dann Theben bezeichnet sein, wenn es Aufführungsort wäre – dann aber stellte sich die Frage, wie und von wem Theben Ruhm gebracht worden wäre (90–92). Im übrigen zeigt sich, daß sich die scheinbare Konvention erst sekundär aus dem deiktischen Gebrauch des Pronomens ergibt, der wiederum anscheinend gerade darauf beruht, daß die Lieder tatsächlich am Heimatort des Siegers aufgeführt wurden.

294

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

Rückkehr Jungfrau bleibe; bevor er gegen die Teleboer ziehen kann, wird er von Amphitryon (willentlich oder unwillentlich) getötet, und dieser muß mit seiner Verlobten ins Exil nach Theben gehen (vgl. 82 f.); hier verweigert sie ihm das Ehebett bis zur Rächung der Brüder.118 Nach der Rächung kehrt er heim, und ihre erste Liebesvereinigung vollzieht sich, allerdings erst nach der mit Zeus (in Amphitryons Gestalt) kurz zuvor; hieraus geht Iphikles als Sohn des Menschen Amphitryon, Herakles als Sohn des Gottes hervor.119 Entsprechend zeigen sich die folgenden Parallelen: 1) Im thebanischen Mythos wird von einer Liebesvereinigung berichtet, und zwar mittels desselben Verbs, mit dem kurz zuvor Apollons und Kyrenes Vereinigung bezeichnet wird (68: μίγεν ≈ 84: μιγεῖσα; vgl. 13: γάμον μιχθέντα). 2) Bei der Liebesvereinigung, aus der Herakles und Iphikles hervorgehen, handelt es sich um die allererste Liebesvereinigung der Ehe; sie findet erst in der neuen Heimat Theben statt. Beides war auch bei Apollon und Kyrene der Fall. 3) Hieraus geht großer Segen hervor, nämlich Iphikles und Herakles; beide müsse jeder vernünftige Mann loben. Auffällig ist hierbei, daß beide Brüder (im Gegensatz zur Mythentradition) gleichwertig sind: Sie werden mit derselben Wehe geboren (85), sie sind ohne Abstufung διδύμων κρατησίμαχον σθένος υἱῶν (86), und sie sind uneingeschränkt desselben Lobes würdig (87 f.).120 Das Ergebnis der Liebesvereinigung mit Alkmene soll also in jeder Hinsicht als gut erscheinen, und dies erklärt sich damit, daß sowohl Herakles als auch Iphikles narrativ Aristaios (metaphorisch-implizit) entsprechen sollen. Auf diese Parallelität weist ebenso hin, daß einmal von der Nährung durch die Horen und Gaia (62 f.), einmal von der durch die Dirke (88) die Rede ist. 4) Alkmenes Qualifizierung als δαΐφρων (84), verstanden als „warlike, fiery“,121 impliziert, daß sich auch hier die positive Eigenschaft der Mutter auf die Kinder überträgt, das διδύμων κρατησίμαχον σθένος υἱῶν (86). Diese Annahme ist um so legitimer, als in Pythie 9 die Ursache des von jemandem ausgelösten Begehrens immer explizit benannt wird (insbesondere 30–35. 97 f. 108 f.). Apollon- (und Alexidamos-) Mythos einerseits und der thebanische Mythos andererseits sind damit strukturell äquivalent. Allerdings wird im theba118 Apollod. 2, 4, 6, insgesamt 5–8; vgl. Hes. scut. 1–56 (besonders 11 f.: Tötung Elektryons im Streit; 1–3. 12 f.: gemeinsames Exil in Theben; 14–19: Verweigerung der Liebesvereinigung vor der Rache); s. insgesamt zu Alkmene und Amphitryon Gantz (1993) 374–378. 119 So Hes. scut. 27–56, Apollod. 2, 4, 8 sowie N. 10, 13–17 und in diesem Lied 84–86. 120 S. Nash (1982) 93; vgl. Hes. scut. 48–56. 88; in Apollod. 2, 4, 8 ist Herakles auch um eine Nacht älter. 121 LSJ s. v. 1 (vgl. B. 5, 122. 137). Alternativ läßt sich das Wort als „wise, prudent“ (LSJ s. v. 2) verstehen (zur Etymologie und zur ursprünglichen Bedeutung s. Chantraine und Frisk s. v.; vgl. Allen 1880 133–135). Obgleich letzteres das gewöhnliche Verständnis ist (vgl. Slater s. v.), legt die ungewöhnliche Beschreibung Kyrenes mit der Betonung des Kampfesmutes ersteres nahe (vgl. unten S. 297 Anm. 129 zu εὐώλενον [17]), zumal für Pindar die Ableitung des Wortes von δαΐ (vgl. LSJ s. v. δαίς) näherliegend gewesen sein dürfte.

6.4. Apollon und seine Braut

295

nischen Mythos vor allem der aus der Ehe hervorgehende fortdauernde Segen betont: Einen größeren Segen als Herakles und Iphikles könnte es kaum geben.122 Daß dies die Pointe ist, zeigt sich deutlich daran, daß Iolaos als Erbe der wehrhaften Eigenschaften des Vaters und des Onkels diese durch die Tat beweist und Eurystheus tötet; entsprechend wird er von den Thebanern durch eine Bestattung bei seinem Großvater Amphitryon geehrt (80–82).123 Der thebanische Mythos greift damit die anderen Mythen des Liedes in einer metaphorisch-impliziten Zeichenbeziehung auf, die das Erzählte als parallel ausweist. So hat auch er an der Semantik der den anderen Mythen zugrundeliegenden Sportmetaphorik teil, so daß insbesondere die Vereinigung mit Alkmene als begehrtes Ziel der Anstrengungen erscheint, die Amphitryon wie Zeus um der positiven Eigenschaften der Braut willen unternehmen und (selbstverständlich) erfolgreich absolvieren – woraus dann wiederum größter Segen hervorgeht.124 6.4.4Zusammenfassung Die Untersuchung des Apollon-Kyrene-Mythos hat folgendes ergeben: Apollons Gewinn Kyrenes ist ein sportlicher Sieg, der Alexidamos’ Sieg parallel ist, und zwar nicht nur allgemein, sondern (mutatis mutandis) auch im Detail: Ein Siegpreis in einem Brautlauf erregt das große Verlangen eines Mannes, ihn für sich zu gewinnen; dies gelingt ihm aufgrund seiner sportlich-läuferischen Leistung. Er erringt seinen Sieg durch eine Berührung des Siegpreises, zugleich konkretes Ziel des Laufes, und nimmt ihn in Besitz. Als Bräutigam führt er die Braut in ihr neues Zuhause, wo man sie wohlwollend empfängt und dann die Hochzeitsnacht stattfindet, aus der sowohl für die Bewohner der neuen Heimat als auch für sie selbst der größte Segen erwächst. Die positiven Eigenschaften der Braut, die auch das Verlangen des Läufers erregt haben, spiegeln sich in diesem Segen wider und bilden seine eigentliche Grundlage, bei Kyrene die Jagd und das Hüten der Herden, bei Antaios’ Tochter die Schönheit. Daß dieser Segen ewig währt, hat sich in bezug auf Kyrene und Aristaios schon gezeigt; bezüglich Antaios’ Tochter offenbart sich dies, wenn die Eigenschaft der Schönheit sowohl an ihr (108 f.) als auch an ihrem Nachfahren (105) Telesikrates hervorgehoben wird (97–100, eben122 Vgl. Köhnken (1985) 108 f., der zu Recht darauf hinweist, „dass die beiden für die Ode konstitutiven Themen, bedeutungsvolle ‚Vermählung‘ […] und kampfstarke ‚Nachkommenschaft‘ […], in das Auge fallen“ (109). 123 Der Satz in 81–82 leitet also nicht nur zu Amphitryon über und ehrt einen Heros, der mit Wettspielen verbunden ist, bei denen Telesikrates siegte (Carey 1981 91; s. u.). 124 Insofern dient die Passage 89–96 nicht als „extension of the poet’s apology for digression on Theban themes in a non-Theban ode“ (Hubbard 1991 23); vgl. unten S. 299–303.

296

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

so 74 hinsichtlich der kyrenischen Frauen allgemein). Damit perpetuiert der sportliche Sieg die positiven Eigenschaften des begehrten Siegpreises. Apollon- und Alexidamos-Mythos sind damit parallel; sie beleuchten und ergänzen sich gegenseitig, wobei der Apollon-Mythos in seiner semantischen Struktur erst durch den Alexidamos-Mythos verstehbar wird. Dieser ist also integraler Bestandteil des Epinikions und keinesfalls „an after-thought suggested by Telesikrates or one of his relatives“, so daß „the ode, therefore, altogether lacks unity“.125 Die dennoch festzustellenden Unterschiede zwischen beiden Mythen erklären sich entsprechend dem metaphorischen Prinzip des Gleichen im Verschiedenen, denn sie sind der jeweils anderen Gesamtsituation angepaßt – und dienen dem Zweck, den Sieg theologisch deuten zu können, so daß seine schicksalhafte und göttlich legitimierte segenspendende Kraft offenbar wird. Beide Mythen verbindet, daß einerseits Heiraten und Laufen als prinzipiell wesensgleiche Tätigkeiten dargestellt sind, ausgedrückt mittels einer metaphorischen Parallelisierung, und daß aus ihnen andererseits schicksalhafter zukünftiger Segen hervorgeht, der (wie Aristaios) ewige Dauer hat und der speziell in der Perpetuierung der positiven Eigenschaften des Siegpreises selbst besteht.126 Wirkort des Segens ist die neue Heimat der Braut: die Heimat des Siegers.127 Die Mythen demonstrieren und begründen damit theologisch, wie Laufsiege segensreich wirken. Eine Stütze findet dieses Verständnis in der Beobachtung, daß Pindar anscheinend auch bei diesem Mythos (vgl. oben zum Argonautenmythos in Pythie 4) eine (neben anderen) entscheidende Veränderung gegenüber der herkömmlichen Variante vorgenommen hat: Während Kyrenes Löwenkampf in Pythie 9 in Thessalien lokalisiert ist, findet er bei Akesandros und Kallimachos in Libyen statt, und zwar erst nachdem Kyrene von Apollon dort hingebracht wurde; dabei tötet Kyrene den Löwen auf Bitten des dortigen Königs Eurypylos, der als Preis hierfür die Herrschaft über Libyen verspricht.128 125 Farnell 2, 139. 126 Vgl. Köhnken (1985) 94 f. 127 Damit thematisiert der Apollon-Mythos nicht den Gegensatz von Kultur und Natur oder handelt davon, daß „girls who have elected virginity […] come to accept marriage“ (Robbins 1978, das Zitat 104; s. dagegen auch Jakob 1994); ebensowenig offenbart er den Unterschied von unerlaubter und erlaubter öffentlicher Liebesvereinigung (s. o.). 128 S. Akesandros FGrH 469 F 4 (vgl. F 3 und oben S. 251 Anm. 300, auch zu Eurypylos), Kall. h. 2, 91 f. Da Hes. fr. 215 MW in Σ P. 9, 6a (Pindar greife auf Hesiod zurück) nicht für den Löwenkampf allein, sondern für die gesamte Kyrene-Geschichte angeführt wird, kann dies nicht belegen, daß „in the earlier forms of the legend […] Cyrene slew her lion in Thessaly“ (Williams 1978 79; vgl. Radici Colace 1975, Studniczka 1893; richtig Drexler 1931, besonders 458). Da allein schon Kyrenes Charakterisierung in beiden Versionen auffällig differiert (s. u., besonders Anm. 129), dürfte dies auch für den Rest gelten (abgesehen von der zugrundeliegenden Liebe Apollons, aufgrund deren Kyrene nach Libyen gebracht wird: richtig Köhnken 1985 103); s. insgesamt Köhnken (1985) 98–103 (vgl. Carey 1981 66); vielleicht greift er nicht zu Unrecht Lübberts Vorschlag auf (102 f.), daß

6.4. Apollon und seine Braut

297

Diese letzte Version erklärt sich sinnvoll damit, daß sie die kyrenische Herrschaft über Libyen legitimieren soll; entsprechend muß der Löwenkampf in Libyen selbst stattfinden und ist ein integraler Bestandteil des Mythos. In der ersten Version ist der Löwenkampf jedoch nur dann sinnvoll, wenn der gesamte Mythos wie in Pythie 9 angelegt ist und sich der Gott gerade in das Kämpfertum des Mädchens verliebt – und nicht, wie in anderen Versionen, in ihre Schönheit; von dieser redet Apollon bei Pindar bezeichnenderweise überhaupt nicht.129 In Pythie 9 muß der Löwenkampf als Höhepunkt der kämpferischen Betätigungen des Mädchens (der Löwe als stärkstes Tier entspricht ihr vollkommen)130 noch in ihrer alten Heimat Thessalien stattfinden, bevor (oder vielmehr: damit) sich der Gott in sie verliebt. Dann liegt es freilich nahe, daß Pindar selbst den Platz des Kampfes von Libyen nach Thessalien verlegt hat, und zwar entsprechend der speziell auf Telesikrates ausgerichteten Semantik seines Kyrene-Mythos.131 Dies hat jedoch, im Vergleich mit dem Kyrene-Mythos bei Hesiod, bedeutende semantische Konsequenzen, denn nicht nur ändert sich die Ursache der Liebe Apollons, sondern auch die Legitimierung von Kyrenes Herrschaft in Libyen: Sie beruht nicht mehr auf der Übereignung der Herrschaft durch den menschlichen Herrscher Eurypylos (also ähnlich wie in Pythie 4, wo Eurypylos freilich Poseidonsohn bzw. ein verkleideter Gott ist), sondern auf der Übereignung durch den Gott Apollon (vgl. besonders 54), und hierdurch erhält sie eine ungleich höhere Legitimität. Zugleich geht die Struktur des Apollon-Mythos in die des Alexidamos-Mythos über, denn auch beim Erwerb Kyrenes folgen dieselben Ereignisse aus denselben Ursachen aufeinander (man beachte die botanische Metaphorik analogen Inhalts).132

129

130

131

132

die thessalische Nymphe erst seit Pindar mit der libyschen Stadt Kyrene, wohl ursprünglich nach der Quelle Kyra benannt (vgl. Kall. h. 2, 88; s. Williams 1978 77), assoziiert ist. S. Köhnken (1985) 98 f.; vgl. Hes. fr. 215 MW, wo es von Kyrene heißt, daß sie schön (καλή) sei und ihre Schönheit von den Chariten habe (Χαρίτων ἄπο κάλλος ἔχουσα; vgl. Diod. 4, 81, 1). Auch der einzig mögliche Verweis auf ihre Schönheit in P. 9 (17: εὐώλενον) bedeutet im Kontext eher „starkarmig“ als „schönarmig“ (Köhnken 1985 99; vgl. 115; vgl. Eur. Hipp. 605). Vgl. oben S. 294 Anm. 121 zu δαΐφρων (84). Vgl. Aristoteles’ Löwenmetapher (rhet. 1406 b20–25); den Löwen zeichnet wie Kyrene (35) große ἀλκά aus (vgl. Hom. Il. 5, 299; 17, 61. 111, Od. 6, 130), bei Pindar auch (ebenfalls wie Kyrene: 31) der θυμός (I. 3/4, 63–65); vgl. Carey (1981) 73, s. u. S. 307 Anm. 162. Der Löwe ist der typische Angreifer der Herden: vgl. Hom. Il. 5, 161; 10, 485 f.; 11, 172– 174; 12, 299–301; 15, 630–636; 16, 487–489; 17, 542; 18, 579–586; 24, 41–43. Oder der Löwenkampf wurde erst von Pindar erfunden, „analog zum Löwenkampf des Herakles und in Anlehnung an die Auseinandersetzung des Battos mit den libyschen Löwen“ (Köhnken 1985 102, insgesamt 102 f.); zumindest ist P. 9 das älteste Zeugnis (Chamoux 1953 378 ff.). Letztlich ist jedoch unerheblich, ob Pindar den Löwenkampf erfunden oder nur an einen anderen Ort versetzt hat, denn für die Aussage ist einzig entscheidend, daß der Kampf in Thessalien vorher mit Sicherheit nicht zum Mythos gehört hat. Auf die parallele botanische Metaphorik weist Köhnken (1985) 106 hin. Die Funktion

298

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

6.5Telesikrates und der Ruhm Vor dem Hintergrund der bisherigen Erkenntnisse lohnt sich ein zweiter Blick auf die Beschreibung von Telesikrates’ Sieg, denn sie weist eine auffällige Parallelität zum Apollon- und Alexidamos-Mythos auf – und zwar nicht nur deswegen, weil es sich um Siege im Laufen handelt.133 Vielmehr wird mittels der Formulierung νικάσαις ἀνέφανε Κυράναν, ἅ νιν εὔφρων δέξεται … δόξαν ἱμερτὰν ἀγαγόντ’ ἀπὸ Δελφῶν (73–75) Telesikrates’ Sieg auch im Detail auf die beiden anderen Siege bezogen und als parallel ausgewiesen:134 Telesikrates erringt einen Sieg und erlangt hierdurch als Siegpreis begehrte δόξα – oder besser: Δόξα, die er als seine Braut aus ihrer alten Heimat Delphi in die neue Heimat Kyrene führt, wo sie von der Hausherrin Kyrene wohlwollend in Empfang genommen wird.135 Dies entspricht exakt dem Brautlauf und der auf ihn folgenden Heirat in den beiden anderen Mythen. Die Parallelität zeigt sich insbesondere daran, daß einerseits Telesikrates wie Alexidamos seine Braut davonführt (75: ἀγαγόντα ≈ 123: ἆγεν; vgl. 6 zu Apollon) und daß andererseits Libya ebenso Kyrene sowie die Nomaden Alexidamos und seine Braut wohlwollend aufnehmen, wie Kyrene dies bei Telesikrates und seiner Braut tut (56 f.: δέξεται … πρόφρων ≈ 123 f. ≈ 73: εὔφρων δέξεται).136 Und ebenso wird explizit Telesikrates’ Motivation angeführt, denn die Δόξα wird als „begehrt“ (75: ἱμερτάν) qualifiziert; das Begehren ist aber auch für Apollon und Alexidamos die eigentliche, explizit genannte Motivation, sich um ihre Braut zu bemühen.137 Der Grund für Telesikrates’ Begehren wird zwar nicht explizit genannt (wie bei Kyrene das Kämpfertum oder bei Antaios’ Tochter die Schönheit), aber der Sinnzusammenhang offenbart als Motiv das mit der Δόξα verbunde-

133 134 135

136 137

der Parallelisierung des Liebesimpulses besteht aber nicht darin, daß das „unmittelbare Liebesverlangen durch ein retardierendes Moment aufgehalten [wird], das der beabsichtigten Vermählung eine besondere Wendung gibt“: Das retardierende Moment ist nur die andere Seite der vorherbestimmten, von Apollon und Alexidamos bereitwillig gesuchten Heirat, die erst (in der Liebesvereinigung der Hochzeitsnacht) den zukünftigen Segen schafft. Eine Liebesvereinigung ohne Heirat ist in P. 9 niemandes Ziel. Zu letzterem vgl. Woodbury (1982) 255 mit Anm. 37. Vgl. Köhnken (1985) 74–76. Vgl. Felson-Rubin (1978) 364, ebenso Carson (1982) 121–124, Carey (1981) 86 f., Kurke (1991a) 127 f. Angesichts der Formulierung ist Telesikrates’ Braut nicht der Sieg (Robbins 1978 103 Anm. 38; vgl. Ruck – Matheson 1968 216, Carson 1982 122). Zu Personifikationen bei Pindar s. o. Kap. 2.5.3.3, speziell für die Situation Prophasis in P. 5, 27 f.; man beachte hier auch Peitho (39a) und Hypnos (25; eindeutig wegen σύγκοιτον [23]; vgl. Lyne 1971 mit einem Vergleich dieser Stelle mit Prop. 4, 4, 65–68, Carey 1981 73). In εὔφρων (73) liegt zugleich ein Verweis auf die Euphrosyne des Festes (s. o. Kap. 4.3.3). Angesichts dieser durchgängigen Zuweisung der Schönheit an das Objekt der Begierde von Männern muß man nicht annehmen, daß „for strict correspondence the θαητὸν εἶδος [sc. der Tochter des Antaios] should have been that of Alexidamus“ (Carey 1981 100).

6.5. Telesikrates und der Ruhm

299

ne Glück. In diesem Sinne ist die Beschreibung der Auswirkung des Sieges in 71 f. zu verstehen: Durch ihn habe Telesikrates seine Heimatstadt Kyrene in Pytho mit „üppig gedeihendem Glück“ verbunden (72: εὐθαλεῖ συνέμειξε τύχᾳ); dieses Glück wiederum beruht auf seiner Heirat mit Δόξα, ist mithin das unmittelbare Produkt ihrer Verbindung. Und ebenso wie das Produkt aus Apollons und Kyrenes Verbindung, Aristaios, und das Produkt aus der Verbindung von Alexidamos und Antaios’ Tochter gedeiht, so gedeiht auch das neue Glück Kyrenes (72: εὐθαλεῖ) und kommt wie Aristaios’ Kampfeskraft oder die Schönheit von Antaios’ Tochter nicht nur Telesikrates selbst, sondern auch der neuen Heimat der Braut zugute. Dieses Glück, Telesikrates’ Motivation des Begehrens, ist angesichts der Parallelität zu den Mythen die charakteristische Eigenschaft der Braut, die Telesikrates gerade durch seinen Sieg zu perpetuieren vermag. Freilich profitiert auch er selbst hiervon, denn ebenso wie Apollon Kyrenes Kampfeskraft und Alexidamos die Schönheit von Antaios’ Tochter genießen können, kann Telesikrates das Glück der Δόξα genießen, mit der er sich in der Hochzeitsnacht vereinigt – und durch die wiederum das Glück seine schicksalhaft-notwendige und gottgewollte Perpetuierung erfährt. Voraussetzung der Möglichkeit der Perpetuierung ist freilich, daß Kyrene als neue Heimat der Braut die besten Voraussetzungen für das Gedeihen ihrer positiven Eigenschaften besitzt, ebenso wie das tier- und fruchtreiche Libyen für die Jägerin und Herdenbeschützerin Kyrene. Dies ist tatsächlich der Fall, denn der Sprecher des Epinikions (unzweifelhaft als Vertreter des kyrenischen Volkes: ob historisch die Person Pindar sprach oder die kyrenischen Bürger, ist in dieser Hinsicht unerheblich) befolgt das selbst angeführte Gebot, eine große Tat (also die Grundlage und Legitimation der Δόξα) richtig zu behandeln: Das mit Mühen gut Vollbrachte solle man nicht verbergen (93 f.), sondern sogar den Feind aus ganzem Herzen und mit Recht, d. h. ohne Schmeichelei und Verzerrung der Wahrheit, preisen, wenn er etwas Schönes vollbracht hat (95 f.)138 – und um wie viel mehr muß man dann, so ist impliziert, den Freund loben, dessen große, mit Mühe errungene Tat der Gemeinschaft zugute kommt (93: ἐν ξυνῷ).139 Dieses Gebot befolgt der Sprecher, wenn er Telesikrates ausführlich für seine Siege in allen lokalen Wettspielen (97–103, besonders 102 f.)140 unter 138 Zu σύν τε δίκᾳ (96) s. Carey (1981) 97; vgl. O. 6, 12–14, N. 3, 29, N. 7, 48–50, B. 13, 199– 202; vgl. auch oben S. 69 f. Anm. 220 zur geforderten Wahrhaftigkeit des Lobes. 139 Zum πόνος im Sportlichen s. o. S. 137 f. Anm. 67; zum Nutzen für die Gemeinschaft beachte man 91 (s. u. S. 301 Anm. 143) und vgl. O. 13, 49, P. 11, 54, I. 1, 45 f., I. 6, 69, allgemein Kurke (1991a) 195–224 (zu dieser Stelle 208); s. Burton (1962) 55, Carey (1981) 96 f. 140 Zu diesen Siegen s. Schroeder (1922) 87, Wilamowitz (1922) 266, Burton (1962) 56 f., Kirkwood (1982) 230 f. Mit τελεταῖς ὡρίαις ἐν Παλλάδος (97 f.) sind nicht die Panathenäen (anders Σ P. 9, 177, Farnell 1915 198–200 und 2, 210 f., Hubbard 1991 26; richtig

300

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

Hervorhebung des Begehrens, das er bei den Frauen erweckt (98–100), als auch für seine drei auswärtigen Siege bei den Iolaeia in Theben,141 auf Aigina Woodbury 1982 246 Anm. 7 mit Verweis auf Hdt. 4, 180, 2; 4, 188 f.: Atheneverehrung in Libyen) und mit ἐν Ὀλυμπίοισί … ἀέθλοις (101) nicht die Spiele in Olympia gemeint. 141 In 79 f. ist von einer Ehrung des Telesikrates (νιν) durch Iolaos im Sinne der Gewährung eines Wettkampfsieges die Rede (Schroeder 1922 85, Rose 1931 158, Bundy 1986 17 f., Burton 1962 48 f., Fränkel 1962 510, Köhnken 1976 63–66, Péron 1976 64–66, Carey 1981 90 f., Race 1990 81; anders Mezger 1880 246, Wilamowitz 1922 264 f., Farnell 1931 und 2, 206 f., Floyd 1968 191 Anm. 13; vgl. Felson 2004 379 f.; vgl. O. 7, 83–86, I. 2, 18, N. 6, 39–41, B. 13, 193–198), schon allein wegen des allgemeinen Wortgebrauchs von τιμᾶν (superlativisch verstärkt in οὐκ ἀτιμάσαντα [80]: s. o. S. 252 Anm. 304), das in der Regel in bezug auf einen Sieg verwendet wird (vgl. Slater s. v.). Während hiergegen weder die Ferne des Bezugswortes noch ποτε (79) (beides Farnell 1931; doch vgl. N. 4, 61–65 [s. o. S. 156 Anm. 140], P. 4, 291–293 [s. o. S. 234 Anm. 232] bzw. P. 3, 74, N. 6, 34–38. 42–45, N. 9, 52 f., N. 10, 25–28, I. 8, 64 f.; zu beidem s. Burton 1962 49, der diese Stelle wohl nicht zu Unrecht als Parenthese auffaßt; s. allgemein Braswell 1988 95 f.; zu einem parentheseeinleitenden δέ [hier 76] vgl. Slater s. v. 2 f ) sprechen, ist dafür unter anderem folgendes anzuführen: 1) Die Orte von Telesikrates’ Siegen (Theben, Aigina, Megara) stimmten mit der Gesamtzahl der Siege bei auswärtigen Spielen (nur auswärts bringt der Sieger der Heimat Ruhm: s. Cole 1987 562) überein, nämlich drei: τρὶς δή (91) (s. Christ 1896 211). Dieses τρὶς δή könnte freilich grundsätzlich entweder drei Siege in Megara (so Σ P. 9, 161), drei Siege in Megara und Aigina zusammen (so Σ P. 9, 160), jeweils drei Siege in Megara und Aigina (τε – τε) oder insgesamt drei Siege bei auswärtigen Spielen (in Theben, Aigina und Megara) bezeichnen. Allgemein hat Pindar aber anscheinend oftmals den Eindruck zu erzeugen gesucht (ohne dies aber zugleich eindeutig zu behaupten), daß der Sieger mehr Siege errungen hat, als es tatsächlich der Fall war; dabei scheint die Zahl der tatsächlichen Siege in der Regel die hinsichtlich der Formulierung geringstmögliche zu sein (s. umfassend Cole 1987 [zu dieser Stelle 561 f.]); vgl. vor allem I. 1, 10 f., wo die Angabe ἐπεὶ στεφάνους ἓξ ὤπασεν Κάδμου στρατῷ ἐξ ἀέθλων offenbar so zu verstehen ist, daß sie die sechs in I. 1, 52–59 genannten Siege (einschließlich des jetzigen isthmischen) bezeichnet, obgleich im Kontext der Eindruck entsteht, alle sechs Siege seien isthmische (s. Thummer 2, 12 f., Cole 1987 560 f.; vgl. I. 6, 60–62 mit Thummer 2, 109). 2) Es würde verständlich, was mit τοῖσι [sc. Herakles und Iphikles: vgl. zur Sache I. 1, 55 f.] τέλειον ἐπ’ εὐχᾷ κωμάσομαί τι παθὼν ἐσλόν (89 f.) gemeint ist, nämlich die Absicht des Feierns (κωμάσομαι) wegen der Gewährung des Sieges in Theben (τέλειον … τι παθὼν ἐσλόν: vgl. O. 6, 11, O. 10, 91, P. 8, 88; so schon Σ P. 9, 156a; s. auch Carey 1981 93) durch die thebanischen Heroen (τοῖσι), um die der Sprecher für den Sieger gebeten hatte (ἐπ’ εὐχᾷ); dies schlösse den Ring zur Mythoseinleitung, wo genau dieser Gedanke ausgedrückt ist (79 f.: Ἰόλαον οὐκ ἀτιμάσαντά νιν); vgl. P. 7, 18 und s. Fränkel (1962) 490 mit Anm. 10, Péron (1976) 66 f., Köhnken (1985) 109 mit Anm. 91, Hubbard (1991) 33; zur Sprechsituation s. Fränkel (1962) 543 Anm. 12; zum Futur s. Race (1990) 82 Anm. 61 (auch allgemein 2004 86–92; mißverstanden bei Farnell 2, 207 f.); zugleich wäre der Inhalt des Gebetes nicht mehr rätselhaft (vgl. Schroeder 1922 86, Wilamowitz 1922 265). Der IolaosMythos ist dabei als Aitiologie für seinen Kult in Theben, in dessen Rahmen auch die Iolaeia (oder Herakleia: vgl. oben S. 158 Anm. 145; es liegen damit nicht zwei thebanische Siege vor [so Bundy 1986 17 f.]) gefeiert wurden, zu verstehen (Nash 1982 90), wobei man beachte, daß sich Iolaos’ Heroon nahe dem Stadion und Gymnasion befand (Paus. 9, 23, 1; vgl. O. 1, 90–96) und es als sein Grab galt (vgl. O. 9, 98 f. mit Σ O. 9, 148 und Σ N. 4, 32, ebenso N. 4, 19–24; s. auch Christ 1895 5–11; wie Carey 1981 91 zeigt, bestä-

6.5. Telesikrates und der Ruhm

301

und in Megara (90–92) lobt: Er sei der Ohnmacht, die aus dem Schweigen hervorgeht (92: σιγαλὸν ἀμαχανίαν), durch seine Tat entkommen (92),142 als er seiner Heimatstadt (91: πόλιν τάνδε) diese drei Siege gebracht habe (91: τρὶς … εὐκλέϊξεν), und zwar deswegen, weil (93: οὕνεκεν, konkret σιγαλὸν ἀμαχανίαν ἔργῳ φυγών [92] erklärend) es ein allgemeines, göttliches Gebot sei, den Vollbringer guter Taten zu preisen (93–96; vgl. O. 6, 4–7).143 So zeigt sich hier zweifelsfrei, daß das vom Meeresgreis (Nereus, Pontos’ gerechtem tigt dies den Bezug von νιν auf Telesikrates). Der Satz Χαρίτων … φέγγος (89a f.) ist also als eingeschobene Bitte darum aufzufassen, daß die Chariten den Sprecher des Epinikions, nachdem er schon Telesikrates’ Sieg in Theben mit Hilfe der Chariten gepriesen hat, jetzt nicht verlassen, sondern ihm weiterhin beistehen, damit er noch die zwei anderen bedeutenden Siege des Telesikrates (auf Aigina und in Megara) preisen könne (90: γάρ; s. auch Köhnken 1985 Anm. 91, vgl. Bundy 1972 78 f.; zur sprachlichen Form s. Race 1983 120 f.). Es handelt sich also um eine sprachliche und inhaltliche Aufnahme des Liedbeginns, an dem die Chariten ebenfalls mit Bezug auf das Gelingen des jetzigen Siegesliedes genannt werden; zudem ist das kurze Gebet durch 89 f. motiviert, so daß es sich nicht um einen abrupten Übergang handelt (so Hubbard 1991 34). Vgl. unten Anm. 143. 142 Für ἔργον bezüglich des Laufens vgl. O. 13, 35–40 (und s. o. S. 110 Anm. 108, S. 206 Anm. 103). Hier liegt eine Metapher aus dem Laufsport vor, denn φεύγειν findet häufig eine Anwendung auf den Läufer, der dem Bewerberfeld vorauseilt: vgl. Hom. Il. 22, 157 f., ebenso P. 9, 121 (s. o. S. 271 Anm. 26). Vgl. die Erklärung in Σ P. 9, 160. 163. 143 Im Kontext liegt nahe, statt des überlieferten εὐκλεΐξαι (91) mit Pauw εὐκλέϊξεν zu lesen; φαμί (91) ist also parenthetisch (vgl. P. 3, 75 f.; s. KG § 548 3), während das Verb im Sinne von „‚bring honour to‘, […] the usual meaning of this verb“ (Carey 1981 95; vgl. B. 6, 16), zu verstehen ist (s. insgesamt Burton 1962 54 f., Carey 1981 94 f., Kirkwood 1981 18–21, D’Alessio 1994 131 f.; anders Maas 1920 25 f., Farnell 2, 207 f., Floyd 1968 197 f., Péron 1976 67–71, Nash 1982 98 f., Hubbard 1991 27 f.); alternativ (allerdings ohne entscheidend anderen Sinn) könnte mit Hermann (1839) 163 εὐκλέϊξας zu lesen sein (so auch Schroeder 1922 86 f.; einen knappen Überblick über alle Vorschläge gibt Hubbard 1991 24 f. Anm. 9). Daß „εὐκλέϊξε […] introduces an equally [sc. wie εὐκλέϊξας] troubling unidentified third-person“ (Hubbard 1991 28), ist nicht der Fall, denn Telesikrates (also das geforderte Subjekt zu εὐκλέϊξεν) ist als Sportler der natürliche Empfänger des τέλειον … ἐσλόν (89 f.), des thebanischen Sieges (vgl. oben Anm. 141). Ebensowenig stichhaltig ist der Einwand, daß „there is nothing particularly remarkable about Aegina and Megara as sites for Telesicrates’ putative athletic glorification of Cyrene“ (Hubbard 1991 27; s. freilich zu den Orten der früheren Siege oben Anm. 141) und daß deshalb das parenthetische φαμί nicht wie in P. 3, 75 emphatisch gebraucht sein könne. In der Tat liegt nämlich auch hier eine Emphase vor, die allerdings nicht den Ort des Sieges hervorhebt, sondern das vorangehende Gebet motiviert: ‚Die Chariten mögen mich nicht verlassen, denn es sind, wie ich sagen möchte, in der Tat noch mehr Siege des Telesikrates zu nennen‘ (kaum ist der Grund der Emphase die Passage 93–96 [Burton 1962 54 f.]). οὕνεκεν (93) hat im Sinne von „weil“ (vgl. LSJ s. v. I 2, Slater s. v. b) seinen entscheidenden inhaltlichen Anknüpfungspunkt in σιγαλόν (92), nicht in ἔργῳ φυγών (92), weswegen auch keine Änderung in τοὔνεκε notwendig ist (so Maas 1920 26; vgl. Slater s. v. οὕνεκεν c): Das allgemeine Gebot ist der Grund für das Entfliehen aus dem Schweigen, nicht Telesikrates’ Tat der Grund für das allgemeine Gebot (doch vgl. Kurke 1991a 208 Anm. 28). Zum Gedanken vgl. mutatis mutandis N. 7, 11–16, insbesondere 11–13, fr. 229, 1, I. 3/4, 19–21, O. 8, 67–73; vgl. für eine enge sprachliche Parallele N. 9, 6 f.

302

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

Sohn)144 aufgestellte Gebot zum Preisen gilt und daß der Sprecher es bereitwillig beherzt; daher kann auch Telesikrates dem Schweigen gerade dadurch entkommen, daß er jetzt für seine drei Siege gepriesen wird (79 f. 90 f.). Dieser Gedanke ist parallel zu dem in 87, insofern dort gesagt ist, daß jeder, der nicht κωφός ist, Herakles lobe, und zwar (wie sich angesichts von 93 ergänzen läßt) aufgrund seiner großen Taten, durch die er Ruhm erworben hat. Da sich auch Telesikrates durch seine Tat vom Schweigen (sc. der anderen) befreit hat (92), ist impliziert, daß auch ihn jeder wie Herakles lobt.145 Die allgemeine, uneingeschränkte Formulierung σιγαλὸν ἀμαχανίαν … φυγών (92) macht deutlich, daß Telesikrates dem Schweigen schlechthin entflohen ist; hierauf weist auch der polare Ausdruck εἰ φίλος ἀστῶν, εἴ τις ἀντάεις (93) des allgemeinen Gebots hin. So erscheint Telesikrates Herakles (und Iphikles) vergleichbar, und ihre Taten werden indirekt, d. h. metaphorisch parallelisiert. Das angeführte Gebot des Alten vom Meer, das allgemeine Gebot des Lobens (vgl. N. 8), begründet damit sowohl Telesikrates’ als auch Herakles’ und Iphikles’ Ruhm. Es bildet den Hintergrund der in 76 beginnenden Passage und schließt den Ring zu dem speziell in 76–79 ausgeführten Gedanken zu großen Taten und ihrem Lob: Wo große Leistungen zu preisen sind, ist man versucht viele Worte zu machen, aber die wahre Kunst verlangt, daß aus der Masse nur weniges ausgelesen wird. Der Kairos (d. i. die Norm der treffsicheren Wahl und weisen Beschränkung, der Sinn für das jeweils den Umständen Angemessene, Geschmack, Takt u. ä.) allein zeitigt Vollkommenes auf irgend einem Gebiet.146 144 Zumindest ist der ἅλιος γέρων in Hom. Od. 24, 58 und Hes. theog. 233–236. 1003 Nereus (s. insgesamt West 1966 232 f.); in diesem Zusammenhang des Lobens ist Hesiods Etymologie des Namens Nereus beachtenswert (s. Risch 1947 77, West 1966 233 f.). 145 Zur inhaltlichen Parallelität von 87 und 92 s. Nash (1982) 86 f. Die ἀμαχανία ist die des Sportlers, nicht Pindars (letzteres Wilamowitz 1922 265 f., Farnell 2, 208) – obgleich dies für den Gesamtsinn letztlich unerheblich ist: Gegenstand des Schweigens ist in beiden Fällen Telesikrates mitsamt seinen Taten (vgl. Carey 1981 95). 146 So Fränkels (1962) 509 f. Paraphrase. Die Diskussion zu dieser Stelle faßt Young (1983) zusammen und arbeitet ihren Sinn im Anschluß an Norwood (1956) 169 (mit Anm. 20 S. 265) und Bundy (1986) 18 (mit Anm. 44) im großen und ganzen überzeugend heraus; insbesondere ist βαιά quantitativ aufzufassen (159), ἐν μακροῖσι mit Bezug auf „the source from which the few subjects are to be drawn“ zu verstehen (159: „it means ‚among extensive subjects‘“), während ποικίλλειν „‚elaborate‘ in full inherent detail“ meint (169, insgesamt 167–170); παντός ist auf κορυφάν zu beziehen (159 f.). Allerdings ist ὁμοίως nicht als „equally well“ (160) zu verstehen und παντὸς … κορυφάν nicht als „the essence of the whole“ in dem Sinne (159 f.), daß der Satz „by judicious selection and treatment (καιρός) I can convey the spirit (κορυφάν) of the whole just as well“ bedeutet (Bundy; richtig hierzu Köhnken 1985 110 Anm. 93). Im Zusammenhang ist nämlich deutlich, daß es nicht um eine Gleichberechtigung verschiedener Möglichkeiten geht, sondern daß das in 76– 79 Beschriebene (die Beachtung des καιρός) das einzig richtige Vorgehen ist; der καιρός ist überall in der gleichen Weise das Höchste (vgl. Carey 1981 89 f.); δέ (78) ist also kausal aufzufassen (vgl. oben S. 300 Anm. 141). Vgl. zu dieser Stelle Mezger (1880) 245, Gilder-

6.5. Telesikrates und der Ruhm

303

Große Leistungen (76: ἀρεταὶ … μεγάλαι) hat, wie die Stellung dieser Passage zeigt, insbesondere auch Telesikrates erbracht,147 und da hier im Namen ganz Kyrenes Lob ausgesprochen wird (welche reale Person auch immer gesprochen hat), zeigt die gesamte Passage 76–96, daß gerade Kyrene die beste neue Heimat für Δόξα ist: Hier wird sogar der Feind für Gutes gelobt. So hat Δόξα in Kyrene die besten Voraussetzungen zum Gedeihen, und damit ist auch in dieser Hinsicht gewährleistet, daß das Glück aus ihrer und Telesikrates’ Verbindung ewig währen wird. Der hier vorliegende inhaltliche Rückbezug impliziert im übrigen, daß es außer den zwischen 76 und 103 genannten Siegen weitere Siege des Telesikrates gegeben haben muß (auch wenn hier vielleicht tatsächlich alle wichtigen aufgezählt wurden): Telesikrates ist noch viel erfolgreicher, als man es in einem Epinikion darstellen könnte.148 Insgesamt ist Telesikrates’ Sieg also in demjenigen Rahmen zu verstehen, der durch die Mythen des Liedes gegeben ist: Auch er ist ein Brautlauf. Telesikrates’ Begehren richtete sich auf Δόξα, die er in Delphi gewinnen und daraufhin nach Kyrene führen konnte, wo sie den besten Nährboden findet, so daß ihr jetzt ein blühendes Leben bevorsteht. In allen drei erzählten Siegen werden metaphorisch Heiraten und Laufen verknüpft und als prinzipiell gleiche Tätigkeiten ausgewiesen; dies wiederum verknüpft auch die drei Begebenheiten insgesamt in metaphorischer Parallelisierung miteinander, so daß sie Zeichencharakter füreinander gewinnen. Unerheblich ist hierbei, daß bei Apollons und Alexidamos’ Sieg mehr die Heirat, bei Telesikrates’ Sieg mehr das Laufen im Vordergrund steht und den jeweiligen Anlaß zum Erzählen liefert, denn die Parallelität offenbart, daß es sich um verschiedenes Gleiches handelt: Erst auf der Grundlage dieser Erkenntnis wird die konkrete Semantik jeder einzelnen Begebenheit in einem letztlich theologischen Rahmen sinnvoll. Im komplexen Zusammenspiel der einzelnen Brautläufe entsteht eine gedankliche Einheit, deren einzelne Teile sich gegenseitig-komplementär erklären und deuten. Im Ergebnis offenbart sich, daß Telesikrates’ Sieg ähnlich dem Apollons und dem des Alexidamos seiner Heimat immerwährenden Segen bringen wird.

sleeve (1917) (ἀκοά als „Ohrenschmaus“), Wilamowitz (1922) 264 f., Rose (1931), Burton (1962) 45–49, Péron (1976) 59–63, Nash (1982) 80 f., Hamilton (2001) 126–130; zum Wort καιρός vgl. oben S. 229 f. Anm. 210 (s. auch Carey 1981 89, der auf die Äquivalenz mit μηδὲν ἄγαν hinweist); zu ἀκοά beachte man neben P. 1, 84 mit konkretem Wortgebrauch (vgl. oben S. 271 Anm. 26) Burton (1962) 45 f., Carey (1981) 89, auch Verdenius (1966) 84; zur Bedeutung des Wortes σοφός hier vgl. P. 4, 295 f., O. 2, 83–86; zum Gedanken vgl. O. 13, 98, I. 1, 63, I. 6, 56–59, N. 10, 19 f. und vor allem P. 1, 81–84. 147 S. insbesondere Carey (1981) 88; zu dieser Bedeutung des Wortes ἀρετά vgl. O. 6, 9–14. 72 f., O. 8, 1–8, P. 8, 22–27. 148 Dies ist in Siegeskatalogen in Pindars Epinikien nicht unüblich: vgl. I. 6, 56–59.

304

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

6.6Pythie 9 als Epinikion Pythie 9 leistet ein beeindruckendes Siegerlob – und das, obwohl es explizit fast nur in Form der nackten Siegesproklamation auf Telesikrates’ Sieg eingeht (1–4. 71–75; vgl. N. 8, P. 4). Zentrales Mittel dieses Siegerlobes ist die sportliche Metaphorik, die das Verschiedene zu einer höheren Einheit vereinigt. Konkret operiert sie auf der Grundlage einer metaphorischen Gleichsetzung von Laufsieg und Heirat, mittels deren der Sieg in seinem Wesen gedeutet und seine zukünftige positive Wirkung (d. h. die Zeugung unendlichen Segens), mithin seine wahre Bedeutung aufgezeigt wird.149 Die Semantik der Laufsieg-Heirat wird in zwei Mythen (bzw. drei mit Einschluß des nicht vollständig erzählten Danaiden-Mythos) entfaltet, die eine parallele Struktur aufweisen. Dieser unterliegt als wichtigstes Prinzip des Laufens die Bewährung der eigenen ἀρετή, als wichtigstes Prinzip des Heiratens die Weitergabe des Guten, und beides wird durch die Metaphorik konzeptuell vereinigt. Dieses Ergebnis rekapituliert die folgende Tabelle: Siegpreis / Ziel begehrte Eigenschaft führt Preis von – nach Empfang durch zukünftiger Segen

Apollon Kyrene Kämpfertum Pindos nach Libyen Libya Kämpfertum

Alexidamos Antaios’ Tochter Schönheit Ziellinie zu Verwandten Verwandte (Nomaden) Schönheit

Telesikrates Doxa Glück Delphi nach Kyrene Kyrene Glück

Konkret zeigt sich in Telesikrates selbst, daß der Segen aus einem Sportsieg ewig währt, denn er verfügt über genau diejenigen Eigenschaften, die auch seine Vorfahren, die im Laufen gewonnenen Bräute, begehrenswert gemacht haben: Einerseits ist der Waffenläufer Telesikrates wie Kyrene (und Aristaios) wehrhaft (1: χαλκάσπιδα; vgl. 20–25, besonders 20: χαλκέοις),150 andererseits ist er ebenso begehrenswert wie Alexidamos’ Braut und Kyrene (97–100).151 149 Vgl. Köhnken (1985) 107 f. 150 Vgl. Köhnken (1985) 94 f., der zu Recht auf die Funktion von Hermes (der Aristaios den Horen und Gaia überbringt) als Schutzgottheit der Wettspiele hinweist (insbesondere 95 Anm. 61; vgl. oben S. 106 Anm. 94). In diesem Sinn wird Kyrenes Kämpfertum deswegen betont, weil gerade Telesikrates über sie später verfügt, nicht hingegen deswegen, weil Kyrene selbst als Athletin eine Parallele zu Telesikrates darstellen soll (so Carson 1982, insbesondere 124. 128, Carey 1981 71. 102) – allein schon deshalb, weil Kyrene nicht als aktive Läuferin, sondern (passiv) als Ziel und (wegen ihres Kämpfertums lohnender) Siegpreis gezeigt wird. Ihr Kämpfertum ist nur insofern relevant, als es durch die Heirat mit Apollon verewigt wird und den späteren Ruhm und Erfolg der Stadt begründet, zumindest den durch Telesikrates errungenen. 151 Man beachte, daß Pindar in 97–100 „says of this athlete, what he never says so emphatically of any other“ (Farnell 2, 201); so „we can understand this without dogmatising on things ἔξω τοῦ δράματος“ (202), sc. eine tatsächliche Heirat des Siegers.

6.6. Pythie 9 als Epinikion

305

Dabei liegt die Betonung auf der Ähnlichkeit zu Kyrene, denn das Begehren der Mädchen beruht vor allem auf seinen Siegen (97: νικάσαντα). Allerdings scheint eine Verkehrung der semantischen Strukturen des übrigen Liedes vorzuliegen, denn ein Mann ist das Objekt des Begehrens von Frauen.152 Gleichwohl besteht eine enge Parallelität zu den anderen Liebesverhältnissen: Nicht nur liegt ein Begehren vor, sondern auch der daraus resultierende Wunsch nach Heirat (98 f.: φίλτατον … πόσιν) sowie die Eigenschaft des Begehrenden, sexuell unerfahren zu sein (99: παρθενικαί). Ebenso parallel ist der in υἱόν (100) ausgedrückte Gedanke, die Mädchen wünschten sich, Telesikrates nicht nur als Mann, sondern auch als Sohn zu haben, denn dies heißt, daß sie sich als Sohn einen Mann wie Telesikrates wünschen;153 der Wunsch ist also auch hier auf die Verewigung des Begehrten gerichtet, wie Aristaios (und seine um Antaios’ Tochter werbenden Nachfahren, die ἀριστῆες … σύγγονοι [107 f.])154 Kyrene gleicht und die Nachfahren von Antaios’ Tochter ebenso schön sind wie sie. Und schließlich sind auch die kyrenischen Mädchen in derselben Rolle wie Apollon, denn wie auch er aus Scham nicht offen über seinen Wunsch nach einer Liebesvereinigung sprechen mag, so bewundern auch sie jede für sich (98: ὡς ἕκασται) und voller Begehren (99 f.: πόσιν … εὔχοντ’ … ἔμμεν), aber stumm (98: ἄφωνοι) Telesikrates.155 Dieser ist damit in 97–100 in der in diesem Lied zentralen Rolle der vom anderen Geschlecht wegen seiner hervorragenden Eigenschaften begehrten Person, und in diesem Sinne erklärt sich auch der prima vista seltsame Wunsch der παρθενικαί (99), Telesikrates zum πόσιν ἢ υἱόν (99 f.) zu haben.156 Dieses schauende Staunen durchzieht im übrigen das gesamte Lied: 152 Vgl. Felson-Rubin (1978) 365, auch Köhnken (1985) 110 f. Anm. 94. 153 Vgl. Welcker (1834) 378; vgl. P. 10, 55–59 (zu beiden Stellen s. Perysinakis 1990). 154 Vgl. Köhnken (1985) 105 f., insbesondere lautliche Ähnlichkeit des (bei Pindar seltenen) Wortes ἀριστῆες zu Ἀρισταῖος. Auch dies ist eine Namensetymologie – die angesichts seines ansonsten festzustellenden Charakters (s. o. S. 270 Anm. 13) im übrigen auch bei Antaios vorliegen könnte, denn in Hinsicht auf diesen Namen könnte in 93 das Adjektiv ἀντάεις gewählt worden sein. Die Pointe läge dann in einer direkten Demonstration des Gebots des Alten vom Meer (95 f.). 155 S. Carey (1981) 97 f., Woodbury (1982) 246 f. 254 f., Instone (1990) 39–41, insbesondere 40 f.; zu ὡς ἕκασται (98) s. KG § 555 Anm. 15 (vgl. Burton 1962 57). Woodbury (1982) 247 weist zu Recht darauf hin, daß „the parallel shows that the theme is of aidôs of erôs generally, and not a masculine characteristic alone.“ 156 So ist nicht anzunehmen, „that a second subject (αἱ γυναῖκες) is to be supplied in sense, suggested by υἱόν“ (Lendrum 1908 243; vgl. Σ P. 9, 173, Boeckh 2, 2, 327 f., Wilamowitz 1922 266, Burton 1962 57, Carey 1981 97 f., Kirkwood 1982 231, Instone 1990 41, Perysinakis 1990 43 und anders, aber in der Sache parallel Friederichs 1863 55; richtig hierzu Köhnken 1985 110 f. Anm. 94; vgl. Dissen 2, 322, Woodbury 1982 247 Anm. 8). Hiergegen spricht auch, daß ἄφωνοι (98) als Ergänzung des Prädikats εὔχονται (100) (wohlgemerkt nach υἱόν) auch für dieses ergänzte Subjekt gelten müßte – doch warum sollten verheiratete Frauen nicht einen Sohn wie Telesikrates haben dürfen?

306

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

Apollon bewundert Kyrene (31: θαύμασον), die Horen und Gaia Aristaios (62: θαησάμεναι), die kyrenischen Mädchen Telesikrates (98: εἶδον), und die Gestalt von Antaios’ Tochter ist bewunderungswürdig (108: θαητὸν εἶδος).157 Mit Kyrene verbindet Telesikrates jedoch noch etwas weiteres, wie ihre Charakterisierung in 17–25 zeigt, sie liebe nicht des Webstuhls hin- und hergehende Wege (18: οὔθ’ ἱστῶν παλιμβάμους ἐφίλησεν ὁδούς). Insofern nämlich ein Waffenlauf in der Regel eine Länge von zwei Stadien hatte (also mit einer Wende nach einem Stadion gelaufen wurde),158 läßt sich Kyrenes Ablehnung doppelter159 Wege so verstehen, daß sie nur hinsichtlich der Webstühle, also hinsichtlich der typischen Frauenarbeit besteht, nicht hingegen hinsichtlich anderer doppelter Wege: Betont ist οὔθ’ ἱστῶν, nicht παλιμβάμους … ὁδούς. Die auf den ersten Blick seltsame Formulierung dient also als indirekter Verweis auf den Waffenlauf, und zwar mit der Pointe, daß Telesikrates auch diese Eigenschaft geerbt hat: Auch er liebt nicht wie eine Frau die doppelten Wege der Webstühle, sondern wie ein Mann die des Waffenlaufes. Eine Bestätigung findet dies darin, daß Kyrene nicht die Freuden der Mähler mit den Gefährtinnen des Hauses liebt (19: οὔτε δείπνων οἰκοριᾶν μεθ’ ἑταιρᾶν τέρψιας): Ebenso wie dort οὔθ’ ἱστῶν betont ist, ist hier das parallele οὔτε δείπνων betont; Kyrene lehnt diejenigen Tätigkeiten von Frauen und Männern ab, mit denen man keinen Ruhm erwerben kann. Sinnvoll zu verstehen ist dies aber nur dann, wenn es als Hinweis auf Telesikrates’ von Kyrene geerbte Eigenschaften dienen soll: Telesikrates ist ein Mann im emphatischen Sinne, der sich im Kampf auszeichnet, und er gibt sich nicht seiner Trägheit oder einer Beschäftigung im Haus hin; er entspricht der παρθένος ἀγροτέρα (6) Kyrene, dem Mädchen „draußen, auf dem Lande, rusticus, nicht drinnen, bei den Wohnungen, domesticus“.160 Kyrenes Charakterisierung in 18 f. erfolgt damit allein um Telesikrates willen, und zwar in Hinblick auf diejenigen Eigenschaften, die ihn zu einem guten Waffenläufer machen. Deshalb erscheint Kyrene, anders als im ursprünglichen Kyrene-Mythos (s. o. S. 297 mit Anm. 129), als Verkörperung männlicher Tugenden: Sowohl in 19 ist von einer reinen Männer-Tätigkeit die Rede161 als auch hinsichtlich des kunstfertigen Umgangs mit Waffen 157 Vgl. oben S. 287 Anm. 92; das schauende Staunen liegt auch in εἶδον (98) vor. 158 Neumann (1977) 38; vgl. Aristoph. Av. 292 (mit Dunbar 1995 239 f.; vgl. Aigner [u. a.] 2002 416), zur Ähnlichkeit von Diaulos und Waffenlauf Philostr. gym. 33. 159 Zur Verwendung von πάλιν hinsichtlich der Wende im Laufen vgl. Aischyl. Ag. 343 f. 160 Von der Mühll (1976) 187 (insgesamt 186–188). Vgl. den bei Pindar häufigen Gedanken, daß man Ruhm nicht zu Hause, sondern nur draußen erwerben kann: etwa O. 12, 13–16, I. 8, 70 und v. a. P. 4, 184–187 (s. o., besonders S. 255 Anm. 315; vgl. Thummer 2, 141 f.). 161 „Ordinary Attic prose would call the virtue in question ἀνδρεία“ (Woodbury 1982 251, insgesamt 249–251). Die Betonung der Männlichkeit erklärt sich nicht damit, daß „Pindars ideale Welt […] eine Welt der Männer und Knaben“ ist (Fränkel 1962 508), oder damit, daß „these are women of the heroic age“ (Carey 1981 72). Mit Moschopulos ist in 19

6.6. Pythie 9 als Epinikion

307

(20–22; Telesikrates ist ein Waffen-Läufer, und die Waffen beider bestehen aus Bronze: 1 bzw. 20) als auch im Kampf gegen den Löwen (26–28) ohne Waffen, der, „gerad an dem Tag, da Apollon sie erblicken sollte, […] eine wirksame Steigerung“ des Vorangehenden ist.162 Genau in diesem Sinne erklärt sich die auffällige Charakterisierung Kyrenes – und nicht dahingehend, Apollon habe ein homosexuelles Begehren, zumal schon deshalb, weil „Apollo’s mind […] is fixed upon marriage and the procreation of a son“.163 An Telesikrates selbst, der über die entscheidenden Eigenschaften von Kyrene und Alexidamos’ Braut verfügt, zeigt sich, daß die begehrten Eigenschaften der im Laufsieg gewonnenen Braut ewig fortleben und höchst positiv wirken. Hierfür ist ebenfalls ein Beleg, daß nicht nur Telesikrates, sondern seine gesamte Heimat Kyrene die Eigenschaften der beiden Bräute aufweist: Durch Alexidamos’ Braut hat sie schöne Frauen (74: καλλιγύναικι πάτρᾳ) und ist die schönste Stadt (69: καλλίσταν πόλιν), durch Kyrene ist sie berühmt in Wettspielen (70: κλεινάν τ’ ἀέθλοις). Diese letzten beiden Eigenschaften (69 f.) sind sprachlich eng verbunden und stellen offenbar die bedeutendsten Eigenschaften der Stadt dar.164 Folglich ist Telesikrates in seiner Vollkommenheit als schöner Waffenläufer kein Einzelfall, sondern ein (hervorragendes) Beispiel für die Vorzüglichkeit seiner Heimatstadt. Der von Apollon und Alexidamos verschaffte Segen ist freilich nicht der einzige, den die Stadt genießen kann, denn Telesikrates hat mit seinem jetzigen Sieg einen weiteren hinzugefügt: das Glück, mit dem er die Stadt in Pytho verband (71 f.: ἐν Πυθῶνί νιν […] Καρνειάδα υἱὸς […] συνέμειξε τύχᾳ): Wie οἰκοριᾶν zu lesen (zur Form s. Carey 1981 71; es handelt sich um eine Neuinterpretation der Überlieferung [Farnell 2, 202; vgl. oben S. 228 Anm. 203]; vgl. Schroeder 1922 79; s. auch Robertson 1930 2, Campbell 1955 4 f., Pavese 1990 68, Erbse 2005 37–39). Zwar hat allgemein Erbse (2005) 38 recht („Für das Verhalten von Jungfrauen der Heroenzeit sind nicht die Freuden des Mahles charakteristisch, sondern Gesang und Tanz“; vgl. Woodbury 1982 250; s. aber auch Schroeder 1922 79, der auf die θωστήρια der Frauen in Alkmans fr. 1, 81 PMGF hinweist) – aber gerade hierin liegt die Pointe von Kyrenes Charakterisierung. Vgl. Eur. Her. 37–48 (mit Wilamowitz 1959 3, 16; vgl. Barrett 1964 313). 162 Schroeder (1922) 79; vgl. Carey (1981) 73 f., der sowohl auf ὀβρίμῳ μούναν (26) als „impressive juxtaposition to stress the lion’s strength and the girl’s courage“ hinweist als auch darauf, daß „Cyrene usually fights with sword or spear; here, before Apollo, is her greatest trial, as she wrestles bare-handed with a lion“. 163 So richtig Woodbury (1982) 251. Freilich sieht er die Motivation für Kyrenes Charakterisierung in einer Gleichsetzung mit Atalante hinsichtlich der Verweigerung der Heirat (251–254; vgl. oben S. 280 Anm. 61). Doch von einer Verweigerung Kyrenes ist nirgendwo die Rede ist, so daß sie in P. 9 lediglich den Hintergrund des Verstehens bildet, vor dem das Verhalten der Jägerin Kyrene um so bemerkenswerter ist (entsprechend bestätigen die Parallelen in den Mythen des Liedendes die vorbehaltlose Zustimmung des Mädchens [anders Woodbury 1982 252 f.]). 164 Zum Kämpfertum s. Köhnken (1985) 95; zu Recht sieht er (Anm. 64) Kyrene als Subjekt zu ἀμφέπει (70).

308

6. Pythie 9: Der Segen des Laufens

das durch Apollon erworbene Kämpfertum und die durch Alexidamos erworbene Schönheit wird auch das durch Telesikrates erworbene Glück ewig währen (72: εὐθαλεῖ), so daß auch er der Stadt unermeßlichen Segen verschafft. So eifert er Apollon und Alexidamos nach, mit dem ihn auch die Vielzahl der Siege verbindet (125; die Hervorgehobenheit dieser Angabe wäre ohne Alexidamos’ und Telesikrates’ Parallelität kaum nachvollziehbar). Da die Stadt Kyrene den Bräuten in ihren Eigenschaften entspricht, ist sie für die Entfaltung von Kämpfertum, Schönheit und Ruhm der ideale Ort. Allerdings entsprechen die Frauen nicht nur ihrer neuen, sondern auch ihrer ursprünglichen Heimat: So lebte die Nymphe Kyrene ihrem Kämpfertum entsprechend in einer Gegend, in der es wilde Tiere gab (insbesondere 20– 28), und Antaios’ Tochter in Irasa, der fruchtbarsten Gegend der Kyrenaia (106);165 diese Fruchtbarkeit zeigt sich beim Mädchen in ihrer Schönheit, denn Fruchtbarkeit und Schönheit setzt die bemerkenswerte Metaphorik in 109–111 explizit gleich (s. o. S. 274). Schließlich gilt dies auch für Δόξα, wie außer der Parallelität der Handlungsstrukturen generell die Natur ihrer Heimat Delphi nahelegt. Dieser Ort darf damit als ideale Heimat jedes Ruhmes gelten, ebenso wie Thessalien für das Kämpfertum und Irasa für die Schönheit. Die in Pythie 9 begehrten Frauen verkörpern also leiblich die begehrenswertesten Eigenschaften ihrer Heimat und werden gerade deswegen begehrt; als Ehefrauen lassen sie diese Eigenschaften in ihrer neuen Heimat durch ihre eigene Person auf ewig segensreich wirken. Dies führt zum Kern der Sinnstruktur von Pythie 9, denn der (metaphorische wie reale) Laufsieg, der auf dem Beweis außerordentlicher eigener Leistung beruht, ist nichts als das grundlegende Prinzip der Schaffung (oder in der Metaphorik der Lauf-Heirat: Zeugung) neuen Segens. So wird in diesem Lied über die kunstvolle Verwendung sportlicher Metaphorik mehrererlei erreicht: Erstens wird Telesikrates’ Pythiensieg in der Geschichte der Stadt fundiert und auf die Erfolge der Vorfahren zurückgeführt, konkret den Apollons und den des Alexidamos. Zweitens wird sportlicher Erfolg mittels der metaphorischen Parallelisierung als Heirat (und vice versa Heirat als sportlicher Erfolg) gedeutet, so daß Telesikrates’ Sieg den in den Mythen erzählten Siegen parallel wird, mithin er selbst Apollon und Alexidamos. Das zentrale Deutungsmuster ist Alexidamos’ Erwerb seiner Braut, in dem die metaphorische Gleichsetzung von Heirat und Laufen explizit vor Augen geführt wird, vor allem im Bild des Ziel-Siegpreises der Braut. Dies hat insofern eine zentrale Bedeutung, als der Begriff des τέλος hinsichtlich des Siegernamens signifikant ist, denn in Telesikrates’ „Namen konvergieren die zentralen Themen des Liedes: Wie das Telos des Kampfes der Sieg (τέλος und κράτος), so ist das 165 Daß Irasa der schönste Platz der Kyrenaia ist, zeigt Hdt. 4, 158, 2, wo die Libyer die griechischen Siedler bei Nacht durch diese Gegend führen, damit sie sie nicht sehen.

6.6. Pythie 9 als Epinikion

309

Telos der Liebe die Vermählung (τέλος und γάμος)“.166 Damit erweist sich der Alexidamos-Mythos als der Schlüssel zum Verständnis des Liedes.167 Drittens wird gezeigt, daß und welch großer schicksalhafter Segen aus einem Sieg wie dem des Telesikrates hervorgeht und, viertens, daß dieser Segen ewige Dauer haben wird. Beides offenbart Chiron in seiner prophetischen Rede und fundiert es theologisch. Fünftens wird offenbar, daß der von Telesikrates geschaffene Glückssegen gerade aus der Δόξα hervorgeht: Nicht nur das Glück wird ewig sein, sondern auch der Ruhm – und dieser Ruhm ist Telesikrates’ eigener Ruhm. Ruhm (speziell des Telesikrates) und Glück (speziell der Stadt) werden eins. Und sechstens zeigt sich in der begehrenden Bewunderung der kyrenischen Mädchen für Telesikrates, daß insbesondere auch Telesikrates’ hervorragende Eigenschaften, die für seinen jetzigen Erfolg ursächlich sind, die sichere Aussicht darauf haben, verewigt zu werden.168 Insgesamt wird das Laufen in Pythie 9 zum segenspendenden Prinzip schlechthin, wobei sich der unermeßliche, aus dem Sport hervorgehende Segen gerade dadurch legitimiert, daß er durch eine entsprechend hervorragende Leistung errungen wird. Zur Darstellung dieses Gedankens werden Heiraten und Laufen metaphorisch gleichgesetzt, speziell dadurch, daß in den Mythen diese Gleichsetzung subtil und konkret-bildhaft vor Augen geführt wird. So hat Pindar mit Pythie 9 ein Epinikion verfaßt, mit dem er den Sieger (und seine ihm in der Vollkommenheit entsprechende Heimat Kyrene) nicht nur für seinen Sieg preist, sondern ihn in bemerkenswerter Weise überhöht: Sein Sieg im Laufen ist Höhepunkt der Stadtgeschichte und Garant alles zukünftigen Glücks und Segens.

166 Köhnken (1985) 110, insgesamt 109–111 (insbesondere Anm. 94); zu Namensetymologien bei Pindar s. o. S. 248 f. Anm. 292. 167 Vgl. das Ergebnis Felson-Rubins (1978), die die paradigmatische Beziehung der Mythen zueinander feststellt (insbesondere 357. 365–367); nicht hinreichend deutlich wird die Bedeutung des Alexidamos-Mythos insbesondere bei Kirkwood (1982) 215 f. Das Motiv, mit dem Lied eine Schuld zu begleichen (103–105), ist topisch und verrät nichts über die Aufführungssituation (vgl. O. 3, 6 f., außerdem O. 10, 3 f. 7–12, P. 4, 3, P. 8, 32–34; zur Stelle selbst s. Carey 1981 98 f., Köhnken 1985 104 Anm. 86). 168 Der Verweis auf Telesikrates’ Heirat ist also potentieller Natur (vgl. Woodbury 1982).

7Ergebnisse Ausgangspunkt dieser Untersuchung war die These, daß Pindars Epinikien ein ungleich bedeutenderes Siegerlob abstatten, als bisher erkannt worden ist. Diese These konnte exemplarisch mittels einer eingehenden Analyse der komplexen Sinnstruktur von fünf Epinikien auf der Grundlage einer Einordnung der Lieder in ihren allgemeinen geschichtlich-kulturellen Kontext und einer sprachlich-philosophischen Klärung der in ihnen vorkommenden Metaphorik bestätigt werden. Im einzelnen haben sich folgende Ergebnisse gezeigt (für eine vollständige Explikation sei auf die Schlußabschnitte der entsprechenden Kapitel verwiesen): In Nemee 8 (Kap. 2) wird der Läufer Deinis (und sein Vater Megas) mit den mythischen Heroen Aias und Aiakos parallelisiert und erscheint als Vorbild eines jeden edlen Mannes, insbesondere eines Lobenden. Entsprechend orientiert sich der Sprecher des Epinikions konzeptuell an Deinis’ Laufen und macht dessen Prinzipien zu den Prinzipien seiner eigenen Tätigkeit – denn sein Ziel ist, das Siegerlob für immer siegreich sein zu lassen: Deinis soll sogar Aias an Ruhm und Segen weit übertreffen. Nemee 8 zeigt damit exemplarisch die Prinzipien erfolgreichen Siegerlobs. Damit konnte die Analyse dieses Liedes inhaltlich die Grundlage eines adäquaten Verständnisses Pindarischen Epinikiendichtens überhaupt legen. Zudem bot sie den Anlaß, Pindars Metapherngebrauch allgemein und theoretisch zu analysieren, den kulturhistorischen Hintergrund der Lieder zu erarbeiten (insbesondere das religiöse Phänomen der Heroisierung erfolgreicher Sportler) und Pindar im philosophischen Diskurs seiner Zeit zu verorten. In Olympie 8 (Kap. 3) werden der Ringer Alkimedon und sein Olympiensieg in historische Dimensionen gestellt. Der Sieg wird zu Höhepunkt und Abschluß der Geschichte schlechthin: Alkimedon hat die größten Erfolge seiner Vorfahren fortgeführt und diese ebenso wie alle seine eigenen Zeitgenossen fulminant übertroffen. Er hat den großartigsten Sieg überhaupt errungen und so einen Ringkampf kosmischer Größenordnung beendet, der in mythischer Vergangenheit von den größten Helden des griechischen Mythos begonnen wurde (Troia). Wichtigstes Mittel zur Erzeugung dieser Aussage ist eine Ringkampfmetaphorik, die die Siegesbedingung im Ringen – den dreimaligen Niederwurf – konzeptuell aufnimmt. Dieses Konzept organisiert die semantische Struktur des Epinikions im großen und im kleinen. Insgesamt konnte die Analyse von Olympie 8 aufzeigen, welch hohe Bedeutung

312

7. Ergebnisse

einem Sportsieg in historisch-teleologischer Dimension zugesprochen werden konnte – insbesondere wenn man bedenkt, daß Alkimedon noch ein παῖς war. In Nemee 4 (Kap. 4) wird der Sieg des Ringers Timasarchos und die Tätigkeit seines Trainers Melesias mit den Kriegen mythischer Vorfahren und dem Dichten von Epinikien metaphorisch parallelisiert: Der Sprecher instruiert sein Siegerlob, einen überragenden Sieg über den Neid von Timasarchos’ Neidern zu erringen und dem Sieger – der als parallel zu Peleus und Telamon dargestellt wird – immerwährenden Ruhm zu verschaffen. Zentral für die Semantik des Epinikions ist auf jeder Sinnebene dieses Trainer-Schüler-Verhältnis, das – auch im Spiegel des Mythos – prototypisch von Melesias und Timasarchos verkörpert wird. Ergänzend tritt auch hier eine metaphorisierende Aufnahme der Siegesbedingung im Ringen hinzu, die Timasarchos’ Sieg zum krönenden Abschluß der Erfolge seiner Familie macht und so den Anlaß für ein rauschendes Fest liefert – das seinerseits gleichfalls eine poetische Spiegelung im Mythos des Epinikions findet. Insgesamt konnte die Analyse von Nemee 4 damit ähnliche Aspekte von Pindars Epinikiendichten wie Nemee 8 und Olympie 8 in Kombination aufzeigen und vertiefen, nämlich die poetologische und historische Dimension. Zugleich erweist es sich als Beispiel für die direkte pragmatische Bezugnahme eines Epinikions auf seinen Anlaß. In Pythie 4 (Kap. 5) wird der Sieg des kyrenischen Königs Arkesilaos im Wagenrennen, der Teil einer großangelegten politischen Unternehmung war (Neugründung von Euhesperides), metaphorisch im Spiegel des Argonautenmythos – der im Epinikion seinerseits zu einem Sportsieg wird – gedeutet: Arkesilaos ist der zeitgenössische Iason, der eine moderne Argonautenfahrt unternimmt und dabei Klugheit, Moralität und politische Kunst beweist. Im Rahmen dieser Fahrt erringen von ihm angeleitete Helden (Euphamos) eigene, untergeordnete Erfolge, die gleichfalls den im Zuge der Argonautenfahrt errungenen Erfolgen gleichen (Euphamos). Mit diesen Erfolgen geht jeweils eine göttlich verliehene Legitimation der Herrschaft und Herrschaftsausweitung einher – wie es von Pindar mittels der Prophezeiung Medeas gedeutet wird, die zu einem dichterischen Spiegel des Epinikions selbst wird. Die Analyse von Pythie 4 konnte damit die hohe politische (und verbunden damit: religiöse) Bedeutung eines antiken Sportsiegs und seiner Lobpreisung gleichermaßen erhellen. Schließlich wird in Pythie 9 (Kap. 6) der Sieg des Waffenläufers Telesikrates dahingehend gedeutet, daß er seiner Heimat Kyrene immerwährenden Ruhm bringen wird. Das Laufen avanciert hier zum segenspendenden Prinzip schlechthin, indem es metaphorisch mit der Heirat gleichgesetzt wird: Der Sieg wird als Liebesvereinigung konzeptualisiert, deren (unsterblichgöttliches) Kind der Segen ist, sowohl für den Sieger selbst als auch für dessen Gemeinschaft; individueller und sozialer Nutzen aus dem Sport konver-

7. Ergebnisse

313

gieren also und werden miteinander identisch. Dieses Konzept ist der Kern der Semantik des Liedes. Die Analyse von Pythie 9 konnte damit ein Schlaglicht auf den hohen moralisch-sozialen Wert eines Sportsiegs werfen. Im Ergebnis hat sich gezeigt, daß die fünf untersuchten Lieder den sportlichen Sieg in verschiedenen Aspekten komplementär ausdeuten. So legt ihre Analyse zentrale Züge des Pindarischen Epinikiendichtens offen: Nemee 8 beleuchtet das Loben und seine Prinzipien durch eine Rückführung auf den gepriesenen Laufsieg, Olympie 8 zeigt, als wie bedeutend ein Sportsieg – das Ziel der Geschichte – gelten konnte, und illustriert damit eindrücklich die immense historische Hochschätzung eines siegreichen Sportlers, Nemee 4 verbindet Loben und Sport zu einer engen gedanklichen Einheit und beleuchtet so in aufschlußreicher Weise die jeweils zugrundeliegenden Prinzipien, Pythie 4 eröffnet die immense politische Dimension des Sportlichen und erklärt exemplarisch, warum auch mächtige Herrscher sportliche Ambitionen hatten, und Pythie 9 zeigt, welche allgemeine individuelle und soziale Segenswirkung in einem Sportsieg gesehen wurde. Die Verschiedenheit der konkreten Aussage der Lieder darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß immer dieselbe Vorstellung vom sportlichen Erfolg und seiner Bedeutung sowie vom Lob unterliegt. Hierzu lassen sich in Zusammenfassung der Einzelanalysen thesenartig die folgenden Konvergenzen anführen, deren Erkenntnis einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis des Pindarischen Epinikiendichtens sowie allgemein zur Entstehenszeit dieser Lieder, der frühen Klassik, in literar- und philosophiehistorischer sowie in religiöser und politisch-sozialer Hinsicht darstellen dürfte: 1) Anders und in einem weitaus fundamentaleren Sinn als man es häufig angenommen hat, ist der einzige und höchste Zweck eines jeden Epinikions, den Sieger durchgängig und im höchsten Maße zu loben: Er wird mit mythischen Heroen gleichgesetzt, ja: tatsächlich religiös heroisiert. Das Lob wird also nicht indirekt-mittelbar mit Verweis auf Wertewelt oder Herkunft abgestattet, sondern zielt direkt und ausschließlich auf die große Tat des überragenden Sportlers. Diese ist das einzige Thema des – sich als synthetische Einheit erweisenden – Epinikions, dem sich alle weiteren Ausführungen hierarchisch unterordnen. 2) Das Siegerlob erfolgt vornehmlich indirekt, und zwar deswegen, weil es prinzipiell weitaus größer als ein direktes Lob ausfallen kann: Es ruft weniger Widerspruch, mithin weniger Mißgunst hervor. Diese muß der Lobende jedoch (wie immer wieder thematisiert wird) notwendig vermeiden, und daher darf er nicht den Anschein erwecken, die Bedeutung der Tat des Gelobten maßlos zu übertreiben. Zugleich muß er sie aber glaubwürdig als so groß wie möglich erscheinen lassen. 3) Sprachliches Ausdrucksmittel des indirekten Lobes ist die Metapher, vor allem des Sports. Sie ist deshalb besonders geeignet, weil ihr wesensmäßig

314

7. Ergebnisse

eine Indirektheit eignet, die lediglich unkommentiert zeigt, nicht aber definitiv behauptet. Sie zeigt den Platz des Sportsiegs in der Welt und offenbart seine Ähnlichkeit zu anderen Phänomenen und Ereignissen, insbesondere den größten Leistungen der mythischen Vergangenheit. Insofern die Metapher zu den wichtigsten Ausdrucksmitteln des fortschrittlichen Griechenlands des frühen fünften Jahrhunderts gehörte, konnten die obigen Analysen zugleich auch wichtige allgemeine kulturhistorische Erkenntnisse zu Pindars Zeit, der frühen Klassik, erbringen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, daß Pindars Publikum potentiell und aktual in der Lage gewesen ist, die – teils hochkomplexe – Semantik der Lieder zu entschlüsseln. 4) Im skizzierten Rahmen gestaltet Pindar mythische Erzählungen oftmals derart radikal um, daß sie als direkte metaphorische Parallele zum jetzigen Sieg erscheinen. Dies schafft einerseits die Möglichkeit eines indirekten Lobes, insofern über den Sieg im Spiegel des Mythos gesprochen werden kann, andererseits wird der Sieg in der Geschichte derart verankert, daß er den mythischen Ereignissen prinzipiell gleichwertig wird – oder sogar noch als weitaus bedeutender und wertvoller erscheint. Damit eröffnet sich ein theoretischer und exemplarischer Zugriff auf das in der Pindarforschung kontrovers diskutierte Problem des Verhältnisses von Mythos und sog. ‚Programm‘, d. h. denjenigen Passagen, die den Sieger und seinen Sieg zum Thema haben. Insbesondere zeigt sich ein sicheres methodisches Fundament für – auch schon früher vorgenommene (man denke nur an Boeckh) – ‚allegorische‘ Deutungen des Mythos. Zugleich zeigt sich deutlich, daß der Mythos bei Pindar niemals nur als Ornament dient, sondern immer eine zentrale und direkte semantische Funktion im Rahmen des Siegerlobs übernimmt – ja sogar oftmals als bedeutendstes Mittel zu dessen Erzeugung dient. 5) In entsprechender Weise wird in den Liedern speziell das Loben in den Begriffen des Sports des Siegers konzeptualisiert: Diese sportmetaphorische Poetologie eröffnet einerseits ebenfalls die Möglichkeit eines indirekten Lobes – insofern der Sieger als vollkommenes Vorbild dargestellt wird, an dem sich auch ein Lobender orientieren muß, der Erfolg haben möchte –, andererseits erhöht sie zugleich den Wert des eigenen Lobs, denn sie erweist dessen ewige Sieghaftigkeit (was ebenfalls ein bedeutendes indirektes Siegerlob darstellt). In diesem Sinne wird oftmals auch der gegenwärtige Aufführungskontext – die Siegesfeier – metaphorisierend im Epinikion gespiegelt. Die Poetologie steht damit bei Pindar niemals außerhalb des Epinikions, sondern ist prinzipiell und ausschließlich auf dessen primären Zweck ausgerichtet: das Siegerlob. Es besteht also auch in dieser Hinsicht keinerlei Hiat zwischen Epinikienanlaß und -inhalt, sondern es zeigt sich auch hier eine funktional-hierarchische Abhängigkeit der Teile des Epinikions untereinander sowie eine strenge situative Gebundenheit der Lieder in ihrer Gesamtheit an ihren Anlaß in ebendiesem Sinne. Entsprechend zeigt sich außerdem

7. Ergebnisse

315

deutlich, daß das Ich der Texte sein Lob immer als dienend versteht und sich prinzipiell dem Gelobten unterordnet. 6) Insgesamt sorgt (neben anderen Kunstmitteln) hauptsächlich die Metaphorik für eine hohe Kohärenz der Lieder: Sie verbindet das Gleiche im Verschiedenen und erzeugt so einen engen inneren Zusammenhalt des Gesamttextes. Dieser engen inhaltlichen Einheit entspricht ein hoher Grad an sprachlicher Kohäsion. Die jeweils identischen semantischen Muster ermöglichen dabei auf der Grundlage der Redundanz der grundsätzlichen Aussage eine höchst signifikante Abweichung im Detail zur Generierung einer jeweils spezifischen Bedeutung. Dabei sind die Teile derart aufeinander abgestimmt, daß sich synthetisch eine komplementär-komplexe, nicht auf die Einzelteile reduzierbare Gesamtaussage ergibt. In diesem Sinne werden auch die für Pindar so auffälligen Wortwiederholungen verständlich: Sie implizieren nicht zwangsläufig die direkte inhaltliche Identität ihres jeweiligen Kontextes und speziell ihrer eigenen konkreten Bedeutung, sondern sie weisen auf eine strukturelle Äquivalenz zweier (oft primär verschiedener) Dinge hin (weshalb auch Korrespondenzen von Wörtern mit konkret unterschiedlicher Bedeutung kein hinreichendes Argument gegen die Annahme einer intentionalen Bezugnahme darstellen). Auch die Korrespondenzen sind ein wichtiges Kunstmittel der poetischen Darstellung des Gleichen im Verschiedenen und helfen, als sprachlicher Marker der semantischen Äquivalenz und Parallelität die Komplexität Pindarischen Dichtens zu reduzieren und sie dem Zuhörer in der Aufführungssituation leichter zugänglich zu machen. Eine ähnliche Funktion haben im übrigen auch die häufiger festzustellenden Themenangaben, insbesondere vor größeren Abschnitten, die gleichfalls das Verständnis des Zuhörers lenken und ihn zur erwünschten Deutung des jeweils folgenden führen sollen. 7) Der sportliche Sieg selbst beruht einerseits auf dem Erfolg der (mythischen) Vorfahren (und ist ihm wenigstens gleichwertig, wenn er ihn nicht sogar fulminant übertrifft), andererseits auf der Gunst der Götter. Diese wiederum basiert auf der Frömmigkeit des Sportlers – die sich ihrerseits konkret im sportlichen Erfolg zeigt. Sportlicher Erfolg wird damit zur Grundlage weiteren sportlichen Erfolgs, aber auch außer-sportlichen dauerhaften Segens des Siegers selbst, seiner Familie und seiner Heimat, insbesondere im politisch-sozialen Bereich. Der Sportler hat (im religiösen Rahmen zu verstehende) heroische, quasi-göttliche Qualitäten, die prinzipiell gleichwertig mit den Qualitäten der Heroen des Mythos sind. Nicht zuletzt diese Erkenntnis erlaubt ein tieferes Verständnis des allgemeinen Zwecks der Verwendung von Mythen in den Epinikien. Insgesamt erweisen sich Pindars Epinikien sprachlich wie inhaltlich als höchst artifizielle und höchst komplexe Kunstwerke von großer semantischer Einheit, die in ihrer poetischen Verfaßtheit ein faszinierender Spiegel ihrer

316

7. Ergebnisse

Entstehungszeit, der frühen Klassik, und in diesem Sinne wichtige zeithistorische Dokumente sind. Und zugleich zeigt sich, daß diese Lieder den Siegern ein bedeutendes, unerwartet großes Lob spenden: Ihre Erfolge werden zu den größten Erfolgen der gesamten Menschheit von Anbeginn der Zeit. Daß ein derartiges Lob im primären Rezeptionskontext nicht als Hybris erschien, ist sicherlich zum größten Teil auf seine metaphorische Indirektheit zurückzuführen: Sie überläßt die Schlußfolgerung, daß der Gefeierte ein Heros ist – der den größten Helden der Vergangenheit in nichts nachsteht –, ganz dem Zuhörer und steuert hierfür nur kunstvoll-gezielt manipulierte Indizien (τεκμήρια) bei. Daß Pindar diese Gratwanderung – zwischen Hybris, aus der Überdruß folgt, und einem zu geringen Preis des gottgeehrten, übermenschlichen Sportlers – im Rahmen der Kultur seiner Zeit tatsächlich gelungen ist, ist angesichts der langanhaltenden Beliebtheit Pindars als Lobesdichter offenbar – aber vielleicht ist hierfür ein ebenso wichtiges Indiz die Geschichte der modernen Pindarforschung selbst, der die Epinikien oftmals eben gerade nicht als Epinikien galten.

Anhang Der Anhang soll als Hintergrund der obigen Analysen dienen und bietet: 1) eine Übersicht zu abweichenden Textentscheidungen; 2) zwei Übersichten über Pindars Werk; 3) Gliederungen der analysierten Lieder.

Übersicht über abweichende Textentscheidungen Diese Übersicht zeigt die von Snell – Maehler abweichenden Textentscheidungen. Nicht einzeln verzeichnet sind Änderungen der Interpunktion ohne semantische Konsequenzen wie Komma statt (Hoch-) Punkt vor Nebensatz, auch nicht alle Großschreibungen personifizierter Abstrakta (vgl. Kap. 4.3.3). Stelle N. 8, 32 N. 8, 40 O. 8, 32 O. 8, 42–44 O. 8, 58 O. 8, 83 N. 4, 1 N. 4, 15 f. N. 4, 39 N. 4, 64 N. 4, 68 N. 4, 90 N. 4, 93 f. N. 8, 2 P. 4, 268 P. 4, 286 P. 9, 18 P. 9, 19 P. 9, 36 P. 9, 44 P. 9, 63 f. P. 9, 75 P. 9, 91 P. 9, 113

Snell – Maehler πάρφασις ἀίσσει … – – ἐπὶ ἁλίσκεται· ὣς … Διός· μάχας κόσμον Ὀλυμπίᾳ, ὅν εὐφροσύνα κε, τῷδε μέλει κλιθείς, ἆλλος καὶ ἐγγενὲς αὐτῷ σὸς ἄεισέν ποτε, παῖ στρέφοι, […] πλέκων, […] ἕλκειν, γλεφάροις, ἀμφέπει ἆμαρ ἢ νύκτες ἁ †οἰκουριᾶν προσενεγκεῖν ὦ ἄνα; ἀθάνατον, Ζῆνα δόξαν εὐκλεΐξαι ἆμαρ, ἑλεῖν

Abweichender Text Πάρφασις αὔξηται … ἄισσει ἔπι ἁλίσκεται, ὡς … Διός, μαχᾶν κόσμον, Ὀλυμπίᾳ ὅν Εὐφροσύνα κε τῷδε μέλει κλιθείς ἄλλος τε ἐς γενεάς οἱ [oder ἱν] ἀείσεται, παῖ, ὁ σός στρέφοι […] πλέκων […] ἕλκειν γλεφάροις ἀμφέπῃ ἆμαρ – ἢ νύκτες ἃ οἰκοριᾶν προσενεγκεῖν. ὦ ἄνα, ἀθάνατον Ζῆνα Δόξαν εὐκλέϊξεν ἆμαρ ἑλεῖν

Begründung S. 63 S. 65 Anm. 201 S. 89 Anm. 22 S. 96 S. 104 Anm. 83 S. 106 Anm. 95 Kap. 4.3.3 S. 161 f. Anm. 157 S. 129 f. Anm. 30 S. 151 Anm. 121 S. 156 f. Anm. 142 S. 136 Anm. 62 S. 135 Anm. 57 S. 70 f. Anm. 226 S. 228 Anm. 203 S. 208 Anm. 111 S. 289 Anm. 100 S. 306 f. Anm. 161 S. 284–286 S. 281 f. Anm. 71 S. 288 Anm. 95 S. 298 S. 301 Anm. 143 S. 270 f. Anm. 19

318

Anhang

Tabellarische Übersichten über die Pindarischen Epinikien Die folgenden zwei Übersichten gliedern Pindars gesamtes Epinikienwerk hinsichtlich der Sportarten und der Altersklassen (Tabelle 1) sowie hinsichtlich der Anordnung in der Überlieferung mit Angaben zum (vermuteten) Jahr des Siegs,1 zum Sieger und seiner Herkunft, zur Sportart, zum Trainer / Wagenlenker (insofern bekannt) und zur Altersklasse (Tabelle 2).2 Die Angaben folgen weitestgehend Snell – Maehler.3 Klasse gymnisch

Sportart 26 Laufen

Kampfsport

7 Stadion Diaulos Dolichos Hoplitodromos 17 Boxen Ringen Pankration

hippisch

kein sportl. Sieg unklar

Pentathlon 18 Keles Harma Apene 2 Aulos-Agon Prytanenwahl

2 2 14 2 1 1

Altersklasse 4 ἄνδρες 3 παῖδες 1 1 παῖδες 1 1 ἄνδρες 1 1 3 ἄνδρες 1 παῖδες 2 6 ἄνδρες 2 παῖδες 4 8 ἄνδρες 5 ἀγένειοι 2 παῖδες 1 ἄνδρες 2

Epinikion O. 13; P. 11; N. 8 O. 14 P. 10 O. 12 P. 9 O. 7 O. 10–11 O. 9; N. 10 O. 8; P. 8; N. 4. 6 N. 2–3; I. 3/4. 5. 7 N. 5; I. 8 I. 6 O. 13; N. 7 O. 1; P. 3 O. 2–4; P. 1–2. 4–7; N. 1. 9; I. 1–3/4 O. 5–6 P. 12 N. 11 [I. 9]

Tabelle 1: Übersicht über die pindarischen Epinikien, gegliedert nach Sportarten 1

2

3

Dies ist insbesondere bei Nemeen und Isthmien unsicher: Für sie sind selten (verläßliche) Daten überliefert, und die Kriterien moderner Datierung sind oftmals insofern fragwürdig, als sie auf biographistischen Deutungen beruhen (vgl. Young 1968 1 Anm. 4). Vgl. exemplarisch die Datierungsbandbreite bei N. 4 (s. o. S. 124 Anm. 1) und N. 8 (s. o. S. 11 Anm. 6), ebenso z. B. Cairns (2007). Nichtsdestoweniger werden hier die sicheren als auch die unsicheren Datierungen angeführt (Grundlage ist die Ausgabe von Snell – Maehler, Bowra 1964 406–413, Neumann-Hartmann 2009 282 f.). Die Angaben zu den Altersklassen folgen Pfeijffer (1998); die Tabellen enthalten keine Angaben zur Altersklasse, wenn der Wettbewerb nur für eine Altersklasse ausgeschrieben war (insbesondere die hippischen Disziplinen). Allgemein zu den Altersklassen und ihren Funktionen s. Petermandl (1997); bei den Olympien (mit zwei Klassen) lag sie wohl bei 18 Jahren (Petermandl 1997 140 f.), bei den Nemeen waren Sportler im Alter von 12– 16 Jahren παῖδες, im Alter von 16–20 Jahren ἀγένειοι und alle älteren ἄνδρες (s. Decker 1995 59). Die Einteilung wurde von Schiedsrichtern vollzogen (s. Decker 1995 125 f.). O. 13 und I. 3/4 sind in Tabelle 1 doppelt vertreten, da ein Sieger in zwei Disziplinen gefeiert wird. I. 9 ist nicht berücksichtigt. Vgl. jüngst Neumann-Hartmann (2009) 281–295 mit Aufstellungen des Pindarischen Epinikienwerks nach verschiedenen Kriterien.

Tabellarische Übersichten über die Pindarischen Epinikien Lied O. 1 O. 2 O. 3 O. 4 O. 5 O. 6 O. 7 O. 8 O. 9 O. 10 O. 11 O. 12 O. 13 O. 14 P. 1 P. 2 P. 3 P. 4 P. 5 P. 6 P. 7 P. 8 P. 9 P. 10 P. 11 P. 12 N. 1 N. 2 N. 3 N. 4 N. 5 N. 6 N. 7 N. 8 N. 9 N. 10 N. 11 I. 1 I. 2 I. 3/4 I. 5 I. 6 I. 7 I. 8 I. 9

Jahr 476 476 476 ? [452] ? [460/456] ? [468] 464 460 ? [468] ? [n. 476] 476 ? [466] 464 ? [488] 470 ? [475] ? [474] 462 462 490 486 446 474 498 474 490 ? [476] ? [485] ? [475] ? [n. 475/4] ? [483] ? [465] ? [485] ? ? [474] ? [444] ? [446] ? [458] ? [470] ? [474] ? [478] ? [480] ? [454] ? [478] ?

Geehrter Hieron Theron Theron Psaumis Psaumis Hagesias Diagoras Alkimedon Epharmostos Hagesidamos Hagesidamos Ergoteles Xenophon Asopichos Hieron Hieron Hieron Arkesilaos Arkesilaos Xenokrates Megakles Aristomenes Telesikrates Hippokleas Thrasydaios Midas Chromios Timodemos Aristokleides Timasarchos Pytheas Alkimidas Sogenes Deinis Chromios Theaios Aristagoras Herodotos Xenokrates Melissos Phylakidas Phylakidas Strepsiades Kleandros ?

Herkunft Syrakus Akragas Akragas Kamarina Kamarina Syrakus Rhodos Aigina Opus Lokroi epiz. Lokroi epiz. Himera Korinth Orchomenos Aitne Syrakus Syrakus Kyrene Kyrene Akragas Athen Aigina Kyrene Thessalien Theben Akragas Syrakus/Aitna Acharnai Aigina Aigina Aigina Aigina Aigina Aigina Aitne Argos Tenedos Theben Akragas Theben Aigina Aigina Theben Aigina Aigina

Sportart Keles Harma Harma Harma Apene Apene Boxen Ringen Ringen Boxen Boxen Dolichos Stadion/Pentathlon Stadion Harma Harma Keles Harma Harma Harma Harma Ringen Waffenlauf Diaulos Stadion Aulos Harma Pankration Pankration Ringen Pankration Ringen Pentathlon Stadion Harma Ringen Prytanenwahl Harma Harma Harma, Pankration Pankration Pankration Pankration Pankration ?

Trainer/Lenker

319 Klasse

Phintis Melesias Ilas

ἄνδρες παῖδες ἄνδρες παῖδες παῖδες ἄνδρες ἄνδρες παῖδες

Karrhotos Karrhotos Thrasyboulos [?] παῖδες παῖδες ἄνδρες

Melesias Menandros Melesias

ἄνδρες ἄνδρες παῖδες ἀγένειοι παῖδες ἄνδρες ἄνδρες ἄνδρες

Herodotos Nikomachos Orseas Pytheas

ἄνδρες ἄνδρες παῖδες ἄνδρες ἀγένειοι ?

Tabelle 2: Übersicht über die pindarischen Epinikien (sortiert gemäß der Überlieferung)

320

Anhang

Gliederungen der untersuchten Lieder Nemee 8 1–5 6–12 13–22 13–16 17–22 23–34 23–27 28–32 32–34 35–51 35–39 40–44 44–48 48–51

Prooimion (Hora) Aiakos-Mythos Äußerungen des Sprechers des Liedes Der Sprecher des Liedes als Bittflehender des Aiakos Segen, Neues und Mißgunst Aias-Mythos Bericht von Aias’ Ende Aias’ und Odysseus’ Verdienste Allgemeine Reflexionen Gegenwärtige Situation (Sprecher des Liedes) Gebet an Zeus (keine Mißgunst) Allgemeine Reflexionen Lob der Familie Allgemeine Reflexionen (Alter des Lobs)

Olympie 8 1–11 12–14 15–30 15–20 21–30 31–52 31–36 37–40 41–46 47–52 53 54–84 54–64 65–73 74–84 84–88

Prooimion (Olympia) Überleitende Gnome (verschiedene Wege zum Ruhm) Gegenwärtige Situation (I) Timosthenes’ und Alkimedons sportliche Erfolge Preis Aiginas (Frömmigkeit, Gastfreundschaft) Mythos (Mauerbau von Troia) Mauerbau Schlangenzeichen Apollons Deutung Abreise der Erbauer der Mauer Überleitende Gnome (Verschiedenheit des Angenehmen) Gegenwärtige Situation (II) Preis des Melesias (aktiver Sportler, Trainer) Preis des Alkimedon (Ehrung des Trainers und Großvaters) Preis der Blepsiadai (lebender wie toter) Schlußgebet

Gliederungen der untersuchten Lieder

Nemee 4 1–24 Aktueller Anlaß (I) 1–8 Vorrede (Bedeutung der Siegesfeier und des Lobes) 9–24 Der Sieger Timasarchos 9–13 Timasarchos’ Nemeensieg im Ringen 13–16 Timasarchos’ Vater Timokritos 17–24 Frühere Siege in Athen und Theben 25–72 Mythos 25–48 Telamon 25–32 Telamons Siege mit Herakles’ Hilfe 33–46 Überlegungen zu Lob und Neid 46–48 Herrschaftsbereiche (a): Telamons Familienteil 49–72 Peleus 49–53 Herrschaftsbereiche (b): Peleus’ Familienteil 54–61 Peleus’ Sieg über Akastos und Hippolyta mit Chirons Hilfe 62–68 Peleus’ Bezwingung von Thetis; ihre Heirat 69–72 Überleitung 73–96 Aktueller Anlaß (II) 73–90 Preis der Familie des Siegers 73–79 Frühere Siege von Timasarchos’ Familie 79–90 Lob des Kallikles 91–92 Überleitung 93–96 Lob des Melesias

Pythie 4 1–3 Prooimion (Siegesfeier) 4–63 Battos’ Orakel (erster Mythosteil) 4–11 Battos’ Orakel (Gründung von Kyrene) 11–58 Medeas Prophezeiung während der Argonautenfahrt 11–12 Erzählerische Einleitung 13–56 Medeas Prophezeiung 13–18 Gründung von Kyrene 19–37 Begegnung mit Triton (Übergabe der Erdscholle) 38–46 Verzögerung der Gründung 49–56 Gründung von Kyrene 57–58 Erzählerischer Abschluß 59–63 Battos als Erfüller der Prophezeiung 64–67 Arkesilaos als Battos’ Nachkomme und als Sieger im Wagenrennen 68–262 Die Argonautenfahrt (zweiter Mythosteil) 68–71 Erzählerische Einleitung 71–78 Pelias’ Orakel (Warnung vor dem Einschuhigen) 78–191 Ereignisse in Iolkos 78–131 Iasons Ankunft 78–94 Ankunft in Iolkos und Bewunderung der Einwohner

321

322

Anhang

94–120 Begegnung von Iason und Pelias 120–134 Wiedersehen mit der Familie 134–168 Vereinbarung zwischen Iason und Pelias 169–191 Vorbereitung der Reise (Versammlung der Argonauten) 191–212 Seereise bis zum Phasis 212–250 Ereignisse in Kolchis 212–213 Erzählerische Einleitung 213–219 Gewinnung der Medea 220–241 Aietes’ Pflugprobe 241–250 Erwerb des Goldenen Vlieses und Abreise mit Medea 251–262 Rückkehr und Zeugung der Euphamiden auf Lemnos 263–299 Epilog 263–269 Bild der Eiche 270–276 Arkesilaos als Heiler 277–299 Damophilos

Pythie 9 1–4 Prooimion 5–70 Mythos: Apollon und Kyrene 5–13 Apollon bringt Kyrene nach Libyen; dortige Liebesvereinigung 14–25 Kyrenes Abstammung und Charakter 26–70 Apollons Liebe zu Kyrene 26–28 Begegnung von Apollon und Kyrene (Löwenkampf ) 29–65 Gespräch zwischen Apollon und Chiron über Kyrene 29–37 Apollon gesteht seine Liebe (Frage nach Herkunft) 38–65 Chirons Antwort 38–49 Preis Apollons 50–65 Verkündigung von Kyrenes segensreicher Zukunft 66–70 Apollons und Kyrenes Liebesvereinigung 71–103 Telesikrates’ Siege 71–75 Telesikrates’ Pythiensieg 76–79 Gnome 79–103 Telesikrates’ frühere Siege 79–89a Sieg in Theben (Iolaos-Mythos) 89a–92 Siege auf Aigina und in Megara 93–96 Allgemeine Reflexionen über das Loben 97–103 Siege bei einheimischen Wettspielen 103–125 Alexidamos’ Hochzeit mit Antaios’ Tochter 103–112 Freien um Antaios’ Tochter 112–125 Brautlauf um Antaios’ Tochter (Alexidamos als Sieger)

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis Wenn möglich, erfolgt die Abkürzung der Zeitschriftentitel nach der Année Philologique, die der Autornamen und Werktitel nach DNP (Bd. 3), ansonsten nach LSJ (in beiden Fällen erfolgt ansonsten keine Abkürzung). Abweichend hiervon wird Pindar mit „Pi.“, Olympien mit „O.“, Pythien mit „P.“, Nemeen mit „N.“, Isthmien mit „I.“ und Bakchylides mit „B.“ abgekürzt. Fragmentausgaben sind nach DNP (Bd. 3) abgekürzt. Pindar wird nach der Ausgabe von Snell – Maehler (Epinikien) bzw. Maehler (Fragmente) zitiert, die Pindar-Scholien nach der Ausgabe von Drachmann, Empedokles nach Inwood (2001), Heraklit nach Kahn (1979), Parmenides nach Coxon (1986) und die übrigen Vorsokratiker nach DK, alle anderen Autoren nach den gängigen Standardausgaben. Hervorhebungen in Zitaten aus Sekundärliteratur stammen nur dann von mir, wenn sie als solche gekennzeichnet sind. Ahrens, H. L.: Coniecturae Pindaricae, Philologus 1860, 16: 52–59. Aigner, T., B. Mauritsch-Bein, W. Petermandl: Laufen. Texte, Wien 2002. Aland, Barbara, Johannes Hahn, Christian Ronning (Hrsg.): Literarische Konstituierung von Identifikationsfiguren in der Antike, Tübingen 2003. Albini, U.: Pindaro. Olimpiche. Introduzione di Umberto Albini. Traduzione, commento, note e lettura critica di Luigi Lehnus, 2. Aufl., Mailand 1989. Allen, Frederic D.: Etymological and Grammatical Notes, AJPh 1880, 1: 127–145. Aloni, Antonio: The Proem of the Simonides Elegy on the Battle of Plataea (Sim. Frs. 10–18 W²) and the Circumstances of Its Performance, in: Edmunds – Wallace (1997) 8–28. Anderson, J. K.: Ancient Greek Horsemanship, Berkeley – Los Angeles 1961. Ardizzoni, Anthos: L’animo „bianco“ di Pelia? (Pind. Pyth. IV 109), Helikon 1973/1974, 13/14: 377–382. Arrighetti, Graziano: Pindaro, Pitica IV. Qualche riflessione su mito e realtà, in: Benedetti – Grandolini (2003) 49–55. Ast, Friedrich: Observationes et coniecturae in Pindari Carmina. Specimen secundum, Commentarii societatis philologicae Lipsiensis 1803, 3: 193–228. Athanassaki, Lucia: Transformations of Colonial Disruption into Narrative Continuity in Pindar’s Epinician Odes, HSPh 2003, 101: 93–128. Austin, Colin, S. Douglas Olson: Aristophanes. Thesmophoriazusae, Oxford 2004. Balil, A.: „Ova, Delphini, Roman Circus … and all that“, Latomus 1966, 25: 867–870. Barrett, W. S.: Bacchylides, Asine, and Apollo Pythaieus, Hermes 1954, 82: 421–444. Barrett, W. S.: Euripides, Hippolytos, Oxford 1964. Beattie, A. J.: Pindar, Ol. 8.45–46, CR 1955, n. s. 5: 1–3.

324

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Becker, O.: Das Bild des Weges und verwandte Vorstellungen im frühgriechischen Denken, Berlin 1937. Bell, David J.: The Horse Race (κέλης) in Ancient Greece from the Pre-Classical Period to the First Century B. C., Stadion 1989, 15: 167–190. Benedetti, Francesco, Simonetta Grandolini (Hrsg.): Studi di filologia e tradizione Greca in memoria di Aristide Colonna, Neapel 2003. Bennett, H. C., Jr.: On the Systemization of Scholia Dates for Pindar’s Pythian Odes, HSPh 1957, 62: 61–78. Bergk, Theodor: Conjecturen zu Pindaros, Neue Jahrbücher für Philologie und Paedagogik 1869, 99: 181–192. Bernard, M.: Pindars Denken in Bildern. Vom Wesen der Metapher, Pfullingen 1963. Bernardini, Paola Angeli: Mito e attualità nelle odi di Pindaro. La Nemea 4, l’Olimpica 9, l’Olimpica 7, Rom 1983. Berve, Helmut: Zur Herrscherstellung der Deinomeniden, in: Mylonas – Raymond (1953) 537–552. Bischoff, Heinrich: Gnomen Pindars, Würzburg 1938. Black, Max: Die Metapher, in: Haverkamp (1983) 55–79 (Black 1983a; ursprünglich: Metaphor, PAS 1954, 55: 273–294). Black, Max: Mehr über die Metapher, in: Haverkamp (1983) 379–413 (Black 1983b; ursprünglich: More about Metaphor, Dialectica 1977, 1: 431–457). Blech, Michael: Studien zum Kranz bei den Griechen, Berlin – New York 1982. Bluck, R. S.: Plato’s Meno, Cambridge 1961. Blumenberg, Hans: Paradigmen zu einer Metaphorologie, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1999. Boardman, John: Evidence for the Dating of Greek Settlements in Cyrenaica, ABSA 1966, 61: 149–156. Boardman, John: Settlement for Trade and Land in North Africa: problems of identity, in: Tsetskhladze – De Angelis (1994) 137–149. Boeckh = August Boeckh: Pindari opera quae supersunt, 2 Bde., Leipzig 1811–1821 (Band, Teilband, Seite). Boeckh, GKS = August Boeckh: Gesammelte kleine Schriften, 7 Bde., Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1858–1874, Hildesheim 2005 (Band, Seite). Boedeker, D.: Simonides on Plataea: Narrative Elegy, Mythodic History, ZPE 1995, 107: 217–229. Boedeker, D.: Paths to Heroization at Plataea, in: Boedeker – Sider (2001) 148–163. Boedeker, D., D. Sider (Hrsg.): The New Simonides, Contexts of Praise and Desire, Oxford 2001. Boehringer, David: Zur Heroisierung historischer Persönlichkeiten bei den Griechen, in: Flashar [u. a.] (1996) 37–61. Bonifazi, Anna: Relative Pronouns and Memory. Pindar Beyond Syntax, HSCPh 2004, 102: 41–68. Bonifazi, Anna: Inquiring into Nostos and Its Cognates, AJPh 2009, 130: 481–510. Borthwick, E. K.: Trojan Leap and Pyrrhic Dance in Euripides’ Andromache 1129–41, JHS 1967, 87: 18–23. Borthwick, E. K.: Zoologica Pindarica, CQ 1976, n. s. 26: 198–205. Bossler, Carolus: De praepositionum usu apud Pindarum, Diss. Darmstadt 1862. Bowra, C. M.: Metrical Correspondence in Pindar. I, CQ 1933, 27: 81–87. Bowra, C. M.: Pindar, Oxford 1964.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

325

Braswell, B. K.: Ζαμενής: A lexicographical Note on Pindar, Glotta 1979, 57: 182–190. Braswell, B. K.: Three Linguistic Notes on Pindar, Glotta 1980, 58: 205–222. Braswell, B. K.: Two Supplementary Notes on Pindar, Philologus 1982, 126: 310–313. Braswell, B. K.: A Commentary on the Fourth Pythian Ode of Pindar, Berlin – New York 1988. Braswell, B. K.: A Commentary on Pindar Nemean One. With an Iconographical Appendix by Jean-Marc Moret, Fribourg 1992. Bremer, D.: Licht und Dunkel in der frühgriechischen Dichtung. Interpretationen zur Vorgeschichte der Lichtmetaphysik, Bonn 1976. Bremer, D.: Pindar. Siegeslieder. Griechisch – deutsch. Herausgegeben, übersetzt und mit einer Einführung versehen von Dieter Bremer, München 1992. Bremmer, Jan (Hrsg.): Interpretations of Greek Mythology, London – Sydney 1987. Bremmer, Jan: The Rise of the Hero Cult and the New Simonides, ZPE 2006, 158: 15–26. Briand, Michel: L’„esprit Blanc“ de Pélias. Remarques sur Pindare, Pythique IV, v. 109, Métis 1993, 8: 103–128. Brillante, C.: Crescita a apprendimento: l’educazione del giovane eroe, QUCC 1991, 37: 7–28. Broadbent, Molly: Studies in Greek Genealogy, Leiden 1968. Broneer, O.: The Isthmian victory crown, AJA 1962, 66: 259–263. Brophy, Robert, Mary Brophy: Deaths in the Pan-Hellenic Games. II: All Combative Sports, AJPh 1985, 106: 171–198. Brown, A. L.: The Erinyes in the Oresteia. Real Life, the Supernatural, and the Stage, JHS 1983, 103: 13–34. Brown, N. O.: Pindar, Sophocles, and the Thirty Years’ Peace, TAPhA 1951, 82: 1–28. Bulle, Constantin: Pindaros achte nemeische ode, Jahrbücher für classische Philologie 1868, 14: 15–25. Bulman, Patricia: Phthonos in Pindar, Berkeley 1992. Bundy, Elroy L.: The „Quarrel between Kallimachos and Apollonios“. Part I. The Epilogue of Kallimachos’s Hymn to Apollo, CSCA 1972, 5: 39–94. Bundy, Elroy L.: Studia Pindarica, Berkeley – Los Angeles 1986 (ursprünglich: University of California Publications in Classical Philology 18, 1–2 [1962]). Burkert, Walter: Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 1977. Burnett, Anne Pippin: Performing Pindar’s Odes, CPh 1989, 84: 283–293. Burnett, Anne Pippin: Pindar’s Songs for Young Athletes of Aigina, Oxford 2005. Burton, R. W. B.: Pindar’s Pythian Odes. Essays in Interpretation, Oxford 1962. Bury, John B.: Ἴυγξ in Greek Magic, JHS 1886, 7: 157–160. Bury, John B.: The Nemean Odes of Pindar, London 1890. Cairns, Douglas L.: Aidôs. The Psychology and Ethics of Honour and Shame in Ancient Greek Literature, Oxford 1993. Cairns, Douglas L.: Hybris, Dishonour, and Thinking Big, JHS 1996, 116: 1–32. Cairns, Douglas L.: Dating Nemean 5 and Bacchylides 13: Criteria and Conclusions, Nikephoros 2007, 20: 33–47. Cairns, Francis: Some Reflections of the Ranking of the Major Games in Fifth Century B. C. Epinician Poetry, in: Rizakis (1991) 95–98. Calame, Claude: Choruses of Young Women in Ancient Greece. Their Morphology, Religious Role, and Social Functions. New and Revised Edition, Lanham 1990 (ursprünglich: Les Chœurs de Jeunes Filles en Grèce Archaïque, Rom 1977).

326

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Calame, Claude: Myth and History in Ancient Greece. The Symbolic Creation of a Colony, Princeton 2003. Calder, William M.: Pindar, PYTH. iv. 265, CR 1943, 57: 14. Calder, William M., Jacob Stern (Hrsg.): Pindaros und Bakchylides, Darmstadt 1970. Campbell, A. Y.: Pindarica, CR 1955, 5: 3–5. Cannatà Fera, Maria, Simonetta Grandolini (Hrsg.): Poesia e religione in Grecia. Studi in onore di G. Aurelio Privitera, 2 Bde., Neapel 2000. Capra, Andrea, Valentina Gilardi: Quattro note alla „Pitica Nona“ di Pindaro, Acme 2002, 55: 125–132. Carey, C.: Pindar’s Eighth Nemean Ode, PCPhS 1976, 22: 26–41. Carey, C.: Pindarica, in: Dawe [u. a.] (1978) 21–44. Carey, C.: Three Myths in Pindar: N. 4, O. 9, N. 3, Eranos 1980, 78: 143–162 (1980a). Carey, C.: The Epilogue of Pindar’s Fourth Pythian, Maia 1980, 32: 143–152 (1980b). Carey, C.: A commentary on five odes of Pindar. Pythian 2, Pythian 9, Nemean 1, Nemean 7, Isthmian 8, Salem 1981 (Diss. Cambridge 1976). Carey, C.: The Performance of the Victory Ode, AJPh 1989, 110: 545–565 (1989a). Carey, C.: Prosopographica Pindarica, CQ 1989, n. s. 39: 1–9 (1989b). Carey, C.: Two Transitions in Pindar, CQ 1989, n. s. 39: 287–295 (1989c). Carey, C.: Pindar, Place, and Performance, in: Hornblower – Morgan (2007) 199–210. Carnes, Jeffrey S.: Pindar’s Use of Aiginetan Autochthony Myths, Diss. Chapel Hill 1986. Carnes, Jeffrey S.: Why Should I Mention Aiakos? Myth and Politics in Pindar’s Nemean 8 [Part I], QUCC 1995, 51: 7–48. Carnes, Jeffrey S.: Why Should I Mention Aiakos? Myth and Politics in Pindar’s Nemean 8 [Part II], QUCC 1996, 52: 83–92 (1996a). Carnes, Jeffrey S.: The Ends of the Earth: Fathers, Ephebes, and Wild Women in Nemean 4 and 5, Arethusa 1996, 29: 15–55 (1996b). Carnes, Jeffrey S.: The Tricker Tricked. A Reinterpretation of Pindar, Nem. 4.57–58, RhM 1999, 142: 1–9. Carnevali, Paola: Didimo e Pindaro, Rom 1980. Carson, Anne: Wedding at Noon in Pindar’s Ninth Pythian, GRBS 1982, 23: 121–128. Casevitz, Michel: Pindare, Pythique IX, 36–37, in: Kircher-Durand (1994) 113–117. Casson, Lionel: Ships and Seamanship in the Ancient World, Princeton 1971. Chamoux, François: Cyrène sous la monarchie des Battiades, Paris 1953. Chantraine = Pierre Chantraine: Dictionnaire étymologique de la langue Grecque. Histoire des mots, 4 Bde., Paris 1968–1977. Christ, W.: Schnitzel aus einer Pindarwerkstätte, in: Sitzungsberichte der philosophischphilologischen und der historischen Classe der königl. bayer. Akademie der Wissenschaften zu München, München 1895, 3–31. Christ, W.: Pindari carmina prolegomenis et commentariis instructa, Leipzig 1896. Classen, C. Joachim: Beobachtungen zur Sprache Heraklits, Philologus 1996, 140: 191– 200. Clauss, James J., Sarah Iles Johnston (Hrsg.): Medea. Essays on Medea in Myth, Literature, Philosophy, and Art, Princeton 1997. Cole, Thomas: 1 + 1 = 3: Studies in Pindar’s Arithmetic, AJPh 1987, 108: 553–568. Cole, Thomas: Pindar’s Feasts or the Music of Power, Rom 1992. Coseriu, Eugenio: Textlinguistik. Eine Einführung, 4. Aufl., Tübingen 2007. Coulson, W., H. Kyrieleis (Hrsg.): Proceedings of an International Symposium on the Olympic Games, 5–9 September 1988, Athen 1992.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

327

Coxon, A. H.: The fragments of Parmenides, Assen – Maastricht 1986. Crowther, N. B.: The Olympic Training Period, Nikephoros 1991, 4: 161–166. Crowther, N. B.: Number of Contestants in Greek Athletic Contests, Nikephoros 1993, 6: 39–52. Crowther, N. B.: The Role of Heralds and Trumpeters at Greek Athletic Festivals, Nikephoros 1994, 7: 135–155. Crowther, N. B.: Athlete as Warrior, Nikephoros 1999, 12: 121–130. Crowther, N. B., M. Frass: Flogging as a Punishment in the Ancient Games, Nikephoros 1998, 11: 51–82. Curd, P.: Anaxagoras of Clazomenae. Fragments and Testimonia. A Text and Translation with Notes and Essays, Toronto 2007. Currie, Bruno: Euthymos of Locri: A Case Study in Heroization in the Classical Period, JHS 2002, 122: 24–44. Currie, Bruno: Pindar and the Cult of Heroes, Oxford 2005. D’Alessio, Giovan Battista: First-Person Problems in Pindar, BICS 1994, 39: 117–139. D’Alessio, Giovan Battista: Pindar’s Prosodia and the Classification of Pindaric Papyrus Fragments, ZPE 1997, 118: 23–60. D’Alessio, Giovan Battista: Past Future and Present Past: Temporal Deixis in Greek Archaic Lyric, Arethusa 2004, 37: 267–294. D’Alfonso, Francesca: Ζωᾶς φάρμακον (Ibyc. 313 PMG), Orpheus 1996, 17: 359–376. Danielsson, O. A.: De carminis Pythii IV:i Pindari locis selectis, Eranos 1927, 25: 1–22. Darcus, S.: An Echo of Homer in Pindar, Pythian 4, TAPhA 1977, 107: 93–101. Darcus, S.: A Person’s Relation to φρήν in Homer, Hesiod, and the Greek Lyric Poets, Glotta 1979, 57: 159–173. Darcus Sullivan, S.: Τὸ Σοφόν as an Aspect of the Divine in Heraclitus, in: Gerber (1984) 285–301. Darcus Sullivan, S.: Kradiê, Êtor, and Kêr in Poetry after Homer, RBPh 1995, 73: 17–38. Darcus Sullivan, S.: Êtor in Pindar, Olympian 4, 25, SIFC 2001, 19: 32–37. Darcus Sullivan, S.: Aspects of the „fictive I“ in Pindar: Address to psychic entities, Emerita 2002, 70: 83–102. Davies, John: The Origins of the Festivals, especially Delphi and the Pythia, in: Morgan – Hornblower (2007) 47–65. Dawe, R. D., J. Diggle, P. E. Easterling (Hrsg.): Dionysiaca. Nine Studies in Greek Poetry by former Pupils presented to Sir Denys Page on his Seventieth Birthday, Cambridge 1978. Deacy, Susan, Karen F. Pierce (Hrsg.): Rape in Antiquity, London 1997. Deas, Henry Thomson: The Scholia Vetera to Pindar, HSCPh 1931, 42: 1–78. Decker, Wolfgang: Sport in der griechischen Antike. Vom minoischen Wettkampf bis zu den Olympischen Spielen, München 1995. Degani, Enzo: Griechische Literatur bis 300 v. Chr., in Nesselrath (1997) 171–245. de Jong, Irene J. F.: Tijdsaspecten in Pindarus’ Pythische vier, Lampas 1991, 24: 199–210. Delage, Emile: La géographie dans les Argonautiques d’Apollonios de Rhodes, Paris 1930. Delage, Emile: Le mythe des Argonautes et la composition dans la IVe Pythique, in: Mélanges offerts à A.-M. Desrousseaux par ses amis et ses élèves, Paris 1937, 123–130. Denniston, John D., Denys Page: Aeschylus. Agamemnon, Oxford 1957. Derow, Peter, Robert Parker (Hrsg.): Herodotus and his World. Essays from a Conference in Memory of George Forrest, Oxford 2003. Detienne, M.: Athena and the Mastery of the Horse, HR 1971, 11: 161–184.

328

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Dickie, Matthew W.: Hêsychia and Hybris in Pindar, in: Gerber (1984) 83–109. Dickie, Matthew W.: Παλαιστρίτης / ‚palaestrita‘: Callisthenics in the Greek and Roman Gymnasium, Nikephoros 1993, 6: 105–151. Dickson, Keith: The Semiotics of Eidos in Olympian 8, Helios 1988, 15: 115–126. Dickson, Keith: Voice and Sign in Pindar, Ramus 1990, 19: 109–129. DK = Diels, Hermann, Walther Kranz (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker, 3 Bde., 6. Aufl., Berlin 1951–1952. Diggle, James: Theophrastus, Cambridge 2004. Diller, Hans: Kleine Schriften zur antiken Literatur. Herausgegeben von Hans-Joachim Newiger und Hans Seyffert, München 1971. Dissen = L. Dissen: Pindari carmina quae supersunt cum deperditorum fragmentis selectis ex recensione Boeckhii commentario perpetuo illustravit Ludolphus Dissenius […], Gotha – Erfurt 1830 (Teil, Seite). DNP = Hubert Cancik, Helmuth Schneider (Hrsg.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Stuttgart – Weimar 1996–2003 (Band, Spalte). DNP S = Hubert Cancik, Manfred Landfester, Helmuth Schneider (Hrsg.): Der Neue Pauly. Supplemente, Stuttgart 2004– (Band, Spalte). Doblhofer, Georg, Werner Petermandl, Ursula Schachinger: Ringen. Texte, Übersetzungen, Kommentar, Wien 1998. Dodds, E. R.: Euripides. Bacchae, 2. Aufl., Oxford 1960. Donaldson, J. W.: On some special Difficulties in Pindar, JCSP 1854, 1: 210–224. Dönt, Eugen: Pindar und Hölderlin: Nemee 1 und Der Rhein, WS 1982, n. s. 16: 34–46. Dornseiff, F.: Pindar. Übersetzt und erläutert von Franz Dornseiff, Leipzig 1921 (1921a). Dornseiff, F.: Pindars Stil, Berlin 1921 (1921b). Dornseiff, F.: Kleine Schriften I. Antike und Alter Orient. Interpretationen. Leipzig 1956. Dougherty, Carol, Leslie Kurke (Hrsg.): Cultural Poetics in Archaic Greece. Cult, Performance, Politics, Cambridge 1993. Dover, K. J.: Aristophanes. Clouds, Oxford 1968. Drachmann, A. B.: Scholia vetera in Pindari carmina recensuit A. B. Drachmann, 3 Bde., Stuttgart – Leipzig 1903–1927. Dräger, Paul: Die Argonautika des Apollonios Rhodios. Das zweite Zorn-Epos der griechischen Literatur, München – Leipzig 2001. Drexler, H.: Nachträge zur Kyrenesage, Hermes 1931, 66: 455–464. Drosdowski, G. (Hrsg.): Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Herausgegeben und bearbeitet von G. Drosdowski in Zusammenarbeit mit P. Eisenberg, H. Gelhaus, H. Henne, H. Sitta und H. Wellmann, 5. Aufl., Mannheim 1995. Duchemin, Jacqueline: Pythiques III, IX, IV, V, Paris 1967. Duchemin, Jacqueline: Essai sur le symbolisme Pindarique: or, lumière et couleurs, REG 1952, 65: 46–58. Dunbar, Nan: Aristophanes, Birds, Oxford 1995. Düring, Ingemar: Pindarica, Eranos 1933, 31: 1–20. Ebert, Joachim: Griechische Epigramme auf Sieger an gymnischen und hippischen Agonen, Berlin 1972 (Abhandlungen der sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse 63, 2). Ebert, Joachim: Neues zum Hippodrom und zu den hippischen Konkurrenzen in Olympia, Nikephoros 1989, 2: 89–107. Ebert, Joachim: Neues zum olympischen Hippodromos, in: Rizakis (1991) 99–103. Ebert, Joachim: Eine Textverderbnis bei Pindar, Pyth. 5, 49, QUCC 1991, 38: 25–30.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

329

Eco, Umberto: Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten, München 1998. Eco, Umberto: Einführung in die Semiotik, 9. Aufl., München 2002. Edmunds, Lowell: The Cults and the Legend of Oedipus, HSPh 1981, 85: 221–238. Edmunds, Lowell, Robert W. Wallace (Hrsg.): Poet, Public, and Performance in Ancient Greece, Baltimore – London 1997. Erasmus, H. J.: Eunomia, AClass 1960, 3: 53–64. Erbse, Hartmut: Über Pindars Umgang mit dem Mythos, Hermes 1999, 127: 13–32. Erbse, Hartmut: Studien zur griechischen Dichtung, Wiesbaden 2005. Fantuzzi, Marco: Heroes, Descendants of Hemitheoi. The Proemium of Theocritus 17 and Simonides 11 W², in: Boedeker – Sider (2001) 232–241. Farnell, Lewis Richard: Pindar, Athens and Thebes: Pyth. IX. 151–170, CQ 1915, 9: 193– 200. Farnell = Lewis Richard Farnell: The Works of Pindar, 3 Bde., London 1930–1932 (Band, Seite). Farnell, Lewis Richard: Iolaos and the Ninth Pythian Ode, CQ 1931, 25: 162–164. Fatouros, Georgios: Heraklits Gott, Eranos 1994, 92: 65–72. Felson-Rubin, N.: Narrative Structure in Pindar’s Ninth Pythian, CW 1978, 71: 353–367. Felson, N.: Vicarious Transport: Fictive Deixis in Pindar’s Pythian Four, HSPh 1999, 99: 1–31. Felson, N.: The Poetic Effects of Deixis in Pindar’s Ninth Pythian Ode, Arethusa 2004, 37: 365–389. Fieguth, Rolf: Zur Rezeptionslenkung bei narrativen und dramatischen Werken, Sprache im technischen Zeitalter 1973, 47: 186–201. Finglass, P. J.: Pindar. Pythian Eleven, Cambridge 2007. Fitch, Edward: Pindar and Homer, CPh 1924, 19: 57–65. Flashar, Martin, Hans-Joachim Gehrke, Ernst Heinrich (Hrsg.): Retrospektive. Konzepte von Vergangenheit in der griechisch-römischen Antike, München 1996. Floyd, E. D.: The Première of Pindar’s Third and Ninth Pythian Odes, TAPhA 1968, 99: 181–202. Fontenrose, Joseph: The Hero as Athlete, CSCA 1968, 1: 73–104. Forbes, P. B. R.: Pindar, O. 8, 53–64, CR 1933, 47: 167–168. Fowler, Barbara Hughes: The Centaur’s Smile: Pindar and the Archaic Aesthetic, in: Moon (1983) 159–170. Fraccaroli, Giuseppe: La terza e quarta ode Nemea, RFIC 1893, 21: 298–329. Fraenkel, Eduard: Aeschylus, Agamemnon, 3 Bde., 2. Aufl., Oxford 1962 (Band, Seite). Fraenkel, Eduard: Sophokles Aias 68–70, MH 1963, 20: 103–106. Fraenkel, Eduard: Die sieben Redepaare im Thebanerdrama des Aeschylus, in: Kleine Beiträge zur klassischen Philologie, Rom 1964, 273–328. Fraenkel, Eduard: Pindar senza lacrime, Belfagor 1972, 27: 78–96. Francis, E. D.: „Chiron’s Laughter“ (Pyth. 9. 38), CPh 1972, 67: 288–291. Fränkel, Hermann: Wege und Formen frühgriechischen Denkens. Literarische und philosophiegeschichtliche Studien, 2. Aufl., München 1960. Fränkel, Hermann: Schrullen in den Scholien zu Pindars Nemeen 7 und Olympien 3, Hermes 1961, 89: 385–397. Fränkel, Hermann: Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums. Eine Geschichte der griechischen Epik, Lyrik und Prosa bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts, 2. Aufl., München 1962.

330

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Frazer, J. G.: Apollodorus. The Library. With an English Translation by Sir James George Frazer, 2 Bde., Cambridge – London 1921. Friederichs, K.: Erklärungen zu Pindars Epinikien, Philologus 1857, 12: 412–424. Friederichs, K.: Erklärungen zu Pindar’s Epinikien, Philologus 1860, 15: 30–37. Friederichs, K.: Pindarische Studien, Berlin 1863. Frisk = Hjalmar Frisk: Griechisches etymologisches Wörterbuch, 3 Bde., Heidelberg 1960–1972. Furley, William D., Jan Maarten Bremer: Greek Hymns. Selected Cult Songs from the Archaic to the Hellenistic Period. Volume II. Greek Texts and Commentary, Tübingen 2001. Gantz, Timothy: Early Greek Myth. A Guide to Literary and Artistic Sources, Baltimore – London 1993. Gardiner, E. Norman: Wrestling, JHS 1905, 25: 14–31 und 263–293. Gardiner, E. Norman: Athletics of the Ancient World. With a Preface to the American Edition by Prof. Stephen G. Miller. Enlarged Reprint of the Edition: Oxford 1930, Chicago 1978. Garrod, H. W.: Notes on Pindar, CQ 1915, 9: 129–134. Garvie, A. F.: Aeschylus. Choephori, Oxford 1986. Gelzer, Thomas: Μοῦσα αὐθιγενής. Bemerkungen zu einem Typ Pindarischer und Bacchylideischer Epinikien, MH 1985, 42: 95–120. Gentili, B.: Die pragmatischen Aspekte der archaischen griechischen Dichtung, A & A 1990, 36: 1–17. Gentili, B.: Pindarica II. Note testuali alle Pitiche, QUCC 1991, 68: 71–84. Gentili, B. (Hrsg.): Le Pitiche. Introduzione, testo critico e traduzione di Bruno Gentili. Commento a cura di Paola Angeli Bernardini, Ettoro Cingano, Bruno Gentili e Pietro Giannini, Rom – Mailand 1995. Gentili, B., F. Perusino (Hrsg.): Medea nella letteratura e nell’arte, Venedig 2000. Gerber, D. E.: What Time Can Do (Pindar, Nemean 1.46–47), TAPhA 1962, 93: 30–33. Gerber, D. E.: A Bibliography of Pindar. 1513–1966, Cleveland 1969. Gerber, D. E.: Pindar’s Olympian One: A Commentary, Toronto 1982. Gerber, D. E. (Hrsg.): Greek Poetry and Philosophy. Studies in Honour of Leonard Woodbury, Chico 1984. Gerber, D. E.: Pindar and Bacchylides 1934–1987, Lustrum 1989, 31: 97–269 und 1990, 32: 7–98. Gerber, D. E.: Pindar, Nemean Six: A Commentary, HSPh 1999, 99: 33–91. Gerber, D. E.: A Commentary on Pindar Olympian Nine, Stuttgart 2002. Giannini, P.: Interpretazione della Pitica 4 di Pindaro, QUCC 1979, 31: 35–63. Giannini, P.: Medea nell’epica e nella poesia lirica arcaica e tardo-arcaica, in: Gentili – Perusino (2000) 13–27. Gildersleeve, Basil L.: Pindar. The Olympian and Pythian Odes, New York 1890. Gildersleeve, Basil L.: Brief Mention, AJPh 1917, 38: 334–336. Gildersleeve, Basil L.: Brief Mention, AJPh 1919, 40: 102–109. Gill, Christopher, Norman Postlethwaite, Richard Seaford (Hrsg.): Reciprocity in Ancient Greece, Oxford 1998. Golden, Mark: Equestrian Competition in Ancient Greece: Difference, Dissent, Democracy, Phoenix 1997, 51: 327–344. Golden, Mark: Sport and society in ancient Greece, Cambridge 1998. Goram, O.: Pindari translationes et imagines, Philologus 1859, 14: 241–280. 478–498.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

331

Gow, A. S. F.: ΟΦΡΥΣ (Theocr. Id. xxx. 7 f.), CR 1944, 58: 38–39. Gow, A. S. F.: ΙΥΓΧ, ΡΟΜΒΟΣ, Rhombus, Turbo, JHS 1934, 54: 1–13. Gow, A. S. F.: Theocritus, Cambridge 1952. GP = J. D. Denniston: The Greek Particles, Second Edition Revised by K. J. Dover, Oxford 1950. Graf, Fritz: Apollon Delphinios, MH 1979, 36: 2–22. Graf, Fritz: Orpheus: A Poet Among Men, in: Bremmer (1987) 80–106. Graham, Daniel W.: Does Nature Love to Hide? Heraclitus B 123 DK, CPh 2003, 98: 175–179. Graham, P. C.: The fourth Pythian ode of Pindar. Imagery, myth, teaching, Evanston 1978. Greengard, Carola: The Structure of Pindar’s Epinician Odes, Amsterdam 1980. Griffith, R. D.: Leaves in Pindar, Eranos 1999, 97: 54–58. Gundert, Hermann: Pindar und sein Dichterberuf, Frankfurt / Main 1935. Guthrie = W. K. C. Guthrie: A History of Greek Philosophy, 6 Bde., Cambridge 1962– 1981 (Band, Seite). Gygli-Wyss, Brigitte: Das nominale Polyptoton im älteren Griechisch, Göttingen 1966. Hadas, Moses: The Tradition of a Feeble Jason, CPh 1936, 31: 166–168. Hamilton, John Thomas: HYMNOS / POIKÍLOS, Helios 2001, 28: 119–140. Hamilton, Richard: Epinikion. General form in the odes of Pindar, Den Haag 1974. Hansen, Jens-Godber: Bildhafte Sprache des Aischylos. See und Schiffahrt in metaphorischer Verwendung, Diss. Kiel 1955. Harder, A., R. F. Regtuit, G. C. Wakker (Hrsg.): Apollonius Rhodius, Leuven 2000. Harder, Annette, Martijn Cuypers (Hrsg.): Beginning from Apollo. Studies in Apollonius Rhodius and the Argonautic Tradition, Leuven 2005. Harding, Phillip: Didymos. On Demosthenes, Oxford 2006. Harris, H. A.: An Athletic ἅπαξ λεγόμενον, JHS 1968, 88: 138–139 (Harris 1968). Hausmann, Ulrich: Der Tübinger Waffenläufer, Tübingen 1977 (1977a). Hausmann, Ulrich: Die Ikonographie des Motivs in der Plastik, in: Hausmann (1977a) 58–66 (1977b). Haverkamp, Anselm (Hrsg.): Theorie der Metapher, Darmstadt 1983. Headlam, Walter: Notes on the Greek Lyric Poets, CR 1900, 14: 5–14. Headlam, Walter: Illustrations of Pindar. II, CR 1905, 19: 148–150. Heath, Malcolm: The Origins of Modern Pindaric Criticism, JHS 1986, 106: 85–98. Heath, Malcolm: Receiving the κῶμος: The Context and Performance of Epinician, AJPh 1988, 109: 180–195. Heimsoeth, F.: Addenda et corrigenda in Commentariis Pindari. Pars prior, Bonn 1840. Heimsoeth, F.: Erklärungen zu Pindar, RhM 1847, 5: 1–32. Henderson, W.: Pindar fr. 140b Snell–Maehler: The Chariot and the Dolphin, Hermes 1992, 120: 148–158. Henry, W. B.: Pindar’s Nemeans. A selection, München – Leipzig 2005. Herman, Gabriel: Ritualised Friendship and the Greek City, Cambridge 1987. Hermann, Gottfried: Emendationes Pindaricae, in: ders.: Opuscula, Leipzig 1839, Band 7, 129–173. Hermann, Hans-Volkmar: Die Siegerstatuen von Olympia. Schriftliche Überlieferung und archäologischer Befund, Nikephoros 1998, 1: 119–183. Herwerden, H. van: Pindarica, Mnemosyne 1897, 25: 37–58.

332

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Heubeck, Alfred, Stephanie West, J. B. Hainsworth: A Commentary on Homer’s Odyssey. Volume I. Introduction and Books I–VIII, Oxford 1988. Higbie, Carolyn: The Bones of a Hero, the Ashes of a Politician: Athens, Salamis, and the Usable Past, ClAnt 1997, 16: 278–307. Hill, D. E.: Pindar, Olympian 8. 37–46, CR 1963, n. s. 13: 2–4. Hirschberger, Martina: Gynaikôn Katalogos und Megalai Êhoiai. Ein Kommentar zu den Fragmenten zweier hesiodeischer Epen, München – Leipzig 2004. Hoey, Thomas: Fusion in Pindar, HSPh 1965, 70: 235–262. Hölscher, Uvo: Der Logos bei Heraklit, in: Varia Variorum. Festschrift für Karl Reinhardt, dargebracht von Freunden und Schülern zum 14. Februar 1951, Münster – Köln 1952, 69–81. Hölscher, Uvo: Grammatisches zu Parmenides, Hermes 1956, 84: 385–397. Hölscher, Uvo: Pindar und die Wahrheit, in: Wandlungen. Studien zur antiken und neueren Kunst. Ernst Homann-Wedeking gewidmet, Waldsassen 1975. Hölscher, Uvo: Die Odyssee. Epos zwischen Märchen und Roman, 2. Aufl., München 2000. Holzhausen, J.: Pindar und die Orphik. Zu frg. 133 Snell / Maehler, Hermes 2004, 132: 20–36. Hornblower, Simon: A Commentary on Thucydides. Volume II. Books IV–V.24, Oxford 1996. Hornblower, Simon: Thucydides and Pindar. Historical Narrative and the World of Epinikian Poetry, Oxford 2004. Hornblower, Simon: ‚Dolphins in the Sea‘ (Isthmian 9. 7): Pindar and the Aeginetans, in: Hornblower – Morgan (2007) 287–308. Hornblower, Simon, Catherine Morgan (Hrsg.): Pindar’s Poetry, Patrons, and Festivals. From Archaic Greece to the Roman Empire, Oxford 2007. Horster, Marietta, Christiane Reitz (Hrsg.): Wissensvermittlung in dichterischer Gestalt, Stuttgart 2005. Hubbard, T. K.: Two Notes on the Myth of Aeacus in Pindar, GRBS 1987, 28: 5–22. Hubbard, T. K.: Theban Nationalism and Poetic Apology in Pindar, Pythian 9. 76–96, RhM 1991, 134: 22–38. Hubbard, T. K.: Pindar and Sophocles: Ajax as Epinician Hero, EMC 2000, 44: 315–332. Hubbard, T. K.: Sex in the Gym: Athletic Trainers and Pedagogical Pederasty, Intertexts 2003, 7: 1–26. Hunter, R. L.: Apollo and the Argonauts. Two notes on Ap. Rhod. 2, 669–719, MH 1986, 43: 50–60. Hunter, R. L.: ‚Short on Heroics‘: Jason in the Argonautica, CQ 1988, 38: 436–453. Hurst, André: Temps du récit chez Pindare (Pyth. 4) et Bacchylide (11), MH 1983, 40: 154–168. Hurst, André (Hrsg.): Pindare. Huit exposés suivis de discussions, Genf 1985. Hussey, Edward: Heraclitus, in: Long (1999) 88–112. Hutchinson, G. O.: Seven Against Thebes, Oxford 1985. Hutchinson, G. O.: Greek Lyric Poetry. A Commentary on Selected Larger Pieces, Oxford 2001. HWPh = Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, 13 Bde., Basel 1971–2007 (Band, Spalte). HWRh = Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, 11 Bde., Tübingen 1992– (Band, Spalte).

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

333

Illig, Leonhard: Zur Form der Pindarischen Erzählung. Interpretation und Untersuchungen, Berlin 1932. Instone, S.: Love and Sex in Pindar: Some Practical Thrusts, BICS 1990, 37: 30–42. Instone, S.: Origins of the Olympics, in: Hornblower – Morgan (2007) 71–82. Inwood, Brad: The poem of Empedocles, 2. Aufl., Toronto 2001. Irigoin, Jean: Histoire du texte de Pindare, Paris 1952. Irwin, Eleanor: The Crocus and the Rose: A Study of the Interrelationship between the Natural and the Divine World in Early Greek Poetry, in: Gerber (1984) 147–168 Jackson, Steven: Apollonius’ Argonautica: Euphemus, a Clod and a Tripod, ICS 1987, 12: 23–30. Jackson, Steven: Argo: The First Ship?, RhM 1997, 140: 249–256. Jakob, Daniel J.: Nature vs. Culture in Pindar’s Ninth Pythian, Mètis 1994–1995, 9–10: 425–431. Jakobson, R.: Der Doppelcharakter der Sprache und die Polarität zwischen Metaphorik und Metonymik, in: Haverkamp (1983) 163–174 (ursprünglich in: ders., M. Halle: Fundamentals of Language, ’s-Gravenhage 1956, Teil II, Kap. 2 [58–62]. 5 [76–82]). Jauß, H. R.: Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft, in: ders.: Literaturgeschichte als Provokation, Frankfurt / Main 1970, 144–207. Jurenka, Hugo: Zu Pindar Pyth. IX 62 ff. ed. Bergk4, WS 1893, 15: 299–301. Jurenka, Hugo: Analecta Pindarica, WS 1895, 17: 197–203. Kahn, Charles H.: The art and thought of Heraclitus, Cambridge 1979. Kannicht, Richard: Euripides. Helena, 2 Bde., Heidelberg 1969 (Band, Seite). Kannicht, Richard: Paradeigmata. Aufsätze zur griechischen Poesie. Herausgegeben von Lutz Käppel und Ernst A. Schmidt, Heidelberg 1996. Käppel, Lutz: Paian. Studien zur Geschichte einer Gattung, Berlin – New York 1992. Käppel, Lutz: Die Konstruktion der Handlung in der Orestie des Aischylos. Die Makrostruktur des ‚Plot‘ als Sinnträger in der Darstellung des Geschlechterfluchs, München 1998. KG = Raphael Kühner, Bernhard Gerth: Grammatik der griechischen Sprache. Zweiter Teil: Satzlehre, 2 Bde., 3. Aufl., Hannover – Leipzig 1898–1904. Kircher-Durand, C. (Hrsg.): Nomina Rerum. Hommage à Jacqueline Manessy-Guitton, Nizza 1994. Kirchner, Roderich: Der Ringtrainer Melesias – Zur Prosopographia Pindarica, Altertum 1996, 41: 165–176. Kirk, G. S.: The Iliad: A Commentary. General Editor G. S. Kirk. Volume I: books 1–4, Cambridge 1985. Kirkwood, Gordon M.: Pythian 5.72–76, 9.90–92, and the Voice of Pindar, ICS 1981, 6: 12–23. Kirkwood, Gordon M.: Selections from Pindar, Chico 1982. Kirkwood, Gordon M.: Nemean 4, 93 and eris in Pindar, QUCC 1989, 60: 7–12. Klein, Theodore M.: Apollonius’ Jason: Hero and Scoundrel, QUCC 1983, 42: 115–126. KlP = Konrat Ziegler, Walther Sontheimer (Hrsg.): Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike, München 1979. Kocevalov, Andreas: Einige Beiträge zur griechischen Syntax, RhM 1930, 79: 44–54. Köhnken, A.: Hieron und Deinomenes in Pindars erstem Pythischem Gedicht, Hermes 1970, 98: 1–13. Köhnken, A.: Die Funktion des Mythos bei Pindar, Berlin – New York 1971.

334

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Köhnken, A.: Pindar as Innovator: Poseidon Hippios and the Relevance of the Pelops Story in Olympian 1, CQ 1974, 24: 199–206. Köhnken, A.: Gods and Descendants of Aiakos in Pindar’s Eighth Isthmian Ode, BICS 1975, 22: 25–36. Köhnken, A.: Gebrauch und Funktion der Litotes bei Pindar, Glotta 1976, 54: 62–67. Köhnken, A.: ‚Meilichos orga‘. Liebesthematik und aktueller Sieg in der neunten Pythischen Ode Pindars, in: Hurst (1985) 71–111 (Diskussion: 112–116). Köhnken, A.: Lyrisches Erzählen, in: Der Stilbegriff in den Altertumswissenschaften, Rostock 1993, 55–60 (1993a). Köhnken, A.: Narrative Peculiarities in Pindar’s Fourth Pythian Ode, SCI 1993, 12: 26–35 (1993b). Köhnken, A.: Der Status Jasons: Besonderheiten der Darstellungstechnik in den Argonautika des Apollonios Rhodios, in: Harder [u. a.] (2000) 55–68. Köhnken, A.: Herakles und Orpheus als mythische Referenzfiguren („Identifikations-“ bzw. „Integrationsfigur“) im hellenistischen Epos, in: Aland [u. a.] (2003) 19–27. Köhnken, A.: Der Argonaut Euphemos, in: Harder – Cuypers (2005) 70–75. Konstan, D.: Friendship in the Classical World, Cambridge 1997. Konstan, D.: Reciprocity and Friendship, in: Gill [u. a.] (1998) 279–301. Kowerski, Lawrence M.: Simonides on the Persian Wars. A Study of the Elegiac Verses of the „New Simonides“, New York – London 2005. KP = Christian J. W. Kloesel, Helmut Pape (Hrsg.): Charles S. Peirce. Semiotische Schriften, 3 Bde., Frankfurt / Main 2000. Král, A.: Die Argonautenfahrt, Progr. Brünn 1852. Kramer, Klaus: Studien zur griechischen Agonistik nach den Epinikien Pindars, Diss. Köln 1970. Kratzmüller, Bettina: Synoris – Apene. Zweigespannrennen an den Großen Panathenäen, Nikephoros 1993, 6: 75–91. KRS = Geoffrey S. Kirk, John E. Raven, Malcolm Schofield: Die vorsokratischen Philosophen. Einführung, Texte und Kommentare, Stuttgart – Weimar 2001. Krumeich, Ralf, Nikolaus Pechstein, Bernd Seidensticker: Das griechische Satyrspiel, Darmstadt 1999. Krummen, Eveline: Pyrsos Hymnon. Festliche Gegenwart und mythisch-rituelle Tradition als Voraussetzung einer Pindarinterpretation (Isthmie 4, Pythie 5, Olympie 1 und 3), Berlin – New York 1990. Kuhn, T. S.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 2. Aufl., Frankfurt 1976. Kurke, Leslie: Pindar’s Sixth Pythian and the Tradition of Advice Poetry, TAPhA 1990, 85–107. Kurke, Leslie: The Traffic in Praise. Pindar and the Poetics of Social Economy, Ithaca – London 1991 (1991a). Kurke, Leslie: Fathers and Sons: A Note on Pindaric Ambiguity, AJPh 1991, 112: 287– 300 (1991b). Kurke, Leslie: The Economy of Kudos, in: Dougherty – Kurke (1993) 131–163. Kurz, Gerhard: Metapher, Allegorie, Symbol, 5. Aufl., Göttingen 2004. Kyriakou, P.: A Variation of the Pindaric Break-off in Nemean 4, AJPh 1996, 117: 17–35. Kyriakou, P.: The violence of nomos in Pindar fr. 169a, MD 2002, 48: 195–206. Lakoff, George: The contemporary theory of metaphor, in: Ortony (1993) 202–251. Lakoff, George, Mark Johnson: Metaphors we live by, Chicago 1980. Lasso de la Vega, Jose: Pindarica (I–IV), CFC 1986/87, 20: 367–374.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

335

Lasso de la Vega, Jose: Tres notas criticas a Pindaro, Myrtia 1989, 4: 7–12. Latacz, Joachim: Zu den ‚pragmatischen‘ Tendenzen der gegenwärtigen gräzistischen Lyrik-Interpretation, in: F. Graf, J. von Ungern-Sternberg, A. Schmitt (Hrsg.): Joachim Latacz. Erschließung der Antike. Kleine Schriften zur Literatur der Griechen und Römer, Stuttgart – Leipzig 1994, 283–307. Lattimore, Richmond: Pindar’s Fourth Pythian Ode, CW 1948, 42: 19–25. Lattmann, Claas: Rez. zu „Arlette Neumann-Hartmann: Epinikien und ihr Aufführungsrahmen, Hildesheim 2009“, Gymnasium 2010 (im Druck). Lattmann, Claas: Icons of new thought. A new perspective on Peirce’s definition of metaphor (CP 2.277), Semiotica (im Druck). Lau, Dieter: Metaphertheorien der Antike und ihre philosophischen Prinzipien. Ein Beitrag zur Grundlagenforschung in der Literaturwissenschaft, Frankfurt / Main 2006. Lausberg, H.: Elemente der literarischen Rhetorik. Eine Einführung für Studierende der klassischen, romanischen, englischen und deutschen Philologie, 10. Aufl., Ismaning 1990. Lausberg, H.: Handbook of Literary Rhetoric. A Foundation for Literary Study. Foreword by George A. Kennedy. Translated by Matthew T. Bliss, Annemiek Jansen, David E. Orton. Edited by David E. Orton & R. Dean Anderson, Leiden 1998. Lavagnini, Bruno: Nuove interpretazioni pindariche (Olimpiche I, II, VII, VIII, X, XIII), ASNP 1932, ser. 2, 1: 271–282. Lavrencic, Monika: Krieger und Athlet? Der militärische Aspekt in der Beurteilung des Wettkampfes der Antike, Nikephoros 1991, 4: 167–175. Lee, Hugh M.: Pindar, Olympian 3.33–34: „The Twelve-Turned Terma“ and the Length of the Four-Horse Chariot Race, AJPh 1986, 107: 162–174. Lee, Hugh M.: The Program and Schedule of the Ancient Olympic Games, Hildesheim 2001. Lefkowitz, Mary R.: The Poet as Athlete, Journal of Sport History 1984, 11 (2): 18–24. Lefkowitz, Mary R.: Who sang Pindar’s Victory Odes? AJPh 1989, 109: 1–11. Lefkowitz, Mary R.: First-Person Fictions. Pindar’s Poetic ‘I’, Oxford 1991. Lendrum, W. T.: Two Notes on Pindar, CR 1908, 22: 241–243. Lendrum, W. T.: Note on Pindar, CR 1914, 28: 86–87. Lesky, Albin: Peleus und Thetis im frühen Epos, SIFC 1956, 27–28: 216–226. Lesky, Albin: Geschichte der griechischen Literatur, 3. Aufl., Bern – München 1971. Leutsch, Ernst von: Pindarische studien. II, Philologus 1859, 14: 45–68. Leutsch, Ernst von: Additamentorum ad Lud. Disseni in Pindari Carmina Commentarium Speciminis tertii pars altera, Göttingen 1868/1869. Ley, Anne: Atalante – Von der Athletin zur Liebhaberin. Ein Beitrag zum Rezeptionswandel eines mythologischen Themas auf Vasen des 6.–4. Jhs. v. Chr., Nikephoros 1990, 3: 31–72. Lieb, Hans-Heinrich: Was bezeichnet der herkömmliche Begriff ‚Metapher’?, in: Haverkamp (1983) 340–355 (ursprünglich: Muttersprache 1967, 77: 43–52). Lloyd, G. E. R.: The Revolutions of Wisdom. Studies in the Claims and Practice of Ancient Greek Science, Berkeley 1987. Lloyd, G. E. R.: Methods and Problems in Greek Science, Cambridge 1991. Lloyd, G. E. R.: In the Grip of Disease. Studies in the Greek Imagination, Oxford 2003. Lloyd-Jones, Hugh: Pindar Fr. 169, HSCPh 1972, 76: 45–56. Lloyd-Jones, Hugh: Modern Interpretation of Pindar: The Second Pythian and Seventh Nemean Odes, JHS 1973, 93: 109–137.

336

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Lloyd-Jones, Hugh: Pindar, O. 8.53, CQ 1991, 41: 240–278. Lloyd-Jones, Hugh: Notes on the New Simonides, ZPE 1994, 104: 1–3. Lomiento, Liana: Semantica agonistica: ‘kylindein’ in Pind. Nem. 4, v. 40 e Nonn. Dionys. 48, vv. 134; 154, Nikephoros 1990, 3: 145–155. Long, A. A.: Sophocles Ajax 68–70. A reply to Professor Eduard Fraenkel, MH 1964, 21: 228–231. Long, A. A.: Language and Thought in Sophocles. A study of abstract nouns and poetic technique, London 1968. Long, A. A.: The Cambridge Companion to Early Greek Philosophy, Cambridge 1999. LSJ = Henry George Liddell, Robert Scott: A Greek-English Lexicon. Revised and augmented throughout by Sir Henry Stuart Jones. With the assistance of Roderick McKenzie, 9. Aufl., London 1940 (Revised supplement, Edited by P. G. W. Glare, With the assistance of A. A. Thompson, Oxford 1996). Luppino, Antonino: Sullo stile di Pindaro, PP 1957, 12: 122–127. Lyne, R. O. A. M.: Prop. 4, 4, 65 sqq. and Pind. Pyth. 9, 23 sqq., Hermes 1971, 99: 376– 378. Maas, Paul: Ährenlese, Sokrates 1920, 8: 20–26. Machemer, G. A.: Medicine, Music, and Magic. The Healing Grace of Pindar’s Fourth Nemean, HSPh 1993, 95: 113–141. Mackie, Chris J.: The Earliest Jason. What’s in a Name?, G & R 2001, 48: 1–17. MacLachlan, Bonnie: The Age of Grace. Charis in early Greek Poetry, Princeton 1993. Maehler, Herwig: Die Auffassung des Dichterberufs im frühen Griechentum bis zur Zeit Pindars, Göttingen 1963. Maehler, Herwig: Zu Pindar, N.4, 22, Hermes 1973, 101: 380–382. Maehler, Herwig: Die Lieder des Bakchylides. Erster Teil. Die Siegeslieder, 2 Teilbände, Leiden 1982 (Teilband, Seite). Maehler, Herwig: Beobachtungen zum Gebrauch des Satz-Asyndetons bei Bakchylides und Pindar, Cannatà Fera – Grandolini (2000) 2, 421–430. Maehler, Herwig (Hrsg.): Pindarus, pars II, fragmenta – indices, edidit Herwig Maehler, editio stereotypa editionis primae (MCMLXXXIX), München – Leipzig 2001. Maehler, Herwig: Bacchylides. A selection, Cambridge 2004. Magrath, William T.: The Antaios Myth in Pindar, TAPhA 1977, 107: 203–224. Maguire, T.: Some Passages in Pindar and Homer, Hermathena 1879, 3: 374–386. Malkin, Irad: ‚Tradition‘ in Herodotus: The Foundation of Cyrene, in: Derow – Parker (2003) 153–170. Maloney, Gilles: Sur l’unité de la quatrième Néméenne de Pindare, Phoenix 1964, 18: 173–182. Malten, L.: Kyrene. Sagengeschichtliche und historische Untersuchungen, Berlin 1911. Mann, Christian: Athlet und Polis im archaischen und frühklassischen Griechenland, Göttingen 2001. Mann, Rupert: Pindar’s Homer and Pindar’s Myths, GRBS 1994, 35: 313–337. Mansfeld, Jaap: Alcmaeon: ‚Physikos‘ or Physician. With Some Remarks on Calcidius’ ‚On Vision‘ Compared to Galen’s Plac. Hipp. Plat. VII, in: Mansfeld – de Rijk (1975) 26–38. Mansfeld, Jaap, L. M. de Rijk (Hrsg.): Kephalaion. Studies in Greek Philosophy and its Continuation offered to Professor C. J. de Vogel, Assen 1975. Maróti, Egon: Zum Siegerepigramm des Nikoladas, Nikephoros 1990, 3: 133–140.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

337

Martinelli Tempesta, Stefano: Una nuova lezione pindarica da un Palinsesto Laurenziano (Pind. N. 4, 4), Eikasmos 2004, 15: 27–41. Maxwell-Stuart, P. G.: A Note on Pindar: Pythian 4.173, AJPh 1976, 97: 327–330. McCartney, Eugene S.: Vivid Ways of Indicating Uncountable Numbers, CPh 1960, 55: 79–89. McCracken, George: Pindar’s Figurative Use of Plants, AJPh 1934, 55: 340–345. McDevitt, A.: Horses for Courses. A Note on Bacchylides 3. 3–4, Hermes 1994, 122: 502–503. Meier, Christian: Das große Fest zu Olympia im klassischen Altertum, Nikephoros 1993, 5: 61–73. Meier, Christian: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen, 3. Aufl., Frankfurt / Main 1995. Meinel, Georg: Beiträge zur Erklärung Pindars, Progr. Kempten 1890. Mette, Hans Joachim: Die ‚Große Gefahr‘, MH 1952, 80: 409–419. Mette, Hans Joachim: ‚Schauen‘ und ‚Staunen‘, Glotta 1961, 39: 49–71. Meyer, Peter: Überlegungen zum Vortragskontext und zur Aussage der „Plataia-Elegie“ des Simonides (frr. 10–18 W²), Hermes 2007, 135: 373–388. Mezger, Friedrich: Pindars vierte pythische Ode, Blätter für das bayerische Gymnasialschulwesen 1868, 4: 73–88. Mezger, Friedrich: Pindars Siegeslieder, Leipzig 1880. Miller, A. M.: Thalia Erasimolpos. Consolation in Pindar’s Fourteenth Olympian, TAPhA 1977, 107: 225–234. Miller, A. M.: Phthonos and Parphasis: The Argument of Nemean 8. 19–34, GRBS 1982, 23: 111–120. Miller, A. M.: N. 4.33–34 and the Defense of Digressive Leisure, CJ 1983, 78: 202–220. Miller, Stephen G.: Excavations at the Panhellenic Site of Nemea. Cults, Politics, and Games, in: Raschke (1988) 141–151. Miller, Stephen G.: The Stadium at Nemea and the Nemean Games, in: Coulson – Kyrieleis (1992) 81–86. Mitchell, B. M.: Cyrene and Persia, JHS 1966, 86: 99–113. Mitchell, B. M.: Note on the Chronology of the reign of Arkesilas III, JHS 1974, 94: 174–177. Möller, Astrid: Der Stammbaum der Philaiden – Über Funktionen der Genealogie bei den Griechen, in: Flashar [u. a.] (1996) 17–27. Mommsen, Tycho (Hrsg.): Pindari carmina ad fidem optimorum codicum recensuit integram scripturae diversitatem subiecit annotationem criticam addidit, Berlin 1864. Moon, Warren G. (Hrsg.): Ancient Greek Art and Iconography, Madison 1983. Morgan, Catherine: Athletes and oracles. The transformation of Olympia and Delphi in the eighth century BC, Cambridge 1990. Morgan, Kathryn A.: Pindar the Professional and the Rhetoric of the ΚΩΜΟΣ, CPh 1993, 88: 1–15. Morrison, J. S.: Euripides, I. T. 1390 ff. and Pindar, Pythians iv. 202, CR 1950, 64: 3–5. Mosshammer, A. A.: On the Date of the First Pythiad – Again, GRBS 1982, 23: 15–30. Most, Glenn W.: The Measures of Praise. Structure and Function in Pindar’s Second Pythian and Seventh Nemean Odes, Göttingen 1985. Most, Glenn W.: The poetics of early Greek philosophy, in: Long (1999) 332–362. Mullen, William: Pindar and Athens. A Reading in the Aeginetan Odes, Arion 1973, 1: 446–495.

338

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Müller, Dietram: Handwerk und Sprache. Die sprachlichen Bilder aus dem Bereich des Handwerks in der griechischen Literatur bis 400 v. Chr. Meisenheim am Glan 1974. Müller, Stefan: „Herrlicher Ruhm im Sport oder im Krieg“ – Der Apobates und die Funktion des Sports in der griechischen Polis, Nikephoros 1996, 9: 41–69. Müller-Richter, Klaus, Arturo Larcati (Hrsg.): Der Streit um die Metapher. Poetologische Texte von Nietzsche bis Handke, Darmstadt 1998. Myers, Micah Y.: Footrace, Dance, and Desire: The χορός of Danaids in Pindar’s Pythian 9, SFIC 2007, 5: 230–247. Mylonas, G. E., D. Raymond: Studies presented to D. M. Robinson on his seventieth birthday. II, Saint-Louis 1953. Myrick, Leslie Diane: The Way Up and Down. Trace Horse and Turning Imagery in the Orestes Plays, CF 1993/94, 89: 131–148. Naber, S. A.: Pindarica, Mnemosyne 1884, 12: 24–43. Nairn, J. Arbuthnot: On Pindar’s Olympian Odes, CR 1901, 15: 10–15 (1901a). Nairn, J. Arbuthnot: Notes on the Nemeans of Pindar, CR 1901, 15: 195–197 (1901b). Nash, Laura L.: The Theban Myth at Pythian 9, 79–103, QUCC 1982, 40: 77–99. Nash, Laura L.: The Aggelia in Pindar, New York 1990 (Diss. Harvard 1976). Nesselrath, Heinz-Günther (Hrsg.): Einleitung in die griechische Philologie, Stuttgart – Leipzig 1997. Neumann, Gerhard: Der Waffenlauf im antiken Griechenland. Schriftliche Quellen und bildliche Überlieferung, in: Hausmann (1977a) 31–44. Neumann-Hartmann, A.: Der Aufführungsrahmen von Epinikien: ein Diskussionsbeitrag, Nikephoros 2007, 20: 49–112. Neumann-Hartmann, A.: Epinikien und ihr Aufführungsrahmen, Hildesheim 2009. Newman, J. K., F. S. Newman: Chromios and Heracles: Komic Elements in Pindar’s First Nemean, Eos 1982, 70: 209–221 Nicholson, Nigel: Polysemy and Ideology in Pindar’s Pythian 4, 229–230, Phoenix 2000, 54: 191–202. Nicholson, Nigel: Pindar Nemean 4, 57–58 and the Arts of Poets, Trainers, and Wrestlers, Arethusa 2001, 34: 31–59. Nilsson, Martin P.: Die Entstehung und religiöse Bedeutung des griechischen Kalenders, Lund 1918. Nilsson, Martin P.: Die „Traditio per terram“ im griechischen Rechtsbrauch, Archiv für Religionswissenschaft 1920/1921, 20: 232–235. Nisetich, Frank J.: Olympian 1. 8–11: An Epinician Metaphor, HSPh 1975, 79: 55–68. Northrup, Mark D.: Hesiodic Personifications in Parmenides A 37, TAPhA 1980, 110: 223–232. Norwood, Gilbert: Pindarica, CQ 1915, 9: 1–6. Norwood, Gilbert: Pindar, Berkeley 1956. Nöth, Winfried: Handbuch der Semiotik, 2. Aufl., Stuttgart 2000. Nünlist, René: Poetologische Bildersprache in der frühgriechischen Dichtung, Stuttgart – Leipzig 1998. O’Higgins, Dolores M.: Epinician Elegy: Death, Strife and Competition in Pindar’s Eighth Nemean, CM 1989, 40: 115–132. O’Higgins, Dolores M.: Medea as Muse. Pindar’s Pythian 4, in: Clauss – Johnston (1997) 102–126. Ortony, Andrew (Hrsg.): Metaphor and Thought, 2. Aufl., Cambridge 1993. Osborne, Robin: Greece in the Making, 1200–479 BC, London – New York 1996.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

339

Palaiogeorgou, Athanasia: Pindar’s Nemean 4.33–43: The Case of the Break-off, Hellenika 2003, 53: 257–267. Parke, H. W.: A note on αὐτοματίζω in Connexion with Prophecy, JHS 1962, 82: 145– 146. Parke, H. W.: The Oracles of Zeus. Dodona – Olympia – Ammon, Oxford 1967. Parker, Victor: The Dates of the Messenian Wars, Chiron 1991, 21: 25–47. Paton, W. R.: Pindar, Olympian viii, CR 1890, 4: 318–319. Patten, Glenn: Pindar’s Metaphors. A Study in Rhetoric and Meaning, Heidelberg 2009. Pavese, Carlo Odo: Pindarica, Maia 1964, 16: 307–312. Pavese, Carlo Odo: Pindarica II. Note critiche al testo delle „Olimpiche“ e delle „Pitiche“, Eikasmos 1990, 1: 37–82. Pavese, Carlo Odo: On Pindar, fr. 169, HSPh 1993, 95: 143–157. Pearson, A. C.: Pindarica, CQ 1924, 18: 151–157. Pearson, A. C.: Sophoclea II, CQ 1929, 23: 87–95. Pearson, Lionel: Herodotus on the Source of the Danube, CPh 1934, 29: 328–337. Peirce CP = Charles Hartshorne et al. (Hrsg.): Collected Papers of Charles Sanders Peirce, Cambridge 1931–1958 (Band. Paragraph). Peirce MS = Peircesches Manuskript, numeriert nach R. S. Robins: Annotated Catalogue of the Papers of Charles S. Peirce, Worcester 1967; ders.: The Peirce Papers. A Supplementary Catalogue, Transactions of the Charles S. Peirce Society 1971, 7: 37–57. Pekridou-Gorecki, Anastasia: Mode im antiken Griechenland. Textile Fertigung und Kleidung, München 1989. Pemberton, Elizabeth: Agones Hieroi. Greek Athletic Contests in their Religious Context, Nikephoros 2000, 13: 111–123. Perlman, P.: The Calendrical Position of the Nemean Games, Athenaeum 1989, 67: 57– 90. Péron, Jacques: Les images maritimes de Pindare, Paris 1974. Péron, Jacques: Pindare et la victoire de Télésicrate dans la IXe Pythique (v. 76–96), RPh 1976, 50: 58–78. Perysinakis, I. N.: The Athlete as Warrior: Pindar’s P. 9. 97–103 and P. 10. 55–59, BICS 1990, 37: 43–49. Petermandl, Werner: Überlegungen zur Funktion der Altersklassen bei den griechischen Agonen, Nikephoros 1997, 10: 135–147. Petrounias, Evangelos: Funktion und Thematik der Bilder bei Aischylos, Göttingen 1976. Petrucione, J.: The Role of the Poet and his Song in Nemean 1, AJPh 1986, 107: 34–45. Pfeiffer, Rudolf: Callimachus. Volumen I. Fragmenta, Oxford 1949. Pfeiffer, Rudolf: Geschichte der Klassischen Philologie. Von den Anfängen bis zum Ende des Hellenismus, 2. Aufl., München 1978. Pfeijffer, I. L.: The Image of the Eagle in Pindar and Bacchylides, CPh 1994, 89: 305–317. Pfeijffer, I. L.: Pindar’s Eighth Pythian: The Relevance of the Historical Setting, Hermes 1995, 123: 156–165. Pfeijffer, I. L.: Athletic Age Categories in Victory Odes, Nikephoros 1998, 11: 21–38. Pfeijffer, I. L.: First Person Futures in Pindar, Stuttgart 1999 (1999a). Pfeijffer, I. L.: Three Aeginetan Odes of Pindar: A Commentary on Nemean V, Nemean III, & Pythian VIII, Leiden 1999 (1999b). Pinsent, John: Pindar’s narrative technique: Pythian 4 and Bacchylides 5, LCM 1985, 10: 2–8.

340

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Pleket, Henri W.: Zur Soziologie des antiken Sports, Nikephoros 2001, 14: 157–212 (überarbeitete Fassung von MNIR 1974, 36: 57–87). Poliakoff, Michael: The third fall in the Oresteia, AJPh 1980, 101: 251–259. Poliakoff, Michael: Studies in the Terminology of the Greek Combat Sports, Königstein im Taunus 1982. Poliakoff, Michael: Kampfsport in der Antike. Das Spiel um Leben und Tod, Zürich – München 1989. Pollitt, J. J.: The Ancient View of Greek Art: Criticism, History, and Terminology, New Haven – London 1974. Porter, James I.: Lasus of Hermione, Pindar and the Riddle of S, CQ 2007, 57: 1–21. Postgate, J. P.: Nemeans of Pindar, Transactions of the Cambridge Philological Society 1881, 1: 252–257. Postgate, J. P.: Persius III. 43, CR 1889, 3: 275. Postgate, J. P.: Ad Pindari Nemea, Mnemosyne 1925, 53: 382–392. Preisshofen, Felix: Untersuchungen zur Darstellung des Greisenalters in der frühgriechischen Dichtung, Wiesbaden 1977. Primavesi, Oliver: Theologische Allegorie: Zur philosophischen Funktion einer poetischen Form bei Parmenides und Empedokles, in: Horster – Reitz (2005) 69–93. Privitera, G. A.: Tre note alla prima Nemea (vv. 18, 37, 64), Hermes 1975, 103: 285–292. Quinn-Schofield, W. K.: Ova and Delphine of the Roman Circus, Latomus 1966, 25: 99–100. Race, W. H.: The Classical Priamel from Homer to Boethius, Leiden 1982. Race, W. H.: Negative Expressions and Pindaric ΠΟΙΚΙΛΙΑ, TAPhA 1983, 113: 95–122. Race, W. H.: Pindar’s Heroic Ideal at Pyth. 4.186–87, AJPh 1985, 106: 350–373. Race, W. H.: Style and Rhetoric in Pindar’s Odes, Atlanta 1990. Race, W. H.: Framing Hyperbata in Pindar’s Odes, CJ 2002, 98: 21–33. Race, W. H.: Pindar’s Olympian 11 Revisited Post Bundy, HSCPh 2004, 102: 69–96. Radici Colace, Paola: Cirene ed Artemide πότνια θηρῶν nell’inno secondo di Callimaco, GIF 1975, 27: 45–49. Radt, Stefan L.: Pindars zweiter und sechster Paian, Amsterdam 1958. Radt, Stefan L.: Pindars erste Nemeische Ode. Versuch einer Interpretation, Mnemosyne 1966, ser. 4, 19: 148–174. Raman, Rahim A.: Homeric ἄωτος and Pindaric ἄωτος. A semantic Problem, Glotta 1975, 53: 195–207. Raschke, Wendy J. (Hrsg.): The Archaeology of the Olympics. The Olympics and Other Festivals in Antiquity, Madison – London 1988. Rauchenstein, Rudolf: Zu Pindar’s Nemeen, Philologus 1858, 13: 245–263. 421–442. Rauchenstein, Rudolf: Zu Pindar, Philologus 1877, 36: 64–72. Regenbogen, Otto: Kleine Schriften. Herausgegeben von Franz Dirlmeier, München 1961. Reinhardt, Karl: Vermächtnis der Antike. Gesammelte Essays zur Philosophie und Geschichtsschreibung, Göttingen 1960. Renehan, Robert F.: Conscious Ambiguities in Pindar and Bacchylides, GRBS 1969, 10: 217–228. Renehan, Robert F.: Inserted Apposition in Classical Greek Poetry, ICS 2002/2003, 27– 28: 101–108. Richardson, N. J.: The Homeric Hymn to Demeter, Oxford 1974.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

341

Richardson, N. J.: The Iliad: A Commentary. General Editor G. S. Kirk. Volume VI: books 21–24, Cambridge 1993. Riemer, Peter, Michael Weißenberger, Bernhard Zimmermann: Einführung in das Studium der Gräzistik, München 2000. Risch, Ernst: Namensdeutungen und Worterklärungen bei den ältesten griechischen Dichtern, in: Salis (1947) 72–91. Rizakis, A. D. (Hrsg.): Achaia und Elis in der Antike. Akten des 1. internationalen Symposiums Athen, 19.–21. Mai 1989, Athen 1991. Robbins, E.: Jason and Cheiron: The Myth of Pindar’s Fourth Pythian, Phoenix 1975, 29: 205–213. Robbins, E.: Cyrene and Cheiron: The Myth of Pindar’s Ninth Pythian, Phoenix 1978, 32: 91–104. Robbins, E.: The Broken Wall, the Burning Roof and Tower: Pindar, Ol. 8.31–46, CQ 1986, 36: 317–321. Robbins, E.: The Education of Achilles, QUCC 1993, 74: 7–20. Robert, C.: Alkyoneus, Hermes 1884, 19: 473–485. Robertson, D. S.: Three notes on Pindar, PCPhS 1930, 145–147: 2–3. Robson, J. E.: Bestiality and bestial rape in Greek myth, in: Deacy – Pierce (1997) 65–96. Röd, Wolfgang: Die Philosophie der Antike 1. Von Thales bis Demokrit, 2. Aufl., München 1988. Roisman, H. M.: Kerdion in the Iliad: Profit and Trickiness, TAPhA 1990, 120: 23–35. Rolf, Eckard: Metaphertheorien. Typologie, Darstellung, Bibliographie, Berlin – New York 2005. Rose, H. J.: Iolaos and the Ninth Pythian Ode, CQ 1931, 25: 156–161. Rose, Peter W.: The Myth of Pindar’s First Nemean: Sportsmen, Poetry, and Paideia, HSPh 1974, 78: 145–175. Rösler, W.: Reflexe vorsokratischen Denkens bei Aischylos, Meisenheim am Glan 1970. Rösler, W.: Dichter und Gruppe. Eine Untersuchung zu den Bedingungen und zur historischen Funktion früher griechischer Lyrik am Beispiel Alkaios, München 1980. Ruck, Carl A. P., William H. Matheson: Pindar. Selected Odes, Ann Arbor 1968. Sacks, Sheldon (Hrsg.): On Metaphor, Chicago – London 1979. Salis, A. v. (Hrsg.): Eumusia. Festgabe für Ernst Howald zum sechzigsten Geburtstag am 20. April 1947, Erlenbach – Zürich 1947. Sancassano, Marialucia: Ὁ δράκων ποικίλος. Beobachtungen zum Schlangenmotiv in der ältesten griechischen Dichtung, WJA 1996/97, n. s. 21: 79–92. Sandgren, Folke: Funktion der Reden in Pindars Pythia IV, Eranos 1972, 70: 12–22. Schachter, Albert: Cults of Boiotia. 2. Herakles to Poseidon, London 1986. Schadewaldt, Wolfgang: Der Aufbau des Pindarischen Epinikion, Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Geisteswissenschaftliche Klasse 1928, 5 (3): 259–343. Scheidweiler, Felix: ΚΑΙΠΕΡ, Hermes 1955, 83: 220–230. Scherer, Burkhard: Mythos, Katalog und Prophezeiung. Studien zu den Argonautika des Apollonios Rhodios, Stuttgart 2006. Schmid, Ulrich: Die Priamel der Werte im Griechischen von Homer bis Paulus, Wiesbaden 1964. Schmidt, Ernst Günther (Hrsg.): Aischylos und Pindar. Studien zu Werk und Nachwirkung, Berlin 1981.

342

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Schmitz, Thomas A.: Die „pragmatische“ Deutung der frühgriechischen Lyrik: Eine Überprüfung anhand von Sapphos Abschiedsliedern frg. 94 und 96, in: Schwindt (2002) 51–72. Schnitzer, C. F.: De Pindaro nuperrime emendato, Ellwangen 1867. Schroeder, Otto: Pindars Pythien, Leipzig – Berlin 1922. Schröder, Stephan: Zwei Überlegungen zu den Liedern vom Athenerschatzhaus in Delphi, ZPE 1999, 128: 65–75. Schubert, Paul: La seconde entrevue de Pélias et Jason dans la 4e Pythique de Pindare: essai d’interprétation, AC 2004, 73: 15–24. Schwabl, H.: Zur „Theogonie“ des Parmenides und Empedokles, WS 1957, 70: 278–289. Schwenck, K.: Pindarus, RhM 1843, 2: 462–463. Schwindt, J. P. (Hrsg.): Klassische Philologie inter disciplinas, Heidelberg 2002. Schwinge, E.-R.: Komplexität und Transparenz. Thukydides: Eine Leseanleitung, Heidelberg 2008. Schwyzer = Eduard Schwyzer: Griechische Grammatik. Auf der Grundlage von Karl Brugmanns Griechischer Grammatik, 2 Bde., 5. bzw. 6. Aufl., München 1988 bzw. 1990 (Band, Seite). Scott, Mary: Charis from Hesiod to Pindar, AClass 1984, 27: 1–13. Sedley, David: Parmenides and Melissus, in: Long (1999) 113–133. Segal, C.: Time and the Hero: The Myth of Nemean 1, RhM 1974, n. s. 117: 29–39. Segal, C.: Pebbles in Golden Urns: The Date and Style of Corinna, Eranos 1975, 73: 1–8. Segal, C.: Messages to the Underworld: An Aspect of Poetic Immortalization in Pindar, AJPh 1985, 106: 199–212. Segal, C.: Pindar’s Mythmaking. The Fourth Pythian Ode, Princeton 1986. Shackle, R. J.: Some Emendations of Pindar, CR 1920, 34: 85–87. Shibles, Warren A.: Metaphor. An annotated bibliography and history, Whitewater 1971. Shorey, Paul: On Pindar Pyth. IV. 96 ff., CPh 1930, 25: 280–281. Silk, Michael: Interaction in Poetic Imagery with Special Reference to Early Greek Poetry, Cambridge 1974. Simpson, Michael: The Chariot and the Bow as Metaphors for Poetry in Pindar’s Odes, TAPhA 1969, 100: 437–473. Sinn, Ulrich: Olympia. Die Stellung der Wettkämpfe im Kult des Zeus Olympios, Nikephoros 1991, 4: 31–54. Sinn, Ulrich: Poseidon in Olympia, Nikephoros 2004, 17: 45–52. Sitzler, Jakob: Zu Pindar, Philologische Wochenschrift 1924, 44: 1117–1118. Sjöström, A. G.: Circa Pindari Pythiorum Quartum Adversaria, Prog. Helsingfors 1845. Slater = William J. Slater: Lexicon to Pindar, Berlin 1969. Slater, William J.: Futures in Pindar, CQ 1969, 63: 86–94. Slater, William J.: Doubts about Pindaric Interpretation, CJ 1976, 72: 193–208. Slater, William J.: Peace, the Symposium and the Poet, ICS 1981, 6: 205–214. Smith, R. R. R.: Pindar, Athletes, and the Early Greek Statue Habit, in: Hornblower – Morgan (2007) 83–139. Snell, Bruno: Gesammelte Schriften, Göttingen 1966. Snell, Bruno: Wie die Griechen lernten, was geistige Tätigkeit ist, JHS 1973, 93: 172–184. Snell, Bruno: Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen, 4. Aufl., Göttingen 1975. Snell, Bruno: Was hat Pindar Neues zu sagen?, EEAth 1977/1978, 26: 90–97. Snell, Bruno: Griechische Metrik, 4. Aufl., Göttingen 1982.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

343

Snell, Bruno, Herwig Maehler (Hrsg.): Pindari carmina cum fragmentis, pars I, epinicia post Brunonem Snell edidit Hervicus Maehler, editio stereotypa editionis octavae, Stuttgart – Leipzig 1997. Sommerstein, Alan H.: Aeschylus. Eumenides, Cambridge 1989. Stafford, E.: Worshipping Virtues. Personification and the Divine in Ancient Greece, London 2000. Stamatopoulou, M.: Thessaly in the Age of Epinikian, in: Hornblower – Morgan (2007) 309–341. Stanford, W. B.: Pelias and his Pallid Wits. On ΛΕΥΚΑΙΣ ΦΡΑΣΙΝ in Pindar Pythians 4.109, in: White (1952) 42–45. Steiner, Deborah: The Crown of Song. Metaphor in Pindar, London 1986. Steiner, Deborah: Pindar’s „Oggetti Parlanti“, HSPh 1993, 95: 159–180. Steiner, Deborah: Moving Images: Fifth-Century Victory Monuments and the Athlete’s Allure, ClAnt 1998, 17: 123–149. Stenger, J.: Poetische Argumentation. Die Funktion der Gnomik in den Epinikien des Bakchylides, Berlin – New York 2004. Stenger, J.: Apophthegma, Gnome und Chrie. Zum Verhältnis dreier literarischer Kleinformen, Philologus 2006, 150: 203–221. Stier, H. E.: ΝΟΜΟΣ ΒΑΣΙΛΕΥΣ. Studien zur Geschichte der ΝΟΜΟΣ-Idee vornehmlich im V. und IV. Jhdt. v. Chr., Diss. Berlin 1927. Stone, W. A.: Notes on Pindar, CR 1935, 49: 123–125. Stoneman, Richard: The „Theban Eagle“, CQ 1976, 26: 188–197. Stoneman, Richard: The Niceties of Praise: Notes on Pindar’s Nemeans, QUCC 1979, n. s. 2: 65–77. Stoneman, Richard: Ploughing a Garland: Metaphor and Metonymy in Pindar, Maia 1981, 33: 125–137. Strauss Clay, Jenny: Pindar’s Sympotic Epinicia, QUCC 1999, 91: 25–34. Strosetzki, Norbert: Antike Rechtssymbole, Hermes 1958, 86: 1–17. Studniczka, Franz: Kyrene. Eine altgriechische Göttin, Leipzig 1890. Studniczka, Franz: Kyrene und Kallimachos, Hermes 1893, 28: 1–18. Suárez de la Torre, E.: Adivinación y profecía en Píndaro. II, Minerva 1989, 3: 79–119. Sweet, Waldo E.: Sport and Recreation in Ancient Greece. A Sourcebook with Translations, New York – Oxford 1987. Szastyńska-Siemion, Alicja: dapana und ponos bei Pindar, in: Schmidt (1981) 90–92. Szemerényi, Otto: Rez. zu „Pierre Chantraine: Dictionnaire étymologique de la langue grecque. Histoire des mots. Tome III: Λ–Π. Paris: Klincksieck 1974“, Gnomon 1977, 49: 1–10. Taillardat, J.: A propos d’Alcée, fr. 6, v. 1–8, Lobel–Page, RPh 1965, 39: 80–90. Tavenner, Eugene: Iynx and Rhombus, TAPhA 1933, 64: 109–127. Taverniers, Miriam: Metaphor and metaphorology. A selective genealogy of philosophical and linguistic conceptions of metaphor from Aristotle to the 1990s, Gent 2002. Thimme, Otto: ΦΥΣΙΣ ΤΡΟΠΟΣ ΗΘΟΣ. Semasiologische Untersuchung über die Auffassung des menschlichen Wesens (Charakters) in der älteren griechischen Literatur, Diss. Göttingen 1935. Thomas, P.: Note sur une passage de la IVe Pythique de Pindare, RIB 1888, 31: 177–178. Thomas, Rosalind: Fame, Memorial, and Choral Poetry: The Origins of Epinikian Poetry – an Historical Study, in: Hornblower – Morgan (2007) 141–166. Thuillier, J.-P.: La nudité athlétique (Grèce, Etrurie, Rome), Nikephoros 1988, 1: 29–48.

344

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

Thummer, Erich: Die Religiosität Pindars, Innsbruck 1957. Thummer = Erich Thummer: Pindar. Die Isthmischen Gedichte, 2 Bde., Heidelberg 1968–1969 (Band, Seite). Triebel-Schubert, C.: Der Begriff der Isonomie bei Alkmaion, Klio 1984, 66: 40–50. Tsetskhladze, Gocha R., Franco De Angelis (Hrsg.): The Archaeology of Greek Colonisation. Essays dedicated to Sir John Boardman, Oxford 1994. Turyn, Alexander (Hrsg.): Pindari carmina cum fragmentis, Oxford 1952. Uruschadze, Akaki: Pindars Pythia 4, in: Schmidt (1981) 62–67. Ussher, R. G.: The Characters of Theophrastus, London 1960. van Nes, D.: Die maritime Bildersprache des Aischylos, Groningen 1963. Verdenius, W. J.: Der Logosbegriff bei Heraklit und Parmenides. I, Phronesis 1966, 11: 81–98. Verdenius, W. J.: Der Logosbegriff bei Heraklit und Parmenides. II, Phronesis 1967, 12: 99–117. Verdenius, W. J.: ΝΟΣΤΟΣ, Mnemosyne 1969, 22: 195. Versnel, H. S.: Greek Myth and Ritual: The Case of Kronos, in: Bremmer (1987) 121–152. Vian, Francis: La guerre des Géants : le mythe avant l’époque hellénistique, Paris 1952. Visa-Ondarçuhu, Valérie: „Des mots qui ne tomberont pas à terre“ (Pindar, Olympiques 9, 12): image d’un poète archer ou lutteur?, Pallas 2002, 59: 167–176. Voigtländer, Hanns-Dieter: Sprachphilosophie bei Heraklit, Hermes 1995, 123: 139–155. Von der Mühll, Peter: Kleine Bemerkungen zu Pindars Olympien, MH 1954, 11: 52–56. Von der Mühll, Peter: Bemerkungen zu Pindars Nemeen und Isthmien, MH 1957, 14: 127–132. Von der Mühll, Peter: Weitere pindarische Notizen, MH 1964, 21: 50–57. Von der Mühll, Peter: Weitere pindarische Notizen, MH 1968, 25: 226–230. Von der Mühll, Peter: Ausgewählte kleine Schriften. Herausgegeben von Bernhard Wyss, Basel 1976. Wade-Gery, H. T.: Thucydides the Son of Melesias. A Study of Periklean Policy, JHS 1932, 52: 205–227. Weiler, Ingomar: Der Sport bei den Völkern der Alten Welt. Eine Einführung. Mit dem Beitrag ‚Sport bei den Naturvölkern‘ von Christoph Ulf, Darmstadt 1981. Wehrli, Fritz: Die Rückfahrt der Argonauten, MH 1955, 12: 154–157. Welcker, F. G.: Ueber den Plan einzelner Gesänge des Pindar, RhM 1834, 2: 364–390. West, Martin L.: Hesiod. Theogony, Oxford 1966. West, Martin L.: Hesiod. Works & Days, Oxford 1978. West, Martin L.: Ancient Greek Music, Oxford 1992. West, Stephanie: ‘The Most Marvellous of All Seas’, GR 2003, 50: 151–167. White, Mary E. (Hrsg.): Studies in Honour of Gilbert Norwood, Toronto 1952. Whitmore, Charles E.: On a Passage in Pindar’s Fourth Nemean Ode, HSCPh 1910, 21: 103–109. Whitmore, Charles E.: Pindar, O., VIII, 53 ff., SPh 1918, 15: 344–347. Wilamowitz-Moellendorff, U. v.: Excurse zu Euripides Medeia, Hermes 1880, 15: 481– 523. Wilamowitz-Moellendorff, U. v.: Aischylos. Interpretationen, Berlin 1914. Wilamowitz-Moellendorff, U. v.: Pindaros, Berlin 1922. Wilamowitz-Moellendorff, U. v.: Euripides Herakles, 3 Bde., Darmstadt 1959 (Bd., Seite). Wilhelm, M. P.: Pindar. A literary study of Pythians 4 and 5, Columbus 1973. Willcock, M. M.: Second Reading of Pindar. The Fourth Nemean, G & R 1982, 29: 1–10.

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

345

Willcock, M. M.: Pindar. Victory Odes. Olympians 2, 7, 11; Nemean 4; Isthmians 3, 4, 7, Cambridge 1995. Williams, F.: A Critical Edition of Nemean Odes 1–4 of Pindar, Diss. Cornell University 1976. Williams, F.: Callimachus. Hymn to Apollo, Oxford 1978 Wilson, J. R.: Καιρός as „Due Measure“, Glotta 1980, 58: 177–204. Winnington-Ingram, R. P.: Pindar’s Ninth Pythian Ode, BICS 1969, 16: 9–15. Wiskemann, August: Beiträge zur Erklärung Pindars, Progr. Marburg 1876. Woloch, Michael: Athenian Trainers in the Aeginetan Odes of Pindar and Bacchylides, CW 1963, 56: 102–104. 121. Woodbury, L.: Apollo’s First Love: Pindar, Pyth. 9.26 ff., TAPhA 1972, 103: 561–573. Woodbury, L.: Cyrene and the Τελευτά of Marriage in Pindar’s Ninth Pythian Ode, TAPhA 1982, 112: 245–258. Yiannakis, Thomas: The Relationship between the Underground-Chthonian World and the Sacred Panhellenic Games, Nikephoros 1990, 3: 23–30. Young, David C.: Notes on the Text of Pindar, GRBS 1966, 7: 5–22. Young, David C.: Three odes of Pindar. A literary study of Pythian 11, Pythian 3, and Olympian 7, Leiden 1968. Young, David C.: Pindaric Criticism, in: Calder – Stern (1970) 1–95. Young, David C.: Pindar’s Style at Pythian 9.87f, GRBS 1979, 20: 133–143. Young, David C.: Pindar, Aristotle, and Homer: A Study in Ancient Criticism, ClAnt 1983, 2: 156–170. Young, David C.: How the Amateurs Won the Olympics, in: Raschke (1988) 55–75. Zimmermann, Klaus: Libyen. Das Land südlich des Mittelmeers im Weltbild der Griechen, München 1999. Zunker, Alwine: Untersuchungen zur Aiakidensage auf Aigina, St. Ottilien 1988. Zuntz, Günther: A Pindar Fragment, Hermes 1957, 85: 401–413. Zuntz, Günther: Griechische philosophische Hymnen. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Hubert Cancik und Lutz Käppel, Tübingen 2005.

Register Sachen Epinikion Aufführungskontext ...............3, 33, 36–39, 59 f., 127, 162, 236–238, 314 Aufführungsort ........................ 84, 109, 293 Datierung.................................... 11, 84, 124, 184, 268, 318 Einheit......................................... 1–3, 10, 36, 60–62, 84 f., 124 f., 184, 268 f., 311– 316, siehe auch Epinikion, Pragmatik als ‚Fürstenspiegel‘.........................184–186, 211–213, 257 als globale Metapher....................3, 60 f., 72 Pragmatik.............................1–5, 10, 69–77, 84 f., 107–116, 124 f., 155–162, 184– 186, 210–213, 222–224, 228, 235 f., 247–257, 268–270, 304–309, 311– 316, siehe auch Epinikion, Einheit Siegeskataloge ........................114, 158, 300, 303 Spiegelung der Siegesfeier............137–140, 159 f., 237 f., 256 f., 314 Sprecher ..................................23 f., 136, 299 Zweck ........................................ 1–5, 25, 59– 61, 64, 66, 74 f., 77, 313 siehe auch Lob | Poetologie | Siegerehrung Geographisches Argonautenfahrt: Route ............ 195 f., 209 Kyrenaia: Charakter ..............188, 291, 308 Thessalien: Charakter .............................204 Tritonischer See: Lokalisierung ............195 Geschichtlicher Kontext Aigina: Einnahme durch Athen ............224 ‚Äolische Wanderung‘.............................199 Dorier: Selbstverständnis .....200, 203, 229 ‚Dorische Wanderung‘ ............... 112 f., 198 Euhesperides: (Neu-) Gründung........243– 246

Kyrene: Bürgerkrieg / Probleme ........ 222– 224, 230–232, 243–246 Kyrene: Gründung......................... 199–201 Sparta: Könige.......................................200 f. Sparta: 2. Messenischer Krieg................ 201 Orakel .................................................. 95–97, 108, 110, 199 Perserkriege ................................75, 203, 224 Schlacht bei Plataiai ............................72, 76 Grammatikalisches Abstraktum für Konkretum .......... 92, 157, 191, 274 Adjektiv statt Adverb .............................. 226 Adjektivsatz............................................... 220 Akkusativ, absoluter ................................ 103 Akkusativ, doppelter ..................161 f., 269, 277 Akkusativ: Erstreckung........................... 193 Akkusativ, innerer ............................ 90, 127, 130 f., 269, 271 Aorist, emphatischer ............................... 103 Appositio partitiva ...................................... 90 Artikel: beim Possessivpronomen ........ 136 Artikel: Stellung......................................... 63 Asyndese.......................................... 129, 136, 152, 215, 238 Asyndese: bei Partizipien ....................... 135 Asyndese: nach Fragen ........................... 286 Brachylogie....................................... 208, 278 Dativ, auktorialer ........................... 96 f., 127 Dativ, doppelter (Apposition)............... 106 Dativ: bei einzelnem Substantiv .......... 108, 287 Demonstrativum, deiktisches...... 109, 125, 293 Doppelfrage, indirekte............................ 225 Ellipse des Prädikats (Vergleich)............. 65 Ellipse des Subjekts........................... 15, 108

348

Register

Fragen: Einleitung....................... 281 f., 285 Futur, modales ..........................................136 Genitiv, Appositions- ................ 139, 274 f., 277 Genitiv, auktorialer ....................................92 Genitiv, doppelter ......................................70 Imperfekt statt Präsens..............................19 Indirekte wechselt in direkte Rede .......186 Infinitiv, epexegetischer ..........................255 Infinitiv: als Ergänzung...........................133 Infinitiv, final-konsekutiver..........127, 271, 288 Komparativ ohne Vergleich............. 70, 231 Kompositum: Semantik...................... 191 f. konditionales Partizip .............................134 konditionaler Relativsatz........................138 Konditionalgefüge, irreales ................ 197 f. Konjunktiv: futurischer Sinn.................228 Medialformen: passiver Sinn .......... 96, 242 Nominalsatz ................................................41 Optativ mit ἄν für Konjunktiv ..............138 Parenthese........................................101, 140, 234, 300 f. Partizip beim Optativ mit ἄν .................134 passives Deponens....................................203 Perfekt, intensives.......................................65 Präposition: Stellung .................................89 Präsens: ‚konatives‘ Partizip ............ 90, 202 Präsens bei vergangenen, aber fortdauernden Handlungen ............................ 97, 99 Präsens: Vorzeitigkeit des Partizips........92, 99 Prolepse ............................................135, 148, 191, 240, 282 Subjektswechsel ........................................156 Substantivierung................................ 53, 135 Vokativ: Fehlen des Hauptsatzes......... 70 f. Wortstellung: Betonung ................... 88, 90, 106, 129, 281 Kultureller Kontext Alter / Jugend .......................... 81, 105, 213, 215, 218, 229, 232, 236, 243, 247, 270, 274, 281 Festkultur................................... 2, 37 f., 139, 215, 232 f. Gastfreundschaft...........................49, 101 f., 149, 161, 194 f., 215, 217, 237 Genealogie.................................75 f., 92–97, 112 f., 197–202, 288 f. Hikesie................................................. 22, 149

Hochzeit........................................153, 273 f. Könnensbewußtsein....................... 54 f., 58, 74 f., 203 Männlichkeit – Weiblichkeit ..............74 f., 205 f., 306 f. Namensetymologie.....................233, 248 f., 302, 305, 308 f. Ruhm .....................................109, 255, 298– 303, 306 Scham.........................................20, 279–281 Schiffahrt.................................. 39–41, 187– 189, 191–193 siehe auch Religion Kunstmittel Gnome ......................................................52 f. Hyperbaton............................................... 254 korrespondierende Wörter ........ 14, 19, 63, 88–90, 110, 138–142, 156, 159, 186, 191, 207 f., 232, 234 f., 249, 252, 254– 256, 271, 275, 290 f., 294, 298, 301, 315 Litotes ..........................................96, 99, 195, 252, 287, 300 narratologische Perspektiven.....216 f., 253 Polyptoton ...............................................52 f. Priamel ..............................................2, 46–49 Substantivierung ...........................52 f., 56 f. Themenangabe............................186, 204 f., 206, 209, 234, 251, 269, 315 Überleitungen (‚Abbruchsformel‘)....61 f., 109 f., 126–128, 141, 152 f., 158, 277, 295 Laufen / Waffenlauf Brautlauf .......................................... 270–274 Siegeskriterium...................... 13, 276 f., 301 Umstände ....................................... 12 f., 269, 271, 306 siehe auch Sport Lob Glaubwürdigkeit .......................... 21, 44, 66, 69–72, 128, 299, 302 f., 313 Indirektheit ..................................... 3, 69, 72, 77, 313–316 Maxime ............................................. 233, 299 Selbstsicherheit .............................22 f., 67 f. Trainer / Verwandte ....................107, 114 f. Überdruß..................................................... 71 siehe auch Epinikion | Neid | Poetologie

Sachen Metapher Definition (Peirce)............................. 2 f., 29 als Erkenntnisinstrument..................43–46, 53, 55–60 als icon des Denkens............................... 31 f. Innovativität............................................ 32 f. Lexikalisierung........................................ 30 f. als Meta-Zeichen........................................30 Paraphrase....................................................34 schulrhetorische Theorie...................27–29 Semantik ........................................ 28, 30–37 als semiotisches Phänomen ............28 f., 35 als Textfunktion..........................................34 als Textphänomen ........................ 31, 39–43 Theorien ............................................26, 35 f. und Vergleich ..............................................29 Metaphorik architektonisch .........................................254 botanisch................................. 65, 148, 240– 243, 255 f., 291 f., 297 geographisch ...........................115, 152, 156 Licht..................................................128–130 medizinisch ........................ 138, 231 f., 234, 238–241 nautisch .......................... 39–43, 128 f., 152, 207, 230–232, 234, 239 f., 254, 290 Sport .................................3–5, 59–62, 311– 316, passim textil ............................................ 22, 132, 240 Zahlen .....................86 f., 89–91, 98, 104 f., 107 f., 111 f., 115 f., 125, 141, 151, 153, 155–158, 193 f., 197–204, 257 siehe auch Poetologie Mythos Auslassungen......................................... 221 f. als globale Metapher.............................. 57 f. Innovation ....................18–21, 57, 86 f., 89, 113 f., 142–146, 154 f., 194–196, 202, 208 f., 220, 249–251, 256 f., 272 f., 279 f., 284, 296 f., 306 f., 314 paradoxe Wendungen............150, 219, 253 als Sport.................................. 3, 85–97, 111, 140–154, 187–210, 274–297, 314 als τεκμήριον.....................................56 f., 316 Vergewaltigung ................ 154 f., 214, 278 f. Neid Charakter.....................................................20 Gefahr................................... 13–16, 18, 20 f.

349 Verborgenheit............................................. 17 siehe auch Lob

Pferdesport Gebißstücke ...........................................191 f. Geschlecht der Pferde ..........................187 f. Gewand...................................................205 f. Hippodrom..........................189 f., 193, 197 Kostspieligkeit................................ 244–246 Rennbedingungen ................. 193, 197, 245 Technik ..........................................201, 204 f. siehe auch Sport Philosophischer Kontext Allegorese ........................................... 51, 248 Philosophie der Klassik .................... 44–46, 50–59, 75 Tekmerienverfahren ........................... 54–59 Pindar Beliebtheit...................................4 f., 37, 316 Intellektualismus..................................55, 57 Modernität....................4, 55–57, 59, 315 f. Pindarforschung......................1, 60, 62, 316 und Heraklit ...............................45 f., 54, 68 und Parmenides.......................................43 f. Poetologie Bereitwilligkeit.............................48 f., 63 f., 127 f., 161 f. Funktion .................................. 16, 25, 127 f., 131 f., 137, 140, 159, 293, 314 f. Lob als Bekränzung ........................ 114, 269 Lob als (Freundschafts-) Dienst...... 46–49, 66–68, 137 Lob als Heilmittel....................68, 137–140 Lob als Schuld ................................. 157, 309 Lob als Sport...............................10–14, 21– 25, 63 f., 66, 103, 125–137, 314 f. siehe auch Lob | Neid Religion abstrakter Gottesbegriff.............. 49–51, 56 Apollon (Eigenschaften) .........4, 95 f., 213, 215, 253, 275–277, 281, 288 Ares (Eigenschaften)...................... 204, 213 Artemis (Eigenschaften) ........................ 292 Grenzen .......................................... 69 f., 214, 229 f. Heroen / Heroisierung .....................3 f., 48, 72–77, 311–316

350

Register

Hybris........................................ 4 f., 10, 71 f., 215, 229 f. Isis-Verehrung in Libyen .........................215 κῦδος.......................................3 f., 73 f., 245 f. Personifikation (eines Prinzips) ......47–53, 56 f., 70, 100, 106, 108 f., 283, 298 Poseidon (Eigenschaften)......... 4, 190, 252 Vergöttlichung ..........................................253 Zeus (Eigenschaften).............................4, 99 Ringen Gefährlichkeit....................................... 141 f. Kampforgane ...................... 105, 137 f., 151 Regeln...........................................................86 Technik................................100 f., 126–130, 132–134, 149 f. Voraussetzungen................ 90 f., 141, 151 f. Wettkampfbedingungen......91, 104 f., 133 siehe auch Sport Scholien (Problematik) ............... 97, 126, 128, 131, 223 f., 228, 293 Siegerehrung Bekränzung.......................................22 f., 68, 88 f., 124, 246 Empfang in der Heimat ............................38 Phyllobolie........................................194, 273 Siegerstatue...................................... 4, 23, 67, 74 f., 139, 269 Siegespreise........................................... 4, 208 Symposion .......................................39, 237 f. siehe auch Epinikion Sport Altersklassen..............................................318 Anstrengungen ........................... 137 f., 158, 202, 206, 245 f.

Disziplineneinteilung................................ 12 als Krieg .......................................... 89 f., 110, 141 f., 246 politisch-soziale Dimension ............... 4, 20, 73–75, 104 f., 243–247, 251–257, 299, 315 religiöse Bedeutung ................... 3 f., 73–75, 315 f. Schiedsrichter ............................68, 201, 318 Schönheit / Homoerotik ...........70 f., 74 f., 99, 127 f., 304 f. als Tat / Aufgabe .................... 110, 206, 301 siehe auch Laufen / Waffenlauf | Pferdesport | Ringen | Siegerehrung | Wettspiele Textkritik abweichende Textentscheidungen........ 317 Elision an Periodenende ........................... 46 Enklitikon nach Periodenende.............. 151 Metagrammatismos.....................228, 306 f. Neuinterpretation der Wortgrenze ...... 195 Worttrennung an Periodenende ............. 65 Waffenlauf ...............siehe Laufen / Waffenlauf Wettspiele Ablauf / Organisation............ 84, 91, 104 f. Isthmien: Kränze ..................................... 124 lokale .......................................... 157 f., 299 f. mythische .............................147, 190, 207 f. Nemeen: Aition ......................................... 68 als Ort der Kommunikation.................. 245 panhellenische.................................4, 72–77 Pythien: Aition ........................................ 223 Pythien: Gründungsdatum.................... 142 Schutzgottheiten..................... 4, 300 f., 304 Siegesproklamation ....................84, 99, 269

Namen Achaimenes (Sohn von Dareios I.) ..............49 Achilleus..........................................16–20, 27 f., 30, 32 f., 35, 85, 89, 93, 97, 152–154, 247 Adeimantos aus Korinth ..............................201 Adrastos.............................................................68 Agamemnon ............................................ 19, 209 Agathon aus Athen........................................205

Agenor............................................................75 f. Agiadai ......................................... 75, 198, 200 f. Aiakiden....................... 85, 89 f., 92–98, 107 f., 110–113, 124 f., 143, 152 f., 160, 162 Aiakos................................. 10, 17 f., 21 f., 48 f., 62–64, 66, 68–70, 72, 74, 76, 84–98, 103, 106–113, 115 f., 140, 153 f., 157, 160, 200

Namen Aias.........................................10, 15–21, 23, 25, 47 f., 57 f., 61 f., 64, 66 f., 69, 72, 74 f., 85, 89, 93, 97, 141, 160, 213, 233, 311 Aietes .................................. 150, 194, 204–207, 210, 213, 216, 220 f., 247, 250, 253 Aigina............................... 10, 17, 22, 64, 67, 70, 84, 87, 98–102, 107, 109, 111–113, 116, 124, 130, 142, 146, 153, 160–162, 224, 300 f., siehe auch Oinona Aigyptos ..........................................................270 Ainarete .................................................... 94, 215 Aineas aus Syrakus.........................................237 Aiolos......................................................249, 254 Aischylos aus Athen ............37, 39, 42–44, 50, 52, 57, 86 Aison.....................................94, 204, 215, 218– 220, 249 Aitna .................................................. 38, 74, 244 Akastos ....................... 146–152, 156, 161, 249 Aktis ...................................................................50 Aletes..................................................................76 Aleuadai......................................................74–76 Alexidamos aus Kyrene......................268–278, 284–286, 293–299, 303 f., 307–309 Alkibiades aus Athen ................73 f., 76, 244 f. Alkimedon von Aigina ...........84, 86, 89, 98 f., 101 f., 104–116, 162, 311 f. Alkimidas von Aigina ...................................102 Alkmaion (Enkel Nestors).............................75 Alkmaion aus Athen .......................................73 Alkmaion aus Kroton ....................54–56, 58 f. Alkmaionidai.............................................74–76 Alkmene ....................................... 198, 293–295 Alkyoneus ........................... 125, 141–146, 213 Amazonen.......................................................115 Amphitryon................................. 198, 293–295 Amymone........................................................270 Amyntor ............................................................76 Anaxagoras aus Klazomenai................... 54, 58 Anaxandros aus Sparta .................................201 Andromache...................................................229 Angelia...................................................... 49, 106 Antagoras ........................................................143 Antaios................................ 268, 270–275, 286, 295, 298 f., 304–306, 308 Antigone..........................................................205 Antilochos.......................................................204 Aphrodite.................................51, 70, 191, 216, 247 f., 252, 283 f. Apollon.................................... 4, 22, 76, 85–90, 92, 95–98, 105, 108, 110–112, 115 f., 142,

351

188, 199 f., 203 f., 210 f., 213–215, 236, 238, 241, 246, 251–254, 268, 274–299, 303–308 Ares ............................................... 40, 204, 213 f. Argo .....................................191–195, 207, 216, 250, 255 Argonauten............................ 76, 93, 143, 184– 187, 190 f., 193–197, 199–212, 216, 219– 221, 228, 247, 249–257, 296 Arion von Lesbos .......................................... 189 Aristagoras von Tenedos................................ 73 Aristaios .......................................287–296, 299, 304–306 Aristarch von Samothrake.................. 134, 138 Aristodemos .......................................198, 200 f. Aristomachos ................................................. 198 Aristomenes von Aigina............................... 133 Aristophanes aus Athen ............................... 248 Aristoteles aus Stageira................19, 27, 29, 55 Arkesilaos III. von Kyrene ...............224, 243 f. Arkesilaos IV. von Kyrene......... 73 f., 76, 93 f., 184–190, 196 f., 202, 208–213, 222–224, 226–228, 231–257, 312 Artemis................................ 188, 214, 236, 254, 292 Asklepios......................................................... 248 Astyanax......................................................94, 96 Atalante..................................12, 151, 154, 273, 280, 307 Athen.............................17, 37, 125, 157 f., 245 Athene ..............................19 f., 105, 142 f., 300 Atlas ............................................... 230, 234, 238 Bakchylides von Keos..................................... 74 Barke ................................................................ 242 Bassidai.............................................................. 76 Battiadai..................................73, 76, 93 f., 184, 210, 222, 241 f., 250, 253–255 Battos von Thera / Kyrene .............. 73, 76, 94, 184, 186 f., 199, 201 f., 210 f., 251–254, 287, 297 Battos IV. von Kyrene................................... 246 Blepsiadai................................... 76, 84, 99, 102, 105–107, 110, 113–116 Boreas ..................................................... 203, 252 Brasidas aus Sparta.......................................... 74 Chairis ............................................................. 203 Chariadai ............................................. 10, 67, 76 Chariten...................................... 49, 138 f., 161, 297, 301

352

Register

Charybdis........................................................248 Chiron .............................146–148, 150, 155 f., 159, 218, 247 f., 274–289, 292 f., 309 Chromios aus Syrakus / Aitna ... 38, 73 f., 206 Daidalos....................................siehe Hephaistos Damophilos aus Kyrene ......... 184–186, 211– 213, 219, 222–238, 240 f., 243, 253 f., 257 Danaer ........................................ 16–20, 63, 197 Danaiden..........................270–273, 275 f., 304 Danaos ...................................................270–272 Deinis von Aigina................... 10 f., 22–25, 34, 57 f., 61–65 Delphi (Pytho)...................186, 188, 191, 197, 201 f., 236, 246, 250 f., 253 f., 269, 298 f., 303 f., 307 f. Demaratos aus Sparta............................... 49, 73 Demokrit aus Abdera .....................................54 Diagoras von Rhodos .....................................76 Didymos aus Alexandreia ............. 84, 86, 107, 134, 138, 148 Dike................................................43 f., 49 f., 70 Diomedes ........................................................213 Dionysos.................................................144, 206 Dirke ............................................................ 293 f. Dorier.........................................112 f., 198–202 Doxa...........................49 f., 298 f., 303 f., 308 f. Echion..............................................................203 Elara..................................................................214 Eleithyia...........................................................248 Elektryon..................................................... 293 f. Emmenidai.................................................... 75 f. Empedokles aus Akragas..... 50 f., 55 f., 58, 75 Enyo .................................................................205 Eos ....................................................................205 Epeios.......................................................... 93, 95 Epeiros .............................................................153 Epharmostos aus Opus .......................... 91, 129 Ephialtes...................................................... 213 f. Eratidai ..............................................................76 Erinyen / Eumeniden............................... 46, 50 Erytos...............................................................203 Eteokles.......................................................39–43 Eteoklos .............................................................43 Euhesperides............................... 195, 242–244, 246 f., 250, 254, 256 f., 291 Euphamiden ...............................93 f., 190, 194, 197–202, 208–210, 242, 251, 254–257 Euphamos aus Kyrene (hist.)......243 f., 250 f., 256, 312

Euphamos (myth.) ................ 76, 93, 190–203, 206, 208–211, 250–254, 256, 312 Euphanes von Aigina..................135–137, 161 Euphrosyne.................137–139, 156, 158, 298 Europa ............................................................. 152 Eurypontiden.............................. 75, 198, 200 f. Eurypylos ............................191, 193–195, 210, 251 f., 296 f., siehe auch Triton Eurysthenes aus Sparta ........................ 198, 200 Eurystheus ............................................. 293, 295 Eurytion .....................................146 f., 149, 203 Eurytos ............................................................ 251 Euthymos aus Lokroi...................................... 72 Euxenidai .......................................................... 76 Exainetos aus Akragas .................................... 38 Gadeira (Säulen des Herakles).......152 f., 156, 160 Gaia............................................235, 287 f., 292, 294, 304, 306 Ganymedes ..................................................... 142 Gelon aus Gela / Syrakus............................73 f. Geryoneus................................................ 57, 145 Giganten .......................................143–146, 235 Glaukos (Seegott) ........................................... 73 Glaukos aus Karystos...................................... 73 Hades................................................50, 105, 252 Haimones .................................... 146, 148, 153, siehe auch Thessalien Harpyien ................................................ 221, 248 Hebe .................................................50, 270, 280 Hekataios aus Milet .......................58, 195, 248 Hektor ...................................................... 91, 229 Helios .............................................................. 145 Hephaistos...................................................147 f. Hera ........................................50, 143, 214, 216, 237, 248, 252, 255, 279 f., 284 Herakleia / Iolaeia.............................158, 300 f. Herakles .................................56 f., 68, 72, 75 f., 94 f., 111, 124, 140–146, 155 f., 158 f., 161 f., 198, 201–203, 206, 216 f., 270, 293–295, 297, 300, 302 Heraklit aus Ephesos .......... 44–46, 50 f., 53 f., 58 f., 68, 249 Hermes ............................... 76, 105 f., 147, 252, 287, 291, 304 Herodot aus Halikarnassos .....................55, 73 Herodot aus Theben .......................55, 74, 244 Hesiod aus Askra...................... 51, 56, 58, 288, 296 f., 302

Namen

353

Hesychia............................................ 50, 70, 224 Hieron aus Syrakus / Aitna ............ 37, 72–74, 233, 244 f., 248 Hippokleas aus Thessalien.............................74 Hippolyta............................ 146–151, 154, 156 Hippomedon....................................................43 Hippomenes .....................................................12 Homer..............................51, 56, 59, 143, 241 f. Hora ......................................................49 f., 70 f. Horen..........................50, 287 f., 294, 304, 306 Hybris ......................................................... 50, 71 Hyllos......................................................198, 293 Hyperboreer ..........................................115, 248 Hypermestra ...................................................270 Hypnos ..................................................... 50, 298 Hypseus .........................................277, 288, 292 Hypsipyle ........................................................209

Kleonymidai..................................................... 76 Klymenos........................................................ 203 Kolchis ................................143, 195, 204–206, 212, 218, 221, 255 Korinth (Isthmos)....................... 115, 125, 157 Koros ...........................................................50, 71 Kreoisa.................................................... 288, 292 Kresphontes ................................................... 198 Kreta ......................................................... 48, 277 Kretheus...........................................94, 147, 249 Kroisos........................................................ 95–97 Kronos..........................................................234 f. Kyniska aus Sparta ........................................ 245 Kypros ..............................................22, 153, 160 Kyrene................................73, 76, 94, 184–191, 194–202, 209–211, 216, 222–225, 227, 229, 232–257, 268 f., 274–309

Iamidai...............................................................76 Iamos................................................................248 Iaso....................................................................248 Iason ...................................... 94, 99, 147 f., 194, 202–222, 225, 232, 234 f., 247–256 Iolaos.......................................... 293, 295, 300 f. Iolkos.......................146–148, 153, 204, 208 f., 212–214, 216, 234 f., 248 f., 253–255 Iphigenie..........................................................205 Iphikles ................................ 293–295, 300, 302 Iphion von Aigina .........................................106 Irasa ............................................... 270–272, 308 Iris.....................................................................228 Isis .....................................................................215 Ixion ...............................................154, 214, 248

Labdakidai.....................................................75 f. Lachon von Keos........................................... 248 Lamache.......................................................... 198 Laomedon ......................... 85 f., 95, 111, 142 f. Laonome......................................................... 198 Laotychidas aus Sparta................................. 201 Lemnierinnen .....................198, 207–209, 256 Lemnos.................................... 190, 198 f., 207– 210, 242, 256 f. Leto.................................................................. 214 Leuke ............................................................... 153 Leukophane.................................................... 198 Libyen / Libya........................... 93 f., 190–197, 199, 201 f., 208, 210 f., 215, 241 f., 246, 250–252, 254–256, 270, 275, 278, 283 f., 287, 291 f., 296–300, 304 Lynkeus ...............................................192 f., 270

Kalais................................................................203 Kallias aus Athen .............................................73 Kallikles von Aigina .................. 124, 135–137, 139 f., 157 Kallimachos von Aigina ...............................106 Kalliste............................................... siehe Thera Kapaneus ...........................................................43 Karrhotos aus Kyrene................................ 243 f. Kastor.................................................. 147 f., 203 Katane...............................244, siehe auch Aitna Kentauren........................................147 f., 282 f. Kentauros ........................................................248 Kimon aus Athen...................................... 73, 75 Kinyras........................................11, 21 f., 48, 64 Kleodaios.........................................................198 Kleomedes aus Astypalaia..............................72 Kleonai ............................................................158

Medea ....................................94, 184, 186–188, 190 f., 193, 197 f., 203–205, 207, 209, 216, 219, 221, 248, 250–252, 256 f. Megakles aus Athen .....................................73 f. Megara..........................................................300 f. Megas von Aigina................... 10 f., 22–25, 34, 52, 57 f., 62–67, 69–72, 74, 311 Meidylidai......................................................... 76 Melanion......................................................... 154 Meleagros........................................................ 217 Melesias von Aigina ...................84, 89 f., 102– 116, 124, 131 f., 134–137, 140, 155, 159, 162, 312 Menandros aus Athen ................ 102, 107, 115 Menelaos..........................................19, 198, 209

354

Register

Meroper........................................ 125, 141–143 Metrodoros aus Lampsakos ...........................51 Midas .................................................................22 Milon aus Kroton ................................... 72, 124 Miltiades aus Athen ................................. 73, 75 Mnemosyne ....................................................114 Mopsos ...................................................203, 252 Muse / Musen............61, 114, 229, 236 f., 254 Myrtilos ...........................................................209 Neleus ................................................................75 Nemea..............................68, 98, 104, 125, 139, 157 f. Neoptolemos ......................85, 89, 93–97, 106, 111, 152 f. Nereiden........................................................ 19 f. Nereus.......................................................... 301 f. Nestis..................................................................50 Nestor ....................................................... 75, 204 Nikasippos aus Akragas............................ 236 f. Nil................................................................. 195 f. Nomos .....................................................50, 56 f. Odysseus............................ 16–20, 94, 141, 273 Oibotas aus Dyme ....................................... 72 f. Oidipus............................................... 200, 241 f. Oineus..............................................................248 Oinomaos...............................................209, 273 Oinona.............................................. 17, 70, 160, siehe auch Aigina Okeanos........................................ 193–196, 288 Olympia..............................50, 74, 84, 99, 108– 110, 191, 300 Opheltes / Archemoros..................................68 Orestes .............................................................198 Orpheus...........................................................203 Otos.............................................................. 213 f. Panathenäen....................................... 158, 299 f. Paris ..................................................................149 Parmenides aus Elea ............... 43–45, 50 f., 54, 58, 75 Parphasis........................................... 19 f., 25, 63 Parthenopaios.......................................... 43, 236 Peitho.................................................. 283 f., 298 Pelasger ...................................................199, 242 Peleus .................................... 93, 97, 112, 124 f., 143, 146–162, 194, 203, 312 Pelias..........................................94, 99, 147, 150, 190, 202, 206, 208, 211–222, 232, 247, 249 f., 252–256

Pelops................................................21, 209, 273 Peneios.................................................... 288, 292 Penelope.......................................................... 249 Penthilos ......................................................... 199 Periklymenos.................................................. 203 Phasis ............................................................195 f. Pherekydes aus Syros ............................. 51, 249 Pherenikos ...................................................... 188 Pheretime aus Kyrene ................................243 f. Philaidai ................................................ 75 f., 198 Phlegrai ........................................................... 144 Phobos............................................................... 96 Phokos................................................... 93, 146 f. Phrixos............................................................. 252 Phthia ..................................................146 f., 153 Phylakidas von Aigina.................................. 114 Platon aus Athen .......................................19, 53 Polemos................................................... 50 f., 56 Polydeukes..........................................147 f., 203 Polymela.......................................................... 147 Polymnastos von Thera.................................. 94 Polyneikes ...................................... 40 f., 43, 200 Porphyrion ..................................................... 145 Poseidon............................... 4, 75 f., 85–90, 92, 94, 97 f., 103 f., 108 f., 111 f., 115, 142, 189 f., 203, 209, 214, 216, 228, 249, 252, 254, 270, 297 Priamos..................................... 94–96, 143, 229 Prokles .................................................... 198, 200 Psalychiadai ...................................................... 76 Psamathe ......................................................... 154 Pythagoras von Samos.................................... 58 Pytheas von Aigina .............................. 107, 114 Pythia...................................................... 186, 252 Rotes Meer ..................................................195 f. Salamis.................................................... 153, 160 Salmoneus......................................................... 94 Sarpedon........................................................... 96 Sikyon................................................................ 38 Simonides von Keos ......................73, 128, 131 Skylla................................................................ 248 Sogenes von Aigina....................................... 248 Sokrates aus Athen.......................................... 55 Sparta (Lakedaimon).................. 17, 75 f., 190, 198–203, 210, 242, 245, 277 Spartoi ............................................................. 221 Sphinx ............................................................... 43 Strepsiades aus Theben ....................... 141, 213 Symplegaden ......................................... 216, 255

Griechische Wörter Syrakus...............................................................74 Tantalos ...........................................................154 Tartaros............................................................234 Taucheira.........................................................242 Teisamenos......................................................198 Telamon.................................15, 85, 89, 93–95, 97, 112, 124–126, 140–147, 150–153, 155–162, 312 Telemachos .....................................................236 Telesikrates aus Kyrene .... 233, 268–271, 274, 293, 295–309, 312 Telesto..............................................................205 Temenos ..........................................................198 Teukros ............................................................160 Theagenes aus Rhegion..................................51 Theagenes von Thasos..........................72 f., 76 Theandridai .......................... 76, 124, 142, 152, 157 f., 160 f. Theben ................................39–42, 68, 74, 125, 142, 157 f., 160 f., 222–224, 233 f., 237, 268, 293–295, 300 f., siehe auch Dirke Theia .............................................................. 47 f. Themis...............................................49, 99–102 Themistokles aus Athen...............................201 Thera........................................187, 190 f., 197– 199, 202, 209, 222, 242, 254, 256 f., 287 Theras ....................................................199–201 Theron aus Akragas ........................72–76, 245 Thessalien ............................74 f., 192 f., 203 f., 296 f., 308, siehe auch Haimones Thetis...................................18, 146–148, 151– 157, 159–162, 194

355

Thorax aus Thessalien.................................... 74 Thukydides aus Athen ................................... 55 Thukydides aus Athen (Melesias’ Sohn) .. 102 Timasarchos von Aigina .... 102, 124 f., 127 f., 130–132, 135–140, 155, 157–162, 312 Timasitheos von Delphi ................................ 73 Timokritos von Aigina.....................158, 161 f. Timosthenes von Aigina......... 84, 98 f., 102 f., 107–116 Titanen.........................................................234 f. Tityos ...........................................................213 f. Triton..................................... 191, 194 f., 201 f., 210, 250–252, siehe auch Eurypylos Tritonischer See..................191, 193–196, 250 Troia (Ilios)........................... 19, 47, 76, 85–90, 92–98, 108, 110–112, 115, 125, 141–143, 145 f., 149, 279 Tros .................................................................. 142 Tydeus .........................................................43, 91 Tyndareos ....................................................... 198 Typhos............................................................... 43 Tyro.................................................................... 94 Xenokrates aus Akragas ................................. 74 Xenophanes aus Kolophon .............. 51, 53, 58 Xerxes ................................................................ 49 Zetes ................................................................ 203 Zeus ............................. 4, 17, 21, 50, 56, 63, 65, 70, 76, 85 f., 92, 96, 98–100, 105–110, 114, 125, 139, 146, 154 f., 157, 202 f., 214, 216, 218 f., 228, 234 f., 252, 254, 279 f., 283 f., 287 f., 292–295

Griechische Wörter ἀβοατί.................................................................17 ἄγαλμα................................................................23 ἀγγελία .............................................................106 ἄγειν........................................................... 39, 273 ἄγλωσσος............................................................16 Ἀγροτέρα .........................................................292 ἀγών..................................................................271 ἀγῶνες ἱεροί....................................................4, 73 ἄεθλος ...............................................................202 αἰνεῖν............................................................. 134 f. αἶσα...................................................................218 αἰσχύνειν...........................................................227

ἀλήθεια............................................................... 74 ἀλκή.................................................................. 290 ἀλλά......................................................... 109, 195 ἄλλος ................................................................ 226 ἅμα … καί........................................................96 f. ἀμφί ..............................................................15, 92 ἀνάγκη ............................................................... 71 ἀναπνεῖν / ἀναπνοή ............................. 12, 87, 90 ἀνατρέχειν ....................................................... 103 ἀντίον ................................................................. 92 ἀντίπαλος......................................................... 105 ἀπάλαιστος ...................................................... 133

356

Register

ἀπάρχειν...........................................................153 ἀπιθεῖν .......................................................... 194 f. ἄρα ......................................................................19 ἀρετή.................................................................303 ἁρμόζειν ............................................................273 ἁρπάζειν ...........................................................279 ἄρχεσθαι ......................................................94–96 ἀσκεῖν ...............................................................100 ἀτύζεσθαι............................................................92 ἀφώνητος..........................................................221 ἄωτος ................................................................106 βασανίζειν...........................................................13 βοᾶν ....................................................................91 γαῖα ...................................................................196 Γαιάοχος ...........................................................252 γε .........................................................................17 γε μάν..................................................................68 γεγωνεῖν..............................................................23 γενεά ............................................................. 156 f. γενέθλιος.............................................................99 γλαυκός...............................................................91 γλαύκωψ.............................................................91 γραμμή..............................................................271 γυῖα ...................................................... 105, 137 f. δαΐφρων ............................................................294 δαπάνη..............................................................246 δάπτειν ...............................................................15 δέ .............................................................13, 281 f. δέκεσθαι..............................................................39 δεῦρο .................................................................109 δή.........................................................................68 διακρίνειν .........................................................100 διαντλεῖν...........................................................219 διδάξασθαι........................................................103 διδόναι ψῆφον ..................................................225 δίκη ................................................................. 69 f. διπλόος................................................................63 δοκεῖν ................................................................129 δράκων................................................................91 δυσπαλής ..........................................................101 εἴη c. inf. ...........................................................139 ἐκ.......................................................................112 ἕκατι..................................................................160 ἔκπαγλος..................................................141, 213 ἐκφέρειν ............................................................156 ἐλαύνειν ............................................................205 ἕλκειν ............................................................ 126 f.

ἔμπας ................................................................ 221 ἐμπίπτειν............................................................ 91 ἐν....................................................................... 133 ἐν (ἔνεστι) .......................................................... 41 ἐνορούειν ............................................................ 90 ἐξανίστασθαι.................................................... 201 ἐξενέπειν............................................................. 99 ἐξευρίσκειν ......................................................... 14 ἔξοχα................................................................. 101 ἐπανατέλλειν ................................................101 f. ἐπείγεσθαι ........................................................ 127 ἐπι-...................................................................... 89 ἐπιτεύχειν........................................................... 89 ἐργασία............................................................... 92 ἔργμα .............................................................138 f. ἔργον...................................... 110, 139, 206, 301 ἔρδειν ................................................................ 106 ἔρις.................................................................... 134 ἐς ....................................................................... 157 ἐσάλλεσθαι......................................................... 91 ἐσλός ................................................................. 133 εὐδαίμων........................................................... 240 εὐθύνειν ............................................................ 204 εὐνή................................................................... 280 εὐνομία ............................................................. 233 Εὐφροσύνη....................................................... 139 εὐώλενος ........................................................... 297 ἔφεδρος .................................................... 105, 133 ζαμενής ..........................................................282 f. ἤ ........................................................................ 208 ἦ μάν................................................................... 18 ἦρα........................................................... 284, 286 ἡσυχία............................................. 224, 230, 232 ἦτορ ........................................................... 17, 127 θεός ..................................................................... 51 θρασύς .............................................................. 151 ἰατρός ............................................................... 248 Ἴλιος ................................................................... 90 ἱν ...........................................................157, 194 f. ἰού ..................................................................... 221 ἵππος................................................................. 188 ἰσοδαίμων ......................................................... 159 ἵστασθαι ............................................................. 12 ἴυγξ.................................................................127 f. καί.................................................... 67 f., 70, 101 καὶ γάρ ............................................................. 281

Griechische Wörter καὶ μήν..............................................................230 καίπερ ...............................................................128 καιρός...........................69, 100, 127, 229 f., 238 καλλίνικος .................................................... 161 f. καταβαίνειν.............................................129, 192 καταπίπτειν .......................................................91 καύχη ..................................................................67 καχλάζειν............................................................40 κελαδεῖν ........................................................ 161 f. κέντρον .............................................................205 κέρδος ...............................................................215 κιχάνειν.............................................................276 κόμπος.................................................................67 κόρος ...................................................................71 κοῦφος.................................................................12 κραταιός ...........................................................141 κρατεῖν....................................................99, 151 f. κτίζειν .................................................................90 κῦδος ...............................................4, 73 f., 245 f. κυλίνδειν...........................................................130 κῶμος .............................................38 f., 126, 139 κωφός................................................................293 λόγος ................................................. 44, 133, 141 μανθάνειν..........................................................229 μάχη ...............................................89 f., 110, 142 μέγας .................................................................141 μέλλειν ................................................................87 μέν … ἀλλά .......................................................239 μέν … δέ ............................................................105 μένος ἐμπνεῖν....................................................105 μέσον ἔχειν........................................................128 μηχανή ..............................................................152 νεομηνία............................................................127 νιν........................................................................87 νόστος ...............................................................209 νωμᾶν................................................................189 ξυστίς ............................................................ 205 f. ὅδε ............................................................109, 293 ὄλβος ...................................................................48 ὀξύς....................................................................152 ὀργή...................................................................281 ὀρθός ........................................................100, 237 ὀρθοῦν...............................................................186 ὅστις .........................................................109, 220 οὔ τί που............................................................204 ὄψον ....................................................................14

357

παλίγκοτος....................................................... 133 πάλιν / παλιν-......................................... 133, 306 παπταίνειν ....................................................216 f. πάρφασις................................................... 19, 281 πάτρα ................................................................. 67 πεδίον ................................................................. 47 πειθώ................................................................. 283 πιστός ................................................................. 66 πλέκειν ............................................................. 132 ποικίλλειν / ποικίλος..........................22, 91, 302 πόνος.....................................................137 f., 202 πούς .................................................................... 12 προκώμιον........................................................ 139 προπάτωρ ........................................................ 135 πρόσοψις .......................................................... 191 προστρέπειν..................................................148 f. πρόφατος............................................................ 98 πτέρυξ............................................................... 189 ῥέπειν................................................................ 100 σαφής...............................................................97 f. σοφία / σοφός.............................57, 75, 283, 303 στέγειν................................................................ 41 στεφαναφορία.................................................. 114 στέφανος ................................................ 88 f., 114 στρέφειν ........................................................... 134 σύνεσις / συνετός / συνιέναι...................... 57–59 συντελέθειν ...................................................... 287 συντίθεσθαι...................................................... 157 σχάζειν.............................................................. 152 ταμιεύειν........................................................112 f. τε καί .................................................................. 41 τεθμός...................................................... 126, 131 τεκμαίρεσθαι.......................................54, 56, 108 τέλος ..................................... 66 f., 233, 271, 276 τέρας................................................................... 92 τέρμα ................................................................ 271 τέρτατος............................................................. 93 τεύχειν ................................................................ 89 τιμή.......................................................254 f., 300 τριάζειν / τριακτήρ / τριαστής........................ 86 τύχη .................................................................. 138 ὕβρις .............................................................5, 230 ὑπέρ c. gen........................................................ 195 ὑπέροπλος ........................................................ 290 ὑπό c. gen. .......................................................... 97

358

Register

φάρξαι.................................................................40 φεύγειν ..............................................................301 φιλότης..............................................................283 φυτεύεσθαι .........................................................94 χαλινόν..............................................................191 χαλκόγενυς ................................................... 191 f. χαμαὶ πίπτειν ...................................................130 χαμαιγενής........................................................217 χάρις................................................104, 108, 139

χείρ ................................................................... 151 χρᾶσθαι ............................................................ 149 χρέος ................................................................. 157 χρή .................................................................... 236 χρόνος............................................................... 101 ψῆφος................................................................ 225 ὥρα ..................................................................70 f. ὡς ὅτε.................................................................. 65

Stellen Das Stellenregister beinhaltet alle in dieser Arbeit vorkommenden Stellen. Stellen, die eingehender diskutiert und / oder nicht zu reinen Belegzwecken herangezogen werden, sind halbfett gesetzt, alle Seitenzahlen kursiv. Nach Möglichkeit wurden Stellen- bzw. Seitenangaben zusammengefaßt. Umfassendere Stellenangaben stehen vor weniger umfassenden. Adespota fr. 985b, 12–14 PMG: 144 f. fr. 1b, 6–8 (d) TrGF: 217 | fr. 655, 23 TrGF: 144 Aischines 1, 77: 225 Aischylos Ag.: 40–71: 149 | 63–67: 90 | 168: 151 | 171 f.: 86 | 239: 205 | 281–314: 194 | 343 f.: 306 | 399–403: 149 | 782: 189 | 812: 65 | 1206: 154 | 1551 f.: 86, 91 | 1563 f.: 161 Choeph.: 263: 130 | 306–314: 161 | 339: 86 | 621: 248 | 670 f.: 138 | 866–868: 133 | 934: 130 | 964: 130 | 971: 130 | 1021–1024: 204 Eum.: 558 f.: 129 | 559: 101 | 589: 86 | 614– 618: 281 | 640–646: 234 f. Nemea: 68 Orestie: 37, 46, 50, 86 Pers.: 87–92: 129 | 305: 12 | 589: 96 | 634: 159 | 660: 206 | 988: 127

Prom.: 219–221: 234 | 500–503: 14 | 1068: 229 Sept.: 39–43, 129, 239 | 1–3: 39, 41 f. | 3: 189 | 32 f.: 39, 41 f. | 62–64: 40 f. | 78 ff.: 42 | 112–115: 40 f. | 123 f.: 192 | 198: 225 | 206 f.: 192 | 208–210: 40 f. | 343 f.: 40, 42 | 360–362: 40, 42 | 371: 188 | 380 f.: 91 | 387–390: 43 | 397–406: 43 | 424: 144 | 432–434: 43 | 444 f.: 43 | 465–469: 43 | 491–496: 43 | 510–513: 43 | 532–537: 236 | 539–544: 43 | 560 f.: 43 | 622: 236 | 642– 649: 43 | 652: 40–42 | 658–671: 43 | 750– 757: 256 | 758–761: 41 f. | 795–798: 41 f. Suppl.: 816: 252 | 1038–1040: 283 | 1059– 1061: 230 fr. 78c, 39 TrGF: 124 | fr. 145, 16 TrGF: 290 | fr. 174 TrGF: 20 | fr. 190–193 TrGF: 234 | fr. 192 TrGF: 196 Aithiopis arg.: 18 Akesandros (FGrH 469) F 1: 251 | F 3 f.: 296

359

Stellen Alkaios (LP) fr.: 6, 1–3: 40 f. | fr. 6, 7: 40 | fr. 42: 154 | fr. 73, 1–4: 40 | fr. 117b, 6: 12 | fr. 129, 7: 93 | fr. 326: 40–42 Alkmaion (DK 24) B 1: 54, 56, 58 | B 1a: 54, 59 | B 2: 58 | B 4: 55

4, 1394: 195 | 4, 1444: 195 | 4, 1539: 195 | 4, 1559–1561: 251 | 4, 1757–1764: 242 | 4, 1771: 12 Archelaos (DK 60) B 1: 56 Archilochos (West) fr. 119: 154

Alkman (PMGF) fr. 1, 67–69: 22 | fr. 1, 81: 307

Ariphron (PMG) fr. 813, 4: 159

Anakreon (PMG) fr. 384: 283 | fr. 391: 88 | fr. 497: 147

Aristophanes Ach.: 271 f.: 154 | 274 f.: 128 | 571: 128

Anaxagoras (DK 59) B 12: 58 | B 21a: 54, 58 | B 22: 55 Anthologia Palatina 12, 206: 154 | 14, 28, 3: 91

Av.: 292: 306 | 823–825: 144 | 1121: 12 | 1373 f.: 12 | 1453 f.: 12 Eccl.: 332: 205 | 879: 205 Equ.: 388: 128 | 551–564: 190 Lys.: 219 f.: 205 | 645: 205

Antoninus Liberalis 38: 147 Apollodor 1, 1–2: 235 | 1, 4, 1: 214 | 1, 6, 1 f.: 144, 145 | 1, 6, 1: 235 | 1, 7, 4: 214 | 1, 8, 2: 147 | 1, 9, 11: 249 | 1, 9, 16 f.: 203 | 1, 9, 16: 249 | 2, 1, 4: 76 | 2, 1, 5: 270–272 | 2, 4, 5–8: 294 | 2, 5, 9: 85 f., 94, 143 | 2, 6, 4: 94 f., 143 | 2, 7, 1: 143 f. | 2, 8, 1: 293 | 2, 8, 2–5: 198 | 3, 10, 3: 279 | 3, 12, 3–5: 95 | 3, 12, 6: 17, 72, 147 | 3, 13, 1–3: 147 | 3, 13, 3: 151 | 3, 13, 5: 154 f. | 3, 13, 7: 148 | 3, 6, 4: 68 | 3, 9, 2: 151, 154, 273 epit.: 2, 5: 273 | 5, 6: 19 | 5, 14: 93

Nub.: 12–16: 245 | 21–23: 245 | 31: 245 | 404–414: 55 | 837: 138 | 902–906: 235 | 1045: 138 | 1047: 128 | 1063: 147 | 1297– 1302: 205 | 1354–1358: 162 Pl. 701: 248 Ran.: 39 | 46 f.: 206 | 469: 128 | 792: 133 Thesm.: 115: 292 | 137 f.: 205 | 659: 12 | 835: 65 | 954: 12 | 1044: 205 Aristoteles an. post. 97 b31–39: 55 eth. Nic.: 1124 b6–9: 255 | 1128 b15 f.: 281 | 1174 a32–b2: 271 gen. an. 770 a21 f.: 112

Apollonios Rhodios 1, 1–16: 249 | 1, 2 f.: 255 | 1, 20–227: 203 | 1, 65 f.: 203 | 1, 307–310: 213 | 1, 404: 253 | 1, 721–724: 206 | 1, 759–762: 214 | 1, 1083: 203 | 2, 613: 105 | 2, 1019–1025: 280 | 3, 1256–1258: 205 | 3, 1278–1407: 194 | 3, 1278–1280: 192 | 4, 214–217: 282 | 4, 1141–1143: 207 | 4, 1375–1377: 195 | 4, 1381–1387: 195 f. | 4, 1386 f.: 193 |

HA: 505 b21: 189 | 537 b3: 189 metaph. 985 a31–33: 50 meteor.: 353 b12–14: 55 | 357 a24–28: 55 poet. 1457 b6–33: 27 rhet.: 1361 b21–26: 141 | 1361 b24 f.: 91 | 1361 b25 f.: 104 | 1389 a3–1390 b13: 236 | 1406 b20–25: 29, 297 | 1409 a31–34: 276

360

Register

top. 139 b34 f.: 55 Arrian Ind. 17, 4: 273 Bakchylides

Empedokles (Inwood) fr. 8 f.: 58 | fr. 12: 50 | fr. 16: 58 | fr. 25: 50 f. | fr. 26: 51 | fr. 59: 55 | fr. 79: 55 | fr. 81: 55 | fr. 86: 55 | fr. 103: 55 | fr. 106: 55 | fr. 109: 58 | fr. 120 f.: 51 Epigramm Ebert (1972)

1, 149: 248 | 2, 4 f.: 142 | 2, 4: 151 | 3: 74 | 3, 3 f.: 188 | 4: 74 | 5: 74, 188 | 5, 39: 188 | 5, 86–88: 217 | 5, 122: 294 | 5, 123 f.: 292 | 5, 137: 294 | 6, 1 f.: 248 | 6, 7: 152 | 6, 15: 152 | 6, 16: 301 | 7, 7: 138 | 9, 10–24: 68 | 9, 38: 137 | 9, 53–55: 161 | 9, 55–57: 17 | 10, 21–23: 12 | 10, 52 f.: 138 f. | 11, 9–14: 137 f. | 11, 20 f.: 141 | 11, 33: 129 | 11, 36: 151 | 11, 37: 292 | 12, 8: 137 | 13, 89: 12 | 13, 186– 189: 233 | 13, 186: 229 | 13, 190–198: 115 | 13, 193–202: 299 f. | 14, 16–18: 230 | 17: 238 | 17, 121: 152 | 18, 31 f.: 217

Eratosthenes (FGrH 241)

fr. 20C, 4: 188

Euripides

Cassius Dio 49, 43: 189

2: 75 | 3: 75 | 3, 1: 23 | 4–6: 75 | 11: 75 | 12: 75, 99 | 14–16: 75 | 19 f.: 75 | 26: 75 | 26, 1: 23 | 32, 2: 104 | 33: 245 | 34: 129 | 55, 6: 104 | 72, 7: 104 | 73A, 3: 105

F 14: 194 Etymologicum magnum s. v. στάδιον: 271 f. | s. v. τριάσσειν: 86

Alc.: 492: 192 | 586: 12 | 1029–1031: 12 Andr.: 794–796: 255 | 1009: 86 El.: 439: 12 | 443 f.: 18 | 815–817: 204

Damagetos XI Page: 150 Demokrit (DK 68) B 6–11: 54 | B 117: 54 | B 125: 54 Demosthenes or.: 21, 158: 204 | 54, 8: 91 Diodor 1, 24, 2: 144 | 4, 15, 1: 144 | 4, 21, 6 f.: 144 | 4, 32: 143 | 4, 32, 4 f.: 94 f. | 4, 40, 1–3: 220, 249 | 4, 42: 143 | 4, 49: 143, 196 | 4, 49, 3–7: 94 f. | 4, 50, 1–3: 249 | 4, 56, 6: 195, 251 | 4, 57: 293 | 4, 60 f.: 17 | 4, 68, 3: 249 | 4, 81: 287 | 4, 81, 1: 297 | 11, 38, 5: 73 | 11, 49, 2: 244 | 11, 53, 2: 73 | 12, 9, 5 f.: 72 | 13, 74, 3: 245 | 13, 82, 7: 38 Dion 31, 95: 73

Hek.: 22–24: 15 | 110: 18 | 466–474: 205, 235 Hel. 1509–1511: 86 Her.: 37–48: 307 | 177–180: 144, 146 | 880–883: 91 | 882: 205 | 1190–1194: 144 | 1272: 144 Heraclid.: 293 Hipp.: 290 | 296: 248 | 605: 297 | 1194: 205 | 1219–1222: 188 | 1227: 204 Hypsipyle: 68 Ion: 74 f.: 288 | 206–218: 144 | 987 f.: 144 Iph. A.: 220: 205 | 1064–1066: 282 | 1071 f.: 18 Iph. T. 223 f.: 235 Med.: 1 f.: 255 | 125–130: 230 | 248–250: 255 | 432–434: 196 | 1261–1264: 196 Or. 48–51: 225 Phoin.: 1130–1133: 144 | 1491: 205

361

Stellen Tro.: 4–7: 86 | 342: 12 | 799–818: 143 | 811: 152 fr. 755 PMG: 245 fr. 487 TrGF: 65 | fr. 1052, 5–9 TrGF: 255 [Euripides] Rhes.: 119: 133 | 834: 132 Harpokration s. v. Ξυστίς: 205 Hekataios (FGrH 1) F 15: 248 | F 18a: 195 Heliodor 10, 31, 1: 106 | 10, 31, 3: 91 | 10, 32, 1 f.: 149 Hellanikos (FGrH 4) F 26: 85 | F 26b: 142 | F 108: 142 | F 109: 142 f. Heraklit (Kahn) fr. 1: 44 f., 53 f., 58 f. | fr. 2: 54, 58 f. | fr. 3: 58 | fr. 4: 54, 58 | fr. 8: 14, 54 | fr. 9: 54, 57 | fr. 10: 45, 58 | fr. 11: 53 | fr. 16: 54, 58 | fr. 17: 57 f. | fr. 18: 54, 58 | fr. 19: 58 | fr. 22: 54 | fr. 27: 53 f. | fr. 28: 54 | fr. 29: 54, 58 | fr. 30: 53 | fr. 31: 54, 58 | fr. 32: 53 f. | fr. 33: 54, 59 | fr. 36: 45, 58 | fr. 44: 50 | fr. 49: 53, 249 | fr. 54: 53, 57 f. | fr. 69: 50 | fr. 78: 44, 58 f. | fr. 79: 44, 249 | fr. 80: 54 | fr. 83: 50, 51, 56 | fr. 87: 50 | fr. 93: 53 | fr. 94: 50 | fr. 118: 53, 57 f. | fr. 123: 58 | fr. 124: 45, 53 f. Herodoros (FGrH 31) F 9: 221 | F 10: 196 | F 52 f.: 221 Herodot 1, 23 f.: 189 | 1, 47: 282 | 1, 56: 112 | 2, 33: 55 | 2, 41: 215 | 2, 50: 252 | 3, 36, 4: 103 | 4, 110: 115 | 4, 145–158: 199 f. | 4, 147–156: 242 | 4, 158, 2: 308 | 4, 163: 199 | 4, 164, 2: 222, 224 | 4, 168–199: 246 | 4, 170: 188, 242 | 4, 179: 250 | 4, 180, 2: 300 | 4, 186: 215 | 4, 188 f.: 300 | 4, 191, 3: 195 | 4, 198 f.: 291 | 4, 204: 243 f. | 5, 26: 199 | 5, 47: 73 | 5, 71:

73 | 5, 72, 4: 73 | 5, 102: 73 | 5, 102, 3: 114 | 6, 35 f.: 73 | 6, 38: 73 | 6, 51 f.: 200 | 6, 52: 198 | 6, 70: 73, 245 | 6, 103: 73 | 6, 122: 73 | 6, 125 f.: 73 | 6, 137–139: 199, 242 | 7, 6, 2: 74 | 7, 123, 1: 144 | 7, 130: 74 | 7, 153–167: 74 | 7, 156: 244 | 7, 159: 96 | 7, 196: 204 | 7, 204: 76, 200 | 7, 236 f.: 49 | 8, 47: 73 | 8, 59: 201 | 8, 131: 76, 201 | 9, 1: 74 | 9, 33: 73, 110 | 9, 33, 2: 100 | 9, 58: 74 | 9, 76, 1: 192 Hesiod erg.: 11–26: 51 | 17–26: 134 | 18: 65 | 73 f.: 283 | 109–126: 235 | 173a–c: 234 | 327–335: 215 | 694: 230 | 826: 240 theog.: 51 | 53 f.: 114 | 185 f.: 144 | 233–236: 302 | 273: 205 | 358: 205 | 462: 235 | 476: 235 | 486: 235 | 820: 235 | 851: 234 | 879: 217 | 897: 56 | 901–903: 50 | 923: 56 | 954: 144 f. | 992–996: 218 | 995: 249 | 1003: 302 scut.: 1–56: 294 | 88: 294 | 181: 203 | 323: 12 | 421–423: 65 fr. 33a, 2–7 MW: 249 | fr. 40 MW: 247 | fr. 43a, 61–65 MW: 143 f. | fr. 76 MW: 273 | fr. 76, 21 MW: 276 | fr. 76, 22 f. MW: 12 | fr. 78 MW: 214 | fr. 165, 10 MW: 143 | fr. 195, 28 f. MW: 144 f. | fr. 209 MW: 147 f., 150 | fr. 211 MW: 147 f. | fr. 213 MW: 147 | fr. 215 MW: 296 f. | fr. 216 f. MW: 287 | fr. 235 MW: 85 | fr. 241 MW: 196 Hesychios ι 806 s. v. ἱππικὸν χλίδος: 205 | λ 717 s. v. λευκαὶ φρένες: 218 | λ 746 s. v. λευκῶν πραπίδων: 218 Homer Il.: 1, 220: 195 | 1, 250: 93 | 1, 343: 96 | 1, 432–437: 192 | 1, 465: 15 | 1, 572: 286 | 1, 578: 286 | 2, 166: 195 | 2, 289 f.: 236 | 2, 308–332: 91 | 2, 308–329: 97 | 2, 336– 343: 236 | 2, 412: 65 | 2, 441: 195 | 2, 467 f.: 282 | 2, 707: 96 | 2, 800 f.: 282 | 3, 14: 47 | 3, 29: 192 | 3, 30–37: 91 | 3, 108–110: 236 | 3, 109: 96 | 3, 133: 47 | 3, 252: 47 | 3, 363: 47 | 4, 137 f.: 23 | 4, 166: 65 | 4, 217–219: 248 | 4, 422–428: 129 | 5, 109: 192 | 5, 161: 297 | 5, 299: 297 | 5, 366: 205 | 5, 385–394: 214 |

362

Register

5, 442: 217 | 5, 490: 208 | 5, 628–651: 143 | 5, 638–642: 94 | 5, 648–651: 94 | 6, 172: 115 | 6, 207–210: 227 | 6, 433–439: 92 | 6, 444–446: 229 | 7, 234–236: 236 | 7, 235: 231 | 7, 452 f.: 85, 89 | 8, 1: 205 | 8, 85–90: 15 | 8, 320: 192 | 8, 478–481: 234 | 9, 57–59: 236 | 9, 385: 282 | 10, 437: 188 | 10, 482: 105 | 10, 485 f.: 297 | 10, 528: 192 | 11, 20 f.: 22 | 11, 172–174: 290, 297 | 11, 305–309: 282 | 11, 389 f.: 236 | 11, 528: 204 | 11, 548–555: 290 | 11, 828–832: 247 | 12, 200–229: 91 | 12, 299–301: 297 | 12, 445: 279 | 13, 158: 12 | 13, 299: 96 | 13, 797: 41 | 14, 132: 286 | 14, 153–353: 279 f., 284 | 14, 201: 157 | 14, 203 f.: 234 | 14, 249–256: 143 | 14, 273 f.: 234 | 14, 278 f.: 234 | 15, 24–30: 143 | 15, 60: 105 | 15, 185–199: 252 | 15, 192: 65 | 15, 203: 228 | 15, 207: 223, 228 | 15, 225: 234 | 15, 262: 105 | 15, 379–389: 129 | 15, 630–636: 297 | 16, 156–159: 15 | 16, 173–178: 147 | 16, 475: 204 | 16, 487–489: 297 | 16, 698 f.: 20 | 17, 61: 297 | 17, 111: 297 | 17, 150: 96 | 17, 456: 105 | 17, 542: 297 | 18, 24: 227 | 18, 27: 227 | 18, 54–60: 154 | 18, 180: 227 | 18, 428–438: 154 | 18, 579–586: 297 | 19, 37–39: 287 | 19, 159: 105 | 19, 347 f.: 287 | 19, 352–354: 287 | 20, 39: 213 | 20, 74: 115 | 20, 110: 105 | 20, 144–148: 94, 143 | 20, 268–272: 18 | 20, 334: 96 | 21, 165: 18 | 21, 441–457: 85, 89 | 21, 471: 292 | 22, 90– 98: 91 | 22, 157 f.: 301 | 23, 316–325: 204 | 23, 321: 70 | 23, 387: 205 | 23, 429 f.: 205 | 23, 570–572: 227 | 23, 664–699: 93 | 23, 685: 271 | 23, 700–739: 141 | 23, 715: 126 | 23, 719: 127 | 23, 725: 129, 150 | 23, 785: 156 | 24, 41–43: 297 | 24, 61: 154 | 24, 62 f.: 152 | 24, 149: 204 | 24, 362: 204 | 24, 442: 105 | 24, 540: 154 Od.: 215 | 1, 170: 217 | 1, 226–229: 233 | 1, 241: 248 | 2, 85 f.: 227 | 3, 111: 96 | 3, 124 f.: 236 | 3, 164: 286 | 5, 270 f.: 39 | 5, 308–310: 18 | 6, 66 f.: 281 | 6, 130: 297 | 7, 206: 144 | 8, 269 f.: 227 | 8, 385–420: 194 | 8, 493: 93 | 9, 48: 96 | 9, 51: 282 | 9, 134: 41 | 9, 184–186: 226 | 9, 266–268: 195 | 9, 391–391: 65 | 10, 105–124: 144 | 11, 305–320: 214 | 11, 544–547: 18 | 11, 547: 19 f. | 11, 576–581: 214 | 12, 69– 72: 216 | 12, 85–87: 248 | 12, 104: 248 |

14, 371: 248 | 15, 469 f.: 156 | 15, 523: 65 | 16, 375: 286 | 18, 56: 286 | 19, 138–150: 249 | 19, 184: 96 | 19, 560–567: 249 | 20, 77: 248 | 20, 298: 41 | 22, 444: 284 | 24, 36– 45: 18 | 24, 58: 302 | 24, 520: 105 h.: 2, 353: 217 | 3: 277 | 3, 42: 143 | 3, 334– 336: 234 | 3, 388–544: 253 | 3, 448–450: 213 | 5, 108: 217 | 5, 217: 188 | 16, 1–4: 138 | 27: 292 Horaz carm. 3, 30: 139 Hygin fab. 89: 143 Ibykos fr. 192a, 2 SLG: 144 Ilias parva (PEG) arg. 1: 20 fr. 2: 18–20 | fr. 3: 20 | fr. 21, 1–5: 94 | fr. 32: 18 Isokrates 9, 14 f.: 17 | 9, 16: 143 | 16, 33: 244 f. | 16, 46: 245 Kallimachos (Pfeiffer) h.: 2, 42–64: 277 | 2, 71–89: 200 | 2, 88– 92: 296 f. Aitia: 131 fr. 9: 196 | fr. 11, 3: 152 | fr. 37: 195 | fr. 54– 59: 68 | fr. 716, 2: 188 Libanios epist. 758, 1: 147 or. 64, 119: 141 Longos 3, 19, 2: 154 Lukian Anach.: 1 f.: 91 | 9: 141 | 28 f.: 91

363

Stellen asin. 8–11: 154 DMar. 8, 2: 189 Herm. 39 f.: 105 Lex. 5: 100 Okyp. 31 f.: 141 VH 2, 39: 189 Lykophron 881: 203 Menekles (FGrH 270) F 6: 199 Meropis: 143 Naupaktia: 221 Nonnos Dion.: 9, 47: 205 | 14, 160: 205 | 20, 191: 205 | 21, 25: 205 | 37, 310: 190 | 37, 563: 126 | 37, 574 f.: 141 | 37, 579 f.: 150 | 37, 605: 126 | 37, 711: 151 | 37, 714 f.: 151 | 37, 714: 126 | 37, 726: 137 Oppian Hal. 1, 191 f.: 192 Orphika Arg.: 184 h. 32, 12: 144 Ovid met.: 6, 241: 91 | 7, 363 f.: 143 | 9, 63: 91 | 11, 211–217: 143 | 13, 22 f.: 143 | 13, 284 f.: 18 Paian 46 Käppel (1992): 214

Pausanias 1, 34, 3: 248 | 1, 44, 10: 293 | 2, 15, 2 f.: 68 | 2, 18, 6–9: 198 | 2, 29, 6–8: 17 | 2, 29, 10: 17, 147 | 3, 1, 6: 198 | 3, 3, 4: 201 | 3, 12, 1–4: 273 | 3, 12, 1 f.: 271, 272 | 4, 15, 1–3: 201 | 5, 7, 10: 277 | 5, 15, 5 f.: 190 | 5, 17, 9: 190 | 6, 3, 8: 72 | 6, 4, 3: 141 | 6, 8, 6: 73 | 6, 10, 1–3: 73 | 6, 10, 4: 269 | 6, 11, 2–9: 72 | 6, 11, 2: 76 | 6, 12, 7: 188 | 6, 20, 10–14: 189 | 9, 23, 1: 300 | 10, 25, 9: 94 | 10, 27, 2: 94 Pausanias Grammaticus π 20: 147 Peisandros (PEG) fr. 11: 143 Pherekydes von Syros (DK 7) B 1: 249 Pherekydes von Athen (FGrH 3) F 1b: 147 | F 2: 76 | F 4: 270 | F 37: 209 | F 51: 248 | F 55 f.: 214 | F 62: 147 f. | F 75: 195, 270 | F 78: 143 | F 103: 249 | F 105: 249 | F 174: 56 Philochoros (FGrH 328) F 186: 145 Philostrat gym.: 3: 12, 151 | 14: 100 | 16: 106 | 32: 12 | 33: 306 im. 2, 32, 1: 106 Philumenos 30, 1 f.: 91 Photios Bibl. 190, 152a, 22–28: 147

Parmenides (Coxon) fr. 1: 43 f., 45, 58 | fr. 1, 14: 50 | fr. 6: 54, 58 | fr. 7: 58 | fr. 8, 24 f.: 50 | fr. 8, 53–59: 51 | fr. 11: 51 | fr. 13: 50 test. 1: 50 | test. 54: 50 | test. 58: 50 | test. 61: 50 | test. 204: 51

Phylarchos (FGrH 81) F 15: 251

364

Register

Pindar O. 1: 53, 74, 188, 209 | 1 ff.: 47, 108 | 1–7: 49 | 3–7: 127 | 15: 186 | 23 f.: 238 | 25–89: 154 | 28–34: 21 | 28–29: 69 | 30–35: 72 | 30: 49, 53 | 31: 53 | 35: 53, 88 | 37–39: 233 | 46–52: 69 | 46: 53 | 52: 136 | 53: 49 | 55: 88 | 60–64: 287 | 64: 51 | 81–84: 255 | 81: 50 | 82–84: 285 | 82: 53 | 84: 53, 202 | 87: 189 | 89: 209 | 90–96: 300 | 95: 12 f., 277 | 96: 151 | 99: 53 | 100–103: 114 | 104: 53 | 106: 51 | 113 f.: 52 f. O. 2: 53, 74 | 1 ff.: 108 | 1–7: 49 | 1 f.: 285 f. | 5 f.: 23 | 17: 49 | 21: 51 | 23: 53, 88, 232 | 24: 53 | 33 f.: 52 | 35–47: 76 | 43 f.: 142 | 45: 255 | 46 f.: 38 | 50: 193 | 53–56: 52 | 59: 53 | 69: 53 | 73: 53 | 76 f.: 234 | 81 f.: 101 | 83–86: 57, 303 | 85: 53, 59 | 86 f.: 53 | 89 f.: 285 f. | 90– 98: 69 | 95–100: 71 | 95 f.: 70 | 98–100: 282, 285 O. 3: 74 | 4–6: 38 | 6 f.: 309 | 8 f.: 23 | 8: 22 | 13–16: 115 | 17: 53 | 31 f.: 248 | 33: 193 | 38 f.: 4 | 42–45: 49, 152 | 44: 53 O. 4: 1–3: 69, 127 | 1: 205 | 2: 22 | 6–12: 38 f. | 11 f.: 4, 74 | 11: 114 | 12: 51 | 14–18: 49 | 14–16: 232 | 16: 50 | 17 f.: 69 | 18–27: 207 | 19: 203 | 22: 269 | 24: 13, 277 | 25: 17 O. 5: 1–3: 39 | 3: 188 | 7 f.: 4, 74 | 9–14: 39 | 15: 137, 202, 206 | 21: 190 O. 6: 53, 76 | 2: 65 | 3 f.: 139 | 4–7: 285, 301 | 9–14: 303 | 9–11: 255 | 11: 137, 202, 300 | 12–14: 70, 299 | 14: 188 | 17 f.: 38 | 19–21: 69 | 22–27: 44 | 28–30: 269 | 28: 71, 236 | 43: 248 | 45: 91 | 48: 205 | 53–57: 248 | 57 f.: 274 | 58: 50, 288 | 69: 126 | 71: 248 | 72 f.: 303 | 73: 56 | 74–76: 129 | 75 f.: 71 | 76: 49, 205 | 77–81: 52 | 79: 106 | 86 f.: 22, 132 | 87–91: 69, 237 | 95: 204 | 96–100: 48 | 98–100: 39 O. 7: 7–10: 48 | 10–12: 52 | 11: 49 | 15: 114, 142 | 20–23: 76 | 23: 53 | 52: 139 | 71: 188 | 83–86: 139, 300 | 88: 126 | 94 f.: 52 O. 8: 5, 62, 84 f., 107–116, 124, 135, 162, 193, 311 f., 320 | 1–14: 108 f. | 1–11: 84 | 1– 8: 303 | 1: 50, 88 | 2–4: 110 | 3: 56 | 5–10: 111 | 7: 12, 137 | 8: 105, 110 | 9 f.: 38 | 10 f.: 20 | 10: 88, 114 | 11: 228 | 12–14: 52 f., 103, 110, 115 | 15–30: 98–102, 107 | 15–18: 107,

114 | 15 f.: 76, 84 | 17–20: 84 | 19 f.: 71 | 19: 107, 110 | 20: 67, 151 | 21–30: 84 | 23: 129 | 25–27: 161 | 25: 109 | 28 f.: 49 | 30: 112 f. | 31–52: 84–87, 98, 142 f. | 31–36: 87–90, 110 f. | 31: 61 | 32 f.: 90 | 32: 110 | 37–40: 90–92 | 37: 87 | 41–46: 90, 92–97 | 41– 44: 110 | 45 f.: 143, 200 | 46: 106 | 47–53: 115 f. | 47–52: 87 f. | 47: 205 | 50 f.: 111–113 | 52–59: 114 | 52 f.: 109 f. | 54–84: 98, 102, 107 | 54–64: 84, 102–104 | 54: 4 | 55: 233 | 58 f.: 110 | 58: 142 | 60 f.: 111 | 62 f.: 110 | 64: 4, 89 | 65–73: 102, 104 f., 114 f. | 65– 69: 84, 107 | 67–73: 301 | 67: 111 | 68: 137 | 70 f.: 99 | 71: 101 | 74–84: 84, 102, 105 f. | 74–76: 114 | 75: 99, 151 | 76: 88 | 78: 228 | 81–84: 136 | 82–84: 114 | 82: 49 | 83 f.: 4 | 84–88: 107 | 85: 110 O. 9: 2: 162 | 12: 130 | 13–16: 233 | 16: 50, 229 | 28: 53 | 30–35: 285 f. | 35–41: 69 | 38 f.: 67 | 40: 53, 136 | 41–46: 233, 248 | 49–53: 239 | 65 f.: 71, 99 | 65: 151 | 66: 110 | 84: 22, 151, 255 | 88: 4 | 91–94: 71, 99, 127 | 91 f.: 100 | 91: 129, 152 | 93: 91 | 97 f.: 208 | 98 f.: 300 | 100: 53 | 103: 51 | 104–107: 52 | 111: 137 O. 10: 3 f.: 309 | 4: 49 | 7–12: 309 | 12a: 53 | 13: 49 | 18: 151 | 30: 67 | 55: 49 | 60–63: 23, 285 f. | 64 f.: 12 | 66: 4, 74 | 76–85: 38 | 87: 53 | 91–96: 139 | 91–93: 106 | 91: 53, 300 | 93: 53, 137 | 99–105: 71, 127 | 100: 141, 152 O. 11: 53 | 1–8: 49 | 4–6: 66 | 4: 137 | 16– 19: 232 | 16: 38 | 18: 53 O. 12: 1–12a: 49 | 2: 50 | 6: 53 | 10: 53 | 13– 16: 306 | 15: 12, 255 | 16: 67 | 19: 138 O. 13: 1–12: 71 | 6: 50, 229 | 7: 50 | 10: 50 | 11: 53 | 13 f.: 76 | 15: 4 | 18–22: 285 | 29 f.: 39, 97 | 29: 126 | 33: 124 | 35–40: 12, 301 | 37: 255 | 40: 126 | 45–48: 127 | 45: 53 | 47 f.: 69, 230 | 49: 299 | 52 f.: 216 | 56: 129 | 63: 53 | 67: 285 | 69: 190 | 85: 192 | 98–100: 69 | 98: 303 | 104: 51 | 115: 53 O. 14: 124, 139 | 5–7: 52 | 5: 53, 151 | 6: 53 | 16–20: 39 | 17: 12 | 20–24: 106, 136 | 21: 50 | 22–24: 272 | 24: 4, 114 P. 1: 74 | 1–16: 46, 49 | 1–6: 70 f. | 1: 50 | 22–24: 239 | 29–33: 99 | 29: 139 | 31 f.: 4, 74 | 32: 162 | 41 f.: 52 | 42: 17 | 54: 66 | 56:

Stellen 51 | 66: 204 | 70: 230, 232 | 81–88: 69, 71 | 81–84: 127, 303 | 86: 42, 189, 239 | 91 f.: 239 | 92: 215 P. 2: 74 | 1–8: 39 | 8: 186, 188 | 10: 106 | 12: 288 | 13 f.: 52 | 15 f.: 22 | 17: 206 | 21–48: 154, 214, 248 | 49–52: 46 | 49 f.: 51 | 50 f.: 189 | 52: 4 | 78: 285 | 83: 52 | 85: 52 | 88 f.: 51 f. | 89: 4 | 96: 139 P. 3: 74, 188 | 1–11: 247 | 5–7: 248 | 14: 213 | 19–26: 214 | 29 f.: 17, 281 | 47–53: 52 | 50 f.: 234 | 51: 138, 248 | 68–76: 232 f. | 72– 76: 39 | 74: 300 | 75 f.: 301 | 80: 59 | 89: 88 | 93–95: 152 | 98: 90 | 103–109: 52 | 107– 109: 69 | 110: 51 | 114 f.: 139 P. 4: 1, 5, 62, 74, 76, 110, 184–186, 209, 210, 243 f., 246–257, 268, 296, 304, 312, 321 f. | 1–69: 256 | 1–11: 210 | 1–3: 39, 184, 186, 236, 254 | 1 f.: 232 | 2 f.: 188 | 2: 238 | 3: 251 f., 309 | 4–63: 184 | 4–58: 187 | 4: 61 | 5: 252 | 6–8: 190, 287 | 6: 186, 256 | 7: 188 | 8: 256 | 9–58: 250 | 10–56: 211 | 10: 200– 202 | 11–63: 186 | 11–58: 184 | 11 f.: 251 | 13–56: 252 | 13–18: 187–190 | 14–16: 255 | 17 f.: 191 f. | 19–37: 191–197 | 20 f.: 256 | 24–27: 207 | 25–27: 277 | 26: 256 | 28–37: 297 | 30 f.: 201 | 32 f.: 208 | 33 f.: 251 f. | 34: 256, 279 | 36: 252 | 37: 256 | 38–56: 197– 202 | 42 f.: 256 | 43: 71 | 45: 190, 252 | 47 f.: 93 f. | 50–56: 190 | 50–53: 94, 254 | 50: 209 | 52: 256 | 53–56: 251, 287 | 54: 297 | 56: 256 | 59–63: 201 f. | 59 f.: 252 | 59: 94 | 64–69: 253 f. | 64–67: 184 | 64 f.: 255 | 65 f.: 247 | 65: 93 f., 232 | 66 f.: 4, 246, 251 f. | 67 f.: 210 | 68–262: 184–186 | 68 f.: 255 | 69: 242, 254, 256 | 70–262: 202, 211– 213, 221 f., 228 | 70 f.: 209 | 70: 285 | 71– 78: 90, 216 f., 252 f. | 71 f.: 17, 219 | 71: 220, 255, 285 f. | 73–78: 221 | 76–92: 191 | 78 ff.: 216, 234 f. | 78–92: 213–215 | 86: 203 | 87– 92: 253 | 87 f.: 204 | 93–100: 216 f. | 94– 120: 214 | 95–97: 221 | 96: 108 | 97 f.: 285 | 98 f.: 285 f. | 102: 247 | 104–106: 17 | 104: 215 | 106–110: 249 | 107–115: 218 | 107 f.: 254 | 109–112: 215 | 114: 206 | 117: 204 | 119: 248 | 120–131: 221 | 120–123: 219 | 122 f.: 213 | 127–168: 214–216 | 130: 242 | 132: 249 | 133–135: 220 | 136: 157 | 138–148: 220 | 138: 190, 217, 249, 254 | 139–141: 239 | 139 f.: 218, 253 | 142–145: 93 f. | 144: 242,

365 256 | 147 f.: 254 | 152: 249 | 153: 204 | 156– 168: 18–220 | 156 f.: 249 | 159–164: 252 | 165: 202, 206 | 166 f.: 99 | 169–219: 216 | 169–191: 193, 202–204 | 171 f.: 198 | 172– 175: 190 | 178–183: 252 | 178: 206 | 184– 187: 255, 306 | 188: 17 | 191 f.: 192 | 194: 202, 253 | 195: 288 | 196: 208 | 200 f.: 203 | 202–206: 254 | 204: 190, 252 | 207–210: 255 | 207: 190, 252 | 211–213: 204 | 212 f.: 206 | 213–219: 127 | 214 f.: 191 f. | 217: 247 f. | 219: 283 | 220–250: 204–207 | 220–241: 256 | 220: 202 | 221 f.: 248 | 224–237: 255 | 229–231: 220 | 232–237: 216 | 232: 51 | 233: 248 | 236: 213 | 237– 246: 220 f. | 237 f.: 232 | 239–241: 194 | 244–246: 255 | 246: 88, 208 | 247: 50, 71, 127, 209 | 249: 91, 150, 255 | 250–262: 190, 207–209 | 250: 219 | 251: 196 | 253: 105, 138 | 254–262: 198–200 | 254–257: 255 f. | 259–262: 240 f., 251, 287 | 259 f.: 254 | 259: 252 | 262: 255 | 263–299: 184, 211 | 263– 276: 238–243 | 263–269: 223–228, 255 | 270–276: 228, 231 f., 247, 249, 252–255, 257 | 272–276: 42 | 273: 246 | 274: 51 | 277–299: 185, 228–236, 257 | 277: 157 | 278 f.: 236–238, 254 | 278: 223 | 280 f.: 70 | 284: 213 | 289 f.: 224, 237 | 291–293: 300 | 293–299: 237 f. | 293 f.: 224 | 295 f.: 57, 303 | 299: 224 P. 5: 74, 76, 184, 244, 252, 257 | 14–23: 48 | 20–26: 39 | 25: 51 | 26–53: 244 | 27 f.: 298 | 28: 50 | 33: 193 | 47: 137, 202 | 54: 137, 202 | 60: 253 | 65–67: 233 | 69–73: 198 | 72–83: 200 | 85: 188, 205 | 94–103: 73 | 94–98: 76 | 96–107: 39, 136 | 107–117: 49, 232 | 107 f.: 69 | 107: 59 | 109–111: 17, 232, 247 | 117: 51 | 119 f.: 17 | 119: 206 | 122 f.: 239 | 124: 244 P. 6: 74, 124 | 19–27: 247 | 37: 130 | 40: 129 | 44–54: 232 | 44: 67 | 47–49: 233 | 50: 88, 190 | 52–54: 233 P. 7: 74, 76 | 1–4: 67 | 5/6–8: 285 | 13: 39 | 18: 23, 300 | 19: 206 P. 8: 5, 53, 76, 224 | 1–14: 46, 230 | 1–12: 49 | 1–5: 39 | 1: 50, 224 | 3 f.: 17 | 5: 255 | 6–12: 69 | 6: 53 | 12 f.: 218 | 13–15: 215 | 15: 53 | 16–18: 144 | 22–27: 303 | 25–27: 142 | 29– 34: 71 | 32–34: 23, 309 | 33: 53 | 35 f.: 99 | 37: 137, 151 | 40–55: 96 | 46: 91 | 51: 53 | 56 f.: 114, 194 | 70–72: 70 | 70 f.: 39 | 73: 53, 137

366

Register

| 76–78: 52 | 80: 110 | 81–87: 105 | 81 f.: 91, 104 | 81: 130 | 82: 53, 133 | 88–92: 23 | 88: 53, 300 | 93: 53, 130 | 95: 285 f. P. 9: 1, 5, 62, 233, 268–270, 303–309, 312 f., 322 | 1–4: 48, 162, 268 f., 304 | 3: 23 | 4: 114, 188, 291 | 5–70: 268, 274–277, 286, 295–297 | 5–65: 289 | 5 f.: 278 | 5: 61, 213 | 6: 279, 284, 290, 298, 306 | 6a–8: 291 f. | 9–13: 284 | 12: 292 | 13–17: 288 f., 291 f. | 13: 294 | 14: 290 | 17–35: 216 | 17–32: 289 f. | 17–28: 306 f. | 17: 294, 297 | 20– 28: 308 | 20–25: 304 | 23–25: 298 | 25: 50 | 26–35: 283 | 26: 278, 284 | 29–66: 278 | 29: 279 | 30–38: 282 | 30–35: 294 | 31: 291, 297 | 33–35: 217, 285, 286, 288 | 33 f.: 280 | 33: 285, 292 | 35: 290, 297 | 36 f.: 284–286, 292 | 38–65: 286 f. | 39–49: 278–282 | 39– 43: 283 f. | 39a: 298 | 42–49: 88 | 42: 110 | 43 f.: 285 | 44–49: 285 | 50–69: 282 f. | 50: 279 | 51–65: 287–289, 292 f. | 52 f.: 282 | 53: 292 | 54–58: 291 | 56 f.: 298 | 62 f.: 294 | 62: 291 | 64–65: 290 | 64a f.: 291 | 66– 69: 284 | 67 f.: 279 | 68: 294 | 69–75: 307 f. | 69 f.: 291 | 71–75: 38 f., 268, 298 f., 304 | 73: 293 | 74: 296 | 75: 50 | 76–96: 302 f. | 76–79: 69, 127, 268 | 76: 300 | 77 f.: 22, 57 | 78 f.: 230 | 79–96: 293–295 | 79–89a: 268, 300 f. | 79 f.: 302 | 83: 204 | 84: 297 | 89 f.: 39 | 89a–103: 268, 299–302 | 92: 271 | 93–96: 20, 66 | 93: 137, 305 | 95 f.: 70, 131, 305 | 97–100: 71, 295, 304– 306 | 97 f.: 294 | 99: 151 | 103–125: 268– 277, 286, 296 | 103–105: 309 | 103 f.: 68 | 103: 303 | 105: 208, 295 | 106: 308 | 107 f.: 305 f. | 108 f.: 227, 294 f. | 109–111: 285, 308 | 109: 50 | 111 f.: 148 | 115: 12 | 120–122: 285 | 121: 301 | 122: 278 | 123 f.: 194, 298 | 125: 308 P. 10: 5, 53 | 1–6: 39 | 1–5: 76 | 4: 67, 69, 127, 285 | 12: 53 | 13 f.: 269 | 16: 152 | 19: 53 | 21: 51 | 23 f.: 12 | 23: 152 | 31–46: 115 | 44: 50 | 46 f.: 91 | 51: 152 | 53 f.: 39, 52 | 55–60: 71 | 55–59: 305 | 59–62: 70 | 59 f.: 52 | 60: 53 | 61–66: 49 | 63: 53, 56 | 64–66: 39, 74 | 67 f.: 13 | 71 f.: 42, 239 P. 11: 22–25: 285 | 38–40: 285 | 40: 65 | 41– 45: 52 | 46: 162 | 49 f.: 277 | 50 f.: 214 | 53: 65 | 54–64: 230 | 54: 299 | 55–58: 63

P. 12: 124 | 1–8: 39 | 5: 269 | 7: 241 | 8: 132 | 9–27: 248 N. 1: 74 | 1–7: 39 | 6: 188 | 7: 138 | 18: 69, 127 | 19–24: 39 | 25–30: 52 | 26 f.: 17 | 26: 206 | 37 f.: 205 f. | 46: 49 | 67–69: 144 f. | 70: 232 | 71: 50 N. 2: 124 | 4: 4 | 10–12: 233, 248 | 16: 124 | 24 f.: 38 f. N. 3: 152, 237 | 1–12: 39 | 1–3: 161 | 6 f.: 52 | 17–23: 106 | 17 f.: 68, 138 f. | 17: 137 | 19–23: 152 | 19–21: 71, 99 | 26 f.: 285 f. | 29: 70, 133, 299 | 32–36: 147 | 36 f.: 94, 143 | 40–42: 204 | 41 f.: 52 | 52: 12 | 53 f.: 247 | 54 f.: 248 | 65: 4 | 70–75: 49 | 70–74: 52 | 76–80: 194 | 83 f.: 238 N. 4: 5, 62, 76, 102, 110, 124 f., 130, 155– 162, 193 f., 238, 312, 321 | 1–8: 137–140, 155, 158 f. | 1–5: 68 | 1–3: 127, 248 | 5: 105 | 9–13: 124 | 9–11: 39, 138 f. | 9 f.: 125, 157 | 11–13: 39, 160 f. | 11 f.: 113 | 12 f.: 130, 162 | 13–24: 124 | 13–22: 38, 161 f., 233 | 16: 139 f., 269 | 17–24: 160 | 17–19: 125, 157 f. | 18–20: 130 | 19–24: 300 | 19–22: 194 | 21 f.: 160 f. | 22–24: 156 | 22 f.: 161 | 25–32: 104, 124, 126, 140–146, 150–152, 155 f., 160 f., 235 | 25–27: 125 | 25 f.: 94 | 25: 61 | 27: 213 | 31: 59 | 33–46: 124 f., 140, 150, 155 | 33–35: 125–129, 131, 141, 152 | 35: 71 | 36–43: 128– 132 | 36 f.: 149 | 41–43: 156 | 42 f.: 49 f. | 44–46: 131, 159 | 44: 132, 240 | 46–72: 124, 126, 155 | 46–53: 113, 125, 153, 156, 160 | 49 f.: 130 | 54–68: 146 | 54–60: 124 f., 146–151, 155 f. | 54–56: 153 | 59: 270 | 61– 72: 155–157 | 61–68: 146, 151–155 | 61–65: 300 | 62–64: 125 | 63 f.: 160 | 66 f.: 159 | 69–72: 152 f., 157 | 72 f.: 160 | 73–96: 124, 152 | 73: 105, 137, 157 | 74: 161 | 75: 125, 157, 160 | 76: 142 | 79–92: 135 f. | 79–85: 16, 130, 139 f. | 82–85: 159 | 83 f.: 138 | 86– 88: 124 | 89: 136, 161 | 91–96: 140 | 91 f.: 52, 124, 137 | 93–96: 46, 102, 105, 107, 124 f., 132–137, 155 | 95 f.: 69, 161 | 96: 159 N. 5: 152 | 1–8: 38 | 1–5: 139 | 1 f.: 23, 67 | 8: 161 | 9–18: 93 | 14–16: 147 | 16: 12, 17 | 19: 142 | 25–34: 147 f. | 39: 105, 138, 151 | 40: 50 | 41 f.: 22 | 45: 152 | 48 f.: 107, 115 | 48: 102, 137 | 53 f.: 114

367

Stellen N. 6: 76, 102 | 8: 56 | 11–13: 71 | 17: 113 | 24: 51, 137 | 31–34: 38 f. | 34–45: 300 | 41: 255 | 51: 192 | 59: 4 | 64–66: 102, 107, 189 | 66: 150 f. N. 7: 76 | 1 f.: 248 | 4: 50 | 5 f.: 52 | 11–16: 114, 139, 301 | 16: 137 | 17 f.: 215, 229 | 20– 30: 15 | 22–27: 17 | 22–24: 20 | 24–30: 18 | 32: 51 | 34–36: 94 | 36–39: 153 | 48–53: 71 | 48–50: 299 | 48: 70 | 49 f.: 69 | 54 f.: 52 | 60: 59 | 61–63: 49, 69 | 68 f.: 39 | 69–73: 69 | 73: 105, 137, 141 | 74: 137 f. | 77–79: 61 | 77: 67 | 80–84: 233 | 89: 51 | 90: 144 | 103: 126 N. 8: 5, 10, 36, 57 f., 62, 63 f., 66 f., 69–77, 84, 98, 103, 110, 124, 131, 221, 302, 304, 311, 320 | 1–18: 70–72 | 1–5: 10, 127, 154, 214 | 1–3: 46 | 1: 49 f. | 3: 52 | 4 f.: 52 | 4: 53 | 6– 12: 10, 17, 68, 111 | 7: 65 | 8: 26, 52 | 9: 49 | 13–22: 10 | 13–18: 21–23, 48 | 13–16: 25 f., 52, 114 | 14 f.: 24 | 16: 10 f., 25, 64 | 17 f.: 11, 48 | 17: 51 f., 65 | 18: 64 | 19–34: 71 | 19–23: 15 f., 20 f., 31 | 19–22: 18, 19, 25 f., 60, 132 | 19–21: 10–14, 21–25, 45, 69 | 19: 16, 33 f., 86 | 20 f.: 47, 65 | 20: 52 f. | 21: 27, 30, 32, 140 | 22–25: 14–16 | 22: 63, 133 | 23–34: 10, 21, 23 | 23: 18 | 24 f.: 52 | 24: 17, 21 | 25–34: 18–20 | 25–27: 17 f. | 25: 65 | 26: 21, 63 | 28–32: 26, 60 | 28–30: 48 | 31: 65 | 32–51: 63–68 | 32–35: 21 | 32–34: 25 f., 70 | 32: 49 | 34: 4, 53 | 35–51: 10 | 35–45: 109, 233 | 35–39: 101 | 35 f.: 70 | 37–39: 46– 48 | 39: 52 f., 69, 134 | 40–45: 52 | 40–42: 57 | 41: 70 | 42–44: 48 f., 72 | 42 f.: 53, 137 | 42: 26 | 43–45: 70 | 44 f.: 23, 26 | 46–48: 10, 12 | 48–50: 248 | 49 f.: 138 f. | 50 f.: 26, 39 N. 9: 74, 124 | 1–10: 38 | 1–5: 293 | 1–3: 48 | 6 f.: 301 | 7: 67 | 8: 23 | 11 f.: 74 | 16: 65 | 29–32: 233 | 29 f.: 229 | 32–34: 72 | 39: 17 | 46–55: 238 | 46 f.: 4 | 48–55: 38 | 48: 232 f. | 52 f.: 300 | 52: 188 | 54: 255 N. 10: 1–22: 49 | 3: 151 | 13–17: 294 | 18: 50 | 19–22: 71 | 19 f.: 303 | 24: 137 | 25–28: 300 | 25: 152 | 33: 126 | 38: 255 | 47 f.: 12 | 53: 106 | 63 f.: 12 | 76 f.: 285 f. N. 11: 1–9: 39 | 7: 23 | 11–32: 73 | 11–16: 71 | 14: 141 | 17: 186 | 26: 105 | 33 f.: 93 | 43–45: 56 | 46 f.: 69

I. 1: 5: 285 f. | 7: 213 | 10–12: 4 | 10 f.: 114, 300 | 12: 74 | 14–16: 244 | 15: 189 | 23: 269 | 26 f.: 138 | 32–35: 132 | 34: 255 | 36–38: 129 | 39: 50 | 40–45: 67 | 40: 137, 202 | 42: 137, 202 | 45–51: 49 | 45 f.: 299 | 46: 137, 202 | 47: 52 | 50 f.: 246 | 50: 4, 142 | 52–59: 114, 300 | 52–54: 190 | 60: 106 | 63: 303 | 64– 67: 139 | 66: 255 I. 2: 74 | 1–5: 71 | 14: 4 | 18: 300 | 22: 100 | 24: 206 | 33 f.: 39 | 34: 255 | 35–42: 232 | 37: 233 | 43–48: 236 f. | 46: 139 I. 3/4: 76 | 7 f.: 39 | 7: 133, 206 | 9–11: 127, 139 | 13 f.: 99 | 17b: 137, 202 | 18 f.: 52 | 19– 21: 301 | 20: 152 | 23 f.: 52 | 23: 51 | 29–31: 152 | 52–57: 15 | 52 f.: 18 | 53–54b: 20 | 61– 63: 269 | 62: 114 | 63–69: 129, 149 | 63–65: 17, 151, 297 | 65: 137 | 70–73: 270 | 77: 50 | 86: 110 | 90 f.: 39 I. 5: 76 | 1–10: 47 f. | 8–10: 12 | 10: 13, 277 | 16: 52 | 18 f.: 114 | 21 f.: 233 | 22–25: 67 | 22: 229 | 25: 137 | 34–37: 94, 143 | 34: 17 | 41 f.: 285 f. | 43–63: 110 | 51: 67 | 52 f.: 46 | 59– 61: 107, 114 | 59: 105, 138 | 62: 22 I. 6: 76 | 1: 65 | 11: 137 | 24–37: 143 | 27–31: 94 | 31 f.: 143 | 32 f.: 144 f. | 47–49: 65 | 48: 202 | 49–54: 233, 248 | 54: 66, 213 | 56–59: 303 | 57–59: 39 | 60–62: 300 | 69: 299 | 74 f.: 114 I. 7: 1–15: 285 | 16–21: 39 | 21 f.: 71, 99 | 22: 141, 213 | 31–33: 134 | 47 f.: 214 f. | 49: 213 I. 8: 124 | 1–15a: 75 | 1–6: 39 | 1: 137 | 5a: 288 | 8: 137 | 10: 51, 151 | 16–18: 161 | 21–24: 17, 72 | 26a–48: 152, 153–155 | 31–45: 186 | 64 f.: 300 | 64: 124 | 65a f.: 99 | 70: 306 I. 9: 1–4: 112 | 6 f.: 189 dith. 2: 57 pae.: 1, 5: 50 | 2, 31–34: 134 | 3, 12: 132 | 3, 94: 191 | 4, 46–48: 285 f. | 6, 12–15: 127 | 6, 104: 94 | 6, 109 f.: 153 | 6, 134–148: 17 | 8, 65–67: 285 f. | 9, 1–6: 285 | 9, 1 f.: 50 f. | 9,13–20: 285 f. | 14, 37 f.: 13 | 15, 1–3: 190 | 20, 11 f.: 22 parth. 2, 41 f.: 255 fr. 12: 88 | fr. 29: 285 | fr. 33: 49 | fr. 33a: 143 | fr. 35: 234 | fr. 39 f.: 50 | fr. 48: 147, 203 |

368

Register

fr. 61, 1 f.: 285 | fr. 78, 1: 49 f. | fr. 85: 248 | fr. 85a: 248 | fr. 89a: 285 | fr. 9a, 3: 205 | fr. 105a: 233, 248 | fr. 105a, 1: 59 | fr. 108a: 276 | fr. 108a, 1: 51 | fr. 108b, 1: 51 | fr. 109: 232 | fr. 121: 139 | fr. 122, 1–4: 283 | fr. 122, 8: 71 | fr. 122, 16: 13 | fr. 123, 1: 214 | fr. 123, 14: 49, 283 | fr. 127: 214 | fr. 133: 76 | fr. 133, 4: 17 | fr. 140d: 51, 285 f. | fr. 141: 51 | fr. 155, 3: 50 | fr. 162 f.: 214 | fr. 168, 6: 100 | fr. 169a, 1: 50 | fr. 169a, 1–5: 56 f. | fr. 169a, 13: 213 | fr. 169a, 36: 22 | fr. 172: 93, 143, 203 | fr. 179: 22, 132 | fr. 181: 66 | fr. 194, 1: 67 | fr. 194, 2 f.: 22 | fr. 202: 204 | fr. 205, 2: 49 | fr. 214, 3: 50 | fr. 215, 12: 59 | fr. 221, 2: 255 | fr. 222: 49 | fr. 225: 51 | fr. 228: 255 | fr. 229, 1: 301 | fr. 234: 189 | fr. 234, 1 f.: 256 | fr. 243: 190 | fr. 273: 249 | fr. 357: 292 Platon apol. 40 e7–41 b7: 72 Charm.: 155 e5–8: 248 | 158 c6: 281 | 159 c8 f.: 152 Euthyphr. 5e 5–6a 3: 235 Gorg. 523 e6–524 a7: 72 Ion 540 b: 290 leg.: 625 c10–d4: 204 | 660 e5 f.: 22 | 795 b6: 100 Phaid. 99 b8 f.: 67 rep.: 378 c3 f.: 144 | 420 e: 205 | 495 d4–6: 129 | 508 b6: 113 | 524 a6–10: 12 | 613 c3: 276 soph. 231 c9–d2: 12 symp.: 179 b1 f.: 105 | 186 d6–e1: 53 | 190 c3 f.: 144 Thg. 128 e2: 100 Tht. 189 c11–d2: 12 Plutarch Ages. 20, 1: 245 Alc. 1, 1: 76 De cohibenda ira 10: 276 Praecepta gerendae publicae 5: 192

qu. Gr. 58: 143 symp.: 2, 4, 1: 104 | 3, 1, 3: 247 | 8, 4, 4: 277 Them. 11, 3: 201 Thes. 10: 72 Pollux 3, 147: 271, 276 | 3, 149: 12 | 3, 155: 95, 134 | 7, 55 f.: 205 Properz 4, 4, 65–68: 298 Quintilian inst.: 2, 12, 1 f.: 149 | 8, 6, 5 f.: 27 | 8, 6, 8 f.: 29 | 8, 6, 71: 143 Quintus Smyrnaeus 4, 225 f.: 141 | 4, 226: 127 Scholia (Σ) Aischin. 3, 189: 73 Aischyl. Eum. 589: 86 Apoll. Rhod.: 1, 65: 203 | 1, 224: 147 | 2, 498: 287 Aristoph.: Lys. 645: 205 | Nub. 70a: 205 | Nub. 1063: 147 Hes. theog. 993: 247, 249 Hom.: Il. 6, 397a: 273 | Il. 14, 255: 143 | Il. 16, 175: 147 | Od. 7, 59: 144 | Od. 11, 547: 19 | Od. 12, 69: 249 Lykophr.: 178: 147 | 904: 203 Opp. Hal. 1, 191: 192 Pi.: O. 6, 134c. d. e: 106 | O. 7 inscr. c: 76 | O. 7, 42a: 76 | O. 7, 153e: 158 | O. 8 inscr.: 84, 99 | O. 8 inscr. a: 99, 107 | O. 8 inscr. b: 102, 107 | O. 8, 28b: 101 | O. 8, 29b: 101 | O. 8, 41a: 84, 86 | O. 8, 41b: 85 | O. 8, 44a: 87 | O. 8, 48b: 91 | O. 8, 49b: 97 | O. 8, 52a: 97 | O. 8, 53e: 93, 97 | O. 8, 59: 93 | O. 8, 60: 93 | O. 8, 63: 115 | O. 8, 66: 109 | O. 8, 86: 102 | O. 8, 106f: 106 | O. 9, 148: 300 | O. 10, 76b: 63 | P. hyp.: 223 | P. hyp. a: 142 | P. 3, 167a: 147 | P. 4 inscr.: 184 |

369

Stellen P. 4 inscr. a: 184, 222 f., 244 | P. 4 inscr. b: 224 | P. 4, 1a: 184, 222 f. | P. 4, 29d: 187 | P. 4, 63a: 195 | P. 4, 79b: 198 | P. 4, 115c: 94 | P. 4, 154: 204 | P. 4, 156: 214 | P. 4, 160a: 214 | P. 4, 194: 218 | P. 4, 246: 190 | P. 4, 308: 203 | P. 4, 313: 203 | P. 4, 332a: 255 | P. 4, 381: 127 | P. 4, 385a: 248 | P. 4, 451: 208 | P. 4, 455b: 198 | P. 4, 455e: 243 f. | P. 4, 467: 223 f., 241 | P. 4, 468a: 223, 226 | P. 4, 480a: 223 | P. 4, 489a: 223 | P. 4, 489d: 240 | P. 4, 493: 228 f. | P. 4, 497b: 223 | P. 4, 499: 223 | P. 4, 501a: 223 | P. 4, 510a: 223 | P. 4, 511a: 223 | P. 4, 514a. b: 223 | P. 4, 518: 234 | P. 4, 518a: 235 | P. 4, 521: 223 | P. 4, 530a: 223 | P. 5 inscr.: 184, 223 | P. 5, 34: 243 | P. 8, 1: 224 | P. 9 inscr.: 268 | P. 9 inscr. b: 269 | P. 9, 6a: 296 | P. 9, 43c: 290 | P. 9, 68: 284 | P. 9, 73: 284 | P. 9, 115a: 288 | P. 9, 137: 293 | P. 9, 151: 293 | P. 9, 156a: 300 | P. 9, 160: 300, 301 | P. 9, 161: 300 | P. 9, 163: 301 | P. 9, 177: 299 | P. 9, 185: 270 | P. 9, 195: 270 f. | P. 9, 209: 276 | P. 9, 214c: 271 | N. hyp.: 68 | N. 1, 49: 206 | N. 1, 101: 144 | N. 4, 1: 137 | N. 4, 5: 138 | N. 4, 10b: 138 | N. 4, 21c: 158 | N. 4, 30: 160 | N. 4, 32: 158, 300 | N. 4, 36a: 160 | N. 4, 36c: 192 | N. 4, 40: 143 | N. 4, 42: 142 f. | N. 4, 43: 142, 145 | N. 4, 49: 142 | N. 4, 50: 142 | N. 4, 50b: 158 | N. 4, 53: 126, 142 | N. 4, 56: 126 f. | N. 4, 58: 126, 128 f. | N. 4, 60: 126, 128 | N. 4, 61: 192 | N. 4, 71: 17 | N. 4, 88: 148 | N. 4, 92: 147 f., 149 | N. 4, 95b: 147 f. | N. 4, 101: 152 | N. 4, 107a: 147 | N. 4, 133: 140 | N. 4, 144: 136 | N. 4, 148a: 136 | N. 4, 151: 135 | N. 4, 151a: 132, 134 | N. 4, 153: 132 | N. 4, 153a. b: 136 | N. 4, 155a: 102 | N. 4, 155b: 105, 133 | N. 5, 46a: 147 | N. 8 inscr.: 11, 64 | N. 8, 1a: 71 | N. 8, 12: 17 | N. 8, 14a: 17 | N. 8, 24: 22 f. | N. 8, 26: 64 | N. 8, 32: 10 f. | N. 8, 34a: 21 | N. 8, 37: 15 | N. 8, 44: 17 | N. 8, 63: 46 f. | N. 8, 68: 65 | N. 8, 71b: 66 | N. 8, 79: 67 | N. 8, 85: 68 | I. 1, 79b: 158 | I. 6, 47: 145 Plat. Lys. 206 d: 106

Simonides fr. 10–18 West: 76 fr. 547 PMG: 207 | fr. 553 PMG: 68 | fr. 598 PMG: 19 Sophokles Aias: 15, 20 | 36–65: 20 | 97 f.: 19 | 434– 436: 143 | 441–446: 18 | 445–459: 19 | 689 f.: 96 | 792 f.: 89 | 1135–1138: 19 | 1239– 1245: 19 | 1299–1303: 143 Ant.: 60: 225 | 162 f.: 239 | 223 f.: 12 El.: 698–708: 245 | 701 f.: 188 | 716: 205 | 727: 188 Oid. K. 4 f.: 88 Oid. T.: 239 | 136: 96 | 160: 252 | 873–879: 230, 238 fr. 150, 2 TrGF: 151 | fr. 547 TrGF: 196 Strabon 8, 6, 19: 293 | 9, 5, 23: 146 | 17, 3, 20: 195 Suda ξ 169 s. v. Ξυστίς: 205 Synesios Ep. 113: 200 Theodoros epist. 6: 147 Theognis 197–210: 215 | 667–682: 42 | 1290–1294: 280 Theokrit 2, 17: 127 | 2, 51: 91 Theotimos (FGrH 470) F 1: 243–46

Sextus Iulius Africanus Ol. 80: 84, 106 Sieben Weise (DK 10): 241

Thukydides 1, 2–19: 76 | 1, 12: 112, 198 | 2, 65, 9: 230 | 3, 82 f.: 239 | 4, 109, 4: 199 | 5, 11, 1: 74 |

370

Register

5, 50, 4: 271 | 6, 5, 3: 244 | 6, 15, 2 f.: 245 | 6, 16–18: 245 | 6, 16: 76 | 7, 50, 2: 246 Timaios (FGrH 566) F 50: 205 Tyrtaios fr. 12, 6 West: 22

Xenophanes (DK 21) B 1, 21: 144 | B 2: 73 | B 2, 1. 17: 13, 277 | B 14–16: 51 | B 23–25: 58 | B 34 f.: 53, 58 Xenophon Ag. 9, 6: 245 an. 6, 1, 5: 12 equ. 1, 13: 12 Kyr.: 1, 6, 32: 129 | 7, 1, 29: 205